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Kluukheiten der Pfanzen
Ein Handbuch für Kaud- und Forstwirte, Gärkner, Gartenfteuncle und Hotaniker
von
Dr. A. B. Frank
Profeſſor an der Königl. landwirtſchaftlichen Hochſchule in Berlin
Erſter Band Die durch anorganiſche Einflüſſe hervorgerufenen Krankheiten
Mit 54 in den Text gedruckten Holzſchnitten
Zweite Auflage
LIBRARY
FACULTY OF FORESTRY UNIVERSITY OF TORONTO
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Bres lau e
Verlag von Eduard Trewendt bi; 1895.
Vorwort zur erften Auflage.
Die Aufgabe des vorliegenden Buches iſt, unſre Kenntniſſe von den Krankheiten der Pflanzen in wiſſenſchaftlicher Form darzuſtellen, alſo ein möglichſt vollſtändiges Handbuch der Pflanzenpathologie zu ſein nicht bloß für den Botaniker, ſondern auch für alle diejenigen, welche ſich praktiſch mit der Kultur der Pflanzen beſchäftigen.
Für alle Völker, welche Pflanzenbau treiben, und ſomit in erſter Linie für uns Deutſche, hat notwendig die Kenntnis der Pflanzen— krankheiten ein in hohem Grade praktiſches Intereſſe, und der Wiſſen— ſchaft fällt daher auf dieſem Gebiete ganz beſonders die Aufgabe zu, helfend und fördernd für die wichtigſten unmittelbaren Bedürfniſſe und für die allgemeine Wohlfahrt einzutreten. Es muß alſo Bücher geben, welche die Pflanzenkrankheiten, ihre Urſachen und die Mittel, ſie zu heilen oder zu verhüten, kennen lehren.
Von den bereits vorhandenen allgemeinen Werken über Pflanzen— krankheiten unterſcheidet ſich das vorliegende zunächſt naturgemäß durch neueren Datum und konnte daher vieles berückſichtigen, was ſeit der letzten derartigen Publikation — das letzte, allgemeine Werk über unſern Gegenſtand das Handbuch von Sorauer, iſt 1874 erſchienen — von Pflanzenkrankheiten neu aufgetreten oder genauer bekannt geworden iſt. Meinem Plan gemäß ſoll ſich aber das Buch von ähnlichen andren hinſichtlich des Stoffes auch noch unterſcheiden 1. dadurch, daß es ſich nicht auf einen beſtimmten Kreis ſogenannter Kulturpflanzen beſchränkt, ſondern das ganze Pflanzenreich gleichmäßig in Betracht zieht, 2. dadurch, daß es alle einzelnen Krankheitsgebiete gleichmäßig behandelt, alſo z. B. nicht die durch paraſitiſche Pilze verurſachten Pflanzenkrankheiten allein oder in irgend bevorzugter Weiſe zum Gegen—
ſtand nimmt, 3. durch möglichſte Vollſtändigkeit auf jedem der einzelnen Krankheitsgebiete.
IV Vorwort
Was dieſen Plan an ſich anlangt, ſo bedarf er dem wiſſenſchaftlichen Botaniker gegenüber nicht nur keiner Entſchuldigung, jondern iſt eigentlich der einzig korrekte Weg für ein Handbuch der Pflanzenpathologie. Denn da die letztere ein Wiſſensgebiet innerhalb der Botanik iſt, ſo muß auch für ſie das Pflanzenreich ein in allen ſeinen Teilen gleich— berechtigtes Ganze ſein, und mancher tiefere und umfaſſendere Blick würde ihr verloren gehen, wenn ſie ſich in willkürlich gezogenen Grenzen beſchränken wollte.
Aber auch für den Praktiker hielt ich es von der größten Wichtig— keit, mich nicht auf unſre eigentlichen Kulturpflanzen zu beſchränken. Es leiteten mich dabei folgende Gründe. Erſtens iſt eine genaue Unterſcheidung von Kultur- oder Nutzpflanzen und Nichtkulturpflanzen unmöglich, wie z. B. bei den landwirtſchaftlichen Futterpflanzen, ins— beſondere bei den zahlreichen Arten Gräſer und Kräuter, welche den Beſtand der Wieſen bilden und die alle hinſichtlich des Ertrages in Betracht kommen. Vom Standpunkte des Forſtwirtes ſind beinahe alle Holzgewächſe Nutzpflanzen. Auch vermehrt ſich die Zahl der Kulturpflanzen immer noch; man denke an die zum Anbau als Ge— ſpinnſtpflanze empfohlene Brenneſſel, an die von Amerika ausgehenden Verſuche, Heidelbeer- und Preißelbeerſträucher im großen zu kultivieren ꝛc., und unter den Zierpflanzen nimmt in noch höherem Grade die Zahl der Kulturſpezies ſtetig zu. Zweitens ſind bereits ſchon mehr— fach Krankheiten, die vorher nur auf wildwachſenden Pflanzen vor— kamen, auf nahe verwandte Kulturpflanzen übergegangen. Dies kann jederzeit auch noch künftig geſchehen, und inſofern können auch Krankheiten wildwachſender Pflanzen einmal eine größere Bedeutung erlangen. Drittens kommen namentlich viele paraſitäre, anſteckende Krankheiten auf Kulturpflanzen und gewiſſen wildwachſenden Pflanzen zugleich vor, letztere können die erſteren anſtecken. Man muß daher auch das Vorkommen auf dieſen kennen, um über die Krankheit genau unterrichtet zu ſein und erfolgreiche Gegenmaßregeln zu finden. Übrigens ſind Gelegenheiten denkbar, wo für den Praktiker auch Pflanzen, die nicht Kulturpflanzen zu ſein brauchen, in Betracht kommen; wenn es ſich z. B. um die Bedingungen der Vegetation überhaupt handelt, oder wenn auf ſchädlichen Pflanzen, wie Unkräutern, Krankheiten ausbrechen, die in dieſem Falle willkommen und befördernswert ſein können. Endlich habe ich auch die Krankheiten ausländiſcher Pflanzen berückſichtigt, weil unter den letzteren viele find, denen wir wichtige Naturprodukte verdanken.
Der Inhalt des Buches entſpricht in der Hauptſache dem Stande, den die Wiſſenſchaft bis zum gegenwärtigen Zeitpunkte erreicht hat.
; Vorwort V
Die Pflanzenpathologie verdankt ihren jetzigen fortgeſchrittenen Zuſtand beſonders den lebhaften Forſchungen, welche den Pflanzenkrankheiten erſt in der neueren Zeit gewidmet wurden, ſeitdem die Pflanzenphyſiologie, die mikroſkopiſch-anatomiſchen Unterſuchungen und namentlich das Studium der Kryptogamen, beſonders der Pilze, einen neuen Auf— ſchwung genommen haben. Es haben denn auch hervorragende Leiſtungen ausgezeichneter Männer uns bereits über viele Pflanzen— krankheiten die klarſten Aufſchlüſſe gegeben. Allein die Aufgabe des Buches ſchien mir nicht bloß zu ſein, das bis jetzt ermittelte Poſitive vorzuführen, ſondern auch einesteils zur Erweiterung der Wiſſenſchaft beizutragen, andernteils die noch zu erledigenden Fragen zu bezeichnen und ſie von den ſicher erwieſenen Thatſachen abzugrenzen. In erſterer Beziehung wird man finden, daß mehrfach neue, bisher noch nicht oder kaum bekannte Pflanzenkrankheiten zur Kenntnis gebracht worden find und daß auch überall da, wo die Unvollſtändigkeit unſrer Kennt— niſſe einlud und ich Gelegenheit hatte weitere Forſchungen anzuſtellen, dies nicht verſäumt worden iſt, ſowie daß auch allerhand Erfahrungen über Auftreten von Krankheiten, die mir durch die Güte andrer mit— geteilt wurden und die ich ſelbſt am hieſigen Orte ſowie auf Reiſen machen konnte, erwähnt worden ſind. Was zweitens die kritiſche Be— handlung anlangt, ſo habe ich es als eine der wichtigſten Aufgaben betrachtet, Erwieſenes vom Unerwieſenen, Thatſachen von bloßen Vermutungen oder Hypotheſen zu ſondern. Das iſt außerordentlich notwendig gerade auf dem Gebiete der Pflanzenkrankheiten, wo mehr als anderwärts dem Aberglauben, der Phantaſie und dem unwiſſenſchaft— lichen Treiben der Laien Spielraum gelaſſen iſt. Die Wiſſenſchaft wird hier beſonders bedroht durch eine Flut kleinerer Spezial-Litteratur, die 5 unter ſcheinbar wiſſenſchaftlicher Flagge mit dreiſten Prätenſionen auf— tritt, ohne nur den Schatten eines Beweiſes für ihre Behauptungen beizubringen, ja oft ohne nur eine Ahnung zu haben, wie man über— haupt einen ſolchen Beweis erbringt, weil dem Betreffenden die dazu erforderlichen Kenntniſſe abgehen. Gegen dieſen Unfug iſt das einzig richtige Verhalten, alles Derartige mit Stillſchweigen zu übergehen. Aber innerhalb der Wiſſenſchaft gilt es, hauptſächlich die Grenzen zwiſchen ſicher ermittelten Thatſachen und allem noch Zweifelhaften ſcharf zu bezeichnen und aus dem unmittelbar Beobachteten keine un— berechtigten Schlüſſe zu ziehen. Ich habe dies überall in der der Sache entſprechenden Weiſe zu thun geſucht. Sollte dieſer kritiſche Stand— punkt mitunter an Skeptizismus angeſtreift ſein, ſo halte ich dies nicht ſowohl im Intereſſe der rein wiſſenſchaftlichen Betrachtung, ſondern auch in demjenigen des Praktikers für keinen Fehler und glaube mich
E ² A ÜV une
VI Vorwort
ſicher zu wiſſen, daß ich den Leſer auf den feſten Boden wiſſenſchaftlich begründeter Thatſachen ſtelle. So ſchien es mir denn auch meine Pflicht zu ſein, bei gewiſſen Krankheiten lieber kein Gegenmittel an— zugeben oder ausdrücklich den Mangel eines ſolchen zu konſtatieren, als welche zu nennen, die entweder gar nur auf der Einbildung des Volkes oder vorerſt doch nur auf wiſſenſchaftlichen Hypotheſen beruhen und deren Anwendung daher vielleicht nutzloſe Mühe und Koſten ver— urſachen würde; oder ich habe wohl dieſem oder jenem Mittel Ausſicht auf Erfolg verſprochen unter der ausdrücklichen Vorausſetzung, daß gewiſſe noch unerwieſene Verhältniſſe ſich bewahrheiten ſollten. Wo aber rationell begründete Mittel vorhanden ſind, habe ich ſie genügend bezeichnet, und nur da, wo ſie aus der dargelegten Krankheitsgeſchichte ſich ganz von ſelbſt ergeben, die Ergreifung der geeigneten Maßregeln dem Urteile des Leſers überlaſſen.
Was im übrigen die Behandlung des Themas, insbeſondere die Einteilung desſelben anlangt, ſo verweiſe ich auf das in der Ein— leitung Geſagte und bemerke nur noch, daß ich durch ein ſehr voll— ſtändiges Regiſter die Brauchbarkeit des Buches zu erhöhen geſucht habe, indem ich darin nicht nur die Namen der Krankheiten ſowie der ſchädlichen Tiere, Pilze und andern Krankheits-Urſachen, ſondern auch die Namen der Pflanzen ſelbſt, von denen Krankheiten beſprochen ſind, aufgenommen habe, letzteres zu dem Zwecke, um den Benutzer in den Stand zu ſetzen, die ihm vielleicht unbekannte Krankheit einer ihm vorliegenden Pflanze deſto leichter auffinden zu können. Über das Ganze wird man ſich durch das Inhaltsverzeichnis und im Terte ſelbſt durch die Kolumnentitel, durch die Überſchriften der einzelnen Abſchnitte, Kapitel, Abſätze u. ſ. w., ſowie namentlich durch die in großer Zahl angebrachten Marginalbemerkungen ſchnell und leicht orientieren. Die in den Text gedruckten Holzſchnitte, die meiſt nach meinen nach der Natur angefertigten Originalzeichnungen hergeſtellt ſind, werden zum Verſtändnis der Sache beitragen.
Trotz des guten Willens, die vorhandene wiſſenſchaftliche Litteratur ſo vollſtändig wie möglich zu benutzen, könnte, da der auf die Pflanzen— krankheiten bezügliche Litteraturſchatz ungemein zerſtreut iſt und ſogar auf entlegene Wiſſensgebiete ſich erſtreckt, einzelnes mir entgangen ſein, und ich würde mich jedem verbunden fühlen, der mich auf Lücken auf— merkſam machen ſollte. Selbſtverſtändlich konnten die allerneueſten Publikationen nicht mehr berückſichtigt werden. Seit dem Jahre 1876 iſt an der Fertigſtellung des Manuffriptes gearbeitet worden. Was in den folgenden Jahren erſchienen iſt, ließ ſich daher nicht mehr überall zur Geltung bringen. Außer kleineren Abhandlungen in Zeitſchriften
Vorwort VII
bezieht ſich das beſonders auf Sorauer's Obſtbaumkrankheiten und R. Hartig's Unterſuchungen aus dem forſtbotaniſchen Inſtitut zu München. Dieſe Unterſuchungen und inzwiſchen ſelbſt gemachte Er— fahrungen haben mich nur noch mehr in der Anſicht beſtärkt, daß der Krebs der Bäume, über deſſen Urſache ſo viel geſchrieben und ge— ſtritten worden iſt, eine Krankheitsform iſt, welche durch eine ganze Reihe der verſchiedenartigſten Urſachen bewirkt werden kann. Ich würde daher auch jetzt dieſer Anſicht einen noch viel beſtimmteren Ausdruck geben, als es im Buche geſchehen iſt. Die Wiſſenſchaft kennt eben keinen Stillſtand, und ihre ſtete Weiterentwickelung muß daher auch immer nach einiger Zeit unſre Anſchauungen erweitern.
Schließlich ſage ich allen Herren, die mich durch ihre Erfahrungen und Beobachtungen, ſowie durch Mitteilungen aller Art unterſtützt haben, meinen beſten Dank.
Leipzig, im September 1880. Der Derfaffer.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Von der zweiten Auflage meines Handbuches der Pflanzenkrankheiten erſcheint hier der erſte Band, enthaltend die durch anorganiſche Einflüſſe hervorgerufenen Krankheiten. Der zweite Band wird die durch Pilze und andere ſchädliche vegetabiliſche Organismen verurſachten Krankheiten behandeln, und der dritte diejenigen, welche durch tieriſche Beſchädiger veranlaßt werden, ſowie die auf ungenau bekannten Urſachen beruhenden. Dieſe Trennung, welche den Hauptkategorien der natürlichen Einteilung der Pflanzenkrankheiten entſpricht, dürfte zur Bequemlichkeit bei der Benutzung des Buches beitragen.
Das Bedürfnis nach einem neuen, zeitgemäßen, wiſſenſchaftlichen Werke über die Krankheiten der Pflanzen wird nicht nur von den Praktikern, ſondern auch von den Gelehrten empfunden. Zwar ſind ſeit der erſten Auflage meines Handbuches noch andre Werke gleichen oder ähnlichen Charakters erſchienen, aber auch ſie ſind durch die raſch weiter ſchreitenden Forſchungen auf dieſem Gebiete und durch das in der jüngſten Zeit leider vielfache Auftreten neuer Krankheiten und Be— ſchädigungen der Kulturpflanzen überholt worden. Denn in der neueren Zeit wird den Pflanzenkrankheiten ein immer wachſendes Intereſſe geſchenkt; faſt in allen Kulturländern wird jetzt eifrig gearbeitet, um die Krankheiten der Kulturpflanzen zu verfolgen, genauer zu ſtudieren
VIII Vorwort
und zu unterſcheiden, und eine Menge Verſuche werden angeſtellt, um Gegenmittel gegen die Pflanzenkrankheiten zu probieren oder ausfindig zu machen. Aus dieſen Arbeiten entſpringt alljährlich eine Fülle von Litteratur, und gegenwärtig vermag nur noch derjenige, welcher ſich ſpeziell mit Pflanzenpathologie beſchäftigt, dieſe weit zerſtreuten Mit— teilungen zu überſchauen, zu ſammeln und zu verarbeiten. Ein modernes Handbuch der Pflanzenkrankheiten hat daher namentlich die Aufgabe, die bis in die jüngſte Zeit reichenden litterariſchen Erſcheinungen auf dieſem Gebiete wiſſenſchaftlich zuſammengeſtellt und kritiſch geſichtet dem Publikum darzubieten. Freilich werde ich dieſe Aufgabe vielleicht nicht vollkommen gelöſt haben. Es könnte ſein, daß noch Publikationen, welche in dieſes weit ausgedehnte Gebiet einſchlagen, exiſtieren, die nicht unter den mir zugänglich geweſenen litterariſchen Hilfsmitteln zu finden waren. Auch konnten naturgemäß die Schriften allerjüngſten Datums nicht mehr benutzt werden; es bezieht ſich das namentlich auf die über das Jahr 1892 hinausreichenden Erſcheinungen, da bereits im Jahre 1893 an den Abſchluß des Manuffriptes gegangen werden mußte.
Der Plan des Werkes iſt derſelbe geblieben. Es ſind wiederum die bekannten Krankheiten aller Pflanzen behandelt worden, alſo nicht bloß diejenigen der Kulturgewächſe, ſondern auch die der wildwachſenden Pflanzen, auch nicht bloß die der einheimiſchen Vegetation, ſondern auch die in andern Ländern bekannt gewordenen Pflanzenkrankheiten. Selbſtverſtändlich nehmen die Kulturpflanzen die hervorragendſte Stelle ein; es iſt dabei auf die Landwirtſchaft, die Forſtwirtſchaft und den Gartenbau in gleichem Grade Rückſicht genommen worden. Auch ſind nicht etwa gewiſſe Krankheitsgebiete vor andern bevorzugt worden, wie es ja bei ſolchen Werken leicht vorkommen kann, daß je nach der Forſchungs— richtung des Verfaſſers bald die Krankheiten, welche durch Pilze, bald diejenigen, welche durch Tiere verurſacht werden, eine größere Be— rückſichtigung finden; ich habe vielmehr auch in dieſer neuen Auflage alle drei Hauptgebiete der Pflanzenkrankheiten in gleicher Vollſtändigkeit zu bearbeiten geſucht. Der Geſamtumfang hat natürlich um etwas gegen denjenigen der erſten Auflage zugenommen, wie das bei dem bedeutenden Zuwachs unſres Wiſſens nicht anders zu erwarten war. Manche Abſchnitte ſind auch von Grund aus umgearbeitet worden. Vielfach habe ich die Illuſtrationen vermehrt, teilweiſe auch durch neue erſetzt. Jeder Band erhält ſein eigenes Regiſter und wird daher ei ſelbſtändig zu benutzen ſein.
Berlin, im Oktober 1894.
Der Verfaſſer.
Inhaltsverzeichnis.
Einleitung
I. Abſchnitt. Von den un des wanne II. Abſchnitt. Von den Wunden .
1. Kapitel. Störung der Lebensthätigkeiten infofge von Bi 2. Kapitel. Die Reaktionen der Pflanze gegen Verwundungen. Natürliche Schutzvorkehrungen, e und Wende an den Wunden. Wundkrankheiten . Re
A. Natürliche Schutzvorkehrungen nach Benvumdungen s I. Schutzholz und Kernholz II. Sekretionen an Wunden. Harzfluß, Reſinoſis der Koniferen 0 Gummifluß oder Gummoſis der Steinoöſtbaume Gummifluß andrer ee 5 Mannafluß 3
B. Die natürlichen Se po e
I. Heilung durch Wundkork II. Heilung durch Callus
1. Verkorkender Callus als bloßer Wundverſchluß
2. Callus an Stecklingen .
3. Bedeckung der Wunde mit Callus, aus weichem © Cambium, Rinde und Holz regeneriert werden
4. Ueberwallung 5
5. Verwachſung von Stämmen, Zweigen und Burgeln mit einander
6. Regeneration eines! Vegetationspunktes aus Callus
C. Reproduktionen neuer Glieder nach ehe von een Stengeln oder Blättern .. N I. Erſatz der Wurzeln. 5 II. Erſatz der Knoſpen und Zweige AR Verhalten der krautartigen Pflanzen. Verhalten der Holzpflanzen .
III.
2 8
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K B 0 D. E F G
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L.
Inhaltsverzeichnis
Erſatz der Blätter .
Verhalten der krautartigen Pflanzen a Verhalten der Holzpflanzen . ; Wundkrankheiten und Wundfäule
a e e eee der Wunden nicht hesiger Bilanzen
teile. . Zerſetzungserſcheinungen des Holzes .
apitel. Die Verwundungsarten ..
A. Das Aufſpringen fleiſchiger Pflanzenteile i Abgeſchnittene Pflanzenteile Veredelung.
Verſtümmelung der Samen.
Verwundung der Wurzeln .. Die Stamm- und Srocigverftfnmehungen . Die Entrindungen der Stämme
Fremde Körper .. Zeichen und uſchriten ; .Das Harzen b
. Quetjchwunden
Schälen, Fegen und Nagen Inſektenfraß in der Rinde
F
„Die Entlaubung .
Blattwunden
Verwundung der Blüten
Verwundung der Früchte .
4. Kapitel. Behandlung der Wunden
III.
Abſchnitt. Erkrankungen durch atmoſphäriſche eu f
1. Kapitel Das Licht.
I. 13
Verhinderung der Chlovophyilbildung durch Lichtmangel Verhinderung der Kohlenſäureaſſimilation 1 1 Lichtmangel
III. Abnormitäten des Wachstums bei Lichtmangel
IV.
Mangelhafte Ausbildung der mechaniſchen 6 Gewebe bei eic mangel 5 ;
V. Abſterben grüner Teile bei dauernder Verdumtelung VI. Tödliche Wirkung intenſiven Sonnenlichtes 2. Kapitel. Die Temperatur A. Tötung durch Hitze . B. Wirkungen des Froſtes
I
II. III. 3 8
Das Gefrieren der Frauen
1. Eisbildung ;
2. Krümmungen
3. Farbenänderungen . "De: Ders
Die Folgen des Gefrierens ..
Verſchiedene Empfindlichkeit der Pflanzen gegen Froft . 8
Lokale Beſchädigungen durch den Froſt an den Pflanzen .
Aufziehen der Saaten durch den Froſt .. 5
„Dürre, mißfarbige Blattflecke.. .
. Abfrieren der jungen Triebe und Triebſpitzen bi Holzpflanzen
4. Erfrieren der Obſtbaumblüten, weißſpitzige Roggenähren .
5. Beſchädigungen der Rinde und des Hole der e We Froſt; Rindenbrand, Froſtkrebs ꝛc. .
2 0 —
„Froſtſchutzmittel .
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©
4.
Inhaltsverzeichnis
C. Störungen einzelner Lebensprozeſſe infolge der — ihrer Temperaturgrenzen . A
Wachstum und Keimung. .
! al ar und Sefamtproduftion
. Wurzelthätigfeit . \ g
. Ergrünung A
. Süßmerden der Kartoffeln in der Kälte.
Froſtgeſchmack der Weinbeeren . .
Kapitel. Die eb ana } LE 8 R 2. Hagel N 1 8. Schneedrud, Eisanhang, Lawinen.
Kapitel. Der Sturm .
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Kapitel. Der Blitzſchlag
1. Blitzſchlag in Bäume . 2 2. Blitzſchlag in Weinberge . Ä 3. Blitzſchlag in Wieſen und Aecker.
Kapitel. Das Feuer
IV. Abſchnitt. Erkrankungen durch Bodeneinflüfle .
„Kapitel. una des e mit einem eee
Medium.
. Kapitel. Ungünſtige räumliche detelniſe Be: ease
des Erdbodens
1. Ungenügendes Bibennnlunieh ;
2. Neigung der Bodenoberfläche .. 3. Zu tiefe und zu flache Lage der Saat 4. Verſchüttung und Tiefpflanzung
. Kapitel. Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheiten des Erdbodens
1. Zu große und zu geringe Feſtigkeit des Erdbodens. 2. Ungenügende Durchlüftung des Erdbodens. 5
Kapitel. Ungünſtige Zuſammenſetzung des Bodens.
A. Der Waſſermangel 1. Störung der Keimung 2. Welken 3. Sommerdürre, Verſcheinen n und None des Getreides. 4. Berziwergung . 5 s
B. Ungenügende Nährstoffzufuhr 5 I. Nährſtoffmangel
. Verbindungen als s notwendige Mährfofe Stick
Silicium Kalium Calcium Magneſium Eiſen
SSD DDD DD e
—
XII Inhaltsverzeichnis
II. Unterbleiben der Ernährungsſymbioſe 1. Die mykorhizenbildenden Pflanzen 2. Die Wurzelanſchwellungen 1 Erlen, Clagüaclen und „Muyricaceen . Die Munzelknöllchen bildenden Leguminoſen'
C. W Konzentrationsverhältniſſe der Nährſtoffe
V. Abſchnitt. Erkrankungen durch . nne *
I. Der Saueritoff . Ä II. Die Kohlenjäure 8 III. Feuchtigkeitsgehalt der Luft IV. Die eigentlichen Gifte. .. A. Giftige Safe. . 1. ran Säure 2. Leuchtgas .. 3. Verſchiedene andre giftige Gaſe B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stofe Anorganiſche Berbindungen . Organiſche Verbindungen
Einleitung.
I. Die Lehre von den Pflanzenkrankheiten, ihre Geſchichte Die Pflanzen⸗
und Litteratur. Die Krankheiten der Pflanzen gehören ins Gebie der Botanik; die von ihnen handelnde Wiſſenſchaft hat ſich aber mehr und mehr zu einer ſelbſtändigen Disciplin entwickelt, welche man die Pflanzenpathologie oder Phytopathologie nennt, ganz ebenſo wie die Lehre von den tieriſchen und menſchlichen Krankheiten zu einem beſonderen Wiſſensgebiete geworden iſt. Hier wie dort hat ſich die Pathologie von der Phyſiologie, an welche ſie am nächſten ſich anſchließt, mehr und mehr abgegrenzt, wiewohl immer die Phyſiologie die natürliche Grundlage der Pathologie bleiben muß und es auch keinen Pflanzenpathologen geben kann, der nicht zugleich Pflanzenphyſiologe wäre.
Man hat in der Botanik neben der eigentlichen Pathologie auch noch eine beſondere Disciplin unter dem Namen Teratologie ge— ſchaffen, welche die Beſchreibung der Mißbildungen oder Bildungs— abweichungen, deren ſo vielfache am Pflanzenkörper vorkommen, zur Aufgabe hat und über welche ſogar eigene Werke geſchrieben worden ſind. Da aber auch die Entſtehung abnormer Geſtalten als ein Aus— druck krankhafter Lebenshätigkeiten angeſehen werden muß, deren ver— ſchiedenen phyſiologiſchen Urſachen nachzuſpüren Aufgabe der Wiſſen— ſchaft iſt, ſo werden wir auch die Bildungsabweichungen mit zur Pathologie ziehen und ſie an den gehörigen Stellen behandeln.
Die Aufgabe der Pflanzenpathologie iſt eine dreifache. Sie ſoll 1. die einzelnen Pflanzenkrankheiten kennen und unterſcheiden, alſo mit dem richtigen Namen bezeichnen lehren. Es handelt ſich alſo hierbei um eine Beſchreibung der Veränderungen, welche an der kranken Pflanze zu beobachten ſind, und beſonders der Merkmale oder ſoge—
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl, 1
pathologie, ihre
Geſchichte und Litteratur.
Hiſtoriſches.
2 Einleitung
nannten Symptome der verſchiedenen Krankheiten. Mit Hilfe dieſer Mittel erreichen wir alſo bei einer kranken Pflanze ungefähr das, was der Arzt durch die ſogenannte Diagnoſe erzielt. 2. ſoll uns die Pflanzenpathologie über die Krankheitsurſachen unterrichten. Sie kann dieſe Aufgabe in noch befriedigenderem Maße, als zur Zeit die tieriſche und menſchliche Pathologie erfüllen, da die allermeiſten Pflanzen— krankheiten nach ihren Urſachen ziemlich genau aufgeklärt ſind. Dieſe Aufgabe würde alſo der Atiologie analog ſein. Und endlich 3. ſoll die Pflanzenpathologie die Mittel zur Bekämpfung der Pflanzen— krankheiten uns an die Hand geben. Durch dieſe Aufgabe gewinnt ſie erſt das hohe Intereſſe, welches der praktiſche Pflanzenbau, die Land- und Forſtwirtſchaft, ſowie der Gartenbau an dieſer Naturwiſſen— ſchaft nehmen. Aber ſelbſtverſtändlich iſt ſie dieſer dritten Aufgabe erſt nach Erfüllung der beiden erſtgenannten gewachſen. Dieſer Teil der Pathologie hat es alſo einesteils zu thun mit der Heilung ſchon vorhandener Pflanzenkrankheiten, ſoweit von einer ſolchen die Rede ſein kann, und würde dann der Therapie entſprechen, andererſeits hat er für die Verhütung der Pflanzenkrankheiten zu ſorgen und wird dann zur Prophylaxis, die in Bezug auf den praktiſchen Pflanzen— bau meiſtens als der wichtigſte Teil der Pathologie anzuſehen iſt. Die hiſtoriſchen Anfänge unſrer Wiſſenſchaft verlieren ſich wie die faſt aller Naturwiſſenſchaften in das Altertum. Freilich beſchränkte ſich damals die Kenntnis von denſelben faſt nur auf die äußerliche Unterſcheidung der auffallendſten und charakteriſtiſchſten Krankheits— erſcheinungen, wie denn z. B. ſchon im griechiſchen und römiſchen Altertum der Roſt und der Brand am Getreide bekannt waren. Mit der Erkenntnis des Weſens und der Urſachen der Pflanzenkrankheiten konnte natürlich erſt ſeit der Zeit der Anfang gemacht werden, wo man mit Hilfe des Mikroſkopes und der Chemie genaueren Einblick in den Bau und in die Lebensvorgänge der Pflanzen gewinnen konnte, alſo mit dem Ende des vorigen und dem Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts. Nachdem die Grundlagen der Pflanzenphyſiologie gelegt waren, erſchienen auch die erſten wiſſenſchaftlichen Werke über Pflanzen⸗ krankheiten, und zwar von Unger, von Wiegmann und von Meyen in den Jahren 1833 bis 1841. Zwar tritt uns in dieſen Werken eine ſchärfere Unterſcheidung dex einzelnen Krankheiten und die Bemühung, dieſelben urſächlich zu erklären, entgegen; aber für das wichtige Gebiet der durch paraſitiſche Pilze verurſachten zahlreichen Pflanzenkrankheiten waren dieſelben noch völlig verfehlt; der namentlich von Unger gehegte Irrtum, daß die paraſitiſchen Pilze nicht durch eigene Keime entſtehen, ſondern aus einer abnormen Thätigkeit der
Einleitung 3
Zellen der Nährpflanzen ſelbſt hervorgehen, beherrſchte noch die da— maligen Schriften. Eher und leichter wurden diejenigen zahlreichen Pflanzenbeſchädigungen ihrem Weſen nach erkannt, welche durch Inſekten veranlaßt werden, indem das Studium dieſer Tiere und ihrer Lebens— weiſe, zunächſt beſonders dasjenige der Forſtinſekten, ſeit den vierziger Jahren zuerſt durch Th. Hartig und Ratzeburg erfolgreich betrieben wurde. Aber die Unkenntnis, welche noch bezüglich der Entwickelungs— geſchichte der paraſitiſchen Pilze herrſchte, ja überhaupt die völlige Unbekanntſchaft der meiſten dieſer nur mikroſkopiſch und ſchwieriger auffindbaren Pflanzenfeinde hatte zur Folge, daß man die wichtigſten infektiöſen Pflanzenkrankheiten und überhaupt alle, die nicht ſogleich auf eine ſichtbare äußere Urſache ſich zurückführen ließen, als Folgen ungeeigneter Ernährung anſah und aus dem Mangel eines oder des andern Nährſtoffes im Boden erklären zu müſſen glaubte. Erſt ſeit— dem die Erforſchung der Entwickelungsgeſchichte der Pilze, insbeſondere der Schmarotzerpilze, durch de Bary, zunächſt durch ſein Buch „Unter— ſuchungen über die Brandpilze, Berlin 1853“, in Angriff genommen worden war, verbreitete ſich auch über dieſe Pflanzenkrankheiten mehr und mehr Licht; es folgten jetzt weitere Unterſuchungen von Kühn, von Tulasne und von de Bary, denen ſich bis in die neueſte Zeit noch viele andere Forſcher anſchloſſen. Durch die erfolgreichen Bemühungen ſo vieler Kräfte auf dieſem nämlichen Gebiete wurde eine neue Periode in der Wiſſenſchaft von den Pflanzenkrankheiten eröffnet, indem es ſich jetzt erſt herausſtellte, daß die verbreitetſten und ſchädlichſten Krankheiten der Kulturpflanzen durch paraſitiſche Organismen, die teils den Pilzen, teils dem Tierreiche, beſonders den Nematoden, Milben und Inſekten, angehören, hervorgerufen werden.
Es iſt aber für die Geſchichte unſerer Wiſſenſchaft auch der Weine
bemerkenswerte Umſtand von Einfluß, daß ſich der Gegenſtand der neuer Krank—
Pflanzenpathologie ſelbſt noch fortwährend vergrößert. Immerfort treten neue Krankheiten an den Pflanzen hervor, die vorher noch nicht da waren oder wenigſtens unſrer Beobachtung entgangen find; jo daß alſo auch aus dieſem Grunde ſich immer neuer Stoff der Forſchung darbietet und die Wiſſenſchaft wenigſtens vorläufig noch gar keinen Abſchluß finden kann. Während gewiſſe Pflanzenkrankheiten nach— weislich ſchon im Altertum bekannt waren, läßt ſich bis in die neueſte Zeit das Auftreten neuer Krankheiten verfolgen. Der Traubenpilz Oidium Tuckeri iſt auf den Reben des europäiſchen Feſtlandes erſt ſeit dem Jahre 1848 beobachtet worden. Die jetzt in allen kartoffelbauenden Ländern heimiſche Kartoffelkrankheit, welche durch den Pilz Phytophthora infestans verurſacht wird, iſt erſt mit dem Jahre 1845 gekommen, 1*
heiten.
Litteratur.
4 Einleitung
ohne ſeitdem wieder verſchwunden zu ſein. Die Reblaus iſt in den ſechziger Jahren von Amerika in Europa eingewandert und hat ſich erſt auf dem europäiſchen Weinſtocke zu einem Pflanzenfeinde erſten Ranges und zu einer noch immer andauernden Gefahr für den Wein— bau unſeres Erdteiles entwickelt. In den achtziger Jahren brach im Altenlande in den Marſchgegenden der Unterelbe eine Seuche unter den Kirſchbäumen aus, von welcher der Obſtbau bis dahin nichts wußte, und welche die Ausſicht auf die fernere Exiſtenz des Kirſchbaumes in jenem Obſtlande in Frage ſtellte; es war auch hier wieder ein plötzlich zu allgemeiner epidemiſcher Entwickelung gekommener Schmarotzerpilz, Gnomonia erythrostoma, den ich als die Urſache dieſer Kirſchbaum— krankheit auffand. Endlich noch in den allerletzten Jahren entdeckte ich einen neuen paraſitiſchen Pilz der Zuckerrüben, Phoma Betae, welcher eine ſehr ſchädliche Krankheit der Rübenpflanzen und vielfach bedeutende Rückgänge im Rübenertrage verurſacht; Pilz und Krankheit ſind auf einmal in den Provinzen Schleſien, Pommern, Weſtpreußen, Branden— burg, Sachſen und Hannover zur Kenntnis gekommen.
Im Folgenden zählen wir nur die allgemeinen Lehr- und Hand— bücher, welche ſich mit dem Geſamtgebiete oder wenigſtens mit einem Hauptgebiete der Pflanzenpathologie beſchäftigen, nach der Altersfolge auf. Die überaus umfangreiche Spezial-Litteratur, welche in andern Werken, beſonders aber in Fachſchriften zerſtreut iſt und meiſt nur einzelne Pflanzenkrankheiten behandelt, iſt an den einzelnen Stellen dieſes Werkes, wohin ſie jeweils gehört, zu finden.
Unger, Die Exantheme der Pflanzen und einige mit dieſen verwandte Krankheiten der Gewächſe. Wien 1833.
Wiegmann, Die Krankheiten und krankhaften Mißbildungen der Gewächſe. Braunſchweig 1839.
Meyen, Pflanzenpathologie. Lehre von dem krankhaften Leben und Bilden der Pflanzen. Berlin 1841. f
J. Kühn, Die Krankheiten der Kulturgewächſe, ihre Urſachen und Verhütung. Berlin 1858.
Ratzeburg, Die Forſtinſekten. Berlin 1839 — 44.
Ratzeburg, Die Waldverderbnis. Berlin 1866-68.
Willkomm, Die mikroſkopiſchen Feinde des Waldes. Dresden 1866.
Hallier, Phytopathologie. Die Krankheiten der Kulturgewächſe. Leipzig 1868.
M. Masters, Vegetable Teratology. London 1869.
Moquin Taudon, Pflanzenteratologie. Deutſch v. Schauer. Berlin 1842.
Kaltenbach, Die Pflanzenfeinde aus der Klaſſe der Inſekten. Stuttgart 1874.
Nördlinger, Die kleinen Feinde der Landwirtſchaft. Stuttgart 1869.
Einleitung 5
Taſchenberg, Die der Landwirtſchaft ſchädlichen Inſekten und Würmer. Leipzig 1865.
Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. Berlin 1874. — 2. Auflage 1886.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. Breslau 1880.
R. Hartig, Wichtige Krankheiten der Waldbäume. Berlin 1874.
R. Hartig, Lehrbuch der Baumkrankheiten. Berlin 1882. — 2. Auflage 1889.
Kirchner, Die Krankheiten und Beſchädigungen unſerer landwirtſchaft— lichen Kulturpflanzen. Stuttgart 1890.
Ritzema-Bos, Tieriſche Schädlinge und Nützlinge für Ackerbau ıc. Berlin 1891.
Frank und Sorauer, Pflanzenſchutz. Berlin 1892.
II. Begriff der Pflanzenkrankheit. Die Bemühung, von dem Begriff Krankheit eine ſcharfe Definition zu geben, iſt fruchtlos, weil ja Krankheit und Geſundheit Zuſtände bezeichnen, die ohne Grenze in einander übergehen. Immerhin verlohnt es ſich näher über die Grenzen dieſes Begriffes nachzudenken, um ſich zu überzeugen, wie verſchwommen nach allen Seiten hin derſelbe namentlich im Pflanzenreiche iſt.
Man muß bei der Entſcheidung, ob etwas krankhaft an einer Pflanze iſt oder nicht, immer von den ſpezifiſchen Merkmalen der be— treffenden Pflanze ausgehen. Denn was für die eine Pflanzenart abnorm iſt, kann bei einer andern Art dem normalen Zuſtande ent— ſprechen, wie z. B. das Fehlen des Chlorophylls, alſo der grünen Farbe der Pflanze, da es ja Pflanzen giebt, bei denen Chlorophyll— mangel zu den regelmäßigen natürlichen Merkmalen gehört. Als Krankheit kann alſo nur eine Abweichung von den normalen Zuſtänden der Spezies gelten. Allein die Schwierigkeit, auch in dieſer Definitionden Begriff Pflanzenkrankheit zu begrenzen, zeigt ſich beſonders aus folgenden Gründen:
1. Weil jeder Pflanzenteil notwendig von ſelbſt zu einer gewiſſen Zeit abſtirbt und man alſo dieſen natürlichen Tod im Alter nicht als eine Krankheit bezeichnen kann, doch aber nicht ſelten ganz gleiche Erſcheinungen in Folge ſchädlicher Einwirkung eintreten können, längere oder kürzere Zeit vor dem natürlichen Tode und ihn alſo gewiſſer— maßen nur beſchleunigen. So tritt z. B. das Abſterben des Kartoffel— krautes, wenn der Pilz der Kartoffelkrankheit erſcheint, bald viel, bald nur wenig früher als im normalen Verlaufe ein, je nach der Zeit des Er— ſcheinens des Parafiten. Kann man in dieſem Falle immer noch durch das Auffinden des Paraſiten das etwaige Vorliegen einer Krankheit beurteilen, ſo wird letzteres ſehr ſchwer oder unmöglich, wenn andre als direkt ſichtbare Urſachen, z. B. Witterungs- oder Bodenverhältniſſe die Veranlaſſung ſind.
Begriff der Krankheit.
Der natürliche Tod.
Verhältnis der Glieder zum Körper.
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Bei den perennierenden Pflanzen ſollte man glauben, daß ein natürlicher Tod aus inneren Urſachen ausgeſchloſſen iſt, weil bei dieſen Pflanzen die Art der Vegetation eine beſtändige Verjüngung herbei— führt. Die perennierenden Kräuter treiben aus ihren älteren Teilen alljährlich neue Sproſſungen, welche in dem Maße als jene abſterben an deren Stelle treten. Und auch bei den Bäumen bildet die Cambium— ſchicht alljährlich neue Zellen, aus denen jedes Jahr ein neuer Holz— ring und eine neue Rindelage ſich entwickelt, während in dem gleichen Maße das ältere Holz und die ältere Rinde aus den Lebensthätigkeiten ausſcheiden, und jedes Jahr bilden ſich neue Knoſpen, welche mit jugendlicher Kraft die Vegetation aufnehmen, und die wir deshalb auch als Stecklinge benutzen können, um daraus einen neuen, wieder— um zu hohem Alter gelangenden Baum zu erziehen. Aber erfahrungs— gemäß haben die Bäume doch keine unbegrenzte Lebensdauer. Ihr Tod erfolgt nicht aus inneren Urſachen, ſondern regelmäßig durch äußere, in jedem Falle nachweisbare Faktoren. Es ſind dies die während der langen Lebensdauer unvermeidlichen verſchiedenen Ge— fahren, denen der Baum ausgeſetzt iſt, indem Sturm, Blitz, die Witterungseinflüſſe, Tierfraß allmählich immer mehr Verletzungen herbei— führen, aus denen ſich nach und nach tiefer gehende Zerſetzungs— erſcheinungen entwickeln müſſen, und zu denen früher oder ſpäter auch paraſitäre Organismen oder Saprophyten ſich geſellen, welche am Werke der Zerſtörung ſich beteiligen. Aus dieſen Beſchädigungen re— ſultieren dann notwendig auch Störungen in den Funktionen der be— ſchädigten Teile, z. B. der Wurzelthätigkeit, der Saftleitung ꝛc., und dieſe Störungen werden ihrerſeits zu weiteren Urſachen von Erkrankungen, die ſchließlich zum Tode führen. So iſt alſo bei den Bäumen das natürliche Lebensende eine Folge unfehlbar ſich einſtellender Krank— heiten, nicht aber einer eigentlichen Altersſchwäche.
2. Weil die einzelnen Teile der Pflanze meiſt nicht in demjenigen innigen Abhängigkeitsverhältnis zum ganzen Pflanzenkörper ſtehen, wie es zwiſchen den Gliedern und dem ganzen Körper des Tieres der Fall iſt. Während am letzteren faſt jede Beſchädigung oder Störung eines Organs mehr oder minder den Geſamtorganismus in Mitleidenſchaft zieht, können wir bei der Pflanze einzelne Organe vom Körper trennen, z. B. Zweige vom Stamm, Blätter von den Zweigen, einzelne Teile von den Blättern, ohne daß dadurch die Lebenserſcheinungen des Ganzen merklich geſtört werden. Am einzelnen Blatte kann alſo zwar eine ausgeprägt pathologiſche Veränderung oder Zerſtörung eintreten; für das ganze Individuum bleibt dieſelbe belanglos. Das letztere ſelbſt würde erſt in dem Maße merkbar beeinflußt werden, und alſo als
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krank bezeichnet werden dürfen, als die Zahl der Blätter, die ſolche Beſchädigungen zeigen, größer wird. 3. Weil von den pathologiſchen Veränderungen nicht immer ſtreng Variationen. die Variationen der Pflanze zu ſcheiden ſind, die größtenteils zu den normalen Formen der Species gehören. Manche durch Kultur erzeugte Varietäten haben indes wirklich pathologiſche Merkmale, d. h. ſolche, mit welchen eine Unterdrückung oder Beeinträchtigung normaler Lebens— prozeſſe verbunden iſt, z. B. der Blumenkohl, weil hier die Blüten verkümmern, die Varietäten mit panachierten Blättern, weil hier die Aſſimilationsthätigkeit des Blattes an den nicht grünen Teilen des Blattes unmöglich iſt, die Varietäten mit gefüllten Blüten, weil hier die Fortpflanzungsorgane verkümmert ſind, und Unfruchtbarkeit die Folge iſt. Anderſeits gelten uns manche durch Kultur erzeugte Va— rietäten ohne pathologiſche Merkmale ſo ſehr als Norm, daß wir un— willkürlich geneigt ſind, das Zurückſchlagen auf die Zuſtände, welche die Species in der Wildnis zeigt, die aber auch nicht pathologiſch ſind, als abnorm und krankhaft zu betrachten, z. B. das Dünn-, Holzig- und Zuckerarmwerden der Möhrenwurzeln, das Steinigwerden des Kern— obſtes. Es könnte alſo vorkommen, daß man eine und dieſelbe Pflanze bald für krank, bald für geſund erklärt, je nachdem man ſich auf den Standpunkt des Pflanzenzüchters oder des theoretiſchen Botanikers ſtellt. 4. Weil das Vorkommen fremder Organismen an der Pflanze unterſchied der nicht immer den Charakter eines ſchädlichen paraſitären Eingriffes, e ei ; 133 f raſitismus. ſondern auch den einer gleichgültigen Beherbergung oder ſogar den einer vorteilhaften Symbioſe haben kann, was namentlich von den My— korhizen der Waldbäume und von den Pilzkammern der Leguminoſen gilt. Es ſind nun Fälle denkbar, wo nicht ohne weiteres zu entſcheiden iſt, ob ein in einer Nährpflanze vorkommender Pilz oder eine durch ein Tier erzeugte Gallenbildung als etwas Pathologiſches oder als eine gutartige, unſchädliche Symbioſe zu gelten hat. Gerade ſehr viele durch Inſekten erzeugte Gallen find ſymbiotiſche Einrichtungen, welche dem gallenbewohnenden Tiere eine geſicherte Entwickelung bieten und zugleich den die Galle tragenden und ernährenden Pflanzenteil nicht nachteilig beeinfluſſen; nur wenn in übergroßer Menge ſolche Gallen an einem und demſelben Pflanzenteile, z. B. auf einem Blatte ſich be— finden, können dieſelben die Ausbildung und die Funktionen des letzteren beeinträchtigen. III. Die allgemeinen Symptome des Todes und die be- Symptome. ſonderen Krankheitsſymptome. Sehr oft beſtehen die Krankheiten der Pflanzen darin, daß beſtimmte Teile derſelben, alſo da alle Teile aus Zellen beſtehen, beſtimmte Zellen abſterben. Es gilt daher ein für
Beſchaffenheit
toter Pflanzen—
zellen.
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alle Mal, ſich bekannt zu machen mit den Merkmalen, welche als Zeichen des Todes bei den Pflanzenzellen zu betrachten ſind. Aus den Veränderungen, welche die Zellen bei ihrem Tode erleiden, er— klären ſich auch diejenigen, welche der ganze Pflanzenteil beim Abſterben zu zeigen pflegt. Die Symptome des wirklich eingetretenen Todes ſind nun bei den Pflanzenzellen und ſomit auch am ganzen Pflanzenteile im allgemeinen immer dieſelben, gleichgültig ob es ſich um den zur natürlichen Zeit ſich einſtellenden Tod oder um das in Folge einer Krankheit eintretende Abſterben handelt, und auch je nach den Krank— heitsurſachen ſind ſie nicht verſchieden.
Es läßt ſich eine Reihe von Merkmalen angeben, welche allgemein bei den Pflanzenzellen Zeichen des Todes ſind. Beide Beſtandteile der Zelle, das Protoplasma und die Zellhaut zeigen charakteriſtiſche Veränderungen. Am deutlichſten ſind dieſelben an denjenigen Zellen, die eine dünne und zarte, aus Celluloſe beſtehende Zellhaut haben und reich an Protoplasma ſind, z. B. an den Zellen der Stengelrinde, an denjenigen des Meſophylls der Blätter. Im lebenden Zuſtande,
wie man ihn an dieſen Zellen findet, ſogleich nachdem fie dem Blatte
entnommen und unter das Mikroſkop gebracht worden ſind, enthält die Zelle einen Protoplasmakörper, welcher ringsum auf der jtraff und faltenlos geſpannten Zellmembran innen aufliegt und die Form eines Hohlſackes hat, indem nur eine verhältnismäßig dünne Schicht von Protoplasma ſich auf der Innenſeite der Zellmembran ausbreitet. Die von demſelben eingeſchloſſene Höhlung des Zellenraumes iſt mit wäſſeriger, klarer Flüſſigkeit, dem Zellſafte, erfüllt. In der wandſtändigen Protoplasmaſchicht ſind aber noch andre organiſirte Ein— ſchlüſſe, welche Teile oder Erzeugniſſe des Protoplasmas find,
Fig. 1 zu bemerken, vor Lebende und tote Zelle aus dem Meſophyll des Blattes allen der Zellkern von Senecio vulgaris, 200 fach vergrößert. und die in großer
A der lebende Zuſtand: im wandſtändigen Protoplasma 9, ö unterhalb der Zellwand der Zellkern und die zahlreichen Anzahl vorhand 5 grünen Chlorophyllkörner. B nach Eintritt des Todes: nen, durch ihre grüne das Protoplasma ſamt den Chlorophyllkörnern ꝛc. in Farbe ausgezeichne— der Zelle zuſammengeſchrumpft, die Zellhaut faltig. ten, ungefähr linſen—
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förmig geſtalteten Chlorophyllkörner, welche in einer einfachen Lage neben— einander in der wandſtändigen Protoplasmaſchicht gelagert ſind (Fig. 1A). Nach dieſem Typus iſt auch in den meiſten andern Pflanzenzellen das
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Tb
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Protoplasma gebaut; nur daß bisweilen noch Protoplasmaſtränge hinzu— kommen, welche von der wandſtändigen Schicht aus quer durch den Saft— raum in verſchiedenen Richtungen gehen. In manchen Zellen, beſonders in vielen Haaren, zeigt das lebende Protoplasma Strömungen, die man ſowohl innerhalb der wandſtändigen Schicht, als auch in den Protoplasmaſträngen beobachtet. An iſolirten Stücken von Meſophyll— gewebe unter dem Mikroſkop tritt der Tod der Zelle bald ſchneller, bald langſamer ein (ogl. Fig. 1). Die wandſtändige Protoplasma— ſchicht zieht ſich von der Zellhaut zurück, der ganze Protoplasmakörper ſchrumpft zuſammen, indem der Zellſaft, den er im Saftraume ein— ſchloß, aus dieſem entweicht, und dafür den Raum zwiſchen der Zell— haut und dem ſich zuſammenziehenden Protoplasma einnimmt. Das im lebenden Zuſtande faſt klare, waſſerhelle Protoplasma erhält zu— gleich ein trübes Ausſehen, indem zahlreiche kleine Körnchen in ſeiner Maſſe auftreten. So ſchrumpft das ganze Protoplasma zu einem unregelmäßigen Klumpen zuſammen, welcher bald in der Mitte des Zellenraumes, bald mehr an einer Wand der Zelle liegt, und in welchem von nun an keinerlei Bewegung mehr wahrzunehmen iſt. Der Zellkern wird bei dieſer Desorganiſation undeutlich, und die Chlorophyllkörner, die zwar zunächſt noch an ihrer grünen Farbe zu erkennen ſind, aber ebenfalls ihre regelmäßigen ſcharfen Umriſſe etwas verlieren, werden durch die Kontraktion des Protoplasmas regellos durch einander ge— ſchoben und verlieren daher ebenfalls an Deutlichkeit. In dieſen Er— ſcheinungen müſſen wir den Ausdruck einer veränderten Molekular— ſtruktur des Protoplasmas erkennen. Letzteres hat einen Teil ſeines Imbibitionswaſſers verloren, iſt waſſerärmer geworden, und dies erklärt unmittelbar das geringere Volumen deſſelben. Die Anderung der Molekularſtruktur prägt ſich auch darin aus, daß die osmotiſchen Eigenſchaften des Protoplasmas auffallend verändert ſind: es iſt für Flüſſigkeiten permeabler geworden, denn es läßt den Zellſaft ausfiltriren. Beſonders auffallend iſt in dieſer Beziehung auch das Verhalten zu gelöſten Farbſtoffen. In manchen Zellen enthält nämlich der Zellſaft einen Farbſtoff aufgelöſt; im lebenden Zuſtande nimmt das Protoplasma den Farbſtoff nicht in ſich auf und läßt ſeine Löſung nicht durch ſich hindurch diffundieren. Sobald es aber getötet iſt, tritt die farbige Löſung ungehindert aus dem Protoplasma und durch die Zellhaut aus, und wir ſehen ſogar, daß das getötete Protoplasma den Farbſtoff abſorbiert; der letztere ſammelt ſich in ihm an und zwar ſo, daß dasſelbe viel tiefer gefärbt wird als die umgebende Flüſſigkeit. Die gleiche Erſcheinung tritt ein, wenn man getötete Zellen, deren Zellſaft keinen Farbſtoff enthält, in eine Farbſtofflöſung legt. In
Beſchaffenheit toter Pflanzenteile.
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Folge des Waſſerverluſtes verſchwindet auch der Turgor der Zelle; die Zellhaut iſt nicht mehr ſtraff geſpannt, ſchlaff, mehr oder weniger faltig. Nur bei Zellen, deren Haut durch ſtarke Verdickung oder durch einen großen Gehalt an mineraliſchen Beſtandteilen einen hohen Grad von Feſtigkeit und Härte beſitzt, iſt natürlich im toten Zuſtande auch keine andre Beſchaffenheit der Zellmembran zu erwarten, und man kann dann eigentlich nur nach der Beſchaffenheit des Protoplasmas ein Urteil über Leben oder Tod der Zelle abgeben.
Aus den Veränderungen, welche die Zellen beim Tode erleiden, reſultiert unmittelbar die Beſchaffenheit der ganzen Pflanzenteile, deren Zellen getötet ſind. Es erklärt ſich daher, warum die ſaftreicheren krautartigen oder fleiſchigen Pflanzenteile beim Abſterben ſchlaff und welk, beziehentlich ſo weich werden, daß man den Saft leicht aus ihnen ausdrücken kann. Sehr bald treten dann noch weitere Ver— änderungen ein, die bereits als Zerſetzungserſcheinungen der toten or— ganiſchen Subſtanz zu betrachten find. Zu dieſen muß man ſchon die häufigen Farbenveränderungen toter Pflanzenteile rechnen; das Braun— oder Schwarzwerden derſelben beruht darauf, daß das tote Proto— plasma und oft auch die Zellhaut ſich mehr oder weniger tief bräunen. Was dies für Farbſtoffe ſind und wie ſie entſtehen, iſt keineswegs be— friedigend erkannt; vielfach ſieht man fie für Humifikationsprodukte an, weil ja regelmäßig bei jeder natürlichen Zerſetzung von Pflanzen— reſten aus den vegetabiliſchen Verbindungen ſolche durch braune oder ſchwarze Farbe ausgezeichnete Humusſtoffe entſtehen; oft mögen aber auch Gerbſtoffe, welche in der lebenden Zelle ſchon vorhanden waren oder bei ihrem Tode entſtehen und beim Abſterben in Protoplasma und Zellhaut eindringen, wenn ſie mit dem Sauerſtoff der Luft in Berührung kommen, zu ſolchen Farbenveränderungen Veranlaſſung geben. Auf die weiteren Veränderungen, welche tote Pflanzenteile er— leiden, hat auch die Beſchaffenheit der Umgebung, in welcher ſie ſich befinden, einen großen Einfluß. An freier Luft und wenn die letztere einigermaßen trocken und der Pflanzenteil ſelbſt nicht ungewöhnlich ſaftreich iſt, tritt meiſt ein raſches Vertrocknen desſelben, gewöhnlich unter brauner oder ſchwarzer Verfärbung ein, wie gewöhnlich an Blättern oder krautigen Teilen überhaupt. Pflanzenteile von großem Saftgehalte, wie die ſaftigen Früchte, gehen meiſt auch an der Luft mehr oder weniger in eine jauchige Fäulnis über, und dieſelbe iſt be— ſonders auch bei allen in feuchtem Erdboden befindlichen abſterbenden Pflanzenteilen zu beobachten, um jo mehr, je ſaftreicher fie find, wie bei Zwiebeln, Knollen, Rüben, dicken Wurzeln ꝛce. b
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Außer den allgemeinen, regelmäßigen Todesſymptomen kann man SKranfheits
aber auch noch beſondere, für die einzelnen Krankheiten charakteriſtiſche Symptome unterſcheiden. Dieſe beziehen ſich vor allem darauf, an welchen Teilen der Pflanzen die Beſchädigungen wahrgenommen werden, in welchem Alter dieſelben, in welchem Umfange und in welcher räum— lichen Verteilung an denſelben ſie ſich zeigen. So reden wir alſo von Krankheiten, die an den Wurzeln oder an andern unter— irdiſchen Organen auftreten, oder von ſolchen der Stengel oder der Blätter, oder der Blüte oder endlich der Früchte oder Samen. Und an Stengeln und Blättern wiederum kann ſich die Krank— heit bald in einer Zerſtörung der jugendlichen Zuſtände, bald in einer Beſchädigung der erwachſenen Teile und dann wiederum in deren Totalität oder nur an gewiſſen kleinen Stellen, als ſogenannte Flecken— krankheiten auf Stengeln, Blättern oder Früchten äußern, wobei das allgemeine Todesſymptom als ein Vertrocknen oder als eine Fäulnis ſich zeigen kann. Beſondere Krankheitsſymptome ergeben ſich auch, je nachdem das Weſen der Krankheit in der Störung dieſes oder jenes Lebensprozeſſes beſtand. Liegt z. B. ein Einfluß vor, durch welchen die Erzeugung des grünen Chlorophyllfarbſtoffes verhindert oder die Zerſtörung dieſes Farbſtoffes bedingt wird, ſo iſt eine gelbe oder bleiche Farbe anſtatt des normalen Grüns ein Symptom der Krankheit. Oder liegt ein Einfluß vor, welcher das Wachstum und die Geſtaltbildung eines Pflanzenteiles verändert, ſo werden aus den abnormen Geſtalts— verhältniſſen auffallende beſondere Symptome ſich ergeben. Aber auch von jedem dieſer beſonderen Krankheitsſymptome gilt bis zu einem gewiſſen Grade das Nämliche, wie von den allgemeinen Todeskennzeichen: es kann durch verſchiedene Krankheitsurſachen bedingt werden; man darf alſo nicht ohne weiteres aus den gleichen Symptomen auf dieſelbe Urſache ſchließen. Fäulnisprozeſſe können die Folge ſein von Tötung durch Ver— wundung oder durch ungünſtige Temperaturverhältniſſe oder durch Er— ſtickung bei ungenügender Zufuhr ſauerſtoffhaltiger Luft oder durch Schmarotzerpilze, welche ſich in dem Pflanzenteile angeſiedelt hatten. Gelb— ſucht, alſo das Unterbleiben der Chlorophyllbildung, beziehentlich die vor— zeitige Zerſtörung des gebildeten Chlorophylls, wobei normal grüne Teile gelb ausſehen, kann eintreten bei Lichtmangel, aber auch bei ungünſtigen Temperaturverhältniſſen, ferner bei ungenügender Ernährung, nämlich wenn Eiſen unter den Nährſtoffen fehlt, oder wenn in Folge von ſtagnierender Näſſe oder Undurchläſſigkeit des Bodens für Luft die Wurzeln erkranken, desgleichen auch oft wenn die Pflanze in Folge von Dürre vorzeitig dahinſiecht, endlich iſt es das hauptſächliche Symptom beim Auftreten gewiſſer Schmarotzerpilze und einiger para—
ſymptome.
Krankheits-
urſachen. —
Die nächſten Veranlaſſungen.
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ſitiſcher Tiere. Fleckenkrankheiten, d. h. gebräunte, vertrocknete Blatt— flecken können das Zeichen verſchiedenartiger pathogener Einflüſſe ſein, ſie rühren bald von Ernährungsanomalien, bald von Froſtwirkungen, bald von Verletzungen durch kleine Tiere her und werden endlich durch eine große Anzahl verſchiedenartiger Schmarotzerpilze verurſacht.
IV. Krankheitsurſachen. Wenn man die Verrichtungen der einzelnen Organe im Dienſte der ganzen Pflanze kennt, ſo läßt ſich auch ohne weiteres ſagen, welche Störung eintreten muß, ſobald dieſes oder jenes Organ der Pflanze beſchädigt iſt. Sind z. B. die Wurzeln ganz oder teilweiſe zerſtört, oder hören ſie zu funktionieren auf, weil ſie erkrankt ſind, ſo iſt ein Welkwerden und Vertrocknen der Stengel und Blätter zu erwarten, weil die Wurzeln für die Erwerbung der— jenigen Waſſerquantitäten ſorgen, welche zum Erſatze des durch die Verdunſtung der Blätter in Dampfform an die Luft abgegebenen Waſſers der Pflanze gebraucht werden. Wenn das Syſtem der Gefäß— bündel der Pflanze, insbeſondere der Holzkörper in ſeiner Kontinuität innerhalb des Pflanzenkörpers unterbrochen iſt, ſo kann über die Unter— brechungsſtelle hinaus die Beförderung des Waſſers nach oben verhindert werden und ein Verwelken und Vertrocknen der oberhalb dieſer Stelle befindlichen Teile eintreten, weil eben vorzugsweiſe die Gefäßröhren, welche in den Gefäßbündeln und ſpeziell im Holzkörper vorhanden ſind, die Bahn des aufſteigenden Waſſerſtromes darſtellen. Hat die Pflanze die grünen Blätter in Folge von Verwundungen verloren oder ſind dieſelben durch eine anderweitige Urſache verdorben, ſo hört von dieſer Zeit an jede weitere Produktion der Pflanze auf, ſo lange als nicht neue geſunde grüne Blätter gebildet ſind; die Körnerfrüchte, das Obſt und überhaupt alle Früchte können dann keine Ausbildung weiter er— reichen; die Holzpflanzen bleiben dann auf einem ſchwächeren Grade der Holzbildung ſtehen; die Kartoffelpflanze gelangt dann zu keiner weiteren Knollenbildung, die Rübenpflanze hört mit dem weiteren Wachstum des Rübenkörpers und mit der ferneren Zuckerbildung auf. Das erklärt ſich eben aus der Rolle, welche das grüne Blatt im Leben der Pflanze ſpielt, welche darin beſteht, Kohlenſäure aus der Luft auf— zunehmen und dieſelbe nebſt Waſſer unter dem Einfluſſe des Lichtes zu kohlenſtoffhaltiger organiſcher Subſtanz zu verarbeiten; denn all' das kohlenſtoffhaltige Material, welches zur Herſtellung jener Pflanzen— produkte gebraucht wird, wird in den grünen Blättern aus der Kohlen— ſäure der Luft erzeugt und von den Blättern aus nach den Verbrauchs⸗ orten hingeleitet. Bei einer Pflanze, deren Blüten verkümmert ſind, oder welche zwar Blüten bildet, aber die Geſchlechtsorgane in denſelben nicht zur normalen Entwickelung bringt, iſt Unfruchtbarkeit, alſo Unter-
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bleiben der Samenbildung die Folge; denn wir wiſſen, daß zu letzterer das Zuſammenwirken der Geſchlechtsorgane der Blüten, nämlich der Samenknoſpen und des Blütenſtaubes eine notwendige Bedingung iſt.
Aber mit dieſer Aufdeckung der nächſten Veranlaſſung einer Pflanzen- krankheit iſt das Ziel der Forſchung noch lange nicht erreicht. Dieſes beſteht nun auch noch darin, die eigentliche Urſache aufzuſuchen, wes— halb das betreffende Organ der Pflanze zerſtört iſt oder ſeinen Dienſt verſagt.
Bei der Nachforſchung nach dieſen eigentlichen Krankheit s-F-ODie eigentlichen
urſachen iſt es nun durchaus logiſch, daß wir nach einem äußern Faktor ſuchen, auf welchen die vorhandene Störung zurückzuführen iſt. In der That läßt ſich bei den Pflanzenkrankheiten auch gewöhnlich ein ſolcher außerhalb der Pflanze liegender ſchädlich wirkender Faktor als die wahre Urſache leicht auffinden: bald ſtellt ſich ein ſolcher un— zweifelhaft unter den verſchiedenen Einwirkungen heraus, denen die Pflanze hinſichtlich der anorganiſchen Naturkräfte ausgeſetzt war, z. B. in Bezug auf die Temperatur, oder auf die Beleuchtungsverhältniſſe oder hinſichtlich der Beſchaffenheit des Erdbodens oder der Luft, bald wird ein fremdes Lebeweſen, ein Paraſit aus dem Pflanzen- oder Tier— reiche als die Krankheitsurſache beſtimmt nachgewieſen. Nun iſt in der Regel auch von allen derartigen ſchädlichen Faktoren bekannt, daß ſie allein hinreichen, um die Krankheit zu erklären; wir können beliebig jede geſunde Pflanze krank machen, ſobald wir ſie einem dieſer Faktoren ausſetzen beziehentlich ſie künſtlich mit einem der betreffenden Paraſiten infizieren.
Aber es dürfen bei der Erklärung der Krankheitsurſachen auch die befördernden Nebenumſtände nicht vergeſſen werden, die in manchen Fällen an dem Eintreten der Krankheit einen weſentlichen Anteil haben. Dieſe können nun entweder auch außerhalb der Pflanze liegen. Viele Krankheiten, bei denen paraſitiſche Pilze die Urſache find, werden durch Feuchtigkeit in ihrer Ausbreitung außerordentlich begünſtigt; auf feuchtem Boden, in Lagen mit häufigen Nebelbildungen, bei andauerndem Regenwetter werden die Pflanzen viel mehr von den Pilzen aus den Abteilungen der Uſtilagineen, Uredinaceen, Peronoſporaceen ꝛc. befallen als unter trockeneren Verhältniſſen, weil die Erzeugung der Sporen dieſer Schmarotzer, ihre Keimung und das Eindringen der Keimlinge derſelben in die Nährpflanze durch Feuchtig— keit ſehr befördert wird. Iſt ein paraſitiſcher Pilz einmal in ſeine Nährpflanze eingedrungen, ſo kann das inficierte Individuum, wenn es ſich raſch und kräftig entwickelt, den Paraſiten in ſeiner Entwickelung überflügeln und dadurch den ſchädlichen Einwirkungen des letzteren
Krankheits- urſachen.
Befördernde Nebenumſtände außerhalb der Pflanze.
Befördernde Nebenumſtände in der Pflanze ſelbſt.
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noch mehr oder weniger entgehen und leidlich geſund bleiben, während umgekehrt der Paraſit die Oberhand in der Pflanze gewinnen und die letztere überwältigen kann, wenn dieſe in ihrer Entwickelung ſehr gehemmt wird, alſo z. B. wenn ſie in eine lange Trockenheitsperiode kommt oder auf einem Boden wächſt, der ſchon, wenn kürzere Zeit die Niederſchläge ausbleiben, an Waſſermangel leidet. Auch bei den durch Inſekten verurſachten Pflanzenbeſchädigungen ſpielt die Witterung eine ganz außerordentlich wichtige Rolle. Überhaupt hängt ſchon das numeriſche Auftreten der Inſekten bedeutend von der Witterung ab: in Jahren mit reichlichen Niederſchlägen und geringerer Wärme er— ſcheinen ſie im allgemeinen nicht in großer Anzahl, während in aus— nehmend trockenen und heißen Sommern Inſektenarten, welche ſonſt in den betreffenden Kulturen nie beobachtet werden, großartige Be— ſchädigungen veranlaſſen können. Dazu kommt noch, daß die Angriffe ſolcher Inſekten, namentlich der Milben, Läuſe und Cicaden gerade bei Trockenheit und Hitze um deswillen heftiger werden, weil ſie nicht allein auf das Nahrungsbedürfnis, ſondern auch beſonders auf die Begierde nach Stillung des Durſtes zurückzuführen ſind, und weil bei ſolchen Witterungsverhältniſſen gerade die Pflanze ſelbſt Waſſermangel leidet und in ihrer Entwickelung ſo gehemmt iſt, daß ſie wiederum dem Paraſiten gegenüber als der ſchwächere Teil ſich erweiſt. So iſt es denn eine ziemlich feſtſtehende Erfahrung, daß in naſſen Jahren die Pilzkrankheiten, in trocknen Jahren die Inſektenbeſchädigungen an unſern Kulturpflanzen vorwalten.
Es giebt aber auch krankheitbefördernde Nebenumſtände, welche in der Pflanze ſelbſt liegen. Offenbar wird es auch auf die Beſchaffenheit der Pflanze ankommen, ob und in welchem Grade ſie ſchädlichen Ein— flüſſen zu trotzen vermag. Die Eigenſchaften der Zellen und der Gewebe des Pflanzenkörpers und der Zuſtand, in welchem ſich dieſelben je nach Entwickelungszuſtand und Alter befinden, alſo z. B. der Saft⸗ gehalt, die Dicke der Zellhäute, vielleicht auch die verſchiedenen Stoffe, welche im Innern der Zelle enthalten ſind, dürfen nicht als gleichgültig angeſehen werden, wenn es ſich darum handelt, wie leicht z. B. die Pflanze dem Froſt erliegt, wie ſehr ſie Trockenheit verträgt, wie leicht ſie von paraſitiſchen Pilzen befallen und beſchädigt wird. In dieſer Beziehung hat uns ja auch die Erfahrung gelehrt, daß ſogar Pflanzen— formen von ſehr naher Verwandtſchaft, wie die einzelnen Varietäten und Sorten einer und derſelben Species beſtimmten Krankheitsurſachen gegenüber ſehr ungleich empfindlich ſind. So kennen wir z. B. froſt⸗ harte und froſtempfindliche Sorten beſonders bei den Obſtbäumen. So giebt es ferner z. B. gewiſſe Kartoffelſorten, welche weniger als
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andre von dem Pilze der Kartoffelkrankheit angegriffen werden. So iſt es auch eine bekannte Thatſache, daß Sommerroggen überaus leicht und ſtark vom Getreideroſt befallen wird, während gleichzeitig daneben wachſender Winterroggen und andres Getreide völlig roſtfrei bleiben kann. Die Reblaus iſt bekanntlich nur für den europäiſchen Weinſtock hochgradig gefährlich, für die amerikaniſchen Rebenarten weit weniger. Solcher Beiſpiele ließen ſich noch ſehr viele anführen. Wenn wir auch nicht in allen dieſen Fällen ſchon jetzt genaue Rechenſchaft darüber geben können, in welchen Momenten die ungleiche Widerſtandsfähigkeit begründet iſt, ſo iſt doch unzweifelhaft bewieſen, daß eine ſolche wirklich beſteht, daß man alſo in dieſem Sinne allerdings mit Recht von einer Prädispoſition gewiſſer Pflanzen für eine Krankheit reden kann. Will man damit nur ausſprechen, daß gewiſſe Arten oder Varietäten und Sorten vermöge ihrer natürlichen, an und für ſich geſunden Eigenſchaften den Angriffen gewiſſer Krankheitsurſachen weniger leicht widerſtehen können als Pflanzen mit andern natürlichen Eigenſchaften, ſo iſt dagegen nichts einzuwenden. Man kann auch noch weiter gehen und ſagen, daß man die Pflanzen durch gewiſſe Verhältniſſe, in denen man ſie wachſen läßt, verzärteln kann, ſo daß ſie dann gewiſſen Einflüſſen weniger zu trotzen vermögen. Pflanzen, die z. B. in geſchloſſenen Räumen mit feuchter, unbewegter Luft und mit ſchwacher Beleuchtung gewachſen ſind, erliegen, in freie, trocknere, bewegte Luft gebracht, ſehr leicht den ungewohnten Verhältniſſen, während die in ſolchen von vornherein gewachſenen Individuen derſelben Art unberührt bleiben. In ſolchem Falle liegt alſo ſchon ein andrer krankmachender äußerer Umſtand vor und eben keine urſprüngliche Krankheitsveranlagung. Irrig wäre es auch, wenn man, wie es früher und vielleicht jetzt noch manchmal geſchieht, be— haupten wollte, daß paraſitiſche Krankheitserreger nur Pflanzen angreifen, welche ſchon aus irgend einer andern Urſache wirklich krank ſeien. Denn es iſt von allen genauer bekannten paraſitären Pflanzen— krankheiten feſtgeſtellt, daß es leicht gelingt, jedes beliebige geſunde Individuum der betreffenden Species mit den Keimen des bezüglichen Paraſiten zu inficieren und dadurch die Krankheit mit allen ihren charakteriſtiſchen Symptomen künſtlich zu erzeugen.
Aber gewiſſe Krankheitszuſtände giebt es doch bei den Pflanzen, wo eigentlich nur von einer innern Urſache geredet werden kann, nämlich da, wo gewiſſe Merkmale von entſchieden pathologiſchem Charakter vererbt werden. Es giebt Varietäten, welche durch terato— logiſche oder auch rein pathologiſche Merkmale charakteriſiert ſind. So z. B. ſolche mit gewiſſen Mißbildungen an den Blättern oder an den
Erhebliche Krankheits⸗ zuſtände.
Ermittelung der Krankheits— urſachen.
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Blüten, oder ſolche mit abnormen Farben, z. B. mit Blättern, welche ganz oder ſtellenweiſe keine grüne Farbe beſitzen. Solche Eigenſchaften kommen bei der Aussaat der Samen gewöhnlich wieder, find alſo erblich, und es ſind ſo wirklich teratologiſche und pathologiſche Raſſen entſtanden. Das Auftreten ſolcher Merkmale fällt unter den Geſichtspunkt des Variierens; d. h. des ſpontanen Auftretens neuer Merkmale. Es brauchen beim Variieren der Pflanzen nicht immer nur ſolche neue Eigenſchaften aufzutreten, welche vorteilhaft für die Lebensthätigkeiten der Pflanze ſind. Vielmehr liegt im Begriffe des Variierens ebenſowohl das Auftreten von Eigenſchaften, die in irgend einer Beziehung den Lebenszwecken der Pflanze nicht entſprechen. Daß neu erworbene Merkmale vererbt werden können, iſt ebenfalls eine bekannte Thatſache, und auch hierbei iſt die Qualität derſelben irre— levant. Es iſt alſo nichts Befremdendes, daß auch Merkmale von teratologiſchem oder pathologiſchem Charakter vererbbar find. Sich ſelbſt überlaſſen werden ſolche Formen natürlich bald wieder ver— ſchwinden; aber ebenſo ſelbſtverſtändlich iſt es, daß ſie, wenn der Pflanzenzüchter ſie abſichtlich auswählt, ſich erhalten und zu wirklichen Raſſen ſich ausbilden, dafern nur ihre pathologiſchen Merlmale von einer Art oder von einem Grade ſind, daß das Leben dadurch nicht ohne weiteres gehemmt wird.
Bei der Ermittelung der Krankheitsurſachen muß man ſich bewußt ſein, daß jede Pflanze beſtändig unter einer großen Anzahl verſchiedenartiger Einwirkungen ſteht, als da ſind Temperatur, Be— leuchtungsverhältniſſe, Beſchaffenheit des Bodens und der Luft. Jeder dieſer Faktoren kann nun unter Umſtänden einen ſchädlichen Charakter für die Pflanze annehmen. Es iſt nun aber auch bekannt, welches Krankheitsbild die Pflanzen darbieten, wenn in dieſen Beziehungen ein abnormer Einfluß vorliegt. Sollten wir alſo Spmptome an der kranken Pflanze bemerken, welche auf eine dieſer Urſachen hindeuten, ſo wird eine nähere Unterſuchung aller einzelnen Umſtände der eben genannten Art, unter denen die Pflanze ſich befunden hat, Aufſchluß darüber geben, ob und welcher dieſer Faktoren die Krankheitsurſache abgegeben hat. Natürlicherweiſe müſſen dann in der Regel alle in derſelben Kultur beiſammenſtehenden gleichartigen Individuen gleich— mäßig von der Krankheit betroffen ſein, da ſie ja alle den gleichen Einwirkungen ausgeſetzt waren. Läßt ſich unter den allgemeinen Faktoren keiner finden, auf welchen eine Krankheit zu beziehen wäre, ſo iſt anzunehmen, daß es ſich um eine beſondere Urſache handelt, welche direkt nur das einzelne Individuum getroffen hat, d. h. alſo meiſtens um den Angriff eines fremden, ſchädlichen Weſens. In
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ſolchen Fällen pflegen auch gewöhnlich nicht alle beiſammen wachſende Individuen erkrankt zu ſein, ſondern nur ein kleinerer oder größerer Bruchteil derſelben, eben je nach der Häufigkeit, in welcher ſie befallen worden ſind. Auch in ſolchem Falle ergiebt ſich in der Regel die Krankheitsurſache ziemlich bald, da der betreffende Paraſit ſich ge— wöhnlich leicht an der Pflanze auffinden läßt, natürlicherweiſe nur durch mikroſkopiſche Unterſuchung, wenn es ſich um einen mikroſkopiſchen Pilz oder ein derartiges Tier handelt. Freilich kann man in dieſer Beziehung auch getäuſcht werden, wenn man die Krankheit erſt in einem Stadium zu Geſicht bekommt, wo der Krankheitserreger bereits verſchwunden oder durch ſekundäre, erſt am toten Pflanzenkörper auf— getretene ſogenannte Fäulnisbewohner verdrängt iſt. In dieſem Falle bedarf es einer wiederholten Unterſuchung, zu welcher frühere Zuſtände, insbeſondere die Anfangsſtadien der Krankheit, heran— zuziehen ſind.
V. Die Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten. An ein rationelles Vorgehen gegen eine Pflanzenkrankheit kann nur dann ge— dacht werden, wenn die Urſache derſelben aufgeklärt worden iſt, denn andernfalls würde jedes Unternehmen dagegen nur ein blindes Umher probieren ſein können. Der Kampf gegen die Pflanzenkrankheiten— kann entweder auf eine Heilung einer ſchon vorhandenen Krankheit oder auf eine Verhütung des Eintretens einer ſolchen gerichtet ſein. Bei kurzlebigen Pflanzen, wie den meiſten landwirtſchaftlichen Kultur— pflanzen, welche nur eine oder wenige Vegetationsperioden leben, kann naturgemäß in der Regel von einer Heilung nicht oder nur ſelten die Rede ſein; denn ſchädliche Temperaturverhältniſſe, ungünſtige Beſchaffen— heit des Bodens, oder der Befall durch paraſitiſche Pilze oder ſchädliche Tiere verderben gewöhnlich dieſe Pflanzen unrettbar, während aller— dings bei den Bäumen und Sträuchern durch kunſtgerechte Behandlung manches Leiden in der That wieder geheilt werden kann. Es ergiebt ſich hieraus, daß der Kampf gegen die Pflanzenkrankheiten hauptſächlich auf die Verhütung derſelben hinauskommt.
Welches die zweckmäßigen Verhütungsmaßregeln der Pflanzen— krankheiten find, ergiebt ſich aus der Kenntnis der Urſache und der Entſtehung der Krankheit. Selbſtverſtändlich werden ſich alſo dieſe Maßregeln nach der Art der Krankheit und der Umſtände, unter denen ſie auftritt, richten müſſen und ſind alſo für jeden Einzelfall beſonders zu erörtern. Iſt dieſes geſchehen, ſo iſt freilich noch nicht geſagt, daß die Mittel ſich in der Praxis auch anwenden laſſen. Sie können ent— weder den Zwecken der Kultur überhaupt zuwider laufen, oder ſie können eine Arbeit beanſpruchen, die ſich für Werhälmiſſe im Großen
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 2
Bekämpfung der Pflanzen⸗ krankheiten.
Bflunzenichuß.
18 Einleitung
nicht ausführen läßt oder die mit Koſten verbunden ſein würde, welche mit dem Gewinn, den die Kultur überhaupt abwirft, in keinem Ver— hältniſſe ſtände. Sind die Mittel von dieſer Art, ſo laſſen ſie ſich freilich im Großen nicht anwenden. Auch darüber wird natürlich in jedem Einzelfalle entſchieden werden müſſen.
Überall da nun, wo es Mittel giebt, gegen deren Ausführbarkeit nach keiner Richtung hin Gründe ſich anführen laſſen, handelt es ſich darum, dieſelben nun wirklich zur praktiſchen Anwendung zu bringen. Dies iſt die Aufgabe des Pflanzenſchutzes. Es handelt ſich hier naturgemäß um gemeinnützige Zwecke, um Aufgaben, die nicht ſowohl den Einzelnen, als vielmehr die Geſamtheit der Pflanzenbauer im ganzen Lande angeht. Ja vielfach ſind dieſe Mittel überhaupt nur unter der Bedingung erfolgverſprechend, daß ſie von allen Intereſſenten gemeinſam ausgeführt werden, beſonders da, wo es ſich um anſteckende Pflanzenkrankheiten handelt, deren Krankheitserreger für die Nachbar— ſchaft, ja für das ganze Land gefährlich werden. Wir können gegen ſolche Krankheiten gerade ebenſo wie gegen die ſeuchenartigen Krankheiten der Menſchen und Tiere nur durch ſyſtematiſch gemeinſames Vorgehen etwas ausrichten.
Somit iſt unabweislich der auf den Pflanzenbau im großen be— zügliche Pflanzenſchutz eine Aufgabe des Staates, der Gemeinden oder ſonſtiger Vereinigungen. Was wir von Einrichtungen in dieſer Be— ziehung beſitzen, beſchränkt ſich bis jetzt auf folgendes.
Noch am meiſten erfreut ſich die Forſtkultur dank ihrer nach ein— heitlichem Plane geordneten Verwaltung, in den Vorſchriften und Me— thoden, welche der Forſtſchutz angiebt, einer Reihe von Schutzmaßregeln, welche im gegebenen Falle zur allgemeinen Anwendung kommen, und durch welche wenigſtens für eine Anzahl von Baumbeſchädigungen ein planmäßiges Einſchreiten geſichert iſt.
Der Schutz, den die Landwirtſchaft und der Gartenbau gegen ge— meingefährliche Pflanzenkrankheiten genießen, beſteht, ſoweit der Staat oder die Gemeinden in Betracht kommen, nur aus einer Reihe für beſtimmte Einzelfälle erlaſſener zweckmäßiger Polizeiverordnungen oder beſtallter Kommiſſionen. Es iſt hier zu denken an die von den könig— lich preußiſchen Regierungen ſeit längerer Zeit erlaſſenen Verordnungen betreffend die Ausrottung der Berberitzen behufs Fernhaltung des Getreideroſtes; ferner an die Vorſchriften zur Zerſtörung der Raupen⸗ neſter. Dazu kommen neuerdings die Polizeiverordnungen betreffend das Abpflücken und Verbrennen der im Winter an den Kirſchbäumen ſitzenbleibenden Blätter, worin ich das ſichere Bekämpfungsmittel gegen die durch Gnomonia erythrostoma verurſachte Seuche aufgefunden habe,
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Einleitung 19
und was in den beſonders bedrohten Gegenden, nämlich im Regierungs— bezirk Stade und in der Provinz Schleswig-Holſtein vorgeſchrieben iſt. Auch die Anweiſungen zur Befolgung der Maßregeln, um die Kirſchen— fliege zu vertilgen, wie ſie von der Polizeibehörde der Stadt Guben den Obſtbauern der dortigen Gegend gegeben werden, wären zu erwähnen. Eine ſtaatliche Hilfe erſten Ranges aber ſind die bezüglich der Reblaus beſtehenden, gegen die Gefahr der Einſchleppung derſelben gerichteten Geſetze, ſowie die in den weinbauenden Ländern eingeſetzten Kom— miſſionen zur planmäßigen Überwachung der Weinberge und zu der von ſtaatswegen vorzunehmenden Vernichtung und Desinfektion der von der Reblaus infizirt befundenen Kulturen.
Man ſieht aus dem Geſagten, daß von einer einheitlichen und umfaſſenden Organiſation des Pflanzenſchutzes, wozu naturgemäß ja nur der Staat mit ſeinen Machtbefugniſſen berufen iſt, der— malen noch nicht entfernt die Rede ſein kann. Es iſt hier nicht der Ort, die etwaigen Schwierigkeiten, die einer ſolchen Organiſation im Wege ſtehen könnten, zu beleuchten, oder Vorſchläge in dieſer Beziehung zu machen. Nur um alles Thatſächliche, was mit dieſer Frage zu— ſammenhängt, zu regiſtrieren, iſt noch darauf hinzuweiſen, daß, je weniger in dieſer Sache der Staat ſich ſeinen Aufgaben bisher ge— wachſen gezeigt hat, um ſo mehr private Unternehmungen an dieſe Aufgaben, ſo weit ihre Mittel es geſtatten, heranzutreten verſucht haben. Für das Gebiet des Deutſchen Reiches beſitzen wir in dem von der deutſchen Landwirtſchaftsgeſellſchaft 1890 gegründeten Sonderausſchuß für Pflanzenſchutz ein erfolgreich wirkendes Inſtitut; derſelbe hat eine große Anzahl von Auskunftsſtellen, welche gleichmäßig über alle Gaue des Deutſchen Reiches verteilt ſind, eingerichtet, deren Aufgabe es iſt auf Anfragen bezüglich vorkommender Pflanzenkrankheiten Rat zu er— teilen. Über alle zur Kenntnis dieſer Auskunftsſtellen gekommenen Fälle wird von dem genannten Sonderausſchuß ein regelmäßiger Jahresbericht veröffentlicht, durch welchen eine Statiſtik über die in Deutſchland auftretenden Pflanzenbeſchädigungen geſchaffen und ein immer regeres allgemeines Intereſſe an den Aufgaben des Pflanzen— ſchutzes wachgerufen wird. Die Inhaber der erwähnten Auskunfts— ſtellen ſind wiſſenſchaftliche Autoritäten und ſachverſtändige Praktiker, größtenteils Vorſteher derjenigen der Landwirtſchaft und dem Garten— bau dienenden, ſtaatlichen, wiſtenſchaftlichen Inſtitute, in deren Bereich mehr oder weniger auch das Studium der Pflanzenkrankheiten gehört, und die daher auch ſchon an und für ſich für dieſe Intereſſen einzu— treten haben, in ihrer von der deutſchen Landwirtſchafts-Geſellſchaft angebahnten Vereinigung aber einen erweiterten Wirkungskreis erhalten.
2 *
Klaſſifikation der Pflanzen- krankheiten.
20 Einleitung
Das Nähere über die Einrichtung dieſer Auskunftsſtellen iſt in dem oben citierten Schriftchen „Pflanzenſchutz“ zu finden. — In Frankreich beſteht ſeit 1888 ein den gleichen Zwecken dienendes, auch zur Aus— kunftserteilung an Landwirte berufenes Inſtitut in dem phytopatholo— giſchen Laboratorium zu Paris. — Auch die Vereinigten Staaten Nordamerikas beſitzen ein derartiges Staatsinſtitut: die ſeit 1888 in Thätigkeit befindliche phytopathologiſche Abteilung des Ackerbau— Departements zu Waſhington, welche ein Laboratorium und Verſuchs— feld zu wiſſenſchaftlichen Arbeiten beſitzt, deren Ergebniſſe in einer be— ſonderen Zeitſchrift, dem Journal of Mycology, herausgegeben werden, zugleich aber auch über die aus den Kreiſen der Landwirte eingehenden Anfragen Auskunft erteilt und durch Agenten in den verſchiedenen Staaten die Krankheiten der Pflanzen beobachten und praktiſche Feld— verſuche zur Bekämpfung derſelben anſtellen läßt.
VI. Klaſſifikation der Pflanzenkrankheiten. Man könnte das Gebiet der Pflanzenkrankheiten einteilen nach den Pflanzenarten, an denen Krankheiten vorkommen. Für gewiſſe Zwecke, z. B. behufs einer ſchnellen Orientierung, kann es bequem ſein, eine Aufzählung der Krankheiten je nach den einzelnen Kulturpflanzen zu beſitzen. Aber für eine wiſſenſchaftliche Belehrung über die Natur der Pflanzenkrankheiten wäre dieſer Weg ungeeignet, weil er viele Krankheitserſcheinungen, welche nach ihren urſächlichen Beziehungen zuſammengehören oder auf das nächſte verwandt ſind, auseinanderreißen und an vielen Punkten Wiederholungen machen müßte. Eine wiſſenſchaftliche Klaſſifikation der Pflanzenkrankheiten iſt nur nach den Krankheitsurſachen möglich. Darum ſoll auch die Einteilung des Gegenſtandes im vorliegenden Buche nach dieſem Prinzip geſchehen. Somit zerfällt der Inhalt dieſes Buches in folgende Abſchnitte:
1. Von den Wirkungen des Raummangels.
2. Von den Wunden.
3. Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe.
4. Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe.
5. Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe.
6. Erkrankungen durch ſchädliche Pflanzen.
7. Erkrankungen durch ſchädliche Tiere.
8. Erkrankungen ohne nachweisbare äußere Veranlaſſung.
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I. Abſchnitt. Don den Wirkungen des Raummangels.
Eine notwendige Bedingung der normalen Ausbildung der Alle Pflanzen-
Pflanzen iſt der für ſie erforderliche Raum. Bisweilen ſetzen fremde feſte Körper den wachſenden Organen ein Hindernis entgegen, welchem die Pflanze nicht auszuweichen und welches ſie auch nicht zu beſiegen vermag. Da hierbei gewöhnlich das Wachstum fortdauert, ſo werden die betreffenden Teile in den gegebenen engeren Raum eingezwängt. Die Folge iſt eine Geſtaltsveränderung, die von der Form des Hinder— niſſes abhängig iſt. Je nachdem das Längenwachstum oder das Dickenwachstum eines Pflanzenteiles behindert iſt, iſt der Erfolg verſchieden.
Wenn Pflanzenteile bei ihrem Längenwachstume einem un— überwindlichen Hinderniſſe begegnen, ſo müſſen ſie ſich krümmen. Die Form dieſer Krümmung ſtrebt bei ringsum gleichmäßiger ſeitlicher Verſchiebbarkeit eine Schraubenlinie zu werden. Kommen auch ſeit— liche Hinderniſſe ins Spiel, ſo ergeben ſich unregelmäßige Krümmungen, die bei großer Raumbeengung zu vollſtändiger Verwickelung und gegenſeitiger Ineinanderpreſſung führen können.
Solche Erſcheinungen kommen ganz gewöhnlich an Wurzeln vor, wenn dieſelben aus irgend einem Grunde an ihrer Ausbreitung im Boden ge— hindert ſind, beſonders alſo an den Wurzeln in Blumentöpfen; die nach unten gehenden Wurzeln verſchlingen ſich hier am Boden des Topfes derart, daß daſelbſt ein nur aus Wurzelmaſſe beſtehender, dichter Filz vor⸗ handen iſt, und das gleiche thun die an den Wänden des Topfes zujam- mentreffenden zahlreichen Seitenwurzeln.
Wenn Stengel und Blätter unter größeren Steinen u. dergl. ſich bilden, unter denen ſie ſich nicht hervorarbeiten können, ſo machen ſie ähnliche Zwangskrümmungen und werden an ihrer normalen Formbildung gehindert. Da an ſolchen Orten gewöhnlich auch dem Lichte der Zugang verwehrt iſt, ſo wird in Folge des Etiolements das Längenwachstum abnorm vergrößert, was die Zwangskrümmungen noch mehr befördert. Auch das fort—
teile beauchen Raum.
Behinderung des Längen⸗ wachstums.
22 J. Abſchnitt: Von den Wirkungen des Raummangels
währende Beſtreben ſolcher Pflanzenteile, durch negativ geotropiſche Krüm— mungen ſich ſenkrecht zu ſtellen, wirkt unter dieſen Umſtänden in dem gleichen Sinne.
Wenn das Hindernis beſeitigt wird, ſo können ſolche Krümmungen nur dann wieder ausgeglichen werden, wenn die Periode des Wachstums an den gekrümmten Stücken noch nicht vorüber iſt; an denjenigen Teilen, die ihr Wachstum abgeſchloſſen haben, bleiben die Veränderungen dauernd, und nur die weiter ſich bildenden Teile werden dann in normaler Richtung entwickelt.
Behinderung des Hinderniſſe, welche in der Richtung des Dickenwachstums der
e Organe wirken, haben zur Folge, daß der Pflanzenteil je nach der
Form des fremden Körpers eingeſchnürt oder abgeplattet wird. An Pflanzenteilen, die ein ſtarkes und langdauerndes Dickenwachstum be— ſitzen, werden daher dieſe Erſcheinungen beſonders auffallend, und zwar kommt dies ſowohl an ſolchen Pflanzenteilen vor, welche ihr großes Volumen durch ein primäres Dickenwachstum erreichen ), das alſo auf einer Vergrößerung des geſamten Grundgewebes beruht, wie bei dicken Krautſtengeln, Knollen und großen Früchten, als auch bei ſolchen, welche alljährlich durch ſekundäres Dickenwachstum zu— nehmen, das alſo auf der Thätigkeit eines Cambiumringes beruht und in einer entſprechenden Zunahme des Holzkörpers beſteht, wie bei den Wurzeln und Stämmen der Holzflanzen. Hier wirkt natürlich das Hindernis immer als ein Druck der Querrichtung, und die Wirkung iſt auch in allen Fällen, mag es um ein primäres oder ſekundäres Dickenwachstum ſich handeln, inſofern ein und dieſelbe, als in der Richtung, in welcher das Hindernis wirkt, ſowohl die Vermehrung der Zellen, als auch das Wachstum der wirklich gebildeten Zellen ſchwächer wird; doch kommen dabei auch Verſchiebungen in den Geweben zu ſtande, indem die Wachstumsrichtung mehr oder weniger nach der Gegend der unbehinderten Ausdehnung ausweicht.
Von den vielen Fällen, wo abſichtlich oder unbeabſichtigt Pflanzenteile an ihrem Dickenwachstum gehindert und dadurch verunſtaltet werden, ſeien nur folgende erwähnt.
An Früchten. Großen Früchten, beſonders denen der Cucurbitaceen, kann man durch Unterbindungen oder Kompreſſionen beliebige Geſtalten geben. Bekannt iſt ein Gebrauch der Chineſen, welche ganz junge Kürbisfrüchte in viereckige, inwendig mit vertieften Figuren und Schriftzügen gezeichnete Flaſchen ſtecken; die Früchte vergrößern ſich, füllen die ganze Flaſche aus und drücken ſich in den Wänden ab; wenn fie reif find. zerſchlägt man die Flaſche und nimmt die künſtlich geformten Früchte heraus.
An Knollen Kartoffelknollen, Rüben und andre dickwerdende Wurzeln wachſen
und Wurzeln. manchmal, wenn ſie noch jung ſind, durch enge Löcher feſter Körper, denen ſie zufällig im Erdboden begegnen, und erſcheinen daher ſpäter durch die—
) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik. Leipzig 1892, I. pag. 375.
J. Abſchnitt: Von den Wirkungen des Raummangels 23
ſelben eingeſchnürt. Flaſchenhälſe, Drathſchlingen, durchlochte Holz- oder Metallſtücke und dergleichen findet man bisweilen in dieſer Weiſe von ſolchen Pflanzenteilen durchwachſen und mehr oder weniger in dieſelben eingewachſen.
An Bäumen, die über felſiger Unterlage ſtehen, iſt es eine ſehr häufige Erſcheinung, daß die jungen Wurzeln, welche zwiſchen enge Felſenſpalten hineingewachſen ſind, mit zunehmendem Alter eine immer plattgedrücktere Form annehmen, weil ihr fortdauerndes ſekundäres Dickenwachstum nur in der Richtung der Spaltenfläche freien Spielraum hat. Wenn ſie ſich viele Jahre ſo entwickelt haben, ſo kommen ſie endlich einmal beim Abbrechen des Geſteins in den ſeltſamſten Formen, manchmal faſt bis zu Papierdünne abgeplattet, zum Vorſchein. Solche Baumwurzeln zeigen daher auf dem Querſchnitt in der Form des Holzkörpers die analoge Deformität (Fig. 2). Das Mark liegt meiſt mehr oder weniger excen— triſch; in den beiden Rich- tungen, wo das Geſtein angrenzte, hat ſich nur eine ſchmale Holzſchicht ent— wickeln können; aber nach den beiden andern Seiten hin iſt der Holzkörper nach Maßgabe ſeines Alters er— ſtarkt und durch die ent ſprechende Anzahl unvoll— ſtändiger, bogenfömiger Jahresringe gezeichnet. Die ö Rinde ift ebenfalls an den Zwiſchen Felſenſpalten gewachſene und durch freien Seiten meiſt unge: den Druck veränderte Eichenwurzeln im mein mächtig entwickelt Querdurchſchnitt. 4 eine ältere Wurzel,
f 5 i „2 Mal vergrößert. B jüngere Wurzel, 3 Mal während ihr Dickeuwachs⸗ vergrößert. m die Gegend des Markes. tum an den andern Seiten
auf ein Minimum beſchränkt iſt. Die Peridermhaut geht lückenlos um die ganze Oberfläche der Wurzel herum. Selbſt Abdrücke der Unebenheiten der Steinflächen prägen ſich am Wurzelkörper aus, und wo zwei Wurzeln bei— ſammen in einer Felsſpalte ſich entwickeln, bringen ſie aufeinander ihren Ab— druck hervor. Bemerkenswert iſt die Gewebebildung des Holzkörpers an den im Dickenwachstum gehemmten Seiten. Wenn auch eine Zunahme des Holzkörpers in dieſen Richtungen abſolut unmöglich iſt, ſo iſt die dort liegende Cambiumſchicht doch keineswegs getötet, ja nicht einmal zu völliger Unthätigkeit gebracht. Das auffallendſte Reſultat dieſer auf das äußerſte beſchränkten cambialen Thätigkeit iſt, daß in der ganzen Ausdehnnng, in welcher der Druck auf die Cambiumſchicht wirkt, eine Gliederung des Holzgewebes in Jahresringe nicht ſtattfindet, und keine weiten Gefäße, wie ſie dem Frühjahrsholze eigentümlich ſind, gebildet werden. Beides findet an den keinem Druck ausgeſetzten andern beiden Seiten in normaler Weiſe ſtatt Das Holzgewebe nimmt daher an beiden unter dem Drucke ſtehenden Seiten eine mehr homogene Beſchaffenheit an, wie aus den beiſtehenden Abbildungen erſichtlich. Stärkere Vergrößerung eines Durchſchnittes durch das Holz an dieſer Seite läßt genauer erkennen, wie hier die cambiale
An Baum- ſtaͤmmen.
Wie Wunden entſtehen.
24 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Thätigkeit verändert wird. Die Holzzellen, welche ſonſt in radialen Reihen abgelagert werden, weichen hier dem Drucke aus, indem ſie ſich in ſehr ſchiefer Richtung anordnen; und da ſie abwechſelnd zeitweiſe nach rechts und links ausweichen, ſo bilden ſie oft ſehr ſpitzwinklige, zickzackförmige Reihen, was beſonders durch die Markſtrahlen, die ſich dieſen Richtungen anſchließen, angezeigt wird. Es kommt hinzu, daß hier vorzugsweiſe nur engere Tracheiden und Holzparenchymzellen gebildet werden, daß dieſe Organe kürzer als im normalen Holze ſind und gewöhnlich auch mit ihrer Längsachſe aus der normalen longitudinalen Richtung in eine mehr oder minder ſchiefe Richtung gedrängt werden.
Auch Stämme und Aſte von Holzpflanzen treffen manchmal auf Hinderniſſe, die ſich bei zunehmendem Dickenwachstum in dieſelben ein— drücken. Ein Draht, ein davorſtehender Zaun, Gitter u. dergl., oder der Stengel einer holzigen Schlingpflanze, die den Stamm umwunden hat, bieten hierzu nicht ſelten Veranlaſſung. Solche Hinderniſſe können bei immer fortgehendem Dickenwachstum des Stammes endlich in denſelben einſchneiden und wirkliche Wunden hervorbringen, von denen im nächſten Kapitel die Rede iſt.
Auch ſchon leichterer Druck, wie er durch Umſchlingen von Bindfaden erzeugt wird, hat nach de Vries) Verſuchen an Stämmen verſchiedener Holzpflanzen zur Folge, daß das Cambium an dieſer Stelle deſto weniger Zellen in jeder Radialreihe erzeugt, daß der Durchmeſſer der Holzzellen wie der Gefäße geringer wird, und daß auch die relative Zahl der Gefäße ſich vermindert. Dagegen war die Meinung dieſes Forſchers, daß aus dem natürlichen Rindendruck und ſeinen Schwankungen die Bildung des Frühjahrs— und Herbſtholzes und ſomit die Bildung der Jahresringe im Holzkörper der Bäume ſich erkläre, eine verfehlte, wie Krabbe?) nachgewieſen hat.
II. Abſchnitt. Von den Wunden.
Im natürlichen Verlaufe des Lebens löſen ſich von vielen Pflanzen regelmäßig gewiſſe Teile los, wie die im Herbſte abfallenden Blätter der Holzpflanzen und die freiwillig ſich abſtoßenden Zweige, die ſogen. Abſprünge an den Eichen, ſowie die alljährlich abſterbenden oberirdiſchen Triebe von den unterirdiſchen ausdauernden Organen der Stauden. Die Bruchſtellen, die ſich hierbei bilden, ſind aber gar nicht eigentlich als Wunden zu betrachten, denn ſchon vor der Ablöſung jener Organe
) Einfluß des Rindendruckes auf den anatomiſchen Bau des Holzes.
Flora 1875. Nr. 7. 2) Sitzungsber. d. Berliner Akad. Dezember 1882. und Abhandl. d.
Berliner Akad. 12. Juni 1883.
1. Kapitel: Störung der Lebensthätigketten infolge von Verwundung 25
wird an der Trennungsſtelle ein neues Hautgewebe in Form einer Korkſchicht gebildet, welches alſo bereits fertig iſt, wenn die Abtrennung erfolgt, und welches nach Entſtehung, Bau und ſchützender Wirkung übereinſtimmt mit der Korkhaut, die ſich normal an der Oberfläche unverletzter Stammteile findet, und mit derjenigen, die auf eigentlichen, unfreiwillig entſtehenden Wunden nachträglich ſich zu bilden pflegt. Die holzigen Teile der Gefäßbündel, welche bei dieſen ſpontan ein— tretenden Verwundungen, freigelegt werden und die ja der Korkbildung unfähig ſind, gehen auch hier an der Wundſtelle in das unten zu erwähnende Schutzholz über, indem die Gefäße und Tracheiden durch entſtehendes Wundgummi verſtopft werden.
Von eigentlichen Wunden kann alſo nur da die Rede ſein, wo durch äußere Urſachen der normale Zuſammenhang der Zellgewebe aufgehoben wird und innere lebende Gewebe blosgelegt werden. Verwundungen können natürlich an jedem beliebigen Pflanzenteile und in ſehr verſchiedener Weiſe eintreten. Ehe wir jedoch die einzelnen
Verwundungsarten näher betrachten, iſt es paſſend, ſich über gewiſſe
allgemeine Thatſachen aufzuklären, welche ſich auf die Folgen der Verwundungen bei den Pflanzen überhaupt beziehen.
An der lebenden Pflanze zieht jede Verwundung gewiſſe Folgen nach ſich, die man unter folgende Geſichtspunkte bringen kann. 1. Störung derjenigen normalen Lebensthätigkeiten, zu deren Ausübung das durch die Verwundung verletzte oder verloren gegangene Organ (ſei es morphologiſches Glied, ſei es Zellgewebe) beſtimmt iſt. 2. Die an der Wundſtelle eintretenden Reaktionen, die auf den Schutz und auf die Heilung des verlegten Organes oder auf deſſen Reproduktion abzielen. 3. Die Zerſetzungserſcheinungen der Gewebe, welche, wenn die rechtzeitige Heilung nicht gelingt, von der Wunde ihren Ausgang nehmen und die man generell als Wundkrankheiten oder Wundfäule bezeichnen kann.
1. Kapitel.
Störung der Lebensthätigkeiten infolge von Verwundung.
Wenn man weiß, welche Verrichtungen die einzelnen Teile der Pflanze zu beſorgen haben, ſo kann man bei jeder Verwundungsart vorher ſagen, welche Thätigkeiten der Pflanze geſtört, beziehentlich aufgehoben werden, je nachdem die betreffenden Pflanzenteile eine geringere oder ſtärkere Verwundung erlitten haben, beziehentlich ganz verloren gegangen ſind. Es iſt hier an das zu erinnern, was in der Einleitung in dieſer Beziehung geſagt worden iſt.
Folgen der Verwundung.
Störung der Lebensthätig⸗ keiten nach Verwundung.
26 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Folgen der Ver⸗ Bei Verletzungen oder Verluſt der Wurzeln wird die Waſſer— . aufnahme der Pflanze vermindert oder ganz aufgehoben, je nach der Größe des Wurzelverluſtes; die oberirdiſchen Teile der Pflanze er—
halten alſo nicht mehr genügend Waſſer, und weil die Tranſpiration der—
ſelben fortdauert, ſo verlieren ſie alſo mehr Waſſer als ihnen neues
zugeführt wird. Die Symptome, unter denen dies an der Pflanze
zum Ausdruck kommt, ſind je nach den Eigenſchaften der Pflanzen verſchiedene. Bei allen Gewächſen mit weichen, ſaftigen Blättern
und Stengeln tritt Welkwerden ein, welches die unmittelbare Folge
der Verminderung des Turgors der Zellen iſt, die aus der Abnahme
des Waſſergehaltes der Gewebe reſultiert. Es iſt eine gewöhnliche x Erſcheinung der meisten krautartigen Pflanzen, daß ſie welk daſtehen,
wenn ihre Wurzeln durch Tierfraß oder in Folge des Verpflanzens
beſchädigt worden ſind. Handelt es ſich um Pflanzen mit härteren, 4 ſaftärmeren Blättern, ſo tritt ein Gelb- oder Braunwerden und 5 langſames Vertrocknen der Blätter ein; wieder andere Pflanzen a laſſen unter ſolchen Umſtänden leicht die Blätter abfallen, jo daß eben jede Pflanzenart hierin ihre eigenen Symptome zeigt. Am wenigſten empfindlich ſind die Succulenten, weil dieſe wegen ihrer N überaus ſchwachen Tranſpiration längere Zeit ohne Wurzel exiſtiren | können und auch meiſt leicht ſich wieder bewurzeln. F Störungen von Rinde und Holzkörper find für die Leitung der Stoffe in der |
2 *
* Pflanze von ſo großer Bedeutung, daß, wenn dieſe Gewebe an irgend wundung von einer Stelle in Folge von Verwundung unterbrochen ſind, daraus Rinde und Holzerhebliche Störungen für die Pflanze entſtehen können, beſonders an den Stämmen und Zweigen der Holzpflanzen, weil hier beide Gewebe ſo orientiert ſind, daß der Holzkörper den centralen, die Rinde den peripheriſchen Teil ausmacht und die Rinde überdies hier eigentlich das einzige für die Stoffwanderung auf diosmotiſchem Wege in Be— tracht kommende Gewebe iſt. Denn die in den grünen Blättern durch die Aſſimilationsthätigkeit unter Verwendung der atmoſphäriſchen Kohlen- ſäure erzeugten organiſchen Pflanzenſtoffe werden in der Rinde der Zweige und Stämme fortgeleitet und gelangen auf dieſem Wege aus den Blättern nach allen den Teilen der Pflanze, wo Bildungsthätigkeiten ſtattfinden, wo alſo immer neues plaſtiſches Material gebraucht wird. Wenn nun durch eine ringförmige Verwundung die Rinde völlig unterbrochen iſt, ſo werden die von den darüber ſtehenden Blättern erzeugten aſſimilierten Stoffe oberhalb der Ringelwunde zurückgehalten. Betrifft alſo den Stamm einer Holzflanze eine ſolche ringförmige Ent— rindung, und befinden ſich unterhalb der letzteren keine blättertragenden Zweige, ſo werden dadurch alle unterhalb der Ringelwunde befindli—
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1. Kapitel: Störung der Lebensthätigkeiten infolge von Verwundung 27
chen Partien von der Verſorgung mit aſſimilierten Nährſtoffen aus- geſchloſſen; d. h. das Wachstum des ganzen Wurzelſyſtems und die Holzbildung des Stammes unterhalb der Ringelwunde erhalten kein Nahrungsmaterial mehr und kommen zum Stillſtand, und wenn es der Pflanze nicht bald gelingt, durch den natürlichen Heilungsprozeß der Überwallung (ſ. unten) die Wunde zu ſchließen, jo iſt immer die natürliche Folge, daß das ganze Wurzelſyſtem abſtirbt und alſo die Pflanze eingeht. Der Holzkörper dagegen dient außer als mechaniſches Feſtigungsmittel im Aufbau des Baumes hauptſächlich zur Aufwärts— leitung des Waſſers, welches die Wurzeln aus dem Erdboden auf— genommen haben und welches den Blättern beſtändig zugeführt wird, um den Verdunſtungsverluſt derſelben wieder zu erſetzen, zugleich aber auch um verſchiedene mineraliſche Nährſtoffe, welche in dem Waſſer aufgelöſt ſind, den Blättern zuzuleiten. Dieſer ſogenannte Tranſpirations— ſtrom geht alſo ungehemmt fort, auch wenn die Rinde durch eine Ringwunde vollſtändig unterbrochen iſt, ſofern eben nur der Holz— körper dabei erhalten geblieben iſt. Auch bei ſtarken Entrindungen der Stämme bleibt daher das Laub des Baumes lange friſch und lebensthätig, und wenn es endlich Zeichen des Abſterbens erkennen läßt, ſo iſt dies eben die Folge des inzwiſchen eingetretenen Todes der Wurzeln, ohne deren Arbeit das Aufſteigen des Tranſpirationsſtromes im Holzkörper nicht zu Stande gebracht wird. Es ſind denn auch vielfach Fälle beobachtet worden, wo Bäume, deren Stämme der Rinde vollſtändig beraubt worden, noch eine Reihe von Jahren am Leben geblieben find, indem fie ſich jedes Jahr von neuem belaubten. !“) Bei der von Trecul?) erwähnten Linde von Fontainebleau, welche trotz vollſtändiger ringförmiger Entrindung des Stammes 44 Jahre lang am Leben blieb, erklärt ſich die Erhaltung der Wurzeln durch den Umſtand, daß der Stamm über der Erde reichlich belaubte Triebe gebildet hatte.
Wenn umgekehrt der Holzkörper an irgend einem Punkte des Stammes oder der Zweige ganz oder größtenteils zerſtört ift, jo hat dies, auch wenn die Rinde unverletzt ſein ſollte, natürlicherweiſe augenblicklich ein Aufhören des Saftſteigens nach oben und ein Vertrocknen der darüber gelegenen Teile zur Folge; doch brechen dann eben in der Regel die letzteren an der Wundſtelle ab.
Die grünen Blätter ſind für die mit ſolchen verſehenen Pflanzen die unentbehrlichen Aſſimilationsorgane, in deren chlorophyllhaltigen
1) Vergl. Sorauer, Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I. pag. 571 574. 2) Ann. der sc. nat. 4. ser. T. III. 1855, pag. 341.
Störung von Lebensthätig⸗ keiten nach Ver⸗ luſt der Blätter.
28 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Zellen unter dem Einfluſſe des Lichtes Kohlenſäure, welches die Blätter aus ihrem umgebenden Medium aufnehmen, und Waſſer zu organiſchen Kohlenſtoffverbindungen umgewandelt werden, wodurch dasjenige Kohlenſtoffmaterial gewonnen wird, das die Pflanze zu ihrer Ernährung bedarf und welches in allen pflanzlichen Produkten enthalten iſt. Wenn alſo eine Pflanze zur Zeit, wo ſie ihre Vegetation noch nicht beendigt hat (der normale herbſtliche Abfall der Blätter gehört alſo nicht hier— her), alle ihre grünen Blätter verliert, ſo kommt von dieſem Zeitpunkte an jede Produktion der Pflanze ſo gut wie zum Stillſtand, wenn nicht inzwiſchen eine Neubildung von Blättern ſtattfinden ſollte. So werden alſo die Wurzeln und andre unterirdiſchen Organe in ihrer weiteren Ausbildung gehindert; eine Kartoffelpflanze, die all' ihr Laub verloren hat, läßt dann einen weſentlichen Fortgang der Knollenbildung und eine Vermehrung des Stärkemehls in denſelben nicht mehr erwarten; eine Rübenpflanze unter den gleichen Bedingungen keine weitere Ver— vollkommnung des Rübenkörpers und Zunahme ihres Zuckergehaltes. Fruchttragende Pflanzen können nach vollſtändigem Verluſte ihrer grünen Blätter nichts Erhebliches mehr zur Produktion von Früchten und Samen thun; es tritt alſo ſowohl bei Körnerfrüchten, bei Olfrüchten, bei Leguminoſen ꝛc., als auch bei Obſtbäumen, beim Weinſtock ꝛc. eine Vereitelung der Fruchtbildung ein, wenn der Blattapparat durch irgend eine mechaniſche Veranlaſſung, ſei es durch Menſchenhand, durch Tierfraß, durch Hagel u. dergl. zerſtört worden iſt. Aus dem gleichen Grunde wird außerdem bei allen Holzpflanzen die Zweigbildung des betreffenden Jahres geſtört oder geſchwächt. Der ganze Trieb kann, wenn er ſeine Blätter verloren hat, trocken werden und abſterben; das tritt um ſo eher ein, je jünger derſelbe zur Zeit der Entlaubung war; daher kommt es bei Kahlfraß an Holzpflanzen, beſonders wenn er zeitig im Frühjahr eingetreten iſt, vor, daß einzelne Zweige oder die Spitzen derſelben vertrocknen. Je ſpäter im Sommer der Verluſt des Laubes eintritt, deſto weniger macht ſich die Schwächung in der Ausbildung der Triebe bemerkbar, weil dann eben die Ernährung derſelben deſto vollſtändiger geſchehen konnte. Die Schwächung der Zweigbildung ſpricht ſich beſonders darin aus, daß die Zweige un— genügend erſtarken und daß die Bildung ihrer Winterknoſpen mangel- haft ausfällt, indem wenigere und kleinere Knoſpen erzeugt werden. Die Folge dieſer ungenügenden Ausbildung der Knoſpen und der mangelhaften Anſammlung von Reſerveſtoffen für die neue Vegetations⸗ thätigkeit iſt, daß auch die nächſtfolgende Belaubung, mag ſie nun noch in demſelben Jahre wieder erſcheinen oder erſt im nächſten Jahre, noch unter den Folgen des Kahlfraßes zu leiden hat. Und ſo kann
1. Kapitel: Störung der Lebensthätigkeiten infolge von Verwundung 29
ſelbſt mehrere Jahre hintereinander die Zweig- und Laubbildung des Baumes geſchwächt werden, beſonders aber dann wenn hintereinander wiederholte Entlaubung eintritt, indem dann, allmähliches Ver— trocknen und Abſterben auch der größeren Aſte eintritt, was oft der Grund zu dauerndem Siechtum und endlichem Tode des Baumes wird. Die Entlaubung hat aber auch einen ſchädlichen Einfluß auf die geſamte Holzbildung des Baumes, weil dieſe ja auch durch die Aſſimilationsthätigkeit der Blätter das nötige Nahrungsmaterial empfängt. Der im Entlaubungsjahre zur Ausbildung kommende Holz— jahresring in den Aſten und im Stamme fällt entſprechend ſchwach aus. Der ſchmale Jahresring bleibt dann natürlich dauernd im Holz— körper kenntlich; man kann alſo auf Stammquerſchnitten daraus genau diejenigen Jahrgänge beſtimmen, in welchen der Baum während ſeines Lebens ſolche Laubbeſchädigungen erlitten hatte. Aus Ratzeburg's!)) Beobachtungen iſt zu entnehmen, daß, wenn der Blattverluſt zeitig im Frühlinge eintritt, z. B. beim Fraß der Forleule, auch der im Fraßjahre gebildete Jahresring ſehr ſchmal bleibt, dagegen bei ſpät eintretendem Fraß, z. B. nach demjenigen des Kiefernſpanners, der Jahresring im Fraßjahre ziemlich unverändert iſt, aber der des Nach— fraßjahres ſich tief geſunken zeigt, was ſich daraus erklärt, daß in jedem Sommer die Ausbildung des neuen Jahresringes zuerſt, die Erzeugung der Reſervenährſtoffe für den nächſten Frühling erſt ſpäter erfolgt. Ratzeburg's Beobachtungen nach Nonnenfraß an der Fichte ergeben, daß die Holzbildung der Zweige ſtets im Verhältnis zur Bildung der Jahrestriebe ſteht, mit dieſer ſinkt und ſteigt, und daß ſogar im Baumſtamme die Abnahme der Jahresringe ſehr ſtark und plötzlich eintritt und auch noch in den folgenden Jahren bleibt; ſelbſt wenn ein Zweig nur an einer Seite blättertragende Triebe behalten hat, ſo iſt das Dickenwachstum des Jahresringes an dieſer Seite relativ am ſtärkſten, an den übrigen geſchwächt. Als eine Eigentümlichkeit bei den Nadelbäumen erwähnt Ratzeburg das Auftreten ungewöhnlich weiter und zahlreicher Harzkanäle in den in Folge von Kahlfraß beſonders ſchmal gebliebenen Jahresringen, ſo daß dieſelben bisweilen faſt die ganze Breite eines ſolchen Jahresringes einnehmen, daher ſie auch bei einſeitiger Beäſtung, wo der Holzring ſich ungleich ausbildet, nur an der aſtloſen Seite auftreten ſollen. Soweit ſich nach der anatomiſch ungenügenden Darſtellung vermuten läßt, ſcheint es ſich hierbei um wirkliche Harzhöhlen, durch Zerſtörung von Holzzellen entſtanden (lyſigen) zu handeln, wie ſolche nach Verwundungen häufiger zu entſtehen pflegen
1) Waldverderbnis. I. pag. 160, 174, 234.
30 II. Abſchnitt: Von den Wunden
(ſ. unten). Wenn nach Entblätterung einer Holzpflanze nochmalige Belaubung in demſelben Sommer eintritt, ſo kann eine wirkliche Ver— doppelung des Jahresringes ſtattfinden, eine mehrfach behauptete und wieder beſtrittene, jedoch von Kny!) an mehreren Laubhölzern ſicher nachgewieſenen Erſcheinung. Durch den plötzlichen Laubverluſt wird eine Unterbrechung der Zellteilungen im Cambium bedingt, nachdem noch einige Schichten radial zuſammengedrückter enger Holzzellen gebildet worden ſind, worauf nach der Wiederbelaubung die Holzbildung mit weiten Gefäßen und radial geſtreckteren Zellen beginnt, womit alſo die anatomiſchen Verhältniſſe des Herbſt- und Frühjahrsholzes nach— geahmt werden. Freilich iſt dieſe Verdoppelung des Jahresringes nur in den einjährigen Zweigen ſelbſt, welche ihre Blätter eingebüßt hatten, ſcharf ausgeprägt; ſie nimmt nach den unteren Internodien des Zweiges hin allmählich ab, um in den mehrjährigen Zweigen zu ver— ſchwinden.
Alle hier beſchriebenen Störungen der Lebensthätigkeiten in Folge des Verluſtes der Blätter zeigen ſich natürlich in ihrem höchſten Grade, wenn die Pflanze ihre ſämtlichen Blätter verloren hat; ſie ſind aber in ſchwächerem Grade zu erwarten, wenn der Blattverluſt ein partieller iſt, ſei es daß nur eine Anzahl von Blättern ganz verſchwunden iſt, ſei es daß die Blätter bloß einzelne Teile oder Stücke eingebüßt haben, wie es namentlich bei Inſektenfraß oft zu geſchehen pflegt. Es wird dies im un— gefähren Verhältnis zur Größe des eingetretenen Defektes zu erwarten ſeiu, gleiche Entwickelungsperiode der Pflanze und gleiche Jahreszeit voraus— geſetzt; denn man darf annehmen, daß mit der Verminderung der Größe der der Pflanze zur Verfügung ſtehenden Aſſimilationsfläche jede der erwähnten Ernährungs- und Produktionsthätigkeiten proportional ver⸗ mindert wird. Bei gewiſſen Pflanzen kann jedoch ein teilweiſer Ver— luſt der Laubblätter ſogar vorteilhaft für gewiſſe Produktionen der Pflanze werden. Dahin gehört beſonders das Kappen der Reben, indem man im Sommer den traubentragenden Stöcken die oberen Laubblätter ausbricht; man erzielt mit dieſer in den Weinbauländern allgemein üblichen Maßregel, daß die aſſimilierten Stoffe, welche die unteren in der Nähe der Trauben ſtehenden Blätter erzeugen, ganz für die Ausbildung der Trauben verwendet werden, während ſonſt ein Teil von ihnen zur luxuriöſen Entwickelung des Laubapparates verſchwendet werden würde ). |
) Verhandl des botan. Ver. der Prov. Brandenburg 1879. — Vergl. anch die gleichſinnigen Mitteilungen Ratzeburg's 1. e. II. pag. 154, 190, 232.
2) Vergl. Cuboni, Rivista di Viticoltura ed Enologia Italiana 1885. Heft 1.
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 31
2. Kapitel.
Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen. Natürliche Schutzvorkehrungen, Heilungen und Reproduktionen an den Wunden; Wundkrankheiten.
Jede Verwundung ruft an der Wundſtelle gewiſſe Thätigkeiten der Pflanze wach, durch welche mancherlei Veränderungen an der Wunde ſelbſt hervorgebracht werden. Man kann alſo alle neuen Bildungsthätigkeiten, welche ſich an einer Wunde oder in deren un— mittelbarſter Nähe einſtellen, als die Reaktionen der lebenden Pflanze gegen die Verwundungen generell bezeichnen. Dieſelben müſſen nun aber je nach ihrer Art und phyſiologiſchen Bedeutung in mehrere Kategorien unterſchieden werden. Einesteils haben ſie nämlich die Bedeutung von unmittelbaren Schutzvorkehrungen, welche ſehr ſchnell nach geſchehener Verletzung an der Wundſtelle eintreten zum Schutze des durch die Verletzung bloßgelegten inneren Gewebes gegen die durch die Berührung mit der Luft drohenden Gefahren. Andernteils ſind es wirkliche Heilungsprozeſſe, welche für die Herſtellung eines neuen Hautgewebes an Stelle des durch die Wunde verloren gegangenen ſorgen. Oder aber es ſind ſogar Reproduktionen, d. h. es werden ganze verloren gegangene Glieder durch Neubildung gleichartiger Glieder erſetzt. Im Gegenſatz zu dieſen gutartigen Reaktionen können aber auch ſchädliche Folgeerſcheinungen an den Wunden ſich zeigen; wenn nämlich die Schutzvorkehrungen oder die Heilungsprozeſſe ſich verzögern, ſo gewinnen die von der Wunde aus immer weiter in das angrenzende lebende Gewebe fortſchreitenden Zerſetzungserſcheinungen, die man generell als Wundfäule oder Wundkrankheiten bezeichnen kann, die Oberhand. Wir werden zunächſt die hier kurz charakteriſierten ver— ſchiedenen Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen einzeln näher kennen lernen, um dann weiter unten auf Grund dieſer Kenntniſſe die Maßregeln betreffs der Behandlung der Wunden zu beſprechen.
A. Natürliche Schutzvorkehrungen nach Verwundungen. J. Schutzholz und Kernholz.
Die Holzpflanzen zeigen ausnahmslos die Erſcheinung, daß wenn ihr Holzkörper an irgend einem Punkte verwundet wird, die geſamte der Luft unmittelbar ausgeſetzte freigelegte Stelle des Holzes bis zu einer gewiſſen, verhältnismäßig geringen Tiefe ſehr bald eine dunklere Farbe annimmt (Fig. 3), die beſonders auf dem Durchſchnitte durch eine ſolche Wundſtelle auffallend abſticht und ſich ſcharf abgrenzt gegen
Die Reaktionen im allgemeinen.
Begriff des Schutzholzes.
32 II. Abſchnitt: Von den Wunden
die unverändert helle Farbe, welche das unter der ſo veränderten Holzſchicht liegende Splintholz beſitzt. Wie die mikroſkopiſche Prüfung uns lehrt, hat dieſe Dunkelung ihren Grund darin, daß die Zellwände des betreffenden Holzgewebes durch einen meiſt bräunlichen Farbſtoff ſich gefärbt haben, hauptſächlich aber darin, daß die Lumina der Gefäße und Tracheiden mit einer feſten Ausfüllungsmaſſe von brauner Farbe verſtopft ſind.
Was für eine bedeutungsvolle Reaktion der Pflanze in dieſer Veränderung des Holzes an jeder Wundſtelle liegt, iſt den Pflanzen— phyſiologen bis in die neuere Zeit unbekannt geblieben. Auch R. Hartig hat bei ſeinen Arbeiten über die Holzkrankheiten ) die Be— deutung dieſer Erſcheinung völlig verkannt; er erklärt dieſe Bräunungen als erſtes Stadium von „Zerſetzung des Holzes“ oder von „Wund— fäule“ und iſt auch über die chemiſche Natur dieſer Ausfüllungsmaſſen der Gefäße und Holzzellen im Irrtum; denn er ſagt, daß eine gelbe oder bräunliche Flüſſigkeit im Innern der Organe enthalten ſei, welche von dem Eindringen des Außenwaſſers herrühre, nach dem Austrocknen ſich als Kruſte auf der Wandung ablagere oder als brüchige, beim Trockenen riſſig gewordene, gelbe oder bräunliche Subſtanz das ganze Innere faſt ausfülle und als Humuslöſung zu betrachten ſei, weil ſie
) Die Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878 und Lehrbuch der Baumkrankheiten. Berlin 1882, pag. 140 141.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 33
aus Zerſetzungsprodukten des Zellinhaltes beſtehe, welche durch das eindringende Außenwaſſer gelöſt und weiter in das Holz fortgeführt werden. Die ganze Hartig'ſche Behandlung der eigentlichen Wundfäule des Holzes, die mit dieſen Erſcheinungen U gar nichts zu thun hat, wird von dieſen irrtüm— lichen Auffaſſungen be— herrſcht, die ich allerdings in die erſte Auflage dieſes Lehrbuches auf R. Har— tig's Autorität hin auf— nahm, weil ich damals noch nicht ſelbſt die Sache unterſucht hatte.
Über die in Rede ſtehenden Veränderungen des Holzes ſind von Temme unter meiner Leitung Unterſuchungen angeſtellt worden!). Wir haben gezeigt, daß es ſich hier keineswegs um Zer— ſetzungsprodukte, ſondern um ganz beſtimmte Pflan- zenſtoffe handelt, welche durch eine Lebensthätigkeit des verwundeten Holzes regelmäßig erzeugt und
als Mittel zur Verſtopfung Bild 8 is in den Gefäß f 1 ildung de undgummis in den Gefäßen der Lumina der Gefäße des Holzes von Prunus avium. Nadialer und der Zellen ſolchen Längsſchnitt durch verwundetes Holz, 5 Wochen Holzes benutzt werden. nach der Verwundung eines einjährigen Zweiges. Bei allen einheimiſe In die drei Gefäße a, b, e find die durch dunklen nheimiſchen Ton markirten Gummimaſſen aus den an—
Laubhölzern beſtehen näm- grenzenden Parenchymzellen ausgetreten, teils
Re 1 Inafii 8. in Form von Tropfen, teils das Lumen des ch d ee Ausfüllungs Gefäßes quer anfüllend und verſtopfend. maſſen aus einer und der— 570 fach vergrößert. Nach Temme.
) Frank, Über die Gummibildung im Holze und deren phyſiologiſche Bedeutung. Berichte der deutſch. bot. Geſellſch. 18. Juli 1884. — Temme, Über Schutz- und Kernholz. Landwirtſch. Jahrbücher XIV, pag. 465.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 3
Entſtehung des Schutzholzes.
Wundgummi.
34 II. Abſchnitt: Von den Wunden
ſelben Subſtanz, die nach allen Reaktionen, die ſie aufweiſt, ſich als Gummi charakteriſiert; denn es iſt unlöslich in Alkohol, Ather, Schwefelſäure, Kali— lauge, dagegen wird ſie durch Kochen mit Salpeterſäure gelöſt, wobei bekanntlich die Gummiarten in Oxalſäure und Schleimſäure übergeführt werden. Es iſt ein in Waſſer unlösliches, ja nicht einmal zu Schleim aufquellendes, ſondern knorpelartige Konſiſtenz behaltendes Gummi, was gerade für die phyſiologiſche Funktion, die es hier zu leiſten hat, von weſentlicher Bedeutung iſt. Mit verholzten Zellmembranen hat es die Eigenſchaft gemein, aus einer Fuchſinlöſung den Farbſtoff aufzu— ſpeichern, ſowie mit Phlorogluein und Salzſäure intenſiv rote Färbung anzunehmen. Es iſt daraus zu ſchließen, daß mit dem Gummi noch gewiſſe andre Stoffe gemengt ſind, was ja auch die mehr oder weniger braune Farbe dieſer Ausfüllungen beweiſt, die von demſelben Farb— ſtoff herzurühren ſcheint, welcher auch in den Membranen dieſes Holzes vorhanden iſt. Für alle unterſuchten Laubhölzer übereinſtimmend iſt auch folgende Reaktion des Ausfüllungsſtoffes: wenn man Schnitte durch ſolches Holz etwa eine Viertelſtunde lang mit verdünnter Salz— ſäure und chlorſaurem Kali digeriert, ſo iſt das Gummi noch nicht aufgelöſt, aber in einen neuen, den Harzen verwandten Körper über— geführt, welcher in Waſſer ebenfalls unlöslich, aber nun in Weingeiſt ſehr leicht löslich iſt; erſt längeres Digerieren mit Salzſäure und chlorſaurem Kali bringt den Körper zum Verſchwinden.
Man kann das Gummi, mit welchem hier die Lumina der Holz— elemente ausgefüllt werden, als Wundgummi bezeichnen, denn wir haben nachgewieſen, daß im unverletzten Holze dieſe Subſtanz noch nicht vorhanden iſt, daß man aber willkürlich die Bildung derſelben bei den verſchiedenſten Laubhölzern regelmäßig hervorrufen kann, ſo— bald man den Holzkörper verwundet, und zwar ſtets in der ganzen Ausdehnung der Wundfläche. Es tritt dies mit Sicherheit zu jeder Jahreszeit, am raſcheſten im Frühling und Sommer ein. Schon wenige Tage nach der Verwundung nehmen zunächſt die Membranen des Holzes die bräunliche oder rötlichbraune Farbe an; ſehr bald ent— ſtehen, zunächſt in den Markſtrahlzellen braune Gummikörnchen, zum Teil durch Umwandlung der dort etwa vorhandenen Stärkemehlkörner; etwas ſpäter erſcheint auch im Lumen der Holzzellen und der Gefäße Gummi in Form von Tropfen, welche auf der Innenfläche der Mem⸗ bran ausſchwitzen und bei den Holzzellen das enge Lumen ſehr bald ausfüllen, bei den weiten Gefäßen erſt bedeutend ſich vergrößern müſſen, ehe ſie wie ein Pfropfen das Lumen derſelben völlig verſchließenz letzteres wird aber meiſtens wirklich erreicht, und man ſieht auf Längs⸗ ſchnitten, daß in jedem einzelnen Gefäß oft nur an wenigen entfernten
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 35
Punkten oder auch nur an einer einzigen Stelle ein ſolcher Gummi— pfropfen ſich gebildet hat, weshalb man denn auch auf einem dünnen Querſchnitt nicht in jedem Gefäß eine Ausfüllung mit Wundgummi antrifft. Dieſer Umſtand lehrt, daß es bei dieſer Gummibildung darauf ankommt, das Gefäßſyſtem des Holzkörpers an der Wundſtelle luft— dicht gegen die Außenluft zu ſchließen, was in jedem Gefäße offenbar ſchon durch einen einzigen vollſtändigen Gummipfropfen erreicht wird. Es leuchtet ein, daß um ein ſicher ſchließendes und haltendes luft— dichtes Verſtopfungsmittel für die Lumina des Holzgewebes zu ſchaffen, die Pflanze in dem Wundgummi, was deſſen phyſikaliſche Eigenſchaften anlangt, ein vollkommen zweckentſprechendes Material bildet, da es von zäher plaſtiſcher Beſchaffenheit und zugleich widerſtandsfähig gegen die auflöſenden Wirkungen des Waſſers iſt.
Viele Laubhölzer bilden an den Wundſtellen noch ein andres Verſchlußmittel für die Gefäßlumina, welches nicht ſelten mit Wund— gummi zuſammen, manchmal auch faſt allein vorkommt, nämlich die ſogenannten Thyllen. Das find, wie in der Pflanzen— anatomie!) längſt bekannt, blaſenförmige, ziemlich dünn— wandige Zellen, welche in das Gefäßlumen hineingetrieben ſind und indem ſie ſich inner— halb des letzteren ſo lange vergrößern (Fig. 5), bis ſie an einander und an die Gefäß— wand anſchließen, ebenfalls einen luftdichten Verſchluß des Gefäßrohres herſtellen. Es iſt bekannt, daß die Thyllen als Auswüchſe der an die Gefäße angrenzenden lebenden Paren— Fig. 5. chymzellen entſtehen, welche Bildung von Thyllen in den Gefäßen des
durch die Tüpfel der Gefäß- Holzes von Balsamea abyssinica; man ſieht,
f a daß die Tyllen blaſenförmige Ausſtülpungen wand Hi den SR des der dem Gefäße angrenzenden Parenchym— Gefäßes hineingetrieben wer- zellen find, a Anfangs-, b ſpäteres Stadium. den. Es leuchtet ein, daß durch — Nach Tſchirch.
) Über Bildung der Thyllen iſt zu vergleichen: Botan. Zeitg. 1845, pag. 225. — Reess, daſelbſt 1868, pag. 1. — Unger, Sitzungsber. der Wiener Akad. 1867. — Böhm, daſelbſt 1867. — Moliſch, daſelbſt 1888, pag. 264.
3 *
Thyllen.
36 II. Abſchnitt: Von den Wunden
dieſes Mittel der Verſchluß mit einem Aufwand von weit weniger Material erzielt wird, als da wo maſſige Gummipfropfen dies zu leiſten haben. In der That werden auch Thyllen hauptſächlich in ſolchen Hölzern gebildet, welche beſonders weite Gefäße haben, wie bei der Eiche, beim Weinſtock u. ſ. w. N
Eigenſchaften des Für alles Holz von der hier beſchriebenen Beſchaffenheit habe ich
Schutzholzes.
mit Beziehung auf die phyſiologiſche Bedeutung, die demſelben zu— kommt, den Namen Schutzholz eingeführt. In der That nimmt das Holz durch die hier beſchriebenen, mikroſkopiſch ſichtbaren Ver— änderungen gewiſſe neue phyſikaliſche Eigenſchaften an, welche dieſe Bezeichnung mit Rückſicht auf das von dem Schutzholz bedeckte, normale Splintholz rechtfertigt. Durch meine und Temme's Unterſuchungen iſt feſtgeſtellt worden, daß bei der Umwandlung des Splintholzes in Schutzholz folgende phyſikaliſche Eigenſchaften ſich ändern. 1. Das ſpecifiſche Gewicht!) wird größer; für Splint- und Schutzholz wurden nachſtehende Werte bei folgenden Pflanzen fefunden: Quercus pedunculata 0,946: 1,130, Gleditschia triacanthos 0, 202: 0,657, Prunus avium 1,512: 2,187, Pyrus malus 1,162: 1,523, Iuglans regia 1,100: 1,155. Die Bildung neuer Stoffe in den Membranen und Hohl— räumen des Schutzholzes erklärt genügend die Vergrößerung des ſpezifiſchen Gewichtes deſſelben. 2. Die Durchläſſigkeit für Luft wird aufgehoben. Wenn man Cylinder aus Holz in dem Ende einer Glasröhre befeſtigt und darin eine Waſſerſchicht auf das Holz aufſetzt, ſo kann man, wenn man am andern Ende der Röhre die Saugpumpe wirken läßt, an dem Ausſtrömen von Luftblaſen aus dem Holze die Wegſamkeit des letzteren für Luft prüfen. Beſteht der Holzeylinder ganz und gar aus Splintholz, ſo genügt ſchon eine Verminderung des Luftdruckes um 5—8 em Queckſilberſäule um Luft durch das Holz zu ſaugen. Beſteht dagegen das äußere Ende des Holzſtückes aus Schutzholz, jo kommt ſelbſt bei einer Saugkraft von 40-50 em Queckſilberſäule keine Luft hindurch; ſobald man aber, während die Saugpumpe fortwirkt, das aus Schutzholz beſtehende Ende wegſchneidet, ſo ſtürzt ſofort ein ununterbrochener Blaſenſtrom aus dem oberen Ende hervor. 3. Die Durchläſſigkeit für Waſſer wird aufgehoben. Verſucht man unter Benutzung einer Uförmigen Glasröhre, auf deren einem Schenkel das zu prüfende cylindriſche Holzſtück aufgekittet iſt, Waſſer mittels Queckſilberdruck durch das Holz zu preſſen, ſo beweiſt das Austreten von Waſſertropfen auf der nach oben gekehrten ent— gegengeſetzten Schnittfläche des Holzſtückes die wirkliche Wegſamkeit
) Über die exacte Beſtimmungsmethode, vergl. Temme 1. c. pag. 475.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 37
des letzteren für Waſſer. Verwendet man zu dem Verſuche ein nur aus normalem Splintholz beſtehendes Stück, ſo genügt ſchon ein ganz geringer Druck um durch ſolches Holz Waſſer hindurchzupreſſen, wie ja längſt bekannt!) iſt. Dagegen erwieſen ſich Holzcylinder von Zweigen von Prunus avium, Pyrus malus, Iuglans regia, die am Ende nur von einer dünnen Schutzholzſchicht begrenzt waren (3. B. bei Prunus avium von nur 4 mm. Dicke), vollkommen waſſerdicht, ſelbſt wenn der Druck bis auf 23,5 em. Queckſilber geſteigert wurde, ſo daß eher das Herausgeſchleudertwerden des das Holz haltenden Kautſchukſtopfens zu befürchten war. Die außerordentliche Widerſtands— fähigkeit des Schutzholzes gegen Luft- und Waſſerdurchtritt erklärt ſich hinlänglich aus der oben beſchriebenen Verſtopfung der Lumina durch Wundgummi und Thyllen.
Die phyſiologiſche Bedeutung dieſer veränderten phyſikaliſchen Bedeutung des Eigenſchaften des Schutzholzes iſt unſchwer zu verſtehen und danach le N bewährt das letztere ſeinen Namen im vollen Umfange. Wenn das lebensthätige Splintholz vor dem Zutritt von Außenluft und Waſſer, die doch an einer Wunde deſſelben eindringen müßten, geſchützt iſt, ſo wird daſſelbe den zerſtörenden Einflüſſen dieſer Atmoſphärilien um vieles länger Widerſtand leiſten. Offenbar beſitzt auch das Schutzholz ſelbſt eine viel größere Widerſtandsfähigkeit gegen Fäulnis als das Splintholz. Dies iſt nun beſonders deshalb von großem Nutzen, weil die eigentliche Heilung der Wunde durch Überwallung, wie es der Natur nach nicht anders ſein kann, erſt nach längerer Zeit ihren Ab— ſchluß erreicht. Eine andre Bedeutung iſt folgende. Der Holzkörper dient dem Aufſteigen des Waſſers in der Pflanze. Soweit wir bis jetzt über die Urſachen des Saftſteigens unterrichtet ſind, nimmt das Waſſer ſeinen Weg in den Hohlräumen der Gefäße und Tracheiden, und das luftdichte Abgeſchloſſenſein der Luft des trachealen Syſtems ſcheint eine der Bedingungen für das Zuſtandekommen des Saft— ſteigens zu ſein, indem die Entſtehung einer nach oben abnehmenden Tenſion der Binnenluft des Gefäßſyſtems mit zu den Urſachen des Saftſteigens gehören dürfte. Von dieſem Geſichtspunkte aus er- ſcheint alſo die luftdichte Verkittung aller in der Nähe der Wunde gelegenen und durch die letztere geöffneten und gefährdeten Gefäße
und Tracheiden mit Gummipfropfen oder Thyllen als eine wichtige = Schutzvorkehrung.
) Vergl. z. B. Sachs, Arbeiten des botan. Inſtit. zu Würzburg. II. pag. 291 ff.
Kernholz.
38 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Nach dieſen Betrachtungen wird nun die Zweckmäßigkeit der Schutzholzbildung in ihrem vollkommenen Lichte erſcheinen, wenn man noch hinzunimmt, daß was die lokale Orientierung des Schutzholzes anbelangt, ſtets und an jeder beliebigen Wunde der Abſchluß der geſammten Wundfläche erzielt wird. Wie bei den ſpeziellen Ver— wundungsarten unten noch näher beſprochen werden wird, folgt die Schicht des Schutzholzes der geſammten Oberfläche der Holzwunde, mag es eine Quer- oder eine Flachwunde ſein, mag die Wundfläche eine ebene oder durch allerlei Unebenheiten unregelmäßige ſein, mag ſie ſogar in Form von Spalten oder Höhlen in den Holzkörper ein— greifen; und ſtets reicht die Schutzholz— ſchicht an den Rän— dern der Wunde bis an die dort unter dem Schutze der natürlichen Rinden— bedeckung befindli— chen Teile des Holz— körpers (vergl. Fig. 6 und 7). So iſt denn in der That der Abſchluß des Holz— körpers durch die nach einer Verwun—
dung eintretende
010.19. Schutzholzbildun Schutzholz, auf dem Querſchnitt eines Lindenſtammes, „; 0 1 0 9 der bei a eine tiefeinſpringende, durch Überwallungs— eine vo omen wülſte noch nicht Be Wunde hat. Das durch Auch gegen
Dunkelung gekennzeichnete Schutzholz es ſpringt ver— e. 4 ſchieden tief in das helle normale Holz ein, ſchließt ane gefä ede dasſelbe aber gegen die Wunde hin vollſtändig ab. Stellen, die nicht Viermal verkleinert nach einem Originalſtück meiner eine offene Wunde Inſtitutsſammlung von Temme entworfen. darſtellen grenzt ſich
U
der Holzkörper der Pflanze durch Schutzholz ab. So wenn Zweige oder Teile der Rinde und des Splintes durch Froſt oder Hitze oder durch paraſitäre Beſchädiger getötet worden ſind; d. h. es bilden ſich an der Grenze des lebenden Holzes in den Gefäßen ꝛc. dieſelben Aus⸗ füllungen mit Wundgummi oder Thyllen.
Auch das Kernholz iſt, wie ich und Temme gezeigt haben, ſowohl anatomiſch wie phyſiologiſch nichts andres als Schutzholz. Bekanntlich gehen die inneren älteren Jahrsringe des Holzkörpers der
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 39
Bäume regelmäßig in den mit vorſtehendem Namen bezeichneten Zu— ſtand über, ſo daß immer nur eine mehr oder minder große Zahl der jüngſten Jahresringe als Splintholz erſcheinen. Die Bildung des Kernholzes beginnt in einem gewiſſen vorgerückten Alter des Holz— ſtammes, wenn der— ſelbe innen noch völlig unverſehrt iſt; aber ſie iſt eben des— halb die rechtzeitig getroffene Vorberei— tung für den Schutz des Splintes gegen innen, wenn, was früher oder ſpäter im höheren Alter endlich ſicher ein— tritt, die älteſten inneren Partien des Holzes zerſtört und
80 . 7.
ud Atte Schutzholz auf e eines Zwetſchenſtammes dadurch hohl wer- der DE große Wunde hat. Die Dunkelung des den. In allen jol- Schutzholzes hat ſichdvon dort aus bis s fortgepflanzt, chen Teilen findet jo daß nur der halbe Splintteil b noch lebensthätig
f iſt. Zweimal verkleinert. Nach einem Originalſtück man den Splint meiner Inſtitutsſammlung von Temme entworfen. gegen das hohle
Stamminnere durch eine ununterbrochene Zone von Kernholz abgegrenzt. Schon frühere Beobachter, wie Saniot), Böhme), de Bary )), Gaunersdorferch fanden im Kernholze Ausfüllungen der Gefäße mit einer gummi- oder harzartigen Subſtanz oder mit Thyllen, und Böhm ſprach ſchon die Meinung aus, daß dies den Vorteil habe, daß dadurch die größten Gefäße alsbald wieder verſchloſſen und ſo das Pflanzeninnere vor der Einwirkung ſchädlicher äußerer Agentien geſchützt werde. Ich und Temme haben gezeigt, daß im Kernholz genau dieſelben anatomiſchen Veränderungen zu finden ſind, wie im Schutzholz der nämlichen Baumſpezies; insbeſondere beſtehen die Ausfüllungsmaſſen der Lumina aus demſelben Gummi; dieſes Kerngummi it alſo mit dem Wund—
) Botan. Zeitg. 1863, pag. 126.
