MASTER NEGATIVE NO.93-81396-14 MICROFILMED 1993 COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES/NEW YORK as part of the .• r. • „^.» "Foundations of Western Civilization Preservation Project Funded by the ,„,»,, xithttcc NATIONAL ENDOWMENT FOR THE HUMANITIES Reproductions may not be made without permission from ^ Columbia University Library COPYRIGHT STATEMENT The Copyright law of the United States - Title 17, United States Codi - concerns the making of photocop.es or other reproductions of copyrighted matenal. Under certain conditions specified in the law, übraries and Ses are authorized to *"rnish a photocopy or othe^^ reproduction. One of these specited conditions^ Dhotocopy or other reproduction is not to be used tor any purpose other than private study, schol3''sh'P' 0/ research." If a user makes a request for, pr 'at^r fes, a Dhotocopy or reproduction for purposes in excess of air Sse," that user may be liable for Copyright infringement. This Institution reserves the right fo ref use to accept a copy Order if, in its judgement, fu'^'l'ment of the order would involve violation of the Copyright law. AUTHOR: HECK, LUDWIG TITLE: DIE HAUPTGRUPPEN DES THIERSYSTEMS PLACE: LEIPZIG DA TE : 1885 COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES PRESERVATION DEPARTMENT BIBLIQGRAPHIC MICROFORM TARGET Master Negative # Original Material as Filmed - Existing Bibliographie Record r I [ ;i ii»mt*iM ^fmmaifmmßlfmfm "fm^mtm »^i*mti$mmmtt imii pSAröl Z8 V.3 • • • Restrictions on Use: Heck, Ludnigp 1860- ! i Die hauptgruppen des thiersystama bei Ariotota« lea und seinen nachfolgem; ein beitrag zur ge- sohichte der zoologischen Systematik. Inaugural- dissertation ••• vorgelegt von Ludwig Heck Leipzig, Rossberg, 1886 • j iv, 70 p. 2l|- cm* Bibliography, p. ^Tl^« Thesia« Leipzig. 1384# r --•-—•^ — -■<■ i.l r TECHNICAL MICROFORM DATA / FILM SIZE: ^___^ REDUCTION RATIO:...^.'^ IMAGE PLACEMENT: lA ^lA^ IB IIB DATE FILMED: ^AL2Jl INITIALS_.§^ RLMEDDY: RESEARCH PUBLICATIONS. INC WOODBRIDGE. CT V Association for Information and Image Management 1100 Wayne Avenue, Suite 1100 Silver Spring, Maryland 20910 301/587-8202 Centimeter 1 2 3 iiiniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiilii IM Inches 4 5 6 iiiiliiiiliiiiliiiiliiiiliiiiiiiimiii 1 T TTT 8 9 liiiiliiiilii riT 10 11 liiiliiiiliii MIM 12 13 14 15 mm iiiiiiiiiiii .0 LI 1.25 m 11^ 15^ Hill •^IIM m IM 1.4 4 2.5 2.2 2.0 1.8 1.6 TTT llllllllllllllllllllll MflNUFfiCTURED TO RUM STfiNDPRDS BY APPLIED IMfiGE, INC. ^^•':;,..;r;;t:; ■^ I Columbia Wlniimiitp 3 X LIBRARY .1 A 3 . / Die lauptgruppen des TMersystems bei Aristoteles und seinen Nachfolgern, . ■ ein Beitrag zur Geschichte der zoologischen Systematik. INAUGURALDISSERTATION ZUR ERLANGUNG DER PHILOSOPHISCHEN DOCTORWÜRDE DER HOHEN PHILOSOPHISCHEN FACULTÄT DER UNIVERSITÄT LEIPZIG VORGELEGT VON LUDWIG HECK AUS DARMSTADT. NOVEMBER 1884. LEIPZIG DRUCK DER ROSSBERG'SCHEN BUCHDRUCKEREL 1885. |4r Einleitung. Es ist erklärlich, dass eine Wissenschaft, die, wie die Zoo- logie, noch unzählige Aufgaben der practischen Forschung un- gelöst vor sich sieht, wenig Neigung hat, litterar-historische Rückblicke in ihre Vergangenheit zu werfen. Daraus resultirt dann aber die bei dem sonstigen regen wissenschaftHchen Leben besonders auffallende Thatsache, dass über ganz allgemeine Fragen aus der Geschichte der Zoologie genauere Quellenstudien vielfach noch fehlen. Eine solche Lücke auszufüllen ist der Zweck vorliegender Arbeit. Durch Wort und Beispiel seines ver- ehrten Lehrers angeregt und angeleitet, hat es der Verfasser darin unternommen, einen Anfang zu einer historischen Ent- wickelungsgeschichte unserer Kenntniss der typischen Gruppen des Thierreichs zu geben, oder mit andern Worten: die grössten Gruppen des zoologischen Systems dem Begriffe, wie dem Inhalt nach von Aristoteles ah durch Plinius, Albertus Magnus und die Zoologen der Renaissance hindurch zu verfolgen. Abgesehen von dem Selbstzweck der historisch-zoologischen Forschung, den gewiss Niemand bestreiten wird, darf wohl behauptet werden, dass für alle logisch-principiellen Fragen auch einer so realen Wissenschaft, wie der unsrigen, der geschichtliche der sicherste Grund und Boden ist: indem man die Wissenschaft früherer IV Perioden kennen lernt, eignet man sich 'ihre Vorzüge an und bewahrt sich vor ihren Fehlern. In erster Linie wird dem ent- sprechend die zoologische Systematik aus einer gründlichen Kenntniss ihrer Geschichte Nutzen ziehen können, und in- dem der Verfasser zu dieser durch seine Arbeit sein Scherflein beizutragen sich bemüht hat, gibt er sich der Hoffnung hin, dass ihm die Anerkennung nicht versagt werde, auch an seinem bescheidenen Theüe redlich für die Wissenschaft gearbeitet zu haben. • . V Aristoteles. Wer auf zoologischem Gebiete die historische Entwickelung einer wissenschaftlichen Erkenntniss von weiterem Belang zu verfolgen strebt , wird in den Werken des grossen Stagiriten kaum vergebens nach den ersten Anfängen suchen, es sei denn, dass diese auf Voraussetzungen beruhen, die das Alterthum nicht erfüllen konnte oder wenigstens thatsächlich in Folge seiner ganzen Geistesrichtung nicht erfüllt hat. In vielen Beziehungen finden wir sogar den alten Griechen bereits auf einer Höhe, die seine römischen utd christlichen Nachfolger Jahrhundertelang nicht wieder zu gewinnen vermochten. So dürfen wir insbe- sondere auch in der Systematik von dem grossen Philosophen, dem Vater des Realismus mit Recht eine bedeutende Leistung erwarten, und in der That verdient das aristotelische System sogar bis in viele Einzelheiten hinein auch heute noch voll- kommen den Namen eines natürlichen — das höchste Lob, das wir ihm zollen können. Dem Charakter seiner Schriften ent- sprechend und in dem Bestreben, nicht ein systematisches Hand- buch der Naturgeschichte zu liefern, sondern vielmehr die Be- schreibung der Thierwelt als einen Beweis und eine Anwendung seiner philosophischen Lehren, seiner ganzen Weltanschauung hinzustellen, hat Aristoteles bekanntermassen weniger ausdrück- lich ein System aufgestellt, als vielmehr ein solches stillschwei- gend seinen Ausführungen zu Grunde gelegt, und es hat deshalb lange gedauert, ehe man über dasselbe ins Klare kam. Das letzte Wort in dieser Sache hat wohl erst J. B. Meyer gesprochen, der das im Aristoteles enthaltene Material, sowie seine Methode, soweit er als Zoologe in Betracht kommt, in einer so gründ- lichen Weise zu Tage gefördert und zu beliebiger Verwerthung klar gelegt hat, dass man sich für jeden Schriftsteller, auf den man zurückzugehen genöthigl ist, nicht lebhaft genug einen ähnlich exacten Vorarbeiter wünschen kann. Von den Thiersystemen des Alterthums ist das des Aristo- teles das einzige, welches sich, wie Carus in seiner Geschichte ^ 2 - der Zoologie hervorhebt, in einer zusammenhängenden Form tibersehen lässt; „doch dürfte es verfehlt sein, ihn alllein als den Schöpfer eines solchen überhaupt hinzustellen." Und zwar nicht etwa deshalb, weil seine Arbeiten einen compilatorischen An- strich hätten, sondern weil, um mit Aubert und Wimmer zu reden, „ein Denker, welcher gar keine Vorarbeiten gefunden hätte, nicht im Stande gewesen sein könnte, neben seinen phi- losophischen Riesenwerken auch noch den Plan zu einer Durch- arbeitung der organischen Schöpfung zu fassen und in dem Umfange und mit dem Verständnisse durchzuführen, wie er es gethan hat" Jedenfalls ist uns aber Aristoteles auch in seiner Systematik der vollgültige Repräsentant der zoologischen Kennt- nisse des ganzen klassischen Alterthums ; denn der einzige zoo- logische Schriftsteller der Antike, der uns ausserdem noch erhalten ist, Plinius der Aeltere, steht verhältnissmässig so tief, dass sein wissenschaftlicher Werth neben dem eines Aristoteles ganz und gar verschwindet, und wir nur durch den Einfluss, den er in späteren Perioden unserer Wissenschaft vor und neben Aristoteles thatsächlich geübt hat, uns genöthigt sehen, überhaupt auf ihn einzugehen. Aristoteles' System dagegen, dieser älteste uns überlieferte Versuch, die Thierwelt sichtend und ordnend zur Uebersicht zu bringen, trägt bereits so mustergültige Züge, dass es über anderthalb Jahrtausend unsere Wissenschaft voll- ständig beherrschte, und erst die Neuzeit im Stande war, etwas Besseres an seine Stelle zu setzen. Aristoteles theilte, was uns vor allem Anderen hier angeht, die Thiere in sogenannte ykvn iikyioxa, weiteste, gleichwerthige Gruppen, die, wie der Name unzweideutig besagt, an systema- tischem Werth unseren Typen entsprechen sollten; inwieweit dies factisch geschah, muss ein Vergleich mit dem System der Gegenwart lehren. Dass aber die y^ yLiyiQxa in der That die grössten Gruppen sind, die Aristoteles als wirklich in der Natur begründet annahm, und dass andererseits jene Bezeichnungen nach Aufenthaltsort, Fortpflanzungsweise etc. nur gelegentliche Zusammenfassungen der verschiedenartigsten Thiere zu bestimm- ten praktischen Zwecken der Darstellung sind, wie man sie in einer anatomisch-physiologischen Uebersicht des Thierreichs nicht entbehren kann, um lästige Aufzählungen zu vermeiden, — dies dürfte durch Meyer überzeugend nachgewiesen sein. Auf diese Weise ist auch ein für allemal ein Ende gemacht mit jenen besonders in früherer Zeit häufigen Versuchen, Aristoteles auf Grund obiger Sammelnamen die eine oder die andere künstliche Eintheilung zuzuschreiben (s. Spix. § 8). Selbst die Unterschei- dung in Blutführende und Blutlose müssen wir in der angedeu- teten Weise auffassen, wenn auch von unserem jetzigen Stand- punkt aus der Gedanke allerdings verführerisch nahe liegt, in den iva.iiia. eine Vorahnung unserer Wirbelthiere zu sehen. Und doch wäre dies gewiss verfehlt; denn die Geschichte unserer Wissenschaft lehrt uns, dass der erste Schritt zur bewussten Zusammenfassung der 5 obersten Klassen des Systems auf Grund ihrer übereinstimmenden anatomischen Anlage erst in verhältnissig ausserordentlich später Zeit geschah. Daher dür- fen wir den iWt^a des Aristoteles — und zwar in ganz gleicher Weise wie seinen »Va*/*« — höchstens eine Bedeutung, ähnlich der unseres „Wirbellose" beimessen und können beide Unter- schiede dann vielleicht zu jenen allgemeineren rechnen, von denen Meyer sagt, dass sie als begleitende Merkmale im Zusammen- hang mehr Werth für die Gruppirung erhalten, als andere. Als ge- nügende Belegstelle für diese Auffassung mag bist. an. I, 6, gelten. Es fragt sich nun, welchen Prinzipien Aristoteles bei Auf- stellung seines Systems folgte, resp. wie er schon vorhandene Bezeichnungen wissenschaftlich zu stützen suchte, und wie sich seine Eintheilungsgrundsätze zu den jetzt massgebenden ver- halten. Hierbei dürfen wir nicht vergessen, dass Aristoteles in erster Linie nicht Systematiker, sondern vergleichender Anatom war und nur da selbst Gruppen aufstellte und ausdrücklich definirte, wo er nicht conventioneile, allgemein verständliche Ausdrücke vorfand. Nur aus diesem Gesichtspunkte lässt sich wenigstens die offenbar verschiedene Handhabung der systematischen Charakteristik bei Blutthieren und Blutlosen einigermassen erklären, die uns bei genauerem Studium des Aristoteles auffällt. Eine scharfe Umgrenzung der einzelnen Klassen der Wirbelthiere hält Arristoteles offenbar gar nicht für nothwendig, da bei den Jedem geläufigen Namen Missverständ- nisse wohl als ausgeschlossen gelten durften. Höchstens gele- gentlich findet sich, wie zufällig zwischen die allgemein gehal- tenen und vergleichenden Darstellungen eingestreut, ein Satz, der sich als systematische Definition einer Wirbelthierklasse ver- werthen Hesse: so für die Vögel bist. an. I, 5, 28, für Säuge- thiere und Reptilien ibid. 6, 34, wo die beü^effenden Gruppen durch die Federn resp. Haare und eine bestimmte Art von Schuppen {^>olk) charakterisirt werden. Welche exacte Um- schreibung der 4 wirbellosen ykvn iiiyioxa finden wir dagegen zu Anfang des 4ten Buches der Thiergeschichte! Aristoteles tritt hier als Systematiker schöpferisch auf: einen der daselbst an- geführten Namen hat er, wie aus einer anderen Stelle zu schliessen, offenbar erst zu einem terminus technicus gestempelt (bist. an. I, 6, 32), ausserdem einen andern bezeichnenderen an ^ 4 - 5 - Stelle eines unzureichenden Trivialnamens gesetzt (bist. an. t, 6, 32). Wir dürfen daher mit Recht erwarten, hier seine syste- matische Methode uneingeschränkt hervortreten zu sehen, und in der That finden wir, dass ein oberstes Eintheilungsprincip sich durch sämmtliche Charakteristiken der aufgeführten Grup- pen hindurchzieht: das Verhalten der Hart- und Weichtheile im Thierkörper. Mit anderen Worten : Aristoteles gründete, wo er sich durch kein Herkommen gebunden sah, seine weitesten systematischen Gruppen auf die von seinem Standpunkte aus denkbar elementarsten Charaktere; wenn es erlaubt ist, seine Lehre von den Elementen seine Chemie zu nennen, können wir geradezu sagen: auf chemisch-physikalische Eigenschaften. Wir müssen zugestehen: auch für uns die grundlegenden, denkbar allgemeinsten Qualitäten eines Körpers. Der innige Zusammen- hang der aristotelischen Philosophie und Naturwissenschaft tritt hier auf das Evidenteste hervor: die eine ist die Anwendung resp. die Abstraction der anderen, und so stellen sich denn auch die yivTi fiiytara schliessHch als eine reale Erscheinungsform der im zweiten Compositionsgrade möglichen Vereinigungen der vier Elemente dar. Eine ähnliche philosphische Durchdringung lässt sich für die fünf Wirbelthierklassen nicht nachweisen, und es ist dies ein Widerspruch in der aristotelischen Systematik, der durch keine Deutung so leicht aufgelösst werden dürfte. Aris- toteles begnügte sich hier damit, zu den in der Volkssprache bereits vorhandenen Abstractionen: Ix^i'eg, ogvid-ss und xtjtj) die TtiQanoda ^(üoztxa uud iLovoxa hinzuzuconstruircn , und wagte es nicht, diese sämmtlichen Formen enger zusammenzufassen, als durch die gelegentliche und für das eigentliche System bedeu- tungslose Bezeichnung «Vat/^a, obwohl er unzweifelhaft das über- einstimmende Verhalten ihrer Elementarcharaktere, der Hart- und Weichtheile, erkannt hatte (bist, an IV, 1, 1). Ob Aristoteles sich hier durch die alten, volksthümlichen Sammelnamen für gebunden erachtete, oder ob wir gar annehmen sollen, dass selbst der grösste Geist des Alterthums sich von dem Banne der An- schauung nicht frei machen konnte, die auch heute noch dem wissenschaftlich nicht Durchgebildeten einen Frosch und einen Vogel als mindestens ebenso verschieden erscheinen lässt, als einen Wurm und eine Schnecke, — diese Gedanken möchte ich nur als Fragen aussprechen, die Beantwortung lieber einem zünftigen Kenner des Alterthums überlassen. Ich kann nur auf die thatsächlich bestehende Ungleichheit in der systematischen Behandlung der hvaifia und aVcw^a hinweisen; ob sie dem Autor bewusst oder unbewusst war, wage ich nicht zu entscheiden. Vielleicht Hesse sich ein Ausgleich der Inconsequenz dadurch ^ finden, dass man den Hautbedeckungen der Wirbelthiere die- selbe Bedeutung als Elementarcharaktere beilegte, wie den Ver- hältnissen von Hart und Weich bei den Wirbellosen ; diese An- nahme könnte sich auf meteor. 4, 10. 388 a 13 stützen, wo Aristoteles nach Meyer die Haare neben Fleisch und Knochen als Elementarcompositionen zweiten Grades nennt. Damit wäre auch ein weiterer Stützpunkt für die selbständige Stellung der haarlosen Wale gewonnen, für die angesichts der ausdrücklich hei-vorgehobenen Uebereinstimmung mit den Säugethieren in allen übrigen systematischen Charakteren sonst nur ein kaum mehr als formeller Grund durch den Ausdruck rerpaVoda gege- ben ist. Oder sollte hier die aristotelische Philosophie in ande- rer Weise ihren Einfluss auf die aristotelische Systematik äussern, indem nämlich durch jene der Aufenthaltsort eine unmittelbare Bedeutung für das ganze Wesen des Thieres erhielte? Fast will es so scheinen, namentlich im Hinblick auf die systematische Behandlung der Schlangen, die doch zu den rnganoSa (Loröxa ge- nau in demselben Verhältniss stehen, wie die Wale zu den TETQoSnoSa IwoT^xa. Trotzdcm wcrdcu sie unbedenklich, wie schon das zuweilen dem Targd^oSa beigefügte ^' t^noSa beweist, mit den übrigen Reptilien vereinigt. Vielleicht nur, weil ihnen die Schuppen nicht mangeln und sie auf dem Lande leben wie die Eidechsen, auf die sie mit Glück in ihren Organisationsverhält- nissen zurückgeführt werden? Derartige Fragen werden der definitiven Eriedigung wohl ewig harren müssen; der Beweis ist uns mit dem theilweisen Veriust der aristotelischen Schriften unmöglich geworden. Angesichts der hervorgehobenen Umstände ist nun, wie unschwer einleuchten mag, eine genügende Charakteristik der aristotelischen yivij fiiy^aTa tüjv haiuoiv mit des Autors eignen Wor- ten zu geben ebenso schwer und umständlieh, wie dasselbe tür die vier grössten Gruppen der Wirbellosen leicht und einfach ist, und es mag deshalb einer historisch-kritischen Untersuchung für die Wirbelthierklassen damit genügt sein, festzustellen, in- wieweit sich die Eigenschaften, die jetzt in erster Linie zur Charakteristik der entsprechenden Gruppen unseres Systems be- nutzt werden, bereits im Aristoteles erwähnt finden. Dabei kommen wir denn zu dem Resultat, dass die aristotelischen Tttoänaöa CaoTÖtca, die x^ttj, i'gvi&st, tSTgänoSa wozbxa UUd Ix^its an Umfang, d. h., was die Qualität der einbegriffenen Thierformen anlangt, mit unseren Säugethieren, Walen, Vögeln, (Reptilien und) Amphibien und Fischen vollständig sich decken, und dass auch die systematische Charakteristik, soweit sie sich aus den vergleichenden Darstellungen des Aristoteles herauslesen lässt, - 6 - der unsrigen entspricht, soweit nicht die grundlegenden anato- misch-physiologischen Kenntnisse und Vorstellungen des Aristoteles hier nothwendigerweise Lücken oder Fehler im Gefolge haben mussten. Mit dieser Einschränkung können wir sogar dem Aristoteles bereits eine im grossen Ganzen richtige Erkenntniss der durchgehenden Eigenschaften aller Wirbelthiere zugestehen. Er bespricht sie unter dem Abschnitt der ifioioasQ^, d. h. der- jenigen Theile, innerhalb deren er keine verscniedenen Form- elemente mehr wahrnahm (bist an. III, 18 — 109) und führt als solche von jetzt noch für die Systematik bedeutungsvollen Cha- rakteren zunächst Blul^ und Blutgefässsystem an (Cap. 2, 19 — 4, 48). Hier sind seine Forschungen, deren Mittheilung er an eine Kritik älterer Arbeiten über denselben Gegenstand anschliesst, grundlegend: er war der Erste, der den Ursprung der Gefässe richtig vom Herzen ableitete (bist. an. IH, 3, 31) und dieses als wesentliches Charakteristicum der Wirbelthiere hinstellte (de part. HI, 4, 666 b. 20), indem er, ganz wie wir dies heute noch in entsprechenden Fällen zu thun pflegen, diese Ansicht durch den Hinweis auf das frühe Auftreten im Embryomalleben zu stützen suchte (ibid. 17). Er kannte ferner die Hauptgefäss- stämme und beobachtete die verschiedenartige Beschaffenheit der aorta und vena cava (bist. an. III. 3, 33); ja, er kannte so- gar die zwiefache Natur des in beiden enthaltenen Blutes (de part ni. 4, Seite 139, Zeile 31). Daher dürfen wir, um nicht unbillig viel zu verlangen, uns nicht wundern, dass er es sich an diesen selbstgeschaffenen Anfängen gentigen Hess, an einen Kreislauf, dessen Erkenntniss ja überhaupt erst eine späte Erungen- schaftder Physiologie ist, noch nicht dachte, dass er die feineren Modificationen der Hauptgefässstämme, wie sie bei den verschie- denen Wirbelthierklassen auftreten, übersah und einen gleich- massigen Verlauf derselben bei allen Blutthieren annahm (bist, an. in, 4, 48), sowie, was uns besonders hier interessirt, dass ihm die zunehmende Complicität des Herzens innerhalb der ein- zelnen Wirbelthierklassen, die Kanunerung entging. We- nigstens blieb sie ihm in der Weise, wie wir sie jezt als systematisch nnd physiologisch wichtigen Charakter erkennen, unbekannt; er hielt den Bau des Herzens bei allen Wirbelthie- ren für gleichmässig, nur sollten die drei Höhlungen bei grossen und kleinen Thieren verschieden deutlich sein (bist. an. IH, 32). Dagegen nimmt er Unterschiede des Herzens in Bezug auf Grösse und Kleinheit, Härte und Weichheit an, und zwar im Zusammenhang mit den geistigen Eigenschaften der betreffenden Thiere, wohl weniger in Folge von thatsächlichen Beobach- tungen, denn als speculative Consequenz seiner Lehre vom - 7 - Herzen als Centrum des Seelenlebens (de part. HI, 4, 64). Da- bei werden aber die yivTj fiiyiata gar nicht genannt, und nur die Erwähnung einer abweichenden Lage des Fischherzens, durch falsche Deutung des bulbus arteriosus' hervorgerufen, liesse sich allenfalls systematisch verwerthen (bist. an. HI, 17, 71) Die wesentUchen Charaktere also, die der späteren Systematik die Zusammensetzung des Herzens sowie auch das Verhalten der daraus entspringenden grossen Gefässe bei den verschiedenen Wirbelthierklassen lieferten, fehlten den aristotelischen y^v?] fiiyiaza r^v haif^v noch ganz und gar. Ebenso wenig ist von einer systematisch brauchbaren Unterscheidung m Kaltr und Warm- blüter etwas zu finden, obwohl hierfür die zu Grunde liegenden physikalischen Vorstellungen ganz irrelevant snd, und Aristoteles einfach durch das Gefühl ganz wohl aut das Richtige hatte kommen können. Er scheint aber geglaubt zu haben sich aut dieses nicht verlassen zu dürfen (de part IV, 2 648 b), und indem er mit Hülfe seiner Physiologie und Psychologie nach einem wissenschaftlicheren Masße für die Bestimmung der Warme bei den verschiedenen Thieren sucht, gelangt er am Ende zu ganz willkürlichen, speculativ erschlossenen Unterschieden, die ohne irgend welchen Zusammenhang mit semer pjassincar tion bald in seelischen Eigenschaften (de part. III, 4, bb7 a Ib), bald aber - und zwar in ganz entgegengesetzter Weise — m den Verhältnissen