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— De Natur meint es beſſer mit dem Menſchen
als er es mit ſich ſelbſt meint. Er legt es auf Ru⸗
u . bean, hie aber. reißt ihn in den Strudel des Lebens
hinein und überhäuft ihn mit Ungemach aller Art;
ex liebt das Leben und fie feßt es alle Augenblicke
der Gefahr des Unterganges aus; er ſtrebt nach,
ö bloßem Genuffe und fie zwingt ihn zur Thaͤtigkeit.
Der Nenſch liegt alſo mit der Natur in einem ſte⸗
ten Streite und kann fich nie mit ihr ausſohnen ˖
Es giebt fir ihn Beinen Frieden mit derſelben, er wird sum Kampfe geboren und endigt ſein Leben
VE nm demſelben. Was wi denn aber bie Natur mit dem Menfchen und warum behandelt fie. ihn ſo grauſam und fo feindfelig? Da er fo Eurzfichtig iſt und den Zweck ſeines Daſeyns fo wenig beruͤck⸗ | fichtigt, fo nimmt fie feine Erziehung uͤber ſich. Sie will ihn muͤndig, und zu einem freien und J ſelbſtthaͤtigen Weſen machen? dehn er folt fich put a Gottheit erheben und er wuͤnſcht an der Erde haͤn⸗ gen zu bleiben: wie war es daher anders anzufan⸗ gen, wenn ſie ihre Abſicht erreichen wollte, als daß fie ihm Noth und Mangel, Gefahren und Leiden in Schaaren zuſchickte, um ihn nicht zur diuhe kommen zu laſſen. Durch Lnruße geht für ihn der Weg zur Muͤndigkeit und durch Schmer⸗ - yon zur Freiheit. Diefe beiden arbeiten ihn aus feiner Rohigkeit heraus uud bervolllonumnen (hi, - vn wider Rinen Willen.
Wie kann man fich aber vergeroiffen, wel⸗ "Bes die Beſtimmung des Menſchen auf dieſer Er⸗ | de ſey? Den Zweck feines, isdifchen Daſeyns er⸗ faͤhrt man dadurch, daß man, unterſucht, welche
Anlagen er beſitzt und in weichen Verhaͤliniſſe dieſe zu feinem Begehren ſtehen. Eine ſolche Kennt· niß aber kann man ſich bloß durch die Wirkungen, welche fich im. menfchlichen Gemuͤthe offenbaren, ‚verfchaffen: denn der Menſch ift m feinem Erfen- nen und Wiſſen an einen vorhandenen Stoff ger bunden; nur von diefem aus kann er feine Bahn _ antreten, wenn er uͤber ſich ſelbſt Aufſchluß ſucht. . Vecrgeblich geht er von etwas aus, was ſich bloß denken laͤßt; er ſtuͤrzt ſich unter Schattengeſtalten u und wird an ſich ſelbſt irre. Hält er ſich Hingegen _ an die Welt der Erſcheinungen und fleigt von den . Wirkungen der Dinge zu ihrer Urſache auf, fo .. fteßt er auf einem fefken fruchtbaren Boden und ° kann ſich das Käthfel feines Dafeyns ldſen. Die Anlagen- und Kräfte des Menfchen find alſo für ihn bloß Durch ihre Aeußerungen erfennber und dieſe. Anlagen ſind Bedingungen etwas zu thun oder zu leiden und wenn man bedenkt, daß ſie, ſo "lange fie nicht ausgebildet find, traͤg und unge⸗ | ſchickt ſind, daß ſie nur erſt alsdann Luſt zur Thaͤ⸗ tigkeit und Geſchicklichkeit erlangen; wenn fie flei⸗
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Anſehung des Stoffes zu ihrer Wirkſamteit ab⸗
haͤngt, daß fie alſo einander untergeordnet fi ind |
und daß endlich Die Eine die Herifchaft über alle
Aundern fodert und ihre Thaͤtigkeiten für ſich i in Ans
flag nimmt, fo weiß man, wie ber Menfch von - u Natur beſchaffen ‘ft; und wenn man zu erfahren ” ‚wuͤnſcht, welchen Zweck der Menſch auf dieſer Erde habe, ſo hat man das Verhaͤltniß dieſer An⸗ lagen und Kräfte. zu den ihn umgebenden Din | gen d. h. zu der süfern Natur und zu feines Slei- J chen in Betracht zu ziehen. Der Menſch verlangt | | entweder Gluͤckſeligkeit oder Sittlichkeit. | Iſt tr das Erſtere der Fall, wie verhaͤlt ſich die Natur zu
| ßig geuͤbt werden / daß die Eine von der Andemt in
9
dieſem Zwecke ſeines Begehrens? Er wuͤnſcht
— gluͤcklich zu ſeyn und ſtets in angenehmen € Gefuͤh⸗
len zu ſchwelgen, allein ſie achtet dieſes Wunſches
| nicht; fie behandelt ihn wie jedes andere ihrer Ge⸗ J | ſchoͤpfe; fie ſchickt ihm bald Breuden bald Leiden
zu, gewaͤhrt ihm bald Ueberfluß, baid täßt fie
ihn fehmerzlichen Mangel empfinden und zerſtoͤrt
ihn endlich felbfty wie jedes andere ihrer Produkte.
— IX ——
So lange er lebt, find alfo zwar ihre Einwirkungen
— auf ihn ſehr verſchieden und mannigfaltig; allein |
wenn man das Ganze berechnet und den Angfchlag In: Betracht zieht; fo entfpricht Das Berhalten der
Natur gegen ihn feinen Wuͤnſchen eben fo wenig
als fie ihn als Selbſtzweck achtet. Er lebt mit feines Gleichen in Geſellſchaft; ſie wirken auf ihn
ein und er ſteht mit ihnen in Verhaͤltniſſen, ent: -- ſpricht nun dieſe Wechſelwirkung, in denen er ſich
mit ihnen. befindet, feinem Wunſche nach Gluͤck⸗
| jeligkeit beſſer als Das Berhältniß, ‚in dem er zur
Natur ſteht? Der Menſch hat in Anſehung ſeiner
J Gluͤckſeligkeit keinen aͤrgern Feind als den Men⸗
ſchen. Neid, Dh, Rachſucht I: Stiege N Ehr⸗
ſucht und Herrſchſucht verſchworen ſich gegen ihn
und er verliehrt am Genuſſe angenehmer Gefühle
eben ſo viel, als fein Verhaͤltniß zu Menſchen
mannigfaltiger iſt. Die Natur und die Menfchen - ſorgen alfo fehr wenig für feinen Wunſch nach,
Gluͤckſeligkeit und beide thun der Vefriedigung def-
ſelben Abbruch, 19 fie nur: können. Es kann
alſo in Anſehung ſeines Lebens mit ihm auf dieſer
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in Eide nicht auf Gluͤckſeligkeit angeſehen fon: ben:
"wäre dies der Fall, fo würde die Natur. ihn gütiger |
und wohlwollender behandeln und die Menſchen wuͤrden nicht ſo feindſelig gegen einander geſinnt ſeyn muſſen. | neberdieß muͤßten ſi ich. auch feine
Geefuͤhle nicht ſo oft veraͤndern x feine: Empfäng-
lichkeit für Genuß duͤrfte ſich nicht ſelbſt durch den Genuß abſtumpfen und die aͤußere Natur und die Menſchen muͤßten mehr in ſeiner Gewalt
ſtehen, um fi e ſtets als Mittel zur —— | feiner Sinnlichkeit gebrauchen zu koͤnnen. Al⸗
lein gleich feindſeligen Elementen flieht ‚alles | einander; wenn es auf die Ausführung Des Wun⸗ | fches, glücklich zufenn, ankommt. Es errogchen -- Feinde in und. außer dem Menſchen , welche ſelbſt den Schatten ſeines Gluͤcks zerſtdren und ſich ſelbſt
noch freuen, daß ſie wi vieles Unheit ange⸗
richtet haben.
Wenn es alſo mit dem Menſthen auf die
fie Erde nicht auf Gluͤckſeligkeit. angeſehen iſt,
was kann denn der vaned fon, m worum e er lebt?
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on om Rt u. 2 Das andere Objekt, das er begehrt, iſt die Sitt⸗ lichkeit. Er wuͤnſcht daß jedermann moraliſch
gut handle und daß jeden das Loos treffe, das
er verdient; allein wie laut fpricht die innere und die äußere Erfahrung jedes Menſchen gegen Die Befriedigung dieſtt Forderungen , welche bie Vernunſt var an die Menfchen ergeben: laßt, Denen aber die Freiheit des Menſchen eben ſo mitſpielt, wie bie Natur wenn es auf Glücks ſetigkeit ankommt. Da thut man ‘blos dag,
was Eyʒ⸗ und Ruhm verſpricht; da bricht man
ſein Berfprechen, ſo Bald man Gelegenheit dazu
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hat; da freuet man ſich recht herzlich, w.nn ea
dem Andern übel geht; da fücht man fich und Andere zu betruͤgen und zu hintergehen; da tet man nicht bie Rechte det Menſchheit;
wird der Menſch wie jede andere Sache nn
beit; da ſteht der Boͤſewicht in. Ehren; da wird der Rechtſchaffene verfolgt, kurz die Litanei, die man uͤber die geheime Tuͤcke der Menſchen, über ihre Unredlichkeit uͤber ihren Eigennutz, uͤber ihren Ehrgeitz und ihre Herrſchſucht anftellen kann,
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wuͤrde endlos ſeyn, wenn man alle die Ver—⸗ u ftöße aufzählen wollte ‚ die die Erfahrung ge gen, diefen Zweck auffteilt. Mas kann alſo denn der Zweck des Menſchen auf dieſer Erde ſeyn? Eine Abſicht muß ſein irrdiſches Da⸗ ſeyns doch haben: "denn ſchon als ein. organi⸗ J ſches und ein thieriſches, noch mehr aber als ein vernuͤnftiges Weſen weißt er auf einen Zweck Bin, , warum er auf biefer Erde” lebt. Da die Erfahtung lehrt, daß die Natur und die Men» | ſchen die beiden Objekte ſeines Begehrens als eitle- Traͤumereien behandeln und wie feindſelige Ge⸗ nii uͤber ihn in Bezug auf dieſelben herfallen, ſo bleibt nichts weiter uͤbrig als die Kultur feiner Anlagen; um fih zum wenigſten Geſchick- — lichkeit zum Streben nach der Realiſirung je⸗ „ner beiden Objekte Des. Begehrens zu erwerben. In wie ferne kann man nun behaupten, daß es mit dem Menſchen in dieſer Welt auf die Kul tur ſeiner Anlagen angeſehen ſey. Wenn der Menſch ſich ausbilden will, ſo hat er einen Stoff noͤthig, woran er feine Kröfte verſuchen
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Font. Huber dieſem aber ſind noch innere und aͤußere Antriebe erforderlich, damit er das an⸗ » gefangene. Werk nicht aufsebe. Die innern Antriebe find nun: 1) das natlrliche Beſtre⸗ Ben thaͤtig zu ſeyn, welches jeder Kraft. und jedem Vermdgen als folchen-eigen iſt, '2) der Trieb fich. zu ‚erhalten, 3). der Hang. nach Ehre und Anfehen,. 4) :bie Foderungen der prak⸗ tiſchen Gebote der Vernunft. Die äußern: ſind Sehr, Noth und Leiden aller Art. Alles biefes zwingt den Menſchen Haͤtig zu fepn; er wird" genoͤthigt, auf Mittel zu firmen, fich bald etwas ww: verſchaffen/ bald etwas von ſ ch ab⸗ zühalten. Dadurch wird er in ſteter Arbeit und Thaͤtigkrit erhalten; Geiſt und Körper: wer⸗ den ‚geübt and: vervollkommt und fein ganzes Daſeyn auf dieſer Erde iſt eine Erziehungs: epoche. Die Ausbildung und Vervollkoemmmung aller ſeiner Aylagen und ‚Kräfte ihren eigenen: Geſetzen gemaͤß zur Freiheit und Selbſtſtaͤndig⸗ keit iſt alſo der Zweck, warum der Menſch auf dieſer Erde lebt. So sieh der Menſch nun
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Anlagen bat; FAR Biete Arten von: Kultur giebt es auch. "Er kaun ſich zum Genuß, zum Den⸗
Ten und zum Handeln kultiviren: da aber end⸗
ch alle Kultur bioß auf die Beftiedigung Der Forderungen der praltiſthen Menmunft abzielen
ſoll, ſo iſt die modaliſche Kultur die hoͤchſte / und
im dieſe zwetkmaͤſtg beteriben zu komen, run
/ man denken lernen; Denk: zum moraliſch guten Handenm iſt die Kenmni, 23 Dei: Sittenger
ſeſes, 2) der CTytebfedern, welche all Mer
men in unſere Beenden. aufgawm
mien werden Dürfen; 3) ben aſcetiſchen Haͤlfs⸗ mittel. welche das Gathandeln erleichtern, ) der Hinderniſſe / wekhe man ir Irfiegen, 8) ber einzelnen Pflichten, die mamn zu thun Bat; und 6) dee Faͤule erforterlähr Wo Die NM: wendung derſelben vintritt. Est ago Pfücht, daß ver Menſch ſeldſt vraken lanne, damit er
den Förderungen: ded Sottengeſehes Genuͤge dei ſten und einſehen lernen Tann; welchen ame
er auf 1.dete | Welt t.· EEE
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u Das Sachen vach Geuͤbtheit im Denfen iſt aber nicht allein Pflicht, fondern es iſt auch in anderer Hinſicht nothwendig, feine Denkkraft
auszubilden amd fie nach eigener Einfiht zu
gebrauchen; "weil für den Menfihen ohue Dan fen nichts eriſtüt. Was für ihn Dafepn dar
hen Toll, muß er ſich vorſtellen und Worftelluns
-
den. ſind Produkte feiner Denklraft. Iſt dae |
Her dieſe ſelbſtthaͤtig, fo bekommt altes um ihn
her Eeben, Bedeutung und Geiſt und er iſt im eigentlichen Sinne der Bildner aller ihm
vorkommenden Gegenftände ſowohl Ihren Ger halte als ihrem Daſeyn nach. . Alles Hingegen iſt ſtumm und leblos, fo.dange er die Welt in
und außer ſich nicht kraͤtig anſpricht, ihten Ins halt ſich durch Vorſtellung aneignet und den⸗
felben belebt. Vieles Denken berbreiter vieles
Leben und Vorſtellungen find das achende J | Peincip | | E '
. Das Denken bepieht 66 ſowohl auf ſinn⸗ fie, als anf intelligibele Gegenſtaͤnde man kann daher sin ſinnliches und ein intelligideles Den
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Een annehmen, je nachdem Das Objekt, woruͤ⸗
ber nachgedacht wird, entweder in der. finnfi-
chen Anſchauung ober in der bloßen Bernunft- idee vorhanden if. Das finnliche Denken muß die Uebung im Denken Beginnen, weil Der Menſch vorhero einzelne Erſcheinungen leſen und J verſtehen gelernt haben muß, ehe er zum Er— | forfcheh ihres Zufammenbanges und ihres Grun⸗
des fortſchreiten kann. Er’ muß ſich vprhero 30 der Sinnenwelt einheimiſch gemacht haben,
ehe er mit Vortheil von der Intelligibelen Ber, ſitz nehmen und fie beherrſchen kann. - Berfähre er auf Die entgegengefegte Meife, fo thut er
ſeiner Natur Gewalt an und wird eine Beute des Unnatuͤrlichen und Gehaltleren. Bei allem
Denken: aber muß er fich erinnern, daß Er es
iſt, der die Gedanken bildet; Daß. es verderb⸗
Hi für” ihn iſt, dieſe bloß auswendig zu ler—
nen, ohne fie ſelbſtthaͤtig "bearbeitet zu haben - und daß es Bloß auf ihr ankommt, ob etwas ſeyn oder nicht ſeyn, ob etwas Ausdruck und "se haben, ker und- bedeutungslos ſeyn nr |
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Stets Materlatien zum Denken aufſuchen ung uͤber ſie mit Muth und Energie reflekliren, führt zum gehaltreichen Selbſtdenken und das Refteh
tiren iſt der. Schluͤſſel zu den Geheimmiſſen, die
die —* hier und da in. ihren Wirkungen offenbart, - Viele Geheimniſſe verdanken ihre Verldauer bloß der Traͤgheit der Menſchen; denn woͤren dieſe immer ſelbſtthaͤtig, ſo würden -fig | Diefelbe, gleich wie bie Sonne ben Nebel Dr Zu free | | u | Mit dem @eiöidenten ‚aber. * auch & | fahren verbunden: denn ber Menſch, der ſtets ſelbſt zu denken ſtrebt, ſetzt ſich weit mehrerey. Ierthuͤmern aus als derjenige, der ſich bloß paſſis verhält und nie feinen eigenen Weg geht. Ar
lein ein Irrthum, in den ſich jemand: durch Selbſtdeuken ſruͤzt/ -ifE mehe werth, als eine Menge auswendig gelernter Wahrheiten: deun jener befordert Doch bie Kultur unſers Geiſtes, da hingegen dieſe uns im einer ewigen Unmin⸗
bigteit ahalten und uns um alle oefch auf u
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den Erwerb von Menſchenwurde bringen. Giebt
es denn aber fein Mittel, vermitteiſt welches ſich der Selbſtdenker gegen Irrthuͤmer verwah⸗ ren kann? Zur Verwahrung gegen dieſelben
traͤgt tiefe und gruͤndliche Kenntniß der Dinge und
der' Umſtaͤnde bei. Wird nun dieſe mit Selbſt⸗
denken d. h. mit einem nuͤchtern und beſtimm⸗
ten Unterſuchen, mit einem unparteiiſchen Pruͤ⸗
| fen, mit einem umfaffenden ‚Ueberfchauen, mit
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Gewandheit des Blickes, mit eindringendem For- ſchen verbunden, fo iſt man nicht ſo leicht dem
Irrthume ausgeſetzt, als es bei dem bloßen leeren Selbſtdenken der Fall iſt. Immer aber wird der Menſch irten und nie wird er den Irrthum ganz vermeiden; hiervon traͤgt ſeine beſchraͤnkte Natur die Schuld. neberdies iſt der Irrthum | auch nüglich, wenn er im Gefolge der Kultur zum Denken erfcheint ;_ er fodert nicht wenig zum Unterſuchen und zur Worfichtigfeit auf: . denn wenn man weiß, daß man irren kann und daß man ſchon oͤſters geirret hat, fo: wird
man in ſeinen Urtheilen weder zu voreilig noch
— xix — zu abfprechend ſeyn. Und dies iſt Fein gerin⸗ ger Vortheil, wenn man es ſowohl redlich auf | Erfampfung von. Wahrheit als auf Erwerb von
| Selbſtthaͤtigkeit ſeiner Kräfte ‚angelegt hat. Bun .
Meine Abficht bei der Ausarbeitung "bie ſes Werks Hing dahin, "zu zeigen, wie man es anfangen müffe, wenn Man’ enttveder ſich ſelbſt oder Andere nicht. allein zum Selbſtden⸗
ten, ſondern auch zum richtigen und gehaltrei⸗
chen Denken zu, erziehen Euſt hat. Es war
alſo noͤthig, vorhero den Begriff des .Selbfe
denkens zu beſtimmen, ehe ich jur Auflöfung einge Aufgabe uͤbergehen kengte und den. Weg zu dieſer erdffnete ich mir durch einige voraus geſchickte Bemerkungen, welche als MWorberei füngen zum Denkenlernen anzuſehen find; bet: | nach zeigte ich, was man: benkachten und wie man beohachten muͤſſe, welche Gegenftände den Anfang im. Denfenfernen machen umd welche Ordnung welche Regeln, welche Maximen man | | Dabei ‚befolgen, kurz, wie man alle Gegen— | J
**2
,
A — Xu Ds
nie hingeworfen habe, bloß zur am d-
Denkkraft hingeſtellt. o ‚In einem Zeitalter, welches das Beta tee der. Partsien iſt, und wo man.nur zu oft
den Werth, sites. Baches bloß nach dem Gra⸗ de der Anhaͤnglichkeit an Grundſaͤtze und Ideen,
Die. deſſen Verfaſſer an dieſe oder jene philoſo⸗
hhiſche Schufe-nerräth, beſtimmt, muß ſich ein
Schriftſteller auch gegen: Dinge verwahren, Die d
zu beruͤhren er zu einer andern Zeit, wo bloß
der intellektuelle Gehalt eines Werkes anf wen Yusfpruch des Kritikers Einfluß bat, nicht ndr thig hatte, Mein Buch; die Kunfl, Bir cher zu lefen, wurde in. einigen gelehrten Zei⸗ tungen gelobt und in andern getadelt, je nach J dem der Kritiker ſich zu dieſer oder jener phi⸗ loſophiſchen Schule bekannte. In der einem Kritik hieß es: der Verfaſſer iſt ein Kantianer, in der Andern, er iſt kein Fichteaner und nun wurde das Endurtheil gefällt. Dieſe Methode
zu kritiſiren iſt eben fo liebreich als für die Wif fenfihaftert erfprießlich, Ich liebe Wahrheit
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ich frebe mit allen meinen Kräften nad) Si Erreichung) „ich nehme Die Materialien dazu auf, wo. ich. fie entdecke, ich achte jeden Denker, aus welcher Schule er auch ſeyn mag, allein ich kenne keine andere Ueberzeugungsgründe als
ſolche, welche von der Einſicht in die Sache hergenommen find und welche den Berftand ih formeller und’ ‚materieller Hinſicht befriedigen.
Was dieſe Forderungen erfüllt, dem huldige ich als Wahrheit: Auch weiß ich; Daß es Der. für ale
auf eine und dieſelbe Art ausgemachten Wahr⸗ |
heiten fehe wenige, die Meinungen Hingegen, die der Eine annimmt, er Andere verwirft, ſehr
viele giebt und daß jeder Deuker ſeinen Zweck | erreicht, wenn er pur fo viel als in feinen Kraͤf⸗ ten ſteht, ſelbſt denkt, redlich nachforfeht, das bei aufrichtig verfährt, Gegenſtaͤnde des Wiſ⸗ feus von jenen ‚des Glaubens und Meinens un« terſcheidet und fich bei allem feinem Nachdenken auf die menfchliche Natur flüge. Nach ähnli- chen Marimen wuͤnſche ich auch dieſe Arbeit beur⸗ theilt zu ſehen nnd jede gründliche Kritik über
»
‘
— XIV —
Bieffbe wird mir ehen ſo ſehr willkommen feon, Ä weil. ich daraus etwas Kernen kann, als ich je⸗
des grundloſe und gehäffige Geſchwaͤtz verach— ‚sen: werde, Irren iſt menſchlich, nach Wahr⸗ heit ſtreben iſt auch menſchlich / allein abſprechend
amd hoͤhnend verurtheilen ft unmenſchlich, und
nichts iſt laͤcherlicher als der Thor, der alle ſeine
auswendig gelernten Gemeinſpruͤche für objek⸗ | tive Wahrheit: ausgiebt und dieſelben Andern | aufdringt: niemand hingegen verdient als Kri⸗ riker mehr Hochachtung als derjenige, der zwei⸗ |
- Feind urtheilt und urtheilend zweifelt. ELeipzig, den 4ten ; Denbe 1801.
*
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Ein. Bu Bu I 6. 3 11. Was verſteht man unter einer un ju benken? 14 TI. Vorbereitung zum Denkenlernreen. 22 IV. Was muß.man. thun, „trenn man denken lernen will? ne. 2 V. Welche Kegeln und Marimen muß man beim Den⸗ £en beobachten, um gehaltreich und richtig denben zu lernen? 49 VI. Mit welchen Gegenfänden maß mar fein Denken⸗ lernen beginnen und in welcher Ordnung muß man dabei verfahren, um biefen Zweck zu er⸗ reichen? m VIE: Wie muß man bie äußere Natur behandeln, um durch den Umgang. und die Befchäftigung mit _ derſelben denken zu lenen? : _ 84 "vn. Was niuß man an ſich und wie muß man ſich
beobachten, um ſelbſt denken und d zuglach ſich . ſelbſt kennen iu lernen? | 95
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5 auswendig gelernten Gemeinſpruͤche für objek⸗
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five Wahrheit: ausgiebt und dieſelben Andern aufdringt; niemand hingegen verdient Als’ Kri⸗ tiker mehr Hochachtung als derjenige, der dei tim urtheilt und urtheilend zweifelt.
Leipzig, den 4ten Daente som.
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i. Was verſtekt man unter einge Su in benfen?.. „Id
I. Vorbereitung zum Denkenlernen. u IV. Was muß.man thun, wenn man denlen kenn. wii? ae,
V. Welche Regeln und Marximen muß man beim Den⸗
en beobachten, um gehaltreich unb richtig denken zu fernen?
lernen beginnen und in welcher Ordnung muß
= man babei verfahren, um biefen awed zu er⸗
reichen?
VII: Wie muß man die äußere Ratur behanbeln, um
durtch den Umgang und die Beſchaͤftigung mit derfelben benfen zu lernen?
VIII. Was muß‘ man an fich und wie muß man Ach
beobachten, um felbft denfen und zugleich ſeh ſich F ſelbſt kennen zu lernen?
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VI. Mit welchen Gegenſtaͤnden mi. man fein Denken. u
72 84
95
—— .o.
Pe Eur —
XVI.“ ‚Ueber: einige Hinderniſſe m; der. Erleruung des
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— XXVI —
IX. Was wuß man an andere SERIE beobachten
und wie muß man ſie beobachten, um ſich Men⸗
ſchenkenntniß zu erwerben und zugleich ſelbſt den⸗ ken zu kenn? 0°, ©. 126
Anhang.— . 156 X. Ueber das Zweifeln als ein —R zum Selbſtdenken. 153 ._
"XL. Das Bücherlefen alg eine Denkuͤbung betrachtet... 170
XII. Welches find bie gedanfen» und geiftreichften Schriftſtelles unter dem neuen kutivirten Na⸗
tionend 200 A. Unter ben Teutſchen ſind zu bemerken‘ 201
B. Unter ben Srangofem----- 214
C. Unter ben Engländerns . 218 D. Unter den Stalienerns 222 .' E. Unter den Holländern: 223
° °F. Unter ben Spaniern: EN 28
Yırır. Wie lernt man durch bie Verfetligung von ſchrift --i 22 lichen Ausarbeitungen / ſilbſt denken >.
xiV: neher einige ‚andere Huͤlfsmittel sum Denken...
ST lernen. 2] 237
XV Wie muß die Exsiehung befchaffen ſeyn, wenn 7 an die. Denklraft an Schhehätigkeit gewöhnen will? 251
Selbſtdenkens und über, bie Mittel, fe hinweg
u räumen. - 258 KV. Sernere Marimen, die man bei ber Erziehung - -
‚zum: Selbftdenfen und beim Forſchen nach Wahre
heit beobachten muß. | 270
RVM. ‚Wie floͤßt man ſich Intereſſe am Nachdenken
‚ein und mie unterhaͤlt man daſſelbe in ſich? 278
XIX. Welche Fehler muß man Hi der Erlernung d des Selbſtdenkens vermeiden? .. . 287
©, aan U
—
xx. Sr das Denken Grenzen und wi viel giebt 8 Methoden zu denken? 2er & 296
Sau. Welche Vermoͤgen und Kraͤfte menſchlichen
Geiſtes unterſtuͤtzen und erleichtern das Denken? 302
.XXII. Wie lernt man ſyſtematiſch denken und welchen Rutzen hat dieſe Dentart? | 398 XxXII. ueher die ürſachen der Jerthumer i im Denken
J und uͤber die Mittel, dieſe zu vermeiden. XXIV. Durch welche Mittel bann man in ſich die Ge⸗ nieigtheit, immer mit feinem Zeitalter in der Auf⸗ klaͤrung fortzugehen, eiwecken und unterhalten? 323 XXV. Ueber die Geſetze des menſchlichen Denkens und -
> Erfennene. | * 333 - XXVI. Ueber den Unterfchieb ziwiſchen den hiſtorifchen
uns philoſophiſchen Woenſchaftau ab Über,
315
das Wahre in beiden. : 335
xxviI. Wie muß man verfahren dhb- —* Regeln und Maximen Nuß man beobachte, Wonnzman
in den pilsföphifehen, Wiſſenichagten richtig ur⸗ = ! a RR net AT 352
A. Kritik der reinen Vernunft.41 358
Be Kritik der araktiſchen —— 42.712363 C. Kritik der PRreqeitgtraft,. wire Ton 364
* D Logik: : | —— Sul 366 E. Theorie des teen ‚A '369 F. Metaphufil. a et E A 370
Ch. MRathematit. rt mb \ iD a
1. 3 —E
H. Keine Naturlehre.
in Ve er Ay, © EL Ar ꝓeoeö an 34 ur; 3
3. Praͤgmatifchẽ Anthtoptgke en Fa Bu K. Empirifche Pſychologie oder. ottmeht te j
logie des menfchlichen Geiſtes. “375 L. Moral. 2.376 M. Naturreligioon. 379
N. Rechtsleheeee. 331
8
—
m KKVII We ;
0. Privatrecht. GSG. 334 P. Deffentliches Sch 3323 a. Staatsrecht. 22387 "b. Voiterrcht.. 233 c. Weltbuͤrgerrech. 395
vun. Wie muß man verfahren und welche Marimen und Regeln muß man befolgen, wenn man in ben Zu biſtoriſchen Wiffenfchaften richtig uipeen will? 396
‘A Poſitive Neligionstehre: 397
B. Poſttive Rechtslehre. J re 03 IE Heilkunde. 495
| J D. een Geſchichte. 8 1. Kulturgeſchichte des Menſchen. 408
2. Geſchichte der meuſchlichen Meinungen. 413 z. 3. Geſchichte der Staaten als eines. Produktes ee er: 2000000415 ne “ Exfchichte ver enorganihen und orgatis _
: ahen Natůt 417
2 5 Befchreibung Ser Natur und des enſchen. 418
er F. Philologiſche he 419 EKIK. Wie muß. men’ verfahren und welche Regeln. 4>:. und Marimen muß.yart beobachten, wenn man.
car in den ſchoͤnen Künften richtig urtheilen mi? 424
A Redende chone Kuͤnſte.4227 er B. Bildende ſchoͤne Kuͤnſte. 434. ug C. Die Künfte des ſchoͤnen Spiels. her: Emmi | * dungen. DV——— 435
FRE Aber ben BER 07 RE . a 439 seht Be une - u | 445
N. ' eo ber 2 “‘ - ... “ie .‘s,. v . .
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Pour ne‘ rien donner à Popinion‘, il ne faut rien donner
a, autoritéẽ; la plüpart de nos erreurs nous viennent · bien moins de nous que des autres. Ainſi pour bien ẽtudier, il
* faut etudier de ſoi meme, ufer de: fa raifon. et non de gelle
d’autrui, De cet exercice continuel il doit refulter une vigueur * @efprit, femiblable à celle quion donne au, corpl par le tradail
‚et par la fatigue. Un autre avantage elt, qu’on ı’avance qui& proportion de fa force. ‚Pefprit non plus que le corps, no porte ‚que ce qu’il peut porter. Quand Pentendement s’appro-
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‚ brie les chofes avant: de les’ depofer daus la memoire ce quiil‘
entire enfuite eft A lui; au lieu qu'en furchargeantt la memoire ” . = . . ®.. °. " [} 7 . „a fon infgu, On s’expofe A n’en jamais rien tirer, qui lui foit
. / propre. ⸗ | ı_ * ı R J N \ 0 J; J- Rouffeaw, — IXXXCEVCXRRCCC | . ‘ ” ; 1} J \ " I fi x r N “ / t 1 * ‘ J t [4 rt ı » ' Pd ‘ ’ . / ‘ % ’ 4
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I. Capitel. Einleieung enfen ift das Element, worin der Menfch am ‚beften gedeiht. Ohne Gedanken ift alles todt um ihn her und vermitteiſt derſolben beſeelt er die Erde und den Himmel. Sie ſind die Geiſterſprache, wozu ihm der Vater der Welten das Vermoͤgen mit in dieſes irdiſche Labyrinth gab, um ihn an feine hohe Abkunft und an feine hehre Beſtiinmung zu erinnern. Sie ſind das Medium , durch welches er Geiſter fi iehte ‚und der Schluͤſſel, der die Pforten zu dem Reiche dr Geheimniſſe aufſchließt. Durch ſie lernt er die Men⸗ ſchen und 'ihre Gemüchsbefchaffenheit kennen, die Natur und ihre Wirkungsarten verſtehen. . 1
Gedanken aber ſind nicht allein das Mittel, ung alles, was ift, verftändlich zu machen, fondern fie find auch der Schöpfer, der Leben und Dafeyn in der.
Welt verbreite. Alle Handlungen des Menſchen find ein Produkt feiner Gedanken; dieſe find der Lebens⸗ quell'von allem, was ihm fein Daſeyn zu verdanken bat. Der Menſch traͤgt alſo die Welt in ſeinen Vor⸗ | ftellungen und, fie hat nur infofern für ihn Bedeutung ® und Werth, als er fie Durch den Geift, der inibm Ieber und Br, befeels und Beiligt.
U
4
log - u Wer viel denke, der lebt viel; denn was: ift und darf das menfchliche Leben anders feyn, als eine rege und bildende ‚Yusftrömung von Ideen/ durch werche “der Menſch alles 5 feſt haft und deutet, 1 was in der . Welt ele für i ihn da ift, it, da er nur Worftellingen von „Dingen bat ı und die diefe nicht feld völlig ergreifen kann, . und da er ein Wefen iſt, das vermittelſt Gedanken im Thun nach Heiligkeit ſtreben ſoll? Er iſt kein Ge⸗ ſchoͤpf, deſſen Leben und Denken ein Reſultat bes Mechanismus iſt. Er lebt nur inſoferne als er ſich ei und ſelbſtthaͤtig beitimmt, denn die Art, wie er die Welt anfchauer ımd wie er "Veränderungen außer ſich hervorbringt, ift. eine Folge der Wirkſamkeit ſei⸗ nes Geiftes. Diefer aber hauſet in dem Reiche der Freiheit und kann weder durch Stoß, noch durch ir⸗ gend eine fremde Nacht in ſeelenvolle Thaͤtigkeit verſetzt werden, ſondern muß ſich durch Freiheit und Selbſtthaͤtigkeit aus den Materialien , bie ihm durch die Sinne vorgehalten werden, herausarbeiten und
das Chaos derſelben durch Kraft und Anftrengung
‚ ordnen und beleben.
Allein Gebanfen find nicht bloß der Dollmet- —
ſcher und der Schoͤpfer der Dinge fuͤr den Menſchen,
ſondern fie find auch fein Troͤſter und fein Arzt.
Durch Vorftellungen erhebt er fih über das Unge⸗
. mad), das ihm, gleich der Schwerkraft der Materie,
zu Boden zu druͤcken droht und durch Ideen ſtillt ew
‚die blurigen Schmerzen, die feinen Körper quälen . „und feinen Geiſt betaͤuben.
Hat der Menſch feine Vorſtellungen in feiner * (und dies kann er, wenn er ſtandhaft will)
— — 5 X
fo triumphirt er uͤber alle Leiden, die nur in zu reichen
Maaße unter das Geſchlecht der Sterblichen ausge⸗
theilet find und die fo gefraͤßig an ihrem Leben zehren.
Sein Körper ift bloß ein Inſtrument, das der Geift durch” Borftellungen regieren fol. Nichts kann ihm etwas anhaben, wenn er fich durch Gedanken zur Wehre ſtellt; und die giftigen Pfeile des Neides, ber
+
Derläumdung und des Schickſals prellen, ohne ihn |
zu verlegen, von ihm ab, wenn er ſich muthig vor⸗
nimmt, ſich durch Ideen zu electrifiren und ſich Durch .
ihre Gewalt, die alle. phyſi ide Macht zu Boden
ſchlaͤgt, zu ſtaͤrken.
Vorſtellungen ſind nun zwar oͤfters ein in Leiden ſchmerzlindernder Balſam, allein ſie ſind doch auch nicht ſelten die Peiniger, die den Menſchen quaͤlen und die
ihn anklagen und verdammen, wenn er Schuld auf
ſich geladen hat: ſie verfolgen ihn unaufhoͤrlich und laſſen ihm weder Ruhe noch Raſt, ſo bald er den
Frieden feines Geiſtes durch Laſter oder Verbrechen
geftört hat. Sind aber diefe niche fein - Werk und Fann er fie nicht unterlaffen ? Sind nicht die Vorſtei⸗ lungen und die Entſchluͤſſe ſeines Geiſtes die Urheber derſelben? Und da es alſo in ſeiner Gewalt ſteht, ob ſie ſeyn oder nicht ſeyn ſollen, ſo gleicht er einem
muthwilligen unbeſonnenen Spieler, ber fein ganzes
Schickſal auf eine einzige Charte feßt und dery wenn -
er al’ fein Gut und. alles, was Ehre und Wuͤrde "giebt, verfpiele hat, über Ungere chtigteiten und keis ben fchreiet.
—.
Wer ſeine Borftellungen in feiner Gewalt hat und nichts thut, außer was den Forderungen der
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Vernunft gemaͤß iſt, bleibt ſtets ruhigen Herjene und behaͤlt feſten Muth, wenn auch eine Menge Unge⸗
mach auf ihn einſtuͤrzen ſollte. Seine Gedanken nach
Willkuͤhr beherrſchen und dieſelben wie Ausgebemirnze anſehen zu koͤnnen, ift der ˖ Charakter eines Menfchen;
bee fein. Leben durch Selbſtthaͤtigkeit zu feinem voͤlli⸗
gen Eigenthume, tiber das er nach Belieben ſchalten
kann, gemacht dat: ter hingegen ein Spielball aller Eindruͤcke iſt, die von allen. Seiten auf ihn losſtroͤ⸗ men und die durch ſeine Sinne ſeinen Geiſt beſtuͤrmen und, wer ſich durch dieſe Fremdlinge beherrſchen laͤßt, if noch fern von dem Ziele, das ihm feine Vernunft
2
vorgeſteckt hat. .
Der Menfch ft ſchwach, ſo fange er noch niche geiftig lebt und durch Gedanken herrſcht, denn’ Herr über. alles, was da ift und gefchieht, wird. er bloß durch Geiſtesthaͤtigket. Wann das Denfen der Mienfchen erſt mehr auf den Zweck ber Vernunft wird " gerichtet feyn, dann wird ihr Leben‘, das jeßt nur zu bft.noch in bloßer Vegetation vergeudet wird, weit ehrwuͤrdiger und thatenreicher werden. Die Gedan⸗ ken werden der Begeiſterung Nahrung geben, die durch. moralifche Ideen unterhalten, Die - Mutter
großer und edler That iſt.
Vorurtheile ſind zwar auch Gedanken, allein fie - find. Yusgeburten der Trägheit, von der der Menfch ſich noch nicht los gearbeitet har. Sie werden ein- geimpft, aber nicht ſelbſtthaͤtig erkaͤmpft. Sie iind Erbgüter unſeret Vaͤter, die ſich auf uns forterben, weil wir die Mühe ſcheuen, ſie auczurotten, aber
Lt
nicht Reichthumer, ‚bie wir durch frene Tharigkeit er⸗ worben haben. Als Kinder der Paſſivitaͤt laſſen fie
ſchalten, was gewaltig und furchtbar iſt, weil ſie ſtets fir ihre Exiſtenz beſorgt find. Sie koͤnnen ausges
tilgt werden, fo bald der Menſch feiner natürlichen
Trägheit entfagt und die Begenftände nad) Ideen und Begriffen, und diefe nicht nach jenen modelt; ſobald er ſich als Kuͤnſtler und nicht als Handarbeiter im Reiche der Geiſter zeigt, und nichts, ohne es vorher durchdacht und beurtheilt zu haben, anninimt.
Sir Ideen find Vorurtheile, die oͤfters in unſerm Gemüthe wiederholt worden find, und bie ſich an ein, Intereſſe angeknuͤpft haben, deſſen Daſeyn der
Selbſtſucht ſchmeichelt. Sie ſind eine Krankheit, die
von dem unterlaſſenen freien Gebrauche des Verſtan⸗ des herrühre: denn dieſer Mangel an Selbſtbeſtim⸗
mung erzeüge Erfchlaffung und Kraftloſigkeit und iſt die Wurzel aller Uebek, die das Denkvermoͤgen an⸗
greifen und verzehren. Eine kuͤhne und heitere Aus⸗ ſicht in die freie Natur und das thaͤtige Menſchenleben belebt und ſtaͤrkt oftmals wieder dasjenige, was ben
Weg des Todsenfchlummers einfchlagen wollte... Den - Geiſt durd) Naturbetrachtungen erquicken, heißt ihn in ewiger Jugend erhalten, und ihn auf das Thun
und Treiben der Menſchen aufmerkſam machen, heißt
ihn zu Thaten ſtimmen. Durch Reſflectiren die u
Natur und die Menſchen zu ergruͤnden ſtreben und ſie durch Selbſtdenken zum Sprechen noͤthigen,
iſt für Sterbliche die Fuͤlle des tebens und bes
Genuſſes.
alles in und außer dem Menſchen nach Willkuͤhr
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40
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’ \ . ı . V u. Pr ie. ‘
Religidſer Weglauben iſt am tiefſten im Men⸗
ſchen gewurzelt, weil er Gefühlen und Ideen fein Das,
ſeyn verdankt, die in der menfchlichen Natur einhei- miſch find. | Ein Bedürfnig der Vernunft und bäs . Gefühl: unferer: Ohnmacht und Abhängigkeit geben. Veranlaſſung dazu und er iſt ſchwer auszurotten, weil er uͤberdies noch dem Cigennuße und der Traͤgheit zugleich ſchmeichelt und einen Bettelſtolz erzeugt, der alle Selbftfenntniß verhindert und der auf dem Wahne
beruht, als fey jemand fehon im Beſitze besjenigen,
‚worndch Andere init bieler Anftrengung erfi noch Eins gen mäen Ä EEE
Irrthuͤmer, Aberglaube, ſchwaͤrmeriſche und nu moftlfche oeen find auch Vorftellungen: der Menfh
iſt alfo auch Schöpfer derfelben und belebt eine Welt
damit um ſich her, die mit derjenigen, wo die Vers.
nunft und die Freyheit bes Geiftes auf dem Throne fißt, wenig Aehnlichkeit hatz wie kann er es nun das hin bringen, daß diefe Phantome verfchwinden?
