Jerry Stannard 1119 W. Campus Road Lawrence, Kansas 66044 EIER “ Fr Be ETREGON EN AST C DORE Die Klassiker der exakten Wissenschaften. Ersehienen sind: Nr. 1. H. Helmholtz, Erhaltung der Kraft. (1847.) (60 S.) 80 2. » 2. €. F. Gauss, Tele in Beziehung auf die im verkehrten ar nisea das Nnadrats dar Untfannnnamtielan 2. 42 From Fhe Ka h ellıs Colleckie: „Univ. 7 Kansar 3. Faplisete en ki eE- Be a > 3. TEN. TI le! NS a BB N LM 18 25 IMiys a ai li 1s. a SE = A 1. EICHE, iX RT: mm " un AN m Mn | IT lu, N { all, je "UM ER Im mel. Mit 57 Textfig. (115 8.) „4 2.40. » 21. W. Hittorf, Abhandlgen überd. Wanderungen der Joneu während der 3 Hektralyse. (1853 4859.) I. Theil. Mit 1 Taf. Herausg. von Ostwald. (878S.) 4 1.60. » 22. Woehler u.Liebig, Unters. über d. Radikal d. Benzoesäure. (1832.) Herausg. von Herm. Kopp. Mit 1 Taf. (45 8S.) #2 1—. » 23. W. Hittorf, Abhandlgen üb. d. Wanderungen der Jonen während der Elektrolyse. (1853—1859.) II. Theil. Mit 1 Taf. Herausg. von . Ostwald. (142 S.) „4 1.50. Fortsetzung auf der dritten Seite des Umschlages. } a IF DON bovrlng. a Die in der Atmosphäre vorhandenen ORGANISIRTEN KÖRPERCHEN, Prüfung der Lehre von der Urzeugung. Abmwandlume von L. PASTEUR, 11862.) ÜVebersetzt von | Dr. A. Wieler. ._ N SONTAR — | Mit 2 Tafeln $ LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1892. A May sam | )) Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen, Prüfung der Lehre von der Urzeugung. Abhandlung von L. Pasteur*). Annales de Chimie et de Physique. 3. Serie. Bd.LXIV. 1862. Kapitel I. Historisches ”*). Im Alterthum und bis zum Ende des Mittelalters glaubte Jedermann an das Vorkommen von Urzeugung. 16] Aristoteles *) Die wichtigsten Ergebnisse dieser Abhandlung wurden der Akademie der Wissenschaften in den Sitzungen vom 6. Februar, 7. Mai, 3. September und 12. November 1860 vorgelegt; diejenigen des Kapitels II. habe ich in der Chemischen Gesellschaft zu Paris in der Sitzung vom 9. December 1859 mitgetheilt. **) Der Leser wird meine Voreingenommenheit dafür bemerken können, in diesem historischen Abschnitt jedem Experimentator den Antheil am Fortschritt, den wir ihm verdanken, zu Theil werden zu lassen. Aber ich habe die nämliche Sorgfalt walten lassen, nicht einen wirklichen Fortschritt weder mit den zahlreichen Abhand- lungen, zu denen der Gegenstand Veranlassung gegeben hat, noch mit Experimenten von verdächtiger Genauigkeit, welche der Wissen- schaft den Weg versperren anstatt ihn zu ebnen, zu verwechseln. In solchen Fragen, weiche seit Jahrhunderten von so vielen Geistern durchgearbeitet worden sind, sind alle aprioristischen Anschauungen, alle Argumente, welche die Analogie und die indirecten Thatsachen liefern können, und alle Hypothesen zum Durchbruch gekommen. Wichtig ist es, bündige Beweise zu liefern und Experimente anzu- stellen, welche frei sind von aller Verwirrung, die aus den Experi- .menten selbst herfliesst. 1* 4 L. Pasteur. sagt, dass jeder trockene Körper, welcher feucht wird, und jeder feuchte Körper, welcher trocken wird, Thiere erzeugt. . Van Helmont beschreibt ein Mittel, um Mäuse hervorzu- bringen. Viele Schriftsteller gaben noch im 17. Jahrhundert An- weisungen über die Art und Weise, um Frösche aus dem Schlamm der Sümpfe oder Aale aus dem Wasser unserer Flüsse zu er- zeugen”). Solche Irrthümer konnte der kritische Geist, der sich Europas im 16. und 17. Jahrhundert bemächtigte, nicht lange ertragen. Zeedi, ein berühmtes Mitglied der Akademie del Cimento, stellte fest, dass die Würmer des in Fäulniss begriffenen Fleisches Larven aus Fliegeneiern sind. Seine Beweise waren ebenso einfach wie entscheidend, denn er zeigte, dass es genügte, das in Fäulniss begriffene Fleisch mit einer feinen Gaze zu um- geben, um die Bildung dieser Larven vollständig zu verhindern. Gleichfalls unterschied Redi zuerst an den Thieren, welche in anderen Thieren leben, Männchen, Weibchen und Eier. Man überraschte , sagte später Reaumur, diese Fliegen bei ihrer Thätigkeit, als sie ihre Eier in die Früchte niederlegten, und man wusste, als man einen Wurm in einem Apfel sah, dass nicht die Fäulniss ihn erzeugt hatte, sondern dass der Wurm im Gegentheil die Ursache der Fäulniss der Frucht war**). Aber bald, in der zweiten Hälfte des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, häuften sich die mikroskopischen Beobachtungen. Die Lehre von der Urzeugung tauchte aber- mals auf. |7] Da sie sich den Ursprung dieser so mannig- faltigen Wesen, welche das Mikroskop in den Aufgüssen pflanzlicher und thierischer Stoffe erkennen liess, nicht erklären konnten, und da sie an ihnen nichts sahen, was einer geschlecht- lichen Zeugung glich, wurden die einen dazu geführt, zuzugeben, dass die belebte Materie nach ihrem Tode eine besondere Lebensfähigkeit bewahrte, unter deren Einfluss die getrennten Theile sich von neuem unter bestimmten günstigen Bedingungen mit einer Mannigfaltigkeit im Bau und in der Organisation, welche diese Bedingungen selbst bestimmen, vereinigen. Andere hingegen glaubten, indem sie die wunderbaren Er- gebnisse, welche das Mikroskop sie entdecken liess, durch die _*) Siehe Zeewenhoeck, Epistola 75; 1692. **, Flourens, Histoire des travaux et des idees de Buffon, p. 78; 1844. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 5 Einbildungskraft vergrösserten, bei den Infusorien Paarung, Männchen, Weibchen und Eier wahrzunehmen, und traten als erklärte Gegner der Urzeugung auf. Man muss anerkennen, dass die zur Stütze der einen oder der anderen dieser Meinungen angeführten Beweise kaum die Prü- fung aushielten. So stand die Frage, als im Jahre 1745 in London ein Werk von Needham, eines geschickten Beobachters und eines katho- lischen Priesters von lebendigem Glauben, erschien, ein Um- stand, welcher bei einem solchen Manne für die Aufrichtigkeit seiner Ueberzeugung Gewähr leistet. In diesem Werke wurde die Lehre von der Urzeugung mit sanz neuartigen Thatsachen gestützt; ich spreche von Experi- menten mit hermetisch verschlossenen Gefässen, die zuvor der Wirkung der Temperatur ausgesetzt wurden. So hat Needham in der That zuerst die Idee derartiger Versuche gehabt. Noch waren nicht zwei Jahre seit der Veröffentlichung von Needham’s Untersuchungen verstrichen, als die Königliche Gesellschaft zu London ihn unter ihre Mitglieder aufnahm. Später wurde er eins der acht correspondirenden Mitglieder der Aka- demie der Wissenschaften. Aber es war besonders dem Beistande, welchen es aus Bufon’s System über die Zeugung gewann, zu verdanken, dass Needham’s Werk einen so grossen Widerhall fand. Die drei ersten bei seinen Lebzeiten publicirten Bände Bbufon’s erschienen in der Quartausgabe im Jahre 1749. [8] In dem zweiten Bande dieser Ausgabe, vier Jahre nach dem Er- scheinen von Needham’s Buch, setzt Buffon sein System der organischen Molecüle auseinander und vertheidigt die Hypo- these von der Urzeugung. Es steht zu vermuthen , dass Need- ham’s Ergebnisse einen grossen Einfluss auf die Ansichten Buffon’s hatten, denn gerade zu der Zeit, wo der berühmte Ge- lehrte die ersten Bände seines Werkes herausgab, machte Need- ham eine Reise nach Paris, wo er der Tischgenosse Buffon’s und sozusagen sein Mitarbeiter wurde. Needham’s und Buffon’s Ideen hatten ihre Anhänger und ihre Verkleinerer. Sie befanden sich im Gegensatz zu einem anderen berühmten System, demjenigen Donnet’s über die Prä- existenz der Keime. Der Kampf war um so lebhafter, je recht- mässiger er auf beiden Seiten erscheinen konnte. Heute wissen wir, dass die Wahrheit sich weder auf der einen noch auf der anderen Seite befand. Ueberdies war es eine Zeit, wo man 6 L. Pasteur. gerne bis zur Erschöpfung über Systeme und speculative An- schauungen stritt. In gewissem Sinne existirten zwei Menschen von entgegen- gesetztem Geiste in Dufon; der eine gestand heute ohne Um- schweife, dass er eine Hypothese suche, um ein System zu er- richten, und der andere schrieb den folgenden Tag die schöne Vorrede zu seiner Uebersetzung von ZHales »Statique ehimique des vegetaux«, in welcher die Nothwendigkeit des Experimentes so hoch gestellt wird, wie es demselben zukommt. Diese beiden Seiten des Genies Du//on’s finden sich bis zu einem bestimmten Grade in allen Gelehrten seiner Zeit wieder. Aber es dauerte nicht lange, so wurden die Needham’schen Schlussfolgerungen einer experimentellen Prüfung unterzogen. Damals lebte in Italien einer der geschicktesten Physiologen, durch den die Wissenschaft sich geehrt fühlen kann, der sehr scharfsinnige und sehr schwer zu befriedigende Abbe Spal- lanzanı. Needham hatte, wie ich es soeben in das Gedächtniss zurück- gerufen habe, seine Lehre von der Urzeugung mit direeten sehr gut ausgedachten Experimenten gestützt. Das Experiment allein konnte seine Ansichten verurtheilen oder freisprechen. Das be- griff Spallanzani sehr wohl. [9] »In mehreren Städten Italiens«, sagte er, »sah man Parteien sich gegen die Meinung des Herrn von Needham bilden; aber ich glaube nicht, dass jemals Jemand daran gedacht hat, dieselbe auf dem Wege des Experimentes zu prüfen.« Spallanzani veröffentlichte im Jahre 1765 zu Modena eine Dissertation, in welcher er die Systeme Needham’s und Buffon’s widerlegte. Dies Werk wurde ins Französische übersetzt, wahr- scheinlich auf den Wunsch von Needham, denn die davon im Jahre 1769 veranstaltete Ausgabe ist von von ihm verfassten Noten begleitet, in denen er auf alle Einwände Spallanzanvs antwortet. Letzterer machte sich, ohne Zweifel von der Richtigkeit der Needham'schen Kritik getroffen, von neuem an das Werk, und liess bald jene schöne Sammlung von Arbeiten erscheinen, deren Einzelheiten er uns in seinen ÖOpuseules physiques“) mit- getheilt hat. | Es würde zwecklos sein, einen vollständigen geschichtlichen *) Spallanzani, Opuseules de Physique animale et vegetale, tra- duits de litalien, par Jean Sennebier;; 1777. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 7 Abriss dieses Streites der beiden gelehrten Naturforscher zu geben. Aber es ist wichtig, genau die experimentelle Schwierig- keit auseinander zu setzen, welcher sie ganz besonders ihre Kräfte widmeten, und zu untersuchen, ob dieser lange Streit alle Zweifel beseitigt hat, was man im Allgemeinen glaubt. Man be- trachtet Spallanzanı gerne als den siegreichen Gegner Needham’s. Wenn dies Urtheil begründet wäre , hätte man nicht Grund, zu erstaunen, dass es noch heute so zahlreiche Anhänger der Lehre von der Urzeugung giebt? Sollte in der Wissenschaft ein Irr- thum nicht schneller verschwinden, selbst in Fragen dieser Art, wenn er wirklich durch das Experiment aufgedeckt worden ist? Muss man nicht fürchten, wenn man ihn guten Glaubens wieder aufleben sieht, dass seine Widerlegung nur eine scheinbare ge- wesen ist? Eine unparteiische Prüfung der widersprechenden Beobachtungen Spallanzanıs und Needham's über den miss- lichsten Punkt des Gegenstandes wird uns in der That zeigen, dass Needham mit vollem Recht entgegen der allgemeinen Meinung [10] gegenüber den Arbeiten Spallanzanv's seine Lehre nicht fallen lassen konnte. Ich habe gesagt, dass Needham zuerst Versuche über das angestellt hat, was man in verschlossenen Gefässen beobachtet, wenn sie vorher der Wirkung des Feuers ausgesetzt gewesen waren. »Herr von Needham«, sagt Spallanzanı, »versichert uns, dass die so eingerichteten Versuche unter seinen Händen immer sehr glücklichen Erfolg gehabt haben, d. h. dass die Aufgüsse Infusorien gezeigt haben, was seinem System das Gepräge gege- ben hat.« »Wenn man«, fügt Spallanzani hinzu, »mittelst Feuer die Stoffe, welche man in die Gefässe gethan hat, und die Luft, welche in diesen enthalten ist, gereinigt hat und noch die Vorsicht braucht, ihnen selbst jede Verbindung mit der umgebenden Luft zu entziehen, und wenn man trotzdem bei Oefinung der Flaschen noch lebende Thiere in ihnen findet, so dürfte dies ein starker Beweis gegen das System der Zeugung aus Eiern sein; ich wüsste sogar nicht, was seine Anhänger darauf er- widern könnten.« Ich hebe diese letzten Worte hervor, um zu zeigen, dass Spallanzanı in den Ausfall der so angestellten Versuche das Kriterium für die Wahrheit oder den Irrthum legte. Nun werden wir aber aus dem folgenden Citat, das den Anmerkungen Needham’s entnommen ist, sehen, dass das gleichfalls seine “ 8 L. Pasteur. SR 4 Meinung war. Folgendes ist eine Stelle aus den Bemerkungen Needham's zu dem Kapitel X der ersten Abhandlung sSpal. lanzanı's: »Es bleibt mir nur noch ührig«, sagt Needham, »von d letzten Experiment Spallanzanı's zu reden, welches er als das einzige seiner ganzen Abhandlung bezeichnet, das einiges Ge- wicht gegen meine Prineipien zu haben scheine. « »Er verschloss neunzehn Gefässe , welche mit verschiedenen pflanzlichen Substanzen erfüllt waren, hermetisch, und liess sie so verschlossen eine Stunde lang kochen. Aber aus der Art, wie er seine neunzehn pflanzlichen Aufgüsse behandelt und dieser Tortur unterworfen hat, ist es ersichtlich, dass er nicht nur die vegetative Kraft der Aufgusssubstanzen sehr geschwächt [11] oder vielleicht gänzlich vernichtet hat, sondern dass er auch die kleine Menge Luft, welche in dem leeren Raum seiner Flaschen blieb, durch die Dünste und die Hitze gänzlich verdorben hat. Folglich ist es nicht erstaunlich, dass seine so behandelten Auf- güsse kein Lebenszeichen von sich gaben. Es musste so kommen.« »Deshalb ist Folgendes in wenig Worten mein letzter Vor- schlag und das Ergebniss meiner ganzen Arbeit: Indem er seine Experimente erneuert, möge er sich solcher Stoffe bedienen, welche genügend gekocht sind, um alle vermeintlichen Keime zu vernichten, von denen man glaubt, dass sie den Stoffen selbst oder den inneren Wandungen des Gefässes anhängen oder in der Luft desselben schweben; er möge seine Gefässe hermetisch verschliessen,, indem er eine gewisse Menge Luft in ihnen zu- rücklässt, ohne sie umzudrehen; darauf möge er sie für einige Minuten in kochendes Wasser tauchen, nur so lange als nöthig ist, um ein Hühnerei hart zu kochen und um die Keime zu tödten ; mit einem Worte, er möge Vorsichtsmaassregeln ergrei- fen, welche er will, vorausgesetzt, dass er nur die vermeintlichen fremden Keime zu vernichten sucht, welche von aussen kommen, und ich antworte, er wird jene mikroskopischen Lebewesen im- mer in hinreichender Zahl finden, um meine Prineipien zu er- härten. Wenn er, indem er sich an diese Bedingungen hält, bei Oefinung seiner Gefässe, nachdem er ihnen die nöthige Zeit zur Erzeugung dieser Körper gelassen hat, nichts Lebendes, noch irgend ein Lebenszeichen findet, so gebe ich meine Lehre auf und verzichte auf meine Ansichten. Das ist, glaube ich, alles, was ein einsichtsvoller Gegner von mir fordern kann.« Damit ist in der That die Discussion zwischen Needham und Spallanzani klar umgrenzt. Im Kapitel III des ersten Bandes Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 9 seiner Opuseules erörtert Spallanzanı die entscheidende Schwie- riskeit. Und zu welchem Schlusse kommt er? Um die Bildung von Infusorien zu unterdrücken, muss man die Aufgüsse drei Viertelstunden auf der Temperatur des kochenden Wassers halten*). [12] Nun, waren nicht die Befürchtungen Needham’s in Bezug auf eine mögliche Aenderung der Luft in den Gefässen gerecht- fertigt, wenn eine Temperatur von 100° während drei Viertel- stunden unerlässlich war? Spallanzani hätte wenigstens durch- aus seinen Experimenten eine Analyse dieser Luft hinzufügen müssen. Aber die Wissenschaft war noch nicht so weit vorge- schritten; die Eudiometrie war noch nicht geschaffen worden. Die Zusammensetzung der atmosphärischen Luft. war kaum bekannt“ ”). Also bewahrten die Ergebnisse der Spallanzanvschen Ex- perimente über den empfindlichsten Punkt der Frage allen Ein- wendungen Needham’s gegenüber ihren vollen Werth. Mehr noch, sie erwiesen sich wenigstens scheinbar berechtigt durch die ferneren Fortschritte der Wissenschaft. ’ Appert wandte die Ergebnisse der Spallanzanvschen Ver- suche, welche nach Needham’s Methode ausgeführt worden waren, auf den Haushalt an. So besteht zum Beispiel eins der Experi- mente des gelehrten Italieners darin, kleine Erbsen mit Wasser zusammen in ein Glasgefäss zu bringen, welches man nach herme- tischem Verschluss drei Viertelstunden lang in kochendes Wasser *) »Es gelang mir darauf«, sagt Spallanzani, »mir Gefässe zu ver- schaffen, welche der Wirkung des Feuers besser widerstanden, und ich wurde dazu geführt, es mit längerem Aufkochen zu probiren, in- dem ich nur eine kleine Menge der besprochenen Aufgüsse in die Gefässe hineinthat; ohne diese Vorsicht wäre ich sicher gewesen, alle meine Gefässe springen zu sehen. Um aber keine köstliche Zeit mit zu viel unbedeutenden Einzelheiten zu verlieren, berichte ich nur über das Ergebniss meiner Beobachtungen. Halbstündiges Auf- kochen war für das Entstehen von Aufgussthierchen der niedrigsten Ordnung kein Hinderniss, welche immer mehr oder weniger alle Ge- fässe, welche der Wirkung desselben während dieser ganzen Zeit aus- gesetzt waren, bevölkerten; aber das Kochen drei Viertelstunden lang oder ein wenig kürzere Zeit, hatte die Macht, die sechs Aufgüsse der Infusorien vollständig zu berauben.« (Spallanzani, Opuscules, t. 1. p- 39.) **) Die erste Abhandlung Spallanzanıs stammt aus dem Jahre 1763. Seine Opuscules erschienen zum ersten Male im Jahre 1776. Die Entdeckung der Zusammensetzung der Luft durch Zavoisier stammt aus dem Jahre 1774. 10 L. Pasteur. hält. Dies ist Appert's Verfahren. Nun aber hat Gay-Lussae, um sich von demselben Rechenschaft zu geben, dies Verfahren verschiedenen Prüfungen unterworfen, [13] deren Ergebnisse er in einer der häufigst angeführten Abhandlungen nieder- selegt hat. Der folgende Auszug aus der Arbeit Gay-Lussac’s lässt keinen Zweifel über eine der Ansichten des berühmten Physi- kers, welche in der ganzen Wissenschaft und zwar unbestritten gegolten hat. »Man kann sich davon überzeugen«, sagt Gay- Lussac, »wenn man die Luft der Flaschen, in welchen die Stoffe (Rind- fleisch, Hammelfleisch, Fisch, Champignons, Weinmost) wohl erhalten waren, analysirt, dass sie keinen Sauerstoff mehr ent- hält, und dass die Abwesenheit dieses Gases natür- lich eine nothwendige Bedingung für die Erhaltung animalischer und pflanzlicher Substanzen ist«*). Die Befürchtungen Needham’s über eine Aenderung der Luft in den Versuchen Spallanzanı's fanden sich durch die That- *) Weiterhin fügt Gay-Lussae hinzu: »Wenn man Urin mit einer kleinen Menge Luft in Berührung lässt, entzieht er derselben den Sauerstoff ziemlich schnell, und seine Zersetzung hält darauf ein; wenn man ihm aber eine ausreichende Menge bietet, bildet er viel kohlensaures Ammoniak und setzt mit phosphorsaurem Kalk fast immer einen Niederschlag von phosphorsaurer Ammoniak- Magnesia ab.« In derselben Abhandlung Gay-Lussac's findet man das folgende Experiment, an das so häufig erinnert worden ist: »Ich nahm Kuhmilch und setzte sie täglich der Kochtemperatur von mit Salz gesättigtem Wasser aus. Zwei Monate später war sie noch vollständig erhalten.« Diese Arbeit Gay-Lussac’s hat in der Frage, welche uns beschäf- tigt, auf die Geister einen beträchtlichen Einfluss gehabt. Gay-Lussac findet, dass die Luft der Appert'schen Conserven des Sauerstoffes beraubt ist, vielleicht in Folge langer Aufbewahrung der Substanzen, oder weil die Menge der organischen Substanzen im Verhältniss zum Luftvolumen sehr gross ist. Meine eigenen Experi- mente können dazu dienen, dies Ergebniss zu erklären. Sicher ist dasselbe aber nicht allgemein gültig, und in jedem Fall ist die von Gay-Lussac gegebene Deutung irrig. Die Abwesenheit des Sauerstoffs, sagter, isteinenothwendige Bedingung für die Aufbewahrung der thierischen und pflanzlichen Substanzen. Diese Meinung, welche einen besonderen Einfluss auf die Theorien über Gährung und Urzeugung gehabt hat, war keine nothwendige Schlussfolgerung aus seinen Beobacktungen über die Zusammensetzung der Luft in den Appert'schen Conserven, wie Gay- Lussac dachte. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 11 sache der Abwesenheit des Sauerstoffs in den Appert'schen Conserven gerechtfertigt. [14] Ein Versuch von Dr. Schwann brachte jedoch in die Frage einen sehr bemerkenswerthen Fortschritt. Im Februar 1837 veröffentlichte Schwann die folgenden Thatsachen: Ein Aufguss von Muskelfleisch wird in einen Glasballon gethan; darauf schliesst man denselben vor der Lampe, setzt ihn voll- ständig der Temperatur kochenden Wassers aus und überlässt ihn nach dem Erkalten sich selbst. Die Flüssigkeit fault nicht. Bis dahin haben wir nichts Neues. Das ist einer der Versuche Spallanzani's oder besser eine Appertsche Conserve. Aber es war wünschenswerth, fügt Schwann hinzu, den Versuch so zu modificiren, dass eine Erneuerung der Luft möglich wurde, jedesmal mit der Bedingung, dass die neue Luft vorher er- wärmt wurde, wie es mit der ursprünglichen Luft im Ballon geschehen war. Darauf wiederholt Schwann das vorstehende Experiment, indem er im Hals des Ballons einen doppelt durch- bohrten Stopfen anbıingt, durch den knieförmig gebogene und sekrümmte Röhren gehen, sodass ihre Krümmungen in Bäder mit geschmolzenen Legirungen tauchen, die auf einer der Siede- temperatur des Quecksilbers naheliegenden Temperatur gehalten wurden. Mit Hülfe eines Aspirators erneuert man die Luft, welche kalt in den Ballon gelangt, nachdem sie in dem Theil der Röhren erwärmt worden, welcher von der geschmolzenen Legirung umgeben ist. Man beginnt den Versuch, indem man die Flüssigkeit kochen lässt. Das Ergebniss ist dasselbe wie in den Versuchen Spallanzanvs und Appert’s. Es findet keine Aen- derung der organischen Flüssigkeit statt. Die erwärmte und darauf wieder erkaltete Luft lässt also die aufgekochte Fleischbrühe unversehrt. Dies war ein grosser Fortschritt, weil es den Process zu Gunsten Spallanzanı's gegen Needham entschied. Dies gab die Antwort auf alle Befürch- tungen.des letzteren über die mögliche Aenderung der Luft in den Experimenten Spallanzanıs und widerlegte endlich die Behauptung Gay-Lussac's über die Rolle, welche der Sauerstoff im Verfahren der Appert'schen Conserven und bei der alkoho- lischen Gährung spielt. In Bezug auf den letzten Punkt muss man jedoch die Zweifel aufrechterhalten ; [15] in der That findet sich in derselben Ar- beit des Dr. Schwann ausser dem Experiment mit der Fleisch- brühe, welches die Ursache der Fäulniss berührt, ein anderes Experiment bezüglich der alkoholischen Gährung, an das ich Ro * ' 12 | L. Pasteur. # hier erinnern muss. Unser Autor füllt vier Flaschen mit einer Rohrzuckerlösung, die mit Bierhefe gemischt war ; nachdem er sie gut zugestopft hat, bringt er sie in kochendes Wasser und stellt sie darauf umgekehrt in die Quecksilberwanne. Nachdem sie kalt geworden sind, lässt er Luft hinzutreten, gewöhnliche Luft in zwei, geglühte Luft in die beiden anderen Gefässe. Nach Ablauf eines Monats war in denjenigen Flaschen, welche ge- wöhnliche Luft erhalten hatten, Gährung vorhanden; selbst nach zweimonatlichem Harren gab sie sich in den beiden anderen noch nicht zu erkennen. Als ich jedoch diese Versuche wieder- holte, sagt er, fand ich, dass sie nicht immer gleich gut gelan- gen, dass die Gährung zuweilen in keiner der Flaschen zu erkennen war, zum Beispiel, wenn ich sie zu lange in kochendes Wasser gehalten hatte, und dass andererseits zuweilen die Flüssigkeit in denjenigen Flaschen gährte, welche geglühte Luft erhalten hatten. Kurz, der Versuch Dr. Schwann’s in Bezug auf die Fäul- niss der Brühe istsehr klar. Aber in Bezug auf die alkoholische Gährung, die einzige Gährung, welche 1537 zur Zeit der Arbeit des Dr. Schwann ziemlich gut bekannt war, widersprechen sich die Versuche des gelehrten Physiologen ; inzwischen erfuhr man aus den Beobachtungen Cagniard de Laiour's und denjenigen Schwann’s selbst, dass die weinige Gährung durch ein organi- sirtes Ferment bestimmt sei. Um wie viel mehr noch wuchs das Dunkel dieser Frage in Bezug auf die alkoholische Gährung, als die Chemiker später eine grosse Zahl von Gährungen studirten, in denen man kein organisirtes Ferment entdecken konnte und deren Ursache all- gemeinen Contactwirkungen zugeschrieben wurde, Erscheinun- sen der Anziehung oder der übertragenen Bewegung, welche durch todte stickstoffhaltige Stoffe in Folge von Veränderungen hervorgerufen werden. [16] Wie es damit auch sein mag, Folgendes war der Schluss, welchen Dr. Schwann aus den eben mitgetheilten Ver- suchen zog: »Bei der alkoholischen Gährung«, sagt er, » wie bei der Fäulniss, ist es nicht der Sauerstoff, wenigstens nicht der Sauerstoff der atmosphärischen Luft allein, welcher sie ver- ursacht, sondern ein in der gewöhnlichen Luft enthaltenes und durch die Wärme zerstörbares Prinecip «. Die Zurückhaltung in dieser Schlussfolgerung verdient be- achtet zu werden. An bestimmten Stellen seiner Arbeit sieht man wohl, dass Dr. Schwann dem Glauben zuneigt, dass er Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 13 durch die Wärme Keime vernichtete; aber seine letzte Schluss- folgerung ging nicht bis dahin und konnte nicht bis dahin gehen. Oft haben die Gegner der Lehre von der Urzeugung, indem sie seine Experimente anführten, behauptet, dass die Anwendung der Wärme keinen anderen Zweck hätte, als Keime zu tödten; aber dies war nur eine Hypothese. Deshalb beweisen diese Ver- suche nur, wie Dr. Schwann sehr richtig sagt, dass nicht der Sauerstoff oder wenigstens nicht der Sauerstoff allein die Ur- _ sache der Fäulniss und der weinigen Gährung ist, sondern etwas Unbekanntes, welches durch die Wärme vernichtet wird. Ausserdem war es für die weinige Gährung schlecht erwiesen, dass es unumgänglich nöthig sei, auf eine andere Ursache zu- rückzugehen, als auf diejenige, welche Gay-Lussac namhaft semacht hatte, nämlich ausschliesslich auf den Sauerstoff der Luft*). Die Versuche des Dr. Schwann sind von mehreren Beobach- tern wiederholt und abgeändert worden. Ure und Helmholtz **) - haben seine Ergebnisse durch den seinen analoge Experimente - bestätigt. Schultze liess die Luft, anstatt sie zu glühen, vordem er sie mit Appert'schen Öonserven in Berührung brachte, durch chemische Reagentien streichen: concentrirtes Kali und con- _ eentrirte Schwefelsäure. [17] Schroeder und Dusch dachten _ sich aus, die Luft durch Baumwolle zu filtriren, anstatt sie durch höhere Temperatur nach der Art des Dr. Schwann oder durch energisch wirkende chemische Reagentien nach dem Ver- fahren von Schultze zu verändern ***). *), Vergl. die Bemerkung in meiner Abhandlung über die alko- holische Gährung mit Bezug auf die Versuche Gay- Lussae’s und am (Annales de Chimie et de Physique, 3. ser. t. LVIIL, p- 369). eg Journal der praktischen Chemie Bd. XIX, p. 186 u. Bd. XXXIJ, p- 429. ***) Folgendes ist der in den Annales des sciences natu- relles über die Schultze'schen Versuche veröffentlichte Auszug: »Der Autor füllt bis zur Hälfte eine Glasflasche mit destillirtem Wasser, das verschiedene thierische und pflanzliche Stoffe enthält, verstopft dann das Gefäss mit einem Stopfen, der von zwei knie- förmig gebogenen Röhren durchbohrt ist, und setzt den so zusammen- gestellten Apparat der Temperatur des kochenden Wassers aus. Endlich befestigt er, während der Dampf noch durch die Röhren ent- weicht, von denen wir soeben gesprochen haben, an jeder von ihnen einen jener kleinen Ziedig’schen Apparate, welche von den Chemikern bei der Elementaranalyse organischer Substanzen benutzt werden, füllt den einen derselben mit concentrirter Schwefelsäure und den 3 EA 14 L. Pasteur. Die erste Abhandlung von Schroeder und Dusch erschien im Jahre 1854, die zweite im Jahre 1859. Es sind ausgezeich- nete Arbeiten, welche überdies das historische Verdienst be- sitzen, den Stand der uns beschäftigenden Frage bis zum Jahre 1859 dargelegt zu haben. Man wusste schon lange, und zwar seit der ersten Diseussion über die Urzeugung, dass eine feine Gaze, welche schon von Redi mit so viel Erfolg in seinen Untersuchungen über den Ur- sprung der Larven des faulenden Fleisches angewendet worden war, [18] ausreicht, die Veränderung der Aufgüsse zu verhin- dern oder wenigstens ausserordentlich einzuschränken. Die Thatsache gehörte sogar zu der Zahl derjenigen, auf welche die Gegner der Lehre von der Urzeugung sich vorzugsweise be- riefen *). anderen mit einer concentrirten Lösung von Kali. Die hohe Tempe- ratur musste nothwendig alles Lebendige und alle Keime, welche sich in dem Innern des Gefässes oder seiner Zuleitungen finden mochten, vernichten, und die Verbindung zwischen innen und aussen war durch die Schwefelsäure auf der einen und das Kali auf der an- deren Seite unterbrochen; nichts destoweniger war es leicht, indem man an dem Ende des Apparates, an welchem sich die Kalilauge be- fand, sog, die so eingeschlossene Luft zu erneuern ; die neuen Mengen dieses Fluidums, welche eindrangen, konnten keinen lebenden Keim mit sich bringen, da sie gezwungen waren, ein Bad von concentrirter Schwefelsäure zu passiren. Schultze stellte seinen so eingerichteten Apparat vor ein wohl erleuchtetes Fenster neben ein offenes Gefäss, in welches er einen Aufguss derselben organischen Stoffe gethan hatte, dann trug er Sorge, mehrmals täglich länger als zwei Monate die Luft seines Apparates zu erneuern und mit dem Mikroskop zu prüfen, was sich in dem Aufguss ereignete. Das offene Gefäss fand sich in kurzem mit Vibrionen und Monaden erfüllt, zu denen sich bald polygastrische Infusorien von grossem Umfang und selbst Räder- thierchen hinzugesellten ; aber selbst die aufmerksamste Beobachtung konnte nicht die geringste Spur von Infusorien, Conferven oder Schimmel in dem Aufguss des Apparates entdecken.