der Ortsbewegung ihren Ausdruck finden soUen rde part IV, 6), Soviel dürfte indess durch den Wortlaut ausser allem Zweifel sein, dass Aristoteles die constante, von der Um- gebung unabhängige Eigenwärme, dieses Charaktensticum un- serer fetzigen Warmblüter (Homöothermen) nich erkannt hatte (de gen. an. 2, 4, 738 a 18. S. Meyer Seite 428) - In emem folgenden Abschnitt der b^o^of^sg^i erwähnt Aristoteles die Wirbel- säule; sie wird als aUen Blutthieren gemeinsam bei den Knochen genannt (bist. an. III, 7, 60) und ihr eine dommirende Bedeu- ling unter diesen eingeräumt (ibid. 54). Ebenso hatte Aristo- teles ihre Function als Stütze des ganzen Körpers (de part. H, 9) wie überhaupt den Zweck der Skeletbildungen nchtig er- kannt (ibid. 655 a 23), während er über die Mechanik desThier- körpers selbst zu den abenteuerlichsten Vorstellungen seme Zu- flucht nehmen musste, weil ihm Muskeln und Nerven als solche verborgen blieben. - Später schliessen sich m der Reihe der 6ao™^die Hautbedeckungen an. Diese schemt Aristoteles als direSentlichen Charakteristica der verschiedenen Wirbelthier- klassen angesehen zu haben : sie werden wenigstens m den zer- streuten Sätzen genannt, die sich als Definitionen jener aut- fassen und verwerthen lassen. Die Säugethiere werden so - 8 -. durch die Haare charakterisirt (bist. an. I, 6, 34), mit denen ganz richtig bereits auch die Stacheln identificirt werden (bist an, I, 6, 34), die Vögel durch die Federn (bist. I, 5, 28), die Reptilien und Amphibien durch eine bestimmte Art von Schup- pen (bist. an. I, 6, 34), die Fische durch eine andere Schuppe (bist. an. II, 13, 57). Für die Terganoda Mxa erweist sich die- ser Charakter natürlich sofort als unzureichend, und dies muss unbedingt auch dem Aristoteles selbst zum Bewusstsein gekom- men sein, da der ßdr^axos ihm ein ebenso wohlbekanntes Thier war, wie er es uns ist. Die im Namen der Gruppe enthaltenen Eigenschaften sind ebensowenig durchgehende, und auch dies wusste Aristoteles unzweifelhaft; er constatirt ja selbst Ausnahmen (bist. an. I, 6, 34). Wenn wir nun trotzdem in seinen Schriften keine andere Umschreibung unserer Reptilien und Amphibien finden, so können wir dies eben nur als Beweis dafür nehmen, wie wenig überhaupt dem Autor an einer exacten Definition seiner Wirbelthiergruppen gelegen war. — Auch die Fische konnte Aristoteles durch die Xenis unmöglich für genügend cha- rakterisirt halten, zumal er die Selachier bereits so genau kannte, wie wir sie erst in der neuesten Zeit wieder kennen gelernt haben. Hier finden wir aber wenigstens eine andere durchgreifende Eigenthtimlicbkeit ausdrücklich und wiederholt als solche ange- geben, den Kiemenapparat (de part. IV, 13, 696 b 28); derselbe wird auch bereits als das Analogen der Lunge bezeichnet (de part. in, 6, 669 a 3), während über den Zweck des Athmens selbst bei dem absoluten Mangel chemischer Vorstellungen wie- derum richtige Beobachtungen einer ganz absonderlichen Theorie zum Ausgangspunkt dienen mussten. Doch kennt Aristoteles auch einen kiementragenden Vierfüsser, den xogSiXos (de part IV. 13, 6951)25). „Der Commentation von jeher ein Stein des Anstosses", bemerkt Meyer dazu. Von weiteren Cha- rakteren der Fische, die jetzt noch für die Systematik in Be- tracht kommen, erwähnt Aristoteles die Flossen; doch erkennt er nur die paarigen als solche an, da er die Vierzahl der Ex- remitäten bei den Blutthieren für unüberschreitbar hält (ibid. 23). Das Fehlen einer ventralen Harnblase, das uns noch bei der systematischen Definition der Fische als wesentiich gilt, consta- tirt auch Aristoteles (bist. an. H, 16, 70). Wir überzeugen uns also, dass dem Begriff'e der aristotelischen i^^Ug im Vergleiche zu unseren Fischen die wesentiichen Charaktere der unpaaren Extremitäten, der Zusammensetzung des Herzens und der Kalt- blütigkeit noch fehlen. Noch unvollständiger ist die Umgrenzung der Reptilien und Amphibien, die sich aus Belegstellen des Aristoteles construiren } lässt. Hier sind seine Angaben dermassen lückenhaft, dass Meyer zur Erklärung selbst solche Gründe herbeiziehen zu müssen glaubt, wie „Scheu vor manchen derselben und Ekel vor ihrer Hässlichkeit^^, von der Aristoteles allerdings ausdrück- lich spricht (de part. III, 12, 674 a 20). Schon die Namen {zsTodnoda Und tpoUiürd) erwciscn sich für die Gruppe in ihrem nachweislichen Umfang als durchaus unzureichend, und es kann dies, wie bereits hervorgehoben, dem Autor selbst unmöglich entgangen sein. Mitunter suchte er sich durch den Ausdruck änoSa zu helfen (bist. an. II, 10, 38); indess scheint ibna r« terganoda mal ofOTonovvra doch bereits SO zum tcrminus tcchnicus geworden zu sein, dass er auch die Schlangen einschliessen kann (bist an. IV, 9, 105). Die q>oXls, die mehrfach als Eigen- thümlichkeit erwähnt wird, kann wegen der ausdrücklichen Pa- rallelisrung mit der Unis (bist an. I, 6, 34) doch wohl kaum anders denn als Schuppe gefasst werden und passt dann nicht auf die eigentlichen Amphibien. Dieser Gedanke muss sich auch dem Aristoteles selbst manchmal lebhaft aufgedrängt haben ; denn er hält es mitunter für nöthig, die Allgemeinheit des Cha rakters wieder einzuschränken (bist. an. II, L3, 57). An ande- ren Stellen schreibt er aber dann allerdings wieder die tpoXis in der denkbar umfassendsten Weise allen seinen nzganoSa xai tLoToxovvra ZU (hist. an. I, 6, 34). Ob eine Deutung des Wortes möglich ist derart, dass auch die nackte Haut der Frösche dar- unter verstanden werden könnte, wobei dann die Beschaffenheit derselben bei den Kröten eine Vermittelung bieten dürite, diese Frage mag philologischem Scharfsinn überlassen bleiben. Wir halten uns an die Thatsache, dass Aristoteles eine ausreichende gemeinschaftliche Bezeichnung und Charakterisirung der unse- ren Reptilien und Amphibien entsprechenden Gruppe seines Systems nicht zu finden wusste; und in der That, es dürfte auch uns heute schwer werden, eine solche kurz gefasst und in positiver Weise zu geben. Was beide Klassen nächst der Hautbeschaffenheit in unserem System scheidet, Kiemen- und Lungenathmung und ausschliessliche Lungenathmung, mit an- dern Worten: freie Methamorphose und Entwickelung mit Am- nion und Allantois, findet sich bei Aristoteles nirgends genauer be- schrieben, obwohl es an Gelegenheit hierzu wahrlich nicht gefehlt hat, mitunter sogar eine gewisse Nöthigung dazu vor- handen gewesen sein dürfte (hist. an. III, 33, 147). So schwer es einleuchten mag, Aristoteles scheint die Verwandlung des Frosches nicht beobachtet zu haben, und so mag denn der HogdtXos ihm selbst ein ebenso grosser Stein des Anstosses ge- wesen sein, als seinen Commentatoren. Dass er die complicirten i — 10 — Verhältnisse und Functionen der EihtiUen in ihrer ganzen Be- deutung noch nicht klar erkannte, ist dem Begründer unserer Wissenschaft weniger schwer anzurechnen: doch gieht er be- reits beachtenswerthe Anfänge einer Entwickelungsgeschichte, auf denen weiter zu bauen erst der Neuzeit vergönnt war. Von allgemeinen Eigenschaften der TargdiioSa noX woroxovvra, die für die systematische Definition in Betracht kommen, findet sich also im Aristoteles ausser den schon im Namen enthaltenen nur (poXidma erwähnt, und keiner dieser Charaktere ist durchgehend, wofür der Autor selbst den Beweis liefert, indem er von zweien direct Ausnahmen als solche anführt, während er die Unzuläng- lichkeit des dritten durch wiederholte Ei-wähnung eines Thieres illustrirt, dessen oberflächlichste Betrachtung von jener über- zeugen musste. Unter solchen Umständen können wir nur unsere oben geäusserte Ansicht wiederholen, dass dem Aristo- teles bei den Blutthieren wenigstens die Systematik ganz Neben- sache war, dass es ihm genügte, zusammenfassende Ausdrücke gefunden, weitverbreitete Eigenschaften hervorgehoben zu haben, dass er sich aber über die etwaige Unzulänglichkeit beider zu systematischen Zwecken weiter keine Skrupel machte. Dabei dürfen wir allerdings nicht vergessen, dass eine gemeinsame Benennung und kurze positive Charakterisirung der Reptilien und Amphibien in der That eine schwer zu lösende Aufgabe, wenn nicht ein Ding der Unmöglichkeit sein dürfte. Für die systematische Definition der Vögel aus dem Aris- toteles gestalten sich die Verhältnisse insofern ungleich einfacher, als dieselben in ihren Federn ein so ausgezeichnetes Merkmal besitzen, dass sie schon von altersher wohl zu den bestbe- grenzten Thiergruppen gehört haben. Auch Aristoteles charak- terisirt seine ogvi^es durch das Prädikat nzegüJTos (bist. an. 1. 5, 28), und im Grunde ist diese Eigenschaft auch heute noch zur Um- grenzung genügend. Von weiteren systematisch wichtigen Cha- rakteren war dem Aristoteles natürlicherweise das Eierlegen eine ebenso landläufige Eigenheit der Vögel, wie uns heutzu- tage ; dagegen findet sich von den Eigenthümlichkeiten des Blut- gefässsystems nnd des Skelets, die wir jetzt zur Definition her- beiziehen, noch nichts erwähnt. Den Flügel nennt Aristoteles zwar ein i'8iov der Vögel (ibid.) und setzt ihn den Vorderbeinen oder Armen gleich, im Einzelnen scheint er aber die Homo- logien verkannt zu haben (ibid.). Die Vögel waren durch Jedem geläufige Merkmale zum Zwecke allgemeiner Darstellungen so unzweideutig bestimmt, dass das, Avas hier die eigentliche Auf- gabe der Wissenschaft war, nämlich zu jenen äusseren weitere ' - 11 — anatomische Eigenthümlichkeiten als systematische Merkmale hervorzuheben, Aristoteles gar nicht nahe trat Was für die Vögel die Federn, das sind auch schon in der aristotelischen Systematik für die Säugethiere die Haare (bist, an. I, 6, 34), mit denen ganz richtig, wie bereits erwähnt, die Stacheln zusammengestellt werden. In Verbindung mit diesem Charakter wird ferner das Erzeugen lebendiger Jungen genannt, und auch die eigenthümliche Ernährungsweise derselben durch ein Drüsensecret der Mutter findet mehrfache, wenn auch meist nur indirekte Erwähnung (de pari IV, 10, 688 b 5); sie wurde wohl als zu bekannt vorausgesetzt, um noch einmal besonders hervorgehoben werden zu müssen. Von den Eigenthümlich- keiten des Gehirns abgesehen, die natürlich erst gebührend ge- würdigt werden konnten, nachdem das Gehirn in seiner wahren Bedeutung erkannt war, fehlt also der Charakteristik der aristo- telischen T€TQ(£noSa xai ^(üozoxa unscrcn Säugcthiercn gegenüber nur der doppelte Hinterhauptscondylus ; dies ist aber ein syste- matisches Merkmal, welches überhaupt erst spät zur Umgrenzung der Klasse herangezogen wurde. Die muthmasslichen Gründe, die Aristoteles zur Aufstellung der Wale als besonderes yivos ftiyioTov bewogen haben mögen, sind bereits oben angedeutet; es wäre nun noch die Charakteristik gegenüber der unsrigen zu prüfen. Hierbei kommen wir zu dem Resultat, dass Aristoteles, obwohl er die Wale mit den Fischen als i'wdga zusammenfasst (bist. an. II, 13, 52), doch be- reits alle die Eigenschaften kannte, die sie von jenen trennen und den Säugethieren zuweisen; es wird also wohl hauptsäch- lich die Formulirung dieser letzteren als TetgunoSa gewesen sein, die ihn verhinderte, beide Gruppen zu vereinigen. Von speci- ellen Eigenthümlichkeiten der Wale, die heute noch als solche gelten, erwähnt er die Spritzröhre (bist. an. I, 5, 23); ausser- dem werden die Barten genannt und mit richtigem Blick als haarartige Gebilde gekennzeichnet (bist. an. HI. 12, 79). Die fast gänzliche Abwesenheit der Haare am übrigen Körper der Wale, die Stellung der Schwanzflosse , sowie das Fehlen der Hinterextremitäten scheint ihm dagegen nicht aufgefallen zu sein. Oder hatten vielleicht diese Eigenthümlichkeiten fttr ihn nicht die Bedeutung wie für uns, da er nicht durch sie die Wale von den übrigen Säugethieren zu unterscheiden hatte? — Im Hinblick auf spätere Systeme ist schliesslich noch noth- wendig, ausdrücklich hervorzuheben, dass Aristoteles, wie Meyer mit der ihm eigenen Giündlichkeit nachweist, weder den Seehund zu den Walen, noch die Fledermaus zu den Vögeln rechnete, son- dern die Säugethiernatur beider Geschöpfe unzweifelhaft erkannt - 12 - hatte. Die Fledermaus wird überhaupt nur kurz erwähnt, dann aber nie bei den Vögeln, sondern stets bei den TETgdnoöa not CojoTona, und auch in den allgemeinen Kapiteln, wo z. B. von den Unterschieden der Beflügelung gehandelt wird (bist an. L 5, 28), werden ihre Flughäute sehr wohl von den Flügeln der Vögel unterschieden. Aristoteles scheint sogar trächtige Fleder- . mausweibchen untersucht zu haben (bist. an. III, 1, 18) und konnte also unmöglich über ihre systematische Stellung im Zweifel sein. In Bezug auf den Seehund ist allerdings eine Stelle vorhanden, die zu jener fälschlichen Auffassung verleiten könnte (bist. an. III. 1, 18); aber diese ist höchst wahrschein- lich verdorben und lässt sich überdies leicht in der Weise cor- rigiren, dass der Widerspruch sich löst. (s. Meyer, S. 150). Soviel über die ^vaif^fi des Aristoteles. Wenn auch in der Folge noch wesentliche Vervollständigungen der systematischen Definitionen, mehrfache Verschiebungen in der Werthschätzung und gegenseitigen Stellung der hierhergehörigen y^vri fisyiara statt- finden mussten, so sind doch die Gruppen selbst durchweg na- türliche und heute noch zu Recht bestehend. Es sind nur die Wale den Säugethieren einverleibt, ausserdem die aristotelischen T€TQd^o3a woToxa in Reptilien und Amphibien zerlegt worden; letzteres ist aber ein Fortschritt, der eine so bedeutende Ver- tiefung vergleichend-anatomischer und besonders entwickelungs- geschichlicher Studien zur Voraussetzung hatte, wie sie erst in der neuesten Zeit eingetreten ist. Im Uebrigen haben wir in den aristotelischen yivTj ^Byiora ra twv ivalfiojv bereits vollständig die Klassen unserer Wirbelthiere vor uns; sogar die gemeinsamen Züge aller dieser letzteren waren dem Aristoteles nicht entgan- gen, wenn er es auch unterliess, diese Wahrnehmung in seinem System zum Ausdruck zu bringen. Er hielt hier wohl landläu- figen Anschauungen zu Liebe und, weil ihm überhaupt syste- matische Neuerungen fern lagen, einen Standpunkt fest, der ihm vermöge des Umfangs und der philosophischen Durchdring- ung seines zoologischen Wissens wohl als überwunden hätte gelten dürfen. — Desto freier und consequenter sehen wir ihn auf dem Ge- biete der Wirbellosen sein System ausgestalten. Hier fiel nicht nur die hemmende Rücksicht auf -bereits im Volksbewusstsein festsitzende Abstractionen weg, sondern es war geradezu die Noth- wendigkeit vorhanden, in das Chaos der Formen systematische Ordnung zu bringen : die zum Zwecke allgemeiner Darstellungen unentbehrlichen zusammenfassenden Begriffe und Ausdrücke, die bei den Wirbelthieren so bequem aus der Volkssprache auf- gegriffen und benutzt werden konnten^ mussten hier erst ge- 13 -- Wonnen werden. Hier, wo er frei schalten und walten konnte, kommen denn auch die Eintheilungsprincipien des Aristoteles ganz und voll zur Geltung; sie bestehen, wie wir bereits wissen, für die weitesten Gruppen des Systems aus den nach seiner ganzen Naturanschauung denkbar allgemeinsten Eigenschaften, dem Verhalten der Hart^ und Weichtheile. Aus diesem Gesichts- punkte sind die vier yiv?] fiiyiara tojv dvaifuav sämmtlich gebildet. Ehe wir auf dieselben im Einzelnen näher eingehen, möge mit einigen Worten der gemeinsamen Verhältnisse gedacht sein, de- ren Aristoteles auch bei seinen Blutlosen einige namhaft macht Er behandelt zwar die Anatomie dieser letzteren niemals in der zusammenfassenden Weise, wie er bei den Blutthieren vielfach verfährt, sondern trennt sie stets nach ihren einzelnen grossen Genera: wenn wir wollen, ein indirectes Zugeständniss der über- einstimmenden Grundzüge im Bau der Wirbelthiere, andererseits der Grundverschiedenheit der wirbellosen Typen. Indess er- wähnt er doch auch einige durchgehende Eigenschaften dieser letzteren und führt als solche ausser der im Namen enthaltenen Blutlosigkeit (d. h. bekanntlich Fehlen rothen Blutes) vorzüglich die Abwesenheit der gesammten Eingeweide, anUyxva, an (de part. IV, 5), worunter wir indess nur die mehr massenhaften Organe, Lunge, Leber, Milz und Niere, zu verstehen haben. Ebenso spricht er den Blutlosen Adern und Blase ab (ibid.), da er dieselben mit jenen Organen in engen Zusammenhang bringt. Auch athmen die Blutlosen nicht, nur ein Analogon des Herzens und die zur Ernährung dienenden Theile müssen sie nothwen- digerweise haben. An anderer Stelle hebt Aristoteles den Besitz der fi^T^s oder des ^tjxojv hervor (de part IV, 5, 681 b), und dies ist die einzige positive Eigenthümlichkeit, die er als allen Blutlosen gemeinsam anführt Den genaueren Beschreibungen ihrer Lage nach ist unzweifelhaft die Leber gemeint, die aller- dings ihrer voluminösen Entwickelung wegen bei vielen Wir- bellosen der Beobachtung nicht wohl entgehen kann. Die all- gemeinen Aussagen des Aristoteles über die Blutlosen scheinen übrigens, dem Wortlaute nach zu urtheilen, viel mehr aprioristische, mit Hülfe seiner eigenthümlich verknüpften Physiologie und Psychologie gewonnene Schlüsse, als Resultate wirklicher Be- obachtung zu sein, und wenn wir gerecht sein wollen, dürfen wir uns auch in der That nicht wundern, dass er mit seinen Untersuchungsmitteln und bei dem Stande seiner physiologischen Kenntnisse in der Mehrzahl der Fälle es nicht verstand, die anatomischen Verhältnisse der Wirbellosen auf die der Wirbel- thiere zurückzuführen. Eine kurze Darstellung seines Systems der Wirbellosen gibt - J4 - Aristoteles an der bekannten Stelle zu Anfang des 4tenBuciie8; doch darf man sich nicht hierauf beschränken, wenn man eine vollständige systematische Definition der betreffenden Gruppen, im Sinne des Aristoteles erhalten will. Gleich für die fiaUma müssen wir noch de pari II, 9, 654 a anziehen, um sie durch die eigenthümliche, zwischen Fleisch und Sehne stehende Beschaffen- heit ihres Körpers von den Blutthieren zu unterscheiden, mit denen sie in der Lagebeziehung der Hart- und Weichtheile übereinstimmen. Aristoteles kannte die unseren Cephalopoden entsprechenden „Weichthiere" sehr genau und räumte ihnen in Folge dessen bereits eine sehr selbständige Stellung ein, die erst in der neuesten Zeit wieder anerkannt worden ist Ihre systema- tische Charakteristik nach Aristoteles lautet: blutlos, die dem Fleisch entsprechende Masse aussen, das Feste aber, wenn es vorhanden ist, innen; der Körper von einer zwischen Sehne und Fleisch stehenden Beschaffenheit. Indess auch die jetzt in erster Linie für systematisch wichtig gehaltenen Charaktere waren dem Aristoteles bereits bekannt; so wird auf die im jetzigen Namen enthaltenen Eigenthümlichkeiten in der eingehenderen Beschrei- bung der Cephalopoden die auf die kurze Uebersicht der Blut- losen folgt, mehrfach hingedeutet Die Fangarme werden ziem- lich genau beschrieben, auch der Trichter und seine Function erwähnt. Aristoteles spricht sogar von der Verwendung des einen Fangarmes bei der Begattung, und es gewinnt demnach den Anschein, als ob diese ganz einzige Eigenthümlichkeit der Cephalopoden, die so spät erst zu unserer genauen Kenntniss gelangte, ihm bereits wohl bekannt gewesen sei. Indess wider- spricht dieser Annahme nach Aubert und Wimmer eine andere Stelle (de gen. 1, 29) auf das Bestimmteste, und die vorliegende ist nach Ansicht der beiden Commentatoren als verdorben zu betrachten. Schliesslich verdienen noch die beschälten Cepha- lopoden des Aristoteles (der eine höchst wahrscheinlich Argo- nauta, der andere nicht deutbar) besondere Erwähnung als ehrenvolles Beispiel für den freien Blick des alten Naturfor- schers, für den echt natürlichen Charakter seines Systems. In seinen Augen musste allerdings die Argonauta als ein Thier erscheinen, das Charaktere zweier grösster Gruppen des Systems in sich vereinigte, und er verfehlt dem entsprechend nicht, auf die absonderliche Natur des Geschöpfes auimerksam zu machen (bist an. IX, 37, 153;. Er wird wohl in ihm eine jener Ueber- gangsformen gesehen haben, die er bereits so wohl anerkannte — ein echt natürlicher Zug seiner Systematik; wenigstens ver- leiht dieser Annahme der Umstand eine gewisse Berechtigung, dass Aristoteles die Beschreibung seines vavriloe einmal vor, ein- tö mal hinter die die fiaUxia abschliessende Bemerkung einschiebt (bist an. IX, 37, 152 und IV, 1, 15). An dieser systematischen Stellung, die Aristoteles den beschälten Cephalopoden gibt , tritt sehr schön hervor, wie er nicht mit der künstlichen Systemen eigenen Rücksichtslosigkeit die Einzelformen in die einmal auf- gestellten Kategorien einordnete, sondern als wahrhafter Kenner der Thierwelt hierbei stets den gesammten Bauverhältnissen Rechnung trug, selbst auf die Gefahr hin, mit der selbstge- schaffenen, wenn der Ausdruck erlaubt ist, philosophischen Ab- straction der betreffenden Klasse in Widerspruch zu gerathen. Hätte Aristoteles den Grundsatz gehabt, nur auf diese Rück- sicht zunehmen, so hätte er die Argonauta unbedingt zu seinen Schalhäutigen, lozQaMbdeQfia^ stellen müssen ; denn der allgemeinste Charakter dieser ist es, die Fleischmasse inwendig, das Harte aber, welches spröde und brüchig ist, aussen zu haben. Aris- toteles hat hier, wenn nicht den Begriff, so doch den Namen neu gebildet, an Stelle des bis dahin üblichen gesetzt, der aller- dings, bist an. L, 6, 32 nach zu schliessen, auch schon in der- selben umfassenden Weise gebraucht worden zu sein scheint Eine neue Benennung war hier nicht blos gerechtfertigt, sondern sogar nothwendig, um Zweideutigkeit zu vermeiden, da jener alte Name ausser seiner allgemeinen auch noch eine specielle Bedeutung besass, in der ihn Aristoteles beibehielt Ohne Zweifel entsprechen die aristotelischen oatQaxodegfia in der Hauptsachc unseren Mollusken; Aristoteles nennt unmittelbar hinter der Definition der Gruppe als charak- teristische Vertreter derselben derselben Schnecken und Muschehi. Allein damit ist ihr Inhalt keineswegs