Sein ftetes Streben muß dahin gerichter ſeyn, alles mit der dackel der Vernunft zu beleuchten und nichts,
“als was mit erfannten Verftandess und Vernunftge⸗
ſetzen übereinftimme , für wahr und gut zu balten. |
Was muß alfo der Menfch ehun, damik er ein
ſtetes Seben lebe, das der Natur in ibm gemäß ift und damit alles, was da ft und gefchieht, für ein ‚Merk feiner Freyheit angeſehen werden kann? Wie
muß er es anfangen, daß er alles felbftchärig ( beherr⸗
ſche, und daß er fein Sklav der Dinge ſey und ſich
dadurch erniedrige, fondeen daß diefe ihm dienen und
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„m 9 — er alſo ſeine Wuͤrde behaupte? Welchen Weg muß er einſchlagen, daß alles um ihn her Thaͤtigkeit athme und wit. kann er es dahin bringen, daß er niemals, mag er altern ober krank feyn, die Luſt am freien _ Selbſtdenken verliere? Kann man der entehrenden Furcht vor dem Irrthume oder vor.dem Zorne des Himmels oder dor dem, Mißfallen der Menſchen und: _ Dem trägen Eigennuße vorbeugen ober diefelben ausrots ten, fo hat man fchon viel für die Muͤndigkeit des Men⸗ ſchen gewonnen, welche im ſelbſteignen und freien Gebrauche aller Kraͤfte nach den von der Natur in ſie gelegten Geſetzen beſteht. Dieſe Furcht iſt ein großes Hinderniß einer ſteten Geiſtesjugend; fie bes ſchraͤnkt den Geift des Menſchen und feine Thätigfeie ‚und verhindert ihn an Verfuchen, wovon feine Größe und feine Würde abhaͤngt. Mie muß fich der Menſch "in Anſehung desjenigen, was für ihn Pflicht iſt, weder auf den Himmel noch auf die Menſchen zu ver⸗ laſſen Willens ſeyn, ſondern er muß alles, was er iſt und was er ſeyn ſoll, von ſich fordern; et muß ſich allein als die Macht anſehen, die ihn feiner Beſtimmung gemaͤß erziehen kann und fol. u
' " Diefes Buch foll den Berfud zu. einer Anwei⸗ ſung liefern, wie man ſich ſelbſt und Andere zum, Selbſtdenken erziehen kann, welche Mittel und Wege man einſchlagen muß, um die Denkkraft ſelbſtthaͤtig und ſich ſtets nach eignen Geſetzen beſtimmend zu machen, und welche Regeln, Grundſaͤtze und Marie men man befolgen muß, wenn man richtig und ge⸗
altreich uͤber einzelne Gegenſtaͤnde und uͤber ganze —* denken und urtheilen will. Die meiſten
L 7 21
.
‘ I}
Streitigkeiten und Zänfereyen in. der Galehrtenwelt
J
ruͤhren davon her, daß man einander nicht verſteht
und daß der Ting einen Gegenitand aui aus ganz andern
3 Befichtepumeten betrachtet und nad) ganz andern
Grundfägen b beurtheilt « als der Abe Es würde
daher viel gewonnen fepn, wenn man die Keminig
ber Gelege und Principien, nach denen alles, was da
ft, geſchieht oder gefhan wird wird, allgemeiner verbrei⸗
tete. und wenn man eine größere Empfänglichkeit für die Gedanken, ‘Begriffe und Ideen Anderer in ben Menfchen erwedte , als fie bisher nur zu oft zum großen Nachtheil der Wahrheit gezeigt haben.
denken, dann legt er nicht ſowohl Werth auf die ein⸗ zuſammelnden Materialien, als vielmehr auf die Art,
wie.er ſich dieſelben erwirbt. Er will nicht dem Gei⸗
zigen gleichen, der zwecklos zuſammenſcharrt, ſondern ihm iſt es darum zu.thun, daß er die Kraͤfte ſeines Geiſtes uͤbe und daß er nichts annehme und fuͤr wahr halte, als was er durch eigne Thaͤtigkeit ſich erwirbe
und was ihm nach feiner durch Nachdenken und
Gründe unterftüßten Ueberzeugung einleuchtend iſt. ‚Und hat auch der Selbſtdenker noch nicht viele Stoffe
eingeſammelt, ſo kann er doch uͤber dasjenige, was
er beſitzt, als Gebieter ſchalten, und es koſtet ihm ‚bey den vielen in der Welt ſich ihm darbietenden Er⸗ ſcheinungen wenig Muͤhe, Reichthuͤmer anzuhaͤufen, die er als Mittel zur Ausfuͤhrung von allerlei Zwecken brauchen, und wodurch er allen Forderungen, die an
‚ihn als Menſchen gemacht werben, Gnuͤge leiften kann. Er iſt weder für noch gegen eine neue Meinung ein«
Erzieht ſich der —* abſichtlich zum Selbſt⸗
— 11 —
genommen, ſo lange er ſie noch nicht anterſucht und
geprüft hat; nur alsdann, wann er durch Selbſiden⸗
ken geleitet, fie nach den Naturgeſetzen des menſch⸗ lichen Geiſtes beurtheilt und ſich eine tiefe Einfiche-in’ "die Sache, die es betrift, ermörben hat, entfcheideg
er und erklaͤrt ſich nach Gruͤnden für oder gegen Die" felbe. Er verachtet Feine Kunft und Feine. Willen
ſchaft, fondern er fchäße fie alle nad. der Mähe oder Berne des Verhältniffes, in welchem fie zu den Zwek⸗ en der Menſchheit ſtehen. So verhaͤlt ſich der
Selbſtdenker, und ſich dieſe Empfaͤnglichkeit und
Selbſtthaͤtigkeit des Geiſtes und die ſich daraus er⸗ gebende Anſicht der Dinge zu erwerben, iſt die Pflicht
‘jedes Menfhen, der weder. den De bürfniffen feines.
Kopfes und Herzens norh den Forderungen der Wahr⸗ |
“ -Heit, der Moral und des Rechtes eiwas vergeben will, :
II. Capitel. | — Was verſteht man unter einer Kunſt ‚m. benten?
Huch Hebung kann ſich der Menfch in Allem Fertige
Leit und Gewandtheit erwerben, und durch häufig wies Derholte Berfuche kann er fich an Alles gewöhnen: denn * Durch den öftern-Öebrauch,, den wir von einem Ver⸗
mögen oder einer Kraft des Beiftesmachen, erhalten dies felben Empfänglichfeit für Wirkſamkeit und erlangen Fertigkeit; Stärfe,ugd eine ununterbrochene Thaͤtig⸗ Leit wird dann dem Geifte eben fo nothwendig, als
dem Menfchen bie. Luft zum Leben unentbehrlich iſt.
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Grundfä aͤtzen beurtheilt < als der — * Es würde
daher viel [ gervonnen ſeyn, wenn man die Kenninig der Gelege und Principien, nach denen alles, was Da ft, geſchieht oder gerhan wird, allgemeiner v verbrei⸗ tete und wenn man eine größere Empfaͤnglichkeit für die Gedanken, Begriffe und Ideen Anderer in dem Menfchen erweckte, als fie bisher nur zu oft zum grohen Nachtheil der Wahrheit gegeigt haben.
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Erzieht ſich der Menſch ab chtlich zum Selbſt⸗ J denken, dann legt er nicht ſowohl Werth auf die ein⸗ zuſammelnden Materialien, als vielmehr auf die Art, wie er ſich dieſelben erwirbt. Er will nicht dem Gei⸗ zigen gleichen, der zwecklos zuſammenſcharrt, ſondern ihm iſt es darum zu.thun, Daß er die Kraͤfte ſeines Geiftes übe und Daß er nichts annehme und für wahr Halte, als was er durch eigne Thaͤtigkeit fich erwirbe und was ihm nach ‚feiner Durch Machdenfen und _ ° Gründe unterftüßten Ueberzeugung einleuchtend iſt. Und hat auch der Selbſtdenker noch nicht viele Stoffe eingeſammelt , ſo kann er doch über dasjenige, mas. er befißt, als Gebieter falten ‚ und es fofter ihm ‚bey den vielen in der Wele fich ihm darbietenden Er⸗ ‚fheinungen wenig Mühe, Reichthuͤmer anzuhäufen, Die er als Mittel zur Ausführung von allerkei Zwecken - Brauchen, : und wodurch er allen Forderungen, die an
kn als Menfchen gemacht werben, Önüge leiften fann.
Er ift weder für noch gegen eine neue Meinung ei eine ⸗
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genommen, ſo lange er fie noch niche unferfuche und
geprüft hat; nur alsdann, wann er durch Selbſtden⸗ „Ten geleitet, fie nach ben Naturgeſetzen des menſche lichen Geiſtes beurtheilt und ſich eine tiefe Einſicht in die Sache, die es betrift, erworben bat, entſcheidet
er und erfläre fich nach Gründen für oder gegen Die felbe. Er verachtet feine Kunft und Feine Wiffene
ſchaft, fondern er fchäßt fie alle nad). der Mähe oder Berne des Verhaͤltniſſes, in welchem fie zu ben Zwek⸗ Pen: der’ Menfchheit fiehen. Sp verhält fidy ber ‚Selbftvenfer, und fi) dieſe Empfaͤnglichkeit und und Selbſtthaͤtigkeit des Geiſtes und die ſich daraus er⸗ gebende Anſicht der Dinge zu erwerben, iſt die Pflicht — er weber dan Fbürfni en feines Kopfes und Herzens noch den Forderungen der Wahr⸗
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heit, ber Moral und des Rechtes efwas vergeben will, :
—UII. Capitel.
Was verſteht man unter einer Kunſt zu. benten?
Durch Uebung kann ſich der Menſch in Allem Fertig, keit und Gewandtheit erwerben, und durch haͤufig wie⸗ derholte Verſuche kann er ſich an Alles gewoͤhnen: denn
durch den oͤftern Gebrauch, den wir von einem Ver⸗
mögen ober einer Kraft des eiftesmachen, erhalten dies
felben Empfänglichfeit für Wirkſamkeit und erlangen
Fertigkeit; Stärfe,ugd eine ununterbrochene Thätig- keit wird dann dem Geifte eben fo nothwendig, "als
dem Menfchen bie. Luft zum Seben unentbehrlich iſt.
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Wer Pr über ade Ereignife, die ihm vortommen, nachzudenken und wer den Grund der Erſcheinungen, die er auf ihrer Flucht erhaſcht, zu erforſchen gewoͤhnt hat, wird dieſe Beſchaͤftigung, welche ſeinen Geiſt
ernaͤhrt und die Wirkſamkeit beifelben erhoͤht, mit
eben ſo vieler Luſt als großem Vortheile betreiben. "Die Gewoͤhnung macht. ung alles sur Matur und fie kann ſowohl die phnfifche, als die geiftige Natur des Menſchen umftaften, wenn man fid) nur-Feine Mühe
verdrügen läßt, einen Verſuch, wenn er auch. noch fü viele Anftrengung koſten ſollte, oͤfterer zu wiederholen.
Der Menſch kann daher ſich durch aufge uebüng
— 9 zur Seien
"erheben , der ein ungel tes Auge‘ — 5* macht. "
— —— | Das Denken ift das Leben der geiftigen Narr und
. | das Salz, das diefelbe gegen den Todtenfchlaf ſchuͤtzt, "der eben fo fehr entehrend als nachtheilig iſt, weil es
ſtets in unſerer Gewalt ſteht, ihn zu verſcheuchen und
weil'Ungeibtheit der Dentkraft uns zur. Erfüllung \
vieler Lebenspflichten untauglich macht. Was heißt nun denken? Wenn man Vorſtellungen mit einander verbindet. oder diefelben von einander trennet, fo "bringt man Sinn und Verftändlichfeit in bie Gegen- ſtaͤnde, welche Eindruck auf unſere Sinnlichkeit ge⸗ "macht haben, und‘ verrichtet alfo das Geſchaͤft des.
Denkens, und wenn man den Grund von efwas, das
ift oder gefchieht, auffucht, fo erlangt man eine Eins
fiche in etwas. Dieſe Einficht wird durd Nachdens -
"fen erworben‘, und das Nachdenken befteht im Bes
| „feden, das Daſeyn der Dinge und die Art und den .
Grund ihrer Wirkfamte verfiehen fernen, Dens
x — — — u —
\
Pr ⸗
Denken und Vorftellungen verbinden oder von einan» - "Der fcheiden ift Einerlep.
Bey allem Denken aber muß man hauptſaͤchlich auf zweierlei aufmerfjam feyn: 1) bat man darauf zu fehen, ob fich etwas, wenn man daffelbe mit etwas "
anderm verbindet, nicht etwa widerſpreche, z. B. warmer Schnee, ein lebendiger Todter, eine ruhende Bewegung, u. ſ. w. 2) ob die Vorſtellung, die man von einem Gegenſtande hat, dieſem entſpricht und alſo in Uebereinſtimmung mit demſelben ſteht, | 3. B. man’ fennet einen Menfchen, der durch feine Urtheile und Raͤſonnements viele Einfichten und viele - Kenntniffe verraͤth, und ben man ung gleichwohl als einen gedankenloſen und unmwiffenden Menſchen ſchil⸗ dert ‚, ‚oder es iſt jemand geſtotrben und ich behaupte, - fein Tod habe feine Urfache. Diefe Art des Den * tens, wo man bloß auf den Widerftreit oder auf die Uebereinſtimmung Ruͤckſicht nimmt, in welcher das⸗ jenige, woruͤber gedacht wird, das Subject, mit demjenigen was durch Denken herausgebracht wird, dem Praͤdicat, ſteht, heißt das formelle Denken und der Grundſatz, nach welchem man die Wahrheit feiner Gedanken zu prüfen hat, iſt negativ, der Satz des Widerſpruchs, und poſitiv, der Satz ber Einſtimmung: jener kann folgendermaaßen ausge⸗ druckt werden: was ſich nicht durch— Vorſtel⸗ lungen mit einander verbinden laͤßt, iſt un wahr und dieſer, mas mit einander durch Denken verbunden werden kann iſt wahr. Dieſe formelle Wahrheit der Gegenſtaͤnde iſt leicht | oo.
' | 7 13 7 J ken Heißt alſo: das fi ch Vorgeftellte berſtaͤndlich mache.
N
x.
v . — 14 — 5
auf zufinden, allein dieſe geichtigkeit if auch agleich
. ein Beweis, daß man noch nicht viel mit dieſer Are,
von Geiſtesbeſchaͤftigung im Reiche der Wahrheit ge⸗ wormen hat, denn was und wie viel weiß man von einen Gegenſtande, wenn man bloß einſieht ,daß bie, Vorſtellungen, w womit man ihn ſich denkt, ihn nicht ſelbſt vernichten und wie wenig belohnend und ermun⸗ ternd wuͤrde alle Anſtrengung des Geiſtes ſeyn, wenn
der Menſch bloß dieſe Art von Einſicht und Kenntniß durch Nachdenken erwerben Fönnte? Ä ’
. _ Da wir alfo von einem Gegenftande ‚ den wie auf diefe Art kennen, nur noch eine ſehr geringe und
oberflächliche Kenntniß haben, fo müffen wir im Den⸗ fen weiter gehen, damit wir eine vollftandige Eins
R -fiche in fein Daſeyn, in -den Grund und die Urfache | feines Wirkens und in den Einfluß, den er auf irgend etwas äußert, erhalten. Wir müffen diefe Spiegels
fechteregen mie bloßen leeren Begriffsverbindungen verlaſſen, und den Gegenſtand beobachten, uͤber das
Beobachtete reflectiren, und durch eine Verbindung
alles desjenigen, was wir durch Beobachtung und
Nachdenken aufgefaßt Haben, zur Einheit ein Refut-
tag siehen und alsdenn erfilich find wir im Stande
einzufehen „ 05 dasjenige, was wir denfen, in dem Gegenftande gegründet ift oder nicht. . Wenn wir una
ehun und worauf haben wir zu fehen? Wenn wir.
eine geoße Mannichfaltigkeit in den Gewaͤchſen, viele
en . Yerfuchen wollen, ob die Vorſtellung, die wir ung - EB von einem, englifchen Garten gemacht haben, mit demfelben, wenn wir, dergleichen etwa zu Ge= - fichte befommen, tibeteinftimme,. was müffen wir
’
' N‘ a
' Zu r ur Abwechſelung in dem Kuͤhnen und Pittoresken der Aus⸗
ſichten, das. Verſchlungene in den Wegen, das Freie
und Ungehinderte in dem Wachsthume der Buͤſche und Baͤume u. l. w., gewahr werden, jo find wir überzeugt ‚ daß unfer Begriff von dem Gegenftande,
den wir uns gedacht haben, richtig ift und dag wir.
unfern Fond von Wahrheit vermehrt haben.
Es giebt alfo nicht bloß eine formelle, fondern
auch eine materielle Wahrheit, welche in der voll⸗
fommenen und richtigen. Kenntniß der Dinge ihrem
Gehalte nach beſteht. Diefe. Art von Wahrheit
Tann nur durch Beobachtung und Nachfuchen gewonnen.
werben, und ihre Erwerbung ift eben fo fchmwierig als belohnend. Wir fammeln uns Merfmale von den
Dingen ein, wir geben auf das Verſchiedene und auf -
das Uebereinſtimmende in den Gegenftänden Acht,
und wir faflen alles, was an denfelben nur irgend be⸗ .
merfbar ift, in. unfere Borftellung von ihnen’ auf; und nunmehro fönnen wir uns mit Recht ruͤhmen,
daß wir Wahrheit erobert ı und Einſicht in etwag en! |
langt haben.
s \ , Denken ift auch fo viel als ureheilen, denn was -
ehun wir beym Urrheilen anders, als wir fügen ein
Prädikat zu einem Gubjecte hinzu oder wir verweis . gern ihm daffelbe, z. B. der Menſch ift ein Amphi⸗
bion, er lebt zugleich in der finnlichen und überfinnz lichen Welt, oder das Wiedererfennen der Menfchen
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in jener Welt iſt nicht wahrſcheinlich. Das Vermoͤ⸗—
gen das urtheilt, iſt der Verſtand im weitern Sinne oder die Urtheilskraft. Beide Vermoͤgen ſind Aeuße⸗
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0 gungen der Denkkraft. Wir, urtheilen aber nicht allein, ſondern wir ſchließen auch, indem wir aus einem Urtheile Folgerungen ziehen, die nicht unmite
.- „$elbar in bemfelben enthalten find, z. E. ber Zweck
der Menfchen in diefer Welt iſt Kültur alſo muß auch die Abficht, warum ich lebe, auf Erreichung die: ſes Zweites geben. Das Vermögen des Schließens _ iſt:die Vernunft, und dieſe iſt eine hoͤhere Thaͤtigkeit der Denkkraft, als der Verſtand. Der Verſtand
buchſtabirt die Erfcheinungen, di , die Vernunft lieft und_ verſteht diefelben. Jener verbindet das einzeln rohe Mannichfaltige zur Einheit, kann aber das Ganze nicht uͤberſehen, welches ein Geſchaͤft der Vernunft | iſt. Außer dem Urtheilen und Schließen giebt eg zwar noch mehrere Operationen der Denffraft, die aber doch weiter nichts find, als ein Urtheilen. Wir - reflectiren z. B. über einen Gegenfland, wenn wir Merkmale mit ihm verbinden, bie ihm zukommen, und wieder andere von ihm frennen, die ihm niche zutommen. Wir abſtrahiren von etwas, wenn wir in Gedanken alles davon entfernen, was jczt nicht zur Sache, ‚die wir bearbeiten oder überdenken, Nnoͤthig if. Alles diefes nun iſt weiter nichts als ein Denken, das nur in Ruͤckſicht feines Verfahrens eine vecrſchiedene Benennung erhaͤlt. Die Denkkraft iſt aalſo die Anlage; ‚, deren, Ausbildung wir hier zur Abs ſicht haben. Sie ift das Objekt, auf das gewirkt“ werden ſoll, und ihre Vollkommenheit iſt das Ziel, nach dem wir ſtreben. Ihre Vermoͤgen ſind der Ver⸗ ſtand und die Vernunft, welche beide nad) verſchied⸗ nen Öefeßen wirken und verſchiedene Produfte diefeen. "Der Verſtand bilder Begriffe, die Vernunft‘ |
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Yoeen, beider Thaͤtigkeiten zuſammen aber ſind zu gruͤndlicher Einſicht in Etwas mentbehriich.
u Wenn man aber denfen will, muß man Stoff zum Denken haben: denn der Verſtand ift leer und kann nichts aus fich ſelbſt bervorbringen, fondern er erhaͤlt die Materialien, woruͤber er nachdenkt, durch die Sinnlichkeit. Die Sinne ſind die Werkzeuge, wodurch ihm Stoff zur zue Arbeit jugeführse wird. und fie find die Zauberer, bie ihn von ben Fefleln der Un⸗ thaͤtigkeit und des Schlummers befreien, worin er gefangen liege.
" Kinder haben zwar Verftand als Anlage, aber fie koͤnnen noch wenig oder gar nicht denken, weil ihr Berftand noch faft gar nicht erwacht iſt. Der Juͤng⸗ ling kann jwar denfen, aber es fehle feinem Denfen an Gehalt, Mannichfaltigfeit, Bedeutung und- Gruͤndlichkeit. Seine Vernunft ift noch nicht gehös tig ausgebildet und er bar noch nicht Stoff genug eins, geſammelt. Er hat ſich alſo noch nicht genug Fertig⸗ keit int gehaltreichen Denken erkaͤmpft, und er iſt noch nicht dahin gelangt, daß er fi ch willkuͤhrlich jede beliebige Seite des Öegenftandes, den er. bearbeite, herauswaͤhlen und mit Einficht und Gruͤndlichkeit dar · über fprechen ober ſchreiben koͤnnte.
Die Sir Sinne muſſen vorhero geuͤbt worden ſenn.
ehe der Verſtand große Fortſchritte ni Denken machen
lann. Durch ihren oͤftern Gebrauch wird ihre
Empfaͤnglichkeit für äußere und innere Eindrücke
erhöhet, wodurch eine Menge Gegenftänbe herbeyge⸗
führt. und in dem Gedaͤchtniſſe angefammelt em, zung au denfen. - B
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und aus bieſem Vorrathshauſe kann ſie der Verſtand nach Willkuͤhr hervorlangen, ſobald er ſich ſelbſt durch” Hebung Stärke errungen, hat. Man muß vorbero - vieles angeſchauet haben, ehe man vieles denfen kann, und man muß vorhero vieles gefühlt und empfunden haben, ehe man daffelbe mit Einficht zu beurtheilen im Stande iſt. Die Sinnlichkeit muß geuͤbt und vers vollkommnet worden fen, ehe man die Selbftehätigs keit: der Denffraft erhöhen kann. Szene giebt diefer Nahrung und diefe leiht jener Reiz und Energie: beide unterflüßen einander in ihren Arbeiten und beide fragen zu ihrer wechfelfeitigen Ausbildung bei,.. Wo kein Verftand thaͤtig ift, da find bie Anfhauungen blind und wo bie Sinnlichfeit einen Stoff herbei⸗
fhaft, d da ift-der Verſtand Teer. Die Sinne | find Vie reichen Quellen, woraus fid) unfer Geift ernähre und erquict und woraus.er Materialien Halt ‚ denen. er durch feine wunderbare Bildungskraft Gſſtalt und
Bedeutung giebt. I
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Wenn nun die Sinnlichkeit Stoff geliefert und der Verſtand das Mannichfaltige und Zerſtreuete, das derſelbe enthält, zur Einheit verbunden und Das Dunfle beleuchtet hat, alsdann wird eine Er kennt⸗ niß von etwas bewirkt, welche durch die Zuſammen⸗ wirkung dieſer beiden Anlagen, entſteht. Wo fein Gegenſtand vorhanden iſt, deſſen Inhalt durch die Sinne, moͤgen dies die aͤußern Sinne oder der In⸗ nere ſeyn, der Denkkraft zugefuͤhrt wird, da findet auch kein Erkenntniß ſtatt. Alle Erkenntniß bezieht ſich auf ein Objekt, das entweder im Raume oder in ‚ber Zeit darſtellbar iſt, und af fi 2 als ein Körper
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oder als eine Weränderung a anfeben laͤßt: was Gin: gegen biefen beiden Formen. unferer Sinne widers
ſpricht, ift fein Gegenftand des Erfennens, fondern Tann höchftens bloß gedacht, aber nicht erfanne wer⸗ den. "Man fieht hieraus, daß fid) das Gebiet bes. Denkens weiter erſtreckt als das: Gebiet, des Erken⸗ nens. Jenes umfaßt den Himmel und die Erde, die⸗ fes ift bloß auf die Wele in und außer unferm Ge⸗ müthe, fo weit Anſchauungen moͤglich ſind, einge⸗ ſchraͤnt
Was wird nun unter einer Kunſt zu denken ver⸗
ſtanden? Das Denken wird bei der Beſtimmung
des Begriffes einer Kunſt zu denken im allerweiteſten Sinne genommen; es begreift alles, was durch die Selbſtthaͤtigkeit der Denkkraft ausfuͤhrbar ift- und unter einer Kunft verfteht man die Fertigfeit, etwas, was. man fih vorgefege bat, zu bewirken, Eine Kunft zu denken ift alfo die Geſchicklichkeit, ‚von ſei⸗
—— ner Denkkraft ſtets einen ſelbſtthaͤtigen und freien Ge⸗
brauch nach eigener Einſicht zu machen. Sie iſt die Geubtheit im Selbſtdenken, wo man ſich bei feinem Nachdenken über einen Gegenftand nicht auf fremde Unterſtuͤtzung verläßt, ſondern ſich nach eigenem Wiſ⸗ ſen und Gewiſſen zum Urtheilen beſtimmt; wo man nicht die Gedanken Anderer mechaniſch wiederholt,
ſondern wo man ſeinen Verſtand bloß allein zu Rathe |
ziehe, wenn man fich auch der Gefahr zu irren aus⸗
fegen follse; wo man nichts. auf Treu und Glauben.
annimmt, fondern nur das für wahr halt, was durch
die -Fenerprobe des Selbftprüfens gegangen ft. Die
Kunft zu benfen, wenn man fie in dieſem Sinne | B 2
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| nimmt, , tft der Ungehbrheit der Dentkraft enegegen⸗ geſetzt, wo man ſich bloß Feidend verhaͤlt und wo man alle Eindruͤcke, welche die Gegenſtaͤnde auf uns
. ohne burch Freiheit auf dieſelben zuruͤck zu wirken und denſelhen durch Selbſtthaͤtigkeit allerlei Geſtalten zu ertheilen. Wer die Erſcheinungen in und außer ſich kraͤftig aufgreift, ſie nach eigener Einſicht bearbeitet und durch Reflexion beherrſcht , ſie mit andern. ge⸗ ſchickt zu vergleichen weiß, ihre Urfachen mit Ges wandtheit zu ergründen und ihre Wirfungen vollſtaͤn⸗ ‚ dig zuſammen zü faffen ſtrebt, der verſteht die Kunft zu denken. Sich hingegen raftlos den Eindruͤcken
machen, glei) einem Spiegel, in fi ‚aufnimmt, .
hingeben, diefelben auf fich wie. auf einem muſikali⸗
f hen Inſtrumente herumfpielen laffen und in thieris- fher Paſſivitaͤt ſchwelgen, ir das Grab a affes Selbſt⸗ denkens. | \
Der Menſch ſoll aber nicht allein denken, ſon⸗ dem auch richtig denken lernen: er muß ſich daher
eine Kenithig von den Regeln und Grundſaͤtzen ver⸗
fchaffen, welche bei einem Urtheile über einen Gegens fand erfoderifch und demſelben eigenthuͤmlich ſind. Nach andern Grundſaͤtzen beurtheilt man das Mora⸗ liſche, nach Andern das Rechtliche und nach Andern das Zweckmaͤßige. Die Kunſt zu denken begreift da⸗ ber nicht bloß die Fertigkeit im Selbſtdenken, ſondern
aAauch die Geſchicklichkeit, das Wahre und Treffende
in den Gegenſtaͤnden heraus zu finden, und der Zweck
dieſes Buches geht zugleich mit dahin, Mittel anzu⸗ geben, wie man ſich und Andre nicht allein zum freien und ſelbſt eigenen Denken erziehen, ſondern wie man
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such richtig denken lernen kann. Muͤndigkeit des
Verſtandes und Wahrheit follen die Fruͤchte ſeyn, die ä
wir durch Denkübungen einerndten wollen. &s fols Ien nicht bloß Begriffe zerfpalten und biefelben lebens
‚und geiftlos wieder zufammen verbunden werben,
fondern wir wollen auch durch das Denfen das Leben⸗ dige, Wahre, Gehaltreiche und Kraͤftige in der Nas tur erobern. Wir wollen durch diefe Kunſt die eigen» thuͤmlichſten Beduͤrfniſſe unfers Geiftes. ‚befriedigen und dies kann nur dadurch geſchehen, daß wir jeder - Anlage und jeder Kraft: in uns den ihr angemeflenen
Stoff reichen, fie dadurch zur Freiheit ausbilden und-
die Leere ausfüllen, die fie fpurt, fo bald fie zum Le⸗ ben erwacht und ſelbſtthaͤtig worden iſt: denn die Vernunft idealiſirt die Produkte jeder Kraft in uns und ſetzt daher die Erfuͤllung der derſelben eigenen Be⸗ friedigung in eine unendliche Ferne, und fodert den Menfchen zu einem unaufhoͤrlichen Streben und Rins gen wach demjenigen auf, was fie ihm im Ideale vors halt. Wahrheit und Selbfithätigkeit des Geiſtes find alfo das Ziel, wornach wir ftreben follen, wenn
wir unfere Beftimmung nicht verfehlen und ung mie _ den vernunftlofen Thieren auf gleichem Fuß feßen wols In. Wir follen ftets außer ung Herauswirken und gleich bem Prometheus lebendige Geftalten bilden, Es it eine Aufgabe unfers.Lebens, die ganze Matur als unfer Produft zu behandeln und dieſen Zweck er⸗ reichen wir bloß durch Selbſtdenken, wo wir nicht darauf fehen, wer vor uns gedacht hat), oder was vor und gedacht. worden ift, fondern. ob Die Gedan⸗ fen, bie wir als Produkte unferer Seibſtthaͤtigkeit deraus bringen, den Gegenſtand, den wir uns zum
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einem Urtheile Folgerungen ziehen, die nicht unmit⸗
telbar in demfelben enthalten find, z. €. der Zweck der Menfchen in diefer Welt ift Kultur, alſo muß ‚auch die Abficht, warum ich lebe, auf Erreichung die- fes Zwedes geben. Das Vermögen bes Schließens _ . äft.bie Vernunft ‚ und diefe ift eine höhere Thaͤtigkeit ‚der Denffraft, als der Verſtand. Der Verſtand buchſtabirt die Erſcheinungen, die Vernunft lieſt und verſieht diefelben. Jener verbindet das einzeln rohe Mannichfaltige zur Einheit, kann aber das Ganze nicht uͤberſehen, welches ein Geſchaͤft der Vernunft if. Außer dem — und Schließen giebt es zwar noch mehrere Operationen der Denkkraft, die ober doch) weiter nichts find, als ein Urtheilen. Wir - reflectiren z. B. über vinen Gegenftand, wenn wir Merkmale mit ihm verbinden, die ihm zufommen, und wieder andere von ihm rennen, bie ihm nicht zutommen. Wir abſtrahiren, von etwas, wenn “wir in Gedanken alles davon entfernen, was jehzt nicht zur Sache, die wir bearbeiten oder überdenfen,
noͤthig iſt. Alles diefes nun iſt weiter nichts als ein
Denken, das nur in Rüdfiche feines Berfahrens eine verfchiedene Benennung erhält. Die Denkkraft iſt alſo die Anlage, deren. Ausbildung wir hier zur Abs ſicht haben. Sie ift das Objekt ‚ auf das gewirfe* werden toll, und ihre Vollkommenheit ift das Ziel, nachdem wir fireben. Ihre Vermögen find der Ver⸗ ſtand und die Vernunft, welche beide nad) verfchieds _
nen Öefeßen wirken und verfchiedene Produkte liefern.
"Der Verſtand bilder Begriffe, bie Vernunft \
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zum. Denken haben: denn der Verſtand ift leer und
kann nichts aus fich felbft hervorbringen, fondern er erhält die Materialien, worüber er nachdenkt, burch Die Sinnlichkeit. Die Sinne find die Werkjeuge, wodurch ihm Stoff zur zur Arbeit jugeführt wird. und fie find die Zauberer, bie ihn von ben Fefleln ber Uns thätigfeie und des Schlummers. befreien , worin er
\ ® "Kinder haben zwar Verſtand als Anlage, aber fie koͤnnen noch wenig oder gar nicht denken, weil ihe Verſtand noch faft gar nicht erwacht iſt. Der Juͤng⸗ ling fann zwar benfen, aber es fehle feinem Denken an Gehalt, Mannichfaltigfeit, Bedeutung und
Gruͤndlichkeit. Seine Vernunft ift noch nicht gebis
tig ausgebildet und er bat noch nicht Stoff genug eins gefommelt. Er Bat fich alfo noch nicht genug Fertige = keit int gehaftreichen Denfen erfämpft, und er ift noch nicht dahin gelangt, daß er ſich willkuͤhrlich jede beliebige Seite des Gegenſtandes, den er bearbeite,
herauswaͤhlen und mit Einſicht und Gruͤndlichkeit dar ·
über ſprechen oder ſchreiben koͤnnte.
Die Sir Sinne me möıffen vorhero geuͤbt worden fen, _
ehe der Berftand große Fortſchritte im Denken maden kann. Durch ihren dftern Gebrauch wird ihre . Empfänglichkeit für äußere und innere Eindrücke erhoͤhet, wodurch eine Menge Gegenftände herbeyge⸗ führt und in dem Gedaͤchtniſſe angefammels werden,
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und aus bieſem Vorrathshaufe kann n fie e der Verſtand nach Willkuͤhr hervorlangen, ſobald er ſich ſelbſt durch Uebung Staͤrke errungen, hat. Man muß vorhero vieles angeſchauet haben, ehe man vieles denken kann, und man muß vorhero vieles gefuͤhlt und empfunden haben, ehe man daſſelbe mit Einſi cht zu beurtheilen im Stande iſt. Die Sinnlichkeit muß geuͤbt und vers vollkommnet worden feyn, ehe man bie Selbſtthaͤtig⸗ keit der Denffraft erhöhen kann. Jene giebt dieſer Nahrung und dieſe leiht jener Reiz und Energie: beide unterſtuͤtzen einander in ihren Arbeiten und beide tragen zu ihrer wechſelſeitigen Ausbildung bei. Wo kein Verſtand chärig iſt, da find die Anfhauungen blind und wo bie Sinnlichkeit feinen Stoff herbei⸗ | haft, | da iſt der Verſtand Teer. Die Sinne find "pie reichen Quellen, woraus ſich "unfer Geift ernährt und erquickt und woraus er Materialien hoft, benen er durch feine wunderbare Bildungskraft Oſſat und Bedeutung giebt.
Wenn nun die Sinnlichkeit Stoff geliefert und der Verftand das Mannichfaltige und Zerſtreuete, das derſelbe enthaͤlt, zur Einheit verbunden und das Dunkle beleuchtet hat, alsdann wird eine Erkennt⸗ niß von etwas bewirkt, welche durch die Zuſammen⸗ wirkung dieſer beiden Anlagen entſteht. Wo kein Gegenſtand vorhanden iſt, deſſen Inhalt durch die Sinne, moͤgen dies die aͤußern Sinne oder der In⸗ nere ſeyn, der Denkkraft zugefuͤhrt wird, da findet auch kein Erkenntniß ſtatt. Alle Erkenntniß bezieht ſich auf ein Objekt, das entweder im Raume oder in der Zeit darſtellbar iſt, und alſo ſich als ein Körper
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ober als eine e Veränderung anfehen laͤßt: “mas Gin:
gegen dieſen ‚beiden Formen. unferer Sinne widers ſpricht, ift fein Gegenftand des Erfennens, fondern kann höchftens bloß gedacht, aber nicht erfannt mer⸗ ben. “Man fieht hieraus, daß ſich das Gebiet des. Denkens weiter erſtreckt als das Gebier, des Erfen« nens. Jenes umfaßt den Himmel und die Erde, Dies - ſes iſt bloß auf die Welt in und außer unferm Ge⸗ muͤthe, f6 weit Anſchauungen moͤglich ſind ‚ einges ſchtaͤnet.
Was wird nun unter einer Kunſt zu denken ver⸗ ſtanden? Das Denken wird bei der Beſtimmung
bes Begriffes einer Kunft zu denken im allerweiteften Sinne genommen; es begreift alles, was durch die - Selbfithätigfeit der Denkkraft ausführbar iſt und unter einer Kunſt verſteht man die Fertigkeit, etwas, was man ſich vorgeſetzt hat, zu bewirken. Eine Kunſt zu denken iſt alſo die Geſchicklichkeit, von ſei⸗ —ner Denkkraft ſtets einen ſelbſtthaͤtigen und freien Ge⸗ brauch nach eigener Einſicht zu machen. Sie iſt die Geubtheit im Selbſtdenken, wo man ſich bei ſeinem Nachdenken uͤber einen Gegenſtand nicht auf fremde Unterſtuͤtzung verläßt, ſondern fich nach eigenem Wiſ⸗ fen und Gewiſſen zum Urrheilen befiimmt; wo man nicht die Gedanken Anderer mechanifch wiederholt,
fondern wo man feinen Verſtand bloß alfein zu Rathe |
ziehe, wenn man fich auch der Gefahr zu irren auge fegen ſollte; wo man nichts. auf Treu und Glauben annimmt, fondern nur das für wahr hält, was durch die-Fenerprobe des Selbftprüfens gegangen iſt. Die Kunft zu denfen, wenn man fie in diefem Sinne
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nimmt, iſt der Ungeübtheit der Dentkraft entgegen⸗
geſetzt, me man ſich bloß feidend verhaͤlt ‚ und wo . man alle Eindruͤcke, welche die Gegenftände auf uns - machen, gleich einem Spiegel ‚in fih ‚aufnimmt, . . ohne durch Freitzeit auf dieſelben zuruͤck zu wirken und denſelhen durch Selbſtthaͤtigkeit allerlei Geſtalten zu ertheilen. Wer die Erſcheinungen in und außer ſich kraͤftig aufgreift, ſie nach eigener Einſicht bearbeitet und durch Reflexion beherrſcht, ſie mit andern ge⸗ ſchickt zu vergleichen weiß, ihre Urſachen mit Ge⸗ wandtheit zu ergruͤnden und ihre Wirkungen vollſtaͤn⸗ dig zuſammen zü faſſen ſtrebt, der verſteht die Kunſt zu denken. Sich hingegen kraftlos den Eindruͤcken hingeben, dieſelben auf ſich wie auf einem muſikali⸗ ſchen Inſtrumente herumſpielen laſſen und in thieri⸗ ſcher Pafftoieär ſchwelgen , iſ das Grab alles Selbſt⸗ dentens. | \
Der Menſch ſoll aber nicht allein denken, ſon⸗ deen auch richtig denken lernen: er muß ſich daher eine Kerinig von den Regeln und Grundfaͤtzen vers ſchaffen, welche bei einem Urtheile über einen Gegen⸗ fland erfoderlſch und demfelben eigenthümfich find. - Mach andern Grundfäßen beurtheilt man das Mora⸗ liſche, nach Andern das Rechtliche und nach Andern das Zweckmaͤßige. Die Kunſt zu denken begreift da⸗ her nicht bloß die Fertigkeit im Selbſtdenken, ſondern aAuch die Geſchicklichkeit, das Wahre und Treffende
in den Gegenſtaͤnden heraus zu finden, und der Zweck
dieſes Buches geht zugleich mit dahin, Mittel anzus geben, wie man ſich und Andre nicht allein zum freien und ſelbſt eigenen Denken erziehen, ſondern wie man
auch richtig denken lernen kann. Mündigfeie des Verſtandes und Wahrheit follen die Früchte feyn, die ' wir durch Denfübungen einerndten wollen. Es fo len niche bloß Begriffe zerfpalten und dieſelben lebens ‚und geiftlog wieder zufammen verbunden werben, fondern wir wollen auch durch das Denfen das Leben⸗ dige, Wahre, Gehaltreiche und. Kraͤftige in der Na⸗ fur erobern. Wir wollen durch dieſe Kunſt die eigen thuͤmlichſten Bebürfniffe unfers Geiftes. befriedigen und dies kann nur dadurch geſchehen, daß wir jeder - Anlage‘ und jeder Kraft: in uns den ihr angemeſſenen Stoff.reichen, fie dadurch zur Freiheit ausbilden und- die Leere ausfüllen, Die fie fpürt, fo bald fie zum Le⸗ ben erwacht und ſelbſtthaͤtig worden iſt: denn die Vernunft idealiſirt die Produkte jeder Kraft in uns und ſetzt daher die Erfuͤllung der derſelben eigenen Be⸗ friedigung in eine unendliche Ferne, und fodert den Menſchen zu einem unaufhoͤrlichen Streben und Rin⸗ gen nach demjenigen auf, was ſie ihm im Ideale vor⸗ haͤlt. Wohrheit und Selbſtthaͤtigkeit des Geiſtes ſind alſo das Ziel, wornach wir ſtreben ſollen, wenn wir unſere Beſtimmung nicht verfehlen und uns mit den vernunftloſen Thieren auf gleichem Fuß ſetzen wol⸗ ln. Wir ſollen ſtets außer ung Serauswirken und gleich dem Prometheus lebendige Geftalten bilden. Es ift eine Aufgabe unfers. Lebens, die ganze Mötur als unfer Produkte zu behandein-und Diefen Zweck er⸗ reichen wir bloß durch Selbſtdenken, wo wir nicht darauf ſehen, wer vor uns gedacht hat, oder was vor und gedacht worden ift, fondern ob die Gebans ten, die wir als Produkte. unferer Selbſtthaͤtigkeit heransbringen, ven Gegenfland, ben wir uns zum
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oe. Machdenten gewaͤhlt haben , ertlaren, ‚06 fie mie un⸗ - ferm innigften Seyn zuſammenſtimmen und ob fie die Foderungen der Natur ſowohl in als außer ung be⸗ friedigen. Was von Menſchen gethan wird muß ein Schritt naͤher zur Erreichung des Zweckes ihres Daſeyns ſeyn, und was Menſchen bearbeiten, muß den Charakter der Fleiheit und der Wuͤrde an ſich
tragen. Mechaniſches Denken iſt vor der Vernunft
ein Greuel, wie Unmoralitäten vor dem Gewiſſen
und Fein Menfchenleben hat Werch, als Dasjenige, welches durch Kämpfe mit den Seinden in und außer
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nferm kur Semi erprobe und o Durhgefühet 1 worden "
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I. Eapitel.