2) Daſelbſt 1879, pag. 229.
3) Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane, pag. 524. ) Beiträge zur Kenntnis ꝛc. des Kernholzes. Sitzungsber. d. Wiener Mad 1882. I, pag. 9.
40 II. Abſchnitt: Von den Wunden
gummi identiſch; auch dieſelben braunen oder rotbraunen Farbſtoffe treten hier in den Membranen des Holzes auf wie in denen des Schutz— holzes; bei gewiſſen Bäumen mögen auch Gerbſtoffe und andre Ver— bindungen hinzutreten. Nach Moliſch!) kommt als Ausfüllungs- maſſe der Gefäße auch manchmal kohlenſaurer Kalk vor, jo bei Ulmus, Celtis und Fagus. Temme hat nun auch nachgewieſen, daß auch bei der Umwandlung des Holzes in Kernholz die analogen phyſikaliſchen Veränderungen eintreten, wie bei der Bildung des Schutzholzes. Die Zunahme des ſpezifiſchen Gewichtes geht aus folgenden Beſtimmungen hervor, welche das Verhältnis des ſpezifiſchen Gewichtes von Splint— und Kernholz angeben: bei Quercus pedunculata 0,946: 1,604, bei Gleditschia triacanthos 0,202: 1,574, bei Prunus avium 1,512: 1,677, bei Pyrus malus 1,162: 1,648, bei Juglans regia 1,100 : 1,177. Eben⸗ jo konſtatierte er die gleiche Impermeabilität des Kernholzes gegen Luft und Waſſer, wie beim Schutzholze. Die durchgängige Analogie, welche zwiſchen Schutz- und Kernholz beſteht, iſt durch eine bei mir von Praél?) ausgeführte vergleichende Unterſuchung zahlreicher Holzpflanzen aus den verſchiedenſten Pflanzenfamilien klar geſtellt worden. Be— kanntlich ſind die Kernhölzer vieler ausländiſcher Bäume, die ſoge— nannten Farbhölzer, durch eigentümliche Färbungen ausgezeichnet, während der Splint auch hier die gewöhnliche helle Holzfarbe beſitzt; es bilden ſich hier gewiſſe Farbſtoffe, welche den Membranen des Kernholzgewebes eingelagert ſind. Prasl hat nun für eine Reihe ſolcher Pflanzen nachgewieſen, daß auch ihr Schutzholz, welches ſie regelmäßig nach Verwundung bilden, genau dieſelbe Farbe wie das Kernholz derſelben Spezies beſitzt, indem hier die gleichen Farbſtoffe auch in den Membranen des Schutzholzes entſtehen. Dieſer Nachweis wurde geliefert von Haematoxylon Campechianum, wo es ein tief- roter Farbſtoff iſt, welcher im Kernholz (Campecheholz) wie im Schutz— holz auftritt, von Caesalpinia Sappan, wo der gelbrote Farbſtoff des Kern— holzes (Sappanholz) auch im Schutzholze zu finden tft, ferner von Maclura aurantiaca (Gelbholz), Pistacia Lentiscus und Rhus Cotinus, wo die gleichen gelben Farbſtoffe die Membranen von Kern- und Schutzholz tingieren. Auch der Verſchluß der Lumina der Gefäße und Zellen des Holzes wurde von Praél allgemein konſtatiert und auch in dieſer Be— ziehung vollſtändige Homologie zwiſchen Schutz- und Kernholz erkannt. Es wurde feſtgeſtellt, daß es überhaupt drei verſchiedene Mittel giebt, um dieſen Verſchluß der Lumina zu erzielen. Erſtens die beiden ſchon ) Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. Wien Bd. 84. 1881.
) Vergleichende Unterſuchungen über Schutz- und Kernholz der Laub— bäume. Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik XIX. 1888. Heft 1.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 41
erwähnten, nämlich entweder Thyllen, die in vielen Farbhölzern den Verſchluß bilden, oder Gummi, teils allein, teils mit Thyllen zuſammen, und dieſes nimmt dann bisweilen auch etwas von der Farbſtoffen auf, welche die Membranen des betreffenden Schutz- und Kernholzes tingieren. Es kann aber auch eine harzartige Subſtanz, die alſo ſchon durch ihre Löslichkeit in Alkohol ſich von Gummi unterſcheidet, ge— bildet und gerade ſo wie ſonſt das Gummi und an Stelle deſſelben als Verſchlußmittel der Gefäße verwendet werden. Als ſolcher Fall erwies ſich Guajacum officinale, deſſen Kernholz, das ſogen. Guajak— oder Franzoſenholz, ſeine braun- bis ſchwarzgrüne Farbe einem bräunlichen oder grünlichen Harz verdankt, mit welchem die Lumina des Gewebes erfüllt find. Auch hier glückte es Prasl, in dem Schutz— holz, welches ſich nach abſichtlich angebrachten Wunden an lebenden Exemplaren dieſer Pflanze bildet, die analoge Veränderung, d. h. die Entſtehung des nämlichen Harzes in den Gefäßen des Schutzholzes nachzuweiſen. |
Dem letzterwähnten Falle ſchließen ſich nun auch die Koniferen an, wo vorzugsweiſe Harz als Ausfüllungsmittel der Tracheiden an Wundſtellen benutzt wird. Bei den Koniferen iſt das eine längſt bekannte Erſcheinung; derartiges Holz wird hier als Kienholz be— zeichnet. Die mikroſkopiſche Unterſuchung lehrt, daß hier die Höhlungen aller Holzzellen mit Harz, beziehentlich Terpentinöl ausgefüllt ſind, daß aber gleichzeitig auch die Zellmembranen mit Harz durchtränkt ſind; dabei wird die Farbe des Holzes braun oder rot. In der That vertritt bei den Koniferen das Kienholz die Stelle von Kern— und Schutzholz. Es iſt bekannt, daß bei der Kiefer und deren ver— wandten Arten und bei der Lärche regelmäßig das Kernholz, auch noch ehe eine Verletzung eingetreten iſt, verkient. An allen Wundſtellen der Nadelbäume verkient regelmäßig das entblößte Holz; dies iſt beſonders nach Wildſchälen an Kiefer, Fichte, Lärche und Tanne, ſowie im Holze der zum Zwecke der Harzgewinnung verwundeten Nadelholzſtämme be— kannt!); ebenſo find die im Stammholze ſteckenden abgeſtorbenen Stümpfe alter Aſte regelmäßig verkient (Kienäſte).
Die Frage der Entſtehung des Wund- und Kerngummis wurde früher an denjenigen Holzpflanzen ſtudiert, welche die beſondere Eigentümlichkeit haben, daß bei ihnen infolge von Verwundung eine ſo große Menge von Gummi ſich bildet, daß daſſelbe in reichlichen Maſſen aus dem Pflanzenteile hervorquillt,
) Vergl. Mohl, Gewinnung des venetianiſchen Terpentins. Botan. Zeitg. 1859, pag. 340; Ratzeburg, Waldverderbnis. II. pag. 36. Wigand, Desorganiſation der Pflanzenzelle, Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Bot. III. pag. 165.
Kienholz.
42 II. Abſchnitt: Von den Wunden
wie beſonders beim Kirſchbaum und bei andern Amygdalaceen. Von dieſer profuſen Gummibildung wird erſt im nächſtfolgenden Abſchnitte die Rede ſein; aber auch bei dieſen Pflanzen kommt im Schutz- und Kernholz regelmäßig dieſelbe Bildung von Gummi in den Gefäßen vor, die ja eben erſt ſpäter von mir und Temme als eine allgemeine Erſcheinung bei unſern Laubhölzern erkannt worden iſt; bei den Amygdalaceen hat ſie aber eben in Verbindung mit der profuſen Gummoſis ſchon früheren Beobachtern vorgelegen. Da war es zuerſt Wigand!), welcher dieſe wie andre, ähnliche Secrete ganz und gar als nee der Membranen der betreffenden Elementar— organe erklärte. Die genaueren Unterſuchungen, welche ſpäter von mir?) und von Prillieuxs) hierüber angeſtellt wurden, ergaben, daß die auf der Innenwand der Gefäße ausſchwitzenden großen Gummitropfen jedenfalls ihrer Hauptmaſſe nach nicht für ein Umwandlungsprodukt des kleinen und dünnen Membranenſtückes der Gefäßwand gelten können, auf welchem ſie aufſitzen, ſondern als eine Neubildung zu betrachten ſind. Hierin haben mich die ſehr genauen Beobachtungen des erſten Auftretens dieſer Gummiausſcheidungen auf den Gefäßwänden, die neuerdings Temme gemacht hat, nur noch mehr beſtärkt, und ich ſtimme darin mit Prillieux völlig überein, daß eine ihrer chemiſchen Natur nach noch unbekannte Subjtanz, welche zur Bildung des Gummis in den Gefäßen und Holzzellen dient, aus den angrenzenden lebenfsähigen Zellen durch die Membran in das Lumen jener Organe diffundiert und hier zuerſt in Form ganz kleiner Gummitröpfchen wie eine Ausſchwitzung auf der innern Fläche der Membran auftritt; durch Zufuhr neuen Materiales vergrößert ſich der Gummitropfen endlich bis zur Erfüllung des ganzen Durch— meſſers des Gefäßes. Die Membran des letzteren bleibt dabei unverändert. In der That ſind auch die Stellen der Gefäßmembran, auf welchen die Gummitropfen ausgeſchieden werden, immer ſolche, welche an eine Markſtrahl— zelle oder an eine Zelle des die Gefäße begleitenden Holzparenchyms angrenzen, alſo an Zellen des Holzkörpers, welche lebensthätiges Protoplasma führen. Die Bildung des Schutz- und Kernholzes iſt damit klar als eine Lebens— thätigkeit des Holzes bezeichnet.
Auch die Bildung des Harzes im Kienholz dürfte vielleicht als eine Lebens— thätigkeit des verwundeten Holzes anzuſehen ſein. Die Frage wird uns unten bei der Entſtehung der Harzſekrete näher beſchäftigen.
Was die eigentliche Urſache der Schutz- und Kernholzbildung anlangt, ſo ſind wir darüber ſehr wenig unterrichtet. Daß Verwundung Veranlaſſung dazu giebt, iſt ja klar. Aber da die betreffenden Bildungen ſich auch im Kernholze ſchon einſtellen, noch ehe eine merkliche Verwundung eingetreten iſt, ſo müſſen auch noch andre Faktoren dabei mitſpielen. Immerhin iſt es von Intereſſe, daß PBrael (J. c.) nachgewieſen hat, daß die Bildung des Schutz— holzes unterbleibt oder doch ſehr verzögert wird, wenn man die gemachte Holzwunde bei Zeiten mit einem künſtlichen Verſchlußmittel, nämlich durch Verſchmieren mit einem luft- und waſſerdichten Kitt gegen die Außenwelt ab— ſchließt. Im Dezember angeſtellte Schnittwunden erwieſen ſich im Frühjahr durch Schutzholz geſchloſſen, wenn ſie nicht verfittet waren, während an ver—
) J. e. pag. 112.
2) Über die anatomiſche Bedeutung und Entſtehung der vegetab. Schleime. Pringheims Jahrb. f. wiſſenſch. Bot. V. pag. 25.
3) La formation de la gomme ete. Ann des nat. 6. ser. Bot. T. I, pag. 176.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 43
kitteten Wunden dies unterblieben war; bei der Birke wurde daher durch den andringenden Blutungsſaft im Frühjahr der Kitt von ſolchen Wunden auf— gehoben, während die nicht verkitteten gleichalten Wunden keinen Blutungsſaft austreten ließen, alſo ihre Gefäße ſchon gegen den letzteren unwegſam gemacht hatten. Auch für die Thyllen iſt von den oben über dieſe Organe genannten Autoren erkannt worden, daß Verwundungen die gewöhnlichſten Veranlaſſungen zur Bildung derſelben ſind, womit freilich auch noch nichts über den urſächlichen Zuſammenhang aufgeklärt iſt.
II. Sekretionen an Wunden.
Bei manchen, aber keineswegs bei allen Pflanzen, beobachten wir Sefretionen an die Erſcheinung, daß nach jeder Verletzung auf oder in der Nähe 9 der Wunde eine flüſſige oder halbflüſſige Subſtanz ausgeſchieden wird, welche die Wunde überziehlt und eben deshalb, ſowie wegen der chemiſchen und phyſikaliſchen Eigenſchaften, die dieſe Sekrete beſitzen, als ein natürliches Schutzmittel der Wunde, als ein Wundbalſam funktioniert, denn dieſe Überzüge bilden in der That eine für Luft und Waſſer nicht oder ſehr ſchwer durchdringbare Wundendecke.
Viele Pflanzen enthalten ein ſolches Sekret ſchon fertig vorgebildet, Vorgebildete jo daß dasſelbe jederzeit bereit iſt, bei eintretender Verletzung an der Serrete. Wunde hervorzufließen und dieſelbe einzuhüllen. Es handelt ſich hier um die zahlreichen Pflanzen, welche ſogenannte Sekretbehälter, und um diejenigen, welche Milchſaftgefäße beſitzen. Die Beſchreibung dieſer normalen Organe gehört in die Pflanzenanatomie; es iſt hier nur hervorzuheben, wie ſehr dieſelben dem Zwecke entſprechen, ein ſicheres und taugliches Wundbedeckungsmittel zu liefern. Die Sekretbehälter ſtellen meiſt lange Kanäle dar, welche kontinuierlich in der Längs— richtung durch Wurzeln, Stämme und Blätter ſich erſtrecken, in den Stämmen und Zweigen, vorzugsweiſe in der Rinde, bei manchen Pflanzen auch im Holze ſich befinden, ſo daß bei jeder Verletzung irgend eines Teiles der Pflanze auch einige dieſer Behälter geöffnet werden und ihren Inhalt über die Wunde ergießen. Die Milchſaft— gefäße ſtellen ein eigenes Gefäßſyſtem in der Pflanze dar, welches durch zahlreiche Verzweigungen und Anaſtomoſen in ſich zuſammen— hängt und ebenfalls vorwiegend in der Rinde der Stengel und Wur— zeln, ſowie durch die ganze Blattmaſſe verläuft, weshalb, wenn die Pflanze an irgend einem Punkte verletzt wird, wie bekannt ſofort Tropfen des milchartigen Inhaltes hervorfließen. Die Art des Sekretes in den Sekretkanälen iſt für die einzelnen Pflanzenarten charakteriſtiſch. Bei den Koniferen iſt es allgemein ätheriſches Ol oder Harz, eine Subſtanz, deren konſervierende und antiſeptiſche Eigenſchaften wohlbekannt ſind und die wir deshalb auch künſtlich
Wundſekrete.
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44 II. Abſchnitt: Von den Wunden
mit Vorteil zum Verſchließen der Wunden der Pflanzen benutzen. Sehr viele ausländiſche Bäume, die wiederum ganzen Pflanzenfamilien angehören, beſitzen ähnliche Sekretionskanäle, in denen eigentümliche ätheriſche Ole, Harze, Balſame, Gummiharze oder Milchſäfte enthalten ſind; bei einigen Pflanzen führen ſolche Kanäle Gummi, wie bei den Marattiaceen, Cycadeen und Sterkuliaceen. Alle dieſe Stoffe geben einen ſehr guten Wundverſchluß, und das gleiche gilt von allen Milchſäften, wenn ſie auf den Wunden eintrocknen. Die hier ver— tretene Anſicht, wonach die Bedeutung aller dieſer Sekrete für die Pflanze darin liegt, gegebenenfalls als ein natürlicher Wundbalſam in Wirkſamkeit zu treten, zum Teil ſogar als Abſchreckungsmittel gegen ſolche Tiere zu dienen, welche die Pflanze zu verletzen drohen, wobei der ſtarke Geruch und die giftigen Eigenſchaften mancher dieſer Sekrete von Bedeutung find, it zuerſt von de Vries) in beſtimmter Weiſe ausgeſprochen worden.
Bei manchen Pflanzen wird aber ein ſolches Sekret auch erſt gebildet als Folge der Verwundung, indem entweder die der Wunde benachbarten, ſchon vorhandenen Gewebe desorganiſiert und in die betreffende Sekretſubſtanz umgewandelt werden, oder indem das Cambium der betreffenden Holzpflanzen in der Nähe der Wunde gewiſſe Gewebe— komplexe von eigentümlichen Zellen bildet, nämlich anſtatt normalen Holz— gewebes ein abnormes Holzparenchym, deſſen Zellen ſehr bald unter Desorganiſation in die Sekretſubſtanz ſich umwandeln. Der Erfolg iſt dann immer der, daß die in gewiſſer Entfernung hinter der Wunde liegenden geſunden Gewebe durch die Sekrete, welche nicht bloß die direkt verwundeten Gewebe imprägnieren, ſondern durch ihren meiſt reichlichen Ausfluß auch äußerlich die Wunde bedecken, ge— ſchützt werden. Die auf dieſe Weiſe erſt in Folge der Verwundung
ſich bildenden Sekrete kann man als eigentliche Wundſekrete bezeichnen.
Es iſt nicht immer ohne weiteres entſcheidbar, ob ein aus einer Wunde fließendes Sekret den vorgebildeten Sekretbehältern entſtammt oder ein ſolches echtes Wundſekret darſtellt, weil bei manchen Pflanzen beide Arten von Sekretionen vorkommen.
Es brauchen auch nicht immer eigentliche Verwundungen zu ſein, um die Bildung ſolcher Wundſekrete einzuleiten. Auch wenn eine Stelle des Stammes oder ganze dünnere Zweige eines Baumes durch irgend einen anderen ſchädlichen Einfluß, etwa durch Froſt oder Dürre oder durch Nahrungsmangel oder durch paraſitäre Urſachen getötet oder zum Tode geſchwächt ſind, ſo kann der noch lebende Teil
I) Landwirtſch. Jahrbücher. X., pag. 687.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 45
der Pflanze mehr oder weniger weit rückwärts von dem leidenden Teile zu ſolchen abnormen Sekretbildungen übergehen, gleichſam um rechtzeitig als Vorbeuge bei dem ſicher drohenden Verluſte die andern Teile der Pflanze mit dieſem Schutzmittel zu verſorgen. Man hat daher vielfach ſolche abnorme Secretionen als beſondere Krankheiten angeſehen, indem man z. B. den Gummifluß als „Gummikrankheit“, den Harzfluß als „Harzkrankheit“ bezeichnete, dabei hat man aber die bloße Folge der Krankheit, nämlich die Reaktion der lebenden Pflanze gegen dieſelbe, mit der Krankheit ſelbſt verwechſelt. Es muß beſtimmt betont werden, daß alle dieſe abnormen Sekretionen keine ſpecifiſche Krankheit vorſtellen, ſondern die Folgeerſcheinungen der aller— verſchiedenſten Beſchädigungen und Leiden der Pflanze ſein können.
I. Harzfluß, Reſinoſis der Koniferen. Alle Verwundungen der holzigen Teile der Koniferen ſind mit Anſammlung oder Ausfluß von Harz verbunden, und die Gewinnung des Harzes und Terpentins beruht denn auch immer darauf, daß man die Bäume abſichtlich verwundet. In der Pflanze entſteht das Sekret in der Form von Terpentinöl, einer Verbindung aus der Reihe der Kohlenwaſſerſtoffe. Durch Einwirkung des Sauerſtoffs der Luft oxydiert es ſich allmählich zu Harz, welches alſo eine ternäre Verbindung iſt und einen feſten Körper darſtellt. Daher ſind dieſe Sekrete eine wechſelnde Miſchung von Terpentinöl und Harz, welche Terpentin heißt und deren größere oder geringere Dickflüſſigkeit von dem Mengungsverhältniſſe abhängt. Aus friſchen Wunden fließt reines Terpentinöl oder ein hauptſächlich aus ſolchem be— ſtehender Terpentin; der Überzug, den es auf der Wunde bildet, erhärtet mit der Zeit immer mehr zu Harz.
Das ſofort nach der Verwundung ausfließende Terpentin ſtammt natürlich aus den durch die Wunde geöffneten normalen Harzbehältern. Von dieſen kennen wir bei den Koniferen hauptſächlich folgende Arten.
In der primären Rinde finden ſich allgemein ſenkrechte und auf weite Erſtreckung verlaufende Harzkanäle; dieſe ſind es, aus denen beim Durch— ſchneiden der Rinde ſchon des einjährigen Triebes das Harz in größeren oder kleineren Tropfen ausfließt. Bei der Weißtanne ſchwellen dieſe Kanäle an einzelnen Stellen, beſonders da, wo mehrere zuſammentreffen, zu großen mit Harz gefüllten Blaſen an, weshalb an der inneren Wand der letzteren die Mündungen von zwei bis vier Harzkanälen ſich finden, die ſowohl von oben als von unten einmünden. Da bei der Tanne die Rinde bis ins mittlere Alter glatt und unverſehrt bleibt, ſo erhalten ſich auch die Harzkanäle und ihre Erweiterungen ebenſo lange; ſpäter aber werden ſie infolge der Borke— bildung mit abgeſtoßen, weshalb nur mittelwüchſige Tannen den Straßburger Terpentin liefern, der aus jenen Harzbehältern ſtammt. Wie dieſe ſogenannten Harzbeulen, linſenförmige mit Harz gefüllte Hohlräume in der Rinde, ent— ſtehen, iſt bis jetzt nicht unterſucht worden. Da ſie aber nach der einſtimmigen Ausſage Mohl's), Schacht's) und Ratze burg's) erſt an mittelwüchſigen
1) Über die Gewinnung des venetianiſchen Terpentins. Bot. Zeitg. 1859, pag. 341.
2) Der Baum, pag. 223.
3) Waldverderbnis, II. pag. 7.
Harzfluß der Koniferen.
Normale Harzbehälter.
Profuſe Harzbildung.
Neubildung von Harz nach Verwundung.
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46 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Tannen ſich bilden, ſo müſſen ſie wohl aus einer Desorganiſation von Rinden— gewebe hervorgehen, und es bleibt eben noch die Frage zu entſcheiden, ob ſie infolge irgend einer Verwundung entſtehen; nach Ratzeburg's Bemerkung ſollen Tannen nie Terpentin geben ohne krank zu ſein. Ferner finden ſich normal in der Rinde vieler Koniferen kleine iſolierte kugel- oder linſenförmige Harzlücken, die nach Mohl meiſt erſt im mehrjährigen Triebe entſtehen, ſich auch mit der Zeit etwas vergrößern, aber wegen ihrer geringen Ausdehnung niemals Harzfluß hervorbringen ſollen. Endlich giebt es in der Rinde auch noch horizontale Harzkanäle, welche in radialer Richtung und unter einander nicht im Zuſammenhange ſtehen; ſie befinden ſich in der Mitte der in die Rinde ſich fortſetzenden breiten Markſtrahlen und ſind die unmittelbare Verlängerung der in den größeren Holzmarkſtrahlen befindlichen Harzkanäle. Sie kommen bei der Fichte, Lärche und Kiefer vor und ſind be— ſonders die Urſache der Bedeckung der Schälwunden mit Harz.
Im Holze der Nadelbäume ſind die verbreitetſten harzabſondernden Organe die vertikal verlaufenden Harzkanäle; ſie verurſachen hauptſächlich den Harzausfluß an Querwunden des Holzes. Die weiteſten und zahlreichſten beſitzt die Schwarzkiefer, demnächſt die gemeine Kiefer und die Lärche, viel ſpärlicher die Fichte. Außerdem kommen im Holze, wie erwähnt, auch hori— zontale Harzkanäle vor, welche in der Mitte der großen Markſtrahlen liegen und wie dieſe in radialer Richtung laufen; ſie ſind den meiſten, auch die Tanne nicht ausgenommen, eigen.
Es iſt nun aber die Frage, ob die oft ſehr bedeutenden Quantitäten von Harz, welche die Nadelbäume nach Verwundung von ſich geben, nur aus den ſchon vorhandenen Harzkanälen, oder teilweiſe auch aus einer erſt infolge der Verwundung eingetretenen Neubildung von Harz ſtammen. Mohl, dem ſich in dieſer Beziehung N. J. C. Müller) angeſchloſſen hat, vertrat die erſtere Anſicht. Nach ſeiner Vorſtellung müſſe ſich das Harz in den durch die Verwundung geöffneten Harzkanälen, da dieſelben ſich weit— hin in der Pflanze erſtrecken, auch aus entfernteren Teilen des Baumes dahin ziehen und ſich auf der Wunde anſammeln. Auch das Kienigwerden des verwundeten oder abſterbenden Nadelholzes, von welchem oben ſchon die Rede war, erklärt ſich Mohl aus einem Übertritt von Harz aus entfernteren Teilen des Baumes, beſonders aus der Rinde und aus dem Splinte durch die horizontalen Harzkanäle der Markſtrahlen, indem die Zellmembranen für Harz durchdringbar ſind und der weichende Saftgehalt des Kernholzes oder des durch Verwundung getöteten und vom Zufluß des Nahrungsſaftes abge— ſchnittenen Holzes Raum für den Eintritt von Harz bietet. Den Widerſpruch, der in der Thatſache zu liegen ſcheint, daß nach Harzentziehung das Holz eines Baumes verkient, ſucht Mohl durch die Bemerkung zu beſeitigen, daß bei ſo äußerſt harzreichen Bäumen durch die Operation nur ein Teil des Harzes entzogen werde, und der überſchüſſige andre Teil trotzdem die abſterbenden Holzſchichten infiltrieren könne.
Es iſt aber unzweifelhaft, daß bei Verwundungen ſowie auch bei andern Leidenszuſtänden der Koniferen eine Neubildung von Harz, alſo eine Wund— ſekretion im obigen Sinne eintritt, was durch eine ganze Reihe von Beob— achtungen begründet wird. Hier ſind zunächſt die vielſeitigen Beobachtungen Ratzeburg's bei Verwundungen durch Schälen, Fraß ꝛc. zu erwähnen. Leider
) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik 1866, pag. 387.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 47
thut aber die anatomiſche Ungenauigkeit derſelben ihrer Verwertung für unſre Frage Eintrag; es iſt hier oft nur von „Harzreichtum“ der Holzpartien die Rede, wobei es ungewiß bleibt, ob Verkienung oder Bildung eigener Harz— behälter gemeint iſt; und wo die letzteren ausdrücklich genannt werden, iſt über ihre anatomiſche Natur faſt nichts Näheres zu erfahren. Sicher ſind aber wenigſtens zwei bemerkenswerthe Thatſachen daraus zu entnehmen. Erſtens, daß in dem alten, ſchon vorher vorhanden geweſenen Holze infolge der Verwundung wirkliche Harzkanäle in vermehrter Anzahl und von größerer Weite entſtehen. Nach dem Fraß des Fichtenrindenwicklers (Tortrix dorsana) bilden ſich nicht bloß in den Überwallungsſchichten, ſondern auch in den älteren Jahresringen viel Harzkanäle ; dieſelbe Rückwirkung auf frühere Jahresringe wird beim Fraß der Kiefernmotte (Tinea sylvestrella) angegeben?). Auch in der Rinde der Lärche ſoll bei den Angriffen der Rindenlaus (Chermes laricis) eine vermehrte Bildung von Harzlücken eintreten). Zweitens fand Ratzeburg faſt allgemein, daß die nach einer Verwundung ſich bildenden Holzſchichten mehr Harzkanäle als im normalen Zuſtande enthalten. Dies zeigt ſich im Holze der Überwal ER welche an den Rändern der Schälwunden entſtehen, beſonders bei der Lärche, wo ſich bisweilen ſehr weite und auch in vertikaler Richtung lange, mit Harz erfüllte Hohlräume bilden?) auch in der Rinde dieſer Überwallungen fanden ſich Harzbeulen, größere, mit Harz gefüllte Räume, ähnlich denen der Tannenrinde. Dasſelbe gilt von den Holzſchichten der Über- wallungen, die ſich an den Fraßſtellen der Kiefernmotte, ſowie des Fichten— rindenwicklerss) bilden, desgleichen von der Rinde der gallenartigen Holz— anſchwellungen der Lärche, die durch den Fraß des Lärchenrindenwicklers (Tortrix Zebeana) s) hervorgebracht werden. Auch der Verluſt dünnerer Zweige hat für die davon betroffenen Aſte meiſtens den Erfolg, daß in den nach der Verwundung ſich bildenden, meiſt ſchwachen Holzringen ungewöhnlich viel Harzkanäle erſcheinen, die ſogar manchmal die ganze Breite des Jahres— ringes einnehmen. Solches berichtet Ratzeburg) von den durch Wild ver— biſſenen beſenförmigen Lärchen, von den durch Nonnenfraß beſchädigten Fichten— zweigens) und von der Kiefer nach dem Fraße der Forleule?). Die Beziehung zur Verwundung prägt ſich dabei ſogar darin aus, daß an einſeitig entäſteten Zweigen nur in den an der entäſteten Seite liegenden ſchmalen Jahresringen Harzreichtum eintritt. Beſonders wichtig iſt auch das Verhalten der ſonſt im Holze harzarmen Tanne, bei welcher nach Schälen im Überwallungsringe, ſowie in den Holzſchichten, die ſich nach dem Verbeißen durch Wild und nach dem Fraße des Tannenwicklers (Tortrix histrionana) in den beſchädigten Aſten bilden, in großer Anzahl wirkliche Harzkanäle auftreten ſollen 10.
) Ie. I. pag 262.
2) 1. c. I. pag. 197.
3) 1. c. II. pag. 64.
4) 1. c. II. pag. 76.
5) 1. c. I. pag. 197 und 262. 6) 1. c. II. pag. 69.
7) 1. c. II. pag. 66.
Y 1. e. I. pag. 234.
) 1. c. I. pag. 154.
20) I. 6. II. pag. 18, 26, 33.
48 IT. Abſchnitt: Von den Wunden
Wenn neue Harzkanäle in der Pflanze entſtehen, ſo kann das in ihnen enthaltene Harz nur durch eine Neubildung entſtehen. Das geht ſchon aus dem hervor, was wir über die Entſtehung der normalen Harzkanäle der Koniferen wiſſen. Wie ich gezeigt habe), giebt es zwei verſchiedene Entſtehungs— arten derſelben: ſchizogen und lyſigen. Das erſtere trifft zu für die eigentlichen Harzkanäle, welche regelmäßig in der primären Rinde ſowie im Holze, be— ſonders bei der Kiefer auftreten, und beruht darauf, daß gewiſſe Zellen ohne zu verſchwinden, auseinander weichen, wobei der dadurch entſtehende Hohl— raum ſich mit Terpentinöl füllt; die auseinander gewichenen Zellen, welche den Kanal dauernd auskleiden, ſind die Sekretionsorgane des Terpentinöls; ſie enthalten ſelbſt nichts von dieſem Stoffe, ſie bilden ihn alſo erſt aus anderem ihnen zu dieſem Zwecke zugeleiteten Material und ihr Produkt nimmt erſt beim Austritte aus dieſen Zellen ins Innere des Kanals die definitive Form des Terpentinöls an. Bei der lyſigenen Entſtehung von Harzkanälen, die ich in der Rinde älterer Stämme von Thuja oceidentalis nachgewieſen habe, werden gewiſſe Zellen wirklich aufgelöſt, ſo daß nun an Stelle der ver— ſchwundenen Zellen ein Sekretbehälter ſteht. Gruppen von Parenchymzellen des Phloems und der Rindenſtrahlen werden reicher an protoplasmatiſchem Inhalt, ſowie an Stärkekörnchen, zugleich treten Tröpfchen von Terpentinöl im Inhalte auf; letzteres vermehrt ſich, während die übrigen Beſtandteile des Zellinhaltes ſchwinden; zuletzt werden auch die Zellmembranen aufgelöſt und ſehen dabei wie angefreſſen aus. Die Höhle kann ſich erweitern, indem dieſer Prozeß im umgebenden Gewebe der Rinde fortſchreitet. Den gleichen Vorgang ſah ich jtattfinden, wenn, wie es bisweilen geſchieht, die normalen Harzkanäle im Holze der Kiefer ſich erweitern zu größeren harzführenden Höhlen; hier er— füllen ſich die den Kanal umgebenden Holz- und Markſtrahlen mit Harz, und darauf verſchwinden auch ihre Membranen. Ferner hat Dippel) nachgewieſen, daß lyſigen auch die Harzgänge im Holze der Tanne entſtehen, welche wohl ſchon im normalen Zuſtande allgemein, wenn auch nicht in großer Anzahl vorhanden zu ſein ſcheinen. Es finden ſich hier einzelne Harzzellen, d. ſ. parenchymatiſche mit Harz gefüllte Zellen, ferner Harzzellengruppen, d. ſ. größere Gruppen geſtreckter harzführender Holzparenchymzellen, welche ſtets von kürzeren ſtärkeführenden Holzparenchymzellen begleitet werden; endlich echte Harzgänge, welche ebenfalls von ſtärkeführendem Holzparenchym umgeben ſind und ſtets an einen Markſtrahl angrenzen. Ihre Entſtehung beruht darauf, daß anfangs eine Gruppe ſtärkeführender Holzparenchymzellen vorhanden iſt, deren mittlere unter Harzbildung ſich auflöſen, indem zuerſt im Inhalte an die Stelle der im Winter vorhandenen Stärkekörnchen Harz tritt und darauf auch die Mem— branen der harzerfüllten Zellen verſchwinden. Nach Möller?) ſollen die Harz kanäle im Holze der Schwarzföhre lyſigen entſtehen, indem Gruppen der von der Cambiumſchicht gebildeten Zellen unverholzt und dünnwandig bleiben und dann in Harz ſich auflöſen; ob hier jedoch nicht eine Verwechſelung mit ſchizogenen Harzkanälen, wie fie ja im Holze der gemeinen Kiefer ſich finden, vorliegt? Nach Höhnelß) ſollen lyſigen in der fertigen Korkſchicht von Abies canadensis Harzbehälter entſtehen, alſo durch Verharzung der Korkzellen. Bei
1) Beiträge zur Pflanzenphyſiologie, pag. 119-123.
2) Zur Hiſtologie der Koniferen. Bot. Zeit. 1863, Nr. 35, Taf. X.
3) Beiträge zur Anatomie der Schwarzföhre. Mitteil. aus d. forſtl. Verſuchsweſen Oſterreichs, von Seckendorf, III, pag. 167.
5) Botan. Zeitg. 1882, Nr. 10.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 49
der lyſigenen Entſtehung von Harzbehältern ſtammt das Harz zum Teil aus einer Umwandlung der Zellmembranen und der etwa vorhandenen Stärke, weil eben dieſe feſten Beſtandteile der betreffenden Zellen dabei verſchwinden. Aber es iſt unmöglich, daß dieſe das ganze Material des dabei entſtehenden Oles oder Harzes liefern könnten, beſonders da es oft nur ſehr dünn— wandige und ſtärkearme Zellen ſind, welche dem Harzbehälter den Urſprung geben; es muß eben auch hier ein mehr oder minder großer Teil des Harzes aus einem beſonders zu dieſem Zwecke zugeſtrömten Nahrungsmaterial entſtanden ſein. In dieſer Überzeugung beſtärkt uns außerdem noch im höchſten Grade die Erwägung, daß das Terpentinöl die kohlenſtoffreichſte Subſtanz des Baumes iſt, daß alſo auf den Kohlenſtoffgehalt der gewöhnlichen Pflanzenſubſtanz, aus welcher dasſelbe entſtehen könnte und entſtehen muß, alſo z. B. der Kohlen— hydrate, berechnet, ein Gewichtsteil Terpentinöl einem viel mal größeren Gewichtsteil irgend eines andern Pflanzenſtoffes äquivalent iſt.
Wie diejenigen Harzbehälter entſtehen, welche in den angegebenen Fällen nach Verwundungen in größerer Anzahl ſich bilden, iſt nun zwar noch nicht verfolgt worden. Aller Wahrſcheinlichkeit nach werden auch ſie auf lyſigene Art gebildet. Es kann nach dem Vorhergehenden nicht zweifelhaft ſein, daß ihre Entſtehung immer mit einer Neubildung von Harz verbunden iſt. Auch bei jeder Verkienung des Holzes könnte eine Neubildung von Harz beteiligt ſein, worüber jedoch nichts entſchieden iſt.
Es kommen aber auch Fälle vor, wo die Harzerzeugung durch Bildung eines abnormen Zellgewebes eingeleitet wird, welches dann unter Auflöſung ſeiner Zellmembranen in Harz degeneriert, ſo daß ſich mitten im unveränderten Holze ein mit Harz erfüllter Raum bildet, deſſen Form und Größe durch die— jenigen des Komplexes des abnormen Gewebes beſtimmt ſind. Auf dieſe Weiſe entſtehen nämlich die ſogenannten Harzd ruſen oder Harzgallen, die keines— wegs regelmäßig, ſondern nur ausnahmsweiſe im Holze der Koniferen ge— funden werden. Man verſteht darunter ſehr große harzerfüllte Lücken, die beim Zerſpalten des Holzes zum Vorſchein kommen. Sie finden ſich bis zur Größe und Dicke eines Thalerſtückes und wohl auch noch größer und liegen innerhalb eines einzigen Holzringes im Frühjahrsholze, fo daß das Herbſtholz desſelben ebenſo normal iſt, wie dasjenige des nächſtälteren angrenzenden Jahresringes. Das was im Hohlraum nicht mit Harz erfüllt iſt, wird von einem abnormen Holzparenchym eingenommen. Dieſes iſt beſonders ringsum an den Rändern in Menge vorhanden; es beſteht aus lauter ungefähr iſodiametriſchen aber ganz unregelmäßig geſtalteten und völlig ordnungslos liegenden verholzten Parenchymzellen, von denen die am weiteſten nach der Mitte der Harzgalle gelegenen alle übergänge der Desorganiſation in Harz zeigen, d. h. ſie ſind mit ſolchem erfüllt und ihre Membranen mehr oder weniger in der Auflöſung begriffen. Dagegen zeigt das Holz in der nächſten Umgebung und beſonders auch vor der Harzdruſe gegen das Herbſtholz hin, die normale Zuſammen— ſetzung aus Holzfaſern, welche in radiale Reihen geordnet ſind. Von dieſer Beſchaffenheit beobachtete ich die Harzgallen im Fichtenholze; Ratzeburg!) fand fie auch bei der Tanne und auch Dippel? erwähnt die Harzgallen bei der Tanne als eine abnorme Erſcheinung. Der Entſtehung dieſer Harzdruſen liegt alſo eine abnorme Zellbildungsthätigkeit des Cambiums zu Grunde,
e. II. pag. 4: 7) 1. c. pag. 254. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 4
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50 II. Abſchnitt: Von den Wunden
welche an der betreffenden Stelle ſtatt normalen Holzes größere nur aus einem Holzparenchym beſtehende Gewebekomplexe erzeugt. Ob Harzdruſen in einer direkten oder indirekten Beziehung zu einer ſtattgehabten Verwundung ſtehen, darüber fehlt es an Erfahrungen. Ich fand ſie ſowohl in verkientem Holze, als auch ringsum von normalen, nicht kienigen Holzſchichten eingeſchloſſen. — Mit dieſer Erſcheinung nahe verwandt ſind die ſogenannten Auslöſungen des Holzkörpers der Koniferen. Bisweilen löſt ji) an geſpaltenem Holze und ſelbſt an Schiffsmaſten ein runder, glatter Kern vollſtändig aus dem Holze aus. Hallier) hat nachgewieſen, daß hier ein Jahresring ringsum in eine abnorme Bildung von Holzparenchym übergegangen und in letzterem Des— organiſation in Harz eingetreten iſt. Ich kann dies von einem Fichtenholz beſtätigen. Der ſechſte Jahresring zeigte hier die erſten Schichten ſeines Frühjahrsholzes ganz aus kurzzelligem Holzparenchym beſtehend, welches unter Harzbildung im Zerfall begriffen war. Der aus den fünf älteſten Jahresringen beſtehende Kern löſte ſich als ein runder, auf der ganzen glatten Oberfläche mit Harz überzogener Cylinder heraus. Auch das Rohr hatte inwendig eine ziemlich glatte, etwas harzende Oberfläche. Der übrige Teil des Jahresringes beſtand aus normalem Holz, ebenſo war das Herbſtholz des letzten Kernringes normal. Über die Urſache dieſer Bildung verbreitet vielleicht der Umſtand einiges Licht, daß der Kern einen Quirl von Aſtſtumpfen trug, welche in dem darauf liegenden jüngeren Holze ſteckten und wie gewöhnlich verkient und von einer Harzſchicht umhüllt waren; und es iſt eben von Bedeutung, daß der letzte Jahresring der Aſtſtumpfe dasſelbe Alter hatte wie derjenige des Kernes, alſo die Oberfläche des Kernes die direkte Fortſetzung derjenigen der Aſtſtumpfe war. Die Harzbildung hat alſo mutmaßlich als die gewöhnliche Erſcheinung am Quirl der Aſtſtumpfe begonnen, während die Bildung von Holzparenchym und die Verharzung desſelben im Mutterſtamme nachgefolgt zu ſein und von der Baſis der Stumpfe aus über dieſen ſich verbreitet zu haben ſcheint. Harz und II. Harz⸗ und Gummiharz⸗Ausſcheidungen andrer Pflanzen. Auch Gummiharzfluß die Harze und Gummiharze, die von jo vielen andern Pflanzen ausgeſchieden der Nicht- werden und welche geſammelt und als Droguen in den Handel gebracht Koniferen. werden, dürften in phyſiologiſcher und pathologiſcher Beziehung dem Harz der Koniferen analog ſein. Denn auch dieſe fließen in reichlicher Meuge aus den Pflanzen aus, ſei es von ſelbſt, ſei es nach abſichtlichen Verwundklingen. Auch ſie ſind meiſt in regelmäßig vorhandenen Sekretionskanälen in der Pflanze enthalten. Aber ein mehr oder weniger großer Teil des ausfließenden Sekretes ſcheint auch hier ſeine Entſtehung der Desorgani⸗ ſation von Gewebekomplexen zu verdanken. So hatte ſchon Wigand?) bei Unterſuchung dieſer Droguen vielfach Zellgewebsteile in denſelben gefunden, deren Zellen mit Harz erfüllt und deren Membranen mehr oder weniger in Harz, beziehentlich in Gummi umgewandelt erſchienen; jo beim Kopal, Epheu- harz und Xanthorrhoea-Harz, ſowie beim Bedellium, bei der Myrrhe, dem Weihrauch, der Asa foetida, dem Ammoniacum und dem Opopanax. Beſtimmt nachgewieſen iſt dieſe lyſigene Entſtehungsweiſe des Harzes bei den Copaiva⸗ balſam liefernden Copaikera-Arten und beim Benzoebaum durch Tſchirchs), welcher die Entſtehung dieſer Sekrete in der Pflanze ſelbſt unterſuchte.
) Phytopathologie, pag. 82.
2) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik III. pag. 145— 147, 166.
) Berichte d. deutſch. botan. Geſellſch. 1888, pag. 3, und angewandte Pflanzenanatomie. Wien und Leipzig 1889, pag. 477.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 51
III. Gummifluß oder Gummoſis der Steinobſtbäume. Was bei den Gummifluß der Koniferen der Harzfluß, das iſt bei den Amygdalaceen, alſo beim Steinobſt, Steinobſtbäume. als Kirſch-, Pflaumen, Aprikoſen⸗ und Pfirſichbäumen, der Gummifluß. Zwiſchen beiden Erſcheinungen iſt faſt in allen Punkten Analogie zu finden. Bei allen Verwundungen der holzigen Teile dieſer Bäume, zumal der Kirſchbäume, tritt Gummifluß ein. Das Gummi ſammelt ſich als eine helle bis braune, durch— ſichtige, bald zähflüſſige, bald mehr erhärtete Maſſe an der Oberfläche an, gewöhn— lich unmittelbar auf oder neben einer Wundſtelle, oft aber auch in einiger Ent— fernung von einer ſolchen, und dort hat es ſich ſelbſt einen Weg durch das Periderm gebrochen. Bisweilen ſind der Stamm oder einzelne Aſte ganz be— deckt mit ſolchen Gummiflüſſen. Dieſes Sekret gehört in die Reihe der Gummi— arten, iſt alſo ein Kohlenhydrat, iſomer mit dem Zellſtoff; es iſt löslich oder aufquellbar in Waſſer, gerinnt in Alkohol und giebt nach Behandlung mit Salpeterſäure Schleimſäure (neben Oxalſäure).
Nachdem ſchon einige Botaniker, wie Karſt en!) und Trecul) die Meinung ausgeſprochen hatten, daß das Kirſchgummi durch Umwandlung der Zellmembranen des Holzes und der in den Zellen enthaltenen Stärkekörner entſtehe, wurde eine genauere Unterſuchung dieſes Vorganges von Wigand?) und von mir“) geliefert. Aus dieſer ergiebt ſich folgendes. In Gummoſis kann ſowohl das Holz, als auch die Rinde und ſchließlich auch die Cambium— ſchicht übergehen. Die größten Veränderungen finden dabei im Holze ſtatt.
Daß in ſolchem Holze die Lumina der Gefäße und Holzzellen mit Gummi Gummibilnung erfüllt ſind, kann nicht Wunder nehmen, denn das iſt ja die gewöhnliche im Holze. Bildung von Wundgummi, die bei allen Laubhölzern unter ſolchen Umſtänden eintritt. Sie hat hier auch nichts mit dem Gummifluß zu thun, denn das aus den Steinobſtgewächſen ausfließende Gummi ſtammt nicht aus dem in den Gefäßen befindlichen Gummi, ſondern entſteht durch Umwandlung eines vorher von dem Cambium gebildeten abnormen Holzparenchyms. Die Cambiumſchicht erzeugt nämlich in ſolchen Fällen ſtellenweis kein normales Holz, ſondern kleinere oder größere, lediglich aus abnormem Holzparenchym beſtehende Gewebecomplexe, und aus dieſen entſtehen, indem ihre Zellen ſich in Gummi umwandeln (Fig. 8), größere mit Gummi erfüllte Kanäle (Gummti- druſen). Das gummierzeugende Holzparenchym wird abgelagert in Gruppen von rundlichem Querſchnitt, die beiderſeits meiſt von Markſtrahlen, nach vorn und hinten von normal zuſammengeſetzten Geweben des Holzkörpers begrenzt ſind und gewöhnlich in einem Jahresring zu mehreren, oft in großer Zahl tangential nebeneinander liegen. Dem unbewaffneten Auge erſcheinen ſie auf dem Querſchnitte als dunkle Punkte, die in den Jahresringen eine dieſen parallele Linie bilden (Fig. 10 B). Häufig ſind die centralen Zellen ſolcher Gruppen beträchtlich größer als die umgebenden, welche infolge deſſen mehr oder weniger flach gedrückt und peripheriſch um das Centrum gelagert ſind, ſo daß die Gruppe oft völlig kreisrund iſt. Infolge vermehrter Zellenbildung der Cambiumſchicht an dieſer Stelle und ſtärkeren Wachstumes der centralen
) Bot. Zeitg. 1857. pag. 319. 2) Sur la maladie de la gomme etc. Comptes rendus. 1860. pag. 621. 3) Über die Desorganiſation der Pflanzenzelle ꝛc. Pringsheim's Jahrb. f. wiſſ. Bot. III. pag. 115 ff. ) Über die anatom. Bedeutung und die Entſtehung der veget. Schleime. Pringsheim's Jahrb. f. wiſſ. Bot. V. pag. 25 ff. 4 *
52 II. Abſchnitt: Von den Wunden
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Querſchnitt durch Holz des Kirſchbaumes mit Gummidruſen, von denen bei gg zwei in ihrer Entſtehung durch Auflöſung von Holzzellen ſicht— bar find; p mehr oder weniger mit Wundgummi erfüllte Gefäße (vergl. Seite 34); mm Markſtrahlen; bei if Frühjahrs-, bei ih Herbſtholz, den Jahresring
bildend. Nach Tſchirch.
Zellen ragt eine ſolche eben entſtandene Gruppe mit ihrer Cambiumſchicht ge— wöhnlich bogenförmig in die Rinde vor (Fig. 9). Sehr bald nach der Bildung ſolcher Holzparenchymgruppen tritt auch die Gummibildung im Centrum der- ſelben unter Desorganiſation der dort ſtehenden Zellen ein und ſchreitet mehr oder weniger weit ringsum gegen die Peripherie fort (Fig. 8 D. Die Gummi⸗ bildung ſchreitet an der einzelnen Zelle in centripetaler Richtung fort: zuerſt wird die primäre Membran und zuletzt die inneren mit den Tüpfeln verſehenen Schichten nach und nach von außen nach innen aufgelöſt. Man findet gleich— zeitig Zellen in allen Stadien der Umwandlung neben einander. Im letzten Stadium ſieht man die Zelle nur noch als dünne innerſte Membranſchicht mit der urſprünglichen Zellhöhle, eingebettet in der homogenen Gummimaſſe.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 53
Einige der ſchon im Gummi liegenden Holzparenchymzellen zeigen, ſo lange ſie ſelbſt noch nicht angegriffen ſind, ein Wachstum und eine Vermehrung durch Querteilung, wodurch ſie zu kurzen, in die Gummimaſſe hineinragenden Zellreihen auswachſen (Fig. 9), die jedoch früher oder ſpäter ebenfalls der Desorganiſation an— heimfallen. Oft ent⸗
ſtehen auch in dieſem B abnormen Holzparen⸗ N N chym Stärkekörner; 9255 886 . dieſe werden dann N ebenfalls mit in die RR i Gummibildung hin⸗ MES eingezogen. Bisweilen , liegen die Complexe /e von Holzparenchym ſo EG 050 nahe nebeneinander = 11
und ihre Gummiſfizie— rung ſchreitet ſo weit fort, daß mehrere Gummidruſen ſeitlich zuſammenfließen.
Oder der Complex des abnormen Gewebes wird gleich in einem
längeren Streifen eines Jahresringes angelegt (Fig. 9). In beiden Fällen kommen größere gummiführende Lücken im Holzringezu ſtande.
Fig. 9.
Durchſchnitt durch einen Teil einer ſehr großen Gummidrufe im Holze bei der Gummikrankheit des Kirſchbaumes. h, der Holzring des letzten Jahres, ba Grenze des vorigen Jahresringes. cc Cambium⸗ ſchicht, nebſt dem Holzkörper über der großen Gummi⸗
druſe g bogenförmig nach außen vorſtehend; die Des— organiſation des Gewebes iſt dort nahezu bis zur Cambiumſchicht fortgeſchritten. bbb Rinde. g, eine
kleinere Gummidruſe im Holze. m Markſtrahl. von normal gebautem
Holzgewebe umſchloſſen ſein, d. h. die Cambiumſchicht kann nach der Bildung derſelben wieder normal Holzfaſern und ſomit eine regelmäßige Herbſtholzſchicht ablagern. Dann bleiben auch dieſe Gummidruſen für immer im Holzkörper eingeſchloſſen, und die Holzbildung kann dann im nächſten Jahre auch wieder normal anheben. Gewöhnlich aber kehrt dann Rs die Abnormität in den folgenden Jahren wieder und zwar in erhöhtem Grade. RS Die Cambiumſchicht ſcheidet dann oft bis zum Schluſſe der Vegetationsperiode 1 nur dergleichen Holzparenchym an den Holzkörper ab (Fig. 9). Da dieſes nun
Dabei können aber die abnormen Gewebe— maſſen immer noch
>“ wie gewöhnlich der Gummibildung verfällt, jo jchreitet die letztere in dieſem * Falle bis in die Cambiumſchicht fort.
15 Da dann gewöhnlich auch ſchon eine 5 Gummifizierung des Rindengewebes beſteht, jo ſchließt ſich jene an dieſe an, 1 und nun kann das in der großen Gummidruſe des Holzes erzeugte Gummi
ebenfalls zum Ausfluß nach außen kommen.
Der allergrößte Teil des aus den Stämmen hervorquellenden Gummi Gummibildung ſtammt aber aus der Rinde. Es werden hierbei nicht nur die dünnwandigen in der Rinde. Zellen, ſondern auch die dickwandigen Baſtfaſern aufgelöſt, indem die Membranen
Zerſtörung der zahlreichen, als Punkte erſcheinenden Gummidruſen, die in
54 II. Abſchnitt: Von den Wunden
allmählich in die allgemeine Gummimaſſe zerfließen; nur das Korkgewebe des Periderms bleibt von der Gummoſis verſchont. Wo Gummiflüſſe zum Erguſſe kommen, alſo beſonders in der Nähe von Wunden, da iſt immer die Rinde in gewiſſer Ausdehnung in Gummientartung übergegangen. Die letztere kann ſich von dort aus auch auf weite Strecken unter dem unverſehrten Periderm
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ſterben, im Querſchnitte, ſchwach vergrößert. A noch lebend, B im letzten Stadium des Lebens, wo ſich Gummi ſchon auswendig bei g angeſammelt hat. aa aa die Stellen, wo die Cambiumſchicht die toten Partien zu überwallen verſuchte, jetzt auch getötet. bb die einzigen Punkte, an denen die Cambiumſchicht und Rinde noch nicht durch Gummoſis getötet find und dendletzten Über— wallungsverſuch gemacht haben. Der Holzkörper in B mit
hinziehen, ohne daß ſie ſogleich überall nach außen zum Durchbruche gelangt. Außerdem kommen auch in den äußeren Teilen der Rinde älterer Stämme, nämlich im Periderm oder in der Borke, iſo— lierte, ſcharf um— ſchriebene kleinere Gummidruſen von oft linſenförmiger Geſtalt vor, welche nach einwärts durch eine Peri— dermſchicht von der geſunden Rinde abgegrenzt werden und häufig nach
außen aufbrechen.
Cambiumſchicht. Kreiſen oder Bogenlinien angeordnet ſind. An allen Abſterben Stellen, wo die der Aſte. Rinde in Gummi umgewandelt iſt, desgleichen da, wo das Holz bis
an ſeine äußere Grenze dieſelbe Umwandlung erleidet, verſchwindet ſelbſtverſtändlich auch die Cambiumſchicht, da fie mit in dieſe Ver⸗ änderungen hineingezogen wird. Die Folge davon iſt, daß in dieſer
ganzen Ausdehnung weder die Rinde noch das Holz einen Zuwachs erhält. Der Aſt erzeugt dann eben nur noch an einem Teile ſeines Umfanges, der bisweilen nur ein kleiner iſt, neues Holz, nämlich nur dort, wo die Cambium— ſchicht am Leben geblieben iſt (Fig. 10). Der Holzkörper erhält auf dieſe Weiſe ſehr unregelmäßige Form. Die unvollſtändigen Holzringe, die ſich dann bilden, ſuchen ſich an den Rändern abzurunden, d. h. einen Überwallungswulſt (ſ. Wundenheilung) zu erzeugen, der vom alten Periderm bedeckt bleibt, aber ſich mit neuer Rinde und Periderm bekleidet und die verdorbene Stelle des Holzkörpers zu überwallen ſucht. Dies gelingt aber meiſt nur wenig; und manchmal tritt dann auch an den Überwallungsſchichten dasſelbe abnorme Holzgewebe und die Gummoſis auf, die auch hier wieder bis zur Zerſtörung der Cambiumſchicht führen kann. Es findet alſo einige Jahre hindurch eine Art Kampf zwiſchen Gummoſis und Überwallung ſtatt, der aber immer mehr zum Nachteil der letzteren ſich geſtaltet und endlich mit der gänzlichen Ver— nichtung der Cambiumſchicht und dem Erlöſchen der Lebensthätigkeiten des
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 55
Aſtes abſchließt. In Fig. 10 ſind verſchiedene Zuſtände von Aſten, die unter Gummoſis abſterben, dargeſtellt.
Während der Vegetationsruhe iſt das Gummi im Innern wie an der Oberfläche der Pflanze ziemlich eingetrocknet und erfährt keine merklichen Ver— änderungen. Während der Vegetationsperiode quellen teils an neuen Stellen zähflüſſige Gummimaſſen aus der Rinde hervor, teils werden die alten Gummi— erfrete von innen her durch den Saftzufluß wieder erweicht und vergrößert.
Wie die unmittelbare Beobachtung lehrt, entſteht beim Gummifluß durch Urſprung des
Umwandlung von Zellmembranen und Stärkekörnern Gummi. Wigand Gummi hält nun dieſe in Desorganiſation übergehenden Teile für die einzige Quelle des Gummi und kommt daher zu der Behauptung, daß durch den Gummi— fluß dem Baume nur feſte Membranen, aber keine Säfte enzogen werden. Dieſe Meinung, die von keinem der früheren Schriftſteller geteilt wurde, habe ich zu entkräften geſucht, indem ich auf folgendes hinwies !). Die Maſſe der verloren gehenden Zellmembranen ſteht weit zurück hinter derjenigen des an ihre Stelle tretenden Gummi. Man braucht nur die an irgend einem Punkte eines Aſtes auswendig angehäufte oft ſehr bedeutende Gummimaſſe zu ver— gleichen mit der Ausdehnung der im Innern verflüſſigten Gewebekomplexe und zu berückſichtigen, daß der Raum, den die letzteren einnahmen, ebenfalls ganz mit Gummi erfüllt iſt, um ſofort überzeugt zu ſein, daß die aufgelöſten Zell— membranen nicht hinreichend waren, um das ganze entſtandene Gummi zu erzeugen, beſonders wenn man noch bedenkt, daß die Rinde, welche die Haupt— maſſe des Gummi liefert, vorwiegend dünne Zellmembranen hat, und daß das Gummi, ſowohl das an der Stelle der zerſtörten Gewebe befindliche, als auch 2 das auswendig hervorgedrungene in der Regel nur wenig weich und gequollen, vielmehr von einer Dichtigkeit ſich erweiſt, welche derjenigen des Zellſtoffes kaum nachſtehen kann. Somit gelangen wir zu dem Schluſſe, daß wie beim Harzfluß, jo auch bei der Gummikrankheit außer dem Material an Zellmembranen, welches zur Bildung des Sekretes dient, auch ein Quantum von Nahrungs— ſtoffen zu dieſem Zwecke verbraucht wird.
Was die Veranlaſſung des Gummifluſſes und feine phyſiologiſche Be-Veranlaſſung und deutung anlangt, jo finden wir völlige Analogie mit dem Harzfluß. In erſter Bedeutung des Linie find es allerhand Verwundungen, welche in der Nähe der Wunde auf Gummifluſſes. die Cambiumſchicht und auf die Rinde einen Reiz ausüben, der die ſoeben beſchriebenen Bildungsthätigkeiten hervorruft. Sorauer? ſah an Kirſch⸗ | bäumen, von denen er im Frühjahr ſämtliche Augen entfernt hatte, Gummi—
9 fluß eintreten. Allen Verletzungen der Rinde durch Quetſchung, Reibung, 8 Schalen, ſowie den gröberen Verwundungen des Holzes durch Anhauen, Ein: ſchneiden, Einſchlagen von Nägeln u. dergl., folgt faſt unfehlbar Gummifluß an der Wunde; nicht minder häufig iſt die Erſcheinung an den Überwallungs— rändern der Holzwunden; und ebenſo tritt ſie oft nach dem Pfropfen ein. Wie bei der abnormen Harzbildung, ſo können aber auch hier außer den Wunden noch andre ſchädliche Einflüſſe, ſofern fie eine Schwächung oder ein allmähliches Erlöſchen der Lebensthätigkeit verurſachen, Gummoſis herbeiführen, wie z. B. Beſchädigung der Zweige durch Froſt, oder Kränkeln derſelben in Folge von Wurzelkrankheiten wegen ungeeigneten Bodens, u. ſ. w. Die zuerſt von Duhamel) ausgeſprochene und dann vielfach wiederholte Anſicht, daß
e pag. 31. ) Handbuch der Pflanzenkrankheiten, pag. 192, 2. Aufl. pag. 875. ) Traité des arbres et arbustes. 1755 I. pag. 149.
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56 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Kirſchbäume, die in eine zu kräftige Erde gepflanzt ſind, am meiſten dem Gummifluß unterworfen ſind, iſt nicht zutreffend; in ſehr nährſtoffreichem Boden, wenn er nur warm und locker iſt, findet kein Kränkeln und kein Gummifluß ſtatt; wohl aber kann ein kalter, thoniger Boden dem Wurzelleben nachteilig ſein und daher indirekt Gummifluß erzeugen. Gänz— lich verfehlt iſt die Anſicht Oudeman's), daß der Gummifluß der Amygdalaceen eine Pilzkrankheit ſei, verurſacht durch einen Pilz, Coryneum Beyerinckii Oudem., den Beyerinck an kranken, mit Gummifluß behafteten Zweigen fand und der nach Überimpfung in gemachte Längsſchnitte andrer Zweige ſich entwickelte unter Neuauftreten von Gummifluß. Daß wenn man Längsſchnitte in einen Zweig macht und wenn außerdem durch einen para— ſitiſchen Pilz Gewebe zerſtört werden, die Pflanze dagegen durch Gummi— bildung reagiert, wird nach dem Vorhergehenden nichts Auffallendes haben. Schon eine genaue entwickelungsgeſchichtliche Betrachtung der Entſtehung des Gummi hätte genügt, um dieſe irrige Meinung nicht aufkommen zu laſſen; denn von der Intervention eines Pilzes iſt dabei nichts zu finden.
Wir kommen alſo zu dem Schluſſe, daß, wie ſchon oben hervorgehoben wurde, der Gummifluß nicht eine ſpezifiſche Krankheit iſt und alſo auch nicht eigentlich den Namen Gummikrankheit verdient, ſondern ein Symptom von Leidenszuſtänden iſt, die ſehr verſchiedenartige Urſachen haben können. Die phyſiologiſche Bedeutung dieſer profuſen Gummibildung werden wir aber überall darin zu ſuchen haben, daß auch ſie ein poſitives Schutzmittel für die noch lebenden Teile eines Baumes iſt, indem die rechtzeitige Imprägnierung abſterbender Gewebe mit Gummi oder die Einhüllung gefährdeter Teile mit dieſem Sekrete auf die benachbarten lebenden Gewebe konſervierend wirkt. Und ſo kann ich mich nicht der von Sorauer?) ausgeführten Anſicht an— ſchließen, nach welcher Gummifluß dann eintrete, wenn die plaſtiſche zu Neu— bildungen fähige Säftemaſſe nicht Herde genug für Neubildungen vor— findet und ſich bei reichlichem Waſſervorrate anhäuft. Das Vorhandenſein ſolcher Bedingungen läßt ſich durch nichts nachweiſen; die Anſicht verkennt das Weſentliche, worauf es bei der Erſcheinung ankommt, gänzlich.
Gegenmaßregeln. Da der Gummifluß nur das Symptom eines anderweiten Leidens iſt, ſo kann ihm nur durch Verhütung des letzteren vorgebeugt werden, alſo beſonders dadurch, daß der Baum ſich in einem für ſeine Ernährung hinreichenden und für das Leben der Wurzeln zuträglichen Boden befindet, und daß er möglichſt vor Verwundung behütet wird. Um den Gummifluß zu heilen, müſſen die beſonders ſtark leidenden Aſte bis auf das geſunde Holz zurückgeſchnitten werden. Wenn ungeeignete Bodenbeſchaffenheiten die Veranlaſſung zur Schwächung des Baumes gegeben haben, ſo kann Umſetzen in andern Boden die Gummikrankheit beſeitigen.
Gummi an Gummi wird auch bisweilen an den Früchten gewiſſer Amygdalaceen, Obſtfrüchten. beſonders an den Pflaumen abgeſondert. Dasſelbe entſteht zwiſchen dem Stein und dem Fruchtfleiſch und zwar nach Wigand)) ebenfalls unter Desorganiſation von Zellgewebe, nämlich der Zellen des Fruchtfleiſches, die hier ebenfalls in allen Stadien der Umwandlung angetroffen werden. Das Gummi tritt auch
) Hedwigia 1883, Nr. 8, 9 u. 11. 2) I. c. 2. Aufl. pag. 875876. 3) 1. c. pag. 142.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 57
hier an die Oberfläche hervor. Die Urſache ſind hier vielleicht auch Ver— wundungen; doch ſcheint darüber noch nichts beobachtet worden zu ſein.
IV. Gummifluß andrer Pflanzen. Von den Gummiflüſſen andrer Gummifluß Bäume, ſoweit fie unterſucht find, ſtimmt, wie ich gezeigt habe!), mit demjenigen von Elaeagnus. des Steinobſtes völlig überein der Gummifluß von Elaeagnus canaden- sis. Auch. hier quillt, beſonders an Wundſtellen, wie Abſtumpfen ꝛc., ein durchſich— tiges, mehr oder weniger braunes, zähflüſſiges Gummi aus dem Stamme her— vor. An dieſen Stellen zeigt ſich, daß in den jüngeren Schichten des Holzkörpers ein in Gummi ſich desorganiſierendes, in abnormer Menge abgelagertes Holz— parenchym aufgetreten iſt, welches in Beziehung auf ſeinen Bau und ſeine Umwandlung in Gummi mit dem des Kirſchbaumes übereinſtimmt, und daß endlich auch die Rinde der Umwandlung in Gummi unterliegt.
Der Gummifluß der Acacia-Arten, welcher das arabiſche Gum mmi Gummifluß der und das Senegalgummi liefert, ſchließt ſich den vorhergehenden wahr- Kcacia-Arten. ſcheinlich innig an. Dieſe Gummiarten kommen als tropfenförmige Aus— ſcheidungen auf den Stämmen von Acacia vera, senegal und zahlreichen andern Arten vor. Daß ſie kein normales Vorkommnis ſind, geht aus den Berichten der Reiſenden hervor), nach denen dieſe Bäume in gewiſſen Gegenden gar kein Gummi liefern. An 4 em dicken Stammſtücken von Acacia vera kann ich keine Spur von Gummi finden. In der Handelsware kommen nicht ſelten vollſtändige Rinde- und Borkeſtücken vor, welche auf ihrer Innenſeite mit dicken Gummimaſſen bedeckt ſind, und auch in ihrem Innern in tangentialen Spalten zwiſchen Borkenſchuppen Gummi enthalten, welches man ſtellenweiſe deutlich durch die Riſſe der Borke nach außen dringen ſieht. Wigand?), welcher ſolche Stücke unterſuchte, hat bereits ermittelt, daß auch hier eine Ge— webe⸗Desorganiſation vorliegt, indem man darin noch die Baſtfaſern in ver— ſchiedenen Stadien der Umwandlung in Gummi antrifft. Eine nähere Unter— ſuchung Möller's) hat ergeben, daß das Acacia-Gummi immer durch Auf— löſung der verſchiedenen Gewebe der Rinde entſteht.
Auch die Entſtehung des Tragantgummi, welches als eine gallerartige, Traganthgummi. an der Luft erhärtende Maſſe in Form gewundener Fäden oder Bänder aus den etwa zolldicken Stämmen mehrerer orientaliſcher Astragalus-Arten aus— geſchwitzt wird, iſt als eine mit den vorigen nahe verwandte Erſcheinung zu betrachten. Nach der Unterſuchung H. v. Mohl'ss) entſteht dasſelbe durch Umwandlung der Zellen des Markes und der Markſtrahlen. Dieſe Zellen be— kommen, wenn ſie ihre Umwandlung beginnen, dickere Membranen, welche deutlich geſchichtet ſind und bei Benetzung mit Waſſer gallertartig erweichen.
Weiter umgewandelte Zellen ſchwellen im Waſſer noch mehr auf und trennen ſich von einander los. Die quellende Membran nimmt dann durch Verſchwinden der Schichtung ein homogenes Ausſehen an, und dieſer Prozeß geht von außen nach innen vor ſich, ſo daß die innerſten Membranſchichten am längſten wider— ſtehen, wenn die äußerſten Schichten ſchon zu einer gleichförmig ſchleimigen
Y 1. c. pag. 33. ) Vergl. Nees v. Eſenbeck, Handbuch der midizin.-pharmac. Botanik. III. pag. 192. 3) I. c. pag. 143. ) Entſtehung des Akazien⸗Gummi. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. Wien. Juni 1875. N ) Botaniſche Zeitung 1857, pag. 33 ff.
Gummifluß
58 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Gummimaſſe zerfloſſen ſind. In dem ausgeſchwitzten Tragant finden ſich in der Regel noch Zellen in den verſchiedenſten Zerſetzungsſtadien eingeſchloſſen, die beim Hervorfließen des Gummi mit fortgeriſſen worden ſind. Über die Veranlaſſung dieſer Ausſcheidung ſind wir durchaus ungenügend unterrichtet. Das, was durch die Reiſenden bekannt geworden iſt, hat H. v. Mohl (I. e.) zuſammengeſtellt. Daraus ſcheint hervorzugehen, daß dabei Verwundungen eine große Rolle ſpielen. Auf dem Ida in Creta und in Griechenland wird Tragant von Astragalus ereticus Zam. und A. aristatus “ Herit., auf dem Libanon von A. gummifer Zabill, in Perſien von A. verus 0%. abgeſondert; und zwar ſollen ſowohl auf dem Ida wie in Perſien die Verwundungen durch die Tritte des Viehs und der Schäfer Veranlaſſung zum Austreten des Gummi geben, und in der Gegend von Bitlis ſei es Sitte, zu dieſem Zwecke Einſchnitte in die Pflanze zu machen. Nach den übereinſtimmenden Berichten quillt der Tragant in der heißen Jahreszeit, im Juli, Auguſt und September, aus der Pflanze. Als begünſtigender Umſtand wird auch die Feuchtigkeit der Luft ge— nannt. Auf dem Libanon ſollen wolkige Nächte und ſtarker Tau zum Aus— treten des Gummi nötig ſein, weshalb auch die auf tiefer gelegenen Stellen des Libanon wachſenden Sträucher wegen geringerer nächtlicher Feuchtigkeit nur wenig Tragant liefern. Ebenſo ſoll in Griechenland auf allen trockneren Gebirgen kein Tragant gewonnen werden, ſondern nur auf denjenigen, wo viele kalte Regen mit großer Hitze abwechſeln.
Der Gummifluß der Pomeranzen-, Citronen- und Apfelſinen—
der Aurantiaceenbäume iſt eine in der neuern Zeit immer mehr an Ausdehnung gewinnende,
Marciume del Fico.
„mal della gomma“ genannte Krankheitserſcheinung in den italieniſchen Kul— turen dieſer Bäume), welche mit dem Auftreten ſchwarzer Rindenflecken an Stamm und Aſten beginnt, die nach einiger Zeit aufplatzen und ein hellgelbes Gummi ausfließen laſſen. Die Gummiherde können eiuen größeren Teil des Stammumfanges einnehmen und dann ſtirbt der Baum ab. Stecklinge und veredelte Exemplare ſollen die Krankheit häufiger zeigen als unveredelt gebliebene Sämlinge; auch ſoll thoniger Boden, ſtarke Bewäſſerung, reichliche Düngung das Übel vermehren. Savaſtano) will bezüglich der Entſtehung des Gummi die vollſtändigſte Analogie mit den Amygdalaceen gefunden haben. Es iſt alſo vielleicht auch hier die Erſcheinung nur das Anzeichen verſchiedenartiger Leidens— zuſtände. Als Gegenmittel empfiehlt Savaſt ano hauptſächlich ſorgfältiges Ausſchneiden aller kranken Stellen, Cauteriſieren der Wunden durch Feuer und nachher Bedeckung der Wunden mit Pech, was wenigſtens bei Beginn der Krankheit angewendet Erfolg haben ſoll. Reichliche Düngungen und Be— wäſſerungen ſind zu vermeiden.
Als Marciume del Fico bezeichnen die Italiener eine Krankheit des Feigenbaumes, die in den Wurzeln ihren Sitz hat und wenn fie den Wützel—
) Novellis, II male della gomma degli agrumi. Botan. Centralblat 1880, pag. 469. — Flühler, die Krankheit der Agrumen in Sicilien. Biedermann's Centralbl. f. Agrikulturchemie 1874, pag. 368.
) Gommose caulinaire dans les Aurautiacees, Amygdalées, le Figuier, l’Olivier ete. Compt. rend. Dezember 1884. — JI Marciume del Fico. An- nuario della R. Scuola sup. d’Agricult. Portici. III. fasc. V. 1884. — Della cura della gummosi e carie degli agrumi. Atti Comizio agrario di Napoli. IV. 1887. — Vergl. auch Gennadius, Gummoſe der Hesperiden Athen 1885.
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 59
hals erreicht, den Tod der Pflanze zur Folge hat. Savaſtano (J. c.) hat auch hier dieſelbe Gummibildung wie im vorigen Falle konſtatiert und findet die Erſcheinung ſowohl infolge von Verwundung als auch ohne jede erkennbare äußere Veranlaſſung. Es ſcheinen alſo wohl auch hier wieder ſehr verſchiedene Krankheitsurſachen vorzuliegen.
Auch am Olbaum kommt nach Savaſtano (I. c.) eine Gummoſis an Wurzeln und an den oberirdiſchen Axen vor.
V. Mannafluß. Die offizinelle Manna, welche in Calabrien und Sicilien von der Manna⸗Eſche (Fraxinus Ornus) gewonnen wird, fließt von ſelbſt aus den Bäumen aus und muß nach dem, was darüber bekannt iſt, ebenfalls als ein infolge von Verwundung erzeugtes Produkt betrachtet werden. Nach den von Meyen) zuſammengeſtellten Angaben ſind die Verwundungen, nach denen die Manna abgeſchieden wird, teils abſichtlich angebrachte Einſchnitte, teils Inſektenſtiche, beſonders der Mannaciade. Man läßt die Bäumchen etwa 8 Jahr alt werden und ſchält dann einen 3 Cm. breiten und 60 bis 70 Cm. langen Rindenſtreifen ab, worauf ein raſch zu Manna erſtarrender Saft aus— fließt; man benutzt denſelben Baum 10 bis 12 Jahre lang, indem man ihn jedes Jahr anſchneidet. Darnach aber iſt der Baum erſchöpft und wird gefällt. Bei uns zeigt die Manna⸗Eſche dieſe Sekretion ſehr ſelten Außerdem liefert auch die Tamariske des Sinaigebirges (Tamarix gallica var. mannifera) infolge des Stiches einer Schildlaus Manna. Bei beiden Pflanzen iſt über die Entſtehungsweiſe der Manna nichts bekannt. Sie zeigt keinerlei Organiſation und beſteht vorwiegend aus Mannit neben Zucker und Schleim, könnte alſo wegen ihrer Verwandtſchaft mit den Kohlenhydraten möglicherweiſe ein Des— organiſationsprodukt von Stärkemehl oder Celluloſe ſein.
B. Die natürlichen Heilungsprozeſſe.
Unter normalen Verhältniſſen wird an allen Wunden der Pflanzen ein natürlicher Heilungsprozeß eingeleitet; es treten nämlich Neu— bildungen ein, die wenigſtens das eine zur Folge haben, daß das an der Wunde verloren gegangene Hautgewebe durch ein neues erſetzt wird. Bei den pflanzlichen Heilungsprozeſſen iſt in erſter Linie feſt— zuhalten, daß im allgemeinen jede einmal verwundete Zelle unfehlbar dem Tode anheimfällt, daß von ihr alſo kein Heilungsprozeß aus— gehen kann, ſondern daß dies immer nur von den unter der Wunde liegenden Zellen, ſoweit ſie unverletzt geblieben und ſoweit ſie über— haupt lebensthätig ſind, zu erwarten iſt. Die auf dieſe Weiſe zuſtande kommenden Neubildungen ſind anatomiſch von zweierlei Art, wofür ich die Bezeichnungen Wundkork und Callus gebrauchen will. Alle behufs Heilung eintretenden Neubildungen laſſen ſich in der That auf einen dieſer beiden Prozeſſe zurückführen, wobei freilich zu bemerken iſt, daß Fälle vorkommen, wo die Grenze zwiſchen beiden Typen ver— wiſcht iſt. Bei der Bildung des Wundkorkes iſt jedes Wachstum ausgeſchloſſen, indem die betreffenden Zellen, allerdings unter Wieder—
) Pflanzenpatologie, pag. 226 ff.
Gummoſis des Olbaums
Maduafluß.
Unterſcheidung von Wundkork und Callus.
60 II. Abſchnitt: Von den Wunden
auftritt von Zellteilungen, ſich unmittelbar in Korkzellen umwandeln. Der Callus kommt dagegen ſtets durch ein Spitzenwachstum der be— treffenden Zellen zuſtande, welches gegen die Wunde hin gerichtet iſt, ſo daß dieſe Zellen zu Schläuchen oder zu Zellreihen auswachſen und dadurch eine über die Wundfläche hervortretende Wucherung oder Vernarbung erzeugen. Dieſes Wachstum ſtellen ſie aber bald ein, und dann erleiden die äußeren Zellen des Callus eine Verkorkung der Membranen, wodurch alſo wiederum ein neues Hautgewebe aus Kork geſchaffen wird. Die inneren Zellen des Callus können in
manchen Fällen ſich in ein Meriſtem umwandeln, aus welchem dann
Heilung an Vaucheriazellen.
Heilung an Moosblättern.
ſogar ein neues Cambium, eine neue Rinde und neues Holz entſtehen können, wie beſonders bei den Heilungsprozeſſen, die man als Überwallung bezeichnet. Die hier kurz charakteriſierten Arten der Heilungen betrachten wir in folgendem genauer.
Einfachere Heilungsprozeſſe als die vorſtehend ſkizzierten finden wir bei den einfachſt gebauten niederen Pflanzen. Die einzige große Zelle, aus welcher die Alge Vaucheria beſteht, macht ſogar davon eine Ausnahme, daß eine ver— letzte Zelle ſelbſt nicht mehr heilbar iſt. An der langen ſchlauchförmigen Zelle dieſer Pflanze wird nach Hanſtein!) nur der an die Wundſtelle (Einſchnitt, Quetſchung u. dergl.) unmittelbar angrenzende Teil des Protoplasma's getötet; das dahinter liegende unzerſtörte Protoplasma zieht ſich raſch zuſammen und ſucht ſeine Wundränder wieder aneinander zu fügen, was bald ſchneller bald langſamer gelingt, indem dieſe ſich in einer nach außen gewölbten Krümmung vereinigen, gleichſam hinter dem Schutz der Trümmer des getöteten Teiles. Hierauf wird die Heilung dadurch vollendet, daß ſich ein neues Zellhautſtück ausſcheidet, welches ſeitlich an die alte Zellmembran angefügt wird. Daher rühren die Scheidewände, die man bisweilen in dem typiſch einzelligen Schlauch der Vaucheria antrifft. Neben dieſer Stelle kann nun der Schlauch aus— wachſen und ſich verlängern. Die Chlorophyllkörner ziehen ſich gleich nach der Verwundung von dort ebenfalls zurück und kehren erſt nach der Heilung wieder in die normale Lage an der neuen Zellwand zurück.
Bei den ſehr einfach gebauten, nämlich aus einer einzigen Schicht gleich— förmiger Zellen beſtehenden Blättern der Mooſe können die hinter einer Wunde liegenden Zellen direkt wieder gleichartige Zellen erzeugen. K. Müller) ſah an Mooſen, beſonders an Bryum Billardierii die Blätter in verſchiedenartiger Weiſe, wahrſcheinlich durch ein Tier verletzt, und wie ſie auch zerriſſen ſein mochten, immer war wieder eine Ergänzung eingetreten durch Zellen, welche von den normalen durch etwas größere Weite und meiſt regelmäßig ſechsſeitige Geſtalt (die normalen ſind rautenförmig ſechsſeitig) ſich unterſchieden. So bei Verletzungen am Rande oder bei Riſſen mitten in der Blattfläche, die ſich durch ſolche Zellen wieder ausfüllten. Bei verloren gegangener Blattſpitze entſprangen
1) ber die Lebensthätigkeit der Vaucheriazelle 2c. Niederrheiniſche Geſellſch. f. Natur⸗ und Heilkunde in Bonn, 4. Nov. 1872. Citiert in Bot. Zeitg. 1873. pag. 697.
2) Zur Kenntnis der Reorganiſation im Pflanzenreiche. Bot. Zeitg. 1856. pag. 200.
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 61
die neuen Zellen aus der abgebrochenen Rippe und bildeten ſich in der nor— malen Zellenform der Blattfläche fort, ſo daß aus ihnen zwei Blattflügel hervorgingen, die gegeneinander ſich abrundeten, aber nicht ſich vereinigten, weil die Rippe nicht mit regeneriert wurde.
I. Die Heilung durch Wundkork.
Kork iſt ein im normalen Aufbau der Pflanzen ſehr häufig ver— 5 en wendetes Gewebe, welches immer die Rolle eines Hautgewebes ſpielt, i
Fig. 11. Heilung der Wunde einer Kartoffelknolle durch Wundkork. » die Wunde, welche tief ins Parenchym eingedrungen iſt, an ihren Rändern zerſtörte Gewebeteile, ſtellenweiſe die alte Schale (Korkſchicht) K. Im Gewebe unter der Wunde, in der Richtung von ce bis d Entwickelung eines Meriſtems durch lebhafte Teilung der Parenchymzellen mittelſt tangentialer Scheidewände, woraus die Schicht von Wundkork ſich bildet. Dieſe ſchließt bei e an das Korkmeriſtem der Schale an. pp das tieferliegende durch den Wundkork geſchützte Parenchym, einzelne Zellen mit Stärkekörnern. 60 fach vergr.
d. h. an der Oberfläche von Pflanzenteilen ſich findet (Kartoffelſchale, Periderm der Holzpflanzen ꝛc.) und wegen der chemiſchen und phyſi— kaliſchen Eigenſchaften ſeiner (verkorkten) Zellmembranen die unter— liegenden Gewebe vor übermäßiger Verdunſtung und vor zerſetzenden
62 II. Abſchnitt: Von den Wunden
äußeren Einflüſſen ſchützt. Der Verſchluß einer Wundfläche durch eine Schicht von Korkgewebe leiſtet alſo auch für die verwundeten Gewebe den eben bezeichneten Dienſt und hat ſomit im vollſten Sinne des Wortes die Bedeutung einer Heilung. Die Bildung von Wundkork iſt die gewöhnlichſte Heilung der Wunden bei krautartigen und paren— chymreichen Pflanzenteilen, alſo bei fleiſchigen Wurzeln und Knollen, bei den meiſten Kräuterſtengeln und Blattſtielen, zum Teil wohl auch an Blattflächen, wiewohl an dieſen häufig Callus gebildet wird; endlich heilen Succulenten, wie die Cacteenſtengel, die Blätter der Craſſulaceen ꝛc. gewöhnlich durch Kork. Der Vorgang beſteht darin, daß während eine oberflächliche Schicht von Zellen der Wundfläche, die durch die Verletzung ſelbſt getroffen und getötet find, vertrocknet, die dieſer zunächſt liegenden lebenden Zellen wiederholt durch Scheide— wände ſich teilen, welche ſämtlich der Wundfläche parallel orientiert ſind (Fig. 11). So bildet ſich eine der Wundfläche folgende Schicht teilungsfähigen Zellgewebes, ein Meriſtem, deſſen Zellen in der Richtung der Wundfläche ebenſo breit wie ihre Mutterzellen, in radialer (zur Wunde rechtwinkliger Richtung) aber ſchmal, alſo mehr oder weniger tafelförmig und in dieſer Richtung reihenweis geordnet ſind. Dieſe Zellen enthalten Protoplasma und haben ſehr dünne Membranen. In allen dieſen Beziehungen gleicht dieſes Meriſtem jedem normalen Korkmeriſtem, und in der That geht auch aus ihm unmittelbar der Wundkork hervor. Die nach außen gelegenen Zellen dieſes Meriſtems verwandeln ſich nämlich in echte Korkzellen, indem ihre Membranen verkorken, und der Zellinhalt verſchwindet, womit zugleich die Fähig— keit der Zellteilung verloren geht. Dagegen behalten die nach innen gelegenen Zellen des Meriſtems ihre Beſchaffenheit und Teilungs— fähigkeit bei und ſorgen für die ſtete Erneuerung des Korkes von innen her. Die Reſte der äußerſten abgeſtorbenen Zellen vertrocknen dann immer mehr, werden unkenntlich, und die Wunde iſt mit Kork bedeckt, wodurch ſie eine graue oder bräunliche, ſich trocken anfühlende Beſchaffenheit erhält. Die beſchriebenen Veränderungen finden auf der ganzen Ausdehnung der Wundfläche ſtatt und beginnen an allen Punkten derſelben gleichzeitig, ſind auch an allen gleichzeitig beendigt, ſo daß die vollſtändige Korkſchicht in der möglichſt kürzeſten Zeit her— geſtellt iſt. Die erſten Zellteilungen findet man gewöhnlich ſchon ein oder wenige Tage nach der Verwundung eingetreten. Die Bildung eines lückenloſen Korkverſchluſſes an jeder beliebigen Wunde wird durch den Umſtand ermöglicht, daß die Zellen der verſchiedenartigſten Gewebe zu Korkmeriſtemzellen ſich umzuwandeln vermögen. Dem Grundparenchym iſt dieſe Fähigkeit allerdings im höchſten Grade eigen,
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 63
gleichgültig ob es Rinde oder Mark iſt; aber wir ſehen auch in den Zellen des Weichbaſtes, in denen der Cambiumſchicht und ſogar im Collenchym Korkbildung eintreten, wenn die Wunde zufällig durch dieſe Gewebe gegangen iſt. Auch Zellen der Epidermis können ſich, wenn der Wundkork bis dahin reicht, in manchen Fällen an der Kork— bildung beteiligen. Wenn die Wundfläche ein Holzbündel trifft, deſſen Zellen ja ebenſo wie die echten Baſtfaſern keiner Metamorphoſe fähig ſind, ſo greift die Korkbildung hinterwärts um das Holzbündel herum. Immer bildet ſich alſo eine ununterbrochen unter der Wunde hinziehende Korkſchicht, und das Wichtigſte iſt, daß dieſelbe ringsum an das Hautgewebe. des nicht verletzten Teiles ſich anſetzt, wodurch der Pflanzenteil wieder vollſtändig von Hautgewebe — denn als ſolches fungiert der Wundkork — umſchloſſen wird. Iſt das alte Hautgewebe eine Korkſchicht, ſo ſetzt ſich der Wundkork am Rande an dieſe an, derart daß das Meriſtem dieſes in dasjenige der Korkſchicht ſich fort— ſetzt (Fig. 11 bei c); iſt die Haut des Pflanzenteiles eine Epidermis oder eine durch Sclerenchym verſtärkte Epidermis, ſo ſetzt ſich der Wundkork unmittelbar an dieſe Gewebe an. Es iſt begreiflich, wie unter ſolchen Umſtänden jede Wundfläche, und ſei ſie noch ſo groß, durch Wundkork verheilen kann. Kartoffelknollen, die mitten durch— geſchnitten ſind, können, wenn ſie vor zu raſchem Austrocknen geſchützt ſind, auf ihrer ganzen Schnittfläche wieder eine Korkſchale bilden. Jedoch iſt immer die Bildung von Wundkork an gewiſſe Bedingungen geknüpft. Starke Trockenheit kann ſie verhindern, nämlich wenn die Wundfläche im Verhältnis zum Volumen des Pflanzenteiles groß iſt, weil dann der letztere zu leicht vertrocknet. Anderſeits iſt auch über— mäßige Feuchtigkeit der Wundkorkbildung hinderlich, weil ſie tief eingreifende Zerſetzungserſcheinungen (ſ. unten) bedingt, und zwar auch ſchon an den kleinſten Wunden, weshalb doch im allgemeinen trockne Luft der Wundheilung durch Kork viel günſtiger iſt, als größere Feuchtigkeit. II. Die Heilung durch Callus.
Callus bedeutet urſprünglich in der Gärtnerſprache den Wulſt, mit dem ſich die Schnittfläche der Stecklinge überzieht. Mit dem hierbei ſtattfindenden Zellbildungsprozeß ſtimmt aber im weſentlichen derjenige bei der Heilung von Wunden vieler andrer Pflanzenteile überein, ſo daß wir alle dieſe Heilungsgewebe hier unter der Bezeichnung Callus zuſammenfaſſen. Das Weſen der Callusbildung beſteht allge— mein darin, daß die zunächſt unter der Wunde gelegenen lebendigen Zellen gegen die Wundfläche hin vorwachſen, indem die nach dieſer Seite gekehrten Zellwände ſich in dieſer Richtung vorwölben und
Heilung durch Callus.
Verkorkender
Callus als bloßer
Wundverſchluß.
64 II. Abſchnitt: Von den Wunden
durch ein Spitzenwachstum zu Papillen oder kurzen Schläuchen ſich verlängern. Meiſtens erfolgen in dieſen Zellen auch Zellteilungen, doch können dieſe auch unterbleiben, ſo daß für die Callusbildung das Weſentliche doch immer das Vorwachſen der betreffenden Zellen über die Wundfläche bleibt. Die etwa an der Wunde liegenden Holz,, Sclerenchym-, Korkzellen u. dergl. bleiben unverändert; nur teilungs— fähige Zellen ſind der Callusbildung fähig. Dies bezieht ſich nun nicht bloß auf die noch im Zuſtande des Meriſtems befindlichen Zellen, wie die der Vegetationspunkte und des Cambiums, ſondern auch auf die ſchon in Dauergewebe übergegangenen, wie z. B. die Mark- und Rindenzellen erwachſener Stengel und die Meſophyllzellen ausgebildeter Blätter, welche im normalen Zuſtande ſich nicht mehr teilen oder ver— größern und welche gerade bei dieſer Gelegenheit ihre immer noch vorhandene Fähigkeit ſich zu vermehren oder zu neuen Bildungen heranzuwachſen, beweiſen. Bezüglich der Orientierung der zu Callus ſich umbildenden Gewebeſchicht iſt allgemein die Bemerkung zutreffend, daß dieſelbe, mit den ſoeben bezeichneten Ausnahmen, gleichmäßig über die ganze durch die Verwundung freigelegte Fläche ſich erſtreckt und an den Wundrändern den Anſchluß an die unverſehrt gebliebenen Hautgewebe erreicht. Es wird daher im günſtigſten Falle, d. h. wenn kein der Callusbildung unfähiges Gewebe an der Wundfläche liegt, die Wunde ſimultan mit einem neuen bildungsfähigen Gewebe überzogen. Dieſes bildet ſich nun entweder nur zu einem neuen Haut— gewebe aus, um die unterliegenden Teile zu ſchützen, oder aber es wird gleichzeitig zur Bildungsſtätte neuer differenter Gewebe, welche die verlorenen alten Gewebe wieder vollſtändig erſetzen. Wo aber eine einigermaßen größere Fläche der Wunde aus einem der Callusbildung unfähigen Gewebe, z. B. aus dem nackten Holzkörper beſteht, da wird von den Rändern der Wunde aus dieſe Callusbildung mit nachfolgender Regeneration der Gewebe verſucht durch den unten näher zu beſprechenden Prozeß der Überwallung.
1. Verkorkender Gallus als bloßer Wundperſchluß. Die einfachſte Form der Heilung durch Vermittelung von Callus iſt diejenige, wo der auf der Wundfläche gebildete Callus bald zu wachſen aufhört und ſeine Zellmembranen eine chemiſche Veränderung erleiden, infolge deren ſie ſich wie eine Cuticula oder wie Kork verhalten. Ein ſolcher Callus ſtellt ſich dann anatomiſch wie funktionell als ein neugebildetes Hautgewebe dar, welches an den Wundrändern an das urſprüngliche Hautgewebe (gewöhnlich Epidermis) ſich anſchließend, die entblößten inneren Teile wieder vollſtändig bedeckt. Dieſer Heilungsprozeß ſtellt ſich vorzüglich an den Wunden der Blätter, aber auch an ſolchen
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 65
parenchymatöſer Achſenorgane ein, beſonders bei jtich- oder lochförmigen
Wunden, an denen er nicht ſelten zum Wiederverſchluß der Unter—
3 brechung der Gewebe führt.
Je nach dem anatomiſchen Bau des Blattes und je nach der Art der An Monkotylen⸗
Wunde mögen hierin wieder mancherlei Modifikationen eintreten. Ich habe blättern. | fie, wie ſchon in der erſten Auflage beſchrieben wurde, vergleichend unterſucht
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Heilung einer Schnittwunde im Blatte von Leucojum vernum durch Gallus. Querſchnitt des Blattes. vvvv die Wundſtellen mit abgeſtorbenen Gewebereſten. Die Wunde war durch den zwiſchen den beiden Gewebelamellen ff liegenden Luftraum gegangen. Dieſer ganz mit verkorkten chlorophyllloſen Calluszellen ausgefüllt. ii der angrenzende unverſehrte Luftraum, der an feinen Rändern die Zellen unverändert zeigt, die in dem durchſchnittenen Meſophyll und Luftraum zu Calluszellen geworden ſind. o Ober-, u Unterſeite des Blattes, 100 fach vergr.
i an Blättern von typiſchem Monokotyledonenbau und an ſolchen von dem ge— wöhnlichen Bau der dicotyledonen Landpflanzen. Bei jenen handelte es ſich um die Heilung von Stich- und Schnittwunden der Blätter. Ich machte an Blättern von Leucojum vernum mit dem Scalpell der Länge nach gerichtete, ſpaltenförmige Einſchnitte, desgleichen auch mittelſt einer Nadel Durchſtiche, die beide durch die ganze Dicke des Blattes hindurchdrangen. In der trocknen Zimmerluft blieben die Pflanzen vor Wundfäulnis bewahrt. Nach mehreren Wochen war Heilung eingetreten, bei Stich- wie Schnittwunden mit gleichem Erfolg; den letzteren erſieht man aus Fig. 12, welche einen Querdurch— ſchnitt durch diejenige Stelle darſtellt, an welcher ein der Länge nach gehender Schlitz durch das Blatt gemacht worden war. Zum Verſtändnis berückſichtige man den dem Blatte eigenen Bau, der am rechten Rande der Figur deutlich Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 5
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An knollenförmi⸗ gen Teilen.
An Dikotylen⸗ blättern.
66 II. Abſchnitt: Von den Wunden
iſt: zwiſchen dem Meſophyll der oberen und der untern Seite des Blattes be— finden ſich große Lufträume ji, die ſeitlich von einander geſchieden find durch eine dünne Gewebelamelle, in deren Mitte ein Fibrovaſalſtrang f verläuft. Die Wunden gehen gewöhnlich durch die Lufträume hindurch. Man ſieht bei v und v die Wunde in der Epidermis und dem Meſophyll mit den an den Wundrändern haftenden Reſten der abgeſtorbenen verletzten Zellen. Der an— fänglich hohle Luftraum zwiſchen £ und k iſt jetzt ausgefüllt mit Gallus, welcher entſtanden iſt durch ſchlauchförmiges Auswachſen und ungemeine Vergrößerung nicht bloß der unmittelbar hinter den verletzten Stellen des Meſophylls (hinter ») gelegenen Zellen, ſondern auch ſämmtlicher Zellen, welche die beiden Gewebe— lamellen au den dem geöffneten Luftraum angrenzenden beiden Seiten bekleiden, und gerade dieſe vorwiegend, wiewohl dieſe Lamellen direkt gar nicht verletzt waren, ein Zeichen, wie weit ſich die Reaktion der Wunde im Gewebe fort— pflanzen kann. Von beiden Seiten ſind die ſchlauchförmigen Calluszellen bis zur Berührung gegen einander gewachſen; eine Zellenteilung iſt nicht oder vielleicht nur ſehr unbedeutend in ihnen eingetreten. Da ſämtliche an den Luftraum angrenzende Zellen zu Callus auswachſen und die Schläuche zum Teil an ihren Enden noch weiter anſchwellen, ſo begreift ſich, daß der ganze Luftraum, den die Wunde geöffnet hatte, nun wieder verſtopft, nämlich ganz ausgefüllt iſt, indem die Callusſchläuche ſich gegen einander preſſen und ſich teil— weiſe verſchieben; es verwachſen ſogar die auf einander treffenden Calluszellen mit einander, wie aus der Figur erſichtlich iſt und beſonders daraus hervorgeht, daß die beiden Hälften der durch dieſe Stelle geführten dünnen Schnitte nicht aus einander fallen. Die zu Callus gewordenen Zellen haben ihren Inhalt verloren, ſie führen nur wäſſrigen Saft oder Luft; auch ihre Membranen haben ein verändertes Ausſehen angenommen, welches an Kork erinnert; in der That bleibt bei Zuſatz von konzentrierter Schwefelſäure, in welcher ſich das ganze normale Gewebe bis auf die höchſt dünne Cuticula auflöſt, der ganze Callus ungelöſt.
Auch Figdor) fand, daß nach dem Durchſchneiden kuollenförmiger Pflan— zenteile, wenn dieſelben durch einen gewiſſen Druck aneinander gedrückt werden, Verwachſung eintritt. Es vereinigen ſich die neugebildeten Zellen in derſelben Weiſe organiſch, wie fie in den Geweben vereinigt find; jo bei Knollen von Cyclamen europaeum, Rüben von Brassica rapa, ſowie bei den Kartoffel- knollen, wo jedoch das neugebildete verwachſende Gewebe beiderſeits durch eine Korkſchicht von den intakt gebliebenen Geweben geſchieden wird. Oder die Vereinigung wird bloß durch eine Kittbildung vollzogen, indem die durch— ſchnittenen Zellen in eine gummiartige Maſſe verwandelt werden; dies trifft oft an den Wurzeln von Beta vulgaris, Daucus carota, Dahlia variabilis,. Helianthus tuberosus ein, wo jedoch auch wirkliche Verwachſung vorkommt.
Von Dikotyledonen unterſuchte ich die Heilung der Wundränder der durch Inſektenfraß durchlöcherten Blattflächen. An Blättern von Cornus sanguinea, die einige Zeit vorher von Inſekten an zahlreichen Stellen durchlöchert worden waren, bemerkte man beſonders an der Oberſeite an allen Löchern am Wundrande ringsum eine Vernarbung durch ein neu gebildetes Gewebe, welches durch ſeine nicht grüne Farbe, höchſtens leichte Rötung von
) Studien über die Erſcheinung der Verwachſung im Pflanzenreiche. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. zu Wien, Bd. 9. IV., refer. in Botan. Zeitg. 1891. Nr. 23.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 67
der angrenzenden alten grünen Blattmaſſe ziemlich deutlich ſich unterſchied, 4 und durch welches die Weite des Loches etwas verkleinert, ſehr kleine Löcher . faſt verſchloſſen wurden. Hier und bei vielen andern Pflanzen bildet ſich hinter
dem Vernarbungsrande ein geröteter Saum, indem die Zellſäfte der angrenzenden Zellen, Epidermis und Meſophyll ſich in der gewöhnlichen Weiſe durch einen
Heilung der Wundränder durch Inſektenfraß durchlöcherter Blätter von
Cornus sanguinea. Querſchnitt des Blattes. vv der quer durch das Blatt
gehende Wundrand mit Reſten toter Zellen. Dahinter der neu gebildete Callus—
wulſt, der beſonders zwiſchen x und v unter Beteiligung der Epidermis ſtark
entwickelt und entſtanden iſt unter Teilung der Meſophyllzellen nach allen
Richtungen. Am rechten Rande zeigt das Meſophyll ſeine normale Gewebeform, o die Ober-, u die Unterſeite des Blattes. 200 fach vergr.
roten Farbſtoff färben. Fig. 13 zeigt die ſtattgehabten Veränderungen an einem Blattdurchſchnitte bis an den Rand der Wunde, welche hier mitten durch Meſophyll ohne Berührung eines Blattnerven gegangen war. Der rechte Rand der Figur zeigt wieder den unveränderten normalen Bau des Blattes; die Strecke von » bis v iſt die durchlochte Stelle des Blattes. In dem Teile von x an erkennt man den nach der Verwundung gebildeten Calluswulſt, und es iſt ſofort deutlich, daß hier auch die Epidermis ſich daran beteiligt hat; das zwiſchen x und v liegende Stück Epidermis iſt neu gebildet, und zwar augen— ſcheinlich dadurch, daß die der Wunde angrenzenden unverletzten Epidermiszellen wie gewöhnlich durch Wände rechtwinklig zur Oberfläche ſich geteilt haben. Auch an der Unterſeite iſt es deutlich, daß die hinter » liegenden Epidermiszellen etwas, wiewohl weniger lebhaft, durch Wände geteilt worden ſind. In dem— ſelben Maße iſt auch das zwiſchen den beiden Epidermen liegende Meſophyll an der Callusbildung beteiligt. Es hat alſo auch hier ein Hervorwachſen der Meſophyllzellen rechtwinklig zur Wundfläche ſtattgefunden, jedoch zugleich unter 5 lebhafter Zellteilung in verſchiedenen Richtungen, ſo daß der Callus hier in einer erheblich andern Form, nämlich als kleinzelliges parenchymatöſes Gewebe EN erſcheint. Dasſelbe iſt wiederum in der ganzen Wundfläche durch etwas dickere Membranen und durch einen verminderten farbloſen Zellinhalt ausgezeichnet. Auch hier zeigte es die Reaktion des Korkes. Es fällt auf, wieweit von der Wundfläche aus rückwärts im Meſophyll die Folge der Verwundung in regerer Zellteilung ihren Ausdruck gefunden hat, wodurch der Unterſchied des Palliſaden— gewebes an der Oberſeite von den mehr iſodiametriſchen und weiten Zellen 5 *
An Kräuter: ftengeln.
An Rüben.
Gallus an Stecklingen.
68 II. Abſchnitt: Von den Wunden
in der Mitte und an der Unterſeite das Blattes (wie er bei o und u hervor— tritt) ganz verwiſcht iſt.
Eine ähnliche Heilung durch Callus beſchreibt Waldenburg) bei Stichwunden in Stengeln krautartiger Pflanzen. Dieſe Wunden wurden durch Einbohren eines Dorn oder eines Stäbchens oder auch durch Hindurch— ziehen eines Fadens dem Stengel beigebracht. An Kartoffelſtengeln hatten die unter einer dünnen Schicht zerſtörten Gewebes zunächſt an die Wunde an— grenzenden Parenchymzellen ſich bedeutend nach der Wundfläche hin verlängert, hatten ihre Membranen ſtärker verdickt und durch eine größere Anzahl paralleler dünnerer Scheidewände rechtwinklig zu jener Ausdehnungsrichtung ſich geteilt, ſo daß das Ganze das Bild eines Korkgewebes zeigte. Bei den gleichen Ver— wundungen andrer Stengel, wie der Gurken und Kürbifje, ſcheint der Erfolg mehr dem oben an den Blättern von Cornus sauguinea erzielten entſprochen zu haben, indem die gegen die Wundfläche hin wuchernden Calluszellen durch Teilung nach verſchiedenen Richtungen hin ein kleinzelliges unregelmäßiges Gewebe bildeten. An ebenſo verwundeten Bohnenſtengeln blieb Rinde- und Markparenchym unthätig und der Callus bildete ſich nur aus dem Cambium. Quetſchwunden, welche durch Quetſchung mittelſt einer Pincette an der Peri— pherie derſelben Pflanzenſtengel hervorgebracht wurden, heilten nach Walden— burg unter ſtarker Wucherung von Callus aus den lebendig gebliebenen Parenchymzellen unter den durch den Druck getöteten Zellen, ſo daß ſich eine aus feſtem Gewebe beſtehende Anſchwellung am Stengel bildete.
An den Rüben heilen die oberflächlichen Wunden, welche hier ſo häufig durch Fraß von Erdraupen, Drahtwürmern, Engerlingen ꝛc. hervorgebracht werden, gewöhnlich durch Callus. Die Wundfläche erhebt ſich in Form einer parenchymatöſen Wucherung von der Beſchaffenheit des Rübengewebes, deren äußerſte Zellen verkorken.
2. Callus an Stecklingen. Die Heilung der Schnittfläche der Stecklinge geſchieht, wie oben erwähnt, bei manchen Pflanzen, namentlich da, wo das parenchymatiſche Gewebe vorwaltet, durch ein— fachen Abſchluß mittelſt einer Wundkorkſchicht, bei vielen, beſonders bei den holzigen, aber durch Gallus. Dieſer kann, wie zuerſt Krüger?) gezeigt hat, durch verſchiedene Gewebe der Schnittfläche, wie Cambium, Rinde- und Holzparenchym und Mark erzeugt werden. Nach Stoll's“) genaueren und ausgedehnteren Unterſuchungen an ſehr verſchiedenen Pflanzenarten ſind dieſer Fähigkeit nur die eigentlichen Holzzellen, die Baſtfaſern und die Epidermiszellen unteilhaftig, und überall iſt es das Cambium, welches dieſes Wachstum hauptſächlich zeigt und zuerſt damit beginnt, und bisweilen geht auch dieſe Thätigkeit vom Cambium allein aus. Die anderen Gewebearten, welche mit an der Callusbildung beteiligt ſein können, alſo beſonders die parenchymatiſchen
) Krankheiten des Pflanzengewebes in Folge von Reizen ꝛc. Archiv f. pathol. Anat. XXVII. pag. 145. Taf. V.
2) Bot. Zeitg. 1860, pag. 369.
3) Über die Bildung des Gallus bei Stecklingen. Bot. Zeitg. 1874, Nr. 46 ff.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 69
Gewebe der Rinde und das Mark, verhalten ſich nach Stoll bei den einzelnen Pflanzen ungleich, d. h. die eine oder andre dieſer Gewebe— arten, die bei der einen Pflanze den Gallus mit bilden Hilft, beſitzt bei einer andern dieſe Fähigkeit nicht. Die Neubildungen der ver— ſchiedenen Gewebepartien vereinigen ſich unter der Schnittfläche zu einem zuſammenhängenden Wulſt, dem Callus. Dieſer ſtimmt in der Zellenform nicht mit den Geweben überein, aus denen er hervorge— gangen iſt. Denn jedes der zur Callusbildung beitragenden ver— ſchiedenen Gewebe zeigt dieſelbe Veränderung: Die Querſcheidewände der der Schnittfläche zunächſt liegenden unverſehrten Zellen wölben ſich vor, ſtrecken ſich weiter in die Länge, und die Zellen teilen ſich wieder— holt durch Querwände. Auch die Holzparenchymzellen können in dieſer Weiſe an der Bildung des Callus teilnehmen; und ſelbſt die Gefäße vermögen es, indem in ihrem Innern Thyllen entſtehen, deren Bildung wir ſchon oben infolge von Verwundung kennen gelernt haben, und welche hier durch ihr Wachstum aus den angeſchnittenen Gefäßen herausquellen. Später treten in den Zellen auch Teilungen in andern Richtungen ein, wodurch der Callus über die Schnittfläche ſich weiter ausdehnt und die einzelnen Callus bildenden Partien ſich berühren. Damit iſt der Abſchluß der Schnittfläche erreicht. Im Callus tritt aber nun eine weitere Differenzierung von Geweben ein. In den meiſten Fällen beſchränkt ſich dieſelbe auf die Herſtellung eines kork— bildenden Meriſtems etwa 2 bis 3 Zellſchichten unterhalb der Ober— fläche, wodurch an der Peripherie ein Verſchluß durch Kork hergeſtellt wird. Außerdem kann ſich auch direkt um die angeſchnittenen Holz— und Baſtbündel eine Lage von Kork innerhalb des Callus erzeugen. Im Callus ſelbſt bilden ſich bisweilen auch noch einige Zellen in beſonderer Weiſe aus; ſo können zerſtreute Gruppen Sclerenchymzellen mit ſtark verdickten, getüpfelten Membranen entſtehen, oder im Cambium der angrenzenden Teile erſcheinen einige neue Gefäße, die nach dem Callus hin gerichtet ſind. Eine ganz ähnliche Callusbildung fand Magnus!) an Blattſtecklingen von Hyacinthus orientalis. In einem Falle, bei Hibiscus reginae, beobachtete Stoll eine ſpäter eintretende, noch weiter gehende Differenzierung im Callus, in der bereits eine Annäherung an die folgenden Heilungsprozeſſe liegt: es bildet ſich ein Meriſtem, welches von der Cambiumſchicht der Schnittfläche aus unter dem Holz und dem Mark ſich hinzieht; dasſelbe ſtellt eine neue Cambiumſchicht dar, welche nach Jahresfriſt nach oben Holzelemente mit Markſtrahlen, nach unten Rindenelemente abſondert, ſo daß an
) Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 30. März 1873.
70 II. Abſchnitt: Von den Wunden
der Schnittfläche eine Kappe entſteht, deren einzelne Gewebe mit den gleichnamigen des Stecklings zuſammenhängen. Die Nebenwurzeln, die der Steckling treibt, entſpringen aber nie in, ſondern dicht über dem Callus. Regeneration 3. Bedeckung der Wunde mit Callus, aus welchem Cam— e bium, Rinde und Holz regeneriert werden. Wenn Stengel aus Callus. oder Wurzeln Wunden bekommen, welche bis in das Syſtem der Fibrovaſalbündel gehen und einen Defekt in dieſen Gewebekomplexen zur Folge haben, ſo tritt zunächſt auch wieder, von den teilungsfähigen Zellen der Wundfläche ausgehend, eine Bildung von Callus ein; in dieſem aber konſtituiert ſich ein neues Cambium, durch welches dann für die verloren gegangenen Teile des Fibrovaſalbündelſyſtems neue regeneriert werden. An krautartigen Dieſer Heilungsprozeß iſt nur an Pflanzen von dicotyledonem Bau be— Sproſſen und kannt und in ſeinen Einzelheiten unterſucht worden. An geſpaltenen Stengeln Wurzeln. krautartiger wie holziger Pflanzen iſt die Möglichkeit dieſer Heilung von Any!) nachgewieſen worden. Derſelbe brachte an jungen Internodien unterhalb der unverletzt bleibenden Stengelſpitze einen durchgehenden Längsſpalt an. Die Sproſſe entwickelten ſich meiſt ungeſtört weiter; auf den Schnittflächen der beiden Stengelhälften trat lebhafte Teilung der der Wunde zunächſt liegenden Zellen des Markes, des Cambiums und der Rinde ein, es entſtand ein callus— artiges Gewebe, welches gegen die andre Hälfte des Internodiums ſich vor— wölbte. Nach einiger Zeit wurden in einer mehrere Zellſchichten unter der Oberfläche liegenden Zone die Teilungen beſonders lebhaft; es konſtituierte ſich hier ein Cambium, welches beiderſeits ſich dem Cambium der alten Fibrova— ſalſtränge anfügte und von nun ab gleich dieſem Holzelemente nach innen und Phlosmelemente nach außen abſonderte. Auf dieſe Weiſe ſchloß ſich der durch das Aufſchlitzen geteilte Kreis der Fibrovaſalbündel in jeder Hälfte zu— ſammen, und wurde jo verdoppelt. Die freie Seite der beiden Calluswülſte hatte eine Korkſchicht gebildet. Magnus) beobachtete dieſelbe Regeneration an der Schälwunde einer Möhrenwurzel. Hier war die äußere Rinde in einer gewiſſen Ausdehnung durch eine Verletzung abgelöſt worden, und aus der klaffenden Offnung der Wunde waren mehrere ſtarke Wülſte herausgewachſen, die vom regenerierten Cambium der Schälwunde gebildet worden waren. An Schälwunden Nicht weſentlich hiervon verſchieden iſt diejenige Form der Heilung der der Holzpflanzent eigentlichen Schälwunden der Holzpflanzen, welche als Bekleidung der Wundfläche bezeichnet wird, weil ſie in einer wirklichen Regeneration der Rinde, die auf der Wundfläche gleichzeitig vor ſich geht, beſteht. Wenn die Rinde ohne beſondere Vorſichtsmaßregeln abgeſchält wird, wie es alſo bei derartigen Verwundungen gewöhnlich geſchieht, ſo tritt auf der entblößten Splintfläche ſelbſt keinerlei Regeneration ein, die Heilung der Wunde geſchieht dann durch die von den Wundrändern ausgehende ſogenannte Überwallung, von welcher unten näher zu reden iſt. Aber ſchon Duhamel) war es be- ) Sitzungsber. d. Geſellſch. naturf. Freunde zu Berlin, 19. Juni 1877. 2) Sitzungsber. des bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 28. März 1879. 3) Physique des arbres. II. pag. 42.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 71
kannt, daß wenn man eine durch Ringelung des Stammes bloßgelegte Holz— fläche vor dem Austrocknen ſchützt vermittelſt eines um dieſelbe gelegten Glas— zylinders, auf derſelben an verſchiedenen Stellen Neubildungen von Gewebe entſtehen, die ſich vereinigen und aus denen eine neue Rinde ſich bildet. Weitere Beobachtungen hat auch ſchon Treviranus) mitgeteilt, nach denen der Verſuch auch bei andern Arten von Bedeckung und ſogar ohne ſolche ge— lingt. Meyen) glaubte, daß dieſe Neubildung allein von den Markſtrahlen ausgehe und betrachtete ſie irrtümlich als eine anfangs ſtrukturloſe, gallert— artige Maſſe, die aus den Markſtrahlzellen ausgeſchwitzt werde und ſich dann erſt zu Zellgewebe organiſiere; auch Th. Hartig?) hielt die Markſtrahlzellen für die einzigen hierbei thätigen Organe. Dagegen hat zuerſt Trecul) gezeigt, und nach ihm haben es andre, wie C. Kochs), Sorauer®) und Stoll) beſtätigt, daß die Regeneration der Rinde bei Schälwunden von dem geſammten Cam— bium ausgeht, welches am Holze haften bleibt, daß ſie jedoch fehlſchlägt, wenn dieſes Gewebe entweder durch den Einfluß der Atmoſphärilien verdirbt oder mechaniſch zerſtört worden iſt. Letzteres erfolgt nicht bloß durch Abkratzen u. dgl., ſondern es genügt dazu ſchon ein Abwiſchen mit dem Finger oder mit einem Tuche oder eine bloße Berührung. In allen ſolchen Fällen unterbleibt die Neuberindung. Beſonders leicht gelingt der Verſuch, wenn zur Frühlingszeit, wo die Rinde im Safte ſich befindet, geſchält wird, weil dann die Cambium— zellen ſich leichter unverſehrt trennen. Regenwetter hat nach Stoll einen un— günſtigen Einfluß, wahrſcheinlich weil durch das Regenwaſſer die Cambium— zellen getötet werden. Der Vorgang bei dieſer Heilung beſteht nach Trecul darin, daß ſich aus dem ſtehengebliebenen Cambium ein Callus entwickelt, indem durch Querteilung der Cambiumzellen ein parenchymatiſches Gewebe entſteht (Fig. 14). Dieſes nimmt an Dicke nicht unbeträchtlich zu; indem alle äußeren Zellen desſelben in radialer Richtung ſchlauchartig vorwachſen und ſich dabei durch tangential ſtehende Längsſcheidewände teilen. Die Anordnung der Zellen des Callus ſtellt daher ziemlich regelmäßige radiale Zellreihen vor, welche die Fortſetzungen derjenigen der Elementarorgane des alten Holzes ſind. Darin liegt der Grund, warum das aus dem Callus neu ſich bildende Holzzhin— ſichtlich der Anordnung der Holzzellen und der Markſtrahlen mit dem alten Holze, dem es ſich auflagert, korreſpondiert. Aus Trecul's Darſtellung ſcheint hervorzugehen, daß entweder die innerſten, dem alten Holze unmittelbar an— grenzenden Zellen des Callus oder eine weiter nach außen liegende Zellſchicht desſelben die Beſchaffenheit eines Cambiums annimmt, d. h. in der Teilung durch tangentiale Längswände andauernd fortfährt, während die von dieſer Schicht aus einwärts liegenden Zellen wenigſtens teilweiſe den Charakter von Holzzellen, Gefäßzellen und Markſtrahlen, die nach auswärts liegenden die Eigenſchaften des Rindengewebes annehmen. Zugleich konſtituiert ſich nahe der
) Phyſiologie der Gewächſe. II. pag. 222.
2) Pflanzenpathologie, pag. 15 ff.
2) Bot. Zeitg. 1863. pag. 286.
) Reproduction du bois et de l’ecorce. Ann. des. sc. nat. ser 3. T. XIX. 1853, pag. 157 ff.
5) Wochenſchrift der Gärtnerei und Pflanzenkunde 1872. Nr. 31.
6) Handbuch der Pflanzenkrankheiten, 1. Aufl. pag. 160. — 2. Aufl.
pag. 561.
7) Bot. Zeitg. 1874. pag. 796.
72 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Oberfläche des Callus ein Korkmeriſtem, welches die Korkſchicht der neuen Rinde
Cambium zeigend. A Querſchnitt durch die jüngſte Holzſchicht, Holzzellen und einen Markſtrahl zeigend. B die in radialen Reihen ſtehenden neugebildeten Callus— zellen, die ſowohl aus den vor den Holzzellen, wie aus den vor dem Markſtrahle ſtehenden Cambiumzellen her— vorgegangen ſind. » ein vor der Verwundung ge— bildetes und ſtehengebliebenes großes Gefäß. — Darunter der radiale Längsſchnitt durch eine ſolche Stelle. L Holzzellen, V ein Gefäß, 1 Cambiumzellen durch Querteilung zu Parenchymzellen geworden, g die aus dieſen hervorgegangenen eigentlichen Calluszellen. Nach Trecul.
erzeugt. Wiewohl ſämtliche Cambium— zellen der Erzeugung von Callus fähig ſind, ſo zeigen doch Tre— cul's Unterſuchungen, daß in manchen Fällen den an den Enden der Markſtrahlen ſtehen— den Zellen hierbei der größte Anteil zukommt, was auch nicht Wun— der nehmen kann, da die Markſtrahlen jeden— falls vorwiegend die zur Bildung des Cal— lus beſtimmten Nähr⸗ ſtoffe zuführen. Man ſieht oft die von den Markſtrahlen aus— gehenden Zellen des Callus reichlich ver— mehrt, förmliche Bü— ſchel von Schläuchen oder Zellreihen dar— ſtellen, die ſich nach den Seiten hin weiter ausbreiten; daraus erklärt ſich die Mei— nung älterer Beob— achter, daß die Re— generation von den Markſtrahlen allein ausgehe. Wenn im Frühjahre die Thätig— keit der Cambium⸗ ſchicht beginnt, ſo werden in der Regel zuerſt die großen Ge— fäße des Frühjahrs⸗ holzes gebildet, die deshalb weit in die Cambiumſchicht vor: ragen. Wenn daher um dieſe Zeit Schäl⸗ wunden gemacht wer— den, ſo erfolgen oft in den hinter den jungen
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 73
großen Gefäßen noch im cambialen Zuſtande befindlichen Zellen die Zellteilungen, welche zur Bildung des Gallus führen. Die Folge iſt, daß jene großen Gefäße vom alten Holze fortgerückt werden und daß man ſie, wie Trecul beobachtete, bisweilen im Callus oder ſogar auf der Oberfläche desſelben haften findet. Hinſichtlich der feineren Struktur des bei der Regeneration auf Schälwunden entſtehenden neuen Holzes fehlt es an genaueren Unterſuchungen. Der in Rede ſtehende Prozeß kommt beſonders an ſolchen Schälwunden vor, welche durch Frevel oder ähnliche Beſchädigungen veranlaßt worden ſind; auch durch Wild geſchälte oder von Mäuſen angenagte Stellen bekleiden ſich bisweilen ſtellenweiſe mit regenerierter Rinde ).
Als beſonderer Fall iſt bemerkenswert die Erſcheinung, wo an durch Frevel beſchädigten Bäumen die am Stamme hängen bleibenden und an einer Seite mit der geſunden Rinde zuſammenhängenden Rindenlappen auf ihrer Innenſeite Holz und Rinde reproduzieren. Duhamel glaubte, daß dieſe Gewebe hier durch Umwandlung der Rinde entſtehen. Trecul) hat aber gezeigt, daß die an der Innenſeite der abgelöſten Rindenſtreifen ſtehen bleibenden Cambiumzellen oder jüngſten Phloémzellen durch Querteilungen ähnliches parenchymatiſches Callusgewebe bilden, wie es im vorigen Falle erzeugt wird; im Innern desſelben beginnen dann in einer gewiſſen Schicht die Zellen zu verholzen, zum Teil zu Gefäßzellen ſich auszubilden; ſowohl nach innen wie nach außen ſchließen ſich daran andre verholzende Elemente, und die beider— ſeits an dieſe Holzlage angrenzenden teilungsfähigen Zellſchichten fungieren danach augenſcheinlich als Cambiumſchichten, durch deren Thätigkeit die Holz— lage innen und außen wächſt. Bei dieſer Verwundung hat, wie Trecul zeigte, das neugebildete Holz die abnorme Struktur des unten zu beſprechenden Wundholzes, d. h. es beſteht aus kurzen, parenchymatiſchen Zellen, und erſt die fernerhin ſich bildenden Holzelemente nehmen allmählich größere Länge an und ſpitzen ſich zu, wodurch die normale Struktur des Holzes allmählich wieder erreicht wird. Der Erfolg iſt derſelbe, gleichgültig ob der abgelöſte Rinden— ſtreifen mit ſeinem obern oder mit ſeinem untern Rande an der ſtehen gebliebenen Rinde befeſtigt iſt; nur mit dem Unterſchiede, daß im erſteren Falle die ſich bildende Holzlage ſtärker auszufallen pflegt, als im letzteren Falle, was aus der vorwiegend abſteigenden Richtung der Bewegung der aſſimilierten Stoffe erklärbar iſt. Hebt man dagegen einen Rindenſtreifen, welcher oben oder unten mit der übrigen Rinde in Verbindung ſteht, vorſichtig ab, ſo bleibt nach de Vries“) gewöhnlich das Cambium unverſehrt am Rindenſtreifen; es entſteht zwiſchen ihm und dem alten Holze eine dünne Callusſchicht; außerhalb der— ſelben findet man eine neugebildete Holzſchicht, auf deren Außenſeite das ur— ſprüngliche Cambium erkennbar iſt; letzteres iſt hier alſo in normaler Thätig— keit geblieben und deshalb hat auch das von ihm gebildete neue Holz einen ganz normalen Bau (it kein Wundholz). Wenn aber der abgehobene Rinden— ſtreifen bei dieſem Verſuche auf der Innenſeite mit dem Meſſer quer verletzt und dadurch die Cambiumſchicht an dieſer Stelle getötet wird, ſo hat dies nach de Vries denſelben Erfolg, als wenn der ganze Rindenlappen quer durchgetrennt iſt, d. h. das über und unter dieſer Wunde an der Innenſeite des Baſtſtreifens gebildete Holz nimmt den Charakter von Wundholz an.
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) Ratzeburg, 1. c. II. pag. 207. 2) 1. c. pag. 257. 3) Über Wundholz. Flora 1876. pag. 104.
Regeneration von Rinde und Holz auf der Innenſeite von Rindenlappen.
74 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Überwallung. 4. Überwallung, d. h. am Wundrande beginnende Callusbildung mit nachfolgender Differenzierung in Cam— bium, Rinde und Holz. Das Holz ſelbſt iſt keiner Regeneration von Gewebe fähig. Deshalb findet überall da, wo der Holzkörper ſelbſt verwundet iſt oder wo nach Abſchälen und Abnagen der Rinde die Cambiumſchicht zerſtört iſt, auf dem entblößten Holze keine Rege— neration von Rinde noch irgend eine andre Neubildung ſtatt. Auf der Wundblöße wird vielmehr das Holz trocken und dunkler, nimmt die Beſchaffenheit des Schutzholzes an, oder geht wohl auch, wenn es lange unbedeckt bleibt, in Fäulnis über. Auch hier geht die zur Heilung führende Reproduktion nur von der lebendigen Cambiumſchicht aus; dieſe befindet ſich hier rings um den Rand der Wunde, denn jede bis aufs Holz gehende Verletzung durchſchneidet notwendig Rinde und Cambium. Es wächſt allmählich von den Wundrändern aus über die Holzblöße hin ein Wulſt, welcher nach außen aus Rinde, innerlich aus Holz beſteht und zwiſchen beiden Geweben eine neue 4 Cambiumſchicht beſitzt, durch deren Bildungsthätigkeit die Wülſte ſich immer mehr ausbreiten, bis ſie endlich die Wundfläche ganz ver— deckt haben. Dieſe Erſcheinung, die ausnahmslos bei allen Laub- und Nadelhölzern ſtattfinden kann, iſt unter dem Namen Überwallung | oder Verwallung bekannt. Um ſich bei den hier ſtattfindenden 1 Vorgängen orientieren zu können, unterjcheiden wir die holzentblößenden Wunden ihrer Richtung nach in 1. Querwunden, wenn die Richtung der Verwundung (die Wundfläche) rechtwinklig ſteht zur Längsachſe des Stammes, des Aſtes oder der Wurzel, mag es ſich nun bloß um einen queren Einſchnitt oder um eine vollſtändige Querſchnitts- oder Bruchfläche handeln, und in 2. Längswunden, wo die Wundfläche der Stammachſe parallel liegt. Die letzteren können wieder ſein a) Flachwunden, wenn die Wundfläche tangentiale Richtung hat. Zu dieſen würden auch diejenigen Schälwunden gehören, bei denen wegen Zerſtörung der Cambiumſchicht das Holz ſich nicht mit regene— rierter Rinde bedeckt. b) Spaltwunden, wenn der Holkzkörper radial geſprengt iſt. Im Grunde genommen können bei den Flach⸗ wunden nur die beiden longitudinalen Wundränder zu den Längs— wunden gezählt werden, während der obere und der untere Wundrand, je genauer ſie quer gerichtet ſind, die Bedeutung von Querwunden haben.
Entftehung Die erſte Veränderung, welche am Wundrande eintritt und die
der Überwallung. Bildung des Überwallungswulſtes einleitet, iſt an Längs⸗ und Quer⸗ wunden gleich und nichts andres als die gewöhnliche Heilung der Wunden parenchymatiſcher und cambialer Gewebe durch Verſchluß
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 75
mittelſt Callus. Am Rande jeder Holzwunde ſind Rinde und Cambium verletzt, und dieſe ſchmalen Wundſtellen verheilen zuerſt. Die am Wundrande liegenden Cambiumzellen und innerſten jüngſten Phloͤm— zellen teilen ſich durch Quer- und Längswände und bilden ſo einen aus iſodiametriſchen Zellen beſtehenden Callus. Im ganzen älteren Rindengewebe aber differenziert ſich nahe der Wunde ein korkbildendes Meriſtem, welches ſich auf der einen Seite an das normale Kork— meriſtem unter der Oberfläche des Stammes anſetzt und parallel der Rindenwunde ſich hinzieht in den von der Cambiumſchicht gebildeten Gallus (Fig. 15, k1 k). In letzterem differenziert ſich nun ebenfalls nahe der Oberfläche ein korkbildendes Meriſtem, als unmittelbare Fortſetzung jenes. Die Rindenwunde iſt daher ſehr zeitig durch eine Korkſchicht verſchloſſen. Die letztere iſt alſo die direkte Fortſetzung der oberflächlichen normalen Korkſchicht des Baumes, des ſogenannten Periderms, welches daher hier in einem Bogen ſich nach der Holzblöße wendet. An der Außenſeite desſelben haften die den anfänglichen Wundrand bildenden Gewebepartien der Rinde und des Periderms, welche durch die neue Korkſchicht abgeſchnitten ſind und vertrocknen. Die innerſten Zellen des Callus, welche mit den urſprünglichen Cambiumzellen in Berührung ſtehen, nehmen nun ebenfalls den Charakter eines Meriſtems, nämlich des Cambiums, an. Die Teilungs— wände desſelben orientieren ſich ſo, daß ſie der neugebildeten Korkſchicht ungefähr parallel ſtehen. Es lenkt alſo auch die Cambiumſchicht nach der Wunde hin um (Fig. 15 c). Aus dieſer Orientierung des Kork— merijtems und des Cambiums am Wundrande folgt, daß die von nun an aus dieſen Meriſtemen erzeugten Zellgewebsmafjen; als ein Wulſt über die Holzblöße hinwuchern. Derjenige Teil des anfänglich gebildeten Callus, welcher zwiſchen deſſen Korkmeriſtem und deſſen Cambium übrig bleibt, nimmt die Beſchaffenheit von Rinde an. Dieſe erſtarkt nun durch die anhebende Thätigkeit des Callus— cambiums weiter. Ebenſo bildet das letztere nun auch nach innen Holz. Da die Theilungswände dieſes Cambiums zur Ober— fläche des Überwallungswulſtes tangential ſtehen, ſo liegen auch die hier gebildeten Holzzellen in radialen Reihen, die neue Cambiumſchicht überall annähernd rechtwinklig ſchneidend, und haben gleichgerichtete Markſtrahlen zwiſchen ſich (vgl. Fig. 15 u). An Querwunden, ſowohl an den oberen wie an den unteren, ſtehen dieſe Zellreihen des Über— wallungsholzes zur Stammachſe radial, in ungefähr gleicher Richtung wie die über oder unter ihnen ſtehenden des alten Holzes. An Längswundrändern dagegen divergieren ſie. Denn hier bilden ſich die der Wunde benachbarten in normaler Weiſe radial zur Stammober—
76 II. Abſchnitt: Von den Wunden
1 — Mee T
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Munde
— — Umm
11 0 U
Anfang der Ueberwallung einer Flachwunde eines mehrjährigen Aſtes von Acer campestre. Querſchnitt durch den Aſt. II das alte Holz am Wundrande (rechts die Holzblöße). 1, das nach der Verwundung gebildete Holz. u der während dieſer Zeit entſtandene Anfang des Ueberwallungswulſtes. e die Cambiumſchicht, die ſich in den Ueberwallungswulſt fortſetzt. b Rinde. b. Rinde der Ueberwallung. kk das Korkmeriſtem der Ueberwallung, dasſelbe ſetzt ſich bis an das urſprüngliche des Aſtes fort, welches es bei k, erreicht. vv Wundſtelle und abgeſtorbene Gewebeteile des Baſtes außerhalb der neuen Korkſchicht. 60 fach vergrößert.
fläche fort, während die nach der Holzblöße plötzlich umgelenkte neue Cambium— ſchicht die Holzzellreihen in allen den Richtungen ab— legt, die zu ihr rechtwinklig ſtehen, ſo daß dieſelben hier in ungefähr einem Viertelkreisbogen divergie— ren (vergl. Fig. 15 u). Die Zuſammenſetzung jedes
zuerſt aus Callus hervor— gehenden Holzgewebes iſt aber, wie von Trecul, ſpäter auch von de Vries beobachtet wurde, eine ab— normel); dieſes Wund— holz iſt von dem vor der Verwundung vorhandenen normalen Holz ſcharf ab— gegrenzt; die ſpäter fol— genden Holzſchichten wer— den dem normalen Holze um ſo ähnlicher, je ſpäter nach der Verwundung ſie entſtehen, bis zuletzt wieder normales Holz gebildet wird. Dieſer Satz gilt zu- nächſt für alles aus Callus hervorgehende Überwal— lungsholz ſowohl an Quer-, wie an Längswunden. Da der Gallus durch Duer- teiiungen der Cambium⸗ zellen entſteht und ſeine
Zellen daher iſodiametriſch ſind, ſo haben auch die erſten daraus hervorgehenden Holzzellen ungefähr dieſe Geſtalt, ſind kurz und
: ) Eine detaillierte Unterſuchung des Baues und der Entſtehung der Überwallungswulſt bei Ringelwunden hat Sorauer (Pflanzenkrankheiten)
2. Aufl. I., pag. 545—556) gegeben.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 77
parenchymatiſch, nicht langgeſtreckt und zugeſpitzt, wie die normalen Holzfaſern. Außerdem treten aber auch ſchon anfänglich in dieſem Wundholze ähnlich wie im normalen Holze Gefäße in Gruppen ſtehend auf; es ſind das aber nur enge, nicht normal weite Gefäße, und ſie beſtehen aus ebenfalls kurzen Gefäßzellen. Aber bald folgen Holzzellen, die etwas länger find und anfangen ſich zuzuſpitzen, während andre ihre rundliche, polyedriſche Form behalten und zu den Anfängen der Markſtrahlen werden. So folgt auf die faſerfreie Periode bald eine durch Holzfaſern ausgezeichnete. Die Zahl der letzteren wird dann immer größer, jo daß die Gefäßzellen, das Holz parenchym und die Markſtrahlen auf das normale Verhältnis zurück— gedrängt werden. Zugleich nehmen nun die Zellen der neuen Cambiumſchicht durch wirkliches Längenwachstum allmählich wieder eine größere Länge an, ſo daß mithin auch die von ihnen abſtammenden Holzzellen in gleichem Maße länger werden. Nach einiger Zeit iſt das Holz des Überwallungswulſtes wieder normal, und auch die Abgrenzung der Jahresringe, welche hier bogenförmig, der Oberfläche deſſelben parallel ſind, iſt deutlich ausgeprägt. So ſchiebt ſich der Überwallungswulſt infolge ſeines jährlichen Wachstums über die Wundfläche. Er behält ſeine convexen Ränder, die aber oft wegen des an jedem Punkte unabhängig von der Nachbarſchaft ſtattfindenden Wachstums keine regelmäßige Grenzlinie bilden, ſondern oft mehr oder weniger wellenförmig oder gekerbt find. Die Überwallungen bieten daher ganz das Bild einer zähflüſſigen Maſſe, welche ſich langſam über eine Fläche hin ergoſſen hat. Wenn die Verwallungs— wülſte ungeſtört ſich fortentwickeln, ſo überziehen ſie endlich die Wundblöße ganz, indem ſie an irgend einem Punkte derſelben zuſammentreffen. Sie vereinigen ſich dann wirklich miteinander, indem ihre Cambiumſchichten ſich aneinander ſchließen, ſo daß der Stamm von dieſem Zeitpunkte an wieder ein kompletes, ringsum gehendes Cambium beſitzt, und die von dieſem Zeitpunkt an ſich bildenden Jahresringe des Holzes gehen nun wieder als gleichmäßige Ringe um den ganzen Stamm herum.
Außer am Überwallungsholze wird aber bei Querwunden, nicht Bildung von bei Längswunden, auch bis zu einer gewiſſen Entfernung rückwärts Am belttguber von der Wunde abnormes Holz von derſelben Beſchaffenheit wie in ; Won jenem Falle gebildet, beſonders am oberen, ſchwächer am unteren Rande von Querwunden. Es beruht dies darauf, daß die Quer— teilung der Cambiumzellen, die als nächſte Folge der Verwundung eintritt, vom Wundrande aus rückwärts ſich weiter erſtreckt, was an ähnliche Erſcheinungen bei der Bildung des Gallus bei andern
Heilung von Rinden⸗ einſchnitten.
78 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Pflanzenteilen erinnert (pag. 67). So hat de Vries z. B. am oberen Wundrande einer Ringelwunde von Caragana arborescens bis in eine Entfernung von 2 Gentim. über der Wunde, in Spuren ſogar noch bis 7 Centim., die Abweichung im Baue des im erſten Jahre nach der Verwundung erzeugten Holzes gefunden. Unmittelbar über dem Wundrande wird kurzzelliges, parenchymatiſches Wundholz mit eng— und kurzzelligen Gefäßzellen gebildet, ganz gleich demjenigen, welches aus dem Callus entſteht, und in welches dieſes unmittelbar übergeht. Mit zunehmender Entfernung von der Wunde vermindert ſich die Querteilung der Cambiumzellen, ſo daß endlich nur zwei- und einmal geteilte gefunden werden, und entſprechend nimmt die Abnormität des Holzes ſchrittweiſe mit der Entfernung von der Wunde ab. Das kurzzellige Wundholz des Wundrandes, dem die Holzfaſern und weiten Gefäße fehlen, geht nach oben zunächſt in eine Zone über, wo die Zellenlänge größer wird, aber Holzfaſern und weite Gefäße noch nicht vorhanden ſind; dann folgt eine Zone, wo die Zellen zum Teil ſich zuſpitzen und in Holzfaſern übergehen; noch weiter oben iſt durch Häufigerwerden der weiten Gefäße und der Holzfaſern der normale Bau erreicht. Auch hier kehrt mit der Zeit die Holzbildung zur Norm zurück, weil in allen Entfernungen von der Querwunde die Cambiumzellen allmählich wieder normale Länge annehmen. Bei Längswunden, die der Achſe parallel ſind, tritt dagegen in dem un— verletzten Teile ſeitlich der Wunde keine Querteilung der Cambiumzellen und kein abnormer Bau des Holzes auf. Schiefe Wunden, zu denen auch die Spiralwunden gehören, verhalten ſich nach de Vries in dieſer Beziehung wie Querwunden: ſtets erſtreckt ſich das Wundholz ſo weit, wie die Projektion der Wunde auf demſelben Querſchnitt, was beſonders bei kurzen, ſchiefſtehenden Wunden hervortritt, indem hier ſeitlich derſelben kein Wundholz gebildet wird.
Wird ein bloßer Einſchnitt gemacht, der bis ins Cambium oder ins Holz dringt, wie es z. B. im Obſtbau bei dem ſogenannten Schröpfen geſchieht, um den Druck, den die Rindenſchichten dem Wachstum des Holzes entgegenſetzen, zu mindern, ſo füllt ſich die Wunde nach de Vries bald ganz mit Callus aus, der von der Cambiumſchicht ausgeht und dieſelben Bildungen erzeugt, wie in den vorigen Fällen. Wundholz wird, wenn es ein quergehender oder ſchiefer Einſchnitt iſt, in derſelben Weiſe gebildet, aber in geringer Menge, denn ſobald die Wunde durch den Callus geſchloſſen iſt, bildet ſich über die ganze Strecke nur noch normales Holz. Vertrocknen aber die Schnittränder, ſo daß das Holz ſich nicht mit Callus bedecken
2 Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Berwundungen 79
kann, dann wird die Wunde durch Überwallungswülſte von beiden Seiten geſchloſſen ).
Je nach den oben bezeichneten verſchiedenen Arten der Wunden überwallung der richtet ſich die Form der Überwallung. Es ſei in dieſer Beziehung ii; hier nur im allgemeinen Folgendes hervorgehoben. Bei der Über- wallung der Flachwunden ſchiebt ſich der Überwallungswulſt zwar von allen Rändern aus über die Wunde hin, aber meiſt von gewiſſen Seiten her ſtärker. Wenn die Wunde ihre größte Ausdehnung in der Längsrichtung des Stammes hat und ſelbſt wenn ſie ungefähr eine runde Fläche darſtellt, wie bei den Aſtſchnittflächen, ſo dringen die Über— wallungswülſte von den beiden ſeitlichen Rändern her raſcher als von oben und unten vor, unter Bildung ſtark entwickelter Jahresringe im Holze, ſo daß die Wunde zuletzt kurz vor dem Zuſammentreffen der Wülſte wie eine elliptiſche Längsfurche erſcheint. Bei größeren Flachwunden, wie beſonders bei den Schälwunden, ſchreitet die Überwallung oft weniger gleichmäßig vor, an einzelnen Punkten viel raſcher als an andern; beſonders zeigen die vom oberen Wundrande herabdringenden Wülſte das ſtärkſte Wachstum, wegen der hauptſächlich 1 abwärts ſich bewegenden Wanderung der plaſtiſchen Nährſtoffe. Unter Umſtänden kann eine Überwallung auch von der alten ſtehen gebliebenen toten Rinde bedeckt ſtattfinden, alſo äußerlich nicht ſichtbar ſein, wie es manchmal nach Borkenkäferfraß geſchieht oder wie oben erwähnt bisweilen beim Gummifluß. Die alte Rinde fällt dann aber nach nicht langer Zeit ab. Bei den überwallten Flachwunden iſt natürlich niemals eine wirkliche Verwachſung der Überwallung mit der toten Holzwundfläche eingetreten, ſie liegt derſelben nur mechaniſch, allerdings innig, an, alle Vertiefungen derſelben ausfüllend, und alle etwaigen Erhabenheiten derſelben oder fremde Körper, denen die Überwallung begegnet, umhüllend. Auch wenn der Verſchluß der Wunde durch die Überwallung vollſtändig geworden und äußerlich kaum noch eine An— deutung der Wunde zu ſehen iſt, bleibt doch die einſtmalige Wunde auf dem Durchſchnitte des Stammes kenntlich an einer dunklen Zone, welche eben das ehemals gebildete und nun unverändert gebliebene Schutzholz der Wundfläche vorſtellt, ſowie daran, daß die der Über- wallung angehörigen Jahresringe bogenförmig gegen die ehemalige Wundfläche umgelenkt erſcheinen.
Die Spaltwunden des Stammes find der Heilung durch überwallung der Überwallung ungünſtiger, weil dieſelben in radialer Richtung tief in Spaltwunden. den Holzkörper eindringen, und eine ſehr tiefe Spalte durch Überwallungs—
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) Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 538.
80 II. Abſchnitt: Von den Wunden
maſſe nicht ausgefüllt werden kann. Die letztere geht von beiden Rändern der Spaltwunde aus, und im günſtigſten Falle kommen nach einiger Zeit die beiden gegenüberſtehenden Überwallungswülſte in Kontakt und zur Verwachſung, alſo daß immer die Spalte unter ihnen im Holzkörper bleibt. Oder wenn die Spalte zu breit iſt und die Überwallungen nicht ſich treffen können, ſo lenken die letzteren ſoweit nach innen um, als ihnen nach dorthin Spielraum gelaſſen iſt. In beiden Fällen iſt nun aber auch auf der Innenſeite der Überwallung Rinde und thätiges Cambium vorhanden, und es findet daher in dieſer Richtung ebenfalls jährlich Neubildung von Holz ſtatt, wodurch mannigfaltige Wucherungen nach innen getrieben werden, die unter Umſtänden ſogar den Hohlraum ausfüllen können. Uberwallung der Die bemerkenswerteſten Erſcheinungen, welche die Überwallungen
Querwunden. pon Querwunden darbieten, find die Ungleichheiten derſelben an den oberen und unteren querſtehenden Rändern der meiſten Stamm— wunden, indem, wie bereits hervorgehoben wurde, gewöhnlich der obere Rand allein oder ſtärker als der untere eine Überwallung bildet. Am bekannteſten iſt dieſer Erfolg beim Ringelſchnitt. Dasſelbe Verhältnis ſpricht ſich auch bei ſpiraligen Wunden aus, wie ſie durch Einſchnitte bei phyſiologiſchen Verſuchen oder an Stämmen, die von Schlingpflanzen umwunden oder von Eichhörnchen oder Hornifjen ſpiralig geſchält ſind, vorkommen: ſolche Stämme bekommen einen ſpiralig verlaufenden Holzwulſt, der vom oberen Rande der Wunde ausgeht. In dieſem Überwallungswulſt biegen ſich die Holzfaſern ſchief nach abwärts, und es bleibt dann ſelbſt an vieljährigen Wülſten die ſchiefe Richtung der Holzfaſerung erhalten. Wenn zwiſchen zwei Baumſtämmen Bänke angebracht ſind, die bis ins Holz derſelben ein— geſetzt ſind, ſo breiten ſich die Überwallungen auf der oberen Fläche der Bank aus.
Maſerholz. Maſerbildung des Holzes bei Üiberwallungen. Das durch die Überwallungen erzeugte Holz, beſonders das in den ſtärkeren und älteren Überwallungswülſten, hat mehr oder weniger diejenige Struktur, welche in der Holzinduſtrie unter dem Namen Maſer, Wimmer oder Flader bekannt und geſchätzt iſt. Dieſe Struktur beſteht kurz darin, daß die Holzfaſern nicht den gewöhnlichen, gerad- linigen und parallelen, ſondern einen unregelmäßig gebogenen oder verſchlungenen Verlauf haben, indem an der Cambiumſchicht entweder wirklich andere Körper vorhanden ſind, um welche die Holzfaſern notwendig ſich herumbiegen müſſen, oder indem die Markſtrahlen ohne zunächſt nachweisbare Urſache infolge von Vermehrung ihrer Zellen bei geringer Länge eine ſo bedeutende Breite annehmen, daß ihr
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 81
Tangentialſchnitt nicht die gewöhnliche, ans Linealiſche grenzende, lange ſchmal elliptiſche Form hat, ſondern breit oblong oder nahezu kreisrund erſcheint, ſo daß die benachbarten Holzfaſern eben auch ge— krümmten Verlauf bekommen müſſen.