« (Edinburgh New Philosophical Journal, October 1837; Annales des sciences na- turelles T. VIII, 2. ser. Paris 1837.) *) Auszug einer Stelle aus dem Werke Baker’s, einem Mitgliede der Königlichen Gesellschaft zu London, welches Le Microscope 4 la porte& de tout le monde betitelt und aus dem Englischen nach der Ausgabe von 1743 übersetzt ist. Paris 1754. »Beständig fand ich, dass, wenn der Aufguss (von Erbsen, von Heu) mit Mousselin oder einem anderen feinen Gewebe bedeckt ist, in demselben nur sehr wenig Thiere entstehen, dass er aber in wenig Tagen voll von Leben ist, wenn man dasselbe von der Oeffnung ent- fernt.... Da die Eier dieser kleinen Geschöpfe weniger wiegen als die Luft, so ist es möglich, dass beständig Millionen davon in der ra Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 15 Von diesen Thatsachen ohne Zweifel und besonders, was sie ausdrücklich erwähnen, durch die geistreichen Experimente Loevel’s, welcher erkannt hatte, dass die gewöhnliche Luft nach Filtration durch Baumwolle ungeeignet war, die Krystallisation des schwefelsauren Natriums hervorzurufen, geleitet, haben Schroeder und Dusch in der folgenden Weise experimentirt: Ein Glasballon nimmt die organische Substanz auf. Der Stopfen des Ballons ist von zwei rechtwinklig gebogenen Röhren durchbohrt ; die eine derselben steht mit einem Wasseraspirator in Verbindung, die andere mit einer weiten Röhre von 1 Zoll Durchmesser und 20 Zoll Länge, die mit Baumwolle angefüllt ist. Nachdem die Verbindungen hergestellt waren, der Hahn des Aspirators geschlossen und die organische Substanz in den Ballon gelest war, erwärmte man denselben bis zum Kochen und hielt ihn ausreichend lange im Kochen, so dass alle Ver- bindungsröhren [19] durch den Wasserdampf stark erhitzt waren; alsdann öffnete man den Hahn des Aspirators, den man Tag und Nacht laufen liess. | Folgendes sind die Ergebnisse der ersten auf solche Weise durchgeführten Versuche: Schroeder und Dusch haben mit Fleisch unter Hinzufügung von Wasser, . mit Bierwürze, . mit Milch, mit Fleisch ohne Hinzufügung von Wasser experimentirt. | In den beiden ersten Fällen hat die durch die Baumwolle hindurchfiltrirte Luft die Flüssigkeiten selbst nach mehreren Wochen unversehrt gelassen. Aber die Milch ist ebenso schnell geronnen und verfault wie in gewöhnlicher Luft, und das Fleisch ohne Wasser ist schnell in Fäulniss übergegangen. »Es scheint sich also aus diesen Experimenten zu ergeben«, sagen Schroeder und Dusch, » dass es spontane Zersetzungen Pom- Luft sind, und dass eine grosse Zahl von ihnen, indem sie ohne Unter- schied nach allen Seiten getrieben werden, an Orten, welche ihrer Natur nicht angemessen sind, umkommen. ..... Es giebt Leute, welche sich einbilden, dass die Eier dieser kleinen Thiere in der Erbse, im Heu oder in all den anderen Stoffen liegen, welche man in das Wasser bringt; wenn es aber so wäre, so könnte ich nicht be- greifen, wie eine so kleine Oeffnung eines feinen Gewebes, welche den Zutritt der Luft nicht hindert, diese Eier daran hindern könnte, auszukriechen: man muss daraus schliessen, dass dies eine falsche Vorstellung ist.« 16 L. Pasteur. organischer Substanzen giebt, welche zum Beginn nur der Gegen- wart des Sauerstoffs bedürfen, z. B. die Fäulniss des Fleisches ohne Wasser, die des Caseins der Milch und die Verwandlung des Milchzuckers in Milchsäure (Milchsäuregährung). Daneben aber würde es andere Fäulniss- und Gährungserscheinungen geben, welche mit Unrecht in die nämliche Kategorie wie die vorstehenden gestellt würden, nämlich solche, wie die Fäulniss der Fleischbrühe und die alkoholische Gährung, welche zu ihrem Beginn ausser dem Sauerstoff jener unbekannten Dinge be- dürfen, welche der atmosphärischen Luft beigemengt sind, und welche nach den Experimenten Schwann's durch die Wärme und nach den unsrigen durch Filtration durch Baumwolle vernichtet; werdenioaiu@at. Da hier noch so viele Fragen übrig bleiben, welche auf dem Wege des Experiments zu ent- scheiden sind, so nehmen wir davon Abstand, aus unseren Experimenten irgend eine theoretische Schlussfolgerung zu ziehen «. Schroeder kam im Jahre 1859 allein auf diesen Gegenstand in einer Abhandlung zurück, welche unter anderem von der Ur- sache der Krystallisation handelt. [20] Diese neue Arbeit führte ihren Verfasser ebensowenig zu Schlussfolgerungen, welche frei von aller Ungewissheit waren; er macht Mittheilung von neuen organischen Flüssigkeiten, welche in Berührung mit filtrirter Luft nicht faulen, wie Urin, Stärkekleister und die verschiedenen Stoffe der Milch für sich; aber er fügt den Eidotter dem Ver- zeichniss derjenigen Körper hinzu, welche wie die Milch und das Fleisch ohne Wasser in durch Baumwolle filtrirter Luft faulen. »Ich wage nicht«, sagt Schroeder, »die theoretische Erklä- rung dieser Thatsachen zu versuchen. Man könnte zugeben, dass die frische Luft eine wirksame Substanz enthält, welche die Erscheinungen der alkoholischen Gährung und der Fäulniss hervorruft, eine Substanz, welche die Wärme vernichten oder die Baumwolle aufhalten würde«. Dann fügt er hinzu: »Muss man diese wirksame Substanz als aus mikroskopischen organi- sirten Keimen, welche in der Luft ausgestreut sind, bestehend betrachten, oder ist es wohl eine noch unbekannte chemische Substanz? Ich weiss es nicht. « Dann kommt er zu den Erscheinungen der Krystallisation durch frische, erhitzte oder durch Baumwolle Ailtrirte Luft, welche nach ihm mit den Erscheinungen der Fäulniss solche Analogien bieten, dass er sich nicht enthalten kann, sie einer Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 17 gemeinsamen bisher vollständig unbekannten Ursache zuzu- schreiben. »Was die Krystallisation anbelangt«, sagt er weiter, »so scheint die dieselbe bewirkende Eigenschaft der Luft durch die Baumwolle nicht vollständig aufgehoben, sondern nur abge- schwächt zu werden. Dann kann die Krystallisation nur in ge- wissen übersättigten Lösungen verhindert werden; während andere der Wirkung der Luft nicht widerstehen können«. Darauf bemerkt er, dass die Ergebnisse, welche er in Bezug auf die Fäulniss und die Gährung erhalten habe, denjenigen über die Krystallisation parallel sind, da es Körper giebt, welche der filtrirten Luft widerstehen, während andere, wie die Milch, in Zer- setzung übergehen. Die durch Baumwolle filtrirte Luft verliert also nur theilweise ihre Fäulniss und Gährung bewirkende Kraft. [21] Ich habe absichtlich mit Einzelheiten diese sehr scharf- sinnigen Arbeiten kurz wiederholt, weil sie der genaue Aus- druck für die Schwierigkeiten sind, welche bis zum Jahre 1859 jeder unparteiische Geist, der frei von vorgefassten Meinungen und begierig war, sich eine gehörig begründete Meinung über die gewichtige Frage von der Urzeugung zu bilden, überwinden musste. Man kann behaupten, dass bis zu diesem Zeitpunkt alle diejenigen, welche die Frage für entschieden hielten, ihre Ge- schichte schlecht kannten. Spallanzani hatte nicht über die Einwände Needham’s triumphirt, Schwann, Schultze und Schroeder konnten nur das Vorhandensein eines unbekannten Prineipes in der atmosphäri- schen Luft nachweisen, das die Bedingung für das Leben in den Aufgüssen war. Diejenigen, welche behaupteten, dass dies Prineip nichts anderes als Keime wären, hatten zur Stütze ihrer Meinung nicht mehr Beweise, als diejenigen, welche dachten, dass es ein Gas, eine Flüssigkeit, Miasmen u.s.w. sein könnten, und welche folglich dazu neigten, an Urzeugung zu glauben. Die Schlussfolgerungen Schwann’s und Schroeder’s können in dieser Hinsicht nicht den geringsten Zweifel im Geiste des Lesers lassen. Die Ausdrücke dieser Schlussfolgerungen sogar riefen den Zweifel hervor und dienten der Lehre von der Urzeugung. Und dann gelangen die Versuche von Schwann, Schultze und Schroeder nurfür bestimmte Flüssigkeiten. Ueberdies scheiterten sie fast immer und zwar für alle Flüssigkeiten, wenn man sie, wie ich es bald erwähnen werde, in der Quecksilberwanne anstellte, ohne dass irgend jemand die Ursache dieses Misserfolges kannte ‚oder irgend eine Fehlerquelle ausfindig machen konnte. Ostwald’s Klassiker. 39. 2 a L. Pasteur. Als*) nach den soeben besprochenen Arbeiten ein tüchfiger Naturforscher zu Rouen [22], Pouchet, eorrespondirendes Mit- glied der Akademie der Wissenschaften, derselben Ergebnisse mittheilte, auf welche er in entscheidender Weise die Prineipien der heterogenen Zeugung glaubte aufbauen zu können, konnte niemand die wirkliche Fehlerquelle seiner Versuche angeben, und bald schlug daher die Akademie, indem sie einsah, was noch alles zu thun übrig blieb, als Preisaufgabe die folgende Frage vor: Zu versuchen, durch wohlgelungene Experimente neues Licht auf die Frage von der Urzeugung zu werfen”). Die Frage erschien damals so dunkel, dass Brot, dessen Wohlwollen meinen Studien niemals nachtheile Sewesen ist, mich mit Schmerz bei diesen Untersuchungen beschäftigt sah und von meiner Nachgiebigkeit gegen seine Rathschläge die Annahme einer Zeitgrenze verlangte, über welche hinaus ich diesen Gegenstand verlassen sollte, wenn ich nicht der Schwie- rigkeiten, welche mich aufhielten, Herr geworden wäre. Dumas, dessen Wohlwollen gegen mich sich oft mit demjenigen Brof's verschworen hat, sagte mir zu dieser Zeit: »Ich würde nieman- dem rathen, zu lange bei diesem Gegenstande zu verweilen«. Welches Bedürfniss hatte ich, mich der Sache zu widmen? Seit zwanzig Jahren haben die Chemiker eine Gruppe von wirklich aussergewöhnlichen Erscheinungen entdeckt, welche mit dem generellen Namen der Gährungen bezeichnet werden. Alle erfordern sie das Zusammenwirken von zwei Stoffen: der eine ist der sogenannte gährungsfähige wie Zucker, der andere ist stickstoffhaltig und ist immer eine eiweissartige Substanz. *) Pouchet, Comptes rendus de l’Acad&mie des Sciences, t.XLVII, p. 979. December 1858. — Mielne Edwards, Payen de Quatrefages, Claude Bernard, Dumas t. XLVII, p. 23f#. Januar 1859. — Pouchet, t. XLVILL, 1859, p. 148, 220, 546, t. L, 1860, p. 532, 572, 748, 1121, 1014, **) Die Commission war zusammengesetzt aus den Herren Geoffroy-Saint- Hilaire, Brongniart, Milne Edwards, Serres und Flourens als Berichterstatter. »Die Commission verlangt genaue und unwiderlegliche Versuche, welche gleichfalls in allen ihren Beziehungen zu studiren sind, und an welche mit einem Wort derartig beschaffen sind, dass aus ihnen ir- . gend ein Resultat abgeleitet werden kann, das frei von aller aus den Versuchen selbst entspringenden Verwirrung ist« (Januar 1860). 3%: | Das war das Programm der Commission. Man konnte die . PR Schwierigkeiten des Gegenstandes nicht besser andeuten. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 19 [23] Nun ist Folgendes die allgemein angenommene Theorie. Die eiweissartigen Stoffe erleiden, wenn sie der Berührung mit der Luft ausgesetzt sind, eine Veränderung, eine besondere Oxydation von unbekannter Natur, die ihnen den Charakter eines Fermentes verleiht, d.h. die Eigenschaft, durch ihren Con- tact auf die gährungsfähigen Substanzen zu wirken. Es gab wohl ein Ferment, und zwar das älteste und beach- tenswertheste von allen, von dem man wusste, dass es organisirt ist: die Bierhefe. Aber da man, wie bei allen Gährungen, deren Entdeekung neuer als die Kenntniss der Thatsache von der Organisation der Bierhefe (1836), das Vorhandensein organi- sirter Wesen nicht hat erkennen können, selbst wenn man sie mit Sorgfalt suchte, haben die Physiologen nach und nach, mehrere mit grossem Bedauern, die Hypothese Cagniard de Latour’s von einer wahrscheinlichen Beziehung zwischen der Organisation dieses Fermentes und seiner Eigenschaft, Ferment zu sein, verlassen und auf die Bierhefe die allgemeine Theorie angewandt, indem man sagte: »Die Bierhefe ist nicht wirksam, weil sie organisirt ist, sondern weil sie in Berührung mit der Luft gewesen ist. Es ist der todte Theil der Hefe, derjenige, welcher gelebt hat und auf dem Wege der Aenderung sich be- findet, welcher auf den Zucker einwirkt.« Meine Studien führten mich zu vollständig abweichenden Schlüssen. Ich fand, dass alle eigentlichen Gährungen, die viscöse, die Milchsäure-, Buttersäure-, Weinsäure- und Aepfel - säuregährung und die Gährung der Harnstoffe ... . in Wechsel- beziehung zu der Gegenwart und der Vermehrung organisirter Wesen stehen. Und weit entfernt, dass die Organisation der Bierhefe unbequem für die Theorie der Gährung war, fiel sie gerade dadurch im Gegentheil unter das allgemeine Gesetz und wurde sie der Typus für alle eigentlichen Fermente. Nach meinen Untersuchungen waren die Eiweissstoffe niemals Fer- mente, sondern die Nahrung der Fermente. Die wahren Fer- mente waren organisirte Wesen. [24] Wird das zugegeben, so nehmen die Fermente, wie man wusste, ihren Ursprung aus einer Contactwirkung der Eiweiss- körper und des Sauerstofis. Nunmehr sagte ich mir, ist von zwei Dingen nur das eine möglich: da die Fermente der eigent- lichen Gährungen organisirt sind, so sind die Fermente durch Urzeusung entstanden, wenn der Sauerstoff allein, in so weit er Sauerstoff ist, sie durch seine Berührung mit stickstoffhaltigen Substanzen hervorruft; wenn diese Fermente nicht durch I% m: m“ (el A a Sn | a re. Er, | 20 L. Pasteur. Urzeugung entstandene Wesen sind, so greift der Sauerstoff in ihre Bildung nicht ein, insofern er nur Sauerstoff ist, sondern als Reizmittel für einen Keim, der zu gleicher Zeit mit ihm her- beigeführt worden ist oder in den stickstoffhaltigen oder gähr- fähigen Stoffen vorhanden war. An dem Punkte, wo ich mich mit meinen Studien über die Gährungen befand, musste ich mir also eine Meinung über die Frage nach der Urzeugung bilden. Vielleicht werde ich in derselben eine mächtige Waffe zu Gun- sten meiner Ideen über die eigentlichen Gährungen finden. Die Untersuchungen, über die ich jetzt berichten will, sind folglich nur ein nothwendiger Abstecher von meinen Studien über die Gährungen. So wurde ich also dazu geführt, mich mit einem Gegenstande zu beschäftigen, mit dem sich bisher nur der Scharfsinn der Naturforscher beschäftigt hatte. Kapitel II. Mikroskopische Prüfung der in der atmosphärischen Luft zerstreuten festen Theilchen. Meine erste Sorge war, eine Methode ausfindig zu machen, welche gestattet, zu jeder Jahreszeit die festen Theilchen, welche in der Luft schweben, zu sammeln und unter dem Mikroskop zu studiren. Man musste sich zuerst daran halten, wenn möglich die Einwände zu beseitigen, welche die Anhänger der Urzeu- gung der alten Hy pothese von der Aussaat der Kenne durch die Luft entgegensetzen” 125] Wenn die organischen Stoffe der Aufeüsse erhitzt worden sind, so Beralkern sie sich mit Infusorien und mit Schimmel. Diese organisirten Bildungen sind im Allgemeinen weder so zahlreich, noch so mannigfaltig, als wenn man die Flüssigkeiten vorher nieht zum Kochen gebracht hatte, aber sie entstehen immer. Unter diesen Umständen nun können ihre Keime nur aus der Luft kommen, weil das Kochen diejenigen zerstört, welche die Gefässe oder die Stoffe des Aufgusses in die Flüssigkeit gebracht haben. Die ersten zu beantwortenden ex- perimentellen Fragen sind also folgende: Giebt es Keime in der *) Diese Hypothese ist in der That sehr alt. Sie bildet den ge- wöhnlichen Gegenstand der auf die Urzeugung bezugnehmendeiis Diseussionen seit dem 17. Jahrhundert. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 21 Luft? Ist eine genügend grosse Zahl derselben vorhanden, um die Erscheinung von den organisirten Bildungen in den Auf- süssen, welche vorher erhitzt worden waren, zu erklären? Kann man sich eine annähernde Vorstellung machen von einer zu er- weisenden Beziehung zwischen einem bestimmten Volumen ge- wöhnlicher Luft und der Zahl Keime , welche dies Luftvolumen einschliessen kann? Beginnen wir damit, giebt es Keime in der Luft? Niemand leugnet es, weil man begreift, dass es nicht anders sein kann. Einer der erklärtesten Anhänger der Urzeugung, Pouchet, äussert sich darüber folgendermaassen”): »Man begegnet im Staube zuweilen einigen Eiern von Mikro- zoen, wie man dort eine Menge leichter Körperchen antrifft, aber das ist wirklich eine Ausnahme. « Weiterhin drückt sich Pouchet folgendermaassen aus: »Unter den zum Pflanzenreiche gehörigen Theilchen des Staubes kommen Kryptogamensporen, freilich in sehr geringer Zahl vor. Endlich habe ich regelmässig eine bestimmte Menge Mehl, frisch oder alt, dem Staub beigemischt angetroffen... . . [26] Es ist klar, dass es dies Mehl, welches vollkommen physi- kalisch und chemisch charakterisirt ist, oder Körnchen von Kieselerde sind, was man für die Eier von Mikrozoen gehalten Batı«°) Es giebt demnach im Staub der Luft Infusorieneier und Schimmelsporen; die Anhänger der Lehre von der heterogenen Zeugung bestätigen das; aber sie fügen hinzu, dass sie nur aus- nahmsweise und zwar in ausserordentlich beschränkter Zahl vorkommen; diejenigen, sagen sie, welche glaubten, mehr davon zu sehen. haben sich getäuscht. Sie kannten eine neue Thatsache nicht, nämlich dass im Staube Stärkekörner von verschiedenem Bau vorkommen***). Diese Beobachter haben die Stärkekörner, die ihnen so oft gleichen, für Eier oder Sporen gehalten. Das ist Pouchet’s Meinung. Ich habe nicht genügend Beobachtungen mit gewöhnlichem auf der Oberfläche der Gegen- *, Pouchet, 'Traite de la generation spontanee. Paris 1859, p- 432. **, De Quatrefages, Comptes rendus de l’Acade&mie des Sciences, 1859, t. XLVIII, p. 31. — Siehe auch Dictionnaire de Nysten, von Littre u. Ch. Robin, Artikel Staub, 11. Ausgabe, 1858. **%*) Diese Thatsache, welche, wie ich glaube, zuerst von Pouchet erkannt wurde, ist richtig. Da L. Pasteur. stände liegendem Staube angestellt, um diese Auffassungs- weise in Bezug auf den in Ruhe befindlichen Staub entkräften zu können. Ich kann sogar hinzufügen, dass zu jener Zeit, wo ich meine ersten Versuche anstellte, verschiedene Autoritäten begierig waren, selbst die Richtigkeit meiner Ergebnisse festzu- stellen, weil sie, wie sie mir sagten, obgleich sie häufig genug Gelegenheit gehabt hatten, Staub zu studiren, niemals Sporen gesehen hätten. Hier mag jedoch eine Bemerkung Platz finden: der Staub, welchen man auf der Oberfläche aller Körper findet, 4 ist beständig Luftströmungen ausgesetzt, welche seine leichtesten Theile fortführen: unter ihnen befinden sich ohne Zweifel vor- zugsweise organisirte Körperchen, Eier oder Sporen, die im All- gemeinen weniger schwer als die mineralischen Theilchen sind. 127] Ausserdem ist es nicht möglich, so weit der gewöhnliche in Ruhe befindliche Staub in Betracht kommt, eine Andeutung über das annähernde Verhältniss zu erhalten, welches zwischen einem gegebenen Volumen dieses Staubes und dem Luftvolumen, welches jenes geliefert hatte, vorhanden sein kann. Man muss also nicht den in Ruhe befindlichen Staub, sondern den in der Luft schwebenden beobachten. Sehen wir zu, ob das ausführbar ist, und ob es wahr ist, dass dieser schwebende Staub nur ausnahmsweise Keime niederer Organismen einschliesst, wie das nach Pouchet für den i in Ruhe Bekindlichen Staub zutrifft. Das Verfahren, welches ich eingeschlagen habe, um den in der Luft suspendirten Staub zu sammeln und unter dem Mikro- skop zu prüfen, ist sehr einfach; es besteht darin, ein be- stimmtes Luftvolumen durch eine in einem Gemisch aus Alkohol und Aether lösliche Schiessbaumwolle zu filtriren. Die Baum- wollfasern halten die festen Theilchen zurück. Dann behandelt man die Baumwolle mit ihrem Lösungsmittel. Nach einer ge- nügend langen Zeit fallen alle festen Theilchen auf den Boden der Flüssigkeit; man unterwirft sie einigen Waschungen und bringt sie dann auf den Objecttisch des Mikroskopes, wo man sie leicht studiren kann. Ich willauf die Einzelheiten des Experiments eingehen: FF Fig. 1 (Tafell) ist ein Fensterrahmen, in welchem ich in einer Ent- fernung von mehreren Metern vom Boden eine Oeffnung an- gebracht habe, welche der Glasröhre 7’ den Durchgang ge- stattet. Diese Röhre hatte in meinen Versuchen nur einen Durchmesser von einem halben Centimeter. In « befindet sich ein Pfropf löslicher Baumwolle von ungefähr einem Centimeter ? Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 93 Länge, welcher von einer kleinen Spirale aus Platindraht fest- gehalten wurde. Die Luft, welche gewöhnlich von der Seite der rue d’Ulm oder von derjenigen des Gartens der Ecole Normale eingesogen wurde, wurde von dem Aspirator Zr herbeigezogen. Das ist eine Messingröhre in Form eines T, in welche beständig Wasser fliesst, das durch Saugung die Luft aus der Röhre mn zieht; diese ist an ihrem Ende bei « etwas umgebogen, wie es die Figur zeigt. Die Röhre mr steht überdies durch einen Kautschukschlauch mit der den löslichen Baumwollpfropfen ent- haltenden Röhre 7’ in Verbindung. |28] Will man das Luft- volumen, welches durch das ablaufende Wasser durchgesogen wurde, bestimmen, so genügt es, das Ende / der Röhre A/ in eine grosse umgestürzte, mit Wasser gefüllte, vorher geaichte Flasche zu stecken und die Zeit zu messen, in welcher sich eine Flasche z. B. von einem Volumen von 10 Litern füllt. Diese Art der ununterbrochenen Aspiration ist sehr bequem und hat mir grosse Dienste geleistet. Ist die Luft hinreichend lange hindurchgestrichen , so wird der Baumwollpfropfen, der mehr oder weniger durch den zurück- gehaltenen Staub schmutzig geworden ist, in ein kleines Glas- röhrehen mit dem Aether-Alkohol-Gemisch, das die Baumwolle auflöst, gelegt. Man lässt während eines Tages absetzen. Aller Staub sammelt sich auf dem Boden der Glasröhre an, wo er leicht durch Decantiren ohne Verlust gewaschen werden kann, wenn man dafür Sorge trägt, jede Waschung durch eine Ruhe- zeit von 12 bis 20 Stunden zu trennen. Um die Flüssigkeit zu decantiren, ist es gut, sich eines Hebers zu bedienen, der aus einer Glasröhre von sehr geringem Durchmesser hergestellt ist, und den man ansaugen kann. Wenn der Staub genügend gewaschen ist, sammelt man ihn auf einem Uhrglas, wo der Rest der ihn benetzenden Flüssig- keit schnell verdampft *); dann rührt man ihn mit etwas Wasser an und prüft ihn unter dem Mikroskop. Man kann auf denselben nach den gewöhnlichen Methoden verschiedene Reagentien einwirken lassen : Jodwasser, Kalilauge, Schwefelsäure und Farbstoffe. _ Diese sehr einfachen Manipulationen gestatten zu erkennen, dass in gewöhnlicher Luft beständig eine wechselnde Zahl *) Ungefähr fünfbis sechsfaches Decantiren genüstzur Waschung. Man muss sich einer Schiessbaumwolle bedienen, deren Löslichkeit so vollkommen wie irgend möglich ist. 24 L. Pasteur. Körperchen vorhanden ist, deren Gestalt und Bau anzeigt, dass | sie organisirt sind. Ihre Grösse beläuft sich von den kleinsten . 1 an . . . / Durcehmessern an bis auf An: oder ee oder mehr Millimeter. Die einen sind vollkommen kugelrund, die anderen oval. Ihre Um- risse treten mehr oder weniger klar hervor. Viele sind voll- ständig durchscheinend, [29] aber es kommen auch undurch- sichtige mit Körnern im Innern vor. Die durchscheinenden mit deutlichen Umrissen gleichen dermaassen den gemeinsten Schimmelsporen, dass der seschickteste Mikrogsraph keinen Unterschied sehen würde. Das ist alles, was man darüber sagen kann, ebenso wie man nur behaupten kann, dass unter den übri- gen solche vorkommen, welche kugelförmigen und ineystirten Infusorien und im Allgemeinen jenen Kügelchen gleichen, welche man als die Eier dieser kleinen Wesen betrachtet. Aber das ist, wie ich glaube, nicht möglich zu behaupten, dass dies eine Spore ist, geschweige denn die Spore dieser bestimmten Art, und dass das ein Ei ist und zwar das Ei dieser Mikrozoe. Was mich an- belangt, so beschränke ich mich darauf, zu erklären, dass diese Körperehen augenscheinlich organisirt sind, indem sie in jedem Punkt den Keimen der niedrigsten Organismen gleichen, und so verschieden an Grösse und Bau sind, dass sie unstreitig zu sehr zahlreichen Arten gehören. Die Anwendung von Jodwasser zeigt auf die unzweideutigste Weise, dass zwischen diesen Körperchen immer Stärkekörner vorkommen. Aber es ist sehr leicht, alle derartigen Körperehen zu entfernen, indem man den Staub mit gewöhnlicher Schwefel- säure anrührt, welche in wenigen Augenblicken alles, was Stärkemehl ist, löst. Ohne Zweifel verändert die Schwefelsäure andere Körperchen und löst sie vielleicht; aber es bleibt noch eine grosse Zahl übrig, und zuweilen unterscheidet man nach der Einwirkung der Schwefelsäure noch mehr, weil diese Säure den kohlensauren Kalk löst und die anderen Staubtheilchen derartig verdünnt, dass die organisirten Körperchen sich von den amor- phen Brocken, welche häufig verhindern, sie deutlich zu sehen, losgelöst finden. Es ist gut, alsbald zu beobachten, nachdem die kleinen Bläschen von Kohlensäure verschwunden sind, und vordem sich die Nadeln von schwefelsaurem Kalk abgesetzt haben *). *), Durch directe Versuche habe ich festgestellt, dass gewöhn- liche concentrirte Schwefelsäure die Sporen der gemeinen Schimmel- arten selbst bei längerer Berührung nicht löst. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 25 Wenn man mit Staub aus einem Pfropfen von einem Centi- meter Länge und 4 Centimeter Durchmesser arbeitet, [30] der vier und zwanzig Stunden lang dem Luftstrom ausgesetzt war mit einer Ausflussgeschwindigkeit von einem Liter in der Minute, entdeckt man in einer Viertelstunde zwanzig bis dreissig organi- sirte Körperchen und kann sie leicht abzeichnen. Gewöhnlich sind mehrere im Gesichtsfeld vorhanden. Beachten wir, dass der mit Staub gemischte Säuretropfen, welchen man auf den Objecttisch des Mikroskopes bringt, nur einen Bruchtheil des in dem Uhrglase befindlichen darstellt. Andererseits muss man augenscheinlich mehrere Stunden suchen und je nachdem alle organisirten Körper dieses Tropfens zeichnen. Man sieht also, dass die Zahl der organisirten Körper, welche man mit dieser Methode auf den Baumwollfäden fixirt, sehr ansehnlich ist im Verhältniss zum Luftvolumen*) ; ohne Zweifel ist sie nicht ausreichend, um die allgemein angenommene Behauptung zu rechtfertigen, dass die kleinste Blase gewöhn- - lieher Luft fähig ist, in einem Aufguss alle Arten Infusorien und alle diesem Aufguss eigenthümlichen Kryptogamen zu erzeugen. Wir werden aber in einem folgenden Kapitel sehen, dass diese Ansicht sehr übertrieben ist, und dass man mit einem Aufguss, der gekocht worden war, stets ein beträchtliches Volumen ge- _ wöhnlicher Luft in Berührung bringen kann, ohne dass sich in ihm die geringste organische Production entwickelt. Ich theile einige Einzelheiten mit, damit man eine deutlichere Vorstellung [31] von der Zahl der organisirten Körperchen habe, welche man in dem in der besprochenen Weise gesam- melten Staube entdeckt. Die Figuren 2, 3 und 4 (Tafel II) stellen einige organisirte Körperchen einer Staubprobe dar, welche in vier und zwanzig Stunden vom 16. bis 17.November 1859 gesammelt worden war. Folgendermaassen sind diese schnellen Zeichnungen angefertigt *) Ich brauche nicht zu erwähnen, dass ich mich vergewissert habe, dass die angewandte Baumwolle durchaus keine organisirte Körperchen enthielt, und dass ihre Lösung in dem alkoholischen Gemisch keinen anderen Rückstand hinterliess als einige nicht ge- löste Fasern. Ausserdem muss ich hier bemerken, dass ein Baumwollpfropfen von geringerer Dicke als ein Centimeter weit davon entfernt ist alle Körperchen der Luft aufzuhalten. Wenn man mehrere Pfropfen hinter einander lest, so bedeckt sich der zweite, der dritte ..... mit Staub; nur bedarf man, um sie ebenso wie den ersten zu laden, um so mehr Zeit, je weiter entfernt sie sind. 26 L. Pasteur. worden, welehe nur die Grösse und den Umriss der Körperehen wiedergeben. Nachdem die Waschung des Staubes in der soeben angege- benen Weise ausgeführt worden war, brachte ich auf das Uhr- gläschen einen Theil des Staubes und rührte ihn mit einem Tropfen Kalilauge, die 5 Theile Kali auf 100 Theile Wasser enthielt, an. Je nachdem ich die Glasplatte unter dem Objeetiv verschob und ein augenscheinlich organisirtes Kügelehen be- merkte, zeichnete ich es. Auf solche Weise erhielt ich Fig. 2. Ebenso verhielt es sich mit den folgenden Figuren. Alsdann ersetzte ich das Kali durch eine wässerige Lösung von Jod. Hierzu genügt es, mit dem Rande der Glasplatte ein kleines Quadrat Löschpapier in Berührung zu bringen, das man mit einem zweiten, mit einem dritten gleichen Papier und so weiter bedeckt, bis die ganze Kalilauge absorbirt ist. Alsdann ersetzt man sie durch einen Tropfen Jodwasser, welchen man auf dieselbe Weise entfernt, um ihn durch einen neuen Tropfen dieser Lösung zu ersetzen. Man fährt so lange damit fort, bis das auf der Glasplatte gebliebene Kali vollständig neutralisirt ist. Fig. 3 stellt einen Theil der in Berührung mit der wässerigen Jodlösung befindlichen Kügelchen vor. Schliesslich giebt Fig. 4 den Umriss der geprüften Kügelchen wieder, nachdem das Jod- wasser durch gewöhnliche Schwefelsäure ersetzt werden war. Die Entfernung der beiden parallelen Linien in Fig. 5 (Tafelll) stellt I, Millimeter dar bei der in den Versuchen benutzten Vergrösserung. Ich bemerke noch. dass ich anderthalb Stunden daran wandte, um die Zeichnungen der Kügelchen anzufertigen und die Reagentien durch einander zu substituiren. [32] Das wird dem Leser eine erste Andeutung über die Zahl der organisirten Körper geben, welche man in 24 Stunden aufsaugen kann, wenn man durch einen kleinen Baumwollpfropfen ungefähr 1500 Liter Luft streichen lässt, welche einer wenig belebten Strasse von Paris und aus einer Entfernung von 3 bis 4 Meter von der Oberfläche des Bodens entnommen wurde*). Man kann *) Nach Anwendung der soeben beschriebenen Methode und um die Ergebnisse, welche ich mit derselben erzielt hatte, zu widerlegen, hat Pouchet später den Staub geprüft, welchen der Schnee nach dem Schmelzen hinterlässt, ein Mittel, welches schon von Quatrefages und Boussingault (Comptes rendus de !’Acade&mie t. XLVII, p. 31, 1859) angewendet worden war. »Der Schnee«, sagt Pouchet, »wurde in einem Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 27 "eine sehr viel genauere Vorstellung von der Zahl der Körperchen erhalten, welche ihre Gestalt und ihr Volumen gestatten als organisirt anzusprechen, aus der Bestimmung der Durchschnitts- zahl dieser in dem Gesichtsfeld des Mikroskopes enthaltenen Körperehen und aus der Kenntniss des Verhältnisses der Ober- flächen des unter der kleinen Glasplatte ausgebreiteten und von ihr bedeckten Tropfens und des Gesichtsfeldes für die ange- wandte Vergrösserung. Die Gesammtsumme der Körperchen des Tropfens wird gleich sein dem Verhältniss, von welchem wir gesprochen haben, multiplieirt mit der mittleren Zahl der in irgend einem Gesichtsfeld enthaltenen Körperchen. So selangt man dahin zu erkennen, dass ein kleiner Baumwoll- pfropfen, welcher 24 Stunden lang dem Luftstrom der rue d’Ulm ausgesetzt war, der einige Meter vom Boden entnommen wurde, während des Sommers nach einer Reihe schöner Tage, bei einer Baugung von ungefähr einem Liter Luft in der Minute mehrere Tausend organisirtte Körperchen aufsammelt. Uebrigens schwankt dies Ergebniss unendlich mit dem Zustande der Atmo- -sphäre, ob man vor oder nach Regen arbeitet, bei ruhigem oder unruhigem Wetter, bei Tag oder bei Nacht, in geringer oder - grosser Entfernung vom Boden. |33] Man vergegenwärtige sich endlich die tausenderlei Ursachen, welche die Zahl dieser festen Theile, die jedermann in einem in ein dunkles Zimmer fallenden Sonnenstrahl bemerkt hat, vergrössern oder verringern können, und man begreift alle Schwankungen, welche in den vorstehenden Ergebnissen vorkommen müssen. Die Methode, von der ich soeben gesprochen habe, um den in gewöhnlicher Luft suspendirten Staub zu sammeln und unter dem Mikroskop zu prüfen , ist augenscheinlich nützlicher Modi- fication fähig”). grossen quadratischen Hof gesammelt. Nur die oberflächliche Schicht in einer Dicke von ungefähr 5 Centimetern und in einer Ausdehnung von 4 Quadratmetern wurde verwendet.