erschöpft; im Gegentheil, bei näherem Zusehen wächst sie derart ins Unbestimmte hinein, indem die verschiedenartigsten Thiere darin Platz finden, dass sie den Commentatoren viel Kopfzerbrechen gemacht hat, und das !derbe Wort von der Rumpelkammer des Systems, wenn überhaupt irgendwo bei Aristoteles, so hier am Platze sein dürfte. Den bereits genannten Schnecken und Muscheln, oTQOfxßiüörj und öi^vga, fügt Aristotclcs zunächst eine dritte Gruppe der fiovo^v^a an, als deren Vertreter er nach Meyer stets nur die sogenannten XsTtdöes namhaft macht „Es stimmen alle Erklären darin überein", sagt jener weiter, „unsere Patellen darin zusehen; über öieoiyQia Unds herrscht dagegen noch eine grosse Meinungsverschiedenheit." Wir können und wollen uns hier auf weitere Deutungen nicht einlassen; für unseren Zwek genügt das Resultat, dass die drei genannten Unterabtheilungen der öaT^axoösQfia vou Unzweifelhaften Mollusken gebildet werden. Von dem übereinstimmenden inneren Baue der Schalthiere spricht ^ ü ^ Aristoteles zwar im Allgemeinen (bist. an. IV, 4 43); doch macht ei^ darüber kaum factische Angaben, und von der Definition unse- rer Mollusken lässt sich im Aristoteles, abgesehen von der Scha- lenbildung nichts wiederfinden ausser etwa dem Fusse (ibid. 44), den er aber als solchen nicht von dem Kopftheil der Schnecken trennt — Neben den eigentlichen Mollusken rechnete Aristote- les ohne Zweifel auch die Tethyen und Seeigel zu seinen Schalthieren; aber an derselben Stelle, die uns diesen Schluss erlaubt, räumt er ihnen innerhalb der Schalthiere die selbst- ständige Stellung je eines yivos ein und beweist dadurch, dass ihm die eigenthümliche Natur beider Thierformen nicht entgangen war. Betreffs der Tethyen tritt dies bist. an. IV, 6, 64 noch ent- schiedener hervor und de part IV. 5, 681 b ist sogar die Ge- neigtheit nicht zu verkennen, in ihnen eine jener Uebergangs- formen zwischen Thier und Pflanze zu sehen , die im System, wie in der ganzen Naturanschauung des Aristoteles eine so bedeutungsvolle Rolle spielen. Nach der Beschreibung im 6. Ka- pitel des 4. Buches der Thiergeschichte kann kein Zweifel darüber sein, dass wir unter den rr>ra des Aristoteles zunächst fest- sitzende Ascidien zu verstehen haben; eine andere Stelle eröff- net aber die Möglichkeit, wenn nicht Wahrscheinlichkeit, dass er auch frei bewegliche Verwandte derselben gekannt hat (de part IV, 5, 681 a bis b), wenn solche auch nirgends spezieller ge- nannt und beschrieben sind. Jedenfalls hat Aristoteles Tuni- caten in ihren gröbsten Structurverhältnissen richtig charakte- risirt, und angesichts des untergeordneten Ranges, den dieselben in späteren Systemen einnehmen, bleibt die selbständige Stellung rühmend hervorzuheben, die ihnen der Vater der Zoologie mit richtigem Blick bereits zugestand. Mit den Tethyen zusammen werden mehrfach als unbeweg- lich die ßdXavoi genannt, aber nirgends näher beschrieben (bist. an IV, 8, 100). Wenn die Deutung derselben auf Cirripedien unbestritten ist, wie es den Anschein hat, so kann es bei der ausgesprochenen Schalenbildung dieser Gruppe, die ihre Crus- taceen-Natur erst bei genauem Studium der Entwickelungs- geschichte offenbart, nur natürlich erscheinen, sie unter die oar^aMsQfia eingereiht zu finden. Dagegen mag es auf den ersten Blick als ein Zeichen oberflächlicher Beobachtung erscheinen, dass Aristoteles auch die Seeigel ohne Weiteres seinen Schalhäutigen einverleibte. Aber einmal müssen wir hier bedenken, dass er die Art der Zusammensetzung aus Hart- und Weichtheilen für einen Aus- druck des innersten Wesens eines Thieres hielt und dann, dass # I — 17 — ihm die Bedeutung des Radiärbaues nicht aufgegangen war. Es fiel also hier jenem äusserlichen Charakter gegenüber das Gegengewicht der sonstigen Bauverhältnisse weg, das sich für die systematische Stellung der beschälten Cephalopoden so glücklich geltend machte. Aristoteles hat unzweifelhaft Seeigel untersucht und ihre Eigenthümlichkeiten in Folge dessen durch- aus nicht verkannt, vielmehr ausdrücklich anerkannt, dass sie ebenso, wie die Ascidien, innerhalb der Schalthiere ISiojs i'xovacv. Ja, bei Gelegenheit des mit verwunderlicher Spitzfindigkeit ausgearbeiteten Beweises, dass die Seeigel nicht mehr und nicht weniger als gerade 5 Eierstöcke haben können, geht er sogar in das Detail der Seeigelanatomie ein; aber eben die gezwungenen Erklärungen, die er für die allseitig symme trische Anordnung der Organe herbeizieht, zeigen uns nur zu deutlich, dass ihm die Erkenntniss des Radiärbaues in seiner grundlegenden Bedeutung gänzlich verschlossen blieb (de part. IV, 5,680 b). Aus demselben Grunde findet sich auch kein Hinweis auf eine Aehnlichkeit mit den aUerdings nur flüchtig erwähnten Seesternen (de part. IV, 5, 681 b). Noch we- niger dürfen wir einen solchen bei den Holothurien erwarten, die Aristoteles nur nach Hörensagen, aber erkennbar beschreibt : balkenförmig, von schwarzer Farbe, rund und gleichmässig dick (bist. an. IV, 7, 78). Damit wäre der Echinodermen-Typus durch charakteristische Vertreter dreier Klassen im Aristoteles nach- gewiesen, wenn auch der Autor von einer Erkenntniss der Ver- wandschaft derselben sowie der Eigenthümlichkeiten ihres Baues weit entfernt war. Von den Seeigeln hebt er als i'dwv nur den kugeligen Körper und die Stacheln hervor (de part IV, 5, 679 b 29); ausserdem kennzeichnet er sie innerhalb der Schal- thiere dadurch, dass er ihnen das Fleisch, d. h. einen fleischigen Körper im Innern der Schale abspricht (ibid. 680 a 1). Wo Seesterne und Holothurien ihrer eigentlichen Natur nach unter- zubringen seien, lässt er zweifelhaft; f actisch stehen sie bei den Schalthieren. — üeberhaupt finden sich in den Schriften des Aristoteles eine ganze Anzahl niederer Thiere, denen er eine systematische Stellung ausdrücklich gar nicht anweist; ihre Schilderung schliesst sich gewöhnlich der der Schalthiere an, doch sind sie nie unzweideutig als solche bezeichnet. Meyer hat bereits in eingehender Weise dargelegt, wie sie zu dem aristotelischen System stehen, und nachdem später Leuckart in seiner historischen Monographie der Zoophyten sich mit ihnen beschäftigt hat, dürfte der grösste hier mögliche Grad von Klar- heit erreicht sein. Des letzteren Forschers Verdienst ist es eigentlich erst, mit überzeugender Nothwendigkeit aus den eignen 2 fS ^ 18 — Worten und Anschauungen des Aristoteles heraus entwickelt zu haben, dass derselbe in bestimmten Geschöpfen den allmählichen Uebergang der Natur vom Unbeseelten zum Beseelten verkör- pert sehen musste, mit anderen Worten: dass die in späteren Systemen auftretende Gruppe der Zoophyten, wenn nicht dem Namen, so doch sicher dem Begriff und Inhalt nach auf Aristo- teles selbst zurückgeführt werden kann. Die in Rede stehenden Thiere sind meist nur kurz beschrieben und deshalb mitunter kaum zu bestimmen. Doch hat auch hierin Leuckart alles Mög- liche gethan, so dass durch seine Deutungen in der That „die Angaben des Aristoteles in befriedigender Weise ihre Ausgleich- ung finden". Der Schöpfer unseres jetzigen Coelenteratentypus hat überhaupt in umfassender Weise die Umgestaltungen klar gelegt, die der Inhalt desselben von Anbeginn unserer Wissen- schaft an erfahren musste, bis er durch ihn seine vollendete, bleibende Gestalt erhielt Indem wir daher mit Freuden das Prioritätsrecht des vielseitigen Forschers ein für allemal aner- kennen, sind wir in der angenehmen Lage, die Resultate seiner verlässlichen Arbeit einfach registriren zn können,^) wodurch uns unsere Aufgabe auf dem Gebiete der Wirbellosen nicht uner- heblich erleichtert wird. Im 5. Kapitel des 4. Buches der Thier- anatomen werden die aristotelischen Zoophyten, wenigstens die mit Namen genannten, im Zusammenhang aufgeführt, und hier treten auch die Ansichten des Autors über dieselben deutlich hervor. Schon die Tethyen, die er an anderer Stelle ausdrück- lich als Schalthiere bezeichnet', „unterscheiden sich wenig in ihrer Natur von der Pflanze, gleichwohl sind sie thierischer als die Schwämme; denn diese haben ganz das Wesen der Pflanze." An sie knüpft Aristoteles auch den Gemeinplatz von der unsicheren Grenze zwischen Thier und Pflanze an. Dass er übrigens die Spongien nicht geradezu für Pflanzen hielt, beweist eine so genaue Kenntniss derselben, wie sie überhaupt mit un- bewaffnetem Auge möglich ist; sie werden auch in mehreren Vertretern verhältnissmässig sehr ausführlich beschrieben (bist an. V, 16). Von ihnen unterscheiden sich die aristotelischen Holothurien und Seelungen „nur sehr wenig und zwar dadurch, dass sie frei sind" ; sie sind wie vom Boden abgelöste Pflanzen und werden mit solchen verglichen, die sich lange frisch er- halten. Zur Deutung dieser Geschöpfe fehlt jeder directe An- haltspunkt. Durch den Namen nvsvfiovss wird der Gedanke an Medusen nahegelegt die an manchen Küsten heute noch vom Volke mit dem entsprechenden Ausdruck bezeichnet werden. 1) Nöthigenfalls werden wir sie durch das Zeichen Lk. kenntlich machen. - 19 - Dem steht allerdings entgegen, dass gerade die Eigenschaft der Medusen, der sie offenbar die Bezeichnung „Lungen" zu ver- danken haben, ihre ganz einzig in der Thierwelt dastehenden Pumpbewegungen, die sie sofort mit Sicherheit kenntlich machen würden nirgends von Aristoteles erwähnt werden. Trotzdem fi-ehen wir wohl nicht fehl, wenn wir mit Leuckart an der Deutung der Ttvavaoves als Medusen festhalten; diese können bei ihrem massenhaften Auftreten im Mittelmeer einem griechischen Natur- forscher nicht gut unbekannt geblieben sein; er wird sie aber nicht lebend beobachtet, sondern nur todt, mehr oder weniger zerflossen gesehen und untersucht haben. Damit stimmt auch, dass er ihnen Bewegung und Empfindung geradezu abspricht und für einen Schwamm den vergleichenden Ausdruk nvsvfiovdiöss anwendet (bist an. V, 16, 80). Am deutlichsten erscheinen die aristotelischen Zoophyten als solche und als selbständige Ab- theilung durch die Charakteristik des Thieres, „welches einige Knides, andere Akalephen nennen'^- dieses „ist nicht em bchai- thier, sondern fällt ausserhalb der festbestimmten Gattungen und schwankt seiner Natur nach zwischen Pflanze und Thier. An anderer Stelle werden die Akalephen dann allerdmgs doch wieder in eine gewisse Beziehung zu den bavQaMsQfia gebraclit, indem sie selbst mit dem Körper, ihre Unterlage mit der Schale eines Schalthieres verglichen werden (bist. an. Vlll, J, ^^). Nach Leuckart haben wir nun in diesen Akalephen ohne allen Zweifel Actinien zu sehen, und auch das Synonym >cv7Sac braucht uns hierin nicht irre zu machen, da die Nesselorgane gewissen Actinien ebenfaUs eigen sind. Ebensowenig die von manchen angeführte Ortsveränderung (bist. an. V. 16, 75); vielmehr macht es gerade der für diese gewählte Ausdruck wahrschein- lich, dass kriechende Actinien gemeint sind und nicht scliwina- mende Medusen, „deren Pumpbewegung, eigenthtimhch, wie sie ist, wohl eine andere Bezeichnung gefunden haben würde. Wenn wir nun weiter annehmen, dass die no^ovQca, die mit den nveiuovas mehrfach zusammen genannt werden, --- es lässt dies wohl auf die Wahrnehmung einer gewissen Aehnlichkeit schliessen -- als Rippenquallen zu deuten seien, vielleicht aus der Gruppe der Lobata, wenn ferner das schildförmige Thier, das neben dem obenerwähnten balkenförmigen genannt wird wirklich aut eine Siphonophore (Velella, Porpita) bezogen werden dart, wo- für Leuckart triftige Gründe anführt, wenn endlich der an der- selben Stelle beschriebene Meerpenis unzweifelhatt eine beeteder ist, so wären die Coelenteraten durch typische Formen im Aris- toteles vertreten. Von ihrer Verwandschaft und den Ligen- thümlichkeiten ihres Baues hatte er natürlicher Weise noch 2* - 2Ö - weniger eine Ahnung, als bei den Echinodermen, und es ist dies auch nicht zu verwundern, da selbst die genauere Unter- suchung mit unbewaffnetem Auge hier nothwendigerweise immer unzureichendere Resultate ergeben muss, Aristoteles aber bei der zweifelhaften Thiematur der betreffenden Geschöpfe wohl schwerlich geneigt war, ihnen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Doch charakterisirt er den ganzen problematischen Anhang seiner Schalthiere auch bereits in einer gewissen all- gemeinen Weise, und zwar fasst er zunächst Nesselthiere und Schwämme als Schalenlose zusammen, die er, dem Wortlaut nach zu schliessen, als gleichwerthige Abtheilung den Schalthieren gegenüberstellt (bist. an. V. 16, 75). Damit ist streng genommen ein 5tes yhos uiyioTov der Blutlosen constituirt. Die Stelle ist übrigens so gehalten, dass ausser Nesselthieren und Schwämmen auch alle diesen ähnlichen Seethiere, darin Platz finden, also nicht nur sämmtliche genannten Cölenteraten , sondern auch die Seesterne, die den Akalephen gleichgestellt werden, obwohl ihre freiere Beweglichkeit nicht unbekannt geblieben zu sein scheint, und unsere Holothurien (das mit dem Meerpenis und dem schildförmigen zusammengenannte balkenförmige Thier). Alle diese Formen sind alsdann nächst der Schalenlosigkeit durch ihre pflanzenähnliche Natur gekennzeichnet In der That mussten sie durch ihre geringe Sensibilität und Beweglichkeit (wenigstens bei Beobachtung ausserhalb des Wassers) dem Na- turforscher als Mitteldinge zwischen Thier und Pflanze erschei- nen, und als solche waren sie zugleich dem Philosophen ein willkommener Beleg für ein Postulat seiner ganzen Naturan- schauung. Begriff sowohl als Inhalt der Gruppe der Zoophyten ist daher nachweisbar bereits aristotelischen Ursprungs, nur der Name das Werk späterer Zeiten, und auch dieser war durch den Wortlaut des Aristoteles bereits vorgezeichnet — Als 2te grosse Abtheilung der Blutlosen bezeichnet Aristo- teles an jener bekannten Stelle die ^aXa^boTgana-, sie haben die feste Masse aussen, die weiche und fleischartige Masse aber innen, und erstere ist nicht spröde, lässt sich aber zerreiben. Vor- stehender Wortlaut ist der von Aubert und Wimmer in ihre Ausgabe und Uebersetzung aufgenommene, wobei jedenfalls schwerwiegende Gründe der Textkritik entscheidend gewesen sind. In alleiniger Rücksicht auf den Sachverhalt dürfte jedoch die andere Lesart (lässt sich biegen) mehr für sich haben, in- dem die hervorstechendste Eigenschaft des Krebspanzers gegen- über der Muschelschale doch wohl die Elasticität ist, und durch diese auch erst der richtige Gegensatz zu der Sprödigkeit jener hergestellt wird. Aber nicht blos die systematische Charakte- t. , ■* — 21 — ristik durch das Verhalten der Hart- und Weiclitheile, sondern die Aufstellung der Gruppe überhaupt scheint hier das eigenste Verdienst des Aristoteles zu sein. Diesen Schluss erlaubt we- nigstens seine Aussage bist an. I, 6, dass es einen allgemein übüchen Namen für die Thiere, die er weichschahge nennt, noch nicht gäbe: so muss wohl seine Zusammenfassung und Benennung die erste gewesen sein, und wir sind wohl berech- tigt, Aristoteles als den Begründer der Klasse der Crustaceen anzusehen. Er selbst schwankt übrigens noch fwischen den Bezeichnungen i.ahi*6.„a und orxAw»*?^». A P*"^^ "' , ' w! 1 was allerdings schliessUch auf dasselbe hinauskommt. Wenn nun aber auch die aristotelischen ^aA«xö»re«x« an systematischem Range unseren Crustaceen entsprechen, so ist ihr Umfang doch ein viel beschränkterer; wir müssten denn gerade annehmen dass Aristoteles ungleich mehr Custraceen gekannt ds genannt habe, und dazu giebt allerdings die gelegenthche Erwähnung gewisser Krebsformen, die sonst nicht vorkommen, emige Be- rechtigung. Mehrfach genannt und beschrieben smd aber im iristofelef nur Decapoden und aUenfalls noch Stomatopoden fsquiUa) (8. Meyer S 243); wir dürfen daher wohl kaum er- warten, die Charaktere, die unsere Crustaceen kennzeichnen bereits in ihrer Allgemeinheit hervortreten zu sehen, zumal Aristoteles seine Weichschaügen meist nach den 4 Unterabtheil- ungen behandelt, in die er sie zerfällt. Er dbt zwar auch durch- gehende Eigenschaften derselben an; aber dies sind zum gross ten Theile solche, die heute in der Systematik nicht mehr ver- wendet werden (bist an. IV, 2, 29). Eine Ausnahme macht hier nur die Erwähnung einer Menge von Füssen (de part IV, 8 684 a), eines Charakters, der jetzt noch zu den hervorragend^ s en desVnzen Arthropoden-Typus gehört. D^e^en werden jedoch nicht in Zusammenhang mit der ^egmentation des Koi- pers gebracht, wie denn diese überhaupt m ihrer allgemeinen Bedeutung für die Crustaceen dem Aristoteles nicht aufgehen konnr dl er nur ihre specielle Modification bei den höchsten KreÄrmen beobachtete%ist an. IV, 2 27). W^ ferner die systematisch so wichtige Respiration und dire Orjane ^dang^, so beschreibt erzwar die Athmung (ibid. 28) und eigenthum iche Einrichtungen (ibid. 25) derselben bei seinen Krebsen mehrfach. K scheint ei- die Kiemen selbst nicht gesehen oder wenig- stens nicht als solche erkannt zu haben ; denn «üe behaarten Gebilde, die er ß,ay,M, oder ß„^.ouSn nennt, sind durch andeieNeben- besthnmungen auch örtlich so genau «xirt, dass s?« nicht gut auf etwas Anderes als auf die.Kieferfüsse ibid) «'eh bemh^^ lassen. Es ist diese Unkenntniss der eigentlichen Krebskiemen — 22 — bei Aristoteles um so unbegreiflicher, als er unzweifelhaft, wie seine Darstellung der inneren Organe beweist, Kruster präpa- rirt hat Ueber die Zahl der Fühler endlich , die jetzt in der systematischen Definition der Crustaceen eine Rolle spielt, scheint Aristoteles gleichfalls anderer Ansicht gewesen zu sein als wir. Indem er die gemeinsame Basis der kleineren Antennen über- sah, kommt er in seiner Darstellung beimHunmier auf 3 Paare; für die Languste gibt er gar keine genauere Zahl an (bist. an. IV, 2, 26). Trotz alledem bleibt besonders angesichts der spä- teren Schicksale der Gruppe die Aufstellung der Crustaceen als gleichwerthige Abtheilung neben den Insecten immerhin rüh- menswerth, wenn auch dabei weniger eine klare Erkenntniss der wesentlichen Unterschiede massgebend war, als vielmehr der unanalysirte Totaleindruck, der nothwendjgerweise eine desto bedeutendere Rolle spielen muss, je weiter wir in der Entwickelung der natürlichen Systematik zurückgreifen. — An letzter Stelle definirt Aristoteles zu Anfang des 4. Buches der Thiergeschichte seine iWo^a und zwar zunächst durch die schon im Namen enthaltene Eigenschaft als Kerbthiere, dann im Anschluss an die vorhergehenden Definitionen durch eine Körpersubstanz, die weder knochen- noch fleischartig ist, sondern zwischen beiden die Mitte hält: „Der Leib ist innen und aussen gleichmässig hart." So unbestreitbar richtig und allgemein aner- . kannt der erste Theil dieser Charakteristik auch heute noch ist, so befremdlich muss die zweite Behauptung einer durchaus starren Leibesbeschaffenheit der Insecten klingen, zumal Aristo- teles die massigen Larvenformen derselben sehr wohl kennt und nennt, bei denen die Chitinbekleidung gegenüber den Weich- theilen doch ganz und gar zurücktritt. Er scheint bei der De- finition nur den Chitinpanzer der Imagoformen im Auge gehabt und diesen für den Körper des Thieres gehalten zu haben. Aber selbst wenn wir den Ausdruck adg^ im Sinne des Aristo- teles auf derbe Muskelfleischmassen beschränken, müssen wir dennoch annehmen, dass er sich nur ganz oberflächlich mit seinen ^Wo^a beschäftigt und kaum jemals ein Insect anatomi- sirt hat; er hätte ihnen sonst unmöglich alle Weichtheile ab- sprechen können, ausser dem zur Ernährung nothwendigen Darm. Man möchte wirklich versucht sein, aus rein sachlichen Gründen hier eine Verderbniss des Textes zu vermuthen, wenn nicht in den Ausgaben jede diesbezügliche Andeutung fehlte. Vielleicht würde uns das Unzutreffende der aristotelischen In- sectendefinition nach den Harl^ und Weichtheilen in milderem Lichte erscheinen, wenn wir annehmen, dass der Autor gerade hier diesen Verhältnissen geringere praktische Bedeutung bei- — 23 ^ gemessen, sie im Grunde nur der Consequenz wegen beigefügi und im Uebrigen die Gruppe durch die Segmentation als völlig genügend charakterisirt erachtet hätte. Jedenfalls war die Seg- mentation in seinen Augen nichts weniger als ein äusserliches Merkmal, sondern vielmehr im innersten Wesen der Thiere be- gründet. Dem entsprechend definirt Aristoteles an anderer Stelle seine tvrofia nur durch die ivrofidg, und der Wortlaut lässt hier zugleich ziemlich deutlich die Absicht durchblicken, den Begriff zu erweitern, ihn in umfassenderer Weise zu gebrauchen, als dies bisher geschehen (bist. an. V, 1, 7). In der That finden wir denn auch unter den Gliederthieren des Aristoteles ausser unseren Insecten nicht blos Tausendfüssler und Spinnen, was uns wenig wundem kann, sondern auch die wenigen ihm be- kannten Würmer. Alles in Allem werden indesss nur etwa 80 Arten genannt, eine im Verhältniss zn der aufdringlichen Häufig- keit der Insecten ganz ausserordentlich geringe Zahl. Meyer erblickt darin gewiss mit Recht, „ein Zeugniss seiner geringe- ren Beschäftigung mit ihnen" und „das beste Mass des Interesses, das man damals diesen Thieren schenkte". Doch sind die Ord- nungen unserer Hexapoden durch charakteristische Vertreter bereits kenntlich mit Ausnahme der Neuropteren. Da es aber nicht wohl denkbar ist, dass Aristoteles z. B. keine Libelle^) beobachtet habe, so bleibt nur die Annahme, dass seine Insecten- kenntniss eine ausgebreitetere war, als aus seinen Schriften di- rect hervorgeht und es kann uns dies bei dem Charakter der uns erhaltenen Schriften als allgemeiner anatomischer Darstell- ungen kaum befremden. Von durchgehenden Eigenschaften, durch die wir jetzt unsere Hexapoden kennzeichnen, werden zunächst die 3 Körperregionen angeführt (bist. an. IV, 7, 69); doch soll der Thorax nur aus 1 Stück bestehen, wovon natür- lich sofort die Tausendfüssler ausgenommen werden mussten. Fühler und Beine werden ebenfalls genannt (ibid. 710), doch keine bestimmte Zahl angegeben; für die