Die neueren Schriftſteller ſind ziemlich einſtimmig der Anſicht, daß die Maſerbildung an und für ſich nichts weiter als die unmittelbare Folge der Anweſenheit zahlreicher Adventivknoſpen iſt. Mit aller Beſtimmtheit hat dies zuerſt Meyen) ausgeſprochen; die gleiche Anſicht vertritt Göppert?), und Schacht) ſieht wenigſtens vorzugsweiſe in der Bildung vieler Nebenknoſpen die Veranlaſſung der maſexigen Beſchaffenheit des Holzes. Richtig iſt, daß durch viele Adventivknoſpen der Verlauf der Holzfaſern beeinflußt wird und daß Maſerholz in der That vorzugsweiſe dort entſteht, wo ſolche Knoſpen in Menge ſich gebildet haben, was eben beſonders als Folge von Verwundungen eintritt. Wir ſehen häufig eine Brut von Adventivknoſpen, hauptſächlich an Laubbäumen bei der Bildung der Stockausſchläge, bei der Zucht von Kopf— hölzern, ſowie nach Wegnahme größerer Aſte unter der Wunde, ebenſo nach dem Pfropfen unter der Pfropfſtelle ſich entwickeln; das gleiche kann auch an Rindenwunden eintreten, beſonders nach Ringelung der Aſte oder Stämme am untern Wundrand. Ferner ſind auch große Überwallungswülſte, welche Überfluß an Nahrung haben, nicht ſelten zur reichlichen Bildung von Adventiv- knoſpen geneigt, alſo beſonders diejenigen, welche bei einſeitiger Entrindung des Stammes am obern Wundrande ſich entwickeln. Adventivknoſpen können ſich an Aſten, Stämmen und Wurzeln jeden Alters und au jeder Stelle bilden, wo ein lebensthätiges Cambium ſich befindet. Sie entſtehen in der Cambium— ſchicht, indem eine Gruppe von Zellen derſelben ſich lebhafter vermehrt und einen kleinen Zellgewebskörper, die Anlage der Knoſpe, bildet, der ſich nach außen von der Rinde abgrenzt, nach innen mit der Cambiumſchicht im Zuſammenhange bleibt und durch eine Anzahl verholzter Zellen, die er bildet, ſich mit dem Splint in Verbindung ſetzt. Wenn die Knoſpe auswächſt, ſo durchbricht ſie die Rinde, ihre Baſis aber bleibt natürlich mit dem Splint verwachſen. Solche Adventivknoſpen haben in der Regel kein langes Leben, und je größer die Zahl iſt, in der ſie an einer Stelle beiſammen gebildet werden, deſto früher pflegen ſie wieder abzuſterben; einzelne treiben ein kurzes Zweiglein, welches aber bald zu wachſen aufhört und wieder vertrocknet, die meiſten ſterben ſchon als Knoſpen wieder ab. Die Überreſte bleiben als kleine holzige Stiftchen ſtehen, deren jeder alſo eine im Durchſchnitte runde oder ellip— tiſche Unterbrechung der Cambiumſchicht bildet, ebenſo wie im größeren Maß— ſtabe jeder Aſtſtumpf. Die Folge iſt daher, daß die neuen Holzfaſern, welche die Cambiumſchicht bildet, dem Hindernis ausweichen müſſen, ſich beiderſeits in ſchiefer Richtung um den kleinen Holzkörper der Knoſpe oder des Zweigleins legen. Wenn nun dicht nebeneinander fortwährend neue Knoſpen unregelmäßig angeordnet entſtehen, wie es in den oben genannten Fällen häufig vorkommt, ſo wird dadurch natürlich auch der Verlauf der Holzfaſern immer unregelmäßiger.
) Pflanzenpathologie, par. 86 ff. a
2) Über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume, pag. 11. — Über Maſerbildung. Breslau 1870.
3) Lehrbuch d. Anatomie u. Phyſiol. der Gewächſe, II. pag. 67. — Der Baum, pag. 219. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 6
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Aber dadurch allein kann ſich nur eine gröbere Maſerung bilden; es kommen auch wirklich Fälle vor, wo die Maſerung allein durch dieſes Verhältnis veranlaßt wird, und dieſes iſt daun immer daran zu erkennen, daß in den Maſchen der Maſern die Holzkörper der Knoſpen oder Zweige ſtecken.
Weiter hat R. Hartig) konſtatiert, daß nicht bloß Adventivknoſpen, ſondern auch andre Reſte früherer Gewebe, wenn ſie ſich auf der zu über— wallenden Holzfläche befinden, in derſelben Weiſe der Überwallung lokale Hinder— niſſe bieten können, welchen dieſelbe ausweichen und die ſie wie Inſeln um— faſſen muß, wodurch maſeriger Verlauf der Holzfaſerung erzeugt wird. Er hat dies bei Überwallungen bemerkt, wo der Holzkörper noch mit alter Rinde bedeckt und durch Maxkſtrahlen und Überreſte von Rindengewebe mit dieſer verbunden war; dieſen Überreſten muß die Überwallung ausweichen. Den gleichen Erfolg haben auch die Unebenheiten, welche die ſplittrigen Wundflächen des Holzes darbieten.
Aber die feine Maſerung, welche meiſtens mit jener durch mecha— niſche Hinderniſſe erzeugten zugleich, vielfach auch ohne dieſe und nament— lich bei den ausgezeichnetſten Maſerbildungen, den Maſerkröpfen und den Maſer— knollen, die wir erſt an ſpäterer Stelle beſprechen werden, in der ſchönſten Bildung ſich zeigt, finden wir auch bei R. Hartig nicht aufgeklärt. Ich finde, daß weder die Adventivknoſpen noch andre mechaniſch ſtörende Körper allein die Maſerbildung erklären, ſondern daß der gebogene Verlauf der Holzfaſern auch durch eine veränderte Zuſammenſetzung des Holzes, nämlich durch eine abnorme Vergrößerung und Formveränderung der Markſtrahlen bedingt wird. Während im normalen Holze die ſogenannten großen Markſtrahlen in der Tangentialfläche betrachtet eine ſehr ſchmale elliptiſche oder linealiſche Form haben, indem ſie in der Richtung der Faſerung des Holzes ſehr lang geſtreckt ſind, werden ſie im Maſerholz jo kurz und jo breit, daß viele im Tangential— ſchnitte (alſo wenn man die Oberfläche des Splintes betrachtet) ziemlich kreis— rund oder oblong erſcheinen. Der Durchmeſſer beträgt dabei das Mehrfache der normalen Breite. Dieſe Markſtrahlcylinder ſind die Kerne der Maſermaſchen. Um ſie herum laufen die aus Gefäßen, Holzzellen und gewöhnlichen kleinen Markſtrahlen beſtehenden Holzſtränge, entweder in Form einer Ellipſe, indem ſie ſich über und unter dem Markſtrahl wieder vereinigen und eine Strecke weit parallel fortlaufen, oder in einem vollſtändig geſchloſſenen Kreiſe ringsum, eine wirkliche Schlinge bildend (Fig. 16 B). Im letzteren Falle läuft um dieſen Holzſtrang oft ebenfalls kreisförmig ein etwas breiter Markſtrahl, und jo können konzentriſch mehrere mit parallelen Markſtrahlen abwechſelnde Hol- ſtränge um einen centralen Markſtrahlcylinder geordnet ſein. Das ſind die ſogenannten Augen der Maſer. In nächſter Nachbarſchaft ſteht wieder ein ſolches Auge und oft ſind mehrere wieder von einem in unregelmäßig ge— ſchlungenem Verlaufe in ſich geſchloſſenen Ringe eines Syſtems von Holz⸗ ſträngen und Markſtrahlgeweben umzogen, oder zwiſchen ihnen ſchlängeln ſich auf weitere Strecken hin andre Holz- und Markſtrahlſtränge, die nicht in ſich zurücklaufen (Fig. 16 4). Darin liegt die charakteriſtiſche Struktur des Maſer⸗ holzes. Am deutlichſten tritt dieſelbe hervor, wenn das Holz von der Rinde entkleidet iſt, auf der dann ſichtbaren Oberfläche des Splintes. Da nämlich die Endigungen der Markſtrahlmaſſen nicht bis ganz an die Oberfläche ver- holzt ſind, ſo trocknen ſie etwas mehr zuſammen und erſcheinen auf der Splint⸗
!) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 136. Taf. XIX. Fig. 5—8.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 83
fläche etwas vertieft, ſo daß die etwas erhabenen Holzſtränge in ihrem eigen— tümlichen Verlaufe hervortreten, ähnlich wie die Windungen des Gehirnes. Zum vollen Verſtändnis des Baues des Maſerholzes muß aber bemerkt werden, daß die beſchriebene Zeichnung ſich nur darbietet bei Betrachtung von der Oberfläche oder im tangentialen Längsſchnitt. Es ſetzt ſich nämlich an jeder Stelle die vorhandene Anordnung der Holzgewebe auch in den ſucceſſiven un—
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Fig. 16- Maſerholz der Eiche. A Stück eines Maſerkropfes von der Splintfläche geſehen, den Verlauf der Holzſtränge zeigend, wenig vergrößert. B Tangentialer Durchſchnitt durch eine Maſche des Maſerholzes. Im Centrum (bei m) ein großer Markſtrahlcylinder aus lauter lebenden, oft ſtärkeführenden Zellen beſtehend. Ringsum ein kreisförmig geſchloſſener Holzſtrang, deſſen Zuſammenſetzung nur am obern Rande weiter ausgeführt iſt; 1 Holzfaſern, m! kleine Markſtrahlen, t Tracheiden, g Gefäß. 90fach vergrößert.
gleichalterigen Schichten des Holzes in derſelben Form wenigſtens eine Strecke weit fort: wenn man etwas tiefer wieder tangential einſchneidet, ſo hat man dasſelbe oder ein ähnliches Bild der Maſerung, wie es an der Oberfläche zu ſehen war. Die eigentümliche Verteilung von Markſtrahlgewebe und Holz— ſträngen wird alſo durch die Cambiumſchicht continuierlich fortgebildet, und darum zeigt auch die darüber liegende ſecundäre Rinde in ihren Baſtfaſern dieſelbe Maſerung wie das Holz, weil die großen Markſtrahlmaſſen ſich in derſelben Zahl, Form und Größe auch dorthin fortſetzen. Bei der großen Ver— änderung, die der Bau des Holzes in tangentialer Richtung erlitten hat, iſt es um ſo bemerkenswerter, daß er in radialer Richtung nichts von ſeinen ſonſtigen Eigentümlichkeiten eingebüßt hat. Denn auf dem Querſchnitt z. B. durch Eichenmaſerholz unterſcheidet man deutlich die Jahresringe, welche in ununterbrochenem Verlaufe und parallel untereinander und mit der Oberfläche des Holzes gelagert ſind, auch überall in ihrem Frühjahrsholze durch die weiten nadelſtichförmigen Gefäße ausgezeichnet. In den Holzſträng en finden ſich außer den Gefäßen auch die übrigen normalen Beſtandteile des Holzes, ſogar normale kleine Markſtrahlen. Die Holzſträuge find (bei der Eiche) auf 6 *
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dem Querſchnitt an der bräunlichen, die Markſtrahlenmaſſen an der weißlichen Farbe zu erkennen und man ſieht auf das deutlichſte beide überall in radialer Anordnung; nur ſind wegen des tangential in allen möglichen Richtungen ſchiefen Verlaufes beide Gewebe auch in den verſchiedenſten Richtungen durch— ſchnitten: hier erſcheint der Markſtrahl nur als eine feine weiße Linie, dort iſt er gerade in der Richtung ſeiner Längsachſe durchſchnitten und ſtellt einen breiten weißen Streifen dar. Dasſelbe zeigen die Holzſtränge, und die weiten Gefaͤße find dem entſprechend in allen Richtungen durchſchnitten: hier quer, dort ſchief, wieder an andrer Stelle ziemlich in ihrer Längsachſe, ſo daß ſie wie eine feine Furche auf der Schnittfläche erſcheinen. Das Maſerholz iſt alſo in ſeinem anatomiſchen Baue dem normalen Holze in allen weſentlichen Punkten gleich, nur mit der Ausnahme, daß die Holzſtränge, wegen der ver— änderten Beſchaffenheit gewiſſer Markſtrahlen, in tangentialer Richtung anders orientiert ſind. Oft iſt in ſolchem Holze nirgends eine Spur von Adventiv— knoſpen oder alten Zweigen zu finden. Die großen Markſtrahlcylinder erweiſen ſich deutlich als lebendiges, mit den angrenzenden Holzſträngen in organiſcher Verbindung ſtehendes Markſtrahlgewebe, ihre Zellen ſind ſämtlich während des Winters überaus reich mit Stärkemehl erfüllt. Die hier vorgetragene Anſicht, daß Maſerholz auch ohne Beteiligung von Adventivknoſpen oder ſonſtigen dem Cambium fremden Körpern, nämlich durch eine bloße vom Cambium ausgehende veränderte Zuſammenſetzung des Holzes, insbeſondere durch Verbreiterung der Markſtrahlen entſteht, habe ich ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches geltend gemacht. Unter den früheren Schriftſtellern finde ich nur bei Schacht!) Angaben, welche das Auftreten von Maſerholz ohne Adventivknoſpen zu beſtätigen ſcheinen; derſelbe erwähnt, daß an mehrhundertjährigen Tannen und Kaſtanienbäumen „am glatten Stamme“ die letzten Holzbildungen wunderſchöne Maſern zeigten. Übergang von Nach dem Vorſtehenden iſt zu erwarten, daß es zwiſchen der normalen normalem Holz und der maſerigen Beſchaffenheit des Holzes gar keine Grenze giebt. In der in Maſerholz. That kann man auch alle Übergänge von der einen zu der andern verfolgen. Wo z. B. das Holz in einen Überwallungswulſt ſich fortſetzt, werden die Markſtrahlen ganz allmählich kürzer und breiter, und ſo bald ſie ſich etwas häufen, kommt notwendig der Verlauf der Holzſtränge in Unordnung. Es iſt unverkennbar, daß dies zuerſt an ſolchen Punkten beginnt, wo es der wachſenden Holzſchicht in tangentialer Richtung an Raum gebricht und die Holzfaſern ſich gegenſeitig drängen, alſo beſonders da, wo die Überwallung eine Falte oder Bucht bildet; daher denn auch vorzüglich zwiſchen Adventiv— knoſpen. Sobald ein gewiſſer Grad des ſchiefen Verlaufes der Holzfaſern und der Erweiterung der Markſtrahlen erreicht iſt, ſcheint das Verhältnis bei weiterem Zuwachs des Holzes ſich noch mehr zu verſtärken. Befördernd in dieſem Sinne wirkt offenbar die Ungleichheit, mit welcher die Überwallung an den einzelnen Punkten zu wachſen pflegt, ſowie die fortſchreitende Neigung, Adventivknoſpen zu bilden, welche namentlich bei großer älterer Uberwallung ſo häufig ſich zeigt. Es iſt hiernach auch ſelbſtverſtändlich, daß gemafertes, Holz noch bei vielen andern Gelegenheiten zu erwarten iſt, die gar nicht zu den Überwallungen, alſo zu den Wundenheilungen gehören, und alſo auch hier nicht zu erörtern ſind, nämlich überall da, wo die tangentiale Oberfläche der wachſenden
) Lehrbuch d. Anatomie u. Phyſtol. ꝛc. II. pag. 67.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 85
Holzſchicht keine ebene, ſondern eine ſtark gekrümmte Fläche bilden muß, alſo vornehmlich bei den verſchiedenartigen, teils durch paraſitäre, teils durch nicht paraſitäre Einflüſſe hervorgerufenen lokalen Anſchwellungen und Auswüchſen, bei denen der Holzkörper beteiligt iſt und welche eben wegen der hierbei ein— tretenden charakteriſtiſchen Holzſtruktur als Maſerknollen oder Maſerkröpfe be— zeichnet werden. Von dieſen Mißbildungen wird erſt an verſchiedenen ſpäteren Stellen die Rede ſein können.
5. Verwachſungen von Stämmen, Zweigen und Wurzeln Verwachſungen miteinander. Als eine Heilung von Wunden iſt auch die organiſche e Verwachſung zwiſchen zwei Stämmen, Zweigen oder Wurzeln einer und Wurzeln oder verſchiedener Pflanzen zu betrachten, weil ihr ſtets eine Ver- mit einander wundung vorausgeht. Ebenſo wie lebloſe fremde Körper in den Bereich des Dickenwachstums eines Stammes kommen, und dann von dieſem umwallt werden können, gehen auch Baumſtämme oder Zweige oder Wurzeln, die durch ihre Nähe zuſammengeraten, mehr oder weniger feſte Verwachſung mit einander ein. Dieſe findet bald der Länge nach ſtatt, wenn die betreffenden Teile parallel ſtehen, bald in ſchiefer Richtung, ja ſelbſt rechtwinkelig, wenn die beiden Teile ſich kreuzen. So lange die Organe von ihrer Rinde bedeckt ſind, kann keine Ver— wachſung ſtattfinden. Daher drücken ſie ſich unter ſolchen Umſtänden wohl in einander ein und verurſachen die Täuſchung, als ſeien ſie verwachſen, während ſie in Wahrheit nur ſchwach an einander haften und mit leichter Mühe zu trennen ſind. Wenn aber die Teile ſich berühren und einen Druck auf einander ausüben, ſo wird durch die gegenſeitige Reibung die Rinde immer mehr vermindert, bis endlich die beiderſeitigen Cambiumſchichten zur Vereinigung kommen, und erſt dann kann Verwachſung eintreten. An den Rändern der Kontaft- ſtelle tritt gewöhnlich die Rinde ſtärker hervor, ſie bildet zwei durch eine mehr oder weniger tiefe Furche getrennte erhabene Leiſten, gleichſam wie durch den Druck gequetſcht und herausgedrückt, was aber wohl weniger eine mechaniſche Quetſchung, als eine ſtärkere Ernährung in Folge der Stauung des Nahrungsſaftes ſein möchte. Da die Be— rührung in der Regel nicht an allen Stellen gleichmäßig erfolgt, ſo bleiben an der Kontaktfläche auch noch Rindenteile vertrocknet ſtehen. Ebenſo kann die Cambiumſchicht an ſolchen Stellen, wo die beider— ſeitigen Holzkörper einander gerade gegenüber ſtehen, wegen Raum— mangel ſich nicht weiter entwickeln und ſtirbt daſelbſt ab. Daher iſt auf Querſchnitten die Grenze zwiſchen den beiden Holzkörpern gewöhnlich auch ſpäter an einigen Reſten alten Gewebes noch zu erkennen. Eine fortbildungsfähige Verwachſung findet aber da ſtatt, wo an den Rändern der Kontaktfläche die beiderſeitigen Cambiumſchichten auf einander treffen. Hier vereinigen ſie ſich zu einer Schicht, welche nun
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86 II. Abſchnitt: Von den Wunden
die beiden Holzkörper zuſammen umgiebt. Von nun an legt ſich jährlich ein gemeinſamer Holzring um beide. Zunächſt iſt derſelbe nicht kreisförmig, denn wegen des Winkels, den beide Stämme an der Seite ihrer Kontaktfläche bilden, beſchreibt er daſelbſt eine Einbuchtung, die aber von Jahr zu Jahr ſich mehr ausgleicht. Nach langer Zeit iſt aus beiden ein Stamm mit kreisförmigen einfachen äußeren Jahres— ringen geworden; auf dem Durchſchnitte zeigt er ſeinen Urſprung aus zweien an den beiden eingeſchachtelten Holzkörpern mit je beſonderen Markceentren und Jahresringen. Es iſt hiernach leicht erklärlich, warum Stämme mit ſtarker Borkebildung weniger leicht verwachſen als glatt— rindige. Sehr bemerkenswert aber iſt der Einfluß der natürlichen Ver— wandtſchaft. Nach Göppert's)) beſtimmter Behauptung, gegenüber den mancherlei gegenteiligen Angaben?, die er als Täuſchungen be— zeichnet, findet zwiſchen Stämmen verſchiedener Pflanzenfamilien keine Verwachſung ſtatt und ebenſo wenig zwiſchen Stämmen zweier ver— ſchiedener Arten, mit alleiniger Ausnahme der Fichte und Tanne. Gelegenheit zu Verwachſungen von Stämmen und Aſten iſt beſonders in dichten Hecken und Lauben gegeben; ferner verwachſen junge Baumſtämme, welche dicht beiſammen ſtehen, im Laufe der Zeit nicht ſelten miteinander. Zwiſchen Baumwurzeln im Boden finden die häufigſten Verwachſungen und zwar in allen möglichen Richtungen ſtatt; auch bei ihnen geſchieht die Verwachſung durch die miteinander in Berührung kommenden beiderſeitigen Cambiumſchichten. Eine andre Art von Wurzelverwachſung hat Franke) bei Epheu und Hoya carnosa beſchrieben: nebeneinander befindliche Wurzeln ver— ſchmelzen mit ihren papillenartig auswachſenden Epidermiszellen; ſpäter entwickelt ſich die Rinde und das Cambium an der Berührungsſtelle nicht weiter, aber am Rande verſchmelzen die Cambiumſchichten zu einer gemeinſamen, beide Wurzeln umfaſſenden Schicht. — Von der Verwachſung, welche an den Durchſchnitten durch einen und denſelben Pflanzenteil eintritt, iſt oben S. 66 die Rede geweſen.
Eine reiche Zuſammenſtellung von Angaben über Verwachſungen lebender Pflanzenteile findet man bei Moquin-Tandon). Es ſei davon hier nur folgendes hervorgehoben. Auch krautartige Teile ſind unter ſich verwachſen gefunden worden, ſo z. B. zwei Möhrenwurzeln, oder die Wurzel einer Möhre und einer Runkelrübe; eine Wurzel von Silybum marianum, von einem dünnen
Grashalme durchſetzt, beſtand aus einer Haupt- und einer Nebenwurzel, welche, nachdem ſie den Halm zwiſchen ſich gefaßt hatten, mit einander verwachſen waren;
) Über innere Vorgänge bei dem Veredeln. Kaſſel 1874, pag. 15. 2) Vergl. auch Moquin-Tandon, Pflanzen-Teratologie, pag. 277. 3) Cohn's Beiträge zur Biologie d. Pfl. III, Heft 3.
) 1. c. pag. 268 — 279.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 87
zwei Ranunkelſtengel mit einander verwachſen und zwiſchen ihnen ein Schaft der Maastiebe hervorſproßend. In dieſen und einigen andern dort angeführten, ihrer Glaubwürdigkeit nach zweifelhafteren Fällen iſt nichts darüber mitgeteilt, welcher Art die Verwachſung war und ob dabei eine wirklich organiſche Ver— einigung der beiderſeitigen Organe ſtattgefunden hatte oder ob die Erſcheinung mehr derjenigen an die Seite zu ſtellen iſt, die bei fleiſchigen Hymenomyceten allgemein bekannt iſt, welche fremde Körper, wie Kiefernadeln, Grashalme, Zweigſtücke ꝛc. umwachſen und einhüllen. Ebenſo möchte, wenn Samen in Baumhöhlen keimen und dann Stengel einer fremden Pflanze aus dem Baume hervorwachſen und ſich immer mehr mit ihm verbinden, gewöhnlich wohl an keine organiſche Vereinigung zu denken ſein. Die bemerkenswerteſten Fälle des Verwachſens holziger Pflanzenteile ſind folgende. Mehrfache Bäume ent— ſtehen entweder aus einer Verwachſung mehrerer beſonderer nahe beiſammen ſtehender Stämme. So eine Eiche in den Ardennen („lArbre des quatre fils d'Aymon“), deren 7 m 33 em im Umfang meſſender Stamm aus 4 dicken Stämmen zuſammengeſetzt iſt, die durch Annäherung etwa 3 Meter lang zuſammengewachſen ſind. Sorauer) beſchreibt zwei mit den Stämmen in mittlerer Höhe verwachſene Kiefern, deren eine dann bis zu ihren Wurzeln abgeſtorben, von dem andern Stamme ernährt wird. Oder aus der Ver— wachſung eines alten Stammes mit mehreren Schößlingen, wie man einen Kaſtanienbaum auf dem Atna („Castagno di cento cavalli“) erklärt, deſſen Stammumfang 58 Meter beträgt. Zwei Stämme können auch mittelſt eines quergehenden Aſtes des einen Stammes mit einander verwachſen. Bei den um Baumſtämme geſchlungenen Lianen können die Verzweigungen unter ſich, wo ſie ſich begegnen, ſo vielfach verwachſen, daß ſie ein netzförmig durch— brochenes Gehäuſe um den Stamm bilden. Auch Baumwurzeln hat man unter einander zu einem großen Netz verwachſen gefunden.
Ein hieran ſich ſchließender Heilungsprozeß iſt die Verwachſung Verwachſungen zwiſchen dem Auge oder dem Pfropfreis und dem Wildling beim Veredeln. beim Veredeln. Auch dieſe Verwachſungen beruhen allgemein darauf, daß die Cambiumſchichten der beiden Teile mit einander in Berührung gebracht werden und ſich danach in organiſche Kontinuität ſetzen, was zur notwendigen Folge hat, daß auch die dann ſich bildenden Holz- und Rindenſchichten beider Teile im Zuſammenhange ſtehen, ſomit der Impfling wie ein Zweig des Wildlings ſich verhält. Alle Veredelungs— arten, die wir mit Erfolg anwenden, das Okulieren, das Pfropfen in die Rinde, das Pfropfen in den Spalt und die Kopulation, kommen darin überein, daß Cambium mit Cambium, Splint mit Splint und Rinde mit Rinde zuſammentreffen. Die hierbei ſtattfindenden Vorgänge find von Göppert?) und noch eingehender von Sorauerz) unterſucht worden. Beim Okulieren und Pfropfen in die Rinde hebt man die Rinde des Wildlings ab; auf dem entblößten Holzkörper desſelben
1) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I, pag. 698.
2) J. c. pag. 2. ff., ſowie bereits in der Schrift Über das Überwallen der Tannenſtöcke. Bonn 1841, pag. 21.
3) Bot. Zeitg. 1875, pag. 202.
88 II. Abſchnitt: Von den Wunden
wird derſelbe Vorgang eingeleitet, wie bei der Neuberindung von Schälwunden, vorausgeſetzt, daß bei der Operation nicht die Cambium— ſchicht zerſtört worden iſt. Es entwickelt ſich aus dieſer ein paren— chymatiſches Gewebe. Dasſelbe geſchieht auch in den Winkeln der abgehobenen Rindenlappen und auf der Innenſeite dieſer. Dieſes Ge— webe verholzt und beſteht dann aus dickwandigen, getüpfelten, unregel— mäßig polyedriſchen Zellen, etwa von der Größe der Markſtrahlenzellen und iſt gleich dieſen mit Stärkemehl verſehen. Dieſes intermediäre Gewebe Göppert's, oder Kittgewebe Sorauer's füllt die Zwiſchenräume zwiſchen den abgehobenen Rindenlappen und zwiſchen dem Holze des Wildlings und des Edelreiſes aus und ſtellt die dauernde Verbindungsſchicht zwiſchen beiden dar. Das Cambium des Edelreiſes bildet an den Rändern der Schnittfläche normale Überwallungen, und Rinde, Cambium und Holz der Überwallung ſetzen ſich nun mit den gleichnamigen Geweben des Rindenlappens in Verbindung. Denn der letztere enthält eine thätig gebliebene cambiale Schicht, welche die Fortſetzung des Cambiumringes von dem unverletzten Teile des Wildlings iſt; dieſelbe erzeugt nach der Bildung des intermediären Gewebes wieder normal gebautes Holz. Auf dieſe Weiſe wird wieder ein ge— ſchloſſener Cambiumring um den ganzen Stamm ſamt Edelreis her— geſtellt. Über der Veredelungsſtelle ſchneidet man den Wildling ab. Dieſe Schnittfläche verheilt durch Überwallung, die ſowohl vom Wildling wie vom erſtarkenden Edelreis ausgeht. Bei der Kopulation erfolgt die Heilung der ſich genau deckenden beiderſeitigen Wundflächen durch Überwallungen, die mit einander verſchmelzen. Das Gleiche gilt vom Pfropfen in den Spalt. In dieſen beiden Fällen drängt ſich die Überwallung, anfänglich in Form von intermediärem Gewebe, in den Spalt der Wundflächen ein, ohne jedoch mit dieſen zu verwachſen; dasſelbe vertrocknet ſpäter und iſt noch in den älteſten Stämmen in Geſtalt einer ſchwarzen Linie wahrzunehmen. An der Vereinigungs⸗ ſtelle von Edelreis und Wildling erleiden die Cambiumſchichten bei allen Veredelungsarten eine leichte Biegung, die ſich den nächſtfolgenden Holzlagen mitteilt und ſich durch den ganzen Stamm fortſetzt. In älteren Stämmen erſcheinen auch Pfropfreis und Wildling durch eine verſchiedene Färbung geſchieden. Dieſer inneren Demarkationslinie entſpricht auch eine äußere, welche genau in der Richtung jener auf der Außenſeite der vereinigten Stämme ſich befindet und durch ab— weichende Rindenbildung, ſowie auch wohl durch verſchiedene Stärke der beiden Stämme ſich kenntlich macht; denn die letzteren behalten mit ihren übrigen Eigentümlichkeiten auch die ihnen eigene verſchiedene Wachstumsintenſität bei. Zum Gelingen der Veredelung iſt nach
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 89
Vorſtehendem erforderlich, daß das cambiale Gewebe der beiden Teile nicht zerſtört wird; es muß alſo jede Berührung der zum Verwachſen beſtimmten Schnittflächen vermieden werden. Auch iſt es begreiflicher— weiſe vorteilhaft, möglichſt kleine Schnitte zu machen und wenig umfangreiche Zweige oder Stämme zu wählen.
6. Regeneration eines Vegetationspunktes aus Callus. Das höchſte, was ein nach Verwundung entſtandenes Callusgewebe zu erzeugen vermag, iſt ein neuer Vegetationspunkt, durch welchen eine Wurzel oder ein Stengel, wenn ſie den ihrigen durch eine Verwundung verloren haben, weiter zu wachſen fähig werden. Solcher Fälle ſind aber nur wenige bekannt.
An den Wurzeln der Angioſpermen (beobachtet am Mais und an Legu— minoſen; die Koniferen ſcheinen deſſen nicht fähig zu ſein) tritt nach Prantly, wenn die Wurzelſpitze abgeſchnitten worden iſt, eine vollſtändige Regeneration des Vegetationspunktes ein, durch den die Wurzel wieder weiter zu wachſen fähig wird. Iſt der Schnitt ſehr nahe hinter der Spitze gemacht worden, dort, wo die bogige Anordnung der Zellen des Vegationspunktes in die gerade übergeht, ſo bildet ſich zunächſt aus allen Zellen der Schnittfläche in der ge— wöhnlichen Weiſe ein Callus. Dieſer hat die Form einer Kugelſchale, weil das Wachstum der Zellen von der Epidermis nach dem centralen Fibrovaſal— körper hin zunimmt. Die Abſtammung des Callus aus allen Geweben zeigt ſich hier deshalb beſonders deutlich, weil die Zellen der Wurzel in Längs— reihen geordnet ſind und die Zellreihen des Callus die unmittelbare Fort— ſetzung derſelben bilden. In einem zweiten Stadium differenziert ſich in dieſem Callus eine neue Epidermis, indem von außen beginnend in jeder Zellreihe eine Zelle in der für die Epidermiszellen charakteriſtiſchen Weiſe ſich ausbildet und von nun an durch radiale Wände ſich teilt. Die neue Epidermis ſtammt ſonach aus allen einzelnen Geweben des alten Wurzelkörpers. Der außerhalb der neuen Epidermis liegende Teil des Callus fungiert als Wurzel— haube. Die Regeneration des Vegetationspunktes errei dt nun ihre Vollſtändig— keit dadurch, daß die unter der neuen Epidermis liegenden Zellen durch Teilungen ſich vermehren, ſo daß nun Rinde und Fibrovaſalkörper aus ihren gleichnamigen Geweben ebenfalls regeneriert werden. Während dieſes Heilungs— prozeſſes geht das Längenwachstum der Wurzel ungeſtört fort, ſoweit es auf der Streckung und Teilung derjenigen Zellen beruht, die der wachſenden Region des Wurzelkörpers angehören, welche hierbei unverſehrt geblieben iſt. Wenn aber die Wurzelſpitze etwas weiter hinter dem Scheitel quer abgeſchnitten wird, ſo findet dieſe Längsſtreckung nicht ſtatt, indem die Zellen der Rinde hinter dem Schnitt in Dauergewebe übergehen. Damit hängt es auch zuſammen, daß in dieſem Falle die Regeneration des Vegetationspunktes in einer andern Weiſe erfolgt. Es wächſt nämlich nur aus dem Procambium des Fibrovaſal— körpers ein fortbildungsfähiger Callus hervor, in welchem ſich dann in der— ſelben Weiſe ein neuer Vegetationspunkt conſtituiert; das übrige Gewebe der Schnittfläche bildet nur unbedeutend Callus. Durch dieſelben Prozeſſe findet
) Unterſuchungen über die Regeneration des Vegetationspunktes an Angioſpermenwurzeln, in Sachs' Arbeiten des bot. Inſt. Würzburg. Heft IV.
Regeneration eines Vege⸗ tationspunktes aus Callus.
90 II. Abſchnitt: Von den Wunden
auch bei längsgeſpaltenen Wurzeln Heilung ſtatt, indem beide Längshälften zu je einer neuen vollſtändigen Wurzelſpitze werden. Wenn endlich der Quer— ſchnitt noch weiter hinter dem Scheitel geführt iſt, ſo entſteht aus der Rinde nur ein Callus, der die Wunde überzieht und in Dauergewebe übergeht, und es tritt überhaupt keine Regeneration ein.
Eine ähnliche Regeneration an verwundeten Vegetationspunkten von Stengeln iſt von Sachs!) beobachtet worden an einem jungen Köpfchen von Helianthus annuus, deſſen breite Achſe am Scheitel verletzt worden war. In— folge deſſen hatte ſie dort aufgehört weiter zu wachſen, aber in einer Zone unterhalb dieſer Stelle hatte ſich gleichſam ein ringförmiger Vegetationspunkt conſtituiert, indem hier weiter neue Deckblätter und Blüten angelegt wurden, ſo daß ſie alſo an dem darüber liegenden Scheitel in der Richtung von oben nach unten entſtanden, wobei zugleich die gegenſeitige Stellung von Deckblatt und Blüte die entgegengeſetzte von der des normalen Teiles des Blütenſtandes war (die Deckblätter ſtanden oberhalb ihrer zugehörigen Blüten).
C. Neproduktionen neuer Glieder, nach Verluſt von Wurzeln, Stengeln oder Blättern.
Begriff der Die Pflanzen beſitzen im allgemeinen eine große Fähigkeit, ganze
Reproduttionen Flieder, wie Wurzeln, Stengel, Blätter, durch neue zu erſetzen, wenn ihnen ſolche verloren gegangen ſind. Alle dieſe Neubildungen bezeichnen die Praktiker mit dem Namen Reproduktionen, und es kann auch wiſſenſchaftlich die Bezeichnung beibehalten werden. Nur darf man ſich darunter keine eigentlichen Regenerationen vorſtellen, wie etwa bei gewiſſen Amphibien, deren Gliedmaßen nach Verſtümmelung ſich wieder vervollſtändigen; etwas damit Vergleichbares wären höchſtens die vorher beſprochenen Regenerationen von Vegetationspunkten an Stelle verloren gegangener bei Wurzeln und Stengeln. Wenn aber nach ſtärkerem Verluſte von Wurzeln, Zweigen oder Blättern eine Bildung neuer Wurzeln oder Sproſſen eintritt, ſo handelt es ſich immer um vollſtändig neue Glieder, die entweder aus ſchon vorher vorhandenen Anlagen ſich entwickeln, oder deren Anlagen infolge der Verwundung in der Nähe der Wundſtelle gebildet werden.
I. Erſatz der Wurzeln.
Adventivwurzeln. Die meiſten Pflanzen erzeugen im Falle des Bedarfes, d. h. beſonders bei hochgradigem oder gänzlichem Verluſte ihrer Wurzeln, meiſt leicht neue. Man bezeichnet dieſelben als Adventivwurzeln, weil ſie an Pflanzenteilen und an Stellen erſcheinen, wo ſonſt keine gebildet worden ſein würden, alſo wie neu hinzugekommene Bildungen. Auch dieſe entſtehen, wie der Regel nach die Wurzeln überhaupt, endogen, d. h. aus einem im Innern liegenden Meriſtem und durch—
) Lehrb. d. Botanik. 4. Aufl. pag. 174. Fig. 126.
2 Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 91
q brechen alſo die oberflächlichen Gewebe. Aus welchen Gewebeſchichten N ſich überhaupt Wurzelmeriſteme bilden können, iſt eine mehr in die Morphologie gehörige Frage)).
Hierhin gehört zuerſt die Bewurzelung der Stecklinge. An Bewurzelung
allen Pflanzenteilen, die man als Stecklinge benutzt, ſind die erſten der Stecklinge. Organe, welche ſich an ihnen bilden, Adventivwurzeln. Dieſelben erſcheinen einige Zeit, nachdem der Steckling in die Erde oder in Waſſer geſetzt worden iſt, an dem in dem feuchten Medium ſich befindenden Ende, und zwar in mehr oder minder großer Anzahl, oberhalb der Schnittfläche, wo ſie aus der Rinde hervorbrechen; denn | ſie entſtehen nicht in dem Gallus, mit welchem ſich die Schnittfläche f bedeckt (S. 68), ſondern aus dem Cambium oberhalb jener Stelle. Dabei iſt es jedoch, wie wir durch die Verſuche Vöchting's? wiſſen, eine ganz ſtrenge Regel, daß nur das organiſch untere Ende eines jeden als Steckling benutzten Sproßſtückes der Wurzelbildung fähig iſt. Denn auch wenn man abgeſchnittene Stengel mit beiden Enden in feuchten Erdboden oder in Waſſer ſetzt, ſo bringt regelmäßig nur das organiſch untere Ende Adventivwurzeln zur Entwicklung. Es iſt daher für das Gelingen der Vermehrung durch Stecklinge eine wichtige Bedingung, daß die letzteren aufrecht, d. h. mit dem organiſch unteren Ende in den Boden geſteckt werden.
Wenn an bereits im Boden eingewurzelten Pflanzen das Wurzel- Wurzelerſatz ſyſtem einen Verluſt erleidet, jo tritt ſowohl bei Holzpflanzen wie bei alter Pflanzen. krautartigen Gewächſen meiſt leicht eine Reproduktion von Wurzeln ein, welche dann etwas oberhalb der Stelle, wo die Hauptwurzel oder eine Seitenwurzel verloren gegangen iſt, hervorkommen. Es iſt das überall zu beobachten, mag die Wurzel durch Menſchenhand verloren oder durch Tiere abgebiſſen oder zerfreſſen oder durch einen Krankheits— prozeß zerſtört worden ſein. Selbſt die unteren Teile der Stengel, die ſich in der Nähe des Bodens befinden, und beſonders die normal unterirdiſch wachſenden Stengelorgane der perennierenden Pflanzen, bei | Gramineen die Knoten der am oder im Boden befindlichen unteren Halmglieder reproduziren leicht Adventivwurzeln, wenn das Wurzel— ſyſtem der Pflanze beſchädigt worden iſt.
II. Erſatz der Knoſpen und Zweige. I. Verhalten der krautartigen Pflanzen. Wenn einjährigeCrias der Zweige | Pflanzen ihre Stengel verloren haben, jedoch die unteren Teile der bei Kräutern. letzteren noch erhalten geblieben ſind, ſo ſchlagen dort die Pflanzen
) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik II. Leipzig 1893, pag. 50. ) Über Organbildung im Pflanzenreiche. Bonn I. 1878 u. II. 1884.
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92 II. Abſchnitt: Von den Wunden
oft wieder aus, indem die Anlagen ruhender Knoſpen, die ſich in der Achſel der unterſten Blätter befinden und ſonſt unentwickelt bleiben, in dieſem Falle zu Seitenſproſſen ſich entwickeln. Wenn daher die Stengel der Pflanzen durch Abweiden, Abtreten, Abfahren, Abſchneiden u. dergl. mehr oder minder verloren gegangen ſind, treten die hier angedeuteten Reproduktionen ein. Die damit verbundenen Erſcheinungen ſind an einigen Pflanzen von Wollny) näher verfolgt worden. Er beobachtete, daß wenn Sonnenblumen in ſehr jugendlichem Stadium geköpft wurden, die Nebenachſen ſich ſehr kräftig ausbildeten, wo— durch die Pflanzen ein buſchiges Ausſehen, aber geringere Höhe bekamen. Die vier Wochen ſpäter entgipfelten Pflanzen zeigten eine weſentlich geringere Entwickelung der Nebenachſen, aber oft unter ſtärkerer Verdickung des Stengels und der Blattſtiele. Abermals vier Wochen ſpäter geköpfte Pflanzen machten nur noch ſchwächliche oder gar keine Nebenachſen und daher auch keine Blüten, aber oft knollen— förmige Verdickungen in den Blattachſeln, die aus Inflorescenzanlagen hervorgegangen waren. Jedenfalls trat bei jeder Entgipfelung die Blütenbildung ſpäter ein und die Fruchtbildung war kümmerlich. Noch nachteiliger für die Produktion war die Entgipfelung bei Erbſen und Bohnen. Beim Tabak wirkte das Entgipfeln und Geizen vorteilhaft, eben weil das Wachstum der Blätter dadurch weſentlich gefördert wird.
Wiederholt ſich die nämliche Verwundung an den neugetriebenen Sproſſen, jo kann durch die immer erneute Entwickelung von Knſopen an den unteren Teilen eine Vervielfältigung der Sproſſen verſchiedenen Grades (Polycladie) zu ſtande kommen, welche mehr oder minder an die ſogleich zu beſprechenden Beſen und ähnliche Erſcheinungen bei den Holzpflanzen erinnert.
Auch wenn perennierende Kräuter ihre oberirdiſchen Teile verlieren, findet gewöhnlich ein reichlicher Erſatz der Stengel ſtatt. Hier ſind es die Knoſpen des unterirdiſchen Stockes, welche die Reproduktion übernehmen und ſich dann oft in noch größerer Anzahl entwickeln. Daher wird nach dem Abſchneiden der oberirdiſchen Triebe in der Regel die ſogenannte Beſtockung dieſer Pflanzen noch größer. Der Klee, viele perennierende Gräſer und andre Pflanzen verhalten ſich ſo, wie man beim Abmähen oder Abweiden dieſer Pflanze beſtätigt findet. ö
Erſatz der Zweige Verhalten der Holzflanzen. Bei dieſen Gewächſen müſſen wir bei Holzpflanzen. bezüglich der Reproduktionserſcheinungen den Verluſt der Knoſpen
) Einfluß des Entgipfelns der Pflanzen ꝛc. Forſchungen auf d. Geb. d. Agrikulturphyſik VIII. Heft 2. 1885. pag. 107.
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 93
und der ein- und wenigjährigen Zweige von den Verwundungen des älteren Stamm- und Zweigſyſtems abſondern, weil die Reproduktion im erſteren Falle faſt immer nur aus normalen Seitenknoſpen (Achſelknoſpen) erfolgt, alſo aus ſolchen, welche bei jeder Pflanzenart eine durch den morphologiſchen Aufbau feſt— beſtimmte Stellung haben, während bei den Verwun— dungen älterer Teile vor— wiegend nur Adventivknoſpen, alſo endogen in Cambium ohne beſtimmte Zahl und Stellung ſich bildende Knoſpen, die Reproduktion übernehmen.
1. Reproduktionen nach Verluſt von Knoſpen oder jüngeren Zweigen. Unter den hier gemeinten Verwundungen ſind beſonders diejenigen zu verſtehen, welche durch den künſtlichen Schnitt, durch das Verbeißen des Wildes und der Weidetiere, ſowie durch verſchiedene In— ſekten, welche Knoſpen und dünnere Zweige zerſtören, an den Holzpflanzen hervorge— bracht werden. Wenn an Bäumen oder Sträuchern
RNüſter, Bildung von Erſatztrieben aus
ſolche Verletzungen eintreten, ſo ſind unter der Wundſtelle immer irgendwo normale Achſelknoſpen ſchon vorhanden oder es giebt daſelbſt Blätter, welche in ihren Achſeln nachträglich ſolche erzeugen
untern Seitenknoſpen, nach wiederholtem Verbeißen durch Wild. aaa Hauptſproß. bb Zweig, beide in den obern Teilen ab» gebiſſen gleich den Erſatztrieben. Die Biß— ſtellen liegen zum Teil in größerer Höhe, daher in der Figur nicht dargeſtellt. Die Erſatztriebe ſind alle aus den unterſten Seitenknoſpen entwickelt worden, deren noch welche bei g vorhanden find.
oder die ſonſt unentwickelt bleibenden Anlagen ſolcher zur voll— ſtändigen Ausbildung bringen können. Dieſe Knoſpen ſind es, welche dann zu treiben beginnen und zum Erſatz des verloren gegangenen Sproſſes neue Triebe (Erſatztriebe) machen. Schon
Erſatztriebe an jüngeren Zweigen.
94 II. Abſchnitt: Von den Wunden
der Umſtand, daß es häufig mehr als eine Knoſpe iſt, die unterhalb
eines Zweigſtumpfes geweckt wird, hat eine Vermehrung der Zweige zur Folge. Selbſtverſtändlich kann in der Gartenkunſt durch die
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Fig. 18. Eſche, Bildung von Erſatztrieben aus Beiknoſpen, nach Verbeißen durch Wild, a, ein normaler Achſelſproß, b, deſſen nor- mal unentwickelt bleibende Beiknoſpe. Bei aa die Achſelſproſſe gleich dem Hauptſproß abgebiſſen, dafür die Beiknoſpen derſelben bb zu Erſatztrieben entwickelt. Bei e eine Sekundärknoſpe.
Willkür des Schnittes dem entgegengearbeitet werden, wenn der Zweig bis auf eine Knoſpe zurückgeſchnitten wird oder wenn man ihn gerade
A über einer kräftigen Knoſpe gabſchneidet oder einknickt,
wodurch die letztere allein zu üppiger Entwickelung ange— regt wird. Wenn nun aber an den Erſatztrieben die Ver— ſtümmelungen ſich wieder— holen, wie z. B. beim Hecken— ſchnitt und ganz beſonders beim Verbeißen des Wildes und des Viehes, welches ge— rade die Gewohnheit zu haben ſcheint, die einmal verbeizten Büſche immer wie— der aufzuſuchen, ſo hat das eine Vervielfältigung von Sproſſen verſchiedenen Grades oder eine Polycladie zur Folge, wie dieſe Erſcheinung im allgemeinen bezeichnet werden kann, deren höchſte Grade wohl auch Zweigwucherungen oder Beſen genannt werden. Die hierher gehörigen Poly— cladien ſind ſämtlich daran zu erkennen, daß immer die Bruchſtellen der verloren ge— gangenen Zweige oder die noch
ſtehen gebliebenen Stumpfe derſelben zu ſehen ſind. Die aus mehrmaliger Wiederholung der Verſtümmelung hervorgegangenen zeigen eine unge— wöhnlich große Anzahl verſchiedenalteriger, von einem Punkte oder von nahe bei einander befindlichen Punkten entſpringende Zweige und Zweig⸗
ſtumpfe, die an ihrer Baſis immer wieder ausſchlagen. Wie nundieſe Zweig⸗
K
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 95
wucherungen entſtehen, darüber geben die morphologiſchen Verhältniſſe der Sproſſe der verſchiedenen Holzpflanzen Aufſchluß. Zugleich verdient auch Berückſichtigung, daß die Erſatztriebe ſelbſt bisweilen gewiſſe morphologiſche Abnormitäten zeigen. Es ſollen im Folgenden die wichtigſten Formen dieſer Reproduktionen kurz charakteriſiert werden.
a) Nur die normalen Achſelknoſpen der unterſten erſten Laubblätter an der Baſis des Sproſſes werden nach deſſen Verſtümmelung zu Erſatztrieben entwickelt. Dieſe Knoſpen ſind bei den meiſten Laub— hölzern von den übrigen durch auffallend geringere Größe und ſchwächere Entwickelungsfähigkeit unterſchieden, indem ſie unter gewöhnlichen Verhältniſſen im Knoſpenzuſtand verbleiben und nicht zum Austrieb kommen, ſogenannte ſchlafende Knoſpen. Darum findet man ſie unter normalen Verhältniſſen meiſtens auch noch auf der Baſis des zwei— und ſelbſt mehrjährigen Triebes, und erſt im ſpäteren Alter verſchwinden ſie. Als Beiſpiel für dieſe Reproduktion kann die Rüſter dienen. Nach Verbeißen durch das Wild werden hier dieſe ſchlafenden Knoſpen geweckt und zu neuen Trieben entwickelt, wie Fig. 17 zeigt. Übrigens gehören auch die meiſten anderen Laubhölzer zu dieſem Typus. Nach ſtarkem und wiederholtem Verbeißen können wohl hier überall auch einige der unter d genannten Secundärknoſpen zur Entwickelung kommen.
b) Die Erſatztriebe werden außer aus Achſelknoſpen auch aus Beiknoſpen (acceſſoriſchen Knoſpen) oder aus dieſen allein gebildet. Solche Knoſpen kommen neben der eigentlichen größeren Achſelknoſpe in den Blattachſeln vor bekanntlich bei Lonicera, wo ſie über, bei Fraxinus excelsior ?c., wo ſie unter den Achſelknoſpen ſtehen. An der Stellung der Erſatztriebe, die ſich hier nach Verbeißen u. dergl. bilden, erkennt man deutlich die eben bezeichnete Herkunft derſelben (vergl. Fig. 18).
c) Die Reproduktion geſchieht vermittelſt der von Henry Secun— därknoſpen, von Schimper Säumaugen genannten kleinen Knoſpen, welche bei manchen Holzpflanzen normal in der Achſel der unterſten Schuppen der Knoſpen ſich bilden und daher an der Baſis der letzteren entweder freiſtehend oder noch von der vorhandenen Knoſpenſchuppe bedeckt ſichtbar ſind. So befindet ſich bei den Weiden— arten, ſehr deutlich z. B. bei Salix purpurea, rechts und links von der Narbe des Tragblattes eine kleine Secundärknoſpe unmittelbar hinter den beiden verwachſenen Knoſpenſchuppen als Achſelprodukt derſelben. Im normalen Zuſtande bleiben ſie unterdrückt, werden aber geweckt, wenn der Zweig, an dem ſie ſtehen, oder auch wenn der Hauptſproß über dieſem Zweige verſtümmelt wird. Fig. 19 zeigt die
96 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Reproduktion aus dieſen Knoſpen an der auf Wieſen wachſenden Salix repens, welche von der Senſe bei der Heuernte verſtümmelt worden iſt.
d) Knoſpen, die ihrem morphologiſchen Charakter nach ebenfalls Secundärknoſpen genannt werden können, die aber unter normalen Verhältniſſen gar nicht vorhanden ſind, werden erſt infolge der Verſtümmelung angelegt und dann zur Triebbildung benutzt. Für den Morphologen bedarf es nicht erſt des Hinweiſes, daß dieſer Fall vom vorigen ſich durch keine ſcharfe Grenze trennen läßt, da der Vegetationspunkt
9 Zi einer Achſelknoſpe jedenfalls ſchon frühzeitig angelegt ſein A muß; und der Unterſchied des
vorliegenden Falles würde nur darin beſtehen, daß hier dieſe
Weide, Bild Fig. an ſatztrieb R Vegetationspunkte unter nor— eide ung von Erſatztrieben au vorhin ;
Sekundärknoſpen. 4 Stück eines Zweiges malen Verhältniſſen auf ihrer von Salix purpurea. a Hauptſproß, b Zweig, erſten Anlage ſtehen bleiben
= pre Sali „ en - schnitten und zwar ſowohl der Hauptſproß a, wirklichen Knoſpen erſt durch eee ee Solche Sen
f ER 0 | olche Secundärknoſpen ent
einer ſolchen Knoſpe getrieben hat. wickelt beſonders dieczichte nge dem Schnitt und nach Verbeißen. Bekanntlich haben die Fichtenſproſſe unter der Terminalknoſpe in den Achſeln der oberſten Nadeln Achſelknoſpen, welche ungefähr einen Quirl bilden an kräftigen Sproſſen, an ſchwächeren Trieben nur in der Ein- oder Zweizahl vorhanden ſind (Fig. 20, B) oder ganz fehlen. Wenn die Knoſpen oder die aus ihnen hervor— gegangenen Triebe verſtümmelt ſind, ſo erſcheinen Erſatzknoſpen aus den Achſeln der Knoſpenſchuppen, welche die Baſis ſowohl des Endtriebes wie der Quirltriebe umſäumen. Der aus der Geſammtheit der Knospenſchuppen beſtehende manſchettenförmige Schuppenanſatz, über welchem im normalen Zuſtande nur der Sproß ſelbſt ſich erhebt, umfaßt nach Verluſt des letzteren mehrere Knoſpen, die alle entwickelungs— fähig ſind. So kommt das abnorme Verhältnis zu ſtande, daß der Hauptſproß einen Quirl von Seitenknoſpen über dem Schuppenanſatze trägt, während der normale Knoſpenquirl ſtets unter demſelben ſteht. Wenn im nächſten Jahre die aus den Erſatzknoſpen entwickelten Triebe wieder verſtümmelt werden, ſo wird aus der Schuppenmanſchette, mit
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 97
der jene am Grunde beginnen, wieder eine Anzahl Knoſpen in der— ſelben Weiſe gebildet. So kann ſchließlich der primäre Schuppenanſatz ein ganzes Bouquet von Knoſpen und Zweigſtummeln umfaſſen.
Den Anfang zu einer ſolchen Bildung ſtellt Fig. 20 A dar. Bei der Entwickelung dieſer ſecundären Knoſpen iſt auch Gelegenheit zur Bildung eigen— tümlicher Übergänge zwiſchen Knoſpenſchuppen und Nadeln gegeben. Denn die Knoſpen treiben zuweilen gleich an— fangs ein wenig, indem ſie einige ganz kurze, breite, einen oder wenige Millimeter lange grüne Nadeln auf die Knoſpenſchuppen folgen laſſen, um jedoch bald wieder mit Knoſpenſchuppenabzuſchließen.
e) In beſonderer Weiſe verhält ſich, ihres eigentüm— lichen morphologiſchen Auf— baues wegen, die Kiefer. Hier
Fig. 20. Fichte, Bildung von Erſatztrieben aus Sekundärknoſpen nach Verbeißen durch Wild (A). Der Haupttrieb abgebiſſen, dafür über dem Schuppenanſatze à drei Sekundärknoſpen bb gebildet und zu Erſatz⸗ trieben entwickelt; letztere wieder abgebiſſen, dafür aus ihrem Schuppenanſatz b wieder Sekundärknoſpen ggg gebildet. B normaler Fichtenſproß, welcher unter dem Schuppen⸗ anſatz der Endknoſpe a die normalen Seiten⸗ knoſpen bb trägt.
kann jedes der Nadelzweiglein,
welche von häutigen Scheiden umhüllt je ein Nadelpaar tragen, eine Knoſpe zwiſchen den beiden Nadeln bilden aus dem dort befindlichen Vegetationspunkte des Zweigleins, welcher unter normalen Verhältniſſen ruhend bleibt. Dieſe Knoſpen nennt man Scheidenknoſpen (Fig. 21). Iſt ein Kiefernſproß verſtümmelt, ſo können aus einem oder mehreren unter der Wunde ſtehenden Nadelzweiglein Scheidenknoſpen hervor— kommen, welche zu neuen Trieben auszuwachſen vermögen. Wenn z. B. durch Inſekten die Nadeln zum Teil abgefreſſen find, wird die Bildung der Scheidenknoſpen, jo lange die Zweiglein ſelbſt unverletzt ſind, nicht verhindert, im Gegenteil dadurch noch mehr befördert. Auch die Seitenknoſpen, die ſich normal an den Seiten der Kiefernſproſſen ſtellenweis finden und gleich denen, die den Quirl unter der Endknoſpe bilden, an der Stelle von Nadelzweiglein auftreten, aber gewöhnlich viel ſchwächer als jene des Quirls ſich entwickeln, werden in dieſem Falle mit geweckt. Beiderlei Knoſpen entwickeln ſich dann in typiſcher Form mit Nadelpaaren, und Zweige, an denen ſie ſich reichlich gebildet haben, ſind dann oft dicht buſchig
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 7
Einfluß der Jahreszeit.
Abnorme Blatt- formen ıc. an Erſatztrieben.
98 II. Abſchnitt: Von den Wunden
mit ihnen umkleidet. Indeſſen erreichen die Scheidentriebe, auch wenn ſie unverletzt bleiben, kein hohes Alter; ſie bleiben immer ſchwächlich und ſterben nach einigen Jahren wieder ab, haben alſo nur eine proviſoriſche Bedeutung; es ſucht eine nor— male Seitenkno ſpe den Höhentrieb zu über— nehmen, denn es kann wahrſcheinlich nur durch die normalen Gipfel- und quirlſtändigen Seitenknoſpen der Höhenwuchs und eine feſte, dauernde Beäſtung bei der Kiefer hergeſtellt werden.
Hinſichlich der Zeit, in welcher die hier beſchriebenen Erſatztriebe zur Entwickelung kommen, iſt Folgendes zu bemerken. Findet die Verletzung im Herbſt, Winter oder zeitigen Frühjahr ſtatt, alſo zu einer Zeit, wo der Zweig mit ſeinen Knoſpen vollſtändige Aus— bildung erreicht hat, ſo fällt die Entfaltung der Erſatzknoſpen in die regelmäßige früh— jährliche Zeit des Knoſpenausſchlags. Wenn
Fig. 21. aber der diesjährige Trieb ſchon im Sommer Kiefer, Bildung von vecſtümmelt wird, jo können ſeine an der Scheidenknoſpen infolge Baſis ſchon vorhandenen oder noch anzu—
der Verſtümmelung des Haupttriebes a. Zwiſchen den beiden meiſt ab— geſchnittenen Nadeln jedes Nadelzweigleins eine Knoſpe; zum Teil ſind die Scheidenknoſpen auch ſchon u einem mit mehreren Nadeln beſetzten Erſatz— triebe ausgewachſen. Nach Ratzeburg.
legenden Erſatzknoſpen auch ſchon in dem— ſelben Sommer, als ſogenannter Johannis— trieb oder proleptiſch, wie dies in der Botanik genannt wird, zum Austreiben kommen.
Für alle hierher gehörigen Polycladien, und daher beſonders für die durch ſie be— dingten abnormen Baum- und Strauch— formen, von denen unten näher die Rede
iſt, iſt es charakteriſtiſch, daß die Blätter an den Erſatztrieben meiſtens mehr oder minder kleiner ſind als die normalen, ohne jedoch ſonſt in der typiſchen Geſtalt weſentliche Abweichungen zu zeigen. Dies iſt ſowohl bei den Laubhölzern als auch bei den Nadelbäumen der Fall. Unter den letzteren macht ſich an den Erſatztrieben meiſtens eine Kurznadligkeit bemerkbar, jo bei der Kiefer und namentlich bei der Fichte, wo die Nadeln in ihrer Kleinheit an diejenigen der Krüppelſträucher an der Baumgrenze der Gebirge erinnern und ſo dicht an den Zweigen ſtehen, daß dieſe wie Bürſten ausſehen (Bürſtentriebe). Aber dieſe Verkleinerung der Blätter und Nadeln ſteht immer mit der Kümmerlichkeit der Erſatztriebe im
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 99
Zuſammenhange, und dieſe hängt wieder mit der vermehrten Anzahl, in der dieſe Triebe gebildet werden, zuſammen; im ganzen darf man um ſo kümmerlichere Erſatztriebe erwarten, in je größerer Zahl ſie gebildet werden, indem die Nahrung, die ſie erhalten, ſich dann auf deſto mehr Blätter verteilt. Daher kann auch unter Umſtänden nach Ver— ſtümmelung das Gegenteil eintreten, wenn nämlich eine einzige, kräftige, entwickelungsfähige, normale Knoſpe oder ein Trieb ſtehen geblieben iſt, der dann die ganze Nahrung an ſich zieht, ſo erreicht derſelbe leicht eine geile Entwickelung. Die Blätter eines ſolchen Triebes werden oft ungewöhnlich groß, oder es treten noch andere teratologiſche Erſcheinungen ein, z. B. bei der Kiefer, wo dann manche Nadelzweiglein drei ſtatt zwei Nadeln tragen. Auch Scheidenknoſpen kommen dann leicht hinzu; ſie ſind bei Rieſennadeln und bei Dreinadeligkeit der Kiefer nichts ſeltenes. 2. Reproduktionen nach Verluſt des Baumſtammes oder Reproduktionen älterer Aſte. Durch Menſchenhand oder durch elementare Ereigniſſe Sam ber können dem Baume ſtärkere Aſte oder auch der ganze Stamm über Aſten durch der Erde oder in gewiſſer Höhe verloren gehen. Da hierbei in der Adventivknoſpen Regel die Wurzeln nicht geſtört werden, ſo bleibt der verſtümmelte Baumkörper am Leben, und es regt ſich nach einiger Zeit die Reproduktion in der Bildung zahlreicher Adventivknoſpen, welche aus der Rinde nahe unterhalb der Wunde oder auch aus dem am Rande derſelben bereits eingeleiteten Überwallung (S. 74) hervor— brechen, ſo daß die Wundfläche oft ringsum mit einer Garnitur zahlreicher Adventivknoſpen eingefaßt iſt, von denen nun ſpäter immer eine Anzahl zu neuen Schößlingen auswächſt. Dieſe werden, wenn ſie aus den Stöcken abgehauener Baumſtämme entſtehen, Stockaus— ſchläge oder Wurzelausſchläge genannt. Durch dieſe Reproduktionen wird nun das Leben der Pflanze erhalten, denn ſie können zu neuen Stämmen, beziehentlich zu einem neuen Beaſtungsſyſtem ſich entwickeln. Es ſind jedoch nur die Laubhölzer dieſer Reproduktionen fähig. Wenn Koniferen derartige Verwundungen erleiden, ſo tritt keinerlei Reproduktion ein; die Pflanze geht alſo ein, ſobald die ganze Baum— krone verloren gegangen iſt; nur die Lärche macht hiervon eine Ausnahme, indem ſie ähnliche Reproduktionen macht wie die Laubhölzer. Die Stockausſchläge entwickeln ſich entweder in völlig normaler Form, oder ſie zeigen gewiſſe Abweichungen in der Beſchaffenheit der Blätter, wie z. B. eine ſonſt fehlende Behaarung, welche bei den Pappeln, beſonders bei der Zitterpappel an den Blättern dieſer Ausſchläge . Regel iſt, oder ſie bekommen infolge der überreichen Nahrungszufuhr bisweilen wirkliche Mißbildungen, indem ſie nicht ſelten Rieſenwuchs 7 *
100 II. Abſchnitt: Von den Wunden
oder Verbänderung zeigen, worüber unten das von dieſen Mißbildungen ſpeziell handelnde Kapitel zu vergleichen iſt.
III. Erſatz der Blätter.
Erſatz der Blatter. Auch wenn Blätter allein, ohne die Stengel, verloren gegangen
Bei Kräutern.
ſind, wie es bei ſo vielen Inſektenſchäden vorkommt, ſchafft die Pflanze meiſt leicht dafür wieder Erſatz, beſonders dann, wenn einem Stengel ſein ganzer Blattanhang abhanden gekommen iſt. Freilich kann ſich an der nämlichen Stelle, wo ein ſchon erwachſenes Blatt geſeſſen hat, kein neues bilden, ebenſowenig wie an einem Blatte ein verloren gegangener Teil wieder nachwachſen kann. Ein Erſatz in dieſem ſtrengſten Sinne findet nicht ſtatt; denn neue Blätter können bekannt— lich nur aus dem embryonalen Gewebe des Vegetationspunktes der Stengelknoſpen erzeugt werden. Das einzige, was man an dem Blatte ſelbſt eintreten ſah, nachdem man einen Teil desſelben weg— geſchnitten hatte, war, daß ein anderer ſtehen gebliebener Teil ſtärkeres Wachstum zeigte; nach Göbel!) und Kronfeld) hat bei Vicia Faba und Pisum sativum das Wegſchneiden der Laubbattſpreiten eine Zuwachsſteigerung der Nebenblätter zur Folge; bei vielen andern Pflanzen mit von Natur kleinen Nebenblättern trifft das nicht ein. Wenn alſo nach Verluſt der Blätter Reproduktionen eintreten, ſo handelt es ſich immer um die Bildung neuer blättertragender Sproſſe, zu welchen gewiſſe ſchon vor der Verwundung vorhandene Knoſpen auswachſen.
I. Verhalten der krautartigen Pflanzen. Bei dieſen iſt die Art der Reproduktion verſchieden je nach der Beſchaffenheit des Stengels, dem die Blätter verloren gegangen ſind. Beſitzt derſelbe noch eine thätige Endknoſpe, ſo entwickelt ſich dieſe einfach weiter und bringt neue Blätter zum Vorſchein. So bekommt auch die Rübenpflanze nach dem Abblatten der älteren Blätter direkt aus dem Herz, d. h. aus der dort befindlichen Endknoſpe neue Blätter. Iſt aber keine ſolche Endknoſpe vorhanden, ſei es weil der Stengel mit einem Blüten- oder Fruchtſtande endigt, ſei es weil ſie mit zerſtört worden iſt, ſo übernehmen Achſelknoſpen, welche tiefer am Stengel in den Achſeln der Blätter ſtehen und welche ſonſt meiſt unentwickelt zu bleiben pflegen, die Reproduktion; es kommen dort alſo neue Blättertriebe zum Vorſchein, d. h. es geſchieht im allgemeinen das gleiche, was auch nach vollſtändigem Verluſte des ganzen Stengels
) Botan. Zeitg. 1880, Nr. 45. 2) Daſelbſt 1886, pag. 846.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 10!
zu geſchehen pflegt; denn häufig ſind es dann die unteren Teile des Stengels, welche dieſe Erſatztriebe machen. So ſchlägt auch die Rübenpflanze nach Zerſtörung ihres Herzens gewöhnlich durch kleine Seitenknoſpen aus, welche an der Seite des Rübenkörpers ſich zeigen. Übrigens kommt es auch ſehr auf den Alterszuſtand der krautartigen Pflanze an, ob ſie überhaupt nach dem Verluſte der Blätter ſich noch zu einer Reproduktion aufrafft. Je näher ſie nämlich dem natürlichen Abſchluſſe ihrer Entwickelung ſich befindet zur Zeit, wo der Blattverluſt eintritt, deſto weniger iſt ſie dazu geneigt; ſie unter— läßt dann wohl jegliche Reproduktion und bringt nur die Reifung ihres jeweiligen Produktes raſch zu Ende.
II. Verhalten der Holzpflanzen. Wenn die blättertragendensei Holzpflanzen Triebe der Holzpflanzen zur Zeit, wo die Blätter von ihnen abgefreſſen worden, noch ſehr jung ſind, ſo vertrocknet meiſt der ganze Trieb und die weiteren Folgen ſind dieſelben, die nach Zerſtörung der ganzen Triebe eintreten, und die ſchon oben beſprochen worden ſind. Wenn aber entblätterte Zweige nicht abiterben, wie es bei vorgerückterer Frühjahrs- oder Sommerzeit der Fall iſt, jo find an ihnen auch die entwickelungsfähigen End- und Achſelknoſpen vorhanden, welche unter normalen Verhältniſſen für das nächſte Jahr beſtimmt find, und welche das Wiederausſchlagen des Baumes ermöglichen. Nach Verluſt des Laubes zeigen nun die Holzpflanzen ein doppeltes Verhalten. Entweder beſchließt der Baum, wenn ein ſolches Ereignis eintritt, ſeine diesjährige Vegetationsperiode, um erſt im nächſten Frühlinge wieder auszuſchlagen. Oder der Baum belaubt ſich ſchon in demſelben Sommer, einige Wochen nach dem Kahlfraße, zum zweiten Male, durch den ſogenannten Johannistrieb, d. h. dadurch daß eben jene für das nächſte Jahr beſtimmten Knoſpen, welche an den durch den Fraß entblätterten Zweigen ſitzen, proleptiſch (ein Jahr zu früh) zu belaubten Trieben ſich entwickeln, was beſonders die in der Nähe der Zweigſpitzen gelegenen Knoſpen thun. Der erſtere Fall findet namentlich dann ſtatt, wenn der Blattverluſt erſt ziemlich ſpät im Sommer erfolgt iſt, der zweite bei frühem Kahlfraße. Doch iſt immer die neue Belaubung, mag ſie im Fraßjahr oder im Nachjahr eintreten, ſchwächer als die verloren gegangene, was ſich daraus erklärt, daß die Aſſimilationsthätigkeit der Pflanze eine ganze Zeit lang unter— brochen oder ſehr mangelhaft war (ſ. S. 28).
D. Wundkrankheiten oder Wundfäule.
Mit dem vorſtehenden Namen können diejenigen Erſcheinungen Wundfäule. an den Wunden der Pflanzen bezeichnet werden, welche das Gegenteil
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102 II. Abſchnitt: Von den Wunden
der natürlichen Schutzvorkehrungen oder der Heilungsprozeſſe ſind, nämlich Zerſetzungserſcheinungen, denen die Gewebe von der Wundſtelle ausgehend anheimfallen. Wenn nämlich die Wunden nicht binnen einer gewiſſen Zeit durch die natürlichen Heilungsprozeſſe ver— ſchloſſen werden, jo ſtirbt das Gewebe von der Wundfläche aus allmählich ab und geht in Fäulnis über. Dies tritt natürlich am raſcheſten an ſolchen Wunden ein, wo ſaftreiche parenchymatiſche Gewebe entblößt worden ſind; doch iſt eben auch gerade die hier erfolgende Bildung von Wundkork, welcher eben das Eintreten und Fortſchreiten der Wundfäule nach innen verhindert, meiſt ſehr raſch vollendet (S. 61). Die Wunden holziger Teile ſind ja wegen der Bildung vou Schutz— holz (S. 32 ꝛc.), welches den Atmoſphärilien größeren Widerſtand leiſtet, zum Teil auch durch die antiſeptiſch und konſervierend wirkenden Harzbedeckungen (S. 44 dc.) viel mehr gegen Zerſetzungserſcheinungen geſchützt; allein eine ſehr lange Reihe von Jahren hindurch vermag auch das Schutzholz den Angriffen zerſtörender Agentien nicht zu widerſtehen, da es ja, einmal gebildet, als totes Gewebe zu betrachten iſt. Und ſo kommt gerade an Holzpflanzen bei größeren Verwundungen, weil ja die Überwallung ein nur langſam fortſchreitender Heilungs— prozeß iſt, oft Wundfäule zu ſtande.
Die Faktoren, welche das immer weitere Fortſchreiten der Wundfäule bedingen, ſind in erſter Linie die ungehinderte Einwirkung des atmoſphäriſchen Sauerſtoffes und des Niederſchlagswaſſers, demnächſt wahrſcheinlich auch die in Waſſer löslichen Zerſetzungsprodukte der bereits abgeſtorbenen Teile, indem dieſe ſich in den Geweben weiter verbreiten und beim Zuſammentreffen mit den lebendigen Zellen dem Leben dieſer nachteilig zu ſein ſcheinen. Schon das bloße Fehlen lebender Nachbarzellen dürfte für Zellen, die völlig inneren Geweben angehören, tödlich ſein, indem man annehmen darf, daß die natürlichen Wechſelwirkungen, in denen ſich dieſe Zellen mit ihren Nachbarn befinden, zu ihren Lebensbedingungen gehören. Sehr oft, beſonders bei den Holzpflanzen, kommen auch gewiſſe ſaprophytiſche Pilze hinzu, welchen gerade ſolche offene Wunden einen willkommenen Anſiedelungs— punkt und gedeihliche Nahrung bieten. Größere Feuchtigkeitsverhältniſſe
begünſtigen das Auftreten dieſer Pilze in hohem Grade. Sie wirken
freilich nicht unmittelbar tödlich auf die noch lebenden Zellen; denn als Saprophyten zehren ſie nur von den toten Gewebepartien der Wunden, und man ſieht ſie nicht in das noch lebende Gewebe über— greifen; aber ſie bewirken eine viel raſchere Zerſetzung der toten Wund— partien und tragen aus dieſem Grunde zu dem raſcheren Umſichgreifen der Wundfäule bei. Nicht unerwähnt mag übrigens bleiben, daß
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 103
die offenen Wunden, beſonders bei den Holzpflanzen, auch gewiſſen paraſitiſchen Pilzen geeignete Angriffspunkte bieten, indem manche dieſer Pilze gerade von den Wunden aus leicht in die lebenden Partien der Bäume eindringen, weshalb die ſpezifiſchen Krankheiten, die die— ſelben verurſachen, die aber erſt unten bei den paraſitären Krankheiten zu beſprechen ſind, beſonders oft von den Wunden ihren Ausgang nehmen. Selbſtverſtändlich wird durch die Vorgänge der Wundfäule die natürliche Heilung vereitelt, weil dabei diejenigen Gewebe, von denen die letztere ausgehen müßte, eben auch mit zerſtört werden.
Der Verlauf der Wundfäule hängt, wie aus dem Geſagten er— hellt, von den äußeren Verhältniſſen ab. In ſehr feuchtigkeitsreicher Luft, in welcher die Wundfläche ſtatt zu trocknen ſich feucht erhält, werden die äußeren abgeſtorbenen Zellen der Wunde durch die Feuchtig— keit in Fäulnis übergeführt, welche unter Fortdauer dieſer Verhältniſſe weiter begünſtigt wird und Fortſchritte macht. In der feuchten Luft der Glashäuſer iſt daher Wundfäule eine gewöhnliche Erſcheinung, während wenn dieſelben Pflanzen im Freien ſtehen, ihre Wunden weit geringere Zerſetzungserſcheinungen erleiden oder normal verheilen. Die ſtarke Wundfäule, welche ſich an den mit dem feuchten Erdboden in Verbindung ſtehenden Pflanzenteilen, wie Wurzeln, Stöcken und unteren Stammteilen der Bäume zeigt, die Ausbreitung der Zer— ſetzungserſcheinungen vorzugsweiſe von horizontalen Schnittflächen der Stämme und Aſte aus, auf denen das Waſſer ſich ſammelt, das Aus— faulen hohler Bäume von innen her, endlich die auffallende Häufig— keit von Wundfäule an Bäumen geſchloſſener, feuchter Waldbeſtände, vorzugsweiſe in den Auegegenden, gegenüber freien luftigen Standorten, ſind lauter Thatſachen, welche das eben Geſagte in helles Licht ſtellen.
Selbſtverſtändlich können die nämlichen Zerſetzungserſcheinungen auch von jeder andern Stelle des Pflanzenkörpers ausgehen, wo nicht durch eine Wunde, ſondern aus einer andern Urſache abgeſtorbene Teile oder Gewebe der Pflanzen vorhanden ſind, die der Fäulnis an— heimfallen. Man darf daher, wo ſolche Erſcheinungen auftreten, ſie nicht ohne weiteres als Folgen von Verwundungen erklären; dazu bedürfte es immer des Nachweiſes einer wirklich vorhanden geweſenen Wunde. Es geht daraus aber auch hervor, daß die Wundkrankheiten keine ſpezifiſchen Krankheiten, ſondern nur Folgeerſcheinungen ſind, die auch nach verſchiedenen anderen Einwirkungen ſich einſtellen können.
I. Zerſetzungserſcheinungen der Wunden nicht holziger Pflanzen⸗ teile. Die Wunden dünner, ſaftarmer Blätter zeigen, wenn ſie nicht durch Callus verheilen, in trockenerer Luft keine eigentlichen Fäulnis— erſcheinungen, ſondern nur ein allmählich weiter um ſich greifendes
Zerſetzungs— erſcheinungen nicht holziger
Teile.
104 II. Abſchnitt: Von den Wunden
einfaches Dürrwerden der Blattſubſtanz unter Braunfärbung. Eigent— liche Wundfäule tritt aber nach Verletzung leicht ein an den volumi— nöſeren und ſaftreicheren Pflanzenteilen, wie den dickeren Stengeln, den fleiſchigen Wurzeln und Knollen, den Zwiebeln und beſonders den Succulenten, zumal, wenn ſie einigermaßen größerer Feuchtigkeit aus— geſetzt ſind. Die letztere bringt leicht Fäulnis in den abgeſtorbenen Zellen der Wundfläche hervor, und die Löſung von Zerſetzungs— produkten, als mehr oder minder braune, jauchige Subſtanz, verbreitet ſich im Gewebe weiter und wirkt auf die lebendigen Zellen tödlich, worauf dieſe unter dem Einfluß des Sauerſtoffs in die gleiche Fäul— nis übergehen, ſo daß eben keine Bildung von Wundkork zu ſtande kommen kann. So kann bei Rüben, Rettigen, Kartoffeln u. dergl. nach ſtarker Verletzung, beſonders in feuchtem Boden, das Gewebe in der Umgebung der Wundſtelle in eine weiche, breiige, faule Maſſe ſich umwandeln. In der feuchten Luft der Glashäuſer, wo zugleich eine gewiſſe höhere Temperatur den Prozeß befördert, gehen die meiſten Wunden, die hier die Pflanzen durch Stoß, Quetſchung ꝛc. oft genug erleiden, in mehr oder minder ſtarke Fäulnis über, beſonders die der ohnedies ſaftigen Succulenten. Dieſe bekommen dadurch rings um die Wunden faule Stellen, die mißfarbig ſind, ſich weich anfühlen und beim Druck eine bräunliche oder trübe Jauche austreten laſſen. Die Wundfäule verbreitet ſich in einem ſolchen Teile immer weiter. Sie dringt z. B. an den mehrere Centimeter dicken Blättern der Agave mexicana, von der einen Seite eines Blattes bald durch die ganze Dicke desſelben hindurch, ſo daß mit der verwundeten und faulen Stelle der einen Seite ein Faulfleck auf der entgegengeſetzten korre— ſpondiert, und der Durchſchnitt durch eine ſolche läßt erkennen, daß die Bräunung und jauchige Zerſetzung des Gewebes durch den ganzen Querſchnitt des Blattes hindurchgeht. In derartigen Fällen iſt immer der Ausgang der, daß man endlich ſolche Blätter ganz wegſchneiden muß. Wie ſehr an einem ſolchen Verlaufe die große Feuchtigkeit der Glashäuſer Schuld iſt, geht daraus hervor, daß z. B. Agave mexi- cana wenn ſie im Sommer im Freien ſteht, ſelbſt große Wunden leicht und gut durch Wundkork heilt. Schorf Als eine beſondere Form von Wundfäule muß auch derjenige oder Grind der Zuſtand der Kartoffelknollen betrachtet werden, welcher unter den Kartoſſln. Namen Schorf, Grind, Räude oder Krätze bekannt iſt. Nach Schacht!) nimmt dieſe Krankheit ihren Anfang von den Lenticellen des Kartoffelknollen, die an und für ſich eine normale und allgemein
) Bericht ꝛc. über die Kartoffelpflanze und deren Krankheiten. Berlin 1855, pag. 24.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 105
vorkommende Bildung ſind: kleine, unmittelbar unter der Schale liegende Pünktchen, Wucherungen von Kork, welche aus weiteren, mehr iſodiametriſchen, nicht wie die Kartoffelſchale aus tafelförmig abgeplatteten Korkzellen beſtehen. In feuchter Umgebung wachſen die Lenticellen oft als ſchneeweiße Wärzchen aus der Schale hervor, was auch an vielen andern Pflanzen, wenn die Teile in Waſſer oder ſonſt ſehr feucht ſtehen, eine häufige und an ſich nicht pathologiſche Er— ſcheinung iſt!). Aber an dieſen Stellen iſt nach Schacht das darunter liegende Gewebe ſchlechter als durch die geſunde Schale gegen ein— dringendes Waſſer geſchützt, und die Folge ſei, daß dieſes Gewebe einen Zerſetzungsprozeß erleidet, durch den an dieſen Stellen die Kork— bildung endlich aufgehoben und das Gewebe in eine ſchwarzbraune modrige Maſſe verwandelt werde. Große Näſſe ſcheint daher nach Schacht's Ausſpruch ſowohl die erſte Veranlaſſung zur Bildung der Korkwarzen zu ſein, als auch den weiteren Verlauf des Übels zu be— fördern. Ich halte das für richtig; ich habe die erſten Anfänge eben— falls als kleine Korkwucherungen in der Schale gefunden und glaube, daß der Schorf daraus auf folgende Weiſe ſich entwickelt. Über den Korkwucherungen ſah ich ſehr bald die Schale zunächſt nur in einem oder in wenigen ſehr feinen, ſtrahlig gerichteten Riſſen geborſten. Man muß das als die Folge eines leichteren und reichlicheren Eindringens von Waſſer durch die Korkwucherung betrachten; das unterliegende Gewebe nimmt durch das imbibierte Waſſer ein ſtärkeres Ausdehnungs— ſtreben an, und die entſtehende Gewebeſpannung bedingt eben jenes zunächſt ganz lokale und geringfügige Aufſpringen. Denn auch durch gröbere Wunden wird wegen des eindringenden Waſſers und den dadurch hervorgerufenen Gewebeſpannungen oft ein Aufſpringen der— artiger Pflanzenteile bewirkt. Was nun eigentlich zur Bildung des Schorfes führt, it der Umſtand, daß unter dieſen Stellen keine genügende Wundkorkbildung aufkommt, ſo daß die Zerſetzungs— erſcheinungen fortſchreiten können: dieſe Stellen werden ſchwarzbraun, modrig; in den Zellen derſelben verſchwindet das Stärkemehl, dafür liegen gelb- oder braungefärbte Ballen desorganiſierter Subſtanz, die nach Schacht oft von Pilzfäden durchwuchert ſind, in den Zellen. Der Knollen bedeckt ſich alſo mit ſolchen faulen, grindartig rauhen Stellen, die man Schorf nennt, in mehr oder minder großer Anzahl und von verſchieden großem Umfange und kann dadurch endlich ſehr unanſehnlich und verdorben werden, womit ſelbſtverſtändlich auch eine
) Schacht nennt dieſe Korkwarzen Pocken, ein Wort, mit dem wir jedoch gegenwärtig eine beſtimmte andre, und zwar durch parafitiiche Pilze verurſachte Krankheit der Kartoffellnollen bezeichnen.
106 II. Abſchnitt: Von den Wunden
entſprechende Verminderung des Stärkegehaltes verbunden iſt. Zwiſchen dem Aufſpringen mit normaler Heilung durch Kork und der hier be— ſchriebenen Zerſetzungserſcheinung beſteht denn auch keine ſcharfe Grenze. Es kommen vielfach Schorfſtellen vor, wo Korkheilung und Zerſetzung mit einander kämpfen: man ſieht oft am Rande des Schorfes einen Wall von jungem, mit geſundem Kork überzogenem Gewebe oder auf der Fläche des Schorfes derartige kleine Zapfen oder Buckel, die aber auch früher oder ſpäter mit in die Zerſetzung hineingezogen werden. Die grindartige Rauhigkeit des Schorfes rührt hauptſächlich von dieſem Umſtande her. Thatſache iſt, daß auf Böden, welche gemergelt worden ſind, der Schorf beſonders ſtark ſich zeigt. Die Erklärung dafür fehlt noch. Daß manche Autoren auch pilzliche Paraſiten als Veranlaſſer von Schorfbildungen an den Kartoffeln angeben, wird bei den para— ſitiſchen Pilzen erwähnt werden. Zerketzungs⸗ II. Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Bei den Holzpflanzen 1 treten infolge von Verwundungen Zerſetzungserſcheinungen des Holzes 5 auf, beſonders an denjenigen größeren Wunden, die durch den natür— lichen Heilungsprozeß nicht ſchnell genug die Wundfläche vernarben können, alſo vornehmlich an Aſtſtumpfen, an Schnittflächen der Aſte, an den Schälwunden u. dergl. Als allgemeine Bezeichnung für den vollſtändig abgeſtorbenen und der Zerſetzung anheimgefallenen Zuſtand der holzigen Teile bei den Bäumen gilt ſeit langer Zeit der Ausdruck Brand oder Nekroſe, wegen gewiſſer Ahnlichkeiten mit dem gleich— namigen Zuſtande tieriſcher Gewebsteile. Zu einer wiſſenſchaftlichen Bezeichnung möchte ſich derſelbe weniger empfehlen, nicht bloß wegen der Unbeſtimmtheit, mit der er hier angewendet wird!), ſondern vor— züglich weil er ſchon zur Bezeichnung einer hiervon ſehr verſchiedenen Krankheit des Getreides und andrer krautartiger Pflanzen dient. Vielmehr können wir auch für dieſe Zerſetzungserſcheinungen in allen ihren verſchiedenen Formen den allgemeinen Namen Wundfäule an— wenden, zumal da eben für den Zuſtand, in welchen dadurch das Holz übergeht, der Ausdruck faules Holz allgemein gebräuchlich iſt. 1) Der Name Brand oder Nekroſe wird von Meyen (Pflanzenpathologie pag. 304) in dem obigen allgemeinen Sinne gebraucht. Bei den Obſtzüchtern hat das Wort wohl meiſt auch dieſe Bedeutung, ſo daß es alſo auch mit den unten zu erwähnenden Krebs bezeichnet. Göthe Mitteilungen über den Krebs der Apfelbäume. Leipzig 1877) nennt Brand die offenen Krebs— ſtellen mit freiliegendem Holzkörper, Sorauer (vergl. Juſt, Bot. Jahresb. für 1877, pag. 856) dagegen das vom eigentlichen Krebs verſchiedene, nach
Froſtbeſchädigung in größerer Ausdehnung am Stamme eintretende Abſterben und Vertrocknen der Rinde. N
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 107
Es wurde ſchon oben (S. 33) hervorgehoben, daß R. Hartig!) mit den erſten Stadien der Zerſetzungserſcheinungen des Holzes einen Prozeß verwechſelt hat, deſſen Natur von ihm ganz verkannt worden iſt, indem er das, was ich ſpäter als Schutzholz bezeichnete, ſchon für das erſte Stadium der Wundfäule hielt, während es das Gegenteil davon, nämlich ein natürliches Schutzmittel iſt, um dem Eintritt der Wundfäule möglichſt lange vorzubeugen. Von wundfaulem Holze können wir vielleicht erſt dann reden, wenn Splintholz oder Schutz— oder Kernholz (dem wir ja oben ah den Charakter von Schutzholz zugeſprochen haben) anfangen ihre natürliche Härte und Konſiſtenz zu verlieren. Das wird beſonders durch reichliche Feuchtigkeit befördert; daher ſehen wir Wundfäule hauptſächlich von Wurzelwunden ausgehen und überhaupt von allen Wunden, die mit dem Erdboden in Be— rührung ſtehen, desgleichen an ſolchen Aſtwunden, auf denen Regen— und Schneewaſſer ſich ſammeln, auch im Innern der?! Baumſtämme. Das Holz nimmt dabei oft eine tief ſchwarzbraune Färbung an und jedenfalls verliert es an Konſiſtenz immer mehr, indem es allmählich mürber und zerreiblich wird. Übrigens müſſen folgende verſchiedene Arten von Wundfäule des Holzes unterſchieden werden, deren Eintritt je nach der Verſchiedenheit äußerer Umſtände ſich richtet.
Alle Zerſetzungserſcheinungen, bei denen das Holz eine rötliche, bräunliche oder ſchwärzliche Farbe annimmt, werden mit dem Namen Rotfäule oder naſſe Fäule belegt. Dieſelbe Sache bezeichnen auch
die Ausdrücke Wurzelfäule, Stockfäule, Aſtfäule, Kernfäule oder
Stammfäule und Splintfäule, indem ſie nur den Ort des Auftretens dieſer Zeriegung andeuten. Beſchränkter Luftzutritt und reichlichere Feuchtigkeit ſind die Hauptbedingungen für dieſe Art der Wundfäule.
Weißfäule, Trockenfäule oder Vermoderung nennt man den Prozeß, wenn das Holz dabei hell, nämlich blaßbräunlich oder weiß und völlig zerreiblich wird; Bedingung dieſer Zerſetzungsform iſt ungehinderter Zutritt von Luft und geringe Feuchtigkeit, daher ſie vorzüglich an offenen Holzwunden ſich zeigt. Sie kommt vorzüglich bei Laubhölzern vor, z. B. häufig an Linden, Weiden, Pappeln ıc., wo jedoch auch überall bei größerer Feuchtigkeit und geringerem Luft— zutritte Rotfäule eintritt.
Die Grünfäule iſt die am ſeltenſten vorkommende Zerſetzungs— art, die ſich bisweilen an Birken-, Buchen- und Eichenholz zeigt, welches lange Zeit am Boden geſtanden hat, beſonders an alten faulen Stöcken, und durch intenſiv ſpangrüne Farbe ausgezeichnet iſt. Der
) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, Berlin 1878.
Rotfäule.
Weißfäule.
Grünfäule.
Humifizierung des Holzes.
Chemiſche Veränderungen.
108 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Farbſtoff haftet in den Zellwandungen des Holzes und iſt auch den Mycelfäden und den Fruchtkörpern des dabei auftretenden Pilzes Peziza aeruginosa eigen. Die grüne Farbe durchdringt das Holz nicht gleichmäßig; ſtellenweis iſt dieſes farblos, dem weißfaulen Holze gleich, hier tiefer, dort blaſſer grün gefärbt. Die Erſcheinung iſt wiſſenſchaft— lich noch nicht genügend erforſcht.
Faules Holz, beſonders rotfaules, zerbröckelt und zerfällt endlich von ſelbſt in eine ſchwarzbraune, erdige Maſſe, ſogenannte Baumerde oder Moder. Dieſer Prozeß beſteht in einer vollſtändigen Humifi— zierung des Holzes, indem die organiſche Subſtanz der Zell— membranen in Humuskörper ſich umwandelt.
Die chemiſche Veränderung, welche das rotfaule Holz erleidet, iſt aus den chemiſchen Analyſen desſelben zu erkennen. Während geſundes Eichenkernholz, auf aſchefreie Subſtanz berechnet, zuſammengeſetzt iſt aus
49,24 C. 5,47 H. 45,29 O., ergab die Analyſe von hellbraunem faulen Eichenholze 53,6 C. 5,2 H. 41,2 O., von dunkelbraunem faulen Eichenholze 56,2 C. 4,9 H. 38,9 O., und von brauner Baumerde aus einem hohlen Baume 58,0 C. 4,9 H. 37,1 0.
Es erhellt daraus, daß bei der Rotfäule kohlenſtoffreichere Sub— ſtanzen, Humuskörper, zurükbleiben. Der ganze Vorgang iſt ein Oxy— dationsprozeß, bei welchem Kohlenſäure und Waſſer auf Koſten der organiſchen Subſtanz des Holzes gebildet werden, letztere alſo ſich ab— ſolut vermindert. Dieſes geht aus der Vergleichung des Aſchegehaltes geſunden und faulen Holzes hervor. Geſundes Fichtenholz enthält
48,63 C. 5,80 H. 45,18 O. 0,39 Aſche. Stark zerſetztes Fichtenholz dagegen 48,14 C. 4,96 H. 40,24 C. 6,66 Aſche ).
Dieſer große Aſchegehalt erklärt ſich eben daraus, daß von dem Zerſetzungsprozeſſe nur die organiſche Subſtanz, nicht die Aſche— beſtandteile betroffen werden. — Bei der Weißfäule iſt der chemiſche Vorgang ein anderer. Weißfaules Eichenholz ergab an organiſcher
Subſtanz 48,2 C. 6,3 H. 45,5 0.
Weißfaules Holz iſt alſo ärmer an Kohlenſtoff und etwas reicher an Sauerſtoff als gewöhnliches Holz. Die Oxydation erzeugt hier alſo
) Nach den Angaben R. Hartig's J. e.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 109
außer Kohlenſäure und Waſſer noch andere Oxydationsprodukte. Bei unſrer mangelhaften Kenntnis der chemiſchen Verbindungen, die im gewöhnlichen Holz vorhanden ſind, vermögen wir gegenwärtig nichts darüber zu ſagen, in welcher Weiſe bei dieſen Veränderungen die ein— zelnen chemiſchen Beſtandteile des Holzes ſich verhalten.
Der Zerſetzung des Holzes kann durch die holzbewohnenden In- Beförderung ſekten Vorſchub geleiſtet werden, namentlich durch Holzweſpen under Holzkäfer, welche in totem Holze Gänge in verſchiedenen Richtungen Infekten. freſſen, wodurch nicht nur eine mechaniſche Zerſtörung bewirkt, ſondern auch das Eindringen von Waſſer und Luft in die Holzmaſſe bedeutend erleichtert wird.
Außerdem beteiligen ſich an der eigentlichen Zerſetzung oder Wun— „ fäule des Holzes außer dem Sauerſtoff ſehr häufig auch gewiſſe ſapro— . pe l phyte Pilze, welche ſich in dem faulen Holze anſiedeln. Auch fie durch Pilze. werden durch reichliche Feuchtigkeit begünſtigt und befördern den Fort— gang der Zerſetzung in hohem Grade. Dieſe Begleiter der Fäule des Holzes dürfen nicht verwechſelt werden mit den bisweilen in Holz— pflanzen lebenden paraſitiſchen Pilzen, von denen ſie ſich jedenfalls dadurch unterſcheiden, daß ſie nicht in das lebende, geſunde Holz hinein— wachſen, ſondern daß dasſelbe ſchon tot ſein muß, wenn ſie ſich in ihm anſiedeln ſollen, und daß ſie nur die Zerſetzung des vorher ab— geſtorbenen Holzes mit vermitteln.
Die Zahl der an abgeſtorbenen holzigen Pflanzenteilen ſich anſiedelnden Die wichtigſten ſaprophyten Pilze iſt eine ungemein große; ſie alle aufzählen, hieße eine ſaprophyten Mykologie ſchreiben. Wir müſſen daher hier darauf verzichten, um fo mehr, Vilze der Holz⸗ weil ihr Erſcheinen eigentlich ſchon das Ende der Krankheit, den Tod be- Planen. deutet, und die Pathologie alſo eigentlich nichts mehr mit ihnen zu thun hat. Da ſie aber den abgeſtorbenen und noch an der lebenden Pflanze haftenden Teilen vielfach ein eigentümliches Ausſehen verleihen, ſo mögen hier wenigſtens die gewöhnlichen dieſer Pilzformen und ihr Verhalten kurz angedeutet werden.
Gemeinſam iſt bei dieſen Pilzen, daß ihr Mycelium in dem Zellgewebe der der Wundfäule anheimgefallenen Teile, alſo in der Rinde und beſonders im Holze verbreitet iſt. Zuerſt hat Th. Hartigy im faulen Holze Pilze gefunden, die er Nachtfaſern (Nyctomyces) nannte, und denen er eine Be— teiligung an der Verbreitung der Fäulnis zuſchrieb. Durch Schacht),
ferner beſonders durch Willfomm?), der gewiſſe ſogleich zu nennende Pilz— formen für echte Paraſiten und für die wahre Urſache der Rotfäule erklärte, ſowie durch R. Hartig), der jene als bloße Saprophyten erkannte, wurde
) Verwandlung der polycotyledoniſchen Pflanzenzelle in Pilz- und Schwammgebilde ꝛc. Berlin 1833. 2) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſ. Botanik III. 3) Die mikroſkopiſchen Feinde des Waldes I. Dresden 1866. ) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878.
110 IT. Abſchnitt: Von den Wunden
das Auftreten dieſer Pilzmycelien im faulen Holze genauer beobachtet. Es ſind verzweigte Pilzfäden, welche ſowohl zwiſchen den Holzzellen, als auch innerhalb der Membranen derſelben und ſelbſt in das Junere der Zellen hinein wachſen. In den Membranen bohren ſie Gänge, ſowohl in der Richtung derſelben, alſo den Schichten der Membran folgend, als auch quer durch dieſelben hindurch, aus einer Zelle in die andere wachſend. Die Fruchtträger, an denen die Sporen gebildet werden, entwickeln dieſe Pilze an den freien Flächen ihres Subſtrates, wo ſie an die Luft gelangen, alſo vorwiegend an der Oberfläche der Zweige und Stämme, oder an der Außenfläche des Holzkörpers, wenn dieſer frei liegt, oder wenn die darüberliegende abgeſtorbene Rinde ſich von ihm abgehoben hat, oder auch an der Innenſeite des Holzes hohler Stämme, in Spalten des Holz— körpers u. dergl.
Nach der Verſchiedenheit der Teile des Baumes ſind auch die Pilze, welche die Wundfäule begleiten, verſchieden. Die dünneren Zweige haben faſt immer andre Pilze, als die ſtärkeren Aſte und der Stamm derſelben Baumſpecies; wieder andre Pilze zeigen ſich an den tieferen, mit dem Erdboden in Berührung ſtehenden Wunden, und auch der Holzkörper hat ſowohl in ſeinem Junern, als an ſeinen entblößten Oberflächen gewiſſe eigen— tümliche Saprophyten. Dazu kommt ferner, daß beſonders die an den dünneren Zweigen auftretenden Pilze faſt bei jeder Holzpflanze von andrer Art ſind; faſt jede hat daſelbſt ihre eigentümlichen Pilzformen.
An den dünneren ein- bis mehrjährigen Zweigen oder Zweigſtummeln, wenn dieſelben durch irgend eine Beſchädigung, beſonders durch Abſchneiden u. dergl. oder durch unzeitige Entlaubung getötet worden find, erſcheinen im Herbſt und Winter nach dem Abſterben, und zwar während dieſelben noch auf der Pflanze ſtehen, gewiſſe Scheiben- und Kernpilze. Bei der Eiche iſt das regelmäßig Colpoma quereinum WMallr., das mit jeinen ſtrichförmigen, geraden oder gekrümmten dunkeln Apothecien durch eine lippenförmige Spalte der Rinde hervorbricht, gewöhnlich in Begleitung von Spermogonien. Bei Eſchen ſind es die elliptiſchen ſchwarzen Apo— thecien des Hysterium Fraxini Pers. Bei vielen andern Bäumen ſpielen dieſe Rolle verſchiedene Kernpilze aus der Verwandtſchaft der Valſeen, deren Perithecien als kleine, dunkle, durch die Rinde hervorbrechende Puſteln oft über den ganzen dürren Zweig zerſtreut ſtehen, z. B. an Weiden Valsa salicina /r., an Ulmen Valsa stellulata Z., an Linden Hercospora Tiliae V., an Erlen Cryptospora suffusa 2. an Weiß⸗ buchen Diaporthe Carpini Hucbel., an Rotbuchen Quaternaria Persoonii ul. x. Oder es treten auf den genannten Teilen ſtatt der Perithecien die Spermogon'en ſolcher Kernpilze auf, Formen von Cytispora und Naemaspora, ebenfalls über den größten Teil des toten Zweiges verbreitet, in Form kleinerer aus der Rinde brechender Puſteln, welche bei Feuchtig— keit ihre Spermatien in hellen Rauken ausſtoßen. Oder es finden ſich nur die Pyknidenfrüchte ſolcher Pilze als ſchwarze, in der Rinde niſtende und hervorbrechende kleine Puſten, beſonders Diplodia-Formen. Oder endlich gewiſſe Formen des conidientragenden Stroma, welche als kleine, ſchwarze, abfärbende Puſteln in Menge aus der Rinde hervortreten, z. B. ſehr häufig an dünnen Lindenzweigen Exosporium Tiliae Zi», an Weiden Trimmatostroma salicis Corda, an Birken Coryneum disciforme Sm & Äze. etc. etc.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 111
An ſtärkeren Zweigen der Eiche und ebenſo auch an abgeſtorbenen Stämmchen derſelben wächſt Colpoma quereinum nicht mehr, dafür bricht oft Diatrypella quereina Nzschke oder Diatrype disciformis Fr. mit ihren runden, erhabenen Polſtern durch die Rinde. Auf noch ſtärkeren Aſten der Bäume und deren Stämmen erſcheinen dagegen vorwiegend große Schwämme, verſchiedene Arten Telephora und Löcherpilze (Polyporus) deren Fruchtkörper außen an den Aſten und Stämmen ſitzen und gewöhn— lich in mehrjähriger Dauer ſich allmählich vergrößern. Sehr verbreitet ſind auch an noch berindeten und ſtehenden toten Holzteilen die Formen von Neetria, beſonders in dem Zuſtande des Conidienſtroma, welches die frühere Gattung Tubereularia bildete: zahlreiche hochrote, ſtecknadelkopf— große und größere erhabene Polſter. Dieſe kommen an allen Teilen, von den dünnſten Zweigen bis zu ſtarken Stämmen vor.
Wunden, die mit dem Erdboden in Berührung ſtehen, alſo beſonders die am Fuß der Baumſtämme befindlichen Wunden und vorzüglich die ab— gehackten Stöcke haben wieder andre Pilze, beſonders größere Schwämme aus der Abteilung der Hymenomyceten, zumal Agaricus- Arten, unter dieſen auch noch den Agaricus melleus, welcher ſchon am lebendigen Holze als Paraſit ſich anſiedelt. Das Mycelium derſelben iſt im faulen Holze ver— breitet; zwiſchen Holz und Rinde entwickelt ſich dasſelbe oft zu Rhizo— morphen (Rhizomorpha subcorticalis Pers.), die als wurzelartige runde oder plattgedrückte und dann oft bis mehrere Centimeter breite Stränge mit rechtwinklig abgehenden Zweigen und mit dunkelbrauner glatter Rinde und weißem Mark zum Vorſchein kommen, wenn man die Baumrinde ablöſt. Auch gewiſſe Kernpilze ſind für dieſe Orte charakteriſtiſch: beſonders Xylaria⸗Arten mit ihren bis fingerlangen, ſtiel- oder ſtrauchförmigen, ſchwarzen, oft weiß beſtäubten Fruchtkörpern, auch wohl Eutypa-Arten, deren ſchwarze dünne Kruſten dem Holz faſt aufgewachſen ſind in oft weiter Erſtreckung. Auf den grünfaulen Buchenſtöcken wächſt nicht ſelten der ebenfalls grüne Buchenpilz Peziza aeruginosa. Das Mycelium auch aller dieſer Pilze durchwuchert das faule Holz und iſt beſonders die Veranlaſſung der feinen ſchwarzen Linien, welche oft das weißfaule Holz in unregelmäßig gebogenem Verlaufe durchziehen. Dieſe Linien ſtellen die Rhizomorpha intestina DC dar. An dieſen Punkten iſt das im Holze wuchernde Myce— lium ſehr ſtark entwickelt, ſeine Fäden ſind dicht in einander verflochten zu einer zuſammenhängenden parenchymähnlichen Gewebemaſſe, welche gleich— mäßig die Zellhöhlen wie die Membranen der Holzzellen erfüllt, die dadurch faſt unkenntlich werden; in dieſen Partien färben ſich an gewiſſen Stellen die Fäden braun, und dadurch wird die ſchwarze Linie hervorgebracht.
Endlich haben auch die nackten Holzkörperwunden ihre eigentümlichen ſaprophyten Pilzformen. An friſchen Wundflächen bedeckt ſich das ent— blößte Holz oft bald mit den ſchwarzgrünen Räschen von Cladosporium, d. ſ. Conidienträger von Pleospera-Arten. An älter gewordenen Holz— wunden, ſowie an großen nicht überwallten Holzwunden im Innern hohler Bäume erſcheinen gewöhnlich andere Formen: ſchwarze, rußartige Über— züge, ebenfalls conidienbildende Entwickelungszuſtände von Pilzen, be— ſonders Formen von Helminthosporium, Helicosporium, Nematogonium ete., oder auch rauhkörnige, ſchwarze Überzüge, welche auf dem Holzkörper entſtehen, ſowohl wenn derſelbe ſchon entblößt iſt, als auch unter der Rinde, wenn dieſe ihn noch bedeckt ohne organiſch mit ihm zuſammenzuhängen.
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112 II. Abſchnitt: von den Wunden
Sie beſtehen aus zahlloſen, dicht beiſammenwachſenden Perithecien einfacher Pyrenomyceeten; ſehr häufig ſind dies Teichospora obducens ZFuckel, Mela- nomma pulvis pyrius WVizschke, Arten von Ceratostoma u. a. Auch Hypo- xylon-Arten bedecken oft mit ihren rötlich-ſchwarzen, polſterfoͤrmigen, aus— gebreiteten Kruſten die Hiebfläche von Stämmen oder Aſten und andere bloßliegende Holzteile. Für alle dieſe Pilze iſt ein mäßiger Feuchtigkeits— grad des faulen Holzes Bedingung. Wo das letztere größerer Feuchtigkeit ausgeſetzt iſt, die eine raſchere Zerſetzung bewirkt, erſcheinen mit Vorliebe wieder andre Pilze, beſonders helle, weiße, gelbe, grünliche oder rötliche, zarte, ſtaubartige Überzüge, die verſchiedene Conidienzuſtände, Formen der alten Gattungen Torula, Sporotrichum ete. darſtellen. Auch Mycomy— ceten lieben ſolches Holz; ſie erſcheinen an der Oberfläche desſelben mit ihren lebhaft gefärbten, weißen, gelben oder roten ſchaumigen Plasmodien, die ſich bald in die zierlichen, herdenweis wachſenden Sporangien um— wandeln.
Auch in dem mehr noch innerhalb der Stämme verborgenen rotfaulen Holze ſind immer ſaprophyte Pilze zu finden. Es ſind dies aber nur Myceliumformen, von denen nicht ohne weiteres zu jagen iſt, zu welchen Frucht— formen ſie ſich unter gecigneten Umſtänden entwickeln. Gewöhnlich finden ſich im rotfaulen Holze mehrere Formen beiſammen. Es ſind dies hauptſächlich die von Willkomm 4. c.) beſchriebenen Pilze, und zwar erſtens eine Form, welche Xenodochus ligniperda Milk. genannt worden iſt. Die im Holze wuchernden, zum Teil braun gefärbten Myceliumhyphen bilden, bald an den Enden, bald in ihrer Kontinuität kettenförmig an einander ge— reihte, dunkelbraune, kugelige, ſporenartige Zellen, die Willkomm für Sporangienketten hielt, nach dem gegenwärtigen Standpunkte aber richtiger Chlamydoſporen oder Gemmen (Brutzellen) des Myceliums zu nennen ſein dürften. Eigentliche Conidien ſcheint R. Hartig!) geſehen zu haben: auf pfriemenförmigen Hyphenäſten, die faſt immer nahe der Oberfläche des Holzes ſich zeigten und vielleicht aus jenem Mycelium entſprangen, wurden kleine farbloſe Sporen abgeſchnürt; doch genügt die Beſchreibung nicht, um die Pilzform zu beſtimmen. Außerdem findet ſich im rotfaulen Holze noch ein andrer Pilz, der aber auch im weißfaulen Holze auftritt, Staphy— losporium violaceum Mile. oder Rhynchomyces violaceus Will.; er trägt an ſchnabelartig verlängerten Hyphenäſten einen oder mehrere Quirle eiförmiger, zweizelliger, dunkelblauer Conidien. Willkomm hält dieſen und den Xenodochus für zuſammengehörig, beide für Formen einer Art; R. Hartig (J. e.) hat dieſe Überzeugung nicht in hinreichendem Maße ge— winnen können; im Xenodochus vermutet er einen Zuſtand von Cerato- stoma piliferum E., deſſen kleine ſchwarze Perithecien allerdings häufig an den Oberflächen faulen Holzes ſich finden. Möglicherweiſe könnte es ſich aber auch um Mycelien großer Hymenomyceten handeln, da wir jetzt durch Brefeld wiſſen, daß auch bei dieſen Pilzen enen an Mycelien vorkommen können.
) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 66.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 113
3. Kapitel. Die Verwundungsarten. A. Das Aufſpringen fleiſchiger Pflanzenteile.
Es handelt ſich hier um Wunden, welche nicht durch den mecha— niſchen Eingriff eines fremden Körpers, ſondern aus inneren Ur— ſachen, alſo von ſelbſt entſtehen, nämlich durch Kräfte, welche von der Pflanze ſelbſt erzeugt werden. Man ſieht ein ſolches Aufſpringen nicht ſelten am Kohlrabi, an Rettigen, an Möhren und Sellerie— wurzeln, auch bisweilen an den Kartoffeln, ſowie an manchen ſaftigen Früchten, z. B. an Kirſchen und Pflaumen, auch an Birnen, wo dies manchmal an der noch unerwachſenen Frucht eintritt, die dann ſich nicht weiter entwickelt. An einem ziemlich reifen Maiskolben fand ich zahlreiche Körner von ſelbſt aufgeſprungen und zwar in allen Stadien der Wundbildung; das erſte Stadium war ein feiner Riß in der äußeren Schicht des Pericarps, welches durch die raſche Vergrößerung des Kornes, der es nicht folgen konnte, geſprengt worden war; der höchſte Grad beſtand in einer weit klaffenden und bis tief ins En— doſperm dringenden Wunde, durch welche das Korn ganz geſprengt und verdorben wurde, indem ſaprophyte Pilze, Cladosporium-Mycelium, ſich anſiedelten. Auch an krautigen Stengeln kann die Erſcheinung ſich zeigen, wenn dieſe ungewöhnlich üppig gewachſen oder ſonſt hyper— trophiſch und mißgebildet ſind; ſo ſah ich verbänderte Blütenſchäfte von Taraxacum officinale nach Regenwetter von ſelbſt ſo zerſprungen, daß ſie faſt zuſammengeknickt waren. Das Aufſpringen iſt immer eine Folge der Ausdehnung des wachſenden Parenchyms, der die Hautſchichten nicht in gleichem Maße zu folgen vermögen, ſo daß zwiſchen beiden Ge— weben ſich eine hochgradige Gewebeſpannung einſtellt. Dieſen ungewöhn— lichen Grad erreicht die letztere namentlich durch eindringendes Waſſer, weil dann das unter der Hautſchicht liegende Parenchym reichlich Waſſer aufſaugt und dadurch immer turgescenter und voluminöſer wird. Daher vergrößert ſich die einmal entſtandene Wunde bei An— weſenheit von Feuchtigkeit bedeutend, und auch jede noch ſo kleine aus irgend welchen Urſachen entſtandene Wunde kann unter dieſen Umſtänden zum Aufſpringen der betreffenden Pflanzenteile führen. Darum kommt dies auch beſonders häufig nach langem Regenwetter vor. Auch kann man durch Kulturverſuche, z. B. mit Möhren in
Frank, Die Krantheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 8
Aufſpringen fleiſchiger Pflanzenteile
Abgeſchnittene Pflanzenteile
114 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Waſſer, das Aufſpringen der Wurzeln willkürlich hervorrufen Y. Pflanzenteile, welche unterirdiſch oder nahe am Boden wachſen, ſind häufig mit kleinen Wundſtellen verſehen, die vom Fraß der Schnecken und andrer Tiere herrühren und ſo lange ſie noch nicht durch Wund— kork geheilt ſind, Waſſer eindringen laſſen, wodurch ein Aufplatzen herbeigeführt werden kann. Das Aufſpringen reifer, ſaftiger Früchte bei andauerndem Regenwetter hat Bouſſingault) auch als Folge des Eindringens von Waſſer nachgewieſen, indem er fand, daß, während Blätter im Regen keine Gewichtszunahme zeigen, reife, zucker— haltige Früchte, die in Waſſer untergetaucht werden, an Gewicht zu— nehmen, während ſie zugleich Zucker an das umgebende Waſſer ab— geben.
Die aufgeſprungenen Stellen von Wurzeln und Knollen können durch Bildung von Wundkork (S. 61) heilen. Befanden ſich die betreffenden Pflanzenteile noch in der Periode des Wachstums, ſo können die durch Kork geſchützten aufgeſprungenen Stellen eigentümlich auswachſen, wie es manchmal an Kartoffelknollen vorkommt.
B. Abgeſchnittene Pflanzenteile.
Die vegetabiliſchen Zellen ſind in ihrer Lebensfähigkeit viel ſelbſt— ſtändiger und von einander unabhängiger als diejenigen des tieriſchen Organismus. Die Abtrennung von Organen vom pflanzlichen Körper hat daher für dieſelben weit ſeltener unmittelbar tödliche Wirkung, als es am tieriſchen Körper der Fall iſt. Es iſt allgemein bekannt, daß abgeſchnittene Sproſſe, ſelbſt einzelne Blüten oder Blätter, Tage lang am Leben bleiben, zum Teil ſogar in ihrer Ent— wickelung fortſchreiten können, wenn man dafür ſorgt, daß ſie Waſſer aufſaugen können oder keines durch Verdunſtung verlieren, d. h. wenn ſie in Waſſer, feuchten Sand u. dergl. geſetzt oder in einen Raum mit feuchter Luft gebracht werden, und daß bei Pflanzen mit ſehr ge— ringer Verdunſtung, wie bei Succulenten, ſelbſt ohne Waſſerzufuhr und in trockener Luft abgeſchnittene Teile lange am Leben bleiben. Der früher oder ſpäter eintretende Mangel an Nahrung wird hier endlich die Urſache des Todes. Und wenn die Pflanze die Fähigkeit hat, leicht Wurzeln zu bilden oder ſonſt in ihrer Weiſe ſich zu ver- jüngen, jo können abgeſchnittene Teile, genügende Feuchtigkeit voraus⸗ geſetzt, ſogar zu neuen Pflanzenindividuen ſich entwickeln. Der ge- wöhnlichſte derartige Fall iſt die Vermehrung der Pflanzen durch
1) Vergl. Hallier, Phytopathologie, pag. 87. 2) Annales des sc. nat. 5, ser. T. XVIII.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 115
Stecklinge, die am leichteſten bei Holzpflanzen, aber auch bei perennierenden und ſelbſt bei einjährigen Kräutern nicht ſelten gelingt, und die darauf beruht, daß in der Nähe des unteren Endes des ab— geſchnittenen Zweiges, wenn derſelbe in Waſſer oder feuchte Erde ge— ſteckt wird, ſich Adventivwurzeln bilden, die dann den Zweig zu er— nähren vermögen, ſo daß er als ſelbſtändige Pflanze weiter wachſen kann. Von der Regeneration der Wurzeln an den Stecklingen iſt ſchon oben (S. 91) die Rede geweſen. Auch aus Wurzelſtücken laſſen ſich ſogenannte Wurzelſtecklinge erziehen, was beſonders bei manchen Holzpflanzen und ſogar bei einigen Kräutern ausführbar iſt, indem an den Wurzelteilen Adventivknoſpen ſich bilden, welche zu Trieben auswachſen. Sogar Blattſtecklinge laſſen ſich von manchen Pflanzen gewinnen, wo an abgeſchnittenen Blättern oder Blattſtücken, die auf eine feuchte Unterlage gelegt werden, Wurzeln und Adventiv- knoſpen ſich bilden, die ſich zu neuen Pflänzchen entwickeln. Dieſes gelingt beſonders bei Cardamine pratensis (wo es oft ſpontan eintritt), bei Begonia, Bryophyllum, Peperomia 2c. ), und dieſe Eigenſchaft wird daher in der gärtneriſchen Praxis zur Vermehrung dieſer Pflanzen ange— wendet. Hierher gehört auch die Bildung von Adventivknoſpen in Form kleiner Zwiebeln an verwundeten Hyazinthenzwiebeln, welche Maſters ?) erwähnt. Dieſelben bilden ſich an den Schnittflächen von der Grenze der Zwiebelſchalen aus, wenn man der Zwiebel entweder die Baſis abſchneidet und die Schnittfläche ſternförmig nach oben einſchneidet oder wenn man fie von unten aushöhlt. Hildebrand) ſah ſogar an abgelöſten Blütenknoſpen und Fruchtknoten von Opuntia-Arten ſich bewurzelnde Sproſſe entſtehen. Die Veränderungen der Gewebe, die an der Schnittfläche der Stecklinge eintreten, behufs der Heilung derſelben, find im Artikel über die Wundenheilung beſprochen worden. Der Vorgang bei der Bildung der Adventivknoſpen an den Blattſtecklingen iſt in einigen Fällen unterſucht worden. Nach Regel) entſtehen bei den Blattſtecklingen von Begoniaceen, nach Magnus) an Blättern von Hyacinthus und nach Berges) an den Blättern von Bryophyllum die Adventivknoſpen, nicht wie ſonſt endogen, ſondern exogen, d. h.
) Vergl. die Aufzählung bei Maſters, Vegetable Teratology, pag. 170.
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5) Berichte d. deutſch. bot. Geſellſch. 1888, pag. 109.
) Die Vermehrung der Begoniaceen aus ihren Blättern. Jeuaer Zeit— ſchrift f. Nat. 1876, pag. 477.
5) Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 30. Mai 1873 u. 16. Juni 1878. | ) Beitr. zur Entwickelungsgeſchichte von Bryophyllum calicinum. Zürich 1877.
gr
Welken abgeſchnittener Sproſſe.
116 II. Abſchnitt: Von den Wunden
durch Teilung der oberflächlichen Zellen des Blattgewebes, beziehent— lich aus der Epidermis. Ebenſo ſah Hanſen!) bei Begonia die Knoſpen aus Epidermiszellen des durchſchnittenen Blattnerven bald nahe, bald ferner von der Verwundungsſtelle entſtehen, indem ſich durch wiederholte Teilung der Epidermiszelle das Meriſtem des jungen Sproſſes entwickelt. Auch bei Peperomia entſtehen die Knoſpen nach Beinling)) inſofern exogen, als fie unabhängig von den Gefäß— bündeln direkt aus dem Grundparenchym des Blattes unmittelbar unter der Schnittfläche ſich bilden und nur den Wundkork durchbrechen. Hanſen ſah bei Achimenes und Peperomia Wurzel- und Sproß— bildung aus oberflächlichen Zellen des Callusgewebes hervorgehen, welches an den Schnittflächen ſich bildet. Weitere hierher gehörige Erſcheinungen ſind die Vorkeimſproſſungen an abgeſchnittenen Blättern, Stengeln und Früchten von Mooſen dec.
Die abgeſchnittene Sproſſe zeigen bei aller Lebensfähigkeit häufig eine bemerkenswerte pathologiſche Erſcheinung; obgleich man ſie ins Waſſer geſtellt hat, welken ſie. Die Urſache dieſer allbekannten Erſcheinung iſt durch eine meiſt mit Helianthus tuberosus angeſtellte Unterſuchung von de Vries?) etwas näher bekannt geworden. Dar— nach tritt dieſelbe nur dann ein, wenn die Sproſſe in der Luft durch— ſchnitten werden, und es nutzk dann nichts, wenn man dieſelben auch noch ſo raſch ins Waſſer ſtellt. Aber die Erſcheinung unterbleibt, wenn der Schnitt gleich unter Waſſer gemacht wird. Auch wenn man die Verdunſtung des Sproſſes und ſomit die Waſſerſtrömung im Stengel vermindert durch Untertauchen der Sproſſe unter Waſſer und fie dann an der Luft abſchneidet, tritt nach 1—2 Tagen Welken ein; wenn fie 1½ Stunden lang unter Waſſer geweſen, welken ſie erſt nach 3 Tagen; je geringer alſo die Waſſerſtrömung, deſto langſamer tritt das Welken ein. Es geht daraus hervor, daß die Urſache des Welkens in einer Unterbrechung der Waſſerleitung während des Abſchneidens in der Luft liegt, und daß dieſe Unterbrechung eine Verminderung der Leitungsfähigkeit des Stengels für Waſſer zur Folge hat. Darum werden ſolche welke Sproſſe wieder friſch, wenn man ihnen eine An- zahl Blätter wegnimmt, und Sproſſe, die vor dem Abſchneiden eines Teiles der Blätter beraubt worden ſind, welken gar nicht, weil dann eine geringere Menge Waſſer erforderlich iſt. Die Unterbrechung der
1) Flora 1879, pag. 254 u. Sitzungsber. d. phyſic.- med. Soc. zu Er⸗ langen, 14. Juni 1880.
2) Unterſuch. über d. Entſt. der advent. Wurzeln und Laubknoſpen an Blattſtecklingen von Peperomia. Breslau 1878.
3) Arbeiten des bot. Inſt. zu Würzburg. 3. Heft, pag. 287.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 117
Leitungsfähigkeit erſtreckt ſich nicht über den ganzen Stengel, ſondern nur auf eine gewiſſe Strecke oberhalb der Schnittfläche. Wenn näm— lich welke Sproſſe 5—6 em oberhalb der Schnittfläche unter Waſſer durchſchnitten wurden, ſo wurden ſie wieder friſch, während dieſelbe Operation in nur 1 em Entfernung dies noch nicht bewirkte. Es giebt einige äußerliche Mittel, um die verminderte Leitungsfähigkeit wieder zu erhöhen und alſo welke Sproſſe wieder friſch zu machen. Sachs) fand, daß erhöhter Druck die Waſſerleitung beſchleunigt und auch die Leitungsfähigkeit wieder normal macht: wenn der welke Sproß in den kurzen Schenkel einer zum Teil mit Waſſer gefüllten U-förmigen Glas— röhre feſt eingeſetzt, uud in den andern Schenkel Queckſilber gegoſſen wird, ſo wird der Sproß in kurzer Zeit wieder turgescent. Ein andrer in der Praxis ſeit langem mit Erfolg angewendeter Gebrauch, bei welchem man die welken Sproſſe durch Einſetzen in warmes Waſſer (ungefähr 35° C.) wieder friſch macht, lehrt, daß Erwärmung des Stengels die Leitungsfähigkeit desſelben bedeutend erhöht.
C. Veredelung.
Abgeſchnittene Pflanzenteile können außer durch eigene Bewurzelung auch durch Übertragung auf ein lebendes Individuum, wie es bei der Veredelung geſchieht, am Leben erhalten und zu weiterer Entwickelung befähigt werden. Aber dieſe Möglichkeit iſt bekanntlich in beſtimmte Grenzen eingeſchloſſen, indem zwiſchen vielen Pflanzen eine ſolche Ver— bindung ſich entweder gar nicht herſtellen läßt, oder doch, wenn ſie geſchehen iſt, für den Impfling eine krankhafte Entwickelung und ein zeitiges Abſterben zur Folge hat. Beſonders um dieſer letzteren Er— ſcheinungen willen iſt die Veredelung hier zu berühren. Dagegen haben diejenigen Veränderungen, welche bei gelungener Veredelung am Wildling und am Impfling oft eintreten, nämlich die Übertragung von Merkmalen des einen auf den andern, kein pathologiſches Inter— eſſe, ſondern ſind Gegenſtand der Phyſiologie.
Im allgemeinen darf die Möglichkeit der Veredelung als auf die Dicotyledonen beſchränkt gelten. Nach Decandolle) hat man zwar Dracaena ferrea auf Dracaena terminalis gepfropft, aber im zweiten Jahre vertrocknete ſie und ging zu Grunde. Holzige Pflanzen und fleiſchige Pflanzenteile ſind am meiſten zur Veredelung geeignet. Am beſten ſchlägt die Operation an zwiſchen Pflanzen derſelben Species. Allein in vielen Fällen läßt ſich die Veredelung mit Erfolg auch
) Lehrbuch d. Botanik, 2. Aufl. pag. 575. 2) Physiologie vegetale II, pag. 758.
Veredelung.
118 II. Abſchnitt: Von den Wunden
zwiſchen zwei verſchiedenen Species vornehmen. Dies iſt jedoch immer nur innerhalb einer und derſelben natürlichen Familie möglich. Alle Arten einer Familie laſſen ſich jedoch nicht auf einander pfropfen; es iſt dazu eine gewiſſe nähere Verwandtſchaft in anatomiſcher und phyſiologiſcher Beziehung erforderlich. Aber niemals iſt die Pfropfung außer der Familie gelungen; alle gegenteiligen Angaben älterer Beob— achter haben bei exakten Wiederholungsverſuchen ſich nicht beſtätigt und ſind als unglaubwürdig zu betrachten. Zwiſchen verſchiedenen Species einer Familie gelingt zwar die Veredelung oft anfänglich, die Pfropfreiſer wachſen zwar an, aber ſie wachſen oft nicht weiter oder entwickeln ſich in den nächſtfolgenden 3—4 Jahren kümmerlich, um dann abzuſterben, oder tragen wohl auch im erſten Jahre nach der Operation Früchte, gehen danach äber zu Grunde. Dies gilt z. B. von den Impfungen verſchiedener Oleaceen auf einander, nämlich von Flieder auf Eſche, von Chionanthus auf Eſche und Flieder, von Flieder auf Phyllirea, von Olbaum auf Eſche und von Olbaum auf Hart— riegel). In den meiſten Fällen beobachtet man dasſelbe beim Ver— edeln von Birnen auf Apfel und umgekehrt; doch ſind auch aus— nahmsweiſe Beiſpiele dauernd gelungener Veredelung von Birnen auf Apfel bekannt; ebenſo haben Pfropfungen von Süßkirſchen auf Sauer⸗ kirſchen, von Kirſchen auf Pflaumen und umgekehrt in der Regel keinen dauernden Erfolg, obwohl gelungene Fälle dieſer Art vor— kommen?). Nach Eblen?) ſoll Prunus cerasifera eine ſehr gute Unter— lage zur Veredelung mit allen Sorten Pflaumen, 1 mit Aprikoſen ſein. Nach Strasburger's“) Mitteilungen finden Verwachſungen zwiſchen Edelreis und Unterlage ſogar innerhalb weiter Grenzen ſtatt, nämlich in der Familie der Solanaceen zwiſchen Angehörigen ver— ſchiedener Gattungen. Einen gewiſſen Einfluß auf die erfolgreiche Vereinigung zwiſchen Edelreis und Unterlage übt manchmal die Art der Veredelung aus. So ſollen verſchiedene Birnenvarietäten auf Quitte nicht anſchlagen oder bald zu Grunde gehen, wenn ſie okuliert werden, hingegen ſich ſehr gut entwickeln und große Fruchtbarkeit zeigen, wenn man in den Spalt pfropft und als Edelreis eine Zweig— ſpitze benutzt; ebenſo ſollen auf Ligustrum ovalifolium zahlreiche Arten und Varietäten von Syringa gut anſchlagen bei Pfropfen in den
1) Vergl. Decandolle, I. c. pag. 791.
2) Vergl. beſonders Stoll in Wiener Obſt- u. Gartenzeitg. 1810, pag. 10, Sorauer, Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl I, pag. 689 und Sahut, Revue horticole. Paris 1885, pag. 13 ete.
2) Pomologiſche Monatshefte von Lucas 1885, pag. 41.
) Berichte d. deutſch. bot. Geſellſch. 1885, pag. XXXI V.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 119
Spalt, bei Okulation aber ſoll es nur mit Syringa Josikea gelungen ſein !). Es iſt auch bekannt, daß man oft erfolgreich auf Wurzeln pfropft und daß dazu ſelbſt Wurzeln alter Obſtbäume, deren Stämme entfernt werden müſſen, ſich gut verwenden laſſen, wobei natürlich die Geſundheit der Wurzeln eine Bedingung iſt.
Von dem Heilungsprozeſſe bei der Veredelung, d. h. von der Ver— wachſung des Impflings mit der Unterlage iſt oben (S. 87) die Rede geweſen. Bisweilen hat hier die Verwundung eine ungewöhn— liche Entwickelung von Adventivknoſpen aus dem unter der Pfropf— ſtelle ſich bildenden Wulſt zur Folge. Moquin-Tandonz) berichtet von einer veredelten Ulme, an welcher unterhalb der Pfropfſtelle mehr als tauſend dicht gedrängte Zweige hervorgebrochen waren.
D. Verſtümmelung der Samen.
Es handelt ſich hier um die ſchädlichen Folgen, welche eine Ver-Berſtümmelung letzung der Samen auf die Keimung und die weitere Entwickelung der Samen. ausübt. Durch Bruch, ſowie durch die Verletzungen, die gewiſſe Tiere, beſonders Samenkäfer (Bruchus-Arten) an den Samen hervorbringen, wird erfahrungsmäßig die Keimfähigkeit der Samen beeinträchtigt. Eine genauere Kenntnis der verſchiedenen Folgen, die aus der Ver— wundung oder dem Verluſt beſtimmter Organe der Samen und der Embryonen reſultieren, iſt gewonnen worden, indem man die ver— ſchiedenartigen Organe künſtlich weggeſchnitten und den Erfolg beob— achtet hat. Verluſt der Rejervenähritoffbehälter. Wenn man die Be- Verluſt der hälter der Reſervenährſtoffe wegſchneidet, alſo die Cotyledonen, ne en l 5 . oe g i ehälter. ziehentli das Nährgewebe oder Endoſperm, wenn in einem ſolchen die Reſerveſtoffe aufbewahrt ſind, ſo wird dadurch zwar die Keim— fähigkeit nicht alteriert, aber die daraus ſich entwickelnden Pflanzen ſind Zwerge, und zwar richtet ſich die Abnahme der Größe und des Gewichtes der produzierten Pflanze nach dem Verhältnis des ver— lorenen Nährmaterials; die Pflanze kann unter Verzwergung bis zur Bildung reifer Früchte gelangen oder auch ſchon vorzeitig zu Grunde f gehen. Bonnet) hat zuerſt ſolche Verſuche mit Bohnen und Buch— A weizen angeſtellt. Eingequellten Bohnen wurden beide Cotyledonen e weggeſchnitten; der Rumpf des Keimes dann ſo in die Erde geſteckt,
daß die Plumula hervorragte. Die Pflanzen entwickelten ſich trotzdem,
) Nach Carrière in Revue hortic. 1876. II. pag. 208.
2) Pflanzen⸗Teratologie, pag. 379.
5 3) Nutzen der Blätter bei den Pflanzen. Deutſch von Arnold, pag. 137 ff.
120 IL Abſchnitt: Von den Wunden
aber in außerordentlicher Kleinheit; als ſie zu blühen begannen, waren ſie nur 5,4 em hoch (gleichalterige unverletzte 49 em), ihre größten Blättchen waren nur 3,5 em lang und 1,5 em breit; die Blüten waren verhältnismäßig klein und in geringer Anzahl. Wenn die Operation an den Bohnen erſt ausgeführt wurde, ſobald ſie aufgegangen waren, war die Reduktion in der Größe etwas minder bedeutend: die erſten Blätter waren nur 5,4 em lang, aber auch während des ganzen Wachs— tums blieb ein Unterſchied merklich, es kamen weniger Blüten, weniger und kleinere Früchte zur Entwickelung. Viel ſtärker war der Einfluß des Abſchneidens der Cotyledonen an den Buchweizenpflänzchen; die meiſten ſtarben und die davon gekommenen blieben elend. Dieſelben waren nach drei Wochen nur 2,7 em hoch (gegen 16 em der gleich— alterigen unverwundeten) und hatten 1 em lange und 0,6 em breite Blätter. Zuletzt hatten fie 13,5 em Höhe erreicht, waren ohne Zweige und die ſehr kleinen und wenigen Blüten hatten keinen Samen ge— bracht, während die gleichalterigen unverſehrten Pflanzen 78,5 em hoch waren und Zweige, Blüten und Körner in Menge hatten. Solche Verſuche find neuerdings noch weiter fortgeſetzt worden, von Sachs ), Gris?), van Tieghemz) und zuletzt von Blociszews ki). Der letztere hat beſonders die angedeutete Abhängigkeit der erreichbaren Größe von den in den Cotyledonen oder im Endoſperm aufgeſpeicherten Reſerveſtoffen anſchaulich gemacht, indem er von Roggen, Hafer, Mais, Erbſen, Lupinen, Klee und Olrettig bald nur einen ganzen Cotyledon, bald zwei Hälften querdurchſchnittener Cotyledonen, bald die Hälfte oder ein Vierteil des Endoſperms abtrennte und beobachtete, wie die daraus hervorgegangenen Pflanzen in ihrem Gewichte die Mitte hielten zwiſchen den aus ganzen Samen erhaltenen und denen, welche der Reſerveſtoffbehälter total beraubt worden waren. Das ſchließt natür— lich nicht aus, daß nachträglich ſolche Pflanzen unter günſtigen Um— ſtänden ſich noch erholen und bis zu normaler Fruchtproduktion ge— langen können, zumal wenn der Verluſt der Reſerveſtoffbehälter ein mäßiger geweſen iſt. Es tft daher erklärlich, daß Haberlandt') bis— weilen an Pflanzen, die aus Getreidekörnern erwachſen waren, die
) Keimungsgeſchichte der Schminkbohne. Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wiſſ. Wien 1859.
2) Ann. des sc. nat. 5 ser. T. II. pag. 107.
®) Ann. des sc. nat. 5 ser. T. XVII. pag. 205 fl.
) Landw. Jahrbücher 1876, pag. 145 fl.
5) Einfluß der Verſtümmelung der Getreidekörner auf die nachfolgende Entwickelung der Pflanze. Wiſſenſchaftlich-praktiſche Unterſuchung I. 1875, pag. 234.
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die Hälfte ihrer Reſerveſtoffe eingebüßt hatten, größere Körnermengen gewann als an ſolchen, denen nur der vierte Teil der Reſerveſtoffe genommen worden war.
Verluſt der Teile des Embryo. Ferner hat van Tieghem Vellſt (l. c.) die Abhängigkeit der einzelnen Organe des Embryo von einander e unterſucht. Die Reſultate waren bei endoſpermloſen Samen (Helian- thus annuus) wie bei endoſpermhaltigen (Mais, Mirabilis) dieſelben: wenn Achſenorgan, Wurzeln und Cotyledonen eines Embryo von ein— ander getrennt und normalen Keimungsbedingungen ausgeſetzt werden, ſo wächſt jeder dieſer Teile und vergrößert ſich, als ob er mit den anderen zuſammenhinge, aber nach kurzer Zeit gehen ſie zu Grunde, das Stengelchen erſt, nachdem es neue Nebenwurzeln gebildet hat.
Die Cotyledonen ergrünen, bekommen an der Schnittfläche kleine Neben— wurzeln, endlich eine Knoſpe, die zu einem Pflänzchen auswächſt; ſelbſt die Stücke halbierter oder gevierteilter Cotyledonen liefern unter Vernarbung der Schnittfläche neue Pflänzchen. Dagegen konnte Blociszewski (I. c.) an abgeſchnittenen Cotyledonen von Erbſen und Lupinen zwar Wurzeln, aber nie vollſtändige Pflänzchen erhalten.
Erſatz des Endoſperms durch ein künſtliches. Wie ſchon Künſtliches Gris (J. c.) beobachtete, fand auch van Tieghem, daß (bei Mirabilis) Endoſperm. ein des Endoſperms beraubter Embryo ſich in den erſten Tagen nor— mal zu einer Keimpflanze ausbildet; aber das weitere Wachstum unter— bleibt, indem die Knoſpe ſich nicht weiter entwickelt. Aber er fand auch die intereſſante Thatſache, daß für das weggenommene Endoſperm mit Erfolg ein künſtliches ſubſtituiert werden kann. Er hüllte näm— lich die nackten Embryonen von Mirabilis in einen Brei, der aus ihrem eigenen mit Waſſer zerriebenen Endoſperm oder auch aus Kar— toffelſtärke und Buchweizenmehl hergeſtellt worden war. Es bildeten z. B. nach 12 Tagen nackte Embryonen 35 mm lange Stengel mit unentwickelter Plumula und 15mm langen Cotyledonen, in Endoſperm— brei eingehüllte 60 mm lange Stengel mit 20 mm lang entwickelter Plumula und 25 mm lange Cotyledonen, während die normal ge—
\ keimten 70 mm lange Stengel mit 40 mm lang entwickelter Plumula
bekommen hatten. Es wurde auch konſtatiert, daß die Embryonen
einen Teil dieſer künſtlichen Nahrung aufnehmen, wenn auch be— deutend weniger als aus dem natürlichen und normal anhaftenden Endoſperm.
E. Verwundung der Wurzeln.
Jede Beſchädigung des Wurzelſyſtems iſt für die Pflanze nach- Verwundung teilig; die ſchädlichen Folgen derſelben ſind oben (S. 26) beſchrieben der Wurzeln.
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worden. Die Veranlaſſungen zu Wurzelverwundungen ſind ſehr mannigfaltig; letztere geſchehen teils durch den Fraß ſehr vieler Tiere, teils und vornehmlich durch Menſchenhand beim Kulturbetriebe, näm— lich überall, wo Pflanzen ausgehoben und verpflanzt werden.
Bei Holzpflanzen. Beim Verpflanzen der Holzgewächſe tritt naturgemäß die gröbſte Verletzung des Wurzelſyſtems ein, weil bei der weiten und tiefen Ausbreitung der Wurzeln dieſer Pflanzen ein Abreißen und Ab— ſtechen ſelbſt ſtärkerer Wurzeln oft, namentlich bei älteren Pflanzen, unvermeidlich iſt. Man nimmt ja hierbei auch gewöhnlich ſogar ein Beſchneiden der Wurzeln vor, indem die letzteren ſo gekürzt werden, daß ſich aus den ſtehen gebliebenen Wurzelteilen erſt wieder neue Saugwurzeln bilden müſſen. Da nun gerade die letzteren es allein ſind, welche der Pflanze Waſſer und Nahrung aus dem Boden zu— führen, ſo iſt der augenblickliche Nachteil dieſer Operation begreiflich. Bei Coniferen und Cupuliferen, wo die Saugwurzeln Mykorhizen ſind, hat das Beſchneiden der Wurzeln außerdem die Entfernung der als Amme bei der Ernährung des Baumes fungierenden Wurzelpilze!) zur Folge und es könnte denkbar ſein, daß beim Verpflanzen in einen andern Boden die betreffenden Wurzelpilze nicht vorhanden ſind und daher die Wieder— bildung der Mykorhizen verhindert oder wenigſtens verzögert wird. Jedes zweckloſe Beſchneiden der Wurzeln ſollte alſo vermieden werden. Beim Ausheben der Pflanzen, ſowie beim Transport und Einpflanzen muß die möglichſte Schonung des Wurzelballens beobachtet werden; bei Topfpflanzen müſſen gerade die äußerſten Wurzeln, welche ſich auf dem Boden und an den Wänden des Topfes ausbreiten, da ſie die jüngſten und thätigſten find, geſchont werden. Nicht zu umgehen tft das Beſchneiden der jungen Wurzeln, welche beim Ausheben gebrochen oder geknickt ſind, und es muß dies durch einen glatten Schnitt direkt oberhalb der beſchädigten Stelle geſchehen. Viele Holzpflanzen repro- 1 duzieren allerdings nach Zurückſchneiden der Wurzeln die Saug⸗ = wurzeln ziemlich leicht und bilden dann einen um jo dichteren Wurzel⸗ 7 ballen, was unter Umſtänden von Vorteil ſein kann. Da natürlich die Pflanze, jo lange fie nicht im Beſitze genügender Saugwurzeln iſt, auch ihren Aſten nicht die erforderliche Menge von Waſſer und Nahrung zuführen kann, ſo muß man den verſetzten Pflanzen, beſonders wenn es ältere oder gar ſchon höhere Bäume find, einen Teil der Aſte ab- ſchneiden, um dadurch ihren Waſſerbedarf auf ein geringeres Maß zu reduzieren; es werden dann eben zunächſt nur wenige Knoſpen zu neuen blättertragenden Zweigen. Es iſt ſogar möglich, erwachſene
122 II. Abſchnitt: Von den Wunden
) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik. Leipzig 1892 I, pag. 260.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 123
alte Bäume umzuſetzen; doch nimmt die Unſicherheit des Erfolges mit dem Alter des Baumes raſch zu. Am gefährlichſten für die Holz— pflanzen und daher ganz verwerflich iſt die Verpflanzung im völlig beblätterten Zuſtande, weil dann das Mißverhältnis zwiſchen Waſſer— verbrauch und Wurzelarbeit am größten iſt. Man verpflanzt daher die Holzpflanzen im blattloſen Zuſtande, alſo entweder im Herbſt oder Anfang Winter oder im zeitigen Frühjahr, möglichſt früh vor dem Knoſpenaustrieb, um für die Neubewurzelung möglichſt viel Zeit zu gewinnen. Für jüngere Gehölze iſt Herbſt- oder nicht zu ſpäte Früh— jahrspflanzung gleich günſtig; für einigermaßen ältere Pflanzen hat die Frühjahrspflanzung immer größere Gefahren als Verpflanzung im Herbſte oder auch im Winter mit gefrorenem Wurzelballen. So haben die vergleichenden Verſuche von Götze!) für Obſtbäume ergeben, daß dem Verpflanzen im Herbſt mit nachfolgendem Schnitt im Frühjahre der Vorzug gebührt. Für Waldbäume hat ſich herausgeſtellt, daß bei der Fichte der Verluſt für die im Juni, Juli, Auguſt und September ausgeführten Pflanzungen auf 16,3 Prozent, 16,0 Prozent, 19,2 Prozent, und 13,7 Prozent ſich ſtellten, während er aus den Pflanzungen der Monate April, Mai und Oktober 9,8 Prozent, 10,8 Prozent und 11,1 Prozent betrug. Bei der Kiefer ſtellte ſich der Verluſt im April ſogar noch auf 22 Prozent. Die Laubhölzer verhalten ſich nach den— ſelben Verſuchen bei Herbſtpflanzung viel günſtiger als die Nadelhölzer, bei denen Frühjahrspflanzungen vor und kurz nach dem Knoſpen— aufbruche am günſtigſten ſind ).
Beim Verpflanzen krautartiger Gewächſe zeigt ſich die Be— ſchädigung des Wurzelſyſtems ſehr deutlich daran, daß dieſe Pflanzen unmittelbar nach dem Umſetzen mehr oder minder ſtark welken, was ſelbſt durch reichliches Angießen der Pflanzen nicht zu verhüten iſt; bei trockenem Wetter gehen dadurch ſogar viele Pflanzen zu Grunde; beim Auspflanzen der Rüben, des Kohls, des Salates ꝛc. iſt das eine allbekannte Erſcheinung. Dieſes Welkwerden läßt ſich nur dann um— gehen, wenn man das Endſtück, in welchem ſämtliche Wurzeln ver— breitet ſind, im ganzen aushebt. Sobald man aber die Erde von den Wurzeln lockert, und ſelbſt wenn man dabei mit der größten Schonung verfährt, um keine Wurzel abzureißen, ſo wird man, ſelbſt wenn letzteres gelungen ſein ſollte, die Pflanze dennoch nach dem Wieder— einpflanzen zunächſt Welkungserſcheinungen zeigen ſehen. Es erklärt ſich dies aus der hierbei unvermeidlichen Zerſtörung der eigentlich auf—
) Zeitſchrift für Pflanzenkrankheiten. II. Band 1892, pag. 182. ) Deutſche Forſt⸗Zeitung, 13. November 1892.
Bei Kräutern.
Abweiden und Abmähen.
124 II. Abſchnitt: Von den Wunden
ſaugenden Organe der Wurzeln, nämlich der zarten Wurzelhaare, mit denen fie in großer Zahl bekleidet find. Beim Ausheben der Pflanzen werden dieſe entweder ganz abgeriſſen oder doch mechaniſch beſchädigt, weil dieſelben ja mit den Bodenpartikelchen innig verwachſen ſind. Ein in dieſer Weiſe verwundeter Wurzelkörper vermag daher unmittel— bar nachher nicht in genügendem Grade zu funktionieren; erſt dann, wenn die Wurzelſpitzen wieder ein neues, mit Haaren verſehenes Stück gebildet haben oder neue Seitenwurzeln entſtanden ſind, ver— ſchwindet mit dem Beginn erhöhter Wurzelthätigkeit der welke Zuſtand wieder.
F. Die Stamm- und Zweigverſtümmelungen.
I. Krautartige Pflanzen kommen infolge von Abweiden durch Tiere oder von Abmähen ſehr oft um ihren ganzen oberirdiſchen Stengel. Bei Pflanzen von einjähriger Dauer wird dann oft derſelbe nicht wieder erſetzt und die zurückgebliebene Wurzel ſtirbt ab. Peren— nierende Pflanzen erſetzen dagegen das Verlorene meiſt in vermehrter Anzahl durch Reproduktion neuer Sproſſe, von welcher S. 92 näher die Rede war. Es iſt allbekannt, daß viele ſolcher Pflanzen einen zwei- oder mehrfachen Schnitt gewähren. Nur iſt bezüglich der Zeit der danach eintretenden Reproduktion und bezüglich der Fähigkeit der Pflanze, wie oft ſie dieſe Operation aushält, folgendes zu bemerken. Diejenigen Pflanzen, deren Entwickelungsperiode an eine beſtimmte Jahreszeit geknüpft iſt, wie namentlich die eigentlichen Frühjahrs⸗ pflanzen, kommen durch Abſchneiden ihrer oberirdiſchen Teile um die Vegetation eines vollen Jahres, denn ſie treiben von neuem erſt, wenn im nächſten Frühlinge ihre natürliche Zeit gekommen iſt. Viele andre erſetzen noch in demſelben Jahre die verlorenen Triebe ein und ſogar mehrere Male, wie wir vom Klee und ähnlichen Pflanzen wiſſen, welche mehrmals im Jahre geſchnitten werden können. Eine peren— nierende Pflanze erträgt um ſo leichter einen mehrmaligen Verluſt ihrer grünen oberirdiſchen Organe, je ſpäter die letzteren wegge— nommen werden, alſo je länger ſie an den Pflanzen funktioniert haben. Denn dieſe ſind nötig, um die unterirdiſchen Organe zu er⸗ nähren, mit Reſerveſtoffen zu füllen, und ſie ſo in den Stand zu ſetzen, durch Bildung neuer Sproſſen die Pflanze zu verjüngen. Wenn man daher beharrlich die jungen oberirdiſchen Triebe bald nach ihrem Erſcheinen wieder wegſchneidet, jo findet keine Ernährung der unter- irdiſchen Teile jtatt, vielmehr werden dieſelben durch die wiederholte Bildung neuer Organe erſchöpft, und die Pflanze geht endlich aus. Deshalb iſt dies auch ein Mittel, um Unkräuter, bei denen das Aus⸗
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 125
roden der unterirdiſchen Teile ſich ſchwer bewerkſtelligen läßt, zu ver— tilgen. Durch geeignetes und rechtzeitiges Zurückſchneiden der Stengel kann man ſolche Pflanzen aber auch zu längerer Lebensdauer bringen, ſogar einjährige zu zweijährigen und ſelbſt mehrjährigen machen, indem infolgedeſſen der untere Teil des Stengels ſich verdickt und verholzt, wie z. B. bei der Reseda odorata.