« (Comptes rendus, t. L, p: 532.) Ich habe nicht den Staub der Luft studirt, indem ich den Schnee schmelzen liess, und ich weiss nicht, ob diese Methode so viel werth ist, wie diejenige, welche ich befolgt habe. Jedenfalls ist es klar, dass man den ersten gefallenen Schnee, die Schicht vom Boden und nicht die von der Oberfläche studiren muss, Wenn der Schnee den Staub der Luft mit sich reissen kann, so muss der zuerst gefallene dies Amt übernehmen. *) Sollte es nicht möglich sein, die Baumwolle durch einen Pfropfen von aus löslichem Borate gebildeten und in der Wärme 38 L. Pasteur. Ich glaube, dass es von grossem Interesse sein würde, die Studien über diesen Gegenstand auszudehnen und an ein und demselben Orte nach den Jahreszeiten, in verschiedenen Orten an demselben Zeitpunkt die in der Luft zerstreuten organisirten Körperehen zu vergleichen. Mir scheint, dass die Phänomene der ansteckenden Krankheiten besonders in Zeiten, wo epide- mische Krankheiten wüthen, durch in dieser Richtung fortgesetzte Arbeiten gewinnen würden. Die Figuren 6, 7, 8 und 9 (Tafel II) stellen organisirte Körperchen vor, die amorphen Theilchen beigesellt sind, wie sie sich unter dem Mikroskop bei einer 350fachen Linearvergrösse- rung darbieten; die zum Anrühren benutzte Flüssigkeit war ge- wöhnliche Schwefelsäure. Fig. 6 bezieht sich auf Staub, der vom 25. bis 26. Juni 1860 gesammelt wurde, Fig. 7 auf Staub von sehr diehtem Nebel aus dem Monat Februar 1861, Fig. S auf Staub, |34] der vom 17. bis 19. December 1859 bei einer Kälte von — 9 bis — 14° aufgefangen wurde, Fig. 9 endlich auf Staub aus einem Pfropfen, vor dem ein anderer lag, um zu zeigen, dass ein einziger Pfropfen nicht alle in der Luft suspendirten Theile aufhält. Es muss jedoch beachtet werden, dass der Staub hier nur in sehr ge- ringer Menge vorhanden war, und dass man mehrmals das Ge- sichtsfeld wechseln musste, um ein organisirtes Körperchen wahr- zunehmen, während in den gewöhnlichen Fällen sehr häufig ein oder mehrere organisirte Körperchen in irgend einem beliebigen Gesichtsfelde vorhanden sind. ausgezogenen Fäden oder selbst sogar durch in seidenglänzende Fäden verwandelten Gerstenzucker zu ersetzen ? Augenblicklich versuche ich die Verwendung einer Thermometer- röhre von grossem Kaliber, in welche in kurzen Entfernungen eine Reihe von Anschwellungen geblasen ist. Indem man in diese Röhre einige Tropfen einer zähen Flüssigkeit oder Oel hineinbringt, bleibt die Flüssigkeit in den Einschnürungen stehen, und, wenn man Luft hin- durchstreichen lässt, bilden sich die Menisken in den Einsehnürungen nach dem Durchgang jeder Gasblase wieder, welche so eine grosse Zahl von Malen durch eine sehr geringe anhaftende Menge Flüssig- keit gewaschen wird. Jamin hat derartige Röhren zu einigen seiner bemerkenswerthen Versuche über Capillarität benutzt. Dies hat mir die Jdee eingegeben, ebensolche Röhren zu verwenden, über deren Wirksamkeit ich indessen noch nicht urtheilen kann. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 29 Kapitel IL. Versuche mit geglühter Luft. Wir haben soeben gesehen, dass in der Luft immer organi- sirte Körperehen vorhanden sind, welche durch ihre Gestalt, ihre Grösse und ihren sichtbaren Bau nicht von den Kei- men niederer Organismen unterschieden werden können, und deren Zahl gross ist, ohne übertrieben gross zu sein. Giebt es unter ihnen in der That fruchtbare Keime?*”) Das ist eine wirklich interessante Frage; ich glaube es erreicht zu haben, es - sicher nachweisen zu können. |35] Vordem ich aber die Ver- suche, welche sich ganz besonders auf diesen Theil des Gegen- standes beziehen, auseinandersetze, ist es unerlässlich, nachzu- forschen, ob die von Dr. Schwann über die Unwirksamkeit der seglühten Luft mitgetheilten Thatsachen zutreffend sind. Pouchet, Mantegazza, Joly und Musset bestreiten es. Suchen wir festzustellen, auf welcher Seite die Wahrheit liegt; ohnehin bildet es die Grundlage für unsere weiteren Forschungen. In einen Ballon von 250 bis 300 Cubikcentimeter brachte ich 100 bis 150 Cubikcentimeter eines zucker- und eiweiss- haltigen Wassers, das nach folgenden Verhältnissen zusammen- gesetzt war: ee 0 wenn, 00 Bald Eiweissartige und mineralische Stoffe aus Bierhefe herrührend). .ı ......, . . 0,2 bis 0,7 *) Besser und directer würde man das ausgeführt haben, wenn man die Entwicklung der Keime unter dem Mikroskop verfolgt hätte. Das war meine Absicht gewesen; da mir aber der Apparat, welchen ich für diesen Zweck hatte construiren lassen, nicht zur gelegenen Zeit abgeliefert wurde, bin ich von diesem Studium durch andere Arbeiten abgezogen worden. Uebrigens darf man sich die Schwierig- - keit dieser Beobachtungsmethode nicht verhehlen. Nichts einfacher als Schimmelsporen in eine für ihre Ernährung geeignete Lösung zu legen, den folgenden oder den zweitfolgenden Tag einige davon weg- zunehmen und nachzusehen, ob sie gekeimt und schon lange Fort- sätze getrieben haben. Aber etwas anderes ist es, mit einer einzigen Spore zu arbeiten, welche man unter dem Mikroskop an einem be- stimmten Platz wiederfinden muss, indem man sie immer mit Wasser versieht, um das zu ersetzen, welches von den Rändern der Glas- platte verdunstet, u.s. w..... Und dann zeigen sich sofort die sehr kleinen Infusorien, Baeterien und Monaden, welche ihr die Luft entziehen; und die Spore, so eines ihrer wichtigsten Nahrungsmittel beraubt, entwickelt sich nicht. Ich hoffe binnen Kurzem auf diesen Theil meiner Arbeit zurückzukommen. 30 L. Pasteur. Der schlanke Hals des Ballons steht mit einer glühenden Platinröhre in Verbindung, wie es Fig.10 (TafelI) angiebt. Man lässt die Flüssigkeit zwei oder drei Minuten lang kochen, dann vollständig erkalten. Der Ballon füllt sich mit gewöhnlicher Luft von Atmosphärendruck, deren sämmtliche Bestandtheile aber auf Rothgluth gebracht worden waren; dann schliesst man vor der Lampe den Hals des Ballons, der alsdann die in Fig. 11 angegebene Gestalt hat. Den so hergerichteten Ballon stellt man in einen Trocken- kasten bei einer Temperatur von annähernd 30°; man kann ihn dort unendlich lange aufbewahren, ohne dass die Flüssigkeit, welche er enthält, die geringste Veränderung erfährt. Ihre Klarheit, ihr Geruch und ihr schwach saurer Charakter, der kaum mit blauem Lackmuspapier erkennbar ist, erhalten sich ohne wahrnehmbare Aenderung. Ihre Farbe dunkelt mit der Zeitschwach nach, ohne Zweifel unter dem Einfluss einer direeten Oxydation der Eiweisskörper oder des Zuckers*). Mit vollkommener Aufrichtigkeit kann ich behaupten, dass mir niemals auch nur ein einziges Experiment vorgekommen ist, das, in der angegebenen Weise eingerichtet, mir ein zweifelhaftes Ergebniss geliefert hätte. [36! Das zuckerhaltige Hefewasser, welches zwei oder drei Minuten lang gekocht und darauf der Gegenwart der geglühten Luft ausgesetzt wurde, ändert sich also durchaus nicht** ), selbst nicht nach achtzehnmonatlichem Aufenthalt bei einer Temperatur von 25 bis 35°, während es sich, wenn man es gewöhnlicher Luft überlässt, nach ein oder *) Diese direete Oxydation ergiebt sich aus der folgenden Ana- lyse, welche mit der Luft aus einem bis zu 2 mit zuckerhaltigem Hefewasser angefüllten Ballon, der im Trockenkasten vom 12. Fe- bruar bis 18. April 1860 zugebr acht hatte, ausgeführt worden war. Kohlensäure 2... 122.7; ee Sauerstoff . . NSS Stickstoff, aus der Differenz . . . . 79,6 100,0. Das Kohlensäurevolumen ist geringer als das verschwundene Sauerstoffvolumen. Das kann an den Differenzen in den Löslich- keitscoefhicienten dieser Gase liegen. Die Flüssigkeit war voll- kommen klar. Alle in dieser Abhandlung enthaltenen Gasanalysen sind mit dem * Regnaulf schen Eudiometer ausgeführt worden. **) Ich habe Gelegenheit gehabt, das Experiment gewiss mehr als fünfzig Mal zu wiederholen, und in keinem Falle hat diese so ver- änderliche Flüssigkeit bei Gegenwart geglühter Luft eine Spur ne i ganisirter Bildungen ergeben. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 31 zwei Tagen auf dem Wege deutlicher Veränderung befindet, von Bacterien und Vibrionen erfüllt und mit Mucor bedeckt ist. Dr. Schwann’s Versuch , auf zuckerhaltiges Hefewasser an- gewendet, ist folglich von einwurfsfreier Genauigkeit. Wie konnte es sich ereignen, dass nichtsdestoweniger meh- rere Beobachter wie Pouchet, Mantegazza und Schwann selbst zu widersprechenden Ergebnissen gelangt sind? Ich füge hinzu, dass Dr. Schwann selbst nicht immer mit seinen Experimenten über die Unwirksamkeit der geglühten Luft Glück hatte; in der That haben wir ja in dem ersten Theil der vorliegenden Abhand- lung, wo ich die Arbeit dieses Gelehrten kurz wiedergegeben, gesehen, dass seine Versuche über die alkoholische Gährung - zuweilen den erhofften entgegengesetzte Ergebnisse lieferten, ohne dass er übrigens die muthmaasslichen Fehlerquellen dieser Resultate erkennen konnte. [37| Ich selbst kam in noch nicht veröffentlichten Versuchen zu dem Schluss, dass die Experimente mit geglühter Luft nur ausnahmsweise gelingen. Ich werde einige anführen. Am 9. August 1857 richte ich mehrere Ballons von 4 Liter Rauminhalt, wie folgt, her. In jeden bringe ich S0 Cubikcenti- meter sehr klares zuckerhaltiges Wasser der Bierhefe, welches im Liter 100 g Zucker und 3 g stickstoffhaltige und minera- lische Stoffe enthielt, welche den löslichen Bestandtheilen der Hefe entlehnt waren. Vor der Lampe ziehe ich den Hals des Ballons aus, bringe die Flüssigkeit zum Kochen und schliesse dann während des Kochens, das vorher zwei bis vier Minuten sedauert hatte, die feine Spitze mit dem Löthrohr. Darauf stelle ich nach einander jeden Ballon umgekehrt in die Queck- silberwanne und breche auf dem Grund derselben die Spitzen des Ballons ab; dann leite ich in den ersten Ballon ungefähr 70 Cubikcentimeter Sauerstoff, der aus chlorsaurem Kali dar- gestellt worden war und vor dem Eintritt in den Ballon durch - eine rothglühende Porzellanröhre strich. In den zweiten Ballon lasse ich 50 Cubikcentimeter Sauerstoff eintreten, welcher von der Zersetzung des Wassers durch den galvanischen Strom her- rührte und frisch gebildet wurde. In den dritten und vierten Ballon lasse ich 50 his 60 Cubikcentimeter gewöhnliche Luft gelangen, welche eine rothglühende Porzellanröhre passirte. In einen fünften Ballon endlich bringe ich 50 Cubikeentimeter nicht erhitzte gewöhnliche Luft. Darauf bringe ich die fünf Ballons umgestürzt auf Quecksilber in Gläsern mit Fuss in einen Trockenschrank von der constanten Temperatur 25 bis 30°. By) - L. Pasteur. Am 13. August sind in allen Ballons organisirte Gebilde vorhanden. Die Flüssigkeit des ersten war vollständig trübe und milchig durch die Gegenwart von sehr feinen zu rosenkranz- förmigen Reihen vereinigten Körnern einer Torulacee. Der zweite Ballon ist in der Nacht vom 15. zum 16. August umge- fallen, weil er sich in Folge von Gährung mit Gas erfüllt hatte. Eine mikroskopische Untersuchung der [38] Flüssigkeitsmengen, welche in dem Glase zurückgeblieben waren, liessen Kügelehen von Bierhefe erkennen. Die Ballons 3, 4 und 5 boten in der klaren Flüssigkeit schwimmende Schimmelrasen dar. Kurz, ich erhielt Ergebnisse, welche geradezu denjenigen des Dr. Schwann widersprachen. Schimmelarten und Torula- ceen können bei Gegenwart von ausgeglühter Luft in Flüssig- keiten entstehen, welche gekocht worden waren. Ich veröffentlichte diese Versuche nicht; die Schlüsse, welche man daraus ableiten musste, waren zu gewichtig, als dass ich nicht vor irgend einem verborgenen Irrthum Furcht gehabt haben sollte, trotz der Sorgfalt, welche ich mir gegeben hatte, sie vorwurfsfrei zu gestalten. Später ist es mir in der That gelungen, die Fehlerquelle zu erkennen. Obgleich es so ist, so lagen die Sachen damals derartig, dass ein Beobachter, indem er guten Glaubens in der Queck- silberwanne die Versuche Needham’s, Spallanzanı's und Ap- pert's mit der von Dr. Schwann angegebenen Modification wie- derholte, zu Folgerungen kam, welche der Lehre von der Urzeugung durchaus günstig waren, ohne dass es möglich war, die wirkliche Fehlerquelle in seinen Experimenten anzugeben. Man konnte nur glauben, dass es sehr schwer hielt, eine kleine Menge gewöhnlicher Luft von den Gefässen auszuschliessen. Aber abgesehen davon, dass diese Furcht übertrieben war, so wird man im Folgenden sehen, dass keineswegs hierin die Un- senauigkeit der Methode bestand. In allen diesen Versuchen, wie in denjenigen des Dr. Schwann, welche dem Ergebniss seines ersten Experimentes mit der Fleischbrühe widersprachen, ist es das Quecksilber, welches die Keime in die Flüssigkeiten einführt. Ich werde die überzeugen- den Beweise dafür später bringen. Aber es mag schon hier be- merkt werden, dass das Quecksilber einer Laboratoriumswanne beständig der Gefahr ausgesetzt ist, den Staub der Luft aufzu- nehmen, und dass diese Flüssigkeit folglich eine Menge jener organisirten Körperchen enthalten muss, welche zu studiren Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 33 wir im vorhergehenden Kapitel kennen gelernt haben. |39] Ihre speeifische Leichtigkeit würde nur dann ausreichend sein, um sie an die Oberfläche zu bringen, wenn sie eine wahrnehmbare Grösse hätten. Ueberdies würde es nicht möglich sein, sie bei den Manipulationen zu vermeiden, wenn diese Körperchen nur an der Oberfläche des Quecksilbers vorkämen. Lässt man Staub sich auf dem Quecksilber absetzen und taucht man darauf eine Glasröhre, eine Eprouvette oder irgend ein Gefäss in dasselbe, so wird man in der That sehen, dass der Staub von der Ober- fläche nach und nach in die Vertiefung eindringt, welche der feste Körper zwischen sich und dem Quecksilber lässt. Wenn der Körper einen Decimeter oder mehr eintaucht, so folgt ihm der Staub bis zu dieser Tiefe, und die letzten Staubtheilchen werden aus grosser Entfernung nach dem Punkt, wo der Körper eingetaucht wurde, hingezogen. Wir können die Versuche dieses Kapitels wie folgt zusammen- fassen. Zuckerhaltiges Hefewasser, eine ausserordentlich ver- änderliche Flüssigkeit bei Berührung mit gewöhnlicher Luft, kann ganze Jahre lang unversehrt aufbewahrt werden, wenn es der Einwirkung ausgeglühter Luft ausgesetzt wird, nachdem es vorher zwei oder drei Minuten lang gekocht worden war. Aber der Versuch muss zweckmässig angestellt werden. In der Queck- silberwanne mit aller erdenklichen Sorgfalt ausgeführt, gelingt er nur ausnahmsweise, wenn er überhaupt einige Male gelingt. Die Flüssigkeit ändert sich fast ebenso leicht, wie bei gewöhn- licher Luft, weil es unmöglich ist, dass die Manipulation, in welcher Weise sie auch ausgeführt werde, keine aus dem Innern oder von der Oberfläche des Quecksilbers oder von den Wänden der Wanne herrührende Keime einführe. Das Misslingen der Experimente mit ausgeglühter Luft, so oft man sie in der Quecksilberwanne anstellte, war nicht die einzige Ursache der Unsicherheit und der Verwirrung in dieser wichtigen Frage vom Entstehen der niedrigsten Wesen. Ersetzt man in den vorstehenden Versuchen das zucker- haltige Hefewasser durch Milch oder durch eine andere Flüssig- keit von solcher Beschaffenheit, wie wir sie noch kennen lernen werden, und führt man den Versuch in der Weise aus, [40] dass man mit der Quecksilberwanne oder mit dem schon beschriebe- nen Apparat, wie er in Fig. 10 (TafelI) abgebildet ist, und wel- cher für zuckerhaltiges Hefewasser sehr constante Ergebnisse liefert, so verfault in der That die Mileh und weist Organis- men auf. Ostwald’s Klassiker. 39. 3 34 L. Pasteur. Diese so verschiedenen, scheinbar widerspreehenden Er- gebnisse werden ihre natürliche Erklärung in einem der folgen- den Kapitel finden. Aber bis dahin waren sie wohl geeignet, Verwirrung in den Geistern anzurichten, so wie ich es schon in dem an den Anfang dieser Arbeit gestellten historischen Ka- pitel zu zeigen versucht habe. Kapitel IV. Aussaat von Staub, der in der Luft suspendirt ist, ın zur Entwicklung niederer Organismen geeignete Flüssigkeiten. Die Versuchsergebnisse der beiden vorausgehenden Kapitel haben uns gelehrt, 1. dass in der gewöhnlichen Luft stets organisirte Körper- chen suspendirt sind, welche den Keimen niederer Orga- nismen vollständig gleich sind, dass zuckerhaltiges Wasser von Bierhefe, eine bei gewöhn- licher Luft ausserordentlich veränderliche Flüssigkeit, unversehrt und durchsichtig bleibt, ohne Infusorien oder Schimmel zu erzeugen, wenn sie mit vorher geglühter Luft in Berührung gelassen wird. Dies voraussetzend, wollen wir versuchen zu erforschen, was sich bei Berührung mit derselben Luft ereignen würde, wenn man in das zucker- und eiweisshaltige Wasser Staub hineinsäet, den zu sammeln wir im Kapitel II kennen gelernt haben, ohne irgend etwas anderes als diesen Staub hineinzu- bringen. Welches auch immer die Versuchsmethode sein mag, es ist nöthig, dass sie vollständig die Quecksilberwanne ausschliesst, weil alle Ergebnisse dadureh getrübt werden würden. [41] Ich habe das für diesen Punkt der Frage unmittelbar durch besondere Versuche, über welehe hier zu berichten ich nicht für nützlich halte, festgestellt. Ich werde übrigens noch Gelegenheit haben, auf den Nachtheil in der Verwendung des Quecksilbers bei dieser Art Experimente zurückzukommen. Folgendes sind die Anordnungen, welche ich traf, um den Staub der Luft in fäulniss- oder gährungsfähige Flüssigkeiten bei Gegenwart von geglühter Luft zu bringen. | Nehmen wir unseren zuckerhaltiges Hefewasser und geglühte Luft enthaltenden Ballon Fig. 11 (Tafel I) wieder vor. Ich setze DD Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 35 voraus, dass der Ballon seit zwei oder drei Monaten im Wärm- sehrank bei 25 bis 30° zubringt, ohne dort irgend eine wahr- nehmbare Veränderung erfahren zu haben, deutlicher Beweis von der Unwirksamkeit der geglühten Luft, mit der er unter ge- wöhnlichem Luftdruck gefüllt wurde. Mittelst einer Kautschukröhre verbinde ich den Ballon, während seine Spitze beständig geschlossen bleibt, mit einem Apparate, der folgendermaassen aufgestellt ist (Fig. 12 Tafel]). T ist ein starkes Glasrohr von 10 bis 12 Millimeter lichtem Durchmesser, in welches ich ein Stückchen Rohr von kleinem Durchmesser a leste, das an seinen Enden offen war, frei in der dieken Röhre gleiten konnte und einen Theil eines der kleinen mit Staub beladenen Baumwollpfropfen umschloss; Z2 ist eine Messinsröhre von der Form eines 7’ mit Hähnen, von denen der eine mit der Luftpumpe in Verbindung steht, ein anderer mit ‚einer rothglühenden Platinröhre und der dritte mit der Röhre 7'; cc stellt das Kautschukrohr vor, welches den Ballon 5 mit der Röhre 7’ verbindet. Wenn alle Theile des Apparates an einander gefüst sind und die Platinröhre durch den bei @ abgebildeten Gasofen auf Rothgluth gebracht ist, so evacuirt man, nachdem man den zu dem Platinrohre führenden Hahn geschlossen hat. Dieser Hahn wird darauf geöffnet, so dass er allmählich wieder ge- glühte Luft in den Apparat eintreten lässt. Die Evacuirung und das Wiederhinzutreten der geglühten Luft werden abwechselnd zehn bis zwölf Mal wiederholt. So findet sich die kleine Röhre mit Baumwolle mit geglühter Luft bis in die kleinsten Zwischen- räume der Baumwolle erfüllt, doch hat dieselbe ihren Staub be- wahrt. Nachdem dies geschehen ist, breche ich die Spitze des Ballons 5 durch den Kautschuk ce hindurch ab, [42] ohne die Schnürchen aufzubinden; dann lasse ich die kleine Röhre mit Staub in den Ballon gleiten. Endlich verschliesse ich vor der Lampe den Hals des Ballons, welcher von Neuem in den Wärmschrank zurückgestellt wird. Nun ereignet es sich regel- mässig, dass in dem Ballon Gebilde nach vierundzwanzig, sechs- unddreissig oder höchstens achtundvierzig Stunden anfangen zu erscheinen. Z Das ist genau die Zeit, welche nothwendig ist, dass die näm- lichen Gebilde in zuckerhaltigem Hefewasser auftreten, wenn dasselbe der Berührung mit gewöhnlicher Luft ausgesetzt wird. Folgendes sind die Einzelheiten einiger Versuche: In den ersten Tagen des November 1859 richtete ich nach 3* 36 L. Pasteur. der Methode der Fig. 10 mehrere Ballons von 250 Cubikcenti- meter Inhalt her, welche 100 Cubikcentimeter zuckerhaltiges Hefewasser und 150 Cubikcentimeter geglühte Luft enthielten. Sie blieben im Wärmschrank bei einer Temperatur von nahezu 30° bis zum 8. Januar 1860 stehen. An diesem Tage brachte ich gegen neun Uhr Morgens in einen dieser Ballons mit Hülfe des Apparates in Fig. 12 (Tafel I) einen Theil eines Baumwoll- pfropfes, welcher mit Staub beladen war, der aufgefangen wurde, wie ich es im Kapitel II auseinandergesetzt habe. Am 9. Januar neun Uhr Morgens bietet die Flüssigkeit des Ballons nichts Besonderes dar. Sechs Uhr Abends desselben Tages sieht man sehr deutlich kleine Büschel Schimmel aus der Röhre mit Staub hervorkommen. Vollständige Klarheit der Flüssigkeit. Am 10. Januar fünf Uhr Abends bemerke ich ausser den seidenglänzenden Büscheln von Schimmel, während die Flüssig- keit noch vollkommene Klarheit bewahrt hatte, auf den Wänden des Ballons eine grosse Zahl weisser Streifen, welche in verschie- denen Farben schillern, wenn man den Ballon zwischen das Auge und das Licht hält. Am 11. Januar hat die Flüssigkeit ihre Klarheit verloren. Sie ist so stark getrübt, dass man die Myceliumbüschel nicht mehr unterscheiden kann. Nun öffne ich den Ballon durch einen Feilstrich und studire die verschiedenen Gebilde, welche in ihm entstanden sind, unter dem Mikroskop. [43] Die Trübung der Flüssigkeit wird von einer Menge kleiner Bacterien von den allergeringsten Dimensionen veranlasst, welche in ihren Bewegungen sehr schnell sind, sich lebhaft hin- und herbewegen oder hin- und herschwingen u. s. w. (Fig. 13, Tafel II). Die seidenglänzenden Büschel werden von einem Mycelium aus verzweigten Fäden gebildet (Fig. 14, Tafel II). Endlich besteht jene Art staubartigen Niederschlages in Gestalt weisser Streifen, der sich am 10. Januar zeigte, aus einer sehr eleganten Torulacee, wie sie in Fig. 15 (TafelII) abgebildet worden ist. Diese Torulacee ist in den eiweiss- und zuckerhaltigen Flüssigkeiten sehr häufig, sie entwickelt sich z. B. in dem etwas sauer gemachten Rübensaft, in dem Harn der Diabetiker, und man könnte sie leicht mit der Bierhefe verwechseln, der sie durch ihre Entwicklungsweise gleicht, wenn der Durchmesser ihrer Kügelchen nicht merklich kleiner wäre, als derjenige der Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 37 Hefezellen, und zwar um ein Drittel oder selbst um die Hälfte kleiner. Die Kügelchen dieser Torulacee sind wenig körnig und durehsichtiger als die Kügelehen der Bierhefe. Wenn überhaupt ‘ein Zellkern zu sehen ist, ist nur einer und zwar sehr deutlich zu sehen. Diese Kügelehen vermehren sich durch Sprossung und nehmen durch diese Vermehrungsweise die verzweigte Ge- stalt der Bierhefe an. So haben wir dreierlei Gebilde, welche unter dem Einfluss des ausgesäeten Staubes entstanden sind, Gebilde derselben Art wie diejenigen, welche man in den nämlichen zucker- und eiweisshaltigen Flüssigkeiten entstehen sieht, wenn man sie der Berührung mit gewöhnlicher Luft überlässt. Am 17. Januar habe ich in zwei weitere Ballons mit zucker- haltigem Hefewasser , welche seit dem Monat November unver- ändert geblieben waren, Staub eingeführt. Am 19. Januar Mittags ist eine der Flüssigkeiten vollständig trübe. Sonst bietet sie keine Spur von Mycelium. Die Flüssig- keit des anderen Ballons ist noch vollständig klar. Keine Spur organisirter Gebilde. Fünf Uhr Abends desselben Tages befindet sich der erste Ballon in demselben Zustande; |44] nur hat die Trübung zuge- nommen; was den anderen anlangt, so ist die Klarheit seiner Flüssigkeit anhaltend vollkommen; aber ein Mycelbüschel kommt aus der kleinen Röhre mit Staub hervor und füllt das ganze eine Ende aus. Am 20. hat sich der Zustand des ersten Ballons nicht wahr- nehmbar geändert. Der Schimmel im zweiten hat sich bedeutend entwickelt und ein neuer ist in der Flüssigkeit selbst entstanden. Ausserdem scheint die Klarheit der Flüssigkeit etwas geändert zu sein. Am 21. ist die Flüssigkeit des zweiten Ballons fast ebenso trübe wie diejenige des ersten, und die Mycelrasen sind seit dem vorhergehenden Abend nicht gewachsen, das heisst, seit- dem die Trübung sich in der ganzen Masse der Flüssigkeit ge- zeigt hatte. Am 22. und 23. Januar bleiben die Mycelrasen andauernd stationär, und es ist unzweifelhaft, wie man sehen wird, dass man den Stillstand in ihrer Entwickelung der Gegenwart der Infusorien zuschreiben muss, welche die Flüssigkeit trüben, und welche, indem sie sich des gelösten Sauerstoffs bemächtigen, die Pflanze eines ihrer wichtigsten Nahrungsmittel berauben. 