Vorbereitung zum Denktenlernen.
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So natuͤrlich und wohlbehaglich auch dem Menſchen die der Materie feines Weſens eigene Traͤgheit ſeyn
. mag, fo lange noch nicht der Geiſt über den Körper die Oberhand gewonnen, und dieſem etwas von ſei⸗
ner S$ebendigfeit und, Agilität mitgeteilt hat, fo kommt es doch bloß auf einen feften und murhigen Entſchluß an, den Körper dem Geifte dienſtbar zu machen und jenen bloß als das Organ zu brauchen, bermöge welches diefer auf Das, was außer uns ifl, einwirkt. Unfer Wille kann, wenn er fich mie Ents
ſchloſſenheit und Beharrlichkeit paart und. feine Mühe
ſcheuet, wenn auch nicht Berge verfegen, doch ber
Welt eine ganz andere Geſtalt geben, als diejenige _
—
if, welche fie ohne unſere Selbſtthaͤtigkele hat. Die Dinge exiſtiren für uns nur durch das Denken, je⸗ mehr jemand daher denke, deſto gehaltreicher und- iebendiger if für ihn die Welt
Wer denken lernen will, nuß PP feſ entſchlieſ⸗ ſen, keine Anſtrengung und keine Muͤhe zu ſcheuen, fo laͤſtig und peinlich. dieſelbe anfänglich für ihn auch fegn mag. . Mutbige Beharrlichkeit bezwinge alle Schwierigkeiten und der Schlummer, ber 'unfere Kräfte gefeflele haͤtt, wird Durch anhaltende Uebung unſrer Anlagen verſcheucht. - Allein der Much, der ausbauern fol, verlangt: Aufmunterung und Staͤr⸗ fung, welche ihm allein von der Ausficht auf Fünftige Vortheile gewährt werden koͤnnen. ‚Die Hoffnung ‚irgend eines Gewinnes, ber der Preis der Anſtren⸗ gung ift, entflammt in ung die Begierde, keine Be⸗ ſchwerlichkeit und Feine _ Gefahr zu feheuen, die ung‘ auf denn Wege zu dem gewuͤnſchten Ziele aufſtoßen ſollte. Welches iſt nun der Gewinn, den uns das Selbſtdenken verſpricht? Wir lernen durch daſſelbe uns und Andere kennen, wir erlangen Einſichten in. die Geheimniffe der Natur, wir werden für die Welt brauchbar, wir. Eönnen uns gegen eigene Verftandess verirrungen und gegen bie Weberliftungen anderer Menſchen fehüßen und die Zwecke, warum wir leben, werben uns durch ‚die Bekanntſchaft mit denfelben, . und’ durch die Kenntniß der zweckmaͤßigſten Mittel, durch: welche man bazu gelangen Bann, leichter erreich⸗ bar. Der Menfch ift zum recht und gut handeln ges . Schaffen: das Bewußtſeyn diefes Zieles, die Achtung,
die uns. das Mingen darnach gegen die menfihliche
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aller Erſcheinungen im Menſchen, aber eine Todſuͤnde
"gegen ben Geiſt, der unter ihrem eifernen Scepter
‚ „alle Energie verliert. .- Nehmen wir hingegen bloß
das in unfere geiftige Vorrathskammer auf, was wir ſelbſt dutchdacht haben, fo find wir im Stande, ſtets nach Belieben dasjenige hervorzulangen, was wir zu
ohne Selbftdenfen in uns aufgebäuft, . machen uns
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| dem Reichen ähnlich, der nur fammelt, um zu fam=
. mel, ohne jemals an einen zweckmaͤßigen Gebrauch des Zufammengefiharrten zu denken. Alles, was
wir haben und was wir erwerben, muß als Mittel
"zur Erreichung von phyſiſchem, intellefeuellen oder
moraliſchen Sweden angefehen werben: benn ift “etwas. zu benfelben untauglich, fo hat es feinen
Werth für und.
> ober Menfeh har Gelegenheit zum Beobach⸗ ten, es gehen eine Menge Dinge in und außer ihm vor’, es ereignen ſich Umſtaͤnde, und es geſchehen
Handlungen um ihn her, die feine Aufmerkſamkeit
reizen und die er nie unerflärt vor fich vorbei gehen
laßfen muß. Seine Sinne müffen ftets offen und fir
‚alle Eindruͤcke empfaͤnglich, und feine Denkkraft muß fies ehätig feyn, um alle Erfcheinungen, die in ſel⸗
nem. sebensfreife ſichtbar werben, zu erhafchen und
zu durchdenfen, um Aufſchluß über ihren Grund und Aber ihren Zweck zu erhalten. Durch Yufmerkfants keit erobert er eine Welt und durch Selbſtdenken bes
hauptet ex feine Eroberung. Und in fich ſelbſt zuruͤck
. gezogen, wird er in feinem Buſen eine, neue Welt ges . . wahr werben, woein unerfchöpflicher Quell von Er⸗
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Anm ⸗ B We
ſcheinungen hervorbricht. Her we ke ef eig
zuerſt an die Auffanıng des E=iimes gem em, alsdann zu dem Zulammenzmufzz freier 208 endlich alles in Wallen aufuckmes ın® tıraz Is flerion das Ganze zu einer Einseit rertzter, Te als trägt und hält und allem leben xad Bederzenz ze
Fuͤr ihn ifi die Welt da, er In: beten, a ul
‚ die ewig fruchtbare Muster dr Erin ber
achten, um durch ihren Reichthum — zıb ır2ic gehaltreich denfen zu lernen.
Wer fi felbft kennt und wer tie grIrraen Schlupfwintel feines Herzens erferiht bet, Ira am dere Menſchen leicht kennen. Eie denken var ctrei⸗ ben ihr Spiel wie er, fie werten von Leiten Hafcen gefoltert und von Gefühlen beherrſcht wie ee. “jede
Menſch ftellt in ſch das ganze Menſchengeichlecht ver.
Daher führe allein Selbfifenntnig jur Semmen:5 Ims derer, bloß durch fich erhält jeder Aurihlug uber Das Thun und Treiben, das Sinnen und Trachten Ande⸗ zer. Wer füch beobachter, flelit auch zugleich Beeb⸗ achtungen über Andere an und wer ſich ſelbſt nicht verfteht, für den werben auch Andere flets ein unauf- lösliches Räthfel bleiben. In feinem eigenen Buſen findest jeber Menſch den Schlüffel zu den Geheimnifs fen Des Kopfes und des Herzens Anderer.
Diefes Einfammeln von Materialien, diefe Acht |
ſamkeit auf fih und Andere, und diefes Belaufchen
der Natur ift fhon ein Nachdenken und derjenige hat
fhon Feine geringen Fortfihritte in der Fertigkeit zw denfen gemacht, ber mis der Abſicht lebe, ſtets Ma⸗
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nit mehr. uͤber die Seerheit der Welt klagen. Bir werben gehaltreich-denfen, weil wir vielen Stoff eins gefammelt haben, womit wir unfere Denkkraft bes
noch Sangemeile beim Denfen überfallen, denn bie Mannigfaltigfeit der. eingefammelten Materialien ift
"ein Stärkungsmittel und ein Sabfal für den Geift: Und haben wir einmal einige Fortſchritte im Selbſt⸗ denken gemacht, dann werden wir weder Gefahr
noch Mühe fcheuen, ftets feldft zu unterfuchen und
3 ſelbſt zu forſchen, weil wir die frohe Ausſicht vor uns ſehen, daß wir die Geheimniſſe der Natur enthuͤllen
werden und weil wir wiſſen, daß das Denken fuͤr den
Geiſt eben das iſt, was für den Körper die Bewe⸗
wenn er nicht durch Denken geftärkt und jung erhal« ten wirb, denn was ift Gedankenloſigkeit aiders, als ber geiftige Tod und welcher ift fehmerzlicher und ent« ehrenber, ber geiftige oder der Förperliche Tod? And
dieſer eilt dem Staube wieder zu, ehe er noch zum geben erwacht iſt, wenn er nicht durch Thaͤtigteit D Des
Geiſtes elektriſirt und humanifi rt wird.
IV. Capitel.
Bas muß man thun, wenn man denten
lernen will? - \
Weor bei feinen Geiftestibungen ſtets den Winken ber
Natur folge, defen Bemühen wird eben-fo glücklich von ftatten gehen als ſich veichlich belohnen. Das
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gung: jener ſtirbt ab, ob er gleich unſterblich iſt,
ſchaͤftigen koͤnnen, uͤnd uns wird weder Ueberdruß
zum 58 — |
Erſte, was man alfo hun muß, wenn man fich im
Denken üben will, muß das Auffaffen und Beobach⸗ gen von Erfepeinungen der Außenwelt ſeyn. Aufdiefe . | muͤſſen wir fleißig aufmerken, ſie genau und ſorgfaͤl⸗ tig beobachten und ſtudieren, diejenigen Merkmale, die wir. an Ihnen gewahr werben und die ung beſon⸗ ders auffallen, berausheben, ihre Aehnlichfeiten und ‚ihre Verſchiedenheiten unter einander. vergleichen, ihre Wichtigkeit und ihre Bedeutendheit prüfen und immer.neme Verbindungen, neue Trennungen, ‚neue Schoͤpfungen mit ihnen vornehmen. Alles, was wir anfchauen, miffen wir zu einer Befchäftigung für unfern Berftanb machen, und immer muß unfer Streben dahin gehen, zu erflären, warum eine Er- ſcheinung diefe und keine andere Geftalt hat, biefe und feine andere Wirkung äußert, fih unter dieſen und unter keinen andern Umftänden zeigt. Die Vor⸗ ſtellungen, die wir uns von einem Gegenſtande machen, möüffen deutlich) und ihr Inhalt muß uns.ers MHärbar fen. Wir müflen willen, was wir denfen. und worum wir etwas fo und nicht anders. in unſer Gedankenſyſtem aufnehmen. Aegypten iſt das Land der Wunder; die Urſache der jaͤhrlichen Ueber⸗ ſchwemmung des Niles iſt der Regen in Habeſch;
der Schnee iſt der Erhalter des Graſes; die denkend
ſten Maͤnner haben am meiſten Mißtrauen in ihre
Einſichten. Dieſe und dergleichen Urtheile und ihre
Gruͤnde muͤſſen anfaͤnglich unſere Geiſtesbeſchaͤftigung
ausmachen, damit wir nicht allein blos denken, ſon⸗
dern auch gehaltreich denken lernen. Es iſt aber nicht genug, daß wir bloß auf das,
was der Gegenſtand in ſich enchan und was er iſt,
Kun zu denken. *
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- 34 — aufmerffark find, wir mäffeh ach ſolche Merkmale
Graͤdikate, Beiworte, Adjektive) su demſelben hin⸗
zufuͤgen, die ihm nicht zukommen, um einſehen zu
lernen, warum ſie ihm nicht beigelegt wetden koͤnnen und was fie aus dem Gegenftande machen würben, .
wenn man fie mit ihm verknuͤpfte. Der-Tod des
Sempiternus hat keine Urſache7 Alſo eine Tolge ohne Grund! Eine Erſcheinüng ohne etwas Hervorbrin⸗ gendes! — Vorſtellungen machen den Menſchen Nricht gluͤcklich, ſondern die Gluͤcksguͤter. Allein alles Leben beſteht in Vorſtellungen und das Bewußtſeyn Heines gluͤcklichen Zuſtandes iſt das Gluͤck ſelbſt. —
Wir wandeln in einem Walde, feine Baͤume find grun , fie verbreiten allenthalben Schatten,’ duften
liebliche Gerüche aus, die Voͤgel geben ihm Leben
u. ſ. w. Eine ganz andere Geſtalt aber erhaͤlt dieſer
. -Hayn-im Winter. Seine Bäume ſtehen in diefer
Jahreszeit entlaubt, alle Wohlgerliche find. verſchwun⸗ den, alles iſt todt und lebenſos. Warum-fällen wir im Sommer kein Urtheil uͤber ihn, das der Anſicht,
die er im Winter gewährt, entſpricht? Warum fagen
wir alſo das Gegentheil von der Seßtern.aus? „Der
Augenſdein beſtaͤtigt die Wahrheit unſers Urthei⸗
les?“ Was iſt der Augenſchein? Die Sinne urthei⸗
len nicht und koͤnnen daher weder etwas verneinen moch bejahen. Sie verhalten ſich bloß leidend , ohne eetwas uͤber Die Art der Eindruͤcke, welche die äußern
Gegenſtaͤnde auf fie machen, entfcheiden und ohne beftimmen zu koͤnnen, ob eine Eigenfchaft- wirk⸗ (ih außer uns Realität Hat und alfo wirklich irgend einem Gegenſtande zufomme oder nicht. Der Vers ftand urtheilt allein. Er ift das Vermögen, bas
\
. .
durch bie Sinne Stoff zugefüßrt erhält und ben Ge⸗
genftänden Bedeutung und Realität - giebt. + Was wir durch Eindrücke auf die Sinne empfangen haben
amd was ·der Verftand geordner und verbunden. hat,
und was alfo als in dem Gegenflande enthalten ans
gefchauet und gedacht wirb, das ift wirklich. Sein
Dofeyn kann nicht weiter geleugneg werden. Es iſt entweder irgendwo ober irgendwann vorhanden, es eriftiet als Etwas, das entweder einen Raum eins
nimmt, ober die Zeit erfüllt und iſt entweder ein Koͤr⸗
Her oder eine Veränderung. Bei der Enefcheidung
über feine Wirflichfeit hat der felbfiehätige Verſtand den gefunden Sinnen zum Führer gedient, und unfere
Aufmerkſamkeit wirb durch Prüfen, Vergleichen und
Forſchen zur Wahrheit geleitet und wir lernen ein⸗
» .
feben, : warum einer Erſcheinung dieſes oder jenes.
fcheiden. ' Betrachten und Ueberlegen vergewiſſert uns allein der Wabrheit unſers Urtheils. —
Wenn man viele und mancherlei Verbindungen
und Trennungen der verſchiedenen Gegenſtaͤnde und
Merkmal beigelegt wird, und warum Andere von derſelben ausgeſchloſſen werden. Bloß auf dieſe Weiſe find wir im Stande, den Schein von der Wirklichkeit, das Falſche von dem Wahren zu unter⸗
desjenigen, was ſie enthalten, vornimmt, ſo gelangt
man bald dahin, daß man Erſcheinungen verſtehen und ſie nach ihrem Zuſammenhange und nach ihrer Urſache erflären lernt. Damit man aber auf einmal
keine allzu großen Sprünge in feiner - Bildung zur
Selbithatgzten der Denkkraft mache und dem Ver⸗ J
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. u “ [2
Sande das Gefchäft des’ Denfenferneng zu fehr ers
Schwere, muß man von der Verbindung eines Präs
dikats mit dem Subjekte oder von deffelben Trennung
' zur Bergleichung der Dinge unter einander übergeben.
Dies erleichtert das Denken, weil man von dem Bes
kannten zum Unbekannten fortfchreicer und ber Reiz
.. des Meuen, der Aufſchluß uͤber das Unbekannte, den
Seife erquickt und ſtaͤrkt. Man muß alſo zu ergelins
den firhen, worin die Aehnlichkeit und die Verſchje⸗
denheit zwifchen zwei Gegenftänden, z. B. zmijchen
dem Dienfchen und dem Thiere, zwifchen dem Thier⸗
und. Pflanzehreiche, zroifchen dem Fluß --und zwiſchen
dem Seewafler, zwiſchen Dem Monde und ber Sonne
beſteht: man nıuß genau auf dasjenige feßen, was fit
- einander ähnlich und. was fie einander unaͤhnlich
we macht. Es giebt faum eine. angenehmere Befchäftis
gung und fruchtbarere Gelegenheit, Stoffe zum Dens
fen einzufammeln und die Denkkraft zu üben, als
diefe Wergleichung der Gegenftände. - Nur komme.
‚bei diefer Art. von Geiftesübung fehr viel auf Die Deuts
He Einfiht.an, warum und worin ein Gegenftand
eine Aehnlichfeit oder eine Unaͤhnlichkeit mit einem
. Andern hat. Wir dürfen daher unſer Nachdenken
. nicht eher von demfelben wegwenden, als bis wir den Grund unferes Urtheiles genau erforfcht haben.
Hat man nunmehro viele und mancherlei Ver⸗ gleihungen angeftelle, fo muß man zur Erforfchung der Urſachen der Erjcheinungen übergehen und untere ſuchen, woher dieſe Wirkung, die wir gewahr wer den, rüber und wie fe entſteht. Zu nichts ift der
Kuh, ° — a.) j y " . -
menfchliche Geiſt aufgelegter und geneigter, als zu der Ergruͤndung der Urſachen der Dinge, weil dieſe Art der Unterfuhung die eigenthuͤmlichſte Thaͤtigkeit
. feines Wefens ausmacht und alfo aus einem Nature
gefeße deſſelben entſpringt. Damit aber der Ver⸗ ftand fters diefes Gefeß befolge und damit demfelben nicht durch eine widernatuͤrliche Anmweifung entgegen» gearbeitet werde, (denn durch die Gewalt und die Bers
kehrtheit des Unterrichtes ann man felbft die Natur
in ihren eigenthuͤmlichſten Aeußerungen von dem Pfade
abbringen, der ihr ganz befonbers eigen ift) muß man .
feinen Geift in der Jugend weder durch tolle Mährchen,
noch durch einen unzeitigen Glauben an überfinnliche _
Dinge, noch durch unnatürliche Genüffe, noch durch
vergebliche Beftrebungen verfrüppeln, ſondern man
muß getreulih und getroft den Trieben, Die fich in ung’ offenbaren, und: dem inftinfrareigen Beſtreben, Das unfere Denkkraft äußert, überlaifen. Der Na⸗ sur folgen heißt den Forderungen ber Vernunft ge⸗ bordyen. Wer. nod) niemals von dem Pfade ber Nas gur abgewichen und wer noch unverdorbenen Herzens iſt, bei dem find Gefühle und Triebe die beften Fuͤh⸗
rer. Die Natur hat den Verirrungen und Ausfchmeis
fungen bes Geiftes durch lebhafte Gefühle vorzubauen
“
gefucht, fo lange wir des Gebrauches unfers Ver⸗
ſtandes noch nicht fo maͤchtig find, daß wir alles, was wir zu thun haben, aus Einfiche in die Gründe des Geboten⸗ oder Verbotenſeyns thun ober unters laffen, und fo lange wir noch nicht unfern Gemuͤths⸗ zuftand fo weit kennen und beherrſchen, daß wir uns
in allen Dingen willkuͤhrlich zur Befolgung der Se |
fege unfers Geiſtee beſtimmen.
—
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Das Forfchen und Erflären nach Urfachen muß
‘mie ſolchen Erfcheinungen angefangen werden, bie nicht ungewöhnlich find und wo der Grund ihres Das ſeyns leicht aufzufinden ift. Es donnert, was ift ber
Donner und woher entfieht er? Es gefriert, was ift
die Urſache des Sroftes? Es giebt verfchiedene Racen
1
von Menfchen, was ift der Grund dieſes Unterfchies des und wie entfteht er? Hierauf gehe man zur Ente
wickelung und Aufloͤſung fehwererer Aufgaben fort, '
bie mehr Anftrengung und Einfühten erfodern, wenn fie erfläre werden follen, 3. “Bd. wie kann Wahn
" finn entſtehen, da doch die Denffraft urfprüngliche
Geſetze hat, welche feiner Veränderung unterworfen
. find? Welches ift die Urſache von Erdbeben? Wars-
um verwechjelt der Menfch häufig feine Vorſtellung mit dem. vorgeftellten Chegenftande? Was ift die Ur⸗ fahe, daß Griechenland. und. Rom in ihren jegigen.
Ze elenden Zuſtand herabgeſunken ſind? — Ie laͤnger
Ps
ð?
und je mehr man ſich in der Aufloͤfung ſolcher Auf⸗
gaben geuͤbt hat, deſto mehr Kraft und zuft bekommt
unfer Geift, ſich fo viel als möglich alle Erfcheinuns gen in. der Welt zu erklären. Mach einiger Geuͤbt⸗ beit im Denken kann ınan zur Verfolgung und Aufs loͤſung ganzer Reihen von Erfheinungen übergeben, 4 B. Kant entdeckte die urfprünglichen Geſetze des menſchlichen Geiſtes, wie fieng er es an, daß er etwas erreichte, wornach die groͤßten Denker aller Zeiten vergeblich geſtrebt hatten? — Der Küpnfe iR immer der Gluͤcklichſte, wie geht Dies zu?,
Den Tugendhaften achtet man, den Mann aber, | der bloß große Geiftesgaben befige, bewundert man, woher ruͤhrt dieſer Unterſchied unfers Beifalles? —
En
Ein Menſch ermorbet den Andern, welches iſt die
Urſache dieſer ſchrecklichen That? Eiferſucht? Was iſt dieſe? Woher iſt ſie entſtanden und wie kann dieſe zu einem ſolchen Verbrechen verleiten? Der Menſch
hat ja einen Abſcheu vor einer unnatärlichen That, . ber ihn von derfelben abzuhalten ſtrebt. Er kann
und foll ja feine teidenfchaften bändigen und fich vor dem Unrechtthun hüten, woher fam es aber, baß ber
° Mörder :dies nicht that? Er hat theils ein fehr reiz⸗
bares Temperament, theils hat man ihm in der Zus
‚ gend eine Menge Fehler und Ungerechtigkeiten unges
ftraft Hingehen laſſen. Es fehlte ihm daher. ſowohl an Staͤrke und Kraft, als an Luſt und Willen, feis - nen Begierden Einhalt zu thun. Iſt denn aber die Tugend eine Gewohnheit und kann fie erlernt. wers den? Man foll ja alles, :was diefen Namen verdienen will, aus Freiheit und aus Achtung gegen bie Ver⸗ nunft thun? Man muß alfo aus eigener Kraft han⸗ deln und allemal gleichfam von vorne anfangen, wenn man, moraliſch gut handeln will, Und ift. die Ges webliheit nicht gerade das Gegentheil von der Tu⸗ gend? Was wir gewohnt find, ift ung leicht auszus führen; Hingegen einen ftets.tugendhaften tebenswans del zu leben, welche Anftrengungen, welche Vers - leugnungen, welche Aufopferungen Poftet uns dies nicht und ‚weiche Aufmerkſamkeit und Befonnenpeit
iſt nicht erfoderlich, wenn wir niemals die Bahn des‘
echtes und der Tugend zu verlaffen in Verfurhung - gerathen wollen! Welche Widerfprüche zeigen fich nicht alſo“ Der Menfch ſoll moraliſch gut handeln und er lebe gortlos, er foll. allezeie rechtlich verfahren und er. begeht Verbrechen! Wie gleiche man dieſen Wider⸗
—
“ . . * . \ ‘ Pr * nn 42 XX 4
ihren Kindern laͤhelnd und ihre Gefchietlichkeit bes
wundernd kleine Diebftähle; — ‚ein junger Menſch
geht ſtets mit denkenden und hochherzig geſinnten Maͤnnern um, welches find nun die Folgen, welche
die hier angeführten Beiſpiele als aufgeſtellte Urſachen hervorbringen? Wie geht es zu, daß ſie gerade dieſe and feine andern Wirkungen Haben und" was erfolge
- "alsdann; wann noch Nebenumſtaͤnde auf biefe Ers
feheinungen einwirfen und wie werden fie alsdann modifizirt? Wird ihre Wirkfamkeit erhoͤhet oder vers mindere, in welcher Geftalt erfcheinen ihre Folgen
und welches find die Refultate, u. ſ, p. Den Be⸗
ſchluß in dieſer Art von Denfübungen muͤſſen ſehr verwicelte und folgenreiche Erſcheinungen machen.
gJemand hat einen Schlag auf den Kopf erhalten, verſchwunden iſt für ihn die Vergangenheit und die
Zukunft, er bemerkt ganz neue und ungewöhnlihe -
Erſcheinungen, er fann fie aber weder faſſen noch ſich erklaͤren u. ſ. w. Ein junger Menſch liebt den Um⸗ gang mit liederlichen, aber kuͤhnen und entſchloſſenen
Leuten, welches werden die Folgen von dieſer taͤglichen Geſellſchaft ſeyn? | Bu
"Haben wir in der Erforſchung der Urſachen und
: ihrer Wirkungen eine große Geſchicklichkeit erlangt,
fo müfjen wir zur Beantwortung folgender Fragen
uͤbergehen, 1) wozu ſind dieſe Erſcheinungen vorhan⸗ den? ) Sind fie nothwendig oder entbehrlich? Und.
3) find fie mehr nuͤtzlich als ſchaͤblich? Was haben 3,9. Winde, Gewitter, für einen Mugen? Sie Des foͤdern die Fruchibarkeit der Erde,- und erhalten die
_ 3 — Gelundheit der febendigen Weſen, aber bie beingen ſie dieſe Wirkungen hervor und iſt ihr Daſeyn in der Reihe der Erſcheinungen durchaus nothwendig? Was haben Traͤume fuͤr einen Zweck? Sind dieſe Ruhe⸗ ſtoͤhrer zum menſchlichen Leben unentbehrlich? Sie | find die Erhalten des Lebens, das bei der völligen Uns thätigfeit aller äußern Organe während des Schlafes gänzlich aufhören würde; fie erhalten die Jebensgeiz fter in Bewegung ,' damit unfere Mafchine nicht in eine gaͤnzliche Stockung gerathe. J
Wie kann man aber den Nutzen und den Zweck einer Erſcheinung kennen lernen? Der Weg, worauf
man zu dieſer Einſicht gelangt, find Beobachtung
und Experimente. Aber wie ſtellt man Beob⸗ achtungen an? Man faßt 1) die Erſcheinungen, die das Weſen eines Gegenſtandes dusmachen, rein und vollſtaͤndig auf, 2) iſt man auf die verſchiedenen Wirkungen aufmerkſam, Dig irgend etwas hervor⸗ bringt, und 3) denkt man dieſe gänzlich hinweg. und ſieht, welchen Erfolg das Nichtſeyn derfelben
in dem Conterte der Erfahrung hat und welches Res "
fultat ſich endlich aus dem Ganzen ergiebt, z. B. Es hat lange weder geregnet, noch gewittert, no) ein Wind geweht; aus dem Ausbleiben der Folgen, welche fonft fichtbar find, wenn Diefe Raturerſchei⸗ nungen nicht fehlen, ſchließt man auf die Wirkungen,
welche ihnen eigenthuͤmlich ſi ſind.
Experimente kann man entweder durch kuͤnff⸗ liche Werkzeuge oder durch bie Unterfaffung- einer Sache, die man fonft gewöhnlich thut, oder durch
- . ⸗
: "man dahin, daß man ekfährt, welches die eigenthuͤm⸗
| berausgeſucht werden muß.
— 4 —
die Ausfuͤhrung von etwas uUngewoͤhnlichem aͤnter dieſen oder jenen Umſtaͤnden anſtellen. Man wuͤnſcht
den Einfluß der Elektricitaͤt auf die menſchliche Ge⸗ ſundheit zu erfahren, man macht deshalb z. B. in
. einer Augenkrankheit von der Elektriſirmaſchine Ge⸗ brauch, um den Erfolg kennen zu lernen, den dieſe
Erſchuͤtterungen und elektriſchen Einwirkungen auf den Koͤrper haben. Oder man ſetzt eine oder ein
paar Mahlzeiten aus, wenn man eine Unpäßlichkeit
verfpürt und hierdurch fernt man einſehen, daß ſi ch die Natur ſelbſt hilft, wenn wir das gewoͤhnliche Eſſen unterlaſſen: man hat eine Zeitlang keine friſche reine Luft in ſein Wohnzimmer eingelaſſen, welche Folgen aͤußert dieſe Nachlaͤßigkeit auf den Koͤrper
und auf den Geiſt des Menſchen? Oder man ſucht bei
einer Unpaͤßlichkeit eine, große Geiſtesanſtrengung
ı ‚erfodernde, Lektuͤre auf, und man bemerkt bei dieſer
Art von Beſchaͤftigung, daß ſie z. B. bie Kopfs fhmerzen vertreibt, oder man fühlt ein Uebelſeyn, wenn man fich eine Zeitlang in einem verfchloßnen
Zimmer aufgehalten bat, in welchem viele Blumen
fieden. Unterſucht und vergleiche man nun die vers
ı .. fihiedenen Zuftände, die durch das Dafeyn «der
Nichtdaſeyn einer Sache bewirkt werden, fo gelangt
liche Wirfung derfelben ift und welche Erfcheinungen nicht von ihr abhängen. Mur auf diefe Art erfämpft der Menfch Wahrheit, die unter den Trümmern ber Gegenftände und ays dem Chaoe der Erſchemnungen
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* Dir sen ann den deecen dach im Un |
fachen de Grhinungen wigen TE“ Zn Hand mit cunde gehen , und rit mir eek hieß de hijth nnd den Nohen eier Zitaen Gare u efonen hen, ehne 35 de 68) fachen, mie getde dieſe und feine andern & Dıtrrn erfolgen, ſi tgrunden. Wer mag, det da ii. zur Erhaltung des \eheng Diınen, mh id z.2 d mühen infhen ju lerne, mie et gätt, BEIM Abfiht dund ſe ereicht mir und water es fee daß ſe mur manchmal zu unſetm Ser.titen sr a gen, und mer eine Kenneni& von ben Der: Bi rg der Vlatter der Vüume, der Yreile des ei * " Korps u fm. hat, nich ach die Yan Weſe, vie die zueke mat weten, arte fuchen. Die Regeln, welche mon bi ie Nachdenken über die Eriheinungen nirmals are Ne Augen Aerlieren darf, find daher felgende: kei “ Wirkung if ohne eine vrhergehunde un ode und vmgelehrt, keine Urfapı iſ ni eine nachfolgende Wirkung und Wa ſcheinung hat einen Zwed, ß. on burd) ihe Daſeyn in dat Ganze sun —8 ein und trägt entweder ts ung oder zur Aerhorung vut . Theile deſſelben hei Mn “ ü ' katurmire an wi F das Kehnliche jeht —* einander b ——— N eirze fit Waning: Ve tt Eieſt ben. rd den Prem antegm a an 2 “ ung de tebenstunktionn aheauhe, Pe % arg
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verfpurt und hierdurch lernt man einfehen, daß fich die Natur felbft hilfe, wenn wir Das gewöhnliche Eſſen unteslaffen: man bat eine Zeitlang feine frifche reine Luft in fein Wohnzimmer. eingelaffen, melche
Folgen äußert dieſe Nachlaͤßigkeit auf den Koͤrper und auf den Geiſt des Menſchen? Oder man ſucht bei
einer Unpaͤßlichkeit eine, große Geiſtesanſtrengung
ı erfodernde, Lektuͤre auf, und man bemerkt bei dieſer
Are von Befchäftigung, daß ſie z. B. bie Kopfs - ſchmerzen vertreibt, oder man fühle ein Webelfeyn,
wenn man ſich eine, Zeitlang in einem verfchloßnen
Simmer aufgehalten bat, in welchem viele Blumen fieden. Unterſucht und vergleihe man nun ‚Die vers
ı „ fihiedenen Zuftände, die durch das Daſeyn oder Nichtdaſeyn einer Sache bewirkt werden, ſo gelangt
man dahin, daß man eekfaͤhrt, welches die eigenthuͤm⸗ liche Wirkung derſelben iſt und welche Erſcheinungen nicht von ihr abhaͤngen. Nur auf dieſe Art erkaͤmpft der Menſch Wahrheit , die unter den Trümmern der Gegenſtaͤnde und ays dem Chaos der Erſcheinungen beransgeſucht werden muß.
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kun 45 —
Die je Gragen nach den Zwecken und nach den In fachen der Erfcheinungen muͤſſen endlich "Hand in Hand mit einander gehen, und wir müffen meder bloß die Abfiche noch den Nußen oder Schaden einer Sache zu erforſchen fuchen, ohne zugleich die Urs - fachen, wie. gerade diefe und feine andern Wirkungen erfolgen, zu ergründen. Wer weiß, daß die Träume. zur Erhaltung des Lebens dienen, muß ſich auch bes. mühen einfehen zu lernen, wie es zugeht, daß diefe Abficht durch fie erreicht wird und woher es koͤmmt,
daß jie nur manchmal zu unferm Bewußtſeyn gelans _
gen, und wer eine Kenntniß von den Verrichtungen
der Blätter der Bäume, der Theile des menfchlichen . - - Körpers u. fe w. bat, muß auch Die Art und
Weiſe, wie dieſe Zwecke erreicht werden, aufzufinden ſuchen. Die Regeln, welche man bei ſeinem Nachdenken uͤber die Erſcheinungen niemals aus den
Augen verlieren darf, ſind daher folgende: keine Wirkung iſt ohne eine vorhergehende Ur⸗ fade und umgefehre, Feine Urſache ift ohne eine nachfolgende Wirkung und jede Er— f(heinung hat einen Zwed, fie greift durch ihre Dafeyn in das Ganze der Er fheinungen ein und trägt entweder zur Erhaltung oder zur Zerftörung von ei
nem Theile deffeiben bei. Alle Naturwir-·
kung ift ein fteter Kampf; das Aehnliche zieht einan« der an und. das Unaͤhnliche und Widerſtreitende ſtoͤßt einander ab. Dieſer ewige Krieg der Stoffe bewirkt eine ſtete Verwandlung: die todte Materie wird durch den Organismus angezogen und zur Verrich⸗ tung der Lebensfunktionen gebraucht. Endlich. loͤßt
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und trennt ſich alles wieber von einander, um neue Verbindungen einzugehen und in neuer Geſtalt zum Vorſcheine zu fommen. Das Denfen muß hierin der Natur nahahmen, durch Trennen und Verbin⸗ ben muß ber menfchliche Geift ftets neue Verwandlun⸗ gen vornehmen, um fich forsohl dadurch zu:ernähren _ und zu flärfen, als fih auch neue Wege zu unbekann⸗ ten Eroberungen in feinem Innern und in der t aͤußern „Natur zu bahnen.
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Durch die angefüßrten Geiſtes beſchaͤftigungen lernen mir alfo ſelbſt denken, wie geht dies nun zu? Selbſtdenken heißt ſich in allen Dingen ſeines eignen Verſtandes bedienen und ſtets nach eigener Einſicht
etwas für-wahr oder für unwahr erflären. Wenn
man nun alles, was ift und gefchieht, prüft und ſich⸗ tet, wenn man ftets auf die Gedanfenjagd ausgeht und den Stoff zu allen Borftellungen ſelbſtthaͤtig auf⸗ greift und bearbeiter,. fo verfchaft man feiner Denk⸗ kraft eine große Fertigkeit. Diefe Fertigkeit im Den⸗ ken if das Selbftdenfen. Uebungen im Nachdenken flößen ung zugleih Much und Stärke ein, und wenn unſer Geift Kuͤhnheit und Kraft errungen har, fo verlaͤßt er ſich in keinem Stüde und bei feinem Ge- ſchaͤfte glänbig mehr auf die bloße Ausfage Anderer, " fondern zieht, was er hört und ſieht, vor fein eigenes Forum und entſcheidet über die Wirklichfeic deffelben nach eigenem. Wiffen und Gewiſſen. Alles Lebende, was ohnmaͤchtig, ſchwach, ſchuͤchtern und ungeſchickt iſt, wird durch dem Öfteren Gebrauch deſſelben ſtark, muthig und gewandt, und fo lerne unfere Deukkraft
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aüch Sur) Uebang Pr dutch fh reis nach genen Sſchen beſtimmen. — tan
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Allein Vorurtheile und Abergiaube treten ih
ſehr fruͤhzeitig ‘dem feldfteigenen Gebrauche unfere Werftandes in den Weg und’ fchreden diefen durch :
Furcht vor Gefahren oder vor. Rachtheilen von jeden _
eigenen Verſuche ab. Man fehre uns unbegreiflihe Diage und dringt fie. uns als heilig und unantaftbar auf; nur der Glaubige foll der in diefen Lehren vers Heißenen Vortheile theilhaftig werden, nur er ‚ber
unter Geheimniffen "und: Wundern. herummsandek,
wird für einen: Fronnnen und für einen Liebling der Gottheit erklaͤrt. Durch dieſe Saͤtze wird” unſer jugendlicher Geiſt betaͤubt, und wagt ſich nicht auf fi: folbft zu verlaſſen, weil ex theilkß in Irrthuͤmer zu gerathen, theils ſi ſich ein Schickſal zuzuziehen fürchten, _ das die Einbildungskraft mit allem, was ſchrecklich iſt, ausſchmuͤckt. Wie kann man ſich nun von ſolchen
auf dieſe Arc uns eingeimpften Borurtheilen.befreien? -
Wie kann man den Wahnglauben in fih ausrotten, Daß etwas anders Werth und Würde habe,- außer . was durch unfere eigene Thaͤtigkeit bewirkt worden if. Dan muß: häufig den Umgang ber äußern, Na⸗ ‚eur auffuchen, um durch denfelben Die Natur in fi wieder ins Leben zu rufen; man muß. die Öefchichte - mehrerer Ölaubensarten ftudiren, dem Intellektuellen Durch das Moralifhe zu Huͤlfe kommen und jenes Durch dDiefes begeiftern, das Widerfprechende, Frevel« bafte, Empörende und Unbegreifliche in biefen uns als heilig aufgedrungnen Lehrfäßen berausheben, und die Unterfuchungen. des Verſtandes durch ‚das. Herz
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En 8. _ | | qu leicen ſuchen. Stirnen wir mit ſolchen Waſſn
auf diefe Sehren ein, To werben wir bald die Scheu
verlieren, bie wir vor ihnen haben, bag Thoͤrigte und Ungereimte, das fie enthalten, einfehen fernen und, fie als Erdichtungen und Gefpenfter. durch die Wahr⸗ ; heit verdrängen, welche ftets aus einem - gefunden Kopfe und aus einem guten Herzen Heroorfließe, wenn man nur einige von den Dinderniffen wegfchaffen will, die ihre Lebensthaͤtigkeiten hemmen oder verwirren. | Allein es giebt auch Dinge, beren Knbenten ‚man mit Gewalt aus feinem Gedaͤchtniſſe verdrängen muß; weil fie Kopf und Herz beſtricken und betaͤuben unb: beide der Gefahr ausfegen, ben ihnen eigen⸗ thuͤmlichen Geſetzen gaͤnzlich entwoͤhnt zu werden. | Dergleichen Vorftellungen fann .man nun nicht: anders
ausrotten, ‘als daß man fie anfänglich auf bie Beide
zu ſchieben und fie abfichtlich zu vergeffen ſucht, 100: ‚Durch fie ihren Einfluß auf unfer Gemuͤth verkeren: durch den Nichtgebrauch wird ihr Einfluß geſchwaͤcht und endlich verſchwinden ſie gaͤnzlich als Schattenbil⸗ der. Solche Phantome ſind ein großes Hinberniß beim Selbſtdenken, weil ſie den menſchlichen Ver⸗ ſtand durch Furcht laͤhmen, und es giebt nicht leicht einen groͤßern Feind der Muͤndigkeit der Menſchen, als ſolche Vorſtellungen, die wir gleichſam ſchon mit der Muttermilch einſaugen und die unſern Geiſt mit Unbegreiflichkeiten und Schreckensgeſtalten anfüllen, Allein wenn der Menſch ſich ihrem Deſpotismus zu entziehen wirklich Luſt hat, ſo darf er es nur ſtandhaft wollen; es wird ihm endlich durch ausdauernde Ans * . firengungen gelingen, ‚mas ihm anfänglic) unmoͤglich
‘ ’ b .