II. Bei den Holzpflanzen kommen Verſtümmelungen von Knoſpen, Verſtümmelung Zweigen oder ſtärkeren Aſten durch ſehr viele Veranlaſſungen zu ie ſtande, und je nachdem reſultieren mannigfaltige Erſcheinungen. Es ſind hier folgende Fälle zu unterſcheiden:
1. Der künſtliche Schnitt, den man an Obſt- und Zierſträuchen Der'künſtliche zur Erziehung des Stammes und zur Regulierung der Krone und N beſonders an denjenigen Gehölzen anwendet, die zu lebendigen Zäunen und Hecken gezogen oder nach franzöſiſchem Geſchmack zu allerlei Formen zugeſtutzt werden. Daran ſchließen ſich auch die Verſtümme— lungen, die an ganz jungen Pflänzchen, z. B. in Saatkämpen, oder an ganz niedrigen Sträuchern, durch die Sichel beim Grasmähen, ſowie durch Zertreten, Zerfahren und ähnliche durch den Verkehr be— dingte Zerſtörungen herbeigeführt werden. Denn in allen dieſen Fällen werden die jüngeren Zweige der Pflanzen verſtümmelt, und überall it die Folge die, daß die oben (S. 93 ꝛc.) beſchriebenen Reproduktionen unter Austreiben vorhandener Knoſpen, die der Wunde zunächſt ſtehen, eintreten. Da beim Heckenſchnitt und beim Beſchneiden der Form— bäume auch an den neuen Trieben dieſelben Verſtümmelungen wieder— holt werden und dieſe immer wieder Reproduktionen nach ſich ziehen, ſo werden dieſe Pflanzen durch die Anhäufung der Knoſpen und Triebe immer dichter.
2. Das Verbeißen durch das Wild und durch vorübergehendes Verbeißen. Vieh. Hierbei werden die Spitzen oder auch größere Stücke der ein— jährigen Triebe der Holzpflanzen abgezwickt und gefreſſen. An den ſtehengebliebenen Zweigſtumpfen ſind dann häufig die Zahnſpuren der Tiere kenntlich. Das Wild, zumal das Reh, verbeißt beſonders im Winter bei Schnee, aus Mangel an andrer Nahrung, und geht ſowohl die kleinſten jüngſten Pflänzchen, als auch größere Individuen an, dieſe ſoweit als das Tier die Triebe erreichen kann. Für ganz junge Pflänzchen ſind dieſe Verſtümmelungen oft tödlich. Wenn Wild in Saatkämpen ein⸗ oder wenigjährige Kiefern verbeißt, jo gehen oft viele 5 derſelben ein!), während ein- bis dreijährige Fichten, denen oft nur
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) Ratzeburg, Waldverderbnis I, pag. 191.
126 II. Abſchnitt: Von den Wunden
die Spitzen abgezwickt werden, durch Reproduktion ſich retten!). Die letztere geſchieht auch beim Verbeißen überall auf dieſelbe Weiſe wie beim künſtlichen Schnitt aus ſchon vorhandenen Knoſpen, wie S. 93 X. beſchrieben worden iſt. Auch vom Verbeißen wird dieſelbe Pflanze oft jahrelang wiederholt betroffen, da das Wild die Gewohnheit hat, die einmal verbeizten Pflanzen immer wieder anzugehen. Die Dichte der Zweigbildung, die ſich infolge der ſteten Reproduktionen einſtellt, in Verbindung mit dem Umſtande, daß dieſer Einfluß immer nur ſoweit an der Pflanze ſich erſtreckt, als das Tier reichen kann, bedingt ge— wiſſe eigentümliche abnorme Strauchformen. Junge Gehölze werden nach langjährigem Verbeißen infolge der Anhäufung vieler kurzer Triebe zu immer gedrungeneren Strauchformen. Fichten ſehen aus wie dichte Perrücken oder Pyramiden; doch findet ſich leicht ein Gipfeltrieb, der vom Wild unerreicht, den Höhenwuchs aus der Pyramide heraus übernimmt. Ganz ähnlich verhält ſich die Kiefer. Ratzeburg?) berichtet von Kiefern, die auf einer Trift beſtändig von Schafen verbiſſen, nur auf dem Boden hingeſtreckte Stämme, mit kurzen, ſich erhebenden Trieben bekommen hatten und von ferne wie grüne Raſen ausſahen. Die Lärche wird nach Ratzeburg!) durch Verbeißen bald zu dichten, beſenförmigen Büſchen, aus denen aber immer Langtriebe hervorkommen, von denen ſchließlich einer zum Kronenaſte wird, der in der Mitte des Buſches ſich erhebt; oder ſie
bildet niedergeſtreckte Triebe, die wie ein großes Neſt ausſehen, aus
dem ſich endlich auch ein Höhentrieb emporarbeitet. Schon ganz junge Lärchenpflänzchen verbiſſen, bekommen die Neigung, die Aſte, die ſie bald nach dem Verbeißen proleptiſch treiben, horizontal auszubreiten. Unter den Laubhölzern vertragen Eiche, Rotbuche und Hainbuche viel— jähriges Verbeißen am beſten. Sie bilden wie auf einem Perrücken⸗ ſtocke ſtehend ein dichtes Neſt von Trieben oder werden zu dicht— buſchigen Krüppeln mit knickigen und ſperrigen Aſten; auch hier arbeitet ſich, wenn er verſchont bleibt, ein Gipfeltrieb heraus, wenn nicht, ſo bleibt die Pflanze jahrelang in der Strauchform. Junge Rüſtern werden nach mehrjährigem Biß durch ihre ungemein zahlreichen, büſchelig ſtehenden Erſatztriebe zu wirklichen Beſen. Alle ſolche verbeizte Büſche laſſen ſich wieder zum Höhenwuchs bringen, wenn man ſie beſchneidet, um den Trieb nach oben zu leiten, und ſie eingattert, um die Tiere abzuhalten. Eine Schwächung in der Bildung des Holzes, insbe— ſondere des Jahresringes nach Verſtümmelung von Zweigen iſt ſchon ) 1. c. pag. 258.
N. F pag. 193. ) I. e. II, pag. G6.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 127
vom theoretiſch-phyſiologiſchen Standpunkte zu erwarten, da ja dabei ein Verluſt grüner Blätter ſtattfindet. Ratzeburg!) hat denn auch durch Beobachtung die ſchwächere Bildung des Jahresringes nach Ver— beißen durch Wild an den verſtümmelten Zweigen feſtgeſtellt, ſo bei der Kiefer, der Lärche, der Tanne. ;
3. Abbiſſe und ähnliche Verſtümmelungen jüngerer Zweige durch andre Tiere, beſonders durch Inſekten. Eichhörnchen beißen im Herbſt und Winter an den Tannen und Fichten einjährige Zweiglein ab, um die Blütenknoſpen derſelben auszufreſſen und laſſen ſie dann fallen. Beſonders aber ſind es viele Inſekten, welche die jungen Zweige der Bäume in derſelben Weiſe förmlich abſtechen, ſo daß ſie herunterfallen oder ſie wenigſtens ſo verletzen, daß ſie ab— ſterben und dann noch eine Zeit lang im dürren Zuſtande ſtehen bleiben, was man bei den Nadelhölzern als Spieße bezeichnet. Auch dieſe Verletzungen können für junge Pflänzchen tödlich werden, während ältere wieder in derſelben Weiſe wie in den vorigen Fällen durch Reproduktion reagieren, woraus wiederum verſchiedene abnorme Baum— formen ſich ergeben, von welchen im ſpäteren Teile dieſes Buches bei den betreffenden Tieren bie Rede ſein wird.
Unter Abſprüngen verſteht man die Erſcheinung, daß ganze unver— ſehrte einjährige Triebe von den Bäumen ſich ablöſen und abfallen, ſo daß ſie bisweilen in großer Zahl den Boden rings um den Baum bedecken. Hieran ſind keine Tiere noch ſonſtige äußere Veranlaſſungen ſchuld, denn es handelt ſich hier um eine normale Erſcheinung ), die mit dem herbſtlichen Blattfall am nächſten verwandt iſt, denn wie dieſer kommen die Abſprünge durch eine organiſche Abgliederung zu ſtande, indem ſich an der Baſis oder unmittelbar über dem unterſten Internodium einjähriger, ſeltener mehr— jähriger Triebe eine Trennungsſchicht aus Korkgewebe bildet, welche die Abgliederung des noch friſchen, mit ausgebildeten Blättern verſehenen Zweiges im Sommer oder Herbſt zur Folge hat. Am häufigſten ſind ſolche Ab— ſprünge bei Taxodium, wo ſie eine regelmäßige Erſcheinung ſind, ferner bei Quercus, Populus, Salix; auch bei der Fichte kommen unzweifel— haft wirkliche Abſprünge vor, welche nicht von den Eichkätzchen bewirkt werden und die beſonders nach Stürmen in Menge abfallen; auch bemerkt man ſie, wenn auch minder häufig, bei vielen andern Holzgewächſen. Dieſe von ſelbſt ſich ablöſenden Abſprünge ſind im allgemeinen ſchwächliche Zweige, die im Verhältnis zu andern ein ſchwaches Wachstum zeigen, für den Weiterbau des größeren Zweiges, an dem ſie ſitzen, überflüſſig ſind und ſich daher aus dem Verbande des Ganzen löſen. Sie tragen offenbar mit zur Erzeugung der typiſchen Baumgeſtalt mancher Gehölze bei, laſſen aber pathologiſche Folgen wohl nicht erkennen, daher wir ſie hier nicht weiter berückſichtigen.
1) 1. c. I, pag. 194 und II, pag. 25, 67. 2) Man vergl. Röſe und Gonnermann in Bot. Zeitg. 1865, Nr. 14, 41 und 34; ſowie Ratzeburg, Waldverderbnis, I, pag. 219.
Abbiſſe.
Abſprünge..
Gipfel- und Aſtbruch.
Folgen für die Ernährung.
Reproduktionen.
Kopfhölzer.
128 II. Abſchnitt: Von den Wunden
4. Gipfelbruch, Aſtbruch, Aſtung. Die hier genannten Ver— wundungen betreffen größere alte Aſte der Bäume. Sie treten ein teils infolge von Witterungsphänomenen, wie Blitzſchlag, Wind. und Schneebruch, teils bei gewiſſen Kulturmethoden, nämlich beim ſoge— nannten Ausäſten oder Aufäſten der Baumkronen und bei der Zucht der Koſpfhölzer. Erſteres iſt entweder eine Grünäſtung, wobei noch lebende Aſte abgeſägt, abgehackt oder abgebrochen werden, oder eine Trockenäſtung, wenn ſie ſich auf ſchon vollkommen trockene und tote oder dürr werdende Aſte bezieht. Zur letzteren iſt auch ein von ſelbſt eintretender Prozeß zu rechnen: die Reinigung des Stammes von den unteren Aſten, wenn die Bäume im geſchloſſenen Beſtande ſtehen, indem hier infolge des Lichtmangels die Blätter derſelben ſich und den Aſt nicht mehr genügend ernähren, ſo daß deſſen Gewebe in— folge der Funktionsloſigkeit abſterben, der Aſt vertrocknet und von ſelbſt abbricht oder durch Ausäſten entfernt wird.
Die Folgen, welche der Verluſt lebender Aſte für den Baum über— haupt hat, müſſen ſelbſtverſtändlich in einer Verminderung der Er— nährung beſtehen, die um ſo bemerkbarer ſein wird, je größer der Verluſt an aſſimilierenden Organen iſt. Bei ſtarken Aſtungen kann daher der Zuwachs in den unteren Baumteilen ganz aufhören und ſelbſt— verſtändlich wird dann auch die Überwallung der Aſtwunden verzögert aus Mangel an aſſimilierten Bildungsſtoffen. Es iſt daher ratſam, ſtarke Aſtungen nicht auf einmal, ſondern nach längeren Ruhepauſen vorzunehmen.
Die Reproduktionen, die nach dieſen gröberen Verwundungen ein— treten, geſchehen, wie wir S. 99 geſehen haben, durch Adventiv— knoſpen nahe unterhalb der Wundſtelle; jedoch verhalten ſich wegen der ungleichen Fähigkeit, ſolche Knoſpen zu bilden, Laubbäume und Nadelbäume hierin im allgemeinen verſchieden. |
Da die Laubhölzer unter den Wundſtellen jo alter Teile leicht eine Brut von Adventivknoſpen erzeugen, aus denen ſich Zweige entwickeln, die nach und nach zu neuen Aſten erſtarken, ſo beruht darauf die Zucht der Kopf- hölzer, zu denen ſich beſonders Weiden, Pappeln und Buchen eignen. Der Stamm wird ſeiner Spitze beraubt; unter der Schnittfläche treiben neue Zweige aus, die man nach einer Reihe von Jahren abermals an ihrer Baſis köpft, worauf neue Adventivknoſpen daſelbſt gebildet und ge— weckt werden. Indem dies nun immer wiederholt wird, wächſt der kurze Stamm mit zunehmendem Alter zu anſehnlicher Dicke heran, trägt aber auf ſeinem durch die fortwährenden Verwundungen mehr oder minder un— förmig erweiterten Kopfe nur verhältnismäßig dünne, einander gleichſtarke Aſte in meiſt ungewöhnlich großer Anzahl. Die Verdickung des Kopfes rührt auch mit von einer Art Überwallung her, die von der Baſis der zahlreichen Lohden ausgeht und welche die alten Stumpfe einzuhüllen ſucht
ET
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 129
und immer wieder neuen Adventivknoſpen den Urſprung giebt. Die ſo er— zeugte Holz- und Rindenmaſſe des Kopfes ſenkt ſich daher allmählich von oben über den Stamm herab. Sie hat eine ſehr unebene Oberfläche, Hervorragungen, die teils berindet, teils ſchon entrindet ſind. Im letzteren Falle zeigt ſich das bloßliegende Holz als Maſerholz, wie es ſtets bei reich— licher Adventivknoſpenbildung ſich entwickelt. Die Rinde des Kopfes iſt grindartig grob getäfelt. Die ſchließlich ſich ergebende Baumform hängt übrigens noch davon ab, wie lange man die Aſte bis zum Abſchlagen ſtehen läßt und ob man ſpäterhin die Aſte ungeſtört ſich fortentwickeln läßt oder nur dieſe dem Kopfſchnitt unterwirft. Bei denſelben Laubhölzern wird die Neigung, unter den Wundflächen ſich durch, Adventivknoſpen zu verjüngen, auch nach dem ſogenannten Kappen ſtarker Aſte in der normalen und übrigens unverletzt bleibenden Krone bemerklich. Es tritt dann unter den Schnitt- oder Bruchſtellen oft eine reiche Brut von Adventivknoſpen auf, aus denen dicht gedrängt ſtehende Zweige hervorgehen können, wie es beſonders an den Pappeln, Roßkaſtanien, Linden ꝛc. ſehr gewöhnlich iſt.
Bei den Nadelhölzern tritt nach allen hier genannten Verwundungen meiſt gar keine Bildung von Adventivknoſpen und ſomit keine Erneuerung von Aſten auf; nur ſelten kommt hier und da ein kümmerliches Zweiglein, aus adventiver Bildung bervorgegangen, zur Entwickelung. Wenn eine Konifere ihren Gipfeltrieb verliert, ſo iſt es einer der ſchon vorhandenen Seitentriebe nahe der Spitze, der ſich geotropiſch aufwärts krümmend und kräftiger wachſend allmählich an die Stelle des verlorenen Haupttriebes tritt, wie an entgipfelten Fichten und Tannen oft zu ſehen iſt. Selten werden wohl auch zwei oder mehr Seitentriebe zugleich in dieſer Weiſe beeinflußt, ſo daß der Stamm ſpäter von einem gewiſſen Punkte an zwei— gipfelig erſcheint. Schübeler) berichtet von Fichten in Norwegen, welche geköpft worden waren und an denen darnach aus den oberſten horizontalen Aſten zwei bis fünf regelmäßige kleine Bäume emporgewachſen waren, ſo— wie von einer andern ſehr alten Fichte, an welcher der Stamm durch die Mitte der Krone verfolgt werden konnte und in einer Höhe von ungefähr 2 m über dem Boden 12 Aſte aus dem Stamme hervorgewachſen waren, von denen einzelne ſich bis 3,1 m in horizontaler Richtung ausſtreckten, ehe ſie ſich nach oben richteten, und die alle wie beſondere Fichtenbäume aufgewachſen waren. Wenn der Nadelholzſtamm ſeitliche Hauptäſte ver— liert, ſo tritt auch meiſtens keine Reproduktion durch Adventivknoſpen ein; der Stamm behält die Aſtſtumpfe oder die ſtehen gebliebenen trockenen Spieße und gleicht die Verzweigungsfehler nicht aus. Eine Ausnahme macht die Lärche, welche gleich einem Laubholz um dieſe Wundſtellen reich— liche Knoſpen entwickelt. Wo man dieſem Baume durch ſogenanntes Schneideln Hauptäſte von unten an weggnimmt, da bedeckt ſich der Schaft wieder bürſtenförmig mit zahlreichen neuen Trieben, die um die Wund— ſtellen hervorbrechen 2).
Wenn die Einflüſſe, welche die Bäume in dieſer Weiſe verſtümmeln, Krüppelbäume ſich fortwährend wiederholen, dann erreichen die Verzweigungsfehler ihren der Baumgrenze: höchſten Grad. So ſehen wir die im Vorſtehenden bezeichneten Ver— wundungen in allen ihren Formen und Kombinationen ganz beſonders
Verhalten der Nadelhölzer.
) Pflanzenwelt Norwegens, pag. 167. ) Vergl. Ratzeburg, Waldverderbnis II, pag. 52. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 9
Wundfaule.
130 II. Abſchnitt: Von den Wunden
in den Krüppelformen der Bäume an der Baumgrenze auf den Gebirgen und im Hochnorden, desgleichen an den Meeresküſten. Hier ſind es vorwiegend die dort herrſchenden ſtarken Stürme, welche immerfort Gipfel und Aſte brechen und dadurch die für jene Gegenden charakteriſti— ſchen Baumgeſtalten hervorbringen. Auch Lawinenſtürze können ganz ähn— liche Wirkungen haben. Das Nähere über die dadurch zu ſtande kommen— den Pflanzenformen iſt im Kapitel über die Wirkungen der Luftbewegungen und der Niederſchläge zu finden.
Sehr groß ſind bei dieſen anſehnlichen Wunden für den Baum die Gefahren, welche die danach eintretende Wundfäule mit ſich bringt. Das Theoretiſche über die letztere iſt bereits S. 101 erörtert worden. Beſonderes praktiſches Intereſſe haben die Aſtwunden, weil ſie für die Geſundheit und für den techniſchen Wert des Stammholzes gefährlich ſind. Die Folgen dieſer Wunden ſind daher auch vielfach erörtert worden, beſonders von Göppert!) und von R. Hartig), denen die folgenden Angaben entlehnt ſind. Nur waren dieſe Beob— achter über die erſten Stadien der Wundfäule im Irrtum, da ihnen die von mir aufgeklärte Bedeutung des Schutzholzes (S. 31) noch unbekannt war, welches ſie daher mit den Zerſetzungserſcheinungen des Pilzes verwechſelten. Die gefährlichſten Wunden ſind die Aſt— ſtumpfe, wie ſie infolge des natürlichen Abſterbens der unteren Aſte im Hochwalde, infolge von Windbrüchen u. dergl. und bei regel— widriger Aſtung, d. h. wenn der Aſt nicht dicht am Stamme abge- nommen wird, entſtehen. Da, wo ſie bald nach ihrem Abſterben leicht abbrechen, wie bei Kiefern, iſt dies noch nicht ſo gefährlich als da, wo ſie lange ſtehen bleiben, denn dann verhindern ſie, daß die vom Stamme oder von der lebend bleibenden Aſtbaſis ausgehende Über— wallung ſich ſchließt und bieten alſo die günſtigſten Einzugspforten für atmoſphäriſches Waſſer und ſaprophyte Pilze dar. Zunächſt liegt die ſchwarzbraune Grenze des abgeſtorbenen Aſtholzes an der Baſis des Aſtes. Der Aſtſtumpf wird in der Regel unter Beteiligung von Fäulnis⸗ pilzen zerſetzt, und wenn er endlich durch eigene Schwere oder durch Schneeanhang abfällt, ſo bricht er aus der Aſthöhle heraus. Die Vertiefung, welche er hinterläßt, wird nun nach und nach durch Über- wallungswülſte geſchloſſen. Aber das inzwiſchen in die Höhle ein— dringende Waſſer zerſetzt die noch zurückgebliebenen Reſte des Aſtes und verwandelt ſie in ſchwarzbraunen Humus. Dieſe ausgefaulten Aſthöhlen, die endlich durch die Überwallung ganz verſchloſſen und verborgen werden können und mehr oder weniger tief in das Stamm- holz hineinragen, vergrößern ſich zwar nach Verheilen der Wunde
) Über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume, pag. 59—68. 2) J. c. pag. 68, 133 ff.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 131
nicht mehr, beeinträchtigen aber jedenfalls die Verwendbarkeit des Holzes. Wenn das Kernholz des Aſtes der Zerſetzung länger wider— ſteht als das Splintholz, wie es z. B. bei der Eiche nicht ſelten iſt, ſo wird das Abfallen des Aſtſtumpfes verzögert und derſelbe wächſt tiefer in das Innere des Baumes ein; und auch, wenn das Splint— holz völlig verfault iſt, ſo hindert das ſtehen gebliebene Kernholz den Verſchluß der Aſthöhle durch Überwallung, und fo kommen mit zu— nehmender Stärke des Stammes die ausgefaulten Hohlräume immer tiefer in den Stamm zu ſitzen und vermindern deſſen Wert um ſo mehr. Bei den Nadelhölzern wirkt die ſtarke Verkienung der Aſt— ſtumpfe der Zerſetzung entgegen; nichtsdeſtoweniger zeigen ſie durch ihre mehr oder minder ſtarke Schwarzfärbung die eingetretene Wund— fäule an, die ſich auch bei der Verarbeitung des Holzes an den ſoge— nannten toten oder ausfallenden Aſten zeigt, indem nach der Ver— flüchtigung des Terpentins der Aſt ſich als mürbe und locker erweiſt.
Die Schnittflächen dicht am Stamme abgeſägter ſtärkerer Aſte find minder gefährlich. Denn durch ein Abſägen trockener Aſte und Aſtſtumpfe, wenn es glatt an der Oberfläche des Stammes geſchieht (Trockenäſtung), wird die Bildung der eben beſchriebenen Aſt— höhlen bei den Laubhölzern, desgleichen die Entſtehung jener ausfallenden Aſte bei den Nadelhölzern vermieden. Schwächere trockene Aſte fallen, ohne irgend erheblichen Schaden zu hinterlaſſen, von ſelbſt ab. Jedoch ſind bei allen Grünäſtungen zur Saftzeit ſowohl bei Laub- wie bei Nadelhölzern die leicht eintretenden Rindeverletzungen oft Ausgangs— punkte von Wundfäule. Wenn nämlich beim Abſägen des Aſtes, be— ſonders am unteren Rande der Wunde, die Rinde ein Stück vom Stamme mit losgelöſt wird, ſo ſtirbt in dieſer Ausdehnung die Cam— biumſchicht ab. Indem die umgebenden Teile eine neue Holzſchicht bilden, entſteht an jenen Stellen ein Zwiſchenraum zwiſchen Holz und Rinde, in welchem ſich Regenwaſſer ſammelt, Fäulnispilze vegetieren und Zerſetzungsprodukte ſich bilden, welche in das Holz, beſonders durch die Markſtrahlen eindringen und dieſes mehr oder weniger tief nach innen bräunen. Auf dem radialen Längsſchnitt durch den Stamm läuft dann ein brauner Streifen im Holze von der Wunde aus ab— wärts zwiſchen der nach der Verwundung gebildeten Splintſchicht und dem älteren Holze. Dies erſtreckt ſich nicht nur in der Ausdehnung, in welcher die Rinde bei der Aſtung losgelöſt worden war, ſondern nach und nach noch tiefer, R. Hartig fand dies bei Eichen zuweilen 3—4 m weit abwärts. Nach demſelben Beobachter erfolgt die Bräunung bei Aſtung im Frühjahr im Holze des Vorjahres, bei Sommeräſtung da- gegen im Holze desſelben Jahres, ſo daß im letzteren Falle die danach
9 *
182 II. Abſchnitt: Von den Wunden
ſich bildende zweite Hälfte des Jahresringes normal bleibt, indem immer nur das im Augenblicke der Verwundung bereits gebildete Holz ſich färbt. Man kann danach leicht jede Sommeräſtung als ſolche erkennen, jedoch Frühlings- oder Herbſtäſtung nicht unterſcheiden. Auch bei Fichten fand R. Hartig nach Sommeräſtung dieſelbe Bräunung, und zwar von der Schnittwunde aus durch den ganzen Baum bis nahe zu den Wurzeln verfolgbar. Sobald durch Überwallung die Schnittflächen geſchloſſen ſind, iſt auch für dieſe Wunden eine weitere Gefahr vorüber. Die Vollendung der Überwallung wird nun aber am meiſten verzögert oder ganz ver— eitelt bei den großen Wunden, die nach Gipfelbruch, nach Verluſt ſehr ſtarker Aſte und alſo auch bei den Kopfhölzern vorhanden ſind. Hier kommt hinzu, daß dieſe Wundflächen ungefähr horizontal ſind, ſo daß das Regen- und Schneewaſſer leicht in ſie eindringt. Die Folge iſt, daß ſich die Zerſetzung tief in den Stamm herab fortſetzt und raſch verläuft, daß alſo der Stamm im Innern bis zu beträchtlicher Tiefe ausfault. Es entſtehen auf dieſe Weiſe die hohlen Baumſtämme. Daher werden bekanntlich die Kopfweiden gewöhnlich alle ſehr bald hohl; und auch nach Gipfelbruch oder nach dem Kappen ſtarker Aſte kommt es oft zu dieſem Erfolge. Der Stamm kann ſoweit ausfaulen, daß nur ein dünner, aus dem jüngeren Holze beſtehender Mantel zurückbleibt, der in dem Maße, als er außen durch Cambium neues Holz bildet, von innen her ſein altes Holz durch Fäulnis verliert. Die innere Wand des hohlen Baumes iſt mit Holz in allen Stadien der Zerſetzung bekleidet und ſeine Höhle mehr oder weniger mit den humiſizierten Endprodukten der Wundfäule, einer heller oder dunkler braunen Baumerde, erfüllt. Hohlwerden tritt an Bäumen mit weichem, leicht zerjeßbarem Holze, wie Weiden, Pappeln, Linden, eher und häufiger ein, als an Bäumen mit härterem Holze, wie Eichen, Buchen u. dergl. Bei Fichten bleiben oft die verkienten, daher reſiſtenten quirlförmigen Aſte bis zu ihrer Baſis in der ausgefaulten Höhle des Stammes ſtehen ). An den Stellen, wo die Fäulnis das Holz ganz zerſtört hat, ſowie da, wo anderweite äußere Stammwunden hinzugetreten ſind, wird die Höhle des Baumes nach außen geöffnet; ſchließlich kann der Stamm ſich ſpalten oder wirklich in einzelne Teile der Länge nach zerriſſen werden, die noch immer fortleben können, ſo lange ſie geſundes Holz haben und mit Wurzeln in Verbindung ſtehen. Mit Hilfe der noch thätigen Cambiumſchicht und der Überwallungen führt der hohle Baum oft lange den Kampf zwiſchen Heilung und Zerſetzung fort, der ſich immer mehr zu gunſten der letzteren wendet, bis der
) Göppert, I. c. pag. 13, Taf. IV. Fig. 2.
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3 8 er r
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 133
nächſte ſtarke Sturm den Baum zu Fall bringt. Hierher gehören auch die Folgen, welche das Wegnehmen eines Zwillingsſtammes der Fichte (hervorgegangen aus einem doppelten Höhentrieb, wie ihn junge Fichten nicht ſelten annehmen) für den ſtehen bleibenden Stamm haben, indem, wenn derſelbe nicht früh genug, ſondern erſt im 20 bis 30 jährigen Alter weggenommen wird, ſeine zurückbleibende Baſis ſich gerade wie ein Aſtſtummel verhält. Sie ſtirbt ab, wird durch Fäul— nis zerſtört und hinterläßt am Fuße des Stammes eine offene Wunde; von dort aus kann ſich die Wundfäule auf den Holzkörper des ſtehen— den Stammes verbreiten und kommt erſt zum Stillſtand, wenn der Stamm die Wunde allſeitig umwachſen und eingeſchloſſen hat.
Die Heilung der in Rede ſtehenden Wunden wird, wie erwähnt, durch Überwallung (S. 74) angeſtrebt. Nur ſo lange, als ein Aſt noch am Leben iſt, wächſt ſein Holzkörper in die Dicke. Da ſeine Cambiumſchicht unmittelbar in diejenige des Stammes ſich fortſetzt, ſo bilden auch ſeine Holzringe die Fortſetzungen derjenigen des Stammes. Sobald aber die Cambiumſchicht des Aſtes abſtirbt, ſo wird dadurch für diejenige des Stammes ringsum die Aſtbaſis eine Unterbrechung bedingt, die einer Verwundung gleichbedeutend iſt; es bildet ſich eine Überwallung, die ſich über den Aſtſtumpf zu ſchieben und ihn endlich einzuſchließen ſucht, wobei ſie die Form einer Ellipſe annimmt, indem die Holzfaſern der Überwallungsſchichten ſchief zur Seite um den Aſt— ſtumpf ausbiegen. Dabei wird natürlich kein organiſcher Zuſammen— hang zwiſchen der Überwallung und dem toten Aſtſtumpfe hergeſtellt, auch wenn dieſer endlich ganz eingeſchloſſen werden ſollte. Die lange Dauer aber, die bis zu dieſem Zeitpunkte vergeht, iſt der Grund, daß oft Fäulnis eintritt, bevor ihn die Überwallung eingeſchloſſen hat; nur
Überwallung.
bei den Koniferen pflegen die Aſtſtumpfe zu verkienen und dadurch jo
konſerviert zu werden, daß man ſie gewöhnlich noch unverändert tief im Holze eingeſchloſſen findet. Anders iſt der Erfolg, wenn die Baſis eines abgeſtorbenen Aſtes am Leben bleibt und vom Stamme aus ſeitlich ernährt wird. Nach R. Hartig) iſt dies gerade ein ſehr häufiger Fall bei abgeſtorbenen Aſten. Da die Cambiumſchicht des Stammes ſich unmittelbar in diejenige der lebenden Aſtbaſis fortſetzt, ſo gehen auch die neuen Holzringe, die der Stamm bildet, auf die Aſtbaſis über, und dieſe verdickt ſich ebenfalls. Hier iſt alſo das Ein— wachſen des Aſtſtumpfes ein ganz andrer Prozeß; es tritt eine orga— niſche Verwachſung zwiſchen dem Stammholz und dem Aſtſtumpf ein, und der Baum ſchützt gleichſam dadurch ſein Inneres vor toten Aſten.
) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 68, 133, Taf. XIX, Fig. 2.
Verluſt des Stammes.
134 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Die abgeſtorbenen Aſtſtumpfe verzögern die Überwallung, weil eine um
ſo längere Zeit bis zum Schluſſe derſelben erforderlich iſt, je weiter
vom Stamme entfernt ihre Bruchſtelle ſich befindet. Dagegen erfolgt
die Überwallung am raſcheſten, wenn der Aſt hart am Stamme ab—
geſägt iſt, weil hier nur eine in der Oberfläche des Stammes ſelbſt
liegende Schnittfläche zu ſchließen iſt. Erwähnenswert iſt die Form,
in welcher die Überwallung an hohlen Bäumen eintritt. Wenn die
Höhle eines ſolchen Stammes ſich nach außen geöffnet hat, der Baum— 1 ſtamm der Länge nach ſich ſpaltet oder vom Sturm in mehrere Teile 1 zerriſſen wird, jo bildet ſich an den Rändern eine Überwallung, durch 1 welche nach und nach auch die Innenſeite des hohlen Baumes, wenigſtens 5 ſtellenweiſe ſich berindet und die einzelnen Teile dann gleichſam wie beſondere Stämme ſich ringsum verdicken. An alten hohlen Linden iſt ' dieſe Erſcheinung bisweilen zu finden. An ſolchen Überwallungen können 1 ſich Adventivknoſpen oder Adventivwurzeln bilden, letztere beſonders N durch die Feuchtigkeit des mit Baumerde erfüllten Innern begünſtigt. N Der Baum treibt in ſolchem Falle Aſte und Wurzeln in die Höhlung 0 ſeines eigenen Stammes. Die Bildung derartiger Luftwurzeln iſt in 3 hohlen Weiden nicht ſelten; ferner tft fie beobachtet worden an Linden )),
Birken), Eberejchen?), von mir an einer Roßkaſtanie.
5. Stammabhieb. Es wurde ſchon oben erwähnt, daß der Ver— luſt des Baumſtammes über der Wurzel für die Koniferen im allge— meinen tödlich iſt, weil dieſe Bäume unfähig ſind, am Stammſtumpfe Adventivknoſpen zu bilden, während dieſe Fähigkeit bei den Laub— bäumen vorhanden iſt und hier die Bildung der Stock- oder Wurzel— ausſchläge bedingt. Auf dieſer Fähigkeit der Laubhölzer beruht die Niederholzzucht in der Forſtwirtſchaft, ſowie die Erziehung des Band— holzes der Weide, welches aus einem der Stammſpitze beraubten Weidenſteckling hervorſproßt. Die Nadelhölzer eignen ſich aus dem oben angeführten Grunde hierzu nicht. Eine, wenn auch nur ſcheinbare Ausnahme von dieſer Regel zeigt ſich bei dem Überwallen der Tannenſtöcke, einer in Tannenbeſtänden nicht ſeltenen Erſcheinung, die darin beſteht, daß die Schnittfläche am Rande ringsum eine Ülber- wallungswulſt erzeugt, welche Jahrzehnte lang fortwachſen kann, ob— gleich keine Stockausſchläge mit Blättern vorhanden ſind, welche die aſſimilierten Nahrungsſtoffe erzeugen könnten, die zu dieſen Neu⸗
) Schacht, Anatomie und Phyſiologie der Gewächſe, II., pag. 84.
2) Vergl. die verſchiedenen derartigen Bildungen, welche in Norwegen beobachtet worden ſind, bei Schübeler, Pflanzenwelt Norwegens, pag. 185.
3) Schübeler, I. c. pag. 344.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 135
bildungen erforderlich find. Göpperty) hat die Erklärung hierfür gegeben, indem er fand, daß die Wurzeln ſolcher überwallter Stöcke ſtets mit den Wurzeln einer benachbarten noch ſtehenden Tanne ver— wachſen ſind, daß ſolche vegetierende Stöcke mit der Fällung dieſes zweiten Baumes zu Grunde gehen, ſowie, daß an iſoliert ſtehenden Tannenſtöcken keine Überwallung ſich bildet, woraus hervorgeht, daß der Stock ſich nicht ſelbſtändig ernährt, ſondern ſeine Nahrung aus dem noch ſtehenden Baume erhält. Nach Göppert's ) weiteren Beob— achtungen kommt die Erſcheinung auch an Fichten und Lärchen, aber nicht an Kiefern und auch nur dann vor, wenn ſolche Stämme mit den Wurzeln benachbarter Bäume verwachſen ſind, und es vermögen ſogar Fichten Weißtannen und umgekehrt Tannen Fichten zu über⸗ wallen. Th. Hartig beobachtete jedoch auch an einer Lärche, welche einzeln auf einer Waldblöße ſtand, eine Überwallung des Stockes; hier war eine Ernährung durch andre Baumwurzeln ausgeſchloſſen; viel— leicht giebt die durch mich bekannt gewordene, allgemein verbreitete Er— nährung der Waldbäume durch die Wurzelpilze der Mycorhizen hierfür eine Erklärung. Die Annahme, daß noch ſoviel Reſervematerial in den Wurzeln vorhanden geweſen iſt, dürfte kaum zur Erklärung aus reichend ſein. Sorauers) will es aus dem Chlorophyllgehalte der jungen Überwallungsränder erklären.
G. Die Entrindungen der Stämme.
Um zu beurteilen, welche Folgen die verſchiedenartigen Formen Verwundungen der Entrindungen der Stämme nach ſich ziehen, muß man ſich der Rinde. der phyſiologiſchen Rolle bewußt ſein, welche die Rinde des Baum— ſtammes ſpielt; auf ſie iſt S. 26 kurz hingewieſen worden. Beſonders zur Erklärung der verſchiedenartigen Überwallungserſcheinungen, welche ſich an den Rändern der Rindenwunden einſtellen, iſt es nötig, feſt— zuhalten, daß die aſſimilierten Nährſtoffe, welche zu allen Neubildungen, alſo auch zu dieſen Überwallungen gebraucht werden, in den Blättern erzeugt und von dort aus in der Rinde herabgeleitet werden. Daher ſehen wir in der Regel nach Ringelwunden, dem ſogenannten Ringeln oder dem Ringſchnitt, wobei alſo die Rinde im ganzen Umfange des Stammes bis auf das Holz ringförmig abgenommen wird, nur am oberen Wundrande eine Überwallung ſich bilden, welche, da die abſteigenden Nährſtoffe hier aufgehalten werden, zu einer ſtarken Wulſt
1) Beobachtungen über das Überwallen der Tannenſtöcke. Bonn 1842. 2) Sitzungsber. d. Geſellſch. naturf. Freunde zu Berlin. 16. April 1872. 3) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I, pag. 544.
136 II. Abſchnitt: Von den Wunden
anſchwillt, welche ſich langſam über die Ringelwunde nach unten ſchiebt und früher oder ſpäter den unteren Wundrand erreichen kann, womit die Verheilung der Wunde ihren Abſchluß erreicht hat. Be— findet ſich die Ringelwunde ziemlich nahe am Boden oder ſonſt in feuchter Umgebung, ſo werden auch leicht Adventivwurzeln an dieſem Überwallungswulſt oder nahe über demſelben gebildet. Dagegen iſt von derartigen Bildungsthätigkeiten am unteren Wundrande nichts zu bemerken. Es fehlt eben hier an dem Zufluß der dazu erforderlichen aſſimilierten Nährſtoffe; ja der ganze unter der Ringelwunde befind— liche Teil des Stammes und das Wurzelſyſtem, und ſomit die ganze Pflanze ſterben nach einiger Zeit ab, wenn nicht inzwiſchen die Über— wallung den Weg für die abſteigenden Nährſtoffe wieder hergeſtellt hat oder der Stamm unter der Wunde durch Knoſpenbildung wieder einen Neuausſchlag bekommen hat. Indeſſen ſind die Bildungs— thätigkeiten, welche ſich am oberen Rande einer Ringelwunde einſtellen, nicht allein die Folgen der Unterbrechung des Nahrungszufluſſes. Sie ſind analog den Regenerationserſcheinungen, welche am unteren Ende abgeſchnittener Sproſſe überhaupt einzutreten pflegen; denn der abgeringelte Stamm iſt zu vergleichen einem iſolierten Sproſſe, der ja auch an ſeinem unteren Ende Gallus und Adventivwurzeln erzeugt. Anderſeits entſprechen die Erſcheinungen, welche am unteren Rande der Ringelung eintreten, oft denjenigen, welche ein verſchnittener Sproß in der Nähe ſeiner Schnittfläche zeigt: es werden oft ziemlich bald eine oder einige ruhende Knoſpen, die etwa in der Nähe ſich befinden, ge— weckt und erſetzen den abgeringelten Trieb durch neue; dann wird auch oft der abgeringelte Trieb wirklich preisgegeben, d. h. die Pflanze verhält ſich ſo, als ob dieſer Trieb wirklich abgeſchnitten worden wäre, es bildet ſich an der Grenze desſelben Schutzholz (S. 31); dadurch wird natürlich die Waſſerverſorgung des über der Ringelung befind— lichen Teiles der Pflanze vereitelt und das iſt der Grund, warum nicht ſelten die Ringelungen nach einiger Zeit das Vertrocknen des über der Wunde befindlichen Teiles der Pflanze zur Folge haben. — Werden dünnere Aſte einer älteren Holzpflanze geringelt, jo find auch unterhalb der Ringelwunde beblätterte Zweige vorhanden und es ſind alſo die unter der Wunde befindlichen Teile des geringelten Aſtes nicht von der Zufuhr aſſimilierter Nahrung abgeſchnitten; die Ringelung hat hier nur den Erfolg, daß alles aſſimilierte Material, welches von den oberhalb der Wunde ſitzenden Blättern erzeugt worden iſt, auch dort zurückgehalten wird und dem Fruchtanſatz des geringelten Aſtes zugute kommt. Dieſe Art des Ringſchnittes wird daher bisweilen
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3. Kapitel: Die Verwundungsarten 137
von den Gärtnern angewandt, um mehr und beſſere Früchte am Frucht— holze zu erzielen. Auch das Einkerben des Aſtes, was in einer ein— ſeitigen Ringelung beſteht, hat für die über der Kerbe ſtehenden Knoſpen derartigen Erfolg. Wenn die Entrindung nur einſeitig gemacht wird, ſo tritt, da die Kommunikation der leitenden Gewebe nicht unterbrochen iſt, auch keine Atrophie der unteren Teile ein. Ebenſowenig iſt dies der Fall, wenn Rindenwunden abwechſelnd rechts und links übereinander hergeſtellt werden, oder wenn ein Rindenſtreif ſpiralig den Stamm umlaufend abgenommen wird, weil die Wanderung der Stoffe auch in ſchiefer Richtung ſtattfinden kann. Nur findet hier immer eine relativ ſtärkere Ernährung des oberen Überwallungswulites ſtatt, worin ſich wiederum die Abwärtswanderung der in den Blättern ge— bildeten aſſimilierten Stoffe ausſpricht. Solche ſpiralige Rindenwunden kommen auch natürlich vor, nämlich wenn ein Baumſtamm von dem holzigen Stamme einer Schlingpflanze (3. B. Lonicera capri- folium) umwunden iſt, weil dann infolge des Dickenwachstums des Stammes die Schlingpflanze in die Rinde desſelben ſchließlich ein— ſchneidet.
Wir betrachten hier die Entrindungen, welche bei: verſchiedenen Gelegenheiten den Bäumen zuſtoßen, im einzelnen.
1. Fremde Körper. Verwundungen der Rinde können durch gremde Körper.
fremde Körper hervorgebracht werden, welche das Dickenwachstum der Stämme andauernd behindern, indem dieſelben ſich dann in die Rinde eindrücken und vom Holzkörper überwachſen werden; alſo wenn Stämme von dem holzigen Stengel einer Schlingpflanze umwunden ſind, wenn ein Draht um ſie geſchlungen war, wenn fie Stakete, eiſerne Stäbe u. dergl. berühren. Betrifft letzteres dicke Baumſtämme, ſo werden die fremden Körper allmählich durch Überwallung wirklich eingeſchloſſen; jo hat man im Holze gefunden ): Früchte (Eicheln, Haſel— nüſſe), Steine (dieſe beſonders oft in das Holz der Wurzeln einge— preßt), Münzen, Hörner, Knochen, Kreuze, Kettenglieder, Teile von Gartenzäunen ꝛc. Jüngere Stämmchen und Aſte können vermöge ihrer Biegſamkeit nachgeben; aber häufig werden hier durch die vom Winde veranlaßte fortwährende Reibung an dem fremden Körper lange offen bleibende Wundſtellen erzeugt.
2. Zeichen und Inſchriften. Dieſe durch Menſchenhand ge— machten Einſchnitte, welche in die Rinde der Baumſtämme bis auf den Splint gemacht werden, haben meiſt keine beſonders ſchädlichen
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) Göppert, Folgen äußerer Verletzungen, pag. 3, und Moquin— Tandon, Pflanzen⸗Teratologie, pag. 273.
Zeichen und Inſchriften.
Harzen.
7 N %
138 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Folgen, da fie nach einiger Zeit durch Überwallung bedeckt werden ), wobei ſich dieſe oft in die Vertiefungen des Einſchnittes einſenkt. Sie werden beim Zerſägen ſolcher Stämme nicht ſelten unter mehr als hundert Jahresringen wohl erhalten vorgefunden, und die ſich ablöſende Überwallung zeigt dann oft die Figur des Einſchnittes in erhabener Form. Auf der Oberfläche der Rinde ſolcher überwallter Stellen bleibt die Spur des Einſchnittes auch noch lange Zeit ſichtbar, doch wird ſie wegen des zunehmenden Dickenwachstums hier fort und fort in die Breite gezogen und dadurch unkenntlicher; bei glattrindigen Stämmen, wie Buchen, erhält ſie ſich länger, als bei Bäumen mit ſtarker Borkebildung.
3. Das Harzen. Verſchiedenartige Verwundungen werden zum Zwecke der Harzgewinnung an mehreren Koniferen vorgenommen. Aus der Fichte wird im mittleren Deutſchland, beſonders in Thüringen, Harz gewonnen durch ſogenanntes Harzſcharren. Man nimmt in der Bruſthöhe des Baumes an drei oder vier Seiten des Stammes mittelſt eines hakenförmigen und geſchärften Scharreiſens, etwa 2 Finger breite und ca. 2 m lange vertikale Streifen der Rinde bis auf das Holz fort. In dieſen Rinnen (Lachten, Lagten oder Laachen) ſammelt ſich der aus der Wunde hervorquellende Terpentin. Derſelbe ſtammt aus den bei der Fichte bis ins hohe Alter beſonders reichlich vorhandenen horizontalen Harzkanälen, welche in den Markſtrahlen des Holzes und deren Fortſetzungen in der Rinde liegen und eben bei jener Verwundung zahlreich geöffnet werden?). Der an der Luft durch Oxydation zu Harz erhärtende Terpentin wird gewöhnlich ſchon im erſten Jahre mit dem Scharreiſen herausgekratzt und dabei die Lachte breiter gemacht, wodurch der inzwiſchen entſtandene Überwallungswulſt abgeſchnitten, mithin neue Harzkanäle geöffnet werden und der Harz— ausfluß im Gange erhalten wird. Das Harzſcharren wird auf dieſe Weiſe alle zwei Jahre wiederholt und gewöhnlich lange Zeit fort— geſetzt. Nach den Erfahrungen der Forſtleutes) ſoll das Harzen den mittelwüchſigen und älteren Fichten unſchädlich ſein, wenn man nur ein oder zwei Lachten macht; vermehrt man die Zahl derſelben, ſo werden die Bäume kränklich, zeigen ſchlechten Zuwachs und Bräunung
) Vergl. Göppert, Über Inſchriften und Zeichen in lebenden Bäumen. Breslau 1869, und Ueber die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume. Breslau 1879, pag. 1—3.
2) v. Mohl, über die Gewinnung des venetianiſchen Terpentins. Bot. Zeitg. 1859, pag. 342. Vergl. auch Schacht, der Baum, pag. 334.
3) Meyen, Pflanzenpathologie, pag. 238, und R. Hartig, Zerſetzungs⸗ erſcheinungen des Holzes, pag. 73.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 139
und Zerſetzung des Holzes in der Nähe der Wunden; Borkenkäfer, Holzweſpen und andre Inſekten greifen ſolche Stämme beſonders gern an. Junge Bäume ſind noch empfindlicher. Die Lachten werden, da die umgebenden Teile im Dickenwachstum fortfahren, mit den Jahren immer tiefer, und der zuerſt freigelegte Holzſtreifen trocknet allmählich aus und von ihm nehmen dann die Zerſetzungserſcheinungen ihren Anfang. Das Holz ſolcher Bäume, die viele Jahre lang geharzt worden ſind, wird am ganzen unteren Stammende gebräunt und zer— ſetzt, und von dort kann ſich die Holzverderbnis ſogar noch beträchtlich weiter in den Stamm hinaufziehen. Als Bauholz ſind daher geharzte Fichtenſtämme unbrauchbar und können nur zu Brenn- und Kohlen— holz verwendet werden. An einer ſeit 39 Jahren geharzten Fichte fand R. Hartig!) den ganzen Holzkörper außer den jüngeren Holzlagen am unteren Stammende gebräunt und ſtark zerſetzt, und über den an den vier Seiten des Stammes angebrachten Lachten zog ſich die Bräunung nach aufwärts 12 m hoch empor. Die Verſchlechterung des Holzes durch das Harzen erhellt am deutlichſten aus der Thatſache, daß im Thüringer Wald in vielen Beſtänden die Nutzholzausbeute, die in nicht geharzten Beſtänden mindeſtens 70 Prozent beträgt, infolge der langjährigen Harznutzung auf 20—30 Prozent vermindert iſt. Von der Weißtanne wird der Straßburger Terpentin, ſowie in Amerika von Abies balsamifera der kanadiſche Balſam, und zwar aus den Harzbeulen, welches erweiterte Harzkanäle in der Rinde ſind, gewonnen, indem der Terpentin nur aus den einzeln geöffneten Harzbeulen in Gefäßen, welche oben zugeſpitzt find, aufgefangen wird?); die Harz⸗ armut des Holzes dieſer Bäume ſchließt eine andere Harzgewinnung aus. Bei vielen andern Pinus-Arten iſt aber der Terpentingehalt vor— herrſchend im Holze und es erklären ſich daraus die ander“ Methoden, nach denen hier geharzt wird. Nach den Beſchreibungen von Du— hamels) ſtimmen die Methoden der Harzgewinnung aus verſchiedenen Arten von Pinus in Kanada, in der Provence, wo namentlich der Terpentin von Bordeaux aus Pinus Pinaster gewonnen wird, und in Oſterreich aus Pinus nigricans, darin überein, daß in die äußerſten Holzſchichten eine höchſtens 8 em tiefe Kerbe (Wanne) eingehauen wird, wobei der Terpentin aus den geöffneten Harzkanälen des Splintes von der oberen Wundfläche aus hervorfließt, und daß man von Zeit zu Zeit dieſe Wundfläche durch Wegnahme einer dünnen Holzſchicht wieder
. pag. 73.
) Vergl. die bei v. Mohl, 1. c. pag. 341 mitgeteilte Beſchreibung von Duhamel.
3) v. Mohl, 1. c. pag. 343.
Quetſchwunden.
140 II. Abſchnitt: Von den Wunden
erneuert, um den Harzausfluß von neuem hervorzurufen. Wenn große Mengen von Harz abgezapft werden, ſo ſoll dies auch hier eine bedeutende Verſchlechterung des Holzes inſofern zur Folge haben, als das zur Tränkung des Kernholzes beſtimmte Harz dem Baume ent— zogen wird; doch ſoll durch eine mäßige Harzbenutzung das Kernholz nicht notwendig arm an Harz werden. Bei der Lärche endlich, wo der Terpentin hauptſächlich als Infiltration des Kernholzes und aus— geſchwitzt in Spalten des Holzes auftritt, beruht die Gewinnung des venetianiſchen Terpentins nach Duhamel und anderen Autoren, ſowie nach v. Mohl darauf, daß man in geringer Höhe über dem Boden Bohrlöcher bis gegen die Mitte des Baumſtammes ungefähr von der Dicke von 8 em anbringt, in welche man dann hölzerne Rinnen ſteckt, um den ausfließenden Terpentin aufzufangen, oder die man mit einem Zapfen verſchließt, um ſie auszuleeren, wenn ſie ſich mit Harz gefüllt haben. Dieſes ſammelt ſich in ihnen immer von neuem an, wenn ſie wieder mit dem Zapfen verſchloſſen werden. Im ſüͤdlichen Tirol macht man in jeden Stamm nur ein Bohrloch, und das ſcheint für die Erhaltung der Bäume weniger ungünſtig zu ſein und die Güte des Holzes weniger zu ſchädigen. Einen weſentlichen Schaden für die Bäume will man nicht bemerkt haben, ſobald nur das Bohrloch immer verſchloſſen gehalten wird, offenbar weil dadurch den Zerſetzungen des Holzes mehr vorgebeugt wird. Aber im Thale Saint Martin in Piemont werden mehrere Löcher bis in 3—4 m Höhe angebracht, was zwar eine ungleich größere Harzausbeute liefert, aber zur Folge hat, daß die angebohrten Stämme nicht als Bauholz taugen und gewöhn— lich nur zum Brennen und Verkohlen benutzt werden.
4. Quetſchwunden. Bei dieſen Wunden bleibt das durch die Quetſchung getötete Rindengewebe auf der Wunde haften und bringt daher leicht Zerſetzungserſcheinungen hervor, weshalb dieſe Wunden ſchwer heilen und oft ſich verſchlimmern. Solche werden erzeugt durch das ſogenannte Anprällen, d. h. das mit dem Artrücken ausgeführte heftige Anſchlagen an den Stamm, um das Herabfallen von Raupen zu bewirken. Solche Wunden ſah R. Hartig) noch nach 30 Jahren in unveränderter Größe und meiſt mit hinzugetretener Wundfäule. Noch größere können durch den Baumſchlag entſtehen, wenn der ſtürzende Baum an einem Nachbarſtamme herabrutſcht und dabei deſſen Rinde quetſcht. Auch der Hagel bringt an Stämmen und Aſten Quetſchwunden hervor, deren Größe derjenigen der Hagelkörner entſprechen.
) 1. c. II. pag. 72.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 141
5. Schälen, Fegen und Nagen. Als Schälen bezeichnet Entrindungen
man im allgemeinen alle Verwundungen von Baumſtämmen oder Baum- 1 wurzeln, wobei größere zuſammenhängende Stücken der Rinde von i dem Splinte abgeriſſen werden. Solches kann erſtens durch die Hand des Menſchen, aus Unvorſichtigkeit oder Mutwillen geſchehen und zwar beſonders leicht zur Frühjahrszeit, wo ſich wegen des Saftreichtums der Cambiumſchicht die Rinde mit Leichtigkeit löſt. Bei Schäl— wunden bleiben gewöhnlich Rindenlappen am Stamme hängen. Dieſe vertrocknen dann meiſtens bis an die Grenze der unverletzten Rinde. Bisweilen aber iſt, beſonders an Linden, beobachtet worden, daß, wenn der Rindenlappen wenigſtens oben oder unten noch mit der geſunden Rinde im Zuſammenhang ſteht, derſelbe auf der Innen— ſeite Holz bildet, welches ſich mit einem neuen Rindenüberzuge bedeckt. Wenn die abgelöſte Rinde oben und unten noch in Verbindung mit dem Stamme ſteht, ſo bildet ſich durch dieſen berindeten Holzüberzug ein doppelter Stamm, oder wenn dabei die Rinde ringsum gelöſt iſt, gleichſam ein Futteral um das alte dann oft abgeſtorbene Holz mit einem wirklichen Zwiſchenraum zwiſchen beiden!). Auch bei Grün— äſtung, wenn ſie zur Saftzeit ausgeführt wird, wird die Rinde wegen ihrer um dieſe Zeit leichten Ablösbarkeit oft in Streifen mit abgeriſſen oder losgelöſt, wenn nicht vorher von unten her in den Aſt einge— hauen wird, um das Abreißen der Rinde zu verhüten. Schälwunden werden auch an den unteren Teilen der Stämme und an den flach— liegenden Wurzeln erzeugt beim Holzrücken in denjenigen Wäldern, welche an Berghängen liegen, indem das Langholz, wenn es an die Wege gerückt wird, die genannten Teile ſtreift und vielfach quetſcht und entrindet. Gleicher Art ſind bei den Wurzeln die Verwundungen durch Wagenräder und durch die Tritte der Tiere an Wegen, auf Viehtriften und Viehlagerplätzen. Nach R. Hartig?) tritt, wenn ſolche Wurzeln ganz frei liegen, nur auf kurze Erſtreckung unter der Wunde Bräunung des Holzes ein, wenn ſie aber von Humus oder Moos bedeckt ſind, infolge der Feuchtigkeit eine beſchleunigte Fäulnis unter ſchwarzbrauner Färbung, auch oft Anſiedelung holzzerſtörender Pilze.
Zweitens werden ſolche Entrindungen vielfach durch das Wild Schälen, vom hervorgebracht. Hierher gehört das Schälen, welches die Hirſche Wild verurſacht. ausführen, d. i. die mittelſt der Schneidezähne zum Zwecke des Aſens im Winter und Frühjahr bewirkte Entfernung eines Rindenlappens,
) Ratzeburg, Waldverderbnis II, pag. 337. 2) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878, pag. 73.
142 II. Abſchnitt: Von den Wunden
welcher zuerſt unten gelöſt und dann in die Höhe gezogen wird. Das Fegen der Hirſche und Rehböcke, wobei dieſelben an jungen Stämmen mit dem Gehörn auf und niederfahren, um die Hautbekleidung des— ſelben abzureiben, iſt auch eine Entrindung, wobei aber Überreſte der halb gelöſten Rinde an den Rändern der unverletzten ſtehen bleiben in Form von Lappen oder kleineren trockenen gekräuſelten Fetzen. Hinſichtlich dieſer Verwundungen ſind wir hauptſächlich auf die folgen— den Angaben Ratze— burg's!) angewieſen. Das Schälen geſchieht oft in umfaſſender
Weiſe, ſo daß in manchen Beſtänden alle Stämme davon be— troffen werden. Das Wild ſchält nicht in allen Gegenden; aber dort, wo es einmal be— gonnen hat (an ge— at fällten Stämmen ſoll
Fig. 22. : R
Fichtenſtamm mit Ueberwallung von Schäl⸗ es dies zuerſt probieren), wunden, im Querſchnitt, verkleinerk. Aus der Lage wird es ihm zur Ge— der drei Schälwunden und aus den Jahresringen wohnheit. Die liebſte
der Ueberwallungen iſt erſichtlich, daß das Wild a £ den Stamm dreimal in mehrjährigen Zwiſchen. Holzart iſt dem Wild räumen, das erſte Mal im halben Umfange geſchält die Fichte, die im 25“ hatte. Ratzeburg. bis 50jährigen Alter angegriffen wird; ebenſo die Weißtanne; Kiefern werden wegen ihrer zeitig ſich entwickelnden Borke mit 3—5, Lärchen meiſt mit 12 bis 14 Jahren geſchält. Auch Laubhölzer, wie Eſche und Eiche werden angegangen, von letzterer peitſchen- bis armſtarke Stämme. Durch das Fegen wird gewöhnlich die Rinde ringsum und auf eine lange
Strecke beſchädigt, während das Schälen, welches in Kopf- und Bruſt⸗
höhe geſchieht, meiſt einſeitig iſt; doch kommen auch doppelte und dreifache Schälwunden auf gleicher Höhe und mitunter auch Ring- ſchälung vor. Im Winter, wo die Rinde ſich nicht leicht löſt, ſind die Wunden nicht ſo groß wie beim Schälen im Frühling und Sommer, wo das Wild die Rinde in großen Lappen ablöſt. Oft wiederholt ſich das Schälen in den nächſten Jahren, dann geſchieht es natürlich
y) I. c. I, pag. 201, 267. Taf. 20-22, 31-32 und II, pag. 33, 73, 168, 284. Taf. 41.
ER:
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 143
der erſten Schälſtelle, die noch nicht geheilt iſt, gegenüber, darauf im rechten Winkel zu den beiden vorhergehenden. Bei den Nadelhölzern iſt die Schälwunde im erſten Jahr mit Harz bedeckt, wie überzuckert; ſpäter bilden ſich von den Rändern aus die Überwallungen, welche die Wundfläche nach einiger Zeit ſchließen können. Bisweilen beginnt an dem bloßliegenden Holz der Wunde Fäulnis, die jedoch durch den Harzüberzug meiſt verhütet wird. Aber auch die Faulſtellen können überwallt werden. Nach R. Hartig) tritt an den Schäl— wunden der Fichte eine Bräunung des Holzes, welches zur Zeit des Schälens vorhanden war, ein, die mehr oder weniger tief ins Innere eindringt und ſich nach oben und nach unten einen oder einige Meter weit fortſetzt, wäh— rend das nachher gebildete Holz hell iſt. Noch im ſpäteren Alter erkennt man daher am Quer- Fig. 23.
ſchnitt des Stammes, zu welchen . 10 75 ee 8 Zeiten Schälen ſtattgefunden Schälwunde, im Juerſchnutt, verkleinert. Hat; eine Bräunung an der Fr zu Bellen Geensiahn Tin Peripherie des Kernes und die iſt trotzdem nach 9 Jahren durch Über⸗ nnn gehenden ̃ ¼ . Ueberwallung zeigen an, wie den Jahresring bildend. Nach Nabe: groß die Wunde geweſen iſt burg.
(vergl. Fig. 22 und 23). Fand das Schälen im Winter ſtatt, jo iſt der letztgebildete Jahresring vollſtändig; trat es im Sommer ein, ſo iſt derſelbe an der geſchälten Stelle ſchmäler geblieben. Bei den Nadel— hölzern, beſonders bei Kiefer, Fichte und Tanne, findet nach Ratze— burg im Holze der Wunden eine abnorme Harzbildung ſtatt: das Holz der über die Wundfläche ſich lagernden Überwallung verkient all— mählich, bisweilen auch unter Auftreten großer Harzgänge, und ſelbſt im letzten Ringe des Kernes, der vor der Verwundung normal ge— bildet worden war, erſcheint Harz in den Markſtrahl- und Holzzellen. Einſeitige Schälwunden heilen meiſt durch Überwallung und haben dann für den Baum keine weitere Gefahr. Ungünſtig aber iſt die Ringſchälung: es treten zwar oft ſtarke Überwallungen am oberen Rande der Wunde ein, aber die Verbindung mit dem unteren Rande
I . pag. 71.
Folgen des Wild— ſchälens.
144 II. Abſchnitt: Von den Wunden
iſt nicht herzuſtellen, und der Wipfel ſtirbt dann ab. Die Neigung der Lärche, Adventivknoſpen zu bilden, zeigt ſich auch bei der Über— wallung ihrer Schälſtellen; an den vielfach gewundenen und genarbten Überwallungsmaſſen bilden ſich oft nahe der Schlußſtelle die Maſer— knollen, die aus Adventivknoſpen hervorzugehen ſcheinen.
An Schälwunden, welche durch Wild verurſacht werden, hat R. Hartig!) bei Fichten, abgeſehen von einigen Fällen, in denen Paraſiten (3. B. Polyporus vaparorius) ſich angeſiedelt hatten, nur eine von den Schälſtellen ausgehende allerdings intenſive Bräunung, aber keine merkliche Veränderung der techniſchen Eigenſchaften des Holzes eintreten ſehen. Die Bräunung erſtreckt ſich mehr oder weniger tief nach innen, und auch eine gewiſſe Strecke nach oben und unten im Stamme und giebt ſich auf dem Querſchnitte in Form von braunen Flecken oder Streifen zu erkennen. Selbſt an einer im 25. Lebensjahre ſtark geſchälten 115jährigen Fichte fand R. Hartig nur den 25 jährigen Kern gebräunt bis in eine Entfernung von 3½ m, während alles ſpäter gebildete Holz frei von Bräunung war. übereinſtimmend damit find auch Ratzeburg's?) Erfahrungen über die Folgen des Wild— ſchälens an der Fichte; er beobachtete, daß wenn der ſchützende Harz— überzug durch Harzſammler von der Wundfläche abgekratzt wird, die Rotfäule ſtärker ſich zeigt, als wenn dies nicht geſchieht. An der Kiefer hat nach den übereinſtimmenden Angaben der genannten beiden Schriftſteller wegen des Harzreichtums das Wildſchälen keine eigentliche Wundfäule, nur geringe Bräunung des Schälkernes zur Folge. Nach R. Hartigs) verhalten ſich die durch das Holzrücken entſtehenden Schälwunden hinſichtlich der ihnen folgenden Zerſetzungserſcheinungen den eben genannten gleich, dagegen ſind die durch Baumſchlag und Anprällen entſtehenden eigentlichen Quetſchwunden viel gefährlicher, weil bei ihnen die gequetſchte und abſterbende Rinde auf der Wunde und mit der intakten Rinde im Zuſammenhange bleibt und deshalb die letztere an der Bildung eines überwallungswulſtes verhindert. Es bleiben infolge deſſen dieſe Wunden nicht nur ohne Überwallung oder überwallen doch erſt ſpät, ſondern es dringt auch durch die ver— trocknete und zerreißende Rinde Waſſer zwiſchen dieſe und das Holz ein und veranlaßt Zerſetzungen, weshalb die Wundfäule unter Quetſch⸗ wunden weiter ſich zu verbreiten pflegt als an offenen Wunden. Dieſe und ähnliche Verwundungen können, wenn ſie in großer Ausdehnung
Lee. Pig. 71. 2) Waldverderbnis J, pag. 267. ) 1. c. pag. 7%
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 145
oder in großer Zahl am unteren Stammende eines Baumes vor— kommen, zu einem Ausfaulen und Hohlwerden des Stammes von unten aus führen, wie es an vielen alten Linden zu ſehen iſt,, die an verkehrsreichen Wegen ſtehen, wo ſie beſtändig ſolchen Verletzungen ausgeſetzt ſind.
Unter Nagen verſteht man die durch Nagetiere hervorgebrachte Entrindung der Baumſtämme, die beſonders im Winter bei Schnee ſtattfindet. Hafen und Kaninchen benagen in dieſer Zeit Wald-, Obſt— und Gartenbäume. Noch ſchädlicher aber können an Forſtgehölzen die Mäuſe werden. Mäuſenagen findet beſonders am Laubholz, wie Buche, Birke, Eſche ꝛc., ſtatt und zwar am Grunde des Stammes, ſelten höher als 30 em und meiſt rings herum. Vorzugsweiſe gehen dieſe Tiere jüngere Hölzer an; doch hat man während der Mäuſe— plage im Herbſt 1878 in den Gegenden der Saale beobachtet, daß die Mäuſe ſogar die Borke alter Bäume angegriffen haben. Die Rinde jüngerer Stämme wird dabei zum größten Teil abgenagt, die Zahnſpuren dringen bis ans Holz. Bisweilen entziehen ſich die Nage— ſtellen im hohen Graſe dem Auge. Die Folge iſt entweder ein raſches Abſterben des Stammes über der Wunde, wobei ſein Laub im Sommer gelb wird. Dafür bilden ſich unter der Wunde Stockausſchläge, die den Stamm zu erſetzen ſuchen, was immer um ſo kräftiger und ſchneller geſchieht, je vollſtändiger der Oberſtamm abgeſtorben iſt, daher auch das Abſchneiden desſelben ratſam iſt. Oft aber erhält ſich auch der Stamm über der Wunde am Leben; er bildet dann am oberen Wundrande einen Überwallungswulſt und nicht ſelten regeneriert ſich die Rinde auf dem entblößten Holze ſtellenweiſe durch inſelartige Granulationen (wie wir ſie bei der Wundenheilung (S. 70) kennen gelernt haben). Aber auch dann tritt unter der Wunde Stock— ausſchlag auf; der Oberſtamm kränkelt dann wohl Jahre lang unter Bildung geringeren und bleicheren Laubes und geht endlich zu Grunde, ſeltener bringt er es ſelbſt zu einem neuen Wipfel“). An einer tief am Grunde durch Mäuſe geringelten Birke beobachtete Ratzeburg Wurzeln, die infolge der Feuchtigkeit in dem hohen Graſe aus dem Überwallungswulſt am oberen Wundrande entſtanden waren und dem Boden zuſtrebten, was alſo an gleiche Reſultate bei den Ringelungs— verſuchen erinnert. Sehr dünne Stämmchen können durch das Nagen vollſtändig abgeſchnitten werden.
Auch durch Eichhörnchen und durch Horniſſen wird die Rinde in verſchiedener Ausdehnung geſchält.
) Vergl. Ratzeburg 1. c. II, pag. 104 ff. 228, 285, Taf. 44. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 10
Nagen.
Inſektenfraß in der Rinde.
Verluſt der Blätter.
146 II. Abſchnitt: Von den Wunden
6. Inſektenfraß in der Rinde. Eine Zerſtörung der Baum— rinde findet natürlich auch ſtatt, wenn kleinere Tiere, wie Inſekten, in derſelben Fraßgänge anlegen, wie es beſonders die Borkenkäfer thun. Da jedoch hierbei die Rinde im ganzen nicht mechaniſch geſtört wird, ſondern infolge des Aufenthaltes der paraſitiſchen Inſekten abſtirbt, ſo ſchließen wir dieſe Beſchädigungen paſſender von den eigentlichen Wunden aus und behandeln ſie unter den Pflanzenkrankheiten, welche durch ſchädliche Inſekten hervorgerufen werden.
H. Die Entlaubung.
Von den vielen Gelegenheiten, bei welchen die Pflanzen abnormer Weiſe ihre Blätter verlieren, kommen an dieſer Stelle nur diejenigen in Betracht, wo das auf mechaniſche Weiſe, in Form einer Verwundung geſchieht, nicht diejenigen, wo eigentümliche Krankheitsprozeſſe die Blätter verderben.
Auf mechaniſche Weiſe gehen die Blätter den Pflanzen bisweilen durch Menſchenhand verloren, wie bei dem Laubſtreifen, um das Laub zum Füttern des Viehes zu verwenden, oder beim Einſammeln der Maulbeerblätter zur Fütterung der Seidenraupen, oder der Blätter des Theeſtrauches ꝛc.; auch das Abblatten der Rüben 2c. gehört hierher. Ferner fallen die Blätter vieler Pflanzen dem Nahrungs— bedürfnis einer großen Anzahl von Tieren zum Opfer, ſowohl höherer Tiere, als beſonders zahlreicher Inſekten, wobei der Blattkörper bald vollſtändig aufgezehrt, bald nur in verſchiedenem Grade verwundet wird. Endlich können heftige Stürme, ſtarke Regengüſſe und vor allen Hagelſchläge die Blätter abreißen oder verwunden in jeweils ver— ſchiedener Form, die in den ſpäteren Kapiteln, wo von dieſen Ein— flüſſen ſpeziell die Rede tft, genauer angegeben iſt. Die allgemeinen phyſiologiſchen Folgen, welche der Verluſt der Blätter für die Pflanze hat, find S. 27 erwähnt worden. Über die Reproduktionen, welche die Pflanze nach Entlaubung zum Erſatze der Blätter einleitet, iſt S. 100 zu vergleichen. Bei den Holzpflanzen findet der Wieder— ausſchlag entweder noch in demſelben Jahre oder erſt im Nachjahre ſtatt, wobei hauptſächlich die Zeit der Entlaubung, aber auch die Baum⸗ ſpezies entſcheidend ſind. Im Nachjahre findet der Wiederausſchlag beſonders dann ſtatt, wenn die Entlaubung nicht gar zu frühzeitig im
Sommer erfolgt iſt, alſo wenn die Blätter ſchon einen Vorrat von
aſſimilierten Nährſtoffen gebildet und in den Zweig zurückgeführt und wenn die für das nächſte Jahr beſtimmten Knoſpen ſchon eine gewiſſe Ent⸗ wickelung erreicht haben. Die Thätigkeit der Pflanze beſchränkt ſich
dann darauf, dieſe Teile noch notdürftig zur Reife zu bringen, um
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 147
die Entwickelungsfähigkeit derſelben für das nächſte Jahr zu ſichern. Doch haben alle ſolche Bäume die Neigung, im Spätſommer bei günſtigen Witterungsverhältniſſen einige ihrer Knoſpen zu treiben; ſolche Triebe können aber im Herbſt nicht mehr ſo weit ausreifen, um dem Winter zu trotzen. Hat dagegen die Entlaubung zeitig im Frühjahre ſtattgefunden, ſo belaubt ſich der Baum in der oben be— ſchriebenen Weiſe zum zweitenmale in demſelben Sommer. Relativ gut ſetzt z. B. die Eiche nach Maikäfer- oder Eichenwicklerfraß ihren Wieder- ausſchlag an, während bei der Buche und Linde die proleptiſche Be— laubung nach Inſektenfraß ſehr dürftig ausfällt, indem nur kurze Triebe mit einem Blatte oder wenigen Blättern gebildet werden).
J. Blattwunden.
Zu Verwundungen des Blattkörpers geben namentlich viele eranlaſſung zur
kleinere Inſekten Veranlaſſung, die je nach ihrer Art in verſchiedener Weiſe die Blätter verletzen. Auch der Hagel bringt allerhand Ver— wundungen und zwar gröberer Art an den Blättern hervor. Auch können die Pflanzen gegenſeitig ſich Verwundungen an ihren Blättern zufügen. Ich beobachtete einen ſolchen Fall an einem Roggenfelde, in welchem allgemein die Blätter durch viele kleine, helle, kranke Flecken auffielen. Letztere zeigten ausnahmslos auf ihrer Mitte eine kleine Wunde, an welcher die Epidermis durchſtochen und das Meſophyll verletzt war. In den meiſten Wunden zeigte das Mikroſkop einen fremden Körper, der bei allen gleich war: ein lang kegelförmiges, ſehr ſpitzes, ſtarres, farbloſes, dornenähnliches Körperchen; es waren abgebrochene ſtarre Haarzellen der Grannen der Roggenähren, die bei der Bewegung des Getreides im Winde ſich in die Blätter einge— ſpießt hatten, dabei meiſt abgebrochen und in der Wunde ſtecken ge— blieben waren. Stürmiſches, regneriſches Wetter hatte kurz vorher geherrſcht.
Tödlich für die Blätter ſind ſelbſtverſtändlich ſolche Verwundungen, welche den organiſchen Zuſammenhang derſelben mit der Pflanze er— heblich alterieren, wenn alſo der Blattgrund oder der Blattſtiel ſo weit angefreſſen iſt, daß die Kommunikation der Fibrovaſalſtränge geſtört iſt. Das Blatt welkt oder verdorrt dann bald. Iſt aber dieſer Zu— ſammenhang intakt, ſo kann das Blatt dann meiſtens einen großen Teil ſeiner Maſſe durch Verwundung verlieren, ohne ſeine Lebensfähig— keit einzubüßen, und man kann vielleicht im allgemeinen ſagen, daß erſt der Verluſt von mehr als der Hälfte der Blattmaſſe tödlich wird.
) Ratzeburg, Waldverderbnis II, pag. 190—193 und 340. 10 *
Verwundung der
Blätter.
Tödliche Blattwunden.
Berftümmelun- gen und Stich⸗ wunden der Blätter.
Verkrüppelung junger Blätter infolge von Ver⸗ wundung.
148 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Es kommt jedoch dabei auf die Gewebe des Blattes an. Das eben Geſagte darf wohl gelten, wenn dem Blatte ganze Stücken weg— geſchnitten werden und das Bleibende übrigens nicht verletzt wird. Wenn aber z. B. von dem Blatte einer Dikotyledone mit ſtarken Rippen und Nerven das ganze Meſophyll, welches an Maſſe nur den kleineren Teil ausmacht, z. B. durch Blattkäfer aufgefreſſen wird, welche die Blätter oft in dieſer Weiſe jfelettieren, dann funktioniert das Blatt nicht mehr und wir ſehen das ſtehengebliebene Rippen- und Nervengerüſt bald vertrocknen, denn eine Regeneration des Meſophylls iſt nicht möglich.
Dagegen vertragen die Blätter ſtarke Verſtümmelungen, bei denen ganze Stücke von dem ſonſt unverſehrten Blattkörper abge— ſchnitten werden oder die Blätter von großen Löchern durchlöchert werden. Ein Wiederzuſammenwachſen der zerriſſenen Teile, eine Regeneration des verlorenen Stückes, ein Verwachſen eines Loches findet nicht ſtatt, etwa mit Ausnahme der kleinſten Stichſtellen, wie wir bei der Wunden- heilung (S. 67) geſehen haben. Alle dieſe Unterbrechungen, ſelbſt diejenigen der Mittelrippe, ſchaden nichts; die Nahrungszufuhr zu den einzelnen Teilen kann dann noch durch die zuſammenhängende Blatt— maſſe und durch die in derſelben ſich verbreitenden Rippen und Nerven ſtattfinden. Noch weniger können ſchaden Stichwunden quer durch das Blatt, wie man ſie mittelſt Nadeln erzeugen kann oder wie ſie manche Inſekten, z. B. Rüſſelkäfer, hervorbringen und mit denen die Blätter oft reichlich bedeckt ſind, ohne dadurch getötet zu werden. Nur wird ſelbſtverſtändlich die Funktion ſolcher Blätter, beſonders was die aſſimilierende Thätigkeit anlangt, im Verhältnis zu der verloren ge— gangenen Meſophyllmaſſe Abbruch erleiden.
Etwas anders iſt der Erfolg der eben genannten Verwundungen an jugendlichen, noch wachſenden Blättern. Das durch die Verletzung geſtörte Gewebe des Wundrandes kann ſich nicht an der Flächen- ausdehnung beteiligen, welche die entfernteren umliegenden Partien infolge ihres Wachstums erfahren. Die Folge iſt, daß um die Wunde unregelmäßige Faltungen ſich bilden oder das ganze Blatt in ſeiner normalen Formbildung mehr oder weniger behindert wird, daß alſo überhaupt Verkrüppelungen des Blattes eintreten.
Berluft einzelner Außer den hier genannten Blattwunden, welche quer durch die
Gewebe des Blattes.
ganze Blattmaſſe hindurchgreifen, kommen auch ſolche vor, bei denen nur einzelne Gewebe einer Blattſtelle verletzt werden. Es handelt ſich hier beſonders um die Epidermis einerſeits und das Meſophyll ander⸗ ſeits. Ich habe an Blättern von Leucojum vernum von der Unter⸗ ſeite Streifen der Epidermis ohne ſonſtige Verletzung abgezogen und
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 149
keinen ſchädlichen Einfluß danach bemerkt; ſogar das entblößte Meſo— phyll der Wunde, deren Zellen dabei nicht verletzt werden, blieb un— verändert grün und lebendig. Wo aber die Epidermis feſter mit dem unterliegenden Meſophyll verwachſen iſt, läßt ſich erſtere kaum ohne Verletzung der Zellen des letzteren entfernen, und dieſes zeigt ſich dann an der Wunde abgeſtorben und gebräunt. So wird oft die obere Blattſeite von gewiſſen Inſekten ſtellenweiſe angenagt oder abgeſchabt, allerdings mehr oder minder unter Anfreſſen des Meſophylls ſelbſt, und zeigt danach entſprechende gebräunte und abgeſtorbene Stellen, die gewöhnlich quer durch das Blatt hindurchgehen. Anderſeits kann auch eine Aushöhlung des Blattes ſtattfinden, indem allein das Meſophyll unter Stehenbleiben der beiderſeitigen Epidermen aufgezehrt wird. Dies thun die blattminierenden Inſekten, welche auf dieſe Weiſe die Blätter bald auf größere zuſammenhängende Strecken beutelartig aushöhlen, bald nur zierlich gewundene Gänge in ihnen freſſen. Über dieſen Minen bleibt die unverſehrte Epidermis erhalten, aber dieſelbe vertrocknet und dieſe Stellen erſcheinen daher tot und bleich, weil das grüne Meſophyll fehlt. Solche Wunden ſind ſelbſt— verſtändlich gleichbedeutend mit einer vollſtändigen Durchlöcherung der Blattmaſſe. K. Verwundung der Blüten.
Auch Blüten werden namentlich von gewiſſen Inſekten mechaniſchverwundung der
zerſtört. Sind Blütenknoſpen inwendig ausgefreſſen, ſo iſt natürlich Blüten. eine Vereitelung der Befruchtung, alſo ein Unterbleiben der Frucht— und Samenbildung die Folge, weil die Sexualorgane zerſtört find. Die weitere Entwickelung der Blüten kann aber auch ſchon dadurch unterdrückt werden, daß im Knoſpenzuſtande nur die zum äußeren Schutze der Blütenteile dienenden feſteren Umhüllungen, wie die Kelch— blätter oder die Hüllblätter köpfchenförmiger Blütenſtände, die Deck— blätter mancher andrer Inflorescenzen, durch Inſektenfraß zerſtört werden, wie z. B. beim Fraße des Glanzkäfers. Es giebt auch In— ſekten, welche aus den aufgeblühten Blüten nur die inneren Teile herausfreſſen, z. B. nur die Blumenblätter und Staubgefäße. Solche Blüten ſind natürlich unfähig, diejenige Funktion auszuüben, welchen die verloren gegangenen Teile vorſtehen; und ſo verſtümmelte Blüten bringen daher gewöhnlich keine Früchte.
L. Verwundung der Früchte.
Hagel, Fraß von Vögeln, von Schnecken und vielen Inſekten bringen Verwundung der an den Früchten, beſonders an großen und ſaftigen, Verwundungen Früchte. hervor; doch kommt auch das ſpontane Aufſpringen des Parenchyms
150 II. Abſchnitt: Von den Wunden
(ſ. oben S. 113) in Betracht. Geringere Verletzungen der Schale haben im allgemeinen keinen nachteiligen Einfluß auf die Ausbildung der Frucht, indem die Wunde leicht durch bräunliches Korkgewebe ver— narbt, wie es an Pflaumen, Kirſchen, Birnen, Apfeln, Weinbeeren, Kürbiſſen ꝛc. oft zu ſehen iſt. Auch eine tiefer in das Fleiſch dringende Wunde heilt ſich oft aus, bedingt aber dann meiſt eine ungleichmäßige oder unvollſtändige Ausbildung des Fruchtfleiſches und eine Miß— geſtaltung der ganzen Form. Hierher gehört auch der Samenbruch, den man beſonders an Weinbeeren, infolge verſchiedener Verwundungen (vergl. das Kapitel Hagelſchlag) beobachtet. An einzelnen Beeren ragen die Samenkerne frei über die Oberfläche der Frucht hervor; die letztere bleibt gewöhnlich kleiner als die unverletzten, reift aber im übrigen gut aus. Die lokale Verletzung der Epidermis und des unter— liegenden Parenchyms geſchieht in einem frühen Stadium. Indem nun dieſe Gewebe abſterben und dem ſich vergrößernden Samen durch Dehnung nicht folgen können, zerreißen ſie und laſſen den Samen hervortreten, während die übrigen Stellen der Frucht ſich normal ent wickeln. Ahnliches ſieht man an Kirſchen, welche manchmal durch Sperlinge an einer Seite bis auf den Kern verwundet ſind, ſo daß dieſer ſichtbar iſt oder etwas hervorragt; um denſelben hat ſich das Fleiſch und die Epidermis zuſammengezogen, und durch Korkbildung, die ſich bis an den Kern fortſetzt, iſt der Abſchluß hergeſtellt. Wenn dergleichen Früchte aber erſt im völlig reifen Zuſtand bis ins Fleiſch verwundet werden, wie beſonders bei dem Aufſpringen der Kirſchen und Pflaumen, ſo tritt keine auf Heilung bezügliche Veränderung
mehr ein. 4. Kapitel. Behandlung der Wunden. Zweck der Die kunſtgerechte Behandlung der Wunden ſoll ſowohl die etwaige
nr Wundfäule möglichſt verhüten, als auch den natürlichen Heilungs— ehandlung. 2 15 + prozeß befördern und beſchleunigen. Bei nichtholzigen Bei den krautartigen und ſukkulenten Pflanzen iſt natürlich eine Pflanzen. direkte Behandlung der Wunden unmöglich, da ein Eingriff in ſolche Teile ſich von ſelbſt verbietet. Das Verfahren muß ſich hier mehr auf die Prophylaxis etwaiger Wundfäule, alſo auf möglichſte Ver— meidung übermäßiger Feuchtigkeit beſchränken, und ergiebt ſich das in dieſer Beziehung zu Thuende von ſelbſt aus dem, was oben bei der Wundfäule der in Rede ſtehenden Pflanzen bemerkt worden iſt.
4. Kapitel: Behandlung der Wunden 151
Wohl aber laſſen ſich für die Wunden der Holzpflanzen beſtimmte Vorſchriften geben. Die diesbezüglichen Maßregeln können ſich zunächſt darauf erſtrecken, daß die Wunden, die man den Pflanzen notwendig beibringen muß, wie beim Schnitt und beim Ausäſten, ſo gemacht werden, daß man dadurch jenen Zweck am beſten erreicht. Es genügt, dieſe Regeln hier kurz anzudeuten, da die theoretiſche Begründung derſelben in den vorhergehenden Artikeln zu finden iſt. Trockenäſte müſſen rechtzeitig entfernt werden. Dünnere Trockenäſte fallen, ohne bemerkenswerte Schäden zu hinterlaſſen, von ſelbſt ab. Die Weg— nahme lebender Aſte darf ebenſo wie die Trockenäſtung nur zur Zeit der Vegetationsruhe, nicht in der Saftzeit vorgenommen werden; jede Aſtung vom Ende März bis Mitte September iſt zu verwerfen. Das Entfernen der Aſte muß bei Trocken- wie bei Grünäſtung in der Weiſe geſchehen, daß man die Baſis des Aſtes glatt am Stamme abſägt. Dabei iſt es nötig, zuerſt von unten einzuſchneiden, dann durch Unter— ſtützung des Aſtes zu verhindern, daß derſelbe ſich früher ſenkt, bis er von oben völlig durchſchnitten iſt, und ihn dann etwas vom Baume abzuſtoßen. Die Schnittfläche muß glatt geſägt ſein, jede ſplittrige Wunde iſt nachteilig. Ebenſo müſſen möglichſt alle horizontalen Schnittflächen vermieden werden. Bei der viel ventilierten Frage der Eichenäſtung iſt auch die zuläſſige Größe der Wundfläche erörtert worden, weil je ſpäter die Wunde durch Überwallung ſich ſchließt, die Wundfäule deſto mehr um ſich greift. Göppert) unterſcheidet drei Grade der Dauer des Eichenholzes nach derartigen Verwundungen: 1. Grad: Schnittfläche von 3—5 em Durchmeſſer, erforderliche Zeit der Überwallung 4—8 Jahre, Folgen: nur Bräunung nahe der Schnittfläche. 2: Grad: Schnittfläche von 10—15 em Durchmeſſer, Überwallung nach 10—15 Jahren, Folgen: umfangreiche Schwärzung des Aſtkegels bis tief in das Stammholz. 3. Grad: Schnittfläche 15—20 em, Überwallung nach 15—20 Jahren, Folgen: Steigerung aller genannten Symptome in bedenklichem Grade, zuletzt Fäulnis, welche jeden Gebrauch zu Nutzholzzwecken ausſchließt. R. Hartig?) bezeichnet als äußerſtes zuläſſiges Maß bei Eichenäſtung Wundflächen— größen von 10—12 em Durchmeſſer.
An Schälwunden iſt nur dann Hoffnung den Prozeß der Be— kleidung mit neuer Rinde auf der ganzen Wundfläche einzuleiten, (S. 70), wenn die Wunde zur Zeit der cambialen Thätigkeit gemacht wurde, wo Cambium auf der Wunde zurückbleibt, und wenn
1) Über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume, pag. 59—67. 2) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 142.
Behandlung der Wunden der Holzpflanzen.
Behandlung der Schälwunden.
ui Ara Fi 5 i 1 h Pr N 2 *
152 II. Abſchnitt: Von den Wunden
man ſehr bald nach der Verwundung den Stamm umwickelt mit Wachstuch oder einem ähnlichen waſſerdichten Zeug, wobei die Be— rührung der Wundfläche möglichſt vermieden werden muß.
Unter Umſtänden kann es geraten ſein, eine Wunde noch weiter en zu ſchneiden, wenn fie nämlich von einer Art ift, welche ihre natür- liche Heilung ſehr erſchwert und Zerſetzungserſcheinungen begünſtigt; ſie muß dann in eine Form gebracht werden, in welcher jene Nach— teile vermieden ſind; über das Wie hat der ſpezielle Fall zu ent— ſcheiden. Und um gewiſſe Fehler und chroniſche Wunden zu beſeitigen, wie Maſerkröpfe, Krebsſtellen, Gummiflüſſe u. dergl., iſt es nötig, bis ins geſunde Holz zu ſchneiden, um eine zwar größere, aber leichter durch Überwallung ſich ſchließende Wunde zu erzeugen. Jedenfalls müſſen alle toten Rindenteile, die etwa auf den Wunden zurückgeblieben ſind, und ſolche, die mit dem Holzkörper nicht mehr in organiſchem Zuſammenhange ſich befinden, abgeſchnitten werden, weil ſie die Wund— fäule begünſtigen und die Überwallung erſchweren würden. Nur ſolche Rindenteile find zu ſchonen, welche etwa auf der Rinde unver— letzt geblieben ſind und im Zuſammenhange mit dem Wundrande ſtehen, weil ſie dann ernährt werden und Überwallungen von ſich aus— gehen laſſen.
Theerung und Die Wundflächen des Holzes können durch konſervierende Mittel
Baumkitt. vor Wundfäule geſchützt werden. Bei den Nadelhölzern iſt, wie ſchon erwähnt, der Harzüberzug, mit der ſich die Wunden des Holzkörpers bedecken, eine natürliche Wundſalbe von vorzüglichſter Wirkung. Bei den Laubhölzern erſetzt die künſtliche Theerung mit Steinkohlentheer den Harzüberzug der Nadelhölzer. R. Hartig“) berichtet, daß der Theer, ſoweit er direkt vordringt, zwar die Zellen tötet, aber ſie vor Zerſetzung ſchützt, und daß in unmittelbarſter Nachbarſchaft einer mit Theer gefüllten Holzfaſer ſich lebendes Holzparenchym befindet, zum Beweiſe, daß nicht eine tiefergehende nachteilige Wirkung des Theers ſtattfindet. Die günſtigſte Zeit für die Operation iſt der Winter; der Theer dringt dann ſofort in alle geöffneten Organe des Holzkörpers bis auf mehrere Millimeter, in den Gefäßen der Eiche zuweilen bis 1 em tief ein. Im Frühling und Sommer dagegen dringt er, da die hervortretende Feuchtigkeit ſtörend dazwiſchen tritt, nicht nur nicht in die Schnittfläche ein, ſondern er haftet ſelbſt äußerlich nur ſchlecht und erzeugt einen mangelhaften Verſchluß. Nach R. Hartig bräunen ſich bei allen Aſtungen zur Saftzeit trotz der Theerung die Schnittflächen
2) J. c. pag. 139.
4. Kapitel: Behandlung der Wunden 153
nachträglich 1—2 em tief, während im Winter oder Spätherbſt geäſtete und gut getheerte Flächen ſich oft bis an die 1—2 mm tief einge— drungene Theerſchicht vollſtändig ungebräunt erhalten; ſelbſt nach 70 Jahren und bei einer Wundflächengröße von 10 em Durchmeſſer iſt nicht die geringſte Veränderung wahrzunehmen geweſen. Schaden können nur gewiſſe paraſitiſche Pilze bringen, wenn ſie vor der Theerung die Wundfläche befallen haben. Außerdem ſind noch ver— ſchiedene Arten von Baumkitt und Baumwachs in Gebrauch, deren Wirkung immer auf dasſelbe, d. h. auf konſervierende Kraft und Haltbarkeit hinauskommt. Gewöhnliche Rezepte dazu find: ½ Kilo Kolophonium geſchmolzen und mit ½ Kilo Spiritus und 2 Theelöffel Kollodium vermengt, oder einfach ½ Kilo Weißpech und ½ Kilo Spiritus.
Die Anwendung aller dieſer künſtlichen Wundverſchlüſſe iſt indes nur für umfangreichere Wunden nötig, bei denen wegen Verzögerung der Vollendung der Heilung Zerſetzungserſcheinungen ohne dieſe kon— ſervierenden Mittel unvermeidlich ſein würden. Die kleineren Wunden, beſonders die Schnittflächen der Zweige und dünneren Aſte ſind ja ſchon durch die an jeder Holzwunde eintretende Schutzholzbildung von Natur genügend geſchützt für die wenigen Jahre, welche jene Wunden offen zu ſtehen brauchen, bis der Überwallungsprozeß ſie geſchloſſen hat.
Hohle Bäume füllt man mit Steinen aus und verſchmiert die Offnung mit Lehm oder Mörtel oder mit getheerten Holzpflöcken. Der in manchen Gegenden herrſchende Gebrauch, die hohlen Weiden aus— zubrennen, um der Fäule im Innern Einhalt zu thun, ſchützt wohl für einige Zeit; aber abgeſehen von der Beſchädigung, die dadurch leicht die lebenden Teile des Baumes erleiden, wird der Stamm dadurch zu ſchwach, um ſtärkeren Stürmen widerſtehen zu können. An den älteſten bekannten Linden, die wegen des enormen Umfanges ihrer freilich ganz hohlen Stämme berühmt ſind, findet man wohl die De— fekte des Stammes zugemauert und die ſtärkſten Aſte durch einen Unterbau von hölzernen oder ſteinernen Pfeilern geſtützt.
Behandlung hohler Bäume.
Beziehungen des Lichtes zur Pflanze.
Lichtmangel verhindert die Chlorophyll⸗ bildung.
154 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphaͤriſche Einflüffe
III. Abſchnitt. Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe.
1. Kapitel. Das Licht.
Der Einfluß des Lichtes auf die Pflanzen iſt ein ſehr vielſeitiger. Die Phyſiologie lehrt, daß eine ganze Reihe verſchiedener Lebens— thätigkeiten durch das Licht entweder bedingt oder doch beeinflußt wird. Daher ſind mannigfache Störungen zu erwarten, wenn die Pflanzen ſich unter Verhältniſſen befinden, in denen ſie entweder gar kein oder ein zu ſchwaches Licht empfangen, oder auch, wenn ſie einem zu inten— ſiven Lichte ausgeſetzt werden. Wir haben hier natürlich nur die— jenigen Wirkungen des Lichtes und des Lichtmangels zu beſprechen, welche pathologiſchen Charakters ſind; die normalen Lebensprozeſſe, welche durch Lichtverhältniſſe bedingt werden, wie die Bewegungen des Protoplasmas und der Chlorophyllkörper, die heliotropiſchen Krümmungen der Pflanzenteile und die Schlafbewegungen der Blätter
ſind Gegenſtand der Pflanzenphyſiologie.
I. Verhinderung der Chlorophyllbildung durch Lichtmangel.
Mit wenigen Ausnahmen bilden die Pflanzen ihr Chlorophyll nur bei Einwirkung des Lichtes. Laſſen wir im Finſtern Samen keimen oder Knollen, Zwiebeln und unterirdiſche Stöcke der Stauden austreiben, oder die Knoſpen der Holzpflanzen ſich entfalten, ſo bleiben alle neugebildeten Teile gelb oder ganz bleich. Man bezeichnet dieſe Krankheit, bei welcher übrigens meiſt auch gewiſſe Abweichungen in der Geſtalt und ſonſtigen Beſchaffenheit der Organe eintreten, von denen unten die Rede ſein wird, als Vergeilen, Verſchnaken, Ver— ſpillern, Etiolieren (étiolement). Dabei ſind jedoch die aus proto— plasmatiſcher Subſtanz gebildeten Chlorophyllkörner im Protoplasma der Zellen im farbloſen oder gelben Zuſtande vorhanden; es fehlt ihnen nur der durch Alkohol ausziehbare eigentliche grüne Farbſtoff, das Chlorophyll. Der gelbe Farbſtoff, den ſie enthalten, heißt Etiolin; er geht erſt durch Lichtwirkung in das Chlorophyll über. Bringt man etiolierte Pflanzen ans Licht, jo ergrünen fie in kurzer Zeit, voraus— geſetzt, daß die Temperatur gewiſſe Grenzen nicht überſchritten hat (ſiehe zweites Kapitel). Zur Chlorophyllbildung genügt ſogar ein äußerſt
1. Kapitel: Das Licht 155
ſchwaches Licht (etwa ſolches, bei dem man eben noch kleinen Druck leſen kann), erſt völlige Dunkelheit verhindert ſie. Jedoch erfolgt die Ergrünung raſcher und die Pflanzen werden dunkler grün als im Halbdunkel, wenn die Lichtintenſität ſich mehr der Tageshelle nähert. In direktem Sonnenlicht geſchieht die Ergrünung dagegen etwas langſamer als im diffuſen Tageslicht !). In dieſer Wirkung kann das Sonnenlicht auch durch Lampenlicht oder elektriſches Licht erſetzt werden.
Die gewöhnliche Auffaſſung, daß die Erzeugung des Chlorophylls eine direkte Lichtwirkung, ein photochemiſcher Prozeß ſei, iſt jedoch un— berechtigt, wie ich kürzlich geltend gemacht habe?). Denn daß die Pflanze des Lichtes nicht bedarf, um Chlorophyll zu bilden, beweiſen die ergrünenden Finſterkeimpflänzchen der Koniferen, auf welche Sachs zuerſt aufmerkſam gemacht hat; auch die Wedel der Farne bilden nach Sachs in tiefſter Finſternis ihr Chlorophyll aus. Übrigens nehmen die Koniferen hinſichtlich ihrer Fähigkeit, auch im Dunkeln Chlorophyll zu bilden, keineswegs eine erzeptionelle Stellung im Pflanzenreiche ein, wie man eine Zeit lang glaubte. Denn erſtens fand ich unter einer großen Zahl von Keimpflanzen des Raps und der Sonnenblume, welche im Dunkelzimmer meines Laboratoriums, alſo in vollſtändiger Finſternis in einem Kaſten beiſammen gewachſen waren, vereinzelte Individuen völlig ergrünt. Zweitens habe ich ge— zeigt, daß auch bei den Koniferen dieſe Erſcheinung nur auf die Keim— pflanzen beſchränkt iſt, indem die Knoſpen aller dieſer Bäume im Dunkeln ſtets völlig etiolierte Triebe liefern. Endlich hat Wiesner ſchon darauf aufmerkſam gemacht, daß die Keimpflanzen von Larix im Dunkeln regelmäßig etiolieren und daß auch bei andern Koniferen im Dunkeln vereinzelte etiolierte unter den ergrünenden Keimpflanzen vorkommen, ſowie daß ſelbſt die letzteren weniger Chlorophyll beſitzen als die im Lichte erwachſenen. Die richtige Auffaſſung der Sache iſt alſo die, daß die Pflanzen in den meiſten Fällen im Finſtern die Bildung des Chlorophylls freiwillig unterlaſſen, was eben damit im Zuſammen— hange ſteht, daß dasſelbe ja unter dieſen Umſtänden für ſie zwecklos iſt, weil die durch das Chlorophyll auszuübende Aſſimilation der Kohlenſäure nur durch Mithilfe des Lichtes möglich iſt.
Dieſe Auffaſſung ſtimmt denn auch mit der andern Thatſache zu— ſammen, daß die Wirkung des Lichtes auf die Chlorophyllbildung an
) Famintzin, Melanges biologiques. Pétersbourg 1886. T. VI, pag. 94. ) Vergl. hierüber und über das folgende oben Geſagte mein Lehrbuch d. Botanik. I. 1892. pag. 641643.
Erklärung der Wirkung des Lichtes auf die Chlorophyll⸗ bildung.
Beziehung des Lichtes zu den Blütenfarven.
Lichtmangel verhindert die Kohlenſäure⸗
aſſimilation.
156 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
der Pflanze ſtreng lokal iſt. Denn wenn an einer und derſelben Pflanze nur ein beliebiger Teil dunkel gehalten wird, ſo beſchränkt ſich das Etiolement auch nur auf dieſen, während alle belichteten Teile normal ſich ausbilden. Verdunkelt man nur einen einzelnen Sproß, oder an einem Sproſſe ein einziges Blatt, oder an einem Blatte eine einzelne Stelle, ſo unterbleibt auch nur an dieſen Teilen die Chlorophyllbildung.
Im Anſchluß hieran ſei noch bemerkt, daß die Färbung der Blüten durch Lichtmangel im allgemeinen nicht beeinträchtigt wird, wie ſchon Sachs) gelehrt hat; jedoch bleiben die purpurroten und violetten Teile der Blumenkronen mancher Pflanzen nach Asfenajy?) im Dunkeln blaſſer oder ganz farblos, was ich für Pulmonaria offici- nalis beſtätigen kann. Auch die durch gerötete Zellſäfte bedingte Rotfärbung mancher Früchte, wie das Rotbäckigwerden der 8 findet nur am Lichte ſtatt.
II. Verhinderung der Kohlenſäureaſſimilation durch Lichtmangel.
Die grünen Pflanzen erzeugen den Hauptteil ihrer kohlenſtoff— haltigen organiſchen Subſtanz aus der Kohlenſäure der Luft und aus dem Waſſer, die beide in den chlorophyllhaltigen Zellen aſſimiliert werden, wobei der überſchüſſige Sauerſtoff der Kohlenſäure abgeſpalten und von der Pflanze ausgeſchieden wird.
Das Produkt dieſer Aſſimilation iſt in den meiſten Fällen Stärke⸗ mehl, welches dabei in den Chlorophyllkörnern entſteht. Wie die Pflanzenphyſiologie lehrt, iſt dieſer Prozeß ſtreng vom Lichte abhängig. Für die grünen Pflanzen iſt daher genügende Beleuchtung eine not— wendige Lebensbedingung und es reſultieren die auffallendſten Krank— heitserſcheinungen, wenn die grünen Pflanzenteile vom Lichte ausge⸗ ſchloſſen oder ungenügend belichtet ſind, indem dann keine neue kohlen— ſtoffhaltige Subſtanz produziert werden kann. Wenn man Samen der Chlorophyllpflanzen im Dunkeln keimen läßt, ſo entwickelt ſich eine Anzahl Wurzeln, Stengelinternodien und Blätter; aber nach einiger Zeit ſteht die Produktion ſtill, nämlich ſobald als alle Reſervenähr⸗ ſtoffe, welche der Samen enthielt, verbraucht ſind. Wägungen zeigen dann, daß die Trockenſubſtanz ſolcher Kümmerlinge geringer iſt als die der Samen vor der Keimung, weil die Pflanze nicht nur keine neue organiſche Subſtanz bilden konnte, ſondern auch durch Atmung
) Experimentalphyſiologie, pag. 17. 2) Bot. Zeitg. 1576, Nr. 1 und 2.
1. Kapitel: Das Licht 157
einen Teil derſelben verlor!). Hatte die Keimung im Lichte ſtattge— funden und bringt man die Pflanzen am Ende der Keimung, wo die Reſervenährſtoffe des Samens erſchöpft ſind, ins Dunkle, ſo findet keine weitere Entwickelung ſtatt. Haben jedoch die Pflanzen ſchon eine Zeit lang am Lichte gelebt und aſſimiliert, ſo reichen die erzeugten Stoffe hin, um im Dunkeln neue etiolierte Organe zu bilden, ſo lange bis jene aufgezehrt ſind, worauf die weitere Entwickelung ebenfalls ſtillſteht. Bleiben ſolche Pflanzen noch länger im Finſtern, ſo ſterben ſie endlich, weil ein großer Teil der organiſchen Subſtanz bei der fortdauernden Atmung verzehrt wird. Werden ſie aber vorher wieder ans Licht gebracht, ſo können ſie ergrünen, aſſimilieren und die Vege— tation von neuem fortſetzen. Obiges gilt in der gleichen Weiſe auch von denjenigen Pflanzen, welche auch in der Dunkelheit Chlorophyll erzeugen oder dasſelbe nicht verlieren.
Diejenige geringe Helligkeit, welche zur Bildung des Chlorophylls Wirkungen der hinreicht, genügt zur Aſſimilation nicht. Im allgemeinen iſt ſchon im EEE diffuſen Tageslicht innerhalb eines Zimmers die Ausſcheidung von Sauerſtoffblaſen außerordentlich gering, während ſie in direktem Sonnenlichte ſehr lebhaft iſt; ſie ſcheint überhaupt der Lichtintenſität nahezu proportional zu ſein?). Daher iſt ſchon in der Helligkeit eines Zimmers die Kohlenſäureaſſimilation ſo ſchwach, daß die Pro— duktion der meiſten Pflanzen darunter leidet. Dieſe ſchädliche Wirkung wird in ihrer Abſtufung nach dem Helligkeitsgrade und der Be— leuchtungsdauer ſehr anſchaulich gemacht durch folgende Reſultate der von Sachss) mit Tropaeolum majus angeſtellten Verſuche, bei denen die Pflanzen in Töpfen mit derſelben Gartenerde in einem und dem— ſelben Zimmer erwuchſen. Nr. I blieben beſtändig in einem finſteren Raum; Nr. II wurden hinter das die beiden Weſtfenſter trennende Mauerſtück geſtellt, wo ſie nur ſchwaches Zimmerlicht erhielten; Nr. III ſtanden täglich von morgens 6 Uhr bis mittags 1 Uhr an einem Weſtfenſter, die übrige Zeit im finſteren Raum; Nr. IV täglich von 1 Uhr Mittag bis morgens 6 Uhr an demſelben Weſtfenſter, die übrige Zeit im Dunkeln; Nr. V blieben beſtändig am Weſtfenſter.
4 Samen bei 110° getrocknet, ohne Hüllen = 0,394 Grammen.
U Bouſſingault, Compt. rend. 1864, pag. 883. — Sachs, a mentalphyſiologie, pag. 20.
2) Wolkoff, Jahrb. f. wiſſ. Bot. V. pag. 1.
3) Experimentalphyſiologie, pag. 21—23.
158 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
2 2 8 13 s 1, ae S 5 5 588 8 s 38 8 a Nr 2 8 8 Allgemeinzuſtand EEK 8 8 Zahl der 888 & 5 „il. 2 28 An 2 PER x » 2 5 Pi 1 2 8 der Pflanze. 8 a“ 8 — Blütenknoſpen 25 3 f ass 8 5 88 = 838 2 18° sis 5% cm 4 I. | 0238 Nach 25 Tagen ver: | 48 4 0 O0 o 0 + dorben. $ II. 0,264 Nach 25 Tagen ver.“ 38 | 6 0 0 0 0 dorben. . III. 5,220 Nach 62 Tagen noch, 58 176 wenige ver | 0 0 0 ; am Leben. | dorbene. f IV. 5,209 Nach 62 Tagen nocht 65 147 wenige ver | 0 0| 0 4 am Leben. dorbene. 4 v. 20,299 Nach 62 Tagen noch 1738 |265) 46 187113 1 am Leben. In ähnlichem Grade lichtbedürftig find die meiſten unfrer land— =
wirtſchaftlichen Kulturgewächſe; fie zeigen unter den gleichen Verhält— niſſen dieſelben krankhaften Zuſtände. Pflanzen dagegen, welche von Natur an tief ſchattigen Standorten zu wachſen pflegen, werden durch dieſe geringe Helligkeit noch nicht geſchädigt; ihre Aſſimilation findet dabei noch hinreichend lebhaft ſtatt, wie ihre normale Entwickelung unter dieſen Verhältniſſen beweiſt. Dies gilt beſonders von den im Waldesſchatten wachſenden Mooſen und Farnkräutern. Es giebt ſogar nahe verwandte Pflanzen, welche ungleich empfindlich gegen ſchwächere Helligkeitsgrade ſind: z. B. verträgt die Fichte die Beſchattung durch Hochwald leicht, die Kiefer nicht.
Künſtliches Licht. Auch künſtliches Licht ruft Aſſimilation hervor. Man hat das konſtatiert vom Lampenlicht, Gaslicht, Magneſiumlicht, Kalklicht und vom elektriſchen Licht. Natürlich wirken dieſe nach Maßgabe der in ihnen vertretenen farbigen Strahlen (ſ. unten) und ihrer Intenſität, ſo daß keine dieſer Lichtquellen dem Sonnenlichte in ihrer Wirkung gleichkommt, und daß alle Verſuche, mit ſolchem Lichte Pflanzen zu erziehen, mißlich ausfallen.
Wirkungen der Die einzelnen Lichtfarben ſind von ſehr ungleichen Wirkungen
Lichtfarben. auf die Aſſimilation. Die Zerſetzung der Kohlenſäure iſt im weißen Lichte ſtärker als in irgend einem farbigen Lichte, weil in dem erſteren die kombinierte Wirkung aller einzelnen farbigen Strahlen zum Aus⸗ druck kommt. Was die relativen Wirkungen der einzelnen Farben des Sonnenſpektrums auf die Zerſetzung der Kohlenſäure anlangt, ſo iſt
. *
1. Kapitel: Das Licht 159
wenigſtens das eine ſicher feſtgeſtellt, daß die hellleuchtenden gelben und roten Strahlen im Vergleich mit den blauen die weitaus größere Wirkung haben; beide Werte verhalten ſich etwa wie 88,6 zu 7,6. Nur in Bezug auf die Lage des Maximums ſind die einzelnen Forſcher nicht übereinſtimmend, indem nach neueren Unterſuchungen das Mari- mum bald ins Rot, bald zwiſchen C und D des Spektrums, alſo mehr dem Gelb genähert, verlegt worden ift*). Praktiſch wird daraus alſo geſchloſſen werden müſſen, daß von farbigem Licht den grünen Pflanzen das rote und das gelbe am wenigſten ſchädlich, grünes und beſonders blaues und violettes aber nachteiliger iſt. Indeſſen darf man nicht ver— geſſen, daß unſre gewöhnlichen farbigen Gläſer doch meiſtens Strahlen aller Farbengattungen hindurchgehen laſſen. Über Mittel, monochro— matiſches Licht für phyſiologiſche Verſuche zu erzielen, muß ebenfalls auf die Pflanzenphyſiologie verwieſen werden.
Da die chlorophyllloſen Pflanzen Kohlenſäure nicht aſſimilieren, Unſchädlichkeit
fo iſt für fie das Licht auch keine Lebensbedingung, wie die Ent? Lichtmangels wickelung der Schimmelpilze in dunklen Räumen, das unterirdiſche Vorkommen der Trüffeln, die Kultur der Champignons in Kellern und Bergwerken beweiſen. Auch für die nicht grünen Teile chlorophyll— haltiger Pflanzen iſt die unmittelbare Einwirkung des Lichtes keine Lebensbedingung, weil ſie durch die grünen Teile ernährt werden. Ebenſo iſt Lichtmangel unſchädlich für die grünen Pflanzen außer der Periode der Aſſimilation. So wirkt auf die Chlorophyllpflanzen in derjenigen Zeit des Jahres, wo ſie keine grünen Organe beſitzen (ſommergrüne Laubhölzer), Lichtmangel nicht ſchädlich ein, ja dieſelben können ſogar im Beſitze der chlorophyllhaltigen Teile diejenigen Monate, wo die Aſſimilation ruht, ohne Schaden im Dunkeln zubringen. Denn nicht bloß laubwechſelnde, ſondern auch immergrüne Gehölze werden während der Wintermonate ohne Nachteil bedeckt und ſomit ver— dunkelt.
Die im Vorſtehenden erörterten ſchädlichen Folgen ungenügender Be- Unterdrückung leuchtung zeigen ſich bei den Pflanzenkulturen nicht ſelten und werden hier durch Licht- als Unterdrückung, Verdämmung oder Erſtickung bezeichnet. Junge mangel. Pflanzen erſticken im Unkraute, z. B. Rübenpflanzen, wenn ſie unter wuchernden großblätterigen oder dichtſtehenden, alſo beſchattend wirkenden Unkräutern ſtehen, ebenſo der Klee unter einer Deckfrucht, wenn dieſe dicht ſteht, groß⸗ und reichblätterig iſt. Solche Pflanzen kümmern und gehen bald ein ohne ihre volle Entwickelung erreicht zu haben. In ſchwächerem Grade zeigt ſich die Erſcheinung z. B. in der kümmerlichen Entwickelung lichtbedürftiger Pflanzen, wenn ſie als Topfgewächſe in Zimmern gezogen
) Das Nähere darüber ſiehe in meinem Lehrbuch der Botanik I. 1892, pag. 541.
Ungenügende
160 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
werden, ſowie wenn der Gemüſepflanzen in Gärten unter dichtbelaubten Bäumen gebaut werden. In den Forſten iſt das Verdämmen des niedri— geren Holzes durch höheres eine bekannte Sache. Die Stämme gehen wohl mit den andern Individuen eine Zeit lang in die Höhe und wachſen auch gerade, aber ſie bleiben dünner und haben nur ſchwache Zweiganſätze und können im ſtark beſchattenden Hochwald endlich als ſchwächliche Stämmchen unter überhandnehmender Zweigdürre zu Grunde gehen. Manche verlieren dadurch öfters ſchon früh den Wipfel und werden, indem untere Zweige ſich vordrängen, zu Strauchformen, wie es z. B. die Lärche thut, wenn ſie von ihresgleichen unterdrückt wird. Auch die Holzbildung wird bei unter— drückten Bäumen geſtört. Nach R. Hartig) bilden ſolche Pflanzen im erſten Stadium der Unterdrückung relativ breite Herbſtholzſchichten, alſo ſchweres Holz. Der Jahresring nimmt aber abſolut an Breite ab und ſinkt nach unten auf eine Minimalbreite herab, während in den höheren Teilen die Ringbreite größer iſt als unten. Nach lange anhaltender Unterdrückung tritt dagegen das Herbſtholz im unteren Stammteile gegen das lockere Frühjahrsholz auffallend zurück und verſchwindet faſt gänzlich, während in den oberen Teilen das Holz relativ ſchwer iſt.
Aus der Unentbehrlichkeit einer genügend langen täglichen Dauer der
Dauer des Tages- Beleuchtung erklärt es ſich auch, warum zur Winterszeit, auch wenn für lichts im Winter. günſtige Temperatur, z. B. in Gewächshäuſern, geſorgt wird, unſre gewöhn—
Lichtmangel beeinflußt den Wachstums⸗ prozeß.
lichen Sommerpflanzen nicht zu gedeihlicher Entwickelung zu bringen ſind; die Dauer der täglichen Beleuchtung iſt dann eben zu kurz.
III. Abnormitäten des Wachstums bei Lichtmangel.
Auch auf Wachstumsprozeſſe hat die Art der Beleuchtung einen hervorſtechenden Einfluß. Allein die einzelnen Pflanzenteile werden durchaus nicht in gleichem Sinne hiervon beeinflußt; ein und dieſelben Lichtverhältniſſe bringen bei den verſchiedenen Pflanzenteilen oft gerade entgegengeſetzte Wirkungen auf das Wachstum hervor. Es war ein irriges und vergebliches Bemühen, womit die Pflanzenphyſio— logen eine Zeit lang nach einem allgemeinen Naturgeſetze ſuchten, welches die Beeinfluſſung des pflanzlichen Wachstums durch die Lichtſtrahlen ausdrücken ſollte. Ich habe kürzlich in meinem Lehr— buche der Botanik (I, S. 389 — 397) an Stelle dieſer veralteten An⸗ ſchauung eine neue geſetzt, mit der nun erſt alle, bisher anſcheinend einander widerſprechenden Thatſachen in der naturgemäßeſten Weiſe harmonieren. Wir müſſen uns die Beeinfluſſungen des Wachstum durch Lichtmangel als Reize vorſtellen, denen gegenüber die verſchiedenen Pflanzenteile gemäß ihrer phyſiologiſchen Ungleichwertigkeit auch in ungleicher Weiſe reagieren; die Art aber, wie ſie reagieren, ſteht meiſtens in deutlich erkennbarer Beziehung zu ihren Funktionen und Bedürfniſſen und ſtellt ſich alſo als eine für ſie vorteilhafte Anpaſſung heraus, wie uns ſolches
5) Bot. Zeitg. 1870, Nr. 32—33, und 1874, pag. 391.
1. Kapitel: Das Licht 161
ja ſo allgemein in vielen andern Beziehungen bei den lebenden Weſen begegnet.
Die Feſtſtellung der verſchiedenen Beeinfluſſungen des Wachstums wird hier unſere Hauptaufgabe ſein, um Klarheit in dieſe Ver— hältniſſe zu bringen. Aus der folgenden Darſtellung wird der Leſer von ſelbſt die eigentlich pathologiſchen Seiten dieſer Beziehungen heraus— finden.
Für einige Pflanzenteile iſt das Licht eine notwendige Bedingungeigt zum Wachs⸗
des Wachſens; fie wachſen im Dunkeln gar nicht. Borodin) hat tum notwendig gezeigt, daß die Sporen vieler Farne, diejenigen von Polytrichum commune und die Brutknoſpen von Marchantia, denen ſich hierin nach Leitgeb?) die Sporen von Lebermooſen anſchließen, im Dunkeln nicht keimen. Unter den Phanerogamen ſind nach Wiesner nur die Samen von Viscum in ihrer Keimung an die Gegenwart von Licht gebunden. Da dieſe Sporen und Samen Reſerveſtoffe, alſo Baumaterial für das Wachstum enthalten, ſo kann die Urſache des Nichtwachſens im Dunkeln nicht in dem Unterbleiben der Kohlenſäureaſſimilation geſucht werden; es dürfte vielmehr die Erſcheinung mit dem unten zu erwähnen— den hemmenden Einfluß, den die Dunkelheit auf das Flächenwachstum anderer chlorophyllbildender Pflanzenteile, insbeſondere der Laubblätter der höheren Pflanzen ausübt, zu vergleichen ſei.
Bei ſehr vielen Pflanzenteilen iſt das Wachſen vom Lichte ganzeichtzumWachſen unabhängig; bei ihnen erfolgt Wachſen im Dunkeln wie im Hellen unnötig bei der ohne bemerkbare Unterſchiede. Hierher gehört das erſte Wachstum der E jungen Pflanze, auf welchem die Keimung der meiſten Samen und Machen der der Sporen der Pilze beruht. Denn es iſt allgemein bekannt, daß der Wurzeln, Blüten Keimungsprozeß im Dunkeln wie im Lichte ftattfindet. Es liegen freilich e Angaben einiger Beobachter vor, wonach manche Samen im Dunkeln,
5 andre wieder im Lichte beſſer oder ſchneller keimen ſollen. Doch mögen | dabei wohl meist andre Faktoren mitgewirkt haben. Nach den Unter- ſuchungen Nobbe'ss) und Adrianowsky's9 bleibt ſich bei den meiſten Samen das Keimungsprozent im Dunkeln wie im Lichte ziemlich gleich, wenn für Konſtantbleiben der Temperatur und Feuchtigkeit geſorgt wird, nur tritt allerdings die Keimung im Dunkeln ſchneller ein. So war am erſten Tage das Verhältnis der gekeimten Samen zwiſchen Licht
A
) Bullet de l’acad. de St. Petersbourg 1868, XIII, pag. 432. 2) Keimung der Lebermooſe in ihrer Beziehung zum Licht. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. Wien 1876. I. 3) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1882, pag. 347. ) Wirkung des Lichts auf Keimung der Samen. Refer. im Botan. Centralbl. 1884, Nr. 29. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 11
er r 1 2 —
162 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
und Dunkel bei Cannabis 9:42, bei Brascia napus 17:62, bei Agrostis stolonifera 5: 54, bei Avena 9:42. Es liegt alſo hierin bereits eine Annäherung an das dritte Abhängigkeitsverhältnis vom Lichte, nämlich an die Beſchleunigung des Wachſens durch Dunkelheit, welches wir ſogleich kennen lernen werden. Völlige Unabhängigkeit des Wachſens von Licht und Dunkelheit zeigt ſich ferner bei allen denjenigen Pflanzen— teilen, welche ihrem natürlichen Vorkommen nach auf dunkle Orte an— gewieſen ſind, alſo bei den unterirdiſchen. An den Wurzeln haben die meiſten Beobachter keinen beſtimmten Unterſchied in der Verlängerung finden können, wenn dieſelben im Hellen oder im Dunkeln wachſen gelaſſen wurden; neuere Beobachter haben allerdings auch bei Wurzeln die für viele Stengel zutreffende Beſchleunigung des Wachstums durch Dunkelheit, freilich in viel ſchwächerem Grade, ebenfalls gefunden ); ſo betrug z. B. an den Wurzeln von Lupinus albus in 20 Tagen die Verlängerung im Dunkeln 192,7, im Lichte 161,8 mm. Aber auch das Wachstum der Blütenteile und der Früchte geſchieht im Hellen wie im Dunkeln in gleicher Weiſe, vorausgeſetzt natürlich, daß die grünen Blätter im Lichte ſich befinden, um die für Blüten- und Frucht⸗ bildung erforderlichen Kohlenſtoffverbindungen herzuſtellen; unter ſolchen Umſtänden kommen in dunkle Umhüllungen eingeſchloſſene Blütenknoſpen oder Fruchtanlagen zur Entwickelung ).
Dunkelheit be- Die meiſten oberirdiſchen vegetativen Organe, alſo die grünen
1 und Blätter, repräſentieren die dritte Art der Beeinfluſſung
Pflanzenteilen. des Wachſens durch das Licht: ſie wachſen zwar auch im Hellen wie im Dunkeln, aber die Dunkelheit macht ihr Wachſen abnorm und dieſer Zuſtand gehört mit zu den Eigenſchaften, die das Etiolement charakteriſieren, von welchem wir oben nur erſt die auf das Unter— bleiben der Chlorophyllbildung bezügliche Seite kennen gelernt haben; die etiolierten Pflanzenteile zeigen auch abnorme Geſtalten, die eben durch den veränderten Wachstumsgang bedingt ſind. Die Beein— fluſſung des Wachſens durch die Dunkelheit iſt nun aber an den ein- zelnen Teilen eines blättertragenden Sproſſes durchaus nicht homolog. Um daher dieſe Beeinfluſſung genau zu präziſieren, jo betrachten wir Pflanzen, die unter im übrigen normalen Verhältniſſen in konſtanter Dunkelheit ihren ganzen Wachstumsprozeß durchlaufen, indem wir
) Vergl. Strehl, Unterſuchungen über das Längenwachstum der Wurzel. Leipzig 1874; Fr. Darwin, Arbeiten des botan. Inſtituts. Würzburg 1880. IV, pag. 521; Devaux De l’action de la lumiere sur les racines Bull. de la soc. botan. de France 1888, pag. 305.
2) Vergl. Sachs, Bot. Zeitg. 1865, pag. 17; Vorleſungen über Pflanzen- phyſiologie. Leipzig 1881, pag. 645.
1. Kapitel: Das Licht 163
z. B. Samen, Knollen oder Zwiebeln in einem dunklen Raume aus- keimen oder die Knoſpen von Holzpflanzen in dunklen Umhüllungen austreiben laſſen, und vergleichen dann die hier gewachſenen Teile
ig. 24.
Einfluß des Lichtmangels auf den Wachstumsprozeß. Phaseolus nanus, gleichalt und unter gleichen Verhält—
Schatten.
1
niſſen mit Ausnahme der Beleuchtung gewachſen.
Erklärung des Wachstums⸗ Etiolements.
164 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
mit den gleichnamigen am Lichte gewachſenen Organen derſelben Pflanzen. Die Veränderungen, welche wir dabei in der Wachstums— größe der einzelnen Teile bemerken (Fig. 24), laſſen ſich dann unter folgende für alle Pflanzen gültige Regel bringen. a) Diejenigen Teile, welche von Natur durch ein vorherrſchendes Wachstum in die Länge charakteriſiert ſind, alſo die Internodien der Stengel, die Blattſtiele und die langen, linealiſch geſtalteten Blätter der meiſten Monokotylen, erleiden im Dunkeln eine Überverlängerung. Die genannten Teile er— reichen im Finſtern das Doppelte und mehr ihrer normalen Länge und bleiben dabei relativ oder abſolut dünner als ſonſt. b) Die Blatt- ſpreiten dagegen zeigen eine hochgradige Reduktion des Wachſens, in— dem die am Lichte im allgemeinen nach allen Richtungen in die Fläche wachſenden Blattſpreiten der Dikotylen im Dunkeln überhaupt nach keiner Richtung hin erheblich wachſen, ſondern die Größe, welche ſie im Knoſpen— zuſtande beſitzen, nur wenig ändern und dabei ſogar mehr oder weniger in der gefalteten Lage verharren, die ſie in der Knoſpe beſaßen. Auch die im Dunkeln ſich überverlängernden Blattſpreiten der Monokotylen unterlaſſen im Dunkeln das Wachstum in die Breite gänzlich, ſie bleiben ganz ſchmal und ebenſo mit den Rändern zuſammengerollt, wie im Knoſpenzuſtande. Die hier beſchriebenen Wachstumsänderungen treten in ihrem ſtärkſten Grade in vollſtändiger Finſternis hervor. Aber auch ſchon bei ungenügender Helligkeit machen ſich dieſe Einflüſſe in abgeſchwächtem Grade geltend, und man findet alle Übergänge in dem geſtaltlichen Ausſehen der Pflanzen zwiſchen der Licht- und Dunkel— pflanze, wenn man dieſelben in verſchiedenen Helligkeiten wachſen läßt, ſo daß alſo auch an ergrünten Pflanzen dieſe Wachstumsände— rungen nach Maßgabe der Helligkeit ſich einſtellen. Hat man ſich ein— mal die hier charakteriſierten Symptome des Lichtmangels, alſo den charakteriſtiſchen Habitus der Schattenpflanzen, klar gemacht, ſo wird man an dem Ausſehen jeder Pflanze beurteilen können, ob ſie bei günſtiger Beleuchtung erwachſen iſt oder ob ſie ſich an einem Standorte befunden haben muß, wo ſie mehr oder weniger Mangel an Licht gelitten hat. An den beſchriebenen Wirkungen des Lichts auf das Wachstum ſind unter den einzelnen farbigen Strahlen die blauen und violetten hauptſächlich beteiligt; denn in einem ſolchen Lichte erfolgt das Wachſen ähnlich wie im gemiſchten Tageslichte, während gelbes und rotes Licht mehr das Wachstum des Etiolements ähnlich wie die Dunkelheit erzeugen.
Denjenigen Phyſiologen, welche ſich bemühten, ein allgemein gültiges Geſetz zu ſuchen, nach welchem das Wachſen durch die Licht⸗ ſtrahlen beeinflußt werden ſollte, machten natürlich die im Vorſtehenden
Ä 1. Kapitel: Das Licht 165
auseinandergeſetzten, vielfach ja geradezu entgegengeſetzten Wirkungen große Schwierigkeiten, und die allerirrigſten Vorausſetzungen wurden gemacht, um dieſe Erſcheinungen unter einen Geſichtspunkt zu bringen. Die Einwirkung des Lichtes ſollte zur Bildung der Celluloſe notwendig ſein, weil gewiſſe Pflanzenteile im Dunkeln nicht wachſen, und bei den ſich im Dunkeln überverlängernden Teilen ſollte es bald ein höherer Turgor der Zellen, bald eine größere Beweglichkeit der Micellen des Proto— plasmas, bald eine größere Dehnbarkeit der zu wenig verdickten Zellhaut ſein, wodurch das abweichende Verhalten dieſer Pflanzen— teile ſich erkläre. Ich habe die einzig naturgemäße Erklärung dieſer Beeinfluſſungen gegeben, indem ich Licht und Dunkelheit als Reize hinſtellte, gegen welche die Pflanzenteile gemäß ihrer ungleichen Qualitäten und ungleichen Lebenszwecke auch ungleich reagieren. Das Unterbleiben des Flächenwachstums der Blatt— ſpreiten im Dunkeln fällt unter die allgemeine Regel, wonach funktionsloſe Organe nicht entwickelt werden, indem es eine nutzloſe Vergeudung wäre, etwas auf die Ausbildung eines Blattes zu ver— wenden, welches ſich nicht aus der Dunkelheit befreien kann. Die Überverlängerung der Stengelinternodien und Blattſtiele im Dunkeln iſt ebenfalls eine vorteilhafte Anpaſſung, weil ſie ein Hilfsmittel iſt, um die an dieſen Internodien oder Blattſtielen ſitzenden Blätter ſchließlich doch ans Licht zu bringen, wohin ſie naturgemäß gehören; dieſes Mittel führt gewöhnlich auch ſicher zum Ziele; denn da das Wachstum der Stengel und Blattſtiele infolge des Geotropismus immer vertikal nach oben gerichtet iſt, jo müſſen durch die Überverlängerung die genannten Organe ſchließlich über die Bodenoberfläche hervortreten, auch wenn etwa die Samen, aus denen die Triebe entſpringen, ſehr tief vom Boden verſchüttet ſein ſollten. Alle Pflanzenteile aber, für deren Lebensfunktionen es gleichgültig iſt, ob ſie ſich im Lichte oder im Dunkeln befinden, wie die unterirdiſchen Organe, Blüten und Früchte zeigen eben auch keine beſondere Beeinfluſſung ihres Wachſens durch Lichtverhältniſſe.
IV. Mangelhafte Ausbildung der mechaniſchen Gewebe bei Lichtmangel.
In den bei Lichtmangel ſich überverlängernden Pflanzenteilen ſindbichtmangel ver- auch die Zellen länger als im Lichte, und zwar bis um das drei- bis Ai fünffache, ohne dabei dickwandiger zu ſein. Im Gegenteil fällt die mechaniſchen Verdickung der Zellmembranen in ſolch etiolierenden Pflanzenteilen Gewebe. durchgängig ſchwächer aus, und ganz beſonders betrifft das die mecha—
niſchen Gewebe, alſo diejenigen, welche im normalen Zuſtande durch
Lagern.
166 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
ſtark verdickte Zellmembranen charakteriſiert ſind und dadurch die mechaniſche Feſtigung der Pflanzenteile bedingen. Wie G. Kraus) gezeigt hat, verbleiben unter dieſen Umſtänden die Holzbündel als ſchwache iſolierte Stränge und die Libriformzellen des Holzes, die Baſtzellen, die Zellen des Collenchyms und der Epidermis bleiben etwa bei der halben Verdickung ihrer Membranen ſtehen. Die Folge dieſer ungenügenden Gewebebildung iſt der auffallende Mangel an Feſtigkeit, den man an ſolchen Teilen beobachtet; die Stengel ſind meiſt ſo ſchwächlich, daß ſie leicht durch ihr eigenes Gewicht umſinken. Auch dieſe Wirkung des Lichtes zeigt ſich in den verſchiedenſten Graden der Abſtufung nach Maßgabe der verſchiedenen Helligkeit.
Auf derſelben Urſache beruht auch das Lagern der Feldfrüchte, welches beſonders am Getreide, jedoch auch an andern lang- und dünnſtengeligen Pflanzen, wie Wicken und dergl. vorkommt. Sämmt⸗ liche Halme legen ſich nieder; die nächſte Veranlaſſung ſind oft Wind und Regen, welche ſie niederwerfen; in der ſpäteren Entwickelungs— periode der Pflanze trägt auch das größere Gewicht der reifenden Ahre bei. Das Lagern iſt nachteilig, weil es den Erntearbeiten Schwierigkeiten bereitet, auch weil mitunter ein Verderben und Faulen der dem Lichte entzogenen unteren Teile damit verbunden iſt. Halme, die ein gewiſſes Alter noch nicht überſchritten haben, kehren, wenn ſie aus der Vertikale abgelenkt worden ſind, durch geotropiſche Krümmungen ihrer Knoten von ſelbſt wieder in lothrechte Richtung zurück. Daher wird zeitig eintretendes Lagern gewöhnlich wieder ausgeglichen; das Getreide ſteht nach einigen Tagen wieder auf. In der der Reife kurz vorangehenden Periode aber, in welcher die Lebensthätigkeiten im Halme allmählich erlöſchen, verliert auch ein Knoten nach dem andern von unten nach oben fortſchreitend ſeine geotropiſche Krümmungs— fähigkeit. Tritt das Lagern in dieſer Periode ein, ſo erheben die Halme nur ihre oberſten Glieder notdürftig; noch ſpäter wird es gar nicht mehr ausgeglichen. Die geringe Feſtigkeit des Halmes, welche der Grund des leichten Umſinkens iſt, hielt man lange Zeit für die Folge eines zu geringen Gehaltes an Kieſelſäure. Allein abgeſehen davon, daß die letztere zum größten Teile in den Blättern, nur in geringer Menge in den Internodien, in geringſter Menge in den Knoten ihren Sitz hat, haben Analyſen nachgewieſen, daß gelagertes Getreide an Kieſelſäure nicht ärmer als andres iſt?), und Kultur⸗
1) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Bot. VII. 2) Pierre, Compt. rend. LXIII.
1. Kapitel: Das Licht 167
verſuche haben gezeigt, daß auch bei Ausſchluß der Kieſelſäure normale, feſte Getreidehalme erzogen werden ). Vielmehr ſtellt ſich die Weich— heit und Schlaffheit der unteren Halmglieder als die gewöhnliche Erſcheinung des Etiolement dar. Denn man kann nach Koch?) künſt⸗ lich durch Beſchattung der unteren Teile der Halme das Lagern her— vorbringen und die unteren Halmglieder gelagerten Getreides zeigen nach Koch in der That größere Länge, längere und in den Mem— branen ſchwächer verdickte Zellen, wie es im etiolierten Zuſtande zu ſein pflegt. Im Einklange damit ſteht die Erfahrung, daß das Lagern häufiger iſt bei dichter Saat, wo die Pflanzen gegenſeitig ſich beſchatten, als bei Drillkultur und weitläufiger Saat, bei außerhalb des Feldes allein wachſenden Halmen aber gar nicht vorkommt, ferner daß das Getreide beſonders bei üppiger Entwickelung zum Lagern disponiert iſt, weil die zahlreicheren und größeren Blätter und die dickeren Halme beſchattend wirken, daher auch der kräftigere Weizen öfter als andre Getreidearten lagert, und auch guter Boden und reichliche organiſche Düngung, beſonders Stickſtoffzufuhrs), das Übel befördern. Die Ge— fahr des Lagerns wird durch Eggen, Walzen, ſowie durch Abweiden (das ſogenannte Schröpfen) verhütet, weil dies die zu üppige Ent— wickelung der Halme und Blätter hemmt. Darum ſieht man auch oft diejenigen Weizenfelder, welche vom Hagel getroffen waren und danach wieder Halme, jedoch in dünnerem Stande, getrieben haben, ganz ohne Lagerung, während die daneben liegenden nicht verhagelten Weizenfelder vollſtändig lagern können. Mit der obigen Erklärung ſtimmt endlich auch die Erfahrung überein, daß das Lagern auf Feldern die zwiſchen hohen Bäumen, Wald oder großen Gebäuden eingeſchloſſen ſind, häufiger iſt als in offenen Lagen, desgleichen in gebirgigen Gegenden auf der Thalſohle und an den Hängen häufiger als auf den freien Höhen. Aus dem eben Geſagten ergiebt ſich von ſelbſt, wie weit wir im ſtande ſind, das Lagern des Getreides zu verhüten. Gegen das Lagern der Wicken, Erbſen u. dergl. empfiehlt man etwas Mais oder auch Leindotter zwiſchen zu ſäen, damit die Pflanzen an dieſen Stengeln emporklettern können.
) Sachs, Experimentalphyſiologie, pag. 150. 2) Abnorme Anderungen wachſender Pflanzenorgane durch Beſchattung. Berlin 1872.
3) Vergl. Ritthauſen und Pott, Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1873, pag. 384, und Kreusler und Kern, Centralbl. f. Agrikulturchemie 1876, I., pag. 401.
Dauernde Ver— dunkelung tötet die grünendeile.
168 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
V. Abſterben grüner Teile bei dauernder Verdunkelung derſelben.
Wenn man Pflanzen mit grünen Blättern in beſtändige Dunkel— heit ſetzt oder wenn man auch nur ein Blatt allein oder einen Teil eines ſolchen mit einer undurchſichtigen Hülle bedeckt, ſo werden die dem Lichte entzogenen grünen Teile bald gelbfleckig und endlich ganz gelb. Sie zeigen dieſelbe Veränderung, wie wenn ſolche Blätter dem natürlichen Tode am Ende ihres Lebens anheimfallen, was auch unter Gelbfärbung eintritt. Es wird nämlich dabei nicht bloß der Chloro— phyllfarbſtoff zerſtört, ſondern auch das aus Eiweißſtoffen beſtehende Chlorophyllkorn ſelbſt vollſtändig aufgelöſt, und es bleiben in der Zelle kleine, fettartige, gelbe Körnchen zurück, die aus dem das Chlorophyll begleitenden und nicht reſorbiert werdenden gelben Farbſtoff, dem Xanthophyll, beſtehen. Die Pflanzenphyſiologen haben dieſe Thatſache früher ſo ausgelegt, daß das Licht auch zur Erhaltung des Chloro— phylls nötig ſei. Wie ich gezeigt habe), iſt dies ein Irrtum. Der Lichtmangel als ſolcher wirkt nicht zerſtörend auf das Chlorophyll. Das Verſchwinden des letzteren unter jenen Umſtänden iſt nur das gewöhnliche Symptom des Abſterbens der Zellen. Denn die meiſten Pflanzen geben in dauernder Dunkelheit ihre grünen Blätter, als unter ſolchen Verhältniſſen unbrauchbare Organe, preis, d. h. ſie laſſen ſie abſterben, ziehen aber vorher alle wieder verwendbaren Stoffe, darunter auch die Eiweißſtoffe und das Chlorophyll, aus ihnen heraus, wie das auch vor dem gewöhnlichen natürlichen Abſterben geſchieht. Stirbt ein Organ in konſtanter Finſternis nicht gleich ab, wie es bei den Blättern vieler Waſſerpflanzen, z. B. Elodea, und bei den Koniferen der Fall iſt, ſo bleiben darin auch ebenſo lange, oft Monate lang die Chlorophyllkörper unverändert grün. Die einzelnen Pflanzenarten ſind hierin in verſchiedenem Grade empfindlich: die meiſten Mono- und Dikotyledonen, beſonders die krautartigen Landpflanzen, wie haupt⸗ ſächlich Leguminoſen, Gramineen u. a. zeigen die Entfärbung ſchon, wenn ſie ſehr ſtark beſchattet ſtehen. Viel widerſtandsfähiger find Die- jenigen, deren natürlicher Standort im tiefen Waldesſchatten und in düſteren Schluchten iſt, wie manche Mooſe und Farne, welche ſelbſt in ſehr ſchwachem Lichte grün bleiben. Pflanzen mit lederartigen oder fleiſchigen, lange dauernden, immergrünen Teilen behalten ihr Chloro— phyll ſehr lange in der Dunkelheit, obgleich die während dieſer Zeit etwa neu gebildeten Sproſſe etiolieren, z. B. Selaginella vier bis
1) Vergl. mein Lehrbuch d. Botanik I. Leipzig 1892, pag. 644.
1. Kapitel: Das Licht 169
fünf Monaten), Koniferen und andre immergrüne Pflanzen, die man Winters einzuſchlagen pflegt, während des ganzen Winters. Ahnliches zeigen die Sukkulenten; ſo blieb Cactus speciosus während dreimonat— licher Verdunkelung grün). Endlich haben auch Waſſerpflanzen, wie erwähnt, große Widerſtandsfähigkeit. So ſchadet die mehrmonatliche Dunkelheit des Winters der Polarländer den Meeresalgen daſelbſt nicht?). Elodea canadensis erhielt ich 6 Wochen lang im Dunkeln unverändert grün mit Ausnahme der in dieſer Zeit neugebildeten Teile, welche vollſtändig etioliert waren. Spirogyren dagegen ver— lieren ihr Chlorophyll im Dunkeln bald!).
VI. Tödliche Wirkung intenſiven Sonnenlichtes. Beſchädigung durch intenſives
Auch durch zu ſtarkes Licht können Pflanzenteile getötet werden. Sonnenlicht. Bei den älteren Schriftſtellern finden ſich darüber folgende Beob— achtungen. Schon Bonnet!) war es bekannt, daß grüne Blätter vom intenſiven Sonnenlichte nichts zu leiden haben, wenn ſie in natürlicher Lage, alſo mit ihrer Oberſeite demſelben ausgeſetzt ſind, dagegen beſchädigt werden, wenn man ſie in einer Lage erhält, wo das Licht direkt auf die Blattunterſeite fällt. Batalins) beobachtete, daß die Chlorophyllkörner im direkten Sonnenlichte manchmal blaß— grün, bei manchen Koniferen ſogar gelb werden, wobei die ganzen Blätter dieſelbe Verfärbung zeigen, daß aber bei Dämpfung des Lichtes nach einigen Tagen die rein grüne Färbung wiederkehrt. Böhms) hat ſogar eine tiefere Störung durch ſehr intenſives Licht an den Blättern der Feuerbohne bemerkt; dieſelben wurden dadurch zuerſt gebleicht, dann gebräunt, endlich zerſtört, indem an den gebräunten Stellen die Meſophyllzellen der inſolierten Blattſeiten mit einer braunen Subſtanz erfüllt waren.
Selbſt angenommen, daß es ſich in allen dieſen Fällen um rein Lichtwirkungen, nicht um Beſchädigungen durch Hitze handelte, bleibt es ungewiß, inwieweit daran die beiden neuerdings ſicher feſtgeſtellten Wirkungen hellen Lichtes auf die Chlorophyllkörper beteiligt waren.
) Sachs, Experimentalphyſiologie, pag. 15.
2) Vergl. Bot. Zeitg. 1875, pag. 771.
3) Famintzin, Melanges biologiques. Pétersbourg 1866. T. VI, pag. 94. ;
) Nutzen der Blätter bei den Pflanzen. Überſetzung von Adolf Nürn— berg 1762, pag. 52.
5) Botan. Zeitg. 1874. Nr. 28. Vergl. auch Askena ſy, daſelbſt 1875, Nr. 28.
6) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1877, pag. 463.
170 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Wir wiſſen erſtens, daß das Licht die Lagenverhältniſſe der Chloro— phyllſcheiben in den Zellen beeinflußt, im allgemeinen in dem Sinne, daß dieſe Körperchen im intenſiven Lichte die der Oberfläche des 0 Blattes parallelen Zellwände verlaſſen und an den dazu rechtwinklig a ſtehenden ſich anſammeln, was von Böhm, Famintzin, Borodin, mir und Stahl näher ſtudiert worden iſt. Es hat dies zur Folge, daß die Blätter bei ſtarker Inſolation eine blaſſer grüne Farbe an— nehmen, ſo daß man, wie Sachs zuerſt gezeigt hat, eine Art Lichtbild an den Blättern herſtellen kann, wenn man über gewiſſe Stellen eines von der Sonne beſchienenen Blattes dunkle Papierſtreifen legt, indem dann dieſe Stellen dunkler grün ausſehen, als die beſonnten. Wir
müſſen bezüglich dieſer Erſcheinung hier auf die Pflanzenphyſiologie 5 verweiſen!), denn fie hat keinen pathologiſchen Charakter; ſie iſt re— 1 parabel, denn ſobald die Beleuchtung an Intenſität verliert, kehren N die Chlorophyllſcheiben wieder in ihre normale Stellung zurück; der — Vorgang darf als ein natürliches Schutzmittel, um die Chlorophyll— 5
ſcheiben gegen zu intenſive Beleuchtung zu ſchützen, betrachtet werden. Zweitens kennen wir aber auch eine direkt das Chlorophyll, d. h. den grünen Farbſtoff zerſtörende Wirkung des intenſiven Sonnenlichtes.
tanche Phyſiologen, wie namentlich Wiesner), ſind freilich der An— ſicht, daß Chlorophyll ſtetig wieder aufgelöſt werde und daß die Neu— bildung desſelben ein unter normalen Umſtänden neben dem andern herlaufender Prozeß ſei, ſo daß, wenn der Neubildungsprozeß aus irgend einem Grunde gehindert wird, Entfärbung der Pflanze ein— treten müſſe. Dieſe Anſicht iſt jedoch nicht bewieſen, ja wegen mancher
Thatſachen ſogar unwahrſcheinlich. Nun hat aber Prings heim) * gezeigt, daß durch konzentriertes Sonnenlicht Chlorophyll in der leben— | den Zelle wirklich zerſtört wird, und auch, aus welchem Grunde. Ps Wenn man chlorophyllhaltige Zellen in die im Brennpunkt einer 4 Linſe vereinigten Sonnenſtrahlen bringt, die vorher durch eine die * Wärmeſtrahlen abſorbierende Flüſſigkeitsſchicht gegangen ſind, ſo tritt 1 in den Zellen zunächſt Siſtierung der Protoplasmabewegung, dann 15 Entfärbung des Chlorophylls und endlich der Tod ein; da nun aber 2
dieſe Wirkung nur bei Gegenwart von Sauerſtoff, nicht in indifferenten Gaſen eintritt, jo handelt es ſich nicht um eine Tötung durch Er-
2
1) Mein Lehrbuch d. Botanik I, pag. 286.
2) Beziehungen des Lichtes zum Chlorophyll. Sitzungsber. d. Wiener Akad. 16. April 1874, pag. 56, und die Entſtehung des Chlorophylls. Wien 1877. f
3) Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik 1879, pag. 326, und Monatsberichte d. Akad. d. Wiſſenſch. Berlin 16. Juni 1881.
2. Kapitel: Die Temperatur 171
hitzung, ſondern um eine ſpezifiſche Lichtwirkung, die in einer durch den Sauerſtoff bewirkten Zerſtörung beſteht. Ob eine derartige Be— ſchädigung von ſelbſt im Freien vorkommt, muß dahingeſtellt bleiben, denn die etwa wie lichtbrechende Linſen auf den Blättern wirkenden Tau⸗ oder Regentropfen konzentrieren zugleich die Wärmeſtrahlen und könnten daher wohl eher verbrennend wirken. Aber es wäre denkbar, daß manche Pflanzen- oder Pflanzenteile ſchon gegen ein minder konzentriertes Licht empfindlich ſind, und daß ſich daraus viel— leicht manche der eingangs erwähnten Beſchädigungen, ſowie die Empfindlichkeit der Schattenpflanzen gegen ſehr ſonnige Standorte erklären.