38 L. Pasteur. Dies Ergebniss ist constant und erklärt, warum man in dem ersten Ballon keine andere organisirte Gebilde entstehen sieht, nach- dem die an erster Stelle zur Entwickelung gelangten aus Infu- sorien bestehen. Folgendes bietet eine beachtenswerthe Bestätigung dieser Ansicht: Als ich sah, dass die Mycelrasen des zweiten Ballons seit dem 20. Januar stationär blieben, liess ich am 23. die kleine Röhre mit Staub in den Hals des Ballons fallen, wie es Fig. 16 "Tafel I) darstellt, um den Schimmelrasen, welcher das eine der beiden Enden dieser kleinen Röhre anfüllte, mit der Luft des Ballons in Berührung zu bringen und so den Einfluss der Infu- sorien auszuschliessen. Nun hat der Schimmel achtzehn Stunden später seit dem 24. Januar Morgens Fädchen nach allen Richtungen getrieben, welche die kleine Röhre und den Hals des Ballons auskleiden. Am 25. fructifieirte er. [45] Am 27. erstreckt er sich theilweise über die Oberfläche der Flüssigkeit des Ballons. Von diesem Tage an hat er sich nicht mehr vergrössert und ist dauernd stationär geblieben , weil aller Sauerstoff aus der Luft des Ballons verschwunden und durch Kohlensäure ersetzt wor- den war. Diese Thatsachen, welche ich sehr oft Gelegenheit hatte, unter analogen Umständen zu beobachten, zeigen den ganzen Einfluss, welchen die einen Gebilde auf die anderen ausüben können, wenn sie sich gleichzeitig entwickeln, zeigen, wie sie sich schaden können, und wie es kommt, dass eine Flüssigkeit mannigfaltige Organismen darbieten kann, aber sehr viel we- niger zahlreich in jedem besonderen Fall, als ausgesäete Keime vorhanden sind und als sich strenge genommen entwickeln müssten. Die ersten, welche sich auf dem Wege der Vermehrung befinden, ersticken die anderen”. *) Auf Grund meiner Untersuchungen führt Pouchet das mit Unrecht als einen wichtigen Einwand an, dass der Staub, welchen er ausgesät hat, ihm nicht mehr Mucedineen geliefert hätte, als ohne Aussaat erschienen. Gerne möge er sie aussäen z. B. in die nämliche Flüssigkeit, welche in ein gefächertes Gefäss gegossen ist, und er wird sehen, dass die Körperchen der Luft, welche in diese Fächer ausgesät werden, ihm sehr mannigfaltige Gebilde liefern. Das ist eigentlich dasselbe, was ich thue, wenn ich mit mehreren Ballons ge- trennt arbeite. Alle Bedingungen werden gleich sein, aber in jedem kleinen Fach werden die Gebilde, welche zuerst getrieben haben, in nichts Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 39 Alle, welche die organisirten Gebilde der Aufgüsse stu- dirten, haben die Beobachtung machen können, dass ein Auf- guss mehr oder weniger vollkommen der Infusorien beraubt wird, wenn er sich in den ersten Tagen, dass er der Luft aus- gesetzt ist, zufällig mit Schimmel bedeckt. Und umgekehrt zeigt er, wenn Infusorien zuerst auftreten, kaum Schimmel. Die Ursache dieser Thatsache ist gleichartig mit derjenigen, von der ich eben gesprochen habe. Im ersten Falle wird der Sauer- stoff von dem Schimmel, im zweiten von den Infusorien ab- sorbirt. [46] Was ich von dem Sauerstoff sage, kann ohne Zweifel auch auf die anderen Nährstoffe dieser kleinen Wesen angewandt werden. In Fig. 17 (Tafel II) habe ich den in dem Hals des Ballons, welcher am 31. Januar geöffnet worden war, um die in ihm ent- standenen Bildungen studiren zu können, zur Entwicklung ge- langten Schimmel abgebildet. Auf dem Grunde der Flüssigkeit, welche seit- mehreren Tagen klar geworden war, weil der Schimmel seinerseits der Entwick- lung der Infusorien geschadet hatte, ist ein deutlicher weiss- selblicher Niederschlag, welcher ausschliesslich aus den Leich- namen kleiner Bakterien und Vibrionen besteht. Alle waren ausnahmslos bewegungslos, abgesehen von der Drown’schen Bewegung. Was den Schimmel anlangt, so hatte sein Mycelium verti- cale, durchscheinende, ungefärbte und nicht verzweigte Fäden _ getrieben, welche an ihrem Ende kleine, bei den ältesten Indi- viduen dunkelbraun gefärbte Kügelehen tragen. Diese Spo- rangien lassen sich leicht unter dem Deckglas zerquetschen und lassen in ihrem Innern Sporen erkennen. Alsdann nimmt man sehr deutlich wahr, dass diese Sporangien eine membranartige Hülle haben, denn sie ist es gerade, welche durch den Druck zerreisst. Lässt man darauf einen Wassertropfen unter dem Deckglas hinzutreten, so entleert sich die kleine Kugel sofort; es treten in reissenden Strömen Haufen eiförmiger Sporen aus, welche vollkommen durchscheinend und von grosser Schärfe der Umrisse sind. Ihr Durchmesser schwankt zwischen 0,006 und 0,008 Millimeter. Das sind alles Charaktere der gemeinsten Spe- cies vom Genus Ascophora. Aber neben diesem Schimmelpilz traf ich ausserdem einen sehr abweichend gebauten Pilz an, welcher denjenigen der benachbarten Fächer schaden. Die Mannigfaltigkeit der Bildungen wird nur deshalb nicht unendlich sein, weil sie, wie man weiss, durch die Natur des Aufgusses beschränkt ist. 40 L. Pasteur. zum Genus Penieillium gehört und in Fig. 18 (Tafel II) abgebildet ist; sogar im Innern der kleinen staubführenden Röhre fand sich vermischt mit Baumwollfäden eine Torula mit grossen Zellen von 0,02 bis 0,04 Millimeter Durchmesser, verbunden mit sehr viel! längeren Gliedern, welche aus einer Weiterentwicklung dieser im Allgemeinen sehr körnchenreichen Zellen herrühren. Sie ist in Fig. 19 (Tafel II) abgebildet. [47] Ich könnte die Beispiele von den im zuckerhaltigen Hefe- wasser durch die Aussaat von Staub der Luft im Schoosse einer vorher geglühten und an sich vollkommen unwirksamen Luft auftretenden Gebilde noch bedeutend vermehren. Ich habe zur Beschreibung vor anderen die Versuche ausgewählt, welche mir sehr gewöhnliche organisirte Gebilde lieferten, die häufig auf Flüssigkeiten von der Natur der angewandten erscheinen. Aber es entstehen die verschiedensten Mucorineen, Torulaceen und Müucedineen. Was die Infusorien anbetrifft, so sind es für diese Art von Flüssigkeiten immer kleine Bakterien, die kleinsten Monaden oder die kleinsten Vibrionen. Nun sind alle diese Gebilde genau von der nämlichen Be- schaffenheit derjenigen, welche man in der Flüssigkeit, um die es sich handelt, auftreten sieht, wenn sie frei der Berührung mit sewöhnlicher Luft ausgesetzt ist. Was die Infusorien anbetrifft, so kann ich versichern, dass ich unter keinen Umständen in zuckerhaltisem Hefewasser andere Infusorien als Bakterien und die kleinsten Vibrionen entstehen sah. Das diekste Infusorium, dem ich begegnete, ist Monas lens von 0,004 Millimeter Durch- messer, und zwar habe ich sie nur sehr’ selten gesehen sowohl an freier Luft als auch in geschlossenen Ballons. Was die Pflanzen anlanst, so kommen vor Mucorarten, gewöhnliche Mucedineen oder Torulaceen *). *), Ich muss hier ein für alle Mal sagen, dass ich Mucor die pflanzlichen organisirten Gebilde nenne, welche sich vorzugsweise auf der Oberfläche der Flüssigkeiten entwickeln, und welche einen mehr oder weniger fetten oder gelatinösen Anblick in dünnen oder dichten, feuchten oder trockenen und zuweilen körnigen Häutehen darbieten; Mucedineen Schimmel im eigentlichen Sinne, dessen Mycelium aus verschiedentlich verzweigten Hyphen besteht, und welcher auf der Oberfläche der Flüssigkeit gewöhnlich gefärbte und staubförmige Fructificationsorgane und zuweilen dem nackten Auge sichtbare Hyphen zeigt, die mit Sporangien wie bei den gewöhn- lichsten Schimmelarten endigen; Torulaceen endlich die kleinen zelligen nicht fädigen Pflanzen, welche sich auf dem &runde der Flüssigkeit zeigen, wo sie sich durch Sprossung vermehren, indem sie nach Art der Bierhefe die Form von Niederschlägen nachahmen. BR ee Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 41] [48] Man könnte sich vielleicht fragen, ob die Baumwolle in den vorausgehenden Versuchen, in so weit sie organische Materie ist, nicht einigen Einfluss auf die Ergebnisse gehabt hat. Es ist besonders nützlich zu wissen, was sich ereignen würde, wenn man die Manipulationen mit den in besagter Weise her- gerichteten Ballons unter Entfernung des Staubes der Luft wiederholen würde. Mit anderen Worten, hat nicht die Mani- pulation, auf welche man zur Einführung des Staubes greifen muss, selbst einen Einfluss? Es ist unerlässlich, sich dessen zu versichern. Um diese Fragen zu beantworten, ersetzte ich die Baumwolle durch Asbest. Nachdem die Asbestpfropfen während einiger Stunden dem Luftstrom des Aspirators (Fig. 1) ausgesetzt ge- wesen waren, wurden sie gemäss den vorstehenden Angaben in die Ballons eingeführt und lieferten genau eben solche Ergeb- nisse wie diejenigen Versuche, über welche wir soeben berichteten. Aber durch Asbestpfropfen,, welche vorher geglüht und nicht mit Staub beladen waren, oder welche mit Staub beladen waren, aber später geglüht wurden, sind weder Trübungen, noch In- fusorien, noch Pflanzen irgend welcher Art hervorgerufen worden. Die Flüssigkeiten bewahrten vollkommen ihre Klarheit. Ich habe zahlreiche Male diese vergleichenden Versuche wiederholt und bin immer durch ihre Deutlichkeit und ihre vollkommene Be- ständigkeit überrascht worden. In der That sollte es scheinen, dass Experimente von dieser Feinheit zuweilen widersprechende Resultate liefern müssten, welche durch zufällige Fehlerquellen herbeigeführt werden. Nun ist es mir nicht ein einziges Mal passirt, dass mir die Experimente nicht vollkommen gelungen wären, wie ich auch niemals bemerkt habe, dass die Aussaat von Staub keine organisirte Gebilde lieferte. Im Angesichte solcher Ergebnisse, bestätigt und vergrössert durch diejenigen der folgenden Kapitel, betrachte ich es als mathematisch strenge bewiesen, dass alle organisirten Gebilde, welche bei gewöhnlicher Luft in zucker- und eiweisshaltigem Wasser entstehen, nachdem es vorher gekocht worden war, ihren Ursprung von den in der Luft suspendirten festen Theilchen ableiten. [49] Aber andererseits sahen wir im Kapitel II, dass diese festen Theilchen mitten zwischen einer Menge amorpher Brocken kohlensauren Kalks, Kieselerde, Russ, Wollfäserchen u. s. w. organisirte Körperchen umschliessen, welche den kleinen Körn- chen jener Gebilde zum Verwechseln gleichen, deren Entstehen 49 L. Pasteur. wir in dieser Flüssigkeit erkannt haben. Die Körperchen sind also die fruchtbaren Keime dieser Gebilde. Nebenbei müssen wir schliessen, dass, wenn die geglühte Luft mit einer aus zucker- und eiweisshaltigem Wasser be- stehenden Apperfschen Conserve wie Traubensaft zusammen- gebracht wird, letztere sich nicht ändert, wie das Dr. Schwann zuerst gefunden hat, weil die Wärme die Keime, welche diese Luft herbeiführt, zerstört hat. Das sahen alle Gegner der un- gleichartigen Zeugung voraus. Ich habe dafür wohl begründete und entscheidende Beweise gegeben und verpflichte alle nieht voreingenommenen Geister, jeden Gedanken an das Vorhanden- sein eines mehr oder weniger mysteriösen Prineips wie eines Gases, einer Flüssigkeit, eines Ozons u. s. w., das die Eigen- schaft besitzt, in den Aufgüssen irgend eine organisirte Bildung hervorzurufen, weit von sich zu weisen. Hier wäre eine sehr interessante Frage zu behandeln, auf welche ich in einer besonderen Publication zurückkommen werde, und welche nicht verfehlen wird, den Leser zu über- raschen. Nichts ist geeigneter als die auf den vorhergehenden Seiten studirte Flüssigkeit, um alkoholische Gährung zu erzeugen. Das zuckerhaltige Hefewasser ist nach Art des Traubensaftes, des Biermostes, des Rübensaftes u. s. w. zusammengesetzt, Flüssigkeiten, welche, der Berührung mit gewöhnlicher Luft aus- gesetzt, leicht in Gährung übergehen. Nun ist es mir in einer beträchtlichen Zahl von Versuchen, welche in der oben angege- benen Weise angestellt wurden, und in welchen Staub der Luft in zuckerhaltiges Hefewasser gesäet wurde, niemals passirt, dass ich Gährung in der Zuckerlösung erhielt”). Hier ist die geeignete Stelle, zu bemerken, dass es nichts Wahrheitswidrigeres giebt, als jene von den Anhängern der Urzeugung oft wiederholte Behauptung, [50] »dass dem Er- scheinen der ersten Organismen immer Gährungs- oder Fäulniss- erscheinungen vorausgehen, und dass die Bildung der Aufguss- thiere bei den Macerationen die Folge einer Entwicklung verschiedener Gase ist, welche wir der Zersetzung der ange- wandten Substanzen verdanken, und dass erst nach dem Be- merkbarwerden dieser Erscheinungen an der Oberfläche der Flüssigkeiten ein besonderes Häutchen entsteht.c**) Wenn man *) Ich werde später zeigen, dass diese Besonderheit mit der Be- ziehung zusammenhängt, welche in meinen Versuchen zwischen dem Luftvolumen und der Flüssigkeit vorhanden ist. **) Pouchet, Traite de la generation spontanee 1859, p. 352 u. 353. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 43 mir von gährungsfähiger Bewegung, welcheich in meinen Flüssig- keiten veranlasse, indem ich den Staub in dieselben aussäe, spricht, von gährungsfähiger Bewegung, welche zur Entfaltung der zeugenden Kräfte nöthig ist, so sehe ich darin nur vage Worte, denen mich das Experiment lehrt keinen vernünftigen Sinn beizulegen. Kapitel V. Ausdehnung der vorstehenden Ergebnisse auf andere sehr veränderliche Flüssigkeiten. — Urin. — Milch. — Mit kohlensaurem Kalk gemischtes zucker- und eiweiss- haltiges Wasser. GEN Wrin. Es ist bekannt, mit welcher Leichtigkeit sich frischer Urin bei Berührung mit atmosphärischer Luft verändert. Gewöhnlich verliert er seine Acidität, trübt sich, verbreitet einen starken _ ammoniakalischen Geruch und setzt Krystalle verschiedener Beschaffenheit ab. Ein aufmerksames mikroskopisches Studium gestattet zu erkennen, dass die Trübung der Flüssigkeit, der Satz, welcher auf dem Grunde des Gefässes entsteht, und das Häutchen, welches oft allmählich die ganze Oberfläche der Flüssigkeit bedeckt, aus organisirten Gebilden zusammengesetzt ist*). Folgendes sind die häufigsten: das Häutchen auf der Oberfläche der Flüssigkeit ist oft eine Schimmeldecke, die von Körnern oder besser von Gliedern von ausserordentlicher Zart- heit gebildet wird; [öl] man würde sagen Anhäufungen von Bacterium termo ohne Bewegung. Dies erscheint um so wahr- scheinlicher, als in dem nämlichen Häutchen dies Infusorium neben sehr kleinen sich mit Schnelligkeit im Kreise bewegenden Monaden herumwimmelt. Dies membranartige Häutchen sinkt sanz oder stückweise auf den Boden des Gefässes, sobald als es an einzelnen Punkten zu schwer wird; alsdann bildet sich ein neues, das seinerseits zu Boden sinkt. Daher rühren gewisse Niederschläge des in Zersetzung begriffenen Urins. *) Ich lasse, wohl verstanden, die schleimigen und amorphen Niederschläge, welche im Urin beim Erkalten entstehen, bei Seite. TE Der Zn 44 L. Pasteur, In anderen Fällen entwickeln sich an der Oberfläche des Urins Inselehen von Mucedineen, besonders von Penieillium glaucum, welches sich indessen nur mühsam vermehrt, ohne seine echte grünblaue Farbe anzunehmen. Endlich bedeckt sich der Urin, wenn sich die umgebende Temperatur nicht bis zu mehr als 15° erhebt, ziemlich häufig mit einem zusammenhängenden schwer zerreissbaren Häutchen, das sich sofort ohne Lösung der Continuität wieder bildet, so- bald man den Glasstab, mit dem man seine Theile zu trennen sucht, zurückzieht. Wenn dies Häutchen entsteht, so passirt es ziemlich häufig, dass der Urin sauer bleibt und sich nicht merk- lich trübt. Dies Häutchen wird von einer merkwürdigen der Torulacee Fig. 15) sehr ähnlichen Mucorinee gebildet, welche ich nichts desto weniger für specifisch verschieden halte. Sie ist in Fig. 20 (TafelII) abgebildet. Es sind durchscheinende Zellen, in denen der Zellkern selten sichtbar ist, die sich durch Sprossung ver- mehren. Der Durchmesser der Zellen schwankt zwischen 0,0045 und 0,0065 Millimeter, ist also merklich kleiner als derjenige der Kügelchen der Bierhefe. Was den auf dem Grund und auf den Wänden eines der Luft ausgesetzten Gefässes mit Urin entstehenden Niederschlag anbetrifft, so umschliesst er, ausser den von der Oberfläche herab- sesunkenen Bildungen Krystalle von wechselnder Beschaffenheit. Worauf ich aber besonders aufmerksam machen möchte, ist das jedesmalige Vorhandensein einer Torulacee in Perlsehnüren aus kleinen Körnern (Fig. 21, Tafel II), wenn durch die Umbildung des Harnstofis die Flüssigkeit ammoniakalisch geworden ist. [52| Ich bin sehr geneigt zu glauben, dass dies Gebilde ein or- ganisirtes Ferment darstellt, und dass eine Umbildung des Harn- stoffsin kohlensaures Ammoniak ohne die Gegenwart und die Ent- wicklung dieses kleinen Gewächses niemals vorkommt. Da meine Versuche über diesen Punkt indessen noch nicht abgeschlossen sind. so muss ich mir in meiner Ansicht einige Zurückhaltung auferlegen. Was ich für alle Fälle behaupten kann, ist die Un- genauigkeit einer Thatsache, welche oft in den Discussionen, zu denen die auf den Ursprung der Gährungen bezüglichen Theo- rien die Veranlassung gaben, eitirt worden ist. Diese wohl bekannte Thatsache besteht in der Zersetzung des Harnstoffs unter dem Einfluss der alkoholischen Gährung des Zuckers. Jedesmal, wenn ich den Versuch gelingen sah, erwies sich die Bierhefe als mit der rosenkranzförmigen Torulacee, von der ich Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 45 soeben gesprochen habe, vermischt; und wenn die Bierhefe gleichartig blieb, ohne Mischung mit irgend einem anderen be- sonderen Gebilde, hat der Harnstoff keine Veränderung erfahren. Die vorstehende Thatsache steht also, nachdem sie besser stu- dirt ist, mit den neuen Ideen, welche ich in den letzten Jahren über den Ursprung der eigentlichen Gährungen mittheilte, in Einklang. Wir haben soeben die gewöhnlichsten Bildungen des der Berührung mit Luft ausgesetzten Urins kennen gelernt, welche ‚sich in demselben gleichzeitig oder getrennt zeigen. Prüfen wir jetzt, was sich ereignet, wenn der Urin der Einwirkung ge- slühter Luft unterworfen wird. Hierfür verwenden wir wieder den Apparat aus der Fig. 10. Frischer filtrirter Urin wird zwei bis drei Minuten lang in dem Ballon gekocht, welcher mit der zur Rothgluth erhitzten Platinröhre in Verbindung steht. Dann hört man mit dem Kochen auf, so dass der erkaltete Ballon mit geglühter Luft von sewöhnlichem Luftdruck und gewöhnlicher Temperatur erfüllt ist; hierauf schliesst man ihn vor der Lampe an dem Grunde des ausgezogenen Theiles seines Halses. Alsdann stellt man den Ballon, wie es in Fig. 11 abgebildet ist, in den Wärmschrank, bei einer Temperatur von 25 bis 30°, einer Temperatur, welche für die Fäulniss des Urins so günstig ist. [53] Dort kann er sich unendlich lange aufhalten, ohne andere Veränderung als eine langsame Oxydation der Eiweissstoffe des Urins zu erfahren; wenigstens wird die Farbe des Urins mit der Zeit etwas dunkler, und die Analyse der Luft im Ballon zeigt einen Sauerstoffverlust und einen Kohlensäuregewinn an. Am 14. April 1860 analysirte ich die Luft eines in der an- sesebenen Weise hergerichteten Ballons, der sich seit dem 13. Februar desselben Jahres im Wärmschrank befand. Die Luft enthielt damals: Stickstoff aus der Differenz . . . 7108 SERIEN, re ee en 19,3 olllensaure „3:2 ern. een 3,9 100,0 Aber die Klarheit des Urins bleibt vollkommen, selbst nach 18 Monaten, und es erscheint in ihm nicht das geringste thie- rische oder pflanzliche Gebilde; er bewahrt gleichfalls seine Aeidität und seinen ursprünglichen Geruch. Der Urin, welcher auf Kochtemperatur gebracht worden 46 L. Pasteur. war, erfährt demnach keine Fäulniss oder Gährung bei Gegen- wart geglühter Luft *). Wir wollen jetzt sehen, was mit dieser Flüssigkeit passirt, wenn alle die vorstehenden Bedingungen erfüllt sind, und wenn man in sie in der Luft suspendirten Staub hineinbringt. (54| Am 16. März 1860 brachte ich in einen Urin und ge- glühte Luft enthaltenden Ballon einen kleinen Asbestpfropfen, welcher einige Stunden lang einem Strom gewöhnlicher Luft ausgesetzt gewesen war. *) Es dürfte jedoch nicht unnöthig sein, hier noch darauf hinzu- weisen, dass dieser Versuch, wenn er mit Hülfe der Quecksilberwanne ausgeführt wird, positive Ergebnisse liefert, ohne dass man scheinbar irgend etwas hineinbringt, das Keime enthalten könnte. Man nehme z. B. den Ballon aus Fig. 11, breche auf dem Boden der Quecksilber- wanne seine Spitze ab, lasse dann etwas Gas austreten, damit das Quecksilber in den Ballon eintreten kann, so wird es wenigstens in neun von zehn Malen wenn nicht immer passiren, dass Schimmel- pflanzen oder kleine Infusorien in der Flüssigkeit auftreten. Es ist das Quecksilber, welches die Keime herbeiführt. Ich werde nur über ein Experiment dieser Art berichten. Der Ballon, von dem im Texte die Rede war, ist am 14. April in den Wärmschrank zurückgestellt worden, nachdem vorher in der Quecksilberwanne das zur Analyse erforderliche Luftvolumen herausgenommen worden war. Dieser Ballon war in einem Fuss- glase auf Quecksilber umgestürzt worden. Nun ereignete sich Folgendes: am 16. Aprii waren auf dem Grunde des Urins an der Grenzflläche zwischen Urin und Quecksilber ein Dutzend kleiner Mycelbüschel vorhanden. Die Flüssigkeit bewahrte vollkommene Klarheit, ein Beweis für die vollständige Abwesenheit der Infusorien. Am 21. April sind mehrere der kleinen Büschel, welche durch An- einanderreihen mit einander vereinigt waren, so sewachsen,, dass sie die Oberfläche des Urins erreicht haben, und dass ihre Schläuche sich demnach mit Luft in Berührung finden. Die Flüssigkeit ist immer vollkommen klar. Seit dem 21. April Abends ist an der Ober- fläche der Flüssigkeit ein Inselehen mit sichtbaren Sporangien von srüner Farbe, das vollkommen an Penicillium glaucum erinnert, ent- standen. Einige Tage später nahm die Mucedinee mehr als die Hälfte von der Oberfläche der Flüssigkeit ein. Alsdann analysirteich von neuem das Gas des Ballons. Es enthielt: Kohlensäure . . Sa an Stickstoff aus der Differenz . . . . 80,5 DAUEFSLOT .. 7 er re Ser 7020 Pe 100,0. Beiläufig wollen wir bemerken, dass nach dieser Analyse eine Mucedinee durch ihre Vegetation die Luft eines abgeschlossenen Ballons bis auf die allergeringsten Mengen Sauerstoff erschöpft. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 47 Die Einführung des Staubes wurde durch Befolgung der Methode aus Fig. 12 mit allen schon im vorausgehenden Kapitel angegebenen Vorsichtsmaassregeln bewerkstelligt. Am 17. März ist weder eine Trübung, noch Schimmel, noch eine Torulacee vorhanden. Keine Krystalle sind niederge- schlagen. Am 18. scheinbar kein Schimmel weder in der Röhre noch anderswo, die Flüssigkeit ist jedoch trübe, wie es immer der Fall ist, wenn sich Infusorien entwickeln. Demnach ist die Bewegung dieser kleinen Thiere selbst, worauf ich hingewiesen habe, die Ursache der Trübung der Flüssigkeit. Sobald sie durch Mangel an Luft zu Grunde gehen, sammeln sie sich auf dem Grund des Gefässes an, gleich einem Niederschlage, und die Flüssigkeit klärt sich. Am 19. März ist die Trübung noch vorhanden, aber es hat sich schon ein sehr beträchtlicher weisser, ein wenig klebriger Niederschlag auf dem Boden des Ballons gebildet. [55] Am 20. und 21. März der nämliche Zustand. Am 21. Abends sind viele kleine Krystalle an der Ober- fläche der Flüssigkeit abgeschieden worden und kleiden alle _ Wände des Ballons aus. Dieser Absatz von Krystallen zeigt an, dass die Flüssigkeit ammoniakalisch geworden sein muss, und _ dass sie sich nach einer der gewöhnlichen Fäulnissarten des Urins in Berührung mit gewöhnlicher Luft verändert hat. ‘Am 23. März öffne ich den Ballon unter Quecksilber. Es ist kein Druck vorhanden, welcher ankündigt, dass Gasentwick- lung stattgefunden hatte. Die Flüssigkeit ist bei Anwendung von rothem Lackmuspapier sehr deutlich alkalisch, indessen weist die alkalische Reaction ebenso wie die mit Salzsäure _ darauf hin, dass sich noch nicht viel kohlensaures Ammoniak gebildet hat. Die mikroskopische Prüfung zeigt die Bildung von drei Arten Krystalle, einer Menge kleiner Bacterien, von denen mehrere sehr beweglich sind, und sehr kleiner Monaden an, welche in krummen Linien ihren Platz wechseln. Unter anderem war die aus kleinen Körnern bestehende und zu kurzen Perlen- schnüren vereinigte Torulacee Fig. 21 (Tafel II) vorhanden. Das Ergebniss dieser mikroskopischen Prüfung ist in Fig. 22 (Tafel II) dargestellt, nur sind die Krystalle und die organisirten Gebilde getrennt abgebildet worden. Der Durchmesser der Körner der Torulacee von der Gestalt kurzer Perlenschnüre betrug ungefähr 0,0015 Millimeter. Dies organisirte Ferment betrachte ieh als das Ferment des Urins, ” ee } en, B 48 L. Pasteur. d. h. als dasjenige, welches die Umwandlung des Harnstoffs in kohlensaures Ammoniak hervorruft, und welches später durch die Alkalinität, welche sich daraus ergiebt, den Absatz der harn- sauren Salze und der phosphorsauren Ammoniak - Magnesia herbeiführt. Der sich selbst überlassene und sauer gebliebene Urin setzt wohl Krystalle ab, aber es sind Krystalle von Harnsäure. In Fig. 23 (Tafel II) habe ich Krystalle dieser Säure gezeichnet, welche in einem fünfzehn Tage lang bei einer Temperatur von 11° sauer gebliebenen Urin abgesetzt worden waren, an dessen Oberfläche nur die schon in Fig. 21 dargestellte Mucorinee ent- standen war. [56] Ich könnte noch um vieles die Beispiele von der Ver- änderung des Urins bei Gegenwart von geglühter Luft unter dem Einfluss des in der gewöhnlichen Luft vorhandenen Staubes vermehren, doch würde das von wenig Nutzen sein*): Baete- rien, Monaden, Mucedineen, verschiedene Torulaceen, alles das beobachtet man immer in ihm. Die Mucedineen sind indessen im Allgemeinen weniger häufig als in den Versuchen mit zucker- und eiweisshaltigem Wasser. Besonders beachten muss man, dass der gewöhnlicher Luft ausgesetzte Urin keine grössere Mannigfaltigkeit an Gebilden aufweist als derjenige Urin, welcher der Einwirkung geglühter Luft und des in der atmosphärischen Luft suspendirten Staubes unterworfen war. Der Unterschied, wenn er überhaupt vorkommt, fällt vielmehr zu Gunsten der zweiten Versuchsmethode aus. *) Ich erwähne indessen noch ein Experiment, welches unter denjenigen ausgewählt wurde, die an erster Stelle vor jeglicher Bil- dung von Infusorien Mucedineen lieferten. Am 2. Mai 1860 bringe ich in einen Ballon, der mit Hülfe der in Fig. 12 angegebenen Methode aufbewahrt worden war, ein sehr kleines Stück eines mit Staub der Luft beladenen Baumwollpfropfes. Am 4. Mai 8 Uhr schwimmt ein Mycelbüschel mit sehr schlaffen Fäden in der Flüssigkeit, welche ihre volle Klarheit bewahrt hat. Am nämlichen Tage um 7 Uhr Abends erscheinen auf den Wänden des Bodens des Ballons drei Streifen von undurchsichtigem Weiss. Am 5. Mai dauert die Entwicklung der Gebilde vom vorher- sehenden Abend an. Die Flüssigkeit ist andauernd von vollkommener Klarheit. Am 6. und 7. Mai der nämliche Zustand. Vom 7. bis 8. trübt sich die Flüssigkeit gleichmässig durch das Erscheinen kleiner Bakterien, und der Schimmel bleibt von diesem Augenblick an durch den Entzug des Sauerstoffs stationär. Am 9. und an den folgenden Tagen fangen Krystalle an, sich auf den Wänden des Ballons nieder- zuschlagen. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 49 Demnach schliessen wir, dass es jedesmal, wenn sich der Urin bei Berührung mit gewöhnlicher Luft verändert, durch die Thätigkeit des festen Staubes, welchen die Luft herbeiführt, und welcher in die Flüssigkeit fällt, geschieht. Aus den Einzelheiten der von mir bisher berichteten Ver- suche können wir schon bemerken, wie häufig die Bildung der kleinsten Infusorien und besonders des Bacterium termo ist, das sich in allen Arten Aufgüssen zeigt, und das fast immer vor den anderen Infusorien erscheint. [57] Dies Infusorium ist so klein, dass man seinen Keim nicht unterscheiden und noch weniger die Anwesenheit dieses Keims, wenn er bekannt wäre, unter den organisirten Körperchen des in der Luft suspendirten Staubes angeben könnte. Aber wie, sollte er nicht in der Luft vorhanden sein, er, der überall im Ueberfluss vorhanden ist? Ich verlange keine anderen Beweise, als diejenigen, welche man aus der mikroskopischen Prüfung einer Menge in Fäulniss begriffener Substanzen ableiten kann. Man rufe sich gleichfalls die Beob- achtungen ZLeewenhoeck's über die Infusorien aus der weissen Masse in's Gedächtniss zurück, die sich zwischen den Zähnen anhäuft und die in niemands Munde fehlt, welche Sorgfalt man auch walten lässt, um seine Zähne in einem möglichst vollkom- menen Zustand der Reinheit zu erhalten. Die Bacterien wim- meln in dem kleinsten Stückchen dieser Substanz umher. Man findet sie in grosser Menge im Verdauungscanal und in den Ex- crementen wieder *). *) Pouchet hat oft in der Form eines Einwandes gegen die Ideen, welche ich in dieser Abhandlung vertheidige, daran erinnert, dass in den geschlossenen Gefässen immer die kleinsten Infusorien entstehen. Dies ist wahr, und diese Bemerkung verdiente eine ernste Prüfung, wenn es bewiesen wäre, dass die nämliche Flüssigkeit in Berührung mit gewöhnlicher Luft grosse Infusorien, während sie in einem Ballon bei Gegenwart von geglühter Luft nur sehr kleine liefert. Aber das ist nicht der Fall. Und wenn Pouchet eine Flüssigkeit kennen sollte, welche,nachdem sie der Kochtemperatur von 100 Grad unterworfen gewesen war, nach mindestens zwei oder dreiTagengrosselnfusorienerzeugt, wenn sieder freienLuft ausgesetzt wird,so behaupte ich, dass ich die nämlichen grossen Infu- sorien unter Anwendung von Ballons bei Berührung mit geglühter Luft und durch den blossen Einfluss des in der Luft suspendirten Staubes hervorbringen könnte. Wenn dahingegen diese Flüssigkeit grosse Infusorien nur nach ziemlich langer Zeit, und nachdem ein Wechsel von mehreren Generationen kleiner Infusorien in der Flüssigkeit stattg efunden hat, giebt, so hängt die Schwierigkeit, die grossen in einem beschränkten Luftvolumen hervorzurufen, lediglich von der Luft ab, welche durch die Entwicklung der ersten und sehr kleinen Ostwald’s Klassiker. 39, 4 50 L. Pasteur. 58] $U. Milch. — Zucker- und eiweisshaltiges Wasser mit kohlensaurem Kalk. Das Studium der Milch und einiger anderer Flüssigkeiten bietet uns Ergebnisse dar, welche zuerst besonders misslich erscheinen. Als es sich in den vorhergehenden Kapiteln um zuckerhaltiges Hefewasser und Urin handelte, erkannten wir, dass diese Flüssigkeiten, wenn sie zwei bis drei Minuten lang bei der Kochtemperatur von 100° gehalten und dann der Berührung mit Luft ausgesetzt werden, welche rothglühend gemacht worden war, keine Veränderung erleiden. Wenn der Versuch, wie ich beschrieben habe, ausgeführt wird, indem man sich des Appa- rates aus Fig. 10 bedient, so versagt er nie. Setzt man dies voraus, so kann man sicher sein, dass die Milch, wenn man das nämliche Experiment mit gewöhnlicher Milch wiederholt, beständig gerinnt und fault. Am 10. April 1860 richte ich einen Ballon Mileh mit dem Apparat aus Fig.10 her. Das Kochen dauerte von dem Augen- blick an, wo der Wasserdampf den ausgezogenen Theil des Halses schon zu weit erhitzt hatte, als dass man die Hand daran halten konnte, zwei Minuten. Nach dem Erkalten der Flüssig- keit schliesst man vor der Lampe den Hals des Ballons wie ge- wöhnlich und stellt den letzteren in den Wärmschrank bei der Temperatur von 25 bis 30°. Am 17. April ist die Milch dieses Ballons geronnen. Kein Anzeichen einer Gasentwieklung. Ich öffne den Hals durch einen Feilstrich. Schwacher Geruch nach geronnener Milch. Die Molken sind ebenso alkalisch, wie die frische Milch. Bei der Infusorien verändert wird, und welche durch den Verlust ihres Sauer- stoffes das Auskriechen der Keime der grossen Infusorien nieht mehr veranlassen kann. Aber diese Schwierigkeit wird in diesem Falle leicht gehoben werden, wenn man es so einrichtet, dass man die ge- glühte Luft in dem Ballon erneuert. Verfuhr ich, wie gesagt, so habe ich keine grossen Infusorien in zucker- und eiweisshaltigem Wasser oder im Urin, nach vorherigem Kochen, entstehen sehen. Ich habe weder Kolpoden, noch Vorticellen, noch Paramecien wahrgenommen. Aber ich habe diese Infusorien auch nicht in den nämlichen Flüssigkeiten bemerkt, wenn sie der freien Berührung mit Luft ausgesetzt waren, und es ist gerecht, dass man mich nicht auffordert, in meinen Versuchen Infusorien erscheinen zu lassen von ganz anderer Natur als diejenigen, welche man in den en mit frischer Luft unter sonst ganz gleichen Umständen emerkt. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 51 Prüfung unter dem Mikroskop finde ich sie mit Vibrionen einer Species, aber von sehr verschiedener Länge erfüllt. Sie besitzen eine langsame und gewundene Bewegung; [59] weder Bacte- rium termo noch irgend ein anderes thierisches oder pflanz- liches Gebilde kommt vor. Es ist demnach nicht zweifelhaft, dass die Milch unter dem Einfluss des Lebens dieser Vibrionen geronnen ist, vielleicht thatsächlich durch die Bildung einer dem Lab analogen Flüssigkeit. Eine Menge dieser Vibrionen hatte eine Länge bis zu 0,05 Millimeter, die kleinsten eine solche von 0,004 Millimeter. Viele waren bewegungslos. Die Analyse der Luft aus dem Ballon ergab: Sauerstoff . BEN U 0,8 ISohlensaure = 8°... „NE are 002. Wasserstoff ER 0,2 Stickstoff aus der Differenz . . . . 