Beine war dies in Anbetracht der Ausdehnung der Gruppe auch nicht wohl mög- lich. Dass die Flügel, wenn überhaupt, dann in der Zwei- und Vierzahl auftreten, konnte auch einer oberflächlicheren Beobacht- ung nicht entgehen (bist. an. IV, 7, 73). Von fremdartigen Bestandtheilen enthält unter den eigentlichen Insectenordnungen des Aristoteles nur die der tf^s^gts (Aptera, speciell Pediculina) das elSos TMv (p&tiQüivTojv'd'aXaTTioiv, die Fischläuse (ibid. V, 38, 141), 1) Obgleich jezt den Orthoptera (Pseudoneuroptera) zugerechnet, ist doch dieses Thier als das eclatanteste Beispiel gewählt. - 24 — jedenfalls Schmarotzerkrebse, für deren systematische Stellung hier der Parasitismus entscheidend war, dem man ja bis in die neueste Zeit eine Bedeutung für die Classification beimass. Die Vergleichung mit den i'vois to7s noUnoai (ibid.), die sonst nirgends erwähnt werden, führt uns wieder einmal lebhaft vor Augen, wie unvollkommen gerade aus den erhaltenen Schriften der Umfang der aristotelischen Thierkenntniss und also auch sein System sich reconstruiren lässt. Die vorbehaltlöse Ver- einigung der im Aristoteles erwähnten Vertreter unserer Myria- poda und Arachnoidea mit den Hexapoda kann uns nur als natürliche Folge der geringen Sorgfalt erscheinen, mit der Aris- toteles überhaupt seine iWo^a behandelte. Wir dürfen daher auch nicht erwarten, beide Klassen irgendwie allgemein charak- terisirt zu finden ; ja, es lässt sich nach Meyer kaum entscheiden, inwieweit Aristoteles die ihm bekannten Vertreter derselben zu- sammenfasste. Es werden verschiedene Spinnen genannt, ein- mal auch von einem yivog rCJv d^dxvwv (bist. an. I, 1, 13) ge- sprochen , aber niemals unterscheidende Merkmale dieser Gruppe angegeben ; Aristoteles scheint dies bei den unzweideutigen, wohl auch der Volkssprache sehr geläufigen Namen nicht für noth- wendig gehalten zu haben. Durch Vergleiche nähert er den eigentlichen Arachniden die Skorpione und einige Acariden (bist. an. V, 26, 127); „aber, so schliesst Meyer die Besprechung derselben, er umfasst diese Thiere nicht in einem y^of, soweit wir aus seinen Schriften ersehen ' können." Der Skorpion wird durch seinen Steichelschwanz hinreichend charakterisirt (bist. an. IV, 7, 72); für die Milben dürfen wir bei ihrer Kleinheit nicht das Gleiche erwarten. Immerhin bleibt die Vergleichung des Chelifer mit dem Skorpion ein erfreuliches Zeichen glücklicher Erfassung auch kleiner Körperverhältnisse (ibid.). — Die ihm bekannten Vertreter der Myriapoden fasst Aristoteles meist als zafiaxgd xai noUnoSa zusammcu (hist. an. IV, 7, 69) und grenzt sie durch diese Bezeichnung zugleich mit genügender Bestimmtr heit von den übrigen iWo^a ab. Doch wurde er durch eine gewisse äussere Aehnlichkeit verleitet, mit seiner axoXonevSga marine Gliederwürmer in nahe Verbindung zu bringen (als axoXoTisvSQai ^alarziai) (hist. an. II, 14, 60). Wenn wir damit zu den Würmern übergehen, so wären als solche jedenfalls auch die yijs h'vzega ZU dcutcu, die hist. an. VI, 96 als Larven des Aales auftreten (hist an. VI, 16, 19). Meyer identificirt sie geradezu mit dem Regenwurm (S. 225); doch liegt es vielleicht näher, an ungegliederte, schlanke, im Wasser und Schlamm lebende Formen, etwa Mermithiden oder Gordiiden zu denken. Jm Uebrigen werden von Würmern nur noch Parasiten er- — 25 — wähnt, und auch diese meist nur nebenbei bei Gelegenheit ihrer Wirthe (ibid. und IX, 6, 46), so dass sie nicht mit Sicherheit zu deu- ten sind. Unverkennbar sind nach Leuckart eigentlich nur die 3 ge- wöhnlichsten Eingeweidewürmer des Menschen (hist. an. V, 19, 94) : ikiiiie 'jtXartta (uach Lcukart unstreitig Taenia mediocanellata, die in den Mittelmeerländern weit häufiger ist als die Taenia solium und auch weit häufiger ihre Glieder einzeln abstösst), argoyyvXTj (Ascaris lumbricoides) und daxagis (Oxyuris vermicularis). Eine weitere Gruppirung der Würmer wird nirgends gegeben, und wir haben uns also mit dem Resultat zu begnügen, dass Aris- toteles eine Anzahl Würmer, sowohl Anneliden, als auch Ne- mathelminthen und Plathelminthen (speciell aus der Ordnung der Cestoden) kannte, dass er aber die ersteren mit den Tausend- füsslem zusammenstellte, während er die Vertreter der beiden anderen Klassen Insectenlarven gleichsetzte, die eine Verwand- lung nicht erfahren (hist. an. V, 19, 94). Diese Unselbständig- keit, in der Aristoteles die Würmer Hess, hat unzweifelhaft auch die Schuld daran, dass, soweit sein massgebender Einflus^ in der Geschichte unserer Wissenschaft reicht, keine selbständige Gruppe der Würmer constituirt wurde, sondern die vorkommenden Vertreter derselben hie und da im System zerstreut, wo es eben anging, untergebracht sind. — Den einleitenden allgemeinen Bemerkungen über aristote- lische Systematik, die inzwischen hoffentlich durch die Dar- stellung der Systematik selbst genügende Bestätigung gefunden haben werden, möchte ich hier noch Einiges hinzufügen. Wenn wir die yivT^ fjLiyiara überblicken, so finden wir, dass dieselben im Allgemeinen unseren Klassen entsprechen; sie lassen sich wenigstens durch verhältnissmässig wenige und geringe Ver- schiebungen, Zusammenfassungen und Zerlegungen in diese ver- wandeln. Wir haben uns weiter überzeugt, dass sich auch eine Charakteristik jener grössten Gruppen aus den eigenen Worten des Autors zusammenstellen lässt, die, wenn auch that- sächlich noch vielfach unzureichend, doch das Princip des na- türlichen Systems, durch mehrere Merkmale zu umgrenzen, be- reits deutlich aufweist. Von dieser an concrete Formverhält- nisse anknüpfenden Charakteristik haben wir aber nun die — ich möchte sagen: philosophischen Abstractionen der yiv?] fiiyiaza zu unterscheiden, wie sie für die S^vatfia besonders scharf for- mulirt werden. Dies sind, wenn wir wollen, die Typen des Aristoteles; sie können wenigstens, wie diese, auf das Bestreben zurückgeführt werden, die allgemeinsten Organisationsverhältnisse des thierischen Körpers als Variationen derselben Factoren zu erkennen. Neben diesen allgemeinen Definitionen gehen nun bei — 26 - Aristoteles die speciellen Formeigenthümlichkeiten der yhri ^iyioxa ziemlich unvermittelt einher, doch konnte dies auf einem so frühen Entwickelungsstadium unserer Wissenschaft wohl kaum anders sein. Die Forderungen speculativer Naturbetrachtung durch die Ergebnisse exacter Forschung zu decken, dieser Triumph musste einer ungleich reiferen Periode der Zoologie vorbehalten bleiben, dazu bedurfte es eines zweitausendjährigen Entwickelungsganges der Wissenschaft. Und doch müssen wir bewundernd zugestehen, dass ein Anfang zu jenen Beobacht- ungen und Ueberlegungen, die die Systematik der Neuzeit mit Recht als ihre stolzeste Errungenschaft betrachtet, bereits von dem grossen Naturkenner des Alterthums gemacht worden ist Mit anderen Worten : Aristoteles spricht bereits von Typen ganz im modernen Sinne, de part. IV, 9 stellt er der 8i&vo}QU twv Bvtoo^iSiiüv bei Wirbelthieren , Krustern und Insecten das Ver- halten seiner Weichthiere und Gewundenen (xixafinTai -f) tehmr) nQhi TTiv diQxiiv) gegenüber und offenbart damit ganz dieselbe Be- trachtungsweise des thierischen Organismus, wie sie Cuvier zu seiner epochemachenden Typentheorie geführt hat. Bewunderns- wei-th bleibt hier, ganz abgesehen von der Ausführung, allein schon der Versuch, die Cephalopoden auf die übrigen Mollusken zurückzuführen; daraus spricht ganz die freie, unbefangene Auf- fassung der thierischen Form, die allein den wahrhaft grossen Naturforscher kennzeichnet. So stehen denn die aristotelischen vivr^ fxiyiata vor uns, in ihrem wesentlichen Bestände heute noch unverändert. Aufge- baut auf eingehender Betrachtung und ungetrübter Auffassung der Natur, wie sie das klassische Alterthum vor späteren Zei- ten so vortheilhaft auszeichnet, haben die Grundpfeiler des aris- totelischen Systems den Jahrhunderten Trotz geboten; das Mi- kroskop, der Gesammtfortschritt der Wissenschaft, haben die Fundamente der Systematik tausendfältig veiüefen und befestigen können, den Grundriss aber, den schon der Vater der Zoologie mit genialen Strichen gezeichnet, haben sie nicht wesentlich zu ändern vermocht. Wie es möglich war, dass das Erstlingswerk unserer Wissenschaft bereits so mustergültige und unvergängliche Züge trägt, davon überkommt den wohl eine Ahnung, der sich in das Studium des grossen Stagiriten vertieft, während ihm noch das lebendige Wort eines berufenen Vertreters der heutigen Zoologie in den Ohren klingt. Dann ist es eine seltsame Freude, aus zweitausendjährigen Schriftzeichen dieselben Ge- danken, dieselbe Naturauffassung herauszulesen, wie man sie heute aus dem Munde des eigenen Lehrers gehört,^) und es drängt sich immer lebhafter die Ueberzeugung auf, dass das der — 27 — rechte Geist vorurtheilsloser Naturforschung sein müsse, der in der Gegenwart wie im Alterthum gleich edle Früchte ge- zeitigt, der in der glücklichen Erkenntniss ewiger Wechselwirk- ung zwischen morphologischen Verhältnissen und physiologi- schen Bedürfnissen den Schlüssel gefunden zum Verständniss der organischen Form in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit. Plinius. Traurig ist es, an der Hand der Geschichte aus der reinen Höhe des alten Griechenthums herabsteigen zu müssen m die übersättigte Dunstatmosphäre der römischen Kaiserzeit, zu sehen, welche Art der Naturbetrachtung ein Plinius an die Stelle der aristotelischen Auffassung setzte. Eigentlich gar nicht zu den Männern unserer Wissenschaft gehörig, ein römischer Militär, der in den wenigen Musestunden seines vielbewegten Lebens es sich angelegen sein Hess, alle ihm bemerkenswerth erscheinen- den Daten naturwissenschaftlichen Inhalts zu sammeln, konnte Plinius nicht mehr sein als ein Compilator. Und als solcher ist er auch nur aufzufassen. Obwohl er aber an Bedeutung mit dem grössten Naturforscher und Philosophen des Alterthums nicht im Entferntesten zu vergleichen ist, so stand er doch wohl kaum tiefer unter dem Niveau der zeitgenössischen Wissen- schaft, als Aristoteles über demselben, und da das 8., 9., 10. und 11. Buch seiner Historia naturalis neben Auszügen und Commentaren des Aristoteles die einzigen uns erhaltenen römi- schen Schriften zoologischen Inhalts sind, so muss wohl oder übel schliesslich, wenn auch mit grösster Vorsicht, die Zoologie der Römer nach ihm beurtheilt werden. Speziell für die Zwecke voriiegender Arbeit mag ein Zurückgehen auf ihn genügen, da seine Gewährsmänner grösstentheils verloren gegangen sind, andererseits er aber thatsächlich für die späteren Zoologen die Quelle bildete, aus der sie vor und neben Aristoteles schöpften. I) Vgl. de part. IV, 12 die Besprechung der Körperverhaltnisse der Vögel, besonders die Correlation zwischen Beinen und Hals! ibid. lil, 1, 662: Insbesondere den Satz: denn die Natur für sich allem gebraucht, wie ich schon sagte, die allen gemeinschaftüchen Theile für viele beson- dere Verrichtungen. - ibid. 2: Wehr und Schutz, Zweckmässigkeit der Ansatzstelle der Homer, ibid. 3: Verhältnisse der Luft- und Speiserohre, ibid. IV, 9, 684 b; die Zurückfübrung der Cephalopoden, — 28 - Die Herkunft der plinianischen Angaben über Thiere nachzu- weisen soweit dies nach dem erhaltenen Material möghch, rauss einer speziellen Arbeit tiberiassen bleiben; hier gilt es nur fes^ zustellen, inwieweit sich denn in der That bezüglich der äusseren Umrisse des Systems Aristoteles und Plinius m die Herr- schaft über die Zoologie des Mittelalters und der Renaissance theilen mussten, resp. welcher von beiden für spätere Systeme massgebend war. Hatte nun Plinius ein System und welches:' Schloss er sich darin an Aristoteles an , oder wich er von ihm ab? Geschah dies bewusst oder unbewusst? Diese Fragen wer- den einer unbestreitbaren Beantwortung wohl ewig harren müssen; es lassen sich darüber nur wenig stützbare Vermuth- ungen aufstellen. , ™. . j. Auf den ersten Blick will es scheinen, als ob Plmius die Thiere nach dem Aufenthaltsort, resp. der Bewegungsweise ein- cretheilt habe. Nachdem er im 7. Buch den Menschen bespro- chen hat, folgen im 8. die terresü'ia, im 9. die aquatilia, im 10. die volucres und im 11. die insecta. Die Aufstellung der letzt- genannten Gruppe, die vielleicht befremden könnte, wird solort aus dem oben angedeuteten Gesichtspunkte erklärt durch die mehrfache Bewegungs weise der hierhergerechneten Thiere. Es schliesst sich aber daran noch eine andere Definition der Gruppe, die sogar im Wortlaut an Aristoteles erinnert, wenn auch dieser Eindruck durch die sofortige Spezialisirung, sowie die ange- hängten, naiv staunenden Betrachtungen wieder etwas verwischt wird. Und blättert man weiter, so findet man, dass die Insecten nur etwa den dritten Theil des elften Buches ausmachen , der ganze übrige Raum aber von einem Auszug, oder vielleicht besser gesagt: von einer Nachahmung des aristotelischen Werkes de partibus eingenommen wird. Bei solch engem formellen Anschluss an Aristoteles liegt nun die Vermuthung nahe, dass auch das System desselben wenigstens in seinen grössten Zügen bei Plinius wiederzufinden sein müsse. Dem ist aber nicht so. Denn wenn auch, wie ein genauerer Vergleich ergibt, theilweise die Anordnung, auf kurze Strecken sogar der Wortlaut last ganz derselbe ist^), so ist doch der Geist leider ein himmelweit ver- schiedener und von einem wirklichen Verständniss des grossen Stagiriten bei seinem römischen Nachtreter herzlich wenig zu spüren. Gerade die Deductionen des Aristoteles, durch die die mitgetheilten Thatsachen erst ihren Causalzusammenhang, ihren wissenschaftlichen Werth erhalten, sind weggelassen, und die 1) Vgl. Aristoteles de part. II, 13—14 und Plinius XI, Sect 55—57, ferner de part. III, 0 und Plinius XI, 83 (von der Blase), — 29 — Kapitel dafür mit wunderbaren Geshichten und anderen Neben- dingen angefüllt. Was Plinius an den Thieren für wissenswerth hielt, das beweist recht drastisch sein Laienthum und stempelt sein Werk geradezu zu einer Art naturwissenschaftlicher Sen- sationslectüre , wie sie seinen blasirten Zeitgenossen wohl be- hagen mochte. Manchmal regt sich trotzdem auch in ihm etwas von Kritik, und er wagt es sogar, dem Aristoteles gegenüber eine abweichende Meinung zu vertreten ; aber die Einwände, die er vorbringt, sind mehr Ueberlegungen des sogenannten natür- lichen Menschenverstandes, und es wird nie auch nur der Ver- such gemacht, die ausgesprochene Ansicht auf wirklich wissen- schaftliche Weise, etwa durch anatomische Belege zu stützen (IX, Sect. 6). So dürfen wir schliesslich am allerwenigsten er- warten, bei Plinius ein richtiges Verständniss des aristotelischen Systems zu finden — eine Sache, die ohnehin nicht ganz ohne Schwierigkeit ist — : ja, durch den ganzen Charakter seines Werkes lässt sich vielleicht die Behauptung rechtfertigen, dass den Darstellungen des Plinius ein schart* umrissenes System über- haupt nicht zu Grunde liege, dass er viel zu sehr Laie war, um die zusammenfassenden Bezeichnungen, die er gebrauchte, nach ihrem absoluten und relativen Werth genau abzuwägen. So würde es also wohl verlorene Mühe sein, über Etwas ins Klare kommen zu wollen, was dem Autor selbst kaum ganz klar gewesen sein dürfte , und es bleibt schliesslich nur übrig, etwaige concrete Fälle von Abweichungen dem aristotelischen System gegenüber zu constatiren, ferner auf seine allgemeine Darstellungsweise insoweit einzugehen, als ein Einfluss derselben auf die Gestaltung späterer zoologischer Werke unleugbar er- scheint, j j 11 Da muss denn vor Allem hervorgehoben werden, dass wohl kaum anzunehmen ist, Plinius habe in den grossen Abtheilungen, die er bildete, mehr gesehen, als leicht verständliche Rubriken zur bequemen Abhandlung seines Stoffes, dass aber gerade dieser Charakter der Encyclopädie an späteren Encylopädien wieder- erscheinen musste, und so bei oberflächlicher Betrachtung die Meinung entstehen konnte, Plinius sei überhaupt für jene Werke massgebend gewesen. Ein eingehenderes Studium überzeugt bald vom Gegentheil. Im Texte selbst, besonders in den Kapiteln des 11. Buches; wo „per singulas corporum partes praeter jam dicta membratim tractetur historia" , dem plinianischen De par- tibus, treten jene Bezeichnungen ganz zurück, und an ihrer Stelle erscheinen solche, die sich im Wortlaut wenigstens ganz an die aristotelischen yhr) ^kyvota anschliessen. Am häufigsten kehrt noch der Ausdruck volucres wieder, wohl aber nur dess- - 30 — halb, weil sein Inhalt, abgesehen von der Fledermaus, sich ganz mit der natürlichen Gruppe der Vögel deckt Was die Fleder- maus anbelangt, so kann Plinius über ihre Säugethiematur nicht wohl im Zweifel gewesen sein; denn er hebt die betreifenden Charaktere ausdrücklich hervor (X [81]). Schwieriger ist es zu entscheiden, wie er den übrigen Wirbelthierklassen gegenüber- stand, zumal er sich über Fragen des Systemes nirgends aus- spricht. Er gebraucht hier die aristotelischen Ausdrücke, wie sich das bei der vielfachen Anlehnung an Aristoteles nothwen- digerweise ergeben musste; ob aber mit richtigem Verständniss, ob überhaupt immer in demselben Sinne, ist kaum zu sagen. Eine Stelle, wie Lib. XI, (94) muss den Glauben erwecken, dass die Bezeichnung: ,.quae animal pariunt'^ bei Plinius zum terminus technicus für Säugethiere geworden sei, während ibid. (ÖT)) die Aufzählung der verschiedenartigen Ausnahmen zeigt, dass derselbe Ausdruck auch wieder ganz wörtUch gefasst wurde.') Die nächstliegende, wenn auch für Plinius wenig schmeichel- hafte Erklärung wäre hier, die verschiedene Fassung desselben Ausdruckes von dem Ursprung aus verschiedenen Schriftstellern abzuleiten; indess, nach dem Vergleich mit Aristoteles zu ur- theilen, gibt Plinius seine Gewährsmänner gar nicht so wort- getreu wieder, dass eine ganz mechanische Uebernahme der Ausdrücke die Regel wäre: im Gegentheil, gerade die zu- sammenfassenden Bezeichnungen ändert er oft. Dadurch wird die Sachlage aber noch weniger schmeichelhaft für ihn; denn die ganze Confusion fällt dann auf ihn zurück. Sogar die schari'en Um- risse des aristotelischen Systems der Wirbellosen beginnen bei Plinius zu verschwimmen. Wenn auch an den diesbezüglichen Hauptstellen (Lib. IX [44]) und Lib. XI (1 7) die 4 Hauptgruppen noch unzweideutig hervortreten, so lassen doch auch hier schon die Definitionen theilweise an Präcision und Vollständigkeit zu wünschen übrig, und Lib. IX (50) flg. und XI (55) werden durch die einge- schobenen Zwischenstufen die scharfen Grenzen noch mehr verwischt (Lib. IX, [44] [50] [51] [52] [73] [74]; XI, [1] [55]). Weitere vergeichende Betrachtungen würden das bereits gewonnene Resultat nur bestätigen, dass sich nämlich ein plini- anisches System auch in den grössten Zügen mit Sicherheit nicht skizziren lässt Aristoteles muss wohl im Allgemeinen mass- 1) Qnae animal parirmt, pilos habent — sed aliquae (anres) omnibus animal duntaxat generantibus excepto vitulo marino atque delpüiuo et, quae cartilaginea appellavimus, et viperis. ^ 3i - gebend gewesen sein. Wer hätte ihn verdrängen sollen? Aber das Bild seines Systems ist nur noch in verschwimmenden Um- rissen mit Mühe zu erkennen, und es erscheint desshalb ge- rathen , im Allgemeinen über die Systematik des Plinius sich gar nicht weiter in Vermuthungen zu ergehen, die doch viel- leicht ebenso viel gegen wie für sich haben würden, sondern auf dem Boden des Thatsächlichen die speziellen Abweichungen vom aristotelischen System zu betrachten, die beiPlinius erscheinen, und die desshalb ganz besonders bedeutungsvoll sind, weil sie in späteren Systemen wiederkehren. Als eclatantesten Fall derart hebt nun Meyer die systema- tische Stellung hervor, die angeblich Plinius, abweichend von Aristoteles, den Seeigeln bei den Crustaceen anweist Es fragt sich jedoch, ob sich dies so ohne Weiteres; behaupten lässt Der einzig absehbare Grund für diese Neuerung wäre die weichere, zerbrechliche Schale, und er gewinnt an Triftigkeit angesichts der unverhältnissmässigen Werthschätzung, die Plinms überhaupt bei den Wirbellosen dem Härtegrade der Hautbe- deckung angedeihen lässt: aber durch dieselbe Phrase, mit der er an der von Meyer bezeichneten Belegstelle die Seeigel em- führt, werden weiter unten auch die cocleae aquatiles terrestresque und die pectines angereiht, für die dann dasselbe gelten müsste. Ueberhaupt tritt durch die nachlässige Bezeichnungsweise (die Comparative) eine derartige Unsicherheit in der Grenze zwischen Hart- und Weichschaligen ein, — an anderen Stellen werden sogar die Ausdrücke crusta und testa, in denen man noch die Unter- scheidung finden könnte, durch andere, indifferente ersetzt — , dass man schliesslich gar nicht mehr mit Besthnmheit sagen kann, wo die eine Gruppe aufhört, und die andere anfängt So dürfte denn die Behandlung, die die Seeigel bei Plinius m systematischer Hinsicht erfahren, wohl kaum mehr als ein spe- zieller Beweis für die oben aufgestellte, allgemeine Behauptung sein, dass eben selbst die scharfen Umrisse der aristotelischen yivT) uhLora t(Sv dvai^mv ZU vcrschwimmcn beginnen. ,,..,. Nicht gerade ausdrücklich ausgesprochen, aber doch höchst wahrscheinlich ist es, dass die Schlangen bei Plinius eme selbständige Gruppe bilden. Es geht dies fast mit Gewissheit aus der Art und Weise hervor, wie sie neben den übrigen Wirbelthierklassen , sogar neben den Reptilien genannt werden (Lib. XI [50]). Da die Zugehörigkeit der Schlangen zu den T^rpaTTo^a {^d^oSa) diorM odcr ^ohStord auch bci Aristotclcs mcht ohne Weiteres deutlich erscheint, sie vielmehr auch bei diesem meist mit einer gewissen Selbständigkeit jenen nur genähert auftreten, so ist hier gewiss keine bewusste Abweichung von — 32 — Aristoteles, sondern im Gegentheil anzunehmen, dass man mit einer selbständigen Wirbelthierklasse der Schlangen gerade dem Aristoteles zu folgen glaubte. Weiter hat Plinius unzweifelhaft die