2. Kapitel. Die Temperatur.
Der Geſundheitszuſtand der Pflanze kann geſtört werden durch Einwirkungen der Temperatur. Dieſer Fall tritt ein: 1. wenn das die Pflanze umgebende Medium bis zu denjenigen Temperaturgraden ſich erwärmt oder abkühlt, welche überhaupt das Leben vernichten, 2. wenn die Temperatur innerhalb ihrer für das Pflanzenleben geeig— neten Grenzen beträchtlich von demjenigen Grade entfernt iſt, welcher für den normalen Verlauf der einzelnen Lebensprozeſſe der günſtigſte iſt.
A. Tötung durch Hitze.
Wenn eine tödliche hohe Temperatur auf Pflanzen einwirkt, ſo ſterben entweder alle Organe der Pflanze oder nur gewiſſe Teile oder es werden nur einzelne Stellen derſelben beſchädigt, je nach der Empfindlichkeit der Teile oder der ungleichen Exponierung derſelben. Es giebt daher verſchiedene Erſcheinungen, welche als unmittelbare Folgen der Einwirkung zu hoher Temperatur zu betrachten ſind.
Wirkungen der Temperatur.
Tötung durch Hitze.
1. Befinden ſich in Vegetation begriffene Pflanzen ganz Empfindlichkeit
in einem zu ſtark erwärmten Raume, ſo iſt ihr Tod die Folge. Die Todesſymptome zeigen ſich dann ſchneller oder langſamer, ſpäteſtens in wenig Tagen, auch wenn die Pflanze inzwiſchen wieder in normale Temperatur gebracht worden iſt. Sie zeigen ſich am auffallendſten an ſaftreichen Teilen. Gewöhnlich bemerkt man ſie bei kurz andauernder Erhitzung zuerſt an eben erwachſenen Blättern, während die jüngeren noch unentwickelten Blätter länger, alte Blätter, Blattſtiele und Inter— nodien noch etwas länger widerſtehen. Die Zellen verlieren ihren Turgor; ſie laſſen Zellſaft in die Intercellulargänge austreten und ſchützen ihn auch nicht mehr vor Verdunſtung; das Protoplasma verliert ſeine
vegetierender Pflanzen.
172 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
Bewegung und Organiſation, es nimmt, wenn die Zelle farbigen Saft enthält, den Farbſtoff auf und läßt ihn aus dem Pflanzenteile, ſobald dieſer in Waſſer gelegt wird, austreten. Aus dieſen Veränderungen der Zellen reſultiert die bekannte Beſchaffenheit aller durch Hitze ge— töteten ſaftreichen Pflanzenteile: ihre Schlaffheit und Weichheit, das leichte Austreten des Saftes aus ſolchen Teilen (beſonders ſaftreichen, wie Sukkulenten, Zwiebeln u. dergl.) bei Einwirkung von Druck, die durchſcheinende Beſchaffenheit (infolge der Erfüllung der Intercellular— gänge mit Saft), das raſche Welkwerden und Vertrocknen.
Der tödlich wirkende Temperaturgrad iſt für Landpflanzen ver— ſchieden, je nachdem dieſelben in Luft oder Waſſer ſich befinden; in erſterer höher als in letzterem. Nach Sachs!) iſt für erwachſene Pflanzen oder Zweige von Nicotiana rustica, Cucurbita Pepo, Zea Mais, Mimosa pudica, Tropaeolum majus, Brassica Napus, Papaver somniferum, Phaseolus vulgaris, Tanacetum vulgare, Cannabis sativa, Solanum tuberosum, Lupinus polyphyllus, Allium Cepa, Morus alba in Luft eine Temperatur von 50—52 C. binnen 10—30 Minuten, in Waſſer ſchon 45—46 C. binnen 10 Minuten tödlich; letztere auch für die Waſſerpflanzen Ceratophyllum, Chara und Cladophora. Lemna trisulca ſoll nach Scheltinga?) erſt bei 50— 55 C. binnen 10 Minuten getötet werden. Nach H. de Vries) ſind für oberirdiſche Teile von Zea Mais, Phaseolus, Brassica ꝛc. nach „ Stunde in Waſſer 43,9 bis 44,1 C. unſchädlich, aber 45,3 45,89 C. tödlich, für die Wurzeln genannter Pflanzen in Erde nach ½ Stunde 50—522 C. und in Waſſer 45— 47,3 C. eben noch unſchädlich; den Wurzeln von Citrus Aurantium nach ½ Stunde 46,5 C. unſchädlich, 50 — 50,5“ C. tödlich, für die oberirdiſchen Teile derſelben 50— 50,3 C. unſchädlich, 52,2 bis 52,5 C. tödlich; ferner belaubten Zweigen von Taxus, Saxifraga umbrosa, Erica, Hedera, Salisburia 10 Minuten lang 48,5 C. un— ſchädlich, 51—52° tödlich; Laub- und Lebermooſen eine halbſtündige Erwärmung in Waſſer auf 40—46 C. unſchädlich, auf 46—47° töd⸗ lich. Bialoblockit) fand eine konſtante Bodentemperatur von 50° C. den Wurzeln von Roggen, Gerſte und Weizen nach ein bis mehreren Tagen immer tödlich. Gewiſſe in Thermen vegetierende Dscillarien
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1) Experimentalphyſiologie, pag. 64—65.
2) Citiert in Juſt, Bot. Jahresb. für 1876, pag. 719.
3) Nederl. Kruidk. Arch. II. ser. I. 1871, citiert in Bot. Zeit. 1872, pag. 781, 9 Über den Einfluß der Bodenwärme auf die Entwickelung einiger Kulturpflanzen. Diſſertation 1872.
2. Kapitel: Die Temperatur 173
ſollen nach Cohn) daſelbſt 31—44° C., Leptothrix lamellosa ſogar 44 — 54 lebend ertragen. Andre gewöhnliche Chlorophyllalgen, Spirogyren und Phycochromaceen wurden nach de Vries (I. e.) bei 42,8 —44,2» C. beſchädigt.
2. Trockene Samen und Pilzſporen zeigen nach Einwirkung Empfindlichkeit von Hitze die tödliche Wirkung in dem Verluſte der Keimfähigkeit. and Sporn Im trockenen Zuſtande widerſtehen ſie aber viel höheren Wärmegraden als die ſaftigen Pflanzenteile. Nach Sachs?) verlieren lufttrockene Samen ihre Keimfähigkeit infolge einſtündiger Erwärmung, und zwar | Gerſte und Mais bei 64—65° C., Roggen und Weizen bei 67—68° C., | Erbſen bei 71—73° C., während im gequollenen Zuſtande Samen | derſelben Pflanzen ſchon bei 51—52° C. dieſes Schickſal haben. Aber noch weit höhere Grade ertragen die Samen ohne Schaden, wenn ihnen durch allmähliche Erwärmung mit Chlorcalcium immer mehr Waſſer entzogen worden iſt. Kraſans) hat dies für Weizenkörner nachgewieſen, welche er in dieſer Weiſe 46 Stunden auf 50 —56 ½ C. und jo allmählich fortſchreitend zuletzt 11 Stunden lang auf 72° er— wärmte, wodurch ſie endlich 12 Prozent Waſſer verloren aber ihre Keimfähigkeit behalten hatten; ſogar vierſtündige Erhitzung auf 100° war ſolchen Körnern nicht tödlich. Juſt-) fand für jo behandelte Samen von Trifolium pratense ſogar erſt 120° C. tödlich, während niedere Temperaturen die Keimfähigkeit nicht vernichteten; jedoch blieben ſolche Samen nur am Leben, wenn ihnen dann das entzogene Waſſer ſehr langſam wieder zugeführt wurde, verloren aber die Keimfähigkeit bei ſchneller Befeuchtung. Auch Fichtenſamen ertragen nach Veltens) + 80G. eine Stunde ohne Verluſt der Keimfähigkeit. Ahnliche An— gaben finden ſich bei Höhnel®).
Auch Pilzſporen haben im trockenen Zuſtande eine große Widerſtands— fähigkeit gegen hohe Temperaturen, während ſie im waſſerdunſtgeſättigten Raume oder im Waſſer ſchon durch niedrigere Wärmegrade getötet werden. Nach Paſteur“ bleiben Sporen von Penicillium glaucum in trockener
Luft bei 108° C. am Leben, verlieren vielfach bei 119 — 121“, alle raſch bei 127 - 132 ihre Keimfähigkeit, ertragen aber in Flüſſigkeit eine Erwärmung
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) Flora 1862, pag. 338. Vergl. auch Sachs, Flora 1864, Nr. 1, und Hoppe-Seyler, Pflüger's Archiv f. Phyſiologie 1875, pag. 118.
2) Experimentalphyſiologie, pag. 66.
3) Sitzungsber. der Wiener Akademie 1873.
) Verhandl. der Naturforſcher-Verſammlung zu Breslau 1874.
5) Sitzungsber. der Wiener Akademie Juli 1876.
6) Haberland's wiſſenſch-prakt. Unterſuchungen 1877. II, pag. 77.
) Examen de la doctrine des gen. spontandes. (Ann. Chim. 3. ser. T. 64; auszüglich in Flora 1862, pag. 355.)
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174 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
von 100° nicht lebend. Die Sporen von Peziza repanda ſollen nach Schmitz!) im Waſſer 63,75, trocken 137,59 ertragen. Auch Payen) fand Sporen von Oidium aurantiacum nach Erwärmung auf 120° noch keimfähig, bei 140° aber getötet. Ebenſo ertragen nach Hoffmann?) die Sporen von Ustilago Carbo und U. destruens im Trocknen 104 120 ohne Schaden; im waſſerdunſtgeſättigten Raume werden die erſteren zwiſchen 58,5 und 62°, die letzteren zwiſchen 74 und 78° binnen einer Stunde getötet. Nach Tar— nomwsfyt) ſollen Sporen von Penicillium glaueum und Rhizopus nigri- cans, in Luft 1— 2 Stunden auf 70—80° C. erwärmt, nur noch ſelten, auf 82— 84° echitzt aber gar nicht mehr keimen, und in Flüſſigkeit bei 54 — 55 ihre Keimfähigkeit verlieren; auch nach Schmitz ertragen die Sporen von Penicillium im Waſſer höchſtens 61°. — Hefezellen werden nach Hoff— manns) in Flüſſigkeit durch 60 — 74 C. noch nicht, wohl aber durch höhere Erwärmung getötet; trockene Hefe ſoll jedoch bis 150° erhitzt werden können, ohne die Fähigkeit, Gärung zu erregen, zu verlieren.
Ahnliches gilt auch von den Spaltpilzen. Cohn!) fand, daß eine Er- wärmung der Flüſſigkeit 20 Minuten lang auf 100° &., desgleichen eine einſtündige auf 60— 629 Fäulnisbakterien tötet, nicht aber eine dreiſtündige Einwirkung von 40—50°. Nach Eidam) iſt vierzehnſtündige Erwärmung bei 54° C. oder dreiſtündige bei 50° für Bacterium Termo tödlich. Cohn und Paſteurs) haben gefunden, daß es bei gewiſſen Bacillenformen die Sporenzuſtände derſelben ſind, welchen eine große Widerſtandsfähigkeit gegen Hitze zukommt. Pa ſteur giebt die äußerſte Widerſtandsgrenze für die Schizomyceten der Milchſäuregärung auf 105 C. an; und nach Wy manns) ſollen Bakterien in Flüſſigkeiten ſogar die Siedehitze in einer Dauer von 15 Minuten bis 4 Stunden ohne Schaden, jedoch 5—6 Stunden lang nicht mehr ertragen. Genügend lange Dauer der Erwärmung hat aber ſchon bei niederen Temperaturgraden den Tod zu Folge; doch reicht manch— mal eine drei- bis viertägige Erwärmung der Flüſſigkeit auf 70—80° C. nicht hin, um die Bacillen zu töten. Wegen dieſer großen Widerſtands— fähigkeit der Spaltpilze gegen Hitze beruht das ſogenannte Steriliſieren (Be- freien von Pilzkeimen) von Flüſſigkeiten u. dergl. auf einem mehrſtündigen Kochen oder Verweilen derſelben im Dampfſteriliſierungsapparate bei Siedehitze.
3. Als lokale Beſchädigungen durch Sonnenbrand an
Beſchädigung erwachſenen vollkommeneren Pflanzen ſind mancherlei Erſcheinungen Sonnenbrand. gedeutet worden, ohne daß dafür immer ein genügender Nachweis
) Verhandl. d. naturh. Vereins f. Rheinlande ꝛc. 1845.
2) Compt. rend. T. 27, pag. 4.
3) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſ. Bot. II, pag. 267.
) Sachs, Lehrb. d. Bot. 4. Aufl., pag. 699.
5) Compt. rend. T. 63. (1866), pag. 929. — Vergl. auch die ähnlichen Reſultate E. Schumacher's u. Wiesner's in Sitzungsber. d. Wiener Akademie 11. Juni 1874.
6) Beiträge z. Biologie d. Pfl. 2. Heft (1872), pag. 219.
7) Verhandl. d. Naturforſcher-Verſammlung 1874.
8) Ann. de chim. et de physique 1862, 3. ser. T. 64, pag. 90.
) Hoffmann's Mykologiſche Berichte in Bot. Zeitg. 1869, pag. 227.
2. Kapitel: Die Temperatur 175
beigebracht worden wäre. Sogar Effekte, welche unzweifelhaft nicht einmal indirekt durch ſtärkere Erwärmung veranlaßt werden, wie verſchiedene Fleckenkrankheiten der Blätter, hat man jo erklären wollen ). Aber es ſind hier auch alle Erſcheinungen von Sommerdürre auszu— ſchließen, weil dieſe auf einem Mißverhältnis zwiſchen Waſſeraufnahme und Verdunſtung beruhen, von der Temperatur als ſolcher unabhängig ſind. Das ſogenannte Verbrennen der Blätter in Gewächshäuſern, wobei gelbe oder braune vertrocknete Flecken, welche durch die ganze Dicke des Blattes gehen, auftreten, findet ſtatt, wenn Waſſertropfen auf den Blattflächen ſich befinden und dieſelben durch die Sonne ſoweit erhitzt werden, daß eine Tötung der Blattſubſtanz ſtattfindet, wie Neumann? beobachtete, der ſolche Flecken an den Blättern von Dracaena und Cordyline binnen wenigen Minuten entſtehen ſah, nach— dem ſie beſpritzt waren und von der Sonne beſchienen wurden, wobei die Flecken unter den Tropfen ſich bildeten. Bedingung iſt eine un— bewegte Lage des Blattes; daher ſoll es beſonders eintreten, wenn die Gewächshäuſer geſchloſſen find, nicht wenn die Thüren geöffnet find und die Blätter durch Luftzug bewegt werden. Sönjjon?) hat dies experimentell beſtätigt und noch weiter beobachtet, daß auch die im Glaſe der Gewächshäuſer befindlichen Blaſen in derſelben Weiſe auf die Blätter wirken können, indem er das dadurch auf den Blättern hervorgebrachte Sonnenbild in ſeinem Fortſchreiten verfolgen konnte, womit es zuſammenhängt, daß ſolche Brennflecken gewöhnlich in regel— mäßigen Linien ſtehen. Natürlich werden auch die an den Glasflächen hängenden Waſſertropfen in gleichem Sinne wirken können. Der töd— lich wirkende Temperaturgrad iſt dabei freilich nicht ermittelt worden. Daß aber Pflanzenteile, die von intenſivem Sonnenlichte getroffen werden, ſtärker als die umgebende Luft ſich erwärmen, hat Asfenafy‘) an Sempervivum und Opuntia beobachtet, welche dabei 43—49, ſelbſt 51—52° C. annahmen, ohne geſchädigt zu werden, während dünnere Blätter, z. B. von Gentiana cruciata, gleichzeitig nur bis 35° C. ſich erwärmten. Da die erſtgenannten Grade in der Nähe derjenigen Temperatur liegen, welche nach Sachs im Waſſer tödlich iſt, ſo wäre, wenn die Blätter bei ſolcher Erwärmung benetzt ſind, eine Tötung nicht undenkbar, auch wenn die Tropfen nicht gerade wie Brenngläſer
) Decandolle, Physiologie vegetale III, pag. 1113.
2) A ansonia 1860-62, pag. 320, im Auszuge in Hamburger Garten— zeitung 1863, pag. 163.
3) Über Brandflecke auf Pflanzenblättern. Refer. in Zeitſchrift f. Pflanzen⸗ krankheiten II, 1892. pag. 358.
) Bot. Zeitg. 1875, Nr. 27.
Sonnenriſſe.
176 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
wirken ſollten. — Der durch verſchiedenartige äußere Verletzungen verurſachte Samenbruch der Weinbeeren (ſ. Hagelſchäden) kann nach Hoffmann!) auch durch die Sonnenſtrahlen bewirkt werden, wenn dieſelben durch Waſſertropfen, die an der Beere hängen, wie durch eine Linſe auf der Oberfläche der Schale im Brennpunkte ver— einigt worden ſind und eine Tötung der getroffenen Stelle der Beere hervorgebracht haben. Ein völliges Vertrocknen der Trauben durch Sonnenbrand beobachtet man in Jahren mit ungewöhnlicher Hitze im Auguſt nicht ſelten in den Weinbergen an ſolchen Trauben, welche nicht durch Blätter geſchützt, ſondern direkt der Sonne exponiert ſind; an denſelben ſind dann die Beeren förmlich wie Roſinen ge— dörrt. Müller-Turgau?) fand in der That die Temperatur in der beſonnten Weinbeere bis auf 40 C. ſteigen, wenn daneben in der Sonne 36°, und im Schatten 24 C. beobachtet wurden. Derſelbe hat auch nachgewieſen, daß die Wärme dabei das wirkſame iſt, indem die gleichen Erſcheinungen auch in einem erwärmten dunkeln Blech— kaſten zu beobachten waren. Unreife Beeren ſind empfindlicher als reife.
Durch Inſolation ſollen nach de Songhe?) Sonnenriſſe in der Rinde der Obſtbäume entſtehen, wo die Rinde der Länge nach aufberſtet und zu beiden Seiten des Riſſes ſich auf mehrere Centimeter Breite vom Holze loslöſt, und zwar im Frühjahre, beſonders am unteren Teile des Stammes, immer auf der der Sonne zugekehrten Seite, welche den direkten Sonnenſtrahlen von 11 Uhr vormittags bis 2 Uhr nachmittags ausgeſetzt iſt. Ein Bedecken dieſer Seiten mit Stroh ſoll das Aufreißen verhüten. Auch bei Waldbäumen iſt die Er— ſcheinung bekannt, beſonders an Buchen, Hainbuchen, Eichen und Ahorn‘). Über die bei der Entſtehung der Sonnenriſſe wirkſamen Faktoren beſteht jedoch noch keine genügende Klarheit. Da die Er— ſcheinung nur im März auftreten ſoll, jo muß, wie ſchon Caspary) hervorhob, wohl den Spätfröſten hierbei ein gewiſſer Einfluß zuge— ſchrieben werden, indem ſie in der ſaftreich gewordenen Cambium— ſchicht ein Gefrieren bewirken, welches ein Abſprengen der Rinde vom Holze zur Folge hat, worauf vermutlich die von der Saftzuleitung ausgeſchloſſene Rinde durch die Sonnenhitze vertrocknet und berſtet.
) Bot. Zeitg. 1872, Nr. 8.
2) Der Weinbau 1883, Nr. 35.
3) Bot. Zeitg. 1857, Nr. 10.
4) Vergl. Nördlinger, Lehrbuch des Forſtſchutzes 1884, pag. 332, und R. Hartig, Lehrbuch der Baumkrankheiten. 2. Auflage, Berlin 1889, pag. 286.
5) Botan. Zeitg. 1857, Nr. 10.
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2. Kapitel: Die Temperatur 177
Nach Caspary) ſoll jedoch auch erſt im Auguſt die Entſtehung von Sonnenriſſen an den der Mittagsſonne ausgeſetzten Seiten bemerkt worden ſein, was der Genannte als eine unmittelbar tödliche Wirkung der Sonnenhitze auffaßt. Die Vermutung iſt aber auch hier nicht aus— geſchloſſen, daß ein früher eingetretener Froſttod der Rinde erſt bemerkt worden iſt, nachdem in der heißen Jahreszeit die Austrocknung der toten Partien bis zum Berſten fortgeſchritten war. R. Hartig (l. e.) hält es für wahrſcheinlich, daß die Inſolation den Rindenkörper partiell ſo erwärmt, daß dieſer ſich ſtark ausdehnt und ſomit von dem Holzkörper ſich ablöſen muß. Daß bei ſehr ſtarker Inſolation die Rinde eines Baumſtammes bis zum tödlichen Temperaturgrade erwärmt werden kann, iſt allerdings nicht undenkbar; freilich wird dann aber auch ſtarke Tranſpiration, alſo übermäßiger Waſſerverluſt der inſolierten Rindenpartien möglicherweiſe tödlich ſein können. Die Erſcheinung hat offenbar auch gewiſſe Beziehung zu dem Rindenbrand, den wir unten bei den Froſtſchäden beſprechen. Die Sonnenriſſe werden oft durch Überwallung nach einigen Jahren wieder geſchloſſen.
B. Wirkungen des Froſtes. I. Das Gefrieren der Pflanzen.
Ein Erſtarren der Pflanzenſäfte zu Eis iſt zu erwarten, wenn die Wirkungen des
Temperatur des umgebenden Mediums auf 0° geſunken iſt. Jedoch muß dies nicht notwendig genau mit dieſer Temperatur zuſammen— fallen. Denn die Pflanzenteile ſind infolge von Wärmeſtrahlung und Verdunſtung in freier Luft gewöhnlich etwas kälter als dieſe (wie Tau⸗ und Reifbildung auf den Pflanzen beweiſen) und können alſo, wenn die Luft noch wenige Grade über 0° hat, ſchon unter den Ge— frierpunkt abgekühlt ſein. Allein die Pflanzenſäfte ſind nicht reines Waſſer, ſondern mehr oder minder konzentrierte Löſungen, und ſolche gefrieren erſt bei einigen Graden unter 0), und wenn ſie gefrieren, ſo ſcheiden ſie ſich in faſt reines Waſſer, welches erſtarrt, und in eine konzentriertere Löſung, welche dies erſt bei noch ſtärkeren Kältegraden thut. Beim Beginn des Gefrierens des Waſſers zu Eis wird zunächſt die Temperatur des Pflanzenteiles wieder etwas höher, weil bei der erſten Eisbildung Wärme frei wird. Übrigens iſt in trockeneren Pflanzenteilen kein oder nur wenig Zellſaft in den Zellen vorhanden; faſt alles Waſſer befindet ſich im imbibierten Zuſtande in der Zellhaut,
) Verhandl. d. phyſ.⸗ökon. Geſellſch. zu Königsberg 1858. ) Vergl. Nägeli, Sitzungsber. d. bair. Akad. d. Wiſſenſch. 9. Febr. 1861, und Müller-Turgau, Landwirtſch. Jahrbücher 1886, pag. 459 ff. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 12
Froſtes. Das Gefrieren der Pflanzen.
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im Protoplasma und in deſſen geformten Inhaltskörpern, und auch von dieſem Waſſer gefriert bei beſtimmten Kältegraden nur ein Teil, der andere wird als Imbibitionswaſſer zwiſchen den Molekülen dieſer Organe feſtgehalten. Iſt nun aber dieſes Imbibitionswaſſer nur in geringer Menge vorhanden, ſo kann überhaupt nur eine ſehr unbe— deutende oder gar keine Kriſtalliſation zu Eis eintreten. Jedenfalls laſſen auch bei den ſtrengſten Kältegraden alle trockeneren Pflanzenteile, wie die Winterknoſpen und Zweige der Holzpflanzen und die Samen keine Veränderung im Sinne eines Gefrierens wahrnehmen und es ſind nur ſaftreichere Organe, wie die Stengel und Blätter der Kräuter, das Laub der Holzpflanzen, Knollen, Zwiebeln und ſukkulente Pflanzen, welche auffallend gefrieren. Wir betrachten zunächſt die beim Gefrieren auftretenden Erſcheinungen. Eisbildung in der 1. Eisbildung. Beim Gefrieren werden ſaftige Pflanzenteile Uſtanse. infolge der in ihnen ſtattfindenden Eisbildung hart und glaſig ſpröde. Werden die Teile plötzlich ſtarken Kältegraden ausgeſetzt, ſo erſtarren ſie durch und durch gleichmäßig zu ſteinharten Körpern. Weſentlich anders iſt die Eisbildung, wenn die Pflanzenteile allmählich bei ge— ringen Kältegraden (1—4 C.) gefrieren, wie dies in unſerem Klima im Freien bei Eintritt von Froſt gewöhnlich der Fall iſt. Hier bilden ſich Eismaſſen zwiſchen den Zellen, wodurch die Gewebe zerklüftet werden, während die Zellen, weil Waſſer aus ihnen ausgetreten und dann zu Eis erſtarrt iſt, mehr oder weniger zuſammenſchrumpfen, jedoch ſelbſt nicht gefrieren. Dieſe Bildung zuſammenhängender Eis— maſſen in gefrierenden Pflanzen iſt den Beobachtern ſchon vor langer Zeit aufgefallen, eingehender aber zuerſt von Caspary), ſpäter von Prillieux? unterſucht worden. Nach dieſen und meinen Beob— achtungen tritt dieſe Eisbildung am häufigſten und ſtärkſten an ſolchen Pflanzen auf, welche für den Winterzuſtand nicht vorbereitet, ſondern noch in Vegetation begriffen ſind, daher beſonders an krautartigen Spätlingen und an exotiſchen Stauden im freien Lande, anderſeits aber auch im Frühlinge an Pflanzen, die bereits in Saft getreten ſind oder zu treiben begonnen haben, alſo überhaupt an ſolchen, die reich an Saft ſind und denen ſolcher auch fortwährend durch die Wurzelthätigkeit zugeführt wird. Übereinſtimmend iſt überall, daß die Eismaſſe wenigſtens anfangs, meiſt für immer, innerhalb des Pflanzen- teiles ſich befindet und aus Eiskriſtallen beſteht, welche mit einander parallel und mehr oder minder zuſammenhängend, ſtets rechtwinklig
178 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphaͤriſche Einflüffe
) Botan. Zeitg. 1854, Nr. 38—40, wo auch die ältere Literatur zu finden iſt. 2) Ann. des sc. nat. 5, ser. T. XII. 1869, pag. 125.
2. Kapitel: Die Temperatur 179
auf demjenigen Gewebe jtehen, aus welchem das Waſſer ausfriert. Die Kriſtalle ſind faſt reines Waſſer, auch wo die Zellenſäfte gefärbt ſind, farblos. An welchem Orte die Eismaſſen ſich bilden, hängt von dem anatomiſchen Bau des Pflanzenteiles ab.
Der gewöhnlichſte Fall bei Stengeln und Blattſtielen iſt, wie Prillieux ſchon angegeben hat, der, daß im Rindenparenchym, bald unmittelbar unter der Epidermis bald tiefer eine mit der Oberfläche konzentriſch liegende Eiskruſte von anſehnlicher Stärke ſich bildet, durch welche die Epidermis und die etwa mit abgetrennten äußeren Rinden— ſchichten wie ein weiter Sack abgehoben und nicht ſelten geſprengt werden. Es iſt unverkennbar, daß das grüne Rindenparenchym wegen der Anweſenheit vieler Intercellulargänge und wegen der leichten Trennbarkeit der einzelnen Zellen für die Entſtehung dieſer intercellularen Eismaſſen beſonders günſtig iſt. An den Punkten, wo die Epidermis durch collenchymatiſche oder ähnliche feſte Gewebe mit dem Innern feſter zuſammenhängt, iſt die peripheriſche Eislage unterbrochen. So haben nach Prillieux der Stengel von Senecio crassifolius 5, die Stengel der Labiaten 4, nämlich an den vier Seiten liegende, die meiſten Blattſtiele 3 ſolcher Eisplatten unter der Oberfläche, nämlich eine an der rinnenförmigen oder flachen Oberſeite, je eine an den beiden Hälfte der konvexen Unterſeite. Dagegen bekommen die Stengel der Scrofulariaceen eine ringförmig zuſammenhängende Eisſchicht; und am Stengel von Borago officinalis finde ich viele ungleich große, nur durch dünne Schichten von Rindenparenchym getrennte dicke Platten neben einander einen ringförmigen Eismantel bildend (Fig. 25). Ich habe mich von der Richtigkeit der Angabe Prillieux's überzeugt, daß bei dieſem Gefrieren die Zellen dort, wo die Eisklüfte im Gewebe ſich bilden, nur auseinanderweichen, aber nicht zerriſſen werden (vergl. Fig. 25 und 26 C.). Die von Caspary unterſuchten Pflanzen, welches meiſt kleine exotiſche Sträucher mit ſtark entwickeltem Holz— körper waren (Heliotropium peruvianum, Cuphea pubiflora u. a. Arten, Lantana abyssinica und aculeata, Manulea oppositifolia, Calceolaria perfoliata) zeigten ihm das Eis unmittelbar auf dem Holzeylinder aufſitzend, zwiſchen dieſem und der Rinde, die dadurch vom Holze getrennt und verſchiedenartig geſprengt war. Auch hat derſelbe !) im Frühjahre an einheimiſchen Bäumen bei plötzlich eintretendem Froſt ein Gefrieren des Saftes im Cambium und ein Abſprengen der Rinde vom Holze beobachtet. In Übereinſtimmung damit fand auch Sorauer?),
) Bot. Zeitg. 1857, pag. 153. Das Gleiche wird ſchon von Du Petit— Thouars (Le verger francais, Paris 1817) ausgeſprochen. 2) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 424. 12 *
180 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmofphärifche Einflüſſe
nachdem er Zweige von Obſtbäumen Ende Mai mit künſtlichen]Kälte— f miſchungen behandelt hatte, an einzelnen Stellen Rinde und Cambium 5 vom Holze gelöſt und in das letztere radiale Spalten von dieſen Mi
Stellen aus ein- 4 dringen, auch r | innerhalb des / NW 7, Rindenparen— chyms die Zellen in radialen Spalten ausein— ander gewichen. Ein zweiter Ort der Eisbildung in Stengeln und Blattſtielen, der 2 gleichfalls von f Caspary und 5 Prillieux ſchon genannt wird, iſt das Mark. Wo dieſes maſſiv iſt, Fig. 25. bilden ſich oft | Gefrorener Stengel von Borago officinalis, ein Stück mehrere Eis— 2 desjelben im Duerjchnitte, r Rinde mit dem Gefäßbündel⸗ partien, welche ringe, h behaarte Oberhaut, nebſt Partien der Rinde das Geweb 3 durch mächtige, radial geſtreifte Eisplatten ee, die einen das Gewebe un ringsum laufenden Eismantel bilden, abgehoben. Die regelmäßig der Höhlung des Stengels auf der Innenſeite von r iſt mit Länge und der 4 3
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einem aus dichtſtehenden Eiskriſtallen gebildeten ſtarken Hohlcylinder von Eis e ausgekleidet; auf den Spitzen Quere nach zer⸗ dieſer Eiskriſtalle die bis S geſchobenen geen klüften. In . zellen mm, welche auf der Innenſeite von ur geſeſſen 4 hatten. Schwach vergrößert. hohlen Stengeln © füllt ſich oft die
Markhöhle mehr oder weniger mit Eis, welches in einer ringförmig 4 zuſammenhängenden Kruſte die Wand der Höhle bedeckt; jo finde ich 4 in gefrorenen Stengeln von Borago officinalis im Innern einen ſolchen
ſehr ſtarken Hohlcylinder gebildet aus dichtſtehenden Eiskriſtallen,
welche von dem Gefäßbündelringe ausgehen und radial gegen die ö hohle Mitte gerichtet ſind, die leeren und abgeſtorbenen Zellen, mit a welchen normal die Markhöhle ausgekleidet iſt, bis dorthin vor ſich herſchiebend (Fig. 25m). Durch ſolche Anhäufungen von Eis im Mark kann endlich der Holzring geſprengt werden, was Cas—
2. Kapitel: Die Temperatur
pary )) und ältere Beobachter gejehen haben.
181
Wenn im Markgewebe
noch einzelne Gefäßbündel zerſtreut ſtehen, ſo ſchießt auch um jedes eine ringförmige Eiskruſte an, wie Sachs?) von gefrorenen Blatt—
ſtielen von Cynara Scolymus angiebt. Blatt— ſtiele, die hauptſächlich aus zartem Parenchym beſtehen, in welchem nur wenige und feine Fibrovaſalſtränge verlaufen, können, während die Epidermis abgehoben oder ſtellenweiſe geſprengt iſt, auch innerlich ſehr tief der Quere und der Länge nach von dem ſich bildenden Eis zerriſſen werden. Die Ver— wundungen können dann dadurch noch ver— größert werden, daß die teilweiſe befreiten Parenchymſtücke infolge der Gewebeſpannung ſich nach außen konkav krümmen, zum Be— weiſe, daß ſie ſelbſt dabei nicht gefroren ſind. So bemerkte ich es an Stielen der Wurzel— blätter von Lychnis diurna zu Ende des Winters nach ſchwachem Nachtfroſte.
Eine andere eigentümliche Art der Bil— dung von Eisplatten in Blattſtielen hat v. Mohls) beſchrieben; er fand, daß im Herbſt bei Nachtfröſten an den Blattpolſtern der Baumblätter in der ganzen vorgebildeten Trennungsſchicht eine Eisplatte ſich bildet, durch welche das Blatt abgegliedert wird, ſo daß am Morgen maſſenhafter Blattfall eintritt.
In den gewöhnlichen dünnen Blatt— flächen der meiſten Pflanzen iſt die Eisbildung minder auffallend, obgleich auch dieſe Teile bei Froſt erſtarren. Ich fand in gefrorenen Blättern krautartiger, mono- und dikotyle— doner Pflanzen verhältnismäßig dünne Eis— kruſten meiſt zwiſchen der Epidermis und den
Lychnis diurna, A und B im Querſchnitte, ſchwach vergrößert. e die Eis⸗ maſſen, durch welche die oberflächlichen Zellſchichten vom inneren Gewebe ab— gehoben ſind, das letztere auch ſtellenweiſe zerriſſen it. O ſtärker vergrößerter Durchſchnitt durch eine Stelle des äußeren Teiles des Blattſtieles, wo eine Eisbildung beginnt; die— ſelbe zeigt ſich deutlich zwiſchen den Zellen, die hier nur auseinanderge— wichen, nicht zerriſſen ſind.
angrenzenden Meſophyllzellen, zum Teil auch zwiſchen die letzteren eindringend, ſeltener unter der erſten Meſophyllzellenſchicht (Iris), alſo wiederum an denjenigen der Oberfläche nächſten Orten, wo Inter—
1) Bot. Zeitg. 1854, pag. 671-674. 2) Lehrbuch d. Botanik. 2) Bot. Zeitg. 1860, pag. 15.
4. Aufl., pag. 703, Fig. 473.
182 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
cellularräume vorhanden ſind und die Zellen am leichteſten von ein— ander weichen. Daher tritt dies beſonders an der unteren Blattfläche ein, wo das Schwammparenchym jene Bedingungen am meiſten erfüllt, mit Ausuahme der Stellen über den ſtärkeren Nerven; aber es kommt auch an der oberen Seite des Blattes zu ſtande. Übrigens erſtreckt ſich dieſe Eisbildung wohl nie gleichmäßig über die ganze Blattfläche: ich fand ſie immer mehr oder minder fleckenweiſe und zwar ganz regellos lokaliſiert; offenbar bilden die Stellen, wo die Kriſtalliſation beginnt, Anziehungspunkte für neue Flüſſigkeit, die ſich dorthin zieht von den übrigen Teilen des Blattes her, welche dadurch ſoviel Saft verlieren, daß an ihnen keine Eisbildung eintreten kann. Ein meiſt auffallend hellgrünes Kolorit zeigt die Stellen an, wo Eis in der Blattfläche abgeſchieden worden iſt. Schutzeinrichtung Die ſoeben beſchriebenen, gar oft verderblichen Verwundungen, winterbeſtändiger i BER 4 ER we ’ ; ſaftreicher Blätterwelche der Froſt an im Saft befindlichen Pflanzenteilen hervorbringt, gegen die Ver- bezogen ſich auf lauter ſolche Teile, welche nicht eigentlich für die kalte een durch Jahreszeit beſtimmt find. Um jo bemerkenswerter iſt es, daß gerade isbildung. g Be i a ; die ſaftigen Teile ſolcher ſukkulenter Pflanzen, welche in dieſem Zu— ſtande den Winter überdauern müſſen, in ihrem anatomiſchen Baue eine Schutzeinrichtung gegen die Verwundung durch Eisbildung haben. Offenbar muß es bei einem konzentriſchen oder überhaupt der Ober— fläche parallel geſchichteten Baue, wie ihn die oben beſprochenen Organe zeigen, wegen der in der gleichen Richtung ſich ausbreitenden und mit— hin in radialer Richtung wachſenden Eiskruſten am leichteſten zu einem Zerſprengen der darüber liegenden Gewebe kommen. Die ſaftigen Blätter der winterbeſtändigen Roſetten der 8Sempervivum-Arten zeigen dagegen auf dem Querſchnitte die Parenchymzellen in Reihen geordnet, welche rechtwinkelig zur Epidermis beider Blattſeiten geſtellt ſind und mit eben ſolchen Reihen von Intercellulargängen, die zwiſchen ihnen ſich befinden, abwechſeln: das Meſophyll beſteht alſo aus ein— ſchichtigen Gewebeplatten, welche in der Längsrichtung und vertikal zu beiden Blattſeiten (median) geſtellt ſind. In gefrorenen Blättern fand ich die einzelnen Gewebeplatten durch Vergrößerung und Vereinigung der Intercellulargänge völlig von einander gewichen und durch dünne Eisplatten von gleicher Richtung, welche die Zwiſchenräume ausfüllen, getrennt; jede Gewebelamelle war zwar infolge ſtarker Schrumpfung der Zellen dünner, jedoch in ihrer Kontinuität nicht unterbrochen und immer mit der Epidermis feſt verbunden; durch Druck konnte man aus dem Querſchnitte die radialen Eisplättchen hervorquetſchen. Es kann alſo hier zu keiner Enthäutung noch zu ſonſtiger ſchädlicher Ver⸗
0 2. Kapitel: Die Temperatur 183
wundung kommen. Beim Auftauen tritt raſch der normale Zuſtand wieder vollſtändig ein.
Die in den Geweben ausgeſchiedenen Eismaſſen beſtehen aus W prismatiſchen Kriſtallen, welche Baſaltſäulen ähnlich vertikal auf a dem unterliegenden Gewebe ſtehen, aber meiſt ſo dicht gedrängt und miteinander verwachſen ſind, daß die einzelnen Individuen oft nicht deutlich zu unterſcheiden ſind. In einer Beziehung zu den einzelnen Zellen oder Intercellulargängen, wie Caspary glaubte, ſtehen ſie nicht. In den Eisſäulchen ſind gewöhnlich ſehr feine, in der Richtung der Längsachſe fadenförmig gereihte Luftblaſen eingeſchloſſen. Meiſtens behalten die Eismaſſen dieſe faſerig kompakte Beſchaffenheit, auch wenn ſie zu großer Stärke heranwachſen, die nicht ſelten die Dicke des darunter liegenden Gewebes weit übertrifft. Indeſſen haben ſchon ältere Beobachter, ſowie auch Caspary) und Prillieux), mitunter geſehen, daß das Eis auch durch exceſſives Wachstum in radialer Richtung ſtellenweiſe aus den Stengeln bald in Form faſt 4 em langer kriſtalliniſcher Fäden, bald in dünnen vertikalen Eisblättern oder Kämmen, bald als faſerige Eislocken weit hervortritt.
Eine phyſikaliſche Erklärung dieſer Erſcheinung hat erſt Sachs?) ge- Erklärungs geben; fait gleichzeitig hat v. Mohl“) wenigſtens in der Hauptſache in verſuche. gleichem Sinne ſich ausgeſprochen. Erſterer hat den Vorgang dem Experi— mente zugänglich gemacht, indem er auf den Schnittflächen von Kürbis— früchten, Rüben, Möhren, Blattſtielen bei —3 bis 6 C. ebenſolche aus vertikal ſtehenden verwachſenen Kriſtallen beſtehende Eiskruſten auftreten ſah und dabei die Bedingungen dieſer Eisbildungen überhaupt feſtſtellen konnte. Als ſolche ergaben ſich: eine mäßige Kälte, bei welcher das mit Waſſer imbibierte Zellgewebe ſelbſt noch nicht gefriert, und ein Schutz der Flache, auf welcher das Eis ſich bildet, vor zu ſtarker Verdunſtung. Dieſe Bedingungen ſind auch bei der Eisbildung innerhalb lebender Pflanzenteile erfüllt. Sachs erklärt nun den Vorgang folgendermaßen. Wenn die dünne Waſſerſchicht an der Oberfläche einer imbibierten (an Intercellular— räume angrenzenden) Zellhaut gefriert, ſo wird eine neue Waſſerſchicht aus der letzteren an ihre Stelle treten und nun ihrerſeits wieder erſtarren, was ſo lange fortgeht, als die Zellhaut nicht gefroren iſt. In der That wachſen die Kriſtalle, wie die Beobachtung lehrt, an ihrer Baſis. Wegen der thätig bleibenden Imbibitionskräfte der Membranen wird auch von entfernteren Stellen aus Waſſer nach den Punkten, wo die Eisbildung zuerſt begonnen hat, hingeleitet, ſo daß die letzteren zu Anziehungspunkten für das Waſſer der Pflanze werden; ja die ſehr mächtigen Eisablagerungen laſſen ſich nur durch die Annahme erklären, daß während des Phänomens durch die Auf— ſaugung der Wurzeln nach und nach noch beträchtliche Waſſermengen den
) Bot. Zeitg. 1854, pag. 665— 674; daſelbſt auch die älteren Angaben. NI. e pag. 129.
3) Berichte d. k. ſächſ. Gef. d. Wiſſ. 1860, pag. 1 ff.
. e
184 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Kriſtalliſationspunkten zugeführt werden, wie von Caspary und anderen!) vor ihm bereits geltend gemacht worden iſt. Daraus erklärt ſich auch, warum der Genannte die Erſcheinung nicht an Topfpflanzen beobachtete, offenbar weil hier durch die Kälte auch die Wurzelthätigkeit ſiſtiert war. — Die Erklärung des Phänomens als rein phyſikaliſcher Vorgang wird beſonders erleichtert durch eine eigentümliche Eisbildung, die manchmal auf der Ober— fläche des Erdbodens vorkommt und ſchon von älteren Beobachtern), be— ſonders aber von v. Mohl), dem Sachs hierin beiſtimmt, mit der Eis— bildung in lebenden Pflanzen identifiziert worden iſt, da ſie unter ganz denſelben Bedingungen und in ganz gleicher Form eintritt. Rechtwinkelig auf der Oberfläche des Bodens erheben ſich bis 5 em lange iſolierte oder verwachſene Eisfäden. v. Mohl beobachtete dieſe Bildungen auf einem Gebirgszuge des Schwarzwaldes, wo ſie unter dem Namen Kammeis be— kannt ſind, im November beſonders an ſteilen Böſchungen, nach Regen— wetter auf einem mäßig feuchten, lockeren und poröſen Boden, welcher ſelbſt dabei nicht gefroren war. Ich ſah die Erſcheinung unter denſelben Ver— hältniſſen ſehr ſchöͤn anfang September 1877 auf dem Kamme der Sudeten: an zahlloſen Stellen bemerkte man bald gerade, bald lockenförmige faſerige Eisſäulen, geſponnenem Glaſe oder Asbeſt ähnlich, auf dem Boden, teils wegen ihrer Länge umgefallen und angehäuft, teils noch ſtehend, häufig an ihren oberen Enden durch eine dünne Eisſchicht verbunden, in welcher — oft etwas von der oberſten Bodenſchicht mit emporgehoben worden war;
die Baſis der Säulen iſt der jüngſte, wachſende Teil, indem das in dem
nicht gefrorenen unterliegenden Boden befindliche Waſſer ſich fortwährend
den einmal gebildeten Eiskriſtallen anſchließt und dieſe vorwärts drängt).
Krümmungen 2. Krümmungen der Blätter und biegſamer krautartiger Stengel
beim Gefrieren ſind beim Gefrieren der Pflanzen häufige Erſcheinungen. In bezug auf die der Stengel giebt Göppert?) an, daß nach einer Temperatur 2 von — 5 C. im Frühlinge die büſchelig wachſenden Stengel der 5 Päonien, Delphinien, Adonis, Potentillen, Dielytra 2c. exentriſch mit der Spitze nach der Erde gebogen, Raps und Kohl nur nickend, aber blühende wie nicht blühende Stengel von Liliaceen, wie Kaiſerkronen
3 OR — —
1) Bot. Zeitg. 1854, pag. 686.
2) Bot. Zeitg. 1854, pag. 681.
Tg,
4 Die Mineralogen haben übrigens dieſe Art von Bodeneis unter den oben angegebenen Verhältniſſen mehrfach beobachtet und Erklärungen gegeben, die mit der obigen übereinſtimmen. Vergl. beſonders Kenngott (Sitzb. d. Wiener Akad. 1855. XVI. Bd., pag. 157—160), welcher das durch nadel- förmige Eiskriſtalle hervorgebrachte Abblättern des Kalkanſtriches und die Hebung desſelben von dem Mörtelverputze einer Ziegelmauer beſchrieben hat. In Japan iſt dieſes Bodeneis nach Dönitz unter dem Namen „Shimo⸗ bashira“ (Reifbalken) bekannt und in den deutſchen Alpen hat man mehrfach dieſelbe Erſcheinung wahrgenommen (vergl. Koch, Über Eiskriſtalle in lockerem Schutte, in Jahrb. f. Mineral. 1877, pag. 449 ff).
5) Ber. d. ſchleſ. Geſellſch. f. vaterl. Kult. 30. März 1873. Citiert in
Bot. Zeitg. 1873, pag. 366.
2. Kapitel: Die Temperatur 185
und Hyacinthen, nicht gebogen, ſondern platt auf den Boden geſtreckt waren. Ich ſah die Krümmungen ſowohl an Spätlingen bei den erſten Herbſtfröſten, als auch bei Frühjahrsfröſten. Die meiſten Stengel waren ähnlich wie im welken Zuſtande in ihrem oberen Teile in einem weiten Bogen umgekrümmt (Silybum marianum, Sonchus olera- ceus, Senecio vulgaris, Urtica urens, Mercurialis annua, Sinapis alba, Poterium Sanguisorba), nicht ſelten halbkreisförmig, ſo daß die Spitze gegen die Erde gekehrt war. Andere zeigten, wie es hier ebenfalls beim Welken zu ſehen iſt, nur eine nickende Richtung des Blütenſtandes: To waren die Blütenſtiele nur im oberen Teile gekrümmt und die Köpfchen hängend bei Calendula, Chrysanthemum Parthenium, und bei Euphorbia helioscopia waren ſowohl der Hauptſtengel als die Aſte des Blütenſtandes allemal nur dicht unter den Hüllen umgebogen. Auch die Blätter nehmen meiſtens eine ähnliche Richtung wie im welken Zuſtande an: ſie ſind im allgemeinen abwärts gebogen. Göppert!)) erwähnt die ſchon
von Linné beobachtete Erſcheinung, daß Euphorbia Lathyris beim
Gefrieren die Blätter dicht am Stengel herabſchlägt. Abwärts— krümmungen der Blätter nur mit ihrer Baſis ſah ich an den Wurzel— blättern von Allium victorialis, die dadurch horizontal auf dem Boden hingeſtreckt waren, und bei Sambucus nigra, wo die Blätter nur in der Nähe des Blattpolſters ſich herabgeſchlagen hatten. Ofter krümmt ſich das Blatt mehr oder weniger in ſeiner ganzen Länge abwärts; bei einigermaßen langgeſtielten iſt es hauptſächlich der Blattſtiel, z. B. bei Malva sylvestris, Ficaria ranunculoides, bei Euphorbia amygda- loides, wie überhaupt bei den allermeiſten dikotyledonen Kräutern. An den Blättern der Dikotyledonen, Kräutern wie Holzgewächſen, kommen zugleich oft mannigfache unregelmäßige Verkrümmungen und Kräuſelungen der Blattfläche vor, wobei jedoch vorherrſchend die mor— phologiſche Oberſeite konvex wird. Oder die Blattfläche faltet ſich zu— ſammen, ſo wie ſie in der Knoſpe liegt (Malva).
Einen Verſuch, dieſe Krümmungen zu erklären, findet man nur bei Sachs? in der beiläufigen Bemerkung, daß, wenn die infolge des Waſſerverluſtes bei der Eisbildung eintretende Zuſammenziehung (welche Sachs?) wirklich durch Meſſung nachgewieſen hat) auf ver— ſchiedenen Seiten eines Blattes oder Stengels in ungleichem Grade erfolgt, Krümmungen eintreten müſſen. Ich halte dieſe Erklärung allein noch nicht für ausreichend, um das in der überwiegenden Mehr—
) Wärme⸗Entwickelung in den Pflanzen, pag. 12. 2) Lehrb. d. Botanik. 4. Aufl., pag. 703. Anmerk. 3) Ber. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 1860, pag. 19.
Urſache der Krümmungen.
186 III. Ab ſchnitt Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
zahl der Fälle ſtattfindende Umkrümmen nach unten begreiflich zu machen, beſonders an nicht oder kaum bilateralen Organen, wie die meiſten Internodien. Hier kann keine andere Vorſtellung Platz greifen, als die, daß die Abwärtskrümmung Folge einer allgemeinen Er— ſchlaffung der Gewebe iſt infolge der Entziehung des Waſſers, welches auskriſtalliſiert. Der Pflanzenteil welkt eben; ſtarr wird er erſt dann, wenn ſo viel Eiskriſtalle gebildet ſind, daß ſie zu aus— gedehnteren Kruſten ſich vereinigt haben. Mit dieſer Vorſtellung ſteht im Einklange, daß gerade ſchwere Pflanzenteile, wie Blütenköpfe und andere Inflorescenzen, laubreiche Stengelſpitzen, große Blattflächen, die Krümmung am ausgeprägteſten zeigen, und zweitens vorzüglich der Umſtand, daß der Ort der Krümmungen diejenige Stelle der Organe iſt, an welcher am ſpäteſten das Wachstum erliſcht und die Gewebe noch am ſaftreichſten und weichſten ſind, mithin allemal der— ſelbe Teil, welcher auch beim Welkwerden zuerſt und am ſtärkſten ſich krümmt, wie oben hervorgehoben wurde. Während daher viele der Froſtkrümmungen, ſowohl in der äußeren Form der Erſcheinung, als auch urſächlich mit dem Welken zu vergleichen ſind, tritt doch un— zweifelhaft in anderen Fällen der von Sachs bezeichnete Faktor als wirkſam ein, den man genauer als Veränderungen der Gewebe— ſpannungen bezeichnen kann. Denn wenn an verſchiedenen Seiten eines Organes den Geweben in verſchiedenem Grade Waſſer entzogen wird, ſo müſſen, da ja bei dieſen Eisbildungen und Krümmungen das Gewebe ſelbſt nicht gefroren und noch von einem Teile des Saftes imbibiert iſt, die Gewebeſpannungen durch merkliche Krümmungen ſich äußern. Wie dieſelben auch ſchon beim Zerreißen der Gewebe infolge der Eisbildung eine Rolle ſpielen, wurde oben angedeutet. Da in vielen Blättern die Eisbildung beſonders an der morphologiſchen Unterſeite ſtattfindet, ſo wird in der That der ſtärkere Waſſerverluſt dieſer Seite zu den für dieſe Organe charakteriſtiſchen konvexen Krümmungen der Oberſeite beitragen müſſen. Und unzweifelhaft giebt dieſer Vorgang allein den Ausſchlag bei ſolchen Richtungsänderungen, welche in keiner Beziehung zur Schwerewirkung ſtehen. Als ſolche hebe ich nur hervor die ſchlängeligen Krümmungen, die man bisweilen an gefrorenen langen Blütenſtielen ſehen kann, und beſonders die Er— ſcheinung, die ich bei demſelben Herbſtfroſte, bei welchem ich die anderen Beobachtungen machte, an einem noch belaubten Strauche von Ptelea trifoliata bemerkte. An den ziemlich aufrechten Zweigen hatten die Blätter ihre Foliola lediglich durch Krümmungen der Gelenke in ſehr verſchiedene Stellungen gebracht; an der Mehrzahl waren die Blättchen
nach oben zuſammengeſchlagen, ſo daß die morphologiſche Oberſeite
2. Kapitel: Die Temperatur 187
der Gelenke ſich verkürzt hatte; dabei waren die drei Blättchen bald mehr gegen die Baſis des Blattes hin gewendet, bald mehr in einer die Baſis fliehenden Richtung einander genähert; manche Blätter jedoch zeigten die Foliola nach unten geſchlagen, alſo die Unterſeite der Ge— lenke verkürzt. Zur Vertikale aber ſtanden dieſe Bewegungen in gar keiner geſetzmäßigen Beziehung.
Bei ſtarken Fröſten hat man auch eine Senkung der Baumäſte Senkung der beobachtet, am auffallendſten an Linden. Caspary )), welcher von Baumäſte bei 10 Baumarten ungefähr zollſtarke oder ſchwächere Aſte in dieſer Be— Sn ziehung unterſuchte, kommt zu dem Schluſſe, daß gewiſſe Baumarten ihre Aſte bei Kälte ſenken, andere erheben und beim Weichen des Froſtes nahezu wieder in die urſprüngliche Lage zurückkehren. Da Caspary aber von jeder Baumart meiſt nur einen einzigen Aſt unter— ſuchte und da er bei allen Bäumen auch noch Veränderungen der Richtung nach der Seite hin bemerkte, ſo dürfte die Erſcheinung bei weiter ausgedehnten Unterſuchungen vielleicht mit unter dieſelben Ge— ſichtspunkte zu bringen ſein, wie die Richtungsänderungen der vorher beſprochenen weniger holzigen Pflanzenteile. An Cornus sanguinea unter Hochwald ſah ich wiederholt die ein- bis dreijährigen Aſtchen ſtark wellenförmig geſchlängelt oder umeinander gewunden und ſogar wie eine 8 geſchlungen, und die meiſten Krümmungen zeigten ſich bei den einzelnen am Orte wachſenden Sträuchen deutlich nach einer und derſelben Himmelsgegend orientiert, jo daß es ſich hier vielleicht auch um eine Froſtwirkung gehandelt hat, bei welcher die Richtung, von welcher der kalte Luftſtrom vorwiegend gekommen war, beſtimmend auf die Orientierung der Krümmung geweſen ſein würde.
3. Farbenänderungen beim Gefrieren treten hauptſächlich an Farben— grünen Blättern ein. Es find aber hiermit nicht diejenigen Farben-änderungen beim änderungen zu verwechſeln, welche ſchon eine Folge des Todes der 1 Zellen ſind, der häufig beim Wiederauftauen eintritt; vielmehr ſind hier nur diejenigen gemeint, welche, ſobald die Wärme wiederkehrt, verſchwinden und der normalen Färbung Platz machen. Das vorher undurchſichtige Gewebe wird manchmal mehr oder minder glasartig durchſcheinend, beſonders bei einigermaßen ſaftigen Teilen, wie es ſchon Göppert?) angiebt; dies zeigt ſich am vollkommenſten dann, wenn das Organ bei ſtarken Kältegraden durch und durch zu Eis erſtarrt. Bei langſam eintretendem, ſchwachem Froſte, wo das Gewebe
) Report of the International Horticultural Exhibition and Botani- cal Congress. London 1866, pag. 99. 2) Wärme⸗Entwickelung, pag. 9.
Veränderungen beim Auftauen gefrorener Pflanzenteile.
188 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
nicht gefriert und nur intercellulare Eisbildung ſtattfindet, erſcheinen mehr oder minder deutlich blaßgrüne bis weißliche Flecken in dem dunkelgrünen Kolorit des übrigen Teiles. Dieſelben ſind veranlaßt durch die gebildeten Eiskruſten, indem dieſe die Epidermis abheben und die zwiſchen den Eiskriſtallen enthaltene Luft das helle Ausſehen bedingt. Die übrigen Stellen erſcheinen dunkelgrün, weil ſie nur aus ſaftärmer gewordenen und mehr zuſammengezogenem alſo dichterem Gewebe beſtehen. Darum iſt dieſe Farbenzeichnung bei Dikoty— ledonen oft allein an der Unterſeite des Blattes vorhanden und auf das deutlichſte durch die Nervatur bedingt, indem die Adern dunkel— grün, die nur aus Schwammparenchym gebildeten Felder weißlich er— ſcheinen (Wurzelblätter von Borago officinalis, Dipsacus Fullonum). Bei vielen anderen Dikotyledonen aber treten die Flecken auf beiden Blattſeiten und in ganz regelloſer Verteilung und Größe auf, wie ich es z. B. an Sinapis alba ſehr ausgeprägt ſah. Auch viele Mono— kotyledonenblätter zeigen oft an beiden Seiten weißliche Flecken oder Streifen. Wenn die Pflanzen ins Warme gebracht werden, ſo ver— ſchwinden dieſe Zeichnungen faſt augenblicklich wieder. Im gefrorenen Zuſtande finde ich die grünen Zellen nicht weiter verändert, als daß ſie ſamt Inhalt ſtark geſchrumpft ſind, und daß oft ein Zuſammen— häufen der Chlorophyllkörner zu Klumpen ſtattgefunden hat. Beim Einbringen in die Wärme begeben ſich die Chlorophyllkörner ſchnell wieder in die normale Lage. An den violetten Blüten von Antirhinum Orontium und den gelben von Calendula ſah ich während des Froſtes keine Farbenänderung.
II. Die Folgen des Gefrierens.
Das Gefrieren der Pflanzenteile iſt mit dem Erfrieren derſelben nicht gleichbedeutend. Denn der gefrorene Zuſtand hat nicht notwendig den Tod zur Folge. Ein gefrorener Pflanzenteil bleibt nach dem Weichen des Froſtes entweder am Leben oder aber er erweiſt ſich als tot.
Wenn die Pflanze das Gefrorenſein ohne Schaden überſteht, ſo wird das intercellular gebildete Eis beim Auftauen ſogleich durch die Imbibitionskräfte der Zellmembranen und des Protoplasmas von den Zellen wieder aufgenommen, welche dadurch ihren normalen Turgor nebſt allen Eigenſchaften des friſchen Zuſtandes annehmen, während die Eisklüfte wieder auf die gewöhnliche Weite der Intercellularen ſich zuſammenziehen. Gleichzeitig nehmen die Blätter wieder ihr gewöhn⸗ liches Kolorit an und alle Teile erlangen ungefähr ihre frühere Rich— tung und Form wieder.
2. Kapitel: Die Temperatur 189
Wenn aber der Pflanzenteil nach dem Auftauen ſich getötet er- weiſt, ſo zeigt er auffallende Veränderungen gegen früher. Dieſelben bieten je nach den Pflanzenarten und nach der Beſchaffenheit des Pflanzenteiles viele Mannigfaltigkeiten dar, ſtimmen aber alle in folgen— den Momenten überein, welche die allgemeinen Symptome des Todes ſind und auch denen gleichen, die nach Tötung durch Hitze (ſ. S. 171) eintreten. Beim Tode durch Erfrieren hört die Turgescenz der Zellhaut auf; dieſe wird ſchlaff, hält das Imbibitionswaſſer nicht mehr feſt, läßt es in die Intercellulargänge austreten und raſch ver— dunſten; das Protoplasma iſt desorganiſiert, mehr oder minder zu— ſammengeſchrumpft, es hat keinen Widerſtand mehr gegen den Zell— ſaft und die darin gelöſten Stoffe, es läßt dieſen durch ſich hindurch— filtrieren und die gelöſten Stoffe ſich mit einander mengen, giebt auch den Farbſtoff ab, wenn ſolcher im Zellſaft gelöſt war, ſobald man den Pflanzenteil ins Waſſer legt!); die Chlorophyllkörner bekommen Vacuolen oder ſchrumpfen bisweilen unter Formverzerrung?) und werden mit dem ſich kontrahierenden Protoplasma mehr oder weniger in Klumpen zuſammengehäuft. Dagegen iſt von einer Sprengung der Zellen, von einer Zerreißung der Zellmembranen (den von Cas— pary angegebenen Fall, wo das Cambium beim Gefrieren durchriſſen werden ſoll, ausgenommen) auch in erfrorenen Pflanzenteilen nichts zu bemerken. In den angegebenen Veränderungen finden alle be— ſonderen Erſcheinungen ihre Erklärung, die an verſchiedenen Pflanzen— teilen beim Tode durch Erfrieren und bei partiellen Froſtbeſchädigungen wahrgenommen werden. Alle auch nur einigermaßen ſaftigen Pflanzen— teile ſind ſofort nach dem Auftauen in hohem Grade ſchlaff und welk und haben, wegen der Erfüllung der Intercellulargänge mit Flüſſig— keit, eine eigentümliche, durchſichtige, wie gekochte Beſchaffenheit; ſie ſind ſo weich, daß ſie, zumal voluminöſe Teile, wie Rüben, Kartoffel— knollen, durch geringen Druck den Saft aus ſich wie aus einem Schwamm auspreſſen laſſen. Befinden ſich die Blätter an der Luft, ſo verlieren ſie durch Verdunſtung ihr Waſſer ungemein raſch und ſind bald ganz dürr. Gewöhnlich übt auch der Chemismus, ſo lange das erfrorene Blatt noch Saft enthält, raſch ſeine Wirkung aus: durch
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Et Ä den Sauerſtoff der Luft tritt, wie an allen toten Pflanzenteilen, ein N Humifikationsprozeß ein, welcher das Protoplasma oder die Zellhaut x braun färbt; daher werden die Blätter unter ſolchen Umſtänden braun 2
) Sachs in Ber. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 1899, pag. 25 — 39. | 2) Vergl. auch G. Haberlandt, Über den Einfluß des Froſtes auf die Chlorophyllkörner. Oſterr. Bot. Zeitſchr. 1876, Heft 8.
190 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
oder ſchwärzlich. Auch die farbigen Blütenteile, beſonders die weißen, rötlichen oder gelben werden mehr oder weniger gebräunt. Wenn aber das grüne Blatt ſehr ſchnell trocken wird, noch ehe die chemiſchen Zer— ſetzungen eintreten, ſo bekommt es keine andern Farben, ſondern nimmt nur das Fahlgrün des trockenen Heues oder Laubes an. Be— ſonders gilt dies von den wenig ſaftigen Blättern; dieſe ſind gleich beim Auftauen dürr und ſehen aus wie gut getrocknete Herbarien— eremplare. Der fahlgrüne Farbenton iſt hier nur durch den trockenen Zuſtand bedingt; denn wenn man ſolche Teile befeuchtet, werden ſie wieder reiner grün. Nur dadurch wird in dieſem Falle das Kolorit bisweilen etwas mißfarbiger, daß die bei der Eisbildung abgehobene Epidermis als dünnes Häutchen loſe über dem Meſophyll ausgeſpannt bleibt und dadurch ein eigentümliches optiſches Verhalten zeigt; ent— fernt man die Epidermis, ſo zeigt ſich darunter das Meſophyll ebenſo freudig grün, wie jegliches friſch getrocknete Chlorophyll, und in den Zellen erkennt man einen gleichmäßig grünen, unregelmäßigen Klumpen, zu welchem die Chlorophyllkörner zuſammengetrocknet ſind. Dies beob— achtete ich an verſchiedenen erfrorenen Pflanzen mehrere Tage nach dem erſten Froſte, binnen welcher Zeit die Kälte bis auf — 10 C. gekommen war. Selbſt in den feucht gebliebenen und durch das Er— frieren gebräunten Blättern von Borago officinalis fand ich nach der— ſelben Zeit innerhalb des bräunlichen Protoplasma ziemlich deutlich die noch grünen Chlorophyllkörner. Früher oder ſpäter werden ſie aber hier durch den chemiſchen Prozeß zerſtört, und es wird hierbei auch bisweilen die von Wiesner) geltend gemachte Zerſtörung des Chlorophylls durch die in den Zellſäften aufgelöſten organiſchen Säuren u. dergl. ſtattfinden, da das getötete Protoplasma die Undurchläſſigkeit für jene Subſtanzen verloren hat und letztere mit dem Chlorophyll in Berührung kommen, wie z. B. beim Sauerklee, deſſen Blätter beim Auftauen ſogleich braun werden. Trocknet das aufgethaute erfrorene Blatt ſehr ſchnell, jo können die beim Gefrieren auftretenden, ſonſt in der Wärme ſogleich verſchwindenden weißlichen Flecken fixiert werden, wie ich es an Sinapis alba bemerkte. Es bleibt dann nämlich an dieſen Stellen, nachdem die daſelbſt vorhanden geweſenen Eiskruſten gethaut und verdunſtet find, eine dünne Luftſchicht zwiſchen der Epi— dermis und dem Meſophyll, ſowie zwiſchen den Meſophyllzellen ſelbſt eingeſchloſſen; in dem dunkelgrünen übrigen Teile des Blattes iſt das ganze Meſophyll ſamt den beiden Epidermen zu einer luftleeren, zu—
) Die natürliche Einrichtung zum Schutze des Chlorophylls. Wien 1876, pag. 6.
2. Kapitel: Die Temperatur 191
ſammenhängenden, feſten Maſſe zuſammengetrocknet, die nur aus den Zellmembranen und den feſten grünen Inhaltsmaſſen der Zellen ohne Saft beſteht. Schließlich iſt noch der Blaufärbung zu gedenken, welche die weißen oder gelben Blüten und ſelbſt die grünen Teile der Orchi— deengattungen Phajus und Calanthe, wie überhaupt bei ihrem Tode ſo auch beim Erfrieren annehmen!) und welche auf der durch Ein— wirkung des Sauerſtoffs bewirkten Bildung von Indigo beruht, welcher in den lebenden Zellen nicht als ſolcher, ſondern als farbloſes Indican enthalten iſt ).
Die Richtungsveränderungen, welche beim Gefrieren eintreten, bleiben nicht nur beim Tode durch Erfrieren, ſondern nehmen zu, in— dem das Verwelken und Vertrocknen der Teile ſchnell den höchſten Grad erreicht. Voluminöſe, ſaftreiche Organe dagegen müſſen beſonders in feuchter Umgebung, nach dem Erfrieren ebenſo wie nach dem Tode aus anderen Urſachen, allmählich der Fäulnis anheimfallen, weil das in den toten Geweben lange zurückgehaltene Waſſer die Zerſetzung der organiſchen Verbindungen ermöglicht. Darum ſehen wir erfrorene Zwiebeln, Kartoffeln, Rüben, Wurzeln u. dergl. in Fäulnis über— gehen.
Der Froſttod und ſeine Urſache. Die ältere Anſicht, nach welcher beim Gefrieren die Gefäße und Zellen der Pflanzen zerſprengt werden, diejenigen Gewächſe aber, welche hohe Kältegrade ſchadlos er— tragen, der Ausdehnung des in ihren Elementarorganen gebildeten Eiſes widerſtehen?), iſt zuerſt von Du Petit-Thouars“)) verworfen, aber erſt durch Göppert'ss) umfaſſende Unterſuchungen widerlegt
) Vergl. Göppert, Bot. Zeitg. 1871, Nr. 24, und Prillieux, Bull. soc. bot. de France 1872, pag. 152.
2) Eine Beſchreibung des Ausſehens, beſonders der Farbenänderungen erfrorener Pflanzen nach Familien und Gattungen hat Göppert (Wärme— Entwickelung, pag. 16 ff. und wiederum in den Sitzungsber. d. ſchleſ. Geſ. für vaterl. Kultur, 14. Dez. 1874; referiert in Bot. Zeitg. 1875, pag. 610) gegeben. Ich muß darauf verweiſen, da ich in der obigen Darſtellung die Farbenänderungen nur ſoweit zuſammengeſtellt habe, als ich für dieſelben beſtimmte innere Veränderungen als Urſachen angeben konnte. — Es iſt ge— wiß nicht zu leugnen, daß beim Erfrieren die einzelnen Pflanzenarten beſtimmte für fie charakteriſtiſche Symptome in der Färbung zeigen; allein mir ſcheint, daß dieſe nicht abſolut ſicher und unwandelbar ſind; ſie richten ſich ohne Zweifel auch nach dem augenblicklichen allgemeinen Zuſtande des Pflanzen— teiles und nach den jeweiligen äußeren Verhältniſſen zur Zeit, wo das Er— frieren ſtattfindet, wie ich oben hervorgehoben habe.
3) Vergl. beſonders Senneb ier, Physiol. vegetal. T. III. Chapitre 8.
) Le verger francais. Paris 1817.
5) Wärme⸗Entwickelung, pag. 25 - 30.
Urſache des Todes durch Erfrieren.
192 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
worden, welcher zeigte, daß ganz allgemein in erfrorenen Pflanzenteilen die Zellen unverletzt, die Membranen derſelben nicht zerriſſen, ſondern nur erſchlafft find. Nägeli!) hat die Unmöglichkeit dargethan, daß bei der Elaſticität der Zellmembran und bei der unter normalen Verhält— niſſen kaum vollſtändigen Füllung der Zelle mit Saft eine Sprengung infolge der Ausdehnung des gefrierenden Inhaltes eintritt, und hat ferner den ſicheren Beweis geliefert, daß die Membranen durch Froſt getöteter Zellen auch nicht durch die kleinſten Riſſe verletzt ſein können, indem er ſah, wie Zellen von Spirogyra orthospira, welche durch Froſt ge— tötet waren und alle Symptome des Todes in der Beſchaffenheit ihres Protoplasmas zeigten, beim Einlegen in konzentrierte Löſungen von Zucker und andere waſſerentziehende Mittel durch Diosmoſe entleert und zuſammengedrückt wurden, was bei Vorhandenſein von Riſſen nicht möglich geweſen wäre.
Göppert ſuchte die Urſache des Froſttodes darin, daß durch die niedere Temperatur an ſich die Lebenskraft in der Zelle vernichtet werde und daß es hauptſächlich auf die Energie derſelben und auf den ver— ſchiedenen Vitalitätszuſtand der Pflanze ankomme, ob dieſelbe den Froſt erträgt oder ihm erliegt. Allein dieſe Anſicht, wonach die niedere Temperatur allein die Todesurſache ſein ſoll, wird doch ſchon durch die Thatſache widerlegt, daß während die Pflanzen ſehr empfindlich gegen das Gefrieren ſind, die trockenen Samen den höchſten Kältegraden widerſtehen. Auch ſchließt dieſe Anſicht notwendig die Annahme ein, daß der Tod beim Erfrieren immer ſchon während des Gefrierens durch direkte Wirkung der Kälte, nicht erſt beim Auftauen oder infolge des Auftauens auftritt. Göppert?) führte als Beweis hierfür das oben erwähnte Blauwerden der Orchideenblüten beim Er— frieren an, welches er ſchon während des Gefrierens beobachtet haben will. Brillieur?) aber beſtreitet dies; er zeigte, daß dieſe Blüten auch im vollſtändig gefrorenen Zuſtande noch unverändert ſind und erſt im Momente des Auftauens die Farbenwandlung erleiden.
Sachs“) dagegen verlegt den Eintritt des Todes in den Moment des Auftauens; er ſucht die Todesurſache in einem zu raſchen Auf— tauen, während langſames Auftauen die Zellen nicht töte. Mit dieſer Anſicht ſteht allerdings die bekannte Erfahrung im Einklange, daß oft ein plötzlicher Eintritt hoher Temperatur gefrorenen Pflanzenteilen viel
1) Sitzungsber. d. k. bair. Akad. d. Wiſſ. 9. Febr. 1861.
2) Bot. Zeitg. 1871, Nr. 24.
3) Bull. soc. bot. de France 1872, pag. 152.
) Ber. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. zu Leipzig 1860, pag. 22 — 42. — Experimentalphyſiologie, pag. 58—61.
2. Kapitel: Die Temperatur 193
ſchädlicher ift, als eine langſame Erwärmung. Sachs hat auch den exakten Beweis geliefert, daß wenigſtens für gewiſſe Fälle ſeine Anſicht zutreffend iſt. Er ließ eine Anzahl Stücke von Rüben oder Kürbiſſen oder Blättern verſchiedener Kräuter vollſtändig gefrieren und fand dann, daß dieſelben beim langſamen Auftauen, nämlich beim Einlegen in Waſſer von 0° u. dergl., lebensfriſch blieben, dagegen desorganiſiert wurden, wenn ſie, bei derſelben Kälte gefroren, raſch auftauten. Um dieſe Thatſache zu erklären, geht Sachs von der Vorſtellung aus, daß die Moleküle der Zellhaut und des Protoplasmas und diejenigen des imbibierten Waſſers beim Gefrieren ſich trennen und in neue Lagen verſetzt werden und daß, wenn das Schmelzen der kleinen Eiskriſtalle in der Zellhaut und im Protoplasma ſchnell geſchieht, heftige Mole— kularbewegungen entſtehen, welche die frühere Anordnung nicht wieder eintreten laſſen !). Für ſaftreiche Pflanzenteile, wie Rüben und Kür— biſſe, wenn ſie durch ſtarke Kälte durch und durch, alſo innerhalb der Zellen gefroren ſind, wird dieſe Urſache des Froſttodes wohl zutreffend ſein. Ungleich ſchwieriger dürfte es aber ſein, auch die Fälle, wo das Gewebe ſelbſt nicht gefriert, ſondern nur intercellulare Eiskruſten ge— bildet werden, mit unter dieſe Anſicht zu bringen. Sachs?) meint, beim langſamen Auftauen ſchmelzen die Eiskriſtalle an ihrer Baſis, wo ſie die Zelle berühren, und das flüſſig werdende Waſſer werde ſogleich von der Zelle aufgeſogen, die dadurch ihre urſprüngliche Be— ſchaffenheit wieder erlange; beim ſchnellen Auftauen der Eiskruſte laufe dagegen ein Teil des ſich bildenden Waſſers in die Zwiſchenräume des Gewebes, bevor es aufgeſogen werden könne, und die urſprünglichen Verhältniſſe können ſich nicht wieder herſtellen. Es iſt nun aber nicht abzuſehen, warum Waſſer aus den doch winzig kleinen Intercellulargängen von den an dieſe angrenzenden Zellen nicht wieder ſoll aufgeſogen werden können, wenn die Zellen eben noch am Leben, alſo turgescenz— fähig ſind, da ja doch das Waſſer aus den Intercellulargängen nicht nach außen abläuft. Die dauernde Erfüllung der Intercellularen mit Saft wäre doch erſt die Folge des Verluſtes des Turgors der Zellen, ſetzte alſo ſchon den Tod der letzteren voraus. Ich habe viele kraut— artige Pflanzen, welche unter intercellularer Eisbildung erſtarrt waren, raſch aus der Winterkälte ins geheizte Zimmer gebracht, und die— jenigen, welche nicht bereits vorher tot waren, nahmen hier beim augenblicklichen Auftauen ihre lebensfriſche Beſchaffenheit an.
Die Sachs 'ſche Theorie trifft nur für die im vorſtehenden an— gedeuteten wenigen Fälle zu. Für die übergroße Mehrzahl der Fälle
1) Experimentalphyſiologie, pag. 61.
2) Lehrb. d. Botanik, 4. Aufl., pag. 704.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 13
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des Froſttodes der Pflanzen iſt eine ganz andere Erklärung zutreffend, die zuerſt von mir in der erſten Auflage dieſes Werkes (S. 193) und kurz darauf auch von Müller-Thurgau) gegeben worden iſt. Hier— nach wird in allen hierzu gehörigen Fällen über Leben und Tod nicht erſt beim Auftauen entſchieden, ſondern der Erfolg iſt ſchon im gefrorenen Zuſtande unabänderlich beſtimmt. Ich habe geltend gemacht, daß mit dem Ausfrieren des Saftes aus den Zellen vielfach ein derartiger Waſſer— verluſt für dieſelben verbunden iſt, daß allein dadurch der Tod der Zelle eintreten muß. Waſſer iſt eine Lebensbedingung für alle Zellen der von Natur ſaftreichen Organe, wie der Stengel und grünen Blätter. Sinkt ihr Waſſergehalt unter einen gewiſſen Grad, ſo iſt dies für ſolche Zellen unfehlbar tödlich, wie es ja allbekannt iſt, daß Stengel und Blätter, ſobald ſie durch Waſſermangel längere Zeit bis zu einem gewiſſen Grade abgewelkt ſind, ſicher abſterben, auch wenn man dann für ausgiebige Waſſerzufuhr ſorgt. Genau derſelbe Zuſtand der Waſſerentziehung findet ſtatt, wenn die Pflanzen durch intercellulare Eisbildung gefrieren, indem dabei die Zellen oft vollſtändig zuſammen⸗ trocknen und einſchrumpfen, wie oben beſchrieben worden iſt. Die Er— klärung des Froſttodes in den weitaus meiſten Fällen wird alſo die ſein, daß der Tod jedesmal eintreten muß, ſobald durch das Aus— frieren des Saftes aus den Zellen der Waſſergehalt der letzteren unter das für ſie erträgliche Minimum geſunken iſt. Es iſt nicht ſchwer, eine überzeugende Beſtätigung dieſer Erklärung zu finden, ſobald man nur zur Froſtzeit die im Freien wirklich gefrorenen Blätter genauer unterſucht. Man findet dann oft, daß ſie beziehendlich die gefrorenen Stellen derſelben ſchon während des Froſtes völlig dürr wie Heu ſind. Da nämlich der Saft in den Blättern ſich nach gewiſſen Stellen, wo die Eisbildung beginnt, hinzieht und dort auskriſtalliſiert, jo verlieren eben dadurch die Zellen ihr Waſſer bis zur Vertrocknung des Ge— webes. Es kommt weiter hinzu, daß die aus den Geweben aus⸗ kriſtalliſierten Eiskriſtalle mit der Zeit ſchwinden, da ſie den Imbibi⸗ tionskräften der Zellen entzogen ſind und da ja das zu Eis kriſtalliſierte Waſſer an der Luft allmählich auch verdunſtet. Auch aus dieſem Grunde werden namentlich dünne Blätter, die längere Zeit im ge- frorenen Zuſtande verharren, trocken wie Heu, und bleiben dies natürlich auch bei Wiedererwärmung, da ja ein weſentlicher Teil ihres Waſſers auf die oben angegebene Weiſe verloren worden iſt. So iſt es wohl auch kaum zweifelhaft, daß oft die Spitzen der Bäume und Sträucher wegen dieſer Austrocknung, in die der dauernd gefrorene Zuſtand
194 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
I) Landwirtſch. Jahrbücher 1886, pag. 459 ff.
2. Kapitel: Die Temperatur 195
ſchließlich übergeht, abſterben, daß alſo auch ihnen das Gefrorenſein ſelbſt ſchon tödlich it‘). Vielleicht beruht auch die von Gdppert?) gemachte Beobachtung, daß wiederholtes Auftauen und Gefrieren tötete, während einmaliger Froſt dieſe Folge nicht hatte, darauf, daß dabei endlich zu viel Waſſer verloren geht, da es nicht wieder erſetzt wird. Jetzt wird es auch erklärlich, warum alle von Natur ſaftarmen Pflanzenteile ſehr widerſtandsfähig gegen den Froſt ſind, worin die trockenen Samen obenan ſtehen. Denn erjtens ſind eben die Zellen ſolcher Pflanzenteile von Natur fähig, in einem äußerſt waſſerarmen Zuſtande am Leben zu bleiben, und zweitens kann überhaupt von einem eigentlichen Ausfrieren von Saft bei ſo waſſerarmen Teilen nicht die Rede ſein.
III. Verſchiedene Empfindlichkeit der Pflanzen gegen Froſt. Die vorhergehenden Zeilen enthalten bereits die genügende Er—
klärung dafür, daß ſich in der Pflanzenwelt eine jo große Verſchieden- gegen Froſt.
heit in der Widerſtandsfähigkeit gegen Froſt bemerkbar macht. Wenn man weiß, daß Kälte an und für ſich für das lebende Protoplasma keine Todesurſache iſt, ſondern daß nur der mit dem Auskriſtalliſieren von Waſſer aus dem Protoplasma notwendig verbundene Waſſer— verluſt zur Todesurſache bei der Einwirkung des Froſtes wird, ſo hat es keinen Sinn, mit Göppert von einer verſchiedenen Empfindlichkeit des lebenden Protoplasmas dei den einzelnen Pflanzenarten zu reden. Maßgebend dafür, wie leicht ein Pflanzenteil dem Froſt erliegt, wird nur ſein, wie groß der natürliche Waſſergehalt des betreffenden Teiles zur Zeit iſt und einen wie großen Waſſerverluſt derſelbe in dem augen— blicklichen Zuſtande ſeines Lebens verträgt. Beſonders der letzte Punkt wird der entſcheidende bei der Froſtempfindlichkeit ſein. Indem man dieſes Moment ſich nicht genügend klar machte, hat man nach anderen Bedingungen der Widerſtandsfähigkeit geſucht, ohne dabei zu einem greifbaren Reſultate zu kommen. Hoffmann?) hat vergeblich den Gehalt der Baumzweige an mechaniſch gebundenem Waſſer als maß— gebend nachweiſen zu können verſucht, denn dieſer Gehalt erwies ſich dabei nicht als Maßſtab für die Froſtempfindlichkeit. Und wenn Sorauer) betont, daß nicht bloß das einzelne Individuum, ſondern
ſelbſt jeder Zweig einer Holzpflanze in geſtaltlicher, anatomiſcher und
) Vergl. auch Göppert, Wärmeentwickelung, pag. 60. MI. e. pag. 131. 3) Ein negatives Reſultat, 1882. ) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I, pag. 362. 14 *
Tödliche Kälte- grade. Bei Tropenpflanzen.
196 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
ſtofflicher Beziehung ſeinen beſonderen Charakter hat, der von allerhand äußeren Faktoren mit bedingt wird, ſo iſt mit dem bloßen Hinweis auf dieſe allbekannten Thatſachen noch in keiner Weiſe eine Beziehung zur Widerſtandsfähigkeit gegen den Froſt erwieſen.
Die Fähigkeit, einen großen Waſſerverluſt ohne Schaden zu er— tragen, iſt nicht näher erklärbar. Sie ändert ſich mit dem allgemeinen Lebenszuſtande der Pflanze; ſie iſt am größten in dem Zuſtande der natürlichen Vegetationsruhe, wo von ſelbſt die Gewebe des größten Teiles ihres mechaniſch gebundenen Waſſers ſich entledigen; ſie wird alſo auch allmählich ſich ſteigern, je mehr der betreffende Pflanzenteil in dieſen Zuſtand übergeht. Von dieſem Geſichtspunkte aus ſind alle folgenden Angaben über die verſchiedene Froſtempfindlichkeit der Pflanzen zu erklären, ſo weit ſie überhaupt auf Beſchädigungen durch wirkliches Gefrieren und nicht auf bloße Störungen gewiſſer Lebens— prozeſſe wegen Wärmemangels zurückzuführen ſind.
Daß Temperaturen nahe über 0° ſchon für Pflanzen tödlich fein ſollen, giebt Göppert!) für Pflanzen des Tropenklimas an. Er fand verſchiedene derartige Pflanzen ſchon beſchädigt, während die Tem— peratur nie unter Null ſank, ſich aber auch nicht über + 3° erhob, und zwar Arten mit weicheren, krautigen Blättern ſchon nach einem Tage, indem die Blätter ſchwarzfleckig wurden, ſich zuſammenrollten und bald abfielen, dagegen Arten mit Blättern von feſterer Struktur erſt nach mehreren Tagen, während Polypodium aureum und Kaktus⸗ arten gar nicht gelitten hatten. Ebenſo wurden nach Hardy?) tropiſche Pflanzen, die ins freie Land geſetzt und durch Decken vor Wärmeausſtrahlung geſchützt worden waren, bei +5° oder r 35, viele bei + 1° getötet. Sachs?) hat aber mit Recht hier eingewendet, daß dabei von einem Froſttode nicht die Rede ſein kann, ſondern daß wegen der Kälte des Bodens (beſonders bei ins Freie geſetzten Topfpflanzen) die Wurzelthätigkeit ſoweit ſiſtiert ſein mußte, daß die Blätter ver— darben. De Vries) hat Blätter von Bixa Orellana und Crescentia kurze Zeit in ſchmelzenden Schnee gelegt und keinen Schaden bemerkt. Göppert?) ſelbſt konſtatiert, daß wenigſtens einzelne tropiſche und ſubtropiſche Pflanzen das Erſtarren der Säfte zu Eis bei — 4°, und dann bei — 7° einige Stunden lang ohne Schaden ertragen.
1) Wärmeentwickelung an den Pflanzen, pag. 43.
2) Bot. Zeitg. 1854, pag. 202.
3) Lehrb. d. Botanik, 4. Aufl., pag. 705.
4) Archives neerland. d. sc. exact. et nat. 1870, pag. 389. 5) Bot. Zeitg. 1874, pag. 43.
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2. Kapitel: Die Temperatur | 197
Für alle nicht der heißen Zone angehörige Pflanzen find aus- nahmslos erſt Temperaturen unter dem Gefrierpunkt tödlich. Doch zeigen auch dieſe Pflanzen nach dem verſchiedenen Klima ihres Vater— landes und je nach ihrer verſchiedenen Organiſation und ihren wechſeln— den Lebenszuſtänden ungleiche Emfindlichkeit. Nach Göppert's) Aufzeichnungen gehen auf freiem Terrain, ohne Schutz von Bäumen ꝛc., ſchon bei dem geringſten Froſte viele unſerer exotiſchen Sommergewächſe ſicher zu Grunde, und zwar bei. — 1 bis 1,5 Coleus Verschaffeltii; bei — 1,5 erfrieren die Blätter von Cucumis sativus, Cucurbita Pepo, Phaseolus nanus, bei — 2° 3. B. Canna indica, Georgina variabilis; bei — 2 bis 3° Zea Mays, Chenopodium Quinoa, Solanum lycopersi- cum, Tropaeolum majus, Ricinus communis; bei — 4° Atropa Bella- donna, Phytolocca ete. Dagegen ertragen viele unſerer einheimiſchen Pflanzen, z. B. Senecio vulgaris, Stellaria, Capsella bursa pastoris, Wurzelblätter von Brassica oleracea, von Dipsacus fullonum, Semper- vivum- und Sedum- Arten, ſelbſt ohne Schneebedeckung — 10°, wie ich ſelbſt beobachtet habe, und Göppert hat ſolche und ähnliche noch bei — 15° nicht geſchädigt geſehen, ja alpine Saxifragen ohne Schnee ſelbſt — 20 bis 25° ertragen ſehen. In der Polarzone ertragen die über den Schnee hervorragenden Stämme der Holzpflanzen und die auf ihnen wachſenden Flechten die höchſten bis jetzt beobachteten Kälte— grade, — 40 bis 47°. Und auch in unſeren Breiten iſt die heftigſte Winterkälte nicht im ſtande, den meiſten Bäumen und den auf ihren Stämmen wachſenden Mooſen, Flechten und holzigen Schwämmen, ſowie den an ſchneefreien Felszacken unſerer höchſten Gebirge wachſen— den Flechten Schaden zuzufügen. Alle dieſe für die Überdauerung des Winters beſtimmten Pflanzenteile gehen vor Eintritt der kalten Jahres— zeit jedesmal in einen für die Ertragung des Froſtes beſonders geeig— neten Zuſtand über; derſelbe beruht hauptſächlich, wenn nicht allein, auf einer Verminderung des Waſſergehaltes der Zellen. Man kann es darum als einen allgemeinen Satz hinſtellen, daß Pflanzenteile mit ſaftreichen Geweben dem Froſt am leichteſten erliegen, und ihm um ſo beſſer widerſtehen, je ſaftärmer, relativ trockener ſie ſind. Für dieſen alten Erfahrungsſatz giebt es eine Menge Belege. Den geringſten Waſſergehalt unter allen Pflanzenteilen haben reife, lufttrockene Samen, und dieſe zeigen auch die größte, vielleicht eine unbegrenzte Wider— ſtandsfähigkeit gegen niedere Kältegrade, während ſie im waſſerhaltigen (gequollenen) Zuſtande ſehr leicht erfrieren?). Die Winterknoſpen
) Sitzungsber. d. ſchleſ. Geſellſch. f. vaterländiſche Kultur, 14. Dez. 1874. 2) Göppert, Wärmeeutwickelung, pag. 48 ff.
Bei nicht tropiſchen Pflanzen.
198 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
unſrer Gehölze haben ſehr waſſerarme Gewebe, im Holze der Stämme und Zweige iſt im Winter die Saftleitung unterdrückt, und auch die Rinde und die nicht thätige Cambiumſchicht ſind dann faſt ſaftlos; von den wintergrünen Blättern gilt das nämliche. Alle dieſe Teile widerſtehen aber auch den härteſten Wintern gut. Pflanzenteile dagegen, welche in Vegetation begriffen ſind, ſind ſaftreich. Daher werden unſre ein— heimiſchen Kräuter, wenn ſie ſpät entwickelt ſind und noch in voller Vegetation vom Winter überraſcht werden, durch ſtarke Fröſte getötet. Auf dieſe Weiſe iſt es auch zu erklären, daß Obſtbäume und Wein— ſtöcke nach kühlen Sommern und kurzen Herbſten, in denen die Pflanze den normalen Abſchluß der Vegetation und die genügende Aus— reifung des Holzes nicht erreichen kann, größeren Kältegraden nicht zu trotzen vermögen; die dann eintretenden Beſchädigungen ſind alſo weniger durch allzugroße Winterkälte als durch die Abnormität des vorausgegangenen Sommers und Herbſtes verurſacht. Vielleicht iſt auch der Grund, warum Gehölze ſüdlicher Länder in nördlicheren Gegen— den im freien Lande nur unter Decke oder auch nicht einmal unter dieſer durch den Winter zu bringen ſind, nur in dem Umſtande zu ſuchen, daß dieſe Pflanzen überhaupt nicht die vollſtändige Ausreifung und den winterlichen Ruhezuſtand in ihren Geweben erreichen, der zur Ertragung des nordiſchen Winters erforderlich iſt. Etwas Ahnliches iſt die Empfindlichkeit der Wurzeln gegen Kälte, ſelbſt bei ſolchen Pflanzen, deren oberirdiſche Teile winterbeſtändig find. H. v. Mohl) hat gezeigt, daß die Baumwurzeln, durch den Boden gegen die Kälte geſchützt, während des Winters nicht wie die oberirdiſchen Teile in Vegetationsruhe übergehen, ſondern daß ihre Cambiumſchicht bis zu Ende des Winters ſaftreich und in zellenbildender Thätigkeit bleibt. In Übereinſtimmung damit aber beobachtete er auch, daß die Wurzeln außerhalb des Bodens durch Kältegrade getötet wurden, denen die oberirdiſchen Teile leicht widerſtehen (Eſchen, Eichen ꝛc. bei — 11 bis 13 R., Apfelbaumwurzeln ſchon bei — 5 R.). Ahnlich verhalten ſich unterirdiſche Teile krautartiger Pflanzen, wie Wurzeln, Wurzelſtöcke und Zwiebeln, die nur durch den Schutz des Bodens und Schnees ſich erhalten, an der Luft aber ſchon von mäßigen Kältegraden getötet werden?). Hier findet wohl auch das eine befriedigende Er— klärung, was Göppert?) als eine Verzärtelung der Pflanzen in den Gewächshäuſern bezeichnete, womit er das leichtere Erliegen derſelben
1) Bot. Zeitg. 1862, Nr. 39. 2) Göppert, Sitzber. d. ſchleſ. Geſ. f. vaterl. Kultur, 14. Dez. 1874. 3) Wärmeentwickelung, pag. 63.
2. Kapitel: Die Temperatur 199
beim Froſte im Sinn hatte; es kann dies wohl nur daher rühren, daß die Triebe in der feuchten Luft der Gewächshäuſer ſaftreicher und zarter ſind, indem die höhere Temperatur ſie nicht zu einem völligen Abſchluß der Vegetation gelangen läßt. Jene Thatſache iſt übrigens auch von Haberland) konſtatiert worden: Weizen, Gerſte, Wicken u. a., die im Warmkaſten bei 20—24 C. gezogen worden waren, erfroren bei — 6° C., dieſelben im Kalthauſe bei 10—12° C. gezogen, gingen erſt bei — 9 bis — 12 C. zu Grunde. Auffallend iſt die große Reſiſtenz vieler niederen Pflanzen; Mooſe dürften kaum durch die Winterkälte getötet werden; Göppert hat mehrere Laub— mooſe durch künſtliche Kältemiſchung bis auf — 36° abgekühlt, ohne daß dieſelben Schaden litten. Selbſt ſaftige Lebermooſe, wie Pellia, Marchantia, können an ſchneefreien Stellen hart gefrieren, ohne getötet zu werden. Es dürfte dies wohl damit zuſammenhängen, daß Mooſe vollſtändig eintrocknen können, ohne dadurch ihre Lebensfähigkeit zu verlieren. Diatomaceen ſollen — 20 R. lebend ertragen?), während Spirogyren und Konferven ſchon nach Erſtarren der Flüſſigkeit ſterben ſollen. Doch ſah Dodel-PBort?) Ulothrix zonata ohne Schaden ein- frieren. Nach Schumacher) ſind Hefezellen nach einer Abkühlung mittelſt Kältemiſchung auf — 113 C. noch ſproſſungsfähig. Unter den Pilzen ſind die perennierenden, feſteren, lederartigen und holzigen Hymenomyceten, welche ohne Schneeſchutz an Baumſtämmen wachſen, gegen die ſtärkſte Winterkälte unempfindlich. Die waſſerreichen fleiſchigen Pilzformen ſind zwar minder reſiſtent; allein auch von ihnen iſt nach— gewieſen, daß ſie ſteif gefrieren und nach dem Auftauen fortleben können, wie dies Schmitzs) bei Agaricus fascicularis und Fries“) bei vielen andern beobachtete, die in dieſem Entwickelungszuſtande den ſkandinaviſchen Winter ohne Schaden überſtehen. Minder auffallend ſcheint die große Unempfindlichkeit der Flechten, welche auf ihren Stand— orten an Baumſtämmen und an ſchneefreien Felſen des äußerſten Nordens und der höchſten Gebirge die ſtärkſten natürlichen Kältegrade ertragen, denn dieſe Pflanzen ſind ja überhaupt ſehr waſſerarm und können bekanntlich vollſtändig austrocknen und dennoch wieder auf— leben, ſobald ihnen wiederum Waſſer zugeführt wird.
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) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1., pag. 469.
2) Schumann, Schriften d. ökon.-phyſik. Societ. Königsberg 1862, 2. Heft. 3) Bot. Zeitg. 1876, Nr. 12. .
) Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wiſſenſch. Wien, 11. Juni 1874. 5) Linnaea 1843, pag. 445. 6) Ann. des sc. natur. T. XII, pag. 5.
Akklimatiſation.
Aufziehen der Saaten durch den Froſt.
200 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
An die Betrachtung der vorerwähnten Thatſache ſchließt ſich die Frage, ob es möglich iſt, die Froſtempfindlichkeit der Pflanzenarten zu vermindern oder mit andern Worten: Pflanzen wärmerer Klimate bei uns zu akklimatiſieren. An dem einzelnen Individuum iſt das natürlich nicht möglich, ebenſo wenig an den durch Stecklinge ge— wonnenen Pflanzen, da dieſe alle Eigenſchaften der Mutterpflanze bei— behalten. Wohl aber iſt dieſe Möglichkeit gegeben bei der Züchtung von Varietäten aus Samen. Denn es treten bei der geſchlechtlichen Fortpflanzung neben den Artverſchiedenheiten auch individuelle Ver— ſchiedenheiten auf; es variieren nicht bloß morphologiſche, ſondern auch phyſiologiſche Eigentümlichkeiten, und unter dieſen auch die Wider— ſtandsfähigkeit gegen Froſt!); jo ergeben ſich härtere Varietäten, welche einer gewiſſen Kälte noch widerſtehen, welcher die andern ſchon erliegen. Durch Ausleſe ſolcher härteren Varietäten und Weiterzüchtung der— ſelben kann alſo innerhalb gewiſſer Grenzen eine Akklimatiſation be— wirkt werden.
IV. Lokale Beſchädigungen durch den Froſt an den Pflanzen.
Nicht immer wird die ganze Pflanze vom Froſte getötet, ſehr oft beſchränken ſich die Froſtbeſchädigungen auf einzelne Stellen der im übrigen am Leben bleibenden Pflanzenteile und man findet dann, wenn längſt der Froſt vorüber iſt, im Sommer oder ſelbſt nach noch längerer Zeit an der lebenden Pflanze ſchadhafte Stellen, welche auf die Einwirkung von Winter- oder Frühjahrsfröſten zurückzuführen find. Wir ſtellen im folgenden verſchiedene Erſcheinungen zuſammen, welche ſich am beſten unter dieſem Geſichtspunkt vereinigen laſſen.
1. Das Aufziehen der Saaten durch den Froſt oder das Auswintern bezeichnet eine ſeit langer Zeit bekannte und von den Schriftſtellern erwähnte Erſcheinung?). Wenn wiederholt Froſt und Er— wärmung ſchnell mit einander abwechſeln, ſo taut die oberſte Erdlage auf und erfüllt ſich mit Waſſer; wenn dieſes in der Nacht wieder ge— friert, ſo hebt es die obere Erdrinde und damit auch die in dieſer befindliche junge Pflanze in die Höhe. Dieſe Hebung iſt wohl teils auf die Ausdehnung des gefrierenden Waſſers überhaupt, teils auf die oben (S. 184) erwähnte Bildung nadelförmiger, den Boden heben—
) Vergl. Noll, Landwirtſch. Jahrbücher 1885, pag. 707.
2) Vergl. Göppert, Wärmebildung, pag. 235. Treviranus, Phyſio⸗ logie der Gewächſe II., pag. 707. Kühn, Krankheiten der Kulturpflanzen, pag. 11. Breymann, Auswintern des Weizens, des Rapſes und des Rot⸗ klees. Centralbl. f. Agrikulturchemie 1881.
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2. Kapitel: Die Temperatur 201
der Eiskriſtalle zurückzuführen. Wenn dann bei Tage die Erde auf— taut, ſo ſetzt ſie ſich wieder; die Pflanzen aber können nicht wieder zurück, und indem ſich dies mehrmals wiederholt, iſt endlich die Pflanze mehr oder weniger herausgehoben, die Wurzeln liegen bloß und ſind zum Teil abgeriſſen, wenn die gefrorene tiefere Bodenſchicht ihre Spitzen zurückhielt. Das beſte Vorbeugungsmittel dürfte eine früh— zeitige Ausſaat ſein, welche eine genügend kräftige Bewurzelung der jungen Getreidepflanzen vor dem Winter geſtattet; ſehr poröſer und feuchter, nicht drainierter Boden wird das Übel begünſtigen. Auf— gezogene Saaten müſſen bald nach Weichen des Froſtes und der Näſſe gewalzt werden, um die Pflanzen anzudrücken und die Bildung neuer Wurzeln zu veranlaſſen.
2. Dürre, mißfarbige Blattflecken. Die exponierteſten Stellen der jungen Blätter ſich öffnender Knoſpen erfrieren oft für ſich allein bei Frühjahrsfröſten, während der übrige Teil des Blattes nicht beſchädigt wird und ſich weiter ausbildet. Aus dieſem Grunde ſind an den zeitig ausſchlagenden Holzpflanzen oft die Blattſpitzen der erſten, älteſten Blätter dürr, braun oder ſchwärzlich, ebenſo am Ge— treide die älteſten Blätter an der Spitze oder bis zur Mitte oder bis zur Blattſcheide abgeſtorben, dürr, bleich oder bräunlich, im übrigen Teile geſund und grün; und ähnliches zeigen auch die Blätter zeitiger Kräuter. Bei Bäumen mit gefalteter Knoſpenlage bekommen die Blätter auf den erhabenen Falten zwiſchen den Nerven in einer Reihe ſtehende braune, trockene Stellen, endlich Löcher oder zuſammenhängende Spalten, die bis an den Rand gehen können. So hat A. Braun) zuerſt aufmerkſam gemacht auf die Einwirkung des Froſtes auf die noch gefalteten Blättchen von Aesculus Hippocastanum, wodurch an denſelben verſchiedenartige fiederſpaltige Bildungen eintreten, was man faſt in jedem Jahre bei uns ſehen kann. An Acer campestre und platanoides fand ich ſolche Beſchädigungen in der Blattfläche zwiſchen den handförmigen Hauptrippen, alſo ebenfalls an den Stellen, wo das junge Blatt gefaltet iſt, in allen Übergängen von der bloßen, durch graue Färbung angedeuteten Verderbnis der Oberhaut bis zu völlig dürren oder durchlöcherten Stellen, zugleich mit ebenſolchen Be— ſchädigungen am Blattrande und anderen Stellen der Blattfläche, wo— durch es unzweifelhaft war, daß es ſich hier um Wirkungen des Froſtes, nicht um Verwundungen durch den Wind oder andre Einflüſſe handelte. Bei Polygonum orientale, wo die Lamina der jungen Blätter von beiden Rändern her eng eingerollt iſt, werden durch den Froſt die
) Monatsber. d. Akad. d. Wiſſ. Berlin 18. Juli 1861.
Dürre Blattflecken.
Abfrieren der Triebe bei den Holzpflanzen.
Erfrieren der Baumblüten.
202 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
momentan auswendig befindlichen Teile der Rollen beſchädigt; ich ſah infolgedeſſen ſpäter am übrigens geſunden und entfalteten Blatte in beiden Hälften der Blattfläche, ſtets gleichweit von der Mittelrippe, je einen bis zur Blattſpitze laufenden Streifen brauner Flecken oder Löcher. Über die Meinung anderer Beobachter, welche alle dieſe Er— ſcheinungen für Wirkung des Windes erklärten, iſt das Kapitel über die Luftbewegungen zu vergleichen. — Auch ſchon weiter ausgebildete Blätter können durch Froſtwirkung an ihren Rändern vertrocknen oder auch auf ihrer Fläche kleine graue Flecken bekommen, an welchen die Epidermis abgeſtorben und vertrocknet, oft auch die Zellen des darunter liegenden Meſophylls zuſammengeſchrumpft ſind und weite lufthaltige Lücken zwiſchen ſich bilden; es ſind die Stellen, wo beim Gefrieren Eisbildung ſtattfand (S. 181). Solche Stellen können ſich mitten im geſunden Gewebe befinden, wie denn überhaupt an demſelben Blatte geſunde und erfrorene Stellen mit einander abwechſeln können, was dann den ganzen Sommer über ſtationär bleibt. Beſonders ſind an zeitigen Frühjahrspflanzen ſpäter oft alle Übergänge zwiſchen teilweiſe und ganz durch Froſt verdorbenen Blättern zu finden.
3. Abfrieren der jungen Triebe und Triebſpitzen bei Holzpflanzen. Die diesjährigen jungen Triebe der Holzpflanzen können durch Maifröſte vollſtändig verloren gehen. Der Verluſt der— ſelben durch Froſt hat dann dieſelben Folgen wie der durch Ver— ſtümmelung, d. h. es werden aus Knoſpen an der Baſis des erfrorenen Triebes Erſatztriebe gebildet, deren verſchiedener morphologiſcher Charakter bereits oben (S. 93 ff.) bei Gelegenheit der Verſtümmelung erörtert worden iſt. Selbſtverſtändlich findet dies nur dann ſtatt, wenn der ganze Sproß gleich nach dem Ausſchlagen durch den Froſt getötet worden iſt, während wenn an dem ſchon weiter ausgebildeten Sproſſe der Froſt nur das Laub getötet hat, ein proleptiſcher Ausſchlag der Knoſpen dieſes diesjährigen Sproſſes ſtattfinden kann.
Ein Abfrieren der Zweigſpitzen tritt als regelmäßige Erſcheinung alljährlich im Herbſte in unſerem Klima ein an denjenigen Holz- pflanzen, für welche unſre Sommer zu kurz find, um ihre voll ſtändige Entwickelung zu ermöglichen, ſo daß der Froſt die noch nicht ausgereiften Triebſpitzen tötet, wie es beſonders bei Morus, Broussonetia, Robinia bei uns, aber nicht im Süden vorkommt!)
4. Erfrieren der Obſtbaumblüten, weißſpitzige Roggen— ähren. Da unſere Obſtbäume im Frühjahre vor der Belaubung
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) Mohl, Bot. Zeitg. 1848, pag. 6.
2. Rapitel: Die Temperatur 203
blühen, jo find ihre Blüten durch Frühjahrsfröſte mehr gefährdet, als die erſt ſpäter erſcheinenden Laubtriebe, und es gehört bekanntlich nicht zu den Seltenheiten, daß die eben ſich öffnenden Blüten durch einen Froſt zerſtört werden, während dabei alle übrigen Teile des Baumes nicht leiden. Selbſtverſtändlich kann ſolches auch bei andern früh— blühenden Gehölzen vorkommen.
Bisweilen ſieht man viele oder faſt alle Ahren eines Roggenfeldes Weißſpitzige mit weißen Spitzen, indem die oberſten Blüten oder ſogar die Blüten e in der ganzen oberen Hälfte der Ahre tot ſind und keine Körner pro— duzieren. Es rührt dies daher, daß zur Zeit, wo die noch weiche junge Spitze der Ahre eben aus der oberſten Blattſcheide hervorkam, ein Froſt auftrat, durch welchen der nicht geſchützte hervorſtehende Teil der Ahre beſchädigt wurde. Die in der Scheide verborgen ge— weſenen und dadurch geſchützt gebliebenen Teile der Ahre kommen ſelbſtverſtändlich hinterher unbeſchädigt zum Vorſchein. Die weißen toten Spitzen bleiben dann natürlich dauernd ſichtbar.
5. Beſchädigung der Rinde und des Holzes der Bäume Erfrieren der durch Froſt; Rindenbrand, Froſtkrebs ꝛc. Sehr mannigfaltig e ſind die lokalen Beſchädigungen, welche der Froſt an den Stämmen Bäume. und Zweigen der Holzpflanzen hervorbringt. Die krankhaften Stellen, welche auf dieſe Weiſe an den genannten Pflanzenteilen entſtehen, werden von den Praktikern mit verſchiedenen Namen belegt. Wir werden im Nachfolgenden dieſe Erſcheinungen, ſo weit als es ihrer Natur nach möglich iſt, von einander unterſcheiden und für ſich ge— ſondert betrachten.
a) Rindenbrand oder Brand ſchlechthin bezeichnet den Zuſtand, Rindenbrand. wo an den Stämmen oder Aſten der Bäume kleinere oder größere Rindenpartien zuſammentrocknen, ſo daß man ſie vom Holzkörper los— brechen kann. Sie werden eigentlich erſt im Frühling oder Sommer bemerkbar, indem dieſe Rindenſtellen dann ihren Saft ſoweit verloren haben, daß ſie nun abgeſtorben, gebräunt und zuſammengetrocknet er— ſcheinen. Solche Brandſtellen umfaſſen oft einen großen, bisweilen meterlangen, verſchieden breiten Rindenſtreifen. Aber an dünneren Stämmchen und Aſten kommen auch kleinere Brandſtellen vor, die ſogenannten Froſtplatten, wo in der im übrigen geſunden Rinde an einem Punkte, bisweilen rings um eine Knoſpe herum, die Rinde einge— ſunken und ganz glatt oder etwas faltig ausgetrocknet iſt (Fig. 27 Ja)
Nach geringfügigere Beſchädigungen der Rinde find die von Sorauer!)
. ) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 317, und Zeitſchrift f. Pflanzen— 1 krankheiten I. 1891, pag. 137.
204 III. Abſchuitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
als Froſtblaſen, Froſtrunzeln und Froſtſchorf bezeichneten Er— ſcheinungen, die an jungeren Apfel- und Birnſtämmchen ſich zeigen: kleine Erhabenheiten, die mehr oder weniger zuſammenfließen und dann durch Längs- und Querriſſe zerklüftet ſein können, wodurch die Rinde zu einer ſchuppig gefelderten, ſchorfartigen Maſſe wird. Es zeigen ſich an dieſen Stellen in der äußeren primären Rinde Stellen toten ge— bräunten Gewebes, oft mit tangentialen Spalten in der Mitte; dieſe Stellen ſind ſpäter von Kork umwallt und dadurch vom lebenden Rindengewebe abgegrenzt; oft hat auch eine Reaktion des lebenden Gewebes gegen dieſe toten Stellen hin in der Weiſe ſtattgefunden, daß ein neues Teilungsgewebe gebildet wurde, welches radiale Zellreihen erzeugte, oder daß die Zellen radiale Streckungen gegen die tote Stelle hin zeigen; dadurch werden die Erhabenheiten der Oberfläche und die Zerreißungen der Korkſchicht hervorgebracht; die tieferen Lagen der Rinde können aber dabei geſund geblieben ſein und die Stämme ſtoßen in ſpäterem Alter den Schorf ab.
Daß der Froſt ſowohl die großen wie die kleinen Rindenbrand— ſtellen verurſachen kann, unterliegt keinem Zweifel. Die Stämme zeigen dieſe Beſchädigungen oft auf der Südſeite, weil hier durch die Früh— jahrsſonne oder auch ſchon durch die Winterſonne die Lebensthätigkeit der Rinde zuerſt geweckt wird und die Rinde in Saft tritt, ſo daß dann Fröſte an dieſer Seite tödlich werden müſſen. Übrigens iſt es Sorauer) gelungen, durch künſtliche Kälte an Obſtbaumzweigen Ende Mai die gleichen lokalen Beſchädigungen, wie wir ſie als Froſt— platten beſchrieben haben, zu erzeugen.
In der That hat auch Müller-Thurgau?) Mitte März an den Stämmen von Prunus domestica gefunden, daß der Waſſergehalt der Rinde auf der Südſeite 53,8 Prozent, auf der Nordſeite nur 48,5 Prozent betrug, während ein mit Schilf eingebundener Stamm zu derſelben Zeit auf der Südſeite 51,5 Prozent, auf der Nordſeite 51,3 Prozent Waſſer enthielt. Beſtätigungen ſolcher Winterbeſchädi— gungen der Baumſtämme an der Südſeite giebt Nördlinger).
Die Folgen des Rindenbrandes richten ſich nach der Tiefe, bis zu welcher das Abſterben der Rinde erfolgt iſt, und natürlicherweiſe auch nach der Ausdehnung, in welcher er an dem Stamme oder dem Aſte aufgetreten iſt. Kleinere Froſtplatten zeigen oft nur die Außenſchichten
1) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 430.
2) Deutſche allgem. Zeitg. f. Landwirtſch., Gartenbau und Forſtweſen. 30. Juli 1882.
3) Baumphyſiolog. Bedeutung des kalten Winters 1879/80. Illuſtrierte Gartenzeitung 1881.
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2. Kapitel: Die Temperatur 205
der Rinde gebräunt und getötet, aber die inneren und namentlich das Cambium unverſehrt. Dieſe ſind ungefährlich, denn hier ſetzt die Cambiumſchicht ihre Thätigkeit in der Bildung von Holz und Rinde normal fort, die Froſtplatte iſt nach einiger Zeit nicht mehr bemerkbar, weil die abgeſtorbenen äußeren Rindenſchichten inzwiſchen durch die neugebildeten nach außen gedrängt und mit in die Region der Periderm— bildung übergegangen ſind. Einigermaßen große Brandſtellen aber gehen bis auf das Cambium und den Splint, ſo daß auch dieſe Ge— webe getötet ſind und daher ein bedenklicher Krankheitszuſtand vorliegt. Selbſtverſtändlich hört dann in der ganzen Ausdehnung der Brand— ſtelle das Dickenwachstum des Holzkörpers auf; ſo ſieht man z. B. in unſerer Fig. 27,1 bei d eine ältere Brandſtelle in der Seitenanſicht in Form einer Einbuchtung, weil an dieſer Stelle der Baum ſeit Jahren keine neuen Verdickungsſchichten mehr unter der toten Rinde gebildet hat; dafür hat er aber auf der geſunden Seite um ſo ſtärker Holz angeſetzt und iſt deshalb tonnenförmig ausgebaucht. Bei größeren Rindenbrandſtellen kommen in den folgenden Jahren immer tiefer in den Stamm eindringende Zerſetzungserſcheinungen des Holzkörpers (S. 106) hinzu, woran oft pflanzliche und tieriſche Feinde ſich be— teiligen; beim Steinobſt ſtellt ſich oft in der Umgebung der toten Stelle Gummifluß (S. 51) ein. Solche gefährliche Brandſtellen müſſen bis aufs geſunde Holz ausgeſchnitten und dann mit Theer beſtrichen werden. Wenn nicht, ſo geht die Zerſetzung des Holzkörpers immer weiter und ſchließlich kann der ganze Stamm derart morſch werden, daß der Sturm ihn umbricht. Iſt an den Aſten in einigermaßen größerer Ausdehnung Rindenbrand eingetreten, ſo hat das oft den baldigen Tod dieſer Aſte zur Folge; manchmal treiben wohl ſolche Stämme und Aſte, die man ſchon durch den Froſt getötet wähnt, dann doch noch Blätter und Blüten, freilich in verminderter Fülle; aber es kommt auch vor, daß, nachdem die noch lebend gebliebenen Knoſpen getrieben haben, doch im Sommer die Blätter ſchnell anfangen zu welken und abzufallen und daß der Baum in demſelben Sommer oder erſt nach mehrjährigem Siechtum eingeht. Bisweilen verheilt aber auch eine ſolche bis aufs Cambium und auf den Splint getötete Brandſtelle von ſelbſt durch Überwallungen (S. 74), welche ſich oft unter der bedeckenden toten Rinde von den geſunden Rändern der Stelle aus nach einer längeren Reihe von Jahren über den toten Teil des Holzkörpers hinwegſchieben. Iſt dann auf dieſe Weiſe eine ſolche Brandſtelle ganz verheilt, ſo findet man ſpäter auf dem Querſchnitte des Stammes die betreffende Stelle wieder, indem etwas toter, dunkler Splint und tote Rinde völlig von geſundem Holze überwachſen ſind;
206 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe e
2. Kapitel: Die Temperatur 207
und aus den Jahresringen des Überwallungsholzes kann man das Jahr des ſtrengen Winters richtig ausrechnen (Buffon's und Du— hamel's „verborgene Eisklüfte“, citiert bei Göppert, 1. c. S. 3).
b) Froſtkrebs. Was man bei den Bäumen generell Krebs Froſtkrebs. nennt, unterſcheidet ſich vom Rindenbrand nur darin, daß an den Rändern ſolcher toter Stellen üppige Überwallungswülſte vorhanden ſind und zwar derart, daß bei fortgeſchrittenem Zuſtande mehrere Überwallungswülſte ſich einander teraſſenförmig umgeben, weil nämlich die einzelnen Überwallungswülſte meiſt nach ihrer Altersfolge immer wieder abgeſtorben ſind und nur ein äußerſter, nämlich der, welcher augenblicklich der jüngſte iſt, lebend vorhanden iſt. Die Urſache, daß auch die Über⸗ wallungswülſte immer wieder abſterben, iſt der in jedem Winter wieder— kehrende Froſt, gegen den gerade die neugebildeten Überwallungswülſte am wenigſten widerſtandsfähig find. Der Krebs charakteriſiert ſich alſo als ein beſtändig erneuter, aber ſtets wieder fehlſchlagender Heilungs— verſuch der Pflanze durch Überwallung und ſomit als ein oft be— ſtändig weiter freſſendes übel. Man redet von offenem oder brandigem Krebs, wenn eine mehr oder weniger große tote Central— ſtelle bleibt, die von den Rändern her in der eben beſchriebenen Weiſe terraſſenförmig umwallt iſt (Fig. 27,3); geſchloſſener Krebs heißt derjenige, deſſen überwallungsränder die Wunde in kurzer Zeit bis auf eine kleine Spalte ſchließen (Fig. 27,2); natürlich beſtehen zwiſchen beiden Zuſtänden alle Übergänge. Fig. 27,3 zeigt eine große offene Krebsſtelle im Querſchnitt; fie reicht bis auf das Mark m; ut, us, uz ꝛc. find die Überwallungsränder der ſucceſſiven Vorjahre; nur der diesjährige iſt mit- lebender Rinde (r) bekleidet; die anderen find alle durch Froſtwirkungen getötet. Wenn eine Krebsſtelle endlich den ganzen Umfang eines Stammes oder Aſtes umklammert hat, ſo ſtirbt ſelbſt— verſtändlich der über der Krebsſtelle befindliche Teil ab.
Krebs kann durch verſchiedene Urſachen, zumal auch durch tieriſche Krebs der Obſt— oder pilzliche Feinde, veranlaßt werden. Von den nicht durch Tem. baume. peratureinflüſſe verurſachten Krebserſcheinungen wird daher auch erſt an andrer Stelle dieſes Buches die Rede ein. Daß nun wirklich der Froſt die Urſache des Krebſes ſein kann, darüber beſteht unter den zuſtändigen Fachmännern kein Zweifel mehr. Es iſt nur in vielen Fällen, wo von Krebs geredet wird, nicht erſichtlich, um welche der möglichen Urſachen es ſich gehandelt haben mag. Beim Krebs der Obſtbäume, beſonders der Apfelbäume (wo allerdings vielfach auch die Blutlaus die Urſache iſt), haben Sorauer!) und
) Handb. d. Pflanzenkrankh. 1. Aufl., Berlin 1874, pag. 199, u. 2. Aufl. pag. 399. Vergl. auch Tageblatt d. Naturf.⸗-Verſamml. zu Hamburg 1876.
208 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Göthet) auch den Froſt als die Urſache feſtgeſtellt. Nach Sorauer er— ſcheint das erſte Stadium des Froſtkrebſes als eine ſchwache Auf— treibung, über welcher die alte Rinde geſprengt und lippenförmig ge— ſpalten iſt; denn ſie ſtellt zwei überwallungsränder eines Spaltes dar, welcher bis auf das junge Holz gedrungen war und dort eine braune, tote Partie erkennen läßt. Beſonders häufig entſteht dieſe Beſchädigung um die Knoſpen und die Baſis der Zweige, indem Rinde und Holz hier am leichteſten durch den Froſt verwundet werden können. Darum ſteht auch häufig in der Mitte einer offenen Krebswunde ein Zweig— ſtumpf als kurzer, brauner Zapfen. Sorauer hat auch die Erklärung für das leichte Gefrieren der Überwallungswülſte gegeben durch die Beobachtung, daß in dieſen Wülſten der Holzkörper durch üppige Jahresringbildung übermäßig verdickt iſt, wobei eine abnorm ſtarke Wucherung von Holzparenchym zu bemerken iſt, welches hier vor den normalen Beſtandteilen des Holzes vorwaltet und welches als be— ſonders froſtempfindlich gelten darf. Auch in der Rinde der Krebs— überwallungen iſt inſofern eine Abweichung zu finden, als die Hart— baſtfaſern hier ſpärlicher als in der normalen Rinde auftreten. In dieſem üppigen Wachstum und dieſer abnormen Struktur der Über- wallungswülſte liegt der charakteriſtiſche Unterſchied vom Rindenbrand, indem, wenn bei der letzteren Heilung durch Überwallung in Gang kommt, die letztere ſchmalringig und von vorwiegend normal proſen— chymatiſcher Struktur iſt. Die Weichheit des Gewebes der Krebs— wucherungen zeigt ſich auch darin, daß nach Sorauer normales Holz 66,9 Prozent, Krebsholz nur 45,1 Prozent Trockenſubſtanz ergab. Eine genügende Erklärung für die abnormen Bildungsthätigkeiten bei dem Wachstum der Überwallungen des Froſtkrebſes iſt freilich noch nicht gegeben worden. Ebenſo wird eine genügende Erklärung fehlen für die Thatſache, wenn ſie ſich bewahrheitet, die von manchen Praktikern behauptet wird, daß der Obſtbaumkrebs ſich bisweilen übertrage, indem Edelreiſer, von einem krebsfreien Stamme entnommen, auf eine krebs— kranke Unterlage gepfropft, ebenfalls mit Krebs behaftet werden; um— gekehrt iſt auch behauptet worden, daß krebſige Edelreiſer die Unter— lage anſtecken. Reiche Düngung ſoll die Dispoſition für Krebs er— höhen. Man darf wohl mit Sorauer die Erklärung hierfür darin finden, daß durch reichliche Gaben ſtickſtoffhaltiger Düngung die Bildungsthätigkeit der Pflanze verlängert wird und daher die Pflanze weniger ausgereift in den Winter kommt. Auch ſoll naſſer, kühler
1) Mitteilungen über den Krebs der Apfelbäume. Leipzig 1877, und Froſtſchäden der Obſtbäume. Berlin 1883.
2. Kapitel: Die Temperatur 209
Standort den Krebs begünſtigen, vermutlich weil die Zellen ſolcher Pflanzen ſaftreicher und dünnwandiger ſind. Auch ſoll übermäßiges Zurückſchneiden der Obſtbäume zum Krebs geneigt machen, was Sorauer aus einer erhöhten Produktion weichen Rindenparenchyms bei ſolchen ſtark zurückgeſchnittenen Stämmen zu erklären ſucht.
Auch der Krebs der Rotbuche wird nach R. Hartig) durch . ee Einwirkung des Froſtes veranlaßt. Nach dieſem Beobachter entſteht an Buchen und andern Holzarten in Froſtlagen der Froſtkrebs durch die Einwirkung der Mai- und Junifröſte. Es werden dadurch Zweige getötet, und das Abſterben pflanzt ſich von der Baſis derſelben aus weiter fort, wodurch Krebsſtellen rings um dieſelbe entſtehen. Am Rande der Krebsſtelle bildet ſich ein Überwallungswulſt, und da die Rinde desſelben anfänglich nur ein dünnes Periderm hat, ſo tötet ein ſcharfer Froſt, wenn die Cambialthätigkeit bereits erwacht iſt, das wenig geſchützte Cambium des Krebsrandes; daher vergrößert ſich die kranke Stelle im ganzen Umfange. Außerdem nimmt Hartig an den Buchen als Urſache des Krebſes ebenfalls Pflanzenläuſe und in einem Falle auch Schmarotzerpilze an.
Der Krebs oder Grind des Weinſtockes tritt an den älteren Krebs Stämmen, immer ungefähr 10—50 em vom Boden entfernt auf, in den ee Form einer kleineren oder größeren tonnenförmigen Anſchwellung mit perlartig unregelmäßiger Oberfläche, welche durch die der Länge nach faſerig zerſchlitzte ältere Rinde hervortritt. Nach Göthe?) giebt ſich dieſe Wucherung als Folge des Froſtes dadurch zu erkennen, daß an derſelben Stelle der Holzkörper des Stammes eine längs verlaufende Spalte und eine mehr oder weniger umfangreiche tiefe Bräunung zeigt; die Spalten befinden ſich an der Grenze eines Jahresringes und deuten darauf hin, daß ſie zur Zeit der Bildung des neuen Jahresringes durch Tötung der Cambiumſchicht entſtanden ſind. Die perlartigen Wucherungen ſind nach Göthe die von den geſunden Stellen aus ein— geleiteten Überwallungen, deren eigentümliche Form dieſer Beobachter als ein wirkliches Ineinanderhineinwachſen der üppigen Überwallungs⸗ wülſte erklärt. Nach Sorauers) find jedoch die Krebsknoten des Weinſtockes keineswegs immer eigentliche Überwallungen, ſondern viel— mehr oft unmittelbar lokale Wucherungen der Cambiumſchicht, die an einzelnen Markſtrahlen beginnend, Komplex eparenchymatiſchen, weichen
1) Tageblatt der Naturforſcher-Verſamml. zu München 1877, pag. 207, und Unterſuchungen aus dem forſtbot. Inſt. zu München I., pag. 135. 2) Mitteilungen über den ſchwarzen Brenner und den Grind. Berlin und Leipzig 1878, pag. 28. 3) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 417-420. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 14
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Froſtſpalten.
210 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Holzgewebes und eine entſprechende Wucherung von Rindengewebe, welches durch die alte Rinde hervorbricht, produziert. Ahnliche Krebs— knoten hat Sorauer (J. c.) auch an Spiraea opulifolia beobachtet. Sind die Krebsſtellen nur geringfügig, ſo bleibt ein ſolcher Stamm am Leben, bei ſtarker Entwickelung der Geſchwulſt ſtirbt der Stamm oberhalb derſelben ab. Dafür, daß der Krebs am Weinſtock durch Verletzuug der Cambiumſchicht durch Frühjahrsfröſte erzeugt wird, ſprechen nicht nur die Erfahrungen der Weinbauern und der Umſtand, daß er ſich nur in den ſogenannten Froſtlagen zeigt, ſondern auch ein Verſuch Göthe's, welcher ebenſolche grindartige Wucherungen entſtehen ſah an den Stellen, wo Reben im Frühjahre abſichtlich mit einem Eiſen bis zur Verletzung der Cambiumſchicht geklopft worden waren.
Die Krebsſtellen ſind thunlichſt auszuſchneiden bis aufs geſunde Holz und dann mit Theer zu beſtreichen. Als Vorbeugung gegen Krebs wie gegen Rindenbrand wird alles das gelten dürfen, was zur vollſtändigen Ausreifung des Stammes und der Zweige vor Beginn des Winters beiträgt, ſowie die möglichſte Vermeidung aller der Faktoren, welche oben als krebsbegünſtigend genannt worden ſind.
c) Beſchädigungen des Holzkörpers durch Froſt. Hierher gehört hauptſächlich die ſeit langer Zeit unter dem Namen Froſt— ſpalten, Froſtriſſe oder Eisklüfte bekannte Erſcheinung, die darin beſteht, daß im Freien ſtehende Bäume in kalten Wintern der Länge nach, bis ins Holz, oft bis aufs Mark ſich ſpalten. Nach den darüber beſonders von Caspary) angeſtellten Beobachtungen geſchieht dies nur bei bedeutender Kälte, mindeſtens bei — 14°, und betrifft faſt nur ſtärkere Stämme zwiſchen 18 em und Um Dicke. Das Berſten ſoll mit einem ſtarken Knall verbunden ſein. Die Weite der Kluft des Froſtriſſes beträgt meiſtens mehrere Millimeter, ſeltener bis 4 cm. Im Sommer ſchließen ſich die Froſtſpalten und beginnen durch Über- wallungen zu heilen, pflegen jedoch im folgenden Winter oft wieder aufzubrechen, ſobald ſtarke Kälte eintritt. Die einmal entſtandenen Froſtriſſe ſchließen und öffnen ſich auch mit dem Wechſel von Tau: wetter und Froſt, und die Weite des Spaltes iſt der Kälte proportional; das Schließen erfolgt aber viel langſamer als das Offnen. Durch Caspary's Unterſuchungen iſt es hinreichend dargethan, daß die Froſt— ſpalten dadurch entſtehen, daß das Holz durch den Froſt in der Richtung des Umfanges ſich ſtärker zuſammenzieht als in der Richtung des Radius. Der Vorgang beruht auf derſelben Urſache, wie die gleichen
) Bot. Zeitg. 1855, pag. 449 500, wo auch die ältere Litteratur zu finden; ferner Bot. Zeitg. 1857, pag. 329 — 371.
2. Kapitel: Die Temperatur 211
Erſcheinungen beim Schwinden des Holzes infolge von Austrocknung. Denn durch das Auskriſtalliſieren des Waſſers aus den Membranen der Holzelemente vermindern die letzteren ihr Volumen am ſtärkſten in tangentialer Richtung, gerade ſo wie beim Austrocknen. Die Spalte entſteht da, wo der geringſte Widerſtand iſt, alſo wo irgend eine ſchwache Stelle des Stammes (ein künſtlicher Längsſchnitt, eine Rindenverletzung, ein abgehauener Aſt oder ein Aſtloch, eine Krebsbildung oder eine faule Stelle im Holze) der Spannung nachgiebt. Bei wiederholtem Auf— ſpringen der durch Überwallung geſchloſſenen Froſtſpalten entſtehen, weil ſich jede nächſte Jahresſchicht der Überwallung über die frühere mit nach außen gerichteter Konvexität legt, leiſtenartige Hervorragungen, Froſtleiſten, welche bisweilen eine bedeutende Höhe erreichen und auf dem Querſchnitte gewöhnlich koniſch und in der Mitte von dem Froſtriſſe durchzogen erſcheinen. Göppert)) hat dergleichen an Roß— kaſtanien, Rotbuchen und Weißtannen beobachtet und beſchrieben. Sie verlaufen wegen der ſpiraligen Drehung des Holzſtammes ebenfalls in einer Spirale bisweilen bis in die Krone. Bald kommt nur eine einzige, bald zwei gegenüberſtehende oder auch vier, bisweilen in regel— mäßigen Abſtänden ſtehende Froſtleiſten vor, wodurch der Stamm eine vierſeitige Form erlangen kann. Durch mehrfache Froſtriſſe kann der Stamm innerlich zertrümmert werden. Froſtſpalten, welche lange Zeit ſich nicht ſchließen, geben Veranlaſſung zur Fäulnis der Wundſtellen, beſonders bei Laubhölzern, während bei Nadelbäumen die Froſtſpalte ſich meiſt mit Harz füllt, welches konſervierend wirkt. Göppert hat Froſtriſſe an 76 Arten von Gehölzen aus den verſchiedenſten Familien aufnotiert. 3
Auch bloße Bräunungen im Innern des Holzkörpers können nach Göppert's?) Beobachtungen an Obſtbäumen und nach denen R. Hartig'ss) an Nadelbäumen durch den Froſt verurſacht werden. Als eine Folge der Tötung des Gewebes ſtellt ſich eine ring— förmige Bräunung in der Markröhre und bisweilen auch in dem dieſer zunächſt liegenden Markſtrahlgewebe ein, ſo daß vom gebräunten Ringe des Markes braune Streifen gegen die Rinde gehen. Bei dieſem Zuſtande können Cambium und Rinde geſund fein; es werden dann in normaler Weiſe geſunde Holzringe gebildet, und man findet nach
) über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume. Breslau 1873, pag. 30— 36. ) Wärme⸗Entwickelung, pag. 31— 34 und. Folgen äußerer Verletzungen der Bäume, pag. 23- 27. ic 8 28 ) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 65, und Lehrbuch der Baum⸗ krankheiten. 2. Aufl., Berlin 1889, pag. 262. 14*
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Innere Bräunungen des Holzkörpers.
Mondringe.
212 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Jahren beim Durchſchneiden des Stammes im Innern die aus dem Froſtjahre herrührenden gebräunten Stellen. Dieſelben erſcheinen in verſchiedener Größe und Form, wobei jedoch eine Hinneigung zu radial geſtellter windmühlflügelartiger Form nicht zu verkennen iſt, die bisweilen mit ſolcher Regelmäßigkeit auftritt, daß ſie einem eiſernen Kreuz ähnelt, wobei das Mark das Centrum bildet. Indeſſen giebt es nach Göppert auch Bäume, welche ſelbſt bei tödlicher Einwirkung des Froſtes, wo die Rinde ſtark gebräunt iſt, doch keine Farbenveränderung im Holzkörper zeigen, jo Rhus typhina, Corchorus japonicus, Coronilla Emerus, Ro- binia Pseudacacia, Pinus Pinsapo. Nach R. Hartig ſoll befonders bei exotiſchen Nadelhölzern nach dieſer Tötung der Markröhre durch den Froſt Anfang Mai der Tod durch Vertrocknen oft plötzlich ein— treten; er führt dies darauf zurück, daß die Säfteleitungsfähigkeit in dem vom Froſte betroffenen Holzkörper verſchwunden iſt; bei den Laub— hölzern übernehmen in ſolchem Falle der zeitig gebildete neue Holzring oder die nicht vom Froſt getöteten jüngſten Jahresringe die Saftleitung.
Auch Zerklüftungen des Holzkörpers in einer den Jahres— ringen folgenden Richtung ſoll nach Sorauer's) Anſicht der Froſt veranlaſſen können. Braune oder weiße Binden von weichem, zunderartig mürbem Gewebe, die ringförmig um einen Teil oder auch um den ganzen Stammumfang herumreichen, bezeichnet man als Mond— ringe, deren Entſtehung meiſt Pilzen zugeſchrieben wird, da oft das zerſtörte Gewebe verpilzt erſcheint. Nach Sorauer beſtehen aber dieſe Partien ſchon von vornherein aus lauter Holzparenchym, denn auch die Ränder der toten Stellen, wo ſie in das geſunde Gewebe über— gehen, zeigen noch dieſen abnormen parenchymatiſchen Charakter. Es handelt ſich alſo um die Bildung von Parenchymneſtern an Stelle von normalem Holzgewebe, wo alſo die Cambiumſchicht innerhalb eines Jahresringes ausſchließlich ſolches Gewebe, aus welchem die Markſtrahlen beſtehen, gebildet hat, alſo gleichſam erweiterte und zu⸗ ſammengefloſſene Markſtrahlen. Solche Bildungen ſind früher von Roßmäßler als „Markwiederholungen“, von Nördlinger als Marf- flecken“ bezeichnet und ſpäter von de Bary) als ziemlich verbreitete Erſcheinungen beſchrieben worden, nur daß man über die Urſachen derjelben im Unklaren war Nun hat, wie unten bei den tieriſchen Feinden erwähnt werden wird, Kienitz für gewiſſe Fälle den Fraß von Dipterenlarven im Cambium als eine der möglichen Urſachen der Markflecken nachgewieſen. Nach Sorauer ſoll nun auch der Froſt
) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 382. 2) Vergleichende Anatomie. Leipzig 1877, pag. 567.
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2. Rapitel: Die Temperatur 213
Veranlaſſung fein können, und zwar dann, wenn im Frühjahr wahr- ſcheinlich infolge einer im Cambium ſtattfindenden Eisbildung eine Zerreißung und Lockerung in der Cambiumſchicht eintritt. Denn immer wenn die lebende Rinde ſamt dem Cambium vom Holzkörper abge- hoben iſt, was man nach Sorauer) ſowohl durch künſtliche mecha— niſche Verwundung als auch durch künſtliche Kälte herbeiführen kann, bildet das vom Holzkörper abgelöſte Cambium an dieſer Stelle auf ſeiner Innenſeite analog wie es beim vorſichtigen Abheben der Rinde ſamt Cambium ebenfalls gelingt (S. 70) neues Holz, was aber zu— nächſt aus lauter Holzparenchym beſteht, um erſt nach einiger Zeit wieder zur Produktion normalen Holzgewebes zurückzukehren. Nach Sorauer unterliegt es nun keinem Zweifel, daß gerade ſolche Paren— chymneſter im Holzkörper dem Froſt am leichteſten erliegen; in einem ſolchen getöteten Gewebe können ſpäter Pilzmycelien als eine ſekundäre Erſcheinung ſich einfinden. Vielleicht ſind auch manche Fälle der ſoge— nannten „Kernſchäle“ auf dieſe Weiſe zu erklären; es läßt ſich hier ein vollſtändiger Hohlcylinder von geſundem Holz von einem oft auch geſunden centralen Holzkörper wie eine Hülſe ablöſen. Denn ſolche Erſcheinungen erwähnt auch Göppert mit dem Hinzufügen, daß man dabei aus der Zahl der Jahresringe das Froſtjahr ausrechnen könne.
V. Froſtſchutzmittel.
Wenn die Sachs 'ſche Theorie richtig geweſen wäre, daß der Kälte-Froſtſchutzmittel. tod der Pflanzen ſich immer erſt beim Auftauen des gefrorenen Pflanzenteiles entſcheidet und nur von einem zu ſchnellen Auftauen desſelben herrührt, jo würde ein Univerſalmittel gegen die Froſt— beſchädigungen ſein dafür zu ſorgen, daß gefrorene Pflanzenteile mög— lichſt langſam wieder erwärmt werden. Das iſt nun aber, wie im Vorhergehenden gezeigt worden iſt, nicht allgemein zutreffend, ſondern thatſächlich nur auf die wenig häufigen Fälle beſchränkt, wo die Zellen ſaftreicher Gewebe ſelbſt durch und durch gefroren ſind, während bei dem gewöhnlichen Gefrieren, welches unter intercellularer Eisbildung eintritt, der damit verbundene Saftverluſt der Zellen zur Todesurſache wird, der Tod alſo ſchon während des Gefrorenſeins unabänderlich entſchieden iſt.
Somit ſind als ſichere Froſtſchutzmittel nur diejenigen Maßregeln zu betrachten, durch welche der Abkühlung der Pflanzenteile auf die— jenige Temperatur unter 0°, bei welcher ihre Säfte aus den Zellen
) I. c. pag. 424.
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214 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
ausfrieren, verhindert wird. Daher kommen alle dieſe Mittel darin überein, daß die Pflanze mit ſchlechten Wärmeleitern umgeben wird. Natürliche Froſt ⸗ Dieſer Anforderung genügen erſtens die natürlichen Froſt— ſchutzmittel. ſchutzmittel, als welche wir die Schneedecke und den Erdboden anzuerkennen haben. Die Schneebedeckung ſchützt, weil ſie die Wärme— ausſtrahlung des Bodens und das Eindringen der Kälte verhindert und weil ſie verhütet, daß das etwa aus den Pflanzengeweben aus— frierende Waſſer durch Verdunſtung verloren geht. Nach Göppert's Beobachtungen betrug in Breslau die Temperatur unter einer 10 em hohen Schneedecke auch nach mehrtägiger, ſehr heftiger Winterkälte (durchſchnittlich — 12,60 nur — 3°, und ſelbſt bei — 20,5 C. Luft⸗ temperatur nur ungefähr — 6°; der darunter liegende Boden zeigte bei 5 em Tiefe nur noch — 1 C. Der günſtige Einfluß der Schnee— decke auf die Winterſaaten iſt ebenſo allgemein bekannt, wie der Schaden einer heftigen Kälte ohne Schnee. Der jedes Jahr vor— handenen mächtigen winterlichen Schneehülle im höchſten Norden ver— dankt die Vegetation daſelbſt ihre Erhaltung in den dort herrſchenden kalten Wintern. Unter 78° 50“ nördl. Br. fand man bei — 27,5 R. Lufttemperatur im Schnee in einer Tiefe von 64 cm — 17°, in 1,3 m Tiefe — 13,3» und bei 2,6 m nur — 2,6“. Ebenſo iſt unter der tiefen Schneedecke auf den Alpen die Temperatur des Bodens im Winter ſelten kälter als — 2°. In dieſen hohen Regionen und Breiten erweiſt ſich der Schutz des Schnees auch in dem Umſtande, daß hier die geſamte Vegetation ſich unter den Schnee zurückzieht, denn an der Baumgrenze ſind die nur in der Strauchform entwickelten Holzpflanzen Winters ganz vom Schnee bedeckt, und die etwa hervor— ragenden Teile zeigen deutlich genug die Verkrüppelungen, die hier außer den Stürmen wahrſcheinlich auch die Froſtwirkungen verurſachen. Wenn die Schneebedeckung auch die Vegetationsthätigkeit hindert, ſo konſerviert ſie doch trotz dieſes Stillſtandes das Pflanzenleben ungemein lange; im Hochgebirge werden viele pflanzenbedeckte Stellen in manchem Sommer gar nicht ſchneefrei; die Pflanzen können hier mehrjährigen Winter ertragen, man findet ſie unter ihrer winterlichen Hülle zwar in Vegetationsruhe, aber nicht getötet, und wo nur der Schnee weicht, ſetzen ſie ihre Vegetation fort. Dahin gehören auch die Angaben Charpentier's) u. a., wonach Cerastium alpinum und andere 4 Pflanzen Jahre lang unter Gletſchereis ſich erhielten und nach Zurüd- gehen des Gletſchers fortlebten. Daß auch in der arktiſchen Zone ähnliches vorkommt, laſſen manche Mitteilungen vermuten. Bei uns
) Bot. Zeitg. 1843, pag. 13.
2. Kapitel: Die Temperatur 215
iſt ſchon eine dünne Schneeſchicht und ſelbſt der Reif ein Schutzmittel gegen Froſtſchäden. In kalten Wintern mit wenig Schnee empfiehlt es ſich, den Schnee aus den Wegen an die empfindlicheren Pflanzen zu werfen. Ebenſo ſchützt der Erdboden die in ihm befindlichen Wurzeln ꝛc. Es iſt bekannt, daß auch bei ſtarker und langer Winter- kälte der Boden bei uns kaum bis 64 cm Tiefe gefriert und die Tempe— ratur mit der Tiefe unter der Oberfläche raſch zunimmt. Die oben erwähnte Empfindlichkeit der Pflanzenwurzeln gegen Kälte, wenn ſie der Luft ausgeſetzt werden, erweiſen den vom Erdboden ausgeübten Schutz deutlich.
Die künſtlichen Froſtſchutzmittel erklären ſich in ihrer Wirkung Künſtlliche Froſt⸗ alle leicht als ſchlechte Wärmeleiter; ſo das Bedecken und Einſchlagen ane e empfindlicher Freilandpflanzen mit verſchiedenen Deckmaterialien, als Stroh, Schilf, Moos, Laub, Decken ꝛc., das Aufbewahren der Kartoffeln, Rüben, Apfel u. dergl. in Haufen geſchichtet und in die Erde eingemietet, das Bebrauſen im Freien wachſender Pflanzen mit Waſſer am Morgen nach einem Nachtfroſte, um auf ihnen künſtlichen Reif oder Tau zu erzeugen. Ein vorzügliches, im großen wirkendes künſtliches Froſtſchutzmittel beſteht in dem Anzünden von Rauchfeuern, was ſchon ſeit langer Zeit in den Weingärten Südtirols und andern Gegenden Südeuropas üblich iſt und mehr und mehr auch anderwärts befolgt wird. In den Weinbergen und um die Feldſtücke werden in gewiſſen Entfernungen Haufen eines ſehr viel Rauch ent— wickelnden Brennmaterials oder Keſſel mit Sägemehl und Mineral⸗ theer gefüllt, aufgeſtellt oder auch Gruben gemacht, in welche mit Theer vermiſchtes Sägemehl gebracht wird; iſt Froſt zu befürchten, ſo werden in der Nacht oder gegen Morgen die Brennmaterialien auf der Wind— ſeite angezündet, ſo daß der Wind die Rauchwolken über das Gelände ausbreitet !); dieſelben wirken dann wie eine Wolkendecke durch Ver— minderung der Ausſtrahlung. Es empfiehlt ſich natürlich, ſolche Rauch— feuer auf allen an einander grenzenden Grundſtücken als eine gemein— ſchaftliche Maßregel zu veranſtalten.
Für die eingangs erwähnten Fälle, wo durch und durch gefrorene ſaftige Pflanzenteile durch allmähliches Auftauen vor dem Tode ge— ſchützt werden können, wie es bei hart gefrorenen Kartoffeln, Rüben, Apfeln u. dergl. wirklich der Fall iſt, wird allerdings eine recht lang— ſam bewirkte Erwärmung zu einem Schutzmittel. Wenn man Kartoffeln, die in dieſer Weiſe gefroren ſind, in viel kaltes Waſſer legt, welches dann ganz allmählich die Temperatur der wärmeren Luft annimmt, ſo erhält
) Vergl. Centralblatt f. Agrik.-Chemie 1887, pag. 647.
Störung der Lebensprozeſſe
infolge der Über
ſchreitung der Temperatur; grenzen.
Temperatur- grenzen der Keimung und des Wachstums.
216 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
man oft die Knollen am Leben, während ſie in ſo gefrorenem Zu— ſtande ſogleich in wärmere Luft gebracht, in der Regel getötet werden.
Selbſtverſtändlich wirken aber, um dieſe Art Froſttod zu vermeiden, |
auch alle vorgenannten natürlichen wie künſtlichen Froſtſchutzmittel eben- falls zweckentſprechend. |
C. Störungen einzelner Lebensprozeſſe infolge der überſchreitung ihrer Temperaturgrenzen.
Im vorhergehenden haben wir nur die an und für ſich tödlichen
Temperaturen kennen gelernt. Nun giebt es aber, wie die Pflanzen—
phyſiologie lehrt, für die meiſten Lebenserſcheinungen eine untere und eine obere Temperaturgrenze, welche für die Pflanze nicht tödlich iſt, wobei dieſelbe aber die betreffende Lebensthätigkeit nicht mehr ausübt. Es treten mithin krankhafte Zuſtände ein, die ſo lange dauern, bis die Temperatur wieder in jene Grenzen zurückgekehrt iſt. Zwiſchen den beiden Temperaturgrenzen giebt es ein Optimum, d. h. einen be— ſtimmten Wärmegrad, welcher für den betreffenden Lebensprozeß am günſtigſten iſt; und je weiter die herrſchende Temperatur von jenem Grade entfernt iſt, je mehr ſie ſich einer der beiden Temperaturgrenzen nähert, in deſto ſchwächerem Grade findet der Prozeß ſtatt, ſo daß auch innerhalb der Grenzen die Temperaturverhältniſſe einen ſchäd— lichen Einfluß ausüben können. Wir kennen gegenwärtig eine ſolche Beziehung zur Temperatur von folgenden Lebensprozeſſen.