81,8 Aus dieser Analyse ergiebt sich, dass der Sauerstoff zum grossen Theil verschwunden und durch Kohlensäure ersetzt worden war, ohne Zweifel unter dem Einfluss der Athmung der Vibrionen. Die Thatsache des Vorhandenseins der noch leben- den Vibrionen bei der Oeffnung des Ballons, obgleich nicht —I; Sauerstoff vorhanden war, zeigt, dass das Leben dieser kleinen Wesen so lange andauert, als Sauerstoff vorhanden ist, selbst dann, wenn das Verhältniss der Kohlensäure beträchtlich ist. Gleiehes konnten wir bereits für die Mucedineen auf 8. 46 |54] feststellen. | Werngleich die Milch dieses Ballons sieben Tage zum Ge- rinnen gestanden hat, vom 10. bis 17. April, so darf man daraus nicht schliessen, dass diese Erscheinung erst nach sieben Tagen merkbar ist. Würde man den Ballon den 12. oder 13. April geöffnet haben, so würde man bereits die Gegenwart der Infu- sorien und einen sehr schwachen Anfang der Coagulation wahr- genommen haben. Die Gerinnung giebt sich im Allgemeinen innerhalb drei bis zehn Tagen zu erkennen; in einem Falle sah ich sie sich jedoch erst nach einem Aufenthalte des Ballons von einem Monate im Wärmschrank, vom 11. März bis 16. April, bemerkbar machen. Dies zeigt mir an, dass die Infusorien sich schwierig und langsam vermehrt haben. [60] Die Versuche, von denen wir soeben gesprochen haben, lieferten mir immer analoge Resultate. Die bei 100° gekochte 4* 1 F 52 L. Pasteur. Hi und der Berührung mit geglühter Luft überlassene Milch erfüllt sich nach einigen Tagen mit kleinen Infusorien, am häufigsten mit einer Varietät der Vibrio lineola Fig. 24 (Tafel I) und mit Bacterien, und gerinnt, indem sie ihre Alkalinität bewahrt. Ich habe niemalsin der so behandelten Milch etwas anderes als Vibrionen und Bacterien entstehen sehen, keine Mucedineen, keine Torulaceen, kein pflanzliches Ferment. Unzweifelhaft hängt dies davon ab, dass die Keime dieser letzteren Gebilde im Wasser bei 100° nicht bestehen können, was ich überdies durch direete Experimente feststellte. Und ebenso erkennen wir, dass, wenn die Milch unter den vorstehenden Umständen fault, es deshalb geschieht, weil die Keime der Infusorien, von denen wir soeben gesprochen haben, der Temperatur von 100° in feuchtem Zustande widerstehen, wenn die Flüssigkeit, in welcher sie erhitzt werden, sich gewisser Eigenschaften erfreut. Was die Gerinnung der Milch anlangt, so sehen wir aus diesen Versuchen, dass die der Berührung mit Luft überlassene Milch in Folge von zwei sehr verschiedenen Einflüssen gerinnt. Sie kann in Folge der Wirkung der Infusorienentwicklung ge- rinnen, eine Erscheinung, welche wahrscheinlich in den Fällen der Gerinnung der Milch durch Lab eintritt. Es ist Grund vor- handen, nachzuforschen, ob in Folge des Lebens der Infusorien eine Flüssigkeit entsteht, die derjenigen des natürlichen oder künstlichen Labs, welches ohne Säure die Gerinnung hervor- rufen kann, entspricht. Andererseits kommt eine Gerinnung der Milch unter dem Einfluss der Milchsäure vor. Wenn die frische nicht gekochte Milch der Berührung mit Luft ausgesetzt ist, ist die Gerinnung am häufigsten dieser zweiten Ursache zuzu- schreiben. Was die Säure selbst anbelangt, so ist ihre Bildung durch die Entwicklung vegetabilischer Fermente, besonders des Milchsäurefermentes, veranlasst, welche den Milchzucker in Milchsäure oder in andere Säuren verwandeln, Fermente, welche nicht entstehen können, wenn die Milch gekocht und der ge- glühten Luft ausgesetzt worden war, weil ihre Keime bei 100° nicht widerstandsfähig sind. [61] Ich sagte, dass die Fäulniss der Milch, welche auf 100° erhitzt und der geglühten Luft ausgesetzt worden war, dem Um- stande zuzuschreiben ist, dass die Keime der Vibrionen in ge- wissen Fällen der Temperatur von 100° widerstanden. Davon kann man sich leicht überzeugen. Nehmen wir in der That wieder den Apparat aus Fig. 10 (Tafel I) vor und lassen wir die Milch Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 53 bei einer wenig höheren Temperatur als 100°, höchstens bei 110° kochen, indem man an das linke Ende der Platinröhre das Glas- rohr aus Fig. 10 bis befestigt, das 40 bis 50 Centimeter in das Quecksilber der in dieser Figur dargestellten Cuvette taucht. Wir lösen diese Glasröhre los, wenn das Kochen der Milch bloss ein oder zwei Minuten gedauert hat; dann schliessen wir vor der Lampe den Hals des Ballons, wie wir es immer gemacht haben. Die so hergerichteten Ballons konnten alsdann unbegrenzt lange im Wärmschrank stehen, ohne zur geringsten Bildung von Schimmel oder Infusorien Veranlassung zu geben. Die Milch bewahrt ihren Geschmack, ihren Geruch und alle ihre Eigenschaften. Ueberraschend ist, dass ihre Fetttheile sich nicht schneller bei Gegenwart eines so beträchtlichen Luft- volumens oxydiren. Diese Oxydation kommt indessen vor, ist jedoch sehr schwach. Folgendes ist die Analyse der Luft eines Ballons, welcher vierzig Tage im Wärmschrank zubrachte BAUGESEON san ENERER RAESIST kohlensaure..H. “res. else Stickstoff aus der Differenz . . 81,47 100,00 Unter der Einwirkung dieser unmittelbaren Oxydation ge- rinnt der Rahm ein wenig und theilt der Milch einen leichten Geschmack nach Talg mit. Demnach ist die Fäulniss der bei 100° gekochten und der seglühten Luft ausgesetzten Milch nur ein Zufall, welcher da- durch hervorgerufen wurde, dass die Kochtemperatur nicht hoch genug gewesen war. [62] Es genügt, das Kochen bei 100 und einigen Graden auszuführen, oder selbst es bei 100° längere Zeit fortzusetzen, damit die Ergebnisse dieselbe Klarheit und Ge- nauigkeit haben wie diejenigen, welche wir bereits erhielten, als wir mit zuckerhaltigem Hefewasser und Urin operirten. Aber wie kommt es, wird man vielleicht sagen, dass zucker- haltiges Hefewasser nur einer Abkochung bei 100° unterzogen werden muss, damit man niemals bei Berührung mit geglühter Luft Vibrionen erscheinen sieht? Wir erkennen, dass diese Er- scheinung wahrscheinlich dem Umstande zuzuschreiben ist, dass die Flüssigkeiten sehr schwach sauer sind, während die Milch alkalisch ist. In der That habe ich beobachtet, dass man Vibrionen mit Hülfe von zuckerhaltigem Hefewasser bei Berührung mit 54 L. Pasteur. seglühter Luft hervorbringen kann. Es genügt, die Flüssigkeit bei 100° bei Gegenwart von ein wenig kohlensaurem Kalk kochen zu lassen, der die Flüssigkeit neutral oder schwach alkalisch macht. Den 21. März 1860 richtete ich mit Hülfe von Apparat Fig. 10 6 Ballons her, von denen jeder einschliesst: 10 g Zucker, 100 ccm Wasser der Bierhefe (0,5 feste Bestandtheile), 1 & kohlensauren Kalk. Nachdem sie mit geglühter Luft gefüllt sind, schliesse ich sie vor der Glasbläserlampe und stelle sie in den Wärm- schrank. Am 25. März ist die Flüssigkeit dieser Ballons trübe, und alles deutet darauf hin, dass sie Infusorien enthalten. Bei dreien von ihnen begann die Trübung bereits am 23. März. Ich öffne einen dieser Ballons am 25. März und finde in der That die Flüssigkeit mit sehr kleinen Vibrionen erfüllt, von denen mehrere sich merklich bewegen, obgleich mit grosser Langsamkeit; sie sind wie krank. Am 5. April zeigen die vier Ballons, welche nicht geöffnet worden waren, an ihrer Ober- fläche einen gallertartigen, diehten und körnigen Mucor von röthlicher Farbe. Unter dem Mikroskop betrachtet, besteht er aus einem Haufen von Körnern von ausserordentlicher Zartheit. [63] Auf dem Boden der Flüssigkeit befindet sich ein Absatz von Leichen kleiner Vibrionen. Ich glaube, dass dieser Mucor eine Kryptogamenart ist, die von der Bildung der Vibrionen unab- hängig ist, und dass folglich der Keim dieses besonderen Mucor ebenso wie der Keim der Vibrionen unter diesen besonderen Umständen der Temperatur von 100° während zwei bis drei Minuten widerstanden hat. Wenn wir nun dieselben Versuche wiederholen, indem wir die Flüssigkeit nur bei 105° kochen liessen, wie wir sofort für die Milch gethan hatten, so wird man in keinem Falle die ge- ringste Trübung noch irgend eine Mucorinee auftreten sehen. Demnach ist es nicht zweifelhaft, dass die Milch sich bei Gegen- wart von geglühter Luft verändert, wenn sie bei 100° gekocht wird. weil sie leicht alkalisch ist, da ein kleiner Zusatz von Kreide zu dem zuckerhaltigen Hefewasser genügt, um ihm die nämlichen Eigenschaften mitzutheilen, Eigenschaften, welche es niemals besitzt, wenn es ohne Zusatz von Kreide gekocht wird. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 55 Aber setzen wir diese Studien fort und sehen wir, was sich bei Gegenwart von geglühter Luft ereignet, wenn man den Staub der Luft in die durch das Kochen bei 100 und einigen Graden intact gebliebene Milch aussäet. Am 7. April 1860 bringe ich in einen Ballon, dessen Milch bei 108° gekocht worden und zwei Monate unverändert ge- blieben war, einen Theil eines Asbestpfropfens, der mit in der Luft suspendirtem Staube beladen war. Am 9. und 10. April erscheint die Milch unversehrt. Aber schon am 11. April Abends umschliesst die Rahmschicht der Oberfläche Gasblasen. Ich schüttle um, um sie zu entfernen, zwei Stunden später sind schon neue Blasen wieder gebildet worden. Am 11. fährt die Gährung fort, sich durch Gasblasen zu erkennen zu geben, aber die Milch ist nicht geronnen. Am 12. derselbe Zustand wie am vorhergehenden Tage. Am 15. April erscheint die Milch, ohne geronnen zu sein, geklärt. Ich öffne den Ballon in der Quecksilberwanne, um seinen Inhalt zu untersuchen. Eine beträchtliche Menge Gas tritt mit Gewalt aus dem Ballon aus; es ist folglich gewiss, dass Gährung stattgefunden hatte. |64] Indessen ist die Flüssigkeit nicht sauer; selbst noch bei rothem Lackmuspapier bleibt ein Verdacht der Alkalinität. Ihr Geruch ist schwach, wenngleich wahrnehmbar und ganz eigenthümlich; es ist der Geruch nach saurer Milch oder genauer der Geruch kleiner Säuglinge, wenn sie schlecht gepflegt werden. Der Geschmack der Milch ist an- fänglich süss, dann macht er bald einem anderen sehr unan- senehmen Geschmacke Platz, der etwas Bitteres und Gepfeffertes hat. Während einiger Augenblicke dem Wasserbade ausgesetzt, serinnt die Milch, indem sie ganz undurchsichtige Molken liefert. Unter dem Mikroskop erblickt man zwischen den Butterkügelchen eine Menge kleiner oft in der Mitte eingeschnürter Körperchen; das ist die längliche Varietät von Bacterium termo, welches unter anderem mit Vibrio lineola von geringer Grösse ge- . mischt war. Alle sind bewegungslos. Andererseits sieht man eine Menge Körperchen von fast doppeltem Durchmesser, welche durch eine Art kugeligen Kopfes an dem einen Ende charakte- zisirt sind. Ihre Zahl ist wenigstens gleich derjenigen der Bacterien und der Vibrionen. Gleich diesen sind sie scheinbar bewegungslos. Folgendes ist die Analyse des Gases: 56 L. Pasteur. Sauerstoff . neo 2,3 Kohlensäure 2 1.2 MIET Wasserstoff . . oe EREREE Stickstoff aus der Diesrene a 100,0 Ich habe dies Experiment zu verschiedenen Malen mit Milch oder mit zuckerhaltigem Hefewasser wiederholt, dem kohlen- saurer Kalk beigemischt war; es hat immer analoge Ergebnisse geliefert, d. h. es ist mir niemals passirt, dass ich den Staub der Luft in Flüssigkeiten ausgesäet hätte, welche durch das oben angegebene Mittel unversehrt geblieben waren, ohne dass ich nicht nach wenigen Tagen theils verschiedene Mucor oder Muce- dineen, theils Infusorien auftreten gesehen hätte. Daraus er- giebt sich, dass, wenn die bei 100 und einigen Graden gekochte Milch bei Berührung mit geglühter Luft sich weder verändert noch gerinnt, [65] dies nicht in einem Verlust der Fähigkeit dazu seinen Grund hat, da es genügt, in dieselbe aus gewöhnlicher Luft gesammelten Staub hineinzubringen,, um in ihr organisirte Gebilde derselben Art entstehen zu sehen, wie sie frische Milch nach einigen Tagen aufweist, wenn man sie gewöhnlicher Luft aussetzt. Wenn sie fault und bei Berührung mit geglühter Luft Infusorien darbietet, falls sie nur bei 100° gekocht worden war, so ist es folglich klar, dass die Keime dieser Infusorien einer Temperatur von 100° während einiger Minuten widerstehen. Das folgende Experiment wird vollends einen directen Beweis dafür liefern. Ein Ballon mit Milch ist seit zwei Monaten bei Gegenwart von geglühter Luft unversehrt geblieben. Ich bringe Staub der Luft in denselben hinein, indem ich die in Fig. 12 angegebene und in Kapitel IV beschriebene Methode befolge. Ich schliesse sofort den Ballon vor der Lampe und stelle ihn vollständig in einen mit in lebhaftem Kochen befindlichem Wasser gefüllten Kessel. Dort liess ich ihn fünf Minuten, darauf nahm ich ihn heraus, um ihn in den Wärmschrank zu stellen: das geschah am 24. Juli 1860. Am 30. Juli beginnt die Milch, sichtlich zu gerinnen, und ist am 31. vollständig geronnen. Darauf öffne ich den Ballon, um die Flüssigkeit unter dem Mikroskop zu prüfen; ich entdecke darin eine Menge Bacterien und sehr be- weglicher Vibrionen. Wie die Probe mit rothem Lackmuspapier ergiebt, haben die Molken ihre frühere Alkalinität a bewahrt. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 57 Ich würde gerne untersucht haben, welches der wahre Ur- sprung der Keime der Vibrionen ist, die in bei 100° gekochter und darauf geglühter Luft ausgesetzter Milch erscheinen. Sind diese Keime in der natürlichen Milch vorhanden? Es ist nicht unmöglich. Indessen bin ich mehr geneigt zu glauben, dass sie einfach dem Staub angehören, welcher während und nach dem Melken in die Milch fällt oder welcher sich stets in dem zur Auf- nahme der Milch benutzten Gefässe vorfindet. Ich stiess auf Schwierigkeiten, welche ich noch nicht überwunden habe, als ich in meine Ballons bei Gegenwart von geglühter Luft natür- liche Milch einlassen wollte, die mit gewöhnlicher Luft keine Berührung gehabt hatte. Besser konnte ich das Experiment mit Urin ausführen, und ich nahm wahr, dass diese Flüssigkeit bei Berührung mit geglühter Luft vollständig unverändert blieb, [66] obgleich sie keine Erhöhung der Temperatur erlitten hatte. Niehtsdestoweniger habe ich mir vorgenommen, diese Versuche zu wiederholen und mit ganz besonderer Sorgfalt zu verfolgen. Jedermann wird ihre hohe Bedeutung einsehen. Kapitel VI. Eine andere sehr einfache Methode, um zu zeigen, dass alle organisirten Gebilde der Aufgüsse, welche vorher erhitzt wurden, ihr Entstehen den Körperchen verdanken, welche in der atmosphärischen Luft suspendirt sind. Ich glaube, in den vorhergehenden Kapiteln strenge gezeigt zu haben, dass alle organisirten Gebilde der Aufgüsse, welche vorher erhitzt wurden, nur aus den festen Theilchen stammen, welche die Luft stets mit sich führt und auf allen Gegenständen beständig absetzt. Wenn in dieser Hinsicht im Geiste des Lesers noch der geringste Zweifel bleiben könnte, so würde der- selbe durch die Versuche, von denen ich im Begriffe bin zu sprechen, gehoben werden. Ich bringe in einen Glasballon eine der folgenden Flüssig- keiten, welche bei Berührung mit gewöhnlicher Luft alle sehr veränderlich sind: Wasser der Bierhefe, zuckerhaltiges Wasser der Bierhefe, Urin, Rübensaft und Pfefferwasser; dann ziehe ich vor der Lampe den Hals des Ballons aus, um ihm verschiedene Krümmungen zu geben, wie die Figuren 25, Tafel I, zeigen. Darauf koche ich ihn ohne weitere Vorsichtsmaassregel 53 L. Pasteur. während einiger Minuten, bis der Wasserdampf aus dem Ende des ausgezogenen und offen gebliebenen Halses reichlich aus- strömt. Dann lasse ich den Ballon erkalten. Sonderbarer Weise bleibt, zum Erstaunen für jeden, welcher an die Empfind- lichkeit der auf die Urzeugung bezüglichen Experimente ge- wöhnt ist, die Flüssigkeit dieses Ballons unendlich lange unver- ändert. Man kann ihn ohne irgend welche Furcht anfassen, ihn von einem Ort zum andern tragen, ihn alle Schwankungen der Temperatur der Jahreszeiten erleiden lassen; [67] seine Flüssig- keit erfährt nicht die geringste Veränderung und bewahrt ihren Geschmack und Geruch; es ist eine ausgezeichnete Con- serve. Sie erleidet in ihrer Beschaffenheit keine andere Ver- änderung als diejenige, welche in gewissen Fällen eine direete rein chemische Oxydation des Stoffes herbeiführt. Aus den Analysen, welche ich in dieser Abhandlung mitgetheilt habe, sahen wir jedoch, wie beschränkt jedesmal diese Wirkung des Sauerstoffs ist, wenn in den Flüssigkeiten keine Ent- wicklung organisirter Gebilde Platz greift*). Es scheint, dass die gewöhnliche Luft, indem sie in den ersten Augenblicken mit Gewalt eindrinst, ganz roh in dem Ballon eintreffen müsste. Das ist wahr, aber sie trifft zusammen mit einer nahe der Kochtemperatur befindlichen Flüssigkeit. Der Eintritt der Luft vollzieht sich darauf mit grösserer Lang- samkeit, und wenn die Flüssigkeit kalt genug geworden ist, um den Keimen ihre Lebensfähigkeit nicht mehr nehmen zu können, ist das Eindringen der Luft verlangsamt genug, sodass sie in den feuchten Krümmungen des Halses allen Staub zurücklässt, der auf den Aufguss wirken und in ihm organisirte Bildungen bedingen könnte. Wenigstens erblicke ich keine andere mög- liche Erklärung für diese sonderbaren Experimente. Wenn man *) In späteren Arbeiten werde ich die Wichtigkeit dieser letzten Bemerkung nachweisen. Ich werde zeigen, dass viele niedere Wesen die Fähigkeit besitzen, den Sauerstoff der Luft in beträchtlicher Menge auf zusammengesetzte organische Stoffe zu übertragen, und dass dies eins der Mittelist, dessen sich die Natur bedient, um die Bestandtheile der organischen Stoffe, welche unter dem Einfluss des Lebens bereitet worden sind, in Wasser, Kohlensäure, Kohlenoxyd, Stickstoff, Salpetersäure und Ammoniak zu verwandeln. Zum Beispiel kann man mit Hülfe von Mycoderma ungeheuere Mengen Alkohol oder Essigsäure zu Wasser und Kohlensäure redu- eiren, und durch die relativ schwache Entwicklung irgend einer Muce- dinee ein gutes Pfund Zucker, Weinsäure, Citronensäure, Eiweiss- Bintletiay:.: verbrennen. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 59 nach einem Aufenthalt von einem oder mehreren Monaten im Wärmschrank den Hals des Ballons durch einen Feilstrich öffnet, ohne im Uebrigen den Ballon zu berühren (Fig.26, Tafel ]), so fangen die Schimmelpilze und die Infusorien an, sich nach vier und zwanzig, sechs und dreissig oder acht und vierzig Stunden zu zeigen, vollständig wie gewöhnlich, oder wie wenn man den Staub der Luft nach der Methode aus Fig. 12 in den Ballon gesäet hätte. [68] Dieselben Versuche können mit Milch wiederholt werden, vorausgesetzt, dass man die Vorsicht braucht, das Kochen unter Druck bei der Temperatur 100 und einige Grade mit dem Apparat Fig. 10 und Fig. 10 dis (Tafel I) auszuführen und den Ballon sich abkühlen zu lassen, während geglühte Luft in ihn eindringt. Dann kann man den offenen Ballon sich selbst überlassen. Die Milch erhält sich unverändert. Ich habe so zubereitete Milch mehrere Monate im Wärmschrank bei 25 bis 30° stehen lassen können, ohne dass sie sich ändert. Man beob- achtet nur ein leichtes Dickerwerden des Rahms Dank einer direecten chemischen Oxydation. Ich kenne nichts Beweisenderes als diese Experimente, welche so leicht zu wiederholen sind, und welche man auf tausend Weisen verändern kann. Anfänglich glaubte ich, dass es unerlässlich wäre, entweder seglühte Luft einmal während der Abkühlung der Flüssigkeit des Ballons eindringen zu lassen, oder den Ballon beständig bei derselben Temperatur zu halten, damit die aussen befindliche gewöhnliche Luft sozusagen in den Ballon nur durch langsame Diffusion gelangen kann; doch habe ich hernach erkannt, dass alle diese Vorsichtsmaassregeln übertrieben waren. Bei Tempe- raturwechsel macht sich die Bewegung der Luft nur im Hals mit einiger Intensität fühlbar, und bloss dort kann ein Absatz der Keime statthaben, welche die Luft mit sich führt. Nur durch ein sehr stürmisches Umschütteln der Flüssigkeit erreicht man es, in ihr Bildung von Organismen hervorzurufen. Ein anderes Mittel, mit dem es am häufigsten gelingt, das Auftreten dieser Bildungen zu veranlassen, besteht darin, das ausgezogene Ende des Ballons unmittelbar nach oder besser während des Kochens zu verschliessen. Der leere Raum entsteht darauf durch die Condensation des Wasserdampfes. Alsdann öffnet man das ver- schlossene Ende des abwärts gebogenen Halses, die äussere Luft dringt mit Gewalt ein, indem sie alle ihre Staubtheile bis zur Berührung mit der Flüssigkeit mit sich reisst. In diesem Falle 60 L. Pasteur. giebt sich eine Veränderung der Flüssigkeit sehr häufig nach einigen Tagen kund. [69] Ich muss hinzufügen, dass ich augenblicklich in meinem Laboratorium mehrere sehr veränderliche Flüssigkeiten habe, welche seit achtzehn Monaten in offenen Gefässen mit gebogenem und geneistem Halse aufbewahrt werden, namentlich mehrere derjenigen, welche der Akademie der Wissenschaften in der Sitzung vom 6. Februar 1560 vorgelegt wurden, als ich die Ehre hatte, sie mit diesen neuen Ergebnissen bekannt zu machen. Das grosse Interesse dieser Methode liegt darin, dass sie vollends einwandsfrei beweist, dass der Ursprung des Lebens in den dem Kochen unterworfenen Aufgüssen ausschliesslich den in der Luft suspendirten festen Theilchen zu verdanken ist. Gas, verschiedene Flüssigkeiten, Electrieität, Magnetismus, Ozon, bekannte oder verborgene Dinge, schlechterdings nichts ist in der atmosphärischen Luft vorhanden, was ausser ihren festen Theilchen entweder die Bedingung für die Fäulniss oder für die Gährung der von uns untersuchten Flüssigkeiten wäre. Dr. Schwann und diejenigen, welche seine Experimente wiederholt oder verändert haben, wie ich es oben mitgetheilt habe, stellten fest, dass nicht der Sauerstoff oder wenigstens nicht der Sauerstoff allein die Bedingung für das Leben in den Auf- güssen ist, sondern etwas, ein unbekanntes Prineip, welches von der Wärme (Schwann), von der Baumwolle (Schröder und Dusch) und von energisch wirkenden chemischen Reagentien zerstört wird (Schultze). Hier machte die Erfahrung halt. Diese Un- sicherheiten und diese Bedenklichkeiten, deren Spuren wir in der Abhandlung von Schwann und besonders in den Arbeiten von Schröder antreffen, rechtfertigten theils die Hypothese von den ausgesäeten Keimen, theils die Hypothese von dem Vorhanden- sein eines chemischen oder physikalischen Prineips in der Luft, einer Schlussfolgerung, bei welcher Schröder stehen blieb. Bei Untersuchungen dieser Art, in denen der Geist ohne sein Vorwissen durch das undurehdringliche Geheimniss über den Ursprung des Lebens auf der Oberfläche des Erdballs beherrscht wird, glaube ich nicht, dass Hypothesen vorhanden sein könn- ten, so seltsam sie auch sein mögen, welche keinen Glauben fänden. Sie zu beseitigen, kann nur durch wohl untersuchte und strenge bewiesene Thatsachen gelingen. [70] »Man muss«, wie die Commission für den von der Akademie ausgesetzten Preis ebenso zutreffend wie autoritativ bemerkt, »genaue und be- weisende Versuche anstellen, welche gleichfalls in allen Be- Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 61 ziehungen zu studiren sind, mit einem Wort solche Versuche, dass aus ihnen irgend ein Resultat abgeleitet werden kann, das frei ist von jeder aus den Versuchen selbst entspringenden Ver- WITTUNg. « Ich habe mich bemüht, diese Eigenschaft meinen Versuchen beizulegen. Wenn ich mich nicht täusche, beweist das, was ich in den vorhergehenden Kapiteln mitgetheilt habe, wirklich, was sie beanspruchen zu beweisen, und was sich in den beiden fol- senden Thesen zusammenfassen lässt: 1. In der Luft sind beständig organisirte Körperchen vor- handen, welche man nicht von den wirklichen Keimen der Organismen aus den Aufgüssen unterscheiden kann. 2. Wenn man die Körperchen und die amorphen Brocken, welche ihnen beigemischt sind, in gekochte Flüssigkeiten aussäet, welche in vorher geglühter Luft unverändert bleiben würden, wenn man diese Aussaat nicht vornähme, sieht man in diesen Flüssigkeiten genau dieselben Wesen auftreten, wie sie sich bei Zutritt von frischer Luft ent- wickeln *). Wird, dies vorausgesetzt, ein Anhänger der Urzeugung fort- fahren, seine Anschauung sogar gegenüber dieser zwiefachen Behauptung aufrecht zu erhalten? Er kann es noch; alsdann würde aber sein Raisonnement nothwendigerweise folgendes sein, worüber ich den Leser selbst urtheilen lasse. [71] »In der Luft sind,« wird er sagen, »feste Theilchen wie kohlensaurer Kalk, Kiesel, Russ, Fäserchen von Wolle und Baum- wolle, Stärkemehl ....... vorhanden, nebenbei organisirte Körperchen von vollkommener Aehnlichkeit mit den Sporen der Mucedineen oder mit den Eiern der Infusorien. Nun wohl, ich *) Der Leser wird die Beflissenheit bemerken, mit welcher ich immer darauf hingewiesen habe, dass es sich in meinen Versuchen um Aufgüsse handelt, welche dem Kochen unterworfen worden waren. Ich hoffe, bald die Wirkung der geglühten Luft auf die rohen Säfte des thierischen Organismus wie Blut, Milch und Urin oder auf die rohen Säfte der Pflanzen erforschen zu können. Man weiss, dass die meisten der löslichen oder unlöslichen Substanzen, welche die Thiere und Pflanzen bereiten, gewisse besondere Eigenschaften be- sitzen, welche sie unter dem Einfluss einer mehr oder weniger hohen Temperatur verlieren. Greifen diese Stoffe, unter deren Zahl sich Producte von der Art des Pepsins, der Diastase befinden, nicht in die Entwicklung oder in die morphologischen Veränderungen der niederen Wesen ein? Das ist eine Frage, deren Prüfung mir nützlich erscheint, und welcher ich nächstens näher treten werde. 