Schuld, das Wort piscis in der doppelten Bedeutung „Fisch" und „Wasserthier" der Nachwelt tiberliefert und dadurch zu einer gewissen Begriffs- verwirrung den factischen Anlass gegeben zu haben; doch dürfte diese in Wirklichkeit wohl weniger tiefgehend gewesen sein, als man auf den ersten Blick anzunehmen geneigt ist. Schliesslich ist noch aus demselben Gesichtspunkte wie alles Vorstehende erwähnenswerth , dass, wie Leuckart zuerst nachgewiesen, Plinius zwar nicht ausdrücklich von Zoophyten spricht, wohl aber eine Umschreibung des Begriffes gab, die von Späteren mehrfach zur Definition der Gruppe benutzt wurde. ^} Albertus Magnus. Schon die allgemeinen politischen und Culturzustände des Mittelalters lassen erwarten, dass sich hier der historischen Un- tersuchung über den Stand einer Wissenschaft im Einzelnen die grössten Hindemisse entgegenstellen werden, zumal wenn es sich um eine Wissenschaft handelt, die von der herrschenden Geistesströmung so weit ablag, ja sogar in einem gewissen feind- seligen Gegensatz zu ihr stand, wie die Naturwissenschaft Umfassendere zoologische Werke, die bei der Frage nach der Gestaltung der äusseren Umrisse des Systems allein in Betracht kommen, erscheinen überhaupt erst am Ende des Zeitraums, da von einer zoologischen Wissenschaft erst die Rede sein konnte, nachdem Aristoteles auf dem Umwege durch die Araber dem Abendland überkommen war, und dann strebte man der philo- logisch-historischen Richtung der Zeit gemäss, vor Allem darnach, die Continuität mit der Vergangenheit wiederherzustellen, alles vorhandene litterarische Material zu sammeln und äusserlich zu ordnen, ohne dass man es durch eigne Forschung controlirt und so sich wirklich zu eigen gemacht hätte. Daraus ergibt sich einerseits der encyclopädische Charakter der zoologischen Litte- ratur des Mittelalters, anderseits das Fehlen consequenter syste- ^r 1) Lib. IX, (68): Eqnidem et his inesse sensnm arbitror, quae neqne animalinm, oeque froticnm, sed tettiam quandam ex ntroqne nataram habent, orticis dico et spongeis. — 33 — inatisclier Behandlung, die ja immer eine gewisse Beherrschung und Durchdringung des Stoffes voraussetzt. Der originellste und kritischste der 3 zoologischen Ency- clopädisten des Mittelalters ist laut Carus noch Albertus Ma^us, und er ist deshalb hier zum Repräsentanten mittela terlicher Ibier- systematik gewählt worden, um als Unterlage für die diesbe- zügliche Untersuchung zu dienen. Aber auch bei ihm ist die Betrachtung der Thierwelt einestheils dem Inhalt nach eine so unselbständige, andrerseits in der Form so von dem Zeitgeist befangen, dass aus dem Studium des Werkes sich nur unsichere Schlüsse über den eigentiichen Stand der zoologischen trkennt- niss des Autors und seiner Zeit ziehen lassen. Dem Inhalt nach ist das Werk eine Paraphrase des Aristoteles, angetertigt nach der arabisch-lateinischen Uebertragung des Michael hcotus, mit eigenen Zuthaten von mehr oder weniger zweitelhattem Werth In zweiter Linie ist der Einfluss des Plmius unver- kennbar; doch tritt dieser mehr im Einzehien hervor, tur die Anlage des Ganzen war jedenfalls Aristoteles massgebend. Albert spricht sich ja selbst dahin aus, sich an ihn anschliessen, resp. ihn ergänzen zu wollen (Lib. 1, Tract Cap, 1). Wie aber im Allgemeinen schon die UchtvoUe, von dem unbefangenen antiken Geist zeugende Darstellung des alten Ma- turphilosophen durch die scholastische Form der Wiedergabe vom christUch-orthodoxen Standpunkt aus emewesenthche Irub- ung erfahren musste, so kommen insbesondere die systematischen Begriffe dabei zu Schaden, und es wird ausserordentlich er- schwert, wenn nicht unmöglich gemacht, zu unterscheiden, welche der gebrauchten aUgemeinen Bezeichnungen der Verfasser blos für logisch formale Kategorien, und welche er iür wirkliche, in der Organisation begründete systematische Gruppen hielt UD er sich überhaupt Ober diesen Unterschied klar war, «der »f er mit beiden Begriffen hantirte, ohne sich ihrer Verschiede^he vollständig bewusst zu werden? Bei emem muteklterlichen Scholastiker machen es die formale Schulung einerseits und die mauKelhaften positiven Kenntnisse andrereeits schon von voru- hereüi wahrscheinüch, dass er ebensowohl geneigt gewesen sein werde, künstlichen Abtheilungen reale Bedeutung beizu- messen, als unter seinen Händen natürliche Gruppen zu will- kürlichen Abstractionen sich verflüchtigen zu lassen. fc>o "^den sich denn in der That Anzeichen, dass die Zusammenfassungen nach Aufenthalteort resp. Bewegungsweise, die jedentalls von Pünius entlehnt sind, die wir aber dort noch auf einlache piak- tische Rubriken zurückführen konnten, bei Albert einen tieteien Einfluss gewonnen haben; doch geht dieser sicher nicht soweit, - M - dass wir die Ueberschriften der Bücher im speciellen Theil seines Werkes geradezu als seine grössten systematischen Gruppen nehmen dtirl'ten. Vielmehr war gerade hier ausgesprochener- massen die Rücksicht auf das nachschlagende Laienpublikum massgebend Itlr die Anordnung, und diese dem entsprechend eine total äusserliche, was schon die alphabetische Reihenfolge der einzelnen Thiere beweist (Lib. 22, Tract. 1, Cap. 1.) Eine Ansicht über das eigentliche System Alberts lässt sich daher nur aus dem allgemeinen Theile seines Werkes gewinnen, dem er, wie aus jener Erklärung indirect hervorgeht, einen strenger wissenschaftlichen Charakter gewahrt zu haben glaubte. Hier macht aber nun die philosophirende Betrachtung der gesamten Thierwelt nach verschiedenen Gesichtspunkten ein definitives Resultat ausserordentlich schwierig; ja, indem die zusammenfassenden Bezeichnungen bald als unzweifelhafte termini technici, dann aber wieder ganz wörtlich gefasst erscheinen, wird sogar der Verdacht erweckt, als ob unter den betreffenden Be- griffen im Intellect des Autors selbst eine Verwirrung einge- treten sei,^) und dieser Verdacht wird um so stärker, als man manchmal den Eindruck empfängt, dass Albert seinen zoologi- schen Stoff nicht immer ganz frei beherrscht habe, ihm vielfach nicht vollständig gewachsen gewesen sei, sondern nur eben ver- mocht habe, ihn in eine gewisse äusserliche Ordnung zu bringen.^) Auffallend, aber charakteristisch für seine ganze Auf- 1) So ist Lib. 22, Tract 1, Cap. 1 : Est autem quoddam genus , in quo plorima commimicant (cum homine) : et hoc est animal quadrupes ge- neralis animal sibi simile unzweifelhaft die Idee einer natürlichen Gruppe der Säugethiere gegeben, zumal in demselben Kapitel mehrfach animalia quadrupedia sibi similia generantia wiederkehrt; auch ibid. Cap. 7: pisces enim non habent pilos sicut animalia generantia sibi similia muss dem Zusammenhang nach so genommen werden, während Lib. 1, Tract. i, Cap. 1 : Omnia autem animalia pilos habentia generant sibi similia : sed non con- vertitur, quia non omne animal generans sibi simile habet pilos durch die wörtliche Fassung des Ausdruckes einfach 2 logische Begriffe, 2 künstliche Kategorien einander gegenübergestellt werden, die sich nicht decken. 2) Diese Behauptung lässt sich nicht gut durch kurze Citate beweisen. Vielleicht kann Lib. 1, Tract 1, Cap. 6: De modis generationis animalium in universali, wo bei Gelegenheit der Wale eine Abschweifung über 2 Arten mit besserem und schlechterem Fleisch erfolgt, und später noch ein- mal eine Auseinandersetzung über das äussere Ohr eingeflochten wird, da- zu dienen, sie zu illustriren. Ferner Lib. II, Tract. 2, Cap. 1 : De interi- oribus sanguinem habentium, in quocunque genere sint : generaüter autem intestinum omnium animalium habentium dentes in utraque mandibula est minus intestino carentium dentibus in superiori. Adhuc antem nullum Ulimal yalde modici corporis habet cornua nisi sit multipes. Scarabeus silvanus habet duo cornua in superiori parte capitis, quae habent ramos, sicut cornua cervi, et movet ea ad tenendum sicut movet cancer manum suam, quae forfex vocatur. — ibid. Tract. 1, Cap. 8: De membris serpentum «xterioribus et manifestis. enthält Wundergeschichten vom Schiffshalter, i fassüng ist es, dass die Collectivnamen so oft im Singular ge- braucht werden. Wo dies der Fall, liegt die Vermuthung nahe, dass wir es nur mit logischen Kategorien zu thun haben. Dann mtissten aber auch die Uebertragungen der aristotelischen yivTj fiiyiata als solchc gelten; denn wir finden bei Albert nicht blos Ausdrücke wie: volatile, natatile, gressibile, reptibile, sondern auch: quadrupes generans sibi simile, quadrupes ovans, volatile ovans, und es ist also höchstens der Schluss gestattet, dass, wie überhaupt das ganze Werk Alberts eine scholastische Para- phrase des Aristoteles ist, so im Besonderen auch die aristote- lischen yivrj fiiyiaTa Unter den Händen des Scholastikers eine Form annehmen mussten, die es fast unmöglich macht, zu ent- scheiden, wie viel von dem ursprünglichen natürlich-systemati- schen Inhalt bei der scholastischen Umformung eigentlich noch übrig geblieben war. Da nun Albert trotz verschiedener darauf hindeutender Ueberschriften in seinem Thierbuch über Fragen des Systems nirgends ausdrücklich sich ausspricht, ein Eingehen auf die übrigen Bände seines Werkes von uns aber wohl nicht veriangt wird, so werden wir hier davon abstehen, seine eigentliche Ansicht über zoologische Systematik als solche zu ergründen und uns damit begnügen, zu constatiren, inwieweit factisch das aristote- lische System bei Albert wieder erscheint, resp. welche speci- ellen Abweichungen sich erkennen lassen. Da kann es denn bei dem engen Anschluss an Aristoteles nicht ausbleiben, dass zunächst die Hauptunterscheidung in sanguinem habentia und non habentia wiederkehrt, und wei- terhin auch getreue Uebersetzungen seiner yivrj fiäyiara mit leich- ter Mühe theilweise schon aus den Kapitelüberschriften sich zu- sammenstellen lassen, wenn auch die richtige Auffassung ihrer Bedeutung von Seiten des Autors noch so zweifelhaft, viel- leicht sogar unwahrscheinlich sein mag. Die quadrupedia ge- neratia ex utero sibi similia, aves, quadrupedia ovantia und pisces fallen alsbald in die Augen. Daneben erscheinen dann als selbständige Abtheilung gleich- werthig die Schlangen — ganz wie bei Plinius und historisch durch dessen Einfluss leicht erklärlich. Es wird aber doch die Uebereinstimmung ihrer Organisation mit den Reptilien mehrfach hervorgehoben.^) Weniger klar und deutlich tritt Alberts Ansicht betreffs 1) Lib. 2, Tract 2, Cap. 2: De dispositione membrorum interiorum serpentum, piscium et avium: Interiora vero et intestina serpentum in multis quidem sunt similia interioribus quadrupedum ovantium et praecipue interioribus lacertae. 3* 36 -^ der Wale hervor, obwohl er ausdrücklich zwischen Wasser-* thieren, Fischen im weiteren, und solchen im engeren Sinne unterscheidet. Die Charakteristik der letzteren besteht im Be- sitz des Blutes und in der Fusslosigkeit, und dies Beides kommt ja nach den damaligen Anschauungen den Walen zu; aber wenn man dann wieder die Umschreibung natalilia marina generantia sibi similia findet, erscheint es doch zweifelhaft, ob sie garadezu zu den eigentlichen Fischen gerechnet wurden (Lib. 2, Tract. 1, Cap. 8). Für ihre vorbehaltlose Vereinigung mit diesen spricht freilich, dass sie Lib. 1, Tract. 1, Cap. o bei der Aus- einandersetzung über die Athmung nicht genannt werden. Schliesslich verdienen noch zwei Einzelformen aus dem Gebiete der Wirbelthiere hier Erwähnung, weil der Platz, den ihnen Albert anweist, geeignet ist, interessante Perspectiven auf seinen Standpunkt als Systematiker zu eröffnen. Wir hatten schon bei Plinius die Fledermaus unter den volatilia angetroffen, dort aber keine Veranlassung genommen, daraus einen Schluss auf eine wirkliche Veränderung der Ansicht von ihrer Natur zu ziehen, zumal sie nie als avis bezeichnet war, und ihre Säugethiercharaktere mehifach hervorgehoben wurden. Bei Albert wird sie nun zwar ebenfalls mehrfach mit der Maus zusammengenannt und verglichen; wenn wir sie aber dann nicht nur im speziellen Theile unter den volatilia, sondeni auch im allgemeinen geradezu unter dem avium genus einbegriffen fin- den, ihre Flügel als coriales denen der Vögel an die Seite ge- setzt werden, so lässt sich dies denn doch wohl nicht mehr einzig und allein aus äusserlichen Rücksichten erklären, sondern wir werden dazu gedrängt, jetzt eine wirkliche Verschiebung der Ansichten anzunehmen (Lib. XXIII, Artikel vespertilio). Spricht nun schon diese Behandlung der Fledermaus wenig zu Gunsten der systematischen Befähigung Alberts, so möchte man gar das Ende aller zoologischen Wissenschaft gekommen glau- ben, wenn man im 26. Buch, „in quo agitur de parvis animalibus sanguinem non habentibus", Frosch und Kröte als vermis quadrupes erscheinen sieht, — und dies um so mehr, als es trotz eifrigen Suchens nicht gelingen will, im allge- meinen Theil eine Stelle zu finden, die ein besseres Wissen des Autors unzweideutig bekundete.^) Allein hier wird doch jedes 1) Im allgemeinen Theile wird der Frosch genannt: Lib. 1, Tract. 1, Cap. 6 bei Besprechung des Wechsels von Wasser- und Landleben bei demselben Thier eine kurze Beschreibung der Metamorphose: Apud nos est autem animal illud, quod in aquis generatur ex ovis ranarum magno capite et longa cauda, quod pinnas habet; cui cauda decidit, et generantur ei quatuor pedes. — Libi 2, Tract. 1, Cap. 7: De manifestis piscium - 37 - wissenschaftiiche Prinzip so grob verleugnet dass es wirklich schwer hält dies nicht für Absicht zu nehmen , zumal eine soS^ASaC sehr wohl zulässig erscheint in Anbetracht des Äen Xels, auf dem der spezielle Theil des Werkes überhaupt S fnd mit VoWacht gestellt ist So wollen wir denn ^^^^^^^ Monstrum vermis quadrupes nur als ein Zugeständnis« Alberts an seine Leser aus der Laienwelt auffassen und annehmen dass er Frosch und Kröte eben mit dem Namen genannt und an dem Orte untergebracht hat, wo er nach Ansicht und bprach. gebrauch seiner Zeitgenossen wusste, dass sie gesucht werden '^^'^Die aristotelischen Hauptgruppen der Wirbellosen sind so unzweideutig bezeichnet und scharf umschrieben, dass sie auch tocTSe wenig verständnissvolle Bearbeitung nicht bis zur Knntlichkeit verzerrt werden können Da^^. ^f e^^^^^ bei Albert sofort wieder hervor; ja, auf dem Gebiete de^ \\ ^^^^^^^ losen möchte man sogar versucht sein, den ^Iten Scholast^^^^^^^^ schöpferischen Systematiker zu feiern ^^^V^^^. ^]^^.f^^S des 4. Buches die Ankündigung liest dass die Zah Idei ^^^^d losen Genera auf Grund eigner Studien ^^^XZunmmnSn sBeziäen Theil geben keinen weiteren Anhaltspunkt. 1) Lib. IV, Tract. 1: De diversitate marinorum sanguinem non ha- ''•»"^'''"^ ' Cap. 1. , . „ Prinin fTM dicimus, quod sanguinem non habentia sunt aut marma autterJ^^aTpSpue'volantiaWntia alas membranales s.cut ap,s fppprunt mentionem nisi de octo generiDus. öeu cgu lu mvAi ii ex substant a quae media est inter camem et «ar >l*p"7,-. :; ^^^^ae eo modi nos Yocamus generali nomine ostrea conchiha. -^ 38 - neu hinzukommenden Genera entpuppen sich gar bald als jene seltenen Meeresfunde, die Aristoteles hist. an. IV, 7, 78 beiläufig erwähnt, und ihre gleichwerthige Nebenordnung neben die 4 ursprünglichen Hauptgruppen spricht ebenso wenig für Alberts Be- fähigung zum Systematiker als tHr ein richtiges Verständniss seines grossen Vorbildes. Zuvörderst kehren natürlich die yirr} fiiytoTu twv dvaifiojv mitsamt ihren Definitionen wieder, und zwar die fialAma als malachie, die fiaXaxoazQaxa als molliS und die oargaMegfia als durae testae , die iWo/ta endlich als annulosi corpori ; letztere werden aber als terrestria von den vorhergehenden getrennt und weiter unten behandelt — ein bemerkenswerthes An- zeichen für die Bedeutung, die die plinianischen Bezeich- nungen nach dem Aufenthaltsort im Mittelalter gewonnen hatten. Die Form, in der Crustaceen und Mollusken auftreten, ver- räth ebenfalls plinianischen Einfluss; das verschiedene physika- lische Verhalten der Skeletbedeckungen wird zwar erwähnt, hindert aber nicht, beide mit dem Ausdruck testa zu belegen. In Lib. I, Tract. 1, Cap. 8 werden sogar die 3 aristotelischen Hauptgruppen wirbelloser Wasserthiere zu 1 verwirrt und ihnen Quartnm |;enns est, qnod tarn nos quam antiqni commani nomine Yocamns hiricinm marinnm, eo qnod totnm spinosum sit hoc genns animalis et spinis ntatur in motn loco pednm. Qnintnm antem ^enus est, qnod tam nos qnam antiqni mal Ine vocamns, qnod in corpore prorsus nnllam invenitnr habere snpeifluam hnmiditatem neqne vas superfluitatis alicnins. Sextnm antem genns est, qnod lignenm vocare consnevit, eo qnod simile sit fmsto lignL Septimnm antem genns est, qnod yeretrale dicitnr, qnia veretro yirili omnino videtnr esse simile. Octavnm antem serpentinnm vocatnr, eo qnod simile sit colnbro. Nonnm abnndat in mari ^ermanico valde, qnod vocatnr phlegma- ticnm, eo qnod phlegmati viscoso, sicnt est albnmen ovi sit penitns simile. Decimnm antem genns est spongia marina, qnae vivit in aqna. Haec antem genera facile experitnr qnilibet, qui vel ad modicnm ex- pertns est in marinis. Et ego pnto, qnod sint mnlto plnra, Ucet sint ignota nobis. Amplins antem praeter haec et extra haec in genere animalis san- gnine carentis snnt non marina, sed terrestria, qnae snnt annnlosi CO rporis , qnorum est mnlta diversitas, qnia annnlositas ant erit in ventre ant in dorso ant in ntroqne simnl: et omnia haec annnlosa conveninnt in hoc, qnod in toto corpore eomm non est aliqnod os distinctnm neqne caro distincta aliqna: sed in corporibns eomm est alind qnoddam membrnm, cnins creatio secnndnm snam snbstantiam media est inter camem et ossa: Corpora enim hninsmodi animalinm snnt dnra tam intns qnam extra se- cnndnm nnnm modum fere et istins qnidem modi proportionaliter est omne, qnod est annnlosi corporis. — 39 — nur die rugosi coi-poris selbständig angereiht, was wiederum das wirkliche Eingreifen der Zusammenfassungen nach dem Auf- enthaltsort in das eigentliche System beweist, andrerseits zeigt^ dass die gleichzeitige Benutzung des Plinius emem nchügen Verständnisse des Aristoteles geradezu hinderlich in den Weg trat und' nur eine Steigerung der bei jenem begonnenen Con- fussion zur Folge hatte. Als Bindeglied zwischen Hart^ und Weichschaligen — neben dem aus dem Aristoteles übernom- menen Einsiedlerkrebs — und zugleich als 4. Hauptgenus reihen sich die Seeigel an^), was vielleicht dazu dienen kann, die oben entwickelte Ansicht über die Stellung dieser Thiergruppe bei Plinius zu stützen; sie sind durch die nähere Beschreibung kenntlich. Für die Deutung des 5. Genus, mallue, hat es mir nicht gelingen wollen, irgend welchen Anhaltspunkt zu finden; es kehrt auch weiter unten bei der näheren Beschreibung, wo alle andern sich wiederholen, nicht ^e- der. Ein Gedanke, dem auch die kurze Definition eimge Be- rechtigung verieiht, wäre der an Korallen. Bei Gelegenheit seiner Seereise können Albert sehr wohl Skelette von Astraea, Cyathina zu Gesichte gekommen sein, von deren thienscher Natur ihn der spezifische Bau überzeugt haben mag, wahrend der Mangel ieglicher Weichtheile gerade desshalb um so mehr befremdete. Das 6., 7. und 8. Genus bilden jene 3 oben bereits erwähnten, seltenen Meeresthiere aus dem Aristoteles : der Meer- penis, das balken- und das schildförmige Thier; sie lassen sich durch die Beschreibung leicht identificiren (auch das serpenhnum durch eine weiter unten folgende Charakterisük ^). Das y. (^e- nus, phlegmaticum, sind Medusen, die Albert seinen Worten nach selbst eingehend beobachtet haben muss, und das 10 die spongia marina, die aus ungenanntem Grund zu einem selbstan- digen Genus erhoben wird, wahrschemhch dessnalb weü sie sich keinem der anderen ohne Weiteres emordnen lasst H.8 bliebe nun noch übrig, bei Albert nach Spuren der spater auf- tauchenden Gruppe der Zoophyten zu suchen. Dies ist bereits 1) Lib. IV, Tract. 