1. Das Wachstum und die Keimung. Es iſt ein allbekannter Erfahrungsſatz, daß das Wachſen der Pflanzen bei geringen Wärme— graden ſich verlangſamt oder ganz ſtockt, bei größerer Wärme dagegen rüſtig fortſchreitet, und daß in demſelben Sinne auch die Geſchwindig—⸗ keit, mit welcher die Samen aufkeimen, beeinflußt wird. Das letztere iſt nach der erſteren Erfahrung nicht anders zu erwarten, da ja die Keimung der Samen im Grunde nichts anderes als ein Wachſen der Teile des Keimlings iſt. Das Geſetzmäßige in dieſer Abhängigkeit iſt zuerſt von Sachs!) feſtgeſtellt und dann von A. de Candolle), Köppen), de Vries), Haberlandt) und bezüglich der unteren Temperaturgrenze von Hellriegel®) beſtätigt worden. Hiernach giebt
) Experimentalphyſiologie, pag. 54.
2) Biblioth. univers. de Genève 1865. T. XXIV, pag. 243.
3) Wärme und Pflanzenwachstum. Moskau 1870, pag. 39.
4) Materiaux pour la connaissance de l’influence de la temperature. Archiv Neerlandaises 1870. V.
5) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XVII, pag. 104.
6) Beiträge zu den naturwiſſenſch. Grundlagen des Ackerbaues. Braun- ſchweig 1883, pag. 284.
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2. Kapitel: Die Temperatur 217
es eine untere und eine obere Temperaturgrenze des Wachs— tums, d. h. es darf weder eine gewiſſe niedere noch eine gewiſſe hohe Temperatur überſchritten ſein, wenn noch Wachſen ſtattfinden ſoll. Es iſt dies beſonders am Keimungsprozeß ermittelt worden, indem man die Samen zum Keimen auslegte unter verſchiedenen konſtant bleiben⸗ den Temperaturen und dabei beobachtete, ob die Keimung erfolgt oder nicht. Man erhielt alſo dabei die Temperaturgrenzen der Keimung, die wir nachſtehend für eine Anzahl von Pflanzen aus den Angaben der genannten Forſcher entlehnen. Es tritt dabei die wichtige That- ſache hervor, daß dieſe Kardinalpunkte keineswegs bei gleichen Tem— peraturgraden liegen, ſondern daß darin ſich jede Pflanze eigentümlich verhält, wobei es nicht undeutlich iſt, daß die aus wärmeren Ländern ſtammenden Pflanzen ein höheres Wärmebedürfnis für ihr Wachstum haben, als die bei uns einheimiſchen oder akklimatiſierten.
Untere Temperatur- Obere Temperatur:
grenze ° &. grenze ° C. E alba . . 0,0 über 37,2 Lepidium sativum . 1,8 unter 37,2 Hordeum vulgare 5,0 37,7 Triticum vulgare 5,0 42,5 Zea mais e; 9,5 46,2 Phaseolus Wü PR 19 9,5 46,2 Cucurbita pedo 13,7 46,2 Cucumis sativus 18,5 über 44
Bezüglich der unteren Temperaturgrenzen haben die Beobachtungen auch noch für viele andere Pflanzen, wie Roggen, Hafer, Zuckerrübe, Hanf, Raps, Mohn, Lein, Rotklee, Erbſe, Saubohne, ergeben, daß ſie ungefähr zwiſchen 4 und 5 C. liegt. Doch wollen manche Beobachter auch bei noch niedrigeren Temperaturen Keimung geſehen haben. So ſollen nach Ulotht) Samen von Gramineen und Gruciferen mitten im Eis oder in mit Eis umgebenen Kiſten in Eiskellern nach längerer Zeit gekeimt ſein. Kirchner? hat bei ähnlichen Verſuchen an Sinapis, Secale und Triticum noch zwiſchen O und + 1° C. Verlänge- rung durch Wachstum beobachtet. Kerner?) fand, daß Samen von Alpenpflanzen bei dauernd ungefähr + 2 C. zur Keimung kamen
) Flora 1875, pag. 266. ) Cohn's Beiträge zur Biologie III. 1883, pag. 335. 3) Berichte des naturw. Vereins zu Innsbruck, citiert in Bot. Zeit 1873,
pag. 437.
Ungenügende Dauer ber Begetationd- temperatur.
218 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
und glaubt, daß fie am Rande der Schneefelder auch bei 0° keimen können. Die merkwürdigen Beobachtungen, welche Middendorff) erzählt, daß unter 70° nördl. Br. unter dem Schnee hervorragende Weidenkätzchen bei einer Temperatur von — 16 bis — 25° in der Sonne ſich zu entwickeln begannen, während 53 em tiefer die Zweige
gefroren waren, und daß Alpenroſen an den Zweigſpitzen vollſtändig.
blühten in einer Temperatur, die nachts unter dem Gefrierpunkte, tags zwiſchen O und + 5° ſich hielt, während der Stamm und die Wurzeln im Eiſe gefroren waren, ſind auf die Erwärmung durch die Sonnenſtrahlen zurückzuführen. Aber die Beobachtung, die Kerner (I. c.) und andere vor ihm gemacht haben, daß Alpenpflanzen unter dem Schnee zu wachſen begannen und ihre Blütenſchäfte durch die eiſige Decke emporſchoben, ſo daß die Blüten an der Firnoberfläche hervorragten, läßt wohl kaum eine andere Deutung zu, als daß dieſe Prozeſſe bei 0° ſtattgefunden haben. Auch ſah ich auf den Alpen den Firn durch die Alge des roten Schnees (Chlamidococeus nivalis) bis wenigſtens 1 em unter der Oberfläche gefärbt. Die Wärmeſtrahlen der Sonne und die durch die Atmung erzeugte Wärme können hier wohl keine Wirkung äußern, da ſie ſogleich durch das Schmelzen des Schnees verbraucht werden. In Übereinftimmung damit findet auch nach den Beobachtungen der ſchwediſchen Polarerpedition 1872— 73 bei Spitz bergen an der winterlichen Algenvegetation des Meeres bei dauernder Temperatur desſelben unter 0° Wachs um des Thallus und Bildung von Fortpflanzungszellen ſtatt ).
Selbſtverſtändlich wird aber die für das Wachſen notwendige Wärme auch während einer genügend langen Dauer gegeben ſein müſſen, um den Wachstumsprozeß einer jeden Pflanze in normaler Weiſe zur Vollendung zu bringen. Wir wiſſen, daß die Entwickelungs⸗ dauer den klimatiſchen Verhältniſſen der Heimat jeder Pflanze ange- paßt, lang bei Gewächſen der wärmeren Länder, ſehr kurz bei denen der kalten Zone und der höheren Gebirgsregionen iſt. Höhe und Dauer der Temperatur ſind daher mit die wichtigſten Faktoren, welche die geographiſche Verbreitung, die Abhängigkeit der Pflanzen vom Klima bedingen. Sie ſind die Urſache, daß jede Pflanzenart in einer beſtimmten geographiſchen Breite gegen die Pole hin, ſowie in einer je nach dem Breitengrad verſchiedenen Höhe über dem Meere verſchwindet. Werden daher Pflanzen ſüdlicher oder gemäßigter Klimate in nördlicheren Breiten oder in rauheren Gebirgsgegenden kultiviert,
) Sibiriſche Reife. I., 2. Tl. 2) Citiert in Bot. Zeitg. 1875, pag. 771.
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2. Kapitel: Die Temperatur 219
ſo kann die geringere Wärmemenge und kürzere Dauer des Sommers nicht mehr genügend ſein, um die Pflanze zur vollſtändigen Ent— wickelung, zum Blühen und zur Fruchtreife gelangen zu laſſen, oder es iſt ſolches nur noch in den günſtigſten, nach Süden geneigten Lagen möglich. Die Nichterfüllung dieſer Bedingungen hat daher für ſolche Pflanzen nachteilige Folgen in der angegebenen Beziehung. Die ein- zelnen Pflanzen verhalten ſich bekanntlich hierin verſchieden, indem jede ihre eigenen klimatiſchen Anſprüche hat. Dieſe für den Pflanzen- bau, beſonders in den Gebirgen und den nördlichen Gegenden unſeres Erdteiles tief eingreifenden Verhältniſſe können hier nicht näher erörtert werden, da alle ſpezielleren Betrachtungen hierüber mehr der Pflanzen— geographie und Phänologie als der Pathologie angehören. Es ſei nur noch darauf hingewieſen, daß auch in dieſer Beziehung eine Akklimatiſation (S. 200) von Pflanzen wärmerer Länder an ein kälteres Klima möglich iſt, wenn es gelingt, Varietäten zu züchten, deren untere Temperaturgrenze des Wachſens möglichſt niedrig liegt und deren Entwickelungsdauer möglichſt kurz iſt.
Aber auch die verſchiedenen Temperaturgrade, welche zwiſchen den Beeinfluſſung beiden Grenzwerten liegen, beeinfluſſen, wenn ſie konſtant auf die ae Pflanze einwirken, das Wachstum und zwar erſtens hinſichtlich ſeiner Geſchwindigkeit. Eine Vorſtellung davon geben nachſtehende von Sachs herrührende Zahlen, welche die Wachstumsgeſchwindigkeit in Millimetern ausdrücken, welche an Maiswurzeln in 24 Stunden bei verſchiedenen konſtanten Temperaturen gemeſſen worden ſind.
Temperatur Wurzellänge e 1,3 mm 26,2° C. 24,5 „ 33,29 C. 39,0 „ 34,0“ C. 55,0 „ 38,29 C. 25,2 „ 42,59 C. 37
Es iſt hieraus erſichtlich, daß auch Temperaturen, welche ſich der oberen oder unteren Temperaturgrenze nähern, dem Wachstumsprozeß ſchon ſehr ungünſtig ſein können. Man hat nun denjenigen Punkt, welcher das Wachſen am meiſten beſchleunigt und bei welchem alſo auch die Samen am ſchnellſten keimen, das ſogenannte Optimum
i der Wachstums temperatur, für viele Pflanzen feſtzuſtellen geſucht 4 und auch dieſes je nach Pflanzenarten bei verſchiedenen Temperaturen gefunden, wie nachfolgende Zahlen zeigen. |
Beeinfluffung der Wachstums- größe.
Beeinfluffung der Kohlenjäure- Aſſtmilation.
220 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Sinapis alba. . . 27,4 Lepidium sativum. . . 27,4 Hordeum vulgare. . 28,7 Triticum vulgare . 28,7 Lab mensch... son! 39% Phaseolus multiflorus . 33,7 Cucurbita pepo . . . 33,7 Cucumis sativus . .. 33
Indem man nun die das Wachſen am meiſten beſchleunigende Temperatur das Optimum nannte, iſt man vielfach in den Irrtum verfallen, dieſen Temperaturgrad als den für den Wachstumsprozeß der Pflanze überhaupt günſtigſten zu halten. Das iſt aber, wie ich ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches (S. 209) und noch beſtimmter jüngſt!) hervorgehoben habe, keineswegs der Fall. Das durch Tem— peratur am meiſten beſchleunigte Wachstum giebt der Pflanze krank— hafte Geſtalten, weil auch die Wachstumsgröße der Pflanzenteile durch die Temperatur beeinflußt wird und zwar in ganz analoger Weiſe wie durch Licht und Dunkelheit (S. 162), indem durch Tem— peraturen nahe dem Optimum die Geſtaltung der Pflanzenteile in ähn— licher Weiſe krankhaft ausfällt wie bei Dunkelheit, während bei niedri- geren Temperaturen, wo die Pflanze allerdings langſamer wächſt, normale geſunde Pflanzengeſtalten ſich ergeben. Das krankhafte Wachſen in der Dunkelheit, welches man Etiolement nennt, tritt alſo in ähnlicher Form auch bei zu hoher Temperatur im Lichte auf; man könnte alſo paſſend auch von einem Thermoetiolement reden und jenes als Photoetiolement bezeichnen. Bei den Verſuchen von Bialoblocki) hat ſich gezeigt, daß Roggen, Gerſte und Weizen bei konſtanter Boden- temperatur von + 10° C. zwar langſam wachſen, aber normal ſtarke Wurzeln, mäßig lange, aber dicke, kräftige Halme und breite Blätter bekommen, daß aber bei Temperaturen in der Nähe des Optimums (+ 30° C.) die Wurzeln immer feiner, die Halme ſehr dünn und ſchwächlich, die Blätter ſehr lang und ſchmal werden, die ganze Pflanze alſo ein krankhaftes Ausſehen annimmt.
2. Die Kohlen ſäure-Aſſimilation und die Geſamtpro duktion. Die Energie, mit welcher die grüne Pflanze die Kohlenſäure aſſimiliert, hängt auch von der Temperatur ab. Nach den Unterſuchungen, welche Heinrich?) mit der Waſſerpflanze Hottonia, der ſich in dieſer Beziehung
) Frank, Lehrbuch der Botanik. I. Leipzig 1892, pag. 388.
2) Ueber den Einfluß der Bodenwärme auf die Entwickelung einiger Kultur⸗ pflanzen. Diſſertation, Leipzig 1872. | 99
3) Landwirtſch. Verſuchsſtation 1871, pag. 136.
2. Kapitel: Die Temperatur 221
wohl viele andere Pflanzen gleich verhalten dürften, angeftellt hat, liegt das Optimum bei ungefähr 31° C.; denn bei dieſer Temperatur wurden 547—580 Sauerſtoffblaſen ausgeſchieden in der nämlichen Zeit, wo bei 50 C. 110—200 Blaſen gezählt wurden; bei 56° C. hörte die Abſcheidung auf. In der gleichen Zeit wurden bei 10,6—11,2° C. nur 145— 160 Gasblaſen abgeſchieden. Aber ſelbſt bei ſehr niedrigen, den Gefrierpunkt kaum überſchreitenden Graden findet noch etwas Kohlenſäurezerſetzung ſtatt, wie ſchon von älteren Beobachtern erkannt und von Kreusler!) wiederum bei Rubus beſtätigt wurde. Auch dieſer Beobachter fand bei nahezu 50° den Prozeß noch nicht erloſchen. Wenn man berückſichtigt, daß der Wachstumsprozeß und die Beeinflufjung
Kohlenſäure⸗Aſſimilation, ſowie noch andere im Nachſtehenden erwähnte 8 1 Lebensprozeſſe von der Temperatur abhängig ſind, ſo iſt es nicht anders zu erwarten, als daß auch die Geſamtproduktion einer Pflanze durch die Temperatur beeinflußt wird. Aber man wird begreifen, daß dies der Geſamteffekt aller der verſchiedenen Beeinfluſſungen der einzelnen Lebensthätigkeiten durch die betreffende Temperatur iſt und alſo eine ſehr komplizierte Reſultante darſtellt, der wir durchaus nicht den Wert eines Maßſtabes für irgend eine beſtimmte Lebensthätigkeit zuerkennen dürfen. So zeigen uns auch die folgenden Zahlen Hell— riegel’S?) nur, daß verſchiedene Temperaturen ſchließlich auch in der Geſamtproduktion einer Pflanze zum Ausdrucke kommen.
Konſtante Bod Pace
onſtante Boden⸗J _. 5 5 I s eh bs 10% 15% „20% Ben Friſchgewicht 191,5 176,3 269,4 456,6 376 408 240,1 Trockenſubſtanz 23,9 22,8 32,4 49,5 424 470 312
Weizen: Friſchgewicht 98,6 130,8 241,0 260,5 342,0 402,2 296,0 Trockenſubſtanz 15,8 20,8 29,5 30,8 43,9 46,9 40,3
Gerſte: Friſchgewicht 151,9 156,0 383,4 408,5 435,2 365,0 230,5 Trockenſubſtanz 17,1 18,0 34,4 36,7 42,0 35,0 26,3
3. Die Wurzelthätigkeit, d. h. die Waſſeraufnahme durch die Störung der
Wurzeln iſt ebenfalls von der Temperatur abhängig, und wegen Wesen enn Abhängigkeit können für manche Pflanzen krankhafte Zuſtände ent- Bart S
) Landwirtſch. Sahrbücher?1887, pag. 711. 2) Grundlagen des Ackerbaues 1883, pag. 332.
222 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
ſtehen. Nach den Beobachtungen von Sachs!) nehmen Tabak- und Kürbispflanzen mit ihren Wurzeln aus einem feuchten Boden, wenn derſelbe nur + 3 bis 5 C. warm iſt, ſchon nicht mehr jo viel Waſſer auf, um einen ſchwachen Verdunſtungsverluſt zu erſetzen und werden welk. An Topfpflanzen, beſonders an wärmebedürftigeren, die im Winter in kalten Zimmern ſtehen, ſieht man dies häufig. Begießen hilft hier nichts, ſondern kann ſogar ſchaden, wenn die Erde ſchon ſehr feucht war; aber durch geeignete Erwärmung der Erde und Wurzeln, wodurch letztere wieder zur Thätigkeit angeregt werden, können die Pflanzen ſich wieder erholen. Bei Gewächſen, die unſerer kälteren gemäßigten Zone angepaßt find, ſcheint die untere Temperatur- grenze der Wurzelthätigkeit tiefer zu liegen; denn Brassica Napus und oleracea nehmen nach Sachs auch aus einem nahezu 0° C. kalten Boden noch genügend Waſſer auf, um einen mäßigen Verdunſtungs— verluſt zu erſetzen. Im freien Lande dürften die krautartigen Pflanzen ſchwerlich von dem auf dieſem Grunde beruhenden Mißverhältnis zwiſchen Waſſeraufſaugung und Tranſpiration betroffen werden, da zur Zeit, wo ſie vegetieren, meiſt der Froſt aus dem Boden gewichen iſt oder ein Spätfroſt nur die oberſte Bodenſchicht ergreift. Die tief— wurzeligen Laubbäume ſind in dieſer Beziehung durch ihre ſpäte Be— laubung und durch die Wärme des Bodens in tieferen Schichten ge— ſchützt. Anders iſt das Verhältnis bei den immergrünen Laub- und Nadelbäumen. Hier tritt wirklich ein Vertrocknen der Blätter und Nadeln ein, wenn, während der Boden noch gefroren iſt, direkte Sonne oder warme Südwinde in den Blättern die Verdunſtung anregen. Nach R. Hartig) ſoll dies ſogar an älteren Fichten und Tannen vorkommen, die an ſüdlichen Beſtandesrändern und Böſchungen ſtehen, und in den Alpen in Lagen, welche dem warmen Südwinde am meiſten exponiert ſind. Beſonders leicht kann dieſer Fall an jungen Kiefern eintreten, deren mehr ſeichte Wurzeln im Bereiche des Froſtes liegen; die Erſcheinung iſt hier unter dem Namen Schütte bekannt, welche vorzugsweiſe an jungen Kiefern, beſonders zwei- bis fünfjährigen Sämlingen, im zeitigen Frühjahre auftritt, wobei die Nadeln ſchnell braun oder rot— braun und dürr werden und abfallen; die Pflanzen gehen infolge deſſen ein oder erholen ſich erſt nach längerer Zeit wieder. Es iſt ſicher, daß Schütte verſchiedene Urſachen, insbeſondere auch pilzpara⸗ ſitäre, von denen ſpäter die Rinde ſein wird, haben kann. Aber nach
) Bot. Zeitg. 1860, pag. 124. | 2) Unterſuchungen aus dem forſtbot. Inſtitut München. I., pag. 133.
2. Kapitel: Die Temperatur 223
den vieljährigen Beobachtungen Ebermayer's 9) iſt kaum zu be- zweifeln, daß die Schütte in den meiſten Fällen die Folge einer durch die warme Frühjahrsſonne in den Nadeln angeregten Verdunſtung iſt, während gleichzeitig die Wurzeln in dem noch kalten Boden noch keine waſſeraufſaugende Thätigkeit ausüben, ſo daß die Pflanzen, die noch nicht im Beſitze eines ſehr entwickelten Holzkörpers find, alſo ſelbſt wenig Waſſer enthalten, alsbald den Nadeln keine genügende Feuchtig— keit mehr zuführen können. Denn die Krankheit tritt nach jenen Beob— achtungen beſonders in trockenen Frühjahren ein, in denen die Tage warm, die Nächte kalt ſind; häufiger in der Ebene als in den Ge— birgen, und beſonders ſtark an den Süd- und Weſtſeiten der Berge, faſt nie an den Nordabhängen; ferner in freien Lagen beſonders ſtark, dagegen nicht dort, wo benachbarter Waldbeſtand ꝛc. gegen die Mittags- ſonne ſchützt; ebenſo entgehen die Pflanzen der Schütte, wenn ſie mit Reiſig u. dergl. bedeckt find, ſelbſt ſchon, wenn fie unter hohen Gräſern oder Sträuchern wachſen, wodurch die Inſolation abgehalten und auch die Verdunſtung vermindert wird. In der That fand Ebermayer die Temperatur des Bodens zur Zeit, wo die Schütte ſich zeigt, bis zu 1,3 m Tiefe in der Regel noch nicht + 4“ R., während die Luft— temperatur im Schatten nicht ſelten auf 20° ſteigt. Daher find auch warme Regen, lange liegenbleibender Schnee, Streubedeckung und alles, was die Abkühlung des Bodens verhindert oder vermindert, des— gleichen Lockerung eines zu feſten und Entwäſſerung eines zu naſſen Bodens, überhaupt alles, was die Durchwärmung des Bodens er— leichtert, Schutzmittel gegen dieſe Beſchädigung. Ganz ähnliche Er— ſcheinungen zeigten ſich nach Breitenlohner? auch nach dem ab— normen Winter 1881/82 an den immergrünen Hochgebirgsſträuchern in den Alpen, wie Pinus pumilio, Juniperus nana, Rhododendron, Calluna vulgaris, Vaccinium und Empetrum, deren Belaubung an den ſonnigen Berglehnen fuchsrot wurde und abſtarb, aber dort un— verſehrt blieb, wo irgendwie Deckung gegen die Sonne gegeben war. Der genannte Beobachter kommt ebenfalls zu dem Schluſſe, daß unter Berückſichtigung der mangelnden Feuchtigkeit jenes Winters und der relativen Trockenheit der Luft in höheren Gebirgsgegenden bei dieſer Froſtwirkung die Trockenheit die Urſache des Abſterbens geweſen iſt.
) Die phyſikaliſchen Einwirkungen des Waldes auf Luft und Boden (Reſultate der forſtl. Verſuchsſtat. in Bayern I. Aſchaffenb. 1873).
) Der Winterbrand der Holzgewächſe in den Alpen. Forſchungen auf dem Geb. d. Agrikulturphyſik 1885, pag. 137.
Störung der Chlorophyll» bildung.
224 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
G. Holzner) ſucht dagegen die Urſache der Schütte der Kiefern all— gemein in einer direkten Froſtwirkung auf die Nadeln, indem er her— vorhebt, daß alle Umſtände, welche nach Ebermayer die Schütte ver— hüten, zugleich vor Wärmeausſtrahlung, vor Erfrieren der Pflanzen ſchützen. Dieſe Bemerkungen können jedoch die Ebermayer'ſche Er— klärung nicht entkräften. Daß Kiefern oder einzelne Aſte derſelben erfrieren können und die Nadeln dadurch abſterben, rot werden und abfallen, iſt ja nicht beſtritten und wenn man das auch Schütte nennen will, ſo iſt ſelbſtverſtändlich Froſtbeſchädigung mit zu den Urſachen der Schütte zu rechnen. Eine ganz andere Er— klärung der Schütte ſucht Sorauer? zu geben. Das Abwerfen der Nadeln ſei nicht Folge des Vertrocknens durch Verdunſtung; vielmehr werde wegen gefrorenen Bodens und wegen ſtarker nächt— licher Abkühlung „die Ernährung der geweckten Baſalzone des Nadel— büſchels geſtört,“ „das dort mobiliſierte Material fließe nicht in die erſt ſpäter zur Thätigkeit erweckbare Nadel ab, die Nadel rötet ſich und ſterbe ab infolge der Störung in der ſie tragenden Achſe, welche ſich zur vorzeitigen Bildung einer Korkſchicht anſchickt und damit die Leitung in die Nadel aufhebt.“ Ich muß geſtehen, daß dieſe lange Kette ſupponierter Prozeſſe, von denen kein einziger bis jetzt erwieſen iſt, mir unverſtändlich iſt. übrigens finden ſich ja in der Kiefernadel während des Winters reichlich Reſerveſtoffe, wie eine einfache Unter— ſuchung lehrt. Gewiß hat Sorauer recht, daß bei manchen anderen Pflanzen infolge ſchnellen Wechſels der Vegetationsbedingungen und wohl auch der Temperatur Blattabfall zur Unzeit eintreten kann. Aber um alle dieſe mannigfaltigen Erſcheinungen urſächlich aufzuklären, bedurfte es ſorgfältiger und vorſichtig-kritiſcher Unterſuchungen.
4. Zur Ergrünung der Chlorophyllkörner iſt nicht bloß das Licht, ſondern auch eine gewiſſe Temperatur erforderlich. Die untere Temperaturgrenze liegt nach Sachs?) für Phaseolus multiflorus, Zea Mais und Brassica Napus oberhalb + 6 C., bei Pinus Pinea zwiſchen + 7 und 11° C., die obere für die genannten Pflanzen etwas oberhalb + 33° C., für Allium cepa oberhalb + 36° C. Wenn daher die Pflanzen in Temperaturen ſich befinden, welche jenſeits dieſer Grenzen liegen, wobei ſie ſich ja noch zu entwickeln vermögen, ſo bleiben die neugebildeten Blätter gelb, wie beim Etiolieren im Dunkeln. Das Unterbleiben der Chlorophyllbildung in zu ſtark erwärmten Glas⸗
1) Beobachtungen über die Schütte der Kiefer ꝛc. Freiſing 1877. Vergl. auch Juſt, bot. Jahresber. für 1877, pag. 856.
2) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 336.
3) Experimentalphyſiologie, pag. 55.
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2. Kapitel: Die Temperatur 225
häuſern wurde ſchon von Decandollet) beobachtet und „falſches Etiolement“ genannt. In kühlen Frühjahren ſind ebenfalls derartige Erſcheinungen an Kräutern wie an Holzpflanzen hin und wieder zu beobachten. Einen Fall, wo ganze Rapsfelder infolge niederer Tem— peratur im März und April gelb oder gelb- und grünſcheckig aus— ſahen, beſchreibt Ritzema Bos). Auch in den Alpen ſah ich un— mittelbar am Rande des Firns Soldanella, die vor kurzem erſt vom Schnee frei geworden war und ſoeben ihre Blätter aus der Knoſpe entfaltet hatte, etioliert. Dagegen muß wohl der winterlichen Algen— vegetation der nordiſchen Meere und der Alge des roten Schnees, von denen oben die Rede war, auch die Fähigkeit, bei 0° Chlorophyll zu bilden, zuerkannt werden.
Das Unterbleiben der Chlorophyllbildung infolge niederer Tem— peratur läßt ſich am beiten an unſeren zeitigen Frühjahrs-Monsokotyle— donen beobachten. Die folgenden Angaben beziehen ſich auf Colchi- cum speciosum, Ornithogalum pyramidale, Tulipa turcica, Agraphis patula und campanulata, Galanthus nivalis und plicatus, Leucojum vernum, Allium ursinum, Arum maculatum, an denen ich die Er— ſcheinung unterſucht habe. Gewöhnlich find die jungen aus der Erde kommenden Blätter nahe der Spitze in einer mehr oder weniger großen Strecke gelb oder weiß gefärbt und oft an dieſen Stellen noch von einigen grünen Streifen mehr oder weniger durchzogen: der ſpäter aus der Erde ſich hervorſchiebende übrige Teil des Blattes kommt grün zum Vorſchein, wenn inzwiſchen die Temperatur wieder geſtiegen iſt. Gewiß iſt, daß oft mit ſteigender Temperatur das Gelb in Grün ſich verwandelt, indem mit Eintritt ihrer Bedingung die Chlorophyllbildung nachgeholt wird, und das iſt auch die bisherige gewöhnliche Annahme in der Phyſiologie. Sehr oft aber bleibt, wie ich bereits in der 1. Auflage dieſes Buches S. 213 erwähnt habe, auch trotz der Er— höhung der Temperatur die Gelbfärbung konſtant und erhält ſich bis tief in den Sommer hinein, es erfolgt überhaupt keine Ergrünung der gelben und weißen Stellen, während der übrige Teil des Blattes normal grün und lebendig iſt. Es tritt alſo eine chroniſche partielle Gelbſucht (ieterus) und Bleichſucht (chlorosis) ein, im Ausſehen genau gleich den gewöhnlich totalen gleichnamigen Krankheiten, welche die Folgen des Eiſenmangels in der Nahrung ſind. Gleich nach der Entſtehung in den Kältetagen findet man in den gelben (icteriſchen) Stellen die Chlorophyllkörner der Meſophyllzellen von gelbgrüner
) Physiologie vegetale III., pag. 1114. 2) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten. II. Band 1892, pag. 136. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 15
Süßwerden der Kartoffeln.
226 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
Farbe, aber im übrigen, auch was ihre Verteilung in der Zelle an- langt, unverändert. Wo dieſe Stellen in die farbloſen (chlorotiſchen) übergehen, findet man alles ebenſo, aber die Chlorophyllkörner farb- los, übrigens ein wenig kleiner und minder zahlreich. Die übrigen Zellen der farbloſen Partien ſtellen das Extrem dar: das Protoplasma enthält nur feine Körnchen, keine Chlorophyllkörner; es bildet einen Saftraum, der oft von Plasmaſträngen durchſtrömt iſt und hat einen wandſtändigen Zellkern. Dieſe gleichzeitig vorhandenen verſchiedenen Zuſtände können wohl nur ſo gedeutet werden, daß die Zellen in ſehr verſchiedenen Entwickelungsſtadien von der die Chlorophyllbildung hemmenden kühlen Temperatur überraſcht wurden. Daß auch ſpäter bei günſtiger Temperatur Ergrünung der bleichen Stellen nicht eintritt, hat vielleicht ſeinen Grund darin, daß dieſe Zellen nur in demjenigen jugendlichen Ausbildungszuſtande Chlorophyllkörner bilden können, in welchem dies normal geſchieht, aber nicht mehr dann, wenn ſie durch die Geſamtentwickelung der Gewebe in den Dauerzuſtand über— gegangen ſind. Ein Widerſpruch hiermit iſt es nicht, daß durch Dunkelheit etiolierte Pflanzenteile am Lichte faſt zu jeder ſpäteren Zeit nachträglich ergrünen, denn durch Dunkelheit wird eben gerade die Zelle auf jenen frühzeitigen Entwickelungsſtadien zurückgehalten, was bei niederer Temperatur gerade gar nicht der Fall iſt. Während des Sommers verlieren die chlorotiſchen Zellen immer mehr ihr Proto— plasma; an die Stelle desſelben tritt wäſſerige Flüſſigkeit, endlich Luft; die Zellen kollabieren etwas, ſterben langſam ab, wobei die bleichen Stellen ſich oft ſchwach bräunen, auch die benachbarten Zellen teil— weiſe mit in die Desorganiſation hineingezogen werden und die Chlorophyllkörner derſelben ſich auflöſen.
5. Das Süßwerden der Kartoffeln in 565 Kälte. Dieſe bekannte Erſcheinung iſt lange Zeit unerklärt geweſen. Göppert)) hielt ſie irrtümlich für einen nur in ſchon getöteten Zellen eintretenden chemiſchen Prozeß, denn ſüß gewordene Kartoffeln ſind keineswegs immer tot. Einhof ) ſtellte feſt, daß Kartoffeln nur dann ſüß werden, wenn die Temperatur dem Gefrierpunkt nahe oder nur wenige Grade unter demſelben iſt, und der Zuckergehalt ſoll ſich vermehren, wenn fie abwechſelnd einer Temperatur von -+ 8 bis 12° und — 1 bis 2° ausgeſetzt werden, während Kartoffeln, die bei ſtarker Kälte ſteinhart gefrieren, keinen Zucker bilden, wodurch alſo erwieſen iſt, daß der Zuckererzeugungsprozeß ein Lebensvorgang iſt. Aber erſt neuerdings
*) Wärmeentwickelung, pag. 38. 2) Gehlen's neues allgem. Journ. d. Chemie, Berlin 1805, pag. 473 ff.
3. Kapitel: Die Niederſchläge 227
iſt der Vorgang durch Müller-Turgaut) in befriedigender Weiſe aufgeklärt worden. Derſelbe wies nach, daß in der Kartoffelknolle beſtändig, auch während des Winters, eine Umwandlung von Stärke in Zucker ſtattfindet, daß dieſer Zucker aber durch die gleichzeitig ſtatt— findende Atmung immer wieder verbraucht wird; bei niederer Tempe— ratur dauert nun dieſe Zuckerbildung fort, während die Atmung in der Kälte immer geringer wird, ſo daß alſo Zucker wegen des ge— ringeren Verbrauches angehäuft wird. Darum werden ſüß gewordene Kartoffeln in Temperaturen über 10° Wärme, wo der Atmungs⸗ prozeß lebhafter wird, wieder entſüßt. Die ebenfalls von Müller— Thurgau gemachte Beobachtung, daß die durch Kälte ſüß gewordenen Kartoffeln, in einen warmen Raum gebracht, ſich viel raſcher ent— wickeln, als nicht ſüße, erklärt ſich daher wohl aus der größeren Menge des auf einmal disponiblen Zuckers.
6. Der Froſtgeſchmack der Weinbeeren tritt ein, wenn vor der Traubenleſe ſtärkere Kälte geherrſcht hat; er teilt ſich auch dem daraus bereiteten Moſt mit. Traubenſaft ſoll durch Gefrieren dieſe Veränderung nicht erleiden. Es iſt daher nicht unwahrſcheinlich, daß durch Diffuſſion aus den Beerenſtielen irgend welche Stoffe, welche jene Veränderung bewirken, in die Beeren gelangen nach Tötung der Zellen durch den Froſt !).
3. Kapitel. Die Niederſchläge.
Froſtgeſchmack der Weinbeeren
1. Der Regen kann erſtens eine mechaniſche Zerſtörung an Wa e
zarteren Pflanzenteilen hervorbringen. Durch heftige Platzregen werden Blüten und kleinere Blätter wirklich abgeſchlagen. Zweitens ſchadet der Regen aber auch, wenn er zu lange anhält. Man bemerkt dann nicht ſelten ein Aufſpringen voluminöſer Pflanzenteile, bei denen das eindringende Regenwaſſer eine bis zum Aufplatzen ſich ſteigernde Ge— webeſpannung bewirkt, wobei jedoch das Vorhandenſein kleiner Wund— ſtellen, die dem Waſſer Eingang geſtatten, eine Bedingung iſt, weshalb wir die Erſcheinung ſchon bei den Wunden (S. 113) beſprochen haben. Lange anhaltendes Regenwetter während der Blütezeit kann die Be— fruchtung der Blüten vereiteln, nicht bloß, weil es die zur Beſtäubung der Blüten notwendigen Inſekten vom Blütenbeſuche abhält, ſondern auch, weil das Regenwaſſer, wenn es in die Blüte eindringt und die Antheren benetzt, das Aufſpringen der letzteren und das Austreten des
) Landwirtſchaftliche Jahrbücher 1883. 2) Vergl. Dahlen, Annalen der Onologie, VI. Bd., 1. Heft. 15 *
rch Regen.
Beſchädigungen durch Hagel.
228 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
Pollens aus denſelben mehr oder weniger verhindert, denn das Auf— gehen der Antherenwand kommt nur durch das Trockenwerden der— ſelben zuſtande. Auch der Pollen ſelbſt kann durch längere Benetzung verderben, indem die Pollenkörner infolge der dabei eintretenden osmotiſchen Vorgänge platzen können.
2. Der Hagel. Die gröberen Hagelkörner oder Schloßen bringen bedeutende Beſchädigungen an der Pflanzenwelt hervor. Krautartige Pflanzen können dadurch vollſtändig zerſchlagen und getötet werden, ſo daß alſo der ſtärkſte Grad der Hagelſchäden in einer völligen Ver— nichtung der Kultur beſteht. Bei ſchwächeren Graden ſieht man die verſchiedenartigſten Verwundungen. Einigermaßen ſtarke Krautſtengel werden von dem Hagelſtück an der getroffenen Stelle oft nur entrindet bis auf das Holz; ſie zeigen lange, weiße Flecken, welche auf den Rändern wieder verheilen können, wobei Rötung des Wundrandes eintritt, wenn dies überhaupt an den Wunden der betreffenden Pflanzenart der Fall zu ſein pflegt, wie z. B. bei Rumex. Bei dünneren Stengeln, alſo beſonders bei den Halmen, tritt aber meiſtens eine wirkliche Knickung ein, was bei den Halmen des Getreides allbekannt iſt; ſelbſt die dicken Halme des Schilfrohres kann der Hagel knicken. Schwacher Hagel knickt auch die Getreidehalme nicht, ſoudern bringt nur Schlagſtellen, die ſpäter weiß erſcheinen, hervor. Dieſelben rühren nach Sorauer) daher, daß daſelbſt das in Streifen liegende grüne Rindenparenchym durch Quetſchung getötet iſt, das Chlorophyll ver— loren hat und derart zuſammengetrocknet iſt, daß Luft an ſeine Stelle getreten iſt, welche die weiße Farbe bedingt. An den wirklichen Knick— ſtellen der Getreidehalme ſind aber gewöhnlich alle Gewebe getötet; dann wird das darüber befindliche Stengelſtück nicht weiter ernährt und ſtirbt ab; bei Getreidehalmen iſt dies der gewöhnlichſte Fall. Bei Kräuterſtengeln bleibt oft der organiſche Zuſammenhang an der Knickſtelle erhalten, das umgekehrte Stück lebt dann fort, indem es ſich durch negativen Geotropismus wieder mehr oder weniger aufwärts krümmt. Pflanzen, welche ſich von den unteren Teilen des Stengels aus durch neue Triebe beſtocken können, wie beſonders das Getreide, regenerieren ſich gewöhnlich durch ſolche Beſtockungstriebe, wenn die alten Halme vom Hagel zerſchlagen ſind; das Feld trägt dann nach einiger Zeit wieder neue, nur weniger dicht ſtehende Halme. Die Blätter werden durch den Hagel entweder ganz abgeriſſen oder ſo durchlöchert und zerfetzt, daß ſie verloren ſind, wobei die Mittelrippe am meiſten Widerſtand leiſtet. Die Blätter des Getreides werden ent⸗
5) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 502.
3. Kapitel: Die Niederſchläge 229
weder der Länge nach zerriſſen oder am Grunde durchſchnitten, ſo daß ſie herunterhängen; die Blattſcheiden werden oft herabgeſchlagen und dadurch junge, noch eingeſchloſſen geweſene Ahren herausgebrochen. Von den älteren Ahren werden Körner abgeſchlagen, jo daß manch— mal die kahle Spindel ſtehen bleibt. Am Raps ſind die Schoten voller Schlagflecken, die die Ausbildung der Frucht hindern. An den dickeren Stengeln der Sukkulenten (Cacteen, Agaven, Aloen ꝛc.) bringen die Hagelkörner eine ihrer Größe entſprechende Wunde oder Quetſchung hervor, die Jahre lang als mißfarbige Stelle ſichtbar bleibt. Wenn niedergehagelte Stengel ſpäter weiter wachſen oder neue Triebe bilden, ſo kommen, wie nach Verwundungen überhaupt an den neu entwickelten Teilen mitunter Bildungsabweichungen vor, z. B. Chloranthien, wovon Hallier) ein Beiſpiel an Cicuta virosa anführt. Auch an den Holzpflanzen bewirkt der Hagel allerlei Ver— ſtümmelungen; unter den Bäumen iſt dann der Boden mit Blättern Früchten und Zweigen bedeckt; vom Weinſtock und anderen Sträuchern werden Blätter, Knoſpen, junge Triebe und Blüten abgeſchlagen. An allen Holzpflanzen bringt der Hagel auf den Zweigen und Aſten Quetſchwunden hervor, indem an jeder von einem Hagelſtück getroffenen Stelle Rinde und Cambium abgeſchunden oder durch Zerquetſchung getötet werden. Solche Wunden heilen ſchwer durch Überwallung, indem häufiger die getöteten Gewebepartien Ausgangspunkte tiefer ſich erſtreckender Fäulnis oder Krebsbildungen werden; Gummi- oder Harzfluß zeigen ſich oft in der Nähe und ſolche Wunden können ſpäter zu einem fortſchreitenden Siechtum der Zweige und Aſte Ver— anlaſſung geben, zumal da ſich daſelbſt auch leicht verſchiedene rinden— bewohnende paraſitiſche Pilze anſiedeln. Bei ſtarken Hagelverletzungen der Baumzweige iſt je nach Umſtänden ein Zurückſchneiden auf das ältere Holz oder ein Bedecken der Wunden mit den oben bei der Wunden— behandlung erwähnten Mitteln (S. 152) angezeigt. Endlich ſehen wir bei den Bäumen auch reifende Früchte, zumal Obſt, durch Hagel— verwundungen ſchadhafte Stellen bekommen. Auch der Samenbruch der Weinbeeren kann vom Hagel veranlaßt werden, indem das Fleiſch der jungen Beere an der Stelle, wo es durch den Schlag eines Hagel— kornes getötet iſt, ſich nicht ausbildet, ſo daß die Beere relativ kleiner bleibt und die Samen ein Stück aus der Schale hervorbrechen. Zwar ſah Hoffmann?) den Samenbruch durch Sonnenbrand, wenn durch eine Linſe oder durch Waſſertropfen die Sonnenſtrahlen auf die Beere
1) Phytopathologie, pag. 51. 2) Bot. Zeitg. 1872, Nr. 8.
Schneedruck, Eisanhaug, Lawinen.
230 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
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geleitet werden (ſ. Wirkungen hoher Temperatur, pag. 176), ſowie nach Verwundungen durch Inſekten eintreten, aber Mohr) hat verſichert, daß die am Rhein und an der Moſel allgemein bekannte Erſcheinung vorzugsweiſe Folge des Hagelſchlags, daher auch in manchen Jahren gar nicht zu beobachten ſei.
3. Schneedruck, Eisanhang, Lawinen. Von einem ſchäd— lichen Einfluß des Schnees auf die Pflanzen kann nur da geredet werden, wo derſelbe durch ſeine Maſſe mechaniſch zerſtörend wirkt. Hierher gehört der Schneebruch, der an den Bäumen in den Forſten durch den Schnee- und Eisanhang angerichtet wird. Am meiſten leiden darunter diejenigen Bäume, bei denen die Form der Krone die Auf— lagerung großer Schneemaſſen geſtattet, alſo die immergrünen Nadel— bäume, die auch im Winter ihre Belaubung tragen, und unter dieſen wiederum diejenigen, welche dachförmige Aſte haben, wie beſonders die Weißtanne und die Fichte. Auf den Aſten dieſer Bäume können ſich ſo bedeutende Maſſen von Schnee und Eis anhäufen, daß unter dieſer Laſt dem Baume die Aſte brechen oder er ſelbſt im Gipfel oder tiefer am Stamme gebrochen, oder auch der ganze Baum umgeworfen wird; in manchen Jahren werden auf dieſe Weiſe arge Verheerungen in den Wäldern angerichtet, beſonders in den Gebirgsgegenden, weil dort die Schneefälle häufiger ſind und der einmal gefallene Schnee ſelten gleich wieder wegtaut, daher ſich anhäuft. An den Abhängen werden die Bäume durch den Schneedruck am leichteſten geworfen. Schneebruch in den Aſten und Stämmen hängt natürlich auch mit dem Grade der Sprödig— keit des Holzes zuſammen. Auch Obſtbäume haben durch Schneedruck zu leiden, beſonders der Apfelbaum mit feinen flachen, ausgebreiteten Aſten, wo bisweilen die Kronen förmlich auseinander geſpalten werden. In ſolchem Falle muß man durch geeignetes Zuſammenklammern oder Unterſtützen der eingeſpaltenen Aſte den Baum zu erhalten ſuchen.
Eis- oder Duftanhang an den Bäumen bildet ſich, wenn im Winter die Pflanzen unter 0° abgekühlt find und ein warmer Aqua⸗ torialſtrom in den langſam weichenden Polarſtrom eindringt. In mäßigem Grade iſt dieſe Erſcheinung unter dem Namen Rauhreif bei uns bekannt und faſt alljährlich zu beobachten. Selten nimmt ſie einen für die Bäume bedrohlichen Grad an, wie in dem von Breiten- lohner?) beſchriebenen, im Januar 1879 im Wiener Walde aufge- tretenen Falle. Der Eisanhang erhielt ſich hier 9 Tage und vermehrte ſich ſo, daß die dünnſten Zweige bis zur Dicke eines Schiffstaues
) Bot. Zeitg. 1872, pag. 130. 2) Forſchungen auf d. Geb. d. Agrikulturphyſik, 1879, pag. 497.
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3. Kapitel: D ie Niederſchläge 231
heranwuchſen. Aus den Tannen wurden wirkliche Eispyramiden, indem die Eisanhänge der oberen Aſte bis an die unteren Aſte reichten und an dieſe angefroren waren. Durch die Belaſtung wurden viele Baum— ſtämme gebrochen. In den tieferen Lagen beſtand der Anhang aus wirklichem durchſichtigen Glatteis, auf den Höhen mehr aus einem Gemenge von Eis und Duft. In derſelben Weiſe ſchwächte ſich der Eisanhang von dem Waldrande aus nach dem Innern zu allmählich zu bloßem Duftanhang ab.
In den Hochgebirgen richten die Lawinen Verwüſtungen an der Vegetation an. Das gewöhnliche Bild, welches dieſelben hinterlaſſen, wenn ſie auf Wald treffen, iſt das der radikalſten Verwüſtung: der ganze im Bereich der Lawine befindliche Strich des Waldes liegt wie niedergemäht, und aus dem Choas der wirr durch einander geſtürzten Stämme ragen nur etwa noch einzelne in ſchiefer Richtung auf, welche nicht gebrochen waren und am Leben ſich erhalten haben. Eigentüm— liche Abnormitäten bilden ſich an Holzpflanzen infolge ſtetig wieder— holter Lawinenſtürze aus, wie dies in manchen engen Alpenthälern vorkommt, wo Lawinen immer an denſelben Stellen niedergehen und zu ſtändigen Erſcheinungen werden. So ſieht man z. B. im Eisthal, einem engen Seitenthale unmittelbar am Fuße des Watzmann in den bayriſchen Alpen in der Nähe des hinteren Thalſchluſſes, der von ſteilen, faſt kahlen Wänden gebildet wird und mit Schnee, meiſt Lawinenreſten, erfüllt iſt, einzelne Laubbäume noch bis an den Firn herangehen; die— ſelben haben den fortwährenden Lawinen getrotzt; aber wie ſie das konnten, das iſt in ihrem Ausſehen ausgeprägt: vorwiegend ſind es jüngere Bäume, deren biegſame Stämme von den Schneemaſſen nicht gebrochen ſondern gebogen wurden, und alle ſtehen ſchief, ſämtlich mit nach vorn, thalabwärts, geneigten Stämmen und oft im Gipfel ge— brochen, oder nur an der thalabwärts gekehrten Seite beäſtet, weil alle der Lawine entgegenſtehenden Aſte gebrochen wurden. Zwiſchen den— ſelben findet man noch eine Menge Krüppelformen von Buchen u. ſ. w., welche, durch den Schneebruch fortwährend verſtümmelt, zu niederen, dichtbuſchigen Sträuchern geworden ſind, welche etwa an die durch künſtlichen Schnitt oder durch Verbeißen des Wildes entſtehenden Strauchformen erinnern. Überdies ſind dieſe Gehölze bedeckt mit Wunden, die mehr oder weniger durch Überwallung geheilt ſind; ſelbſt am Laub zeigen ſich Verwundungen durch ſpäte Schneeſtürze.
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3 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
4. Kapitel. Der Sturm.
Beſchädigungen Beſchädigungen der Blätter. Durch ſehr heftigen Wind werden der Blätter durch i 1 r 8 1 12 den Sturm. an den Blättern, beſonders an denjenigen der Bäume, Beſchädigungen hervorgebracht, nicht bloß inſofern als ganze Blätter oder beblätterte Zweiglein abgebrochen werden, ſondern auch an den ſtehenbleibenden Blättern, die dann im ganzen lebend bleiben, aber einzelne beſchädigte Stellen zeigen. Die Verwundungen, wobei Blätter zwiſchen den Seiten— rippen eine Reihe von Löchern zeigen, oder fiederförmig eingeriſſen ſind, wurden von Caspary), der dies bei Roßkaſtanien, und von Magnus?), der es an Rotbuchen bemerkte, als Folgen der Reibung der noch ge— falteten jungen Blätter bei Sturm betrachtet. Wir haben jedoch dieſe Erſcheinungen oben mit A. Braun als Froſtwirkungen hingeſtellt. Caspary will das freilich beobachtet haben nach Sturm, wobei kein Froſt herrſchte. Allerdings bringt, wie ich Anfang Juli, wo alſo von keinem Froſt die Rede ſein konnte, beſonders an exponiert ſtehenden Obſtbäumen beobachtete, der Sturm an völlig erwachſenen Blättern infolge der heftigen Schläge und Reibungen, die dabei der Blattkörper erleidet, allerhand ſchadhafte Stellen hervor, die ſpäter trocken und grau ausſehen und vom Blattrande aus mehr oder weniger weit in die Blatt— a fläche hineingehen, jedoch ſehr unregelmäßig verteilt ſind. Beſchädigungen Beſchädigungen der Baumſtämme. Die Folgen heftigen es Sturmes an den Bäumen find entweder Windfall oder Windbruch. den Sturm. Erſterer bezeichnet das Umſtürzen des ganzen Baumes unter teilweiſer Löſung der Wurzeln aus dem Boden, letzterer das Brechen des Baumes in der Krone, oder in einzelnen Aſten oder tiefer am Stamme unter Stehenbleiben der Wurzeln und wenigſtens des unteren Stammſtückes. Die den Windfall verurſachende Entwurzelung hängt ſowohl von der Wurzelbildung des Baumes als auch von der Beſchaffenheit des Bodens ab. Alle Bäume, welche keine tief gehende Pfahlwurzel, ſondern eine mehr in der oberen Bodenſchicht entwickelte Bewurzelung haben, daher vor allen unſre Nadelbäume, erliegen unter ſonſt gleichen Umſtänden dem Windfall viel leichter als die tiefwurzeligeren Laubbäume. Daher bietet ſich in Nadelwäldern nach Orkanen oft ein Bild der ſchrecklichſten Verwüſtung. Da ſtehen oft nur noch wenige Stämme aufrecht, alle übrigen ſind in den verſchiedenſten Richtungen regellos durch einander
5) Bot. Zeitg. 1869, Nr. 13. 2) Verhandl. des Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XVIII. und IX.
4. Kapitel: Der Sturm 233
geſtürzt!). Auch die aus Stecklingen erzogenen Bäume werden leichter entwurzelt, weil ſie nicht wie die Sämlinge eine Pfahlwurzel, ſondern nur Seitenwurzeln beſitzen. Die Beſchaffenheit des Bodens iſt inſo— fern von Einfluß, als Bäume auf flachgründigem Gebirgsboden, wo ſie nur in einer ſehr dünnen Bodenſchicht ihre Wurzeln bilden können, vom Sturme viel leichter geworfen werden, als die, welche ſich auf tiefgründigem Boden bewurzelt haben. Auch erhöht jeder leichte, lockere Boden, alſo beſonders der Sandboden, die Gefahren des Windfalles im Vergleich zu ſchwereren, feſteren Bodenarten, und das gleiche Ver— hältnis beſteht zwiſchen dem nicht gefrorenen und dem gefrorenen Erd— boden. Windbruch tritt dagegen ein, wenn die Bewurzelung im Boden jo feſt iſt, daß ſie nicht nachgiebt. Der Windbruch hängt hauptſächlich von der Beſchaffenheit des Holzes ab; er tritt leichter ein an Bäumen, welche ſpröde, brüchige Aſte beſitzen, als an ſolchen, deren Aſte bieg— 5 ſamer ſind, am leichteſten aber an hohlen und kernfaulen Stämmen und Aſten. Die Bruchſtellen liegen dabei bald an der Urſprungsſtelle eines Aſtes, bald entfernter davon; ſie ſtellen dabei ſtelbſtverſtändlich keine glatten Flächen, ſondern Zerſplitterungen dar; bisweilen werden Streifen von Splint und Rinde von der Bruchſtelle aus weit herab abgeſchält, oder von der Verzweigungsſtelle aus iſt der unter derſelben befindliche Aſt oder Stamm geſpalten. Es handelt ſich alſo hierbei meiſt um Wunden im großen Maßſtabe und um ſolche, welche am ſchwerſten heilen und in der Folge oft zu Krankheiten oder zu Wundfäule (pag. 106) führen.
Windfall hat den Tod des Baumes zur Folge, ſobald die Folgen des Wurzeln größtenteils mit ausgehoben oder abgeriſſen find. Doch ſieht i man mitunter vom Sturm geworfene Fichten und Tannen, welche noch genügend bewurzelt geblieben ſind, um ernährt werden zu können. Dieſe vegetieren dann unter eigentümlichen Formen weiter. Iſt der Baum in horizontaler Lage auf den Boden hingeſtreckt, ſo bekommen oft eine Anzahl der an der zenithwärts gekehrten Seite des Stammes entſpringenden und daher ungefähr vertikal ſtehenden Aſte die Fähig— keit, unter kräftigerer Entwickelung ſenkrecht aufwärts fortzuwachſen, wie eine Hauptaxe, und ſich mit horizontal abſtehenden Zweigen zu bekleiden, ſo daß auf dem gefallenen Stamme eine Reihe kleiner ſekundärer Bäumchen aufgewachſen iſt, die dann gewöhnlich am Grunde ſelbſtändig Wurzel ſchlagen. Die ſie trennenden Stücke des Haupt—
) Über die Gegenden Deutſchlands, welche beſonders oft vom Sturm heimgeſucht werden, vergl. Bernhardt, eitiert in Forſchungen auf d. Gebiete d. Agrikulturphyſik 1880, pag. 527.
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234 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
ſtammes können dann allmählich trocken werden. Dieſelben Wuchs— verhältniſſe ſah Middendorf) auch an einer umgeſtürzten Birke. Die aufwärts gekehrten Seitenäſte können auch ſchon dann in dieſer Weiſe beeinflußt werden, wenn der Baum nicht vollſtändig gefallen, ſondern nur in ſehr ſchiefe Richtung gekommen iſt, wie z. B. bei einer wegen dieſer Form „Harfe“ genannten Tanne, welche bei Sommerau, unweit Zittau, zu ſehen iſt. Fichten, welche an ſchmalen Abſätzen ſteiler Felswände gewachſen ſind, werden wegen der hier ſchwachen Befeſti— gung der Wurzeln leicht geworfen und hängen dann bisweilen, wenn die Wurzeln ſich nicht gelöſt haben und den Baum weiter ernähren, köpfüber an der Felswand herunter, während der Gipfeltrieb durch Geotropismus in faſt halbkreisförmiger Krümmung ſich aufgerichtet hat und vertikal nach oben weiter gewachſen iſt, wie man derartige Bilder z. B. im Bodethal im Harz antrifft. — Eine ebenfalls durch den Wind bedingte ſehr häufige Erſcheinung iſt die ſchiefe Richtung der Baumſtäm me, die man mehr oder weniger an den meiſten ganz frei ſtehenden, beſonders an den Chauſſeen und Landwegen an— gepflanzten Bäumen ſieht, welche, wie man ſich ausdrückt, „geſchoben“ ſind, d. h. in der herrſchenden Windrichtung (bei uns meiſtens von Weſt) ſchief ſtehen. Aus derſelben Urſache erklärt ſich der ſogenannte „Säbe lwuchs“, wobei die Baumſtämme im unteren Teile ſchief, nach oben zu allmählich aufwärts gekrümmt erſcheinen, was durch die negativ geotropiſchen Krümmungen der jungen Gipfeltriebe zu ſtande kommt. Sehr ſchief gedrückte Stämme bekommen die Neigung, auf der zenitwärts gewandten Seite reichlichere Triebe zu bilden, welche zu üppig und ſenkrecht aufſchießenden ſogenannten Waſſerreiſern werden, die lange Zeit unfruchtbar bleiben und die Entwickelung der frucht- tragenden Zweige des Baumes beeinträchtigen. Einen Schutz gegen dieſe Richtungsänderungen gewährt es, wenn der Baumpfahl ſchräg gegen die Windrichtung geſteckt wird.
Folgen des Die Folgen des Windbru ches find im Allgemeinen ſchon oben 5 im Kapitel von den Wunden angedeutet worden. Es iſt dort die Rede der Baumgrenze. davon, daß die Nadelhölzer den abgebrochenen Gipfel durch einen auf-
wärts wachſenden Seitentrieb zu erſetzen ſuchen, daß ſie aber mit wenig Ausnahmen nicht die Fähigkeit beſitzen, durch Adventivknoſpen unter den Wundſtellen den Verluſt älterer Aſte zu erſetzen, daher zu Grunde gehen, wenn ihnen der Sturm die ganze Krone abgebrochen hat, indem ſie aus dem Stocke keine Ausſchläge zu bilden vermögen, daß dagegen die Laubhölzer dadurch nicht getötet werden, weil ſie Stockausſchläge
1) Pflanzenwelt Norwegens, pag. 166 u. 184.
4. Kapitel: Der Sturm 235
machen. Den bedeutendſten Einfluß auf die Baumform hat das Bor- kommen an der Baumgrenze in den Gebirgen und im hohen Norden ſowie an den Meeresküſten, weil bei den hier herrſchenden heftigen Stürmen der Windbruch zu einer immer wiederkehrenden Erſcheinung wird. Die eigentümlichen Baumformen, durch welche jene Gegenden charakteriſiert ſind und über welche ich die nachfolgenden Beobachtungen ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches mitgeteilt habe, erklären ſich in der That als Wirkungen des Sturmes, was ich ebenfalls am an— gegebenen Orte ſchon begründet habe. Für den Krüppelwuchs der Holzgewächſe an den Seeküſten hatte ſchon Borggreve) den mecha— niſchen Einfluß des Windes als die einzig nachweisliche Urſache be— zeichnet. An der Grenze der Fichte auf den Gebirgen giebt es keinen eigentlichen Baumwuchs mehr. Die Fichten, ſelbſt die alten mit ſchenkel— dicken Stämmen, können ſich hier nicht über einen oder wenige Meter erheben: ihr Gipfel wird immer verbrochen, und ſo oft ſie auch einen neuen zu machen ſuchen, ereilt dieſen dasſelbe Schickſal; faſt jede Fichte iſt hier gipfeldürr, endigt in einen oder mehrere Spieße. Die Beäſtung iſt an dieſen Fichten vorwiegend einſeitig, und zwar ſind die Aſte aller Individuen nach einer und derſelben Himmelsgegend ge— kehrt. In unſern norddeutſchen Gebirgen, wie auf dem Brocken, auf den Kuppen des Erzgebirges und auf dem Kamme des Rieſengebirges, iſt das die öſtliche Richtung, weil hier die herrſchenden Stürme aus Weſten kommen und der Sturm notwendig zur Folge hat, daß die ihm entgegenſtrebenden Aſte gebrochen werden, während er auf die an der entgegengeſetzten Seite des Stammes befindlichen nur als Zug wirken, und ihnen daher weniger ſchaden kann. Eine weitere Eigentümlichfeit iſt, daß dieſe Krüppel vom Boden an beäſtet find und daß gerade die unterſten Aſte, welche in dem Heide- und Vacciniengeſtrüpp, das den Boden bedeckt, oder zwiſchen den umherliegenden Steinblöcken den beſten Schutz gegen Sturm finden, auch die längſten und wohlgebil— detſten ſind und hier oft, ſogar an den verſtümmeltſten Formen, rings um den Stamm herum gehen. Der Schutz, den auch die Schnee— bedeckung gegen den Windbruch gewährt, tritt hierbei ebenſo deutlich wie im hohen Norden hervor: ſo weit ſich die Fichte unter den Schnee zurückziehen kann, bleibt fie unverſehrt; die hervorragenden Wipfel gehen verloren. An den exponierteſten Stellen im Gebirge verlieren die Fichten das ganze Stämmchen bis auf einen niedrigen Stock, der nie einen Gipfeltrieb aufbringt und an welchem nur ein oder ein paar
) Einwirkung des Sturmes auf die Baumvegetation. Abhandlung des naturwiſſenſchaftlichen Ver. zu Bremen 1872.
236 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
nahe übereinander ſtehende Aſtquirle dicht auf dem niederen Geſtrüpp ſich ausbreiten, ſo daß man bequem über dieſe Fichten hinwegſchreiten kann. Im Rieſengebirge fand ich über den Schneegruben die letzten Verſuche der Fichte in einer Gebirgshöhe, die ſchon weit über der Baumgrenze lag (bei ungefähr 1400 m); ſie bringt es hier nur zu kriechenden Trieben, die ſich auf dem Mooſe und über Steinblöcke hin— breiten; über den Boden ſich zu erheben könnte ſie dort oben nicht wagen, wo man Stürme erlebt, von denen der Bewohner des Tief— landes keinen Begriff hat. Daß die Unmöglichkeit der Verbaumung nicht durch klimatiſche Gründe, ſondern nur durch den Sturm bedingt wird, erſieht man aus dem Vorkommen ſolcher Krüppelformen auch in tieferen Lagen, wenn ſie an einem dem Sturm ſehr exponierten Stande ſich befinden. Der Keilberg im Erzgebirge trägt auf ſeinem weſtlichen Abhange, alſo an der Wetterſeite, lauter Krüppelfichten, die hier ſchon bei 1180 m ſehr ausgeprägt find und in zunehmender Verkrüppelung bis zur Kuppe, 1220 m hinauf gehen; aber wenn man auf der Oſt— ſeite des Berges niederſteigt, treten ſchon wenige Schritte unter der Kuppe, alſo im Schutze vor den Weſtſtürmen, die Fichten hochſtämmig auf, und bei 1180 m befindet man ſich hier ſchon im herrlichſten ge— ſchloſſenen Hochwalde. Ganz ähnliche Krüppelformen nimmt die Lärche an der Baumgrenze in den Nordländern an, wie aus den Be— ſchreibungen in Middendorff's Sibiriſchen Reiſen (pag. 601—606) hervorgeht. Derſelbe unterſcheidet ebenfalls kriechende Formen, die auf oder unter dem Mooſe ihr Daſein friſten, und in dieſer Form ebenfalls noch jenſeits der Baumgrenze angetroffen wurden, und aufrechte, ge— rade oder gebückte Formen, welche gipfeldürr und aſt- und laubarm ſind. Von den letzteren werden als beſondere Geſtalten beſchrieben die aſtloſen Krüppel, an denen nur Spuren mißlungener Verſuche von Aſtbildung und dafür eine große Menge Knoſpen zu ſehen ſind, die, wenn fie ſich belauben, kuglige Schopfe bilden, und zweitens die jpalier- baumartigen Lärchen, bei denen die Zweige, die zum Teil der ganzen Stammlänge gleichkommen, nach zwei Seiten hin ſtehen, an unſre Spalierbäume erinnernd, worin ſich die herrſchende Windrichtung aus— ſpricht. Noch eine andre Form beſchreibt Middendorff als Krüppel- hecken, die teils im äußerſten Norden zu ſehen ſind, wo ſie mehr zu den kriechenden Formen gehören, teils auch an der Seeküſte des Ochotskiſchen Meeres auf 640 m hohen Bergen, wo unbändige, un⸗ abläſſig Staubregen führende Seewinde als die Urſache bezeichnet werden. Dieſe Krüppel ſollen ein Laubgewirr von ſaftigem Grün entwickeln, das an beſchnittene Gartenhecken erinnert, und einen herr⸗ lichen Teppich bilden, der oft nur 30 bis 60 em über der Felswand
3 4. Kapitel: Der Sturm 237
emporſteht, dieſelbe nicht ſelten dicht überziehend und verdeckend. Ganz ähnlich beſchreibt Kihlmann) die durch den Sturm bedingten Wuchs— formen an der Baumgrenze in Ruſſiſch Lappland. Als extremſter Fall tritt auch hier die Bildung von Matten auf, welche nur die Höhe des umgebenden Flechten- und Reiſerfilzes erreichen. Beſonders bildet die Fichte, indem ihre Zweige durch Adventivwurzeln ſich bewurzeln, ſolche Matten, welche dem Boden dicht angeſchmiegt, in der herrſchenden Windrichtung hinkriechen, und ein hohes Alter erreichen; infolge Abſterbens der hinterſten älteſten Partien erſcheint die Matte aus mehreren, von einander unabhängigen Individuen zuſammengeſetzt: Am oberen Rande ſteil abfallender Felswände bilden dann ſolche Matten frei über den Abgrund hinausragende Vorſprünge, welche an die Schneeſchilder oder Windſchirme der Hausdächer in den Alpen er— | innern. Ahnliche Matten bildet dort auch der Wachholder; auch die N Birke wächſt oft in der dem Boden angeſchmiegten Spalierform. Häufig find auch bei dieſen Pflanzen plattgewachſene Tiſchſormen. Kihlmann
ö ſpricht es ebenfalls beſtimmt aus, daß der Einfluß des Windes und die durchſchnittliche Tiefe der Schneedecke die beſtimmenden Faktoren
für dieſe Wuchsverhältniſſe ſind. Er konnte ſich überzeugen, daß alle Triebe, welche über die kritiſche Schneelinie hervorragen, abſterben, und daß dadurch der jeweilige Wuchs bedingt wird. Die tödliche Wirkung ſieht aber Kihlmann nicht in der mechaniſchen Kraft des Windes an ſich, ſondern hauptſächlich in der monatelang dauernden ununter— brochenen Austrocknung der jungen Triebe zu einer Jahreszeit, die wegen der Winterruhe der Pflanze jede Erſetzung des verdunſteten Waſſers unmöglich macht; er ſtellt alſo die Erſcheinung in Parallele mit den oben S. 222 beſprochenen Wirkungen der ungenügenden Tem— peratur des Erdbodens auf die Wurzeln.
Als eine ſchädliche Wirkung des Windes find endlich noch anzu- Verwehungen führen die Verwehungen auf leichten Bodenarten, wenn fie bei auf Sandboden. trocknem Wetter an jungen Pflanzungen und Saaten durch den Wind veranlaßt werden. An Stellen, welche dieſen Beſchädigungen am ſtärkſten ausgeſetzt find, müſſen Schutzpflanzungen in Heckenform, am beſten aus Nadelhölzern, angelegt werden.
) Pflanzenbiologiſche Studien aus Ruſſiſch Lappland. Helſingfors 1890, pag. 61 ff.
238 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
5. Kapitel. Der Blitzſchlag.
ee Ait, 1. Blitzſchlag in Bäume. Die Art, wie der Blitz die Bäume
vom Bige ge. trifft und beſchädigt, zeigt in den einzelnen Fällen gewiſſe Verſchieden—
troffen werden. heiten. Cohn), dem wir eine Zuſammenſtellung eigener und fremder Beobachtungen über dieſe Phänomene verdanken, glaubte dieſe Ver— ſchiedenheiten nur aus der Intenſität des Blitzſtrahles und nicht aus der ſpecifiſchen Natur des Baumes erklären zu müſſen. Später hat aber Daniel Colladon) eine Reihe von Beobachtungen mitgeteilt über Blitzſchläge, welche im Thale des Genfer Sees hauptſächlich die ita— lieniſchen Pappeln, Eichen, Ulmen, Birnbäume und Fichten betroffen hatten, aus denen unzweifelhaft hervorgeht, daß für die einzelnen Baumarten eine gewiſſe charakteriſtiſche Art beſteht, wie ſie vom Blitze getroffen und verwundet werden, wiewohl die Blitzſchläge an einer und derſelben Baumart immer auch in den einzelnen Fällen mancher— lei Unterſchiede zeigen, die von der individuellen Natur des Baumes, von äußeren Verhältniſſen und wohl auch von der Natur der elek— triſchen Entladung abhängig ſein mögen. Nach dieſen Beobachtungen, die übrigens mit Angaben früherer Schriftſteller übereinſtimmen, ſind die Erſcheinungen des Blitzſchlages an den obengenannten Bäumen von folgender Art.
Bei der italieniſchen Pappel (Populus pyramidalis Rog.) bleibt der ganze obere Teil der Krone unverſehrt, weder an den dünnen Zweigen noch an den Blättern iſt irgend eine Spur von Beſchädigung zu ſehen; erſt in den tieferen Teilen, etwa in einer Höhe von 6 bis 8 m über dem Boden, zeigt ſich, meiſt unter der Vereinigung zweier oder mehrerer großer Aſte beginnend, die am Stamme herablaufende Verwundung. Dieſe ſtellt einen oder zwei an verſchiedenen Seiten des Stammes ziemlich parallel, entweder in ſenkrechter oder etwas ſpiraliger Richtung laufende Streifen von wechſelnder Breite dar, an denen die Rinde abgeriſſen, der Splint entblößt oder auch zum Teil abgeſchlagen iſt. An den Rändern der Wunde iſt die ſtehen— gebliebene Rinde in einer gewiſſen Breite vom Splinte abgehoben. In der Mitte des entblößten Holzſtreifens befindet ſich im größten Teile ſeiner Länge eine einige Millimeter breite Spalte im Holze, in die man ein Meſſer mehrere Centimeter tief einführen kann. Die abgeriſſenen Stücke von Rinde und Holz findet man bis auf eine Entfernung von 30 m vom Baume fortgeſchleudert am Boden liegen. Weder ſie noch die Wundränder des Stammes zeigen eine Verkohlung, vielmehr beide nur eine mehr oder minder ſtarke Zerfaſerung, wie dies auch an andern Baumarten der Fall
1) Einwirkung des Blitzes auf Bäume. Denkſchr. d. ſchleſ. Geſ. f. vaterl. Cult. Breslau 1853. 2) Mém. de la soc. de Phys. et d’hist. nat. de Geneve. 1872, pag. 511 ff.
5. Kapitel: Der Blitzſchlag 239
iſt. Die Blitzſpur geht in geringer Höhe über dem Boden in einen bloßen Riß in der Rinde über, der ſich im Boden verliert, oder ſie verſchwindet gänzlich, ohne den Boden zu erreichen.
Die Eichen werden im Gipfel getroffen; die am meiſten vorſtehenden Aſte lenken in der Regel den Blitz auf ſich, brechen oft an ihren Enden und werden, oft ohne ihrer Rinde entkleidet zu werden, getötet; aber nahe unter den getroffenen Aſten beginnt die Blitzſpur als ein von der Rinde entblößter Streifen des Holzes und ſetzt ſich ohne Unterbrechung und gleichförmig bis zum Boden fort. Ihr Gang iſt gewöhnlich der einer Spirale, die bis 13/, Umläufe beſchreiben kann. Die Mitte dieſer Wunde iſt charakteriſiert durch eine ununterbrochene, 2—3 em breite Furche von jo regelmäßig halb» cylindriſcher Form, als wäre ſie mittelſt eines Inſtrumentes ausgeſchnitten. Im Grunde dieſer Rinne befindet ſich ſtellenweiſe eine ſchmale Spalte, in welche ein Meſſer einige Centimeter tief eingeſchoben werden kann. Am Rande der Blitzſpur iſt die Rinde vom Splint etwas abgehoben. Durch ältere Beobachter iſt konſtatiert!), daß die erwähnten Spalten im Holze bei den Eichen zu einem vollſtändigen Zerſpellen des Stammes führen können, indem der Holzkörper ſenkrecht zur Oberfläche in parallele Leiſten zerſchlagen wird; auch hat man beim Fällen vom Blitze getroffener Eichen die Jahres— ringe von einander getrennt gefunden und endlich auch eine Spaltung des Holzkörpers nach beiden Richtungen zugleich beobachtet, ſo daß der Stamm wie ein beſenartiges Bündel von vielen dünnen Splittern erſchien.
Die Ulmen werden nach Daniel Colladon mehrere Meter unter dem Gipfel getroffen; dieſer ſelbſt bleibt unverſehrt. Die Wunde läuft regel— mäßig und ununterbrochen als ein von Rinde entblößter Holzſtreifen herab. Die an den Eichen gefundene halbcylindriſche Furche auf der Mitte des Streifens wurde nicht wahrgenommen.
Beim Blitzſchlag in Birnbäume hat man folgende Erſcheinungen beobachtet?). Einmal war der Stamm zum größten Teil verſchwunden, nur 6 mit den Wurzeln im Zuſammenhange befindliche Splitter waren ſtehen geblieben, und rings umher lagen die abgeſchlagenen 5 großen Aſte, welche ſelbſt faſt ganz unverletzt waren. Ein andrer Baum zeigte gar keine Verletzung weiter als 2 d Meter unter dem Gipfel Furchen in der Rinde der Aſte und einige vom Stamme abgelöſte Rindefetzen; auch blieb er nach dem Blitzſchlage am Leben. An einem dritten endlich war der ganze Stamm von den Aſten bis zur Wurzel völlig entrindet, während die Aſte ſelbſt Rinde, Blätter und Früchte behalten hatten; zugleich war der Baum in zwei Teile zerſpalten, deren jeder wieder mehrere Spalten hatte. Jedesmal war der Erdboden in der Nähe des getroffenen Baumes aufgewühlt, wobei einmal eine Wurzel ſichtbar war, die ihrer Umhüllung beraubt war.
An einer Fichte beobachtete Daniel Colladon einen Blitzſchlag, wobei nahe am Gipfel an der vom Blitze berührten Seite die Nadeln rötliche Flecken oder Spitzen bekommen hatten, ſonſt aber nichts weiter ſich zeigte als eine am Stamme 8 Meter unter dem Gipfel beginnende tiefe Spalte der Rinde, welche ½ Meter weit herablief; wenig darunter befand ſich daneben eine zweite, und auf dieſe folgte eine dritte Spalte, welche ſpiralig
bis nahe zum Boden ſich erſtreckte.
) Vergl. Cohn, l. c. pag. 6— 7. 2) Vergl. Daniel Colladon, l. c. pag. 538543.
ihn:
240 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
Nur zweimal beobachtete Daniel Colladon außerdem noch eine Er— ſcheinung, welche bis dahin noch nicht bekannt war. An einer Pappel hatte die auf der Mitte der Blitzſpur befindliche Spalte des Holzes in der ganzen Länge beiderſeits einen etwa 4 Millimeter breiten Rand von bräunlicher Farbe, als wie im Ofen getrocknet, und außerdem auf dem entblößten Holz— ſtreifen beiderſeits der Spalte in verſchiedenen Höhen 7 genau kreisrunde Flecken von 8 bis 10 Millimeter Durchmeſſer und etwas dunklerem Braun als jene Bänder; davon lagen 4 zu zwei teilweiſe übereinander. Dieſe Flecken zeigten nichts weiter als eine lokale ſtarke Austrocknung, als wären | jie mit einem heißen Eiſen berührt worden. Dieſe Erſcheinung zeigte fich auch an der erwähnten Fichte, wo 10 ſolcher Flecken ſämtlich auf der Spalte | vorhanden waren, die der Blitz hervorgebracht hatte; dieſelben waren | 3—5 cm im Durchmeſſer, ebenfalls fait genau kreisrund und hier die einzigen | Stellen auf den Spalten wo die Rinde wegggeſchlagen war, jo daß fie
| dunklere freie Stellen Holzes darſtellten, welche mitten von der Spalte
| durchzogen waren. Die Urſache dieſer Erſcheinung iſt unbekannt; Daniel Colladon vermutet, daß es die Folgen von elektriſchen Strömen ſind, welche rechtwinkelig zur Oberfläche des Stammes aus dieſem in Form eylindriſcher Funken herausgeſchlagen ſind.
Bahn des Blitzes Die Bahn der Blitzſpur, alſo der mehr oder minder ſpiralige Verlauf N Spalten des Holzes und der abgelöſten Rindeſtreifen, wird von Cohn wie von Daniel Colladon übereinſtimmend zu dem ſchiefen Verlauf der Holzfaſern und der daraus reſultierenden ſpiralig gedrehten Form der meiſten Stämme in Beziehung gebracht. Eine bemerkens— werte Beſtätigung dieſer Beziehung liefert auch die von dem letzt— genannten Beobachter gemachte Wahrnehmung, daß an Eichen, die als Kopfholz gezogen werden, die Blitzſpur nicht eine Spirale, ſondern eine Wellenlinie bildet, indem ſie an den knorrig gewachſenen Stämmen immer den Knoten ausweicht. Cohn ſieht in dieſen Wunden aber nicht die Bahn des Blitzes, ſondern nur die Stellen, an denen die Rinde der Exploſion den geringſten Widerſtand leiſtet, und ſucht die Zer— ſprengung dadurch zu erklären, daß er annimmt, der Hauptſtrom der Elektricität gehe durch die Kambiumſchicht und verwandle deren Flüſſigkeit plötzlich in Dampf, während ein Nebenſtrom durch den Holzkörper gehe und die hier bisweilen auftretenden Spalten bedinge. Beobachter wollen zwar beim Einſchlagen des Blitzes in Bäume eine Rauchſäule geſehen haben; es iſt aber nicht ausgemacht, ob dieſelbe von dem Baume oder von der gewaltſam und in feiner Zerteilung aufgeworfenen Erde herrührte. Daniel Colladon macht dagegen geltend, daß ja durch den Blitz viele kräftige Wirkungen von Anziehung und Abſtoßung hervorgebracht werden, welche mit Verdunſtung von Waſſer nichts zu ſchaffen haben. Die Beſchaffenheit der an den Stämmen herablaufenden Wunden ſpricht dafür, daß ſie ſelbſt die
5. Kapitel: Der Blitzſchlag 241
Bahn des elektriſchen Stromes ſind. Die Beſchränkung desſelben auf dieſe Stellen ſteht ja auch im Einklange mit der Thatſache, daß der Blitz beim Durchſchlagen ſchlechter Leiter, zu denen auch die Baum— ſtämme gehören, ſich plötzlich zuſammenzuziehen vermag. Auch Cas— pary !) hebt gegen die Cohn'ſche Anſicht hervor, daß die Kambium— ſchicht, wenn ſie ganz vom elektriſchen Funken durchzogen würde, not— wendig auch ganz verletzt werden müßte, was nicht der Fall iſt.
Entzündet werden geſunde Bäume nie vom Blitz, wohl aber a
ſolche, welche aus trockenem und daher entzündlichem Holze beſtehen. ; So hat Daniel Colladon zwei Blitzſchläge in hohle Kopfpappeln beobachtet, von denen die eine ſich im Innern des Stammes entzündete, ſo daß die Zweige zerſtört wurden, bei der andern das innere tote Holz verkohlt, jedoch durch den Regen gelöſcht wurde und einige junge Zweige wahrſcheinlich infolge der Verbrennung vertrocknet waren. Ebenſo wird von Caspary (J. c.) die Entzündung durch den Blitz 3 von einer Kiefer, welche zunderartiges faules Holz enthielt, und von Beyer?) ſowie von Buchenau?) von kernfaulen Eichen angegeben. Gleiches iſt in den Tropen an dürren Aſten und Blattſtielen von Palmen zu beobachten.
Die Folgen des Blitzſchlages ſind nicht notwendig tödlich. Daß Folgen des Bäume, die vom Blitze irgend ſtärker zerſchmettert oder ihrer Rinde dnsioinge Für ringsum entkleidet ſind, eingehen, iſt ſelbſtverſtändlich. Wo aber die Baumes. Krone und der Stamm erhalten und die Verwundung des Kambiums auf einen ſchmalen Streifen beſchränkt iſt, iſt die Lebensfähigkeit des Baumes nicht vernichtet. In der That ſind auch zahlreiche Fälle be— kannt, wo vom Blitz getroffene Bäume mit dem Leben davon gekommen ſind. Der Wundſtreifen am Stamme heilt dann wieder, indem er von beiden Rändern her überwallt wird. Bemerkenswert iſt, daß man in Wäldern bisweilen ein Abſterben ganzer Baumgruppen im Umkreiſe eines vom Blitze direkt getroffenen Baumes beobachtet hat. Baur?) teilt 7 verſchiedene ſolche Fälle mit, die ſich alle auf Fichte, Tanne und Kiefer beziehen. Ebenſolche Beobachtungen werden von Beling“) und von R. Hartig) angeführt.
) Schriften d. phyſ.-ökon. Gef. zu Königsberg 1871, pag. 69 ff. 2) Verhandl. d. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 28. Januar 1876. 3) Beachtenswerte Blitzſchläge in Bäume, Abhandl. des naturw. Ver. Bremen IX. pag. 312 ff. ) Der Blitz als Waldverderber. Monatsſchr. f. Forſt u. Jagdweſen. Jahrg. 17, Märzheft. 5) Zeitſchr. f. Forſt⸗ u. Jagdweſen. November 1873. 6) Juſt, Botan. Jahresber. 1875, pag. 956. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 16
Häufigkeit Dem Blitzſchlag find alle Baumarten ausgeſetzt. Die Meinung des Blitzſchlages der Alten, daß der Lorbeer gegen den Blitz geſchützt ſei, iſt durch Beob— nach Baumarten. „„ Br Spezifiſch un. achtungen widerlegt. Jedoch iſt nicht zu leugnen, daß gewiſſe Bäume gleiche Dispofi- häufiger als andre vom Blitz getroffen werden, was allerdings großen— tion der Baumetteifs aus der ungleichen Häufigkeit derſelben in den einzelnen Gegenden und aus der ungleichen Expoſition der einzelnen Baumarten zu er— klären iſt. Von 40 Beobachtungen von Blitzſchlägen in Bäume, welche Cohn zuſammengeſtellt hat, kommen 14 auf Eichen, 12 auf Pappelarten, 3 auf Birnbäume, je 2 auf Tannen, Kiefern und Buchen, je 1 auf Erlen, Ulmen, Nußbäume, Ebereſchen, Robinien. Caspary hat 93, und zwar 53 ſelbſtbeobachtete, 40 von andern Beobachtern konſtatierte Fälle geſammelt, unter denen 20 Populus pyramidalis, 14 Populus monilifera, 15 Eichen betreffen. Ebenſo iſt unter den von Daniel Colladon beſchriebenen Fällen im Thale des Genfer Sees die italieniſche Pappel 11, die Eiche 3 mal vertreten. Der hohe, ſchlanke Wuchs der italieniſchen Pappel und die große Anzahl, in der dieſer Baum auf Chauſſeen und an den exponierteſten Stellen ſteht, ebenſo die über alle andern Waldbäume hervorragende Höhe der Eichen laſſen jene Thatſachen begreiflich erſcheinen. Nichtsdeſtoweniger ſcheint zu der großen Häufigkeit des Blitzſchlages in Pappeln auch eine größere ſpecifiſche Fähigkeit dieſes Baumes, den Blitz auf ſich zu lenken, eine größere Leitungsfähigkeit desſelben, vielleicht auch die größere Ver— breitung der Wurzeln dieſes Baumes im Boden beizutragen. Denn Daniel Colladon erwähnt einige Fälle, wo der Blitz in eine Pappel einſchlug, obgleich höhere Bäume in der Nähe ſtanden, die der Blitz verſchonte; ſelbſt eine niedere Kopfpappel fand der Blitz zwiſchen be— nachbarten höheren andern Bäumen heraus. Etwas Ahnliches bezüg⸗ lich der Eiche ſcheint aus dem von R. Hartig (J. C.) erwähnten Falle zu folgern zu ſein, bei dem in einem gemiſchten Fichten- und Eichen⸗ beſtande nur die unterdrückten Eichen Blitzſchläge erkennen ließen, während die vorwüchſigen Fichten verſchont geblieben waren. Nach einer kürzlich von Jonescu geäußerten Anſicht ſollen Bäume, welche reichlich Ol in ihren Geweben enthalten, wie die Kiefer, ſchwerer vom Blitze getroffen werden, als Bäume, welche weniger Ol enthalten, da- gegen reicher an Stärkemehl ſind, was der Genannte mit der größeren Widerſtandsfähigkeit des Oles gegen das Durchſchlagen des elektriſchen Funkens in Zuſammenhang gebracht wiſſen will.
Einfluß äußerer Unter ſonſt gleichen Umſtänden, alſo insbeſondere gegenüber Bäumen
Verhältniſſe. derſelben Species, find äußere Verhältniſſe von unverkennbarem Ein⸗
fluß. Auch in dieſer Beziehung hat Daniel Colla don, beſonders an italieniſchen Pappeln, einige beachtenswerte Beobachtungen gemacht.
242 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
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5. Kapitel: Der Blitzſchlag 243
Wenn auf gleich hohem Terrain eine Anzahl ungleich hoher Pappeln nahe beiſammenſtand, war es immer die höchſte, in welche der Blitz ſchlug, oder welche die ſtärkſte elektriſche Entladung empfing, während die nächſt höhere ſchwächer getroffen wurde; bisweilen ſchlug ein einziger Blitz auch in mehrere der höchſten Pappeln zugleich. Wo auf wellen— förmigem Terrain gleich hohe Pappeln ſtanden, fiel die höchſtſtehende dem Blitz zum Opfer. Vielleicht hat auch die Feuchtigkeit des Bodens einen Einfluß. Ein von Süd nach Nord ziehendes Gewitter ſchlug in die faſt am weiteſten nördlich ſtehende, im Verhältnis zu den übrigen nicht höhere Pappel einer Straße, da wo dieſelbe über einen waſſer— gefüllten Kanal führte, und die Blitzſpur verlief auch in eine dicke Wurzel, die nach dem Kanal gerichtet war.
2. Blitzſchlag in Weinberge. Nach den von Daniel Colla— don!) mitgeteilten Erfahrungen find mitunter Blitzſchläge in Wein— berge vorgekommen, deren Folgen derſelbe an einem von ihm ſelbſt beobachteten Fall beſchreibt. Die vom Blitz getroffene Stelle war ſchon weithin als eine kreisrunde Fläche im Weinberge daran zu erkennen, daß die auf derſelben ſtehenden Weinſtöcke, 335 an der Zahl, eine Menge ziegelroter Flecken auf den Blättern zeigten, die in den übrigen Teilen des Weinberges nicht zu ſehen waren. In der Mitte dieſer Fläche waren Löcher in der Erde zu bemerken und mehrere Pfähle umgeworfen. Die dort ſtehenden Weinſtöcke hatten am meiſten fleckige Blätter, im übrigen aber, insbeſondere an den Stengeln, keine Ver— letzung; auch blieben die Pflanzen am Leben. Die Blattflecken nahmen den vierten Teil bis die Hälfte der Blattfläche ein; ſie waren anfangs tiefer grün und wurden nach einigen Tagen ziegelrot. Eine Verän— derung der Gewebe zeigte ſich außer an den Blättern auch an den jüngeren und ſaftigen Teilen des Stengels, beſonders am Cambium; ſie beſtand in einer Verfärbung in braun, rötlich oder ſchwärzlich. Die Zellwände waren intakt, aber das Protoplasma kontrahiert und getötet; die Stärkekörnchen erhalten; das Holz und die Gefäße un— verſehrt. Nach Rathay?) kommt dieſe Rötung der Weinblätter nur an den Arten mit roter Herbſtfärbung vor und iſt auch nur eine mittelbare Folge des Blitzes, nämlich dadurch verurſacht, daß der Blitz in den Mittelſtücken mehrerer aufeinander folgender Internodien das Gewebe außerhalb des Cambiums tötet und ſo eine Art Ringelung bewirkt; das Kambium bleibe lebendig und erzeuge nach außen einen von Wundkork umhüllten Callus und nach innen einen Holzring, der
) 1. c. pag. 548—553. ) Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. zu Wien, 16. April 1891. 16*
Blitzſchlag in Weinberge.
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244 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
vom älteren Holze durch eine dünne, gebräunte Schicht geſchieden iſt. Die Trauben ſolcher Reben vertrocknen. 0 Blitzſchlag 3. Blitzſchlag in Wieſen und Acker. Nach den von Daniel
in Ace ind Colladon) aus älteren Notizen zuſammengeſtellten Beobachtungen
hinterließ ein Blitzſchlag in eine Wieſe ſeine Spur auf einer Fläche von 6 m Durchmeſſer, wo die höchſten Köpfe der Diſteln getötet waren, die niederen Teile des Raſens aber ſich unverſehrt zeigten, an zwei Punkten war der Boden aufgewühlt, an andern der Raſen empor— gehoben. In einem Kartoffelacker hatte der Blitz ein Loch und halb— kreisförmige Furchen in der Erde gebildet; die Pflanzen daſelbſt waren unverſehrt, nur an einer Stelle dieſer Fläche zeigte ſich die Baſis der Stengel wie verbrannt, zerriſſen oder teilweiſe breiig. Auf einem vom Blitz getroffenen Rübenacker waren die Blätter an ihrem Rande vertrocknet und zuſammengeſchrumpft, rötlich oder violett gefärbt und ſtellenweiſe zerriſſen. Theoretiſches. Die Theorie des Blitzſchlages in Pflanzen, ſoweit bis jetzt von einer ſolchen die Rede ſein kann, muß alle unter den verſchiedenen Verhältniſſen beob— achteten Erſcheinungen zu umfaſſen ſuchen. Man muß mit Daniel Colla⸗ don davon ausgehen, daß der elektriſche Strom ſich zu zerteilen oder ſich zuſammen zu ziehen vermag, je nachdem der Körper ein guter oder ſchlechter Leiter iſt. So durchſchlägt er die Luft in Form eines Strahles, zerteilt ſich aber, wenn er auf eine mit Vegetation bedeckte Fläche von gewiſſer Ausdehnung trifft, in ein Strahlenbüſchel oder in eine erweiterte Ausbreitung und berührt zugleich eine Menge von Blättern, Zweigen u. ſ. w. Iſt dieſe Vegetations⸗ fläche von ganz gleichmäßiger Höhe und Beſchaffenheit, wie in Weinbergen, Ackern ꝛc., ſo wird die Ausbreitung des elektriſchen Stromes eine ungefähr kreisförmige werden müſſen, wo die Wirkung im Centrum am ſtärkſten iſt und gegen die Peripherie ſich abſchwächt. Wo aber die Vegetationsfläche Un- regelmäßigkeiten der Form und Erhebung zeigt, wie die Oberfläche eines Baumes oder eines Waldes, da zerteilt ſich der elektriſche Strom über eine große Fläche und hüllt den ganzen Wipfel eines oder mehrerer Bäume zu⸗ gleich ein. Es iſt möglich, daß in ſolchem Falle mehrere Centren der Ein— wirkung vorhanden ſind, und wahrſcheinlich, daß die elektriſche Ausbreitung für jeden Fall eine verſchiedene Form hat, die durch diejenige der Baum⸗ 0 wipfel beſtimmt wird. Auch wird man vermuten dürfen, daß, je gleich⸗ 2 mäßiger die elektriſche Entladung iſt und auf eine je größere Fläche ſie ſich verteilt, deſto geringer die Wirkung auf die berührte Oberfläche ſein wird, die ſich bis zu einem vollſtändigen Unverletztbleiben des Laubes abſchwächen kann. Die Annahme einer ſolchen Ausbreitung des elektriſchen Stromes über die Krone des Baumes wird auch durch den Umſtand bekräftigt, daß derſelbe oft nicht in einer einzigen, ſondern in mehreren getrennten Bahnen a am Stamme herabgeht. Um endlich in den Boden zu gelangen, muß er den 3 Baumſtamm der Länge nach durchſchlagen, und da dieſer ein ſchlechter 7 Leiter iſt, ſo zieht er ſich hier auf eine enge Bahn zuſammen, die er entweder 1 bis zum Boden verfolgt, oder aus welcher er ſchon vorher heraus und in u den Boden überſpringt. f
1) 1. e. pag. 555— 556.
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6. Kapitel: Das Feuer 245
6. Kapitel. Das Feuer.
Beſchädigungen von Pflanzen durch Feuer kommen beſonders in Waldbrände. den Forſten vor. Durch ein am Boden hinlaufendes Feuer können die unteren Teile der Baumſtämme beſchädigt werden, ſobald die Kambiumſchicht getötet wird. Ob dies geſchieht, hängt zunächſt von 5 der Intenſität und der Zeitdauer des Feuers ab. Von Einfluß iſt . aber auch die Beſchaffenheit der Rinde und Borke, alſo die Baumart und das Baumalter. In älteren Kiefernbeſtänden können die unteren f Borketeile ſchwarz und verkohlt ſein, ohne daß die Kambiumſchicht an- 5 gegriffen iſt, weil ſie durch eine dicke, ſchlecht die Wärme leitende Borke— f ſchicht geſchützt war; in ſolchem Falle iſt der Baum nicht beſchädigt. Dagegen ſind dünnrindige Bäume viel empfindlicher; wenn man bei Einſchnitten in die Rinde die letztere gebräunt ſieht, ſo iſt das ein Zeichen, daß hier die Kambiumſchicht getötet iſt. Trotzdem können ſolche junge Bäume, deren Rinde unten ringsherum verbrannt iſt, zunächſt ausſchlagen und ergrünen, aber im Laufe des Sommers ſterben ſie ab. Es können dann neue Ausſchläge aus dem Stocke unterhalb der Brandwunde kommen; dies geſchieht nach R. Hartig ſogar noch beſſer, wenn der Stamm ganz verbrannt war oder bald nach dem Feuer über der Erde abgehauen worden iſt. Die gegen Waldbrände zu ergreifenden Maßregeln, die beſonders in dem Ziehen der Iſoliergräben beſtehen, um das Feuer zu begrenzen, ſind mehr Gegenſtand des Forſtſchutzes.
IV. Abſchnitt. Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe.
1. Kapitel. Vertauſchung des Erdbodens mit einem ungeeigneten Medium.
Jeder Pflanze iſt von Natur ein beſtimmtes Element angewieſen, Das natürliche in welchem ſie leben muß. Es giebt einesteils Waſſerpflanzen, d. ſ. i ſolche, deren Wurzeln im Waſſer oder im Grunde des Waſſers und l deren Blätter im Waſſer oder über dem Waſſerſpiegel ſich befinden, und andernteils Landpflanzen, d. ſ. diejenigen, welche in der freien Luft wachſen und mit den Wurzeln und andern tuypiſch unterirdiſchen Organen im Erdboden ſich entwickeln.
246 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Waſſerpflanzen Die Waſſerpflanzen kommen außerhalb des Waſſers nicht fort.
auf dem Trocknen. Die ſubmerſen Waſſerpflanzen, an die Luft gebracht, vertrocknen und ſterben ſehr raſch. Solche mit ſchwimmenden Blättern, wie Hydro— charis morsus ranae, die Nymphäaceen, Waſſerlinſen, vermögen nach zurückgetretenem Waſſer auf feuchtem Boden noch einige Zeit zu vege— tieren, wobei die erſteren ſehr kurze Blattſtiele und dem Boden faſt anliegende, ziemlich kleine Blätter entwickeln; aber jeder ſtärkere Grad von Entwäſſerung des Bodens tötet ſie. Eine Ausnahme machen nur die ſogenannten amphibiſchen Pflanzen, wie z. B. Polygonum amphibium, welches im Waſſer als echte Waſſerpflanze mit Schwimm— blättern lebt, auf Wieſen in einer Landform mit Blättern, die dem Aufenthalt in der Luft angepaßt ſind, wächſt.
Landpflanzen in Für die Landpflanzen kann nun ebenſo behauptet werden, daß
. ihre Wurzeln der natürliche Erdboden das allein oder doch am beſten geeignete Medium iſt. Indeſſen kann man wohl alle Land— pflanzen auch im Waſſer wurzelnd kultivieren, wie die ſogenannten Waſſerkulturen beweiſen, welche in der Pflanzenphyſiologie zum Studium der Ernährungsfragen angeſtellt werden. Jedoch ſind Wurzeln der Landpflanzen, die im Boden ſich ausgebildet haben, nicht ohne weiteres der Ausübung ihrer Funktion im Waſſer fähig; meiſt ſterben ſie nach dem Umſetzen ins Waſſer ab, und es bilden ſich aus dem oberen Teile der Wurzel neue von der (unten beſchriebenen) Organiſation der Waſſerwurzeln, die dem veränderten Medium ange— paßt ſind. Und ebenſo bilden ſich die Wurzeln im Waſſer kultivierter Pflanzen beim Umſetzen in Erde erſt in der Form von Erdwurzeln weiter, ehe wieder eine genügende Wurzelthätigkeit ſtattfindet und die inzwiſchen welk gewordenen Pflanzen ſich wieder erholen. Darum er— zieht man die zu den eben erwähnten Waſſerkulturen beſtimmten Pflanzen aus Samen gleich von Anfang an ohne Erdboden, indem man ſchon die erſten Wurzeln der Keimpflanzen in der Nährſtofflöſung ſich entwickeln läßt. Nun iſt zwar nicht zu leugnen, daß manche Pflanzen, vorausgeſetzt, daß in dem Waſſer die nötigen Nährſtoffe in richtiger Menge und richtigem gegenſeitigem Verhältnis aufgelöſt ſind, in ſolchen Waſſerkulturen ſich oft recht gut entwickeln, bis zur Bildung zahlreicher Früchte und Samen gelangen und in jeder Beziehung ſo geſund ausſehen, als wenn ſie im Erdboden gewachſen wären. Aber ſehr oft tritt auch, ohne erkennbare Urſache, bei dieſen Verſuchen ſchon frühzeitig ein Kränkeln der Pflanzen ein, an welchem ſie frühzeitig zu Grunde gehen, und zwar weniger in Bezug auf das Wurzelſyſtem, welches meiſt gut entwickelt erſcheint, als vielmehr in den oberirdiſchen Teilen; ganz beſonders zeigt ſich hier oft eine über die ganze Pflanze
1. Kapitel: Vertauſchung des Erdbodens mit einem ungeeigneten Medium 247
verbreitete Gelbſucht, indem ſämtliche Blätter anſtatt grün hellgelb gefärbt find. Bei Mais, Erbſen, Lupinen, Sonnenblumen ꝛc. kann
man oft dieſe Erfahrung machen. Die Urſache der Gelbſucht iſt in
dieſem Falle um ſo weniger aufgeklärt, als es dabei an keiner der
bekannten Bedingungen der Chlorophyllbildung (Licht, genügende
Wärme, Eiſen unter den Nährſtoffen) mangelt und ein andermal, bei
unter ganz denſelben Verhältniſſen angeſtellten Waſſerkulturen dieſelben
Pflanzen normal ergrünen.
Wenn dagegen erwachſene Pflanzen, deren Wurzeln im Erdboden ſich entwickelt haben, in Waſſer geſetzt werden, ſo gehen ſolche Pflanzen meiſt ziemlich bald ein, was ſich eben daraus erklärt, daß das ganze bisherige Landwurzelſyſtem abſtirbt und nicht mehr funktioniert, die neuen Waſſerwurzeln aber, welche die Pflanze noch mehr oder weniger zu bilden im Stande iſt, keineswegs hinreichen für den Bedarf der erwachſenen Pflanze. Namentlich an Bäumen kann man dies beob- achten. Wenn ein mit Bäumen beſtandenes Terrain auf die Dauer unter Waſſer geſetzt wird, ſo ſterben alle darauf ſtehenden Bäume mit Sicherheit binnen kurzer Zeit ab.
Wenn Wurzeln der Landpflanzen im Waſſer ſich entwickeln, ſo Veränderungen erleiden ſie mehr oder minder eine Geſtaltsveränderung: ſie werden den ſehr lang, bleiben aber dünner und haben daher eine regelmäßige im Waſſer. ſchlank fadenförmige Geſtalt, bilden auch ihre Zweige in regelmäßigerer Anordnung und Vollſtändigkeit aus, als im Boden; und da auch alle Wurzelzweige ſich ſtark ſtrecken und ſich in ihrer ganzen Länge wiederum verzweigen, ſo werden aus ſolchen Wurzeln, wenn ſie lange Zeit im Waſſer ſich entwickelt haben, große filzige Maſſen. Der ſtärkſte Grad dieſer Bildung ſind die ſogenannten Fuchs ſchwänze, Wurzelzöpfe oder Drainzöpfe, die ſich in Drainröhren, Waſſerleitungen und dgl. entwickeln und oft in einer Länge von mehreren Metern und von der cylindriſchen Form der Röhre, in der ſie ſtecken, angetroffen werden, wobei ſie den Abdruck der Unebenheiten der Röhre erkennen laſſen. Solche Wurzelzöpfe bildet beſonders die Weide, aber Cohn !)) hat auch einen Wurzelzopf beobachtet, der aus den Verzweigungen eines unter— irdiſchen Stockes von Equisetum beſtand, von dem ein 12 m langes Stück ſich freilegen ließ. Die Waſſerwurzeln der Landpflanzen ſind waſſerreicher, turgescenter und ſpröder, und vertrocknen außerhalb des Waſſers ſchneller als die in der Erde gebildeten. Ihre Zellen haben
größere Länge und geringere Breite, die Bildung von Wurzelhaaren unterbleibt bei manchen Pflanzen im Waſſer ganz, bei andern bilden
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1) Verhandl. d. ſchleſ. Geſellſch. f. vaterl. Kultur, 25. Oktober 1883.
248 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüffe
ſich ſolche, doch oft in geringerer Entwickelung; auch entſtehen in der inneren Rinde unregelmäßige Lufträume durch Trennung und Schrumpfung der Zellen. Die Epidermis und die primäre Rinde werden im Waſſer zeitiger desorganiſiert; und wo darunter eine Kork— lage ſich bildet, wird dieſe an den Waſſerwurzeln oft zeitig der Länge nach zerriſſen und endlich abgeſtoßen durch eine üppige Zellenvermehrung der ſekundären Rinde, deren Zellen ſich radial ſtrecken und dabei luft— haltige Intercellularräume bilden, ſo daß ſie ein weißes, ſchwammiges Gewebe darſtellen ). In ſchwächerem Grade treten dieſe morphologiſchen und hiſtiologiſchen Veränderungen ſchon hervor, wenn die Wurzeln in ſehr naſſem Boden ſich entwickeln).
Schädlicher Die oberirdiſchen Teile der Landpflanzen müſſen in der Luft, ſie 1 dürfen weder unter Waſſer noch im Erdboden ſich befinden. Iſt eine auf oberirdiſche dieſer beiden Bedingungen nicht erfüllt, jo find krankhafte Zuſtände ee die Folge. Mer?) fand Untertauchung meiſt von ſchädlichem Einfluß ne auf die Luftblätter der Landpflanzen (unſchädlich z. B. für Epheu⸗
blätter). Die tödliche Wirkung tritt je nach Arten ungleich ſchnell ein. Junge Blätter leiden weniger als alte. Aber ſie bilden unter Waſſer kein Stärkemehl im diffufen Licht, nur Spuren davon im Sonnenlichte, und die vorhandene Stärke geht bald verloren, was mit Böhm's Beobachtungen übereinſtimmt, wonach grüne Blätter von Landpflanzen, 5 in kohlenſäurehaltiges Waſſer getaucht, ſobald ſie wirklich benetzt ſind, 5 keinen Sauerſtoff mehr abſcheiden. Zuletzt dringt das Waſſer in die Lufträume des Blattparenchyms ein, und die Blätter verderben. Daher 3 bleiben bei Überſchwemmungen oberirdiſche grüne Teile der Land— 1 pflanzen nicht ohne Schaden längere Zeit vom Waſſer bedeckt. Nach den Wahrnehmungen, die Robinets) in davon betroffenen Baum⸗ ſchulen machte, litten nach zweitägiger Bedeckung mit Waſſer oder 5 ſtarben gänzlich ab die meiſten derjenigen Pflanzen, an denen ſich eine 10—12 em hohe Schlammſchicht abgeſetzt hatte, während die nicht 2 vom Schlamme bedeckten oder davon gereinigten nicht litten. Platanen, 2 Erlen, Ulmen wurden auch durch die Schlammbedeckung nicht beſchädigt, E
und Pappeln und Trauerweiden entwickelten ſogar aus der Stamm: |
) In ähnlicher Weiſe nur in weit jtärferem Grade tritt dies normal an 5 4 den Wurzeln waſſerbewohnender Onagraceen und Lythraceen, z. B. bei Jussiaea 1 auf, das ſogen. Asrenchym bildend. Vergl. mein Lehrb. d. Botanik I. pag. 166.
2) C. Perſeke, Über die Formveränderung der Wurzel in Erde und Waſſer. Diſſertation, Leipzig 1877.
3) Bull. de la soc. bot. de France 1876, pag. 243.
5) Citiert in Wiener Obſt⸗ und Gartenzeitung 1876, pag. 37.
2. Kapitel: Ungünſtige räuml. Verhältniſſe u. Lagenverhältniſſe d. Erdbodens 249
baſis Wurzeln in den Schlamm. Dieſe Widerſtandsfähigkeit hängt damit zuſammen, daß die betreffenden Pflanzen auch einen ſehr naſſen Standort gut vertragen. 2. Kapitel. Ungünſtige räumliche Verhältniſſe und Lagenverhältniſſe des Erd- bodens.
1. Ungenügendes Bodenvolumen. Wer ſich mit vergleichenden Pflanzen in zu
Kulturverſuchen von Pflanzen in Blumentöpfen oder Vegetations- gefäßen beſchäftigt, kennt ſehr wohl den bedeutenden Einfluß, welchen die Größe des den Wurzeln zur Ausbreitung verfügbaren Raumes auf die Größenverhältniſſe der oberirdiſchen Teile und auf die Pro- duktion an Pflanzenſubſtanz ausübt. Kultiviert man eine und dieſelbe Pflanzenart in dem gleichen Boden im freien Lande und in verſchieden großen Blumentöpfen, ſo bemerkt man, daß die Höhe der Stengel, die Verzweigung derſelben, die Größe der Blätter, die Zahl der Blüten und Früchte im Vergleich mit den Freilandpflanzen um ſo mehr ab— nimmt, je kleiner der Topf iſt. Dies zeigt ſich auch dann, wenn man Düngung im überfluß gegeben hat, ſo daß alſo ein Mangel an dis— poniblen Nährſtoffen daran keine Schuld haben kann. Von Hell- riegel!) iſt dieſe Erſcheinung zum Gegenſtand beſonderen Studiums gemacht worden. Er fand z. B. beim Klee folgende Beziehungen. Erdinhalt der Glasgefäße Ernte⸗Trockenſubſtanz in 3 Jahren.
6% aer ö een eee eee eee egen 3100 „ 76,8 „
Bei Erbſen, Bohnen und andern Pflanzen fand Hellriegel, daß, wenn die Bodenmenge ſich wie 1:2 verhält (3100 :6200 gr), die Ernte ſich wie 1:1,6 bis 1,8 herausſtellt. Indeſſen zeigen ſich doch je nach Pflanzen und Bodenarten Verſchiedenheiten. Ich habe in kleinen Töpfen, welche nur ca. 1,2 Erde faßten, Erbſen zu faſt normaler Höhe und Produktion bringen können, wenn ein guter, humusreicher Garten— boden verwendet wurde?). Allbekannt iſt ja auch, daß Gärtner leidlich gut entwickelte Pflanzen erziehen in ſehr kleinen Töpfen, wenn dieſe nur mit ſehr nährkräftigem Boden gefüllt ſind. Dagegen tritt die Reduktion in der Pflanzenentwickelung immer ſehr bedeutend hervor, wenn man zu ſolchen Verſuchen einen weniger guten Erdboden nimmt. Selbſt
) Beiträge 3. d. naturwiſſ. Grundlagen des Ackerbaues. Braunſchweig 1873, pag. 184.
2) Die Aſſimilation freien Stickſtoffes bei den Pflanzen in ihrer Ab— hängigkeit von Species ꝛc. Landwirtſch. Jahrb. XXI. pag. 33.
kleinen Blumentöpfen.
Ungünftige Neigung der Bodenoberfläche.
250 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
noch andre Entwickelungserſcheinungen, außer der allgemeinen Re— duktion der Größenverhältniſſe, können ſich dabei ändern. Ich habe in Glasgefäßen von 21 Inhalt, die mit leichtem Sandboden ge— füllt ſind und eine Düngung mit Kali und Phosphorſäure, jedoch nicht mit Stickſtoff erhalten haben, Oenothera biennis ſchon bis ins dritte Jahr lebend erhalten, aber nur unter Bildung einer ſich immer wieder erneuernden Wurzelblattroſette, alſo ohne Bildung des blühenden Stengels, während dieſe Pflanze normal zweijährig iſt und im erſten Jahre eine Wurzelblattroſette entwickelt, im zweiten Jahre den blühenden Stengel bringt und dann abſtirbt, ſo daß hier die Blütenbildung immer verhindert und damit die ganze Entwickelungsdauer der Pflanze ver— längert wird.
Um eine Erklärung für dieſen Einfluß des beſchränkten Boden— volumens zu gewinnen, muß man zunächſt feſthalten, daß, wie ſchon erwähnt, nach den obigen Verſuchen Mangel an NRährſtoffen nicht die Urſache ſein kann. Dasſelbe Nährſtoffquantnm würde mehr leiſten, wenn die Wurzeln ſich weiter ausbreiten könnten. Der Grund muß alſo in den mechaniſchen Widerſtänden liegen, welche ſich der Ent— wickelung eines normalen Wurzelſyſtems entgegenſtellen. Sorauer!) will die vielen Krümmungen und Ouetſchungen, welche die Wurzeln in kleinen Kulturgefäßen erleiden, verantwortlich machen; das iſt aber keine befriedigende Erklärung. Die Sache liegt vielmehr offenbar ſo. In ihrer nächſten Umgebung entwickelt die Pflanze auch in einem engen Topfe nicht mehr Wurzelmaſſe als im fernen Lande; die weiter hinzukommenden Wurzeln ſind auch für eine weitere Entfernung vom Standorte der Pflanze beſtimmt; da ſie dieſe nun im engen Topfe nicht erreichen können, ſo häufen ſie ſich da, wo der Widerſtand liegt an; es entſteht, wie bekannt, ſchließlich ein den Boden und alle Wände des Gefäßes überziehender Hohlſack aus verflochtener Wurzelmaſſe. Alle dieſe Wurzeln aber ſind, da ſie ſich mit dem eigentlichen Erd— boden gar nicht in Verwachſung befinden, auch für die Erwerbung von Nährſtoffen faſt ganz bedeutungslos.
2. Neigung der Bodenoberfläche. Bekanntlich ſind nur ſolche Lagen, deren Bodenoberfläche nicht über 10° zum Horizonte ges neigt iſt, aus mechaniſchen Gründen zum ſichern Pflanzenbau zuläſſig, da bei ſtärkeren Neigungen durch die Regengüſſe, die nicht befeſtigte Feinerde mit der Zeit zu Thal geführt wird, falls nicht durch koſtſpielige Terraſſierung dies zu vermeiden iſt. Die ſteilen Bodenflächen eignen ſich nur für Wieſen und Waldvegetation, weil nur durch die Verankerung der Wurzeln dieſer Pflanzen im Felsgeſtein eine Befeſtigung der Boden,
1) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I., pag. 45.
2. Kapitel: Ungünſtige räuml. Verhältniſſe u. Lagenverhältniſſe d. Erdbodens 251
krume erzielt wird. Wo durch vollſtändige Abholzung ſolcher Flächen dieſe Befeſtigung verloren gegangen iſt, da iſt die Aufforſtung mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Daß die Lage einer geneigten Bodenfläche auch nach den Himmelsgegenden wegen der Temperatur- und Feuchtig— keitsverhältniſſe auf die Vegetation Einfluß hat, iſt in den Kapiteln, wo von dieſen Faktoren die Rede iſt, erwähnt worden. Insbeſondere f iſt bei den Einflüſſen der Temperatur darauf hingewieſen worden, daß N die ſüdlichen und ſüdöſtlichen Abdachungen wegen ihrer größeren und
längeren Erwärmung in höheren Gebirgsregionen die einzigen, dem
Ackerbau noch zugänglichen ſein können, daß aber auch anderſeits die ſtarken Temperaturſchwankungen und die Differenzen zwiſchen Luft— und Bodentemperaturen, die in dieſen Lagen vorkommen, verderblich für die Pflanzen werden können. Auch die ſtärkere Austrocknung, welcher die nach dieſen Himmelsgegenden geneigten Bodenflächen ausgeſetzt ſind, kann der Vegetation nachteilig werden. Es muß genügen, daß wir hier nur kurz auf dieſe Faktoren hinweiſen, denn eine eingehende Würdi— gung derſelben iſt mehr Gegenſtand des allgemeinen Pflanzenbaues.
3. Zu tiefe und zu flache Lage der Saat. Die Erfahrungungünſtige Tiefe
lehrt, daß in einer gewiſſen mäßigen Tiefe unter der Oberfläche des der Ausſaat. Bodens die größte Anzahl der ausgeſäeten Samen keimt, daß dieſe Zahl immer geringer wird, in je tieferen Lagen die Samen ausgelegt waren, und daß in einer ungewöhnlich großen Tiefe überhaupt keine Keimung mehr ſtattfindet, während auch wieder bei Auslage in der Nähe der Oberfläche des Bodens ſehr oft die procentiſche Zahl der gekeimten Samen ſich vermindert. Pflanzen, die aus ſehr großer Tiefe noch auf— gegangen ſind, zeigen ſich auch in ihrer ganzen Entwickelung verſpätet und ſchwächer. Um den in Rede ſtehenden Einfluß zu veranſchaulichen, wählen wir hier aus den zahlreichen hierüber gemachten Verſuchen einige der von Moreau gewonnenen Reſultate, die ſich auf Weizen beziehen, von dem je 150 Körner in beſtimmten verſchiedenen Tiefen in einem und demſelben Boden gleichzeitig ausgeſäet wurden.
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252 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Daraus würde ſich ergeben, daß für den Weizen unter den bei dem Verſuche gegebenen Verhältniſſen die günſtigſte Tiefe zwiſchen 50 und 40 mm lag.
Das Unterbleiben der Keimung in ſehr großer Tiefe erklärt ſich aus dem ungenügenden Zutritt von Sauerſtoff, welcher ein Bedürfnis für die Keimung iſt, und aus der Anhäufung von Kohlenſäure, welche der Keimung nachteilig iſt. Wenn in großer Tiefe noch Keimung ſtatt— gefunden hat, ſo vermag doch das Keimpflänzchen häufig das Licht nicht zu erreichen, man findet es bis zu irgend einer Höhe im Boden ge— wachſen und dann abgeſtorben. Die Todesurſache kann hier eine doppelte ſein: entweder hat es wiederum an reſpirabler Luft gefehlt, oder die aus dem Samen ſtammenden, zum Wachstum der Keimteile erforderlichen Reſervenährſtoffe waren erſchöpft, bevor der Stengel das Licht erreichen und ergrünen konnte, da ohne Chlorophyll eine Selbſt— ernährung unmöglich iſt. Bei Keimpflanzen, deren Kotyledonen über der Erde entfaltet werden, ſtreckt ſich bekanntlich das hypokotyle Glied ſo lange, bis jene über dem Boden erſcheinen, während bei Pflanzen mit unterirdiſch bleibenden Kotyledonen die auf letztere folgenden Stengelglieder dieſes Längenwachstum erleiden, um die Plumula ans Licht zu bringen. Dieſe Stengelglieder verlängern ſich hierbei nach Bedürfnis, denn bei flacherer Saat bleiben ſie ſehr kurz. Dieſe Streckungen ſind als ein durch den Lichtmangel im Boden bedingtes Etiolement zu betrachten !) und alſo offenbar ein ſehr gutes Hilfsmittel für die Keimpflanzen, um ſich aus jener ungeeigneten Lage zu be— freien. Allein bei ſehr tief ausgelegten Samen kann ſchließlich alles disponible Material des Samens zu dieſem Wachstum verwendet ſein, ohne daß das Ziel erreicht iſt. Aus der ſtarken Erſchöpfung der Re⸗ ſerveſtoffe, die damit verbunden iſt, erklärt ſich wohl auch genügend die oft lange anhaltende Schwächlichkeit ſolcher Pflanzen, welche ſich beim Keimen aus großer Tiefe heraufgearbeitet haben, und dürfte zu vergleichen ſein mit der ähnlichen Erſcheinung, welche eintritt, wenn man die Samen nach Wegſchneiden der Reſerveſtoffbehälter keimen läßt (ſ. pag. 119). Dagegen rührt der ungünſtige Erfolg bei der Keimung der ſehr nahe an der Bodenoberfläche liegenden Samen nur von den ungenügenden Feuchtigkeitsverhältniſſen her, welche hier ein— treten können. Die Keimwürzelchen an der Oberfläche des Bodens liegender Samen bleiben nur dann am Leben, wenn ihnen ununter⸗ brochen Feuchtigkeit geboten wird, bis das tiefere Eindringen gelungen iſt; andernfalls verwelken ſie und ſterben. Kommt nach dem erſten
) Frank in Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfl. II., pag 75.
2. Kapitel: Ungünſtige räuml. Verhältniſſe u. Lagenverhältniſſe d. Erdbodens 253
Verſchmachten der Wurzeln bald Feuchtigkeit, ſo kann das noch leben— dige junge Keimſtengelchen neue Adventivwurzeln treiben, die dann vielleicht ein beſſeres oder auch wieder dasſelbe Schickſal haben. Über⸗ haupt iſt dann die Gefahr nahe, daß der ganze Keim vertrocknet und verdirbt, denn Samen, welche einmal zu keimen begonnen haben, ver— tragen dann nicht diejenige Austrocknung mehr, welche für ungekeimte ſchadlos iſt. So erklärt ſich nicht nur das häufige Fehlſchlagen der Keimung, ſondern auch die ſchwächere Entwickelung ber Pflanze bei ungenügend tief untergebrachter Saat.
Die vorſtehenden Erörterungen laſſen auch die alte Gärtnerregel berechtigt erſcheinen, wonach man große Samen tief, kleine ſeicht, oder überhaupt jeden Samen wenigſtens ſo tief als ſein größter Durch— meſſer beträgt, unterbringen ſoll. Allein um die Gefahren einer Periode langer Trockenheit in den oberen Bodenſchichten zu vermeiden, die möglicherweiſe nach der Beſtellung eintreten kann, iſt es rationeller, die Samen eher etwas zu tief als zu flach auszuſäen. Aus dem oben Geſagten ging hervor, daß bei Vorausſetzung einer konſtanten genügen— den Feuchtigkeit an der Oberfläche des Bodens die Ausſaat in der oberſten Bodenſchicht das günſtigſte Reſultat liefern muß, weil ſie alle Nachteile einer tieferen Unterbringung vermeidet, daß dagegen bei Ein— tritt ſehr trockener Witterungsverhältniſſe dieſe nämliche Ausſaat ein viel ſchlechteres Reſultat liefern wird, als eine größere Tiefe, bei welcher der Schutz vor der Trockenheit den nachteiligen Einfluß der tieferen Verſenkung noch überwiegt. Die günſtigſte Tiefe in dieſem Sinne, welche Tietſchert!) als „rationelle Maximaltiefe“ bezeichnet hat, iſt von dem Genannten durch vergleichende Verſuche ermittelt worden. Selbſtverſtändlich iſt dieſelbe je nach Bodenarten ſehr ver— ſchieden, weil dieſe hinſichtlich der Permeabilität für Luft und der Feuchtigkeitsverhältniſſe ſich verſchieden verhalten. Sie beträgt
im Sand im kalkhaltigen Lehm im Humus im Thon für Roggen 10,8 cm 5,4 em 8 cm 5,4 cm für Raps 7,3 cm 5,4 cm 3,5 cm
Die Verſuche zeigten, daß bei dauernd genügender Feuchtigkeit der oberen Bodenſchichten ſeichtere als die angegebenen Lagen günfti- geren Erfolg hatten. Man ſieht hieraus, wie beſonders auf den leichten Sandböden eine tiefe Ausſaat angezeigt iſt. Die flache Saat iſt nur da angebracht, wo man die Regulierung der Feuchtigkeitsver⸗ hältniſſe in der Hand hat.
) Keimungsverſuche mit Roggen ꝛc. Halle 1872.
Regeln für Unterbringung der Samen.
Verſchüttung. Zu tiefes Pflanzen.
254 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
4. Verſchüttung und Tiefpflanzung. Pflanzenteile, welche an der Luft zu wachſen beſtimmt ſind, dürfen im allgemeinen nicht mit Erde bedeckt ſein, wenn ſie nicht erkranken und ſterben ſollen. Selbſtverſtändlich iſt ſolches für kleinere, zartere Pflanzen beſonders verderblich, aber auch für die meiſten Holzpflanzen gefährlich. Solche Fälle treten ein z. B. an ſteilen Lagen bei Erdabwaſchungen infolge ſtarker Regengüſſe, oder wenn mit Bäumen beſtandenes unebenes Terrain planiert worden iſt, wobei Bodenaufſchüttungen um die Stämme vor— genommen wurden. Die meiſten Gehölze vertragen letzteres ſchwer und gehen danach bald oder doch nach längerem Kränkeln ein. Das— ſelbe geſchieht, wenn Holzpflanzen beim Verſetzen zu tief eingepflanzt werden. Ungleich weniger empfindlich dagegen ſind diejenigen Pflanzen, an deren natürlichen Standorten ſolche Bodenveränderungen etwas Häufiges ſind, wie die Pflanzen der Dünen und der Flußufer, als Weiden, Pappeln, Hippophaö rhamnoides, welche auch aus völliger Verſchüttung wieder hervorzuwachſen vermögen. Die Urſache dieſer Beſchädigungen wird in einem Erſticken der Wurzeln infolge mangel— haften Zutritts ſauerſtoffhaltiger Luft geſucht, weil die Wurzeln zu tief unter der Bodenoberfläche zu liegen kommen, denn in der That ſind gerade die meiſten der feineren Saugwurzeln der Bäume in der oberen Bodenſchicht entwickelt. Die Widerſtandsfähigkeit der genannten Uferpflanzen erklärt man aus der Leichtigkeit, mit welcher gerade dieſe Pflanzen an jedem beliebigen Teile ihrer Holzaxen eine lebhafte Bil— dung von Adventivwurzeln eintreten laſſen können; in der That bilden fie nach Übererdung bald neue Wurzeln in dem aufgeſchütteten Boden. Am größten iſt natürlich die Gefahr einer zu tiefen Pflanzung in ſchwerem, dauernd waſſerreichem Boden. Wie die einzelnen Gehölz— arten in dieſer Beziehung ungleich empfindlich ſind und demgemäß ein tieferes oder flacheres Pflanzen erfordern, iſt von Bouſché) behandelt worden.
3. Kapitel.
Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheiten des Erdbodens.
Der den Pflanzen 1. Zu große und zu geringe Feſtigkeit des Erdbodens.
zuſagende Feſtig
keitsgrad des Erdbodens.
Die Wurzeln aller Landpflanzen bedürfen eines eigentlichen Erdbodens. Denn auf nacktem Geſtein oder Mauerwerk können Pflanzenwurzeln nur dann eindringen und ſich befeſtigen, wenn Spalten, die ſolches ermöglichen, vorhanden ſind. Nur Flechten und Mooſe vermögen auf nackten Steinen ſich feſtzuſetzen, indem ſie in den Unebenheiten der
1) Über das Tiefflanzen von Bäumen. Monatsſchr. d. Ver. z. Beförd. des Gartenbaus 1880, pag. 212.
3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheiten des Erdbodens 255
Oberfläche ſich anſiedeln und mit ihren das Geſtein korrodierenden Rhizinen in deſſen Subſtanz ſich einniſten, wodurch ſie Veranlaſſung geben zur erſten Bildung einer dünnen Schicht von Humus und Ver— witterungsprodukten des Geſteins, auf welchen dann immer größere Pflanzen ſich anſiedeln können.
Aber auch im Erdboden ſelbſt kann der Zuſammenhang der Kruſtierende einzelnen Bodengemengteile ſehr ungleich ſein und daher der Boden S hinſichtlich ſeiner Feſtigkeit große Verſchiedenheiten zeigen, die in ihren äußerſten Extremen ebenfalls ein mechaniſches Hindernis für die Vege— tation darſtellen. Auf der einen Seite ſtehen hier die kruſtierenden Böden, was ſich mehr oder weniger von allen thonreichen Bodenarten ſagen läßt: ſie bildem beim Austrocknen, alſo an ihrer Oberfläche, eine kompakte, ſteinharte, in Sprüngen zerklüftende Maſſe, weil alle Gemengteile eines ſolchen Bodens durch die Thonteilchen desſelben zuſammengekittet werden. Ein Boden in dieſem Zuſtande verhindert das Eindringen der Wurzeln und das Hervortreten der Keime; er kann auch vielfach Zerreißungen der im Bereiche der Kruſtenbildung befindlichen dünnen Wurzeln zur Folge haben. Erdböden, welche im feuchten wie im trockenen Zuſtande eine krümelige Beſchaffenheit, alſo die der Pflanze günſtige Lockerheit behalten, laſſen dieſe Beſchädigungen nicht befürchten. Aber die Feſtigkeit kann auch einen ſo geringen Grad zeigen, daß nun aus einem andern Grunde die Vegetation vereitelt wird. Es gilt dies von der lockerſten Form der Sandböden, die unter dem Namen Flugſand in manchen Gegenden des norddeutſchen Tief— landes und auf den Dünen am Seeſtrande bekannt iſt, weil ſie im trockenen Zuſtande ſo vollſtändig ohne Zuſammenhang iſt, daß ſie vom Winde fortgeweht wird, wodurch alſo an der einen Stelle die Samen— körner aus der Erde geweht oder die jungen Pflanzen entwurzelt, an andern Stellen Pflanzen verſandet werden. Zur Befeſtigung des Flug— ſandes dienen bekanntlich Anſaaten von Sandgräſern, wie Elymus arenarius, Arundo arenaria und baltica, Carex arenaria, weil dieſe durch ihre ſchnelle Bildung von Wurzeln und Ausläufern die Ober- fläche zuſammen halten, ſo daß Aufforſtungen mit Kiefern möglich werden. Zur Sandbefeſtigung eignen ſich auch von Holzpflanzen Hippophaé rhamnoides, Ulex europaeus, Robinia Pseudacacia.
2. Ungenügende Durchlüftung des Erdbodens.
Der Erdboden muß in einem gewiſſen Grade dem Luftwechſel zu- Die Pflanzen gänglich ſein, wenn in ihm Samen keimen und Wurzeln leben ſollen, bedürfen des weil alle lebenden Pflanzenteile Sauerſtoff zur Atmung bedürfen. In eee * einem Boden, in welchem der von den Wurzeln verzehrte Sauerſtoff 8
256 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
nicht durch Luftzutritt wieder erſetzt wird, und die entſtandene Kohlen— ſäure nicht entweichen kann, müſſen jene abſterben, erſticken, wie wir es mit Rückſicht auf die Todesurſache bezeichen können. Daß Samen darch längere Bedeckung mit Waſſer erſticken und dadurch ihre Keim— fähigkeit verlieren, iſt aus den Verſuchen von Zöbl) erſichtlich, wo— nach Gerſte nach 6, Roggen nach 9— 10 Tagen die Keimkraft eingebüßt hatten, während von Rüben nach 69 tägigem Aufenthalt in Waſſer noch faſt 50 Prozent keimten. Die Schädlichkeit des Sauerſtoffmangels und der Anſammlung von Kohlenſäure für die Wurzeln wird durch einen Verſuch W. Wolff's) bewieſen, nach welchem Pflanzen, die man in kohlenſäurereichem Waſſer kultiviert, zu aſſimilieren aufhören und welk werden, ſich aber wieder erholen, wenn ſie in deſtilliertes Waſſer geſetzt werden. Wir ſtellen hierher eine Reihe von Krankheitserſcheinungen, von denen einige unbeſtritten durch mangelhaften Zutritt von Sauer— ſtoff verurſacht werden, bei andern dieſes zwar nur hypothetiſch, aber mit größter Wahrſcheinlichkeit anzunehmen iſt. Zuvörderſt ſind aber die Umſtände anzugeben, unter welchen eine ſolche ungenügende Durch— lüftung des Bodens eintreten muß. Denn nicht bloß in großer Tiefe unter der Oberfläche iſt bei jedem Boden, wie wir oben (S. 252) ge— ſehen haben, mangelhafter Luftzutritt zu erwarten, ſondern es kann eben auch durch phyſikaliſche Beſchaffenheiten der Erdböden dieſer Fall eintreten. Alles, was die Poroſität des Bodens aufhebt, was das Ver— ſchwinden der zwiſchen den Bodenteilchen befindlichen Zwiſchenräume oder der in dieſen Poren enthaltenen Luft bedingt, hat jene Pflanzen— beſchädigungen zur Folge. Dieſer Zuſtand wird nun hauptſächlich durch ſtagnierende Näſſe des Bodens herbeigeführt. Das in der Erd— krume enthaltene Waſſer iſt durch Kapillarkräfte in derſelben feſtgehalten, indem die kleinen, feſten Teilchen, aus denen der Boden beſteht, kleine Räume zwiſchen ſich laſſen, in welchen Flüſſigkeiten kapillar angezogen werden, jo daß jedes Bodenpartikel von einer kleinen Waſſerhülle um⸗ geben iſt, deren Dicke je nach dem Feuchtigkeitsgrade größer oder geringer iſt. In einem Boden, den wir als trocken oder mäßig feucht bezeichnen, ſind die Lücken zwiſchen den Bodenteilchen nicht völlig von Waſſer erfüllt, ſondern lufthaltig, und die Luftkanälchen ſtehen mit der Luft über der Bodenoberfläche in Kommunikation. Wurzeln, die in ſolchem Boden wachſen, befinden ſich ſamt ihren Wurzelhaaren im Kontakt ſowohl mit den von Waſſerhüllen umgebenen Erdkrümchen,
1) Wie lange behalten die Pflanzenſamen im Waſſer ihre Keimfähigkeit. Wiſſenſch. prakt. Unterſuch. v. Haberland. Bd. I. 2) Tageblatt d. 45. Naturf.⸗Verſamml. zu Leipzig 1872, pag. 209.
3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheit des Erdbodens 257
als auch mit den lufthaltigen Kapillaren. Wird dem Boden immer mehr Waſſer zugeſetzt, ſo werden die Waſſerhüllen um die feſten Teilchen dicker, die Kapillaren immer mehr mit Waſſer angefüllt, und es tritt endlich der Punkt ein, wo der Boden mit Waſſer geſättigt iſt, d. h. wo er nicht im ſtande iſt, noch weiter zugeſetzte Flüſſigkeit durch Kapillar⸗Attraktion feſtzuhalten. Dieſen Punkt erkennt man daran, daß die Erde (z. B. in Blumentöpfen) unten ſoviel Waſſer abfließen läßt, als ihr oben beim langſamen Be⸗ gießen zugeſetzt wird. Im freien Lande hat der Boden dieſe letztere Beſchaffenheit an allen dauernd feuchten Stellen, beſonders wo ſtagnie— rende Näſſe herrſcht. In jedem Boden, deſſen Poren in dieſer Weiſe mit Waſſer verſtopft ſind, iſt die Bewegung der Luft in hohem Grade erſchwert. Auch von der Menge und Größe ſeiner Poren muß die Durchläſſigkeit des Bodens für Luft abhängig ſein. Hier ſtehen auf der einen Seite die lockeren, grobkörnigen Sandböden als diejenigen, welche die Luftbewegung am meiſten begünſtigen, da ſie ſogar bei zeit- weiliger Erfüllung mit Waſſer dieſes bald wieder durch ihre großen Poren abfließen oder verdunſten laſſen. Im Gegenſatz dazu zeichnen ſich die Lehm- und Thonböden und auch manche äußerſt feinkörnige, dichte und feſte Sandſchichten wegen ihrer ſehr geringen Poroſität und großen Feſtigkeit durch eine geringere Durchläſſigkeit für Luft aus, die im feuchten Zuſtande noch mehr vermindert wird, weil die kleinen Poren ſich durch Waſſer ſchnell erfüllen und dieſes mit großer Kraft in ſich feſthalten. Wie in der That die Durchläſſigkeit des Bodens für Luft mit der Dicke der Bodenſchicht ſich vermindert und wie überaus ungleich ſie iſt nach der Bodenart, wird durch die Verſuche vou Renk) und von Ammon) veranſchaulicht. So ging z. B. bei 40 mm Waſſerdruck durch eine 50 em hohe Bodenſchicht in einer Stunde Luft in Liter.
bei Quarzſand bis 0,25 mm Korngröße 16,80 1 1 8 von 0,25 0,50 mm I 41,04 1 1 1 „ 0,50 1,00 mm 5 92,24 1 5 N „ 1,002,500 mm 1 287,75 1 „ Kalkſand bis 025 mm N 4,24 1
neun, pulverförm g 1,62 1 „ „ gekrümelt, von 0,25—0,50 mm Korngröße 30,90 1
1) Jahresbericht f. Agrikulturchemie 1879, pag. 38. 2) Unterſuchungen über die Permeabilität des Bodens für Luft. For: ſchungen auf dem Gebiete d. Agrikulturphyſik 1880. 3. Heft. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Au 17
258 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Daraus erklärt ſich auch, daß, wie Wollny) gezeigt hat, der Gehalt des Bodens an freier Kohlenſäure um jo größer iſt, je feiner pulverförmig ſeine Gemengteile ſind, ferner je mehr der Waſſergehalt des Bodens ſteigt; auch Erhöhung der Temperatur bis zu einer ge— wiſſen Grenze bewirkt Steigerung des Kohlenſäuregehaltes des Bodens. Sumpfpflanzen. Nur die auf ſumpfigen Standorten wachſenden Pflanzen ertragen die ſoeben charakteriſierte vollſtändige Sättigung des Bodens mit Waſſer ohne Schaden, ja für ſie iſt ſogar eine ſolche Bodenbeſchaffenheit Be— dingung, denn die auf ſolche Standorte angewieſenen Arten von Gräſern und Halbgräſern zeigen auffallend geringe Entwickelung, ſpär— lichere, kürzere und kümmerliche Triebe, wenn der Boden, in welchem
fie ſtehen, jenen Feuchtigkeitsgrad eingebüßt hat. Empfindlichkeit Für alle diejenigen Landpflanzen aber, welche nicht eigentlich naſſe r. en Standorte haben, iſt eine Überfüllung des Bodens mit Waſſer ſchäd— Bodens. lich. Insbeſondere gilt dies von ſolchen Pflanzen, deren Wurzeln ſich bereits in einem ziemlich trockenen Erdreich entwickelt hatten. Die in— folgedeſſen eintretende Verderbnis der Wurzeln läßt ſich allgemein paſſend als Wurzelfäule bezeichnen; das Kränkeln und ſchließliche Abſterben der Pflanze infolge dieſes Wurzeltodes kann nun unter ver— ſchiedenen Symptomen ſich zeigen und je nach den begleitenden Um— ſtänden werden dieſe Beſchädigungen in der Praxis mit verſchiedenen Ausdrücken bezeichnet, ſie fallen aber eben urſächlich alle unter denſelben
Geſichtspunkt. Aus ſauern der Als Ausſauern der Saaten bezeichnet man die Erſcheinung beim Saaten. Ackerbau, wenn der Boden durch ungewöhnlich lange und reichliche Nieder—
ſchläge oder durch ſeine Lage in Flußauen oder in der Nähe ſtagnierender Gewäſſer bis an die Oberfläche oder auch nur in tieferen, von den Wurzeln erreichten Schichten andauernd naß bleibt. Eine gewiſſe Zeit können aller⸗ dings die landwirtſchaftlichen Kulturpflanzen eine ſolche ſchädliche Näſſe aushalten; bei Getreide hat man beobachtet, daß dies ſogar einige Wochen lang möglich iſt, die Pflanzen erholen ſich dann wieder, wenn normale Verhältniſſe wiederkehren. Es erklärt ſich dies aus den folgenden Beob— achtungen über die Anſtrengungen der Pflanze, in ſolchem Falle in der Nähe der Bodenoberfläche immer wieder neue Wurzeln zu erzeugen. Während die Pflanzen bis dahin nichts Krankhaftes zeigen, werden ſie, wenn der Boden dieſe Beſchaffenheit annimmt, in allen Teilen welk, dann ſchwarz oder gelb, überhaupt ſo verfärbt, wie es die betreffende Spezies im ab⸗ geſtorbenen Zuſtande zu zeigen pflegt, und endlich dürr; manche Pflanzen werfen auch vorher ihre Blätter ab. Die kranken Pflanzen laſſen ſich oft leicht aus der Erde ziehen und man bemerkt dann, daß ihr Wurzelſyſtem bereits abgeſtorben war und daß darin die nächſte Urſache des Welkens und Abſterbens der oberirdiſchen Teile lag. Den Prozeß dieſer Krankheit
) Unterſuchungen über den Einfluß der phyſik. Eigenſch. des Bodens auf deſſen Gehalt an freier Kohlenſäure. Daſelbſt 1881. 4. Heft.
3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheit des Erdbodens 259
3 verfolgte ich an einer Ausſaat von Vicia Faba und Lathyrus Ochrus, | die ſich in der Nähe eines größeren Teiches in ziemlich niedriger Lage be- fand, wo die Wurzeln bald die waſſerreiche Bodenſchicht erreichten. Die krankhaften Symptome an den oberirdiſchen Teilen wurden bemerkbar, als die Pflanzen eben erſt Blütenknoſpen zu zeigen begannen. Der Wurzelkörper iſt dann zum größten Teil abgeſtorben; die Hauptwurzel im unteren Teile dürr und ſchwarz oder braun, die meiſten Seitenwurzeln ebenfalls. Das Abſterben der Gewebe beginnt in der Epidermis und ſchreitet ſucceſſiv in die tieferen Schichten des Parenchyms fort, bei Vicia Faba unter Auftreten eines purpurbraunen Farbſtoffes in den Zellmembranen. An den von mir unterſuchten Wurzeln der durch Ausſauern getöteten Vicia Faba befanden ſich eine Menge Wunden, veranlaßt durch das Aufſpringen und die ab— normen, fſchwammigen Gewebewucherungen des Parenchyms, welche häufig auftreten, wenn Wurzeln von Landpflanzen im Waſſer oder in ſehr naſſem Boden wachſen. Dieſelbe Erſcheinung wird auch an holzigen Pflanzenteilen, wenn dieſe im Waſſer ſtehen, beobachtet. Es iſt nicht unmöglich, daß auf die Dauer auch ſchon ſolche Wunden für die Wurzel ſchädlich werden. Im Parenchym der abgeſtorbenen Wurzelteile fand ich nicht ſelten Fäden eines Pilzmyceliums von ungleicher Dicke, ſtellenweiſe mit Querſcheidewänden ö und ſpärlich verzweigt, ſowohl zwiſchen den Zellen als auch quer durch den Innenraum derſelben wachſend. Sie werden nicht in allen kranken Wurzeln und auch dort, wo ſie vorkommen, nur zufällig an einzelnen Stellen an— getroffen; mit fortſchreitender Fäulnis nimmt dieſes Mycelium an Ent— wickelung zu. Es handelt ſich daher hier nicht um paraſitäre Einflüſſe, ſondern um einen ſaprophyten Pilz, der ſich ſtellenweis an den abgeſtorbenen Teilen anſiedelt. Da der Tod an jedem Teile der Wurzel immer erſt ein— tritt, wenn der ſchädliche Einfluß des naſſen Bodens eine Zeit lang auf denſelben eingewirkt hat, ſo ſind die Spitzen der Seitenwurzeln vielfach allein noch lebendig, weiß und friſch. Dadurch iſt einigermaßen noch Auf— ſaugung möglich, und die Holzbündel der kranken Wurzelteile geſtatten 10 wenigſtens noch eine Waſſerſtrömung, ſo daß dann die oberirdiſchen Teile nicht ſogleich ſterben, ſondern noch eine Zeit lang lebendig erhalten werden können. Die Blätter ſterben dann von unten an in der Folge ihres Alters ab; die oberſten, jüngſten bleiben am längſten am Leben. Vor dem Tode ſucht die Pflanze eine Anzahl neuer Seitenwurzeln beſonders aus dem oberen noch ſaftigen und lebendigen Teile der Pfahlwurzel und ſelbſt aus dem nahe der Bodenoberfläche befindlichen geſunden Stengelſtücke zu treiben; doch auch dieſe Wurzeln verfallen dem nämlichen Schickſal, ſobald ſie tiefer in den Boden eingedrungen ſind, was dann erneute Anſtrengungen der Pflanzen, ſich zu bewurzeln, zur Folge hat. Bei dieſem Kampfe kann wenig⸗ ſtens eine kümmerliche Entwickelung der oberirdiſchen Teile, ſelbſt Blüten— und geringe Fruchtbilduug ermöglicht werden.
Denſelben Einfluß auf die im Boden befindlichen Pflanzenteile kann Ausfaulen der auch die Eiskruſte haben, die ſich bisweilen im Frühjahre auf dem Schnee Winterſaaten. bildet infolge von Auftauen und Wiedergefrieren; ſie verurſacht ebenfalls ein Ausfaulen der Saaten.
Hieran reiht ſich auch die bekannte Verderbnis, welche häufig Samen Faulen ausge- erleiden, die in übermäßig feuchten Boden ausgeſäet worden ſind: anſtatt ſäeter Samen. zu keimen, faulen ſie; große Samen, wie Bohnen u. dergl., verwandeln ſich dabei in eine ſtinkende, jauchige Maſſe.
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IL.
Verſauern der Topfgewächſe.
Wurzelfäule der Bäume.
260 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Das Verſauern der Topfgewächſe beruht auf derſelben Urſache. Es tritt ein, wenn das Abzugsloch des Blumentopfes verſtopft iſt oder das Begießen übermäßig erfolgt, beſonders bei lehmigen oder moorigen Erden. Wegen des Sauerſtoffmangels infolge der Erfüllung der Boden— räume mit Waſſer unterliegen die organischen Reſte der humushaltigen Erdböden einem andern Zerſetzungsprozeſſe als bei reichlicherem Sauerſtoff— zutritte; es entſtehen gewiſſe Humusſäuren, weshalb ein ſolcher Boden auch einen eigentümlichen Geruch annimmt. Dieſe ſauren Humuskörper ſind vielleicht auch direkt für die Wurzeln ſchädlich. i
Auch an Bäumen kommt nach R. Hartig) unter ähnlichen Boden⸗ verhältniſſen, wie die vorgenannten, eine Wurzelfäule vor, und zwar hauptſächlich an Kiefern in Beſtänden der norddeutſchen Tiefebene. Die von dieſer Krankheit befallenen Bäume zeigen oft keine Veränderung in der Benadelung, fallen aber bei ſtarkem Wind oder Schneeanhang um und zeigen dann nur die in die Tiefe gehende Pfahlwurzel völlig abgefault, während die flach unter der Bodenoberfläche verlaufende Bewurzelung geſund geblieben iſt. Die verfaulten Spitzen der Pfahlwurzel und der tiefergehenden Seitenwurzeln bleiben im Boden ſtecken; ſoweit ſie mit herausgezogen werden, ſind ſie völlig zerfaſert und hellgelbbraun. Die Krone des Baumes verrät das Leiden nur durch eine etwas kürzere Trieb— bildung der letzten Jahre. In andern Fällen aber macht ſich die Krankheit am ſtehenden Baume durch Kränkeln der Krone, durch die Kürze der Triebe und Nadeln bemerklich; werden ſolche Bäume ausgerodet, ſo findet man die Pfahlwurzel an der Spitze abgefault und bis in den Stock hinauf verharzt, wodurch die Säfteleitung aus den Seitenwurzeln in den Stamm beeinträchtigt wird. Von der ähnlichen Beſchädigung durch gewiſſe unter- irdiſche paraſitiſche Pilze unterſcheidet ſich die Krankheit nach R. Hartig darin, daß die Bäume nicht vertrocknen, ſondern nach dem Abfaulen der Wurzeln lebend umfallen, die flachſtreichenden Wurzeln aber geſund bleiben und keine änßerlich erkennbare Mycelbildungen zeigen. Nur in den durch die Fäulnis ſchon getöteten Kiefernwurzeln hat R. Hartig verſchiedene ſaprophyte Pilze, unter andern auch den Xenodochus liquiperda Wzlk. ge⸗ funden, die alſo erſt ſekundär auftreten und in keiner urſächlichen Beziehung zur Wurzelfäule ſtehen. Die Krankheit tritt mit dem 20 bis 30 jährigen Alter auf und verbreitet ſich nicht von einem Punkte aus im Laufe der Jahre weiter, ſoudern beginnt gleichzeitig über ganzen Beſtänden oder größeren Plätzen in denſelben; das Umfallen erfolgt bald hier bald da und hat ein allgemeines Lückigwerden des Beſtandes zur Folge. Aus den zahl— reichen von R. Hartig vorgenommenen Unterſuchungen hat ſich ergeben, daß in allen Fällen in einer gewiſſen Bodentiefe ſich eine Schicht befand, die ſich dadurch auszeichnete, daß ſie den Luftwechſel zwar nicht völlig aus⸗ ſchloß, demſelben aber in hohem Maße hinderlich war, und daß ſie das Eindringen der Pfahlwurzel in der Jugend geſtattet hatte, aber in einem gewiſſen Alter des Beſtandes den Tod dieſer Wurzeln herbeiführte. Oft trat ſtagnierende Näſſe in einer gewiſſen Bodenſchicht auf. Sehr häufig war ein ſchwerer, thonreicher Lehmboden, der in der norddeutſchen Tiefebene oft neſterweiſe oder über größere Flächen verbreitet mitten in tiefgründigem
Sandboden auftritt; und es zeigte ſich, daß die Wurzelfäule genau ſo weit
1) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878, pag. 75 ff.