62 L. Pasteur. ziehe es vor, den Ursprung der Mucedineen und Infusorien viel- mehr in die ersteren, amorphen Körperchen, als in die letzteren hineinzuverlegen. « Meiner Meinung nach ergiebt sich die Inconsequenz eines solehen Raisonnements von selbst. Der ganze Fortschritt meiner Untersuchungen besteht darin, die Anhänger von der Lehre der heterogenen Zeugung in die Enge getrieben zu haben. Kapitel VII. Es ist nicht genau, dass die geringste Menge gewöhn- licher Luft genügt, um in einem Aufguss die Entstehung von Organismen, welche diesem Aufguss eigen sind, hervorzurufen. — Versuche mit Luft von verschiedenen Localitäten. — Die Nachtheile bei der Benutzung der Quecksilberwanne in den Experimenten, welche sich auf die sogenannte Urzeugung beziehen. Bereits in dem historischen Theil dieser Abhandlung habe ich den Einfluss angedeutet, welchen auf den uns hier beschäf- tisenden Gegenstand eine berühmte Arbeit Gay-Lussac’s be- züglich der Luft der Appertschen Conserven und der Inter- pretation, welche der berühmte Physiker aus seinen Versuchen abgeleitet hatte, gehabt hat. Folgendes sind seine eigenen Worte: »Man kann sich davon überzeugen, indem man die Luft der Flaschen, in welchen die Substanzen wohl verwahrt ge- wesen waren, analysirt, dass sie keinen Sauerstoff mehr enthält, und dass die Abwesenheit dieses Gases folglich eine nothwendige Bedingung für die Erhaltung der thierischen und pflanzlichen Stoffe ist. « Dass die Luft der von Gay-Lussaec untersuchten Conserven des Sauerstofis beraubt war, unterliegt keinem Zweifel. Nie- mand wird wagen, die Genauigkeit einer von Gay-Lussac aus- geführten Analyse zu verdächtigen. [72] Indessen ist es heute nicht zweifelhaft, obwohl meines Wissens nach niemand diese Versuche Gay-Lussac’s im Zusammenhange wiederholt hat, dass die Appertschen Conserven Sauerstoff enthalten können, besonders wenn sie frisch bereitet sind. Aus den von mir auf Seite 30 [36], 45 [53], 53 [61] mitgetheilten Luftanalysen er- giebt sich, dass der nach der Schwann’schen Methode durch die Wärme unwirksam gemachte Sauerstoff der Luft sich direet mit Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 63 den organischen Stoffen verbindet und Kohlensäure daraus ent- wickelt, doch verläuft dieser Vorgang sehr langsam. Nichts- destoweniger ist die directe Oxydation eine nicht zu leugnende Thatsache. Diese Oxydation kann bei den Appert’schen Con- serven in dem Augenblick, wo man sie herstellt, wegen der Temperaturerhöhung viel merklicher sein. In allen Fällen wird der. Sauerstoff, wenn die Herstellung etwas von ihm darin gelassen hat, nach und nach durch die Wirkung dieser direeten Oxydation, von welcher ich soeben gesprochen habe, verschwinden. Ein Umstand muss viel dazu beitragen, die in den Apper?schen Conserven verbleibende Menge Sauerstoff sehr gering oder gleich Null zu machen: das Verhältniss der Volu- mina der Luft und der organischen Substanz. Sie enthalten immer wenig Luft und viel Substanz, ein sehr günstiger Um- stand, damit der Vorgang der Oxydation sich vollziehe. Doch wiederhole ich, dass nichts leichter sein würde, als Conserven zu bereiten, indem man ihnen Sauerstoff lässt, und es ist Grund vorhanden zu glauben, dass sie ihn oft enthalten. Schwann’s Experiment lässt in dieser Hinsicht keinen Zweifel. Das ist der Grund, warum die von Gay-Lussac den Resul- taten seiner Analysen gegebene Auslegung, nämlich dass die Abwesenheit des Sauerstoffs eine Bedingung für die Haltbarkeit ist, durchaus irrthümlich ist. Niemand konnte zwischen der Wahrheit der von Gay- Lussac beobachteten Thatsachen und der Irrthümlichkeit seiner Auslegung unter- scheiden. Dr. Schwann muss mit Recht als der Schöpfer der wirklichen Theorie des Appert'schen Verfahrens betrachtet werden. Die Appert’schen Conserven bleiben bei Gegenwart von geglühter Luft erhalten: das ist seine Entdeckung. Das Geheimniss ihrer Conservirung liegt demnach in der Zerstörung eines Principes, welches gewöhnliche Luft enthält, durch Wärme, und nicht in der Abwesenheit des Sauerstoffs*). [73] Aber eine *) Obgleich die Thatsache, dass Sauerstoff gegenwärtig ist, nicht in die Erklärung des Verfahrens einzugreifen hat, so darf man daraus nicht schliessen, dass man ohne Gefahr in der Praxis viel Luft in die Conserven eindringen lassen dürfte. Denn wenn die Wärme nicht alle Keime von Infusorien und Mucedineen, welche von der Luft oder von den Substanzen mitgebracht werden, vernichtet, so könnten sich diese noch fruchtbaren Keime entwickeln, wenn Sauerstoff vorhanden ist, während sie sich, wenn dies Gas fehlt, nicht mehr entwickeln würden, als wenn sie wirklich des Lebens beraubt wären. Was jedoch, wie ich denke, am meisten zu fürchten ist und besonders in den Fällen, in welchen wenig Sauerstoff vorhanden ist, sind die Keime I i 64 L. Pasteur. Erweiterung haben die Versuche Gay- Lussac’s aufzuweisen, welcher Schwann’s Entdeckung keinen Eintrag gethan hat, welche zu bestätigen sie vielmehr gedient haben würde, eine Erweiterung, welche die Gegner der Lehre von der Urzeugung niemals bestritten haben, und auf welche die Anhänger dieser Lehre mit Recht einen ihrer wichtigsten Einwände stützen, nämlich, dass die geringste Menge gewöhnlicher Luft, welche mit einem Aufguss in Berührung gebracht, in demselben nach kurzer Zeit die Entstehung der Mucedineen und Infusorien, welche diesem Aufguss gewöhnlich eigen sind, bedingt. Diese Art und Weise zu sehen wurde stets wenigstens mittel- bar von der Gewohnheit unterstützt, welcher die Beobachter fröhnten — und was sie für unerlässlich hielten — in den Experi- menten mit unendlicher Sorgfalt den Zutritt gewöhnlicher Luft auszuschliessen. Wir sahen, dass sie bald empfehlen, die ge- wöhnliche Luft zu glühen, bald dieselbe der Einwirkung energisch wirkender chemischer Reagentien zu unterwerfen; oft bringen sie vorher die Luft in allen Theilen mit Wasserdampf von 100° in Berührung (Experiment von Spallanzani); endlich operiren sie zu anderen Malen mit künstlicher Luft, und wenn es unter einer dieser verschiedenen Bedingungen passirt, dass das Ex- periment zur Bildung von Organismen Veranlassung giebt, [74] so zögern sie nicht mit der Versicherung, dass der Versuchs- ansteller es nicht verstanden hat, den verborgenen Einfluss einer kleinen Menge gewöhnlicher Luft, wie klein sie auch sein mag, vollständig auszuschliessen. Seitdem bemühen sich die Anhänger der Urzeugung mit Recht, darauf aufmerksam zu machen, dass, wenn die geringste Menge gewöhnlicher Luft in irgend einem Aufguss Organismen entwickelt, nothwendigerweise in dem Fall, wo diese Organismen nicht spontan entstanden sind, Keime einer Menge verschiedener Gebilde vorhanden sein müssen, und dass, wenn die Dinge schliesslich so liegen, die gewöhnliche Luft gemäss der Aus- drucksweise Pouchet’s von organischer Materie überfüllt sein müsste: diese müsste in ihr einen dichten Nebel bilden. | der pflanzlichen oder thierischen Fermente, welche der Luft zum Leben nicht bedürfen, und deren Keime nothwendig durch die Wärme getödtet werden müssen. Ich bin überzeugt, dass da die von den Fabrikanten am meisten zu fürchtende Gefahr liegt, und ich bin ge- neigt zu glauben, dass sich z. B. die Buttersäure liefernden Aufguss- thierchen, welche ich kürzlich kennen gelernt habe, in gewissen schlecht bereiteten Conserven entwickeln. sh Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 65 Diese Schlussfolgerung ist gewiss sehr verständig. Sie würde es noch mehr sein , wenn es sicher feststände, dass die niederen Arten, welche als sehr distinete erscheinen , es wirk- lich sind und folglich aus verschiedenen Keimen herrühren. Wahrscheinlich ist das, erwiesen aber nicht. Hier ist also eine dem Anschein nach sehr begründete ernste Schwierigkeit vorhanden. Aber ist sie nicht die Frucht von Uebertreibungen und von mehr oder weniger irrthümlichen That- sachen? Ist es wahr, wie man annimmt, dass eine dauernde Ursache für das Auftreten der sogenannten spontan entstan- denen Generationen in der irdischen Atmosphäre vorhanden ist? Ist es wohl sicher, dass die kleinste Menge gewöhnlicher Luft genügt, in irgend einem Aufguss organische Gebilde zu ent- wickeln? Die folgenden Versuche beantworten alle diese Fragen. In eine Reihe von Ballons von 250 Cubikcentimeter bringe ich die nämliche fäulnissfähige Flüssigkeit (eiweisshaltiges aus der Bierhefe herstammendes Wasser; dasselbe zuckerhaltig; Urin u.s.w.), so dass sie ungefähr den dritten Theil des ganzen Volumens einnimmt. Ich ziehe den Hals in der Flamme aus, dann lasse ich die Flüssigkeit kochen und schliesse das aus- sezogene Ende während des Kochens. Der leere Raum ist in den Ballons hergestellt; alsdann breche ichiihre Spitzen an einer bestimmten Stelle ab. |75] Die gewöhnliche Luft stürzt in die Ballons mit Gewalt hinein, indem sie allen Staub, den sie suspen- dirt enthält, und alle bekannten oder unbekannten Principien, welche ihm beigemischt sind, mit sich reisst. Unmittelbar darauf schliesse ich die Ballons vor der Flamme und bringe sie in einen Wärmschrank von 25 bis 30°, d. h. in die besten Temperatur- bedingungen für die Entwicklung der Aufgussthierchen und der Mucorineen. Folgendes sind die Ergebnisse dieser Versuche, welche in Widerspruch stehen mit den allgemein anerkannten Prineipien, welche aber im Gegentheil mit der Vorstellung einer Aussaat der Keime übereinstimmt. Am häufigsten ändert sich die Flüssigkeit in sehr wenigen Tagen und man sieht in den Ballons, obgleich sie unter einerlei Bedingungen zubringen, die mannisfaltigsten Wesen auftreten, sehr viel mannigfaltiger, besonders was die Mucedineen und Torulaceen anbelangt, als wenn die Flüssigkeiten frei der ge- wöhnlichen Luft ausgesetzt gewesen wären. Andererseits aber ereignet es sich häufig — mehrere Male in jeder Versuchsreihe —, Ostwald’s Klassiker. 39. 5 Ei 66 L. Pasteur. dass die Flüssigkeit vollständig unversehrt bleibt, welches auch immer die Expositionsdauer im Wärmschrank gewesen sein mochte, gleich, als wenn sie geglühte Luft erhalten hätte. Diese Art der Versuchsanstellung scheint mir ebenso ein- fach wie einwurfsfrei zu sein, um zu zeigen, dass die umgebende Luft bei Weitem nicht fortlaufend die Ursache der sogenannten Urzeugung darstellt, und dass es immer möglich ist, von einem segebenen Ort in einem gegebenen Augenblick ein beträchtliches Volumen gewöhnlicher Luft wegzunehmen, welche keinerlei weder physikalische noch chemische Veränderung erlitten hat und nichts desto weniger vollständig ungeeignet ist, in einer Flüssigkeit, welche sich sehr schnell und beharrlich bei freier Berührung mit Luft ändert, Infusorien oder Mucedineen hervor- zurufen. Ueberdies sagt uns der theilweise Erfolg dieser Experi- mente deutlich genug, dass durch die Wirkung der Luftbewegung an der Oberfläche einer Flüssigkeit, welche kochend in ein be- decktes Gefäss gegossen wird, eine genügende Menge Luft vorbeistreicht, damit jene aus ihr die geeigneten Keime erhalte, um sie in dem Zeitraum von zwei bis drei Tagen zu entwickeln. [76] Ich habe behauptet, dass die Gebilde mannigfaltiger in den Ballons sind, als wenn die Berührung mit Luft unbeschränkt gewesen wäre. Nichts natürlicher; denn indem man die Ent- nahme von Luft beschränkt, und indem man sie häufig wieder- holt, ergreift man sozusagen die Keime der Luft in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit, in welcher sie sich dort finden. Die Keime, welche in geringer Zahl in einem begrenzten Luftvolumen vor- handen sind, werden in ihrer Entwicklung nicht durch zahl- reichere Keime oder durch Keime vorzeitigerer Fruchtbarkeit, welche fähig sind, das Gebiet zu befallen, indem sie dort Raum nur für sich selbst übrig lassen, gestört. So zeigt sich nur Peni- cillium glaucum, dessen Sporen lebenskräftig und sehr ver- breitet sind, nach Verlauf von wenig Tagen in den nickt ein- geschlossenen Flüssigkeiten, welche dahingegen sehr verschiedene Gebilde aufweisen, wenn man sie der Einwirkung begrenzter Luftquantitäten unterwirft. Endlich ist es sehr interessant, die Unterschiede anzugeben, welche man je nach den atmosphärischen Bedingungen in der Zahl der negativen Ergebnisse dieser Versuche beobachtet. Hierin finden wir ausserdem noch eine treffende Bestätigung der von mir vertheidigten Ansicht. Nichts leichter in der That als bald die Zahl der Ballons, welche sich ändern, bald die Zahl der Ballons, welehe unversehrt Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 67 bleiben, zu erhöhen oder zu vermindern. Das wird aus den Einzelheiten hervorgehen, in die ich mich jetzt vertiefe. A. Vorläufige Versuche, welche geeignet sind, den Mangel an beständiger Ursache für sogenannte Urzeugung klar zu machen. Auf einer Terrasse in freier Luft, einige Meter über dem Boden, öffne ich zwei Ballons, von denen der eine Hefewasser, der andere dieselbe Flüssigkeit mit Zucker bis zu -!, enthielt, und verschliesse sie bald darauf wieder. [77] Dies geschah einige Augenblicke nach einem leichten Regen von sehr kurzer Dauer. Am 1. Juni keine Spur von organisirten Gebilden vorhanden. Am 2. ein sehr kleiner Schimmelrasen in dem einen deı Ballons, in dem mit dem zuckerhaltigen Hefewasser. | Am 8. weist der zweite Ballon gleichfalls einen kleinen Schimmelrasen auf. Die beiden Flüssigkeiten sind vollkommen klar und bleiben es während des Wachsthums des Myceliums *). Am 28. Mai 1360 öffne ich vier Ballons auf derselben Ter- rasse nach einem heftigen Regenguss mit sehr grossen Tropfen und schliesse sie wieder. Am 4. Juni keine Spur einer Bildung. *, Ich deute hier eine lehrreiche Thatsache an, welche mir mit den allgemeinen Ergebnissen dieser Arbeit in guter Harmonie zu stehen scheint. Versetzt man sich in die Einzelheiten der Experi- mente aus den Kapiteln IV und folgende zurück, so wird man wahr- nehmen, dass es sich niemals ereignete, dass die organisirten Gebilde, wenn man Pfropfen von Baumwolle oder Asbest, die mit dem Staub eines grossen Volumens Luft beladen waren, in verschiedene Auf- süsse aussäet, sich in ihnen nicht vor dem folgenden oder nächst- folgenden Tage zeigten. Aus den Experimenten des vorliegenden Kapitels hingegen erkennt man, dass das Leben zuweilen eine be- trächtliche Zeit bedarf, um hervorzutreten, acht, zwölf, fünfzehn Tage. Das ist leicht zu begreifen. Im ersten Fall sind so viel aus- gesäte Keime vorhanden, dass stets einige vorhanden sind, welche fast ebenso zeitig keimen, wie die gesündesten dieser Art Gebilde. Im zweiten Fall, in welchem man kurz die Keime eines sehr beschränkten Luftvolumens aussäet, muss es zuweilen vorkommen, dass diejenigen, welche in den Ballon eindringen, sich in schlechtem Zustande befinden, und dass ihre Entwicklung schwierig geworden ist durch alle die Ursachen, welche eine Verschlechterung be- dingen und denen sie in der Atmosphäre ausgesetzt gewesen sein mussten. 5* er m 68 L. Pasteur. Am 5. ein kleiner Schimmelrasen in dem einen der Ballons. Sehr klare Flüssigkeit. Am 6. ein zweiter Schimmelrasen in einem zweiten Ballon. Flüssigkeit sehr klar. Die beiden anderen Ballons sind unversehrt und sehr klar geblieben. Derselbe Zustand im Jahre 1861. Am 20. Juli 1860 öffne ich sechs Hefewasser enthaltende Ballons in einem Zimmer meines Laboratoriums und schliesse sie wieder. [78] Noch heute (April 1861) ist die Flüssigkeit aus vier dieser Ballons vollkommen klar ohne die geringste Spur von organisirten Gebilden. Die beiden anderen haben unver- züglich am 22. Juli und 1. August Gebilde geliefert: in dem einen Infusorien und Torulaceen, in dem andern ein Mycelium in der Gestalt einer seidenglänzenden Kugel. Am 30. Juni öffnete ich eine grosse Zahl von Ballons, welche nicht gezuckertes Hefewasser enthielten, um unter dem Mikro- skop die in denselben entstandenen Gebilde zu studiren, damit ich eine Vorstellung von der Mannigfaltigkeit erhalten möchte, in welcher sie auftreten. In Fig. 28 (Tafel) A, DB, €, D, E,F,@G, H,K, L, M, habe ich eine Zahl meiner Zeich- nungen reproducitt. A. Bacterien von 0,0006 mm Durchmesser und von 0,005mm srösster Länge *). :*) Diese Baeterien — vielleicht untermischt mit sehr kleinen Vibrionen — traten am 2. Juli in dem Ballon ohne irgend welche an- dere Gebilde auf. Am 4. Juli analysirte ich die Luft des Ballons in dem Augenblicke, wo die Untersuchung der trüben Flüssigkeit mir gezeigt hatte, dass sie von diesen kleinen sehr hinfälligen Infusorien erfüllt war. Nun enthielt die Luft: Sanerstoiitur An ker as Keohlensätmetarar: sa Be = 1203 Wassesstolkas, tm]. DIE 0,0 Stickstoff aus der Differenz . . . . 814 100,0. Diese Analyse zeigt uns, wie gross das Verhältniss des Sauer- stoffs ist, welches von diesen sehr kleinen Infusorien absorbirt undiin Kohlensäure verwandelt worden ist. Ihr Auftreten begann am 2. Juli, indem sie sich wie gewöhnlich durch eine leichte Trübung der Flüssigkeit ankündigten. Am 3. und 4. Juli dauerte ihre Vermehrung fort und nach ungefähr 48 Stunden hatten sie sich schon ein be- trächtliches Volumen Sauerstoff nutzbar gemacht. Der Ballon enthielt SO Cubikcentimeter Flüssigkeit, 160 Cubik- centimeter Luft. Es war unmöglich, die Bacterien auf einem Filter zu sammeln Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 69 [79] B. Torulacee in sehr kleinen vollkommen sphärischen Kügelehen von 0,0015 mm Durchmesser, die zu kleinen Rosen- kränzen vereinist sind. ©. Mucor und Vibrionen. D. Torulacee, deren Zellen einen Durchmesser von 0,004 bis 0,007 mm haben. Sie ist ziemlich häufig, was zu erwähnen ich bereits Gelegenheit hatte. E. Mycoderma gleich derjenigen des Bieres, des Weines u.s. w., in Gliedern von allen Dimensionen und mehr oder weniger verzweigt. F. Infusorien von unendlicher Kleinheit. Die kleinste der Monaden bewegt sich mit ausserordentlicher Behendigkeit. Es sind kaum wahrnehmbare Punkte. G. Torulacee in schönen sprossenden Kügelchen, die im Innern etwas körnig sind, und deren Durchmesser zwischen 0,006 und 0,009 mm schwankt. Sie gleicht der Bierhefe voll- kommen, sie gleicht gleichfalls sehr der Torulacee ), aber sie ist ein wenig dicker und körniger*). und ihr Gewicht zu bestimmen, weil sie durch die Poren des Filters hindurch gehen; aber dies Gewicht muss im trocknen Zustande sehr gering sein, kann höchstens einige Milligramm betragen. Folglich war das Gewicht des Sauerstoffs, welcher durch das Leben dieser kleinen Wesen in Kohlensäure verwandelt worden war, hier dem Ge- sammtgewicht ihrer Substanz überlegen. Es könnte möglich sein, dass dies nicht eine Wirkung der reinen Athmung ist. In dieser Hinsicht vergleiche man die Bemerkung auf Seite 58 [67]. *, Von allen niederen organisirten Gebilden ist die Bierhefe die- jenige, welche am häufigsten der Gegenstand des Streites zwischen den Anhängern und den Gegnern der Lehre von der Urzeugung ge- wesen ist. Ihr so schnelles und leichtes Auftreten in gewissen gähr- fähigen Flüssigkeiten ist von den Heterogenisten immer als eins ihrer Lieblingsargumente angerufen worden. Sicher ist, dass der Ursprung dieser Pflanze einen sehr interessanten und in Dunkel gehüllten Gegenstand dem Studium darbietet. Einige deutsche Botaniker, unter Anderem Barl, haben sich be- müht, die Schwierigkeit zu beseitigen, indem sie zu beweisen suchen, wie es bereits in Frankreich Turpin versucht hatte, dass die Bier- hefe nur eine Sporenform der gewöhnlichen Mucedineen wie Peni- eillium glaucum, Ascophoraelegans..... sei. Diese Behauptung ist neuerdings wieder von Hoffmann, Pouchet und Joly vorgebracht worden, welche sie mit ihren Lieblingsideen in Einklang setzten. (Bail, Flora 1857, Hofmann, Botanische Zeitung, Februar 1860; Pouchet, Joly und Musset, Comptes rendus de ’Academie 1861). Ich hoffe, allernächstens eine Zusammenfassung meiner Beobach- tungen über diesen Gegenstand zu veröffentlichen. 7 wr, 2 u B ; "Te 70 L. Pasteur. FI. Torulacee in klebrigen Körnchen, welche sich fest an die Wände desBallons anhängen, von denen man Mühe hat, sie loszu- lösen, und auf denen sie eine zusammenhängende Schicht bilden. '80]| Der Durchmesser der Körnchen ist genau derjenige der Torulacee 5; aber diese tritt in Rosenkranzform auf und haftet nicht an den Gefässen. Trotz ihrer Aehnlichkeit halte ich sie für distinete Arten. K. Alge aus viertheiligen Zellen gebildet, welche in der Form eines Niederschlages auf den Wänden abgesetzt wird; sie erscheinen gleich Steinschichten unter dem Mikroskop. Unter dem Einfluss verdünnter wässeriger Salzsäure trennen sich die Haufen von Zellen in kleine Gruppen von vier Zellen. ZL. Mucorinee in einem röthlichen Häutchen, welches sich an der Oberfläche der Flüssigkeit ausbreitet, sehr leicht zerreisst und in Fetzen auf den Boden der Flüssigkeit sinkt, wo es sich wie Lappen ausnimmt. Unter dem Deckgläschen zer- drückt, bietet sie im Mikroskop Haufen der feinsten Körnchen dar, welche in den Kanälen, die diese Haufen trennen, herum- wimmeln. M. Mucor von zarten Granulationen, gemischt mit Vibrionen von veränderlicher Länge, mit gewundener Bewegung. Man füge zu diesen Figuren, in denen ich vorzugsweise Mucor, Torulaceen und die häufigsten Infusorien dargestellt habe, Zeichnungen von einer Menge aus septirten Fäden bestehenden Mycelien hinzu, welche sich an der Oberfläche der Flüssigkeit als dichte feuchte gallertige Häute oder als aus einem Netz- werk von Fäden zusammengesetzte Membranen, die mit Sporangien von grüner, orangerother, grün-gelblicher, schwarz- brauner u. s. w. Farbe bedeckt sind, ausbreiten, Mycelien der mannigfaltigsten Arten, [81] und man wird eine Vor- stellung erhalten, was das Hefewasser unter dem Einfluss beschränkter Mengen gewöhnlicher Luft in einer Reihe von in Wenn die Hefe durch Urzeugung entstanden ist, würden noth- wendigerweise in der Flüssigkeit, in welcher sie entsteht, Kügelchen von allen Grössen, von der eben wahrnehmbaren an, vorhanden sein, was sich niemals ereignet. Ueberdies ist nichts leichter als, indem man lange genug das Auge an das Mikroskop hält, die Knospung der Zellen und die Trennung der erwachsenen Kügelchen zu verfolgen. Bei der Abbildung der Bierhefe ist es ein schwerer Irrthum, Kügelchen von allen Grössen von den feinsten Granulationen an ab- zubilden, wie es Pouchet in Fig. 14, TafelII seines Traite de ’Hetero- genie gethan hat. Turpin hatte schon diesen Fehler begangen, was für seine „Theorie des Globulins« nothwendig war. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 71 der von mir angegebenen Weise hergerichteten Ballons an distineten Arten liefern kann. Das sind dieselben Arten, welche die nämliche Flüssigkeit bei freier Berührung mit Luft liefern würde; um sie aber alle wiederzufinden, müsste man die Versuche noch weiter aus- dehnen, weil begrenzte Luftmengen sehr viel mehr Aussicht haben, wie ich erwähnte, die Keime der Luftin all’ der Mannig- faltiskeit zu ergreifen, welche die Versuche gewöhnlich aufweisen. Daher hat es mich immer sehr überrascht, wenn Pouchet in seinen geschickten Plaidoyers zu Gunsten der Lehre von der Heterogenie auf diesen unbestimmten Einwand von den zeu- senden Fähigkeiten der Aufgüsse, welche durch die materiellen Versuchsbedingungen im Glase erstickt werden, zurückkommt. Diese zeugenden Fähigkeiten, um mich des Ausdrucks Pouchet's zu bedienen, sehe ich vielmehr ge- steigert als vernichtet. Wenn dieser Einwand irgend wie be- gründet wäre, so müsste er gegen die Schwann’schen Experi- mente, deren Ergebnisse einen wesentlich negativen Charakter haben, und nicht gegen die meinigen gerichtet werden; denn der eine Fortschritt meiner Untersuchungen besteht darin, Versuche angestelltzu haben, welche nach dem Willen des Experimentators (wie wir das in Kapitel IV gesehen haben) positive oder nega- tive Resultate liefern *). *) Was das Arbeiten in freier Luft, um darauf die Ergeb- nissezu deuten, wie mir Pouchet so oft zu thun anempfohlen hat, anlangt, so werde ich mich davor sorgfältig hüten. Es ist so selten, dass man richtig räth, wenn man die Natur studirt! Und sind denn nicht vorgefasste Meinungen immer dazu da, um uns eine Binde vor unsere Augen zu legen? Folgendes z. B. ist eins der Pouchet’schen Experimente in freier Luft. »Man liess,« sagt er, »Spargelstengel in Wasser maceriren. Nachdem dies Altrirt ist, machte man daraus zwei Portionen: die eine wurde ohne weitere Behandlung aufbewahrt, die andere wurde zwei Minuten lang gekocht. Am folgenden Tage war die einfache Mace- rationsfllüssigkeit mit einer ungeheuren Menge Bacterien und Vibrio- nen erfüllt. Die gekochte Macerationsflüssigkeit bot dahingegen nicht ein einziges dar.« (Moniteur scientifiqgue 1861, p. 163.) Dann fügt Pouchet hinzu: »Die Vibrionen erscheinen erst viel später in einem Decoct, weil die Wärme ihre Gährung aufhält... Wer wüsste das nicht? Ist es möglich, irgend etwas Einfacheres und Schlagenderes zu bieten als dies Experiment?« (Moniteur seienti- fique, dasselbe Experiment 1860, p. 1082.) Aber was giebt es wirklich Leichteres zu begreifen als einen Unterschied in den Zeiträumen des Auftretens der Vibrionen zweier gleicher Macerationsflüssigkeiten, von denen die eine gekocht, die 72 L. Pasteur. Be; > % r 82] In Bezug auf die Mannigfaltigkeit der Gebilde jedoch A kenne ich an, dass ein sehr grosser Unterschied zwisehen denen pflanzlicher Natur und den anderen vorhanden ist. Die ersteren sind sehr vielfach, während sich die Mannigfaltigkeit für die Infusorien auf Monaden, Bacterien und Vibrionen beschränkt. Ohne hier die Frage nach dem Ursprung der grossen Infusorien voreilig entscheiden zu wollen, worüber ich eine besondere Arbeit zu veröffentlichen hoffe, weiss man doch, dass niemals ein Aufguss auf den ersten Anlauf grosse Infusorien liefert, dass niemals Paramecien, Kolpoden, Vorticellen u. s. w. den Bacterien und Vibrionen vorausgehen. Sobald man sich die Luftanalysen, welche ich in dieser Abhandlung aus der Zeit, wo die kleinsten In- fusorien in den Ballons erschienen sind, mitgetheilt habe, ver- gegenwärtigt, wird man sehen, mit welcher Geschwindigkeit sie die Luft ändern und sie mit Kohlensäure erfüllen: So lange Feuchtigkeit vorhanden ist, ist das Leben in einem der Berührung mit freier Luft ausgesetzten Aufguss unbegrenzt, weil der Sauerstoff, eins der wichtigsten Nahrungsmittel der Mueedineen und Infusorien, ihnen niemals fehlt. In einer be- srenzten Atmosphäre kommt das Leben natürlich nach Verlauf einiger Tage zum Stillstand. Die grossen Infusorien werden sich also nicht zeigen, weil es feststeht, dass nicht mit ihnen das Leben in den Aufgüssen beginnt”). |83] Ihr Auftreten würde eine neue zu lösende Schwierigkeit sein. andere nicht gekocht worden ist? Ist die Natur der Flüssigkeiten dieselbe? Ist diejenige, welche erhitzt worden ist, nicht gründlich verändert? Sind in dieser nicht die Keime der Vibrionen getödtet worden? Wenn sie es nicht sind, wie ich denn gezeigt habe, dass dies für die Milch und andere Flüssigkeiten zutrifft, können nicht in ihrer Entwicklungsfähigkeit Veränderungen vorhanden sein, wie das so klar ist z.B. im Kapitel VIII für die bei 120° erhitzten Sporen von Penieillium glaucum, deren Keimung um mehrere Tage verzögert worden ist? Wer weiss, ob nicht die Veränderung der Flüssigkeit allein genügt, um eine Verzögerung in dem Auftreten der nämlichen Organismen und, wie ich weiter behaupte, einen Unterschied in der Natur der Organismen zu erklären, weil man weiss, dass diese mit der Natur der Aufgüsse wechseln ? =) An solcher Stelle lässt Pouchet die grossen Infusorien und Mucedineen in einem sogenannten Bruthäutcehen, welches aus den Haufen von Bacterien und Vibrionen gebildet wird, von selbst ent- stehen. (Siehe S. 352 seines Trait& de la generation spontande, das Kapitel betitelt: Formation de la pellieule proligere.) Ich traf in- dessen zwei oder drei Male Infusorien, welche mir Monas lens zu sein schienen, in zuckerhaltigen Flüssigkeiten, in denen sich weder Bac- terien noch Vibrionen gebildet hatten. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 73 Aber dies schwächt in nichts die Schlussfolgerungen ab, zu denen ich über den Ursprung der Mucoreen, der Mucedineen, der Torulaceen und der kleinsten Infusorien in den vorher ge- kochten Aufgüssen geführt worden bin. In Bezug auf diesen Punkt, von dem ich heute allein handle, sind die Ergebnisse meiner Arbeit, wie ich glaube, unangreifbar. B. Untersuchungen über ruhige Luft. Dank der Gefälligkeit des Herrn Le Verrier konnte ich einige Versuche mit Luft aus den Kellern der Sternwarte an- stellen. In diesem Theil der Keller, welcher in der Zone der unveränderlichen Temperatur gelegen ist, muss die vollkommen ruhige Luft — das ist klar — ihren Staub auf die Oberfläche des Bodens in der Zeit zwischen den Erschütterungen fallen lassen, welche ein Beobachter dort durch seine Bewegungen oder durch die Gegenstände, welche er dorthin schafft, hervorruft. Indem man folglich die Vorsichtsmaassregeln vermehrt, wenn man dort | hinuntersteist, um Luft aufzufangen, müssen die Ballons, welche sich ferner ohne organisirte Gebilde zeigen werden, be- trächtlich zahlreicher sein als in dem Fall, wo sie z.B. in dem Hof der Anstalt mit Luft gefüllt worden wären. Dies trifft in der That zu, und der Sinn der Ergebnisse zwingt durch die Uebereinstimmung, welche er mit der Natur oder der mehr oder weniger grossen Mannigfaltigkeit der ergriffenen Vorsichts- maassregeln darbietet, um das zufällige Eindringen fremden Staubes zu verhindern, anzunehmen, dass, wenn die Ballons in den Kellern geöffnet oder geschlossen würden, ohne dass der Versuchsansteller [84] sich dort hinzubegeben nöthig hätte, sich die Luft dieser Keller beständig ebenso unwirksam zeigen würde, wie die geglühte Luft. Indessen hat sie nicht durch sich selbst und in Anbetracht der Bedingungen, unter denen sie sich befand, eine eigene Inactivität. Ganz im Gegentheil schien mir diese Luft, wenn sie mit Feuchtigkeit gesättigt war — da die meisten der niederen Organismen zum Leben des Lichtes nicht bedürfen —, für die Entwicklung dieser Organismen ge- eigneter als diejenige von der Oberfläche des Bodens. Ich theile nur eine der Versuchsreihen mit. Am 14. August 1860 öffnete ich in den Kellern der Sternwarte zehn Bierhefe- wasser enthaltende Ballons und in dem Hof der Anstalt 50 Cent. über dem Boden bei leichtem Winde elf Ballons von derselben 7A L. Pasteur. Zubereitung und verschloss sie dann wieder. Alle wurden am nämlichen Tage in den Wärmschrank meines Laboratoriums zurückgestellt, dessen Temperatur 25 bis 30° beträgt. Bis auf den heutigen Tag habe ich alle diese Ballons aufbewahrt. Ein einziger von den in den Kellern geöffneten enthält pflanzliche Gebilde. Die elf im Hof geöffneten Ballons haben alle Infusorien oder Pflanzen der von mir beschriebenen Gattungen geliefert. C. Versuche mit Luft aus verschiedenen Höhen. Die in den vorhergehenden Paragraphen mitgetheilten Ver- suche thun zur Genüge dar, dass in der Luft keine stetige Ur- sache für die sogenannte Urzeugung vorhanden ist, d. h. dass es immer möglich ist, einem bestimmten Ort eine erhebliche aber begrenzte Menge gewöhnlicher Luft zu entnehmen, welche keine physikalische oder chemische Veränderung erlitten hat, und nichtsdestoweniger durchaus ungeeignet ist, . irgend eine Veränderung in irgend einer ausserordentlich fäul- nissfähigen Flüssigkeit hervorzurufen. Daraus ergiebt sich der Grundsatz, dass die erste Bedingung für das Erscheinen lebender Wesen in den Aufgüssen oder in den gährfähigen Flüssigkeiten nicht in der Luft, als Fluidum betrachtet, liegt, sondern dass sie sich in derselben hier und dort findet durch Stellen, welche zahl- reiche und mannigfaltige Continuitätstrennungen darbieten, wie sich das in der Hypothese von der Aussaat von Keimen voraus- sehen lässt. [85] Es schien mir sehr interessant zu sein, die Ideen, welche die vorstehenden Ergebnisse angeben, zu verfolgen, indem ich die verschiedenen Höhen entnommene Luft der von mir bekannt semachten Versuchsanstellung unterwarf. Ich hätte mit dem Luftballon aufsteigen können; aber für gleichsam vorläufige Versuchsstudien schien es mir bequemer und vielleicht auch nützlicher, vergleichsweise in der Ebene und auf den Bergen zu arbeiten. Ich hatte die Ehre, auf dem Bureau der Academie in ihrer Sitzung vom 5. November 1860 dreiundsiebenzig Ballons nieder- zulegen, von denen jeder 4 Liter Rauminhalt hatte, und welche so hergerichtet waren, wie ich im Anfange dieses Kapitels mit- theilte, d.h. welche anfänglich luftleer und bis zu einem Drittel mit Wasser der Bierhefe gefüllt waren. Dies war bis zur voll- kommenen Klarheit filtrirt worden.} Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 75 Zwanzig dieser Ballons erhielten Luft vom platten Lande, ziemlich weit von jeder Behausung am Fusse der Höhen, welche das erste Juraplateau bilden; zwanzig andere sind auf einem der Berge des Jura gewesen, 850 Meter über dem Meeresspiegel; schliesslich ist eine andere Reihe von zwanzig ebensolchen Ballons auf den Montauvert nahe dem Mer de Glace in einer Höhe von 2000 Metern gebracht worden. Folgendes sind die Ergebnisse, welche sie mir lieferten: Von den zwanzig auf dem platten Lande geöffneten Ballons enthalten acht, von den zwanzig auf dem Jura geöffneten fünf organisirte Gebilde; und von den auf dem Montauvert bei ziem- lich starkem Winde, der aus den tiefsten Schlünden des Bois- gletschers pfiff, gefüllten zwanzig Ballons ist ein einziger ver- ändert worden. Ohne Zweifel müsste man diese Versuche stark vermehren. Aber so wie sie sind, zielen sie schon daraufhin zu beweisen, dass die Zahl der in der Luft suspendirten Keime in dem Maasse, wie man aufwärts steigt, sich ansehnlich vermindert. Sie zeigen mit Rücksicht auf den uns hier beschäftigenden Ge- sichtspunkt besonders die Reinheit der Luft von hohen mit Eis bedeckten Gipfeln, [86] da in einem einzigen der auf dem Mont- auvert gefüllten Gefässe eine Mucedinee entstanden ist. Die Entnahme der Luft erfordert einige Vorsichtsmaassregeln, welche ich seit langem für unerlässlich erkannt habe, um so viel als möglich die Dazwischenkunft des Staubes, welchen der Ver- suchsansteller mit sich bringt, und des Staubes, welcher sich auf der Oberfläche des Ballons oder der Werkzeuge, deren man sich bedienen muss, ausbreitet. Zuerst erhitze ich ziemlich stark den Hals des Ballons und seine ausgezogene Spitze in der Flamme einer Spirituslampe, darauf mache ich einen Schnitt in das Glas mit Hülfe eines Stahlmessers; alsdann breche ich, indem ich den Ballon über meinen Kopf in entgegengesetzter Richtung zum Winde erhebe, die Spitze mit einer Eisenzange ab, deren lange Schenkel soeben die Flamme passirt haben, um den Staub, welcher an ihrer Oberfläche vorhanden sein könnte, und welcher theilweise unfehlbar durch das ungestüme Eindringen der Luft in den Ballon gejagt werden würde, zu verbrennen. Während meiner Reise fürchtete ich stark, dass das Schütteln der Flüssigkeit in den Gefässen während des Transportes irgend einen unangenehmen Einfluss auf die ersten Entwieklungsstadien der Infusorien oder des Mucor haben könne. Die folgenden Er- gebnisse beseitigen diese Zweifel. Sie gestatten uns ausserdem, den ganzen Unterschied kennen zu lernen, welcher zwischen 76 L. Pasteur. der Luft der Ebene oder der Höhen und derjenigen bewohnter Orte besteht. Meine ersten Versuche auf dem Gletscher des Bois wurden durch einen Umstand unterbrochen, den ich keineswegs vorher- gesehen hatte. Um die Spitze der Ballons nach der Entnahme der Luft zu schliessen, hatte ich eine durch Spiritus gespeiste Eopyle mit mir genommen; nun war die Weisse des von der Sonne getroffenen Eises so gross, dass es mir unmöglich war, den ent- zündeten Dampfstrahl des Alkohols zu unterscheiden, und da die Flamme überdies etwas durch den Wind bewegt war, blieb sie auf dem abgebrochenen Glase nicht immer lange genug, um die Spitze zuzuschmelzen und den Ballon hermetisch zu schliessen. Alle Mittel, welche ich damals zu meiner Verfügung gehabt hätte, um die Flamme sichtbar und folglich dirigirbar zu machen, ‚87] würden unvermeidlich zu Fehlerquellen Veranlassung ge- seben haben, indem sie in der Luft fremden Staub verbreitet hätten. Ich war also gezwungen, die Ballons, welche ich auf dem Gletscher geöffnet hatte, unverschlossen nach der kleinen Her- berge auf dem Montauvert zurückzutragen und dort die Nacht zuzubringen, um den folgenden Tag unter besseren Bedingungen mit anderen Ballons zu operiren. Folgendes sind die Ergebnisse der soeben angekündigten zweiten Versuchsreihe. Was die dreizehn am vorhergehenden Abend auf dem Glet- scher geöffneten Ballons anlangt, so schloss ich sie nicht vor dem folgenden Mittag, nachdem sie die ganze Nacht über dem Staub des Zimmers, in welchem ich schlief, ausgesetzt gewesen waren. Nun enthalten von diesen dreizehn Ballons zehn Infu- sorien oder Schimmel. Da die Zahl der in diesen ersten Versuchen veränderten Ballons grösser ist als in den folgenden, so hat das Schütteln der Flüssigkeit während der Reise, wie ich fürchtete, keinen Einfluss auf die Entwicklung der Keime. Ausserdem giebt uns das Ver- hältniss der Ballons, welche in diesen ersten Versuchen organi- sirte Gebilde liefern, den unzweifelhaften Beweis, dass die be- wohnten Orte eine relativ beträchtlichere Zahl fruchtbarer Keime einschliessen und zwar wegen des auf der Oberfläche aller Ob- Jeete befindlichen Staubes. In dieser kleinen Herberge auf dem Montauvert z. B. ist gewiss Staub vorhanden und in Folge dessen auch Keime, welche aus allen Ländern der Welt kommen und durch die Thätigkeit der Reisenden herbeigeschleppt werden Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 77 D. Versuche mit Quecksilber. Ich habe schon im Kapitel VII und in dem historischen Theil dieser Abhandlung daran erinnert, wie das Experiment des Dr. Schwann die Hypothese Gay-Lussac’s über die Rolle der Luft bei der Erklärung der Vorgänge in den Appert’schen Con- serven beseitigthat. Aber woher kommt es, dass in dem Experi- ment des berühmten Chemikers mit Traubenmost, das so häufig angeführt wird, [83] Bierhefe in Folge der Einführung einer sehr kleinen Luftmenge entsteht, und dass, wenn man das nämliche Experiment mit verschiedenen Aufgüssen wiederholt, man diese sich unter dem Einfluss sehr kleiner Luftmengen, sehr viel mehr durch Einführung geglühter oder künstlicher Luft, verändern sieht; denn waren die Experimente von Pouchet, welche in der Quecksilberwanne ausgeführt wurden, genau, während diejenigen Schwann’s darin fast beständig irrthümlich waren? Einfach, weil das Quecksilber unserer Wannen, welches nur von Zeit zu Zeit Waschungen mit energischen Säuren erleidet, gewöhnlich mit Keimen erfüllt ist, welche von dem in der Luft suspendirten Staub herbeigeführt werden, stets, wenn die Wanne der Luft aus- gesetzt ist, in das Quecksilber hineinfallen und in das Innere desselben durch die Manipulationen, welche man in ihm vor- nimmt, eindringen, ohne dass ihre specifische Leichtigkeit sie alle wegen ihres mikroskopischen Volumens an die Oberfläche bringen kann“). Hier ist ein sehr einfaches und sehr beweisendes Experi- ment, welches fast beständig gelinst. | Man nehme einen dieser Ballons, hergerichtet wie ich im Anfange des Kapitels VII beschrieben habe, luftleer, theilweise mit einer fäulnissfähigen Flüssigkeit erfüllt und vorher gekocht, man tauche seine geschlossene Spitze auf den Grund irgend einer Quecksilberwanne und breche dieselbe durch einen Stoss auf ihrem Grunde ab, so werden in der Flüssigkeit dieses Ballons vielleicht neun Mal von zehn organisirte Gebilde nach dem Eindringen theils von geglühter Luft, theils von künstlicher Luft entstehen. *, Es ist klar, dass in dem merkwürdigen Experiment Gay- Lussac’s, bei dem die Eprouvetten, deren er sich bediente, nicht vorher erhitzt waren, die Keime hineingebracht worden sein konnten durch den Staub von der Oberfläche des Glases der Eprouvetten oder durch die Weinbeeren, welche, wie alle Körper, mit Staub und folglich auch mit Keimen bedeckt sind. 78 L. Pastenr. Augenscheinlich hat nur das Quecksilber die Keime liefern können, wenigstens wenn es keine Urzeugung giebt; diese Hypothese wird aber durch die Thatsache ausgeschlossen, dass, wenn das Experiment ohne Anwendung der Quecksilberwanne wiederholt wird wie in Kapitel III, indem man die Methode der Fig. 10 befolgt, keine Gebilde auftreten. [89] Ich nehme Quecksilber, welches ohne besondere Vor- sichtsmaassregeln aus irgend einer Laboratoriumswanne ge- schöpft worden ist, und bringe mit Hülfe der vorher beschriebenen Methode (Kapitel III) ein einziges Quecksilberkügelchen von der Grösse einer Erbse in eine veränderliche Flüssigkeit in einer Atmosphäre von geglühter Luft. Zwei Tage später waren in allen von mir angestellten Experimenten“) mannigfaltige Gebilde vorhanden: und als ich zu derselben Zeit nach derselben Methode, ohne die Manipulationen irgend zu ändern, dieselben Versuche mit Quecksilber von derselben Herkunft, das aber er- hitzt worden war, wiederholte, hatte nicht die geringste Bil- dung statt. Man darf die Folgerungen, welche man aus diesen Experi- menten ableiten kann, nicht übertreiben. Sehen wir zu, was wirklich vorgeht. Man schöpfe in ein Glas mit Fuss Quecksilber aus einer Wanne; man nimmt daher immer unter Vorsichts- maassregeln, welche, wie ich vermuthe, nicht angewandt worden sind, einen Theil des Quecksilbers, welches sich an der Ober- fläche der Wanne, wo Staub vorhanden ist, befindet, heraus; - darauf schüttet man einen Tropfen dieses Quecksilbers in eine kleine Röhre. Das Experiment zeigt, dass dieser Tropfen, indem er fällt, an seiner Oberfläche eine ansehnliche Menge Staub von der Oberfläche des Quecksilbers sogar aus dem Glase mit sich führt. Der herausgehobene Tropfen schliesst also immer einen Theil des Staubes von der Oberfläche der Wanne ein. Ich werde ‚noch besser verstanden werden, wenn ich bemerke, dass, wenn man aus einem Glas mit Fuss einen Tropfen des Quecksilbers, das an seiner Oberfläche mitirgend einer beliebigen Staubschicht be- deckt sei, herausfliessen lässt, der ganze Tropfen während des Falles von einer Schicht dieses Staubes durch die Wirkung der Capillarität eingehüllt sein würde. [90] Aber nichts würde ein- facher sein, als das Experiment mit einem unter besonderen *) In der Zahl von vier, zwei mit dem Quecksilber meines Labo- ratoriums, eins mit dem Quecksilber des chemischen Laboratoriums der Ecole Normale, ein viertes mit dem Quecksilber des physika- lischen Laboratoriums derselben Anstalt. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 79 Vorsichtsmaassregeln aus dem Innern der flüssigen Masse ge- schöpften Tropfen zu wiederholen. Ich zweifle nicht daran, dass das Experiment noch am öftesten gelingt, selbst unter diesen besonderen Umständen. Kapitel VIII. Vergleichende Untersuchungen über die Wirkung der Temperatur auf die Fruchtbarkeit der Sporen der Muce- dineen und der in der Atmosphäre suspendirten Keime. Die Versuche, welche ich im Begriffe bin mitzutheilen, fügen den entscheidenden Schlussfolgerungen dieser Abhandlung eine neue Bestätigung hinzu. Was man über den Widerstand gegen den Tod von den Anguillen des brandigen Getreides, von den Räderthierchen und auch von den Samen der höheren Pflanzen nach vorherigem Austrocknen weiss, sagt uns genügend, dass die Sporen der Mucedineen ihre Fruchtbarkeit bei ziemlich hohen Temperaturen müssen bewahren können, wenn sie trocken sind*). Nehmen wir für einen Augenblick an, dass man die Tempe- raturgrenze, welche die Sporen der gewöhnlichen Mucedineen ertragen können, ohne vernichtet zu werden, und diejenigen Grenzen, über welche hinaus alle Lebensfähigkeit in diesen kleinen Körnern aufhört, bestimmt. Wenn die organisirten Körperchen, welche beständig in der Luft suspendirt vorkommen, und unter welchen sich immer eine grosse Zahl findet, die den Sporen der Mucedineen vollkommen gleicht, wenn, sage ich, diese Körperchen wirklich Sporen sind, so muss uns das Experi- ment zu dem sonderbaren Resultat führen, dass der Staub der Luft, welcher in die Appert’schen Conserven nach der in Fig. 12 dargestellten Methode ausgesäet worden ist, [91] noch fruchtbar sein wird, nachdem er die höchste Temperatur, welche die Sporen der gewöhnlichen Mucedineen ertragen können, erlitten hat, und welcher ohne Wirkung auf dieselben Conserven sein *) Payen hat schon lange erkannt, dass die kleinen Sporen von Oidium aurantiacum ihre Entwicklungsfähigkeit bewahren, nachdem sie bis auf 120° erwärmt worden sind. Ich denke, dass es sich um einen Versuch in der Luft oder im trockenen luftleeren Raume han- delt. Im entgegengesetzten Falle würde ich geneigt sein zu glauben, dass die Temperatur nicht genau bestimmt werden konnte, und dass sie zu hoch ist. 30 L. Pasteur. würde, wenn er vorher der Temperatur, welche diese Sporen tödtet, unterworfen gewesen wäre. Sehen wir zuerst zu, was wir über diesen Gegenstand wissen. Duhamel berichtet in einem seiner Werke, dass Weizen keimen konnte, der eine Temperatur von 110° ertragen hatte. Diese Beobachtung des gelehrten Landwirthes wurde die Ver- anlassung für einige Versuche Spallanzanıs über den Wärme- srad, dem man die Samenkörner unterwerfen kann, ohne dass sie ihre Fähigkeit zu keimen verlieren. Von den höheren Pflanzen wurden fünf Samenarten von ihm untersucht, nämlich die Kichererbse, die Linse, der Spelz, der Samen vom Lein und Klee. Spallanzanı beschäftigte sich ausserdem mit dem Ein- fluss der Temperatur auf die Sporen der Mucedineen. Was die Samenkörner der höheren Pflanzen anbelangt, haben die Er- gebnisse Spallanzanes, obgleich sie sehr sonderbar sind, nichts, was uns bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse überraschen müsste. Das Samenkorn des Klees, weniger em- pfindlich als alle anderen, konnte eine Temperatur von nahezu 100° ertragen. In Bezug auf die Samen der Schimmelpilze wurde Spallanzanı zu sonderbaren Folgerungen geführt. Er lässt in der That nicht nur gelten, dass die Sporen der Muce- dineen die Temperatur von 100° ertragen können, wenn sie in Wasser getaucht werden, sondern dass sie selbst der Wärme eines glühenden Backofens widerstehen können, wenn sie trocken sind. Uebrigens giebt er in diesem letzteren Falle die Tempe- ratur nicht genau an*). *) Die folgende Stelle aus den Werken Spallanzanıs ist ein Aus- zug aus einem Kapitel des zweiten Bandes seiner Opuscules, in welchem er vorwiegend das Ziel verfolgt zu beweisen, dass Michelli Grund gehabt hatte, den Staub, welcher von den Schimmelpilzen, wenn sie reif sind, abfällt, als Same dieser Pflanze zu betrachten. »Die kleinen Körner, welche von den Köpfen der reifen Schimmel- pilze abfallen, und welche die wahren Samen dieser Gewächse sind, besitzen die Eigenthümiichkeit, einem Wärmegrade zu widerstehen, welchen kein anderes Samenkorn ertragen könnte, ohne die Fähig- keit zu keimen zu verlieren. Nachdem ich diese kleinen Samenkörner in Wasser hatte kochen lassen, goss ich das Wasser, welches davon eine schwarze Farbe angenommen hatte, über Körper, welche die Fähigkeit besitzen, schimmelig zu werden, und gemäss den gewöhn- lichen Ergebnissen dieser Art Experimente hat der Schimmel viel dichter getrieben, als auf ebensolchen Körpern, welche nicht damit be- feuchtet worden waren. Dasselbe habe ich mit Staub ausgeführt, welcher einem sehr viel stärkeren Feuer wie demjenigen eines Backofens ausgesetzt gewesen war, und ich habe gefunden, dass | Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 81 [92] Man würde kaum begreifen, dass diese Ergebnisse Spallanzanıs mit den Samen der Mucedineen nicht von neuem der Prüfung unterworfen wurden, wenn nicht die Experi- mente hier besondere Schwierigkeiten darböten, welche haupt- sächlich darin bestehen, eine genaue Untersuchungsmethode zu finden. Nichts einfacher als für die höheren Pflanzen zu ver- suchen, ob ihre Samenkörner noch fähig sind zu keimen, wenn sie bis auf eine bestimmte Temperatur erwärmt werden; Getreide treibt nur dort, wo man es ausgesäet hat; was aber die Muce- dineen anbelangt, so entwickeln sie sich überall, wo sie günstige Bedingungen finden. Es ist deshalb unerlässlich, in Bezug auf die gewöhnlichen Mucedineen auf eine Einrichtung zurückzu- streifen, welche sicher gestattet festzustellen, dass die kleine Pflanze aus den ausgesäten Sporen und nicht zufällig aus den in der Luft suspendirten oder auf der Oberfläche der zu den Ex- perimenten benutzten Gegenstände haftenden Sporen entstan- den ist. Folgende Methode habe ich befolgt, die mir einwurfsfrei zu sein scheint: ich lasse ein wenig Asbest zwischen die kleinen Köpfe des zu untersuchenden Schimmels gleiten*) ; [93] darauf bringe ich diesen mit Sporen bedeckten Asbest in eine sehr kleine Glasröhre, welche ich in eine U-Röhre von grösserem Durchmesser einführe, in welcher die kleine Röhre sich frei bewegen kann (Fig. 28, Tafel I). Das eine Ende der U-Röhre wird durch einen Gummischlauch mit einer Metall- röhre in T-Form mit Hähnen verbunden. Einer der Hähne diese Wärme die Samenkörner nicht der Reproductionsfähigkeit beraubt.« Weiterhin drückt sich Spallanzanı folgendermaassen aus: »Die Hypothese, welche darthut, dass dieser Staub unsichtbarer Weise überall verbreitet ist, und dass er die Menge der natürlichen Schimmel hervorruft, ist eine der vernünftigsten Hypothesen der Naturwissenschaft.« *) Wenn sich in einem Ballon, welcher hergerichtet ist, wie ich im Kap. VILS. 64 auseinander gesetzt habe, nur ein einziger Schim- mel entwickelt, was häufig ist, so ist es augenscheinlich, dass die Sporen vollkommen rein sind. Zwischen die Sporangien solcher Schimmel bringe ich den kleinen Asbestpinsel, nachdem ich den oberen Theil des Ballons abgebrochen habe. Die Möglichkeit, fremde Keime hineinzubringen, bestand nur während der sehr kurzen Zeit, während welcher ich die Schimmelsporen herausnahm, um sie in die U-Röhre überzuführen. Ueberdies erhitzte man den Asbest stark, bevor man ihn mit Sporen bedeckte, und ebenso die U-Röhre. Sobald sie erkaltet war, brachte man die kleine Röhre und die Sporen in die- selbe hinein. Ostwald’s Klassiker. 39, 6 323 L. Pasteur. communieirt mit der Luftpumpe, ein anderer mit einer roth- glühenden Platinröhre. Das andere Ende trägt einen Gummi- schlauch, welcher gleichfalls den Ballon aufnimmt, in welchen die Sporen ausgesäet werden sollen, einen Ballon, welcher vor der Lampe geschlossen und mit geglühter Luft und einer vorher gekochten Flüssigkeit, welche der jungen Pflanze als Nahrung dienen soll, gefüllt worden ist. Endlich taucht das U-Rohr in ein Bad von Oel, gewöhnlichem Wasser oder von mit verschie- denen Salzen gesättigtem Wasser, je nachdem auf welche Temperatur man die Sporen bringen will. Zwischen der U- und Platinröhre ist ein Troekenrohr mit schwefelsäurehaltigem Bim- stein eingeschaltet. Wenn der ganze Apparat, welcher der Platin- röhre vorangeht, mit geglühter Luft erfüllt und die Sporen eine ausreichende Zeit, welche man variiren kann, auf der passenden Temperatur gehalten worden sind, bricht man mit einem Hammer- schlag die Spitze des Ballons ab, ohne die Ligaturen des Gummi- schlauches, welcher den Ballon mit der U-Röhre verbindet, aufzu- knüpfen; indem man dann diese, nachdem sie aus ihrem Bade entfernt worden ist, in passender Weise neigt, lässt man den Asbest mit den Sporen in den Ballon gleiten. Endlich schliesst man den Ballon wieder vor der Lampe an einer der am Halse angebrachten Einschnürungen. Darauf bringt man ihn in den Wärmschrank in eine Temperatur von 20 bis 30°, welche für die schnelle Entwicklung der Mucedineen sehr günstig ist. Das Experiment mit dem Staub der Luft wird in derselben Weise mit Asbest, welcher einem Strom gewöhnlicher Luft ge- mäss den Angaben über die Methode aus Kapitel II ausgesetzt gewesen war, angestellt. [94] Ich will nun auf die Einzelheiten der Ergebnisse einiger besonderer Versuche eingehen. Am 1. Juni 1860 bringe ich in einen Ballon, welcher seit dem 19. März Hefewasser und geglühte Luft enthält, ohne die . geringste Veränderung erfahren zu haben, einen Theil eines mit Staub aus gewöhnlicher Luft beladenen Baumwollpfropfens, nachdem derselbe eine Stunde lang bei 100° gehalten worden war (Bad mit kochendem Wasser). In der Nacht vom 4. auf den 5. Juni beginnt sich auf den Wänden des Ballons eine Art staubartigen Niederschlages zu zeigen, der in den folgenden Tagen schnell die Oberfläche der Flüssigkeit befällt. Es ist eine ungefärbte Mucorinee in einem ein wenig körnigen Häutchen, in kleinen unordentlich kreis- förmigen Haufen, wie als wenn sie durch Gasblasen in die Höhe Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen, 83 sehoben wären, was jedoch nur eine Täuschung ist. Vom 9. oder 10. Juni an hört alle Entwicklung auf, und das Häutchen fällt in Fetzen auf den Grund des Gefässes. Ende Juni öffnete ich den Ballon, um diese Mucorinee unter dem Mikroskop zu untersuchen. Sie ist aus Granulationen gebildet wie im Allge- meinen alle Mucorineen, aber hier sind dieselben verhältniss- mässig massenhaft. Ihr Durchmesser beträgt 0,002 mm. Diese Granulationen sind einzeln oder zu Päckchen vereinigt, in ihrem mittleren Theil glänzend und von scharf begrenzten Umrissen. Fig.29, Tafel II, stellt sie in Gemeinschaft mit einigen sehr zarten kaum sichtbaren Vibrionen dar, welche keine Bewegung mehr haben, da der Ballon geöffnet worden ist. Sie waren in sehr geringer Zahl vorhanden. Dieser Versuch zeigt, dass die getrockneten Keime dieser beiden Gebilde einer Temperatur von 100° während einer Stunde widerstehen. Am 2. Juni 1860 beinke ich in Milch, welche seit dem 10. April bei Gegenwart von geglühter Luft ohne irgend eine Veränderung aufbewahrt wurde, einen kleinen mit Staub der Luft beladenen Asbestpfropfen, nachdem er eine Viertel- stunde lang 100° ausgesetzt gewesen war (Bad mit kochendem Wasser). [95] Am 4. Juni ist die Milch nicht geronnen, sondern man sieht an ihrer Oberfläche eine durchscheinende Serumschicht, welche eine Veränderung anzeigt. Am5. und 6. Juni ist es offenbar, dass die Milch sich ändert. Auf dem Boden des Ballons ist ein gelblicher käsiger Absatz vorhanden; keine Spur einer Gasentwicklung. Ich hatte der- artige Kennzeichen für die Veränderung der Milch noch nicht angetroffen. Am 7. Juni öffne ich den Ballon und prüfe die Flüssigkeit unter dem Mikroskop; sie findet sich erfüllt von einer Menge von Infusorien von zwei sehr distineten Arten. Die einen sind fadenförmige, sehr bewegliche Vibrionen, welche schnell dahin gleiten, indem sie die hintere Hälfte ihres Körpers in lebhaft zitternde Bewegung versetzen. Sie haben eine Länge von 0,006 bis 0,009 mm und eine Breite von 0,0007 mm. Die anderen sind kurz, sehr viel breiter, ein wenig eingeschnürt und oft zu Ketten von zwei und drei Gliedern vereinigt. Die Länge der Glieder beträgt 0,003 bis 0,004 mm und der Durchmesser 0,002 bis 0,003 mm. Fig.30, Tafel, stellt diese beiden Arten Infusorien neben den Butterkügelchen dar. 84 L. Pasteur. Es entwickelte sich kein Gas, als ich den Ballon in der Quecksilberwanne Öffnete. Am 6. Juli bringe ich in einen Ballon mit zuckerhaltigem Hefewasser, das mit Kreide gemischt war, und welches ohne Veränderung seit dem 11. April bei Gegenwart von geglühter Luft aufbewahrt wurde, einen Asbestpfropfen mit Staub, der eine halbe Stunde lang bei 100° erhitzt worden war (Bad mit kochendem Wasser). Am 8. Juli sichtbare Trübung mit einem zarten Häutchen auf allen Wänden. Am 10. Juli milchige Trübung mit runz- ligen Lappen in der Masse der Flüssigkeit und auf dem Grunde. Anstrich von Gasentwicklung. Am 10". Juli öffne ich diesen Ballon; stürmische und heftige Gasentwicklung. Es ist klar, dass Gährung stattfindet. [96] Unter dem Mikroskop sind zwei Arten von Vibrionen vorhanden, welche besonders im Durchmesser ihrer Glieder von einander abweichen. Die einen haben einen Durchmesser von 0,0006 bis 0,0008 mm, die anderen von 0,0015 bis 0,002 mm und eine Länge bis zu 0,01 mm und mehr*). Am 9. November 1860 bringe ich einen mit Staub der Luft beladenen Asbestpfropfen in einen Hefewasser enthaltenden Ballon und einen eben solchen Pfropfen in einen zweiten Urin enthaltenden Ballon. Diese Ballons waren seit dem 25. Juni aufbewahrt worden. Vor dem Hineinbringen der Pfropfen hielt man sie eine halbe Stunde lang bei 121° (Oelbad). Am 11. November zeigte der Ballon mit Hefewasser den Anfang eines Mycelbüschels mit sehr schlaffen Hyphen, das mit ausserordentlicher Schnelligkeit wuchs. In vier Tagen erreichte es das Niveau der Flüssigkeit und trieb besonders lange ausser- ordentlich weisse wollige Hyphen, welche sich rasch über die Wände des Ballons ausdehnten. Die Sporen und die Frucht- träger sind in Fig. 31, Tafel II, dargestellt. Der Ballon mit Urin fing erst am 16. November an, einen kleinen Büschel Schimmel mit sehr engen Hyphen in der Gestalt einer kleinen seidenglänzenden Kugel zu zeigen. Diese Mucedinee *) Ich zweifle nicht, dass die Gährung der Flüssigkeit dieses Ballons von diesen letzteren Infusorien hervorgerufen worden ist, die vor der Berührung mit der Luft durch diejenigen der ersteren Art, welche nur gewöhnliche Vibrionen mit einem Bedürfniss nach Luft zum Leben sind, geschützt wurden. Man vergleiche meine Mittheilung vom 25. Februar 1861 an die Academie der Wissenschaften über die Entdeckung des Infusoriums, das die Buttersäuregährung hervorruft. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 85 entwickelte sich mit einer so grossen Langsamkeit, dass sie am 27. November noch nicht die Grösse einer Erbse hatte. An demselben Tage, am 27. November, erschien ein anderes Mycelium mit schlaffen Hyphen, welches das erstere in wenig Tagen erstickte. Keine Infusorien weder in dem einen noch im anderen Falle. Am 12. August 1860 dasselbe Experiment mit Hefewasser und Staub der Luft, welche vorher eine halbe Stunde lang im Oelbade bei 129° erhitzt worden war. [97| Heute (April 1861) noch nicht die geringste Spur or- ganisirter Gebilde. Halten wir nun Musterung über einige Versuche mit den Sporen der gewöhnlichen Mucedineen. Am 21. Juli 1860 bringe ich in einen Ballon, welcher ohne Aenderung seit dem 26. Juni Hefewasser und geglühte Luft ent- hält, einen kleinen mit Sporen von Penicillium beladenen Asbest- pfropfen, welcher vorher eine halbe Stunde lang im Oelbade bei 119 bis 121° erhitzt wurde. Am 22., 23. und 24. Juli keine Spur von Entwicklung. Am 25. Juli bedeckt eine Menge sehr kleiner Mycelrasen die Wände des Ballons. Aber es ist sonderbar, dass sich nur die Sporen auf dem Boden entwickeln. Diejenigen , welche in dem Augen- blick des Einbringens des Asbestpfropfens an die Oberfläche ge- kommen waren, um Haufen, eine Art Flecken zu bilden, haben nicht gekeimt; sie haben keine Fruchtträger getrieben. Am 26. Juli wahrnehmbare Entwicklung der Rasen vom Grunde, obgleich ein wenig schwach und wie mühselig. Die Sporen auf der Oberfläche der Flüssigkeit haben noch nicht gekeimt. Am 28. Juli haben sich an der Oberfläche mehrere kleine Inselchen entwickelt, aber sie stammen von den Rasen vom Boden und nicht aus den Sporen von der Oberfläche. Diese Inselchen fangen an zu fructifieiren und in ihrer Mitte grün zu werden. Hier und dort an der Oberfläche sieht man stets Haufen von Sporen, welche nicht gekeimt haben. Am 3. August ist die ganze Oberfläche mit einem schönen kräftigen grünblauen Penicillium bedeckt. Nichts deutet darauf hin, dass er krank sei; indessen ist zu bemerken: 1. dass die Sporen, welche am 21. Juli ausgesäet wurden, erst in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli anfingen zu keimen, während sie, wenn man sie nicht erhitzt hätte, oder selbst wenn man sie auf 100° erhitzt hätte, vom folgenden Tage an begonnen haben würden, S6 L. Pasteur. dem nackten Auge sichtbare Büschel von Keimschläuchen zu zeigen; ich stellte das oft durch directe Versuche fest. [98] 2. Viele Sporen waren augenscheinlich des Lebens beraubt, und kamen vielleicht, da sie leichter waren als die anderen, an die Oberfläche, wo sie nicht keimten. Das folgende Experiment wird beweisen, dass sich die Kei- mung, wenn man die Temperatur nur auf 108,4° anstatt auf 120° brachte, schon nach acht und vierzig Stunden zeigt. Am 23. Juli säete ich in einen der Ballons mit Hefewasser, welches seit dem 26. Juni ohne Aenderung aufbewahrt worden war, einen mit Sporen von Penicillium beladenen Asbest- pfropfen aus, der vorher trocken wie in allen diesen Experimenten während einer halben Stunde bis 108,4° erhitzt worden war (Bad von mit Salz gesättigtem kochenden Wasser). Die Aussaat fand um Mittag am 23. Juli statt. Seit dem 25. um 5 Uhr Abends sah man eine Unzahl Mycel- büschel auf dem Grunde der Flüssigkeit. Es ist demnach nicht zweifelhaft, dass die Fruchtbarkeit der Sporen von Penicillium glaucum bei Einwirkung einer höheren Temperatur unter Ausschluss jeglicher Feuchtigkeit bei einer Temperatur bis zu 120° und selbst mehr erhalten bleibt, und dass sie der Mutterpflanze ganz gleiche Pflanzen hervor- bringen, deren Sporen fruchtbar sind {was ich durch direete Versuche feststellte). Aber es ist nicht weniger wahr, dass die Lebensfähigkeit des Keimes ein wenig getroffen wird, und dass die Sporen dadurch eine wahrnehmbare Verzögerung in ihrer Keimung erleiden. Am 12. August 1860 wiederhole ich die vorausgehenden Versuche mit zwei Ballons mit Hefewasser , welche seit langem aufbewahrt worden sind, und mit Sporen von Penieillium glaucum und Ascophora elegans, welche während einer halben Stunde auf 127 bis 132° erhitzt wurden (Oelbad). Weder in dem einen noch in dem anderen Ballon fand irgend eine Entwicklung der Sporen statt. Kurz, ich glaube aus meinen Versuchen schliessen zu können, dass die Sporen der gewöhnlichen Mucedineen, welche im luft- leeren Raum oder in trockener Luft erhitzt werden, fruchtbar bleiben, nachdem sie auf eine Temperatur von 120° gebracht worden sind. [99] Wahrscheinlich würde man finden, dass man selbst ein wenig darüber hinausgehen könnte, vielleicht bis auf 125°. Dahingegen genügt eine Exposition bei 130° von ziemlich kurzer Dauer, um den Sporen der nämlichen Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 87 Mucedineen, welche die lebhaftesten und die wenigst empfind- lichen zu sein scheinen, ihre Fruchtbarkeit zu rauben*). Anderer- seits finden wir, dass die Grenzen dieselben sind für die Frucht- barkeit des Staubes aus der Luft, d.h. dass er Mucedineen giebt, selbst nachdem er auf 120° gebracht worden, und dass er keine mehr liefert, wenn man ihn der Temperatur von 130° unterwarf. Die Uebereinstimmung dieser Ergebnisse ist ein neuer Be- weis für das Vorhandensein von Sporen der Mucedineen unter den organisirten Körperchen, welche das Mikroskop gestattet, so leicht in dem in der gewöhnlichen Luft suspendirten Staub zu erkennen. [100] Kapitel IX. Ueber die Ernährungsweise der eigentlichen Fermente, der Mucedineen und der Vibrionen, Es ist wesentlich zu beachten, dass bis auf den heutigen Tag alle Experimente über Urzeugung mit Aufgüssen von pflanzlichen oder thierischen Stoffen ausgeführt wurden, mit einem Wort mit Flüssigkeiten, welche Substanzen enthalten, die früher dem Organismus angehörten. Welches auch immer *-Ich muss indessen bemerken, dass sich unter der Zahl der Mucedineen, die freilich in geringer Zahl in den Experimenten, in welehen ich den bei 120° erhitzten Staub der Luft aussäete, auf- traten, sich Penicillium glaucum nicht gezeigt hat. Da ist unter anderen jene Mucedinee von so rascher Entwicklung, wovon ich auf S. 84 gesprochen habe, deren Sporangien wollige Haufen mit langen, sehr weissen Hyphen an der Oberfläche der Flüssigkeit bilden. Es würde interessant gewesen sein zu sehen, ob die Sporen dieses Schimmels nicht ein wenig besser eine hohe Temperatur ertragen als Penicillium. Im Verlaufe meiner Versuche hatte ich Gelegenheit, beträcht- liche Unterschiede in der Entwicklungsgeschwindigkeit der Schimmel- pilze zu beobachten. Ich habe Mycelien gesehen, welche mehrere Monate brauchten, um die Grösse einer Haselnuss zu erreichen. Ich habe andere die Flüssigkeit in einigen Tagen damit erfüllen sehen. Hierfür können verschiedene Ursachen maassgebend sein, vorzüglich die Beschaffenheit der Flüssigkeit. Es könnte sein, dass, wenn man die Beschaffenheit variirt, die Rollen gewechselt werden. Ich bin sehr oft davon betroffen gewesen, welche Menge verschiedener Studien die Lebensweise dieser kleinen Wesen dem Geiste eingiebt. Diese hier ist eine unter tausend ebenso interessanten oder noch interessanteren. % aa Br 33 | L. Pasteur. die verausgehenden Temperatur- und Kochbedingungen sein mögen, denen man sie unterwirft, diese Substanzen haben eine Constitution und Eigenschaften, welche sie unter dem Einfluss des Lebens erwarben. Diese Thatsache diente allen Theorien über die Urzeugung als Thema. Nun werde ich in diesem Kapitel zeigen, dass das Auftreten niederer Organismen nicht nothwendig die Gegenwart organischer plastischer Substanzen voraussetzt, jener Eiweiss- stoffe. welche der Chemiker nicht hat hervorbringen können, und welche zu ihrer Bildung die Mitwirkung der Lebenskräfte erfordern. Die neuen Versuche, welche ich im Begriffe bin mitzutheilen, werden zeigen, wie gering die Grundlage aller Theorien über die spontane Bildung niederer Organismen ist. Durchmustern wir zuerstjene Theorien, an welchen die Einbildungskraft einen so grossen Antheil hat, und in denen von den wahren Grund- sätzen experimenteller Methode so wenig zu finden ist. Needham nahm in der organischen Substanz das Vorhanden- sein einer besonderen Kraft an, welche er vegetative Kraft nannte, und welche den Tod der Pflanzen und Thiere überlebte. Specifisch bestimmt im Individuum bewahrte sie ihm seine Ge- stalt und Eigenschaften während des Lebens. Aber bei seinem Tode wurde sie frei, und ihre Aeusserungen hingen ab von den besonderen Verhältnissen, unter welche sich die getrennten Theile des Körpers des Individuums gestellt sahen. [101] Und so organisirte diese Kraft, welche in der organischen Materie der Aufgüsse fortbesteht, von neuem diese Materie nach einer Art und Weise, welche nunmehr nur von den dem Aufsuss eigenthümlichen Bedingungen abhing *). Buffon’s System der organischen Molecüle hat viel Beziehung zu den Ideen Needham’s. Ich werde die Ansichten des grossen Naturforschers über die Urzeugung wörtlich anführen **). »Meine Untersuchungen und meine Experimente«, sagt Bufon, »über die organischen Moleeüle zeigen, dass es keine präexistirende Keime giebt, und beweisen gleichzeitig, dass das Entstehen der Thiere und Pflanzen nicht eindeutig ist, dass es vielleicht ebenso viel Wesen, lebende wie pflanzliche, giebt, welche sich durch die zufällige Vereinigung der organischen *, Vergl. Spallanzani, Opuseules. Darstellung der neuen Ideen des Herrn v. Needham über das System der Zeugung. Bd.I, Kap. I. 5: Suppl&ement {Histoire de [Homme. 