1, Cap. 3: ^enns autphinciiconvenitcnm genere isto et cnm cenere, de qno locnti snmns in praecedenti capttnlo. Cnm moUis te taeS convenit animali, qnia pars camosa ipsms est compo- sTa sicnt CO mponitnr caro ejns, qnod vocatnr moUis testa«. Cnm wto antem convenit: qnia camem habet intns et extra testam dnram et hijpidam. Bxpertiim est etiam, qnod in mari est animal careis sinäine serpentinnm, qnod simile videtnr esse serpenti, Zm^^^^^ rnb?i Colons it^las habet pinnularnm conseqnentes se in corpore sno multas et movetur motn alamm, 40 — durch Leuckart geschehen, und wir können in Folge dessen das von ihm gewonnene Resultat hier nur wiederholen, dass näm- lich Albert ein Genus der Zoophyten weder unter diesem, noch unter einem anderen Namen aufstellte, dass er aber im Anschluss an Aristoteles und Plinius mehrere niedere Organismen als Mitteldinge zwischen Pflanze und Thier bezeichnete. M Am Schlüsse der Betrachtung ist es auch möglich, einen Ueberblick über den Einfluss des Plinius auf die mittelalterliche Systematik zu gewinnen, auf den im Zusammenhang einzugehen bis jetzt verschoben wurde, weil er aus der durchaus aristote- lischen Anlage des Ganzen nur stellenweise hervortritt. So sehen wir bei Albert die Eintheilung nach Aufenthaltsort resp. Be- wegungsweise in das eigentliche System eindringen , im Zu- sammenhang damit die Fledermaus zu einem wirklichen Zwitter- wesen und die Wale zu einer eigenthtimlichen Fischgruppe werden. Aus demselben Grunde treten die Insecten den an- deren Wirbellosen schärfer gegenüber, und diese rtlcken näher zusammen, zumal sich Mollusken und Crustaceen nur durch die dura und mollis testa unterscheiden, und beide neben dem aus dem Aristoteles wiederkehrenden Einsiedlerkrebs noch durch ein 2. Bindeglied, die Seeigel, verknüpft werden. Wir kommen daher zu dem Resultat, dass alle die von Plinius eingeführten Neuerungen von Albert herübergenommen oder gar noch weiter ausgebildet wurden. Da sie nun nicht gerade Verbesserungen waren, so traten sie einem richtigen Verständniss des Aristoteles geradezu hindernd in den Weg, und die Folge war, dass die bei Plinius begonnene Verwirrung in der Systematik bei Albert noch um ein gut Stück weiter gedieh. Wotton. Wenn wir die Reihe der Zoologen aus der Renaissancezeit mit Wotton eröffnen, so geschieht dies vorwiegend desshalb, weil wir in ihm gewissermassen den Grund und Boden vor Augen haben, auf dem die andern stehen: das zoologische Wissen des Aristoteles, geschöpft aus dem Urtext selbst Wot- tons ideelles Verdienst ist unbestreitbar ein sehr grosses; davon ist aber das historische, factische wohl zu unterscheiden. Wotton 1) ibid. Cap. 7 : Et est animal valde imperfectum et proprio loquendo est medium inter plantam et animal: propter quod eti^m yogatur {inimal ligneam. _ 41 — verdiente geradezu ein zoologischer Luther genannt zu werden, wenn die übrigen Zoologen der Renaissance wirklich auf seinen Schultern ständen. Allein, wie die einzige Auflage und die iedenfalls aus ursprünglicher geringer Verbreitung resulürende 'Seltenheit des Werkes beweist, zogen sie es offenbar vor, die- selben Originalstudien an derselben Quelle zu machen; sie liessen es sich daran aber nicht gentigen, sondern suchten dena nchtig erkannten Alten aus eignen Mitteln möglichst viel Neues hinzuzu- fügen Daher ist es wohl auch zu erklären, dass wir Wotton in den Werken seiner Zeitgenossen gar nicht oder nur äusserst selten erwähnt finden. Ein Gesner, Rondelet glaubten offenbar aus eignen Studien ihren Aristoteles ebenso gut zu kennen wie Wotton, in ihren Werken aber dasselbe und noch ein Erkleck- liches mehr geleistet zu haben, als jener. Diese Gesinnung lässt wenigstens die einzige Stelle, wo Gesner auf Wotton zu sprechen kommt, ziemlich deutlich durchblicken, i) Obwohl also Wotton der Idee und dem Inhalt seines Werkes nach eine nothwendige Vorstufe zum Eintritt in die Zoologie der Renais- sance bildet, so ist doch sein factischer Einfluss aut dieselbe ein sehr geringer, ganz unmerklicher gewesen, und er bleibt daher hier nur um seiner selbst willen zu betrachten. Wotton bezeichnet sein Werk, dem er selbst jeden origi- nellen Werth abspricht 2), als hervorgegangen aus emem tür seinen eignen Gebrauch angelegten Sammelheft, das er mir auf Drängen seiner Freunde zu veröffentlichen sich entschloss — in Folge jener Bescheidenheit, die alle Schnftsteller m ihren Vorreden an den Tag zu legen pflegen. Es soll ein Compen- dium alles Wissenswürdigen sein, was von den alten hcllrlt^ stellern über Thiere geschrieben war, also des gesammten zu jener Zeit vorhandenen zoologischen Wissenschatzes; m Wirklichkeit 1) Historia animaüum Lib. III, Praefatio ad lectorem: - etiamd suarum rbserTationum, quod ad historiam, nihil adferat, nequenovi aliquid docea?^ laXtamen ac lectione di^us est, quod pleraque veterum de anfmalbus scripta ita digesserlt ac inter se ««^^^^V^^;!* ' ,^^ J^,^,/^A .^fj^^ autore nrofecta videantur omnia stylo satis aequabili et puro scholus Sreremendationibus utilissimis adjectis, et quod P"^« ^^^^ ^^^f J ^: candas sin^ularum naturas accederet, . quae commune e^^^^^ poterant, doctissime exposuerit. Zugleich ein Bewei? ?1Äni^'^^^^ ßesners über die Erscheinunsren der zeitgenössischen Litteratur. 2) Praefatio Seite 4: Neque hie fere .quidquam invemes quod a meo cipite natum statuatur. Veterum scnptorum «entent as in un^^^^^ quasi cumulum coacervavi, de meo nihil addidi. .^'^ ^^.^^^^,?f j/T, IS imo- zu ersehen entbehrt der Text des Werkes .leder Originalität. Es ist deshalb irKndengrösstentheils von Citaten Abstand genommen wor- den : die Systematischen Ansichten des Verfassers treten eben nur durch den Ort hervor, wo er die betr. Thiere unterbringt. - 42 - bedeutet es indess kaum mehr als einen Auszug aus dem Aristoteles. Als solchen können wir Wottons Werk einfach auffassen, wenigstens kommt es für uns nur als solcher in Be- fracht» Dass die allgemeine, anatomisch -biologische Darstellung des Aristoteles veriassen, und dafür das System zum obersten Anordnungsprincip erhoben ist, erleichtert uns unsere Aufgabe noch ganz bedeutend. Wir brauchen schliesslich nur die Ueber- schriften in Wottons Werk anzusehen, um über die Frage der grössten Gruppen des Systems orientirt zu sein: es sind genau die aristotelischen. Die beiden ersten Bücher muthen einen zwar, ebenso wie der Titel des Ganzen, noch etwas mittelalterlich- scholastisch an ; dann aber oflFenbart sich in der Erhebung des natürlichen Systems zum obersten Eintheilungsprincip, in der sorgfältigen Handhabung der Begriffe genus und species, sowie in dem damit verbundenen Versuch, das natürliche System ins Speziellere durchzuführen, wenn derselbe auch nicht immer als gelungen zu bezeichnen ist, femer in den allgemeinen Charakte- ristiken, die der Einzelbetrachtung vorausgeschickt werden, eine der heutigen Systematik so conforme Methode der Darstellung, dass wir unsere bewundernde Anerkennung nicht versagen können und gestehen müssen, durch Wotton eine aristotelische Systematik erhalten zu haben, die wohl überhaupt nicht viel, — soweit sie uns hier angeht, sicherlich aber gar nichts zu wünschen übrig lässt Die universa genera erscheinen in den beiden grossen Kategorien der animalia sanguine praedita und der exanguia durchaus richtig gefasst und begrenzt, und bevor auf das Spe- ziellere eingegangen wird, wird stets eine Charakteristik des Allgemeineren gegeben. ^ Die Fledermaus wird in richtiger Erkenntniss der aus- schlaggebenden Charaktere wieder bei den quadrupeda vivipara untergebracht, ebenso die Wale in ihrer aristotelischen Selb- ständigkeit vriederhergestellt, wenn sie auch äusserlich mit den Fischen in einem Buch vereinigt bleiben ; die Schlangen dagegen werden ihres unberechtigten Ranges als Hauptgruppe wieder entkleidet und den quadrupeda ovipara einverieibt Auch auf dem Gebiete der Wirbellosen wird genau der aristotelische Standpunkt wieder eingenommen; denn die hier auftauchenden Zoophyten sind, wie Leuckart gründlich nachge- wiesen hat, eben nur jene 5. Gruppe, die bei Aristoteles bereits bis auf den Namen fertig vorhanden war, und auch der Name stammt, wie ebenfalls von Leuckart gezeigt, nicht von Wotton, sondern von Gelehrten der alexandrinischen Schule, die die \^ - 43 - aristotelische Charakteristik der betreffenden Wesen zu diesem Worte zusammenzogen. Wotton begreift darunter: die Tethya oder vertibula (Ascidien), die holothuria und pulmones (Rippen- quallen (Lk) und Medusen), die spongia, die Urtica und die Stella (letztere wohl nur desshalb, weil sie einmal mit der Urtica zusammengenannt wird): dies sind aber lauter Formen,^ die Aristoteles entweder als pfianzenähnliche Thiere oder als Mittel- dinge zwischen Pflanze und Thier charakterisirt Dagegen muss es als eine Neuerung hervorgehoben wer- den, wenn eine Nacktschnecke — höchstwahrscheinlich eine Aplysia — als Lepus marinus den Mollia angereiht wird; für schalenlose Mollusken war allerdings, solange diese Hauptgruppe noch als Testacea bezeichnet und definirt wurde, nicht gut em anderer Platz zu finden. ^ . . Schliesslich erscheinen noch in Gemeinschaft mit einigen unbestimmbaren, nur durch angebliche therapeutische Eigen- schaften charakterisirten Wesen als purgamenta die ^^a negirrd des Aristoteles, denen zu Liebe offenbar der ganze Anhang bei- gefügt ist; denn im Uebrigen erklärt Wotton die betreffenden Geschöpfe einer Erwähnung gar nicht für werth und möchte sie eher für etwas anderes als für Thiere halten, i) War es Wottons einziges Bestreben gewesen, durch engen Anschluss an den Urtext den aristotelischen Standpunkt wieder- herzustellen, war also durch ihn unsere Wissenschaft gewisser- massen auf dem statns quo wieder angelangt, so suchten die übrigen Zoologen der Renaissance zugleich den Ansprüchen aut genauere Einzelbeschreibung gerecht zu werden, wie sie ihre Zeitgenossen als Kinder des Zeitalters der Entdeckungen natürlicherweise erheben mussten. Es folgt daher auf den Wiederauftritt des Aristoteles wiederum eme Penode encyclopa- discher Darstellungen, die sich aber von jener ersen mi^l- alterlichen wesentlich unterscheidet durch das bedeu^me Mo- ment der eignen Beobachtung und Untersuchung. Wenn wir nun dieses Moment der auf Autopsie beruhenden genaueren Einzelbeschreibung auf seine Wirksamkeit innerhalb des hier zu bearbeitenden Gebietes der Zoologie prüfen , so leuchtet es un- schwer ein, dass von einem Einfluss auf die grössten Gruppen des Systems zunächst nur unter den Wirbellosen die Rede sein kann/ und da die damalige Zootomie und Systematik m einer wahrhaft unbegreiflichen Weise einander fortgesetzt ignonrten, so werden auch die bestehenden wirbellosen Gruppen nur dem 1) Epilogns: Praeter haec, quae diximus animaüa sunt prtr^menU aüqua relatu mdigna et aüis potius annumeranda quam ammaUbus. -. 44 -- Inhalt nach von Veränderungen betroffen, in ihrer aristoteh'schen Form bleiben sie vollständig unverändert. Es mag überhaupt an dieser Stelle gleich gesagt sein, dass die Systematik der Renaissance, was die grössten Gruppen anlangt, principiell sich nicht im Geringsten über die aristotelische erhebt, ja dank der encyclopädi sehen Form der meisten Werke nicht einmal alle Wirbelthierklassen in ihrer ganzen aristotelischen Reinheit wie- derhergestellt wurden. Im Zusammenhang mit dem bereits be- rührten unglücklichen Verhältniss von Zootomie und Systema- tik, in Folge dessen aus zootomischen Befunden nie die syste- matischen Consequenzen gezogen wurden, dürfte dies vielleicht auch daraus zur Genüge erklärt werden können, dass das zoologische System noch nicht entfernt seine jetzige Bedeutung besass, sondern kaum viel mehr war, als ein practisches Mittel zur Ordnung des zoologischen Stoffes, dem nur von der alten Naturphilosophie her noch allenfalls eine gewisse ideelle Bedeu- tung anhaftete. War doch das Wesen unserer ganzen Wissenschaft durch fremde Beimischungen noch so vollständig verdeckt, dass selbst ein Gesner, den wir mit Fug und Recht den ersten deut- schen Zoologen nennen, ganz naiv erklärt, sein Bemühen sei viel mehr das eines Grammatikers als eines Naturkundigen ge- wesen. So fem war er noch der Erkenntniss seiner eigent- lichen wissenschaftlichen Aufgabe ! Bei Belon guckt gar die Beziehung der Zoologie zur Küche an allen Ecken und Enden auf das Aufdringlichste hervor. Unter solchen Voraussetzungen wird es also auch im Zeitalter der Renaissance unsere wesent- liche Obliegenheit sein, die inhaltlichen Veränderungen, den Zu- wachs zu constatiren, den die aristotelischen Hauptgruppen in Folge der genaueren Einzelbeschreibung erfuhren ; dabei müssen wir aber ein sorgsames Augenmerk auf Alles haben, was etwa als Anzeichen dafür aufgefasst werden könnte, dass sich eben auf Grund des massenhaft sich ansammelnden empirischen Ma- terials auch eine wirkliche Weiterentwickelung des Systems im Ganzen, der systematischen Idee vorbereitete. Aus der zoologischen Renaissance verdienen nun zunächst 2 speziellere Werke hier nähere Betrachtung, einerseits weil sie die Gruppen enthalten, an denen nach dem Vorstehenden Ver- änderungen zu erwarten sind, andererseits weil ihr Inhalt in die grossen Encyclopädien der Epoche mehr oder weniger voll- ständig aufgenommen ist Sie haben beide den Zweck, durch genauere Einzelbeschreibung den Reichthum der Gewässer näher kennen zu lehren, und entsprangen offenbar dem Bedürfniss der Zeit, zugleich mit der Erweiterung des zoologischen Wissens eine entsprechende Vertiefung desselben herbeizuftihren. 4& Belon. Der ältere der beiden Ichthyologen der Renaissance, Belon, bezeichnet selbst die Einzelbeschreibung als seine eigentliche Aufgabe, der er als ächter Sohn seiner Zeit in majorem dei gloriam sich unterziehen zu wollen erklärt (Lib. 1, Cap. 1), während die stete Berücksichtigung des culinarischen Werthes der verschiedenen Wasserthiere, nach dem sogar mitunter die Eintheilung erfolgt, nur zu deutlich beweist, dass der Verfasser und seine Zeit auch die materiellen Freuden gar wohl zu schätzen wussten, die dem Herrn der Schöpfung aus der Be- schäftigung mit der Thierwelt erwachsen. Mag Belons Wirken in vieler Beziehung noch so verdienstlich sein (ich meine da- mit insbesondere die im Einzelnen durchgeführte Vergleichung der Skelete von Mensch und Vogel, eine mit Recht zu rühmende, für die damalige Zeit wahrhaft bewundernswerthe Leistung) — das Werk über die Wasserthiere macht einen nichts weniger als streng wissenschaftlichen Eindruck. Welches aber nun auch das eigentliche Motiv für die Herausgabe war, tief begründete systematische Neuerungen dürfen wir jedenfalls von dem Ver- fasser nicht erwarten. . ^ , . j Wenn schon in der Fassung des Ganzen, im Gebrauch des Wortes piscis in jener weitesten Bedeutung ein allerdings un- gefährlicher Rest plinianisch-mittelalterlicher Naturauffassung gesehen werden kann, so ist es gewiss ein bedenkliches Zeichen für Belons Befähigung zum Systematiker, dass er die Wale rücksichtslos mit grossen Fischen zusammenwirft, dass er also nicht einmal im Stande war, auf Grund seiner Studien den Status Aristotelicus wiederherzustellen, i) Wenn gar unter den Cetacea vivipara an Balaena, Delphinus und Orca als gleich- werthig Hippopotamus und Vitulus marinus sich anreihen, aut der anderen Seite unter den ovipara dagegen Crocodilus, Xiphias und Thynnus eng vereinigt auftreten, wobei sich der Verlasser noch etwas darauf zu Gute thut, dass er überhaupt diese beiden Unterabtheilungen macht und nicht Alles noch bunter durch einander wirft, so will es fast scheinen, als ob flir Belon der zoologische Urquell des Aristoteles ganz umsonst geflossen sei, und er es vorgezogen habe, bei Späteren im Trüben zu fischen. 1) Cetaceorum quosdam viviparos pilosos quadrupedes, glabros, ossibu» praeditos; alios oviparos, spinosos et sqaamosos ostendemtts. - 46 - Hat aber die genannte Zusammenstellung einmal für uns Ihre Schrecken verloren, so nehmen wir dann auch mit verhältniss- mässiger Kaltblütigkeit als Amphibiorum genus den Biber, die Fischotter, Wasserratte und — die Strandhyäne mit in den Kauf, und es bedarf zu unserer Stärkung gar nicht mehr der erbau- lichen Betrachtung, mit der sich der Verfasser leicht über alle Schwierigkeiten hinweghilft (Cap. 4). Auch auf ein paar Mon- stra, „naturae pro arbitrio ludentis miracula", die als amphibia bipeda vivipara eingeführt werden, kommt es nach dem Vorher- gebenden jetzt nicht mehr an, zumal wenn sie durch das Zeug- niss christlicher Heiligen beglaubigt sind (Cap. o). — Nun könnte man einwenden, das Werk sei aus practischen Gesichtspunkten willkürlich begrenzt, und das ganze System könne desshalb nicht uneingeschränkt darin zum Ausdruck kommen ; doch seien ja die quadrupeda vivipara und ovipara als Unterabtheilungen der Amphibia unzweifelhaft kenntlich und damit dem natür- lichen Princip, soweit in dem gezogenen Kahmen möglich, Rechnung getragen, wesshalb etwaige unnatürliche Zusammen- stellungen nicht so ernst zu nehmen seien. Aber es werden ja nicht blos die Wale mit grossen Fischen vereinigt, sondern die verschiedenen Abtheilungen der Amphibia unter den Cata- ceen im weiteren Sinne mit einbegriffen, und das Ganze bildet allem Anschein nach im Geiste des Autors eine tiefer als bloss durch gemeinsamen Aufenthaltsort begründete Einheit: man hat den Eindruck, als ob die Wasserthiere als ein selbständiges Reich aufgefasst würden, in dem nur durch die spielende Will- kür des Schöpfers landthierähnliche Formen erscheinen. ^i Ob eine solche Auffassung der Thierwelt durch die zeitgenössische Philosophie unterstützt wird, müsste ein Kenner der französischen Renaissance entscheiden. Vielleicht ist auch die ganze Dar- stellungsweise nur eine Anpassung an das Verständniss des Lesers; dann sollte man aber doch annehmen, dass der Ver- fasser wenigstens hie und da durch eine Bemerkung sein bes- seres Wissen unzweideutig hervortreten Hesse, schon um dem wissenschaftlich gebildeten Theile seiner Leser gegenüber seine Ehre zu retten. Einerlei übrigens, wie schliesslich die Zu- sammenfassung der verschiedenartigen Thierformen zu Stande kam, jedenfalls hat Belon in seinem Fischbuch die Aufgabe un- gelöst gelassen, die ihm als Vertreter der Wissenschaft in seiner Zeit gestellt war; die aristotelischen Anschauungen allgemein zu verbreiten und alles Detail in ihren mustergültigen Rahmen ein- 1) Cap. 4 (Beün Biber): Sunt etiam mari ac fluminibus sui canes q^aemadmodum porci, boves ac cetera animalia terrestribus respoudentia. •^ 47 -- züMgen. tm weiteren Verlaufe der Darstellung erscheint noch der Ichneumon neben dem Krokodil, was den Gedanken nahe legt, dass Belon absichtlich auch an anderen Orten, vielleicht über- haupt von systematischer Anordnung abgesehen, sich wenigstens um diese nicht besonders bemüht habe. Wenn aber gleich darauf die Behandlung der Schildkröten unter den quadrupeda ovipara noch besonders gerechtlertigt wird; so muss dies wieder den Anschein erwecken, als ob die aristotelischen Wirbelthier- klassen durchaus noch nicht so fester Besitz der damaUgen Zeit gewesen wären, dass sich ihnen die Einzelformen ganz ohne Weiteres eingeordnet hätten.^) Besser sieht es im 2. Buche auf dem Gebiete der Wirbel- losen aus, wo ja auch die richtige Anknüpfung an Aristoteles leichter zu finden ist. Doch vermisst man in der kurzen Ueber- sicht, die hier im ersten Kapitel gegeben wird, mit Befremden die eigentlichen aristotelischen Weichthiere ; denn die moUes, die daselbst auftreten, sind die Crustaceen. Ausserdem gemahnen die Formen mollis und durae testae sowie die weitere Einthei- lung der letzteren mit ihren Comparativen an Plinius. Als neue Gruppen kommen die Zoophyten hinzu, deren Name als bereits von dem Griechen abstammend bezeichnet wird, und die de- jectamenta marina, eine für Belons Werk als culinarische Zoo- logie recht bezeichnende Gruppe: ihre Mitglieder werden näm- lich nur durch den einen Charakter zusammengehalten, dass sie nicht gegessen werden. 2) Hier tritt der eigentliche Beweggrund 1) Cap. 6: Hae vero testodines, etsi praeter aliorum, quos descripsi- mu8, aquatilium quadrupedum morem concha longe duris siina contegautur, quia tarnen lacertosi generis esse nemo negaverit, post crocodiiorum species juie describendas esse duximus. Angesichts der unerfreulichen Ver- wirrung, die sich bis zur Unmöglichkeit steigert, überhaupt über Belons eigentliche Ansicht betreffs der grossen Wirberthierklassen ins Klare zu kommen, muss es doppelt angenehm berühren, bei ihm in kleinem Kreis auf lebhafte Erkenntniss natürlicher Verwandschaft zu stossen. Der alte Familienname ist um so interessanter, als er ganz nach dem heutigen Tages noch gültigen Princip: mit Benutzung des Namens einer typischen Gattung gebüdet ist. 2) Lib 2, Cap. 1 : Exanguium differentiae ac divisiones.^ Horum alia dura quidem testa operiuntur, quae illi laTQattoSeQfia, alia vero molli, quae etiam fiakaxoaTgaxa vocant, atque alia rursus insecta, sub quibus magna marinorum ac üuviatilium phalanx continetur. Exan- guium igitur moUes a nobis describentur ac depingentur primum locustae, cancri et idgenus ceteri. Secundum locum sortientur qui duriorem testam habent: quorum fragili testa cooperta, deindo vero duriore contecta expri- mentur, Testaceorum autem duriorum alia quidem bivalvia, Graecis ^/^i'()aj alia univalvia, quae et iiovi&vQa dicuntur: quae est Turbinatum genus, quod oTQofißoiiSi« et itoxh(S6es dictum est. Quibus adjiciemus ancipitia - 48 - für die Herausgabe des Werkes deutlich genug hervor, und wie die ganze Wissenschaft noch nicht Selbstzweck war, so waren auch für die systematische Gestaltung, d. h. die Grup- pirung des Stoffes practische Rücksichten massgebend: das aristotelische System wurde nur insoweit benutzt, als es sich ge- rade bequem darbot. Im 2. Kapitel erscheinen die eigentlichen mollia mit einer Charakteristik^), die in ihrer negativen Fassung gar nichts Aristotelisches mehr enthält, durch die Vergleichung mit Knochen- und Knorpelfischen aber wohl geeignet ist, die oben angeregten Fragen und Zweifel betreffs Belons Stellung zu den aristote- lischen Wirbelthierk lassen und einem auf wirklicher Verwand- schaft beruhenden Keiche der Wasserthiere von neuem zu be- leben. Oder sollte im Zusammenhang mit dem Gesamt- charakter des Werkes diese Definition lediglich nach der äusseren Beschaffenheit geradezu für den Fischmarkt berechnet sein? Im Uebrigen zeugt die Beschreibung der Cephaloden von genauer Beobachtung. Als letztes Mitglied der Mollia wird die Urtica marina aufgezählt, und zwar, wie Belon ganz ruhig er- klärt, einfach desshalb^), weil sie nach Art der Mollia zube- reitet gegessen wird; übrigens ist es ihm nicht unbekannt, dass sie eigentlich zu der Gruppe der Zoophyten gehört, die offenbar seiner Meinung nach schon bei Aristoteles existirte. Hier scheint eine bewusste Anordnung nach einem unwissenschaftlichen Ge- sichtspunkt unzweifelhaft. Bei der Definition der Crustata — dieser Name beginnt jetzt zugleich mit Testacea die lateinischen Uebersetzungen der aristotelischen Bezeichnungen zu vertreten — werden wieder die Hautbedeckungen sämtlicher Wasserthiere zum Vergleich herangezogen (Cap. 3). Ausserdem gibt eine nochmalige Aus- einandersetzung über die Schildkröten an dieser Stelle zu denken, wenn sie eben nicht blos mit Rücksicht auf den im zoolo- gischen System völlig unbewanderten Leser eingefügt ist. Am Schlüsse des Kapitels wird durch eine Wiederholung der Definition noch einmal die geringe Dicke der Schale als naturae animalia, ^mq)vTa Graecis dicta, inter plantas et pisces ambigentia. Ultimo loco dejectamenta marina, nominibus etiam insignibus praedita explicabuntur, quibus nonnunquam etiam vesci solemus. Seda molüoribus est exordiendum. 1) Cap. 2: Mollia nempe vocantur, quae neque squamas habent, nee entern asperam aut testaceam, td fialaxä t) fialaxöSegfia Graecis dicta. 