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3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheit des Erdbodens 261
ging, wie der Lehmboden reichte, während auf dem reinen tiefgründigen Sand die Bewurzelung völlig geſund war. Auch hat R. Hartig den ſehr häufig auftretenden äußerſt feſten und feinkörnigen, Quarzmehl genannten Sand, ferner dichte Steinlager von Granitfindlingen, dichten Bauſchutt und andre undurchlaſſende Bodenſchichten bei Wurzelfäule von Kiefern vor— gefunden. An andern Nadelbäumen, die eine weniger tief gehende Pfahl— wurzel haben, zeigte ſich die Erſcheinung in weit geringerem Grade.
Auch bei Laubhölzern, beſonders bei Obſtbäumen, kommen auf feſtem, undurchläſſigen Bodenarten Erkrankungen vor, die ſich meiſt dadurch be— merkbar machen, daß die Pflanzen ſchwächliche Triebe bilden und gelbe Blätter haben, und daß ſie nach und nach dem Abſterben verfallen. Eine nähere Prüfung der Wurzeln zeigt dann gewöhnlich eine mehr oder minder ſtarke Wurzelfäulnis als die nächſte Urſache des Leidens. Freilich kommen an allerlei Laubholzgewächſen, ſowie am Weinſtock, vielfach Erſcheinungen von Gelbſucht der Blätter vor, wohl auch verbunden mit Wurzelerkrankungen, ohne daß man ſogleich berechtigt wäre, die Urſache in einer ungünſtigen phyſikaliſchen Beſchaffenheit des Erdbodens zu ſuchen. Auch manche andre Faktoren können Erkrankungen mit gleichen Symptomen veranlaſſen, und es ſind immer die jeweils gegebenen Umſtände näher zu prüfen, um den wirklich ſchädlichen Faktor ausfindig zu machen.
Bei Bäumen kann auch Verſumpfung des Bodens die Zufuhr Bäume leiden ſauerſtoffhaltiger Luft zu den Wurzeln erſchweren und zu Wurzelfäule oderbei Verſumpfung doch zu einer Störung der Wurzelthätigkeit Veranlaſſung geben, die ein des Bodens. Kränkeln oder krüppelhaften Wuchs der Bäume zur Folge hat. Verſumpfung muß eintreten, wo ein beſtändiger Zufluß von Waſſer ſtattfindet und wegen der Lage des Terrains der horizontale Abfluß erſchwert und auch ein ver— tikaler Abfluß verhindert iſt, alſo beſonders da, wo ſich aus eben dieſem Grunde Moorſümpfe gebildet haben. Die einzelnen Baumſpezies find um- gleich empfindlich gegen ſolche Bodenverhältniſſe. Die Erlen, Pappeln und Weiden vertragen dies noch am beſten; die meiſten andern Gehölze leiden darunter im höchſten Grade. Im norddeutſchen Tieflande iſt das Verhalten der gemeinen Kiefer in dieſer Beziehung äußerſt lehrreich. Wo die Sand— flächen, auf denen dieſer Baum ſehr gut gedeiht, unterbrochen ſind durch breitere Mulden, in denen Fliege oder Waſſeranſammlungen zur Moor⸗ bildung Veranlaſſung geben, da ſind die Kiefern bis zum Rande des Moores geſund und hochwüchſig, aber wie abgeſchnitten erſcheinen die gleichaltrigen Bäume auf der Moorfläche niedrig und krüppelig; ſie bilden hier Beſtände, die im Ausſehen etwa an die Vegetation der Sumpfkiefer (Pinus pumilio) in den höheren Gebirgsregionen erinnern, und die auch nach vielen Jahren dieſes Ausſehen nicht verändern und keinen bemerkbaren Zuwachs erkennen laſſen.
Behufs Verhütung der Wurzelfäule werden alle diejenigen Maß- Verhütung der regeln in Betracht kommen, durch welche der Faktor, der im gegebenen Wurzelfaule. Falle die ungenügende Durchlüftung des Bodens bedingt, beſeitigt wird. Bei den Kulturen im großen wird alſo in erſter Linie die ge— eignete Drainage vorzunehmen ſein überall da, wo übermäßige Näſſe vor— handen iſt. Bezüglich des vorteilhaften Einfluſſes der Drainierung feuchten Ackerbodens auf die Entwickelung und Produktion der Kulturpflanzen
262 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
kann hier füglich auf die Lehrbücher des Pflanzenbaues verwieſen werden. Wo es ſich um einen zu feſten, undurchläſſigen Boden handelt, wird die geeignete Lockerung vorzunehmen ſein, die durch Umbrechen im Herbſte und Liegenlaſſen des Bodens in rauher Furche während des Winters, außerdem auch durch Behacken oder Aufeggen, unter Umſtänden auch durch Kalken und Mergeln des Bodens zu erzielen iſt. Bei Topf— kulturen wird beſonders das übermäßige Begießen zu vermeiden ſein; man gebe den Pflanzen nur nach Bedarf Waſſer; es richtet ſich dies nach dem größeren oder geringeren Waſſerbedarf der einzelnen Pflanzen, der von ihrer Tranſpirationsgröße abhängig iſt; am leichteſten läßt ſich erkennen, ob die Topfpflanze begoſſen werden muß, durch Befühlen des Bodens, je nachdem er trocken oder feucht ſich anfühlt, und durch Anklopfen an den Topf, indem derſelbe hohl klingt, wenn es ihm an Waſſer fehlt, dagegen den Ton eines maſſiven Körpers giebt, wenn er noch genügend Waſſer enthält.
4. Kapitel. Ungünſtige Zuſammenſetzung des Bodens. A. Der Waſſermangel.
* 0 Waſſer iſt für alle Pflanzen unentbehrlich. Den Landpflanzen Pflanze. wird dasſelbe durch den Erdboden, der die Pflanzen trägt, unmittelbar geliefert, und dieſer empfängt es teils durch die Niederſchläge, teils durch ſeitlichen Zufluß, teils aus dem Untergrunde. Böden, die keinen ſeitlichen Zufluß erhalten, trocknen beim Ausbleiben der Niederſchläge, allmählich von der Oberfläche aus in immer tieferen Schichten aus. In einem Boden, der bis zu einem gewiſſen Grade ausgetrocknet iſt, u iſt daher weder eine Keimung von Samen, noch eine Erwerbung ge- * nügenden Waſſers durch die Wurzeln möglich, ſo daß alſo der Waſſer— verluſt, den die Pflanzen durch die Verdunſtung der Blätter an der Luft erleidet, nicht mehr erſetzt werden kann und auch die Zufuhr von Nährſtoffen aus dem Boden mangelhaft wird, weil die Pflanze dieſe Stoffe nur im waſſergelöſten Zuſtande, alſo mit Hilfe von Wafjer- erwerben kann. Es werden alſo verjchiedenartige Krankheitserſcheinungen zu erwarten ſein, je nach der Entwickelungsperiode der Pflanze, in welcher die Trockenheit eintritt, ſowie nach dem Grade und der Dauer der letzteren, aber auch nach dem ſpezifiſch ſehr ungleichen Waſſer⸗ Keimung wird bedürfnis und Waſſerhaushalt der einzelnen Pflanzenarten. durch Trocken⸗ 1. Störung der Keimung. Ohne Anweſenheit tropfbar flüſſigen
heit des Bod ens _ \ 2 ß j geſtöort. Waſſers keimen Samen nicht; denn das in Dampfform in der Luft
4. Kapitel: Ungünftige Zuſammenſetzung des Erdbodens 263
enthaltene Waſſer genügt dazu nicht. Hat die Keimung einmal be— | gonnen und iſt bis zum Hervortreten der erſten Keimteile fortgeſchritten, ſo iſt eine Austrocknung der Keimpflänzchen von ſchädlichem Einfluſſe auf die Organe derſelben und auf den weiteren Fortgang des Keim— prozeſſes. Die aus den Samen hervorgetretenen Wurzeln ſterben dann ab, und wenn bereits die Plumula ſich zu entwickeln begonnen hat, ſo findet bei erneuter Waſſerzufuhr eine Wiedererweckung der Keimkraft ſtatt. Bei Monokotyledonen bilden ſich aus dem erſten Knoten, bei Dikotyledonen, welche durch das Austrocknen die Pfahlwurzeln verlieren, aus dem hypokotylen Gliede raſch neue Adventivwurzeln, und die jüngeren Blätter der Plumula entwickeln ſich. Novaczek) hat feimende Samen wiederholt bei 15—20 C. ausgetrocknet, nachdem jedesmal durch Waſſerzufuhr der Keimprozeß wieder begonnen hatte und neue Wurzeln gebildet waren, und hat dies mehrere Male wiederholen müſſen, ehe an allen Verſuchspflanzen die Entwickelungsfähigkeit aufhörte. Am widerſtandsfähigſten gegen die Dürre zeigte ſich die Keimung des Hafers, nächſtdem Gerſte, Weizen und Mais; eher ſtarben Raps, Lein, Klee, Erbjen. Aus den Verſuchen von Will?) ergiebt ſich, daß die Keim— pflanzen um fo mehr leiden, je weiter der Keimungsprozeß fortgeſchritten, namentlich je weiter die Plumula entwickelt iſt zur Zeit, wo die Trocken— periode eintritt; bei Erbſenſamen traten, wenn in ſehr ſpäter Periode noch Austrocknung ſtattfand, ſogar Fäulniserſcheinungen ein, die von den abgetrockneten Wurzeln ausgingen und oft die Keimlinge töteten. Dieſe Erſcheinung kommt an den Saaten vor, wenn die Samen nicht genügend tief untergebracht ſind oder ganz oberflächlich liegen, und nach der Beſtellung andauernd trockenes Wetter herrſcht. Man vergleiche das oben (S. 253) über die rationelle Tiefe der Unterbringung des Saatgutes Mitgeteilte. Aus dem Geſagten erhellt auch, daß es unvorteilhaft iſt, vorher angequollenes oder gar ſchon ausgewachſenes und nachher wieder trocken gewordenes Saatgut zu benutzen. | 2. Welken. Wenn eine im Boden eingewurzelte Pflanze nicht Welten. Das jo viel Waſſer aus dem Boden aufzunehmen vermag, als fie in der- Weſen desſelben ſelben Zeit durch Tranſpiration der außerhalb des Bodens befindlichen | Teile Waſſer in Dampfform verliert, jo vermindert fich ihr Waſſergehalt. 4 Die Folge iſt, daß die Zellen der ſaftreicheren Gewebe ihren Turgor 7 verlieren und ſomit eine Erſchlaffung des ganzen Pflanzenteiles ein—
) Referiert in Biedermann's Centralbl. f. Agrikulturchemie 1876, I., ag. 344.
2) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XXVIII. 1882. Heft 1 u. 2.
Ungleiche Nei- gung der Pflan- zen zum Welk⸗
werden.
264 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
tritt, welcher eben als welker Zuſtand allgemein bekannt iſt. Am auf⸗
fallendſten wird dieſe Erſchlaffung an ſolchen Pflanzenteilen, deren meiſte Zellen ſaftreichen Inhalt, dünne, zarte Membranen haben und zugleich ſtark tranſpirieren. Denn hier iſt der Turgor der Zellen vor— wiegend die Urſache der Straffheit der Blätter und Internodien. Pflanzenteile dagegen, welche aus überwiegend feſteren und härteren Geweben (ſtark entwickelter Cuticula, kräftigem Hypoderm, vielen oder ſtarken Fibrovaſalſträngen) beſtehen, zeigen keine ſo deutliche Erſchlaffung bei großem Waſſerverluſte, weil die Beſchaffenheit der genannten Ge— webe den Teilen ihre Steifheit erhält; ſolche Pflanzen können ganz vertrocknen ohne eigentliche Welkungserſcheinungen. Langgeſtreckte Inter— nodien ſieht man gewöhnlich in einem unmittelbar unterhalb des oberen Endes gelegenen Stücke am ſtärkſten erſchlaffen und ſich um— neigen, wie es Sproſſe mit gegen- oder quirlſtändiger Blattſtellung ſowie die langen Stiele von Blüten oder Blütenköpfen häufig zeigen. Dies hat ſeinen Grund darin, daß in der bezeichneten Region das Wachstums am längſten andauert, die Gewebe alſo dort noch in dem erwähnten weichen Zuſtande ſich befinden, und die härteren mechaniſchen Gewebe nur erſt unvollſtändig ausgebildet ſind.
Bei einem und demſelben Feuchtigkeitsgehalte des Erdbodens und der Luft zeigen die verſchiedenen Pflanzen keineswegs gleiche Empfind— lichkeit hinſichtlich des Welkwerdens. Es kann hier nur ganz kurz auf die in der Pflanzenphyſiologie näher behandelten Verhältniſſe ein- gegangen werden, von welchen die Waſſererwerbung, die Aufſammlung von Waſſer und die Waſſerabgabe der Pflanzen durch Tranſpiration bedingt ſind. Je ſchwächer relativ das Wurzelſyſtem entwickelt iſt, deſto ſchneller wird bei lebhafter Tranſpiration unter ſonſt gleichen Um⸗ ſtänden Welken eintreten müſſen. Daher widerſtehen diejenigen Kräuter, die nur wenige, kurze, in der oberen Bodenſchicht entwickelte Wurzeln beſitzen, der Bodendürre weniger lange als ſolche, welche mit einem weit und tief im Boden ſich erſtreckenden Syſtem unterirdiſcher Organe aus⸗ gerüſtet ſind. Und Pflanzen, deren Wurzeln mechaniſch beſchädigt oder zerſtört find (nach dem Verſetzen) oder durch irgend eine Erkrankung ge-
litten haben oder infolge andrer ungünſtiger phyſikaliſcher Einflüſſe, z. B.
wegen zu niederer Temperatur des Bodens funktionslos ſind, welken ſogar ſchon bei günſtigen Feuchtigkeitsverhältniſſen des Bodens, woraus ſich ergiebt, daß Welkwerden auch das Symptom vielerlei andrer ſchädlicher Einwirkungen ſein kann, die an dieſer Stelle nicht zu erörtern ſind. Zweitens hält die Pflanze eine Bodendürre um ſo länger aus, einen je ſtärker entwickelten Holzkörper ſie beſitzt, weil dieſer als der
eigentliche Weg der Waſſerſtrömung in der Pflanze zugleich ein Reſer⸗ |
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 265
voir von Waſſer darſtellt, welches am größten bei den mit einem mächtigen Holzeylinder verſehenen Bäumen tft, bei denen die Blätter längere Zeit ihren Verdunſtungsverluſt aus dieſem erſetzen können. Darum fieht man, wenn die Kräuter vor Trockenheit zu welken be— ginnen, an den Sträuchern und Bäumen noch nichts davon, und es bedarf einer längeren Dürre, ehe das Laub dieſer Pflanzen anfängt welk zu werden. Endlich drittens iſt die Intenſität der Verdunſtung, d. h. die Waſſermenge, welche von einem gleichen Flächenſtücke eines Blattes, unter gleichen äußeren Bedingungen, in gleichen Zeiten tranſpiriert wird, bei den einzelnen Pflanzenarten im höchſten Grade ver— ſchieden. Dies hat natürlich zur Folge, daß die verſchiedeneu Pflanzenarten einer und derſelben Trockenheit ſehr ungleich widerſtehen. Pflanzen mit dünnen, weichen, kahlen Blättern verdunſten am raſcheſten und welken da— her am ſchnellſten. Schwächer iſt die Tranſpiration derjenigen Pflanzen, welche immergrüne, feſte, mit einer ſtarken Cuticula überzogene Blätter be— ſitzen, was überhaupt für alle Pflanzenteile gilt, welche mit einem für Waſſer ſchwer permeablen Hautgewebe ausgeſtattet ſind, wie alle mit Korkſchicht, Periderm, Borke umhüllten Organe. Eine äußerſt langſame Verdunſtung haben die Succulenten, wie die Cacteen und kaktusförmigen Euphorbien, die Kraſſulaceen, Aloeen, Agaven ꝛc., die daher auch unter allen Pflanzen der Dürre den größten Widerſtand leiſten, wodurch ſie befähigt werden, auf dem trockenen, ſonnigen Felsboden der Hochebenen und in der regenloſen Periode in den Steppen und Wüſten ihrer Heimat ſich am Leben zu erhalten.
Welke Pflanzenteile können wieder trugescent werden, wenn das richtige Verhältnis zwiſchen Waſſerauſſaugung und Tranſpiration wieder hergeſtellt wird. Jedoch iſt ein übermäßig hoher Grad von Welkheit nicht mehr reparabel; ein ſolcher Pflanzenteil erſchlafft viel— mehr unaufhaltſam weiter und ſtirbt unter allmählicher Vertrocknung, auch wenn für reichliche Waſſerzufuhr oder für Verminderung der Tranſpiration geſorgt worden iſt. Die Pflanze kann dabei entweder ganz zu Grunde gehen, oder ſie verliert nur die ſtärker gewelkten Teile, alſo die ausgebildeten Blätter, während die Stengelſpitze mit den jüngeren noch nicht völlig erwachſenen Blättern ſich erholt. Dieſe Er— ſcheinung kann zweierlei Gründe haben. Erſtens wird die Leitungs— fähigkeit des Holzkörpers für Waſſer vermindert oder ganz aufgehoben, wenn derſelbe ſtärker austrocknet und eine Zeit lang wirklich aufgehört hat Waſſer zu leiten. Zweitens iſt aber für alle lebendige Zellen ein Waſſerverluſt, der eine gewiſſe Grenze überſchritten hat, unfehlbar tödlich, weil Waſſer zu den Exiſtenzbedingungen der lebenden Zellen gehört. Immerhin können die grünen Blätter eine Zeit lang ziemlichen
Folgen des Welkens.
266 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüffe
Waſſerverluſt ohne Schaden ertragen. Nach Schröder!) blieben Blätter von Echeveria, welche normal 94,4 Prozent Waſſer enthalten, bei einem Waſſerverluſte bis zu 75,7 Prozent lebendig; bei Verluſt von 78,3 Prozent ſtarben ſie; Blätter von Fuchsia, welche einen Waſſergehalt von 88,8 Prozent haben, ertrugen 35 bis 36 Prozent Waſſerverluſt ohne rn höhere Verluſte brachten das Blatt zum Teil, ein ſolcher von 5 Prozent ganz zum Abſterben. Nur die Flechten und die meiſten Mooſe können ohne zu ſterben, ihr ganzes Vegetationswaſſer eine Zeit lang verlieren. Wenn die Oberfläche des Geſteins, der Baumrinde und des Erdbodens, den dieſe Pflänzchen bewohnen, austrocknet, ſo ſchrumpfen dieſelben zuſammen, werden dürr und ſpröde, aber leben dennoch wieder auf, ſobald Feuchtigkeit eintritt. Verhinderung Das Welken wird verhütet oder wieder beſeitigt, wenn genügende a eraufſaugung durch die Wurzeln ermöglicht, aljo für ausgiebige Bewäfjerung des Bodens geſorgt wird. Aber es kann auch bei großer Trockenheit des Bodens ohne Zufuhr von Waſſer gehoben werden, wenn die Verdunſtung der Pflanze vermindert oder ganz unterdrückt wird. Daher können erſchlaffte Pflanzen allein dadurch wieder friſch werden, daß der Feuchtigkeitsgehalt der Luft größer wird, alſo z. B. wenn man die gewelkten Pflanzen mit einer Glasglocke bedeckt oder in die feuchte Luft eines Gewächshauſes ſtellt, oder auch ihre Blätter mit Waſſer beſpritzt. Auf dieſe Weiſe erklärt es ſich auch, warum Freilandpflanzen, die am Tage wegen Trockenheit des Bodens welk geworden ſind, in der Nacht wieder friſch werden, weil die Luft zur Nachtzeit einen höheren Feuchtigkeitsgehalt beſitzt und weil die Tran- ſpiration der Pflanze durch den Einfluß des Lichtes geſteigert, durch die Dunkelheit verlangſamt wird; das Waſſer, welches die Wurzeln ja auch aus dem trocknen Boden noch immer langſam er kann ſich nun wieder in der Pflanze anſammeln.
Sommerbürre 3. Sommerdürre. Verſcheinen und Notreife des Getreides. 8 Wenn eine fertig oder nahezu fertig entwickelte und vollbelaubte 85 Pflanze in eine Trockenheitsperiode kommt, wobei zwar noch immer ſo viel Feuchtigkeit von den Wurzeln geſammelt wird, um das akute Verwelken zu verhüten, aber doch der Waſſervorrat im Boden zu gering iſt, um die erforderliche Menge von Nährſtoffen, welche die Pflanze beanſprucht, in fie einzuführen, jo tritt mehr eine chroniſche Krankheits— - form auf, die ſich ganz allmählich herausbildet und durch eigentümliche Symptome charakteriſiert iſt, die beim bloßen Verwelken nicht Zeit haben
1) über die Austrocknungsfähigkeit der Pflanzen. Unterſuch. aus d. bot. Inſt. Tübingen II. Heft 1.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 267
ſich auszubilden, wiewohl, wie das nicht anders zu erwarten iſt, dabei auch Welkungserſcheinungen manchmal zeitweilig mit hinzutreten. Dieſe mit den Eingangs genannten Namen bezeichnete Krankheit läßt ſich als ein langſames Verhungern und Vertrocknen charakteriſieren und äußert ſich darin, daß die Blätter, ihrer Altersfolge nach, alſo vom unterſten beginnend nach oben fortſchreitend, eins nach dem andern total gelb und bald vollſtändig dürr werden, wobei bisweilen zugleich. ſtellenweiſe braune Flecken ſich bilden. Beſonders bei den Gramineen beginnt am einzelnen Blatt die Verfärbung an der Spitze und ſchreitet allmählich bis zur Baſis fort; man fieht alſo hier während des Auf— tretens der Krankheit Blätter, bei denen nur die Spitze, ſolche, bei denen ein größerer Teil der Blattfläche oder die ganze Blattfläche gelb geworden iſt, ſowie ſolche, wo die Gelbfärbung auch bereits an der Blattſcheide mehr oder weniger weit herab reicht, ſo zwar, daß die Krankheit an der Spitze eines Blattes ſchon beginnt, wenn ſie an den vorangehenden noch nicht bis zur Baſis fortgeſchritten iſt. Der Erfolg für das Leben der ganzen Pflanze iſt ein ſehr verſchiedener. Bei den einjährigen, zumal beim Getreide, richtet ſich das nach der Entwickelungs— periode, in welche die Sommerdürre fällt!). Wenn die Pflanze den Beginn des Samenanſatzes erreicht hat, ſo hindert das Abſterben der Blätter die vollſtändige Ausreifung der Körner nicht mehr weſentlich, die vorhandenen Nährſtoffe werden dann aus den Blättern in die jungen Fruchtanlagen transportiert, und die Ernte iſt nicht gefährdet. Häufig kommt aber die Krankheit ſchon früher, etwa gegen die Blüte— zeit; der Blütenſtand bleibt dann in der oberſten Scheide ſitzen, denn es iſt oft kaum das oberſte Blatt noch geſund und die Pflanze iſt bald ganz gelb, ähnlich wie bei der natürlichen Reife, ſie wird not— reif, wie man ſich ausdrückt. Da in dieſer Zeit die Pflanze noch der Aſſimilationsorgane bedarf, ſo hat der Verluſt derſelben die Folge, daß die Körnerbildung ganz unterbleibt oder ſehr mangelhaft geſchieht. Sogar vor dem Sichtbarwerden des Blütenſtandes kann das Verſcheinen ſchon den Halm töten; es wächſt dann manchmal noch ein ſeitlicher Beſtockungstrieb auf, der aber auch bald von demſelben Schickſal er— eilt wird. Wir haben dann den ſtärkeren Grad vor uns, der als eigentliches Verſcheinen bezeichnet wird. Perrennierende Gräſer ver— lieren bei ſtarker Dürre ihre oberirdiſchen Sproſſe unter den gleichen Erſcheinungen; Grasplätze ſehen dann verdorrt aus. Aber hier halten die perennierenden Teile lange lebensfähig aus und bringen bei Eintritt von Feuchtigkeit wieder grüne Triebe hervor.
) Vergl. Hellriegel, Beiträge z. d. naturwiſſ. Grundlagen des Ackerbaues. Braunſchweig 1883, pag. 498 ff.
Sommerdürre bei Holzpflanzen
Gipfeldürre.
268 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Auch bei dikotylen Krautpflanzen” zeigt ſich Sommerdürre unter analoger Verfärbung der Stengel und Blätter von unten an beginnend. Was die Praktiker beim Lein als „die Röte“ und als „Gelbſucht der Köpfe“, beim Hopfen als „Sommerbrand“ oder „rote Lohe“ bezeichnen, gehört hierher.
Sogar bei Holzpflanzen tritt in trockenen Sommern am Laube die Erſcheinung der Sommerdürre auf. Es iſt jedoch für dieſe Pflanzen der Verluſt des Laubes durch Sommerdürre nicht tödlich; Zweige und Knoſpen bleiben am Leben und belauben ſich und blühen teilweiſe bisweilen ſchon im Herbſt wieder, wenn die Witterung feuchter wird. Nur eine ungewöhnlich lange Dürre zieht auch für ſolche Pflanzen den Tod nach ſich. Aber das vorzeitige Abſterben des aſſimilierenden Laub— körpers hat jedenfalls eine mangelhaftere Holzbildung, nämlich einen vorzeitigen Abſchluß des neuen Holzringes und außerdem wohl auch eine unvollſtändige Bildung von Reſervenährſtoffen in Stamm und Zweigen zur Folge, abgeſehen von dem Subſtanzverluſte, der durch die in voller Vegetationsthätigkeit verloren gehenden Blätter bewirkt wird. An immergrünen Bäumen äußern ſich die Wirkungen eines ſehr trockenen Sommers in dem Abwerfen der Blätter, und zwar der älteren Blätter, die ja auch normal nach und nach abfallen, unter dieſen Umſtänden aber zahlreich und verfrüht abgeworfen werden. So thun es nach Bouché !)) die Orangenbäume, Kamellien, Lorbeer und andre immergrüne Bäume; Thuja wirft die grünen Zweige ab. An den Obſtbäumen haben trockene Sommer ein Abwerfen der Früchte im unreifen Zuſtande zur Folge.
In Waldbeſtänden tritt an Bäumen, die vorher unter günſtigeren Verhältniſſen ſich entwickelt haben, bei Verminderung des Waſſer- und Nährſtoffgehaltes des Bodens außer der allgemeinen Wuchs— verminderung, leicht die ſogenannte Gipfeldürre oder Zopftrocknis ein, d. h. ein Vertrocknen des oberen Teiles der Baumkrone, während der untere Teil ſich grün erhält. In Rotbuchenbeſtänden ſoll dies oft ſchon im Stangenholzalter dann auftreten, wenn Streunutzung ſtattfindet, was ſich aus der unentbehrlichen Verwertung des Laubhumus durch die in der oberſten Bodenſchicht wachſenden Mykorhizen, von denen unten die Rede ſein wird, erklärt. Die waſſerbedürftige Erle wird bei übertriebener Entwäſſerung gipfeldürr. Eichen, die im Beſtandesſchluſſe erwachſen ſind, ſollen nach Freiſtellung leicht gipfeldürr werden, was R. Hartig?) dadurch zu erklären ſucht, daß infolge der Freiſtellung die ſtärkere Licht⸗
1) Monatsſchrift der Ver. z. Beförder. d. Gartenb. 1877, pag. 246. 2) Lehrbuch d. Baumkrankheiten 2. Aufl. Berlin 1889, pag. 241.
4. Kapitel: Ungünftige Zuſammenſetzung des Erdbodens 269
wirkung eine ſtärkere Aſſimilation den Blätter und reichliche Bildung von Waſſerreiſern am Schafte hervorrufen, daß anderſeits aber auch der Humus des Bodens raſcher verzehrt werde und den Boden tiefer aus— trockne. Bisweilen ſollen auch an Baumſtämmen infolge ſtarker Trockenheit Riſſe im Holze, ähnlich den Froſtriſſen (S. 210), beſonders an der Süd- und Weſtſeite eintreten, wofür Hartig!) und Nörd— linger?) Angaben beibringen.
Über die Natur des Verſcheinens und ſeinen Zuſammenhang mit der Mikrofkopiſche Trockenheit des Bodens ſind wir noch ungenügend unterrichtet. Die Krank- und chemiſche heit mit der herbſtlichen Entfärbung und Entleerung der Blätter zu ver- Veränderungen gleichen, iſt unſtatthaft, wie Krauss) bezüglich der Holzgewächſe nach- m ts gewieſen hat. Derfelbe zeigte, daß die am Blattgrunde im Herbſt ſich $ bildende Trennungsſchicht, welche den Blattfall vorbereitet, hier nicht gebildet wird, weshalb die durch Sommerdürre getöteten Baumblätter den ganzen Winter am Baume hängen bleiben, ferner daß das Meſophyll zwar ebenſo wie in den herbſtlichen Blättern keine Spur von Stärkemehl, wohl aber noch das anſcheinend unverminderte Protoplasma in den Zellen enthält, teils zu braunen desorganiſierten Klumpen zuſammengeballt, teils zwar zuſammengezogen, aber noch die Chlorophyllkörner und den Zellkern erkenn— bar enthaltend. In ſommerdürren Blättern von Gerſte und Hafer finde ich im Meſophyll ebenfalls keine Stärke, während dieſelbe im geſunden grünen Blatte dort reichlich vorhanden iſt; auch die Chlorophyllkörner ſind verſchwunden, an ihrer Stelle gelbe, ölartige Kügelchen, bald große, bald kleine und dann molekular bewegliche vorhanden, welche durch Ather auf—
5 gelöſt werden; außerdem enthalten die Zellen ihr nicht merklich vermindertes Ir Protoplasma zu einem großen, meiſt runden, farbloſen Körper kontrahiert; 5 in manchen Zellen ſcheint die gelbe ölartige Subſtanz in dem Protoplasma— F klumpen gelöſt zu ſein, denn dieſer ſieht gelb aus und entfärbt ſich durch 8 Ather. Die oben erwähnten braunen Flecken der Getreideblätter beruhen 5 auf einer Braunfärbung der Zellmembranen, namentlich der Außenwand 2 der Epidermiszellen, welche auf einem gewiſſen Areal dieſe Farbe annimmt; i beſonders intenſiv erſcheinen dann gewöhnlich die Spaltöffnungszellen ge— 1 bräunt. Von der Epidermis aus kann die Färbung auch mehr oder weniger
1 tief ins innere Gewebe ſich erſtrecken, ſowohl auf die angrenzenden Zellen 8 eines Fibrovaſalſtranges, als auch auf die des Meſophylls Dieſe Bräunung 0 iſt wohl der vielfach an abgeſtorbenen Zellen zu beobachtende Beginn eines 8 Humifikationsprozeſſes. Pilze ſind, wenigſtens im Anfange der Verfärbung, 8 nicht vorhanden; aber es erſcheinen ſehr bald, wie auf allen abgeſtorbenen
ß an der Luft befindlichen vegetabiliſchen Teilen, einzelne aufgeflogene und 4 in Keimung begriffene Sporen von Cladosporium und Sporidesmium, & aus denen ſich manchmal ſpäterhin, wenn der Tod des Blattes eingetreten *. iſt, die bekannten ſchwarzbraunen Räschen der Konidienträger dieſer Pilze 3 entwickeln, welche hiernach in keiner kauſalen Beziehung zur Krankheit ſtehen.
Am Wurzelſyſtem iſt nichts Abnormes zu bemerken. Über die ſtofflichen
) Flora 1883, Nr. 14, pag. 224. 2) Centralblatt f. d. geſamte Forſtweſen 1878, pag. 281. 3) Botan. Zeitg. 1873, Nr. 26 u. 27.
270 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Verhaͤltniſſe des ſommerdürren Blattes liegt außer dem angegebenen mikro— ſkopiſchen Befunde nur folgende Analyſe Märker's vor, welche von Kraus (J. e.) mitgeteilt wird, und den prozentiſchen Gehalt, auf Trockenſubſtanz bezogen, von ſommerdürren und herbſtlichen Blättern eines und desſelben Strauches von Syringa gegenüberſtellt.
Sommerdürre Herbſtliche Blätter
Stickſtoff 1,947 N
Phosphorſäure 0,522 0,373 Kali 2,998 3,831 Kalk 1,878 2,416 Mineralſtoffe 8,028 9,636
Dieſe Zahlen zeigen, daß man die Sommerdürre nicht mit dem herbſt— lichen Laubfall vergleichen darf und daß dem Baume durch dieſe Krankheit faſt doppelt ſoviel Stickſtoff und Phosphorſäure als durch die herbſtliche Entleerung verloren geht. Dies wird dadurch erkärlich, daß beim Eintritt der Sommerdürre die Zellen des Meſophylls im Vollbeſitze ihres Protoplasma vom Tode ereilt werden, während bekanntlich vor dem Laub— fall im Herbſte die Bauſtoffe des Protoplasma zum großen Teil wieder aus dem Blatte in die Zweige zurückwandern. Ich habe aber ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches geltend gemacht, daß der Schluß, den Kraus weiter aus jenen Zahlen zieht, nicht berechtigt iſt; er ſchließt näm- lich, „daß in den ſommerdürren Blättern ſowohl das Kali als das Stärke— mehl auswandern, ganz jo, wie vor dem herbſtlichen Blattfall“. Das Fehlen des Stärkemehls im ſommerdürren Blatte kann, aber muß nicht ſo erklärt werden, denn in einem kranken Blatte könnte die Stärke auch auf andre Weiſe, z. B. durch Desorganiſation unter Mitwirkung der Atmung, zerſtört werden; übrigens findet überhaupt keine oder nur eine beſchränkte Bildung von Stärkemehl durch Aſſimilation in ſolchen Blättern ſtatt, die ſchon ſeit langer Zeit ſich zu verfärben, alſo ihr Chlorophyll zu verlieren begonnen haben. Bezüglich des Kalis aber wäre jene Behauptung doch offenbar nur dann erwieſen, wenn man wüßte, daß in dem ſommerdürr gewordenen Blatte überhaupt jemals mehr Kali geweſen iſt. Dafür fehlt jeder Beweis. Ich faſſe vielmehr das Verſcheinen als Symtom einer mangelhaften Ernährung, als Folgen eines Mindergehaltes an gewiſſen mineraliſchen Nährſtoffen auf, was freilich erſt durch vergleichende Aſchenanalyſen normaler Blätter derſelben Pflanze vom gleichen Standort und in gleicher Entwickelungsperiode bewieſen werden müßte. Die obigen Zahlen ſind, ſoweit ſie ſich überhaupt vergleichen laſſen, mit dieſer Auffaſſung im Einklang: dieſommerdürren Blätter find ärmer an Kali, Kalk und andern mineraliſchen Nährſtoffen, als die geſunden. Daß Phosphorſäure und Stickſtoff in den ſommerdürren Blättern in größerer Menge enthalten ſind als in den Herbſtblättern, kommt daher, daß dieſe Stoffe vor dem herbſtlichen Laubfall aus den Blättern zurückwandern. Das beweiſt aber nicht, daß nicht auch von dieſen Stoffen in den kranken Blättern weniger vorhanden iſt als in den geſunden aus derſelben Entwickelungsperiode Ich halte eine ungenügende Zufuhr der mineraliſchen Nährſtoffe für die notwendige Folge mangelhafter Feuchtig- keit des Bodens. Man würde dann die Veränderungen begreifen können, die ſich als Symptome bei Verſcheinen einſtellen: nicht bloß die Des⸗ organiſation gewiſſer organiſierter Gebilde in den Zellen, ſondern auch die
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 271
oben beſchriebene Succeſſion, in welcher dieſelbe an den Organen ſtattfindet. Es iſt ferner zu vermuten, daß die Bodendürre dieſen Erfolg an einer Pflanze um ſo eher hervorbringt, ein je ſchwächeres Wurzelſyſtem dieſelbe im Verhältnis zur Größe des oberirdiſchen Körpers beſitzt, mag dasſelbe nun eine normale Eigentümlichkeit der Spezies oder ſelbſt wieder die Folge eines andern ſchädlichen Einfluſſes ſein, ſowie daß Pflanzen, deren Hauptwurzelmaſſe in den oberen, austrocknenden Bodenſchichten angelegt iſt, leichter ſommerdürr werden, als die tiefwurzeligeren. Hiermit hängt es viel- leicht zuſammen, daß Monokotyledonen und beſonders Sommergetreide früher als alle andern Pflanzen dem Verſcheinen anheimfallen. Die Berückſichtigung, daß die Krankheit durch die Kombination der angedeuteten verſchiedenartigen Momente zu ſtande kommt, wird auch den Schlüſſel zu der Erſcheinung liefern, daß die Sommerdürre oft nur ſtellenweiſe in einem Acker ſich zeigt. 4. Verzwergung (Nanismus). Ein ganz andrer Erfolg tritt Verzwergung.
aber ein, wenn der nämliche Grad von Bodentrockenheit, welcher an einer bis dahin normal entwickelten Pflanze Verwelken oder Verſcheinen hervorrufen würde, ſchon vor der Zeit der Keimung andauernd herrſcht. In dieſem Falle kann die Pflanze ſich den ungünſtigen Ver— hältniſſen anpaſſen, indem ſie den Plan für ihre ganze zukünftige Ent— wickelung von vornherein danach einrichtet. Es geſchieht dies dadurch, daß die Pflanze verzwergt, indem eine Reduktion in den Größen- und alſo auch Maſſenverhältniſſen aller einzelnen Glieder eintritt, wobei aber, was das Wichtigſte iſt, keine eigentlichen Krankheitserſcheinungen ſich zeigen und die Pflanze ihre ganze Entwickelung bis zur Erreichung der Samenreife durchmacht. Die Pflanzen erſcheinen dann alſo als Zwerge und ſind in dieſer Beziehung einer erſtaunlichen Reduktion fähig, wie die unten folgenden Angaben beweiſen. Vom Standpunkte des Pflanzenbaues ſind freilich ſolche Verzwergungen der Pflanzen, wegen der entſprechenden Verminderung der Produktion, einem Mißraten gleich zu achten. Aber vom Standpunkte der Pflanze ſelbſt erfüllen die Zwerge die allgemein den Pflanzen geſtellte Aufgabe: ja ſie können unter den gegebenen Umſtänden dieſe ihre Lebensaufgabe eben nur dadurch, daß ſie Zwerge ſind, erfüllen. Und in der Erkenntnis dieſer Thatſache, daß es ſich um eine Anpaſſung an die gegebenen Umſtände handelt, um die Pflanze dabei entwickelungsfähig zu machen, liegt eben, wie ich ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches auseinander geſetzt habe, die einzig richtige Auffaſſung der Verzwergung infolge von Bodentrockenheit. Die ſpärliche Feuchtigkeit, welche der Boden bietet, und das geringe Quantum von Bodennährſtoffen, was dabei in die Pflanze befördert werden kann, würden nicht hinreichen, um die An— ſprüche einer mit gewöhnlichen großen Organen ausgeſtatteten Pflanze zu decken. Indem die letztere aber verzwergt, macht ſie ſelbſt frei. willig ihre Anſprüche ſo gering, daß denſelben unter den gegebenen
Größenverhält— niſſe der Zwerge.
272 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
ungünſtigen Verhältniſſen noch Genüge geleiſtet werden kann und die Erreichung der Lebensaufgabe der Pflanze, nämlich die Wiedererzeugung keimfähiger Samen, wenn auch nur in beſchränkter Anzahl, geſichert wird. Abgeſehen von ihrer geringen Größe erſcheint alſo dabei die Pflanze geſund und verrichtet alle ihre Lebensfunktionen.
Die Pflanze reagiert mit großer Empfindlichkeit und Genauigkeit auf den Trockenheitsgrad, unter welchem ſie ſich entwickelt. Unter ſonſt gleichen Verhältniſſen iſt an einer und derſelben Spezies die Reduktion um ſo beträchtlicher, je geringer die Waſſerzufuhr, je trockner die Bodenſtelle iſt, auf welcher die Pflanze ihre Entwickelung beginnt. Thatſächlich kann man auch hiernach im Freien oft alle Abſtufungen von der normalen Größe einer Pflanze bis zu dem winzigſten In— dividuum auffinden.
Die Verzwergung geſchieht im allgemeinen allerdings in propor— tionalen Verkleinerungen der einzelnen Glieder, ſo daß die Zwerge Miniaturformen der Spezies darſtellen. Jedoch gilt dieſes Geſetz ſtreng genommen nur für die oberirdiſchen, vegetativen Organe. Das Wurzelſyſtem einer Zwergpflanze iſt zwar abſolut kleiner, aber relativ weit größer als im normalen Zuſtande. Wären die Wurzeln pro— portional den oberirdiſchen Gliedern reduziert, ſo würde kaum eine genügende Befeſtigung im Boden möglich ſein. Es macht vielmehr den Eindruck, als ſuchte die Zwergpflanze mit den Wurzeln annähernd tief in den Boden einzudringen wie die normale Pflanze, und durch die relativ größere Wurzelentwickelung vor allem auch für die genügende Sammlung von Feuchtigkeit aus dem Boden Sorge zu tragen. Ferner werden auch die Blüten und Früchte meiſt nicht in demſelben Ber- hältnis verkleinert, wie die vegetativen Teile; eher vermindert ſich die Zahl der Blüten, als daß die einzelne Blüte und Frucht unter ein gewiſſes Größenmaß ſänke, was ja ſehr wohl erklärlich iſt, indem gerade dieſe Organe, um für ihre Aufgabe tüchtig zu bleiben, unter eine beſtimmte Größen- und Maſſenentwickelung nicht heruntergehen dürfen. Es kommt dabei oft zur Reduktion in der Zahl der Elemente eines Blütenſtandes, durch welche der Gattungstypus der Pflanze ganz ver- wiſcht werden kann. Am wenigſten folgen die Samen der Zwerge in der Verkleinerung den übrigen Teilen nach, und dasſelbe gilt auch von der Frucht, wenn dieſelbe einſamig iſt, wie bei den Körnern des Getreides. Sind die Früchte typiſch vielſamig, wie z. B. die Schötchen der Cruciferen, ſo verkleinern auch ſie ſich merklich, aber ſie bilden weniger Samen, weil dieſe eben viel weniger in der Größe reduzierbar ſind. Jedoch habe ich nie finden können, daß ein Zwerg nur einen einzigen Samen angelegt hätte; bei den kleinſten Formen, die ich an⸗
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſaumenſetzung des Erdbodens 273
traf, waren wenigſtens zwei Samen vorhanden, ſo daß es ſcheint, als ſei das Geſetz der Multiplikation der Keime durch nichts zu erſchüttern.
Die hierhergehörigen Fälle von „Zwergwuchs ſind durch ihr Vorkommen Vorkommen auf trocknem Boden charakteriſiert. Im Freien ſindet man Zwerge beſonders von Zwergen. auf exponierten Bodenſtellen, wo die Feuchtigkeit ſchnell abläuft und durch die Luft verzehrt wird und wo keine Vegetationsdecke von Kräutern, Gräſern Mooſen u. dergl. die Bodenoberfläche feucht erhält, daher namentlich auf Wegen, auf kahlen wüſten Plätzen u. dergl. Auf leicht trocknenden Böden, wie auf Sand und Kies, kommt die Erſcheinung häufiger als auf anderen Bodenarten vor. Aber man trifft ſie ſelbſt auf ſchwerem, lehmigen Boden, wenn derſelbe an der Oberfläche leicht und raſch abtrocknet, wobei er im Innern reichlich feucht ſein kann; dies iſt beſonders an Pflanzenarten mit kurzen, in der trocknen Bodenſchicht befindlichen Wurzeln der Fall. Auch kann man künſtlich Zwerge erziehen, wenn man die erforderliche Boden— beſchaffenheit herſtellt. Manche der Formen, welche in der beſchreibenden Botanik die Bezeichnung nanus, pumilus, minimus 2c. führen ſind Zwerge in dem hier bezeichneten Sinne. Daß man durch Wegſchneiden der Cotyledonen und ſogar ſchon durch Auswahl der kleinſten Samen kleinere Pflanzen erhalten kann, iſt ſchon an andrer Stelle (pag. 120) erwähnt worden; mit der hierher gehörigen Verzwergung hat jene Er— ſcheinung inſofern Ahnlichkeit, als bei ihr die Verminderung der für die junge Pflanze beſtimmten Reſervenährſtoffe die Urſache der geringen Größen— entwickelung iſt. Wir werden unten auch Mangel an Nährſtoffen als Ur— ſache von Zwergbildung kennen lernen. Daß die künſtlich durch Stecklinge und geeignete Verſtümmelung erzielten ſogenannten Zwergbäumchen nichts mit den hier bezeichneten Erſcheinungen gemein haben, braucht nur an— gedeutet zu werden.
Daß konſtante Bodendürre zwerghafte Pflanzenformen erzeugt, iſt Erzeugung von
eigentlich allgemein anerkannt. „Plantae omnes in terra sterili, exsucca, 3wergwuchs arida, minores“ lehrte ſchon Linné. Den exakten Beweis dafür lieferte durch Kultur- Sorauer )) durch vergleichende Kultur von Gerſtenpflanzen, welche alle in verſuche. einem Boden von gleichen Nährſtoffmengen ſowie unter gleichen übrigen Verhältniſſen zur eee und Entwickelung kamen und nur durch das dem Boden zugeführte Quantum deſtillierten Waſſers ſich unterſchieden. Die mit der Verminderung der Waſſerzufuhr abnehmende Größe der Pflanzen zeigt ſich beſonders in den angegebenen Dimenſionen der Blatt— fläche. Wo der Boden 60% ſeiner waſſerhaltenden Kraft an Boden— feuchtigkeit erhielt, wurde die Blattfläche in Mittel 182,2 mm. lang und 9, mm. breit, bei 40% Waſſer im Mittel 166,27 mm. lang und 9,1 breit, bei 200% Waſſer 138,7 lang und 6,87 breit, endlich bei nur 10% Feuchtigkeit 93,7 lang und 5,6 breit. Möller?) hat auch an Bromus mollis gezeigt, daß der Zwergwuchs keineswegs erblich iſt, indem man aus Samen von Zwergpflanzen Exemplare von normaler Größe unter günſtigen Vegetationsbedingungen erhält; jedoch lieferten unter gleichen Bedingungen die Samen normaler Pflanzen größere Exemplare als diejenigen von Zwergpflanzen.
1) Bot. Zeitg. 1873, Nr. 10. 2) Beiträge zur Kenntnis der Verzwergung. Landwirtſch. ee 1883 Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. ;
274 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Grö ßenverhält— Das morphologiſche Geſetz der Verkleinerung beim Zwergwuchs wurde niſſe der Teile von Moquin-Tan don) nicht genau zutreffend als eine gleichmäßige der Zwerge. Verkleinerung ſämtlicher Teile eines Gewächſes bezeichnet. Was ich oben in dieſer Beziehung geſagt habe, davon möge das folgende Beiſpiel mit ſeinen Zahlen ein Bild gewähren. Ich habe die folgenden Nachweiſe bereits
in der erſten Auflage dieſes Buches gegeben.
Draba verna.
Zwergpflanze Normale Pflanze Wurzellänge (Hauptwurzel und Seitenwurzeln 1. und 2. Orbnunn d 600 mn 16 BE re Zahl ee ene ee, ien BI, Länge des Stengelss 7 „ EIN
Geſamtlänge d. Stengel und Traubenäſte . 200 „
Dicke des Stengelss ... 015, TE RR. 0,30 „ BB Tee later n „„ er Lange eines Blattes 16, „„ VEPAEDEE Ze Bree „ N RO a (er gun, Ungefähre Geſamtfläche der
Blätter in Quadrat mm. . 420, 95 Annen e een „„ Größe „ „ Rn END, N Nen; Länge des Schötchens e „ neh Ar Zahl d. Samen im nem Bring, u Größe der Samen.. 04 „ „Ei 04 „
Die beiſtehende Fig. 28 Bay: eine Zwerg⸗ ‚Draba i im n b und frucht⸗ tragenden Zuſtand darſtellt, illuſtriert die vorſtehenden Zahlenangaben und zeigt anſchaulich die relativ enorme Wurzelentwickelung. Das Gleiche gilt von dem in Fig. 29 dargeſtellten Zwerg von Panicum sanguineum. Es ſei bemerkt, daß die obigen Zahlen der Wurzellängen nach ſorgfältigſter Frei— präparierung des geſamten Wurzelſyſtems gewonnen ſind.
Die geſtaltlichen Veränderungen der Zwerge erſtrecken ſich bisweilen noch weiter als auf Größenreduktion: der morphologiſche Typus kann ſich ändern. Statt einer Traube kann nur eine Einzelblüte vorhanden ſein, wie bei Draba, ſtatt der Fingerähre eine dreiblütige Ahre bei Panicum sanguineum. Die kleinſten Zwerge von Bromus mollis haben ſtatt einer Riſpe mit vielblütigen Ahrchen ein einziges terminales, zweiblütiges Ahrchen. Die Ahre von Plantago major kommt bis auf 3 Blüten reduziert vor. Wo jedoch der weſentliche morphologiſche Charakter einer Inflorescenz not- wendig auf dem Aufbau aus einer Vielzahl von Blüten beruht, ſcheint die Zahl derſelben über die hierdurch vorgeſchriebene Grenze nicht reduzierbar 1 zu ſein. So zähle ich an Zwergen von Matricaria Chamomilla mit einem ® einfachen, 43 mm langen, 0,25 mm dicken Stengel in dem einzigen termi- nalen Köpfchen, deſſen Rezeptakulum nur etwa 1,5 mm im Durchmeſſer hat, doch 5 Strahl- und ungefähr 6 Scheibenblüten. Auch die Blattform kann ſich weſentlich ändern; ſo kommen zwergige Capsella bursa pastoris
) Pflanzenteratologie, deutſch von Schauer, pag. 74.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 275
und Teesdalia nudicaulis ſtatt mit gefiederten, mit einfachen, ganzrandigen
Blättern vor. Bemerkenswert iſt das Verhalten der Trichome. Bei Draba verna ſind die Blätter der Zwerge nur mit wenigen Haaren in der Nähe der Spitze verſehen, oft auch ganz kahl, während im nor— malen Zuſtande das ganze Blatt mit Haaren beſetzt iſt, wenn auch an der Baſis jpär- licher. Die Haare der Zwerg: blätter ſind verhältnismäßig ſehr groß (vergl. Fig. 28 C). Die Länge eines der ſtern— förmigen Haare von der Baſis derſelben bis zur Spitze eines Sternſtrahles beträgt an Blättern normaler Pflanzen durchſchnittlich 0,5 wm, an denen der kleinſten Zwerge 0,18 mm. Während alſo die Blätter ungefähr 7 mal kürzer und 10 mal ſchmäler, oder an Flächenraum 70 mal kleiner ſind, werden die Haare bei den Zwergen noch nicht um das Zweifache der Größe re— duziert.
Fig. 28. | Zwerge vonDrabaverna. A blühende Pflanze mit dem vollſtändigen Wurzelſyſtem, einem einblütigen Stengel und einigen Wurzel— blättern. Wenig vergrößert. B fruchttragende Pflanze, mit einem aufgeſprungenen mehr⸗ ſamigen Schötchen. Wenig vergrößert. O Blatt eines Zwerges mit wenigen Haaren an der Spitze und den vollſtändigen Fibrovaſal— ſträngen. Vergrößert. D Blatt einer nor- malen Pflanze, mit zahlreichen Haaren und mit dem vollſtändig gezeichneten Syſtem der Nerven. Viel ſchwächer vergrößert als C.
Hinſichtlich der Elemen— Größenverhält⸗ tarorgane der Zwerge iſt der wichtigſte Satz, daß die niſſe der Zellen Verkleinerung derſelben nicht entferut in demjenigen der Zwerge.
Verhältnis geſchieht, welches der Reduktion der ganzen Organe entſprechen würde; ſie erſcheinen wenn nicht ganz in der normalen Größe, ſo doch uur unbedeutend kleiner; mit andern Worten: die Kleinheit der Or— gane kommt vorwiegend auf Rechnung der geringen Anzahl der Zellen. — Sorauer!)) hat es ſchon früher ausgeſprochen, daß die größeren Dimenſionen der Blätter der Gerſte bei ſtärkerer Waſſerzufuhr teilweis durch Vermehrung der Zellen, teilweis durch größere Ausdehnung derſelben bedingt werden, daß mit der Breite
des Blattes die Zahl der Fibrovaſalbündel desſelben wächſt de (vergl. Fig. 28 C u. D); ferner fand er die Epi- 0 dermiszellen bei 10% Waſſer am kürzeſten, bei 60% Fig. 29.
am längſten, das gleiche hinſichtlich der Spaltöffnun⸗ Zwerg von Pani- gen, welche in ¼0 mm ausgedrückt bei 10% Waſſer cum sanguineum, 16,2 mm, bei 20% 16,9 mm, bei 40% 18 mm und mit den vollſtän⸗
digen Wurzeln. N J. c. pag. 153. Wenig vergrößert. 18 *
276 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
bei 60% 19,3 lang waren; dagegen die Zahl der Spaltöffnungen auf einer beſtimmten Fläche um ſo geringer, je mehr Waſſer die Pflanze erhielt (weil durch die größeren Epidermiszellen die Spaltöffnungen weiter von einander gerückt werden). Um das oben Geſagte anſchaulicher zu machen, ſtelle ich hier die kleinſten Zwerge (ſ. oben) den normalen Pflanzen hinſichtlich der von mir gefundenen anatomiſchen Verhältniſſe gegenüber. Die Zahlen ſind
auf Mittelwerte aus einer Anzahl Meſſungen berechnet.
I. Panicum sanguineum. A. Blattfläche
eines mittleren Halmblattes. Meſſungen aus der unteren Hälfte der Blattfläche.
Normale Pflanze
(Blattfläche 46 mm
lang) 0,12 mm 0,022 „ 0,029 „
8 75 „
0,018 „
Normale Pflanze (Halm 400 mm lang)
26 mm
20 15 0,038 „
Zwerg (Blattfläche 7 mm lang) Länge der Epidermis zellen 0,10 mm Breite „ an Re Länge der Spaltöffnung „„ „ „ ar SER 5 Zahl der Spaltöffnungen in einer gr im Geſichts fed 4,6 ü Zahl der Nerven. 28 E Durchmeſſer der storophullpaltigen Me- ſophyllzellen . oe B. Halm zwiſchen dem oberſten Blatte und der Inflorescenz. Zwerg (Halm 13 mm lang) Zahl der Fibrovaſalſtränge s 6 mm Zahl der Zellen im Querdurchmeſſer des Markes . 422 5 Durchmeſſer der größten Markzellen rr 1 77 Länge der größten Markzellen . 0,081 „
II. Draba verna.
A. Blatt, in der Mitte auf der Unterſeite ). Zwerg (Blatt 2 mm lang) Länge der Epidermis zellen. 0,033 mm „ Spaltöffnungen . 0,018 „ Zahl der i 5 1 0, 01 Qua- drat mm 8 5
) Die Verhältniſſe der Nervenatur ſiehe in Fig. 28.
0,114 „
Normale Pflanze (Blatt 12 mm lang) 0,117 mm 0,027 „
53 „
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 277
B. Stengel, in der Mitte.
Zwerg Normale Pflanze (Stengel 12 mm lang) (Stengel 54 mm lang)
Länge der Epidermiszellen. . 0,154 mm 0,237 mm Breite „ 5 0,009 „ Zahl der Fribrovafalſtränge N A 6 1 Zahl d. Zellen im radialen Durch—
meſſer der Rinde 3—4 „ 4—5 „ dd des Holzringes . 99812 5 4 1 Durchmeſſer der Holzzellen. . 6,009 „
Wenn man weiß, daß die unmittelbare Wirkung der mangelhaften Bodenfeuchtigkeit in einer Reduktion der Wachstumsgröße aller Pflanzen— teile beſteht, ſo iſt es ſelbſtverſtändlich, daß die Produktion an Pflanzen— ſubſtanz entſprechend geringer iſt. So fand denn auch Hellriegel (J. e.) bei Verſuchen mit vierzeiliger Gerſte folgende Produktion im Durchſchnitt von je 3 Pflanzen.
Bodenfeuchtigkeit Trockenſubſtanz
in 17 a in Stroh
waſſerhaltenden in Ke ji Kraft 1 in Körnern 80-60 7,394 Grm. 4,896 Grm. 60—40 5,988 „ 4,133 „ 40— 20 4,842 „ 1,942 „
Die Mittel gegen den Waſſermangel im Erdboden können Mittel gegen
hier nur kurz angedeutet werden, da eine Behandlung dieſer Fragen ene ed mehr Sache des allgemeinen Pflanzenbaues iſt. In erſter Linie ſtehen ö Berieſelungsanlagen. Zur Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit trägt Bodenlockerung durch Behacken, Eggen oder Schälen bei, weil die oberſten Bodenſchichten wegen ihrer Lockerung zwar ſchneller abtrocknen, aber dadurch die unteren Bodenſchichten mehr ſchonen. Dieſelbe Wirkung hat auch Bedecken des Bodens mit lockerem Material, wie Stroh, Stalldünger, Torferde ꝛc. Auch wirkt die Humusdecke des Bodens waſſererhaltend. Ein mit Gras oder anderen niederen Pflanzen beſtandener Boden verliert dagegen mehr Waſſer aus ſeinen tieferen Schichten, als im unbewachſenen Zuſtande, weil die Pflanzen durch die ſtarke Verdunſtung das aus dem Untergrunde aufſteigende Waſſer
5 entführen. Bei forſtlichen Kulturen wird, erſt wenn die Pflanzen den
= Beſtand geſchloſſen haben, die Gefahr des übermäßigen Austrocknens
des Bodens geringer; darum werden Saatbeete durch Zäune, Be—
x ſtecken mit Reiſern und dergl. künſtlich geſchützt.
278 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
B. Ungenügende Nährſtoffzufuhr. Näbritoffbedürf- Zu den wichtigsten Bedürfniſſen der Pflanze gehören ihre Nähr— nis der Pflanze. ſtoffe. Wo dieſe ſämtlich oder auch teilweiſe völlig fehlen, kommt daher keine normale Ernährung zu ſtande, die Pflanzen verkümmern frühzeitig und kommen nicht zum natürlichen Abſchluſſe ihrer Vegetation. Und bei ungenügender Zufuhr von Nährſtoffen bleibt die Entwickelung und Produktion der Pflanze entſprechend hinter der Norm zurück. Welche chemiſchen Elemente die Nährſtoffe der Pflanze ausmachen und in welchen chemiſchen Formen dieſelben von der Pflanze bean— ſprucht werden, iſt eine Frage der Pflanzenphyſiologie, deren Kenntnis hier vorausgeſetzt werden muß, und über welche in den betreffenden Lehrbüchern nachgeleſen werden kann. Hier ſind nur die ſpeziellen Krankheitserſcheinungen hervorzuheben, welche ſich zeigen, ſobald in dieſen Beziehungen den Bedürfniſſen der Pflanze nicht entſprochen it‘ Eine ungenügende Zufuhr von Nährſtoffen kann aus verſchiedenen Gründen eintreten, die wir hier im einzelnen zu betrachten haben. Erſtens ſelbſtverſtändlich dann, wenn die für die Pflanze geeigneten Nährſtoffe ſelbſt fehlen oder in unzureichender Menge geboten ſind. Zweitens aber auch dann, wenn die unentbehrlichen Symbioſen-Pilze, welche bei zahlreichen Pflanzen an der Erwerbung der Nährſtoffe für die Pflanzen helfend beteiligt ſind, im Erdboden nicht vorhanden ſind, und wenn infolgedeſſen die Symbioſe der Pflanzenwurzeln mit dieſen Pilzen, welche eine Bedingung der Nährſtofferwerbung iſt, nicht zu ſtande kommen kann.
I. Nährſtoffmangel.
Die zur Er⸗ Folgende elf Elementarſtoffe machen in ihrer Geſamtheit die
yore Nahrung der Pflanze aus: Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff, Stid-
Elementarſtoffe. Hof, Schwefel, Phosphor, Chlor, Kalium, Calcium, Magneſium, Eiſen. Den Waſſerſtoff und den Sauerſtoff erwirbt die Pflanze in Form von Waſſer, deſſen Bedeutung für die Pflanze ſchon im vorigen Abſchnitt behandelt worden iſt. Kohlenſtoff und Stickſtoff werden vielfach aus der Luft in Form von Kohlenſäure und Stickſtoffgas aufgenommen, doch ſind für gewiſſe Pflanzen auch organiſche Kohlen⸗ jtoffverbindungen und für die meiſten Pflanzen Salpeterſäure, Ammo⸗ 1 niak oder organiſche Stickſtoffverbindungen, die alle der Erdboden 1 liefern kann, als Nährſtoffe zu betrachten. Die übrigen der auf⸗ gezählten Nährelemente können nur aus dem Erdboden erworben werden, wo ſie als Kali-, Kalk-, Magneſia- und Eiſenſalze, und zwar meiſt als Karbonate, Sulfate, Phosphate, Nitrate und Chloride den Pflanzen dargeboten ſind.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 279
Die natürlichen Erdböden enthalten wohl ohne Ausnahme wenigſtens etwas von jeder der eben genannten Verbindungen, ſo daß hier von keinem abſoluten Fehlen, auch nicht eines einzigen Nährſtoffelementes, die Rede ſein kann. Aber in genügender Menge, in geeigneter Form, um eine normale und geſunde Vegetation zu erzeugen, ſind ſie in vielen Böden nicht vorhanden, ſo daß nur durch eine entſprechende Düngung den Pflanzen aufgeholfen werden kann. Von welcher Art dieſelbe ſein muß, ergiebt ſich teils aus dem Krankheitsbilde, welches die Pflanzen auf ſolchen Böden darbieten, teils aus der Ermittelung der chemiſchen Zuſammenſetzung des betreffenden Bodens und aus den bekannten Anſprüchen, welche die einzelnen Kulturpflanzen hinſichtlich der Nährſtoffe ſtellen.
Wenn die Geſamtheit der Nährſtoffe in ungenügender Folgen des Menge vorhanden iſt, ſo hat das an den Pflanzen Verzwergung 200 und ſomit auch Verminderung der Stoffproduktion zur Folge, alſo die— ſelbe Erſcheinung, welche auch bei chroniſchem Waſſermangel ſich einſtellt (S. 271). Nachdem ich dies bereits in der erſten Auflage dieſes Buches ausgeſprochen hatte, iſt der exakte Beweis dafür durch eine von Möller) bei mir ausgeführte Unterſuchung erbracht worden, indem nämlich die Pflanzen in Waſſerkulturen gezogen wurden, wobei ihnen eine beliebig verdünnte Nährſtofflöſung geboten werden konnte, ſo daß alſo die durch Waſſermangel bedingte Verzwergung vollſtändig aus— geſchloſſen war. Solche Verſuche wurden mit Oenothera biennis an- geſtellt, welche dabei in ganz verdünnter Nährſtofflöſung ſo zwerghaft wurde, wie auf trockenem Boden. An Bromus mollis ließ ſich auch die Empfindlichkeit der Pflanze hiergegen konſtatieren, indem mit Abahme der Konzentration von 1 auf ½ und auf ¼ pro Mille die durchſchnittliche Blattlänge ſich auf 74,5, 72,1 und 58,3 mm ſtellte, ſo daß alſo gerade ſo wie mit Abnahme der Waſſermenge des Bodens auch mit Abnahm des Nährſtoffvorrates im Boden eine ſchrittweiſe Verkleinerung an den Pflanzenteilen eintritt.
Wenn nur ein einzelner der ſämtlichen Nährſtoffe in Folgen des ungenügender Menge vorhanden iſt, ſo iſt ebenfalls Verzwergunge enen Nahr. und alſo Verminderung der Stoffproduktion die Folge. Wenigſtens ſtöfes. gilt dies von den wichtigſten Nährſtoffen, wie den Stickſtoffverbindungen, der Phosphorſäure, dem Kali, dem Kalk. Da der Bedarf der Pflanzen an dieſen Stoffen ein beſonders großer iſt, ſo kann leicht an einem oder dem andern derſelben im Boden Mangel eintreten, der dann die angegebene Erſcheinung zur Folge hat und die dann durch Düngung
u) Beiträge zur Kenntnis der Verzwergung. Landwirtſch. Jahrbücher 1883.
280 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
mit dem betreffenden Stoffe gehoben werden kann. Dieſe ſich ab» ſtufende Verkleinerung der Pflanzen bei Mangel eines einzelnen Nähr— ſtoffes zeigt z. B. unſre Fig. 30, welche Parallelkulturen von Sinapis alba darſtellt in reinem Quarzſand, wobei in allen Kulturen ſämtliche Bodennährſtoffe in gleicher und zureichender Menge gegeben ſind, mit Ausnahme des Stickſtoffes, von welchem in den einzelnen Kulturen von 0 bis 0,6 gr. Calciumnitrat erhalten haben. Dementſprechend ſieht man
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Fig. 30 Kulturen von Sinapis alba in reinem Quarzſand, mit gleichen Mengen 4 Nährſtofflöſungen, aber ungleicher Gabe von Stickſtoff in Form von 4 Calciumnitrat, und zwar A ſtickſtofffrei, B mit je 0,1 gr, C mit je 0,6 gr 0 Kaliumnitrat. u 4 die ſteigende Entwickelung der Pflanzen, die ſich verhält, ausgedrückt ä im Trockengewicht der einzelnen Pflanze, wie 0,058: 0,67: 2,26. Man 2 kann die hier erläuterte Thatſache auch ſo ausdrücken, daß derjenige 8 Pflanzennährſtoff, welcher gerade im Minimum vorhanden iſt, das # Wachstum und die Produktion der Pflanze beherrſcht, denn er bedingt, 2 daß nach Maßgabe ſeiner Mengenverhältniſſe die Entwickelung der 7
Pflanze eine Reduktion erfährt, ſo daß alſo jedesmal durch eine Düngung mit demjenigen Nährſtoff, welcher im Minimum vorhanden iſt, die Entwickelung und die Produktion der Pflanze gehoben werden. Man hat dies als das Geſetz des Minimums bezeichnet.
*
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 281
Vom phyſiologiſchen Standpunkte aus iſt es wieder klar erkennbar, daß die Verzwergung auch in dieſen Fällen eine Anpaſſung an die gegebenen Verhältniſſe iſt, durch welche die Pflanze ſchon im Beginn ihres Lebens ihren Entwickelungsplan ſo einrichtet, daß der im Mini— mum gegebene Nährſtoff eben noch bis zur Bildung von Samen aus— reicht. Es wird dadurch auch recht deutlich, wie die Nährſtoffe nun in ihrer Geſamtheit für die Pflanze von Nutzen ſind, daß alſo auch anderſeits eine reiche Menge von Nährſtoffen nutzlos ſein kann, ſobald ein einziger in ungenügender Menge dargeboten iſt, indem dann die andern auch nur ſo weit ausgenutzt werden können, als es von dem Quantum des im Minimum vorhandenen Nährſtoffes geſtattet wird.
Bei den einzelnen Nährſtoffen kommt es aber auch auf die Geeignete Form
chemiſche Form an, in welcher fie der Pflanze dargeboten find. Im der Nährſtoffe. allgemeinen können die Nährſtoffe in verſchiedenen chemiſchen Ver— bindungen, entweder ſchon von vornherein im Boden vorhanden oder durch die Düngung gegeben werden. Aber es iſt für die Pflanze nicht gleichgültig, in welcher Form ſie ihr dargeboten werden, weil ein und dasſelbe Nährelement in verſchiedenen chemiſchen Verbindungen un— gleichen Nährwert beſitzt, ſo daß alſo ungünſtige Folgen eintreten müſſen, wenn ein oder der andere Nährſtoff in einer unwirkſamen oder nur ſchwach wirkenden Form gegeben iſt. Man muß auch wiſſen, welche Rolle die einzelnen Nährſtoffe in der Pflanze ſpielen, um den jeweiligen Erfolg, der bei ungenügender Zufuhr der einzelnen Nähr- ſtoffe eintritt, richtig zu beurteilen. Wir werden nun die Nährſtoffe in den ſoeben angedeuteten Beziehungen einzeln für ſich betrachten. Ein tieferes Eingehen auf das Ernährungsphyſiologiſche iſt jedoch hier nicht am Platze; es gehört dies in die Pflanzenphyſiologie, und über den gegenwärtigen Stand dieſer Lehre kann man ſich in einem diesbezüg— Werke!) informieren. Hier wird vielmehr die Beſchreibung der jeweils auftretenden Krankheitserſcheinungen die Hauptaufgabe ſein.
1. Organiſche Verbindungen als notwendige Nährſtoffe. Pflanzen, welche Die Pflanzen zerfallen hinſichtlich der Qualität ihrer Nahrung in e de Klaſſen: ſolche, welche notwendig organiſche Verbindungen zu ihrer | Ernährung beanſpruchen, und ſolche, welche mit anorganischen Stoffen ſich begnügen. Von den erſteren ſoll hier die Rede fein. Es find Pflanzen, die nicht gedeihen, wo ihnen die erforderlichen organiſchen Verbindungen nicht geboten ſind. Zu ihnen gehören vor allen Dingen alle chlorophyllloſen Pflanzen, weil dieſe nicht im ſtande find,
er aus Kohlenſäure ihren Bedarf an Kohlenſtoff zu entnehmen und eben
) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik J. Leipzig 1892, pag. 512 ff.
282 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
darum auf organiſche Subſtanzen angewieſen ſind. Das Subſtrat, welches dieſe Pflanzen bewohnen, muß alſo notwendig organiſches Material liefern, und die Natur dieſer Subſtrate bringt es mit ſich, daß auch die meiſten andern Nährelemente, wie Stickſtoff, Schwefel, Kalium, Calcium, Magneſium, darin in Form organiſcher Verbindungen enthalten ſind, ſodaß thatſächlich dieſe Pflanzen das meiſte ihrer Nahrung in organiſcher Form aufnehmen, womit nicht geſagt ſein ſoll, daß die letztgenannten Elemente nicht auch in Geſtalt gewiſſer anorganiſcher Verbindungen verwertbar wären; jedoch nur dieſe, denn der Kohlen: ſtoff iſt dieſen Pflanzen nur in organiſcher Form zugänglich. Je nach der Art des Subſtrates, welches die hierher gehörigen Pflanzen bewohnen, unterſcheiden wir 1) Schmarotzer oder Paraſiten, welche aus den lebendigen Körpern andrer Pflanzen oder Tiere, auf denen ſie wachſen, die zu ihrer Ernährung erforderlichen organiſchen Subſtauzen aufnehmen. Dieſes gilt von den zahlreichen echten Schmarotzerpilzen, die auf be— ſtimmten Pflanzen oder Tieren vorkommen; bei vielen derſelben iſt es freilich ſchon gelungen, ſie auf lebloſem organiſchen Subſtrate zu er— ziehen. Es giebt auch paraſitiſche Phanerogamen, wie die Arten von Cuscuta, Orobanche 2c., welche nicht über den Keimpflanzenzuſtand hinaus ſich entwickeln, wenn die für ſie erforderliche Nährpflanzenſpecies (Flachs, Klee ꝛc.) ihnen nicht erreichbar tft. 2) Fäulnisbewohner oder Saprophyten, welche ein lebloſes Subſtrat verlangen, in welchem gewiſſe organiſche Verbindungen vorhanden ſein müſſen, die ihnen zur Nahrung dienen; wie z. B. für den Hefepilz Zucker, für Schimmelpilze Fruchtſäfte und viele ähnliche Subſtanzen, für zahlreiche andere kleine
und große Schwämme verweſende vegetabiliſche Materialien und
Pflanzenteile oder animaliſche Exkremente, wie z. B. der Champignon nur gedeihen kann, wenn er auf einer Unterlage kultiviert wird, welche organiſche Beſtandteile, beſonders Pferdedünger enthält. Für viele ſaprophyte Pflanzen iſt der Humus der geeignetſte Nährboden, wo alſo Kohlenſtoff in Form von Humuskörpern, Stickſtoff größtenteils in Form von organiſchem Humusſtickſtoff, und wohl auch die andern Nährelemente in Form von Humaten dargeboten find. Dieſe Sapro- phyten werden Humusbewohner genannt. Zu ihnen gehören erſtens viele der größeren Schwämme, beſonders die waldbewohnenden. Das den Humusboden überall durchwuchernde Mycelium dieſer Pilze muß ganz beſonders befähigt ſein, die humifizierten Pflanzentrümmer, aus denen der Waldhumus beſteht, wieder für die Pflanzenernährung aus⸗ zunutzen, indem es dieſe größtenteils unlöslichen organiſchen Ver⸗ bindungen, welche durch den bloßen Verweſungsprozeß nur ſehr langſam löslich und alſo für die Ernährung höherer Pflanzen tauglich
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gemacht werden können ſehr raſch wieder in Pflanzennahrung umſetzen. Durch Vermittelung dieſer humusbewohnenden Pilze können aber auch höhere Pflanzen, nämlich die Waldbäume ſelbſt, wieder mit dem Material, welches der Humus bietet, ernährt werden, wie dies feſt— geſtellt worden iſt durch meine Entdeckung der allgemeinen Pilzſymbioſe der Wurzeln der Waldbäume, der ſogenannten Mykorhizen, und durch meinen Nachweis, daß thatſächlich dieſe Bäume durch die Pilze des Waldbodens notwendig ernährt werden müſſen, worüber unten näheres zu finden iſt. Solche durch Pilzhilfe mit Humus ernährt werdende Phanerogamen gehören daher auch mit zu den Humusbewohnern. Unter dieſen finden wir wiederum chlorophyllloſe Pflanzen, wo alſo die Notwendigkeit der Ernährung mit Humuskohlenſtoff ſelbſtverſtändlich iſt, wie z. B. die krautartigen Pflanzen Monotropa hypopitys, Corallo- rhiza innata, Neottia nidus avis ꝛc. Aber auch viele chlorophyll— haltige, wie eben die zu den Cupuliferen und Coniferen gehörigen Waldbäume ſind der Ernährung mit Humusverbindungen durch Pilz— hilfe ſo angepaßt, daß ſie, wie ich gezeigt habe!), auf humusloſem Boden, auch wenn alle Pflanzennährſtoffe in anorganiſchen Ver— bindungen gegeben ſind, nicht normal ſich entwickeln, ſondern kümmer— lich bleiben und zeitig zu Grunde geben. Alle dieſe Pflanzen würden alſo als obligate Humusbewohner zu betrachten ſein. Außerdem giebt es noch viele Pflanzen, die in ihrem Vorkommen in der Natur augen— ſcheinlich auch die humusreichen Böden bevorzugen und deren Kultur in ſolchem Boden die beſten Reſultate liefert, obgleich dieſelben in ihren Wurzeln in keiner Symbioſe mit Pilzen leben und daher auch auf humusloſen Böden, ſobald nur die erforderlichen Nährſtoffe und zwar in anorganiſcher Form gegeben ſind, zu vollkommener Ent— wickelung gelangen. Dieſe Pflanzen dürften als fakultative Humus— zehrer zu bezeichnen ſein, womit geſagt ſein ſoll, daß ſie Humus— verbindungen zwar nicht notwendig beanſpruchen, aber Gebrauch davon machen, wenn ihnen ſolche geboten ſind. Man kann nämlich die Er— nährung dieſer Pflanzen bedeutend ſteigern, wenn man vorher durch künſtliche Behandlungsweiſe des Humus, in welchen die Samen ein— geſät werden ſollen, eine größere Menge der Humusverbindungen löslich, alſo aufnehmbar für die unverpilzte Pflanzenwurzel gemacht hat, was, wie ich gezeigt habe ), durch Behandeln des Bodens mit heißem Waſſerdampf geſchieht. Dieſes Experiment iſt mir z. B. mit
) Frank, über die phyſiologiſche Bedeutung der Mykorhiza. Berichte d. deutſch. botan. Geſ. 1888, pag. 248.
) Frank, Lehrbuch der Pflanzenphyſiologie. Berlin 1890 pag. 134, und Lehrbuch der Botanik I, pag. 553.
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Ernährung mit Stickſtoff.
384 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Rüben, Tabak, Hafer und andern Pflanzen in ſtets gleichem Sinne gelungen. a
2. Der Stickſtoff. Nach der neuen Lehre, wie ſie in den letzten Jahren don mir begründet und gegen ihre Widerſacher durch mich und andre Forſcher bewieſen worden iſt !), ſchöpfen die Pflanzen allgemein ihren Stickſtoffbedarf aus zwei Quellen: 1) aus den Stickſtoffver— bindungen, welche im Subſtrate der Pflanzen zu finden ſind, ins— beſondere alſo was den Erdboden betrifft, aus ſalpeterſauren Salzen, Ammoniakſalzen und organiſchen Stickſtoffver— bindungen, wie ſolche in den Düngemitteln animaliſcher Herkunft und in dem organiſchen Humusſtickſtoff vorliegen. Von den genannten Verbindungen iſt aber allgemein die Salperterſäure das beſte Stick— ſtoffnahrungsmittel, die andern wirken weit ſchwächer, ja ſind als ſolche zu einer normalen Ernährung nicht geeignet; im Erdboden gehen ſie ja aber auch nach einiger Zeit von ſelbſt in Salpeterſäure über, ſie werden nitrifiziert, und damit erreicht die Düngerwirkung dieſer Verbindungen mehr oder weniger diejenige der Salpeterſäure. Nur für die Pilze iſt die Salpeterſäure ein minder gutes Nahrungsmittel, als Ammoniak oder beſonders als organiſche Stickſtoffverbindungen, von denen die verſchiedenſten Arten zur Ernährung dieſer Pflanzen vor⸗ züglich geeignet find, wie insbeſondere von den Schimmel- und Hefepilzen erwieſen iſt, während die im Humus oder auf Kot wachſenden Schwämme anzeigen, daß in dieſen Subſtraten für ſie beſonders geeignete organiſche Stickſtoffnahrungsmittel vorhanden ſind. 2) Aus freiem Stickſtoff der Luft. Dieſer wird jedoch von den meiſten Pflanzen viel langſamer aſſimiliert, als die Stickſtoffverbindungen. Die letzteren ſind alſo viel ſchneller bei der Ernährung wirkſam. Daher iſt es auch im allgemeinen unmöglich, Pflanzen ausſchließlich mit freiem Stickſtoff zu normaler Entwickelung zu bringen. Auf einem Boden, der gar keine Stickſtoffverbindungen enthält, bleiben die Pflanzen, auch wenn alle übrigen Nährſtoffe hinreichend vorhanden ſein ſollten, ſehr kümmerlich, und die Kultur ſchlägt unter ſolchen Umſtänden ſo gut, wie gänzlich fehl; die Pflanzenproduktion zeigt hierbei nur eine geringe Vermehrung des Stickſtoffgehaltes gegenüber demjenigen des ausgeſäten Samens, reſultierend aus einer nur geringfügigen Aſſi⸗ milation von freiem Luftſtickſtoff. Wenn aber eine geeignete Stickſtoff⸗ verbindung im Boden gegeben iſt, ſo tritt zunächſt eine ſchnellere und beſſere Ernährung der Pflanze ein, und zwar in ſteigendem Grade, wenn
1) Ich verweiſe auf meine neueſte Darſtellung in Bot. Zeitg. 1893, wo auch meine Originalarbeiten darüber citiert ſind.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 285
man von ſehr geringen Quantitäten der Stickſtoffverbindungen ausgehend, dieſelben allmählich ſteigert (Fig. 30, S. 280). Aber ſo gekräftigte Pflanzen vermögen nun auch energiſcher freien Stickſtoff zu aſſimilieren, denn man findet dann bei vergleichenden Beſtimmungen des Stickſtoffgehaltes der Ernte und des Bodens vor und nach der Kultur, daß ein mehr oder minder anſehnlicher Teil des Ernteſtickſtoffes aus der Luft hinzu— gekommen ſein muß; die Stickſtoffverbindungen des Bodens erweiſen ſich nicht vollſtändig von der Pflanze ausgenutzt, ja der Boden kann nach der Kultur im Stickſtoffgehalte gar nicht zurückgegangen oder ſogar wegen der zurückbleibenden Pflanzenrückſtände vermehrt ſein. Von dieſem Satze machen nur die Leguminoſen inſofern eine Aus— nahme, als ſie durch ein beſonderes Hilfsmittel ihre Aſſimilation des freien Stickſtoffes jo beſchleunigen können, daß ſie damit fähig werden, auch auf völlig ſtickſtoffloſem Boden zu normaler Entwickelung zu gelangen, ſo daß dieſe Pflanzen die einzigen Phanerogamen zu ſein ſcheinen, welche allen Stickſtoff, der zu einer normalen Pflanzen- produktion gebraucht wird, allein aus dem freien Stickſtoff nehmen und ſomit eine Stickſtoffdüngung ganz entbehren können. Dieſes Hilfsmittel iſt die Symbioſe mit dem in den Wurzelknöllchen der Leguminoſen lebende Spaltpilz Rhizobium Leguminosarum, von welcher unten noch die Rede ſein wird.
3. Der Schwefel gehört zu den unentbehrlichen Nährelementen, Schwefel als da er ein Beſtandteil der Eiweisſtoffe iſt. Alle Pflanzen bedürfen daher Nährſtoff. einer geeigneten Schwefelverbindung als Nährſtoff; und zwar ſind dies vorzüglich die ſchwefelſauren Salze, die ja auch in den Dünge- mitteln Kainit, Gips, ſchwefelſaures Ammoniak enthalten ſind.
4. Der Phosphor. Da Phosphorſäure in einer innigen Be- Phoephor als ziehung zu den Eiweisſtoffen ſteht, insbeſondere ein Beſtandteil der nee Nucleine iſt, alſo zur Bildung der Zellkerne gebraucht wird, ſo gehört ſelbſtverſtändlich auch ein phosphorſaures Salz zu den unentbehrlichen Nährſtoffen, und bei Fehlen eines ſolchen bleiben alle Pflanzen bald in ihrer Entwickelung ſtehen.
5. Das Chlor. Geringe Mengen von Chloriden find für die Chlor als Nähr— geſunde Entwickelung der Pflanzen notwendig. Zwar haben Knop ſtoff. und Dworzaft) jede Bedeutung des Chlors für die Ernährung der Pflanze beſtritten, weil fie Buchweizenpflanzen in chlorfreien Nährſtoff— löſungen bis zur Entwickelung einer Anzahl keimfähiger Samen zu
2 1) Berichte d. Verhandl. d. Sächſ. Gef. d. Wiſſenſchaften. Leipzig 1869 und N 1875 I. — Knop, Kreislauf des Stoffes. Leipzig 1868, pag. 165 und 228.
286 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
bringen vermochten. Es haben aber Nobbe!) und Beyer?) nach— gewieſen, daß Buchweizen, Gerſte und Hafer in chlorfreien Löſungen entſchieden ſchlechter ſich entwickeln als in ebenſo zuſammengeſetzten, aber mit einer Chlorverbindung verſehenen Löſung. Das gleiche iſt auch durch eine bei mir von Ajchoff?) angeſtellte Unterſuchung für Zea mais und Phaseolus bewieſen worden. Die Bedeutung des Chlors für die Pflanze iſt noch unklar. Braſch und Raabe) erhielten in Nährſtofflöſungen, die im übrigen gleich zuſammengeſetzt waren, aber das Kalium in verſchiedenen Salzen enthielten, von Buchweizen— pflanzen mit Chlorkalium 387, mit ſaurem phosphorſaurem Kali 184, mit ſchwefelſaurem 147, mit ſalpeterſaurem 150 Körner, ſo daß alſo die Chlorverbindung die vorteilhafteſte Form zu ſein ſcheint, in welcher das Kalium der Pflanze geboten werden kann. Chlorkalium wird ja auch als Kalidüngemittel angewendet. Bei Rüben und Kartoffeln wird durch chlorhaltige Düngungen zwar der quantitative Ertrag ver— mehrt, aber gleichzeitig die Qualität desſelben herabgeſetzt, indem die Rüben an Zucker, die Kartoffeln an Stärke, alſo überhaupt die Referve- ſtoffbehälter an Kohlehydraten ärmer werdens). Beim Tabak hat man die Erfahrung gemacht, daß, wenn er in einem an Chloriden reichen Boden wächſt, die Erträgaiſſe zwar auch geſteigert werden, die Blätter aber einen hohen Grad von Unverbrennlichkeit infolge des höheren Gehaltes an Chlorverbindungen annehmen). Bei den Salzpflanzen, wie z. B. Salicornia, die ja nur auf kochſalzreichem Boden vorkommen, ändert nach Batalin?) der Chlormangel nur den Habitus; dieſe Pflanzen, ſonſt ſaftigfleiſchig und blaßgrün, durchſichtig, werden dann dünner und ganz undurchſichtig dunkelgrün, weil die Parenchymzellen der Stengel zwei bis viermal enger ſind, als bei den mit Chlornatrium erzogenen Pflanzen. | Silicium als 6. Das Silicium kommt zwar in den Pflanzenaſchen ſehr ver— Nährſtoff. breitet und bei manchen Pflanzen in fo großer Menge vor, daß man dieſelben als Kieſelpflanzen bezeichnet hat, indem man meinte, daß ſie | zu ihrem Gedeihen vorwiegend Kieſelſäure im Boden beanſpruchen. | Diejes Element gehört jedoch nicht zu den unentbehrlichen Nährſtoffen.
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) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1865, pag. 371 u. 1870, pag. 394.
2) Daſelbſt 1869, pag. 262. 5
3) Landwirtſch. Jahrbücher 1889. 2
4) Juſt, botan. Sahresber, 1876, pag. 889.
5) Litteratur ſiehe bei Mayer, Agrikulturchemie, 2. Aufl. I. pag. 255.
6) Siehe Mayer, I. c. pag. 256 257.
7) Bulletin de congres internat. de bot. et d’horticult. Petersbourg 1886, pag. 219.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 287
Denn von einigen dieſer Kieſelpflanzen, nämlich von den Gramineen, iſt es erwieſen, daß ſie es auch bei Ausſchluß aller Kieſelſäure zu völlig normaler Ausbildung bringen. So gelang es Sachs) Mais— pflanzen, und Knop) ebenfalls Mais, Weizen, Hafer und Gerſte in ſiliciumfreien Nährſtofflöſungen zu vollſtändiger Entwickelung zu bringen, wobei dieſelben nur Spuren von Kieſelſäure in der Aſche enthielten. Man hat trotzdem das Silicium wenigſtens für einen der Pflanze zu gewiſſen Zwecken nützlichen Stoff betrachten wollen. Die Meinung, daß es die Feſtigkeit der Getreidehalme bedinge und ſein Mangel das Lagern des Getreides verurſache. wurde oben (S. 166) als irrtümlich bezeichnet. Die Vermutung aber, daß kieſelhaltige Zellhäute ſchwieriger durchdringbar ſeien für Myceliumfäden, und die Kieſelſäure daher einen Schutz gegen das Befallen durch paraſitiſche Pilze gewähre, iſt durch nichts erwieſen; auch findet das Eindringen der Keimſchläuche der Schmarotzerpilze gewöhnlich an jugendlichen Pflanzenteilen, wo die Zellhäute noch nicht verkieſelt ſind, ſtatt, und übrigens dringen ſie vielfach nicht durch die Epidermiszellen, ſondern durch die Spalt— öffnungen in die Pflanze ein. Über die Bedeutung des Siliciums in der Pflanze wiſſen wir, daß ſie mit als Bauſtoff der Zellmembran verwendet wird und zwar bei den Kieſelpflanzen den weſentlichen Be— ſtandteil der Zellhäute der Epidermiszellen bildet, und es iſt nicht zu leugnen, daß die Oberflächen der Pflanzenteile dadurch eine gewiſſe Härte erreichen, wodurch ihnen wohl ein Schutzmittel gegen Tierfraß und andre äußere mechaniſche Gefahren verliehen wird. Daß die Kieſelſäure aber vollſtändig durch die Celluloſe ſelbſt vertreten werden kann, iſt wenigſtens für das Getreide durch die oben ange— führten Unterſuchungen erwieſen. Kreuzhage und Wolf?) wollen an den Haferpflanzen mit ſteigendem Gehalte der Nährlöſungen an Kieſelſäure eine größere Zahl und ein größeres Geſamtgewicht der Körner bekommen haben; dagegen trat in dem Geſamttrockengewicht der Pflanze und in der Menge der aufgenommenen Aſchenbeſtandteile nach Abzug der Kieſelſäure kein Unterſchied hervor. Ob das Silicium für die übrigen daran noch reicheren Kieſelpflanzen, wie die Equiſe— taceen und die Diatomaceen, jene Algen, die mit einem Kieſelpanzer verſehen ſind, ebenfalls entbehrlich, oder ob dieſe ohne jenes Element ſich nicht entwickeln können, iſt noch eine offene Frage.
) Experimentalphyſiologie der Pflanzen, pag. 151. 2) Kreislauf des Stoffes I., pag. 221. 3) Landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen 1884, pag. 161.
Kalium als Nährſtoff.
Calcium als Nährſtoff.
288 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
7. Das Kalium gehört zu den wichtigſten und unentbehrlichſten Nährſtoffen, doch iſt ſeine phyſiologiſche Rolle noch nicht feſtgeſtellt. Denn in einer von Lüpke ) bei mir angeſtellten Unterſuchung wurden an Phaseolus-Pflanzen, die in völlig kalifreier Löſung im ganzen ge— ſund, aber infolge des Kalihungers in Zwergformen ſich entwickelten, normale Chlorophyllbildung, Kohlenſäure-Aſſimilation, Bildung von Aſſimilationsſtärke, Wanderung von Zucker, Aufſpeicherung und Wieder— verbrauch von Stärkemehl in der Stärkeſcheide, Gerbſtoffbildung, alſo die wichtigſten Stoffbildungsthätigkeiten konſtatiert, ſo daß es ſcheint, als werde das Kalium nicht zu einer beſtimmten einzelnen Funktion, ſondern ebenſo wie Stickſtoff, Schwefel und Phosphor in einer gewiſſen wenn auch minimalen Menge zur Bildung des Protoplasma jeder Zelle gebraucht. Eine von Nobbe) bei kalifreien Kulturen beob— achtete Erſcheinung, daß nämlich in den verkrümmten, faſt fleiſchigen Blättern die Stärke nicht auswandern konnte und ſich paſſiv anhäufte, iſt von ſpäteren Beobachtern nicht wieder gefunden worden; ſie dürfte auch, wie Sorauer?) betonte, eine ſekundäre Erſcheinung geweſen fein, dadurch bedingt, daß die kranke Pflanze ein Bedürfnis zur Zuleitung gelöſter Kohlenhydrate nicht hatte und letztere daher in Reſerveform in den Erzeugungsherden, den Blättern, verblieben. Der Einfluß des Kali— mangels kann ſich in zweierlei Form an der Pflanze zeigen. Ent— weder wächſt die letztere zunächſt unter Benutzung des in den Gotyle- donen des Samens vorhanden geweſenen Kaliums und bekommt eine Anzahl normal entwickelter Blätter; dann ſtockt das Wachstum oder ſetzt ſich wohl auch noch weiter fort, wobei aber die ſchon gebildeten älteren Blätter in gleichem Maße von unten herauf eins nach dem andern unter Gelbwerden abſterben. Es wird dadurch das wenige Kalium dieſer Organe immer wieder disponibel und den wachſenden oberen Teilen zur Ernährung zugeführt. Oder die Pflanze entwickelt ſich unter Grünbleiben der Blätter in der ſchon oben erwähnten Zwerg— form und ſchränkt dadurch ſelbſt ihr Kalibedürfnis von vornherein ein. Wegen des allgemeinen Bedarfes der Pflanzen nach Kali kann auf den Kulturböden leicht Kalimangel eintreten und dadurch der ange— deutete Mißwachs verurſacht werden, dem alſo durch Düngung mit kali— haltigen Stoffen, beſonders mit den künſtlichen Düngemitteln, wie Kainit, Carnallit und andern Staßfurter Kaliſalzen abgeholfen werden muß.
8. Das Calcium. Ohne Vorhandenſein einer gewiſſen Menge von Kalk, in Form von kohlenſaurem, phosphorſaurem, ſchwefelſaurem
) Landwirtſchaftliche Jahrbücher 1888. 2) Landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen XIII., pag. 321. 3) Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 187.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 289
oder ſalpeterſaurem Kalk oder von Chlorcalcium, läßt ſich keine Phanerogame zu geſunder Entwickelung bringen. Schließt man in künſtlichen Nährſtofflöſungen das Calcium vollſtändig aus, ſo tritt ſehr bald nach der Keimung Erſchlaffung und Abſterben der Wurzeln ein, welches ſchnell den Tod des ganzen Pflänzchens herbeiführt. Wo es an Kalk im Boden fehlt, wird dem Kränkeln der Pflanzen durch geeignete Kalkdüngung, alſo Einbringen von Mergel, kohlenſaurem Kalk oder Gips abgeholfen.
9. Das Magneſium gehört ebenfalls zu den unentbehrlichen Nährſtoffen; die Pflanzen entwickeln ſich nicht, wenn Talkerdeſalze gänzlich fehlen.
10. Das Eiſen. Das Fehlen dieſes Metalles hat an allen chlorophyllbildenden Pflanzen eine wohlcharakteriſierte Krankheit, die Bleichſucht oder Chloroſe, zur Folge, weil das Eiſen zur Bildung des Chlorophylls notwendig iſt. Wir reden von Bleichſucht, wenn an einer im normalen Zuſtande grünen Pflanze bei Entwickelung im Lichte die jungen Blätter iu hellgelber Farbe zum Vorſchein kommen und dauernd gelb oder gelbgrün bleiben, wobei ſie jedoch im Übrigen ihre normale Beſchaffenheit und Geſtalt annehmen. Die Zellen des Meſophylls enthalten dann zwar in ihrem Protoplasma Chlorophyllkörner, aber an dieſen iſt der grüne Farbſtoff nicht ausgebildet, ſie haben einen gelben Farbenton, und auch ihre Zahl iſt geringer als in den Zellen geſunder grüner Blätter. Bisweilen nimmt der Farbſtoff ſoweit ab, daß die Blätter völlig weiß erſcheinen. Man hat daher, wie es ſchon Meyen!) that, die Bezeichnung Chloroſe auf dieſen letzteren Zuſtand beſchränkt, wo der Zellinhalt ganz wäſſerig, protoplasmaarm und farblos erſcheint, und das erſterwähnte Ausſehen als Gelbſucht (icterus) bezeichnet. Indeſſen ſind beide in ihrem Auftreten nicht ſtreng geſchieden und ſind
durch allmähliche Übergänge verbunden. Hiernach ſind dieſe Krankheiten
vom Etiolement (S. 154) hinlänglich unterſchieden, indem letzteres durch Lichtmangel erzeugt wird und außer dem Unterbleiben der Chlorophyll— bildung auch bedeutende Veränderungen in der Geſtalt und Ausbildung der Pflanzenteile erkennen läßt. Die hier beſchriebenen Krankheiten können durch Eiſenmangel in der Nahrung verurſacht werden. Aber es ſind auch noch andere Einflüſſe bekannt, welche die nämlichen Krankheitserſcheinungen hervorrufen, wie z. B. ungenügende Temperatur, die oben erwähnte Gelbſucht, die in eiſenhaltigen Waſſerkulturen oft eintritt, ferner die ſpontane Bleichſucht der panachierten oder ganz farb— loſen Blätter, ſo daß alſo nicht jede Bleich- oder Gelbſucht ohne
) Pflanzenpathologie, pag. 282 ff. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 19
Magnefiun als Nährſtoff.
Eiſen als Nähr⸗ ſtoff.
290 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
weiteres auf Eiſenmangel zurückgeführt werden darf. Zuerſt haben Gris, Vater und Sohn!), entdeckt, daß man gelbſüchtige Pflanzen heilen kann, d. h. daß ihre gelben Blätter ergrünen, wenn man ſie eine verdünnte Löſung eines Eiſenſalzes durch die Wurzeln aufnehmen läßt. Eine Reihe ſpäterer Forſcher?) hat weiter durch Verſuche gezeigt, daß man durch Kultur in eiſenfreien Nährſtofflöſungen die Krankheit hervorrufen kann. Beſonders lehrreich ſind in dieſer Beziehung die Verſuche von Sachs (J. e.). Dieſer zeigte am Mais, daß die Krankheit erſt dann eintritt, wenn die Pflanze alle Keimteile auf Koſten der Reſerve— ſtoffe entfaltet hat; die erſten 3—4 Blätter werden grün, weil fie das im Samen enthaltene Eiſen empfangen; die folgenden ſind dann nur noch im oberen Teil grün, an der Baſis bleich, endlich kommen lauter total kranke Blätter. Einen ganz ähnlichen Eintritt der Krank— heit beobachtete er an Kohlpflanzen und Bohnen; ich an Sonnen— blumen und Lein. Ebenſo ſah Sachs die Gelbſucht auch an voll— ſtändig normal erzogenen Maispflanzen von mehr als 48 em Höhe eintreten, nachdem ſie aus der eiſenhaltigen Nährſtofflöſung in eine eiſenfreie geſetzt worden waren; nach ſechs Tagen zeigten ſich auf den jungen Blättern gelbweiße Längsſtreifen, die ſpäter noch ſtärker hervor— traten, die Befruchtung der Blüten ſchlug fehl und das Trockengewicht der Ernte betrug nur ½ von den in der Eiſenlöſung bis zu Ende gewachſenen Pflanzen. Nach Knop?) iſt der Eiſengehalt einer Eichel genügend, um die Entwickelung der Pflanze auf 1 bis 2 Jahre zu unterhalten; erſt im zweiten und dritten Sommer werden, wenn man nur eiſenfreie Löſungen der Pflanze darbietet, die Blätter gelb und bleich. Läßt man die Nährlöſung dauernd eiſenfrei, ſo werden, wie ich an Mais und Sonnenblumen beobachtete, die erſten mittelſt des im Samen vorhandenen Eiſens ergrünten Blätter wieder preis— gegeben, ſie ſterben unter Entfärbung ab; das nun wieder disponibel gewordene Eiſen wird oft dazu verwendet, um plötzlich eins oder einige der jüngſten chlorotiſchen Blätter ergrünen zu laſſen. Eine dauernd eiſenfrei bleibende Pflanze geht natürlich nach einiger Zeit zu Grunde, weil bei Mangel von Chlorophyll die Kohlenſäureaſſimilation un⸗ möglich iſt; die Analyſe zeigt dann, daß die Trockenſubſtanz der Ernte gegen die des angewandten Samens nur unbedeutend zugenommen hat!). Es ſcheint, daß die eigentliche Chloroſe immer einen ſehr rapiden
) Vergl. A. Gris, Ann. des sc. nat. 1857. VII. pag. 201.
) Vergl. die Litteratur bei Sachs, Experimentalphyſiologie, pag. 144. 3) Berichte d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 6. Febr. 1869.
) Sachs, 1. c. pag. 146. ff.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 291
Verfall des Lebens nach ſich zieht, icteriſche Pflanzen aber länger aus⸗ halten können, z. B. nach Knop?) durch Eiſenmangel gelbſüchtig ge— wordener Mais bis zur Blüte.
Was die Quantität und Qualität der Eiſenverbindungen betrifft, durch welche die in Rede ſtehende Krankheit verhütet oder geheilt werden kann, ſo hat ſich übereinſtimmend mit dem geringen Eiſengehalt der meiſten Pflanzenaſchen ſchon eine relativ ſehr kleine Menge Eiſen zur vollſtändigen Ergrünung der Pflanzen hinreichend erwieſen; nach Knop (I. c.) reichen für ein Exemplar von Getreidepflanzen 2— 5 mgr aus, um deſſen ganzen Bedarf an dieſem Metall zu decken. Den beſten Dienſt leiſten Eiſenoxydſalze, die in Löſung geboten werden können, oder fein verteiltes phosphorſaures Eiſenoxyd, welches, wenn es auf die Wurzeln aufgeſchlemmt iſt, durch dieſe in Löſung gebracht wird. Auch die Oxydulſalze genügen, wenn fie in ſehr verdünnten Löſungen gegeben werden, wahrſcheinlich weil fie ſich leicht zu Oxydſalzen orydieren. Sogar eiſenhaltige Doppeclyanüre, wie das gelbe Blutlaugenſalz, können nach Knop, allerdings nachdem ſie von der Pflanze zerſetzt worden ſind, das zum Ergrünen nötige Eiſen liefern, wiewohl ſie weiterhin als Gift (ſ. unten) wirken.
II. Unterbleiben der Ernährungsſymbioſe.
Seit dem Jahre 1885 iſt durch meine Entdeckung der allgemein 9 ©. verbreiteten Symbioſe der Wurzeln der Cupuliferen und Coniferen mit 1 Pilzen und durch die daran ſich ſchließenden weiteren Forſchungen ein ganz neuer Faktor bei der Ernährung der Pflanzen bekannt geworden: die Mithilfe von Pilzen bei der Erwerbung der Nahrung. Es beſteht { unter normalen Verhältniſſen in der Natur eine konſtante Verbindung zwiſchen den Wurzeln der betreffenden Pflanzen und gewiſſen Pilzen, die im Erdboden verbreitet ſind und ſich regelmäßig in beſtimmter Weiſe auf oder in den Wurzeln dieſer Pflanzen, ſobald dieſe ſich in dem Erdboden entwickeln, anſiedeln. Dieſe Pilze ſtehen aber zu den Pflanzen nicht in der gewöhnlichen Beziehung von Paraſiten zu ihrem Wirt, vielmehr beſteht hier ein gutartiges Verhältnis; die mit den Pilzen behafteten Wurzelteile werden nicht beſchädigt, ſondern bleiben erhalten und funktionieren für die Pflanze in zweckmäßigſter Weiſe; | der Pilz wird geradezu zum Wohlthäter der Pflanze, zu einem Lebens: genoſſen derſelben, ohne den ſie meiſt in einem kümmerlichen Ernährungs— zuſtande bleiben oder ſogar ganz exiſtenzunfähig ſein würde. Dieſes | dem Paraſitismus gerade entgegengeſetzte Verhältnis fällt alſo unte
MI. e. pag 3. 138
Mykorhiza.
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92 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
den Begriff der von mir ſogenannten Symbioſe oder des von de Bary gebrauchten Ausdruckes mutualiſtiſche Symbioſe, womit eben ausgedrückt ſein ſoll, daß beide Symbionten wechſelſeitig ſich nützen und am Leben erhalten, während der Paraſitismus dann als antagoniſtiſche Symbioſe bezeichnet wird.
Da nun ausgeprägte Krankheitserſcheinungen der Pflanzen und völliger Mißwachs die Folge ſind, wenn die Ernährungsſymbioſe bei den betreffenden Pflanzen nicht zu ſtande kommt, alſo beſonders, wenn die bezüglichen Symbioſepilze im Erdboden nicht oder ungenügend vorhanden ſind, ſo müſſen dieſe Verhältniſſe auch in der Pflanzen— pathologie beſprochen werden. Wir ſetzen jedoch hier die Kenntnis der betreffenden biologiſchen Verhältniſſe voraus oder verweiſen in betreff dieſer auf die Pflanzenphyſiologie“) und werden uns hier auf die Krankheitserſcheinungen beſchränken, welche beim Unterbleiben der Symbioſe zu beobachten ſind.
1. Die mykorhizenbildenden Pflanzen. Mit den Namen Mykorhiza oder Pilzwurzel) habe ich diejenigen Saugwurzeln bezeichnet, welche auf ihrer ganzen Oberfläche mit einem lückenloſen Mantel eines aus innig verflochtenen Pilzhyphen beſtehenden Gewebes bedeckt ſind, welcher zugleich in organiſcher Verwachſung mit der Wurzelepidermis ſich befindet, auch über den Vegetationspunkt der Wurzelſpitze ſich erſtreckt und daſelbſt mit der Verlängerung der wachſenden Wurzelſpitze ſtets gleichen Schritt hält. Eine ſolche Myko— rhiza hat keine Wurzelhaare, welche ſonſt von den unverpilzten Wurzeln im Boden gebildet werden und die aufſaugenden Organe der Wurzeln darſtellen. Die Mykorhiza kann eben nur durch Vermittelung ihres Pilzmantels Waſſer und Nährſtoffe aus dem Boden zugeführt erhalten. Von dem Pilzmantel jeder Mykorhiza erſtrecken ſich zahlloſe Pilzhyphen in den benachbarten Humusboden, welche alſo dem Pilze und der Wurzel Nahrungsſtoff zuführen. Der Waldhumus iſt thatſächlich von ſolchen Pilzhyphen, die alſo zugleich die Mykorhizen bilden, völlig durchwuchert; ſie gehören aller Wahrſcheinlichkeit nach den verſchiedenſten waldbewohnenden Schwämmen an. Gerade die Humusbeſtandteile ſind es, aus welchen dieſe Pilze ihre Nahrung ziehen, und welche
1) Eine eingehende Darſtellung der verſchiedenen Symbioſe-Formen nach dem gegenwärtigen Stande der Sache iſt in meinem Lehrbuch der Botanik I. Leipzig 1892, pag. 257 275 zu finden.
2) Über die auf Wurzelſymbioſe beruhende Ernährung gewiſſer Bäume durch unterirdiſche Pilze. Berichte d. deutſch. bot. Geſellſch. 1885, pag. 128 u. NV
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 293
dadurch auch mittelbar den mykorhizenbildenden Phanerogamen nutz bar gemacht werden.
Mit ſolchen Mykorhizen konſtant verſehen ſind, wie ich nach- Vorkommen der
gewieſen habe, alle wälderbildenden Cupuliferen und Coniferen, alſo Mytorhizen. beſonders Rotbuche, Weißbuche, Eiche, Haſel, Birke, Erle, Kiefer, Fichte, Tanne, Lärche, meiſt auch die Salicaceen, alſo die Weiden und Pappeln, auch Linde; nicht aber Eſche, Ahorn, Ulmen. Auch ſind ſämtliche Saugwurzeln jener Bäume als Mykorhizen ausgebildet, ſo daß im allgemeinen unverpilzte Saugwurzeln an ihnen nicht zu finden ſind. Dies gilt auch von allen Lebensaltern dieſer Pflanzen, indem ſchon in den erſten Jahren die Wurzelverpilzung ſich einſtellt und dann zeit— lebens am Baume ſich erhält.
Ebenſo habe ich gezeigt, daß die genannten Waldbäume überall Verbreitung der mit Mykorhizen verſehen find; in allen Ländern, auf der ganzen Erde Mytochizen. iſt dieſe Wurzelſymbioſe ein konſtantes Verhältnis; man kann im allgemeinen ſagen, daß in allen Wäldern an jedem Baume die My— korhizen zu finden ſind.
Die große Bedeutung der Mykorhizen für die Waldbäume habe Bedeutung der ich durch Verſuche mit Rotbuchen und Kiefern bewieſen !), indem ich Möͤkorhizen. Ausſaaten dieſer Pflanzen machte in Vegetationsgefäßen in einem natürlichen Buchen- beziehentlich Kiefernwaldboden, und zwar derart, daß immer die eine Verſuchsreihe unbehandelten Waldboden, die andre denſelben Boden, jedoch nach ſtattgefundener Steriliſierung im Dampf— ſteriliſierungsapparat bei 100° erhielt. Das letztere geſchah, um die im Erdboden vorhandenen Keime der Mykorhizenpilze zu töten und ſo die Entwickelung der Pflanze in dem gleichen Boden, jedoch ohne Mitwirkung jener Pilze vergleichen zu können. Die Ergebniſſe fielen bei allen Verſuchen in dem gleichen Sinne aus: die in dem nicht— ſteriliſierten Boden wachſenden Pflanzen blieben alle am Leben und wuchſen ſo ſchön und kräftig, wie in den Saatkämpen im Freien;
Prüfung ihrer Wurzeln ergab regelmäßig eine normal eingetretene My— korhizenbildung; die in den ſteriliſierten Kulturen befindlichen Exemplare dagegen verkümmerten mit derſelben Regelmäßigkeit und gingen binnen wenig Jahren zu Grunde. Prüfung ihrer Wurzeln ergab, daß dieſe völlig pilzfrei und nur wie diejenigen andrer Pflanzen mit Wurzel— haaren verſehen waren. Den großen Unterſchied der Kulturen und die hochgradige Erkrankung der nicht ſymbiotiſchen Pflanzen zeigt die
i) ber die phyſiologiſche Bedeutung der Mykorhiza. Berichte der deutſch. bot. Geſellſch. 1888 pag. 248 und Ernährung d. Kiefer ꝛc. Daſelbſt 1892, pag. 577; auch in „Forſtliche Blätter“ 1889.
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in Fig. 31 nach einer photographiſchen Aufnahme dargeſtellte Buchen— kultur. Die Erkrankung tritt bei Buche wie bei Kiefer an manchen Individuen ſchon nach dem erſten, an den meiſten nach zwei bis drei
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Jahren ein. Die Krankheitsſymptome der nicht ſymbiotiſchen Pflanzen beſtehen darin, daß nur kümmerliche Triebe gebildet werden, an denen nur wenig und kleine, ſo wie oft in der Farbe mehr gelbgrüne Blätter vorhanden ſind. Bei der Buche erſcheinen die Blätter bisweilen bis
22 Ep ESRAEEER: VERENE
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 295
auf 1 em reduziert oder verkrüppelt, bei der Kiefer macht der Trieb nur wenig Nadelbüſchel, und die Nadeln ſind auffallend kurz und gelbgrün. Der Tod der kümmerlichen Pflänzchen iſt unfehlbar. Bei der Buche pflegt er gewöhnlich plötzlich, und zwar meiſt gleich nach dem Austrieb im Frühjahr einzutreten; es macht den Eindruck, als wenn gerade in dieſer Periode höchſten Nahrungsbedürfniſſes die Er— nährungsohnmacht der Pflanze akut zu dieſer Kataſtrophe führte. Bei der Kiefer erfolgt mehr ein langſames Hinſiechen während des Sommers und Herbſtes unter allmählichem Braun- und Trockenwerden der Nadeln. Nur wenn vor dem Tode durch Zufall Keime von Myko— rhizenpilzen von außen in die ſteriliſierte Kultur gelangt ſind und die Mykorhizenbildung ſich vollziehen kann, jo erholt ſich der Kümmerling _ auch von dieſem Zeitpunkte an ſichtlich und wird allmählich den von Anfang an ſymbiotiſchen Pflanzen immer ähnlicher; dies beweiſt zu— gleich, daß der ſteriliſierte Boden nicht etwa durch das Steriliſieren eine chemiſche Veränderung erlitten hat, die dem Pflanzenwachstum ſchädlich iſt, ſondern daß es in der That nur auf die An- oder Ab— weſenheit der Symbioſepilze ankommt, ob die Pflanze geſund oder krank ſich entwickelt. Wie oben (S. 283) erwähnt, laſſen ſich ja auch andre Pflanzen, die keine Wurzelſymbioſe beſitzen, ſehr gut in ſterili— ſiertem Humusboden erziehen, ja noch beſſer, als wenn der letztere nicht mit heißem Waſſerdampf behandelt worden iſt, weil durch dieſe Be— handlung viele ungelöſte Humusſubſtanzen löslich, alſo für die Pflanzen— ernährung verwertbar gemacht werden. Es beweiſt dies alſo um ſo mehr, daß die von Natur auf Wurzelſymbioſe angewieſenen Bäume an die Mithilfe der Pilze bei der Erwerbung der Nahrung jo akkommodiert ſind, daß ſie ohne dieſelben ſich nicht genügend ernähren können. Die vorſtehend erwähnten Verſuche ſetzen auf das klarſte die hohe Be— deutung der Mykorhizenpilze für die Ernährung der Bäume ins Licht, und zeigen, daß R. Hartig dieſe Bedeutung vollſtändig verkannt hat. Denn dieſer Botaniker iſt meines Wiſſens der einzige geweſen, der nach Bekanntwerden meiner Entdeckung der allgemeinen Pilzſymbioſe der Waldbäume beharrlich die Anſicht vertrat, daß die Wurzelpilze Paraſiten ſeien, welche den Baumwurzeln ſchaden, freilich ohne ſich irgend auf genaue Unterſuchungen, geſchweige denn auf entſcheidende Experimente ſtützen zu können.
Es iſt noch fraglich, ob manchmal die Mykorhizenpilze der Bäume im Boden fehlen können, ſo daß aus dieſem Grunde die Baumkultur fehlſchlägt. Thatſächlich kommen in allen in Waldkultur befindlichen Böden die Mykorhizen zu ſtande. Dasſelbe ſcheint auch in allen Gartenländereien der Fall zu ſein. Möglich wäre es, daß auf Böden,
Wichtigkeit der Waldſtreu als Pflanzen- nahrung.
Wurzelan⸗ anſchwellungen der Erlen ıc.
296 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
die ſtets nur als Ackerland gedient haben, und auf Odländereien, welche aufgeforſtet werden ſollen, die betreffenden Pilze zunächſt noch nicht oder ungenügend vorhanden ſind. Ich habe indeſſen auf einem Bodenſtück, welches lange Zeit hindurch überhaupt keine Pflanzen ge— tragen hatte, eingeſäete Buchen nur wenige Jahre ohne Mykorhizen bleiben ſehen. Es ſcheinen alſo die Keime ſolcher Pilze ſchon durch die Luft allmählich in die Erdböden verbreitet zu werden, und mit der Zunahme des Humus und der lebenden Baumwurzeln dürften dann die einmal eingeführten Pilzkeime zu immer ſtärkerer Mycelium— bildung gelangen.
Es kann nicht verkannt werden, daß wegen der Ernährung durch die humusverarbeitenden Mykorhizenpilze die Waldſtreu für die Er— nährung der Bäume von hervorragender Bedeutung It. Sie ſtellt das hauptſächliche Ma— terial dar, welches durch die Vermittelung der Wurzelpilze dem Baume wieder zur Nahrung nutz— bar gemacht wird. Der Rückgang in der Holz— produktion bei Nutzung der Waldſtreu erhält hierdurch ſeine natürliche Erklärung.
2. Die Wurzel- anſchwellungen bildenden Erlen, Eläagnaceen und Myricaceen. An den
Fig. 32. Wurzeln der genannten Wurzelanſchwellungen der Erle. A Stück einer Holzpflanzen x kommen wanne e de Order B Ci |ehwehungen dor, wach größer gewordener Auswuchs. 6 Stück der Bruch⸗ PU 1 wi fläche eines querdurchbrocheuen alten Auswuchſes, kurze, dicke und korallen—
um das Wachstum deſſelben zu zeigen. ähnlich verzweigte Aſt— chen darſtellen, die durch
ihre reichliche und dichte Verzweigung zu voluminöſen, bei den Erlen bis über fauſtgroßen knollenartigen Komplexen heranwachſen (Fig. 32). Von den Wurzeln unterſcheiden ſich dieſe Organe dadurch, daß ſie keine Wurzelhaube und auch keine Wurzelhaare beſitzen, ſondern überall von einer Korkhaut überzogen ſind, welche auch über den an der Spitze
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 297
liegenden Vegetationspunkt ſich erſtreckt, welcher das Längenwachstum und die Verzweigung vermittelt. Der weſentliche Charakter dieſer Organe kann durch die Benennung Pilzkammern oder Mykodo— matien ausgedrückt werden. Denn ſie ſind thatſächlich von einem Pilze erzeugt und bewohnt. In der Mehrzahl der Zellen des Grund— parenchyms dieſer Organe befindet ſich außer dem Protoplasma und dem Zellkern ein klumpenartiger Körper, der ein äußerſt dicht ver— ſchlungenes Fadenknäuel darſtellt, deſſen Fäden auch von Zelle zu Zelle vorwärts dringend mit dem ganzen Organ fortwachſen. Die Pilz— natur dieſer Gebilde wurde zuerſt von Woronin erkannt; Brunchorſt hat den Pilz genauer unterſucht und ihm den Gattungsnamen Frankia gegeben !). Der Pilz wird unter dem Einfluſſe der Pflanze degeneriert | und dabei zur Anſammlung von Eiweißmaſſen in blaſenförmigen Er- weiterungen ſeiner Fäden veranlaßt; dieſes Eiweiß wird zuletzt von | der Pflanze ſelbſt aufgelöſt, verdaut und zu Ernährungszwecken ver- | .
wertet. Nach einer kürzlich von Nobbe?) mit Hippopha® rham- noides angeſtellten Unterſuchung ſcheint auch dieſe Symbioſe für die Pflanze von Nutzen zu ſein, denn die in ſteriliſiertem Boden ohne Bildung dieſer Wurzelanſchwellungen gewachſenen Pflanzen blieben bemerklich ſchwächer als die gleichaltrigen, die in dem gleichen aber unſteriliſierten Boden die Pilzkammern entwickelt hatten.
3. Die Wurzelknöllchen bildenden Leguminoſen. Auch Wurzelknöllchen an den Wurzeln der Leguminoſen finden ſich in der freien Natur faſt Ka konſtant an jedem Individuum knollenförmige Organe, welche ebenfalls f den Charakter von Pilzkammern oder Mykodomatien haben. Sie find, wie ich gezeigt habe, keine umgewandelte Wurzeln, ſondern eigentümliche, nur aus der Wurzelrinde hervorgehende gallenartige Organe, welche durch die Infektion mit einem Spaltpilz, den ich Rhizo— bium Leguminosarum genannt habe, erzeugt werden und in deren Grundparenchymzellen dieſer Pilz zu ungeheurer Vermehrung gelangt.
Auch hier wird derſelbe größtenteils degeneriert, d. h. die Spaltpilz— zellen wachſen unter bedeutender Anſammlung von Eiweiß zu ver— größerten und geſtaltlich umgewandelten Gebilden, den ſogen. Bak— teroiden heran, die zuletzt vollſtändig von der Pflanze aufgelöſt, alſo wiederum verdaut werden, deren Subſtanz alſo die Pflanze ſich zu Nutze macht. Die Pilzkammern, welche in den Wurzelknöllchen vor— handen und in der erſten Entwickelungszeit der Leguminoſe vollgefüllt
1) Über näheres und über die zugehörige Litteratur vergl. mein Lehrbuch . der Botanik I, pag. 268 und 274. i 2) Landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen XLI. 1892, pag. 139.
298 IV. Abſchuitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
ſind, erſchienen ſpäter gegen die Fruchtreifung hin, ganz leer (Fig. 33). Immerhin bleibt eine große Anzahl der darin erzeugten Spaltpilze dem degenerierenden Einfluſſe der Pflanze entzogen; ſie ändern ihre urſprüngliche Form nicht, behalten ihre Vermehrungsfähigkeit und werden auch nicht von der Pflanze aufgelöſt; ſie gelangen bei der Verweſung der endlich abſterbenden Wurzelknöllchen in großer Anzahl wieder in den Erdboden, wo ſie von nun an wieder neue Leguminoſen zu in—
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Fig. 33.
Wurzelknöllchen der gelben Lupine. A eine Wurzel mit drei verſchieden großen Knöllchen. B ein Knöllchen im Durchſchnitt, k der Fibrovaſalſtrang der Wurzel, ringsum in der Rinde die großen Pilzkammern, aus dem fleiſchroten Bakteroidengewebe beſtehend. C altes Knöllchen mit ausgeleerten, hohlen Pilzkammern. E Querſchnitt durch ein halberwachſenes Knöllchen, k Fibro— vaſalſtrang der Wurzel, r unveränderte Wurzelrinde; das Knöllchen enthält ein ungefähr halbmondförmiges, aus Bakteroiden führenden kleinen Zellen beſtehendes Gewebe b, welches bei mm ſeine Wachstumspunkte hat; ſchwach
vergrößert.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 299
fizieren vermögen !). Die Bedeutung dieſer Pilzſymbioſe für die Er— nährung der Leguminoſe iſt zuerſt von Hellriegel?) erkannt worden, welcher zeigte, daß in einem ſtickſtofffreien oder ſehr ſtickſtoffarmen Boden Leguminoſen ohne dieſe Wurzelknöllchen nur ſehr kümmerlich wachſen, während ſie in dem gleichen Boden bei Gegenwart der Pilz— ſymbioſe normal ſich entwickeln (Fig. 34). Hellriegel zog aus ſeinen Beobachtungen den Schluß, daß die Leguminoſen nur durch Vermittelung dieſer in den Wurzelknöllchen lebenden Pilze den freien Stickſtoff der Luft aſſimilieren können. Eine richtigere Auffaſſung der Bedeutung dieſer Symbioſe iſt durch meine darüber angeſtellten Unterſuchungen be— gründet worden?). Die Unentbehrlichkeit dieſer Symbioſe für die Leguminoſenpflanze zeigt ſich nur auf ſtickſtoffloſen Böden. Hier ver— hält ſich die Leguminoſe ohne ihren Symbioſepilz genau ſo wie die Nichtleguminoſen, d. h. ſie kommt nur zu einer ſehr kümmerlichen Entwickelung, wie bereits oben (S. 284) erwähnt worden iſt. Durch die Symbioſe wird alſo der Leguminoſenpflanze die Ernährung mit Stickſtoffverbindungen, welche andre Pflanzen notwendig brauchen, erſetzt, und es wird alſo mit dieſem Hilfsmittel eine Pflanzenentwicklung ganz und gar aus freiem Stickſtoff möglich. Auf einem Boden da— gegen, welcher genügend Stickſtoffverbindungen enthält, iſt die Pilz— ſymbioſe entbehrlich, die Leguminoſen wachſen, wie ich gezeigt habe, auf einem ſolchen Boden, wenn er ſteriliſiert worden iſt und alſo keine Wurzelknöllchen zur Entwickelung kommen, völlig normal, oft ebenſo gut oder noch beſſer als mit Symbioſe, und man findet dann im Ernteſtickſtoff und im Stickſtoffgehalte des Bodens eine Vermehrung gegen den Stickſtoffgehalt im Samen und Boden vorher, die nur aus dem freien Luftſtickſtoff ſich herleten kann, alſo wiederum ſo wie bei den Nichtleguminoſen. Die Pflanze iſt alſo ſelbſt befähigt, freien Stickſtoff zu aſſimilieren. Der Pilz iſt kein Spezifikum für Erwerbung freien Stickſtoffes. Er läßt ſich auch außerhalb der Pflanze durch künſtliche Ernährung kultivieren, aber braucht dazu notwendig gewiſſe Stickſtoffverbindungen; beſonders Amide oder Eiweißſtoffe ernähren ihn ſehr gut, dagegen kann er in ſtickſtofffreien Nährmedien kaum merklich zur Entwickelung gebracht werden; dem freien Stickſtoff gegen— über verhält er ſich alſo für ſich allein ſehr paſſiv.
) Das Detail über die oben kurz geſchilderten Verhältniſſe iſt nach dem gegenwärtigen Stande unſres Wiſſens dargeſtellt in meinem Lehrbuch der Botanik I. pag. 269 — 274, wo auch die zugehörige Litteratur zu finden iſt.
2) Tageblatt d. Naturforſcher-Verſammlung zu Berlin 1866, pag. 290 und Zeitſchr. des Vereins f. d. Rübenzucker-Induſtrie. November 1888.
3) Die Ernährung der Pflanze mit freiem Stickſtoff in ihrer Abhängig— keit ꝛc. Landwirtſch. Jahrb. und Lehrbuch der Botanik I, pag. 577.
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4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 301
Der Symbioſepilz wirkt alſo in der Leguminoſe vorzüglich bei fehlendem oder ungenügendem gebundenem Stickſtoff im Erdboden als ein Reizmittel auf die Pflanze, wodurch die Ernährungs- und Wachstums— thätigkeiten derſelben energiſcher angeregt werden. Wie ich näher gezeigt habe, ſind es folgende Lebensthätigkeiten der Pflanze, welche dadurch be— fördert werden; es giebt dies zugleich eine Anlyſe des Krankheits— zuſtandes, in welchem die Leguminoſen bei Ausbleiben der Symbioſe auf ſolchen ſtickſtoffarmen oder -loſen Böden ſich befinden. 1) Die Aſſimilation des freien Stickſtoffes und alſo die Produktion ſtickſtoff— haltiger Pflanzenſubſtanz. 2) Das Wachstum, indem die Stengel höher, die Blätter zahlreicher und größer werden. 3) Die Ausbildung des Meſophylls in den Blättern, insbeſondere die Größe der Meſophyll— zellen, 4) die Bildung des Chlorophylls, indem in den Meſophyllzellen die Zahl der Chlorophyllkörner ſich vermehrt, die Chlorophyllkörner ſelbſt größer werden und reicher an Chlorophyllfarbſtoff ſind, weshalb der ganze Farbenton der Blätter tiefer grün wird. 5) Die Aſſimilation der Kohlenſäure, indem in den Chlorophyllkörnern reichlichere Aſſimilationsſtärke nachweisbar iſt.
C. Ungünſtige Konzentrationsverhältniſſe der Nährſtoffe.
Die Pflanze erkrankt nicht bloß, wenn ihr zu wenig Nahrung Schädliche Kon- zur Verfügung ſteht, ſondern ſie kann auch beſchädigt werden durch ee ein Zuviel der Nährſtoffe oder mit andern Worten, wenn die Kon— zentration der ihr dargebotenen Nährſtofflöſung eine zu ſtarke iſt. Wir beobachten daher die aus dieſem Grunde eintretenden Erkrankungen nicht bloß, wenn Pflanzen in Nährſtofflöſungen, alſo in Waſſer— kulturen, gezogen werden, ſobald hier ungünſtige Konzentrations- verhältniſſe gegeben ſind, ſondern auch wenn die Pflanzen, die im Erdboden wurzeln, mit zu ſtark konzentrierten Löſungen begoſſen werden, oder auch, was auf dasſelbe hinauskommt, wenn die Düngemittel in 8 zu ſtarken Gaben in den Boden gebracht worden ſind.
Der unmittelbare Einfluß ſtärker konzentrierter Löſungen auf lebende Pflanzenzellen iſt, wie die Phyſiologie lehrt, der, daß der Turgor der Zelle vermindert wird, indem die ſogenannte Plasmolyſe eintritt, d. h. es zieht ſich das Protoplasma infolge von Waſſerverluſt von der Innenſeite der Zellhaut zurück, weil infolge von Diosmoſe ein Teil des wäſſrigen Zellſaftes aus der Zelle austritt. Bei ſehr hohen Konzentrationen kann die Plasmolyſe jo ſtark werden, daß die Zelle ſtirbt. Ein ſchwächerer Grad von Plasmolyſe wird wieder ausgeglichen, ſobald die Einwirkung der betreffenden Löſung aufhört, d. h. wenn die Zelle wieder in reines Waſſer oder in eine ſchwach konzentrierte
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302 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Löſung gebracht wird. Da aber auch ſchon durch ſchwache Plasmolyſe der Turgor der Zelle vermindert wird, ſo iſt es begreiflich, warum dann auch das Wachstum der Zellen geringer wird, denn der turges— cente Zuſtand der Zellen iſt eine Bedingung ihres Wachſens.
Algen und Pilze
Phanerogamen.
Zunächſt iſt von den im Waſſer lebenden Algen durch Famintzin!) konſtatiert worden, daß Nährſtofflöſungen von höherem Konzentrationsgrade das Wachstum derſelben beeinträchtigen und dieſe Pflänzchen beſchädigen. Spiro— gyra entwickelte ſich in einer 0 Pprozentigen Löſung ſchon nicht mehr, während Mougeotia, Oedogonium, Stigeoclonium nicht nur in dieſer, ſondern ſelbſt noch in einer Löſung von 3 Prozent vollkommen geſund blieben, Protococeus viridis, Chlorococcum infusionum und „Protonema“, ſogar üppig gediehen; ſelbſt 5-prozentige Löſung wurde noch ertragen; die Bildung der Schwärm— ſporen des Protococcus, die in diſtilliertem Waſſer, desgleichen in ½ pro— zentiger Löſung ſtattfindet, wurde ſchon durch eine Löſung van 20% verhindert. Conventz?) behandelte Cladophora mit einer Löſung von ſalpeterſaurem
Kali und mit einer ſolchen von kohlenſaurem Ammoniak in verſchiedenen
Konzentrationen, und erkannte, daß die Wirkung einer zu konzentrierten Löſung dieſer neutralen Salze nur darauf beruht, daß dieſelben waſſer— entziehend auf das Protoplasma einwirken, welches dadurch um ſo mehr in Plasmolyſe gerät, je ſtärker die Konzentration iſt, daß man aber die ſchädliche Wirkung wieder aufheben kann, wenn die Alge ſchnell wieder in deſtilliertes Waſſer gebracht wird, widrigenfalls ſie zu Grunde geht. Die Wirkung wurde ſchon bei 2-prozentiger Löſung bemerkbar; doch konnte ſelbſt die Wirkung einer Löſung von 10 Prozent Salzgehalt durch ſchnelles Einlegen in reines Waſſer repariert werden. Doch wachſen Pflanzenzellen, die an andre Verhältniſſe gewöhnt ſind, z. B. Schimmelpilze, wie Asper- gillus. noch in einer Zuckerlöſung von 37,2, und Pollenſchläuche in einer ſolchen von 40 Prozent.
Die Samen der Phanerogamen werden um ſo mehr in ihrer Keim— fähigkeit beeinträchtigt, je konzentrierter die Salzlöſungen ſind, in deuen ſie eingequellt werden. Für die Praxis hat dieſer Umſtand in ſo fern Be— deutung, als ſich daraus ergiebt, daß das Einquellen der Samen in eine Nährſtofflöſung, ſowie das ſogenannte Kandieren der Samen, d. h. das Überziehen derſelben mit einer Kruſte aus Nährſtoffbrei, indem die in Leimlöſung eingehüllten Samen in pulverförmige Düngemittel gebracht werden, oder die Ausſtreuung gewiſſer Düngemittel, wie Kainit und ähn— licher Salze gleichzeitig mit der Ausſaat anſtatt längere Zeit vorher, für die Samen, ſowie für diejenigen jungen Rüben, denen beim Verpflanzen eine konzentrierte Doſis Nährſtoffe gegeben wird, nachteilig iſt. Näher belegt wurde dieſe Thatſache durch die Verſuche von Tautphöus)), wo— nach die in deſtilliertem Waſſer eingequellten Samen verſchiedener Kultur> pflanzen am beſten keimen, während in Löſungen von Chlorkalium, ſal⸗ peterſaurem Natron, ſchwefelſaurem Kali, phosphorſaurem Kali und ſal⸗ peterſaurem Kalk die Keimfähigkeit um ſo mehr herabgedrückt wurde, je
1) Bot. Zeitg. 1871, Nr. 46. 2) Bot. Zeitg. 1874, pag. 404. 3) Biedermanns Centralblatt f. Agrikulturchemie 1876, II. pag. 117.
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4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 303
mehr die Konzentration von 0,5 bis 5,0 Prozent ſtieg. Nur Chlornatrium— löſung ſoll eine Förderung des Wachstums zur Folge gehabt haben. In letzterer Beziehung haben die Verſuche von Jarius) ergeben, daß Salz löſungen von 0,2 bis 0,4 Prozent (Chlorkalium, Chlornatrium, ſalpeterſaures Kali und Natron, ſchwefelſaures Kali und Ammon, ſaurer phosphorſaurer Kalk) günſtig und oft beſchleunigend auf die Keimung wirken, während erſt Konzentrationen von 1 und mehr noch von 2 Prozent den Keimungsprozeß hemmen. Ahnliches gilt auch für Kartoffeln; nach Fleiſcher) trieb ein bedeutender Prozentſatz ſolcher Knollen, bei denen erſt unmittelbar vor dem Legen die Düngung mit Kainit und Superphosphat erfolgt war, nicht aus.
Phanerogamen ſind bei Waſſerkulturen, wo ihre Wurzeln in eine Löſung der Nährſtoffe eintauchen, ſchon gegen geringe Konzentrationen em— pfindlich, indem zu einer gedeihlichen Entwickelung derſelben der Salz gehalt ungefähr zwiſchen 0,05 bis 0,2, höchſtens bis 0,5 Prozent ſich halten darf, aber höhere Konzentrationsgrade ſchon ſchädlich wirkens). Genauer hat de Vries“) die Abhängigkeit des Wachſens der Wurzeln von dem Turgor der Zellen, alſo von der Konzentration der umgebenden Löſung feſtgeſtellt. Er fand innerhalb 24 Stunden folgende mittlere Zuwachſe der Haupt— wurzeln von Zea mais, wenn dieſe in Salpeterlöſung geſtellt wurde: in 0,5 prozentiger Löſung S 22 mm, in 1,0 prozentiger = 16,5 mm, in 1,5 pro— zentiger = 11,5 mm, in 2 prozentiger 7,0 mm. Daher erklärt ſich auch der ſchädliche Einfluß von Salzlöſungen dieſer Konzentration auf die Keimung der Samen. Für die im Erdboden wachſenden Wurzeln ſind jedoch dieſe und ſelbſt noch ſtärkere Konzentrationen der Löſungen, womit die Pflanzen begoſſen werden, noch ohne Nachteil, was wohl mit der Abſorption zuſammenhängen mag, welche der Erdboden auf die im Waſſer gelöſten Stoffe ausübt. Indeſſen tritt doch auch hier der ſchädliche Einfluß hervor, ſobald eine gewiſſe Grenze erreicht iſt, über die es jedoch noch an genaueren Feſtſtellungen fehlt; man ſieht dann nämlich die Pflanze entweder ſchnell abſterben oder ſich doch kümmerlicher und zwerghaſt entwickeln. Wenn künſtliche Düngemittel z. B. Chiliſalpeter, Kainit ꝛc. in zu großer Menge aufgeſtreut werden, beobachtet man dieſelben Beſchädigungen. Indeſſen kommen dabei wohl auch ſchon direkte Giftwirkungen einzelner Salze zur Geltung, worüber am ent— ſprechenden Orte weiter unten näheres zu ſagen iſt.
maßen reichlicher Menge vorhanden iſt, wobei die Konzentrations- verhältniſſe der Bodenlöſung überhaupt noch keine der Pflanze ſchäd— liche zu ſein brauchen. Zum Teil hierhergehörig dürfte die allgemeine Erſcheinung ſein, daß die einzelnen Pflanzenarten eine Vorliebe für gewiſſe Bodenverhältniſſe und einen Widerwillen gegen andre haben, indem von den wildwachſenden Pflanzen nach gewiſſen Düngungen
) Einwirkung von Salzlöſungen auf den Keimungsprozeß. Landw. 2) Daſelbſt 1880, pag. 765.
Verſuchsſtationen 1885, pag. 149.
3) Vergl. beſonders Knop, B. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 1875, pag. 29 ff. 5) Landwirtſch. Jahrbücher. 1877, pag. 896.
Es kann aber auch ſchon darin ein ungünſtiger Einfluß auf die Be ; 5 ae err 9 ( zu einge keicher Stickſtoff— Vegetation liegen, daß ein oder der andre Bodenbeſtandteil in einiger— Düngung
304 IV Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
beſtimmte Arten mehr oder weniger zu verſchwinden und dafür andre vorherrſchend zu werden pflegen. Namentlich ſind es ſtarke Stickſtoff— düngungen, welche ſehr verändernd auf die Vegetation einwirken, nicht nur weil dadurch gewiſſe Pflanzen z. B. auch manche Unkräuter, zu Ungunſten andrer Gewächſe befördert werden können, ſondern auch weil die Entwickelung der Pflanze ſelbſt abnorm werden kann. Denn alle diejenigen Pflanzen, welche eine Vorliebe für Stickſtoffverbindungen haben und für Düngungen mit ſolchen, z. B. mit Chiliſalpeter, Stall— dung dc. ſich dankbar erweiſen, können durch ſehr reichliche Stickſtoff— gaben in ihrer ganzen Entwickelung ſo beeinflußt werden, daß dies unter Umſtänden für ſie gefährlich ſein kann. Reiche Stickſtoffdüngungen haben bei dieſen Pflanzen, zu denen die meiſten der landwirtſchaftlichen Kulturpflanzen gehören, eine üppige Entwickelung des Laubkörpers und auch eine Verlängerung der Vegetationsperiode zur Folge. Solche Pflanzen machen dann äußerſt kräftige Triebe mit großen, dicken, dunkelgrünen Blättern, haben die Neigung, immer neue derartige Triebe hervorzubringen und kommen dementſprechend viel ſpäter zum Blühen und Fruchttragen als gleichaltrige, in der Stickſtoffnahrung knapper gehaltene Genoſſen. Haben ſolche Pflanzen Zeit noch zum Aus— reifen zu kommen, ſo können ſie eine reiche Ernte liefern; gar oft aber geht über der verlängerten Vegetationsthätigkeit die der Frucht— bildung günſtige Jahreszeit vorüber und die Folge iſt alſo, daß dieſe Organe nur noch mangelhaft oder gar nicht zur Entwickelung kommen. Dieſer Fall kann daher nach überreichem Stickſtoffdung eintreten z. B. bei den Kartoffeln, wo die Knollenbildung und der Stärkegehalt da— durch benachteiligt werden kann, bei den Rüben, wo dies eine Ver— minderung des Zuckergehaltes zur Folge hat, beim Getreide, wo die Körnerbildung dadurch leidet, beſonders auch bei allem Obſt, wo Unfruchtbarkeit die Folge ſein kann. Ebenſo iſt es denkbar, daß bei ſtarken Stickſtoffdüngungen ſo viel von dem vorhandenen Stickſtoff auf die Ausbildung des vegetativen Apparates der Pflanze verwendet wird, daß zu einer entſprechenden Fruchtbildung hinterher kein genügender Stickſtoff mehr übrig iſt, während das gleiche Quantum Stickſtoff— düngung nicht auf einmal, ſondern nach und nach während der Ent— wickelung der Pflanze gegeben, dieſes Mißverhältnis nicht hervor— gebracht haben würde. Selbſtverſtändlich wird dagegen in ſolchem Falle dieſe Verſchiebung in den Lebensthätigkeiten der Pflanze willkommen ſein, wo eine möglichſt üppige Ausbildung des Blattkörpers gerade dem Kulturzwecke entſpricht, wie bei den Kohlarten.
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I. Der Sauerſtoff 305
V. Abſchnitt. Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe.
Die Pflanzen kommen bisweilen mit ſchädlichen Stoffen in Be— rührung, was natürlich für ſie gewiſſe nachteilige Folgen hat. Wir können ſolche Stoffe in dieſer Beziehung dem gewöhnlichen Sprach— gebrauch entſprechend als Gifte bezeichnen. Es gehören dann aber dazu nicht bloß die eigentlichen Gifte, alſo Stoffe, welche nur aus— nahmsweiſe vorhanden ſind und dann gewöhnlich ſchon in geringer Menge ſchädlich wirken, ſondern es kann auch durch gewöhnliche Be— ſtandteile des Bodens oder der Luft, wenn ſie in abnorm großer Menge vorhanden ſind, eine Beſchädigung an der Pflanze hervor— gebracht werden, gerade ſo wie ja auch auf den tieriſchen Organismus manche Stoffe, die in geringer Menge ohne Einfluß oder ſogar von heilſamer Wirkung ſind, in ſtärkeren Doſen den Charakter wirklicher Gifte annehmen. Es iſt daher eben auch für die Pflanze der Begriff des Giftes nicht ſcharf zu begrenzen. Wir behandeln hier die in dieſer Beziehung in Betracht kommenden Stoffe einzeln.
I. Der Sauerſtoff. Dieſer allgemeine Beſtandteil der atmo— ſphäriſchen Luft iſt ja als Unterhalter der Atmung für die Pflanzen ebenſo unentbehrlich wie für die Tiere. In dem Miſchungsverhältniſſe, in welchem er ſich in der Luft mit dem Stickſtoffgaſe befindet (etwa 21 zu 79) iſt er in einer der Vegetation zuſagenden Menge vorhanden. Andert ſich dieſes Verhältnis, entweder durch Zu- oder Abnahme des Sauerſtoffes, ſo werden verſchiedene Lebensprozeſſe der Pflanze geſtört. Es kommt dabei jedoch nur auf den Partialdruck des atmoſphäriſchen Sauerſtoffes an, indem nur ſolche Anderungen der Zuſammenſetzung der Luft ſchädlich wirken, wobei der Partialdruck dieſes Gaſes eine Erhöhung oder Erniedrigung erfährt. In der freien Natur kommen freilich ſolche Veränderungen ſchwerlich vor; dieſelben ſind nur durch künſtliche Verſuche erzielt und in ihren Wirkungen auf die Pflanze ſtudiert worden.
In reinem Sauerſtoffgas von der gewöhnlichen Dichte der Luft iſt nach Böhm) das Wachſen auf ein Minimum reduziert und die Pflanzen gehen bald zu Grunde. So kamen die Keimlinge von Phaseolus multiflorus, Mais, Erbſen und Linſen über die erſten Stadien der Wurzel- und Stengel- bildung nicht hinaus, Gartenkreſſe, Flachs, Sonnenblumen blieben durch— ſchnittlich kleiner, Roggen, Gerſte, Weizen, Hafer entwickelten jedoch die erſten Blätter in normaler Länge. Ein 8—10 Prozent ſtickſtoffhaltiges
) Sitzb. d. Wiener Akad. 10. Juli 1873. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 20
Gifte.
Sauerſtoff.
306 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
Sauerſtoffgas hatte ungefähr den gleichen ſchädlichen Einfluß. Böhm hat dann weiter gezeigt, daß, wenn das reine Sauerſtoffgas durch Auspumpen mittelſt der Luftpumpe oder durch Beimengung von Waſſerſtoff ſo verdünnt wird, daß es unter einem Drucke ſteht, welcher dem Partialdruck des atmo— ſphäriſchen Sauerſtoffs entſpricht oder ſelbſt kleiner iſt, das Wachstum ebenſo intenſiv, wie in atmoſphäriſcher Luft erfolgt. Auch die Verſuche Bert's!) lehren, daß ſowohl ein verminderter, wie ein erhöhter Luftdruck der Atmoſphäre für die Pflanzen ſchädlich iſt und daß dabei nur der Partialdruck des Sauerſtoffs das Wirkſame iſt. Die mit Gerſte, Roggen, Kreſſe und Radieschen gewonnenen Reſultate ergeben, daß die Keimung um jo langſamer vor ſich geht, je niedriger der Luftdruck iſt, daß die unterſte Druckgrenze für Kreſſe 12 em, für Gerſte 6 em iſt, und bei 4 em über: haupt nirgends mehr Keimung ſtattfindet, daß jedoch in einer ſehr ſauer— ſtoffreichen Luft auch bei 4 cm Druck noch Keimung ſtattfindet und in ſolcher Luft ebenſo raſch verlaufen kann wie in gewöhnlicher Atmoſphäre bei nor— malem Druck, während in ſauerſtoffarmer Luft auch bei normalem Druck die Keimung verlangſamt wird. Ein Druck von 4 oder 5 Atmoſphären iſt für die Pflanzen ohne auffallenden Nachteil, wenn die Luft früh und abends erneuert wird. Bei höherem Druck werden die Triebe blaß und ſchmächtig; bei 8 Atmoſphären entwickeln ſich zwar die Wurzeln, aber nicht die Stengel; bei 10 Atmoſphären finden nur Anfänge der Wurzelbildung ſtatt (Gerjte). Eine entwickelte Mimosa pudica ging in gewöhnlicher Luft bei 6 Atmoſphären Druck, aber in ſauerſtoffreicher Luft ſchon bei 2 Atmo— ſphären raſch zu Grunde. Nach Wieler?) nimmt jedoch die Wachstums— intenſität zunächſt mit der Verminderung der Partiärpreſſung des Sauer— ſtoffes zu, erreicht z. B. bei Vicia Faba bei 5—6 Volumprozenten Sauerſtoff ein Optimum und ſinkt erſt bei weiterer Verdünnung auf den Nullpunkt herab; desgleichen ſcheint bei Steigerung der Partiärpreſſung zunächſt ein zweites Optimum erreicht zu werden und dann erſt Hemmung des Wachs— tums einzutreten, denn Helianthus annuus zeigte bei 95 bis 96 Volum— prozenten Sauerſtoff größere Wachstumsintenſität als in gewöhnlicher Luft.