— 4— J
ſchien und er wirb die Bande zerſprengen, velhe
feine freie‘ Tpätigfeit gefeſſelt halten. Wenn er alle Dinge durch ſich ſelbſt zu verſtehen lernen ſucht, wenn er alles nach vernimftigen Gründen zu erforfchen und alles durch. Freiheit zu erobern ſtrebt, dann wird fein Verftand bald aus der ſelbſt verfchuldeten Unmündigs - keit herausgehen und in allem feine Senſebatsten und Selopfänbigtei bemeifen koͤnnen.
V. Capitel — J J
Reihe Kegeln und Marimen *) muß man beim Denken beodachten, um gebaltreid und richtig denken zu lernen?
*
[U]
Bei allen Geſchaͤften des menſchlichen Lebens kann
man gewiſſe Kunſtgriffe anwenden, durch deren Ge⸗
brauch man ſicherer, fruͤher und glücklicher zu dem. beahfichrigten Zwede gelangt, als. es ohne biefelben der Fall gervefen feyn würde, Was nun von förpers lichen Arbeiten gilt, kann mon auch) auf: geiftige Opes rationen anwenden. Jeder Kuͤnſtler muß ſich zwar | ſelbſt erziehen, er wird nicht gefchaffen, alles muß er
durch ſich ſelbſt werden: der Denkkünſtler iſt daher
5) Kegeln find Vorſtellungen, welche ſagen, wie man einen Zweck erreichen kann, und Marimen find Vorſchriften für ven Willen, welche von dem Inter⸗ effe ber Vernunft in Anfehung einer gewiſſen Volke
kommenheit der Erfenntniß eines Objeltes herge⸗ nommen find.
Kunſt zu denken. DD e
—
J nn 48 — | | zu leiten fuchen. Stuͤrmen wir mit folchen Wäffen auf dieſe Lehren ein, To werden wir bald die Scheu verlieren, bie wir vor ihnen haben, das Thörigte und ‚ Ungereimte, das fie enthalten, einfehen lernen und. fie als Erdichtungen und Geſpenſter Durch die Wahts - heit verdrängen, welche ftets. aus einem gefunden Kopfe und aus einem-gusen Herzen hervorfließt, wenn . "man nur einige von ben Hinderniffen wegfchaffen will, die ihre Lebensehätigfeisen hemmen oder verwirren. Allein es giebt auch Dinge, deren Andenken ‚man mit Gewalt aus feinem Gebächtniffe verdrängen muß, weil fie Kopf und Herz beſtricken und betäuben unb: beide der Gefahr ausfegen, den ihnen eigen⸗ thuͤmlichen Geſetzen gänzlich .entwöhnt zu werden. Dreergleichen Vorftellungen kann man nun nicht anders ausrotten, als daß man ſie anfänglich auf Die Seite zu ſchieben und ſie abſichtlich zu vergeſſen ſucht, wo⸗ durch fie ihren Einſluß auf unſer Gemuͤth verlieren: durch den Nichtgebrauch wird ihr Einfluß geſchwaͤcht und endlich verſchwinden ſie gaͤnzlich als Schattenbil⸗ der. Solche Phantome find ein großes Hinberniß beim: Seldftdenfen, weil fie den menfchlichen Ver⸗ ftand durch Furcht lähmen, ‚und es giebt nicht feiche einen ‚größern Feind der Muͤndigkeit der Menschen, ats folche Vorſtellungen, die. wir gleichfam fchon mit der Muttermilch einfaugen und die unfern Geiſt mie Unbegreiflichfeiten und Schreciensgeftalten anfüllen, Allein wenn der Menſch fih ihrem Defpotismus zu entziehen wirklich Luſt bat, ſo darf er es nur ftandhaft wollen; es wird ihm endlich durch ausdauernde Ans _ . . firengungen gelingen, was ihm anfänglich unmoͤglich
‘. ı
7 49 — J ſchien und: er wirb die Bande zerſprengen, velhe feine freie Thaͤtigkeit gefeflele halten. Wenn er alle Dinge durch ſich felöft zu verſtehen lernen füche, wenn ex alles nach vernünftigen Gruͤnden zu erforfchen und alles durch. Freiheit zu erobern ſtrebt, dann wird fein Verftand bald aus der ſelbſt verſchuldeten Unmündigs . Bit herausgehen und in allem feine Selbſtthaͤtigkeit
und Selbſtſtaͤndigkeit beweiſen kͤnnen.
Beide Kegeln und Marimen *) muß man. beim Denken beodachten, um gehaltreich 3* und richtis denken zu lernen?
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[U [U]
Dei allen Geſchaͤften des menſchlichen Lebens kann man gewiſſe Kunſtgriffe anwenden, durch Deren Ge⸗
brauch man ſicherer, fruͤher und glücklicher zv dem beabſichtigten Zwede gelangt, als. es ohne dieſelben der Hall geweſen ſeyn wuͤrde. Was nun von koͤrper⸗ lichen Arbeiten gilt, kann man auch auf geiſtige Ope⸗ rationen anwenden. Jeder Kuͤnſtler muß ſich zwar
ſelbſt erziehen, er wird nicht geſchaffen, alles muß er
Durch ſich ſelbſt werden: der Denkkuͤnſtler iſt daher
5) Regeln find Vorſtellungen, welche ſagen, wie man einen Zweck erreichen fann, und Marimen find |
V. Capitel, re
Borfchriften für den Willen, welche von dem inter
eſſe der Vernunft in Anfehung einer gewiſſen Voll⸗
kommenheit der: Erkenntniß eines Objeltes herge⸗
nommen ſind. Kunſt zu denken. D
—3
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mug entweder durch Velehrung Anderer oder dütch⸗
eigenes Nachdenken darauf kommen und daſſelbe für. ‚Wahrheit.halten koͤnnen. Es muß daher auch allge⸗ mein mittheilbar und verſtaͤndlich ſeyn: denn: wäre‘
es dies nicht, ſo haͤtte es wicht die. Erfoderniſſe, wie:
wir vorausſetzten. Jede Behauptung, jeder Sab,ı jede Letzre muß fuͤr alle gelten koͤnnen, wenn ſie wahr und gegruͤndet ſeyn ſoll, ſo bald fie fich zur Die Muͤhe 7 geben wollen, dieſelbe verſtehen zu lernen. Daß: im:: - Seüplinge, bie Bäume ausfehlagen, dieſe Behauptung ift für Alle wahr; daß aber. ein Verſtorbener feinewt.: Sreunde nach feinem. Tode erfchienen fen, ober- daß jemand taufend Sabre gelebt babe, dieſe Ausfagen »
\ 'erffären wir für unwahr, teil fein Grund ihrer Moͤg⸗
lichkeit weder in der menſchlichen Natur, noch in ber - Erfahrung aufgefunden werden fann. Amt meiften - leuchtet die Richtigkeit des Saßes, daß jebe Be⸗ hauptung, welche wahr ſeyn will, für.alle gültig fern kodlmen muß, bei Gegenſtaͤnden ein, welche zur Mo⸗ ral, zur Rechtslehre, zur Logik und zur Mathematik J gehoͤren. Wir mißbilligen jede Handlung und jedes Verfahren des Andern,' das eine Ausnahme vordie⸗ fer. Regel der Allgemeinheit macht; wenn jemand be⸗ hauptet, man dürfe um feines Vortheiles willen fügen, fa erflären wir. fogleich, daß die von ihm in Schuß genommene. Kandlungsweife nicht allgemein gektend, fegn koͤnne und daß fie folglich unwahr, d. 6. hier unmoralifch fey: wenn jemand fagt, er habe aus „Mangel an Zeit fein ung gegebenes Berfprechen nicht halten koͤnnen, fo werden wir unwillig, daß er ung durch ein Betragen, wo die Marime, Die bemfelben
w.
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zum Grunde liegt, nicht allgemein ſeyn kann, hin⸗
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53 — rergangen hat: wenn jemand lehrt, dag man dein Geſetze im Staate nicht immer zu gehorchen brauche,
ſo iſt dies eine Behauptung , welche nicht allgemein ſeyn kann und welche folglich unrichtig iſt: denn ein \ Geſetz ift eine allgemeine Vorfchrift für den Willen ‚Aller, bie der Souverain giebt und bie ung fo lange - als Nationalwille verbindet, als fie nicht öffentlich aufgehoben worden iſt. Und in welchen Fällen waͤren wir berechtigt, dem Geſetze als Ausſpruche des öffente lichen Willens nicht zu gehorchen? Jedes Gefek muß in. einem Staate Alle zur Unterwerfung verbinden, wenn. es feinen Charakter ats Gefeß nicht verlieren ſoll. Die Beifpiefe, die.aus der Logik und Mathes ‚matit angeführt werden koͤnnten, fprechen zu deutlich für die Wahrheit unferer Behauptung, als daß fie ‚in Hinficht derfelben noch befonders erläutert zu wer⸗ den brauchte: denn niemand kam widerſyrechenbe
Vorſtellungen mit einander verbinden, und jedermann | u
muß die gerade: Linie zwiſchen zidei Dinften für: bie Fürzefte erklären.
„Allein dieſe Altzem ·ircheit finder bloß ih An „ſehung der Gegenflände des. Wiffens und des moras liſchen Glaubens, aber nicht in Anfehung des Mei- „nens uhd des hiftorifchen Glaubens ftatt, in diefen beiden Stücken wich jeber anders urtheilen, je nach⸗ dem er mehr oder weniger Einſichten hat, mehr | oder weniger im. Denken geübt, und mehr oder . ‚weniger zur Seichtgläubigfeit geneigt iſt.“ Wenn auch bei den beiden feßtern- Arten bes Fuͤrwahrhal⸗ tens nicht ‚auf nabſolute Allgemeinheit Anſpruch —9— ‚mache werben: kann, weil der Grund des Urtheiles
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nicht in dem. Objekte ,. fondern in dem urtheihenden
Subjekte liegt, ſo muß doch, ſo bald man feine Mei⸗
“ung. Andern verſtaͤndlich zu machen wimſcht, wenig⸗
ſtens comparative Allgemeinheit ſtatt finden koͤnnen.
Jeder muß unter denſelben Umſtaͤnden, in der⸗
ſelben Lage ſo urtheilen, wie wir urtheilen, und jeder muß einem Gegenſtande eine Eigenſchaft beilegen oder demſelben verweigern, je nachdem er mit uns gleiche Einſichten hat und in gleichem Falle iſt. Was bloß fuͤr uns allein wahr iſt, ſcheint wenig Anſpruͤche auf ſeine Wirklichkeit machen zu koͤnnen und was uns bloß aus heidenſchaft, aus einer beſondern Stimmung . Des Geiſtes u. ſ. w. einleuchtet, kann nicht allgemein ſeyn und wir werden nach einer reifern Ueberlegung bald einſehen lernen, daß wir wenig Grund zu unft« "der Behauptung hatten; fie berubete auf Taͤuſchung, - auf vorgefaßten Meinungen, auf Lieblingsneigungen ‚und andern unedlen Triebfebern, und wir härten nie
| "eine Aeußerung wagen. ſollen ‚ bie aus ſolchen Quel⸗ len enfpräng,
/
Wir verlangen aber von einem Satze, der weht E
ſeyn ſoll, daß er nicht allein allgemein gültig fey, fondern daß er 2).auch die Achtung, die mie ber
£ Menſchheit ſchuldig find, nicht verletze. Wenn
jemand alle Menfchen für Schurken erklärt, fo find wir ſogleich uͤberzeugt, daß er eine Behauptung vor⸗
"bringe, ‚welche. falſch iſt, weil a) die Schurkerei im Herzen des Menſchen hauſet, wohin kein ſterbliches
Auge dringen kann, und weil b), 2wer ein ſa allge⸗
„meines uerpeil uͤber bie Menſchen ausſpricht, alle
— 1 ———
Hofnumen auf die moraliſche Verbefferung der Mens
ſchen uufgiebe, alle Foderungen bes Sittengefeßes für nichtig erklaͤrt, welches doch ewig und unwandel⸗ bar, wie der Weltgeif ſelbſt, iſt, und welches er doch ſelbſt feinem Urtheile als ſtets geltend zum · Grunde legt. Wer den Sklavenhandel vertheidigt, wer bes hauptet, der Menſch ſey zur Sklaverei geſchaffen/ welil er den oͤffentlichen Geſetzen nicht immer gehorche, oder der Menſch verdiene nicht frei zu ſeyn, weil er die Freiheit mißbrauche, ſetzt bei ſeinen Aeußerungen die der Menſchheit ſchuldige Achtung aus den Augen,
und ſeine Behauptungen koͤnnen nicht wahr ſeyny,
weil fie. die Menſchheit laͤſtern und die Quelle der Wahrheit und Tugend ſelbſt verpeften.
\
als einen poſitiv en Werth, wir erfahren vermits
Dinfe nei Marmen aber ,. welche wir bis jeßt aufgefteflt Haben, haben mehr einen. negativen
telſt ihres Gebrauches bloß mehr basjenige „was
nicht wahr ſeyn kann, als dasjenige, was die Wahrheit felbſt iſt. Wir muͤſſen daher noch andere Mafinien aufſuchen, die uns bei unſerm Denken lei⸗
son, uns vor Irrthum ‚bewahren und uns in das,
Meich ber Wahrheit einführen. Ein Mittel dazu iſt Die dritte Marime, nämlich, durchgaͤngige Con⸗
ſe quenz in allen unſern Behauptungen; was daher .
"nicht aus dem aufgefteflten Vorderſatze folge, ift für
uns unrichtig. Wer zugiebt, daß alle Menfchen dem _
Sittengeſetze ſiets gehorchen follen und fich gleichwohl eine Untreue gegen einen Reichen zu fehulden kommen
käße, wer urfprüngliche echte in der menfhlihen
\ *
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* Ratur anerkennt, aber eichwohl behaudeet daß der Staat ſich nicht auf dieſelben zu ſtuͤtzen brauche, urtheilt nicht folgerichtig und befindet ſich in Anſehung
feiner letztern Behauptungen im Irrthume. Wer die Offenherzigkeit zur Unterhaltung einer Freund⸗
ſchaft fuͤr unentbehrlich haͤlt, und doch hernach
jemanden für feinen Freund anſieht, ob gleich-feine Offenherzigkeit zwifchen ihnen flatt findet, wer das
‚seben für fein äußeres Recht Hält und Doch die Todes⸗
ſtrafe für rechtmäßig erklärt; wer alle Krankheiten
‚aus Narururfachen entfprungen anfieht und gleich«
wohl das Fieber, das er heilen fol, Durch Beſpre⸗ dung wegſchaffen will, verfähre nicht Fonfequen.
Das Beftreben, in feinen Urteilen und Sälif- | =
fen immer folgerichtig zu verfahren, ift eine unerlaßs liche Bedingung, wenn es uns mit dem Erwerbe von
J Wahrheit Ernſt if. Durch Beobachtung einen
ſtrengen Conſequenz entdecken wir nicht allein digs Richtigkeit oder die Unrichtigkeit unſerer gugenom⸗ menen Grundſaͤtze, ſondern auch die Grenzen ihred Anwendbarkeit und das Eigenthuͤmliche jeher Wiſſen⸗
ſchaft; durch ſie gewoͤhnen wir uns an die Verfolgung von langen Gedankenreihen, an das Vor⸗ und Zu⸗ ruͤckſehen auf den abzuhandelnden Gegenſtand, an
Beſonnenheit des Geiſtes und an ——
Aufmerkſamkeit. Sie iſt für alle Wiſſenſchaft die Meßlkunſt; ohne die Folgerichtigkeit einer Meinung
aus ihrem Vorderſatze gepruͤft zu haben, iſt man nie
gewiß, ob man Wahrheit oder Irrthum erkaͤmpft Bat. Sie foͤdert die Wahrheit zu Tage und. wir koͤn⸗ 0 ſicher auf große Fortſchritte in unſern Einſichten
und: Henneniſffen rechnen, wenn wir ſtets auf die 3b gerichtigkeit unfers Gedankenganges zu fehen gewohnt find. Hat man baher einmal einen Örundfag ange nemmen,. fo muß man immer firenge und richtig aus demfelben fortfolgern, mögen fih auch noch fo ſon⸗ derbare Behauptungen davaus ergeben; wir gelans gen dadurch doch zu. der Einfücht, daß der Sag, den wir zum Örunde gelegt haben, wicht richtig iſt und durch dieſe Kenntniß iſt ſchon viel gewonnen, wenn man bedenkt, wie lange ſich manchmal ein falſcher Grundſatz durch inconſequente Folgerungen in An⸗ ſehen erhaͤlt und alſo ſowohl der Verbreitung der Wahrheit als der Kultur des menſchlichen Seiſte nachtheilig iſt.
Beim Nachdenken muß man fi anfänglid alter Ausführen auf das: gewunſchte Reſultat entſchla⸗ gen, damit wir die Leidenſchaften ‚ welde wir ‚für daſſelbe zu naͤhren gewohnt find, zum Schweigen. bringen, damib wir immer mit Befonnenheit und mie Mürhternheit den Gang unfers Räfonnements übers fhauen und damit wir immer prüfen koͤnnen, ob wirklich ein Satz aus bem Andern folgt, ob, wir nicht | etwa in unfern Gedanken. einen Sprung gemacht, | und alfo eine Luͤcke gelaſſen haben, ob wir nicht etwa in ein fremdes Gebiet abgefchweift find, wohin ung unſer Weg und Die Wahrheit nicht führte. Im Quten und im Boͤſen zeigt die Eonfequen;, daß jemand Charakter hat und im Forſchen nach Wahr⸗ heit iſt die Conſequenz ein Beweis einer innigen und unpartheiiſchen Wahrheitsliebe. Die Inkorſequenz iſt die Quelle aller Iangbanıpnpen und verderblichen
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gerthimꝛer, fie verhindert bie Vervotlkommnung ber
Wiſſenſchaften, unterftüßt den tauſendjaͤhrigen Aber⸗
glauben, und benimmt dem Denker ſogar die Aus⸗ ſicht, daß ſeine theoretiſchen Ertenntniſſe einſt in die Praxis uͤbergehen und daß ſeine Theorien in den
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- Gang ber Welt eingreifen werben. . Durch) fie wird die gewöhnliche Vermiſchung der verfchiebenen Wife
ſenſchaften unterhalten und eine ewige Streitſucht
genaͤhrt. Mit der Befolgung einer ſtrengen Con⸗ fequenz hingegen koͤnnen ſich weder der Irrthum, noch
der Aberglaube, noch der Unglaube, noch die Ware |
| uürtheile lange aufrecht erhalten.“ - J u — Der vierte Punkt, den wir beim Erforſchen mb Ergründen bes Wahren und alfo bei- dem Be⸗ — ſtreben, unſere Denkkraft auszubilden, nie aus den Yugen’ verlieren dürfen, iſt die Marime, alle Er— ſcheinuͤngen aus und nach Natururſachen zu rtia ren. Alle unſere Erkenntniß iſt auf die Gegenſtaͤnde in der Sinnenwelt und auf die Bedingungen ihres Daſeyns eingeſchraͤnkt, was daruͤber hinaus liegt,
iſt entweder ein Objekt des Glaubens oder des Mei⸗
nens, und das Geſetz der Urſachlichkeit als ein Sag
des Erkennens findet nur fo weit Anwendung, als
— voit dem Gegenftand, den wir erferfchen wollen, eine
Anſchauung unterlegen können und als wir die Are .
und die Bedingungen feiner Wirkſamkeit in ber Sin enwelt gemahr werden... ꝓ
jedeErſcheinung muß gus Natururſachen
=
Was verfteht man. nun unter der. Foderung: |
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erklaͤrt werden? Wenn wir uns Auftlaͤrung uͤber
‚eine. wahrgenommene Wirkung verſchaffen und ung Einſichten in den Grund und, in bie Art ihres Das ſeyns erwerben wollen, fo müffen wir innerhalb der
Ginnenwelt hinreichende Urfachen zu ihrer Exiſten;
aufzuſuchen freben; wir müffen immer‘ fortfahten,
Arſache an Urfache zu Fetten und diefe ftets als Wis
«tungen von einer höhern Urſache anfehen, "bis wie den geſuchten Aufſchluß zur binreichenden Erklärung
Der Möglichkeit einer Erfcheinung gefunden haben... Zu diefem. Verfahren wird eine ausgebreitefe Kenne niß! der Wirkungen der Natur in und außer.ung ere
fodert, wenn unſer Forfchen fruchtbar ſeyn fol und
wir müffen viele Materialien eingefammelt und alſo
viele Erfahrungen gemacht Haben, wenn unfer Unter⸗
nehmen "gelingen fol, - Wenn mir . 3. hören, jemand, ‚ber geftorben war;, ſey wieber auferfiandem,
fo muß die Urfache diefes Lebendigwerdens als ein
⸗
Glied in der Kette der Sinnenwelt angeſehen werden |
und wir müjfen bemüht feyn, uns die Gründe diefee
Erfpeinung als in ber Wels der. Anfchauungen lie⸗ | gend zu erklären." Alle Wirkungen und alle Urfachen
muͤſſen als Theile der Erſcheinungswelt und als aus
ihr entfprungen und in ihr gegruͤndet betrachtet wer⸗
den, Jeder Traum, jede Ahndung muß von einer '
Urſache abgeleiter werben, bie ihren Grund entweder
bier als phyſiſchen Urfachen unterworfen behandelt ‚werden muß. Sind wir mın vermögend., bie Bes
in amferm Körper ober: in unferm Geifte har, der
dingungen und’ die Möglichkeit 'einer Erſcheinung vb
Sig einzufehen und haben. wir dieſelbe als gänzlich in ber Sinnenwelt liegend ertlaͤrt ‚sb baben wir und
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= Innere ‚dab in den. Vorhof ihrer Werkſtaͤtte ein⸗
dringen werden, woraus ſtets neue Geſtalten und neue-- Foren hervorgehen. . Aufmerkſamkeit und, Empfänglichfeit unfers::Geiftes für allerleiErſchei⸗
ungen find pie Bedingung, einer weichen. Ausbeute in
dem · Reiche der Natur. Alles, was ung ‚erfiheint,,
müffen wir als eine Kette betrachten, ..berenierfien, Ping am Throne, des Jupiters feſt gemacht-ift. und, deren ganze Verwickelung kennen zu lexnen für uns Pflicht iſt. Daher gehe unſer ſtetes Beſtreben ha⸗ hin, alles natuͤrlich zu erklaͤren, die Erſcheinungen
der Natur zu zerlegen und wieder zuſammen. zu ſetzen
und ung. bie. Gruͤnde ihres. Daſeyns? aus und. nach Baer begreifich “ wachen. een
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Eine f uͤnfte Regel, die wir bei:unfern Beob⸗
achtungen über die Erfcheinungswelt, .imo.wtlehn reiche . Erndten zu ‚hoffen find, beobachten muͤſſen, ift. die.
Marime, bog wir annehmen, dir Natur mache-bei . ihren Wirkungen feinen. Sprung, fonbern es hänge. alles genau zufammen, . Eines folge, aus dem: Andern,
alles greife in einander ein und die Verkettung von -
Urfache und Wirfung gefchehe nach den Grundfäßen der Aehnlichkeit und Gleichzeitigkeit dieſer mit jener.
Wollen wir daher mit Nutzen Betrachtungen uͤber
die Erſcheinungen in der Welt anſtellen, fo dürfen :
wir nie geftatsen, Daß eing Wirkung aus einer Urfache
erflärt werde, welche mit jener in feinem genauen: . Zufammenbange ſteht und bie nicht mis ihr innig vers. wandt iſt. Das Geſetz der. Urfachlichbeis ift ein -
le
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Geundsgefeh unſers Geißes und wir koͤnnen ung ‚fe | fange ſich: unfer Verſtand durch Einſicht und Natur⸗
gefuͤhle bei feinem Verfahren leiten laͤßt, niemals
yon dem Gedanken. losreißen, daß Wirkung. und Urs
ſache in. der engfien. Perbindung mit einander ſtehen und daß feine, Riuftszwifchen ihnen ſtatt findet. Wer die Urſache von jemandes Wahnſinne aus einer frü« "been ungluͤcklichen Lehe herleiten wollte, ob er gleich den · plotzlichen Perluſt. ſeines ganzen Wermögens und bie: Treuloſigkeig feiner. Freunde, Welse Vorfaͤlle ſich erſt kuͤrzlich ereignet haben, als die, Peranlaſſung und
als ben Grund ſeiner Geiſteszerruͤttung anſehen ſollte,
würde einen Sprung-in feinem Rorjchen machen und ‚Die entfernteſte Urfache für Die nächfte als die einflußs
veichſte nehmmen.: Wenn jemand das naͤchſte Glied
der Berfersung-zreifiben dem; Menfchen ‚und Dem ff» wen in dem Strauße vder zwiſchen dem: Thier- und Dem: Dilangenrriche in der ‚Sinnpflanze fände, fo’.
wuͤrde er bei tieferm und reiflisperm Nacdenfe gez wahr. werben, daß er ſich in. einem Irrthume befin« bet, weil Die Unaͤhnlichkeit zroifchen den. erfiern Ges - fhönfen. zu groß und das Abweichende der Letztern (Ber Sinnpflatzze) von den Thieren zu auffallend iſt,
als daß es nicht noch mehrere Arten bon Thieren und
Pflanzen geben-follte, die diefe Kluft ausfüllen muůͤſ⸗
ſen. — Mancher. leitet. fein boͤſes Schickſal vonn
einem Traume ab, den er vor mehrern Jahren ges
habt hat und mapdher Schreibt fein Unglüd dem Fluche
zu, womit ihn feine Eltern. belaſteten und ſieht nich die Zehler, Anvorfichtigfeiten und Nachlaͤßigkeiten ein, die er ſich in ſeinen Geſchaͤften waͤhrend der Zeit, die zwiſchen dem Traume oder dem Fluche ſeinen
Schulben kommen laſſen hat, und die bie nächte . Urſachen feines elenden Suftondes Mind. - Die Steige
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Pr We 4 pe Etern und ſeinem Mißgeſchicke verkaufen ". , Al
keit ft ein Gefeß der Natur und muß auch ein Gefoß unferer Erflärung det Erſcheinungen ſeyn und wie
bürfen beim Nachdenken über die Dinge und ihrs
Wirkungen weder einen Abfprung machen‘ noch. eine Kluft gelten kaffen ,- :fondern. alles Leere und :tlchers fpringen als mißlich und beim Forſchen nad) Auf⸗ ſchluͤſſen über die Gruͤnde einer Erſcheinung als uns tmemiis und‘ nachthellis verwerfen. Na
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Wie emüfen: aber nicht sp dabel unten blabn
va wir zu ergruͤnden ſuchen, aus welchen Urſachen
etwas geſchieht, ſondern auch 6) zu welſchen Abſichten eine Erſcheinung vorhanden iſt. Nichts geſchleht umſonſt, alles hat feinen beſtimmten Zweck und alles jiele auf die Bewirkung von etwas ab, welches zur
Erhaltung des Ganzen entweder norhivendig iſt, oder
doch zur Hervorbringung eiries größern Gutes als dag Uebel ift, welches uns drückt, beizutragen ſcheint, z. B. warum giebt es in den heißen Trdftrichen fo viele grimmige Raubthiere? Was hat die Natur für eine Abficht bei Geſchoͤpfen, die fo große Verheerun⸗ gen anrichten? Da alles, Thiere und Pflanzen, in heißen Erdftrichen üppig und im Ueberfluffe, hervor ſchießt und da die Menge der Thiere bald fo groß ſeyn würde, daß fie alles Gras in kurzem aufzehren würde
und nachher alles Lebendige, mag es nuͤtzlich oder
ſchaͤdlich ſeyn, aus Mangel an Nahrung umkommen
—
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müßte, fo ſcheint die weiſe Mütter Natiır diefem- Uebel durch die Menge von blutgierigen Raubthieren Sorbeugen zu wollen. Warum find die Menfchen,
‚befonders bie Staaten, fo kriegsluſtig? Was hat der Krieg fir einen Vortheil? Er verheert alles, er zer⸗
ftöre, was Jahrhunderte gebauer, er morber die Menfchen — ein beiliges Subjekt auf der Erbe — in Schaaren und macht fie überdies noch böfer als fie schon find... Er har alſo nichts als Nachtheile für die
‚Menfchen und er ift.ein Liebel, Das jeden Schein des
Guten vernichtet. „Er ift’alfo gänzlich ohne Ges winn für. das Menſchengeſchlecht.“ Dies fcheing nicht der Fall zu ſeyn. Er kultivirt die Menfchen,
er bringe. alles in Bewegung und rege Kräfte auf,
Deren Thaͤtigkeit vorher nicht bemerkbar war. Die
Noth mache erfinderifh und man finnt zugleich auf Mittel, wie man diefem Ungemache in Zukunft gänze
dich vorbeugen fonne. So lange die Menfchen noch - roh und ungebilber find, ſcheint der Krieg "ein Präftis ges Anreizungsmictel: zu ‚ihrer Ausbildung zu feyn, . fo fchredlich auch eine folche Behauptung, "die den Krieg, den ungerehteften und heilloſeſten Zuftand ſelbſt fie unentbehrlich erklärt, fenn mag. Der Menfch,. befonders,ber Rohe, iſt träg, er hängt am Boben, lebt bloß ein thieriſches Leben und würde feine. ganze Beſtimmung verfehlen, wenn ihn nicht die Noth gewaltfam packte und zur Thaͤtigkeit noͤthigte. Aller Krieg zielt ohne den Willen der Menfehen ‚be fonders der Gewaltigen, und vielleiche wider denſel⸗ ben dahin, dilem Kriege ein Ende.zu machen und den ewigen Frieden, aber nicht auf ‚dem weiten Todtens acer der Erde, fondern in einen. Öffentlichen. Raupen Aunt zu deuten. €
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J zuſtande herbeizufuͤhren. Die Menſchen werden nach
und nach zu einſichtsvoll, ſie lernen zu große Ehrfürcht gegen das Recht fuͤhlen, und der Krieg·wird zugleich zu. koſtſpielig, als daß ſich vernuͤnftige Weſen laͤnger als wilde Thiere zerfleiſchen follteni — Dies des Forſchen nach Zwedten aber darf nicht" gu: weit ges trieben. werben, . ‚und: bie Maturerflärung'aus und nach Natururſachen etwa gar verdrängen, well mar fonft.allee wahren Natur und: Menfhenkenntnig ein Ende maden, und allen Vorurtheilen und allem ' Aberglauben Thor und: Thür eröfnen wuͤrbe. Das Erklaͤren nach Zwecken fbarfam und‘ weistich ge braucht, iſt eben fo Hergerhebend als es Wernunfe bes friedigend iſt. Es flärke den Much, wenn wie der
Anftrengung des kalten Forſchens nach Natururſachen
"zu unterliegen in Gefahr find, und wir fangen, wenn ‚wir uns durch die Anſicht: der weifen Zweckmaͤßigkeit der Natur erquickt haben, unſer Erklären von Dem Dofenn: .und den: Urfachen, der Erſcheinungen von neuem und mit gluͤcklicherm Erfolge an, als wir vor⸗ ‚her beider Ermattung unfers Geiftes erwarten durf⸗ ten. Daher fagt Kant mit Recht: ‚alle Produkte und alle Ereigniffe der: Rasur, felbft die zweckmaͤßig⸗ fien, müffen fo weit mechaniſch (d. h. aud und nach Matururfachen) erklaͤrt werben, als: es. immer in un⸗
ſerm Vermögen flebt; dabei aber.müffen wir.niemals -
aus den Augen verließren, baß mir Diejenigen, welche
|
wir allein unter dem Begriffe vom Zwede der Ver: - -
nunft zur Unterfuchung auch nur aufſtellen können, der wefentlichen Beſchaffenheit unferer. Vernunft ge mäß, jener mechanifhen Urfachen ungeachter, doch zuletzt der Couffalitäe nach Zwecken unterorönen muͤſ⸗
. [Ir 20° .. &
*
ſen.“ Ag der Phoftelogi⸗e iſt es nicht genug). me Berrichtungen. der ‚einzelnen. Theile ber -orgeniferm Weſen zu willen, fondern mir müſfen auch ſo viel sts möglich zu erfahren ſtreben, mie dieſe Wirbi naen,
die ſie zeigen, moͤglich find, und wie fie won ihnen her⸗ \
vorgebracht werden. Zugleich muß es eine Maxme in der Naturforſchung nach Imecden ſehn, daß wie onnehmen, fein Theil an-einem. vrganifchen- Weſen ſey ohne Abſicht, fondern er wirke zur: Erhalsmig.ngg - Ganzen mit, wenn wir ah. bis. jeße troß aller dus firengung im: Nachdenken noch nicht Härten. einſehet koͤnnen, wa⸗ er. zu. wirken be Rinne joy. !: 2 mn-
‘ er vo er. .
rer fan - No Die fießente Marine welche wir bei unſerm Denken, wenn es uns um Wahrheit zu thun iſt ‚fey diefe nun poſitiv oder megativ, d. h. mögen .wie nun zu ber Einficht gelangen, daß mir in dieſem oder
ho 2
Jenem Felde. etwas wiſſen koͤnnen oder daß allee unfer
Wiſſen irgendwo ein Ende hat, nicht vernachlaͤßigen duͤrfen, iſt folgende: wir muſſen bei allemaune
ferm Nachdenken mit uns offenperzig and aufrihtig zu Werke gehen. Wir duͤr⸗
fen uns weder eine Luͤcke in unſern Erkenntniſſen, neh _ eine Unzulaͤnglichkeit in unſern Beweiſen, woche. jureichende unfersErfenntnißnermögens uͤberhaupt ver⸗ heimlichen: wir dürfen gegen -ung weder Ueberzeu⸗ guug heucheln, z noch uns mit der Einſicht in etwas ſchmeicheln, was uͤber die Grenzen unſers Erkennens hinausliegt; ſondern mie mirffen frei, ohne Vorur⸗ theile, ohne Ruͤckſicht auf uniert. Schwaͤchen, beiden⸗
8 E 2
aften, ber auf das gemlnfäre Reſultat du neh⸗ "men, forfchen, wenn ſich auch endlich ‚ergeben ſollte, daß das erhaltene Reſultat unſern Wuͤnſchen und uns ſerer Erwartung gar nicht entſpraͤche, oder Daß wie etwas bisher für wahr gehalten Härten, was Doc) Feine Wahxrheit iſt, oder daß wir auch alle Ausfichten Aufgeben.müßten, daB wir jemals etwas davon wer⸗ den wiffen Fönnen.:-Der’®ewinn, der ung auf bie {em Wage des Forſthens zu Theil wird, iſt doch im⸗ mer weit größer als wenn wir nicht aufrichtig verfah⸗ zen, und uns mit Phantomen hinhalten laſſen. Wir haben doch bie Urſachen kennen gelernt, worin bie Veranlaſſung zur Taͤuſchung liegt, und gerathen wir auch wieder in Irrthum, ſo iſt ein Irrthum, in den wir durch Selbſtdenken verfallen, doch weit mehr werth als eine auswendig gelernte Wahrheit; im erftern Falle erringen wir die Kraft und die Geſchick⸗ ltichkeit, Wahrheit zu ſuchen, im Andern aber buͤßen wir ſo gar die Hoffnung.ein, daß wir endlich einmal durch Selbſtthaͤtigkeit bie Erſcheinungen anſprechen werden, uns zu entdecken, was Wapepeit und Irr⸗ Rn, Waniehteit iu Dauſchung an ihnen ſey.
Wenn— wir dahet einmal ·in Pringi oder. einen aß, ven wir mie ben Gefetzen unſers Geiſtes uͤber⸗ einſtlmnend md alſe ‚für wahr haften, unferm For⸗ ſchen num Srunde gelegt ‘haben, ſo muͤſſen wir ſtets unerſchrocken, freimuͤthig, ohne eine geheuchelte Ueberzeugung und oßne: Furcht vor dem Erfolge, aus demfelben zu folgern und unfere Vorſtellungen dars nach zu beurtheilen fortfahren, wenn auch das Reſul⸗ sat, das wir dadurch erhielten, noch ſo ſchrecklich und
L N ‘ Y B . 2* m . 9 m - - f N .
nieberfchlagend ſeyn follte:. wir haben bennoch Ge⸗
winn davon, denn wir lernen nunmehro entweder
die Unrichtigkeit und Unhaltbarkeit oder die Unbe⸗ ſtimmtheit unſers Grundſatzes oder Die Inconſequenz
unferer aus einem richtigen ober unrichtigen Grund⸗
ſatze abgeleiteten Folgerungen einfehen:und: retten das
durch die Freiheit unſers Geiftes, melche doch Wuͤrde
des Charakters verfchaft, wenn: fie auch im biefens Falle Feine Wahrheit. giebt. -Sapere aude;ift eine Maxime, die eben fo nüßlich und fruchtbar: im Dens ken als im Handeln iſt. Aufrichtigfeit ‚gegen. une ſelbſt ift die Mutter großer Thaten, ſo wie herzerheben«
der Wahrheiten Wer den Berftand nicht durch das
Herz beſtechen und fich mit feinem: unvollendeten Wiſ⸗
ſen begnuͤgen laͤßt, kann ſich ſchmeicheln, ‚noch viele Geheimniſſe zu entſchleiern, welche der Heuchler⸗ dei Schwache, der Halbwiſſer nicht enthuͤllen: Emm: Man muß ſich aber auch bei ſeinen Einſichten in die Natur der Dinge nicht mit allzu großen Hoffnungen ſchmeicheln; denn das menſchliche Wiſſen iſt beſchtaͤnkt und es giebt viele Dinge, von denen wir bloß ein⸗
ſehen, daß wir nichts davon willen koͤnnen. Sind ‚wir bei irgend einem Gegenſtand zu dieſer Kenntniß
gelangt fü muͤſſen wir von dem vergeblichen Beſtre⸗ ben, ihn: felbft erfennen. zu wollen, ablaſſen und nithe länger auf etwas ‚Kräfte verfchmenden, 100 man trotz aller Anſtrengungen nichts ausrichten kann , und wo⸗ bei man, wenn man ſich nicht warnen laͤßt, den gei⸗
.
fligen Tod findet. — Kant: theilt über die Aufs
richtigkeie beim. Denfen einige Bemerkungen mit; weiche hier ſehr paſſend find, indem er fagt!- ;,
jeder. wiſſenſchaftlichen Unserfuchung muß wan mit
‘
. ⸗ 4 — 68 —
sfähaften, oder auf. das gewuͤnſchte Reſaltat du neh— nen, forſchen, wenn ſich auch endlich ergeben ſollte,
Waß das erhaltene Refultar unſern Wuͤnſchen und uns ſerer Erwartung gar nicht enefpräche,;, oder daß wie
erwas. bisher Für wahr gehalten Hätten, was doch
Leine Wahhelt iſt, oder dag wir auch alle Ausfichten
Zufgeben · muͤßten, daß wir jemals etwas bavon wev⸗ |
den wifſen koͤnnen. Der Gewinn, der uns auf bie gem Wage des Forſthens zu Theil wird, iſt doch im»
mer weit größer als wenn wir nicht aufrichtig verfah⸗ ren, und uns mit Phantomen hinhalten laſſen. Wir haben doch die Urſachen kennen gelernt, worin Die Veranlaſſung zur Taͤuſchung liegt, und gerathen wir auch wieder in Irrthum, ſo iſt ein Irrthum, in den
wir durch Selbſtdenken verfallen, doch weit mehr
werth als eine auswendig gelernte. Wahrheit; im srftern Falle evringen wir die Kraft und bie Geſchick⸗ tichkeit, Wahrheit zu ſuchen, im Andern aber buͤßen wir ſo gar die Hoffnung.ein, daß wir endlich einmal durch Selbftchärigkeie bie Erfcheinngen .anfprechen "werden, ums zu ensdafen, "was Wahrheit und Irr⸗ hum, Wirklichkeit und Taͤuſchung an ihnen ſey.