2) Cap. 2 : Urticam inter molles pisces ob boc recensui, quod molüum modo in obsoniis edatnr, alioqui certum est, ancipitem uaturam habere atqne inter l(a6(pvTa (qnae plantanimalia a Theodoro appeliantur) apud Aristo- teiem connumerari. i — 49 -- * * der hauptsächliche Unterschied zwischen Crustaceen und Testa- ceen hingestellt (Cap. 3). Als Mittelding zwischen beiden gilt nach Aristoteles der Einsiedlerkrebs; doch herrscht über das Verhältniss des Thieres zur Schale kein Zweifel mehr , sogar der Wechsel nach Bedürfniss ist beobachtet. i) Die genauere Definition (Cap. 5) der Schalthiere schliesst sich wieder an Aristoteles an, nur der Comparativ in der Kapitelüber- schrift gemahnt noch an Plinius. Die ganze Gruppe der Testata wird wegen ihrer geringen Beweglichkeit als pflanzenähnlich bezeichnet, und im Zusammenhang damit für alle die Urzeugung angenommen. Unter ihnen erscheint auch der Nautilus, ohne dass seine Einordnung an dieser Stelle gerechtfertigt wird; sie erschien wohl durch die Schale selbstverständlich, obwohl die Aehnlichkeit mit den Cephalopoden durchaus nicht verborgen blieb, ^j Es folgen die Seeigel und weiterhin die Seesterne; beide werden nach der Essbarkeit eingetheilt und für diese Anordnung sogar die Autorität des Aristoteles ins Treffen geführt. 3) Interessant ist hier die Erwähnung und nähere Beschreibung der Ambu- lacralfüsschen , die auch bei den Holothurien bereits beobachtet waren; doch hatte sie Belon, wie Leuckart hervorhebt, nicht in ihrer spezifischen Natur erkannt; denn er schreibt sie auch seinem Lepus marinus (einer Meduse) zu, und es ist ihm dess- halb weniger schwer anzurechnen, dass er nicht auf Grund dieses in der Thierwelt ganz einzig dastehenden Charakters die betreffenden Formen vereinigte. Am Schlüsse des Kapitels 1) Cap. 4: Partim locustarii, partim etiam testacei generis cancellus, in qnonon minore admirationedignus est, quam eques. Namcum oblongus sit, ac seorsim nasci solitns, tamen in vacuis aliorum exanguium testis vitam traducit modo has, modo illas petens: atqne ubi nnam conspurcavit, tum ad aliam se transfert. . . , . t^ , . 2) Cap. 5: Caeterum psittaci rostrum habet suisque cirrhis Polypi modo graditur atque eodem modo acetabulis sorbet. 3) ibid.: Verum Echinorum species descriptums Aristotelicum secutus autoritatem ab iis, qui sunt edendo, inchoandum esse putavi. — qui suis promuhcidibus sese ita stabiliunt, ut plerumque testam piscatores prius atterant quam inde integros divellere possint. — Promuscides autem Echi- norum edulium Unguis cicadamm et muscarum similes sunt, steUarum et pudendorum marinorum modo easque tam crebras habent, ut dinumerari nequeant, quibus undique circumsepti adhaerescunt: extrorsum autem non apparent: concidunt autem in se ipsos contracti. Promde Stellas natura iisdem armaturis, hoc est promuscidibus mu- nivit, quibus Pudendum et Erinaceum. Quodsi a quoquam extra aquam observentur, omnino immobiles apparebunt. Sed si eas quispiam in aquam immergat et supinas instraverit, tunc promuscides acetabula in extremo plus quam quinque milia exerere cemet atque in pronam partem moven. — ^ ^ ettiäit der Leser noch eine wohlmeinende Warnung vot Ver- wechselung mit einem Fisch Namens Stella, die ihn — man weiss nicht, ob vor einem wissenschaftlichen Irrthum oder vor einem schlechten Gericht bewahren soU.^) Die Zoophyten sind natürlich Mitteldinge zwischen Pflanze und Thier, werden aber, weil einige fleischige Körperbeschaffen- heit und eine gewisse Empfindung zeigen, hier noch an die Thiere angereiht (Cap. 11). Zu ihnen gehören: Tethyen (unter deren Namen aber mehr Alcyonidien als einfache Ascidien be- schrieben werden Lk), Lepaden (pollicipedes) Spongien, deren nähere Beschreibungen meist nur Wiederholungen aus Aristote- les und Plinius sind. Dass die dejectamenta marina keine Gruppe von wissenschaft- lichem Werth sein konnten, darüber wird sich wohl Belon selbst klar gewesen sein. Er meint damit offenbar Geschöpfe , die eigentlich gar keiner Erwähnung werth wären, weil sie zu Nichts nütze sind, eine llir den Geist, aus dem heraus das Werk verfasst ist, sehr bezeichnende Auffassung, die ihm aber für so selbstverständlich gilt, dass er sie ohne Weiteres dem Aristoteles vindiciren zu können glaubt. 2) Ein näheres Eingehen auf den Inhalt hat kein Interesse; es mag nur erwähnt werden, dass ein Lepus marinus, der aber hier eine Meduse (Rhizostomum Lk) ist, und ein genitale marinum (Holothurie) sich darunter befinden, auf deren Ambulacralfüsschen noch einmal eingegangen wird; ausserdem noch 2 Fische, Hippocampus und Syngathus, die der Verfasser jedenfalls als solche erkannt hatte, über deren Unterbringung an dieser Stelle wir uns daher den Kopf weiter nicht zu zerbrechen brauchen. Im Allgemeinen dürfen wir in dem Erscheinen einer solchen provisorischen Gruppe am Ende des Systems wohl ein Anzeichen dafür sehen, dass die vorhan- denen Gruppen der Wirbellosen zur Unterbringung des immer mehr anwachsenden Materials nicht mehr genügten, zumal weder die 4 altaristotelischen grossen Genera in ihrer starren Fassung, noch die Zoophyten mit ihrem verschwommenen Charakter ge- eignet waren, viel neue Formen aufzunehmen. Wenn wir die dejectamenta Belons unter diesem Gesichtspunkte betrachten, werden wir uns auch nicht wundern, sie mit Wurmformen er- öffnet zu finden; (Nereis, Arenicola, Aphrodite-Eruca marina 1) Cave autem ne vocum affinitate decipiaris ; est euim piscis, nomine Stellae vnlgo a Romanis vocatns, Lopide similis de genere Anthiarum: de quo jam snperius egimns, nnllo pacto ad exangues has Stellas accedens. Quamobrem hoc etiam te diligenter animadvertere cupio. 2) Cap. 12: Beim Lepn« marinus: Aristoteles huius descriptionem ßubticuit, quod forte dejectamentum inutile esse videret — 5i — Lk); denn Würmer sind es vor Allem, deren Einordnung In dää aristotelische System Schwierigkeiten entgegenstehen. An an- deren Werken wird dies noch deutlicher werden. So wäre es denn des Rühmlichen nicht gerade viel, was aus der Betrachtung Belons in Hinsicht auf unsere Aufgabe re- sultirt. In Bezug auf die grössten Gruppen des Systems, soweit dieselben in einem Werk über Wasserthiere zum Ausdruck kommen können, erscheint ein richtiges Verständniss des Aristo- teles nichts weniger als über jeden Zweifel erhaben, ein Ein- fluss des Plinius dagegen noch mehr oder minder mächtig. Es ist ja auch schliesslich nicht zu verwundern, wenn ein Schrift- steller, der nur auf Einzelbeschreibung abzielte und sich in seiner ganzen Betrachtungsweise so von practischen Gesichts- punkten leiten liess wie Belon, auch in der allgemeinen Anord- nung seines Stoffes nicht streng wissenschaftlich verfuhr, viel- mehr gerade den weitesten Begriffen die geringste Sorgfalt widmete. Er gebrauchte eben die aristotelischen Zusammen- fassungen, wie und wo sie ihm gerade passten, wobei vielleicht die naturphilosophischen Anschauungen der Zeit mit eingewirkt haben mögen , nahm sich aber allem Anschein nach nicht die Mühe, durch eingehendes Studium des Aristoteles nach dieser Richtung hin sich über die richtige Auffassung zu vergewissem. Einem Wotton gegenüber können wir daher Belons Fischbuch in Sachen der Systematik von dem Vorwurf der Oberflächlichkeit nicht freisprechen , müssen überhaupt mit Bedauern einen ge- wissen unwissenschaftlichen Geist constatiren, der durch das Ganze geht. Dieses Urtheil steht aUerdings im Widerspruch mit der Werthschätzung, die Belons Leistungen sonst erfahren, aber da in der Bekanntschaft mit dem Urtext des Aristoteles die Vorbedingungen zu Besserem gegeben waren, und von Zeit- genossen in so erfreulicher Weise benutzt wurden, so dürfte der Tadel wohl hinreichend gerechtfertigt sein, um rückhaltslos aus- gesprochen zu werden.^) 1) Bei Rondelet wu-d mehrfach m wenig schmeiclielhafter Weise ein Autor kritisirt, „qui nuper libellum de aquatilibus edidit" und „confar- cinavit". Sollte damit nicht Belon gemeint sein? N — 62 -ii Rondelet Ein ungleich wissenschaftlicherer Geist und ein gründliches Studium des Aristoteles beherrscht dagegen das andere ichthyo- logische Hauptwerk der Renaissance, Rondelets Libri de Pisci- bus marinis. Auf dem Gebiete der europäischen Meeresthiere war der Verfasser geradezu erste Autorität ftlr das ganze Zeit- alter, so dass gewisse Formen damals einfach durch Zusatz seines Namens bestimmt wurden. Er ist sich auch als Fran- zose des eigenen Werthes gar wohl bewusst und lässt sein Licht aus ergötzlichen Ausfällen gegen seine unwissenden Zeitgenossen und drastischen Kritiken ihrer Leistungen kräftig genug hervor- leuchten.^) So hoch steht er aber denn doch wohl nicht über seinen Zeitgenossen, dass er ein Recht hätte, sie so von oben herab zu behandeln, und bei allem Respect, den wir seiner selbstbewussten Persönlichkeit gerne zollen, können wir doch nicht umhin, ihn als einen ächten Sohn seiner Zeit zu bezeich- nen, freilich als einen solchen, der den ganzen damals vorhan- denen zoologischen Wissensschatz in voUem Umfange besass, ihn selbständig verarbeitet hatte und durch eigne Forschung eifrig zu erweitem strebte. Das Werk beginnt mit einer allgemeinen Einleitung, die 1) Praefatio ad lectorem: Neque vero me a scribendo deternierunt, Uli, qui de eadem re libellos nuper ediderunt, in quibus sunt, qui con- spectis chartis meis argumenti novitate et iconnm pulchritudine impulsi hancque gloriam mihi praeripere volentes magnam partem scriptorum suo- rum ex meis consuerunt, sed ad eam rem tractandam tam imparati, ut in piscium partibus ad eorum notitiam necessariis exprimendis turpissime hallucinati sint in piscibus nominandis, in citandis veterum locis et temere ad sensa sua accommodandis gravissime errarint, adeo ut ex eorum libro- rum lectione nihilo peritior evadat lector. Ego contra magno labore, magna rei familiaris jactura in nostro litore, in Gallia, in Italia aliisque in locis pisces diu conquisivi, nonnullos per amicos recuperavi, diasecui, intemas et externas partes diu multumque sum contemplatus. Lib. 1, Cap. 1 : Proposita enim rei utilitas eaque permagna et stu- diosos ad nostra attentius libentiusque legenda incitabit et malevolorum reprimet maledicta, qui nostram in hac re diligentiam effusosque sumptus vellicant et reprehendunt : se bene doctos ac se de rebus vix solo nomine cognitis praeclare disserere existi mantes, cum in scholis de sugestu nullo repugnante apud imperitos cum admiratione et applausu multa effutiunt: inepti sane et ridiculi, qui ea, quae non noverunt, confidenter doceant et impudenter ostentent Zugleich eine kräftige ßeaction gegen jene mit philologischem Flitter aufgeputzte Karrikatur unserer Wissenschaft, wie ^ie sich damals noch vielfach breit machte. — 53 — factisch eine vergleichende Biologie und Anatomie der Wasser- thiere bildet. Wie weit aber der Verfasser und seine Zeit von der Erkenntniss der ideellen Bedeutung einer solchen Betrach- tungsweise und damit von der Erfassung der eigentlichen Auf- gabe unserer Wissenschaft entfernt war, zeigt nur zu deutlich die Rechtfertigung aus praktischen, Nützlichkeitsrticksichten, die er vorausschicken zu müssen glaubt: sogar glückliche Kuren müssen herhalten, um der Mitwelt die Beschäftigung mit der Anatomie der Fische begreiflich zu machen, Beim Studium dieser Einleitung war es mir nun eine besondere Genugthuung, das, was bei Belon gewissermassen nur zwischen den Zeilen erschien und deshalb auch nur als subjectiver Eindruck mitge- theilt werden konnte, bei Rondelet ausdrücklich ausgesprochen und unzweideutig bestätigt zu finden, nämlich: die in den all- gemeinen naturphilosophischen Anschauungen der Zeit begrün- dete Annahme eines selbständigen, geschlossenen Reiches der Wasserthiere,^) dessen sämtliche Mitglieder vermöge ihres stoff- lichen Zusammenhanges mit dem Elemente, dem sie zugehören, unter einander innig verwandt sind und desshalb eine nichts we- niger als künstliche, willkürliche Zusammenfassung, sondern vielmehr eine* gerade in der innersten Natur begründete Einheit bilden. Hier ist das Hindemiss greifbar, das in der damaligen Wissenschaft der vollständigen Anerkennung und consequenten Durchführung des natürlichen Systems im Wege stand, und das auch die Bekanntschaft mit dem aristotelischen Urtext nicht zu beseitigen vermochte : ja, das vielleicht gerade durch die philo- sophischen Schriften des Aristoteles wieder neu gefestigt wurde. 1) Cap. 4: Cum singulae, quae caeli complexu coercentur, effector omnium deus crearet, quae primum a se facta sunt, ea in operis reliqui materiem sibi delegit, ut cuique rei novae efficiendae convenirent; pisces itaque geniturus a se creatas prius aquas tamquam in societatem con- vocavit ab illisque operis materiem capiens aquatilium animantium proge- niem excitavit. Hoc philosophorum litteris mandatum est et sacrarum litte- rarum testimonio, cui fidem abrogare non licet, confirmatum. Im Folgenden bekennt sich dann der Verfasser zum Glauben an die Urzeugung im denk- bar weitesten Umfange, für deren fortwährendes Dauern in der Jetztzeit er aus seiner eigenen Erfahrung die Beobachtung von Fischen in isolirten Tümpeln anführt. Am drastischsten tritt der Glaube an den directen Emfluss des Auf- enthaltsortes auf die ganze Natur des Thieres vielleicht aus folgender Stelle hervor: De piscibus stagni marini Über, Cap. 12: Hoc Cancrorum genus inter marinum et fluviatilem medium esse comperio, ut in marini et fluviatilis vicem usurpare possimus : stagnorum enim aqua partim marma partim dulci constat. Quando igitur fluviatiles desunt, stagni cancros aqua hordei abluendos censeo, ut in ea, si quid sit salsuginis, deponant; quibus tum feliciter utemur in bis affectibus, quibus fluviatües valde pro^ de&se praedicantur, - 54 - Andrerseits macht sich aber als Folge der auf eigner Beobacht- ung fussenden genaueren Einzelbeschreibung ein lebhafter Zug nach natürlicher Anordnung geltend, der allerdings neben den herrschenden allgemeinen Anschauungen nur zu beschränktem, man möchte sagen : zufälligem Ausdruck kommen konnte — da, wo jene im Stiche Hessen, keinesfalls aber, auf seine principielle Bedeutung erkannt, ihnen gegenübergestellt wurde. Das ganze Kondeletsche System ist ein Produkt dieser beiden widerstrei- tenden Factoren, und besonders auf dem Gebiete der Wirbel- thiere ist es interessant, zu verfolgen, wie bald der eine, bald der andere die Oberhand gewinnt, weil hier eine feste Noim im Anschluss an Aristoteles nicht so selbstverständlich gegeben war. In demselben Licht muss nun auch die Belonsche Eintheilung der Fische erscheinen, die ja im Ganzen schon dieselbe ist. Nur betreffs der Cetacea ist bei Rondelet ein Fortschritt unverkennbar. Zunächst wird unter den Wirbelthieren eine sehr vernünftige Unterscheidung zwischen Fische und Nicht- fischen gemacht,^) und schon dadurch das heterogene Conglo- merat der Belonschen Cetacea einigermassen entwirrt; ferner wird der Begriff piscis cetaceus mit Hülfe des Aristoteles wie- der scharf begrenzt und vor dem Zusammenwerfem der Cetaceen mit grandibus cuiusvis generis piscibus gewarnt^) Aber auch die Amphibia haben bei Rondelet gar keine Beziehung mehr zu den Cetaceen; sie erscheinen überhaupt erst am Ende des Wer- kes und bestehen nur aus Repräsentanten unserer jetzigen Am- phibien und Reptilien bis auf den Biber, der aber mehr aus praktischen Rücksichten, wegen seiner therapeutischen Wichtig- keit, aufgenommen scheint; der Verfasser fühlte wohl selbst, dass bei weiterer Ausdehnung die Gruppe immer mehr ins Willkür- liche verlaufen musste. Uebrigens zeigt ihr Inhalt, wie aus der künstlichen Zusammenfassung der Wesen mit wechselndem Aufenthalt eine natürliche Gruppe sich herauszubilden beginnt. 1) Lib. 16, Cap. 1 : Vel fortasse rectias aquatile genus ita distingue- mos, ut alind sit, qnod a^uam admictat emittatque, ut luia cum aqua ad- misso aere refrigeretur, ahud propter cibum : quum enim in humore cibum accipiant, fieri non potest, quin aliquid bumoris simul bauriatur, quod baustum, quo emittant, instrumentum babeaut, necesse est. refrigerationis vero causa aerem per pulmones trabunt, cuius modi sunt cetacei, de quibus nunc tractaturi sumus. 2) Quamquam alii tumLatini tum Graeci veteres cetaceos acceperint pro grandibus cuiusvis generis piscibus, ut alias monuimus, veluti in tbun^orum et galeorum genere quidam cetacei sunt Freilieb werden Tbuiifiscb und Haie dann docb wieder piscis cetaceus genannt; aber Bon- delet unterscbied wobl zwiscben diesem Ausdruck des damaligen Sprach- |;ebraucbs und den piaces cetacei proprio, auctore Aiistotele, — 55 — Die Rondeletschen Cetacea endlich enthalten freilich — abge- sehen von einer Anzahl Monstra, zu denen der Sägefisch über- leitet — den wirklichen Walen und dem Seehund die See- schildkröten so eng angereiht, dass am Ende des einleitenden Kapitels eine besondere Rechtfertigung ihrer abweichenden Fort- pflanzungsweise aus ihren eigenthümlichen Körperverhältnissen für nothwendig befunden wird.^) Diese Erklärung verliert in- dess wieder viel von ihrer Tragweite, von der symptomatischen Bedeutung, die man ihr auf den ersten Blick zuzuschreiben ge- neigt ist dadurch, dass im folgenden Kapitel sämtliche Schild- kröten neben einander besprochen werden. Wie lebhaft sich aber auch der damaligen Naturbetrachtung schon trotz der ent- gegenstehenden allgemeinen Anschauungen die Verwandschaft der Wale mit den Landsäugethieren aufdrängte, kommt in einer für die Zeit äusserst charakteristischen Weise durch die Bemerkung zum Ausdruck, dass mitunter schon Zweifel darüber laut geworden seien, ob die beluae marinae mit Recht als Fastenspeise dienten. 2) ^ , . . . Ganz anders liegen die Verhältnisse auf dem Gebiete der Wirbellosen. Einmal sind diese schon zum grössten Theile Wasserthiere, und es steht schon desshalb auch im Rahmen eines Werkes, das sich auf solche beschränkt, dem ungeschmälerten Ausdrucke des natürlichen Systems kein erhebliches Hmderniss entgegen. Ausserdem schreibt aber Aristoteles hier die Normen so gebieterisch vor, dass sie bei jedem, der auf seinen Schul- tern steht, wieder zum Vorschein kommen müssen. Daher springen auch bei Rondelet die aristotelischen Gruppen der WiibeUosen sofort in dieAugen;^) doch steht er ihnen vermöge 1) Lib. 16, Cap. 1: Testudines ob integumenti duritiemet compressius latiusque corpus vivum animal in utero gestare non possunt. 2) ibid: Carnis quoque substantia non multum a terrenis discrepant, Quae res patres nostros impuüt, ut dubitarint aliquando, an quadragmta dierum spatio, quo carnium esu nobis est interdictum, beluarum marinarum came vesci liceat „ , , ^ .. 3) Lib. 17, Cap. 1: Piscium geuera diversa, quae bactenus exsecuti sumus, omnia evaifia sunt, id est, sanguine praedita. Nunc avaifia, id est, sanguinis expertia persequemur, quorum tria sunt genera: impnmis, quae mollia appellantur, deiude contecta crustis tenuibus, postremo testis con- clusa duris. Hunc ab Aristotele institutum ordmem et a Plinio repetitum deinceps sequemur. Interessant ist bier eine Notiz über Warm- und Kalt- blütigkeit, die gelegentlicb der Auseinandersetzung über die BedeutuDg des Blutes erscheint: Verum dubitaverit aliquis, possintne animalia aliqua sine sanffuine vivere, cum büis utraque pituita, sanguis viventium ani- mantium elementa esse videantur. Humorem quidem certe genus omne animantium continet, quo si aut natura aut vi privetur, intereat necesse est : habet etiam partem aliquam, in qua bumor xs fiat et contineatur, - 56 — des Selbstbewusstseins, das ihm die eigne Forschung verleiht, so frei gegenüber, dass er innerhalb der gegebenen Normen ganz nach eigenem Ermessen schaltet und waltet So finden wir gleich bei den Mollia, deren Definition durch Vergleichung mit den Hautbedeckungen der übrigen „Fische" der aristotelischen gegenüber etwas specificirt wird, — neben dem Nautilus^) und Lepus marinus^) die urticae nebst einer Erklärung dieser Massnahme, die sehr vortheilhaft von der Be- lonschen absticht.^) Unter den urticae werden übrigens bei Ron- delet nicht blos Actinien, sondern als solutae auch Medusen verstanden, deren er, allerdings sehr schematisch, 2 abbildet In der Sclalussbemerkung wird dabei die Deutung derselben als pulmones marini zurückgewiesen und die abweichende Ein- ordnung der Nesselthiere überhaupt noch einmal ausdrücklich selbst dem Aristoteles gegenüber aufrecht erhalten. Es folgen die Crustaceen, die nach Aristoteles moUi testa operta, nach Plinius crustis intecta et crustata genannt werden und ihrer äusseren Leibesbeschaffenheit nach zwischen MoUien und Ostrakodermen in der Mitte stehen (Lib. 18, Cap. 1). Sie werden in die beiden grossen Unterabtheilungen der Lang- und Kurz- schwänze zerfällt, astaci und cancri, und zwischen beide als Uebergang der Einsiedlerkrebs eingefügt, über dessen Natur und Lebensweise sehr hübsche eigene Beobachtungen mitge- theilt werden. An die kleinen Krabben schliessen sich Pulex marinus und Pediculus marinus an, letzterer wahrscheinlich eine Fischassel, wegen deren Zusammenwerfen mit dem aristotelischen oestrus der Verfasser mit gewohnter Energie und Lebhaftigkeit ^nalis est sangnis et vena, ant qnae bis proportione paria sunt. Quare is humor vel sangnis faerit in iis, quae natura calidiora sunt, vel alius, qui sanguini proportioni respondfeat, in iis, quae natura Mgidiora sunt 1) eigentlich die beiden aristoteliscben Formen bescbalter Cepbalopo- den, Abbildungen nur vom nautilus. 2) Es werden drei 3 Fonnen abgebildet und beschrieben, — die be- zeichnend für den damligen Zustand der systematischen Begriffe — in der Ueberschrift species, im Text genus genannt werden. Die erste ist un- zweifelhaft eine Aplysia, die zweite trotz der kurzen Beschreibung und mangelhaften Abbüdung noch als eine nahe Verwandte kenntlich; die dritte dagegen liesse sich der Abbildung nach vielleicht noch am besten als Tethys fimbriata deuten. 