1778. t. VII. edition in — 12). Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 89° Moleeile fortpflanzen, als es Thiere oder Pflanzen giebt, welche sich durch eine ununterbrochene Reihe von Generationen fort- pflanzen... Die immer activen und fortdauernden organischen Molecüle gehören ebenso den Pflanzen wie den Thieren an; sie durch- dringen die rohe Materie, bearbeiten sie, rühren sie nach allen Richtungen auf und machen sie zur Grundlage für das Gewebe der Organisation, deren einzige Principien und Werkzeuge diese lebenden Molecüle sind; sie sind nur einer einzigen Macht unter- worfen, welche, obgleich passiv, ihre Bewegungen lenkt und ihre Stellung bestimmt. Diese Macht ist die innere Form des organisirten Körpers; die lebenden Molecüle, welche das Thier oder die Pflanze aus den Nahrungsmitteln oder dem Safte zieht, werden allen Theilen der inneren Form ihres Körpers assimilirt, sie durchdringen sie nach allen Richtungen, sie bringen in sie das Wachsthum und das Leben hinein, sie machen diese Form lebendig und in allen Theilen wachsen; die innere Gestalt dieser Form bestimmt allein die Bewegung und Stellung der Molecüle für die Ernährung und die Entwicklung in allen organisirten Wesen. [102] Und da der Tod das Feuer der Organisation, d.h. die Macht dieser Form auslöscht, so folgt die Zersetzung des Körpers, und die organischen Molecüle, welche alle weiter leben, gehen, indem sie sich in der Zersetzung und in der Fäulniss der Körper wieder in Freiheit befinden, alsobald in andere Körper über, als sie durch die Macht irgend einer anderen Form an- gezogen werden in der Weise, dass sie ohne Aenderung und mit der beständigen und dauernden Eigenschaft, ihnen Nahrung und Leben zu bringen, von dem Thiere auf die Pflanze und von der Pflanze auf das Thier übergehen können; nur tritt eine Unzahl von Generationen durch Urzeugung in diesem Medium auf, wo die Macht der Form ohne Wirkung ist, d. h. in der Zwischen- zeit, während welcher die organischen Molecüle sich in der Substanz der todten und zersetzten Körper in Freiheit befinden, seitdem sie nicht mehr von der inneren Form der organisirten Wesen absorbirt werden, welche die gewöhnlichen Arten der lebenden oder vegetirenden Natur zusammensetzen; diese immer activen organischen. Molecüle arbeiten daran, die verfaulte Materie aufzurühren, sie eignen sich einige rohe Theilchen an und bilden durch ihre Wiedervereinigung eine Menge kleiner organisirter Körper, von denen die einen wie die Erdwürmer, die Schwämme u. s. w. Thiere oder ziemlich grosse Gewächse 90 L. Pasteur. zu sein scheinen, von denen die anderen aber in fast unendlicher Zahl nur unter dem Mikroskop zu sehen sind. Alle diese Körper existiren nur durch Urzeugung und erfüllen den Raum, welehen die Natur zwischen das-einfache lebende organische Moleeül und das Thier oder die Pflanze eingeschaltet hat; daher findet man alle Grade, alle denkbaren Nuancen in diesem Gefolge, in dieser Kette von Wesen, welche von dem höchst organisirten Thiere bis zum einfachsten organischen Moleeül hinabreicht; für sich genommen ist dies Molecül weit entfernt von der Natur des Thieres. Mehrere zusammen genommen, würden diese lebenden Moleeüle noch eben so weit davon entfernt sein, wenn sie sich nicht rohe Theilchen aneigneten, |103] und wenn sie dieselben nicht in einer gewissen Form vertheilten, welche sich derjenigen der inneren Form der Thiere oder der Gewächse nähern. Und da diese Anlage der Form unendlich variiren kann, eben so sehr in Bezug auf die Zahl, als durch die verschiedene Wirkung der lebenden Moleeüle auf die rohe Materie, so müssen daraus hervorgehen, und in der That gehen daraus hervor, Wesen von allen Graden thierischen Lebens. Und diese Urzeugung, welcher alle diese Wesen in gleicher Weise ihre Existenz verdanken, tritt in Thätigkeit und bekundet sich alle Mal, wenn die organi- sirten Wesen sich zersetzen ; sie bethätigt sich constant und ganz allgemein nach dem Tode und zuweilen auch während des Lebens dieser Wesen, wenn einige Mängel in der Organisation des Körpers vorhanden sind, welche die innere Form hindern, alle organischen Molecüle, welche in den Nahrungsmitteln vor- handen sind, zu absorbiren und zu assimiliren. Diese über- flüssigen organischen Molecüle, welche die innere Form des Thieres zu ihrer Ernährung nicht durchdringen können, be- mühen sich, sich mit einigen Theilchen der rohen Materie der Nahrungsmittel zu vereinigen, und bilden wie bei der Fäulniss organisirte Körper; das wird der Ursprung für die Tänien, die Ascariden, die Leberwürmer u. s. w.« Ein Botaniker, Turpin, hat zu unserer Zeit ein System ein- geführt, welches viel Aehnlichkeit hat mit demjenigen der or- ganischen Moleeüle Bufon’s (man vergleiche seine Abhandlung im 17. Bande der »M&moires de I’ Academie des Sciences«). Ich komme jetzt zu Pouchet's System*). »Man kann es«, sagt er, »als ein fundamentales Gesetz betrachten, dass Gährungs- *, Traite de la generation spontane&e 1859, S. 335 u. folgende. SR wort : i r ur - 2 al Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen, 91 erscheinungen oder Erscheinungen catalytischer Zersetzung jeder Urzeugung vorausgehen oder dieselbe begleiten .... Die Organismen entstehen nur, wenn die Natur selbst stirbt, und in dem Augenblick, wo die Elemente der Wesen, aus wel- chen sie entstehen, in neue chemische Verbindungen eintreten und alle Erscheinungen der Gährung oder der Fäulniss auf- weisen. [104] Hieraus ergiebt sich, dass sich die ersten Generationen erst zeigen, nachdem die Körper, aus denen sie entstehen, an- fangen, die ersten Erscheinungen der Zersetzung zu erleiden; wie wenn die neuen Wesen, um sich zu organisiren, den Zerfall der anderen erwarteten, um sich der Molecüle der sterbenden Substanz zu bemächtigen, in dem Maasse wie sie in Freiheit gesetzt werden. Es ist klar, dass der Organismus seine mate- riellen Bestandtheile nur aus den Leichnamen der alten Genera- tionen schöpft... So zersetzen sich unter der Herrschaft der Gährung oder der Fäulniss die organischen Körper und heben den Verband ihrer organischen Molecüle auf; nachdem sie eine unbegrenzte Zeit in der Freiheit umhergeirrt sind, gruppiren sich diese Mole- cüle, wenn sich die bildungsfähigen Zustände zu zeigen anfangen, von neuem, um ein neues Wesen aufzubauen .. Bald nachdem sich Erscheinungen der Gährung und Fäulniss bemerkbar machen, erkennt man, dass sich an der Oberfläche der Flüssigkeiten in den Versuchen ein anfänglich unsichtbares Häutchen bildet, welches kaum mit dem Mikroskop entdeckt wird; dann verdichtet es sich allmählich und wird schliesslich zuweilen selbst ziemlich zähe. Dies Häutchen ist augenschein- lich aus Ueberresten von Thierehen zusammengesetzt, anfänglich von solchen der niedrigsten Ordnung, später von immer höheren Arten aus der Reihe der Mikrozoen. Diese Pseudomembran habe ich »pellieule proligere« genannt, weil sie augenschein- lich nach Art eines improvisirten Ovariums die Thierchen er- zeugt. Man kann ihre Entwicklung darin mit Hülfe unserer Instrumente verfolgen und erkennen, dass sie aus den organi- schen Ueberresten selbst entstehen, aus denen sie sich zusammen- setzt... . | Die Protozoen, welche zuerst das »pellieule proligere« bilden, sind Monaden, Bacterien und Vibrionen. [105] Wie sind diese Thierchen entstanden? Wir können es nicht sagen, da ihre ausserordentliche Kleinheit sie jeder Art Nachforschung ent- Zielib. .... 92 . L. Pasteur. | E Wenn Pflanzen an der Oberfläche der Macerationen er- scheinen, so wird die Keime enthaltende Pseudomembran als- dann fast ausschliesslich aus dem Geflecht der Mycelien, aus rudimentären Pilzen gebildet, welche man an der Oberfläche beobachtet... . Man könnte also hinzufügen, dass eine erypto- samische »pellicule proligere« vorhanden ist.« Aus der Vereinigung der Theile der »pellicule proligere« entstehen von selbst die Eier der niederen Wesen. Pouchet beschreibt alle Phasen dieser Erscheinung. So ist das System des gelehrten Naturforschers von Rouen das Werk einer fruchtbaren Einbildungskraft, welche von irr- thümlichen Beobachtungen geleitet wird”). Durch Mittheilung der Prineipien der Systeme über die Ur- zeugung, welche am meisten Anklang gefunden haben, verfolge ich den hauptsächlichsten Zweck, zu zeigen, dass man in allen die organische Materie der Aufgüsse eine wesentliche Rolle spielen lässt. Durch sich selbst würde sie besondere Eigen- schaften geniessen, welche sie während ihrer früheren Bildung unter dem Einfluss des Lebens erworben hatte. Die Eiweissstoffe würden sich sozusagen einen Ueberrest von Lebenskraft bewahren, welche ihnen erlauben würde, sich bei Berührung mit Sauerstoff zu organisiren, wenn die Tempe- ratur- und Feuchtigkeitsbedingungen günstig sind. Wir werden einsehen, dass diese Ansichten vollständig irrig sind, dass die Eiweissstoffe für die Keime der Infusorien und Mucedineen nur ein Nahrungsmittel sind, und dass sie in den Aufgüssen keine andere Rolle spielen, [106! denn man kann sie durch krystallisirbare Stoffe wie Ammoniaksalze und Phosphate ersetzen. So finden sich alle Theorien bezüglich der Urzeugung der niedrigsten Wesen einer ihrer wichtigsten Grundlagen beraubt. Das Experiment hat mir in der That gezeigt, dass man in den Versuchen der Kapitel IV, V, VI das zuckerhaltige Wasser der Bierhefe, Urin, Milch u.s. w. durch einen Aufguss folgender Zusammensetzung ersetzen konnte: *, In den Ann.des Sc. nat. t. [Il 1545 kann man Behauptungen über die Urzeugung der Infusorien und Cryptogamen lesen, welche nicht weniger klar von Doctor Pineau formulirt sind. Man vergleiche auch das Werk von Paul Laurent, einem alten Schüler der Polytechnischen Schule, welches betitelt ist: Etudes physiologiques sur les animal- eules des infusions. Nancy 1853. Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 93 Kamesı Wasseri:... 2.2.1... 100 Berystallisirter Zucker! =. .". ..' 10 Weinsaures Ammonium. . . . . 0,2—0,5 Geschmolzene Asche von Bierhefe Va Wenn man in diese Flüssigkeit bei Gegenwart von geglühter Luft in der Luft suspendirten Staub aussät, sieht man in ihr Bacterien, Vibrionen, Mucedineen u.s. w. entstehen. Die stick- stoffhaltigen Eiweissstoffe, die Fette, die flüchtigen Oele und die diesen Organismen eigenthümlichen Farbstoffe werden voll- ständig mit Hülfe der Bestandtheile des Ammoniaks, des Phos- phats und des Zuckers gebildet. Setzen wir die Flüssigkeit unter Hinzufügung von Kreide ebenso zusammen: Reines Wasser. . er Br Krysiallisirter Zucker. .....,...10 Weinsaures Ammonium . . . . 0,2—0,5 Geschmolzene Asche von Bierhefe 0,1 Reiner kohlensaurer Kalk . . . 3—58, so treten die nämlichen Erscheinungen auf, aber mit einer aus- gesprocheneren Richtung auf die sogenannte Milchsäure-, schlei- mige und Buttersäure-Gährung, und alle pflanzlichen und thieri- schen Fermente, welche diesen Gährungen eigenthümlich sind, entstehen gleichzeitig oder nach einander. [107] Ich werde nächstens eine detaillirtere Arbeit über die Ergebnisse, welche ich bei diesen Studien erhielt, die mir in Bezug auf die Frage nach der sogenannten Urzeugung immer ein grosses Interesse darzubieten schienen, veröffent- lichen. Durch sie bin ich dazu geführt worden, die folgenden Ex- perimente anzustellen, deren Erfolg meine Erwartung über- troffen hat. In reinem destillirten Wasser löse ich ein krystallisirtes Ammoniaksalz, krystallisirten Zucker und Phosphate, welche aus der Verbrennung von Bierhefe herrühren, auf; dann säe ich in die Flüssigkeit einige Sporen von Penieillium oder irgend einer anderen Mucedinee aus*). Diese Sporen keimen leicht und *, Folgendes ist die Zusammensetzung einiger Flüssigkeiten, deren ich mich bediente: Be en u n) N Er > 94 L. Pasteur. bald, höchstens in zwei bis drei Tagen, die Flüssigkeit ist mit Mycelflocken erfüllt, von denen eine grosse Zahl nicht zögert, sich auf der Oberfläche der Flüssigkeit, wo sie fructifieiren, aus- zubreiten. Die Vegetation hat nichts Sieches. Durch die vor- sichtige Anwendung eines sauren Ammoniaksalzes verhindert man die Entwicklung der Infusorien, welche durch ihre Gegen- wart bald das Wachsthum der kleinen Pflanzen aufhalten würden, indem sie den Sauerstoff der Luft, den die Mucedinee nicht ent- behren kann, absorbiren. Aller Kohlenstoff der Pflanze wird dem Zucker, welcher nach und nach vollständig verschwindet, ihr Stickstoff dem Ammoniak, ihre mineralischen Bestandtheile den Phosphaten entnommen. [108] In Bezug auf die Assimi- lation des Stickstoffs und der Phosphate ist also eine vollständige Analogie zwischen den Fermenten, den Mucedineen und den Pflanzen verwickelterer Organisation vorhanden. Wenn ich in dem soeben mitgetheilten Experiment den einen der gelösten Bestandtheile unterdrücke, wird die Vegetation auf- gehalten. Zum Beispiel ist die mineralische Substanz diejenige, welche für Wesen dieser Beschaffenheit am wenigsten unumgäng- lich nothwendig zu sein scheinen würde. Nun aber ist, wenn die Flüssigkeit der Phosphate beraubt ist, kein Wachsthum mehr möglich, welches auch immer das Verhältniss des Zuckers und der Ammoniaksalze sein mag. Kaum beginnt die Keimung der Sporen unter dem Einfluss der Phosphate, welche die ausgesäeten Sporen selbst in ausserordentlich kleiner Menge hineinbringen. Unterdrückt man in derselben Weise das Ammoniaksalz , so er- fährt die Pflanze keine Entwicklung. Es findet nur ein sehr dürftiger Anfang der Keimung statt als Wirkung der Gegenwart 0 Gramm krystallisirter Zucker, 2 » doppelt weinsaures Ammonium, ),5 » Asche der Bierhefe, 1 Liter reines Wasser, 0 Gramm krystallisirter Zucker, 1 » Weinsäure, 1 » salpetersaures Kalium, | 0,5 » Hefeasche, 1 Liter reines Wasser. Auf die Oberfläche dieser Flüssigkeiten oder anderer analoger säete ich die Sporen der Mucedineen aus. Das Ammoniaksalz kann man durch ein Salz von Aethylamin ersetzen. Doch erhieltich niemals eine Entwicklung kleiner Pflanzen, wenn ich die Phosphate durch Arseniate ersetzte. In ihrer Sitzung‘ vom 12. November 1860 habe ich der Academie diese Ergebnisse in mannigfaltigen Beispielen vor Augen geführt. > Die in der Atmosphäre vorhandenen organisirten Körperchen. 95 der Eiweissstoffe aus den ausgesäeten Sporen, obgleich Ueber- fluss an freiem Stickstoff in der umgebenden Luft oder an ge- löstem in der Flüssigkeit ist. Schliesslich verhält es sich ebenso, wenn man den Zucker unterdrückt, den kohlenstoffhaltigen Nährstoff, selbst dann, wenn die Kohlensäure in beliebigen Ver- hältnissen in der Luft oder in der Flüssigkeit vorhanden ist. Alles deutet in der That darauf hin, dass die Mucedineen in Be- zug auf den Ursprung des Kohlenstoffs wesentlich von den phanerogamen Pflanzen abweichen. Sie zersetzen keine Kohlen- säure und entwickeln keinen Sauerstofl. Die Absorption des Sauerstoffs und die Entwicklung der Kohlensäure sind im Gegentheil nothwendige und dauernde Vorgänge ihres Lebens. Diese Thatsachen geben uns genaue Vorstellungen über die Art der Ernährung der Mucedineen, bezüglich welcher die Wissenschaft noch keine zusammenhängende Beobachtungen besitzt*). *) Ein ausgezeichneter Beobachter, Deneau, hat uns über die ge- wöhnlichen Algen, ein wenig höhere Pflanzen als die Mucedineen, von welchen sie sich besonders durch die Gegenwart der grünen Materie unterscheiden, die folgenden Beobachtungen hinterlassen, welche zeigen, dass die Algen Ammoniak zersetzen können. »Seit mehreren Monaten hat Herr Lortet die Gefälligkeit, für mich die zu Oullins aufgefangenen Regenwässer zu sammeln und mir alle acht bis vierzehn Tage zuzustellen. Um mit Anfang Mai zu beginnen, so findet in der Zusammensetzung dieser Wässer ein schroffer Wechsel statt. Das Ammoniak verschwindet aus denselben vollständig. Ich machte Herrn Zortet darüber eine Bemerkung, welcher mir alsdann mittheilte, dass die für unsere Wässer als Recipient dienende Flasche anfing, jene grünen organisirten Gebilde zu zeigen, deren Ausbreitung unter dem Einfluss der Temperatur der warmen Jahreszeit und des Lichtes so mächtig wird. Daraufhin habe ich besondere Studien über diesen Punkt, über die Einwirkung der Algen auf die Ammoniaksalze und auf die Ni- trate, welche in dem umspülenden Wasser gelöst waren, angestellt. Einerseits habe ich mit der Alge, welche ich durch ihre sonderbare netzförmige Textur leicht als Hydrodietyon pentagonale erkannte, andererseits mit einer Conferve mit langen grünen Fäden operirt, welche Conferva vulgaris zu sein scheint. ; Unter sich nach Augenmaass gleiche Mengen von jeder der beiden erwähnten Algenarten wurden in Flaschen mit eingeschliffenen Stöpseln, die ein wenig mehr als einen halben Liter Rauminhalt hatten, mit 250 Cubikcentimeter Wasser, dem 12 ein Millionstel Ammoniak in Form des salzsauren Salzes und eine klein wenig geringere Menge Kalknitrat zugemischt waren, eingeschlossen. Ein Theil der Flaschen wurde darauf vor ein Fenster gesetzt, wo sie die Sonnenstrahlen em- pfingen, die anderen in ihre Nähe, aber in das Dunkle. ng? 96 L.Pasteur. Die in der Atmosphäre vorhand. organ. Körperchen. [109] Andererseits, und dies hat man vielleicht vorzugs- weise zu beachten, decken sie uns eine Methode auf, mit deren Hülfe die Pflanzenphysiologie ohne Mühe die heikelsten Fragen des Lebens dieser kleinen Pflanzen in Angriff nehmen könnte, um so sicher den Weg zum Studium derselben Probleme bei den höheren Pflanzen zu bahnen. Selbst dann, wenn man fürchtete, auf die grossen Gewächse die Ergebnisse, welche diese dem Anscheine nach so niedrigen Orga- nismen liefern, nicht übertragen zu dürfen, so würde nichts- destoweniger ein grosses Interesse vorliegen, |110] dieSchwierig- keiten zu heben, welche das Studium des Pflanzenlebens hervorruft, indem man mit denjenigen Pflanzen beginnt, bei welchen die geringere Complication der Organisation die Schlüsse einfacher und sicherer macht: die Pflanze wird sozusagen auf den cellulären Zustand zurückgeführt, und der Fortschritt der Wissenschaft zeigt mehr und mehr, dass das Studium der sich unter dem Einfluss des pflanzlichen oder thierischen Lebens in den verwickeltsten Kundgebungen abspielenden Vorgänge sich zu guter Letzt auf die Entdeckung der der Zelle eigenthümlichen Phänomene zurückführt. Nach zehn Tagen wurde die Flüssigkeit aus jeder Flasche filtrirt und einem ammonimetrischen Versuch unterworfen. Es wurde gefunden, dass Hydrodietyon fast drei Viertel des Ammoniaks und Conferva vulgaris fast die Hälfte zum Verschwinden gebracht hatte. Im Dunkeln war die Absorption des Ammoniaks fast um die Hälfte geringer. In keiner der Flüssigkeiten der Flaschen blieb die geringste be- rechenbare Spur Stickstoff zurück. Eine bemerkenswerthe Entwicklung von Gasblasen zeigte sich wie gewöhnlich unter dem Einfluss der Sonnenstrahlen um die dem Experiment unterworfenen Pflanzen herum.« (M&moires de l’Aca- d&mie des Sciences de Lyon t. III 1853.) Anmerkungen. 1. Die vorstehende Untersuchung bringt den, wie aus dem »Historischen« ersichtlich, Jahrhunderte alten Streit über das Vorhandensein der Urzeugung zum Abschluss. Nachdem Pasteur das Mangelhafte in der Beweisführung beider streitenden Par- teien aufgedeckt hat, tritt er vollkommen unvoreingenommen an das Problem heran und löst dasselbe in exactester und ein- wurfsfreier Weise. Dadurch ist die Untersuchung mustergültig seworden. Demnach entstehen selbst die niedrigsten uns be- kannten Organismen (Infusorien, Bacterien, Pilze) nicht spontan, sondern aus Keimen. Niehtsdestoweniger ist immer wieder das Vorhandensein der Urzeugung behauptet worden, und in gewissem Sinne tobt der Streit auch heute noch weiter. Aus dem Gesetz der Erhaltung von Kraft und Stoff muss nämlich Urzeugung gefordert werden. »Die Urzeugung leugnen, heisst das Wunder verkünden«, ruft Nägelk in seiner »Mechanisch-physiologischen Theorie der Ab- stammungslehre« (München und Leipzig 1884) aus, einem Werke, in welchem er diesem Probleme eine eingehende Betrachtung widmet. Zur tieferen Belehrung über diesen Punkt mag deshalb auf dies Werk hingewiesen werden. Den Widerspruch zwischen den Ergebnissen der exacten Forschung und der naturphilo- sophischen Forderung suchte man durch die Annahme zu be- seitigen, dass die Keime in Meteorsteinen eingeschlossen aus anderen Welten auf unseren Planeten gelangt seien. Damit wäre aber das Problem nicht gelöst, sondern nur verschoben, ganz abgesehen davon, dass die Lebensfähigkeit der auf die Erde gelangten Keime höchst unwahrscheinlich ist.‘ Die Lösung dieses Widerspruches musste anderswo gesucht werden und scheint uns in der überzeugendsten Weise von Nägel? erbracht zu sein. Ostwald’s Klassiker. 39. Ti 9S Anmerkungen. Mit Recht weist er darauf hin, dass selbst die niedrigsten uns bekannten Organismen, für die Urzeugung in Betracht kommen könnte, viel zu complieirt gebaut sind, um spontan entstanden zu sein. Weisen sie auch im Vergleich mit den höheren Orga- nismen nur eine beschränkte Differenzirung der Funetionen auf, so ist doch schon eine solche vorhanden, und das lässt auf eine lange Ahnenreihe schliessen. Das durch Urzeugung entstehende Wesen muss vollkommen einfach sein, »so kann es nur ein Tröpf- chen von homogenem Plasma sein, das blos aus Albuminaten ohne Beimengung von anderen organischen Verbindungen als den Nährstoffen, ohne äussere Formbildung und ohne innere Gliederung besteht und durch die unorganischen oder einfacheren organischen Verbindungen, aus denen es selbst entstanden ist, sich vergrössert und ernährt.« Da bereits die Baeterien an der Grenze des Sichtbaren stehen, so können wir nicht erwarten, diese durch Urzeugung entstandenen Wesen, »Probien«, welche viel kleiner sein müssen, wahrzunehmen. So löst sich ungezwungen der Widerspruch, und es behalten beide Parteien, die Anhänger der Urzeugung wie ihre Gegner, Recht. 2. Der Ausdruck Mucedineen ist in Frankreich gebräuch- licher als bei uns, wo diese Gruppe von Pilzen meistens als Hyphomyceten bezeichnet wird. | 3. Heterogenie oder heterogene Zeugung — Urzeugung, weil die entstehenden Pflanzen oder Thiere nicht aus Gleichartigem hervorgegangen sind. — Heterogenisten — Anhänger der Lehre von der Urzeugung. 4. Die beiden Tafeln sind Abzüge der Originalplatten, welche Verfasser und Verleger gütigst zur Verfügung stellten. Um die beträchtlichen Kosten für Aenderung der Platten zu sparen, sind die französischen Bezeichnungen auf den Tafeln nicht über- setzt worden. Dieselben sind ganz unabhängig von dem Text; auch darf ohne Weiteres vorausgesetzt werden, dass die Leser des Französischen so weit mächtig sind, um sie zu verstehen. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Taf.l. re 412. nz ze TINYAT z E ; — e , Ss: DYR PN I - a "R RATE SE (Em u u N ‚Ostwarp's KLASSIKER , 39. laut Add, zzmeire moyen Ir (2 ET) ya, 07: ram 3 5 el o13 a 0"o2, 208 ao F 000 1 0! nım. rem. ıflement = [z longueur =o largeur = 0 Fie.sı. lelat Zaturcl sans eat Duametre des lubes au ren POTCes [74 > Drametre d e lig: Dre w Jerdution de ae A & pweas un pas wunalac. kon lnamötee beplusgenifitanslessons\ = ie ohmpelet, och 0 ”weäß, non Ic a muven = 0""no2. ubserwesteng deu ehrt naturel Hig.s. ® | Teinture aynense Aünte INVr.HH an a Be RUN; I Tio4.o ran /eINN) Aidesultinigue areentre, undinafpe. ie | iamötre der taber un venflement = 07705. W788, j a Te mutun uns em | lanyenn = 0”"wo6 ii 007. EU SET DEU ae a a 97 = N x » 2. ZT: » 30. nal. Nr. a. Galileo Galilei, Unterredungen u. ee Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige ete, (1638.) 3. u. 4. Tag mit 90 Fig. im Text. Aus dem Italien. u. Latein. übers. u. here von Oettingen. (141 S.) X 2.—. (1638.) Anhang zum 3. u.4. Tag, 5. u. 6. Tag, mit 23 Fig. im Text. Aus dem Italien. u. Latein. übers. u. herausg. von A. von Oettingen. Mit Inhaltsverzeichniss zum 3.—6. Tag. (66 S.) 4 1.20. . Justus Liebig, Abhandlung über die Constitution der organi- schen Säuren. (1833.) Herausg. von Herm. Kopp. (86 8.) 4 1.40. . Robert Bunsen, Untersuchungen über die Kakodylreihe. (1837 — 1843.) Herausg. von A.v.Baeyer. Mit3Fig. im Text. (1488.).71.80. . L. Pasteur, Über d. Asymmetrie bei natürlich vorkommenden orga- nischen Verbindungen. (1860.) Übers. u. herausg. von M. u. A. Ladenburg. (56 S.) M —60. Ludwig Wilhelmy, Üb. d. Gesetz, nach welchem die Einwirkung der Säuren auf den Rohrzucker stattfindet. (1850.) Herausg. von W.Ostwald. (47S.) 2 —.8. S. Cannizzaro, Abriss e. Lehrganges der theoret. Chemie, vorgetr. an d. k. Universität Genua. (1858.) Übersetzt von Dr. Arthur MiolatiausMantua. Herausg. vonLothar Meyer. (618.) .21.—. Lambert’s Photometrie. (Photometria sive de mensura et gradibus luminis, colorum et umbrae). (1760.) Deutsch herausgegeben von E. Anding. Erstes Heft: Theil Iund II. Mit 35 Figuren im Text. 1338) 43. Zweites Heft: Theil III, IV und ’V. Mit 2 Figuren im Text. (112 8.) .% 1.60. Drittes Heft: Theil VI und VIlL. — An- merkungen. Mit 8 Figuren im Text. (172S.) .4 2.80. . R. Bunsen u. H. E. Roscoe, Photochemische Untersuchungen. (4855—1859.) Eıste Hälfte. Herausgeg. von W. Ostwald. Mit 43 Fig. im Text. (96 S.) .41.50. . Jacob Berzelius, Versuch, d. bestimmten u, einfachen Verhält- nisse aufzufinden, nach welchen die Bestandtheile d. unorg. Natur mit einander verbunden sind. (1811—1812.) Herausg. von W.Ost- wald. 2188) 23.—. Tr. on Üb. e. allg. Prineip d. mathemat. Theorie indueirter elektr. Ströme. (1847.) Herausg. von C. Neumann. Mit 10 Fig. im Text. (96 8.) 4 1.50. 8. Carnot, Betrachtungen üb. die bewegende Kraft des Feuers etc. (1824.) Übersetzt u. herausg. von W. Ostwald. Mit5 Fig. im Text. (72 8.) .% 1.20. . R. Bunsen u. H. E. Roscoe, Photochemische Untersuchungen. (1855 —1859.) Zweite Hälfte. Herausg. von W. Ostwald. Mit 18 Figuren im Text. (107 8.) 4 1.60. Zyh,, Pasteur, Die in d. Atmosphäre vorhandenen organ. Körperchen, Prüfung der Lehre von der Urzeugung. (1862.) Übersetzt von A. Wieler. Mit2 Taf. (98 8.) 4 1.80. . A. L. Lavoisier u. P. S. de Laplace, Zwei Abhandlungen üb. d. Wärme. (Aus den Jahren 1780 u. 1784.) Herauss. v.J. Dosen Mit 15 Fig. im Text. (74S.) 41%. In Vorbereitung befinden sich: Kepler, Ausgewählte Arbeiten. Herausg. von H. Gravelius (Berlin). - Maxwell, Abhandlungen zur Theorie der Elektrieität und des Magnetismus. - Nitscherlich, Abhandlung üb. d. Isomorphismus. Herausg. von G. Wiede- mann (Leipzig). ; Scheele, Abhandlung von d. Luft u. d. Feuer. Herausg. von J. Volhard er 2 ee a meh, (Halle). Wilhelm Engelmann. 3 5 er 7 . Pressboard Pamphlet Binder Gaylord Bros., Inc. Makers Stockton, Calif. PAT. JAN, 21, 1908 j INSTITUTION en | nIaNINmUNINN 8 01329 4079