Wenn ˖wir daher einmal ein Prinzip oder einen Satz,, den wir mit den Gefetzen unſers Geiſtes uͤber⸗ eluſtimnnnd umd alſo fuͤr wahr haften, unſerm For⸗ ſthen⸗zum Grunde gelegt haben, fo muͤſſen wir ſtets anerſchrocken, freimuͤthig, ohne eine geheuchelte
eberzeugung und ohne Furcht vor dem Erfolge, aus
demſelben zu folgern und unſere Vorſtellungen dar⸗ nach zu beurtheilen fortfahren, wenn auch das Reſul⸗ vat, das wir dadurch erhielten, noch ſo ſchrecklich und
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nieberfchlagend ſeyn ſollte: wir haben bennoch Gr winn davon, denn. wir lernen nunmehre entweber die Unrichtigfeie und Unhaltbarkeit oder bie Unbe⸗
Rimmtheit unfers Grundfaßes oder die neonfequeng unferer aus einem richtigen ober unrihtigen Grunde
faße abgeleiteten Folgerungen einfehen:und: retten das durch die Freiheit unfers.Geiftes, melche doch Würde
bes Charakters verfchaft, wenn: fie auch in dieſem
alle Feine Wahrheit. giebt. .Sapere aude: ift eine Marime, die eben fo nußlich und fruchtbar im Dens
ken als im Handeln iſt. Aufrichtigfeit gegen. ung‘
felbft ift die Mutter großer Thaten, ſo wie herzerheben⸗ der Wahrheiten: Wer ben. Verſtand nicht durch das
Herz beſtechen und ſich mit keinem unvollendeten Wiſ⸗
ſen begnügen laͤßt, kann ſich ſchmeicheln, noch viele Geheimniſſe zu entſchleiern, welche der Heuchler⸗ der Schwache, der Halbwiſſer nicht enthuͤllen: Bann Man muß ſich aber auch bei ſeinen Einſichten in die Natur der Dinge nicht mit allzu großen Hoffnungen ſchmeicheln; denn das menſchliche Wiſſen iſt beſchraͤnkt und es giebt viele Dinge, von denen wir bloß ein⸗
ſehen, daß wir nichts davon wiſſen koͤnnen. Sind
gelangt ſo muͤſſen wir von dem vergeblichen Beſtre⸗ ben, ihn ſelbſt erkennen zu wallen, ablaſſen und nicht laͤnger auf etwas Kraͤfte verſchwenden, wo man trotz aller Anſtrengungen nichts ausrichten kann, und wo⸗ bei man, wenn man ſich nicht warnen laͤßt, den gei⸗
‚wir bei irgend einem Gegenſtand zu dieſer Kenntniß
fligen Tod findet — Kant. theilt über die Aufe
richtigkeit beim. Denken einige Bemerkungen mit; welche Hier ſehr paſſend ſind, indem er. fagt!- ,,b
jeder. wiſſenſchaftlichen Unterſuchung muß man. mis.
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— — 71
Haben wir nun durch unſere obige Unterſuchung dieſe
Foderung befriedigt und haben wir der Aufgabe, wie kann man- richtig und gebaltreich benfen lernen,
Gnuuͤge gefeiftee?- Der Verftand hat ſowohl eine logi⸗
ſche (formelle) als eine reale (materielle) Funktion;
jene offenbart ſich dadurch, daß ſie nichts widerſpre⸗
chendes und nichts inconfequentes zulaͤßt, ſondern bei⸗ des als mit ihren Geſetzen nicht vereinbar erklaͤrt; dieſe giebt ſich durch die Anfoderung zu erkennen,
daß ſie verlangt, daß allem Denken eine ſinnliche An⸗
ſchauung zum Grunde gelegt werde, damit unſere
Gedanken Gehalt und Bedeutung bekommen. —
Das Geſetz der Urſachlichkeit iſt eine Art der urs
ſpruͤnglichen Thaͤtigkeit unfers Verſtandes, von wel⸗
cher er ſich bei allem ſeinem Wirken als dem Eigen⸗
ſten ſeiner Natur nicht losreißen kann, ſondern die
er ſtets treu befolgen muß. Die kheoretiſche
Vernunft als das Vermoͤgen der unbedingten Ein-
heit dringe bei allem Denken’ theils auf Allgemeinheit
deſſelben, theils auf den letzten Grund aller Erſchei⸗
nungen, theils darauf, daß wenn wir etwas erklaͤren wollen, dabei kein Sprung gemacht und dabei feine
Luͤcke gelaffen werde: bie praftifhe Vernunft aber verlange Reinheit und. Unfchuld des Herzens . und alſo Verachtung aller Berftellung, alles Truges j und alles Unredlichkeit bei unferm Forfchen.: Die.
reflektirende Urtheilseraft ſucht die Zwecke in den Dingen auf und.die.beftimmende forget da⸗ fie, daß dem Subjekte entweber ein Praͤdikat zue Vervollſtaͤndigung unferer Ertenncuiß beigelegt oder verweigert werde. | Ä
ie:
Dies find alle Operationen der ſelbſithaͤgen
Vermoͤgen unſers Geiſtes und, wir glauben, daß ihren
Foderungen durch die oben aufgeftellten Regeln und Marimen infoferne ein Gnüge gefhehen fen, als hier
unfere Abficht dahin ging, richtig und gehaltreich
Denen lernen, Stoff zum Denfen erhalten und Dies-
fen wieder zum Erfennen bearbeiten zu wollen. ' Altes alfo was mir als nothwendig zur Erreichung biefer Zwecke aufgeftelle haben, hat feinen Grund in der
Natur unfers Geiftes, und wir fönnen ung nunmehro - deſto ficherer und dreuſter in das Chaos ber Erfcheis > nungen in ber Außenwelt und in unſerm Gemuͤthe wagen, je gewiſſer und inniger wir uͤberzeugt ſind, daß wir uns auf naturgemaͤße Srundſaͤtze und ver⸗
nuͤnftige Maximen fügen. vi. Capitel. Mit weißen SGegenfänden muß man fein
Denkenlernen beginnen und in weldher Orbs
nung muß man dabei verfahren, um die fen Zweck zu erteichenn
| Alte Erziehung ſoll nichts anders ſeyn, als eine freie
und zweckmaͤßige Entwickelung aller unſerer Anlagen und Kräfte den durch fie geoffenbarten Beduͤrfniſſen
‚gemäß, und der Erzieher hat nichts weiter bei dieſem
Gefchäfte zu thun, als dag er folche Hinderniffe weg⸗ räumt, zu deren Beflegung die Kräfte bes Zöglinges
noch nicht hinreichend gelbe ſind. Sie beſteht daher
| — 73 — mehr Im negatien als im poſitiven Wirken, mehr im Wegſchaffen als im Herbeifuͤhren von Stoffen. Sie hat vorzuͤglich bloß darauf zu ſehen, daß der Zoͤgling nicht im Thaͤtigſeyn gehindert werde, daß er alle Bermoͤgen in der Ordnung ausbilde, in welcher dieſelben die Natur zum Leben ruft und daß er alles ſelbſt verfuche, um durch Fallen gehen, durch Irren Wahrheit finden zu lernen, und durch Schaden klug au werden, |
ur Die Außenwelt. muß uns ſchon befanng feyn, ehe : wir in unfere eigene Behaufung binabfteigen können, am uns felbft fennen zu lernen. Die Sinnlichkeit erwacht früher. als der Berftand und die äußern. Sinne, die Organe für alles, was außerhalb unfers Gemuͤthes ift, muͤſſen vorbero geuͤbt und vervoll⸗ kommnet worden ſeyn, ehe wir andere Kraͤfte in uns zur Selbſtthaͤtigkeit aufrufen. Wer nicht Materia⸗ fien in der Sinnenmwelt eingefammelt hat, fann- feis nen Verſuch in die überfinnliche Welt wagen; aus jener geht die Brücke in dieſe und jene muß: erft in voͤl⸗ figer Klarheit und in vollem feben vor ung ba ſtehen, wie nur eine Ahnung von diefer haben fönnen, |
Drurch die Beobachtung der äußern. Natur faͤngt der Menſch Kenntniſſe einzuſammeln an und nur wenn er dieſe Bahn mit Fleiß und Beharrlichkeit verfolgt, kann er hoffen, in andern Regionen glüde lich zu ſeyn. Es ift daher noͤthig, daß derjenige, der denken lernen will, vorhero die aͤußere Ratur beob⸗ achten und verfiehen lerne, ehe er fih ünd andere Menſchen kennen lernen wit. Warum aber muß
'
" — 176 — die Denkkraft iſt der Dollmetſcher, der uns dieſelben
verſtaͤndlich macht. Sobald alſo die Denkkraft durch Beobachtung der aͤußern Natur und durch die Er⸗ gruͤndung ihrer Geheimniſſe Geuͤbtheit erlangt hat, koͤnnen wir in unſer Gemuͤth einkehren, unſer Inne⸗ “ zes beobachten, und den Operationen des Geiſtes, den Bedingungen, den Gründen und den Gefegen derſelben nachforſchen. Zur Erwerbung von Selbfis kenntniß gehört ſowohl eine Fertigkeit im Denken als Much und Beharrlichfeit im Reflektiren über feinen Innern Zuftand. Durch Denken lernen wir ung bes greifen und das Denfen, das Fühlen und Begehren machen ben Stoff ber Selbflfenntniß aus, mögen dieſe Geiſtesthaͤtigkeiten ſich nun den Gefetzen ber Natur gemäß ober denfelben zuwider äußern.
. Allein unfer Inneres if eine Melt; beren Wirk⸗ ‚ famteiten fehwer und muͤhſam zu erforfchen find, weil. alles in derfelben flets wandelt und auf einer fteren Slucht begriffen it. Nichts beharret, alles kommt augenblicklich und verſchwindet eben ſo eilig wieder. Der Boden iſt zwar fruchtbar, aber die Erndte iſt auch ſchnell vorbei. Geboren werden und ſterben umfaſſen in der Zeit — dieſem Elemente des Seyns — einen Augenblick. Die Außenwelt hingegen be⸗ harret, weit ihre Gegenſtaͤnde im Raume angeſchauet 2 werden. Der Erwerb von Selbſtkenntniß if daher weit ſchwieriger als die Erbeutung von Naturkennt⸗ niſſen. Jener erfodert weit mehr Aufmerkſamkeit, Raſchheit, Beſonnenheit, Fertigkeit und Kuͤhnheit im Denken als dieſe; aber bei jenem iſt auch der Ge⸗ winn fuͤr uns weit groͤßer als bei dieſer: denn wer
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Dur
‚ weiß, was er iſt, warum er iſt und wie er ſeyn und
handeln foll, der hat allen Vorurtheilen und allem
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Aberglauben, zwei die Menſchen fuͤrchterlich plagen⸗ den Geſpenſtern, entſagt; der trotzt verwegen allen
Gefahten, die fein Leben bedrohen, "der ſtuͤrzt ſich
muthig in den: Tumult der Natur und in das Gewuͤhl
der Menfchen, , und belaufcht und enthuͤllt Geheims |
aiffe, deren Aufſchluß eine Wohlthat für das Mens Feheng eſchlecht iſt; der ſieht ein, wo ·und wie er die
Wahrheit ſuchen und den Irrthum vermeiden. kann:
denn wer ſich felbft verfteht, wer die Wirfungsarten
j feines Geiftes, ihre Gefetze und die, Grenzen bir Ans
wendbarkeit derfelben, ihre. Abweichungen und die ' ; Mittel, fie ‚wieder auf den Pfad der Natur zurück zu
bringen, kennt, der hat .ein kraͤftiges Sicherheits⸗
‚mittel gegen:die erlichter, bie denjenigen, ‘ber feines
Gemuͤthszuſtandes unfundig iſt, mit ſteten Gefahren
bedrohen, und ihn weder ruhig über Die äußere Nas
%
tur nachdenfen noch getroſt die See fine zebens
verfolgen laſſen.
“er fein inneres Sen und Wieten erfor, |
and fo wohl bie Geſetze bes Gelſtes als die Urfachen
feiner Berirrungen kennen gelernt hat, hat auch ben _
Schlüffel zu dem Gemuͤthszuſtande Anderer. gefuns
den; denn durch Selbſtkenntniß geht der Weg zur Ä Menfchentenntniß. Wer fich ſelbſt nicht verſteht,
hat auch feine Kenntniß von dem Thun und Treiben,
von den Triebfedern des Handelns und von: den Ges
finnungen anderer Menfchen. Alle Haben mit uns eine und biefelbe-Narur. Die Leidenjchaften, Be⸗
gierden und Gefühle, die uns peinigen oder entzuͤcken,
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— 7 I Ans, auch" die Quaͤlgeiſter ober die Freudengeber: für Audere. Ihre Geiftesfrankpeiten; ihre Geſinnun⸗
gen, und die Operationen. ihrer Denkkraft erfihrinen nur. wenig ‚von den ‚Unfrigen verſchieden und mit
etwas hellern ober etwas dunklern Farben überzogen,
..Jenachdem ſie mit mehr ader weniger Rraft:zum Won - fein fommen. und je nachdem ſie mit mehrern ober
wenigern andern Gemüthsäußerungen vergeſellſchaftet
ſind. Alles Menſchliche iſt im Grunde faſt immer einander aͤhnlich: denn alles fließt aus einer: und der⸗ ſſelben Quelle, und die ‚Verfchiebenpeiten; ‚Die. wir hier ab dort an Andern bemerfen, find eine bloße Schminke, welche ihnen ihr äußerer Zuſtand und ·ihre Beſchaͤftigungen auflegen. Die Menſchen wirden ſich gaͤnzlich gleich ſehen, wenn ihre Erzlehung, ihr Unterricht ‚u ihr religioſer Glaube, ihrn Geſchaͤfte,
rihre Nahrungsmittel, ihre Regierung, ihr Umgang,
das Klima u. ſ. w. allenthalben gleich waͤren. Alle
Dee. Gegenfiände leihen den Menfchen etwas verfbie
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dene Farben die groͤßtentheils nur Das: Aeußere ver⸗
ändern, das Innere aber wenig oder gar nicht an⸗
‚greifen? denn bier ſitzt die Ewigkeit auf: dem Throne, nichts "wandelt in ben urfprunglichen Anlagen des „Menſchen; was er in Anſehung diefer vor Jahrtau⸗ fenden war, ift er heute noch. Sein Geiftiges bleibe .
“unter allen Revolurionen daffelbe; nur das Gewand,
das die Erſcheinungen, welche außer ung herausfprin: gen, einhuͤllt, ift etwas verändert. Die Bedanfen, die Empfindungen und. Gefühle, die Beglerden und die Seidenfehaften ſchattiren fih anders, aber ihr Grund, ihre Natur und d ihre Geſetze ſind ewig die⸗ felben. u ‚ : Pe |
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| 7 79 — Alſo nach der Selbſtkenniniß muͤſſen wir erſt | sur Kenneniß- anderer Menſchen fertgehen, warum toͤnnen wir dieſen Weg nicht: umfehren unb von der Kenntniß Anderer in unfer Inneres eindringen, um - uns-felbft kennen zu fernen ? Andere · Menfchen find ja. ein äußerer Gegenſtand, mit welchem man ſich | leichter befannr- machen kann als mie unſerm In⸗ | | nern? Thaͤten wir daher niche beffer, wenn wir.die Menſchenkenntniß zugleich mit der Naturkenntniß vers | baͤnden?““ Wollten wir an Andern- bloß ihre Hands Augen ‚ihr. Streben -und.ipe Dingen-nad- Genuß, . nad) Gluͤcksguͤtern, kurz ihr bloßes Aeußers: kounen “fernen, fo koͤnnten wir fie mit der Natur in eine Maffe werfen, allein uns iſt es wheiblog um die:äußern Schattirungen anderer: Menſchen zu thuti,r ſondern wir wollen eine Kenntniß von ihrem Innern, von den Gruͤnden ihres Thun und Laſſens, von den Mo⸗ tiven, die ihr Begehrungsvermoͤgen beſtimmen, von Ben Trieben, Meigimgen und Begierden, welche ihr Gemuͤth beherrſchen, vor. den Urſachen, die ihre Denkungsart und ihren Charakter bilden u. ſ. w. haben, und wie wollen wir dieſe Abſi chen: anders reichen, als daß wir norbero unfer Inneres durch» ſchauet haben, wo dieſelben Kraͤfte, Triebe und Maximen hauſen und wo derſelbe Tummelplatz fuͤr die Geiſtesthaͤtigkeiten aufgeſchlagen iſt? Bloß: durchdſe Kenutniß unfers eigenen Gemuͤthes koͤnnen mir in das Innere anderer Menſchen eindringen, bag: uns ſonſt ‚gänzlich verſchloſſen und unerklaͤrbar bleiben '- wuͤrde. Wir werben zwar Handlungen an ihnen ‚gewahr, und wir. ſchließen aus denfelben und: aus Iren Reden. auf ihre Geſunungen und Dat ihre |
—
P 2
Denkart, allein dies wuͤrden wir nicht zu thun im
Stande ſeyn, wenn wir nicht aus aͤhnlichen Erſchei⸗
nungen, die wir an uns beobachtet baben ‚, auf aͤhn⸗ . liche, Urſachen in Andern ſchloͤſſen. Aus gleichen
Wirkungen rathen wir auf gleiche Gründe und die Aehnlichkeit Anderer mit uns macht fie uns begreifs .
lich. Wer daher viele Erfahrungen über ſich ange«“ ſtellt hat, hat vielen Stoff zur Kenntniß Anderer ein⸗ | gefammelt und wer viel über fich ſelbſt nachgedacht Hat, Hat ſich mit dem Gemürhszuftande Anderer eben fo gut als mic den Operationen feines eigenen Geiſtes overtraut gemacht.
Der Menſch Re ein Berörf ber Analogie: ee erfläst Anbere aus fh: durch eine genaue Bekannt⸗ ſchaft mit ſeinem eigenen Charakter erraͤth er dle Triebfedern des Thuns und Laſſens Anderer. Im⸗ mer beurtheilt er den Zuſtand Anderer nach demjeni⸗ gen, was er unter dieſen oder jenen Umſtaͤnden ſelbſt gefühle oder gedacht oder gewollt hat. Dem Mens - chen ift der Menſch ohne füh fremd. Wer jelbft- feine Leiden erduldet hat, ift auch für das Ungluͤck Anderer entweder gar nicht ober nicht in ſo hohem Grade empfänglich als derjenige, der feloR in Noth und Elend gefhmachtet.hat. Und wer etwas oder doch etwas Aehnliches niche felbft gefühlt und empfun⸗ den, ober gebacht-oder getban hat, kann auch einen Zuftand, ber eine Wirkung jener Urſache ift, nicht richtig beurtheilen. Daher verfähre oft der Reiche fo unbarnaperzig gegen ben Armen, der Märhtige gegen den Ohnmächtigen, und daher achten die Ge⸗ waltigen fo wenig die Freiheit der Preffe, weil ſie nie
— 81 — ein Beduͤrfniß gefuͤhlt haben, die Richtigkeit ihrer Gehdanken an dem Pruͤfſteine ber Meinungen Ande - ver zu ‚erproben. Durch Beduͤrfniſſe hänge der Menſch mit: feines Gleichen zufammen und buch Kenntniß ſeiner ſelbſt ahnet er die Beſchaffenheit und den Zuſtand Anderer. = |
Da aber unfer Geift bald ermüder und da den⸗ felben Efel und Ueberdruß ergreift, fo bald er fih ſtets blog mit einem und” bemfelben Gegenftande bes ſchaͤftiget, fo müffen wir öfters. in der Betrachtung ber äußern Natur und des menfchlichen Gemüches abwechfeln, damit uns immerfort eine jugendliche Munterkeit bei unfern Arbeiten befebe und damit un. fer Verſtand durch die Abmwechfelung geftärkt kraͤftig in die Welt der Erfcheinungen in und außer uns eins greife, um ſich defto. größere und wichtigere Aufs fchlüffe über die. Natur und über den Menfchen zu verfchaffen. Das Nachdenken über mannichfaltige und verfchiedene Stoffe iſt Erquidung, das ftere Brüsen hingegen über einem und demfelben Gegen- Rande Entfräftung für ben enblichen Seit J
Die Natur hat nur wenige oder gar keine Ge⸗ heimniſſe für denjenigen, der frei und ſelbſtthaͤtig über fie reflefeire, und für den Undenkenden eriftire fie gap nicht, alles ift leer und ode um ihn her. Er ift fich ſelbſt bloß ein Schatten unb fein geben if der Traum von einem Sqatten.
Zunß zu denke. 8
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— go —
Denkart, allein dies wuͤrden wir nicht. zu thun im Stande ſeyn, wenn wir nicht aus aͤhnlichen Erſchei⸗ nungen, die wir an uns beobachtet baben, auf aͤhn⸗ liche Urſachen in Andern ſchloͤſſen. Aus gleichen Wirkungen rathen wir auf gleiche Gruͤnde und die Aehnlichkeit Anderer mit uns macht fie uns begreif⸗ lich, Wer daher viele Erfahrungen über ſich ange⸗ ſtellt hat, hat vielen Stoff zur Kenntniß Anderer ein⸗ geſammelt und mer viel über ſich ſelbſt nachgedacht bat, het fi ch mit Dem Gemuͤthszuſtande Anderer eben
ſo gut als mit den Operationen fine eigenen Geiſtes
J vertraut gemacht.
Der Menſch M ein Berörf der Yualogie: e efläer Andere aus ſich: durch eine genaue Bekannt⸗ ſchaft mit feinem: eigenen Charakter erraͤth er die Triebfedern des Thuns und Laſſens Anderer. - Im⸗ mer beurtheilt er den Zuſtand Anderer nach demjeni⸗ gen, was er unter dieſen oder jenen Umſtaͤnden ſelbſt gefuͤhlt oder gedacht oder gewollt hat. Dem Men⸗ ſchen iſt der Menſch ohne ſich fremd. Wer ſelbſt keine Leiden erduldet hat, iſt auch fuͤr das Ungluͤck Anderer entweder gar nicht oder nicht in ſo hohem Grade empfänglich als derjenige, der ſelbſt in Noth und Elend geſchmachtet hat. Und wer etwas oder doch etwas Aehnliches nicht ſelbſt gefuͤhlt und empfun⸗ den, oder gedacht oder gethan hat, kann auch einen Zuſtand, der eine Wirkung jener Urſache iſt, nicht richtig beurtheilen. Daher verfaͤhrt oft der Reiche ſo unbarmherzig gegen ben Armen, der Maͤchtige gegen den Ohnmaͤchtigen, und daher achten die Ge⸗ waltigen ſo wenig die Freiheit der Preſſe, weil ſie niie
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ein Beduͤrfniß gefühlt haben, die Nichtigkeit ihrer Gedanken an bem Prüffteine ber Meinungen Andes rer zu ‚erproben. Durch, Bebürfniffe hänge der Menſch mit feines Gleichen zufammen und dur Kenneniß feiner felbft- abnet er bie Beſchaſfenbeit und den Zuſtand Anderer.
Da aber unfer Sein bald ermüber und da dene felben Ekel und Ueberdruß ergreift, fo bald er fich ſtets bloß mit einem und demfelben Gegenſtande bes ſchaͤftiget, fo müffen wir öfters.in der Betrachtung der äußern Natur und des menfchlichen Gemüches abwechfeln, damit uns immerfort eine jugendliche Munterfeit bei unfern Arbeiten belebe und damit un. fer Verftand durch die Abmwechfelung geftärkt kräftig in die Welt der Erfcheinungen in und außer uns eins greife, um fich deſto größere und wichtigere Aufs ' fehlüffe über die Natur und über den Menfchen zu
verfchaffen. Das Nachdenken über mannichfaltige
und verfchiebene Stoffe iſt Erquikung, das ſtete Brüsen hingegen über einem und demfelben Gegen⸗ ſtande Enttraftung fuͤr den endlichen Geil \
. Die Natur hat nur wenige oder gar feine Ger heimniffe für denjenigen, der frei und felbftehärig uber fie refleftire, und für den Undenkenden eriftire fie gap nicht, alles ift leer und ode um ihn her. Er ift ſich ſelbſt bloß ein Schatten und fein geben if der Traum von einem Sqhatten.
Zunſt zu dekre.
x ‘ \ ⸗ 82 . u \
Alle Welt preift die Naturkenntniß und doch hat man fich vorzüglich erft in neuern Zeiten auf: bie Sauer gelegt, und ſich bemuͤht, die Natut in ihrer Werk⸗
nina iu ibetrafihen,
% . . I. or ; . 2
- Die Außenwelt eriftire im Raume und der Raum, der die bloße Form der äußern Sinne ift, im Menſchen, alfo ift der Menſch der Träger afler Dinge. Wer erfchrickt nicht vor dem Gedanken, daB er alle Menfchen, Gute und Böfe, Sklaven: und
Tyrannen, Räuber und Mörder und das ‚ganze Ä
Syſtem der Natur, alle Revolutionen und alle Ver:
heerungen in ſich träge? Und was ift der Menfch ?
Kann nicht alles aus ihm werden? Iſt nicht etwa bloß der Mangel an Gelegenheit zum Boͤſen ſein
Schußgeift? ?
Vieles Eſſen verdirbe den Magen, aber vieles und zwar geordnetes Wiſſen ſtaͤrkt Körper und Geift: denn jener wird durch die Thaͤtigkeit diefes fpirituali-
ſirt und erhält einen größern Fond von Lebenskraft.
Der Menfch ift in allem ein Dualift: er darf
daher über dem. Denfen das Handeln nicht vergeſſen.
Der Menſch träge die Keime: der Ewigkeit
in ſeinem Bufen: aus ben Soderungen feiner prafe -
!
N — 83 —8
tiſchen Vernunft +) entfpeinge fein Slarbe an Uns fterblichfeit,
_
"Man af ſich w weder in ſeinen Kenatniſſen noch in ſeinen Handlungen mit den Anweiſungen auf eine andere Welt begnuͤgen laſſen. Man muß wenigſtens wiſſen, warum man etwas nicht wiſſen kann und man muß jetzt handeln, weil wir den Stoff, der zu unſerer Thaͤtigkeit erfoderlich iſt, nur innerhalb der Schranken dieſes Lebens kennen.
€ , j
Columbus entdeckte Amerika und Kant ent: .- deckte etwas, was allen Menfchen fehr nahe liege und was viele große Geifter vergeblich gefucht haben — die Naturgefeße des menfchlichen Geiftes, ihren ' Iubhalt und die Grenzen ihrer Anwendbarkeit.
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Jeder Menſch ſoll ſich ſelbſt der Naͤchſte ſeyn, wenn er denkt, und ſich kennen lernen will, aber nicht, wenn er begehrt. . |
. —
Die Menſchen ſind in der Jugend eine unbe⸗ ſchriebene Tafel, auf welche die Lehrer, die Eltern und die Lage die Schickſale ihres kuͤnftigen Lebens ein⸗
ſchreiben.
. 952 ) Die Vernunft, weiche Geſetze für den Willen sieht,
Die Gesenfiände ; welche uns die Außenwelt zum. Beobachten. barbietet, beharren; die Erſchei⸗ ungen’ aber, welche fh in unferm Gersliche offen ‚baren, find auf einer fteten Flucht begriffen; fie er⸗ “ neuern und verwandeln fich beitändig. Wir empfin« den, fühlen, denken, erkennen, begehren und wols fen, aber was find diefe Aeußerungen unfers Geiftes?
Wenn wir diefelben auch in Worte auffallen, fo bes .
greifen wir von ihnen ‚doch immer nicht viel mehr als was fie niche find. . Wie entfliehen Diefe Geiſtesopera⸗ tionen? Was iſt der Grund ihrer Verſchiedenheit und der Abweichung von ihren Naturgeſetzen? Warum giebt es nicht mehrere Thaͤtigkeiten unſers Gemuͤthes - als bloß diefe?" Entſpringen fie aus einer einzigen Quelle and was if die Kraft, welcher fie ihr Doſeyn and ihre Wirkſamkeit verbanfen?
Wenn wir uns kennen lernen wollen, ſo muͤſſen wir aufmerffam und, mit Ruhe den Zuſtand unſers Gemuͤthes beobachten: wir müffen -in das innere, in die Werkſtaͤtte unſerer Gefühle; Gedanken, Be⸗ gierden und Entfchließungen eindringen, um uns zu beläufchen und alle Aeußerungen, die in uns vors gehen, aufzufaflen und diefelben verftehen zu fernen: denn alle Selbſtkenntniß geht durch das Auffaffen und Begreifen der Ihätigfeiten unfers Geiftes, ihrer Urſachen und hrer Zwecke.
Was giebt es aber in uns fuͤr Erſcheinungen, „welche wir beobachten. müffen? Die äußern Gegen» ſtaͤnde machen einen unmillführlihen Eindruc .auf
"uns, joir empfinden biefen und werden auf jene zuruͤck
YZu
‘
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zu wirken genoͤthigt. Wir bemerken in uns Veraͤn⸗ derungen, der Zuſtand unſers Gemuͤthes wechſelt, wir fühlen bald Freude, bald Leid, bald Luſt, balb
Unluſt; bald erhaſcht ung ausgelaffene Luſtigkeit, bald
überfchleicht uns Unmuch, Bei allen diefen Zuftäns = Den des Gemuͤthes verhalten wir ung leibend ; fremde Gewalten fpielen auf uns berum und beherrſchen uns.
Dasjenige, was durch die Einwirfung der aͤußern
Begenftände auf unier Gemuͤth und durch das Be⸗
werden, fi nd Gefühle, Als bie Möglichkeit und
als die Bedingung jolcher Gemüchszuftände muß ein
Empfindungs - und.ein Gefühlsvermögen. voraus ges
ſetzt werden, welche in uns am fruͤheſten ihätig find - und denen wir ſllaviſch unterworfen ſi nd indem fie uns wider unfeen Willen und trotz aller unferer Ans
firengung, ihren Einfluß in unfere Gewalt zu befom-
und Gefühle, welche die Beranlaffung zu vielen Ers
ſcheinungen in uns find und mit diefen müffen wir den
Anfang in unferer Selbftfennenig machen. Da. fie aber ſtets wechſeln, fo müffen. wir immer bereit feyn, fie auf. der Flucht einzuholen, fie uns deutlich und
ben nach einem jelbftchätigen Beftimmen des Vers
ftandes find die Mittel, womit wir dieſe flüchtigen
Geſtalten bannen, wodurch wir ung diefelben begreif⸗
Sich machen, ihren Urſprung und ihre Abſi chten ent⸗ sun zu denfen. (6)
wußtſeyn ihres Verhaͤltniſſes zu demſelben entſteht, — nennen wir Empfindungen; bie Veränderungen Ä ‚ aber, die in uns vorgehen und -beren wir uns bewußt
‚men, unterjochen. Wir haben alſo Empfindungen-
-
werftändlich zu machen. Wie koͤnnen wir aber dieſen Vorſatz ausfuͤhren? Eine ununterbrochene Aufmerk⸗ ſamkeit mit Beſonnenheit gepaart und ein ſtetes Stre⸗
- — — 77, — -—_- - .-
meln würden.
Selbſtkenntniß iſt zu allen Dingen nuͤtze, nur
nicht zum Kriechen und zum Wegwerfen ſeiner Selbſt,
weil die Schaam, bie eine Frucht ber Kenntniß uns ſerer ſelbſt iſt, für jeden Beobachter feines Gemůuͤthes
ein in todeliches Gift ſeyn wurde.
J
Andere muß man beobachten, ohne daß ſie
etwas davon bemerken, weil ſie ſich ſonſt verſtellen und wir anſtatt Wahrheit Schaltengeſtalten einſam⸗
\.
Das Denken iſt die beſte Arzenei, wenn wir
uns krank fuͤhlen: es ruft Kraͤfte zur Thaͤtigkeit auf, von welchen niemand als wir ſelbſt zu unſrer Heilung Gebrauch machen koͤnnen: dasjenige, was vorhero kraftlos hinſauk, ſteht Durch das Selbſtdenten v ver⸗ jüngt zum neuen geben auf.
—
lungsproceß. Die Denkkraft iſt der Kuͤnſtler, ber alle Miſchungen und Verwandlungen vornimmt.
VIL Capitel.
Wie muß man bie äußere Natur Behandeln,
um durch ben. Umgang und. die Befhäftis- gung mit derfelben denken zu lernen?
Der Menfch kann fi anfängfich nicht entzweien und
ſich zugleich zum Denfenden und zum Gedachten
&
Das ganze menfchliche Leben iſt ein Verwand⸗
⸗ v.
machen; er muß daher zu feinen erſten Denkuͤbungen einen Gegenſtand wählen: ber nicht er felbft, fons bern ber von ihm verfchieben ift und ber beharrt, da⸗ mit er ihn mic Ruhe befchauen und mit Nachdenken . von allen Seiten betrachten kann. | —2* | * Die aͤußere Natur muß alſo der erſte Gegen⸗ fand ſeyn, woran der Menſch feine Denkkraft übe: wie muß er es aber anfangen, um fi) durch bas Ver⸗ ſtehenlernen der Erſcheinungen zugleich eine Fertig⸗ keit im Selbſtdenken zu verſchaffen? Er muß ſeine Aufmerkſamkeit willkuͤhrlich und mit Beharrlichkeit _ auf allerlei äußere Gegenſtaͤnde wenden, dieſelben mit Treiheit und Genauigkeit beobachten, dasjenige, was er an ihnen "bemerkt, bejonders heraus heben, baffelbe beurtheilen, erflären, und ſelbſt beſtimmend in die Reihe feiner Erkenntniſſe aufnehmen, Was er auf diefe Art thut, muß er mit Luſt und Hoffnung eines fihern Gemwinnes thun; er muß dasjenige, was , ‚ge angeſchauet bat, öfters ins Andenken zurüd rufen, | von neuem befrachten, und es mit andern Gegenſtaͤn⸗ den in Verbindung zu bringen ſuchen.
Wenn wir durch die Beobachtung der Natur ſelbſt denken lernen wollen, fo muͤſſen wie 1) die Ver⸗ ſchiedenheiten an den mancherlei Gegenſtaͤnden, die wir gewahr werden, aufſuchen, indem das Verſchie⸗ dene leichter aufzufinden iſt, als das Aehnliche, weil jenes, das Eontraftivenbe, ‚ unfere Aufmerkſamkeit mit Gewalt an fich reißt, während dieſes als etwas Gewoͤhnliches ſich ruhig dem Geiſte zur Betrachtung an⸗
bit, oder fich unferer Aufmerkſamkeit gänzlich ent⸗
-
u 7 —8
| gfüetic, der unaufhoͤrlich die Erfcheinungen verfolgt
und in der Reihe derſelben ſtets auf⸗ und abwaͤrts
ſteigt, und die Bedingungen von allem Wahrgenoms - menen fennen zu lernen ſtrebt. Was ift z. B. bie
Urſache bes Donners? Was ift der Grund bes Wachsthumes ber Bäume? Warum drehen alle Blumen in den Treibhäufern ihre Spißen nadh beit Lichte zu? Warum fehen Menfchen, die lange im engen Gefängnijfen gelebt haben, ſehr bleich aus? Dies rühre von dem Mangel an friſcher Luft her? Welches ift alfo die Wirkung ber freien Luft auf den
menfchlihen Körper? Wenn jemand XArfenif vers
lungen hat, welche Folgen hat dies auf feine Ges
fündHeit? Welhe Wirkungen äußert eine Menge -
von Blumen in einem verfchloffenen Zimmer auf die
darin fhlafenden Menfheyg? Warum verlieren bei
uns die Bäume im Herbfte die Blätter? Die Urs ſache liegt in der Abnahme ber Wärme, welchen Eins
fluß äußert aber Die fortdauernde Wärme: in biefer
Jahreszeit auf bie entlaubten Bäume?
"Dies Suchen nad) den Uefachen und Wirkun— gen der Dinge iſt fuͤr uns eine reiche Quelle von
Kenntniſſen und ein vortreffliches Uebungsmittel un⸗
ſers Verſtandes. Alles, was wir anſchauen, muß auf die Probe geſtellt und wir muͤſſen uns jederzeit
nach feinem Woher und Wohin erkundigen. Vieles bleibt uns zwar trotz aller Anftrengung unerffärbar,
allein nie darf uns doch der Grund verborgen bleiben,
warum mir Die Urfache feines Dafeyns nicht einfehen
. nen: denn was unterſcheidet den Menſchen von
den Thieren, als daß er nach den Urſachen der Er⸗
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a 89 —“ 4 J ſheinumg korſcht und aus den Urſachen auf ihre Wit⸗
kungen folgert / daß er Zufammenhang in das bunfe
Gewimmel der Erſcheinungen bringt und daß er alles an einer großen Kette ablaufen laͤßt?
Die Kenntniß der Urſachen iſt das Sefen und
Verftehen der Erſcheinungen: ohne dieſe Einfiche in:
die Dinge bleibe die Welt fur uns flumm und ohne diefe Art die Erfcheinungen ju erforfchen, beſteht die
- ganze Natur aus rohen, ungeformten, feben s und . zweckloſen Maffen; ‚das Verfolgen der Erfcheinungen
hingegen, um fie im Augenblicke ihres Werdens zu erhafchen, iſt der erſte Schritt zu unferer Freiheit und Seldſiſtandigkeit.
Dieſe vorausgegangnen Denkuͤbungen ſchen uns
nunmehro in den Stand, daß wir 5) Schlüſſe machen und von dem Allgemeinen zu dem Beſondern herun⸗
ter und von dieſem zu jenem hinauf ſteigen lrnen. Auf diefe Art gelangen wir von dem Bekannten zu
dem Unbekannten und von dem, mas wir anſchauen zu demjenigen, was hinter dem Vorhange faufche
und was der Quell vieler Erfcheinungen ift. Wenn a Die Blätter eines Baumes das Organ find, wodurch |
er fich erhält, was folgt daraus, wenn man mitten im Sommer afle feine Blätter abpfluͤckt? Der Oft wind wehet und es ift Daher kalt. Alle Pflanzen
fterben ab, wenn es im Sommer weder regnet no
thauet. | Das Schließen iſt das Entraͤthſeln der Erſchei⸗ nungen und es muß daher als eine vorzuͤgliche Uebung
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der‘ Denkkraft nach allen drei Arten y wie Schtüfe |
gemacht werben. koͤnnen, vorgenommen werden. a). Katbegorifche Schlußart: das ſchwüule Wetter iſt im Sommer ein Vorzeichen von Gewit⸗ tern, es iſt heute ſehr ſchwuͤl, alſo werden wir Ge⸗ witter erhalten. b) Hypothetiſche Schluß—⸗ art: wenn die Stürme anſteckende Krankheiten ver⸗ huͤten, fo haben wir bei ung nach fo gewaltigen Stür⸗ men nichts von Fauffiebern zu beforgen ). c) Diss junftive Schlußart: die Körper gehören ent⸗
weder ins Pflanzen- oder ins Thier- oder. ins Mines ralreich, der Meger gehört ins Thierreich, alfo nicht
Ä ins Pflanzen s oder ing Mineralreich.
Da das Schließen ein Geſchaͤft der Vernunft iſt, ſo wird durch den oͤftern Gebrauch dieſer Art zu denken die Vernunft geuͤbt und ausgebildet, und wir
koͤnnen nunmehro 6) zur Aufſuchung der letzten -
Gruͤnde der Dinge und zur erſten Urſache von allem, was da iſt, fortgehen. Die Vernunft als das Ver⸗ "mögen der unbedingten Einheit beruhigt ſich nicht, wie der Verſtand, in der Mitte des Weges bes zu Unterfuchenden , fondern fie dringt bis zum Anfange
und bis zum Urfprunge alles Seyns und Wirfens vor,
. Sie will wiffen, woher dies alles fey, was wir gewahr
werden und wie es unbedingt möglic, werde, Mur.
die Einfiche in die feßten Gründe der Dinge-befriedige die Anfprüche , diefie an uns macht, und nur der An⸗
*) Ich ſtelle hier nicht die vollſtaͤndige Form der Schluͤſſe auf, ſondern ſetze bloß das Reſultat her, das ſich aus ihnen ergiebt. |
X
on - 91° fang. alles Gefchehens ift der Punkt, 10 fie ausruhen. Sie noͤchigt uns bis zur oberften Urfache der Weli hinaufzuſteigen, wern wir diefe auch weder begreifen noch Die Art ihres Daſeyns erkennen koͤnnen, noch zu erfahren im Stande find, ob es wirklich ein folches Weſen giebe, als gefucht wird. Als der Quell von een, melde Urbilder der Dinge find, Die aber nihe außer, fondern in uns wohnen; , führe fie ung
bis an die Grenze der Sinnenwelt, die wir alsdann
öfters, durch fie verleitet, unvermerkt überjpringen und uns.in einen bodenfofen Abgrund flürzen, wo alle Wirklichkeit für uns aufhört und wo alles für und Schartenbilder werden. ‚An der Grenze der Sinnen»
‚welt müffen wir bei dem Einſammeln von Erkennt: | niffen Halt machen: denn hier endigt fih der fruchte
bare Boden, worauf allein für ung reichliche Ernd⸗ ten bluͤhen.
Haben wir die Urſachen von den Eeſcheinungen on und die legten. Gründe derfelben erforſcht, wobei wir
zwar bedachtfam, aber doch nicht fhüchtern verfah⸗ ren müffen ‚ ſo müffen wie 7) zur Beantwortung der Frage übergehen: wozu ift etwas in der Natur vor handen? z. B. warum giebt. es fchäbliche Dinge in der Welt? Was nugen Seuchen, Krigge u. f. m.?
Welchen Nußen haben die Gewitter, die Erdbeben, |
die Orkane u. ſ. w.? Der Zweck der Dinge muß aber
—
immer erſt alsdann aufgeſucht werden, wenn wir ihre
Beſtandtheile und die Urſachen ihrer Wirkungen er⸗ forſcht haben, weil ung die feßtere Art nachzudenken “ allein zu wirklichen Einfi Gen in Die Welt der Erſchei⸗ nungen verhilft.