3) Cum igitur urticae frondem suam, quae pedum vice est, modo di- latent modo contrahant, cum ore cibum accipiant, id est, cum tactu gusta- tuque, qui duo sensus ad vitam animaliüm sunt necessarii, praeditae sint, non inter zoophyta, ut Plinins, sed inter animalia non omnino perfecta eas nu- merabipaus, Polypis autem et leporibus marinis subjungimus, quod ex jnpUium sint genere, quod etiam modo fronde expansa polyporum instar pedes multos habere videantur, modo fronde contracta massa tantum car* jipsf^ ififornii yeluti lej)ores pnarini constare videantur, — 57 ^ einem Zeitgenossen in wahrhaft ergötzlicher Weise den Text liest. 1) Die einleitende Bemerkung, dass der Pediculus marinus eigentlich zu den Insecten gehöre, darf vielleicht als erste Ahn- ung eines Zusammenhanges zwischen beiden Klassen gelten. Den Schluss der Crustaceen bilden die Echini. Rondelet lässt es unentschieden, ob sie besser hier oder bei den Testaceen untergebracht werden, beweist jedoch durch den Platz, den er ihnen f actisch anweist, dass er mehr der ersteren Ansicht zu- neigt 2) Auffallend ist es angesichts der schönen Beweise selb- ständiger Forschung, die wir sonst bei Rondelet finden, dass die promuscides der Seeigel gar nicht genannt werden. Die Testacea enthalten nur Mollusken nebst einigen wenigen Formen, die wie Lepas und Baianus vermöge ihres äusseren Ansehens als Schalthiere erscheinen mussten. Ein Mann von so ernstem Streben wie Rondelet, musste sich nattlrlich bemühen, das Thierreich bis zu Ende in wissen- schaftlicher Form abzuhandeln und konnte einer Zusammenfassung nach Art der Belonschen purgamenta keinen Raum in seinem Werke gönnen: er schliesst daher die Reihe der Wirbellosen, an das aristotelische System anknüpfend, mit den Insecta et Zoophyta, die er desshalb vereinigt, weil sie seiner Ansicht nach mannigfache Berührungspunkte haben ^): „Unter den Insecta aquatilia versteht Rondelet Würmer, besonders GHederwürmer, 1) ünde perspicuum sit, turpiter hallucinatum fuisse autorem libri de aquatilibus, qui pediculum marinum asilum sive oestrum Aristotelis appellaverit, quem asilum Aristoteles post pediculum longe diversum des- cribit. Asilus sub quorundam thynnorum pinna oritur specie scorpionis, aranei magnitudine. Si asilus scorpioni similis est figura, ubinam, quaeso, in asilo tuo ea repraesentatur ; ubi cauda longa et stricta? ubi in eodem aranei magnitudo? Haec aperte convincunt, te neque asilum unquam vidisse, neque traditam ab Aristotele ejus descriptionem diligenter legisse. 2) Dubitari non immerito possit, mter crustatane an inter testacea numerandi sint Echini: nam eos inter testacea Aristoteles recensuisse vi- detur, quum scribit: — . . . Plinius vero inter crustata: cum enim de can- cris et locustis dixisset, subjunxit: Ex eodem genere sunt echini etc. Quamquam non nesciam, Massarium horum genus ad exsanguium genus, de quo multo ante Plinius, referri voluisse, sed ad propinquius crustatorum genus rectius mihi referri videtur. Si enim horum integumentum propius mspicias, non durum neque siliceum sed fragile potius crusiae tenuioris modo esse judicabis. Sed quilibet ad utrum volueiit ^enus referat pro arbitrio. Utut res se habeat, de bis commode isto in loco dicetur, post reliqua crustata, ante quam ad testacea aggrediamur. Man sieht aus diesem Citat, dass die betreffende Stelle des Plinius von jeher zweifelhaft war. 3) Porro eodem libro insecta et zoophyta conjungimus, quod quaedam sint zoophyta, quae ad insectorum, et quaedam insecta, quae adzoophyto- rum naturam accedunt. Ab bis ad ea usque deveniemus, quae prorsus ani- mantia non sunt, quaeque plantis omnino similia atque omnis naturae, animalium expertia, in quo genere sunt spongiae. — 58 - Scolopendrae marinae (Lycoris, Nephthys u. a.), Sipunculiden (Vermis fiMgoQvyxire^os) und Nemertineii (Rondelets Vermis fjLa*QOQvy%i%6Qoi ist entschieden eine Meckelia), Serpula, Sabella, (Penicillum marinum) und Blutegel, an die dann, gewissermassen als Uebergangsformen zu den Zoophyten, eine an den Flossen von Thynnus lebende Lernaeade (oestrus s. asellus, wohl Ler- nanthropus) und Hippocampus angereiht werden." (Lk.). Das Erscheinen des letzteren an dieser Stelle muss allerdings doppelt auffallen bei der verhältnissmässigen Klarheit und Exactheit, die sonst in dem Werke herrscht Eine Erklärung dürfte in- dess kaum zu geben sein, wenn man sich nicht dabei beruh- igen will, dass Rondelet sich hier eben auch einmal eine kleine Nachlässigkeit habe zu Schulden kommen lassen. Wenn in der Beschreibung die sonst nur Wirbelthieren zugeschriebenen Ein- geweide wie cor , hepar erwähnt (Cap. 9), und die Kiemen ge- sucht werden, so möchte man auf eine Erkenntniss der Fisch- natur schliessen; andererseits wird aber dann wieder der Name von der Aehnlichkeit mit einer Raupe abgeleitet und das Thier insectum genannt. „Ausser den SteUae, unter denen wir auch schon Euryale (stella aborescens) aufgezählt finden, den Holo- thurien, d. h. unseren heutigen Holothurien, für die Rondelet zum ersten Male den alten aristotelischen Namen in Anwendung brachte, obwohl er noch mancherlei fremde Formen damit ver- einigte, den Asicidien (Tethya, zum Theil wohl Alcyonidien) und Schwämmen stossen wir unter den Rondeletschen Zoophyten auch' zum ersten Male auf eine Kalkbryozoe (Eschara Rond.- Retepora cellulosa), eine Seefeder (^Penna marina, wie das alöotov avÖQoi von Aristoteles =Pteroidesgnsea) und einen Botryllus (uva marina), dessen Thiergruppen so deutlich hervortreten, dass Rondelet sagen konnte: flores optime expressos refert. Ob das weiter den Zoophyten zugerechnete Malum insanum marinum, das seinen Namen von der Aehnlichkeit mit den als pommes d'amour bekannten Solanum-Früchten bekommen hat, ein aufgeblähtes Veretillum darstellt, oder, wie Blainville ver- muthet, ein Alcyonium mit halb zurückgezogenen Polypen, bleibt zweifelhaft, wie denn auch die Deutung des Cucumis marinus und Pulmo marinus sehr unsicher ist. Den ersteren könnte man möglicherweise auf Pyrosoma , den anderen auf das zur Algen- gattung Codium gehörende Alcyonium bursa L. beziehen, das von den Neapolitanischen Fischern Palla marina genannt und (nach Cavolini) Winters nicht selten am Strande gefunden wird." (Lk.) f , 1 59 Gesner. Mit besonders warmem Interesse wendet sich stets der in historischer Untersuchung Begriffene einer vateriändischen Er- scheinung zu, und wenn man die Aufgabe hat, die Entwicke- lungsgeschichte einer Wissenschaft nach einer oder der anderen Richtung hin klar zu legen, so verweilt man am liebsten auf den Stufen, die durch heimische Namen bezeichnet werden. So treten auch wir mit herzlicher Freude und verdoppelter Sorgfalt an eine gerechte Würdigung Gesners heran, jenes Vertreters unserer Wissenschaft, der schon in der Spixschen Beurtheilung den Ehrentitel als „erster Morgenbote des zoo- logischen Studiums auf teutschem Boden" erhält. Es scheint — auch an massgebender Stelle — die Meinung verbreitet zu sein, dass Gesner als Encyclopädist und Compilator m Fragen des Systems wenig oder gar nicht in Betracht kommen könne, und wenn man von ihm selbst hören muss, dass seine Arbeit viel mehr die eines Grammatikers als eines Philosophen sei, so kann allerdings von vornherein das Zutrauen zu seinen eigent- lich zoologischen Leistungen nicht gerade gross sein, so wohl- thuend auch eine solche Bescheidenheit gegenüber dem Gebahren eines Rondelet z. B. berühren mag. Allein in Wirklichkeit hat Gesner viel mehr gethan , als er selbst zugibt , und wie er ja längst allgemein als der erste deutsche Zoologe anerkannt ist ^), so gereicht es uns hier zu besonderer Genugthuung, nachweisen zu können, dass er auch speziell auf dem Gebiete der Syste- matik, sehr wohl durchdachte Ansichten hatte und dieselben wacker zu vertheidigen wusste. Wenn wir ihn von dieser Seite kennen lernen wollen, dürfen wir uns freilich nicht mit einer flüchtigen Durchsicht seines Hauptwerkes begnügen, sondern müssen seine Icones animalium einer genaueren Betrachtung unterziehen. Im ersten Bande erscheint allerdings auch hier eine nichts weniger als natürliche Anordnungsweise; dafür wer- den aber dann in der Vorrede zum 2. Band, der die Wasser- thiere enthält und desshalb fast ausschliesslich hier in Betracht kommt, die Grundsätze der natürlichen Systematik in einer Klarheit entwickelt und mit einer Entschiedenheit zum alleinigen Anordnungsprincip erhoben % die eigentiich gar nichts mehr zu 1) Siehe Carus Seite 288. . ^ . ,. 2) Icones auimaUum in mari et dulcibus aquis degentmm, Praeiatio: - 60 — wünschen übrig lässt, jedenfalls aber alle ähnliche Regungen, die in früheren Werken auftreten, weit überflügelt. Angesichts einer solchen Erklärung kann es keinem Zweifel mehr unter- liegen, dass Gesner der Verstösse gegen das natürliche Princip, die er sonst beging, sehr wohl sich bewusst war; zudem hat er sich über die practischen Beweggründe, die ihn dazu veranlassten, mehrfach unzweideutig ausgesprochen, wie schon J. B. Meyer zur Genüge nachgewiesen hat^) Wir können dessen Behaup- tung nur beipflichten, dass Gesner dem Aristoteles mit Bewusst- sein folge, und müssen diese sogar dahin erweitern, dass Gesner sich mit einer Entschiedenheit auf den aristotelischen Stand- punkt stellt, wie sie uns sonst nur bei Wotton allenfalls noch begegnet Die quadrupeda vivipara, ovipara und aves treten schon aus den Titeln des Hauptwerkes hervor, und eine Zerlegung der aquatilia in ihre natürlichen Bestandtheile bei engem Anschluss an Aristoteles erhalten wir im 2. Theile der Icones. Hier con- statiren wir vor allem mit Vergnügen einen abermaligen Fortschritt in der Begrenzung der Wale. Die Seeschildkröten werden zwar noch daran angeschlossen, in ihrer eigentlichen Natur als quadrupeda ovipara aber richtig erkannt und Rondelet wegen ihrer wirklichen Vereinigung mit den Walen einer scharfen Kritik unterzogen.^) Abgesehen von den monstra, die aller- dings bei Gesner in Schrecken erregender Weise zunehmen, In Omnibus autem illis libris ordinem alphabeti magna ex parte secutus 8um, ut quilibet facilius statim quaesita inveniret. In iconum vero libriss qui imaerines cum nomenclaturis tantum continent, ordines sive classe- a natura Institutes sequi volui: ita ut quae unius naturae essent ani, malia, sive unius generis proximi species, sive aliter multa haberent com- munia, quoad ejus fieri potuit, coniungerem. ^ ^ 1) Siehe Meyer Seite 13 und 14: Bist. an. de quadrupedibus vivi- paris Praefatio ad lectorem, und Eist. an. de avibus, Epistola nuncupatoria. 2) Testudines etiam aliqui Cetis adnumerant, improprie, ut ego judico; quadrupedes enim ovipari sunt Verum haec omnia Cetacea^ cetariave, seu pisces cetacei potius quam cete vocari debebant: xrjTCüdr] ^wa, ^ Ix'&vs xi^aiSüs fjiaXXov if xtjzt]. Pisces proprie dicti omnes branchias habent et ovipari sunt. ^ De Testudinibus in genere. Ego proximum Testudinis genus aliud non invenio, quam ut sit qua- drupes ovipara: quo genere Testudinum species omnes comprebenduntur* Rondeletius inter cete adnumerat testudines: sed hoc marinis tantum con- venerit: quae, ut ipse inquit, mediae sunt magnitudinis inter cete. Aut potius, ut mihi videtur, ne marinae quidem cete appellari debent, si pro- prie loquamur, utcunque grandes: nam ad essentiae et generis rationem magnitudo non est adferenda. Quodsi cete recte definiuntur animalia aquatilia spirantia et vivipara, testudo autemj omnis ovipara sit, cetos eadem non erit ^ el — sind dadurch die aristotelischen cete wiederhergestellt bis auf Seehund und Walross, über deren Verhältniss zu den eigent- lichen Walen sich Gesner indess nicht weiter auslässt. In der Einleitung zu den Mollibus et aliis quoque exanguibus, die nun folgen, erfreut eine exactere Definiton des Begriffes piscis, in der jedenfalls die löbliche Absicht ausgesprochen liegt, dieses viel missbrauchte Wort wieder auf seine ursprüngliche Bedeutung zurückzuführen.^) Die Definitionen der wirbellosen Hauptgruppen werden im Anschluss an Aristoteles gegeben; zu Ende der allgemeinen Einleitung tritt aber doch öie Selbstän- digkeit Gesners wieder deutlich hervor, indem abweichend von Aristoteles, aber richtig die fiins als Homologon der Leber be- zeichnet wird. An nacharistotelischem Zuwachs enthalten die Gesnerschen Mollia dieselben Formen mit denselben Abbildungen, die wir bei Rondelet antrafen. Betreffs der urticae stellt Gesner die Ansicht des Aristoteles der Rondelets gegenüber und kommt zu dem Schluss, dass die Medusen jedenfalls als Mollia, die Actinien aber als Uebergänge von diesen zu den Zoophyten zu betrachten seien. 2) Von dem Abschnitt über die Crustata ist für uns nur das Schlusswort interessant, weil hier Pulex und Pediculus marinus und die Echini von jenen ausgeschlossen werden. Die beiden ersteren hält Gesner für Insecten; betreffs der Seeigel verweist er auf die Einleitung zu ihrer speziellen Beschreibung. Dort finden wir — wiederum ein erfreuliches Zeichen für den streng aristotelischen Standpunkt Gesners — den Grund für ihre Unter- kunft bei den Testaceen in der physikalischen Beschaffenheit ihrer Schale.^) Im Uebrigen erwachsen hier Gesner gerade durch seinen engen Anschluss an Aristoteles Schwierigkeiten, indem er nicht recht weiss, wie er die Ueberzeugung von der Schalthiernatur gewisser beiläufig von Aristoteles unter diesen 1) Pisces proprie dicti omnes sanguinei sunt et branchias habent Mollia vero, cum utrisque careant, improprie a| Plinio inter pisces nume- rantur. 2) Eine aliquis forte inter Mollia et Testacea Urticas ambigere con- jecerit: iUas praecipue, quae saxis semper haerent: nam semper solutas MoUia semper dicemus: ut rursus in earum medio ponemus ülas, quae modo adhaerent, modo solutae va^antur. 3) Bondeletius Crustatis potius Echinos adnumerat : et integumentum eorum non durum neque siliceum esse ait, sed fragile crustae tenuioris modo. Verum etiam dura et silicea, si tenuitas accedat, plane fragilia sunt et magis etiam quam minus dura; flexilia autem, ut crustatorum corium, praesertim recens, non sunt. Conchulas quoque multas testam tenuem prorsus et fragilem habere videmus neque a testatorum genere ezcludimus. ! » :- 62 — genannter Fonrien beibringen soll: er hilft sich, indem er ein^e Mittelgruppe der Zoophyta testacea errichtet Zunächst erscheint hinter den eigentlichen Mollusken ein Kapitel De aliis quibusdam animalibus marinis, quae ad superiora referri non possunt, welches Lepas, Baianus und einen Röhren- wurm (als Meerbensel) enthält; dann folgen die Seeigel und auf diese die Seesteme (Ästenden, Ophiuriden und Euryale). Letztere führt Gesner offenbar desshalb an dieser Stelle auf, um zwischen den widerstreitenden Ansichten des Aristoteles und Rondelets die Mitte zu halten, in zweiter Linie wegen ihrer vielfachen Aehnlichkeit mit den Seeigeln, die sich ihm lebhaft aufgedrängt zu haben scheint; auch die gemeinsame Eigen- thümlichkeit der 3 bekannten Echinodermenformen hebt er wie- der richtig hervor.^) In der Einzelbeschreibung schliesst er sich aber eng an Rondelet an, und dem entsprechend enthalten die Gesnerschen Zoophyta Testacea: Holothuriorum Rondeletii prima species (eine Holothurie), Holoth. secunda species (mit der Ab- bildung einer schalenlosen Carinaria [Lk.], die wir aus Rondelet kennen), Tethya (wobei ausser den Rondeletschen und Belon- schen Figuren von Ascidien noch 4 von Cornelius Sittardus stammende Abbildungen zweier mehr oder weniger räthselhafter Naturgegenstände aus dem Mittehneer wiedergegeben werden: der eine, Fungus marinus, könnte allenfalls noch auf eine Spongie (Suberites) gedeutet werden; der andere dagegen scheint überhaupt kein Thier, sondern eher ein abgerissenes Stück von einer Meerespflanze zu sein). Hierauf folgen, als Pudendum znsammengefasst; wieder eine Holothurie, die Mentula marina Rondelets, eine Ascidie (mamillata) und eine Salpe (maxima Lk). Das letzte Glied der Gruppe bildet der Ronde- letsche pulmo marinus. In der Schlussbemerkung bedauert Gesner die Zoophyten trennen zu müssen: er möchte offenbar der Rondeletschen Anordnung den Vorzug geben, wenn ihn nicht die Autorität des Aristoteles davon zurückhielte.^) 1) De Stellis et primum in genere : Nos (inquit Eondeletius) inter Insecta et Zoophyta re^onimus, incisuras enim multas in radiis habent et vix perfecta animalia dici possunt. Nos ad postremum Testaceorum locum, veluti ambignae inter ipsa et Zoophyta naturae eas retuümus. Cum Echinis certe qnaedam communia habent, eaqne plura quam ullo alio ani- malium genere, ut deinceps dicetur. Stellia omnibus communia sunt haec, Radiis quinque constant, qui ex multis particulis tamquam ex multis verte- bris componuntur, ut in aqua mobiles essent, in quorum medio oris situs est, et quinque dentium, ut in Echinis, — natura iisdem armaturis, hoc est promuscidibus, eas munivit, quibus Pudendum et Echinum. 2) Zoopyta reliqua ordine XVII requires, quae scilicet non corio aut testae instar calloso operimento, sed alio quopiam suo integuntur. Honde- - 63 - Seiner vermittelnden Stellung eingedenk lässt ei* daher die Insecta marina folgen. Aus der Einleitung zu dieser Gruppe entnehmen wir unzweideutige Beweise für seine Selbständigkeit in Fragen des Systems, für sein bewusstes Streben nach natür- licher Anordnung, sowie endlich und insbesondere dafür, dass er sich durch verschiedenen Aufenthaltsort der Thiere nicht mehr in der Ueberzeugung von ihrer natürlichen Verwandt- schaft beirren liess.^) Gesner eröffnet seine Insecta marina mit dem enfant terrible der Gruppe, dem Seepferdchen, das in einer neuen, sehr hübschen Abbildung vorgeführt wird. Obwohl er sich damit dem Beispiele der Beobachter des Thieres fügt, kann er doch seine Zweifel an der Insectennatur desselben nicht unterdrücken, und zwar ganz folgerichtig aus den damaligen Anschauungen heraus auf Grund der ihm zugeschriebenen Ein- geweide.^) Obwohl nur eine Einzelheit, ist dies doch desshalb ein nicht weniger charakteristisches und erfreuliches Zeichen des acht kritischen Geistes, der durch das ganze Werk geht und uns mit gerechtem Stolz auf unseren alten Gesner erfüllen muss. Im Uebrigen enthält die Gruppe, abgesehen von den Rondeletschen Pediculus, Pulex und Oestrus marinus, nur Würmer, und zwar: Eruca marina (eine Aphrodite) , Hirudo marina, Vermis micro- und macrorhynchoteros Rondeletii, Lum- bricus longus (ein Arenicolide, aber kiemenlos abgebildet), Vermes in tubulis delitescentes , und die Scolopendrae marinae. In der Vereinigung dieser Formen und ihrer bestimmten Ab- grenzung gegen die Zoophyten dürfen wir vielleicht ähnlich, wie in dem Inhalt der Rondeletschen Amphibia, den historischen Grundstock einer späteren grossen Gruppe des natürlichen Systemes sehen. Die letzte Ordnung enthält nun noch diejenigen Zoophyten, quae non corio duro sive testaceo integuntur (ea enim ultima Testatorum fecimus), sed sui generis operimento. Die Einleitung ist besonders interessant, weil Gessner darin gewissermassen in nuce seine ganze Weltanschauung niedergelegt hat. Es ist im lettius aptius haec et illa conjunxit. Nos, dum Aristotelem, qui haec Tes- taceis apponit, sequimur, incommode divulsimus ordine Insectorum inter- posito. . . , 1) De insectis in genere hoc in loco nihil dissenmus: quoniam ionge plura insecta terrestria sunt: quorum historiae tractatio aliqua his atque Ulis communis praemittenda est. 2) Fei et sanguinem ei attribuunt, Rondeletius etiam hepar et cor: quare non erit forsan proprie Insectorum generis, ut ex corporis ejus seg- mentis videri posset, sed ambiguae inter sanguinea animalium et Insecta, quae sanguine vacant, naturae. Eondeletius tamen, quem sequimur, In- sectis eum adnumeravit. :-- 64 - • Princip die Linnösche: die 3 Naturreiche, aber alö Cöntinulrlicte Entwickelungsreihe aufgefasst, in der die verschiedenen Zoo- phytenformen ihre bedeutungsvolle Stelle einnehmen, und an deren Spitze der Mensch erscheint^) Die Einzelbeschreibung beginnt mit Rondelets Eschara, und wir haben hier gleich wie- der Gelegenheit, die Selbständigkeit des Urtheils zu bewundem, die Gesner seinen Gewährsmännern gegenüber sich zu be- wahren wusste: er spricht sich nämlich ziemlich unzweideutig für die pflanzliche Natur jenes Gebildes aus und sucht es sogar näher zu bestimmen.^) Später folgt noch eine Meeresalge als manus marina, die aber ohne nähere Kenntniss von ihrer Natur aufgenommen scheint; es fehlt wenigstens jede nähere Beschreibung. Die übrigen eigentlichen Zoophyten Gesners sind: Epipetrum (eine Holothurie, deren Abbildung ihm von dem'mehrfach genannten Cornelius Sittardus zugeschickt und von Belon gelegentüch eines Besuches bei Gesner als solche erkannt worden war); Cucumis marinus, nur genannt und mit einer zweifelhaften Abbildung versehen, der eine wahrscheinliche Deutung kaum zu geben ist (möglicherweise soll es eine Doris- ähnliche Nacktschnecke vorsteUen). Es folgen Rondelets ma- lum insanum und uva marina, und den Schluss des Ganzen bildet seine Seefeder, Penna marina Rondeletii. — Die letzte grosse Abtheilung des Werkes, die die Süss- wasserthiere enthält, interessirt uns hier nur insofern, als darin die Gruppe der Amphibia wiedererscheint. In der Einleitung lässt allerdings die Stelle, wo von den betreffenden Thieren die Rede ist, auffallender Weise die sonst bei Gesner gewohnte Klarheit und Entschiedenheit des Ausdruckes vermissen; aber durch das Schlusswort tritt doch auch hier schon wieder das Bestreben hervor, innerhalb der gegebenen Grenzen die natür- lichen Gruppen aufzustellen. Dabei fällt auch ein helles Streif- licht auf Gesners Ansicht betreffs einer Gruppe, auf die wir bisher noch keine Gelegenheit hatten zurückzukommen. Wenn wir wissen, dass Gesner den Schlangen einen eignen Band seines grossen Werkes zu widmen gedachte, wenn wir ferner 1) Sant sane gradus quidam naturae, ut alibi, mirifice semper rd ^iaa xal ina^