Der Sauerſtoffmangel bringt viele Lebensthätigkeiten der Pflanze zum Stillſtand. Die dadurch bedingte Erſchwerung der Atmung, alſo ein Er— ſticken, haben wir ſchon bei den zu tief unter der Bodenoberfläche befindlichen, alſo von der Luft abgeſchloſſenen Samen und Wurzeln (S. 251) kennen gelernt. Ebenſo wird die auf die Aufſaugung des Waſſers aus dem Boden gerichtete Wurzelthätigkeit durch Sauerſtoffmangel gehindert (S. 256) Die Phyſiologie lehrt auch weiter, daß viele Bewegungserſcheinungen von Pflanzen- teilen, ſowie die Bewegungen des Protoplasmas in der Zelle bei Sauer- ſtoffmangel gehindert werden. Läßt man einer ſolchen Pflanzenzelle nach nicht zu langer Zeit wieder Sauerſtoff zuſtrömen, fo beginnen die ſiſtierten Lebens⸗ erſcheinungen von neuem, die Zelle iſt alſo in den irreſpirablen Gaſen zu— nächſt in einen Zuſtand gekommen, den man Aſphyxie nennt. Prings⸗ heim!) hat gezeigt, daß die chlorophyllhaltige Zelle dabei auch in einem
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) Compt. rend. 16. Juni 1873.
2) Unterſuchungen aus d. bot. Inſtitut zu Tübingen I. 1883, Heft 2. Vergl. auch Jentys, daſelbſt II. 1888, pag. 419.
3) Berichte d. deutſch. botan. Geſellſch. 1887, pag. 294.
II. Die Kohlenſäure 307
Zuſtande der Ernährungsohnmacht oder Inanition ſich befindet, denn ſie kann dann auch trotz Chlorophyll und trotz Luftzutritt nicht aſſimilieren, thut das jedoch bei Sauerſtoffzutritt wieder.
II. Die Kohlenſäure. Die in der atmoſphäriſchen Luft ent— haltene Kohlenſäure iſt für alle chlorophyllhaltigen Pflanzen als Kohlen— ſtoffquelle für die Ernährung unentbehrlich. Aber wenn der Gehalt der Luft an dieſem Gaſe das gewöhnlich in der Atmoſphäre gegebene Maß (0,04 bis 0,06 Prozent im Freien) erheblich überſteigt, ſo werden gewiſſe Lebensthätigkeiten der Pflanze ungünſtig beeinflußt. Es gilt dies namentlich vom Wachstumsprozeß, von der Bildung des Chloro— phylls und von der Kohlenſäureaſſimilation. Unter natürlichen Ver— hältniſſen kommt freilich eine ſolche Bereicherung der Luft an Kohlen— ſäure, um dieſe ſchädlichen Einflüſſe hervorzurufen, nicht vor, ſondern nur in künſtlichen entſprechenden Experimenten.
Die Keimung und das Wachstum auf Koſten der Reſervenährſtoffe werden durch einen ungewöhnlichen Kohlenſäurereichtum der Luft gehindert, wie ſchon Sauſſure erkannte und Böhm) genauer erforſcht hat. An Feuerbohnen, welche im Dunkeln in Luft von verſchiedenem Kohlenſäure— gehalt ausgeſäet worden waren, war die mittlere Wurzellänge nach 12 Tagen in gewöhnlicher Luft 13,6 em, in 2 Prozent kohlenſäurehaltiger Luft 10,5 em, in 5 Prozent Kohlenſäure 7,9 em, in 10 Prozent 4,6 em; in Luft von 14 Prozent Kohlenſäure an war die Radicula nur unbedeutend entwickelt, die Samen zum Teil verdorben. Eine ähnliche Abſtufung zeigte ſich in der mittleren Stengellänge bei 0, 2, 5 und 10 Prozent Kohlenſäure. Wurden die Pflanzen in gewöhnliche Luft geſetzt, ſo nahmen dieſelben, ſoweit ſie nicht abgeſtorben waren, normales Wachstum an.
Nach Böhm (Je.) ſoll die Bildung des Chlorophylls verlangſamt oder ganz gehindert werden, wenn die Luft nur wenige Prozente Kohlenſäure enthält. Am empfindlichſten war Kreſſe, deren im Dunkeln entwickelten, alſo vergeilten Keimpflanzen in gewöhnlicher Atmoſphäre im Lichte ſchon nach 10 ſtündiger Beleuchtung intenſiv grün werden, in einer Atmoſphäre mit nur 2 Prozent Kohlenſäure viel langſamer, bei Gegenwart von 20 Prozent
gar nicht ergrünten. Ahnlich verhielt ſich Sonnenroſe. Viel reſiſtenter war Lein, dem ſich Mohn ähnlich verhielt; die vergeilten Keimlinge bekamen ſelbſt in einer Atmoſphäre mit 33 Prozent Kohlenſäure noch einen ſchwach grünen Anflug, nicht mehr bei 50 Prozent. Getreidearten endlich zeigten ſelbſt in einer zur Hälfte aus Kohlenſäure beſtehenden Atmoſphäre noch Spuren einer Ergrünung. Auch bei längerem Verweilen in ſolcher Luft trat kein Fortſchritt in der Chlorophyllbildung ein, die Pflanzen ſtarben nach einigen Tagen. So erkrankte Keimpflanzen ergrünten aber auch nicht mehr, wenn ſie in gewöhnliche Luft zurückverſetzt wurden, bekamen viel— mehr braune Flecken auf den Cotyledonen und hörten auf zu wachſen. Das Unterbleiben der Chlorophyllbildung in dieſen Fällen iſt daher wohl auch nicht als eine direkte, ſondern erſt als eine ſekundäre Wirkung des
) Sitzungsber. d. Wiener Akad. 24. Juli 1873. 20 *
Kohlenſäure.
Keimung und Wachstum abhängig vom
Kohlenſäure—
gehalt der Luft.
Chlorophyll⸗ bildung abhängig vom Kohlenſäure— gehalt der Luft.
Kohlenſäurereichtums zu betrachten, indem derſelbe augenſcheinlich überhaupt ſtörend auf das Lehen einwirkt, ſchon weil dadurch die Partiärpreſſung des Sauerſtoffes in dem für die Pflanzen ſchädlichen Grade vermindert wird (S. 306). Aſſimilation Auch die Aſſimilation der Kohlenſäure iſt vom Gehalte der Luft an abhangig vom dieſem Gaſe abhängig. Schon Bouſſingault beobachtete, daß ein Kirſch— Kohlenſaure. lorbeerblatt pro gem Blattfläche und Stunde in reinem Kohlenſäuregas gehalt der Luft. 0,5 bis 1,5 cem, in einer bis zu 30 Prozent Kohlenſäure enthaltenden Luft 4,0 bis 13,1 cem Kohlenſäure zerſetzte. Man muß hierbei bedenken, daß ſich das Blatt durch die Sauerſtoffausſcheidung bei der Aſſimilation, ſelbſt eine zum Leben geeignete Luft ſchafft. Hierbei iſt die partiäre Preſſung der Kohlenſäure allein ſchon von Einfluß, denn Bouſſingault bemerkte, daß wenn er dieſes Gas durch Verminderung des Druckes auf ein größeres Volumen brachte, mit der verminderten Dichte der Kohlenſäure eine ſtärkere Aſſimilationsthatigkeit eintrat. Godlewski!) fand an Stücken eines und desſelben Blattes von Glyceria spectabilis, daß pro qdm Blattfläche und pro Stunde in einer Luft von 3,9, 12,6 und 26 Prozent Kohlenſäure je 8,31, 13,56 und 11,95 cem Kohlenſäure zerſetzt werden. Das Optimum liegt nach Godlewski für Glyceria bei 8-10, für Typha latifolia bei 5—7 Prozent Kohlenſäuregehalt der Luft. Indeſſen gilt das nur im hellen Sonnenſchein, bei geringerer Helligkeit war ſolcher Kohlenſäurereichtum ſchon nachteilig. In Übereinſtimmung damit fand Godlewski) auch die Stärkebildung in den Chlorophyllkörnern bei hellem Sonnenſchein in einer 8 Prozent Kohlenſäure enthaltenden Luft beſchleunigter als in gewöhnlicher Luft, dagegen bei großem Kohlenſäurequantum verlangſamt, während in kohlenſäurefreier Luft im Sonnenlichte gar keine Stärke in den Chlorophyll— körnern entſteht. Jedenfalls kann alſo eine Bereicherung der Luft mit Kohlenſäure, wie ſie für das tieriſche Leben bereits nachteilig iſt, für die Aſſimilation der grünen Pflanze Vorteil bringen.
Anderſeits iſt aber auch vollſtändige Entziehung der Kohlenſäure der Luft für die Blätter ſchädlich; nach Vöchtings) treten an Blättern, welche, ohne von der Pflanze abgeſchnitten zu ſein, in einer kohlenſäurefreien Luft erhalten werden, in welcher ſie alſo nicht aſſimilieren können, ſehr bald Störungen ein, die mit dem Tode enden, nämlich Gelbwerden der Blätter, beziehentlich Abfallen derſelben, alſo analog wie bei Entziehung des Lichtes, was alſo der allgemeinen Erfahrung entſpricht, daß Organe, welche
W ene
308 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe |
| ihre Funktion nicht erfüllen können, abgeſtoßen werden. | Feuchtigkeits⸗ III. Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Wenn ſich Pflanzen gehalt der Luft konſtant in einer Luft befinden, welche ſehr reich an Waſſerdampf iſt, | ſo machen ſich an denſelben verſchiedene nachteilige Folgen bemerkbar. Einfluß auf Eine ungewöhnlich feuchte Luft, wie man ſie bei Kultur der Pflanzen das Wachstum unter Glasglocken erzielen kann, befördert das Längenwachstum der | a Stengel und Blätter. So fand Reinke“) an je 4 Keimpflanzen von | Helianthus annuus, welche in feuchter Erde und im Tageslichte ſich ent-
) In Sachs' Arbeiten des bot. Inſt. zu Würzburg, III. Heft. | ) Flora 1873, pag. 378. | ) Bot. Zeitg. 1891, Nr. 8 u. 9. ) Bot. Zeitg 1876, pag. 138-139.
III. Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft 309
wickelten und nur dadurch ſich unterſchieden, daß die einen an freier Luft, die andern unter Glasglocke ſtanden, nach 4 Tagen die Länge des hypo— kotylen Gliedes bei denen in trockener Luft 45, 50, 65, 67 mm, bei denen in feuchter Luft 75, 77, 89, 100 mm. Ahnliche Reſultate erhielt Sorauer)) bei vergleichenden Kulturen von Gerſte. In trockener Luft iſt zwar die Zahl der Beſtockungstriebe etwas größer als in feuchter Luft, aber die Halme ſind kürzer, im Mittel 11,5 gegen 13,5 em in feuchter Luft; die Blattſcheiden ſind in feuchter Luft im Mittel 9,26 em gegen 8,18 em lang in trockener Luft; auch die Blattfläche wird im Feuchten etwas länger (17,9 gegen 17,7 em), aber etwas ſchmäler (6,74 gegen 7,33 mm). Auch ergab ſich eine größere Länge der Wurzeln der in feuchter Luft gewachſenen Pflanzen, im Mittel 26,8 em gegen 23,9 em in trockener Luft. Die Zahl der Gefäßbündel war in den etwas ſchmäleren Blättern der Pflanzen der feuchten Luft etwas geringer, desgleichen diejenige der Epidermiszellen, nämlich in der ganzen Blattbreite im Mittel 233,4 in feuchter, gegen 260,5 in trockener Luft; auch die Breite der Epidermiszellen ein wenig geringer, 0,0248 mm in feuchter, gegen 0,0250 in trockener Luft. Dafür waren aber auch entſprechend der größeren Länge der Blätter der Feuchtigkeitspflanzen ſowohl die Epidermiszellen etwas länger, z. B. am oberſten Blatt im Mittel 36,9 gegen 33,1 (½00 mm), als auch die Spaltöffnungen, z. B. am oberſten Blatt im Mittel 19,5 gegen 17,0 (soo mm). Es wäre aber irrig, das ſtärkere Wachstum in dieſem Falle als etwas Vorteilhaftes im Sinne der Pflanzenkultur anzuſehen. Denn das Trockengewicht der Stengel und Blätter der Feuchtigkeitspflanzen jener Verſuche war trotz des größeren Volumens geringer als das der Trockenheitspflanzen, 0,1243 gegen 0,1642; die feuchtere Luft produziert alſo zwar längere, aber nur waſſerreichere oberirdiſche Organe. Die vorſtehenden Thatſachen ſcheinen erklärlich durch die geringere Verdunſtung von Waſſer der in feuchter Luft befindlichen Pflanze bei reichlicher Waſſerzufuhr, indem dadurch der Turgor der Zellen erhöht wird und dieſer Druck auch ein ſtärkeres Wachtum der Zellmem— branen, mithin eine Erweiterung des waſſerenthaltenden Innenraumes der Zelle, oder eine Verlängerung der Zelle zur Folge hat. Auch Vesque und Viet? fanden bei ihren Verſuchen, daß die in feuchter Luft erzogenen Pflanzen längere Wurzeln, ſchmächtigere Stengel, Blätter mit längeren Stielen, aber kleineren Flächen bekommen, auch daß im anatomiſchen Baue Abweichungen eintreten, indem in feuchter Luft das Meſophyll des Blattes weniger deutlich in Paliſſaden- und Schwammparenchym differenziert iſt und die Gefäßbündel, namentlich die Baſtfaſern, ſchwächer entwickelt ſind, ſo daß alſo im ganzen die Pflanze in Geſtalt und Bau ſich etwas den etiolierten Pflanzen (S. 162) nähert. Manche Pflanzen mit grundſtändiger Blattroſette löſen die letztere nach Wiesner?) im abſolut feuchten Raum trotz Beleuchtung auf, d. h. ſie entwickeln geſtreckte Stengelglieder; beſonders zeigt dies Sempervivum tectorum und Bellis perennis, während andre Pflanzen dies nur im Dunkeln oder auch ſelbſt da nicht thun.
1) Bot. Zeitg. 1878, Nr. 1 u. 2. 2) Ann. des scienc. natur. 6. ser. T. XII. 1881, pag. 167. 3) Berichte d. deutſch. botan. Gef. 1891, pag. 46.
Einfluß auf Ernährung und Produktion der Pflanze.
2
* Ei.
310 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
Der ganze Ernährungszuſtand und die Produktion der Pflanze werden in einer konſtant ſehr feuchten Atmoſphäre vermindert. Das hängt damit zuſammen, daß in einer mit Waſſerdampf geſättigten Luft die Pflanze auf— hört zu tranſpirieren. Der Tranſpirations-Waſſerſtrom, welcher durch die Pflanze geht, iſt aber das Mittel, durch welches die Nährſtoffe aus dem Boden in die Pflanze eingeführt werden, weil ſie eben in dieſem Waſſer aufgelöſt in die Pflanze eintreten, hier aber zurückbleiben, wenn das reine Waſſer in Dampfform die Pflanze wieder verläßt und dadurch Raum ſchafft für die Aufnahme einer entſprechenden Quantität neuer Nährſtoff— löſung aus dem Boden. Schon aus den vorigen Zeilen haben wir erkannt, daß keine der Volumenentwickelung der Pflanzenteile entſprechende höhere Produktion von Trockenſubſtanz eintritt; die Organe ſind nur waſſerreicher und ärmer an wirklicher Pflanzenſubſtanz. Die verminderte Produktion mineraliſcher Beſtandteile ſowie organiſcher Pflanzenſtoffe in Folge unter— drückter Tranſpiration hat Schlöfing) an Tabakpflanzen konſtatiert. Die— jenigen, deren Verdunſtung gehemmt war, lieferten im Vergleich mit ſolchen, welche unter übrigens gleichen Umſtänden ungehindert tranſpirierten, weniger Mineralſtoffe, weniger Nikotin, Klee-, Citronen-, Apfel-, Pectinſäure, Celluloſe und Proteinſtoffe, dagegen viel Stärkemehl. Es ſcheint daraus hervorzu— gehen, daß die unterdrückte Tranſpiration eine Minderzufuhr mineraliſcher Bodennährſtoffe zur Folge hat, aber nicht die Bildung von Stärkemehl aus Kohlenſäure und Waſſer in den Blättern verhindert, alſo auch nur die Produktion derjenigen Pflanzenſtoffe beeinflußt, zu deren Erzeugung zugleich Beſtandteile der Bodennährſtoffe erforderlich ſind.
Eigentliche Gifte. IV. Die eigentlichen Gifte. Es handelt ſich hier um lauter
Stoffe, welche unter gewöhnlichen Verhältniſſen da, wo Pflanzen wachſen, im Boden und in der Luft überhaupt nicht vorhanden ſind, ſondern nur bei beſonderen Gelegenheiten mit den Pflanzen in Be— rührung kommen. Man könnte ſie paſſend die eigentlichen Gifte nennen, weil ſie wohl alle darin übereinkommen, daß ſie nicht ſo wie die vorgenannten Stoffe nur indirekt, nämlich deshalb ſchädlich ſind, weil ein Zuviel davon gewiſſe Lebensprozeſſe hindert, ſondern daß ſie an und für ſich tödlich auf jede mit ihnen in Berührung kommende Pflanzenzelle wirken. In der That ſind denn auch die Vergiftungs— ſymptome bei den Pflanzen immer ziemlich dieſelben, welches Gift auch die Urſache geweſen ſein mag; es ſind eben die allgemeinen Todesſymptome: Kontraktion des Protoplasmas, alſo Schwinden des Turgors der Zelle, Zerſtörung etwa vorhandenen Chlorophylls unter Zurückbleiben des gelben Xanthophylls, häufig auch Bräunung des ge— töteten Protoplasmas und wohl auch der Zellmembran, daher an der ganzen Pflanze allmähliche Entfärbung, Gelbwerden oder Bräunung mit nachfolgendem Welken oder Vertrocknen des erkrankten Teiles.
) Compt. rend. T. 69, pag. 353, und Landw. Centralbl. 1870, I. pag. 143.
IV. Die eigentlichen Gifte 311
Gelegenheit zu Vergiftungen der Pflanzen iſt natürlich bei Vergiftungen. Kulturen im großen nur in ſolchen beſonderen Fällen geboten, wo meiſt durch Veranlaſſung des Menſchen giftige Subſtanzen mit den Pflanzen in Berührung kommen. In vielen Fällen geſchieht das unbeabſichtigt, wenn nämlich gewiſſe techniſche Anlagen unvermeidlich Subſtanzen produzieren, welche in die Luft, oder in die Gewäſſer, oder in den Boden, oder in den Dünger gelangen und für die daſelbſt wachſenden Pflanzen von ſchädlicher Wirkung ſind. Aber es kommt auch vor, daß wir abſichtlich giftige Stoffe mit den Pflanzen in Berührung bringen. Denn es gehören hierher auch die Fälle, wo gewiſſe Gifte angewendet werden, um ſchädliche Inſekten zu töten. Gerade in der neueren Zeit wird eine Menge inſekticider Mittel empfohlen, mit welchen Pflanzen beſpritzt, beziehentlich beſtreut werden ſollen, um Blattläuſe, Raupen und dergl. Pflanzenbeſchädiger, auch wohl um paraſitiſche Pilze zu vertilgen. Es handelt ſich aber dabei meiſtens um Subſtanzen, die, wenn ſie Inſekten töten, auch den Pflanzen ſehr ſchädlich ſind, ſo daß alſo durch Anwendung ſolcher Mittel leicht Vegiftungen an unſern Kulturpflanzen veranlaßt werden. Es iſt ſeitens verſchiedener Forſcher auch über die Phyſiologie der Giftwirkungen nachgedacht worden, d. h. man hat ſich die Frage geſtellt, auf welchen näheren Einwirkungen der giftigen Subſtanz auf die Beſtand— teile der lebenden Zelle die Vergiftung beruht. In dieſer Beziehung hat namentlich Conwentz') gezeigt, daß man zwei verſchiedenartige Einwirkungs— weiſen ſchädlicher Stoffe von vornherein zu unterſcheiden hat. Bei gewiſſen Stoffen iſt es nur die ſchon oben behandelte ſchädliche Wirkung einer zu hohen Konzentration (S. 303), alſo nicht die chemiſche Natur des Stoffes ſelbſt, welche den Tod der Zellen zur Folge hat. Dahin gehören z. B. Zucker, Glycerin, viele Salze, wie z. B. ſalpeterſaures Kali ꝛc. Einigermaßen konzentrierte Löſungen ſolcher Stoffe wirken durch Diosmoſe waſſerentziehend auf die Zellen, infolgedeſſen das Protoplasma ſich mehr oder weniger » zuſammenzieht, was man als Plasmolyſe bezeichnet. Dieſer Zuſtand iſt an ſich nicht tödlich; erreicht er keinen übermäßigen Grad und dauert er nicht über eine gewiſſe Zeit an, d. h. wird den Zellen wieder gewöhn— liches Waſſer zugeführt, ſo tritt der normale Zuſtand wieder ein und die Zelle bleibt am Leben. Iſt der Waſſerverluſt durch Plasmolyſe aber ſehr ſtark oder dauert er zu lange, ſo iſt dies für das Protoplasma tödlich; letzteres nimmt ſeinen urſprünglichen Zuſtand nicht wieder an und ſtirbt nun unter den erwähnten Symptomen ab. Dieſer Wirkung gegenüber ſteht die weſentlich andere, welche durch Stoffe wie freies Alkali, freie Säuren, ferner Blauſäure, Strychnin, Morphium ꝛc., Kampfer, Terpentinöl und andre ätheriſche Ole, Ather, Alkohol ꝛc. hervorgebracht wird. Nach den mit dieſen Stoffen von Conwentz an Cladophora-Zellen angeſtellten Beob— achtungen iſt zwar äußerlich die Wirkung ebenfalls meiſtens die, daß das Protoplasma kontrahiert und mehr oder weniger gebräunt wird, aber es
1) Bot. Zeitg. 1874, Nr. 26 n. 27.
Ark der Giftwirkung.
Gifte als vorteilhafte Reizmittel.
Organismus, die Eigenſchaft eines Stimulans oder Reizmittels zugeſchrieben
ſalze. Landwirtſchaftl. Verſuchsſtationen 1887, pag. 171.
312 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
tritt hier ſelbſt bei ſofortigem Wiedereinſetzen in Waſſer nicht wieder der normale Zuſtand, ſondern ſtets der Tod der Zelle ein. Wir haben alſo hier Stoffe vor uns, welche durch ihre chemiſchen Eigenſchaften ſelbſt auf das Protoplasma eine lebenvernichtende Wirkung ausüben; doch iſt uns über die Art dieſer Vergiftung etwas Näheres nicht bekannt. Conwentz zeigte, daß diejenigen der oben genannten giftigen Flüſſigkeiten, welche kein Waſſer enthalten, wie Terpentinöl und Ather, augenblicklich tödlich wirken, daß dagegen aus wäſſrigen Löſungen giftiger Stoffe das Protoplasma anfangs Waſſer aufzunehmen vermag und die Vegetabilien ſich eine Zeit lang völlig friſch und geſund befinden; erſt ſpäter nehmen ſie das Gift auf, und damit tritt die tödliche Wirkung ein. So wurden an Algenfäden durch Einlegen in eine 10 prozentige Löſung von ſalpeterſaurem Kali die oben erwähnte an ſich nicht tödliche Kontraktion des Protoplasma hervor— gerufen, darauf wurden ſie abgetrocknet und in Kampferwaſſer gebracht; das Protoplasma dehnte ſich wieder völlig aus und behielt 1-2 Stunden hindurch ſein friſches Ausſehen, daun erſt machte ſich die tödliche Wirkung des Kampfers durch Kontraktion des Protoplasma geltend. Ganz ähnliche Einwirkungen zeigten ſich auch bei andern der genannten Gifte in wäſſerigen Löſungen. Dieſe Beobachtungen dürften von Wert ſein für die Beurteilung des Verhaltens der Pflanzen manchen Giften gegenüber, beſonders des Umſtandes, daß größere Pflanzen oft keinen bemerkbaren Schaden erleiden, trotzdem daß ſie nachweislich nicht unerhebliche Mengen giftiger Stoffe auf— nehmen. In dieſem Falle iſt daran zu denken, daß viele in Waſſer lösliche Gifte durch den Tranſpirationsſtrom im Gefäßſyſtem durch den ganzen | Pflanzenkörper aufiteigen können, wobei die gelöſten giftigen Stoffe nicht a notwendig in lebende Zellen einzutreten brauchen. Auf dieſem Wege ge— langen aber dieſe Stoffe in die Blätter, werden hier angeſammelt und durch den natürlichen Blattfall wieder ausgeſchieden. Dieſem Gedanken x hat beſonders Saumerspdorfer) Ausdruck verliehen. 5
Es liegt auf der Hand, daß man von vornherein, ohne näehre Unterſuchung 4. von keinem der zahlreichen als Gifte erkannten Stoffe ſagen kann, um welche der beiden im Vorangehenden charakteriſierten Einwirkungen es ſich handelt. In dieſer Beziehung iſt daher die Lehre von den Giften noch ſehr unvollkommen. Eine ſehr reichhaltige Zuſammenſtellung derjenigen Stoffe, welche giftige Wirkung auf die Pflanzen ausüben, iſt zuerſt von Decan— dolle?) gegeben worden, woran ſich in der neueren Zeit noch manche ſpezielleren Angaben angeſchloſſen haben, die wir alle unten im einzelnen anführen. Bei der Ermittelung der giftigen Wirkung iſt man meiſtens jo verfahren, daß die Pflanzen mit ihren Wurzeln in ſolche Löſungen ein- geſetzt oder damit begoſſen oder beſpritzt wurden. In gewiſſen Fällen will man dann auch die angewandten Stoffe nach dem Verſuche in den getöteten Pflanzen ſelbſt gefunden haben, Angaben, die jedoch nach neueren Verſuchen zum Teil mit Vorſicht aufzunehmen ſind.
Nicht unerwähnt darf bleiben, daß man unter gewiſſen Umſtänden manchen giftigen Stoffen analog ähnlicher. Wirkungen auf den tieriſchen
) Das Verhalten der Pflanze bei Vergiftungen, ſpeziell durch Lithium⸗
2) Physiologie vegetale III, pag. 1324 ff.
A. Giftige Gaſe 313
hat, durch welches die Pflanze angeblich zu erhöhter Lebensthätigkeit an— geregt wurde. Hierbei ſind ſicher Irrtümer mit vorgekommen, ſo hin— ſichtlich des Kampfers und andrer Stoffe, die allerdings für den tieriſchen Organismus Reizmittel ſind, von manchen aber früher auch für ſolche den Pflanzen gegenüber gehalten wurden. Letzteres iſt von Göppert!) und beſonders von Conwentz (I. c.) widerlegt worden, wie aus den voran— gehenden Zeilen zu entnehmen iſt. Dagegen iſt an einer ſolchen Reiz— wirkung des Kupfervifriols auf die höheren Pflanzen jetzt nicht mehr zu zweifeln. Schon wiederholt iſt verſichert worden, daß Samen, die mit einer ſchwachen Kupfervitriollöſung behandelt worden ſind, beſſer und in größerer Anzahl keimen. Dieſe Angaben mögen noch der Beſtätigung bedürfen. Kürzlich iſt aber der Beweis erbracht worden, daß infolge des
Beſpritzens der grünen Blätter mit Kupfervitriol-Kalkbrühe die Pflanzen in einer ganzen Reihe von Lebensthätigkeiten gekräftigt werden, worüber unten beim Kupfer das Nähere zu finden iſt.
A. Giftige Gaſe.
1. Schweflige Säure. Dieſes Gas iſt der giftige Beſtandteil bei der ſchädlichen Wirkung des Hüttenrauches und des Stein— kohlenrauches auf die Vegetation. Natürlicherweiſe iſt der Hütten— rauch an dieſem Gaſe beſonders reich, aber auch im Steinkohlenrauch kann, wenn ſchwefelhaltige Steinkohlen gebrannt werden, ſchon ſoviel ſchweflige Säure enthalten ſein, daß eine beſtändige Produktion ſolchen Rauches die benachbarten Pflanzen beſchädigt. Wenn Braunkohlen und Torf Schwefelkies enthalten, ſo iſt der Rauch dieſer Feuerungs— materialien ebenfalls giftig. Weniger gefährlich iſt der Rauch der Kalköfen, weil die ſchweflige Säure vom Kalk zurückgehalten wird, ebenſo der Rauch der Ziegelöfen, da der Thon häufig alkaliſche Bei— mengungen enthält.
In Gegenden, wo Hütten betrieben werden, iſt es eine gewöhnliche Erſcheinung, daß Acker-, Wieſen- und Waldbeſtände, welche im Bereiche der Ausbreitung des Hüttenrauches liegen, vernichtet werden. Der Rauch großer Schornſteine hinterläßt, wenn er ſich in Thälern hart an eine be— waldete Thalwand anlehut, daſelbſt oft deutliche Spuren von Zerſtörung. Die beſtändig mit Kohlendunſt durchſetzte Luft großer Städte iſt wohl auch die Urſache des Mißratens ſolcher Pflanzen daſelbſt, welche be— ſonders empfindlich gegen ſchweflige Säure ſind, wie namentlich die Coniferen. Es iſt hauptſächlich durch Stöckhardt's?, Morren'ss) und
) Einwirkung des Kampfers auf die Vegetation. Verhandl. d. Ver. z. Beförd. d. Gartenbaues. Berlin 1829. — De acidi hydrocyanici in plantas commentatio. Breslau 1827, pag. 45.
2) Chemiſcher Ackersmann, 1863, pag. 255; 1872, II. pag. 111. — Tharander forſtl. Jahrbuch. XXI. 1871, pag. 218 ff.
3) Recherches experimentales pour determ. influence de certains gaz. industriels ete. London 1866.
Schweflige Säure.
314 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
Schröders Unterſuchungen nachgewieſen worden, daß das Wirkſame hierbei die im Rauche enthaltene ſchweflige Säure iſt. Erſterer zeigte, daß der Ruß, den manche für den wahren Feind hielten, unſchädlich iſt, ſelbſt - dann, wenn die kleinen Kohlenteilchen als ſchwarzer Überzug auf den 8 Blättern ſich abſetzen, daß es ſich alſo nur um die gasförmigen Ver— brennungsprodukte handeln kann, welche der Rauch enthält. Unter dieſen ſind, abgeſehen vom Chlor, von welchem unten ſpeziell die Rede iſt, nach des Genannten experimentellen Prüfungen die Dämpfe von Arſen, Zink und Blei, an die man beim Hüttenrauch denken könnte, in den Mengen, in welchen ſie hier vorkommen, ohne merkbaren ſchädlichen Einfluß. Da— gegen iſt die ſchweflige Säure, welche im Rauche enthalten iſt, für die Pflanzen eines der heftigſten Gifte, während die Verbrennungsprodukte ſchwefelfreier Steinkohlen nachgewieſenermaßen für die Pflanzen unſchäd— lich ſind.
Noch Stöckhardt iſt für junge Fichten ſchon eine Luft, welche nur ein Milliontel ihres Volumes ſchweflige Säure enthält, in 60 Tagen tödlich, für Rotbuche und Spitzahorn erſt eine ſolche mit / 1000 ſchwefliger Säure. Ulme, Eſche und Vogelbeere ſollen noch weniger empfindlich ſein. Die erſten Zeichen der Erkrankung traten an Kartoffeln, Klee, Hafer und ver— ſchiedenen Gräſern unter Welkwerden und Bräunung ein, wenn dieſelben zweimal der 2 ſtündigen Einwirkung einer Luft mit ¼0000 Volumenteil jenes Gaſes, ebenſo wenn ſie 15 bis 20 mal einer Luft mit 60000 ſchwefliger Säure ansgeſetzt wurden. Genaueres über die Wirkung des Gaſes iſt durch Schröder 's Unterſuchungen ermittelt worden, welche folgende Reſul— tate ergeben haben. Die ſchweflige Säure wird von den Blattorganen der Laub- wie der Nadelhölzer aufgenommen und zum größeren Teile hier fixiert; zum geringeren dringt ſie in die Blattſtiele und Zweige ein. Die Aufnahme durch die Pflanze konnte noch in einer Luft, welche ½000 ihres Volumens an ſchwefliger Säure enthielt, nachgewieſen werden. Auch fand König?) bei Haferpflanzen, die durch die Einwirkung von ſchwefliger Säure erkrankt waren, in Prozenten der Aſche an Schwefelſäure im Stroh ein Plus von 17,22, in den Körnern ein ſolches von 6,67. Gleichſinnige Angaben macht Frickes). Die Symptome der Vergiftung beſtehen im allgemeinen in Welkwerden, mehr oder weniger Bräunung und endlichem Abſterben der Blätter. Die Urſache des ſchädlichen Einfluſſes kann wenigſtens zum Teil in der Benachteiligung der Tranſpiration und Stockung der nor— malen Waſſercirkulation geſucht werden. Denn es wurde von Schröder nachgewieſen, daß die von ſchwefliger Säure getroffenen Pflanzen die Fähig— keit, normal zu tranſpirieren, verloren und daß die Störung der Wafjer- verdunſtung um ſo größer war, je größere Mengen ſchwefliger Säure ein— wirkten. Bei Spitzahorn und Rotbuche wurde, wenn die Blätter reichliche Waſſerzufuhr erhielten, eine eigentümliche Nervaturzeichnung der Blätter
) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1872, pag. 321 ff; 1873, pag. 447 ff. und 1879. — Schröder und Reuß, die Beſchädigungen der Vegetation durch Rauch und die Oberharzer Hüttenrauchſchäden. Berlin 1883. — Vergl. auch Haſenclever, Über die Beſchädigung der Vegetation durch ſaure Gaſe. Berlin 1879.
2) Biedermann's Centralbl. 1885, pag. 418.
3) Landw. Verſuchsſtationen 1887, pag. 277.
A. Giftige Gaſe 315
beobachtet, indem das Meſophyll der unmittelbaren Umgebung der Nerven hellgrün wurde und ſich von dem übrigen dunkleren Blattgewebe ſehr deutlich abhob, was ſich daraus erklärte, daß die den Nerven anliegenden Teile ſich übermäßig mit Waſſer füllen, die den Nerven weiter abliegenden aber kein Waſſer aufzunehmen vermögen. Das Gas wird von den Blättern nicht durch die Spaltöffnungen, ſondern gleichmäßig durch die ganze Blatt— fläche aufgenommen und ſogar von der Oberſeite in ebenſo großen Mengen wie von der ſpaltöffnungsreichen Unterſeite. Aber dieſelbe Menge ſchwefliger Säure, welche von der Unterſeite eines Laubblattes abſorbiert wird, des— organiſiert das ganze Blatt in höherem Grade, als wenn die gleiche Auf— nahme durch die obere Fläche erfolgt, was ſich in Verbindung mit dem oben Geſagten daraus erklärt, daß dieſe Fläche vorherrſchend diejenige iſt, durch welche die Tranſpiration ſtattfindet. Unter ſonſt gleichen Verhältniſſen abſorbiert die gleiche Blatttläche eines Nadelholzes weniger ſchweflige Säure aus der Luft als die eines Laubholzes. Dem entſpricht auch, daß ein Nadelholz bei gleicher Menge ſchwefliger Säure noch nicht ſichtbar alteriert wird, wo ſich eine deutliche Einwirkung bei einem Laubholz bereits zeigt. Trotzdem leiden in den Rauchgegenden die Nadelhölzer mehr als die Laub— hölzer, was zum Teil wohl auch damit zuſammenhängt, daß ſie wegen der längeren Dauer der Nadeln auch der ſchädlichen Einwirkung länger preis— gegeben ſind und daß bei ihnen die Fähigkeit, einen einmal erlittenen Schaden durch Reproduktion der Belaubung wieder auszugleichen, eine verhältnismäßig geringere iſt. Licht befördert die ſchädliche Einwirkung der ſchwefligen Säure, während Abweſenheit von Licht die Pflanzen zum Teil ſchützt. Auch Waſſer, welches ſich auf den Blättern befindet, unter— ſtützt die Schädigung; Trockenheit der Blätter ſchützt dieſelben zum Teil. Damit ſteht die Erfahrung im Einklange, daß die Rauchſchäden bei ſtarkem Tau, während des Regens und unmittelbar nachher größer ſind als ohne dieſe Niederſchläge. Da die ſchweflige Säure bei Gegenwart von Waſſer ſich leicht zu Schwefelſäure oxydiert und da auch der Schnee in den Städten, wenn er längere Zeit auf den Bäumen lagert, viel ſchweflige Säure und Schwefelſäure anſammelt, ſo iſt auch die Wirkung der letzteren auf die Blattorgane von Schröder geprüft worden. Dieſelbe hat ebenfalls einen ſchädlichen Einfluß und bringt ähnliche Erſcheinungen hervor, wie jene. Wirken äquivalente Mengen von Schwefelſäure und ſchwefliger Säure auf die Blätter, ſo wird der Schwefelſäuregehalt der Trockenſubſtanz bei Nadeln und Blättern durch beide faſt in gleicher Weiſe erhöht. Die Giftwirkungen der ſchwefligen Säure ſind dabei aber viel intenſiver als diejenigen, welche durch die Schwefelſäure hervorgebracht werden, wonach zu vermuten iſt, daß die Vergiftung durch ſchweflige Säure auf die chemiſchen Eigenſchaften dieſes Gaſes ſelbſt, nicht oder nur zum Teil darauf zurückgeführt werden muß, daß die in die Blätter eingedrungene ſchweflige Säure dort zur Bil— dung eines ſchädlichen Übermaßes von Schwefelſäure Veranlaſſung giebt.
Man verhütet jetzt die Beſchädigungen durch den Hüttenrauch dadurch, daß man die Schwefelgaſe entweder in Bleikammern auffängt oder durch angefeuchteten Kalk oder durch Kanäle leitet, auf deren Sohle ſich fließendes Waſſer bewegt, wodurch die ſchweflige Säure zu Schwefelſäurehydrat oxydiert
und dieſes abſorbiert wird.
316 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
Leuchtgas. 2. Leuchtgas. Wenn aus den Röhren von Gasleitungen Leucht— gas in den Boden ausſtrömt, ſo können dadurch in der Nähe ſtehende Pflanzen, alſo beſonders Bäume in Alleen und Promenaden, wo Gas— laternen angebracht ſind, beſchädigt werden.
Kny')) hat dies zuerſt durch Verſuche nachgewieſen; er ließ vom Juli an täglich 380, beziehentlich 418,5 Kubikfuß Leuchtgas in den Boden aus— ſtrömen, und im September zeigte ſich der Anfang des Welk- und Gelb— werdens der Blätter bei Evonymus europaea, Ahorn, Ulme und Linde, Ziemlich derſelbe Erfolg wurde an einer Linde erzielt, zu welcher täglich nur 52,5 Kubikfuß Gas ſtrömte. Im nächſten Frühjahre ließen die Pflanzen mit Ausnahme der Linden kein Lebenszeichen mehr erkennen; ihr Holz war dürr, der Cambiumring vertrocknet. Die Linden belaubten ſich zwar wieder, zeigten aber ebenfalls das Cambium ſchon vertrocknet. Ahnliche Reſultate hat Böhm?) erhalten. Stecklinge von Bruchweide, welche in Waſſer geſetzt wurden, in welches Leuchtgas einſtrömte, trieben nur kurze Wurzeln und ſtarben in den Knoſpen bald nach Entfaltung derſelben ab, während die Zweige bis nach Aufzehrung der Reſervenährſtoffe, nämlich bis nach 3 Monaten friſch blieben; die Stärke war verſchwunden, in den Gefäßen des Holzes hatten ſich Thyllen gebildet, welche ſie für Luft unwegſam machten. Auch Topfpflanzen von Fuchsia fulgens und Salvia splendens, in deren 4 Erde Leuchtgas (25 bis 30 Gasblaſen in der Minute) geleitet wurde, ſtarben zum Teil in 4 Monaten. Erde, welche infolge ſehr langer Durch— leitung von Leuchtgas mit ſolchem imprägnirt iſt, wirkt giftig, auch wenn 5 keine weitere Zuleitung erfolgt; die Keimwurzeln der in ſolche Erde aus— $ gejüeten Samen von Cucurbita, Brassica oleracea. Helianthus annuus, 2 Lepidium sativum, Vicia faba und Mais blieben ſehr kurz und verfaulten 15 bald, und eine hineingeſetzte Dracaena zeigte nach 10 Tagen die Blätter 4 vertrocknet und die Wurzeln abgeſtorben. An dieſem Reſultate wurde ſelbſt dann nichts geändert, wenn durch ſolche Erde täglich 28—29 Liter atmoſphäriſche Luft geſaugt wurden. Über die Wirkungskraft des Leucht— gaſes ſind noch weitere Verſuche von Späth und Meyer)) angeſtellt worden, welche ergeben, daß Platanen, Silberpappeln, Robinien, Ahorn, Roßkaſtanien 2c. mit Ausnahme der Linden, deren Knoſpen aber gleichwohl ſpäter nicht austrieben, nach 4½ Monaten getötet waren, wenn täglich 0,772 ebm Gas auf eine Fläche von 14,19 qm geleitet wurden, daß ſogar ganz geringe Mengen, wie 0,0154 bis 0,0185 ebm täglich auf 14,19 qm, die ſelbſt durch den Geruch nicht mehr wahrgenommen werden, ſchädlich ſind, und daß zur Zeit der Winterruhe die Zufuhr von Leuchtgas weniger ichadet als während der Zeit des Wachstums. Welchen der zahlreichen Beſtandteile des Leuchtgaſes die giftige Wirkung zuzuſchreiben iſt, weiß man nicht, wahrſcheinlich ſind ſie unter den verſchiedenen ſchweren Kohlen— waſſerſtoffen und den Verunreinigungen zu ſuchen. Offenbar handelt es ſich um eine direkt giftige Wirkung. Kny fand die fingerdicken Wurzeln der dem Leuchtgas ausgeſetzten Linden eigentümlich blau gefärbt und die Färbung auf dem Querſchnitt von der Mitte gegen die Peripherie hin fort⸗
) Sitzungsber. d. Geſellſch. naturf. Freunde zu Berlin, 20. Juni 1871. 2) Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiſſenſch., 16. Okt. 1873. 3) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1873, pag. 336.
A. Giftige Gaſe 317
ſchreitend, was dafür zu ſprechen ſcheint, daß das Gas mit den Nährſtoff— löſungen am fortwachſenden Wurzelende, nicht an der Rinde der älteren Wurzeln eingedrungen war. Daß das häufige Abſterben der Alleebäume in großen Städten mit durch das Leuchtgas verurſacht wird, iſt hiernach nicht zu bezweifeln. Böhm (J. c.) empfiehlt daher das ſchon anderweit vor— geſchlagene Mittel, die Gasleitungsröhren in ziemlich weite, mit Abzügen in die Laternenpfähle verſehene glaſierte Thonröhren oder Eiſenröhren einzulegen.
Nach Lackner) ſoll auch der Aufenthalt in einem Zimmer, in welchem Leuchtgas verbraunt wird, für gewiſſe Pflanzen, beſonders Camellien, Azaleen und Epheu, ſehr ſchädlich ſein, während Palmen, Dracänen und andre Pflanzen darin nicht leiden. Es wäre feſtzuſtellen, ob es ſich hier— bei um eine Vergiftung durch unverbranntes Leuchtgas oder durch halb— verbrannte Kohlenwaſſerſtoffe oder durch die Bereicherung an Kohlenſäure handelt, welche beim Brennen von Leuchtgas größer als bei jedem andern Beleuchtungsmaterial iſt (nach Zoch?) erzeugt ein mehrſtündiges Brennen einer einzigen Gasflamme in einem mittelgroßen Wohnraume 3 Promille Kohlenſäure).
3. Verſchiedene andre giftige Gaſe. Es giebt noch eine Anzahl andrer Gaſe, welche für das Pflanzenleben direkt ſchädlich wirken. Zu dieſen darf man ſelbſtverſtändlich diejenigen nicht rechnen, welche die Pflanzen nicht direkt angreifen, ſondern wo nur der Mangel an Sauerſtoff die Urſache des Abſterbens iſt, welches eintritt, wenn die Pflanzen in eine nur oder größtenteils aus dem betreffenden Gaſe be— ſtehende Luft gebracht werden. Als ſolche indifferente (nicht giftige) Gaſe ſind ſchon von Sauſſure das Stickſtoffgas, Waſſerſtoffgas und Kohlenoxydgas erkannt worden. Zu dieſen gehört auch nach Borscow?) das Stickſtoffoxydul (Luſtgas), welches in reinem Zuſtande eine direkt ſchädliche Wirkung nicht zeigt. Auch die Kohlenſäure dürfte dahin gehören (vergl. S. 307). Als wirklich giftige Gaſe dagegen, d. h. ſolche, welche direkt durch ihre chemiſche Wirkung die Pflanze afficieren und töten, ſind außer den unter 1 und 2 genannten noch folgende zu betrachten.
a. Das Stickſtoffoxyd wirkt nach Borscow's eben citierten Mit— teilungen, wenn es dem Stickſtoffoxydul beigemengt iſt, tödlich unter Re— ſorption des Stärkemehls und Desorganiſation des Chlorophylls (Phaseolus und Urtica urens).
b. Ammoniakgas. In einigermaßen größerer Menge ſind amoniaka— liſche Gaſe den Pflanzen ſehr ſchädlich; in der gewöhnlichen Luft, ſelbſt in der Nähe von Ställen, find ja nur unwirkſame Spuren davon vorhanden.
) Monatsſchr. d. Ver. z. Beförd. d. Gartenbaues in d. Kgl. Preuß. Staaten. 1873, pag. 22.
2) Zeitſchrift für Biologie 1867, pag. 117.
) Melanges biolog. d Bull. de l’acad. imp. d. sc. de St. Pétersbourg. T. VI. pag. 451. — Vergl. auch Detmer, Biedermann's Centralbl. 1882, pag. 675.
Andre giftige Gaſe.
Stickſtoffoxyd
Ammoniakgas.
Chlor.
Salzſäure— dämpfe.
Flußſäure— dämpfe.
Schwefel— waſſerſtoff und Schwefel- kohlenſtoff.
Vulkaniſche Exhalationen.
318 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
te. London 1866, citiert bei Sorauer, Pflanzenkrankheiten, 1. Aufl. pag. 150.
Einen Fall, wo wahrſcheinlich kohlenſaures Ammoniak das Wirkſame war, giebt Sorauer h) an, wonach in einem Glashauſe, bei deſſen Errichtung die Mauern eines Pferdeſtalles teilweiſe benutzt worden waren, im Herbſt, als mit der Heizung des Gewächshauſes begonnen wurde, die Blätter der Pflanzen abſtarben und abfielen, und ſelbſt hartblättrige Pflanzen, wie Aucuba, Viburnum Tinus, Dracaena 2c. ſchwarze Blätter bekamen.
0. Daß das Chlor energiſch bleichend und tödlich auf die Pflanzen wirkt, iſt allbekannt. Und da es ſchon in ſehr kleinen Mengen giftig iſt, ſo könnte die ſchädliche Wirkung des Steinkohlenrauches außer von ſchwefliger Säure auch von Chlor herrühren, denn in der That enthalten Steinkohlen neben Schwefel auch Chlor, und Meinecke) hat Chlor in den Hochofen— gaſen nachgewieſen.
d. Salzſäuredämpfe bringen nach Königs) an den Nadeln und Blättern der Bäume dieſelben Krankheitserſcheinungen hervor, wie die ſchweflige Säure. In der Aſche ſolcher erkrankter Eichenblätter fand ſich 3,97 bis 4,28 Prozent Chlor, während geſunde Eichenblätter nur ca. 2 Prozent davon enthielten. Auch Fricke h fand in den kranken Gartenpflanzen, die in der Nähe einer chemiſchen Fabrik wuchſen, deren Gaſe Salzſäure und Schwefelſäure enthielten, einen bedeutend höheren Gehalt an Chlor und Schwefelſäure; z. B. beim Weinſtock in 1000 Teilen Aſche 8,27 Chlor und 10,75 Schwefelſäure gegenüber 1,92, bezw. 4,77 in geſunden Pflanzen.
e. Flußſäuredämpfe, wenn fie in die Luft gelangen, bringen nament- lich bei feuchtem Wetter Rotwerden und Abſterben der Blätter hervor, wie man an Fichten, Kiefern, Lärchen und Akazien in der Nähe einer Phosphorit— fabrik beobachtete, in welcher der Fluorcalcium enthaltende Phosphorit mit Schwefelſäure aufgeſchloſſen wurde und daher Flußſäuredämpfe entwickelt wurden.)
f. Die Giftwirkungen des Schwefelwaſſerſtoffs und Schwefel— kohlenſtoffs hat Morren®) unterſucht; der erſtere äußert feinen ſchäd— lichen Einfluß ſchon in einer Beimiſchung von "zoo des Luftvolumens; er färbt das Blatt gänzlich olivengelb; der Schwefelkohlenſtoff aber ſcheint die Blätter auszutrocknen, ohne ihre grüne Farbe weſentlich zu ändern.
g. Über die Einwirkung der vulkaniſchen Exhalationen auf die Pflanzenwelt ſind bei einem Ausbruch auf der Inſel Santorin nähere Beobachtungen gemacht worden.) Die Verheerungen an den Pflanzen zeigten ſich in großer Ausdehnung, am meiſten an den höheren Punkten der Inſel, in geringerem Grade an den niedrigeren Orten. Die Affektionen waren je nach Arten verſchieden: manche Pflanzen (3. B. Asphodelus ramosus) waren ganz verwelkt und getötet; andre hatten ſchwarze Flecken auf den Blättern, teils oberflächlich, teils in der ganzen Dicke des Blattes;
) Handbuch d. Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. 1886, I. pag. 524.
2) Dingler's Journal 1875, pag. 217.
3) Biedermann's Centralbl. 1885, pag. 418.
4) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1887, pag. 277.
5) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten, II. Band 1892, pag. 255.
6) Recherches experimentales pour determ. Pinfl. de certains gaz. industr.
7) Vergl. Flora 1866, Nr. 24.
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 319
wieder andere zeigten weiße durchſichtige Flecken mit gelblichem Hofe. Welches die wirkſamen Beſtandteile der vulkaniſchen Aushauchungen hierbei ſind, iſt nicht ſicher ermittelt. Letztere beſtehen aus Waſſerdampf, Schwefel— waſſerſtoff, ſchwefliger Säure, Schwefel, Kohlenſäure, Salzſäure, Borſäure, alſo meiſt aus Stoffen, deren ſchädliche Wirkung erwieſen iſt. Doch ſcheint unter dieſen der freien Salzſäure das meiſte zugeſchrieben werden zu müſſen; wenigſtens ſollen bei denjenigen Ausbrüchen, wo dieſe Säure nur in geringer Menge, dagegen viel ſchweflige Säure u. dergl. vorkam, keine ſolchen Ver— heerungen ſtattgefunden haben. „
h. Dämpfe ätheriſcher Ole in ſtärkerer Konzentration töten die Dämpfe Pflanzen, oft nachdem ſie braune Flecken auf den Blättern hervorgebracht ätheriſcher Ole. haben. Ebenſo wirken Blauſäuredämpfe rapid tödlich auf die davon be— rührten Pflanzenteile; die blauen, violetten und roten Blütenfarben ändern ſich dabei meiſt in weiß oder bräunlich, die weißen und gelben meiſt nicht; reizbare und periodiſch bewegliche Teile werden ſtarr. Auch von ſich ver— flüchtigenden Theerprodukten hat man ſchädliche Wirkungen auf Pflanzen beobachtet; ſo in Glashäuſern, wo Steinkohlentheer zum Anſtrich für das Holzwerk benutzt worden war.)“)
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe.
Von den unzähligen Stoffen flüſſiger Form, welche den Pflanzen ſchädlich ſind, zählen wir hier nur diejenigen auf, welche irgendwie in der Praxis des Pflanzenbaues vorkommen, ſowie diejenigen, welche in ihren Giftwirkungen auf die Pflanzen beſonders geprüft und unter— ſucht worden ſind.
A. Anorganiſche Verbindungen.
1. Freie Säuren ſind, gleichgültig von welcher chemiſchen Art, ſobald Säuren. ſie in einigermaßen größerer Menge vorhanden ſind, den Pflanzen nach— teilig. Eine ſehr ſchwach ſaure Reaktion des Bodens oder der Nährſtoff— löſung, wie ſolche ja ſehr häufig unter den normalen Verhältniſſen gegeben iſt, vertragen jedoch die Wurzeln ſehr gut.
2. Alkalien. Gegen alle alkaliſch reagierenden Verbindungen, wie Alkalien. freies Kali, Natron, Atzkalk, Ammoniak, ſowie kohlenſaures Kali, Natron und Ammoniak ſind die Pflanzen ſehr empfindlich. So hat Ebermayer?) gefunden, daß ſchon eine verdünnte Sodalöſung von 1,01 ſp. Gew. Gr: krankung der Wurzeln, Gelb- und Braunwerden der Blätter und Abſterben der Pflanzen zur Folge hat. Gelegenheiten zu Vergiftungen durch ſolche i Stoffe ſind in der Praxis wohl denkbar. So. z. B. wenn ſtark alkaliſche 4 Aſchen zum Düngen benutzt werden. Einen andern Fall teilt Ebermeyer
(I. c.) mit, wo Obſtbäume in der Nähe einer Celluloſefabrik braune oder
ſchwarze Blätter bekamen, die in kurzer Zeit abſtarben; behufs Rückgewinnung 5 des Natrons aus der benutzten Natronlauge wird der eingedampfte Rückſtand
derſelben zur Zerſtörung der organiſchen Stoffe verbrannt, wobei viel kohlenſaures Natron in die Umgebung gelangt.
) Gard. Chronicle 1876, I., pag. 532. 2) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1877, II., pag. 318.
Arien.
Queckſilberſalze.
Kupferſalze.
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20 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
3. Arſen iſt ſchon ſeit langer Zeit als ein auch für die Pflanzen ſtarkes Gift erkannt worden. Nach den bei Decandolle und andern an— geführten Beobachtungen bringt dasſelbe, wenn es von den Wurzeln auf— geſogen wird, bei Bohnen und andern Kräutern eine Veränderung der grünen Farbe in gelb oder braun hervor, die ſich zuerſt an den Blattnerven und an dem dieſen benachbarten Meſophyll zeigt, dann ein Welkwerden der Blätter, ſowie eine Umwandlung der Blütenfarben in braun, gelb oder weiß, bei Campanula persieifolla in grün.!) Auch Fichten, denen man im Boden / ooo arſeniger Säure gegeben hatte, erkrankten nach einigen Jahren unter Vertrocknen des Gipfeltriebes und Gelbgrünwerden und all: mählichem Vertrocknen der Nadeln von ihrer Spitze aus, wobei ſich im Stamm und in den Nadeln nur Spuren, in den Zweigen 0,0010 Prozent der Trockenſubſtanz arſenige Säure vorfand.?) Bei Verſuchen von Nobbe, Bäßler und Wills) wurde arſenigſaures Kalium den Nährſtofflöſungen zugeſetzt, in welchen Erbſen, Hafer, Mais, Buchweizen u. a. wuchſen. Das Arſen wurde zwar nur in ſehr geringen Mengen von den Pflanzen auf— genommen, bewirkte aber Störungen der Aufſaugungsthätigkeit der Wurzeln, womit Tranſpirationsſtörungen, Verlangſamung des Wachstums und wohl auch gänzliches Abſterben verbunden waren; noch eine Gabe von 1 Millionſtel brachte merkbare Störungen hervor, und auch ſchon eine nur 10 Minuten lange Dauer der Einwirkung des Arſens auf Wurzeln genügte, um dieſen Erfolg zuſtande zu bringen. Dagegen wirkte nach Knopß) Arſenſäure (in 0,05 gr pro Liter) als Kaliſalz auf Mais nicht giftig.
4. Queckſilberſalze. Speziell vom Queckſilberchlorid it konſtatiert worden, daß, wenn eine Löſung davon den Wurzeln dargeboten wird, Bohnenpflanzen getötet werden unter Verwelken und Dürrwerden der Blätter und unter Gelbfärbung des Stengels. Roſen ſtarben ebenfalls ab, unter Auftreten brauner, ſich allmählich verbreiternder Streifen längs der Blatt— nerven.
5. Kupferverbindungen nehmen bezüglich ihrer Wirkungen auf die Pflanzen ein beſonderes Intereſſe in Anſpruch, ſeit man dieſelben als Gegenmittel gegen die den Pflanzen ſchädlichen Paraſiten, insbeſondere gegen paraſitiſche Pilze anwendet. Denn da ſie in gewiſſer Konzentration allgemein auf die Pflanzen giftig wirken, ſo thun ſie das auch gegenüber den Pilzſporen, fo daß fie in der That für manche Pilze ein wirkſames Zer- ſtörungsmittel ſind, worüber bei den Pilzinfektionskrankheiten näheres mit— geteilt werden wird. Bei dieſer Verwendung von Kupferverbindungen als Gegenmittel gegen paraſitäre Pflanzenkrankheiten können aber ſelbſtverſtänd— lich auch die zu ſchützenden Pflanzen ſelbſt vergiftet werden. Deshalb iſt denn auch die Wirkungsweiſe der Kupferpräparate auf die Pflanzen ſelbſt näher unterſucht worden. Beſonders handelt es ſich um das Kupfer—
vitriol, welches man ſchon ſeit längerer Zeit als Samenbeize, vorzüglich
1) Decandolle, 1. c, pag. 1328. 2) Klien, Chemiſcher Ackersmann 1875; citiert in Juſt, bot. Jahresber.
1876, pag. 1241.
pflanzlichen Organismus. Landwirtſch. Verſuchsſtationen XXX., Heft 5 u. 6.
3) Unterſuchungen über die Giftwirkung des Arſen, Blei und Zink im
) Berichte d. kgl. ſächſ. Akad. d. Wiſſenſch., Leipzig 1885.
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B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 321
beim Weizen anwendet, um die Entwickelung des Getreidebrandes zu ver— hüten, weil in der That die Sporen der Brandpilze in einer Löſung dieſes Salzes nicht keimen und durch dieſelbe getötet werden. Kudelkah hat nun genauer ermittelt, unter welchen Bedingungen auch die Weizenkörner durch eine Kupfervitriolbeize beſchädigt werden. Für nicht gequellte, trockne Weizenkörner iſt ein 16 ſtündiges Einbeizen in einer ½ prozentigen Kupfer⸗ vitriollöſung, welches genügt, um die an den Körnern haftenden Brand— pilzſporen zu töten, unſchädlich. Wenn aber angequellte Weizenkörner derſelben Behandlung unterworfen wurden, ſo ergab ſich im Keimapparat eine Keimung von 66 Prozent gegenüber einer ſolchen von 74 Prozent, wenn die Behandlung nur mit Waſſer vorgenommen wurde; bei Ausſaat der im angequellten Zuſtande gekupferten Körner 3 em tief in Erde keimten ſogar nur 24 Prozent gegenüber 54 Prozent der nicht mit Kupferſulfat be— handelten. Schon ein zweiſtündiges Einweichen vorher gequellter Körner hatte eine Schwächung der Keimkraft zur Folge; das Prozent der keimungs— unfähigen Körner iſt größer bei ſtark gequelltem, kleiner bei ſchwach ge— quelltem Weizen. Es hängt dies offenbar damit zuſammen, daß eine bereits mit Waſſer imbibierte Samenſchale Löſungen in kürzerer Zeit eindringen läßt, als eine ſolche im trocknen Zuſtande. Auch hat man die Erfahrung gemacht, daß mit Maſchinen gedroſchenes Getreide etwas leichter durch eine Kupferbeize beſchädigt wird, offenbar wegen der kleinen Verletzungen, welche die Schale ſolcher Körner bekommt, und durch welche die Kupfer— löſung ſchneller eindringt.
Wenn Pflanzen aus dem Boden Kupferverbindungen aufnehmen, ſo wirkt das nach Phillips?) giftig. Ob jedoch unverletzte Pflanzen Kupfer— ſalze aufnehmen, iſt mir zweifelhaft. Wenigſtens ließ ſich bei einer von Otto bei mir kürzlich angeſtellten Unterſuchung in Pflanzen, die in Waſſer— kulturen mit aufgelöſtem Kupferſulfat gezogen waren, kein Kupfer nach— weiſen. Auch in Kartoffelknollen, welche von Pflanzen geerntet waren, die auf dem Acker ſtark mit Kupfervitriol-Speckſtein beſtäubt worden waren, konnten wir kein Kupfer entdecken.
Neuerdings hat ein Kupferpräparat große Bedeutung erlangt, nämlich eine Miſchung von Kupfervitriol und Kalk, womit die grünen Blätter, beſonders der Weinſtöcke und Kartoffeln, beſpritzt werden, um dieſe Pflanzen vor den ihnen gefährlichen Peronoſporaceen zu ſchützen. Das Mittel wird in naſſer Form angewendet, als ſogen. Kupfervitriolkalkbrühe, Borde— laiſer Brühe (dowili bordelaise), indem man eine 2- bis 4prozentige Kupfervitriollöſung in Waſſer mit Kalk verſetzt (2 bis 5 kg Vitriol und etwa ebenſoviel gebrannten Kalk auf 100 Liter Waſſer). Ein anderes, aber pulverförmiges Präparat, das ſogen. Sulfoſteatit oder Foſtit oder Kupfervitriol-Speckſtein, beſteht aus pulveriſiertem Kupfervitriol, welches nur mechaniſch mit Talkerde verdünnt iſt und als Pulver aufgeſtreut wird. Bisher erklärte man ſich die vorteilhafte Wirkung dieſer Mittel auf die Pflanzen dadurch, daß man annahm, daß die auf die Blätter ge⸗ langenden Pilzſporen durch die Berührung mit den Kupfermitteln getötet
) Referat in Juſt, Jahresber. 1876, pag. 880.
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2) The absorption of Metallic Oxides by plants. Bot. Centralbl. 1883,
Nr. 11, pag. 364.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 21
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322 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
und dadurch die Blätter vor dem Pilzbefall geſchützt werden. Es iſt in
der That erwieſen, daß die Sporen vieler paraſitiſchen Pilze ſehr empfind—
lich gegen Kupfer ſind und durch dasſelbe in einer Konzentration und in
einer Zeitdauer getötet werden, welche für die höheren Pflanzen unſchädlich
| jind. Aber der günſtige Erfolg dieſer Mittel beruht auch noch auf etwas anderem, nämlich darauf, daß das Kupfer in dieſem Falle auf die höheren Pflanzen wie ein Reizmittel wirkt, durch welches ihre Lebensthätigkeiten ge—
kräftigt werden. Rumm!) hatte das zuerſt bezüglich des Weinſtockes | behauptet, indem er namentlich eine Beförderung der Chlorophyllbildung zu bemerken glaubte, ohne jedoch dafür genauere Nachweiſe und Meſſungen der beeinflußten Thätigkeiten zu liefern. Durch eine demnächſt zu veröffent— lichende Unterſuchung?) haben ich und Krüger an der Kartoffelpflanze den Beweis erbracht, daß die Beeinfluſſung der Kupferbeſpritzung ſich auf folgende Punkte erſtreckt: der Bau des Blattes wird dadurch zwar nicht verändert, aber das letztere iſt meiſt ein wenig dicker und kräftiger; der Chlorophyll— gehalt des Blattes wird ein wenig größer; die Aſſimilationsthätigkeit des Blattes, inſofern ſie ſich in der Bildung von Stärkemehl äußert, wird be— merkbar größer; die Tranſpiration der Pflanze wird lebhafter, die Lebens— dauer des Blattes verlängert ſich, der Ertrag an Knollen und die Stärke— bildung in den Knollen werden geſteigert. Da in dem Jahre, wo dieſe Verſuche gemacht wurden (1893) die Phytophthora infestans in den Kartoffeln nicht beobachtet wurde, ſo waren unſre Verſuche beweiſend für die direkte Wirkung des Kupfers auf die phanerogame Pflanze. Eine Erklärung der Wirkungsweiſe des Kupfers iſt nicht leicht zu geben. 4 Schon Rumm kam zu der Überzeugung, daß es ſich dabei um eine chemo— 14 taktiſche Reizwirkung auf die Pflanze handeln müſſe. Es iſt nämlich Rum m nicht gelungen nachzuweiſen, daß Kupfer ins Innere der ſo beſpritzten Wein— blätter eindringt; auch wir haben unter Benutzung empfindlicher Methoden kein Kupfer im Innern der damit beſpritzten Kartoffelblätter finden können. Nun iſt ja aber auch in der Bordelaiſer Brühe keine lösliche Kupferverbin- dung vorhanden, weil ſich unlösliches blaues Kupferhydroxyd und Gips bilden, wenn man Kalk mit Kupferſulfatlöſung zuſammenmiſcht. Darum iſt auch bei dieſem Mittel die ätzende Wirkung, welche das Kupferſulfat leicht auf die Pflanze ausübt, ausgeſchloſſen, während in dem Sulfoſteatit das Kupferſulfat als ſolches vorhanden iſt und zur Wirkung kommt. Wir konnten konſtatieren, daß von einer Kupfervitriol-Kalkbrühe, durch welche die Sporen verſchiedener Pilze prompt getötet wurden, die abfiltrierte Flüſſig— keit chemiſch kein gelöſtes Kupfer nachweiſen ließ, aber auch für die nämlichen Pilzſporen durchaus unſchädlich war. Die Wirkung des Kupfers auf die Pflanze beruht hiernach hauptſächlich auf dem Porhandenſein einer unge löſten Kupferverbindung. Die Erſcheinung dürfte am nächſten verwandt fein mit derjenigen, welche Nägelid) oligodynamiſche Wirkung genannt hat. Man beobachtet dieſelbe an der Alge Spirogyra, wenn ſie in Gläſern mit Waſſer ſich befindet, in welchem eine Kupfermünze liegt, und ſelbſt dann, | wenn vorher eine ſolche Münze darin gelegen hatte. Nägeli erklärt die
| 1) Berichte d. deutſch. bot. Gef. 13. Februar und 27. Juli 1893. 2) Vergl. daſelbſt 20. Januar 1894. 3) Denkſchr. d. Schweizer. naturf. Gef. 1893, ref. in Bot. Zeitg. 1893, Nr. 22.
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 323
Erſcheinung ſo, daß eine Bewegung von Kupferteilchen nach der Glaswand hin ſtattfindet, wo dieſelben hängen bleiben, aber auch wieder ſich loslöſen und auch an die Oberflächen andrer Körper, die ſich in der Flüſſigkeit befinden, alſo der Algenzellen, ſich hinbewegen können. Zugleich würden wir hiermit die ſehr ungleiche Empfindlichkeit der Pflanzenzellen gegen den Kupferreiz erkennen. Spirogyra würde den höchſten Grad der Empfindlich— keit darſtellen, welcher ſich ſogleich in einer tödlichen Wirkung äußert. Auch andre Kryptogamen, jedenfalls viele Pilzſporen, ſind in dem Grade emfind— lich, daß ſich tödliche Wirkung einſtellt, obgleich, wie ich an Ustilago Carbo konſtatierte, die Berührung mit metalliſchem Kupfer hier noch nicht tödlich iſt. Zu einer vorteilhaften, die Lebensthätigkeiten ſtimulierenden Beeinfluſſung würde die Wirkung bei den Phanerogamen, oder wenigſtens bei manchen derſelben abgeſchwächt ſein.
6. Bleiſalze, wenn ſie einigermaßen reichlich den Wurzeln geboten werden, wirken tödlich auf die Pflanzen. Doch konnten an einer Fichte, in deren Boden ¼000 Bleioxyd enthalten war, und die eine geringe Menge davon in die Zweige aufgenommen hatte, keine üblen Folgen bemerkt wurden. Nobbe, Bäßler und Will!) ſahen bei Verſuchen mit Erbſen, Hafer ꝛc., wenn der Nährſtofflöſung 1 Prozent Blei zugeſetzt worden war, den Tod der Pflanzen nach 41 Tagen eintreten. Bedeutend geringere Zu— ſätze zeigten auch entſprechend ſchwächere Wirkung; die Pflanzen waren dann manchmal von nicht vergifteten nicht zu unterſcheiden, in andern Fällen ergab ſich aber doch eine geringere Maſſenproduktion; freilich hatte ſich aber auch das Bleinitrat in der Löſung in unlösliches Bleiſulfat umgeſetzt.
7. Zinkſalze ſind für die Pflanzen ungleich giftiger als Bleiſalze, denn Nobbe, Bäßler und Will (J. c.) ſahen hier ſchon nach 3 Tagen dieſelben Pflanzenarten ſterben, wenn 1 Prozent Zink in Form von Zink— nitrat den Nährſtofflöſungen zugeſetzt worden war. Darum ſind denn auch die Abflußwäſſer aus Zinkblendegruben, in denen Zinkvitriol gelöſt iſt, den Pflanzen ſehr ſchädlich. Nach König?) zeigt ſich auf Wieſen, die ſo be— wäſſert werden, deutlich ein Rückgang der Vegetation, allerdings erſt nach einer Reihe von Jahren, wenn ſich das im Waſſer in ſehr geringer Menge enthaltene Zink ſtärker angehäuft hat. Nach demſelben Beobachter geht die Vegetation da, wo Zinkerze zufällig verſchüttet wurden, ein; dabei enthielten die Gräſer, und die verkümmerten Buchen- und Ahornſträucher bis 2,78 Pro— zent Zink in ihrer Aſche; nur die von dieſem Schriftſteller „weiße Erzblume“ genannte Pflanze erſchien noch auf ſolchen Bodenſtellen, obgleich ſie 11 bis 15 Prozent Zinkoxyd in ihrer Aſche enthalten haben ſoll. Daß ein gewiſſer Zinkgehalt im Erdboden von den Pflanzen vertragen wird, beweiſen die auf Galmeiboden wachſenden Pflanzen, wo Viola lutea und Thlaspi alpestre in einer beſonderen Form wachſen, die als varietas calaminaria beſchrieben wird. Eingehender iſt die Zinkvergiftung der Pflanzen von Baumann) ſtudiert worden. Danach iſt bei Anwendung von Zinkvitriol
) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XXX., Heft 5 u. 6.
) Biedermann's Centralbl. 1879, pag. 564.
9 Das Verhalten von Zinkſalzen gegen Pflanzen und im Boden. Land— wirtſch. Verſuchsſtationen XXXL. Heft 1, 1884.
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Bleiſalze.
Zinkſalze.
324 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
in gelöſter Form 1 Prozent Zink für manche Pflanzen noch unſchädlich, auch Coniferen vertragen noch dieſe Menge, während Angioſpermen ſchon zu Grunde gingen, wenn 5 mg Zink im Liter enthalten waren. Die Zink— vergiftung macht ſich kenntlich dadurch, daß auf den Blättern kleine Flecken von metallglänzender oder roſtgelber Farbe erſcheinen, die ſich zuletzt über die ganze Blattfläche ausbreiten. Bei Ausſchluß des Lichtes ſollen jedoch die Keimpflanzen durch Zinklöſungen nicht beſchädigt werden; das gleiche iſt auch bei Pilzvegetationen der Fall.
Eiſenſalze. 8. Eiſenſalze. Wiewohl das Eiſen zu den Nährjtoffen der Pflanze gehört, ſo ſind doch einigermaßen größere Mengen von Eiſenſalzen ſchäd— lich. Beſonders gilt dies von den Eiſenoxydulſalzen, wie ſchwefelſaures, kohlenſaures Eiſenoxydul ꝛc. Wenn ſolche im Boden entſtehen, jo oxydieren ſie ſich zwar an der Luft leicht zu Eiſenoxydhydrat, welches die bekannten roſtfarbenen Schlammmaſſen bildet. Dieſe ſelbſt ſind weniger ſchädlich, aber bei mangelndem Luftzutritt und bei Gegenwart ſauerſtoffbegieriger organischer Subſtanzen werden ſie leicht wieder zu dem giftigen Drydul. Neſſler) fand das Eiſenvitriol ſchon in 0,05 prozentiger Löſung nachteilig für die Keimung ſowie für das Wachstum; ein Zuſatz von 0,25 gr Eiſen— vitriol zu 1700 Liter Erde zeigte ſchädlichen Einfluß, gleichgültig ab Ammoniak zugeſetzt wurde oder nicht. Da das Eiſenvitriol vielfach als Desinfektions- mittel angewendet wird, ſo iſt die Gefahr einer gelegentlichen Vergiftung der Pflanzen durch ſolches naheliegend.
Bei der Moorkultur treten nach Fleiſcher?) nicht ſelten die ſchädlichen
Wirkungen der ſowohl im Moorboden als auch im Untergrundſande ent— | haltenen Schwefelkieſe auf die Pflanzen hervor. Das Schwefeleifen oxydiert | ſich nämlich an der Luft und das entſtehende ſchwefelſaure Eiſenoxydul und die freie Schwefelſäure vergiften die Pflanzen, wenn nicht ausreichend Alkalien oder alkaliſche Erden vorhanden ſind, um die Säure zu binden. Die einzigen Pflanzen, die auf ſolchen ſterilen Stellen der Moordämme bis— weilen noch vorkommen, ſind Equiſetum-Arten. Das beſte Mittel zur Beſeitigung dieſer Übelſtände iſt der gebrannte und der kohlenſaure Kalk, zugleich mit guter Entwäſſerung.
Lithiumſalze. 9. Lithiumſalze. Wenn Pflanzen in Nährſtofflöſungen kultiviert werden, denen in einigermaßen beträchtlicher Menge ein Lithiumſalz zugeſetzt 1 worden iſt, jo treten nach Nobbe?) intenſive Symptome akuter Vergiftung 9 ein. Bei Buchweizen zeigten ſich dieſelben ſchon bei der Keimung: ohne ' daß die geringſte meßbare Aſſimilation ſtattgefunden hatte, trat frühzeitiger Tod ein, wobei auf den Blattflächen und deren Rändern fahle, ſpäter ein- trocknende Flecken ſich zeigten, ähnlich denen, welche ſchweflige Säure in Waſſertropfen gelöſt auf den Blättern hervorbringt. Gaunersdorfer) hat das beſtätigt und gezeigt, daß das Lithium mit dem Tranſpirations⸗ ſtrom nach aufwärts geſchafft und größtenteils in den Blättern abgelagert wird, mit denen es ſpäter aus der Pflanze ausgeſchieden wird.
Schwefelmetalle. 10. Schwefelmetalle. Dieſe ſind ſämtlich wegen ihrer ſtark redu- zierenden Wirkung als ſehr ſchädliche Stoffe für die Pflanzen zu betrachten
) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1877, II.; pag. 125. 2) Landwirtſch. Jahrbücher 1886, pag. 47.
3) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XIII. 1871, pag. 374. ) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1887, pag. 171.
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B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 325
Vom Calciumſulfid haben dies Fithbogen, Schiller und Förſter y durch Verſuche dargethan. Bezüglich des Schwefeleiſens vergleiche man das unter Eiſenſalzen Geſagte. E 11. Chlormetalle. In kleinen Mengen find die Chloride, wie Chlor: kalium, Chlornatrium, Chlorcalcium, wichtige Nährſtoffe, weil ja das Chlor zu den notwendigen Nährelementen gezählt werden muß, und Chlorkalium iſt ſogar ein Düngemittel, um der Pflanze Kali zu geben; auch ſind ja in den wichtigen Staßfurter Düngeſalzen Chlorverbindungen vorhanden. Grade deshalb darf man nicht vergeſſen, daß den Pflanzen mit wenigen Ausnahmen einigermaßen größere Mengen von Chlormetallen giftig ſind, ſo daß alſo ein Zuviel von jenen Düngemitteln leicht ſchädlich werden kann. Auch unter gewiſſen andern Umſtänden kommen Beſchädigungen der Vegetation durch Chlornatrium vor. Eine Ausnahmeſtellung nehmen in dieſer Beziehung die eigentlichen Salzpflanzen ein, d. h. die beſonderen Pflanzenarten, welche nur am Meeresſtrande und an den Ufern der Salz— ſeen wachſen, alſo in ihrem Vorkommen an das Chlornatrium gebunden ſind. Für ſie iſt ſogar eine konzentrierte Kochſalzlöſung unſchädlich, denn an ihrem Standort iſt der Boden oft von auskryſtalliſiertem Kochſalz über— zogen. Batalin) hat dies beſtätigt, indem er Salsola-Arten kultivierte unter Begießen mit faſt geſättigter Kochſalzlöſung, was dieſen Pflanzen nichts ſchadete. Alle Nicht-Salzpflanzen ſind aber gegen Kochſalz ſehr em— pfindlich. Nach Nepler?) wirkt dasſelbe entſchieden ſchädlich auf Keimung und Wachstum. An Raps⸗, Klee- und Hanſſaaten zeigte ſich die nachteilige Wirkung ſchon bei einer Konzentration von 0,5 Prozent, am Weizen bei 1 Prozent. Eine konzentrierte Löſung auf Blätter äußerlich aufgetropft hat eine intenſiv ſchädliche Wirkung. Ich brachte ſolche Tropfen auf junge Blätter von Acer platanoides und erwachjene Blätter von Primula offiei- nalis; nach einer Stunde hatten die betropften Stellen ein mißfarbiges, durchſcheinendes, welkes Ausſehen bekommen; ſie waren getötet. Später, als die Verſuchsblätter des Ahorn erwachſen waren, zeigten ſie immer noch die getöteten Stellen, um die ſich die Blattmaſſe faltig zuſammengezogen hatte, weil ſie noch im Flächenwachstum fortfuhr, aber durch die angrenzen— den toten Partien in der Ausbreitung gehindert wurde. Auf völlig er— wachſene, alſo härtere Ahornblätter getupft hinterließ dagegen dieſelbe Koch— ſalzlöſung keine wahrnehmbare Beſchädigung. Eine konzentrierte Salpeter— löſung brachte dagegen weder auf jungen noch auf alten Blättern von Acer platanoides, Primula, Sempervivum und Gräſern eine ſchädliche Wir— kung hervor. Ich habe mit jenen Verſuchen bewieſen, daß die Beſchädi— gungen der Pflanzen durch Seewinde an den Meeresküſten vom Chlornatriumgehalt des durch den Sturm mitgeführten Seewaſſers herrühren müſſen. Es iſt am Seeſtrande eine gewöhnliche Erſcheinung, die man z. B. an der Oſtſee, auf Rügen 2c. beobachtet, daß an den dem Meere zugekehrten Waldrändern die Blätter der Bäume ſowie der niedrigeren Pflanzen über— ſäet ſind mit zahlloſen kleinen ſchwarzen oder braunen toten Spritzfleckchen, deren Entſtehung nur auf die angedeutete Weiſe zu erklären iſt. Schon Focke)
) Landwirtſch. Jahrbücher XIII. 1884, Heft 4 u. 5.
2) Regels Gartenflora, 1876, pag. 136.
3) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1877, II., pag. 318.
) Abhandl. d. naturw. Ver. zu Bremen II. 1871, pag. 412, u. III. 1872.
Chlormetalle.
Bromkalium.
Jodkalium.
Borſäureſalze.
326 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
hatte die Vermutung ausgeſprochen, daß an den Beſchädigungen der Holz— pflanzen in den deutiſchen Küſtenprovinzen neben der mechaniſchen Gewalt des Sturzes auch der Salzgehalt der Seewinde ſchuld ſei. Noch ſtärkere Beſchädigung iſt zu erwarten, wenn die hinter den Dünen gelegenen Be— ſtände durch Springfluten überflutet werden. Das haben die Verſuche von R. Hartig und Schützey beſtätigt. Es wurden Saat- und Pflanzbeete der Kiefer, Fichte, Akazie und Rotbuche einmal mit einem Quantum von 14 Liter Kochſalzlöſung auf 1 qm Bodenfläche begoſſen. Es ſtarben die 1 und 35jährigen Fichten ſowohl durch Oſtſeewaſſer (2,7 Prozent Kochſalz) als auch durch Nordſeewaſſer 3,47 Prozent), 6 jährige Fichten nur durch Nordſeewaſſer. Einjährige Akazien ſtarben größtenteils auch durch Oſtſee— waſſer, dreißigjährige Rotbuchen bekamen nur abgeſtorbene Blattſpitzen. Ferner kommen Vergiftungen der Pflanzen vor durch Soolleitungen, ſobald durch Undichtigkeit derſelben in den umgebenden Boden Kochſalz— löſung ſickert. Die hierbei eintretenden Vergiftungen ſind von Andrée?) beſchrieben worden. Danach erkrankten am ſtärkſten die Tiefwurzler und am ſchnellſten die Pflanzen mit großem Waſſerbedürfnis. Die Pflanzen ſollen das Salz auf den Blättern ausgeſchieden haben, und zwar ſo reichlich, daß der Salzgeſchmack durch die Zunge nachweisbar war. Vergiftungen treten auch durch Zechen- und Salinenabflußwäſſer ein. Um zu prüfen, ob bei dieſen Beſchädigungen das Chlornatrium die Urſache iſt, und welche Wirkungen dasſelbe auf Boden und Pflanzen hervorbringt, ſind von Storp?) Unterſuchungen angeſtellt worden. Danach wurden Fichten, die in Töpfen kultiviert wurden, rotſpitzig und verloren die Blätter, wenn die Konzentration der zum Begießen benutzten Löſung von Kochſalz bis zu 0,6 gr auf 1 Liter erhöht wurde. Es wurde ferner feſtgeſtellt, daß dem Erdboden durch eine andauernde Kochſalzberieſelung, auch bei ſehr geringem Salzgehalt, Pflanzennährſtoffe entzogen werden. Als franzöſiſches Ray- und Timothegras in einem Boden, der vorher mit Kochſalzlöſungen ausgewaſchen worden war, eingeſäet wurde, ſo ergab die Ernte um ſo ſchlechtere Reſultate und ein um ſo geringeres Quantum wertvoller Pflanzenbeſtandteile, beſonders von Phosphorſäure, Schwefelſäure und Proteinſtoffen, je konzentrierter die Auslaugungsflüſſigkeit geweſen war, welches Reſultat jedoch möglicherweiſe von im Boden zurückgebliebenem Kochſalz herrühren kann.
12. Bromkalium wird nach Knop) von den Pflanzen in kleinen Mengen ertragen; dieſelben entwickeln ſich dabei teils ziemlich normal, teils bekommen ſie ein krankes Ausſehen, bleiben klein und dürftig.
13. Jodkalium iſt nach Knop) für die Pflanzen ſchädlicher, weil es ſich leicht zerſetzt unter Ausſcheidung von Jod; die Pflanzen blieben dabei kümmerlich und waren nach wenig Wochen abgeſtorben.
14. Borſäureſalze. Nach Peligots) hat borſaures Kali, in ſehr verdünnter Löſung mit den Wurzeln von Bohnen in Berührung gebracht, ein Gelbwerden der Blätter und endlich Eingehen der Pflanzen zur Folge.
1) Lehrbuch der Baumkrankheiten. 2. Aufl. 1889, pag. 250. 2) Berichte d. deutſch. bot. Geſ. 1885, pag. 313.
3) Landwirtſchaftl. Jahrbücher 1883, pag. 811.
5) Berichte d. kgl. ſächſ. Geſellſch. d. Wiſſ., 6. Februar 1869. ») Compt. rend. 1876, T. 83, pag. 686 ff.
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B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 327
15. Die Cyan verbindungen wirken alle auch auf die Pflanzen giftig. Beſonders iſt dies von der Blauſäure ſchon von Göppert) feſtgeſtellt worden. Dieſelbe verhindert die Keimung vollſtändig. Wird ſie von vegetierenden Pflanzen aufgenommen, ſo ändern dieſe oft ihre Farbe in Gelb oder Braun, Stengel und Blattſtiele werden ſchlaff und die Pflanze geht in ein bis drei Tagen zu Grunde; man findet nach Göppert in ſolchen Pflanzen Blauſäure in den Gefäßen des Holzes, die dadurch gebräunt ſind, und die Parenchymzellen ſind nicht mehr turgeszent. Blutlaugenſalz konnte bei den Verſuchen Knop's (J. c.) zwar das der Pflanze zum Er— grünen nötige Eiſen liefern, aber in allen Nährſtofflöſungen, denen dieſes Salz in kleinen Mengen zugeſetzt worden war, gleichgültig ob daneben noch phosphorſaures Eifenoryd vorhanden war oder nicht, blieben Maispflanzen auf dem bis dahin erreichten Punkte des Wachstums ſtehen und kamen keinen Schritt weiter, welche Höhe ſie auch vor dem Zuſatze des Giftes (10 bis 80 em) hatten; ſie erhielten ſich aber gleichwohl bis zum Herbſt am Leben, wo ſie ihr natürliches Ende erreichten. Bei ſtärkeren Gaben machte ſich der ſchädliche Einfluß dadurch geltend, daß die Blätter vorzeitig, mit den unteren beginnend, von den Spitzen an zu vertrocknen und einen roſtfarbenen Ton anzunehmen anfingen. Das Blutlaugenſalz wurde aber von der unverletzten Pflanze nicht unzerſetzt aufgenommen, wie ſchon der Niederſchlag von Berlinerblau auf den Wurzeln bewies; nur in der Nähe kleiner Wundſtellen der Wurzeln ließ es ſich im Gewebe als ſolches nach— weiſen.
16. Die Rhodan verbindungen gehören ebenfalls zu den Giften. Krauch?) ſah Gerſtenpflanzen in Waſſerkultur, zu welcher ein Zuſatz von 0,1 gr Rhodanammon pro Liter gegeben worden war, allmählich abſterben. Nach dem Genannten finden ſich in den bei der Darſtellung des Leuchtgaſes auftretenden Produkten, dem Gaskalk und dem Gaſometerwaſſer, thatſächlich Rhodanverbindungen, desgl. Cyanverbindungen, Schwefelkalium, Schwefel— ammon, ſchwefligſaure und unterſchwefligſaure Salze, was alſo die Giftigkeit dieſer Nebenprodukte erklärt.
17. Die Beſchädigung der Vegetation durch den Aſchenregen bei vulkaniſchen Ausbrüchen beruhen ebenfalls auf der Einwirkung giftiger Stoffe, die jedoch im einzelnen nicht näher bekannt ſind. Die hierbei zu beobachtenden Erſcheinungen ſind bei Gelegenheit eines Ausbruchs des Veſuvs von Pasquale) beſchrieben worden. Im botaniſchen Garten und in den Villen nahe von Neapel in einer Entfernung von mehr als 10 km vom Krater wurden durch den Aſchenregen die grünen Pflanzenteile allgemein braun, ſo daß die Wirkung einer Verbrennung oder Vertrocknung, nicht der— jenigen des kochenden Waſſers glich; Succulenten und Pflanzen mit leder— artigen Blättern litten weniger. Die roten oder violetten Blütenfarben von Papaver, Rosa, Gladiolus verwandelten ſich in Blau, was eine alkaliſche Einwirkung anzeigt; die von Viola tricolor, Convolvulus, Digitalis blieben unverändert. Weder mechaniſche Effekte noch ſolche erhöhter Temperatur konnten am Beobachtungsorte gefunden werden. Ohne Zweifel hat es ſich
) De acidi hydroeyaniei vi in plantas. Breslau 1827. 2) Botan. Centralbl., XII. 1882, pag. 130. 5 3) Referat in Botan. Zeitg. 1872, pag. 729.
Cyan⸗ verbindungen.
Rhodan⸗ verbindungen.
Vulkaniſcher Aſchenregen.
Schmierſeife, Amylalkohol.
Karbolſäure.
328 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
um chemiſche Wirkungen der Beſtandteile der vulkaniſchen Aſche gehandelt; Pasquale ſieht das reichlich gefallene Kochſalz für die Urſache an (vergl. das oben über Kochſalz Geſagte). Vielleicht war zum Teil auch freie Salz— ſäure in der Aſche vorhanden, deren kräftige Wirkung in den gasförmigen Exhalationen (ſ. pag. 318) konſtatiert iſt. Auch ſoll der Schlamm vulkaniſcher Aſche, welcher durch Regengüſſe niedergeführt wird, bisweilen mit freier Säure verquickt ſein und dann verheerend auf die Vegetation wirken.
B. Organiſche Verbindungen.
1. Schmierſeife und Amylalkohol. Die ſogenannten Neßler'ſchen Rezepte zur Vertilgung ſchädlicher Inſekten ſind den Pflanzen ſelbſt ſehr gefährlich. Es giebt drei ſolcher Präparate: a) 40 gr Schmierſeife, 60 gr Tabakextrakt, 50 gr Amylalkohol, 200 gr Spiritus auf 1 Liter Waſſer, b) 30 gr Schmierſeife, 2 gr Schwefelkalium, 32 gr Amylalkohol auf 1 Liter Waſſer, e) 15 gr Schmierſeife, 29 gr Schwefelkalium auf 1 Liter Waſſer. Nach E. Fleiſcher) töten dieſelben zwar Blattläuſe, find aber ſämtlich für alle geprüften Pflanzen tödlich oder doch wenigſtens ſehr ſchädlich; dasſelbe gilt auch von Schmierſeife allein, welche ſchon in 1,32 prozentiger Löſung Blätter und jüngere Triebe tötet, in 0,66 prozentiger Löſung aber unſchäd— lich iſt, jedoch auch für Blattläuſe.
2. Karbolſäure. Da dieſe gegenwärtig ein vielgebrauchtes Des— infektionsmittel und ſogar zur Vertilgung pflanzenſchädlicher Paraſiten vorgeſchlagen worden iſt, ſo hat die Frage nach ihrer Giftwirkung auf die Pflanzen beſonderes Intereſſe. Dasſelbe gilt auch von verſchiedenen andern neuerdings zur Bekämpfung ſchädlicher Inſekten empfohlenen Präparaten, in denen Karbolſäure der weſentlich wirkende Beſtandteil iſt, wie das Amylokarbol. Dieſes beſteht aus 150 gr Schmierſeife, 160 gr reinem Fuſelöl, 9 gr hundertprocentiger Karbolſäure. Es iſt erwieſen, daß Karbol- ſäure und alle Präparate, in denen ſolche vorhanden iſt, auf alle Pflanzen ſehr giftig wirken. Nach Neßler? iſt Karbolſäure für Keimpflanzen töd— lich, wenn dieſelben mit Waſſer begoſſen werden, welches 0,5 oder auch nur 0,35 gr davon auf 100 cem Waſſer enthält; und wenn der Boden, in welchem die Keimpflanzen wurzeln, mehr als 0,1 gr Karbolſäure auf 1700 gr Erde enthält, ſo hat dies ebenfalls tödliche Wirkung; bei größerer Feuchtig— keit und bei geringerer Beleuchtung ſollen noch 0,5 1 ohne Schaden ertragen werden. Die giftige Wirkung der Karbolſäure hat ſich bisweilen auch bei der Champignonkultur gezeigt; manche Kulturen erwieſen ſich vollſtändig zerſtört und die Erklärung dafür wurde darin gefunden, daß in den Ställen, aus welchen der Pferdedung entnommen war, Karbolſäure zur Desinfection
angewendet worden war. Von den karbolſäurehaltigen Präparaten iſt das
Sapokarbol, eine Verſeifung der Karbolſäure, nach Fleiſcher (I. c.) zwar in 2½ prozentiger Löſung für junge Triebe und ältere Blätter des Apfel- und Pflaumenbaumes und des Weinſtocks ſchädlich, aber nicht in 1 prozentiger Löſung, welche zur Tötung von Blatt- und Blutläuſen hinreicht.
Das zur Erhaltung der Baum- und Weinpfähle und andern Holz⸗ werkes empfohlene Carbolineum iſt nicht ohne Gefahr für die Pflanzen.
) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten. 1. Band 1891, pag. 325. 2) Centralblatt f. Agrikulturchemie 1877, pag. 188.
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B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 329
An einem damit imprägnierten Spalier, in einem damit geſtrichenen Miſt— beetkaſten und ebenſo behandelten Gewächshaus bekamen die Pflanzen Brandflecken oder wurden ganz verbrannt). Auch an Reben und Pfirſichen, deren Pfähle und Spaliere mit dieſem Mittel geſtrichen waren, hat man dieſe Beſchädigungen bemerkt?).
3. Das Antinonnin, ein hauptſächlich gegen die Nonne und auch Antinonnin. gegen andre Inſekten empfohlenes Mittel, iſt das Kaliumſalz des Ortho— dinitrokreſols. Nach den Angaben der Fabrikanten ſollen gegen Löſungen von 1:750 bis 1: 1000 die Forſtpflanzen nahezu unempfindlich fein, während die Nonnenraupen dadurch getötet werden, und Blattläuſe ſoll man durch Löſungen von 1:500 töten können. Ich ſah jedoch, daß an Kirſch— baumzweigen nach Behandlung mit der letzteren Verdünnung die Blätter abgeſtorben waren und wie verbrannt ausſahen; die Läuſe waren dabei größtenteils, doch auch nicht alle getötet.
4. Atheriſche Oele, nicht nur als ſolche, ſondern auch ſchon in Atheriſche Ole. Waſſer gelöſt oder ſuspendiert, wirken, wenn ſie den Wurzeln der Pflanzen dargeboten werden, raſch tödlich. Insbeſondere gilt dies vom Petroleum, welches ja neuerdings beſonders bei der Bekämpfung der Reblaus An— wendung findet. Ein mit Petroleum getränkter Erdboden verliert alle Vegetationz da indes doch das Petroleum ziemlich flüchtig iſt, ſo geht es, beſonders unter der freien Einwirkung von Luft und Sonne, nach verhält— nismäßig kurzer Zeit wieder verloren und der Boden bedeckt ſich ſchon im Nachjahre wieder mit Vegetation, und zwar, wie mir zuverläſſige Beob— achter verſichern, üppiger als vorher. Als Mittel, um ſchädliche Inſekten im Erdboden von den Samen abzuhalten, hat man empfohlen, die Maiskörner in Petroleum einzubeizen; nach Wilhelms) wird dadurch das Keimungs— prozent der Körner etwas herabgedrückt und auch die Entwickelung der Pflanze ungleichmäßiger; aber bei einer Beizdauer von 16 bis 24 Stunden immerhin nur unbedeutend.
Auch durch Theer ſollen nach Sujt*), ſelbſt wenn der Boden ſtark damit imprägniert iſt, Gemüſepflanzen, wie Bohnen, Kraut, weiße Rüben und Kartoffeln, nicht leiden, ſondern üppig gedeihen.
Asphaltd ämpfe ſollen nach Alten und Jänickes) bei Gelegen— heit der Asphaltierung einer Straße in einer benachbarten Roſengärtnerei die Blätter der Roſen und Erdbeeren beſchädigt haben. Nur die nach oben freiliegenden Blattſeiten bräunten ſich, ſchrumpften und fielen ab. Die Zweige ſtarben ab oder trieben neue Zweige. Nicht alle Sorten wurden beſchädigt. Die Bräunung beruhte darauf, daß der Inhalt der Epidermis— zellen in eine braune, körnige Maſſe ſich verwandelte. Es ſtellte ſich heraus, daß die Bräunung mit dem Gerbſtoff der Zellen zuſammenhing; dieſelbe ließ ſich auch künſtlich erzeugen, wenn man die Blätter mit Waſſer benetzte, in welches Dämpfe von Asphalt geleitet worden waren, der der trockenen Deſtillation unterworfen wurde. Es wird daher vermutet, daß Regen die
) Vergl Juſt. Botan. Jahresber. f. 1889 II., pag. 188.
2) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten II. Band, 1892, pag. 315.
3) Diterr. Landw. Wochenblatt 1888, Nr. 9.
) Erſter Bericht über d. Thätigkeit d. Großh. bad. Pflanzenphyſiol. Verſuchsanſtalt zu Karlsruhe im Jahre 1884.
5) Botan. Zeit. 1891, Nr. 12, u. pag. 649.
330 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
Daͤmpfe abſorbiert habe und daß das mit den Asphaltdämpfen mitge— riſſene Eiſen die Bräunungen der Zellen bedingte.
Verſchiedene Theerprodukte find neuerdings fabriciert und zunächſt zur Desinfektion und antiſeptiſchen Wundbehandlung, demnächſt auch als Gegenmittel gegen ſchädliche Inſekten empfohlen worden, haben ſich aber doch als ſtarke Gifte für Pflanzen erwieſen. Das Pinoſol, welches in Waſſer unlöslich iſt, aber eine gleichmäßige Emulſion damit giebt, iſt nach E. Fleiſcher (J. c.) für Blätter und junge Triebe von Apfel- und Pflaumen— baum, Roſen und Weinſtock in 5 prozentiger Löſung ſehr ſchädlich, in ſchwäche— rer Löſung aber auch für Inſekten nicht ſicher wirkſam. Für das Creolin gilt nach demſelben Autor das gleiche in etwa 1 bis 2 prozentiger Löſung. Das Lyſol, eine Löſung von Kohlenwaſſerſtoffölen und Phenolen in Seife, iſt in Waſſer vollkommen löslich, ſoll nach E. Fleiſcher in ½ prozentiger Löſung Blattlaͤuſe töten, ohne den Pflanzen merklich zu ſchaden; in ſtärkerer Löſung beſchädigt es jedoch die Pflanzen und iſt in 3prozentiger Löſung für die— ſelben ſicher tödlich. Die Giftigkeit des Lyſols für Pflanzen iſt von Otto!) genauer unterſucht worden. Derſelbe prüfte erſtens die Wirkungen deſſelben im Boden auf die Pflanzen, weil bei der Verwendung des Lyſols als Des— infektionsmittel die Gefahr einer Vergiftung des Bodens vorliegt, und fand, daß wenn auf 8 Liter Boden 2 Liter einer 5 prozentigen wäſſerigen Lyſol— Löſung gegoſſen wird, Phaseolus vulgaris, Zea mais, Triticum vulgare, Avena sativa nicht mehr auf ſolchem Boden zur Entwickelung kamen, meiſt nicht einmal Keimung, ſondern Verfaulen der Samen eintrat. Wenn Pflanzen, die in Waſſerkulturen gezogen und gut entwickelt waren, mit den | Wurzeln in Lyſol-Löſungen, welche nicht alkaliſch reagierten, eingeſetzt wurden, 6 jo brachte ſchon eine 0,01] prozentige Lyſol-Löſung Abſterben der Wurzelu und Welk- und Gelbwerden der Blätter hervor. Otto ſah ferner nach Be— ſpritzen einer von Blattläuſen befallenen Dracaena rubra mit ½ prozenti⸗ ger Lyſol-Löſung Tiere und Pflanzen unverſehrt, bei Anwendung einer ½ 5 prozentigen Löſung zwar die Läuſe verſchwunden, aber auch die Pflanze Ei durch Braunſtreifigwerden der Blätter beſchädigt. Die auf Vieia faba ſitzenden ſchwarzen Blattläuſe wurden ſogar durch Bebrauſen mit einer ½ prozentigen Löſung nicht getötet; nach Anwendung einer 2 prozentigen Löſung ſtarben allerdings die meiſten Läuſe, aber auch die Pflanzen zeigten ſich da— durch im höchſten Grade beſchädigt, indem die Blattränder, die Neben- blätter und die Blüten wie verbrannt ausſahen und die Pflanzen eingingen.
Ebenfalls giftig auf die Pflanzenwelt wirkt nach Göppert der Kampfer. Die Keimung ſowohl der Samen der Phanerogamen wie der Sporen der Kryptogamen wird in einer Löſung von Kampfer in Waſſer verhindert. Die gegenteiligen Angaben, nach denen namentlich alte Samen ihre Keimkraft durch Kampfer wieder erhalten ſollen, ſind außer durch die oben citierten Unterſuchungen von Conwentz beſonders durch Wilhelm?) widerlegt worden, welcher fand, daß zwölfjährige Körner verſchiedener Getreidearten weder beim Einweichen in Waſſer noch in Kampferlöſung zum Keimen zu bringen waren und daß ſowohl von ſechsjährigen als auch
1) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten. UI. Band 1892, pag. 70 und 198. 2) Über die Einwirkung des Kampfers auf die Keimkraft der Samen. Referat in Juſt, Bot. Jahresbericht f. 1876, pag. 884. Vergl. auch Burger⸗ ſtein, Landw. Verſuchsſtationen, 1888, pag. 1.
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 331
von ganz friſchen Körnern die vor der Keimung in Kampferlöſung eingeweichten eine Verzögerung der Keimung ſowie eine ſchwächere Entwickelung der Keimpflanzen als ſchädliche Nachwirkung zeigten. Dagegen werden nach Burgerſtein) welke Sproſſe in Kampferwaſſer (in der Verdünnung von 1: 1000) früher turgescent als in deſtilliertem Waſſer; erſt bei längerem Aufenthalt der Sproſſe in der Löſung werden die Pflanzen krank.
5. Alkaloide. Die im Pflanzenkörper erzeugten Alkaloide, z. B. Alkaloide. Morphium, Strychnin ꝛc., ſind den Pflanzen ſelbſt nachteilig, wenn die letzteren in Löſungen dieſer Verbindungen geſetzt werden; es hat dies ein raſches Welkwerden und Abſterben der Pflanzen zur Folge. Es iſt hier auch zu erwähnen, daß Nikotin, nämlich ein Tabaksabſud, der als Blatt— lausvertilgungsmittel benutzt wird, bei flüchtigem Gebrauch, der allerdings auch gegen die Inſekten nicht viel hilft, der Pflanze nichts ſchadet, wohl aber nachteilig auf die Blätter wirken ſoll, wenn er auf denſelben auf— trocknet, indem er die Epidermiszellen tötet?).
6. Hydroxylamin iſt von Knopz) für höhere Pflanzen und von Hydroxylamin. Löws) für niedere Organismen als ſtarkes Gift erkannt worden.
7. Pflanzenſäuren. Von freier Oxalſäure iſt es ebenfalls nach- Pflanzenſäuren. gewieſen, daß Pflanzen raſch abſterben, wenn ſie in eine Löſung derſelben geſetzt werden.
) Verhandl. d. Zool. Bot. Gef. in Wien 1884.
2) Vergl. Juſt, Botan. Jahresbericht f. 1889. II. pag. 188, und Fleiſcher J. e.
3) Berichte der Kgl. Sächſ. Geſ. d. Wiſſ. Leipzig 1885.
Botan. Centralbl. 1885, Bd. XXI., pag. 386, u. Bd. XXII., pag. 103.
Aale
Abbiſſe 127.
Abblatten 146.
Abfallen der Blätter 26.
Abfrieren der Triebe 202.
Abfrieren der Zweigſpitzen 202.
Abgeſchnittene Pflanzenteile 114; A. Sproſſe 116.
Abies 48 139, ſ. auch Fichte und Tanne.
Abmähen 124.
Abnorme Strauchformen 126.
Abnormitäten des Wachstums 160.
Abſprünge 127.
Abſterben bei Dunkelheit 168.
Abweiden 124.
Abwerfen der Blätter 268.
Abwerfen der Früchte 268.
Acacia 57.
Kcacia-Arten, Gummifluß der 57.
Acceſſoriſche Knoſpen 95.
Acer 76 201 325, ſ. auch Ahorn.
Achimenes 116.
Achſelknoſpen 93.
Adonis 184.
Adventivknoſpen 93 99.
Adventivwurzeln 90.
Aecker, Blitzſchlag in 244.
Aesculus 201.
Aeſte, ausfallende 131; A., Kappen der 129; A., tote 131; A., Verluſt der 99.
Aeſtung 128.
Aetheriſche Oele als Gifte 319 329.
Aetiologie 2.
Aetzkalk als Gift 319.
Agaricus 111 199.
Agave 104 229 265. |
Agraphis 225.
Agrostis 162.
Ahorn 176 293 314 316 323, ſ. auch Acer.
Akazie 318 326, ſ. auch Robinie.
Akklimatiſation 200 219.
Alkalien als Gifte 319. 4
Alkaloide als Gifte 331. 1
Allium 172 185 224 225. ’
Alnus, j. Erle. 1
Alos 229 265. h
Alpenroſen 218.
Ammoniacum 50.
Ammoniak als Gift 317 319; A. als Nährſtoff 284.
Amphibiſche Pflanzen 246.
Amylalkohol als Gift 328.
Amylokarbol als Gift 328.
Anprällen 140
Antinonnin 329.
Antirhinum 188.
Apfel 118 150 156 215.
Apfelbaum 198 204 207 230 328 330.
Apfeifinenbäume, Gummifluß der 58.
Aprikoſenbaum 51.
Arabiſches Gummi 57.
Arien als Gift 320.
Arſenige Säure als Gift 320.
Arſenſäure als Gift 320.
Arum 225.
Arundo 255.
Asa foetida 50.
Aſchenregen 327.
Aspergillus 302.
Asphaltdämpfe als Gifte 329.
Asphodelus 318.
Regiſter 333
Asphyxie 306.
Aſtbruch 128.
Aſtfäule 107.
Aſthöhlen 130.
Astragalus 57.
Aſtſtumpfe 130.
Atmoſphäriſche Einflüſſe 154.
Atropa 197.
Aucuba 318.
Aufäſten 128.
Aufſpringen fleiſchiger Pflanzenteile 113.
een der Saaten durch den Froſt 00.
Aurantiaceen, Gummifluß der 58.
Ausäſten 128.
Ausbildung der mechaniſchen Gewebe 165.
Ausfallende Aeſte 131.
Ausfaulen der Saaten 259.
Aushöhlung des Blattes 149.
Auslöſungen des Holzkörpers 50.
Ausſaat, Tiefe der 251.
Ausſauern der Saaten 258.
Auswintern 200.
Avena 162 330.
Azaleen 317.
Bäume, Blitzſchlag in 238.
Bäume, Krüppelformen der 235.
Bäume, mehrfache 87.
Bäume, Wurzelfäule der 260.
Balſame 44.
Balſam, kanadiſcher 139.
Bandholz 134.
Baumäſte, Senkung der bei Froſt 187.
Baumerde 108.
Baumgrenze 235; der 129.
Baumkitt 153.
Baumſchlag 140.
Baumſtämme, hohle 132.
Baumſtamm, Verluſt des 99.
Baumwachs 153.
Bdellium 50.
Bedecken 215.
Begonia 115.
Begoniaceen 115.
Behandlung der Wunden 150.
Behandlung hohler Bäume 153.
Behinderung des Dickenwachstums 22.
Behinderung des Längenwachstums 21.
Beiknoſpen 95.
Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten 17.
Bekleidung der Wundfläche 70.
Bellis 309.
Benzosbaum 50.
Beſchädigungen durch Feuer 245.
B., Krüppelbäume
Beſchädigungen durch den Froſt 200. Beſchädigungen durch Hagel 228. Beſchädigungen durch Regen 227. Beſchädigungen durch Sonnenbrand 174. Beſchädigungen durch Sturm 232. Beſchneiden der Wurzeln 122.
Beſen 94.
Beta 66.
Betula, ſ. Birke.
Bewegung der Chlorophyllkörner 170.
Bewurzelung der Stecklinge 91.
Bildungsabweichung 1.
Birke 107 110 134 145 234 237 293.
Birnbaum 204 238 239 242.
Birnen 113 118 150.
Bixa 196.
Blatt, Aushöhlung des 149; B., Ver— krüppelungen des 148.
Blattflecken 201.
Blattminierende Inſekten 149.
Blattſtecklinge 115.
Blattwunden 147.
Blätter, Abwerfen der 268.
Blätter, Abfallen der 26; Braunwerden der 26; B., Erſatz der 100; B., Gelbwerden der 26; B., Schnitt- wunden der 65; B., Stichwunden der 65 148; B., Verbrennen der 175; B., Verletzung der 147; B., Verluſt der 27 146; B., Verſtümmelungen der 148; B., Vertrocknen der 26.
Blauſäure als Gift 319 327.
Bleichſucht 225 289.
Bleiſalze als Gift 323.
Blitzſchlag in Aecker 244; B. in Bäu⸗ me 238; B. in Weinberge 243; B. in Wieſen 244.
Blumentöpfe, Pflanzen in 249.
Blumentöpfe, Wurzeln in 21.
Blutlaugenſalz als Gift 327.
Blüten, Verletzung der 149.
Blütenfarben 156. N
Boden, Trockenheit des 262 271 277; B., Verſumpfung des 261.
Bodeneinflüſſe, Erkrankungen durch 245.
Bodeneis 184.
Bodenoberfläche, Neigung der 250.
Bodenvolumen, ungenügendes 249.
Böden, kruſtierende 255.
Bohnen, 68 119 249 290 320 329 f. auch Phaseolus.
Borago 179 188 190.
Bordelaiſer Brühe 321.
Borſäure als Gift 326.
Bouilli bordelaise 321.
Bräunungen des Holzkörpers 211.
334 Regiſter
Brand der Holzpflanzen 106 203.
Brassica 66 162 172 197 222 224 316, ſ. auch Kohl.
Braunwerden der Blätter 26.
Brennflecken 175.
Bromkalium als Gift 326.
Bromus 274 279.
Broussonetia 202.
Bryophyllum 115.
Bryum 60.
Buche 107 111 128 132 145 147 176 231 242 323, ſ. auch Fagus.
Buchweizen 119 285 286 320 324.
Bürſtentriebe 98.
Cacteen 62 229 265.
Cactus 169 196.
Caesalpinia 40.
Calanthe 191.
Calceolaria 179.
Calcium als Nährſtoff 288.
Calciumſulfid als Gift 325.
Calendula 185 188.
Calluna 223.
Callus 59; C. an Stecklingen 68; C. Heilung durch 63; C. verkorkender 64.
Camellia 317.
Campanula 320.
Campecheholz 40.
Cannabis 162 172.
Canna indica 197.
Capsella 197.
Caragana 78.
Carbolineum als Gift 328.
Cardamine 115.
Carex 255. ‘
Celtis 40.
Ceratophyllum 172.
Ceratostoma 112; C. piliferum 112.
Champignon 159 282 328.
Chara 172.
Chenopodium 197.
Chermes 47.
Chionanthus 118.
Chlamidococcus 218.
en als Gift 318; C. als Nährſtoff
9.
Chlorcalcium als Gift 325.
Chlorkalium als Gifte 325.
Chlormetalle als Gifte 325.
Chlornatrium als Gift 325.
Chlorococcum 302.
Chlorophyllbildung 154.
Chlorophyllkörner, Bewegung der 170; C., Temperatureinfluß auf 224.
Chlorophylloſe Pflanzen 281.
Chlorosis 225 289.
Chrysanthemum 185.
Cicuta 229.
Citronenbäume, Gummifluß der 58.
Citrus 172.
Cladophora 172 302 311.
Cladosporium 111 269.
Colchicum 225.
Coleus 197.
Colpoma quereinum 110.
ee der Nährſtofflöſung 301.
Coniferen 122 283 291 293 324.
Convolvulus 327.
Copaivabalſam 50.
Copaifera 50
Corallorhiza 283.
Corchorus 212.
Cordyline 175.
Cornus 66 187.
Coronilla 212.
Coryneum 56; C. disciforme 110.
Corylus, ſ. Haſel 749.
Creolin als Gift 330.
Craſſulaceen 62.
Crescentia 196.
Cruciferen 217.
Cryptospora suffusa 110.
Cucumis 197 217 220.
Cucurbita 172 197 217 220 316.
Cucurbitaceen 22.
Cuphea 179.
Cupuliferen 122 283 291 293.
Cuscuta 282.
Cyanverbindungen als Gifte 327.
Cycadeen 44.
Cyclamen 66.
Cynara 181.
Cytispora 110.
Dahlia 66.
Daucus 66.
Dauer der Vegetationstemperatur 218.
Delphinium 184.
Diaporthe Carpini 110.
Diatrype disciformis 111.
Diatrypella quereina 111.
Diatomaceen 199 287.
Dickenwachstum, Behinderung des 22.
Diclytra 184.
Digitalis 327.
Diplodia 110.
Dipsacus 188 197.
Diſtel 244.
Draba 274 276.
Dracaena 117 175 316 318 330.
Drainzöpfe 247.
Druck 22.
Regiſter
Duftanhang 230.
Dunkelheit, Abſterben bei 168.
Durchlüftung des Bodens 255.
Ebereſche 134 242, ſ. auch Vogelbeer— baum.
Echeveria 266.
Eiche 36 83 87 107 108 110 126 131 152 142 147 151 176 198 238 239 240 241 242 290 293 318.
Eichhörnchen 145.
Einflüſſe, atmoſphäriſche 154.
Einkerben 137.
Einſchlagen 215.
Eisanhang 230.
Eisbildung in der Pflanze 178.
Eiſen als Nährſtoff 289.
Eiſenſalze als Gifte 324.
Eiſenoxydulſalze als Gifte 324.
Eiſenvitriol als Gift 324.
Eisklüfte 207 210.
Elaeagnus, Gummifluß von 57.
Elaͤagnaceen, Wurzelanſchwellungen der 296.
Elektriſches Licht 155 158.
Elodea 168.
Elymus 255.
Embryo, Verluſt der Teile des 121.
Empetrum 223.
Empfindlichkeit gegen Froſt 195.
Endoſperm, Künſtliches 121.
Entgipfeln 92.
Entlaubung 29 146.
Entrindungen der Stämme 135.
Epheu 86 248 319.
Epheuharz 51.
Equiſetaceen 287.
Equisetum 247.
Erbliche Krankheitszuſtände 15.
Erbſen 120 121 167 217 247 249 263 305 320 323.
Erdbeere 329.
Erdboden, Durchlüftung des 255.
Erdboden, Feſtigkeit des 254.
Erfrieren 189.
Erfrieren der Obſtbaumblüten 202.
Erfrieren der Rinde 203.
Erica 172.
Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 245.
Erle 242 248 261 293; E., Wurzelan-
ſchwellungen der 296. Ermittelung der Krankheitsurſache 16. Ernährung mit Humus 283. Ernährung mit Stickſtoff 284. Ernährungsſymbioſe 291. Erſatz der Blätter 100. Erſatz der Knoſpen 91.
© oa
[Erſatz der Wurzeln 90.
Erſatz der Zweige 91.
Erſatztriebe 93.
Erſtickung 159.
Eſche 94 110 118 142 145 198 293 314. Etiolement 154 162.
Etiolement, falſches 225.
Etiolin 154.
Etioliren 154.
Euphorbia 185 265.
Eutypa III.
Evonymus 316.
Exosporium Tiliae 110.
Fäule, naſſe 107.
Fäulnisbewohner 282.
Fagus 40, ſ. auch Buche und Rotbuche. Falſches Etiolement 225. Farbenänderungen beim Gefrieren 187. Farbiges Licht 158.
Farne 155 161 168.
Faulen der Samen 259.
Faules Holz 106.
Fegen 141.
Feigenbaum 58.
Feldfrüchte, Lagern der 166.
Feſtigkeit des Erdbodens 254.
Feuer, Beſchädigungen durch 245. Feuchtigkeitsgehalt der Luft 308. Feuerbohne 169 307, ſ. auch Phaseolus. Ficaria 185.
Fichte 41 46 47 49 86 96 108 123 125 127 129 132 135 138 142 143 173 222 230 233 235 238 239 241 293 314 318 320 323 326.
Fichtenrindenwickler 47.
Fico, Marciume del 58.
Flußſäuredämpfe als Gifte 318.
Flüſſigkeiten, giftige 313.
Flachs 305, ſ. auch Lein.
. 74; F., Ueberwallung der 79. 5
Flader 80.
Flechten 197 199 254. Flieder 118.
Flugſand 255.
Folgen des Gefrierens 188. Forleule 47.
Formbäume 225.
Form der Nährſtoffe 181. Foſtit 321.
Frankia 297. Franzoſenholz 41. Fraxinus 59 95.
Fremde Körper 137.
336 Regiſter
Froſt, Aufziehen der Saaten durch den 200.
Froſt, Beſchädigungen durch den 200.
Froſtblaſen 204.
Froſt, Empfindlichkeit gegen 195; F., Wirkungen des 177.
Froſtgeſchmack der Weinbeeren 227.
Froſtkrebs 207.
Froſtleiſten 211.
Froſtplatten 203.
Froſtriſſe 210
Froſtrunzeln 204.
Froſtſpalten 210.
Froſtſchorf 204.
Froſtſchutzmittel 213.
Froſtſchutzmittel, künſtliche 215.
Froſtſchutzmittel, natürliche 214.
Froſttod 191.
Fruchtbildung 28.
Früchte, Abwerfen der 268; F., Ver— letzung der 149.
Frühlingsäſtung 132.
Fuchsſchwänze 247.
Fuchsia 266 316.
Galanthus 225.
Galmeiboden 323.
Gaſe, giftige 313.
Gaskalk 327.
Gaslicht 158.
Gaſometerwaſſer 327.
Gefrieren der Pflanzen 177.
Gefrieren, Folgen des 188.
Geizen 92.
Geköpfte Pflanzen 92.
Gelbholz 40.
Gelbſucht 225 247 261 289.
Gelbſucht der Köpfe 268.
Gelbwerden der Blätter 26.
Gentiana 175.
Georgina 197.
Gerſte 172 173 199 221 256 263 269 273 286 287 305 309 327.
Geſetz des Minimums 280.
Getreide 166 228 304 330.
Getreide, Notreife des 266.
Getreide, Verſcheinen des 266.
Gewächſe, Verpflauzen krautartiger 123.
Gewebe, intermediaͤres 88. Gifte 305 310.
Giftige Gaſe 313.
Giftige Flüſſigkeiten 319. Gipfelbruch 128. Gipfeldürre 268.
Gladiolus 327.
Gleditschia 36 40 268 735. Glyceria 308.
Gräſer 92.
Gramineen 217 287.
Grind der Kartoffel 104.
Grind des Weinſtockes 209.
Grünäſtung 131 141 151.
Grünfäule 107.
Guajacum 41.
Guajakholz 41.
Gummi, arabiſches 57.
Gummidruſen 51.
Gummifluß der Acacia-Arten 57; G. der Apfelſinenbäume 58; G. der Aurantiaceen 58; G. der Citronen— bäume 58; G. der Pomeranzenbäume 58; G. der Steinobſtbäume 51; G. von Elaeagnus 57.
Gummiharze 44.
Gummiharzfluß 50.
Gummiekrankheit 45 56.
Gummoſis der Steinobſtbäume 51.
G. des Oelbaums 59.
Gurken 68. 5
Habitus der Schattenpflanzen 164.
Haematoxylon 40.
Hafer 120 217 263 269 284 286 287 305 314 320 323, ſ. auch Avena.
Hagel 140.
Hagel, Beſchädigungen durch 228.
Hainbuche 126 176.
Hanf 217 325.
Hartriegel 118.
Harz 41 44.
Harzbeulen 45.
Harzdruſen 49.
Harzen 138.
Harzfluß der Koniferen 45; H. der Nichtkoniferen 50.
Harzgallen 49.
Harzgewinnung 138.
Harzhöhlen 29. 5
Harzkanäle 29 45 46.
Harzkrankheit 45.
Harzſcharren 138.
Haſel 293.
Heckenſchnitt 94 125.
Hedera 172.
Hefe 199.
Heilung 17.
Heilung durch Callus 63; H. durch Wundkork 60.
Heilungsprozeſſe, natürliche 59.
Helianthus 66 90 116 121 306 308 316,
Helicosporium 111.
Heliotropium 179.
Helligkeit 157.
2
Regiſter 337
Helminthosporium 111. Herbſtäſtung 132.
Hercospora Tiliae 110.
Hibiscus reginae 69.
Hippopha& 254 255 297.
Hirſche 141 142.
Hitze, Tötung durch 171.
Hohle Bäume, Behandlung der 153. Hohle Baumſtämme 132. Holzbildung 29.
Holz, faules 106; H., Humifizierung des 108; H., Verwundung des 26. Holzgewächſe, Verpflanzen der 122.
Holzkäfer 109.
Holzkörper, Auslöſungen des 50; H. Bräunungen des 211.
Holzpflanzen, Schälwunden der 70.
Holzpflanzen, Verſtümmelung der 125.
Holzrücken 141.
Holzweſpen 109.
Holz, Zerſetzungserſcheinungen des 106.
Hopfen 268.
Hordeum 217 220, ſ. auch Gerſte.
Horniſſen 145.
Hottonia 220.
Hoya 86.
Hüttenrauch 313.
Humifizierung des Holzes 108.
Humusbewohner 282.
Humus, Ernährung mit 283.
Humuszehrer 283.
Hyacinthe 69 115 185.
Hydrocharis 246.
Hydroxylamin als Gift 331.
Hymenomyceten 199.
Hypoxylon 112.
Hysterium Fraxini 110.
Jahresring, Verdoppelung des 30.
Icterus 225 289.
Snanition 307.
Inſchriften 137.
Inſekten, blattminierende 149.
Intenſives Sonnenlicht 169.
Intermediäres Gewebe 88.
Jodkalium als Gift 326.
Johannistrieb 101.
Iris 181.
Juglans 36 40, j. auch Nußbaum.
Juniperus 223.
Kältegrade, tödliche 196.
Kahlfraß 101.
Kaiſerkrone 184.
Kaktus 196.
Kalium als Nährſtoff 288.
Kalk als Nährſtoff 288.
Kopal 50.
Kalklicht 158.
Kalköfen 313.
Kamellie 268.
Kampfer als Gift 330.
Kanadiſcher Balſam 139.
Kandieren der Samen 302.
Kappen der Baumäſte 129; Reben 30.
Karbolſäure als Gift 328.
Kartoffel 22 61 68 104 189 191 215 244 286 304 314 321 329.
Kartoffel, Grind der 104; K., Krätze der 104; K., Räude der 104; K., Schorf der 104; K., Süßwerden der 227
K. der
Kaſtanie 84 87.
Keimung im Dunkeln 161; K. im Hellen 161.; K., verhindert durch Trockenheit 262; K., Temperaturgrenze der 216.
Kernfäule 107.
Kerngummi 39.
Kernholz 31 38.
Kernſchäle 213.
Kiefer 41 46 47 48 87 97 123 125 126 130 135 143 222 241 242 245 260 261 293 318 326, ſ. auch Pinus.
Kiefernmotte 47.
Kienäſte 41
Kienholz 41.
Kieſelpflanzen 286.
Kieſelſäure als Nährſtoff 286.
Kirſchbaum 51 329.
Kirſchen 113 118 150.
Kirſchgummi 51.
Kittgewebe 88.
Klaſſifikation der Pflanzenkrankheiten 20.
Klee 92 120 159 249 263 314 325, ſ. auch Trifolium.
Klima 218.
Knoſpen, acceſſoriſche 95; K., Erſatz der 913 K., ſchlafende 95.
Kochſalz als Gift 325.
Kohl 123 184 290, ſ. auch Brassica.
Köpfe, Gelbſucht der 268.
Körper, fremde 137.
Kohlenſäure 307.
Kohlenſäureaſſimilation 156.
Kohlenſäureaſſimilation, Temperaturein— fluß auf 220.
Kohlenſäuregehalt der Luft 307.
Kohlrabi 113.
Konferven 199.
Koniferen 41 43 89 99.
Koniferen, Harzfluß der 45.
Koniferen, Reſinoſis der 45.
Konzentriertes Sonnenlicht 170.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 22
338 Regiſter
Kopfhölzer 128.
Kopulation 88.
Krätze der Kartoffel 104.
Krankheit 5.
Krankheitsbefördernde Nebenumſtände 13
Krankheitsſymptome 7
Krankheitsurſache 12; der 16.
Krankheitszuſtände, erbliche 15.
Kraſſulaceen 265.
Kraut 329.
Krebs 207; K. K. der Rotbuche 209; ſtocks 209.
Kreſſe 305 307.
Krümmungen beim Gefrieren 184.
Krüppelbäume der Baumgrenze 129.
Krüppelformen der Bäume 235.
Kruſtierende Böden 255.
Kürbis 22 68 150 183 193 222.
Künſtlicher Schnitt 125.
Künſtliche Froſtſchutzmittel 215.
Künſtliches Endoſperm 121.
Künſtliches Licht 158.
Kupfervitriolkalkbrühe 321.
Kupfervitriol-Speckſtein 321.
Kupferſalze als Gift 320.
Kupfervitriol als Gift 320.
Kurznadligkeit 98.
Laachen 138.
Labiaten 179.
Lachten 138.
Längenwachstum, Behinderung des 21.
Längswunden 74.
Lärche 41 46 47 126 129 135 160 236 293 318, ſ. auch Larix.
Lärchenrindenwickler 47.
Lagern der Feldfrüchte 166.
Lagten 138.
Lampenlicht 155 158.
Landpflanzen im Waſſer 246.
Lantana 179.
Larix 155.
Lathyrus 259.
Laubmooſe 172.
Laubſtreifen 146.
Lawinen 231.
Lebermooſe 161 172 199.
Leguminoſen 89 285; L., Wurzelknöllchen der 297
Lein 217 263 268 290.
Lemna 172.
Lepidium 217 220 316.
Leptothrix 172.
Leucojum 65 148 225.
N., Ermittelung
der Obſtbäume 207; K. des Wein—
Leuchtgas 316.
Licht 154.
Licht, elektriſches, 155 158.
Lichtfarben 158.
Licht, farbiges 158.
Licht, künſtliches 158.
Lichtmangel 154 156 160 165. Liliaceen 184.
9 107 110 132 134 147 153 293
einfe 6305
Lithiumſalze als Gifte 324.
Löcherpilze 111.
Lohe, rote 268.
Lonicera 95 137.
Lorbeer 242 268.
Luft, Kohlenſäuregehalt der 307; L., Feuchtigkeitsgehalt der 308.
Luftwurzeln 134.
Lupine 120 121 162 172 247.
Lychnis 181.
Lyſol als Gift 330.
Maasliebe 87.
Maclura 40.
Magneſium als Nährſtoff 289.
Magneſiumlicht 158.
Mais 89 113 120 121 173 219 247 263 287 290 305 316 320 327 329
mal della gomma 58.
Malva 185.
Manna 59.
Mannaeſche 59.
Mannafluß 59.
Manulea 179. -
Marattiaceen 44.
Marchantia 161 19.
Marciume del Fico 58.
Marffleden 212.
Markwiederholungen 212.
Maſer 80.
Maſerbildung 80.
Maſerholz 80.
Matricaria 274.
Mäuſenagen 145.
Maulbeer 146.
Mechaniſche Gewebe, Ausbildung der 165.
Medium, natürliches 245; M., unge— eignetes 245
Meeresalgen 169.
Mehrfache Bäume 87.
Melanomma pulvis pyrius 112.
Mercurialis 185.
Milchſäfte 44.
Milchſaftgefäße 43.
Mimosa 172 306.
Minimum, Geſetz des 280.
Regiſter 339
Mirabilis 121.
Mißbildung 1.
Moder 108.
Möhre 70 86 113 183.
Mohn 217.
Mondringe 212.
Monotropa 283.
Mooſe 60 168 197 199 254. Morphium als Gift 331.
Morus 172 202.
Mougeotia 302.
Mykodomatien 297.
Mykorhizen 283 292.
en, Wurzelanſchwellungen der Myrrhe 50.
Nachtfaſer 109.
Nadelbäume 232, ſ. auch Koniferen. Nährſtoffbedürfnis der Pflanze 278.
2 Form der 281; N., organiſche
nängoftätng, Konzentrationsgrad der
Nährſtoffmangel 278.
Naemaspora 110.
Näſſe, ſtagnierende 256.
Nagen 141 145
Nanismus 271.
Naſſe Fäule 107.
Natürliche Froſtſchutzmittel 214.
Natürliche Heilungsprozeſſe 59.
Natürliches Medium 245.
Natürliche Schutzvorkehrungen nach Ver— wundungen 31
Natürlicher Tod 5.
r krankheitsbefördernde
ee 157.
Neigung der Bodenoberfläche 250. Nekroſe 106.
Nematogonium 111.
Neottia 283.
Neßler'ſche Mittel als Gifte 328. Nicotiana 172.
Nicotin als Gift 331. Niederholzzucht 134.
Niederſchläge 227.
Nonne 47.
Notreife des Getreides 266. Nußbaum 242.
Nyetomyces 109.
Nymphäaceen 246.
Obſtbäume, Krebs der 207. Obſtbaumblüten, Erfrieren der 202. Oedogonium 302.
Oelbaum 118; O., Gummoſis des 59.
Oele 44.
Oelrettig 120.
Oenothera 250 279.
Oidium 174.
Okulieren 87.
Opopanax 50.
Optimum der Wachstumstemperatur 219.
Opuntia 115 175.
Orangenbaum 268.
Orchideen 192.
Organiſche Nährſtoffe 281.
Organiſcher Stickſtoff als Nährſtoff 284.
Ornithogalum 225.
Orobanche 282.
Paeonia 184.
Palmen 241.
Panicum 274 276.
Papaver 172 327.
Pappel 99 107 128 132 242 248 254 261 293.
Paraſiten 282.
Pathologiſche Raſſen 16.
Pellia 199.
Penicillium 173 174.
Peperomia 115.
Petroleum als Gift 329.
Peziza 174; P. aeruginosa 108 111.
Pfirſichbaum 51.
Pflanzen, amphibiſche 246.; P., chloro— phylloſe 281; P., Gefrieren der 177; P., geköpfte 92; Pflanze, Nährſtoff— bedürfnis der 278.
Pflanzen in Blumentöpfen 249.
Pflanzenkrankheit 5.
Pflanzenkrankheiten, Bekämpfung der 17; P., Klaſſifikation der 20.
Pflanzenſäuren als Gifte 331.
Pflanzenſchutz 18.
Pflanzenteile, abgeſchnittene 114; P., Aufſpringen fleiſchiger 113.
Pflanzen unter Bäumen 160.
Pflaumen 113 118 150.
Pflaumenbaum 51 328 330.
Pfropfen in die Rinde 87.
Phajus 191.
Phaseolus 163 172 197 217 220 224 286 288 305 317 330.
Phosphor als Nährſtoff 285.
Phycochromaceen 173.
Phyllirea 118.
Bilde, . 59 55 109; P., Symbioſe
Pilztammern 297. Pilzwurzel 292. Pinoſol als Gift 330.
238 240 241
22*
340
Pinus 139 212 223 224, ſ. auch Kiefer.
Pistacia 40.
Pisum 100.
Plantago 274.
Plasmolyſe 301 311.
Platane 248 316.
Plattgedrückte Wurzeln 23.
Pleospora 111.
Polycladie 92 94.
Polygonum 201 246.
Polypodium 196.
Polyporus III.
Polytrichum 161.
Pomeranzenbäume, Gummifluß der 58.
Populus 127, ſ. auch Pappel.
Potentilla 184.
Poterium 185.
Primula 325.
Produktion, e auf 221.
Proleptiſch 1
Protococeus 302
Prunus 36 40 118 204.
Ptelea trifoliata 186.
Pulmonaria 156.
Pyrus 36 40.
Quaternaria Persoonii 110.
Queckſilberchlorid als Gift 320.
Queckſilberſalze als Gifte 320.
Ouerwunden, Ueberwallung der 80.
Quercus 36 40 127.
Quetſchwunden 68 140.
Radieschen 306.
Räude der Kartoffel 104.
Ranunkel 87.
Raps 155 184 217 225 229 253 263 325.
Raſſen, wach 16; R., teratolo— giſche 16.
Rauch 313.
Rauchfeuer 215.
Rauhreif 230.
Raummangel 21.
Raygras 326.
Reaktionen gegen Verwundungen 31.
Reben, Kappen der 30.
Regen, Beſchädigungen durch 227.
Regeneration der Rinde 70; R. eines Vegetationspunktes 89; R. von Ge— weben an Wunden 70.
Rehböcke 142.
Reproduktionen 90.
Reseda 125.
Reſervenährſtoffbehälter, Verluſt der 119.
Reſinoſis der Koniferen 45.
Rettig 104 113.
Rhizobium Leguminosarum 285 297.
Regiſter
Rhizomorpha intestina 111; R. subeor- ticalis 111 1
Rhizopus 174.
Rhodanverbindungen als Gifte 327.
Rhododendron 223.
Rhus 212.
Rhus cotinus 40.
Rhynchomyces violaceus 112.
Rieinus 197.
Rinde, Erfrieren der 203; R., Nege- neration der 70; R., Verwundung der 26.
Rindenbrand 203.
Rindendruck 24.
Rindenlaus 47.
Ringeln 135.
Ringſchnitt 135.
Robinia 72 202 212 242 255 316.
Roggen 120 147 172 173 220 221 253 256 305.
Roggenähren, weißſpitzige 203.
Roſe 320 327 329 330.
Roßkaſtanie 134 211 232 316.
Röte 268.
Rotbuche 126 211 232 293 314 326, ſ. auch Buche und Fagus; R., Krebs der 209.
Rote Lohe 268.
Roter Schnee 218 225.
Rotfäule 107.
Rotklee 217.
Rubus 221.
Rübe 22 68 100 101 104 123 146 159 183 189 191 193 215 244 256 284 286 302 304 329.
Rüſter 93 126.
Rumex 228.
Runkelrübe 86, ſ. auch Rübe.
Saaten, Ausfaulen der 259; S., Aus⸗ ſauern der 258.
Säbelwuchs 234.
Säumaugen 95.
Säuren als Gifte 319.
Salat 123.
Salicaceen 293.
Salicornia 286.
Salinenabflußwäſſer 326.
Salisburia 172.
Salix 95 96 127, ſ. auch Weide.
Salpeterſäure als Nährſtoff 284.
Salsola 325.
Salvia 316.
Salzlöſungen 302.
Salzpflanzen 286.
Salzſäure als Gift 318.
Sambucus 185.
A RN V
Regiſter 341
Samen, Faulen der 259; S., Kan⸗ dieren der 302; S., Verſtümmelung der 119.
3 der Weinbeeren 150 176
Sandgräſer 255.
Sapokarbol als Gift 328.
Sappanholz 40.
Saprophyte Pilze 109.
Saprophyten 282.
Saubohne 217.
Sauerkirſchen 118.
Sauerſtoffgas 305.
Saxifraga 172 197.
Schädliche Stoffe 305.
Schälen 141.
Schälwunden 141 151; S. der Holz— pflanzen 70.
Schattenpflanzen, Habitus der 164.
Scheidenknoſpen 97.
Schilfrohr 228.
Schlafende Knoſpen 95.
Schlammbedeckung 248.
Schlingpflanzen 137
Schmarotzer 282.
Schmierſeife als Gift 328.
Schneebruch 220.
Schneedruck 230.
Schnee, roter 218 225.
Schneiden der Wunden 152.
Schnitt 93; S., künſtlicher 125.
Schnittwunden an Blättern 65.
Schorf der Kartoffeln 104.
Schröpfen 78.
Schütte 222.
Schutzholz 31 36.
Schwamm 197.
Schwarzföhre 48.
Schwefel als Nährſtoff 285.
Schwefelkieſe 324.
Schwefelkohlenſtoff als Gift 318.
Schwefelmetalle als Gifte 324.
Schwefelwaſſerſtoff als Gift 318.
Schweflige Säure als Gift 313.
Scrophulariaceen 179.
Secale 217, ſ. auch Roggen.
Secretbehälter 43.
Secrete, vorgebildete 43.
Secretionen an Wunden 43.
Secundärknoſpen 95.
Sedum 197.
Seewinde 325.
Seitenknoſpen 93.
Selaginella 168.
Sellerie 113.
Semper vivum 175 182 197 309 325.
Senecio 179 185 197.
Senegalgummi 57.
Senkung der Baumäſte bei Froſt 187. Silberpappel 316.
Silicium als Nährſtoff 286.
Silybum 86 185.
Sinapis 185 188 190 217 220 280. Soda als Gift 319.
Solanaceen 118.
Solanum 172 197.
Soldanella 225.
Sommeräſtung 132.
Sommerbrand 268.
Sommerdürre 266 269.
Sonchus 185.
Sonnenblume 92 155 247 290 305. Sonnenbrand, Beſchädigungen durch
174.
Sonnenlicht, 155 158; S., intenſives 169; S., konzentriertes 170.
Sonnenriſſe 176.
Soolleitungen 326.
Spaltpilze 174.
Spaltwunden 74; der 79.
Spieß 54 127.
Spiraea 210.
Spirogyra 169 173 192 199 302 322.
Splintfäule 107.
Splintholz 36.
Sporidesmium 269.
Sporotrichum 112.
Sproſſe, abgeſchnittene 116.
Stagnierende Näſſe 256.
Stämme, Entrindungen der 135.
Stämme, verwachſene 87.
Stammabhieb 134.
Stammverſtümmelungen 124.
Stammfäule 107.
Staphylosporium violaceum 112.
Stecklinge 115; S., Bewurzelung der 91; S., Callus an 68.
Steinkohlenrauch als Gift 313.
Steinkohlentheer als Gift 319.
Steinobſtbäume, Gummifluß der 51; S., Gummoſis der 51.
Stellaria 197.
Stengel, Stichwunden in 68.
Sterkuliaceen 44.
Steriliſieren 174.
Stichwunden an Blättern 65 148; S. in Stengeln 68.
Stickſtoff als Nährſtoff 284; S., Ernähr⸗ ung mit 284; S., organiſcher, als Nährſtoff 284.
Stickſtoffdüngung 303.
S., Ueberwallung
342 Regiſter
Stickſtofforyd als Gift 317.
Stigeoclonium 302.
Stoffe, ſchädliche 305.
Stockausſchläge 99 134.
Stockfäule 107.
Störung der Wurzelthätigkeit 221.
Straßburger Terpentin 45 139.
Strauchformen, abnorme 126.
Strychnin als Gift 331.
Sturm, Beſchädigungen durch 232.
Sulfoſtratit 321.
Succulenten 26 62.
Süßkirſchen 118.
Süßwerden der Kartoffeln 226.
Symbioſe 7; S. der Wurzeln 291; S. mit Pilzen 283.
Symbioſepilze 292.
Symptome der Krankheiten 7.
Symptome des Todes 7.
Syringa 118 270.
Tabak 222 284 286 310.
Tabaksabſud als Gift 331.
Tamariske 59.
Tamarix 59.
Tanacetum 172.
Tanne 41 45 47 48 49 84 86 127 129 143 222 231 233 234 241 242 293, ſ. auch Weißtanne.
Tannenſtöcke, Ueberwallen der 134.
Tannenwickler 45.
Taraxacum 113.
Taxodium 127.
Taxus 172.
Teesdalia 275.
Teichospora obducens 112.
Telephora 111.
Temperatur 171
Temperatureinfluß auf Chlorophyllbil— dung 224; T. auf Kohlenſäureaſſi⸗ milation 220, T. auf Produktion 221; T. auf Wachstum 216.
Temperaturgrenzen 216.
Temperaturgrenze der Keimung 216.
Temperaturgrenzen des Wachstums 216.
Teratologie 1.
Teratologiſche Raſſen 16.
Terpentin 45 138; T., Straßburger 45 139; T. von Bordeaur 139.
Terpentinöl 41 45.
Theerprodukte als Gifte 330.
Theerung 152.
Theeſtrauch 146.
Thlaspi 323.
Thuja 48 268.
Thyllen 35.
Tiefe der Ausſaat 251.
Tiefpflanzung 254.
van Verwundungen durch Tritte der 141.
Timothegras 326, ſ. auch Phleum pra- tense.
Tinea 47.
Tod, natürlicher 5.
Tod, Symptome des 7.
Tödliche Kältegrade 196.
Tötung durch Hitze 171.
Topfgewächſe in Zimmern 159.
Topfgewächſe, Verſauern der 260.
Tortrix 47.
Torula 112.
Tote Aeſte 131.
Tragantgummi 57.
Tranſpirationsſtrom 27.
Trauben, Vertrocknen der 176.
Trauerweide 248.
Triebe, Abfrieren der 202.
Trifolium 173, ſ. auch Klee Rotklee.
Trimmatostroma Salicis 110.
Triticum 217 220 330.
Trockenäſte 151.
Trockenäſtung 131 151.
Trockenfäule 107.
Trockenheit des Bodens 262 271 277.
Trockenheit verhindert Keimung 262.
Tropaeolum 157 172 197.
Tubercularia 111.
Tulipa 225.
Typha 308.
Ueberſchwemmung 248.
Ueberwallen der Tannenſtöcke 134.
Ueberwallung 60 74 133; U. der Quer⸗ wunden 80; U. der Flachwunden 19% U. der Spaltwunden 79.
Ueberwallungswulſt 74.
Ulex 255.
Ulme 40 110 238 239 242 248 293 314 316.
Ulothrix 199.
Ungenügendes Bodenvolumen 249.
Ungeeignetes Medium 245.
Unterdrückung 159.
Urtica 185 317.
Ustilago 174 323.
Vaccinium 223.
Valsa salicina 110; V. e 110.
Variationen 7.
Vaucheria 60.
Vegetationspunkt, Regeneration eines 89.
Vegetationstemperatur, Dauer be 218.
Verbeißen 93 125.
Verbrennen der Blätter 175.
und
Regiſter
Verdämmung 159.
Verdoppelung des Jahresringes 30.
Veredeln, Verwachſen beim 87.
Veredelung 117.
Vergeilen 154.
Vergiftung 310.
Verhütung 17.
Verkorkender Callus 64.
Verkrüppelungen des Blattes 148.
Verletzung der Wurzeln 26.
Verluſt des Baumſtammes 99; V. der Aeſte 99; V. der Blätter 27; V. der Laubblätter 146; V. der Reſerve— nährſtoffbehälter 119; V. der Teile des Embryo 121; V. der Wurzeln 26.
Vermoderung 107.
Verpflanzen der Holzgewächſe 122.
Verpflanzen krautartiger Gewächſe 123
Verſauern der Topfgewächſe 260.
Verſcheinen des Getreides 266.
Verſchnaken 154.
Verſchüttung 254.
Verſpillern 154.
Verſtümmelung der Blätter 148; V. 0 Esolspranen 125; V. der Samen
e des Bodens 261.
Vertrocknen der Blätter 26.
Vertrocknen der Trauben 176.
Verwachſene Stämme 87.
Verwachſene Wurzeln 87.
Verwachſungen 85; V. beim Veredeln 87.
Verwallung 74.
Verwundungen der Blüten 149; V. der Früchte 149; V. durch Tritte der Tiere 141; V. der Wurzeln 121; V. durch Wagenräder 1B. der Rinde 26; V. des Holzes 26; V. natürliche Schutzvorkehrungen nach 31; V. Reaktionen gegen?31.
Verwundungsarten 113.
Verwehungen 237.
Verzwergung 271 279.
Viburnum 318.
Vicia 100 259 306 316 330, ſ. auch
Wicke. Viola 323 327. Viscum 161. Vitis, ſ. Weinſtock. Vogelbeerbaum 314, ſ. auch Ebereſche. Vorgebildete Sekrete 43. Vorkeimſproſſungen 116. Vulkaniſche Exhalationen 318. Wachholder 237. Wachstum, Abnormitäten des 160.
343
Wachstums-Etiolement 164.
Wachstumsgeſchwindigkeit 219.
Wachstumsgröße 220.
Wachstumstemperatur, Optimum der 219.
Wachstum, Temperatureinfluß auf 216.
Wachstum, Temperaturgrenzen des 216.
Wagenräder, Verwundungen durch 141.
Waldbrände 245.
Waldſtreu 296.
Waſſerkulturen 246.
Waſſerlinſen 246.
Waſſermangel 262.
Waſſerpflanzen auf dem Trocknen 246.
Waſſerwurzeln 246.
Weide 107 110 128 132 134 153 218 247 254 261 293, ſ. auch Salix.
Weihrauch 50.
Weinbeeren, Froſtgeſchmack der 227; W., Samenbruch der 150 176 229.
Weinberge, Blitzſchlag in 243.
Weinſtock 36 198 215 261 318 321 328 330; W. Grind des 209; W., Krebs des 209.
Weißbuche 110 293, ſ. auch Hainbuche.
Weißfäule 107.
Weißſpitzige Roggenähren 203.
Weißtanne 139 211 230, ſ. auch Tanne.
Weizen 167 172 173 199 221 251 263 287 321.
Welken 26 263.
Wicken 166 199.
Wieſen, Blitzſchlag in 244.
Wildſchälen 141.
Wimmer 80.
Windbruch 232.
Windfall 232.
Windſchub 233.
Wirkungen des Froſtes 177.
Wunden 24; W., Behandlung der 150; W., Schneiden der 152; W. Sefre- tionen an 43.
Wundfäule 101 106 130.
Wundfläche, Bekleidung der 70.
en 34.
Wundholz 7
Wundkork 59; W., Heilung durch 61.
Wundkrankheit 101.
Wundſekrete 44.
ume der Erle 296; W. der Eläagnaceen 296; W. der Myri⸗ caceen 296.
Wurzelausſchläge 99 134.
e 107 258; W. der Bäume
Wurzellnöucher der Leguminoſen 297.
= ER ee
Wurzeln in Blumentöpfen 21; W., Be⸗ ſchneiden der 122; W., pla attge edrückte 23; W., Erſatz der 90; W., Symbioſe der 2913 W., Verletzung der 26 1213 W., verwachſene 87; W., Verluſt der 26.
Wurzelſtecklinge 115.
Wurzelthätigkeit, Störung der 221.
Wurzelzöpfe 247.
Nanthorrhoea-Harz 50.
Xenodochus ligniperda 112 260.
Xylaria 111. \
Zea 172 197 217 220 224 286 303 330, ſ. auch Mais.
Zechenabflußwäſſer 326.
De
Zinkſalze als Gifte 323. ei N fh Zinkvitriol als Gifte 323. 1 2 4 Ziegelöfen 313. IM sag
area 99. Zopftrocknis 268. Zuckerrübe 217, ſ. auch B. Zweigbildung 28. ur 1 | Zweige, Erſatz der 9. Zweigverſtümmelungen 124. " Zweigſpitzen, Abfrieren der , 15 Zweigwucherungen 94. Be Des: Zwerge 119 271. A ’ Zwiebel 191. i
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