\ \
92 —
Die Betrachtung der Natur, die Erforfhung der Urfachen und des Zweckes der. Erfcheinungen muß uns zu. gleichee Zeit den Weg zu.uns felbft bahnen. Wir niuͤſſen daher unfere Borftellungen von bem Dingen und ihre Beſchaffenheit unterfuchen. . Mir müffen uns klare und deutliche Begriffe von dem .
Gegenſtaͤnden verfhaffen und alfo bie Merkmale auf⸗ fuchen, welche ihnen die Eigenfchaft von dieſer ober jener Art ber Borftellung ertheilt. Was ift’ein kla⸗ ‚ ger, und was ein Deutlicher Begriff? Ich ſehe zwei - Bäume, der Eine ift eine italienifche Pappel, ber Andere eine Tpränenweide..e Go bald man weiß, worin’der Gegenftand, ben.man gewahr wird, z. B. hier die Pappel, befteht, und wenn man mehrere Eis genfchoften, die er hat, von einander unterfcheiben kann, fo hat man einen Flaren Begriff, wern- man aber den Unterfchied zwifchen zwei Gegenſtaͤnden, z. B. zwiſchen den eben angeführten Bäumen, und ihr Verhaͤltniß zu uns als dem Anſchauenden einſieht, ſo hat man ſich einen deutlichen Begriff ermor⸗ ben. — Wir muͤſſen unterſuchen, ob ein Begriff ein individueller oder ein partikularer iſt und wenn wir uns in der Bildung dieſer beiden Arten von Be⸗ griffen geuͤbt, ſo muͤſſen wir zur Beſchaͤftigung mit allgemeinen Begriffen uͤbergehen. Die individuellen Begriffe beziehen ſich auf einen einzigen Gegenſtand, die partikulaͤren auf mehrere und die allgemeinen auf alle Gegenſtaͤnde einer und derſelben Art oder einer
und derſelben Gattung. Wollen-wir uns einen ſallge⸗
meinen Begriff bilden, ſo muͤſſen wir mehrere Merk⸗ male von dem Gegenſtande wegdenken und bloß die⸗ jenigen von demſelben im Geſichte behalten, die zu
—
— 93 —
feiner Art ober zu feiner Gattung gehören und bie er alſo mit allen andern diefer Are oder biefer Gattung gemein hat, z. B. ber Fruchtbaum ift ein Baum, ber Fruͤchte trägt. Hier ift nicht Die Mede davon, mas diefes für Fruͤchte ‚ob. es Pflaumen, Apfel “en w. find. |
‚Mit dem Allgemeinen bir Begriffe Ri: das Ab» firafte nahe verwandt. Beim Abftrabiren feße max. alles Befondere und Zufällige beiſeite, und ſucht bloß das Allgemeine und Nothwendige heraus. Miemals: aber darf das. Abftrafte, wenn es Wahrheit und alfo die Merkmale enthalten foll, die jedem Gegenftande der Art eigenthuͤmlich find, mehr als bloß das Allge⸗ meine in fich begreifen.
Im Abſtrohiren muß man ſich fleißig len, weil man dadurch an die Entdeckung ber urſprürig⸗ lichen Eigenfchaften der Dinge und alfo an die Bekanntſchaft mit. allgemeigen Begriffen gewöhnt wird, welche der Canon ber Wadhrheit und der Zugend ſind.
Beim Abſtrehiren muß man feinen Blick ſcharf auf Die Gegenſtaͤnde, ihre Eigenheiten und ihren Uns terfchied richten und ununterbrochen über dieſelben reflektiren, damit man immer bloß das Geſuchte her⸗ ausfinde und dasjenige, deſſen wir jetzt nicht beduͤr⸗ fen, bei Seite ſchiebe. Das Abſtrahiren iſt, wenn auch nicht bie Seele bes Philoſophirens, doch wenig. fieng der Vorhof zu demſelben, welchen das Renee⸗ tiren eroͤfnet.
9 — on "Bei allen feinem Nachdenken aber muß man
wicht allein die lagiſche, ſondern auch und zwar vorzuͤglich die r e ale Wahrheit beruͤckſichtigen. Im⸗
mer mailen wir zuſehen, ob auch unſere Vorſtellung
mit dem Gegenſtande, uͤber welchen wir nachdenken,
übereinftimmt, ob fie Eigenfchaften aufgreift, welche feinen Charakter ausmachen und ob alle Merkmale,
welche wir bei feiner Beobachtung heraus heben, ihm angemefjen fi nd, ‚Wir müffen.baher. zu unfern Bor ftellungen von einem Gegenftande.bafd erwas hinzus feßen, bald etwas Davon. hinwegnehmen, um zu erfah⸗ ‚ven, ob diefelben dem Vorgeftelltennoc) völlig adaͤquat
find und um Die Probe. anzuftellen, ob unfere Be |
griffe Gehalt haben. ob fie diefe oder jene Erfcheie
\
nung ber Natur, welche wir: jeßt Betrachten, erklaͤ⸗
‚ven und ob fie fich an andere ausgemachte Erfahrun« gen anknüpfen laſſen und alfo Baprheit‘ enthalten.
Bei den Uebungen unferer Denkkraft muß ums eben ſo viel an der vollfommenen Kenntniß der Na⸗ tur als an der Freiheit und. Selbſtthaͤtigkeit des Ver⸗
ſtandes gelegen ſeyn. Leeres Denken iſt Gift fuͤr un⸗
ſern Geiſt, es bringt ihn eben ſowohl um alle. Kräfte
als um Wahrheit; gehaltreiches Denken hingegen iſt &ebensbaljam für denſelben, es ftärft ihn eben fo
ſehr als es ihn bereichert. Todte Formeln fragen
unſere Würde zu Örabe und. mir fangen an den Mas.
fchinen zu gleichen, welche nur durch; Stoß in Bewer gung, gefeßt werden. Die Natur muß uns Staff zu Reichthum an Gebanfen'geben und unfer Verſtand
. muß derſelben Leben und Geift einhauchen. Beide muͤſſen
durch eine ſtets thaͤtige Wechfelwirkung ihren Gehalt
und ihren Werth vermehren und es giebt für die
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|
7 95 — Moenſchen nur dadurch eine Rettung gegen viele Na⸗ turuͤbel, daß fie ſich mit der Natur einigen und’ fie als ein Produkt ihrer Seldſuhatigteit anſehen und beheirſchen lernen. —
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„XII. Capitei
was muß man an fih und wie muß manfid WBeobachten, um felsf denken und ſich: ſelbt kennen zu lernen? Y. 'r
. 4
Der Menſch iſt ſich ſelbſt eine Welt, die er nie voll⸗ ſtaͤndig kennen lernen wird, weil ie unerſchoͤpflich an neuen Erſcheinungen iſt und weil, wenn er auch eine vollſtaͤndige Kenntniß von ſeinen urſpruͤnglichen Wir⸗ kungsarten, von: den Geſetzen derſelben und den
Grenzen ihrer Anwendbarkeit erlangt hat, doch die
- Berirrungen berfelben, das Zuſammenwirken unter ein⸗ ander und. alfo die Erzeugniffe, welche ihre Thaͤtig⸗ keiten hervorbringen, zahllos find, und Daher allen feinen Anftrengungen, die Aeußerungen feines Get- ftes vollfommen kennen zu fernen und fie im vollſtaͤn⸗ digen Zufammenhange aufzufaffen, zu fporten fcheis nen. Die Einbildungskraft, die fiets neye Combi⸗ nationen macht und ftets neue Erfcheinungen hervor: bringt, verwirrt alles wieder, was der Verſtand geordnet hat, und auf dieſe Art verſchwindet ftets Der Glaube, daß wir uns vollfommen durchforfche und alſo felbit die geringften Abnungen unfers Geiſtes kennen gelernt. haben.
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felbſt kennen fernen ſollen? In welcher Abſchhe v8 - der Menfch feinen Gemuͤthszuſtand erforfchen und
wozu ift Selbſtkenntniß tauglich? Um zu erfahren, was man vermoͤge feiner. Naturanlagen thun kann
und zu thun hat, und wie man die Zwecke, Die fe
aufftelfen, am beften erreichen kann. Die Selbfts- kenntniß ſoll alſo ein Mittel ſeyn, ein der Natur ge⸗
maͤßes eben zu fuͤhren. Worin beſteht nun ein ſol⸗
ches geben? In der abfichslichen- Unterordnung alles
Gemuͤthsthaͤtigkeiten unter Das Sittengeſetz. Hier tritt alſo die Pflicht ein und.mo dieſe gebeut, ba ſell
der Menſch gehorchen, wenn er a4uch unter ben Truͤmmern einer Welt vergraben werden ſollte: denn
wo das Moralifche hereſchen ſoll, muß das Phyſiſche ſchweigen, und wo die Vernunft die Oberherrſchaft fuͤhren ſoll, muß die Sinnlichkeit dienen. In der | ſterblichen Huͤlle weilt der Menſch bloß um der Pfticht
willen; er ſoll ſtets moraliſch gut handeln, was iſt nun in Ruͤckſicht der Erkenntniß erfoderlich, um die⸗ ſem Gebote in allen Stuͤcken Gnuͤge zu leiſten? Mag muß 1) das Geſetz, das bie Richtſchnur eines Wil⸗
‚Tens, den man gut nennt, iſt, und 2) die Mittel und
Wege, wie man ftets die Foderungen Diefes Geſetzes
befriedigen fann, Pennen lernen.. - Das Gefeg der moraliſchen Guͤte ift Das Gefeß der praftifchen Vers
nunfe, und die Mittel find der freie, ſelbſtthaͤtige
und ſtandhafte Gebraud aller unferer Anlagen und Kräfte zur- Ausführung des Gebotenen oder zur Uns
terlaffung des Verbotenen. Was nun als Mittel
mit einem durchgaͤngigen Gehorſame gegen die Pfliche
zufammenhänge, ift ſelbſt Pflicht. Die Selbſtkennt⸗ niß beſteht a in der Kenneiß Der urſpringlichen An⸗
x
4 y . — — —
— 107 8
| fagen und Kräfte des menfchlichen Gemuͤthes, ihrer
Gefege und ihrer Wirfungsarten. 2) In der Kennts niß de Einwirkungen derfelben auf einander und des .
Verhaͤltniſſes, in welchem fie zur praktiſchen Vers
nunft ſtehen, und 3) in der Befanntfchaft mie den
Verirrungen und den Krankheiten des menſchlichen
Geiftes, den Erfcheinungen, welche diefe hervorbrin⸗
gen, den Tugenden und den Saftern, den Schwächen und den Neigungen u. |. w. Da nun eine genaue . Kenntniß aller dieſer Dinge zu einem ununterbroche-
nen Rechtsund Guthandeln unentbehrlich ift, fo
ſieht man ein, daß der Erwerb der Kenntniß feiner
- Setbft als Pflicht geboten if. Der Menfch ſoll ſei⸗ sien intellektuellen und moralifchen Zuftand kennen,
um beide zu verbeſſern und dieſem die Oberhand uͤber
jenen zu verſchaffen. Indem alſo die Selbſtkenntniß zum Streben und zur Realiſirung eines unbedingt ge⸗
botenen Zweckes führt, erhält fie einen weit hoͤhern Werth als alle jene Kenntniſſe, welche bloß eine Ans - weifung zum: Gebrauche von Mitteln dur Erreichung
bedingter‘ Zwecke ſind.
—
Ohne Selbſtkenntniß iſt der Menſchei eine Beute
der Unſittlichkeit, weil er theils nicht genau weiß,
was recht und gut iſt und daher ein Spielball jedes Eindruces auf fein Gemuͤthe bleibe, theils fih auf
dem labyrinthiſchen Pfade des Lebens bloß einem Ge⸗ fühle anvertrauen muß, das ſtets wandelt, bald
ſchwach, bald ſtark wirkt und das von ſinnlichen Ein⸗ Drücken modifizirt wird. Er ſoll als vernimftig ſinn⸗
liches Weſen alle feine Vermoͤgen und Kräfte ausbil- den; er muß Daher wiflen, wie er Dies anfangen foll
— j
4
— 108 —
und wie er.den gebotenen Zweck erreichen tann. Er muß alfo bei feinen Willenshandlungen fo wohl ein
Geſetz kennen, wornach er feine ergriffene Marime zu beurtheilen hat, als fich auch die Einficht verſchaf⸗ fen, 0b der Fall der Anwendung biefes Befeges vor⸗ . handen und ob die Handlung, welche er thun will, dem Gefeße gemäß und. alsdann, ob diefelbe entweder durch daſſelbe geboten ober bloß erlaube ift.. . Webers dies wirb-er noch von finnlichen Lüften beſtuͤrmt, von Seidenfchaften beberrfcht, von Begierden gefoltert,
wie kann er jene befampfen und die beiden Letztern
ſelbſt als Antriebe zum Rechthandeln benußen? «Er wird von böfen Gedanken beſchlichen, die feiner Ei⸗ genliebe und feinem Eigennuge fehmeicheln., wie fan“ er den Sieg über diefe verführerifche Geifterrotte, die
jen erhafchen und.die den Schein des Edlen, Großen ‚ und Erhabenen annehmen, davon fragen? Nur mie
- Hülfe der Selbſtkenntniß darf er fi) mit. einem glüde -
lichen Erfolge in feinem Unternehmen fchmeichela- Die ſchlauen Neigungen und die ſchwaͤrmeriſchen Lüfte haben alle Schlupfwinkel feines Herzens befeßt, bres hen unvermuthet hervor und fiegen, ſo farige der Menſch nicht in feinem Gemuͤthe zu Haufe ift und fo- lange er noch nfthre weiß, mit welchen Waffen er einem
v⸗
| \\ unfichtbar die günftigften Augenblicke zu ihren Anfäle
Zeinde Widerftand leiſten kann, der alle Tüde und. _
gift anwendet, um feinen Beſitz zu behaupten, und feine Herrſchaft durchzufeßen.
Je tugendhafter der Menſch daher werben will
(und dies. fol er), eine defto genauere und umfaflen« -
dere Kenntniß feines Gemuͤthes ift ihm dazu noͤthig;
\
| — 100 — und . mehr er fich Bolltommeneiten aller Kıt zu er⸗ Fämpfen Luſt hat, deſto genauer muß er die Kraͤfte,
den Much und die Enefchloffenheit Fennen lernen, die
in feinem Innern unbenußt- liegen ımd die nur auf feinen Willen und auf feine Standpaftigfeit lauern, - um fih in aller ihrer Seärte und in n (rem vollen Stange zu zeigen.
Der Menſch ſoll ſich alſo um iſeiner ſelbſt willen Eennen lernen, weil er nur. Durch Selbftfenntniß feine Beftimmung, welche in der vollendeten Ausbildung alfer feiner Kräfte zum Dienfte der hreihel beſteht, zu erreichen hoffen kann.
Aber wie muß man es anfangen, wenn man ſch
felbft kennen zu lernen und eine vollkommene Einfihe in den Zuftand feines. Gemuͤthes zu erhalten wuͤnſcht? Alle Bekanntſchaft mit fich felbft mache der Menfch durch Reflektiren und alles, was er von fich weiß, hat er durch Nachdenken, durch Verſtehen des Ges dachten, erlangt. Wir müffen daher jtets dasjenige, was in uns vorgeht, ſelbſtthaͤtig auffaſſen und nach eigener Einſicht bearbeiten, das Aehnliche und Un⸗ ähnliche, das Uebereinſtimmende und Nichtübereins
ftimmende unter einander vergleichen, das Leidende
von dem Thaͤtigen abſondern, die Gedanken, die Neigungen, die Begierden und die Gefuͤhle beobach⸗ ten und alle Operationen unſers Gemuͤthes zu ver⸗ ſtehen und zu begreifen ſuchen. Das Verſtaͤndniß des in uns Borhandenen iſt der Schluͤſſel zur Selbſt⸗
kenntniß. Denn fo lange man noch nicht weiß, was das bunte Gewuͤhle in ung für eine Bedeutung, J
- -
N N , e ⸗
— 100 —
| Wahrheit ergogen ung und das Mißlingen in unfern
Planen ſchlaͤgt uns nieder und macht ung mißmnehig.
Durch die Gedanfen feihen wir der Natur eine
| verſtaͤndliche Sprache und machen die todten Maſſen |
lebendig und berede. Jerthum und Wahrheit ſind Ptodukte des Verſtandes, und nicht der Sinne, denn
dieſe koͤnnen weder irren noch Wahrheit geben, weil
ſie nicht urtheilen, wodurch uns allein Wahrheit und
| Irrthum zu Theil wird. , Alles Meinen, Glauben nund Wiſſen ift ein Erzeugniß des Verſtandes und der Vernunft, durch welche wir uns Licht uͤber das Raͤth⸗
ſel unſers Lebens und der Natur verſchaffen. Wo⸗ hin kein ſterbliches Auge dringen kann, dahin ver⸗ breitet die Denkkraft Aufklaͤrung, und was uns als
gänzlich dunkel und unerflätbar vorkommt, wird’ | durch ihre Thaͤtigkeit aufgehellt. Durch fie fernen
wir ung und die Natur verſtehen und durch fie ge= fangen mir zu-der Einfihe, warum wir auf diefer Erde deben. | — | Die Denkkraft iſt nice allein die Quelle ber Wahrheit und vieler Rreuden, fondern auch des Irr⸗ thumes und vieler Leiden. MWahnfinn, Hypochon⸗ drie, Zerſtreuung, Tiefſinnigkeit, Aberwitz, und an⸗ bere, Gemürhskkanfpeiten find Zwittergeburten ber
-Einbildungsfraft und des Berfiandes, und was jers
ſtoͤrt den Adel’ der menfchlichen Natur fürchterlicher
“als diefe Unholdiunen? Die Furien — die Gewiſ⸗
ſensbiſſe — was ſind ſie anders als ein Anklagen und Verdammen unfer Selbſt Durch die Vernunft? Alles
alſo was ein Denken orausjeßt oder uͤberbaupt
—
vn m 101 —--
burch die Denkkraft hervorgebracht , iſt entweder als
ein Produkt des Verſtandes oder der Vernunft anzu⸗
ſehen.
Zwiſchen dem Verſtande und den Sinnen thront
die Eindildungskraft. Daß wir die Vorſtellungen von Gegenſtaͤnden öfters für bie Gegenftände ſelbſt
halten, daß wir eine Beute des Wahnglaubens wers
ben, daß wir ahnen, träumen u. f. w. baben wir diefer fruchtbaren Mutter son Vorftellungen zu vera Danfen, die faunifch und-gebieterifch über die Schick⸗ ſale der Menſchen waltet. Ihre Produkte unterſchei⸗
den ſich von den Erzeugniſſen anderer Kraͤfte da⸗
durch, daß die Gegenſtaͤnde, von welchen fie Bilder entwirft, entweder feine Wirklichkeit haben oder daß nichts der. Vorſtellung derfelben vollig entſpricht. Sie erzeugf Ideale, die mir wohl als Vorbilder, aber nicht, als getreue Kopien von den Gegenſtaͤnden anſehen koͤnnen. Ihren eigenthuͤmlichſten Charakter aber offenbart ſie durch das Combiniren, wo ſie Bilder von Gegenſtaͤnden mit einmiſcht, die wir öfters fir wirklich zu Halten geneigt find, ob fie gleich bloße Täufchungen find. . Alle Wahnbilder, alle
Phantasmen find ihr Werf und fie verleitee den Ver- -
ſtand zu ſolchen fühnen Verirrungen, die diefer allein nie gewagt haben würde. Sie vermifche die Wirk⸗ lichkeit mie Schatlengeftalten und, man iſt wegen ber
Lebhaftigkeit folcher Baſtardvorſtellungen öfters in
Verlegenheit, ob eine Sache wirklich ſo geſchehen iſt,
als wir ſie uns vorſtellen, oder ob ſie bloß eine Traum⸗ geſtalt iſt. Was find fixe Ideen, was find Traͤume
anders als Erfahrungen, welche die Einbildüngs«
kraft geſchwaͤngert hat und die der Verſtand für
8
—
-
— 102 -.
Wir kůchteit entweder im Wachen oder im ei anſieht?
Die Phantaſie und das Gedaͤchtniß halten Vor⸗ ftellungen zuruͤck, die längft in das- Meer der Ewig⸗ keit verfunfen feyn würden und Die uns jeßt entweber als Furien quälen oder>als Früchte aus Elyſiums Hainen entzuͤcken. Ein treues Gedaͤchtniß iſt eine Himmelsgabe für Gluͤckliche, allein was hat der Uns glückliche verbrochen, daß ihn die Erinnerungen des Vergangenen unaufhörlih verfolgen und warum ſteht Die Bergarigenheit, befonders wenn ung unrecht geſchah, wenn wir Schmach und Ungemach erlitten, ſtets ſo lebendig vor uns da, daß ſelbſt die Gegen⸗
wart vor ihr in Schatten ſinkt? Dieſe Zuruͤckrufun⸗
gen ſind das Werk der lebhaften und thaͤtigen Phan⸗ taſie, die nur zu haͤufig ihre groͤßte Macht in unſerm Ungluͤcke zeige, Der Mangel an Gebdaͤchtniß iſt die Vergeßlichkeit, welche nicht ſelten durch eine ſtete
Zerftreuung hervorgebracht wird, und der Mangel
an Phantafie erzeugt eine Trockenheit unferer Vor⸗ ſtellungen, welche unfer Leben ebenfo einförmig als une ‚fruchtbar macht. Die Phantafie und das Gedaͤcht⸗ niß ſind eine Beute mehrerer Verirrungen, die ſich beſonders dadurch auszeichnen, daß ſie ſich auf das Vergangene beziehen und entweder aus einem Man⸗ gel oder aus einem Uebermaaß von Thätigfeit von == beiden encſtehen. u
= 19 = »: Der Seeig umfers geiftigen. Lebens iſt noch nicht durch die bisher angegebenen Vermögen ‚ Kräfte, Zuftände und Erfejeinungen unfers Gemürhes ges ſchloſſen, fonderm es giebt noch mehrere Keußerungen, - die fih in uns durch ihre Wirkſamkeit offenbaren. Wir begehren ober verabfcheuen etwas, wir wollen etwas oder wir wollen daffelbe nicht. Diefe Thaͤtig⸗ ‚feiten verdanfen ihr Daſeyn einer Anlage, bie wir Degehrungsvermögen. nennen und deren Er⸗
ſcheinungen ſo mannichfaltig ſind, als es Gegenſtaͤnde des Begehrens und Verabſcheuens, des Wollens und des Nichtwollens giebt. Wir wuͤnſchen das Ange⸗ nehme und Nuͤtzliche, wir fliehen das Unangenehme und Schaͤdliche, wir wollen das Zweckmaͤßige und Gute, und wir wollen Das Unzweckmaͤßige und Boͤſe
nicht. Alte Wuͤnſche, alle Neigungen, alle Begiers
den, alle Seibenfchaften und alle Marimen find ein Werk diefer Kraft, die uns auch vielen Verirrungen preis giebt. Die Seidenfchaften, Rachfuche, Ehrſucht, Herrſchſucht, Habſucht u. ſ. w. find die gefährlichen . Produste unfers Begehrungsvermögens. Allein dies ' fes ift niche bloß der Schöpfer von fchädlichen und böfen, fondern auch von nuͤtzlichen und guten Hands -. kungen. Durch folche Aeußerungen unjers Willens, weiche moralifcher Enthufiasmus hervorruft, kann eine Welt von allen den Geißeln befreiet werben, Die . ſie tyranniſiren: der Menſch kann alles, was er fräfs tig und ſtandhaft will, wenn er nur innerhalb der Schranken des Rechtes und der Moral bleibt. Unſer Begehren ift Schöpfer van Freuden und Leiden, je wachdem unſer Unternehmen gelingt ‚ober mißlingt,
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je nachdem wir der Stimme unſers Gerstfens gefolge
oder berfelben angehorſam gewefen ſind.
Die innern Zuſtaͤnde unſers Gemuͤthes offenbar
"ren ſich alfo durch empfinden, fühlen, denfen, eis
innern, begehren und wollen, und alles, was ferner. ‚ in ung zum Vorſcheine kommt, laͤßt fich aus dem -,
Gefühlss und Empfindungsvermögen, aus der Den» Fraft und aus dem Begehrungsvermögen - ableiten.
—
Die Wirkungen, die ein Produkt unſerer Selbſtthaͤ⸗
tigkeit find, find Ausdruͤcke der Denfungs- und Sins ‚nesart, wovon jene durch den Verftand in’ Verbin dung mit dem Gefühlsvermögen, dieſe aber durch die
Sinnlichkeit i in Vereinigung mit dem Willen erzeugt
wird. Die beharrlichen Aeußerungen dieſes Letz⸗
tern geben dem Menſchen eine Eigenſchaft, die man Charakter mennt, welchen man demfelben ent⸗
weder beilegt ober abfpriche, je nachdem er ſtandhaft
oder wanfelmüutbig in Befolgung gewiſſer Marimen uiſt, die er feinem Begehren oder Verabfcheuen, feis nem Wollen oder Nichtmollen, kurz feinem Handet oder Unterlaſſen zum Grunde legt.
Auch bemerkt man an jedem Menſchen noch bald
—— mehr bald weniger Reizbarkeit und Empfänglichkeit, 7 für äußere und innere Eindrücke, und eine größere
oder geringere Lebhaftigkeit und Thaͤtigkeit, dieſelben
zu bearbeiten und zu bilden * wornach man das jedem
eigenthuͤmliche Temperament beſtimmt, vermoͤge wel⸗ ches ſich jemand bloß durch Triebfedern der Sinnlich⸗ keit beftimmen Jaͤßt. Es giebt daher zwei Haupttem⸗
| peramente, ein Femperament der Paſſivitaͤt
—
1
⁊
wDer: Reizempfaͤnglichkeit) und ein Temperament der Thaͤtigkeit, welche mehrere Unterabtheiluns gen zulaſſen, je nachdem das Eine oder das Andere ri mehr ober, weniger wirkſam beweißt.
Die Begenftäne, die auf unfer Genuüch Ei end machen und die Art und Weife, mie dieſes wige der aufijene zuruͤckwirkt, find .eben fo mannichfaltig alszaplreih. Das Gefühlsuermögen offenbart ſich Dürch andere Erfcheinungenrals die Denkkraft, und Bas Begehrimgsvermögen und die Denffraft find an⸗ Dein Verirrungen ausgefeßt, als der Wille. Jede Kraft :hat: seite: eigenthuͤmliche Thaͤtigkeit und eın eigenthuͤmtiches Geſetz, nach welchem fie verfähre und nach. weichem fie den ihr gegebenen Inhalt der Worftellungen behandelt und jede ift ein Spiel befons . berer Abweichungen von dem Pfade der Natur. Es giebt Krankheiten der Sinne, des Verſtandes und des Willens, die man nur dadurch heilen kann,
daß man die Hinderniſſe wegraͤumt, welche ihren
naturgemaͤßen Aeußerungen im Wege ſtehen und ſie u einer verkehrten Thaͤtigkeit noͤthigen. |
‚» Welchen Weg aber muß man bei dem Hefe tiren ‚über feinen innern Zuftand einfchlagen, um zu
einer gründlichen. und umfaffenden Kenneniß feiner
Selbſt zu gelangen, und wie muß man verfahren, "wenn man zur Bekanntſchaft mit dem, mas man ift, fonmen will? ‚Ehe wir diefe Fragen beantworten, ; - müffen wir vorher noch unterſuchen „warum wir uns
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— 106 und FP u ‘
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ſelbſt kennen lernen ſollen? In welcher Abfide ſoll
der Menfch feinen Gemuͤthszuſtand erforfchen und
wozu iſt Selbſtkenntniß tauglich?. Um zu erfahren,
was man vermöge feiner Naturanlagen thun fann
und zu thun hat, und wie mah bie Zwecke, bie fie
aufftelfen, am befter erreichen fan. Die Selbfts- fenntniß ſoll alſo ein Mittel feyn, ein ber Natur ger
maͤßes Leben: zu führen. Worin befteht num ein ſol⸗
ches geben? In der abfichtlichen- Unterordnung aller
. Gemürhsthätigfeiten unter Das Sittengeſetz. Hier trritt affo die Pflicht ein und.mo diefe gebeut, da fell
der Menfch geborchen, wenn er auch unter bem
Truͤmmern einer Welt vergraben. werden ſollte: denn wo das Moralifche herrſchen ſoll, muß das Phyſiſche ſchweigen „ und wo die Vernunft die Oberherrſchaft fuͤhren ſoll, muß die. Sinnlichkeit dienen. In der
ſterblichen Huͤlle weilt der Menſch bloß um der Pflicht willen; er ſoll ſtets moraliſch gut handela, was if
nun in Rücfiche der Erkenntniß erfoderlih, um Die ſem Gebote in allen Stuͤcken Gnuͤge zu Jeiften?. Mag
| muß 1) das | Geſetz, das die Richtſchnur eines Wi lenñs, den man gut nennt, ifl, und 2) Die Mittel und
Wege, wie man ftets die Boderungen Diefes Gefeßes
befriedigen fan, Pennen lernen.. - Das Gefeß- der moraliſchen Güte ift das Gefeß der praftifchen Vers nunft, und die Mittel find der freie, felbfiehätige und ſtandhafte Gebrauch aller unferer Anlagen und Kräfte zur Ausführung Des Gebosenen oder zur Uns
terlaffung des Verbotenen. Was nun als Mittel
| | mit einem bucchgängigen Gehorſame gegen bie Pfliche
zufammenhänge, ift ſelbſt Pflicht, Die Selbſtkennt⸗ uß beſteht u in der Kenntußß der urſpringlichen An⸗
|
‘ [2 ——
D “ x ' — — 107 J — ‘
| fagen und Kräfte des menfchlichen Gemuͤthes, ihrer
Gefeße und ihrer Wirkungsarten. , 2) In der Kennt⸗
niß de Einwirkungen berfelben auf einander und des
Verhaͤltniſſes, in welchem fie zur praftifchen Vers nunft ſtehen, und 3) in der Bekanntſchaft mic den Verirrungen und den Krankheiten des. menfchfichers Geiſtes, den Erfcheinungen, welche diefe hervorbrin⸗
gen, den Tugenden und den Saftern, den. Schwächen
und den Meigungen u. ſ. w. Da nun eine genaue
. Kenntniß aller diefer Dinge zu einem ununterbroches nen Recht⸗ und Guthandeln unentbehrlich ift, fo "fiede man ein, daß der Erwerb der Kenntniß feiner Selbſt als Pfliche geboten if. Der Menfch ſoll ſei⸗ nen intellektuellen und moralifhen Zuftend kennen,
um beide zu verbeffern und diefem Die Oberhand über, jenen zu verfchaffen. Indem alfo die Selbſtkenntniß zum Streben und zur Realifirung eines unbedinge ges
botenen Zweckes führt, erhaͤlt ſie einen weit hoͤhern |
Werth als alle jene. Kenntniſſe, welche bloß eine Ans weifung zum Gebrauche von Mitteln zur Srreigung bedingter Zwecke find.
—
Ohne Selbſtkenntniß ft der Menſch si eine Beute
der Unſittlichkeit, weil er theils nicht genau weiß, was recht und gut ift und daher ein Spielball jedes’ Eindrudes auf fein Gemuͤthe bleibe, £heils fich auf
dem labyrinthiſchen Pfade bes Lebens bloß einem Ge⸗ fühle anvertrauen muß, Das. ftets wandelt, bald
ſchwach, bald ſtark wirft und das von finnlichen Eine
drücken mobifizire wird. Er foll als vernimftig finn- liches Wefen alle feine Vermögen und Kräfte auebil- den; er. muß daher wiflen, wie er Dies anfangen ſoll
—
m.
» ios ZUBE
und wie er den gebotenen Zweck erreichen kann. En. muß alfo bei feinen Willenshandlungen ſo wohl ein Geſetz kennen, wornach er ſeine ergriffene Maxime zu beurtheilen hat, als ſich auch die Einſicht verſchaf⸗ fen, ob der Fall der Anwendung dieſes Geſetzes vor⸗ handen und ob die Handlung, welche er thun will, dem Gefeße gemäß und alsdann, ob diefelbe entweder durch daſſelbe geboten oder bloß erlaube ik... Webers ' dies wird er noch von finnlichen Lüften beftürme, von Seidenfchaften beherrfcht, von Begierden gefoltert, wie kann er jene befampfen und die beiden Letztern ſelbſt als Antriebe. zum Rechthandeln benußen ? «Er wird von böfen Gedanken beſchlichen, die feiner Ei⸗ genliebe und ſeinem Eigennutze ſchmeicheln, wie kann er den Sieg über dieſe verführerifche Geiſterrotte, bie unſichtbar die guͤnſtigſten Augenblicke zu ihren Anfäls len erhafchen und.die den Schein des Edfen, Großen ‚ und Erhabenen annehmen, davon tragen? Mur mit - „Hülfe der Selbftfenntniß darf er ſich mit. einem-glüds - lichen Erfolge in feinem Unternehmen fehmeichela. Die ſchlauen Neigungen und bie fchwärmerifehen Lüfte haben alle Schlupfwinkel ſeines Herzens beſetzt, bre⸗ chen unvermuthet hervor und ſiegen, ſo farige der Menſch nicht in feinem Gemuͤthe zu Haufe ift und ſo “fange er noch nfthe weiß, mit welchen Waffen er einem Zeinde Wiberftand leiſten kann, der alle Tüde und _ gift anwender, um feinen Beſitz zu behaupten, und feine Herrſchaft durchzuflgen.
Je tagendhafter der Menſch daher werden will "(und dies. foll er), eine deflo genauere und umfaffen« - _ dere Kenntniß feines Gemuͤthes ift ihm dazu noͤthig;
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— 169 —
and; . meht er ſich Bollfommenfeiten aller et; zu er⸗ Lämpfen Luſt hat, deſto genauer muß er die Kraͤfte,
den Muth und die Entfchlofienheit Fennen lernen, die _°
‚in feinem Innern unbenußt- liegen ımd die nur auf
feinen Willen und auf- feine Standhaftigkeit lauern, -
um fih in .alfer ihrer Stärte und in ihrem vollen Stange zu zeigen.
Der Menſch ſoll ſich alſo um ſeiner ſelbſt willen kennen lernen, weil er nur. durch Selbftfenntniß feine Beftimmung, welche in der vollendeten Ausbildung
aller feiner Kräfte zum Dienfte der hrelhel beſteht, u
‚ gu erreichen hoffen Fann.
| Aber wie muß man es anfangen, wenn man ſch u ſelbſt Eennen zu lernen und eine vollfommene Einfiche in ben Zuftand feines. Gemuͤthes zu erhalten wuͤnſcht?
Alle Bekanntſchaft mit fich felbft macht der Menfch durch Reflefeiren und alles, was er von fich weiß, hat er durch Nachdenken, durch Verftehen des Ges dachten, erlangt, Wir müffen daher jtets dasjenige,
was in uns vorgeht, ſelbſtthaͤtig auffaſſen und nach
eigener Einſicht bearbeiten, das Aehnliche und Un⸗ ähnliche, das Uebereinſtimmende und Nichtübereins
flimmende unter ‚einander vergleichen, Das Leibende
von dem Thätigen abfondern, die Gedanken, bie Neigungen, die Begierden und die Gefühle beobachs
een und alle Operationen unfers Gemuͤthes zu vers’ ſtehen und zu begreifen fuchen. Das Verſtaͤndniß
des in uns Vorhändenen iſt der Schlüffel zur Selbft«
kenntniß. , Denn fo lange man noch nicht weiß, mas
das bunte Gewuͤhle in ung für eine Bedeutung, für
> . , - . ⸗
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— 108 —
und wie er den gebotenen Zweck erreichen kann. Er muß alfo bei feiner Willenshandlungen fo wohl ein
Geſetz Eennen, wornach er feine ergriffene Marime _
zu beurtheilen hat, als ſich aud) die Einſicht verſchaf⸗ fen, 0b der Fall der Anwendung biefes Geſetzes vor⸗ . handen und ob bie Handlung, welche er hun will;
dem Gefeße gemäß und alsdann, ob diefelbe entweder
durch daſſelbe geboten oder bloß erlaube iſt. Webers dies wird: er noch von finnlichen Lüften beftüeme, von Leidenſchaften beberrfcht, von Begierden gefoltert,
wie fann er jene befaämpfen und die beiden Letztern
ſelbſt als Antriebe. zum Rechthandeln benugen ? «Er wird von böfen Gedanfen befchliehen , die feiner Ei⸗
genliebe und ſeinem Eigennutze ſchmeicheln, wie kann
er den Sieg uͤber dieſe verfuͤhreriſche Geiſterrotte, die unſichthar die guͤnſtigſten Augenblicke zu ihren Anfaͤl⸗
len erhaſchen und.die den Schein bes Edlen, Großen und Erhabenen annehmen, davon tragen? Mur mit
- Hülfe der Selbftfenntniß darf er ſich mit einem gluͤck⸗
lichen Erfolge in feinem Unternehmen ſchmeicheln. Die ſchlauen Neigungen und die ſchwaͤrmeriſchen Luͤſte haben alle Schlupfwinkel ſeines Herzens beſetzt, bre⸗ chen unvermuthet hervor und ſiegen, ſo lange der Menſch nicht in ſeinem Gemuͤthe zu Hauſe iſt und ſo lange er noch nſtht weiß, mit welchen Waffen er einem Feinde Wiberftand leiſten kann, der alle Tuͤcke und gift anwendet, um feinen Befig zu behaupten, und feine Herrſchaft durchzuſetzen.
dere Kenntniß feines Gemuͤthes iſt ihm dazu noͤthig;
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Je cogendhafter der Menſch daher (erben will (und dies. foll er), eine deſto genauere und umfaffen- -
— 100 — And je meht er ſich Voll ommenheinen aller Kt mi er⸗ raͤmpfen Luſt bat, deſto genauer muß er Die Kräfte, _
den Much und die Enefchtoffenheit Fennen lernen, bie“ .
‚in feinem Innern unbenußt liegen ımd die nur auf feinen Willen und auf- feine Standhaftigfeie lauern, - um ſich in aller ihrer Starte und in ifrem vollen Glanze zu zeigen. |
Der Menſch fol ſich alſo um i feiner ſelbſt willen Eennen fernen, weil er nur. durch Selbftfenntniß feine Beftimmung, welche in der vollendeten Ausbildung aller feiner Kräfte zum Dienfte der er Frelhel beſteht, | ‚ du erreichen hoffen kann. J
Aber wie muß man es anfangen, wenn man ſich u
felbft kennen zu lernen und eine vollfommene Einfiche in ben Zuftand feines. Gemuͤthes zu erhalten wuͤnſcht? Alle Bekanntſchaft mit ſich felbft macht der Menfch durch Reflektiren und alles, was er von fich weiß, Hat er durch Nachdenfen, durch Verſtehen des Ges dachten, erlangt. Wir müffen daher ſtets dasjenige, was in uns vorgeht, ſelbſtthaͤtig auffaſſen und nach eigener Einfichr bearbeiten, bas Aehnliche und Uns ähnliche, das Uebereinftimmende und Nichtüberein⸗ flimniende unter einander vergleichen, das Leidende von dem Thätigen abfondern, die Gedanken, bie Neigungen, die Begierden und die Gefühle beobach⸗ ten und alle Operationen unſers Gemuͤthes zu ver⸗ ſtehen und zu begreifen ſuchen. Das Verſtaͤndniß des in uns Vorhaãndenen iſt der Schlüffel zur Seldſt ⸗ kenntniß. Denn fo lange man noch nicht weiß, was das bunte Gewuͤhie in uns fuͤr eine Bedeutung, J
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— 110 — einen Urſprung und für einen Zweck hat, was gerabe zur Herorbringung dieſer und keiner andern Erſchei⸗ nung erfoderlich iſt und warum gerade dieſe Vorſtel⸗ lungen in uns zum Bewußtſeyn kommen, warum oft ein Gedanke zur Beſtimmung des Begehrungsver⸗ moͤgens hinwirkt und warum er ein andermal dies nicht thut, warum der Verſtand eine Vorſtellung gerade mit dieſer und mit keiner Andern Vorſtellung verbindet, warum uns manchmal die Gedanken bei Geiſtesarbeiten zuſtroͤmen, ein andermal von’ uns durch alle moͤgliche Anſtrengung nicht hervorgerufen werden koͤnnen, kurz, ſo lange man noch nicht das Wie, Woher und Wozu der innern Erſcheinungen einſieht, kann man auch noch feinen Anſpruch auf eine innere Bekanntſchaft mit ſich ſelbſt machen.
Zum Nachdenken über ſich ſelbſt fehle es dem’ Menſchen weder an Zeit noch an Gelegenheit: denn er ift für fich ftets zu Haufe und träge flets eine Welt voll Leben und Thaͤtigkeit mie fi herum. In der Einfamfeit und im Gewuͤhle der Welt liegt bas Ins nere feines Herzens vor ihm offen da, und er darf ſich nur entfehließen, ſich Aufffärung über fich ſelbſt ver ⸗ {haften zu wollen, fo hebt er den Schleier der Iſis auf und ſieht, was er iſt, was er war und was er ſeyn wird. |
Womit muß man bas Beobachten über fich, um: zue Selbſtkenntniß zu gelangen, anfangen und in. welcher Drbnung muß daffelbe gefchehen? 1) Den Anfang muß man nit dem Auffaffen folcher Erfcheis nangen machen, welche durch Die Wirkfamfeit der
Einne entſtehen. Manches iſt unſern Sinnen anges nehm, manches aber unangenehm, woher kommt dieſer Unterſchied in der Cinwirfung der Öegenftände auf uns? — Dasjenige, mas wir öfters ſehen oder hören, wird uns enblic) gleichgültig. — Das . Neue, das Ungewöhnliche, das Kontraſtirende erregt ſtets unfere Aufmerffamfeit. —. : Alle Gegenftände, die außer ung .eriftiren, find im Raume vorhanden, - .' alle Veränderungen derfelben aber gejchehen in der Zeit. — Das Schleichende mißfällt unfern Sinnen, -- das nicht allzu Schnelle, Lebendige und Bewegliche behagt ihnen. — Mancher kann feine Toͤne unters feheiden, ob er gleich fonft ein gutes Gehör und Ges fallen. an der Mufit hat; und mancher madje troß feinem Steige keine Fortſchritte in der Geometrie; weil er feine Begriffe außer fih in ber Anfchauung barftellen Cconftruiren) oder dieſelben nicht feſthalten und verfolgen kann, u. ſ. w.
2) Nunmehro muß man ſolche Erſcheinungen aufſuchen, die Produkte der Einbildungskraft ſind, weil auch dieſe ſinnlich ſind und uns mit leichter Muͤhe durch ſchon befannte Erfahrungen verſtaͤndlich ge⸗ macht werden koͤnnen, z. B. der Urſprung und der Grund des Wahnglaubens, wo man die Vorſtellun⸗ gen von den Dingen fuͤr die Dinge ſelbſt nimmt, oder wo man ſich einbildet krank zu ſeyn und es doch wirklich nicht iſt, oder der Traͤume, und anderer durch die rege und feurige Thaͤtigkeit der Einbildungskraft bewirkter Taͤuſchungen.
3) Die Begriffe des Verſtandes ſind ein ande⸗ | rer Gesenſtand, worauf wir unſere Aufmerfjamfeie '
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"einen Urſprung und für einen Zweck hat, was gerade ‚jur Herorbringung biefer und führer andern Exfcheis nung erfoderfich iſt und warum gerade biefe Vorftels lungen in ung zum Bewußtſeyn kommen, marum off ein Gedanke zur Beſtimmung des Begehrungsvers mögens hinwirft und warum er ein andermal bies nicht thut, warum ber Verſtand eine Vorſtellung gerade mit dieſer und mit keiner Andern Vorſtellung verbindet, warum uns manchmal die Gedanken bei Geiſtesarbeiten zuſtroͤmen, ein andermal von “uns durch alle mögliche Anftrengung nicht hervorgerufen werben koͤnnen, kurz, fo fange man noch nicht das Wie, Woher und Wozu der innern Erfcheinungen einſieht, kann man auch noch keinen Anſpruch auf eine innere Bekanntſchaft mie ſich felbft machen.
Zum Nachdenken über fich felbft fehle es dem Menfchen weder an Zeit noch an Gelegenheit: denn er ift für fich fters zu Haufe und trägt flets eine Welt voll Leben und Thaͤtigkeit mit fich herum. In der Einfamfeit und im Gewuͤhle der Welt liegt bas In⸗ nere feines Herzens vor ihm offen da, und er barf fich nur entfchließen, fih Aufffärung über fich felbft vere ⸗ haften zu wollen, fo hebt er den Schleier der Sfis . auf und ſieht, was er iſt, was er war und was er ſeyn wird.
Womit muß man das Beobachten über fi 6, um zur Selbſtkenntniß zu gelangen, anfangen und in welcher Ordnung muß daſſelbe geſchehen? 1) Den Anfang muß man mit dem Auffaſſen ſolcher Erſchei⸗ niungen machen, welche Durch Die Wirkſamkeit der
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Einne entftehei. Manches ift unfern Sinnen ange ' nehm, mariches aber unangenehm, woher komme Diefer Unterfchied in der Einwirfung der Gegenftände aufuns? — Dasjenige, mas wir öfters fehen-oder
hören, wird uns endlich) gleichguͤltig. — Ds
Neue, das Ungewoͤhnliche, das Kontraſtirende erregt ſtets unſere Aufmerkſamkeit. — Alle Gegenſtaͤnde,
die außer uns exiſtiren, ſind im Raume vorhanden,
alle Veränderungen derfelben . aber geichehen in dep Zeit. — Das Schleichende mißfällt unfern Sinnen, - das nicht allzu Schnelle, Lebendige und Bewegliche behagt ihnen. — Mancher kann Feine Töne unters fcheiden, ob er gleich fonft ein gutes Gehör und Ges fallen an ber Muſik hat; und mancher macht troß ſeinem Fleiße keine Fortſchritte in der Geometrie; weil er Beine Begriffe außer fich in ber Anfhauung darftellen Ceonftruiren) oder dieſelben nicht feſthalten und verfolgen kann, u. ſ. w.
2) Nunmehro muß man ſolche Erſcheinungen aufſuchen, die Produkte der Einbildungskraft ſind, weil auch dieſe ſinnlich ſind und uns mit leichter Muͤhe durch ſchon bekqnnte Erfahrungen verſtaͤndlich ge⸗ macht werden koͤnnen, z. B. der Urſprung und der Grund des Wahnglaubens, wo man die Vorſtellun⸗ gen von den Dingen fuͤr die Dinge ſelbſt nimmt, oder wo man ſich einbildet krank zu ſeyn und es doch wirklich nicht iſt, oder der Traͤume, und anderer durch die rege und feurige Thaͤtigkeit der Einbildungskraft bewirkter Taͤuſchungen.
3) Die Begriffe des Verſtandes ſind ein ande⸗ | rer Öegenfland, worauf wir unſere Aufmerkſamkeit
—
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- den der Körper auf den Geift und der. Geiſt auf den
v. .!
_ — 14 —
zum Handeln geneigt machen? Woher ruͤhron ns
bäßfichen und die Menſchheit entehrenden Erſcheinun⸗
gen in unferm Gemuͤthe, naͤmlich Rachſucht, Habe
ſucht, Ehrſucht und Herrſchſucht? Welchen Verire kungen iſt das Begehrungspermögen.auggefeßt? Kg welchem Verhaͤltniß ſteht as zur Denkkraft und woher fomme es, daß den Menſchen fo ſelten Ermaßnungeg
und Warnungen „ fondern nur ſelbſteigene wißliche
Erfahrungen auf beſſere Wege bringen? 8), Endlich muͤſſen wir den Einſtuß heobachten,
Koͤrper aͤußert, und wie beide einander in ihren, Ver⸗ sicheungen bald ftören,, bald unterftügen. . Marum macht ung der koͤrperliche Schmerz öfters das ſtrenge und zjufammenhängende Nachdenken ſo zuwider und ſtoͤrt
‚uns alfo im zufammenhängenden Nachaenkani Wars
’ x L
um nagt der Kummer fo gewaltig an unfergr, Geſunde
beit und wie geht es zu, daß er unfere geiftigen und
koͤrperlichen Kräfte fo ſchrecklich aufzehtt? „Worum
alters .mig dem, Körper gleichſam audy her--Geift? Bir geht ı e8 zu, daß man durch. gewiſſe Verftelluns "gen, 3. ®. durch imoralifche Ideen, gewiffe, koͤrper⸗ liche $eiden, welche von feinen Berleßungen- unfers Körpers herruͤhren, befänftige?, Wie kommt es, daß
der Biß eines tollen Hundes gemeiniglich den Ders
u wundeten in Raferei. ſtuͤrzt? Welches iſt der Grund,
vor einigen Jahren in Schwaben bei .dem Vor⸗
daß zu einer Zeit, wo alles zwiſchen Furcht und Hoffe nung ſchwebt und wenn diefe auch fange anhalten folks ten, fo wenige Menfchen fterben, wie.man nicht allein
rücen der Sranzofen in diefem Reichskreiſe ‚. fon« bern auch anberwärts beobachtet har?
4
— 115 —,
> . Wenn wir alfo anfänglich die Wirfungeh fees Bermbgens und jeder Kraft abgefondere.und einzeln
auffaffen, alsdann zw verwiceltern Erfcheinungen
irbergehen, welche die Erzeugniffe "mehrerer Kräfte.
zuſammen ‚genommen find und: den Ancheil und den
- Einfluß eier jeben.in Betrachtung giehen; fü.werden
wir baid zu einer genauen und: gründlichen Selbft- kenneniß ‚gelangen. Nat wir dürfen uns alsdann mit der Hoffnung fchmeicheln, auch Die ſchwierigſten
Erſcheinungen in uns airflöfen ober doch angeben zit , koͤnnen, warum fie nicht von uns erklärt werden koͤn⸗
nen, Bi niemand fann. zu der Einfiche gelangen, wie es möglich ift, daß das Vermögen der Freibrie auf die finnlihe Welt einwirkt, aber wir fonnen doch die Gründe von der Unmoͤglichteit einer ſolchen Ein⸗ Sicht angeben. un Be
I
„r 5
Aue. Selbrtfenntnig ſ fu. abet Enrtötsfenbei)
Beſonnenheit, ſtete Aufmerkfamfeir ımd.unerniüdert
Beharrlichkeie im Denken; inf Erklären aus und. nach Natururſachen, im Trennen und Verbinden der Ei fcheinungen, im Weberfchauen des: Ganzen und feiner X heile und im Selbſtverſtehen unentbehrlich. Das Er fte, was derjenige alfo thun muß, der fich felbft- kennen lernen will, beſteht darin, daß er die Erſcheinung, die er unterſuchen will, rein und vollſtaͤndig durch Selbfts thärigfeit und mit Beſonnenheit auffaßt, ihren Inhalt unterfuche und eine Einficht in alle ihre Beſtandtheile su erhalten ſtrebt. Eine Erfcheinung, von welcher man fich eine Kenntnig verfchafen will, : muß’ zerglieberg und alle ihre Beftanbtheile müffen unterfucht wor⸗
ben feyn, ehe man zur Erforfchung ihrer Urjache und | | 9% .
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jet Sanden enge maden? Sehr ren jan
haͤßlichen und die Menfchheit entehrenden Erſcheinun⸗
gen' in unferm Gemuͤthe, naͤmlich Rachſucht, Habe
ſucht, Ehrſucht und Herrſchſucht? Welchen Verire kungen iſt das Begehrungsyermoͤgen. ausgeſetzt? Sp welchem Verhaͤltniß ſteht es zur Denkkraft und woher komms es, daß den Menſchen fo ſelten Ermahnungez und Warnungen „ fondern nur ſelbſteigene wzißliche Erfabrungen auf beſſere Wege bringen?
8), Endlich muͤſſen wir den Einfluß heobachten,
den ber Körper auf den Geift und der. Geift auf den
" Körper aͤußert, und wie beide einander, in ihren, Ver⸗ richtungen bald ſtoͤren, bald unterſtuͤtzen. Marum macht ung der koͤrperliche Schmerz öfters das ſtrenge und zuſammenhaͤngende Nachdenken ſo zuwider und ſtoͤrt ‚uns alſo im zufammenhängenden NachdenkenWar⸗ um nagt der Kummer fo gewaltig an unferer, Geſunde
“heit und, wie gebt es zu, daß er unfere geiftigen und
koͤrperlichen Kräfte fo ſchrecklich aufzehrt? Warum altert mit dem Koͤrper gleichſam auch der Geift? ‚Bir, geht es zu, daß man durch gewiſſe Vorſtellun⸗ gen, z. B. durch moraliſche Ideen, gewiſſe koͤrper⸗ liche Leiden, welche von keinen Verletzungen unſers Körpers Gerrühren, befänftige?, Wie komme es, daß ‚ber Biß, eines tollen Hundes gemeiniglich den Ver⸗
wundeten in Raferei ſtuͤrzt? Welches iſt der Grund,
daß zu einer Zeit, wo alles zwiſchen Furcht und Hoffe nung ſchwebt und wenn diefe auch lange anhalten folk ten, fo wenige Menfchen fterben, wie.man nicht allein
vor einigen jahren in Schwaben bei dem Vor⸗
ruͤcken der Franzoſ en in dieſem Reichskreiſe, ſon⸗ dern auch anderwaͤrts beobachtet hat?
— us —,
Wenn‘ wir alfo anfänglich die Wirkungen jedes Vern und jeder Kraft abgeſondert und einzeln auffaſſen, alsdann zu verwiceltern Erſcheinungen irbergehen, welche die Erzeugniſſe mehrerer Kraͤfte zuſammen genommen find. und: den Antcheil und den - Einfluß einer jeden. in Betrachtung ziehen, fü. werben wir bafd ju:einer genauen und: gründlichen .Selbft- kenntniß gelangen. Ya! wir dürfen uns alsdann mit der Hoffnung fchmeicheln, auch Die ſchwierigſten Erſcheinungen in uns aufloͤſen oder doch .dngeben zu koͤnnen, warum ſie nicht von uns erklaͤrt werden koͤn⸗ nen, Bis niemand kann zu der Einſicht gelangen, wie es möglich iſt, daß das Vermögen ber Freiheit auf die finnliche Welt einwirkt, aber wir konnen doch Die Gründe von der Unmöglichkeit. einer ſolchen Ein— ſicht angeben. A — 2 EEE
"gu. Selbfttenntnig ſ Ab aber Erefiloffenbeie Beſonnenheit, fiete Aufmerkſamkrit umb.unerniüder? - Beharrlichkeit im Denken, inf Erklären aus und nach Natururſachen, im Trennen und Verbinden der Er ſcheinungen, im Ueberſchauen des Ganzen und ſeiner Theile und im Selbſtverſtehen unentbehrlich. Das Er⸗ ſte, was derjenige alſo thun muß, der ſich felbft-fennen - lernen will, beſteht darin, daß er die Erſcheinung, die er unterſuchen will, rein und vollſtaͤndig durch Selbſte thaͤtigkeit und mit Beſonnenheit auffaßt, ihren Inhalt unterſucht und eine Einſicht in alle ihre Beſtandtheile zu erhalten ſtrebt. Eine Erfcheinung, von weicher man fih eine Kenntniß verfchaffen will, muß’ zergliebert und alle ihre Beſtandtheile müffen wnterfucht wor⸗ den feyn, ehe man zur Erforichung ihrer Urjache und
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W 3* ——— 4 r zum Auffuchen ihrer Abſicht fortgehen kann. Was it ein Traum? Im Schlafe träumen wir und das
Schlafen ift dem Wachen entgegen geſetzt. So wohl
Am Zuftande des Träumens als des Wachens haben sole Vorſtellungen, . wie. unterfcheiden ſich nun diefe BBorftellungen von einander? Im Wachen find wir uns bewußt, daß der Gegenftand unſrer Vorftellung wirklich ifE und. dag unferg Gedanken demfelben ent⸗ fprechen oder wir wiſſen auch, daß unfere Borftellung bloß ein Phantom ift. „Iſt aber jenes nicht auch der Fall im Traume? Wir hören, ſehen, fühlen, fore= hen und handeln und wer kann uns die Gewißheit von Diefer Wirklichkeit, die uns fo deutlich einleuchtet, abſprechen?“ Im Wachen reihen wir Vorſtellung an Vorſtellung, und ſind uns der Verbindung und des Zuſammenhanges derſelben mit Andern bewußt. „Im Traume thun wir daſſelbe, wir ſehen ruͤckwaͤrts und varwaͤrts auf unſere Gedanken. Worin bee ſteht denn alſo der Unterſchied unſerer Vorſtellungen in dieſen beiden Zuſtaͤnden? Im Wachen iſt der Ge⸗ genſtand, "Den wir uns vorſtellen, durch die Sinne,
‚im Traume aber bloß durch die Einbildungskraft vor⸗ yhanden; in jenem find wir ung feiner Beharrlichkeie im Raunie, feiner VBerfhicbenheit von andern Ges -
. genftänden und feines Zuſammenhanges mit Andern
deutlich bewußt, wir koͤnnen ihn mehrmals und zu verſchledenen Zeiten unterſuchen, weil er beharrt, - ober wenn er auch entflieht, fo koͤnnen wir ihn doch : ala mit ‚andern Gegenftänden verknuͤpft willführlich zurücrufen und wir haben ein Bewußtſeyn bee Identitaͤt unferer Perfonlichfeit; in diefemm hingegen - verjchwindee das Bewußtſeyn des Dajeyns und ber L
— 17 —- — Wirklichkeit des geftäumten Gegenftandes mit dem Aufpören des Traumes und, wir wiſſen, daß er ' bloß ein Schattenbild, eine Täufchung war. „Allein wir träumen doch manchmal ſo lebhaft, daß wir beim Erwachen nicht mehr wiffen, ob wir wirklich von dem Gegenftande, von welchem wir geträumt, eine Erfahrung gemacht haben oder ob er bloß ein: Traumbild gewefen it, Wenn ein folder Fall ein⸗
tritt, fo. fcheinen die Vorftellungen, die wir im Zraume .-,
gehabt haben, der-Wirklichkeit an Gewißheit nicht nachzuſtehen.“ Solche Träume find fehr. felten und find entweder Die Ausgeburten eines Franken Zuftans des oder. doch die Worboten einer nahen Krankheit, die fich fhon im Körper bei der völligen Unthaͤtigkeit aller Sinne wirkſam beweißt: übrigens fünnen wie auch die Vorftellungen, die wir im Wachen haben, - an wirklich vorhergehende Erfahrungen anreihen,, fie mit ihnen vergleichen und zu einem Ganzen vers binden ,. welches mit ben Vorftellungen im Traume nicht angeht, welche, wenn wir nüchtern und befons
nen alles unterjuchen, ſich in feine Wirklichkeit eine .
fügen wollen, fondern allein und. abgebrochen da ſtehen. Ein Traum iſt alſo die Vorſtellung und das Bewußtſeyn eines Gegenftandes im Schlafe, den bie Einbildungstraft durch ihe Gaukelſpiel hervorruft und uns als wirklich vorhanden hinzaubert und deſſen wir und beim Wachen erinnern *), daß er: bloß ein .
9 Ich ſpreche bier von Träumen, deren wir und noch nach dem Erwachen bewußt find: denn Hiele ver⸗ ſchwinden ſchon sin mis dem erfien Schritte aus dem Bette.
— 1 \
— 118: —
Gefſchorf der Einbildungskraft war und sap: ber ges‘ I traͤumte Zuſtand nicht mehr iſt.
Nach der Erforfchung- des Inhaltes eines Ge⸗ genſtandes muß man 2) die Quelle aufſuchen, welcher er ſein Dofeyn verbanft. - Das Irrereden iſt ein ‘Prod
dukt der Einbildungskraft und des Verſtandes. Der Wahnſinn enefpringe: entweder aus gekraͤnktem Ehrs geige, oder aus getaufcheen Hoffnungen oder aus ver« wirrten Begriffen, und bat aljo feinen Grund ents wweber im Begehrungsvermögen und im Verſtande zugleich oder indem $eßtern allein, je nachdem man
porber etwas außer ſich durch Freiheit hat verwirk⸗ lichen wollen oder nicht. — Was bemerkt man fuͤr Kennzeihen an dem Hochmürhigen? Der Hochs mürbige denkt fich über.alle feine Miemenfchen erha⸗ ben, ſieht verächtlich auf fie herab, will niemand Als feines Gleichen anerkennen und macht fogar noch die Anfoderung, daß Andere fi fich ſelbſt geringer ſchaͤtzen ſollen als er fi ſchaͤtzt: woher entſteht dieſer thoͤrigte Wahnglaube? Grenzenloſe Eigenliebe, uͤbertriebene Vorſtellungen von feinem Werthe und Unbekanntſchaft mit der moraliſchen Natur bes Menſchen find die Ur⸗ ſacherdes Hochmuthes, deſſen Quelle alfo der Verſtand und das Begehrungsvermoͤgen zugleich iſt. Wie bewirken aber dieſe beiden Kräfte dieſe Erfcheinung, und warum zeige fie ſich nur bei Einigen, da boch alfe dieſe als’ zum Charakter der Menſchheit gehörigen | Anlagen haben? Wie und warum mird jemand hoch. | muͤthig? Die Urſachen des Hochmuthes ſind theils Außere, theils innere. Unſinnige Schmeicheleien Andäerer und daher entſtandener Eigenduͤnkel und
| — 271 —-
Wirklichkeit des geftäumten Gegenſtandes mit: dem Aufpören des Traumes und, wir mwiffen, daß er bloß ein Schattenbild, eine Täufhung war. „Allein wir träumen doch manchmal fo lebhaft, daß wir beim Erwachen richt mehr wiſſen, ob wir wirklich von dem Gegenflande, von welchem wir geträumt, - eine Erfahrung gemacht haben oder ob er bloß ein Traumbild gewefen iſt. Wenn ein folder Fall eine.
tritt, fo fcheinen die Vorftellungen, die wie im Zraume. :
gahabe haben, der-Wirklichkeit an Gewißheit nicht nachzuſtehen.“ Solche Träume find fehr,felten und find eutweder die Ausgeburten eines franfen Zuftans des ober. doch die Vorboten einer nahen Krankheit, die ſich ſchon im Körper bei der völligen Unthaͤtigkeit aller Sinne wirfjam beweißt: übrigens können wie auch die Vorftellungen, die wir im Wachen. haben, - an wirklich vorhergehende Erfahrungen anreihen,, fie mit ihnen vergleichen und zu einem Ganzen vers binden ,. welches mit den Vorftellungen im Traume nicht angeht, welche, "wenn wir nüchtern und befons non alles unterſuchen, ſich in feine Wirklichkeit eins fügen wollen, fondern allein und. abgebrochen. ba | ſtehen. Ein Traum ift alfe, die Vorftellung und das Bewußtſeyn eines Gegenftandes im Schlafe, den bie Einbildungstraft durch ihe Gaukelſpiel hervorruft und uns als wirklich vorhanden hinzaubert und deffen wir ung beim Wachen erinnern *), daß er: bloß ein .
*) Sch fpreche bier von Träumen, beren wir ung noch nach dem Erwachen bewußt find: denn piele ver⸗ ſchwinden ſchon sin mis dem erſten Schritte aus bem Bette.
L 3; \
. traͤumte Zuſtand nicht mehr iſt.
— — — —
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—R 118 — PORN der Einbildungkruft war und daß der ge⸗ |
Nach der Erforfchung: des Inhaltes eines Ge⸗ genſtandes muß man 2) die Quelle aufſuchen, welcher
er ſein Daſeyn verdankt. - Das Irrereden iſt ein Pro⸗
dukt der Einbildungskraft und des Verſtandes. Der
Wahnſinn entſpringt entweder aus gekraͤnktem Ehr⸗
geize, oder aus getaͤuſchten Hoffnungen oder aus ver⸗ wirrten Begriffen, und hat aljo feinen Grund ents weder im DBegehrungsvermögen und im Verſtande zugleich oder in dem Letztern allein, je nachdem man porher etwas außer ſich durch Freiheit hat verwirks
lichen wollen oder nicht. — Was bemerft man für
Kennzeichen an dem Hochmuͤthigen? Der Hochs muͤthige denfe ſich über alle feine Mismenfchen erha« ben, ſieht verächtlich auf fie herab, will niemand als feines Gleichen ‚anerfennen und macht fogar noch Die
Anfoderung, daß Andere ſi ſich ſelbſt geringer ſchaͤtzen ſoollen als er ſich ſchaͤtzt: woher entſteht dieſer thoͤrigte
Wahnglaube? Grenzenloſe Eigenliebe, uͤbertriebene
Vorſtellungen von feinem Werthe und Unbekanntſchaft
mit der moraliſchen Natur des Menſchen ſind die Ur⸗ ſachendes Hochmuthes, deſſen Quelle alſo der Verſtand
und das Begehrungsvermoͤgen zugleich if: Wie
bewirken aber dieſe beiden Kräfte dieſe Erfcheinung, und warum zeigt fie ſich nur bei Einigen, da doch alfe diefe als zum Charakter der Menſchheit gehörigen
| Anlagen haben? Wie und warum wird jemand hoch⸗ J muͤthig? Die Urſachen des Hochmuthes ſind theils
. dußere, theils innere. Unſinnige Schmeicheleien 7 Anderer und daher entſtandener Eigenduͤnkel und
— 119 —- | j | abechechige Hochſchaͤtzung ſeiner ſelbſt, wodurch Ver⸗ achtung anderer Menſchen entſteht und Unkunde in
bem moraliſchen Geſetze, vor welchem ſich jeder bes
ſonnene Sterbliche beugt, find die gewöhnlichen Vers Anlaffungen des Hochmuthes. — Wenn man jes mand einen Schwärmer nennt, was verfteht man unter diefer. Benennung? daß er 1) auf gewiſſe Dinge einen höhern Werth legt, als man vernünftiger Ieife
‚darauf fegen kann, 2) daß er feine Einbildung ent
weder für die Vorftellungen von wirklichen Gegen⸗ fländen oder fie diefe felbft haͤlt und 3) daß er ſich oft eine Erkenntniß von Dingen zuſchreibt, die fein. Sterblicher befißt, oder Borftellungen realifiren will, "
Die. gar nicht verwirklicht werden koͤnnen. Die ‚Schwärmerei firebt alfo bald nad) unmdglichen Er⸗
kenntniſſen „ bald nach unmoͤglichen Handlungen und entfteht Durch bie Coalition Dunkler Geflihle entweder mie Gedanken oder mit Willensmarimen, welche die Einbildungskraft zufammenmifcht, durch ihre ſchoͤpfe⸗
rifchen Zuthaten verunftalter und ſie uns als ausfuihr⸗ ——
bar oder als wirklich vorſpiegelt.
Da. uns aber daran gelegen ſeyn muß, alle
- Quellen der Erfcheinungen in unferm Gemüthe fen nen zu fernen, fo müffen wir ung bemühen ‚. eine volls
ſtaͤndige Kenntniß aller’ unferer urfprünglichen Anlas
gen und Kräfte, ihrer fpezififch = verfchiedenen Wir⸗ Fungsarten, ihrer Gefeße, ihres Inhaltes, ber
Grenzen ihrer Anwendbarkeit und ihres wechfelfeitis.
gen Einfluffes zu verfchaffen. Bloß die Einficht in basjenige, was wir von Natur find, verhilft ung zu
einer gründlichen Kenntniß von dem, was wir durch
\
| - 120 — | Kunft worden find. So bald wir baher bie urfprängs
lichen Thätigfeiten des menſchlichen Gemüches genau
fennen. find wir auch weit beſſer im: :Stande, dass
jenige an jeder Erſcheinung, die wir in uns gewohr
‚werden, heraus zu heben, was ein Werk dieſer ober jener. Anlage und Kraft ift, als es ohne eine folge Naturkenntniß der Fall ift.
Die meiften Erfcheinungen, bie wir burch innere Erfahrung in uns kennen fernen, find ein Probufe _ des Zufammenmirfens mehrerer Kräfte, befonders if dies mit allen Krankheiten und mit allen Berirrungen des menfchlichen, Geiftes der Hall: es ift daher beim Selbſtbeobachten fehr geoße Aufmerkſamkeit nörhig, , um,eine Einficht in das wechfeljeitige Zuſammenwir⸗ Een. unferer verjihiedenen Geiftesvermögen und Kräfte zu erlangen und den Antheil und den ‘Beitrag einer jeden Anlage zu einer wahrgenommen a Erfcheinung beſtimmen zu koͤnnen. UmMd wenn wir die Erfcheinun« gen, welche durch die Thätigfeit mehrerer Kräfte hervorgebracht werden, kennen gelerut haben, fo müffen wie auch unterfichen, was entfiebt, wenn mehrere, und zwar verfchiedene Meigungen, Affckte, Begierden und Seidenfchaften in einem Punkte mit einander zufammentreffen und fih mit einander vers einigen? Was erzeugen Liebe und Haß, wenn. fie ihren Urfprung einem und demfelben Objekte zu vers danken Haben? Die Eiferfucht. Was bewirken der - Geiz und ver Mißmuth, der Neid und die Schadens freude, der Ehrgeiz und die Verzweiflung u. f. m. in ihrer Vereinigung für Erfcheinungen? Die Wirs ... ungen, welche durch bie Coafition folcher Neigungen
—
\ i fe 121x ——
und. Affekten entſtehen, find zahlreich und. verlangen ein aufmerffames amd angefirengtes Studium, um Die Urſachen und die Folgen ſolcher wechfelfeitigen - ‚Einwirkungen beſtimmen zu Fönnen.
Welche Regeln muß man aber bei- dem Streben nach Selbftfenntnig beobachten und welche Methode muß man dabei befolgen? Man muß.
= ce) ftets auf fich und feinen Zuſtand aufmerfs fam feyn und alles Sremdartige, was uns in der. Selbſtbeobachtung ſtoͤren kann, abſichtlich entfernen;
2) das Aehnliche in den Erſcheinungen in uns aufſuchen und daſſelbe mit einander vereinigen und das Unäpnliche abfondern und davon abftrahiren, um durch Einheif der Vorftellungen Verftändlichfeit in das Ganze Ju bringen;
3) alles Bemühen nach dem Erwerben von Selbſtkenntniß auf einen moralifhen Zwed ber
sieben, um feinem Nachdenken durch moralifhe _
Staͤrkungsmittel zu Hälfe zu kommen und den Geift vermittelſt derfelben gegen Ermattung und gegen . \ Muthloſi igkeit zu ſichern;
4) von den einfachen Eeſcheinungen zu den zu ⸗ | fammengefeßten, von bem Befannten zu dem Unbes kannten, von dem Gewoͤhnlichen zu dem Ungewöhns
lichen, von dem $eichterflärbaren zu dem Schwerer; aufzuioͤſenden, von dem Beharrlichen zu dem Fluͤch⸗ gen, yon Empfindungen und Gefühlen zu Gedan⸗ ken und Ideen u. |. w. fortgehenz
Kunft worden find; So bald wir daher die urſpruͤng⸗ lichen Thätigkeiten des menfchlichen Gemuͤthes genau kennen. ſind wir auch weit beſſer im Stande, das⸗ jenige an jeder Erſcheinung, „die wir in uns gewahr ‚werden, ‚heraus zu heben, was ein Werk Diefer oder jener Anlage und Kraft ift, als es ohne eine ſolche Naturkenntniß der Fall if.
Die meiften Erfcheinungen, bie mir Durch innere Erfahrung in ung kennen lernen, find ein Produkt des Zufammenmirfens mehrerer Kräfte, befonders ift Dies mit allen Krankheiten und mit allen Verirrungen des menfchlichen, Geiftes der Fall: es ift daher beim Selbſtbeobachten fehr geoße Aufmerkſamkeit noͤthig, um,eine Einſicht in das wechſelſeitige Zuſammenwir⸗ ken unſerer verſchiedenen Geiſtesvermoͤgen und Kraͤfte zu erlangen und den Antheil und den Beitrag einer jeden Anlage zu einer wahrgenommen a Erſcheinung beſtimmen zu Eöntien. Und wenn wir bie Erfcheinun« gen, welche burd) bie Thätigfeit mehrerer Kräfte hervorgebracht werden, kennen gelernt haben, fo müffen wir auch unterfichen, was entfiebt, wenn mehrere, und zwar verfchiedene Meigungen, Affckte, Begierden und teidenfchaften in einem Punkte mie einander zufammentreffen und fih mit einander vers einigen? Was erzeugen Liebe und Haß, wenn fie ihren Urfprung einem und demfelben Objekte zu vers danken haben? Die Eiferfucht. Was bewirken der - .Geiz und der Mißmuth, der Neid und die Schadens . freude, der Ehrgeiz und die Verzweiflung u. f. m. in ihrer Vereinigung für Erfcheinungen? Die Wirs kungen, welche durch die Coalition folcher Neigungen
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und. Affekten enrfichen ‚ find zahlreich und. verlangen ein aufmerkfames amd angefirengtes Studiuni, um
die Urfachen und die Folgen folcher mwechfelfeitigen -
Einwirkungen beftunmen zu koͤnnen.
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Welche Regeln muß man aber bei- dem Streben nach Selbftfenntnig beobachten und welche Methode
muß man Dabei befolgen? Man muß ce) ſtets auf fih und feinen Zuftanb aufmerfs
ſam feyn und alles Fremdartige, was uns in ber.
Selbſtbeobachtung ſtoͤren kann, abſichtlich entfernen;
2) das Aehnliche in den Erfcheinungen in uns - auffuchen und daflelbe mit einander vereinigen und
das Unähnliche abfondern und davon abftrahiren,
um dur Einheit der Vorftellungen Verftänblichfeit
in das Ganze Fu bringen;
3) alles Bemühen nach dem Erwerben var
Selbſtkenntniß auf einen moralifchen Zweck bes ziepen, um feinen Nachdenken durch moralifche Stärkungsmittel zu Hülfe zu kommen und den Geift
vermittelſt berfelben gegen Ermattung und gegen .
Muthloſi igkeit zu ſichern;
von ben: einfachen Eeſcheinungen zu den zu -
| fammengefeßten, yon dem Befannten zu dem Unbes Fannten, von dem Gewoͤhnlichen zu dem Ungewöhns lichen, von dem $eichterflärbaren zu dem Schwerer; aufzuidfenden,, von dem Beharrlichen zu dem Fluͤch⸗ tigen, von Empfindungen und Gefühlen zu Gedan⸗ ken und Ideen uf w. » ſorthehen;
— 223 —
5) ſich uͤber altes , was im Sewuthe vrihehe⸗ fees und. zivar nad) Noturgeſchen Auffchiuß zu ver⸗ ſchaffen ſtreben;
6) ſich haͤufig mit Andern uͤber die Eiſhenin⸗ ‚gen, die man in ſich bemerkt hat, unterhalten, , um, eine ausgebreitetete Anſicht von ben Dingen wi ers balten; ;
7) feine Erfahrungan an die Erfahrungen An⸗ derer halten, um durch die Vergleichung jener mit biefen das noch vorhandene Dunfel zu verſcheuchen;
3dy ſich öfters, Zweifel und Einwendungen gegen die Reſultate, die man burch eigenes Nachdenken er⸗ beutet hat, machen; |
\
9) dag Wahrgenommene aufſchreiben um es mehrmals und zwar zu verfihiedenen Zeiten ‚ in einer verfchiedenen Geiftesftimmung “und in Verbindung mit andern, manchmal fremdartigen Erfiheinungen durchdenken zu koͤnnen;
10) Schriften, „welche Erſcheinungen uͤber die menſchliche Natur enthalten, fleißig und mit Aufs merkſamkeit burchlefen und das Meue, Auffallende und Ungemöhnliche anmerfen; | |
11) ſich oͤfters in die Lage eines Andern ver⸗ J ſetzen und alsdann ſeine derſelben angemeſſene Stim⸗ mung, Gefühle und Gedanken beobachten;
12) ſich manchmal abſi chtlich in Gefahren ſtuͤr⸗ zen, um ſo wohl waͤhrend dieſer Zeit fein · Gemuͤth zu helauſchen, als-auch feinen Muth und feine Stande haftigkeit i im Denken zu erproben;
us 123 ns
J 13) jederzeit nach der Urſache und nach bein
Zwecke einer Erſcheinung, bie uns in die Augen fälle;
fragen;
j 14) fi eelbſt Eeſcheinungen ausk nen und fi ch in einen denſelben angemeſſenen Gemuͤthszuſtand zu perfegen ſuchen, um haͤufigere Gelegenheit zum Nach:
denken über fich zu haben und ſich dadurch eine gröfe
ferg dertigfeit | im Refleftiven zu erwerben. Und
15) endlich über bie Erſcheinung, über welche wir ſelbſt nachgedacht haben, die Bemerkungen nach⸗
leſen, welche. Andere darüber gemacht haben, die⸗
felben mie den Unfrigen vergleichen und wenn es '
nöthig feyn follte, die Letztern durch die Erſtern bei
u richtigen,
Ein ſolcher Rampf mie uns ſelbſt verſchaft ung fü wohl Geuͤhtheit im Denken als uns auch das Auffucheri und Erffären’ unferer verfchiedenartigen Bemuͤths⸗
äußerungen zur Selbſtkenntniß verhilft. Wer ag . ftees über füch felbft nachdenfe, ‚Die.Urfachen und Abs
fihten der in fih mwahrgenommenen Erſcheinungen fleißig erforfcht, fih entweder durch fich felbft: oder mit Hülfe Anderer bei diefem Gefchäfte, wo man
ſich fo Teiche verirren kann, zu orientiren bemuͤht ift
und alles nad) und aus Natururfachen erklärt, Hat
den boppelten Gewinn, dag er fy wohl ſelbſt denken
als ſich ſelbſt kennen lernt.
Diele Menſchen machen ſich mit dem Himmel
vertraut und vergeffen darüber. die Erde, noch mehr |
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[20 — “ , . . j s } N EEE TUT) CE Tu 7271 ur ⸗ X . Eapitel; ia 2”, «2 5 4
Was muß man anamderm Menfgen beoba ch⸗
gen und wie muß man fie beobachten, ‚um ſich
wendet zu erweiben und zu⸗ gSlecch ſebſt benten zu lernen? „
- . .. ".: 59 % I. . . ' “ . 5 44 J
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N. NIE N 7] Wer keine Einfre in feinen. eigenen innen Zu⸗ ſtand befige, wird auch Andere nur oberflächlich fons ‚ hen lernen, ‘weil der Menfch fich den Gemuͤthszuſtand _ Anderer bloß durch eine ausgebreitete Bekanntſchaft ne Nehoſelbſt erklaͤren und verſtaͤndlich machen kann. Alla Erfcheitungen an Andern ſind uns .unverfländt fi, wenn wir ihre Wirffamfeit oder folche, .: bie Aehnlichkeit mit ihnen haben, nicht in uns felbft etz fahren haben. Niemand Fann ſich eine richtige und urrffende Borſuſſung son der Höllerpein der Eifer⸗ fucht machen ⸗ alatwer ſelbſt dieſe Folterſchmoͤrzen ide duldet hat. . Aus. aind nach uns feleit beurtheilen und errathen wir Andere; aus unferm ¶ Gemuͤthszuſtande
tragen wir die Eigenſchaften auf den Ihrigen uͤber "und pflegen uns durch Hinzuthun oder Hinwegnahme
veodgyirgend eine derſtlben ihne Mimniichabeſchalenheit,
wie wit zum wenigſten glauben, der Wehrhen —
werſſtelen⸗ mia. a der MT Jede I ERIEAE D E E 5
Was wir nicht feißft } erfahren haben, fuchen
wie durch Analogie zu errathen. . Es giebr Erſchei⸗
ungen, welchaenle in unſern Immern gehaufetHaben und dieſe machen‘, wir uns dunch ſolche Erfahrungen deutlich welche mit denſelben irgend eine Aehnlich⸗
J
— 120 — Feit- haben, mag dieſe nun: nahe ber euere Tan, Aber wit. fchließen- nicht allein aus Anclzz:s 2,: 1-8 Zuſtand und dia Beſchaffenheit des Antern, om. miernehmen auch dns Widerſtratende zu Hilfe, Sy benfen. ung gerade das Ürgenthäil von dem /; 2, Beim Wahnſime), was wir. felbft an ung beobechter oder ſelbſt empfunden haben. Auf dieſe Art Diane wir uns einen Zugang in das Innere anderer Men- {hen und, durchbrechen das Heiligthumm —— mungen und Gedatken durch Solbſtkenntniß. liegt daher fahr viel daran, Daß. 'mir--ehre. ba Welt in uns aufregen, und .diefe Reyſamkeit au dieſe eben digkeit derſelbenn ſtets unterhalten, damit noir mancherlei Zuſtaͤnde durch feldfkeigene, Erfahrungen kennen fernen, um, alsdann mit, Hififesderfelben An ” dere richtig beustheisen zu koͤnnen. Mar muß felbſt vieles, verfuchen, Am ſich durch GSelbftehärigfeid.fp wohl. Klugheit: als, Menfchenkenniniß zu ermersen.
. Das Schidfal fpich. niche fo geauſam mie dem ten‘ (chen, als wie oft mähnen, daßıss dieſelben bloß dur h Schaden Hug zumachen fucher denn menu - Dies nid dep Fall, wäre,. fo wuͤnden wir nm Boden. hängen bleiben und: wie viele Vortheile würden wir entbehrea müffen, und. welchen Becher würden; ‚mir, amdie | ‘ Fly uaferer Kräfte erleiden ¶ Me Bu
ti; 5 rn. te .dn 2.3 ru Aber bie Kennniß y. die: wir von und ihre N dere erwerben, vermehrt. aud) die Selbſtkenntniß Wir bemerken an ihnen den Einfluß, den dieſer oder jener innere oder äußere Zuſtand auf; ihre Denfungs _ ‚art und Handlungsmeife hat. Wir vermeiden dahet vjelleiche die Klippen, an. denen ſie ſcheiterten, ober wit
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fuchen auch bie Vortheile auf, die ſie durch irgend j
eine Fertigkeit oder Tugend einerndteten. Nichts vermag uͤber den Menſchen mehr :als das Veifpiel, Thatſachen ſprechen Tauter und eindringlicher als die einleuchtendeſten Ermahnungen oder Warnungen, und Anfchaumgen wirken maͤchtiger auf die Beſtim⸗ mung bes Begeprungsverihögens-als bioß⸗ Begriffe
wwa⸗ müffen und was koͤnnen wir an Anbern beoba cheenr Was faͤllt uns zuerſt an ihnen in die Augen und was feſſelt gleich beim erſten Anblicke un⸗ ſere Aufmerkſamkeit? Ihre Geſtält, ihr‘ Betragen, ihre muͤndlichen Aeußerungen, ihre Handlungen, kurz ihr Aeußeres, ihr Thun und Treiben wird uns zuerſt hemerklich und iſt der Anfang unſerer Unterſuchungen uͤber den Andern. Hierbei aber dürfen wir nicht fichen, bleiben, fondern wir müffen unfere Beobach⸗ tungen weiter treiben, wie muͤſſen ihr Inneres zu bes lauſchen und unvermerkt in bie Werfftätte einzudrins
gen ſuchen, wo Gedanken gebilder, Pläne: gefchmies pet, Gefimungen gebören und Trug und Lift erſon⸗
nen werden, wo der Duell des Guten und Boͤſen,
der Gedanken und Gefühle -raufcht und wo det
Menſch in:feiner- wahren Geſtalt erfcheint. Wie ges
- x langen wir ’aber in Das Innere des Menſchen und: wer reicht uns den Naben der Artadne, damit wir uns in dieſem· Labyrinthe nicht” verirren? . Das dußerlich
Wahrgenommene ift der Wegmeifer zu Diefer Werk⸗
ſtaͤtte des Geiſtes und auch der Leitfaden in demſelben,
Aus den einzeln Handlungen eines Menſchen ſchließen
wir auf die Abfichten und Marimen, die dDenfelben zum Grunde liegen und ans mehren Handlungen,
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die wir ihn thun ſehen oder die wir von ihm erfahren, auf die Beſchaffenheit ſeines Charakters. Seine
Worte, Meinungen und Grundſaͤtze eroͤfnen uns ſeine Denkungsart, ſein Thun und Treiben giebt uns den Schluͤſſel zu feinen Geſinnungen und feine äußere Geſichtsbildung verraͤth uns feine größere ober gerin- gere Geiftesthätigfeit und feine Naturanlagen. Und “aus allen diefeg Wahrnehmungen feßen wir ein Gan⸗ 3e8 zufammen, das uns zu einer Einfiche in feine ganze Gemuͤthsbeſchaffenhet verhilft.
Bei allem dieſen Rathen und Schließen aber“ dürfen wir ung felbft nicht aus den Augen verfieren, ſondern 'müffen die Erfahrungen über uns ſelbſt zum
| Verftändniß des Andern zu Hilfe nehmen. Das:
uns an dem Andern Unbekannte müffen mir aus dem
erklären, was uns an ung felbft befanne ift. Allein,
hierbei iſt viel Vorſicht und viele Aufmerffamfeie nöthig: denn nirgends-ift ein Irrthum leichter als in der Enträrhfelung des Andern durch die Selbſtkennt⸗
niß; mir dürfen nur eine Eigenheit an bem Andern überfehen oder etwas hinzuthun, was ihm nicht zu⸗
komme, fo erhalten wir ein unrichtiges Reſultat und
wie haben’ den Andern gänzlich verkannt. Es iſt v4 her nöthig, das Erperiment der Erflärung des Ans derh durch unfere eigene Semüthseigenfchaften mehr⸗
mals zu wiederholen, feine Aeußerung von alfen Seis ten zu durchforſchen, fie in allerlei Geſtalten zu wer⸗ fen und neue Compoſitionen mit ihnen vorzunehmen, manchmal das Gegentheil von dem ; was wir durchs Nachdenken über den Andern als Ausbeute erhalten haben, zu denken und uns ‚ gleich dem Dromerpeus,
Kunſt ın ſenken.
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— 130 —
als ſeinen Bildner zu zeigen. Wir muͤſſen Menſchen formen, wenn wir ihr Inneres kennen lernen wollen, um fie beliebig und nach allen Richtungen unterſuchen zu kbnnen.
Die Geſinnungen und die Denkungsart ſind die Quellen, aus denen die Antriebe zum Handeln her⸗ vorſpringen, und die Menſchen werden bei ihrem Thun und Treiben ſo lange dieſem von uns angenom⸗
mienen Erkenntnißgrunde ihrer Gemuͤthsbeſchaffenheit
nicht untreu, als nicht ein großer Gewinn ſie zum Gegentheile reist. . Allein läßt fie auch manchmal der Eigennutz, die Thorbeie oder der Eigenfinn das Ges ‚gentheil von allem jenem thun, was Andere unter bies
fen Umftänden gethan haben, und werben wir alſo
dadurch in unſern Schlüffen irre gemacht, fo ent wifchen fie doch nur auf kurze Zeit. unferer Einfiche in ihre wahren Abfichten. Wir erhafchen doch bald wieder einen Faden, der uns in ihr Inneres leitet und vermittelt welches wir ihre Geheimniffe errarben. Wie feben die Gründe ihrer Abweichung von ihrem fonft gewöhnlichen Verfahren” ein, und wir kehren wieder auf den Pfad zurück, von welchem wir ‚ausgegangen find.. : Der Menfch iſt bloß ein’ Ges ſchoͤpf von Widerſpruͤchen in den aͤußern Erſcheinun⸗ gen, in ſeinem Innern bleibt doch Einheit und Har⸗ monie, mag ſich wandeln was da will, er bleibt feis ner Gefinnung und feiner Denfungsare getreu. : Die “augenbliclichen Abweichungen, die wir manchmal gewahr werden, find nur ſcheinbar, weil das J Sanere ſich nicht mit veraͤndert.
’
Aus, den Thaten, Meinungen und Gedanken der Menfchen Fonnen wir ferner auf Die Größe ihrer -
Geiftesfräfte ſchließen, von welchen jene ein Probufe und alfd deren Maaßſtab find, und aus der Art der - Anftrengung, mit welcher fie zum Worfcheine fom« _ ‚men, rathen mie auf die $eidenfchaften und Affekee,
welche in ihnen haufen. Die Verſchiedenheiten,
welche wir unter den Menfchen bemerfen, rühren :
theils von den größern oder geringern Geiſteskraͤften, theils von dem Zuſtande und der Lage, in welcher ſie ſich befinden, theils von der Erziehung und dem Un⸗ terrichte her, den ſie genoſſen haben. Ein thaͤtiger
und feuriger Geiſt giebt dem Beobachter ſchwierigere Raͤthſel aufzuloͤſen als ein unthaͤtiger und kalter, weil | die Erfcheinungen, welche ein Werf feiner Selbſt⸗
thaͤtigkeit find, öfterer wechfeln und alfo den Zufchauer mit neuen unbefännten Materialien sum Nachdenken | verforgen. Es ift daher eine angeftrengtere. Auf⸗ merkſamkeit und groͤßere Gluͤbtheiti im Denken noͤthig, wenn man lebhaftere und ſchoͤpferiſche Gemuͤther ken⸗
nen lernen will. Allein es giebt doch gewiſſe feſte
Punkte, auf welche man auch.in Anſehung ihrer ſein
Nachdenken richten kann und dieſe ſind ihr Charakter, ihre Gefinnung und ihre Denfungsast, deren Kennss niß ung ficherlich auch Aufſchluß über ihre Handlun⸗ gen verſchaffen wird.
Die feibenfejaften find gewaltſame Ausbruͤche der Begierden oder der Verabſcheuungen, wo der Menſch ſich vergißt, und ohne Maske erſcheint und wo man leicht tiefere Blicke in ſein Inneres thun kann. Aus den Schlupfwinkeln des Herzens kommen als⸗“
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dann, wenn bie Wurh_der Seidenfchaft tobt, Zůge zum Vorſcheine, die man bisher noch nicht an dem Andern bemerkt hat und die nur auf eine Gelegen⸗ heit lauerten, um ſich in ihrer eigenthuͤmlichen Ge⸗ ſtalt zu zeigen. Daher müffen wir auf ſolche Erſchei⸗ nungen an bem Andern beſonders aufmerkſam fe.
Die Sitten, der Charaser, bie Geſtalt ‚ die Denkungss und die Sinnesart, die Neigungen, Die Begierden, die Leibenfchaften, bie Anlagen und bie.
RKraͤfte des Geiftes, Die Meinungen und die Orundfäße
ſind alfo dasjenige, was wir an dem Andern zu beobs - achten und kennen zu lernen haben. Die blöße Bes obachtung des Aeußern des Menfchen. gleicht einer Blüte, die taub iſt, fie gewährt feinen Nutzen; das ‚ Eindringen in fein Inneres hingegen eroͤfnet ung die herrlichſten Ausſichten sum Gewinne An dem Aeufs | fern lernen wir bloß Geftalten fennen, aber nicht die
Art ihres Seyns, ihres Wirfens und ihres Ent-
ſtehens; Durch Bekanntſchaft mie dem Innern aber -
erlangen wir eine. vollftändige Kenntniß des geiftigen
Lebens bes Menfchen. Allein nie dürfen wir beide Punkte, das Aeußere und das Innere, von einander . trennen, weil jenes ber Abdruck, wenn auch nicht immer, doch haͤufig, von dieſem iſt und weil uns jede Kenntniß der Denkungsart, der Geſinnung und des Charakters des Andern unmoͤglich ſeyn wuͤrde, wenn
- wir nicht von dem Aeußern ‚susgiengen, welches ber. einzige Weg zu dem Innern iſt. Der Menfch kann
‚alles bloß durch die Wirkungen Pennen lernen, bie Kräfte, wie fie an und für fich find, . bleiben auf ewig vor ihm verborger. Alſo möfen wir bie äußern Ers
-, 133 —
ſcheinungen, die wir an bemi Andern gewahr werden, als Führer in fein Inneres anfehen, und beide zweck⸗ mäßig zur Erflärung des Einen duch das Andere benußen,
Da wir jeßt.wiffen, was wir .an Anbern beob⸗ achten follen, um Menfchen kennen zu lernen, fo ents ſteht nunmehro die Frage, wie müflen wir Andere beobachten und welche Regeln müffen wir dabei be» "folgen, um uns durch Kenntniß Anderer zugleich Fer⸗ figfeit im Denken zu erwerben?“ Wir müffen uns 1) eine Menge verfchiebener Data über. andere Mens - ſchen einfaommeln und diefe alfo in mehrern tagen. . beobachtet haben, ehe wir. ein Urtheil über fie fällen . und ein Reſultat aus unfern Beobachtungen über fie ‚sieben, weil wir, wenn wir einmal ein Endurtheil über jemand gefällt Haben, nicht gern unfere Meinung von- ihm ändern, wenn wir auch einfehen follten,-daß unfer Urtheil unrichtig iſt. Diefe Entfcheidung uber ans dere Menſchen darf nicht Durch Vorurteile beftimme werden; wir muͤſſen uns vor jeder vorgefaßten Mei⸗ mung hüten, durchaus confequens beim Urtheilen ver⸗ fahren und nichts folgern, was ſich nicht aus den vor⸗ handenen Datis als Votderſaͤtzen ergiebt. |
2) Wenn mir den Andern fennen fernen wol⸗ len, fo müffen wir auf feine Mienen, Bewegungen, Stellung, Haltung bes Körpers, auf fein Betragen, auf-feine Gewohnheiten, Sitten, Urtheile, Meinune gen, Grundfäße ‚, Handlungen u, f. w. aufmerken, und dasjenige, was dem Temperamente ‚ dem Chas rafter, der Geſinnung und der Denkungsart anges
f
Se — 134 * hoͤrt, von einander abſondern, sches für ſich betrach⸗ ten und alsdann wieder unter einander vergleichen; die Urſache und die Abſicht aller derjenigen Erſchei⸗ nungen, die wir an ihm gewahr werden, aufſuchen, um uns uͤber ſeinen Kopf und ſein Herz einen belle ſtandigen Aufſchluß zu verſchaffen.
3) Dürfen wir uns nicht in dem, was wir an Andern ſelbſt beobachten koͤnnen, durch fremde Ur⸗ theile leiten laſſen, ſondern muͤſſen alles ſelbſt unter⸗ ſuchen, pruͤfen, durchdenken und nach ſelbſteigener
Einſicht uͤber jemandes Werth und Cyeralrer ent⸗
ſcheiden. 11
4) Die Data, Die uns etwa noch zur xFillung eines Endurtheife über den Andern fehlen, koͤnnen wir aus unferer eigenen Gemüthsbefchaffenpeit nehmen, wein ſte mie der Seinigen durch die Sinnes und Denkart verwandt if. Wir muͤſſen aber vorſichtig dabei ver⸗ fahren, damit wir nicht etwa eine Aehnlichkeit er⸗ blicken, wo feine iſt, und damit wir nicht Gruͤnde zur Beurteilung des Andern bervorfuchen, welche nicht treffen, weil das Urtheil, wodurch wir ung die⸗
ſelben verfchafften, erfchlichen iſt.
5) Ferner muß unfer ftetes Beftreben dahin
gehen, zu unterfuchen, ob die lirtheile, von welchen
wir zur Ziehung eines Mejultates über den Andern - . Gebrauch machen, gegründet und richtig find, ob fie eonfequent find und ob die Folgerungen mie den Vor⸗ ‚derfäßen in einem genauen Zufammenhange ftehen, ober ob wir in unfern Schlüffen Sprünge gemacht,
135 —7 ” \
mehr aus dem Vorhergehenden gefolgert haben, als
in demſelben enthalten ift, ob wir nicht uns durch
einen falfchen Schein auf einen Irrweg haben führen
laſſen, wo wir gar nicht mehr im Stande find, den “ Andern richtig zu würdigen, oder ob wir nicht ein«
feitig entfchieden haben, indem wir theils befannte
Erfcheinungen abfichrlich übergangen oder das Ganze und feine Theile nicht gehoͤrig durchdacht und eroͤrtert haben.
6) Unfer Gemüth muß rubig ſeyn, wenn mir Andere beobachten. wollen: denn wenn wir ſelbſt von Leidenfchaften beſtuͤrmt, von Begierben und Neigun⸗ genñ gepeinigt und wenn ſelbſt Orkane in uns toben, u wie wollen wir die Erfcheinungen an dem Andern uns. verfaͤlſcht auffaffen koͤnnen? Wie wollen wir alle Züge bemerken, Die er während feines Thuns ud Treibens.uns verräch und wie wollen wir Blicke in fein Inneres thun koͤnnen, da uns ſelbſt Verblendung gefeſſelt haͤlt? Ungeſtoͤrte Aufmerkſamkeit und ununs terbrochene Beſonnenheit ſind daher zum Beobachten Anderer eben ſo unentbehrlich als zur Kenntniß unſe⸗ rer ſelbſt. |
7) Die Euſſchloſenhelt ſelbſt zu denken und PR nen eigenen Verſtand zum Probirftein der Wahrheit zu machen, ift ein fehr zweckmaͤßiges Mittel, die Zins fterniß zu zerſtreuen, welche dag Leben, die Denfungss art und den Charakter des Andern umgiebr.
8) Jede Meinung, jedes Wort, jede Aeuße⸗ rung ſowohl der Denkungsart als der Geſinnung des
TEEN
—
— 136 —
Day ne
| Anden: muß von und forgfältig aufgefaßt und erläus
tert werben; un wenn es ung auch Anftrengung und
‚Kampf Eoften ſollte, Einheit und Verſtaͤndlichkeit in dies bunte Mannichfaltige zu bringen, ſo duͤrfen wir | doch den Muth und.die Hoffnung eines endlichen Ge⸗
fingens in ber Kenutniß des Andern nicht finfen laſſen.
‚Der Kühne und der Fleißige 'erbält Aufſchluͤſſe, die
dem Feigen und Traͤgen verborgen bleiben: das
Gluͤck will geſucht ſeyn, wenn es bei uns einkehren
ſoll; daher muß au) derjenige, der Menfchenfenntz
niß einfammeln will, Gefahren wagen und Muͤhſelig⸗
"keiten beſtehen , um durch Erhöhung feiner eigenen Empfänglichfeie für äußere Erfcheinung defto Kiefer i in.
Das Verborgene des Andern einzudringen.
9) Mir müffen nichts: in unfere Vorſtellungen ufneßimen, mas mir nicht begreifen, und wo wir
weder. Sufammenhang noch Abficht einfehen y weil „das, Unverftändliche eine gänzliche Zerrüttung unter den Gedanken anrichtet und uns die Luft zu fernern Anſtrengungen raubt. Wir dürfen daher auch Feine. ‚ Merkmale in die Beftimmung unfers Urcheiles über den Andern fich einfchleichen laffen, deren Grund und .
Bedeufung ung nicht, einleuchtenb ft,
. 10) Bir muͤſſen Andere öfters in andere Ver-
haͤltniſſe ſetzen, als diejenigen ſind, in welchen wir ſie beobachtet haben, und ſie ihren uns ſchon entdeckten Eigenſchaften gemäß handeln laſſen, um ſie ſowohl von mehrern Seiten betrachten zu koͤnnen, als auch
eine groͤßere Fertigkeit in der Enthuͤllung ihres Ge⸗
muͤthes zu erlangen. Die Lage aber, worein wir ſie
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* 4
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feßen, darf anfänglich nicht allzu ſehr verfchieden von Derjenigen ſeyn, in welcher wir fchon Betrachtungen über fie angeftelle haben, damit wir uns nicht erwa ‚ einer gänzlichen Verirrung preis geben. Aus dem 0 jenigen, mas wir fie thun gefehen haben, -fchliegen wir auf dasjenige, was fie unter andern, aber nicht allzu unähnlichen, Umftänden thun werden, a Er) Alles, was wir an dem Andern gewahr werden, muß eben fo wie die Naturwirkungen, ang, Nafururfachen erkläre werben, wenn s auch aus der Freiheit des Willens entſprungen feyn ſollte. Der Menſch muß von uns mit allem, was er iſt und thut als eine Naturerſcheinung, die in den Feſſeln der Nothwendigkeit wirkt, angeſehen werden und wir J müffen fo. lange innerhalb der Grenzen der Natur fortfolgern, bis wir den. erflärenden Grund der wahr⸗ genommenen Erſcheinung gefunden haben. ”
12) Bei der Erforfchung des Andern muß uns
fee Augenmerk aud) befonders darauf gerichter feyn,
das Unveränberliche und Nothwendige in demfelben
ausfindig zu machen, weil es ber Anfang ift, wovon
alles, was er iſt und thut, ausgeht und das Ende, -
wo alle Wirkungen aufhören. „Was iſt denn aber
dies Unveraͤnderliche und Unwandelbare? Es wech⸗
ſelt ja alles an dem Menſchen, weil er ein Gefchöpf. ‚ber Zeit ift, wo nichts beharret, ſondern alles wan- | delt.“ Es iſt zwar nicht zu laͤugnen, daf der Menih -
ein veränderliches Gefchöpf iſt, allein es muß doch an
ihm etwas geben, das bfeibe und moraus felbft das.
Wandelbare hervorgeht, Er iſt in feiner Jugend —
[= — 138 Band
eine unbefchriebene‘ Tafel; "Die erften Eindruͤcke,
Buchſtaben, Worte, Meinungen und Grundſaͤtze,
|
die er oder Andere darauf fihreiben, fpotten allev Umwandlung; fie find unvertilgbar und kommen ſters wieder zum Vorſcheine, wenn er fie auch manche mal zu verwifchen fucht, bis ihn felbft das alles vers fchlingende Grab aufnimmt. Die Gefinnung und die Denfungsart und Durch beide ber. Charakter wer⸗
. den fon in ber Jugend. gebildet und ihre Phyſiogno⸗
mie bleibe, wenn auch alles wechfeln follte. Der Charakter ift zwar das Werf der menfchlichen Sreis heit und der Menſch ift der Schöpfer deſſelben, allein er modelt ihn doch nach) jenem Unveränderlichen, das in feinem Buſen lebendig if. Es giebt alfo für den Menfchenbeobachter einen Punfe, ben er zu erreichen und Fennen zu fernen ftreben muß, von wo aus er
"das ganze Triebwerk des Andern Iberfehen und mo
er die Urfache alles. Thuns und Laſſens, alles Sins nens und Denfens, das er wahrnimmt, auffindet.
| Der Menſch ift vermöge des Grundtriebes fei« ner finnlichen Natur ein eigennüßiges Geſchoͤpf: viele
‚Beobachter betrachten'ihn daher bloß aus diefem Ge⸗
ſichtspunkte und glauben vermittelft deffelben den Schluͤſſel zu allem, was er will, begehrt, denkt und
| thut, gefunden zu haben. Allein ſollte der Menich-
auch größtentheils dem eigennüßigen Triebe frößnen, _
fo ift der Eigennuß doch weder die einzige noch die
. böchfte Triebfeder feineg Handelns: denn es fpricht 0 ein Geſetz in ihm, das undedingten Gehorfgm fodert -
und wehe dem, ber der Stimme deffelben Fein Gehör - giebt! Es zerfchmertere ben Böfewicht durch feine
\
—139 — Vardammung und erhebt den Guten durch das Ge⸗ | fuͤhl feiner Erhabenbeit gen Himmel. Diefes Geſetz verlangt Unterwerfung unter ſeine Gebote von allem, was in der Bruſt des Sterblichen webt und lebt und
dieſer kann ihm auch gehorchen, ſobald er nur will.
Sein Wille iſt in moraliſchen Dingen allmaͤchtig: die
Freiheit iſt daher das Element des Menſchen, wo er ſich Herzensguͤte und moraliſche Größe erkaͤmpͤfen und wo er ſich ſchon auf dieſer Erde unſterblich marhen
kann , denn feine Tugenden gehen eben fo wenig ver⸗
loren als ſein Geiſt einer Zerſtoͤrung unterworfen iſt.
Andere beurtheilen den Menfchen bloß als eiin Weſen, das einen Hang zum Boͤſen hat und waͤhnen, in dieſer Anficht Aufſchluß über alles ſein Thun und
"Treiben gefunden zu haben. Cie glauben, er thue
Yo
alles aus Abfichten, die das Sittengefeß verdammt -
und bafche i in alffen feinen Willenshandlungen bloß
nach dem, was ihm Vortheile verfpriche und gluͤck⸗
‚Tich zu machen fcheint. - Allein wenn wir auch einen Hang zu böfen und eigennüßigen Maximen im Hers zen des Menfchen zugeben, fo iſt er ibm Doch nicht angeboren und. er gehört nicht als ein Beſtandſtuͤck der menfchlichen Matur zu feinen urfprunglichen An⸗ fagen, fondern er hat fich denfelben durch einen Akt der Freiheit zugezogen und er kann daher denfelben
. auch wieder ausrotten, ja er foll dies chun. Dieſe
‚Pflicht der Einnesänderung zum Guten fteht feft wie "die Säulen ‚der Ewigkeit. Man irre alfo, wenn ' man alles, was die Menfchen finnen und thun, aus diefem Hange zum Boͤſen herleitet: denn kann es
nicht der Fall ſeyn, daß jemand das ee ſchon be⸗
\
ſiegt und das Gute zu feiner herrfehenden Maxime
‚gemacht hat oder Bann er nicht bald aus guten, bald . aus’ böfen Abfichten handeln? Wir beuerpeilen ihn alſo unrichtig, wenn wir eine einzige Marime zum |
Quell ‚feiner Handlungen machen,
oo „Der Menſch aber muß doch aus einer Abſicht — handeln, und man muß alſo doch einen Grund an⸗ nehmen, aus welchem man alles ſein Thun und Trei⸗ ben ableitet? Welches iſt nun dieſes Prinzip, aus und nach welchem der Menſch thaͤtig iſt und wie ver⸗
wahren wir uns ſowohl vor dem Irrthume und vor der Einſeitigkeit in unfern Urtheilen als vor dem
ſchrecklichen Gedanken, daß der Menſch bloß boͤſe
‚ und eigennuͤtzig und alſo ein Teufel in Menſchengeſtalt fen? Ihn als ein gänzlich uneigennugiges Geſchoͤpf x anfehen, dawider fpricht die Erfahrung zu fehreiend als daß wir uns in diefen fchmeichelnden Traum eins
wiegen laffen könnten und ihn als ein bfoß eigennügi»
ges Werfen beurtheilen, da giebe es wiederum der edlen und moralifchguten Handlungen zu viele,“ als
- daß unfere Meinung gegründet feyn kdante. Wir
muͤſſen ihn daher in pſychologiſcher Hinſicht +) ‘weder als: ein ‚bloß gutes. noch als ein bloß böfes
Weſcn betrachten, ſondern müſſen auf Erfahrung
*) Der moraliſche Religionslehrer, der ſich die Beſſe⸗
rung des Menſchen zum Geſchaͤfte macht, muß bei ſeinem Lehren und Ermahnen die Menſchen als zum Boͤſen geneigt annehme⸗, damit dieſe erfahren, wo fie ihre Bekehrung anfangen müffen, und wo der faule Fleck, der ausgetilgt werden muß, perborgen iſt.
4
= 141.
and Vernunft. geſtuͤtzt annehmen, daß er bald die Vernunft der Sinnlichkeit, bald diefe jener unterord⸗ net und daß er bald. gut, bald boͤſe handel, Be⸗ folge man. bei feinem Streben, nach Menſchenkennt⸗ niß biefe Marine, fo verfündige man fich weder an - . ber Goͤttlichkeit der menſchlichen Natur, noch an der Erfahrung; man lernt ihn in feiner Größe und in ſei⸗ wer Niedrigkeit kennen und wenn man auch gegen eihs zelne Menſchen wegen ihrer Laſter der Treuloſigkeit, der Tuͤcke, der Verſtellung, der Schadenfreude und der Kriecherei, der Herrſchſucht u. ſ. w. Verachtung fuͤhlt, fo tilgt doch nichts, ſey es auch noch fo ſchaͤnd⸗ Nlich, die Hochachtung gegen Die Menfchheit. in uns aus, welche, wenn fich auch alle Menfayen-als Schur ten und Böfewichter zeigten, ung boch nicht an ihrer Ruͤckkehr auf den fleilen Pfad der Tugend verzweifeln läßt, Die Menfchenfenntniß foll uns niche zum Mien- . ſchenhaß verleiten, ſondern defto eindringlicher die Ausfuͤhrbarkeit der Gebote der Vernunft lehren: wir! muſſen den Menfchen alfo kennen lernen ‚ wie er von Natur iſt, welche Anlagen und Kräfte und welche Beftimmung er hat. Haben wir eine, vollftändige Erkenntniß von dem urfprüngfichen Senn und Wirs fen des Menſchen eingeſammelt, dann laſſ en wir die
Hoffnung der Beſſerung der Menſchen nie fähren,
dann werden wir immer Die menfchliche Natur hoc) achten, wenn wir auch) einzelne Menfchen zu verach- ten genörhige würden. Mur diejenigen vorgeblichen Menſchenkenner affefeiren Verachtung. der Menfchen und Verzweifelung an einer beffern Zufunfe, Die niche tief genug in das Innere des menfchlichen Gemuͤthes eingedrungen find, die nicht feine urſpruͤnglichen
}
" — 142 —
Kraͤfte und die durch bieſelben ausgeſprochenen noth⸗ | wendigen Foderungen der Natur Pennen und die nicht durch ten zur Menſchenkenntniß über- gegangen find.
Es giebe gewiſſe gangbare Säge, die, wenn fie genau unterfuchet werden, immer etwas Wahres enthalten, wie die Spruͤchwoͤrter, in denen man die allgemeinen Wahrheiten indivibualifiete. Die Wahr⸗ ” heit pflanzte fid) durch fie fort, ob man fie gleich eben
. fo wenig benußte, als man den fitelichen VBorfchriften geborchte. Der Menfch, fage man, ift ein . Gefchöpf der Gewohnheit; man will dadurch andeufen, daß er fich an alles gewöhnen find daß er durch Uebung alles aus fid) machen fünne, was uͤber⸗ haupt mit den Gefegen feiner Natur verträglich. ift. Er nimme die Sitten, die Denfungsart und die Ger finnungen derjenigen an, mit denen er umgeht; er _ ſchwoͤrt auf die Meinungen, welche ihm durch Unters richt beigebracht worden find; er.liebt und haßt, bes wundert und verachtet, beneibet und verfchmähr, was er die Gefellfhaft, worin er lebe, aus diefem Ges
ſichtspunkte betrachten ſieht. Iſt auf diefem Wege nicht ſchon oͤfters das Unvernuͤnftigſte und Wider⸗ natuͤrlichſte zu allgemein gangbaren Meinungen ge⸗ ſtempelt worden und hat man nicht ſchon oͤfters Dinge als wahr und wirklich angenommen, die kein Sterblicher jemals geahndet und die in keines Men⸗ ſchen Sinn gekommen ſind, ja ſo gar ſolche, die uͤber den Horizont der menſchlichen Erkenntniſſe hinaus⸗ liegen?
= 143° — Der Menſch wird nur durch Sqchaben
| Plug: er erlangt namlich To lange feine Feſtigkeit und Stärke im Urtheilen und Handeln, als er nicht
durch Ungluͤck gewitzigt und durch Schmerzen auf ſich und auf fein Verhaͤltniß zu den Dingen aufmerffam worden iſt. Er fhäßt nur das, was er eindringlid) kennt und er fücht nur das zu vermeiden, mas ihn
mit Seiden bedrohte, Eine lebhafte Erinnerung an '
das Ungemach, das er eröulder hat, muß ihm zu
Hülfe fommen, ehe er meife genug nichts weiter thut,
als was recht und nuͤtzlich ft
Durch Irrthum geht der Weg zur
Wahrheit. Was wir auf Treu und Glauben an⸗ nehmen, iſt ſo gut als gar nicht waͤhrend unſers Thaͤ⸗
tigſeyns vorhanden: es hat keinen Einfluß weder auf
unſern Willen, noch auf unſere Denkungsart. I Alles, was ſich durch Thaten wirkſam bezeigen ſoll,
muß in uͤnſer Seyn und Weſen verwebt worden ſeyn.
Ohne eine Kenntniß des Irrigen giebt es für uns
keine Wahrheit, weil diefe in der Einficht in das⸗ jenige befteht, was einem Gegenflande zukommt und - was ihm nicht beigelegt werden.fann. Verneinun⸗ ‚gen führen endlich zu Bejahungen und man kann
oͤfters auch leichter beftimmen, was eine Sache niche
iſt als was fie ift, weil man beim Letztern ihren eigen«
thümlichen Charakter angeben müßte, der uns aber - völlig unbekannt bleibt, z. B. was ift ein Geift, was:
iſt Freiheit? In der Philofopbie beftehr die größte
Weisheit oft darin, daß man weiß, was man nicht
!
Eu 14 —. wiffen und warum man feine Kenntniß davon haben kann | z. B. von der iberfinnfigen Welt. | \
.
Der Menſch muß fihb mit Andern fireiten, wenn er denken lernen milk „Barum foll denn aber der Weg zu feiner Mündjgs
keit durch Verdruß geben und warum foll alles Gurte -
erft aus dent Uebel hervor keimen?“ Beim Strei« ten, fo lange es noch nicht allzu leidenfchaftlich wird,
. werben die Geiſteskraͤfte angeſpannt, Die Aufmerk⸗
famfeit wird erhöher und bie Ehrbegierde gereist, alles dies floͤßt uns Luſt zu größern Anftrengungen,
und Muth, Gefahren zu beftehen, ein. Auch diene
das Streiten dazu, daß man fich zu unterrichten eile,
um nicht Blößen zu zeigen und fi) durch Unwiſſen⸗
heit dem Gelächter preis zu geben. Der Menſch verſinkt leichter in Traͤgheit als er ſich zur freien Selbſtthaͤtigkeit erhebt; jene iſt eine Eigenſchaft des Körpers, dieſe des Geiftes; da aber öfterer Die Maſ⸗
ſen, als die Geſchicklichkeit und der Wille ſiegen, ſo
triumphirt auch oͤfterer der Koͤrper uͤber den Geiſt. Es iſt daher Streit und Kampf noͤthig / um durch
Uebung in der Selbſtthaͤtigkeit dieſem den endlichen Sieg über jenen zu verſchaffen.
Warum ſieht niemand des Vormittags Geſpen⸗
ſter (ausgenommen wer aus Macht Tag macht)? Weil .Öejpenfter ſich nicht mit Geiftern vertragen.
—
185
Des. Vormittags ſteht das Leben in feiner ſchönſten Bluͤthe und der Geiſt wirkt gewaltig und kraͤftig auf alles, was ſich ihm zur Beſchauung darbietet. Er ergruͤndet mit leichter Muͤhe das, was durch alle An⸗ ſtrengung des Nachmittags nicht herausgebracht wer⸗ den konnte. Sollten daher nicht alle abſichtlichen Entdeckungen und Erfindungen Vormittags gemacht worden ſeyn, wo der Geiſt mit Energie, Scharfſinn und Erfindſamkeit ausgeruͤſtet iſt?
Geordnetes Denken erhäle.die Gefundheit des Geiſtes, wie Bewegung die Geſundheit des Koͤrpers erhaͤlt.
Die Menſchen haſſen oder beneiden den Gluͤck⸗ lichen und bemitleiden doch den Ungluͤcklichen.
‘
- Nur, Heine Geifter geben ftets der ſtegenden ‚Partei recht: große hingegen nehmen ſich der Ge⸗ ſtuͤrzten an; dieſe müßten denn Blut wie Waller ge⸗ trunken haben. Mag einer ſolchen Vertheidigung immer eine Art von Rechthaberei zum Grunde liegen, ſie zeigt doch immer, daß man das Recht auch an dem Ungiueilihen achtet.
Die Menſchen. ſind ſich Felbſt einan⸗ der der Teufel. Dies ſind ſie nicht, ſondern fie - Kunſt gu deuten. K
41
146 —
vertreten gegen einander bie Stelle des Saljes, das fie gegen Faͤulniß ſchuͤtzt.
Iſt es wahr, daß jeder, der geſund iſt, das Leben unter allen Guͤtern am meiſten liebt? Ich habe
Menſchen gekannt, die ihre Pflicht, Andere, die
ihre Ehre dem Leben vorzogen. Jeder liebt das am
meiſten, was er fuͤr das Hoͤchne und Schazbarſte anſieht. As
Paradoxien find Reizmittel fir den. Geift: und
ohne Reize giebt es. fein Leben. Je mehr daher ja mand in Paradopien ſchwelgt, deſto mehr erhoͤht er ſeine geiſtige lebenetraft·
I
Die meiſten Menfchen bewundern alles an dem
Reichen, Betitelten und Gewaltigen, und.der Arme, der Titellofe und der Obnmächtige kann ihnen nichts
gut genug machen und wenn feine Reben Goldkoͤrner, ſeine Gedanken Lebensbalſam waͤren, ſo wuͤrden ſie dieſelben doch einer Kritik unterwerfen, welche nach allem Hin = und Herbefchauen nichts als gewẽhnliche Dinge an ihnen zu finden behauptet, |
Die Gegenftände „ woran wir unfere Denkkraft ‚üben und vervollkommnen wollen, muͤſſen manchmal
gewechſelt werben, damis ſelbſt die Neuheit der Sachen eine Seſtetarens werde. Von der Beob⸗
|
= 1,
J adtung ber Natur zur Ergründung der Menſchen und umgekehrt, von dieſer zu jener uͤbergehen und beide, in allerlei Geſtalten betrachten ‚if für sorf und Her Erquickung · f |
N on ’
Die meiften Großftädter : fi nd ſehr alltaͤgliche |
Menſchen, weil fie.der Natur untreu worden, die.
ſich daher fuͤrchterlich an ‚Ihnen räche) , Ind eben ſo wenig allfeitig ausgebildee fi nd,. als fie Energie in Gedanken und Handlungen; zeigen. |
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Ss . \ *
Dos. Herz des Menſchen läge fich eher. befeiebi gen. als-fein Kopf, der unerſaͤttlich iſt, fo bald er ein mal Stärke und Kraft errungen bat. Er bebt und webt in Idealen — in. dem ‚Unendlichen, „nud
ſtrebt nach ihrer Realiſi irung; das Herz hingegen =
fäße fi) mie Winfchen, Hoffnungen, Berfprechuns | gen und felbft mit dem Wahnglauben begnuͤgen. Der Kopf ift unglaͤubig, ‚das Herz leichtglänbig Wer ſich daher Glauben und Zutrauen zu erſchlejchen Luſt hat, muß ſich an das Herz des Menſchen mens ' den, weil dies ohne Taufe, d. h. ohne Prüfen und Unterſuchen, felig wird, . oo
u wi,
„Die Menfeentenntnif por ung unfere Dufe
rauben?“ ch weiß nicht, was der Menfch mie der
Ruhe außerhalb des Örabes will. In der Erbe, aber -
nicht auf derfelben wohnt ber Friede, den wir:dußer
uns fuchen. ‚Der Menſch muß die außer fih-aufdien \ e KR
En .XCO
Ein, Litgner muß e ein gutes Gedaͤcht⸗ niß haben, ſagt man. Es iſt aber ein Gluͤck, daß niemand ſchlechter damit verfehen ift, als. der Luͤgner. Er hat Wahrheit und, Lügen — zwei diſpa⸗
„rate Dinge — ſo oft zuſammengemiſcht, daß er ſelbſt
nicht mehr weiß, woran er ift und was er glauben fol. Daper rühren die Widerſprůche, in welche er
verfaͤllt.
—
Es giebt zwei Methoden der Beobachtung, ‚ bie ſynthetiſche und die analytifche; bei-jenerfeßen wir dasjenige, was noch nicht verbunden und alſo noch zerſtreuet iſt, zuſammen, z. B. der Laſterhafte iſt nicht tapfer, ſondern feig; mehrere Vogelarten verlaſſen im Herbſte unſere Gegenden, durch die Franzoſen erhalten wir viele Aufklärung über das alte und neue Aegyptenz bei diefer zergliedern wir, was ſchon in unſrer Vorſtellung eines Gegenſtandes, aber noch dunkel, enthalten iſt, z. B. ein Koͤrper; er iſt ausgedehnt, und nimmt alſo einen Raum ein, er iſt ſchwer u. fe w.: das Gold; dieſes iſt gelb, es iſt ein Körper u. ſ. w.: die Luft; dieſe iſt durchſichtig, kalt, warm, läßt die Strahlen durch u. ſ.w. Bei der
ſynthetiſchen Methode find wir mehr der Gefahr des
Irrthumes ausgeſetzt, als bei der analytiſchen, weil die Merkmale, die von einem Gegenſtande ausgeſagt werden und die nicht unmittelbar in ihm enthalten
ſind, erſt durch Folgerungen aus Prinzipien gezogen,
— — 151 — . oder durch die Erfahrung geſucht werden muͤſſen, welches Seßtere entweder nach ber Aehnlichkeit, ober nach Zeit: und Raumverbäftniffen, oder nach dem Grundfaße der Urfachlichkeie gefchiehe,. bei. welchen Berfahren man leicht dem zu betrgchtenden Gegen⸗
Sande etwas beilege, mas ihm nach feinem diefer Berhältniffe zukommt. a Die analyeifche Merhobe muß man vorzüg⸗
lich bei Erforfchung feines eigenen Gemürhszuftandes befolgen; denn man will, wenn man auf Selbft- ‚ Eenneniß ausgeht, wiffen, was in ung ift, man will eine Kenntniß von den Vorſtellungen, Gefühlen, Gedanken, Seidenfchaften haben, welche dur) Be⸗ griffe zwar gedacht werden, wir wiſſen aber doch nieht, was fie find, was fie bedeuten und aus welchen Beſtandtheilen fie beftehen. Man muß willen, wor⸗ ‚nach man ſucht, ehe man eine pollftändige Einficht in feinen intellektuellen, -moralifchen und fenfiblen Zus ftand. erlangt und ehe man den Inhalt feines Ges muͤthes zergliedern und fich verftändlich machen kann. Mir haben eine. Vorftellung von dem Neide, von dem Haß, von der Rachſucht u. ſ. w., die in ung tobt, was ift nun in allen diefen Vorftellungen ente halten? Wollen wir aber ihren Urfprung und ihre Folgen auffuchen, fo müffen wir die ſynthetiſche Merhode befolgen, weil wir mehr wiſſen wollen, als ſchon in unferm Begriffe von dem Gegenftande enthalten ift. Bei dem Studium hingegen, andere Menfchen kennen zu lernen, muͤſſen wir ſtets beide Merhoden mit einander verbinden. Wir müffen 1) ‚dasjenige, was wir an ihnen gewahr werben, ana:
..
- 1 -
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tomiren und ung den Inhalt deſſelben deutlich und vers ftändli) machen. 2) Das Wahrgenommene an ſolche Erſcheinungen anknuͤpfen, die nach den oben angegebe= nen Grundſaͤtzen mit ihnen jufammenhängen , wos wir bie Veranlaſſung theils aus unferm Gemuͤthe, theils ‚aus dem Ihrigen nehmen koͤnnen. Aus dem' Bekannten muͤſſen wir auf das Unbekannte und Ver⸗ borgene, aus der Wirkung auf die Urſache ſchließen, wo wis alsdann zu demjenigen gelangen, was nicht erfcheifit, fondern mas der Grund alles Seyns und Handelns iſt.
Der Anfang alles Denkens und Beobachtens muß vermittelſt der analytiſchen Methode gemacht werden; denn wir muͤſſen erſt wiſſen, was die Ge⸗ genſtaͤnde unſerer Vorſtellung ſind und worin ſie be⸗ ſtehen, und wir muͤſſen erſt durch Zergliederung der Begriffe Stoff zum Denken eingeſammelt haben, ehe wir zur Bildung neuer aus dem Objekte gefolger⸗ ter und nicht unmittelbar in demſelben enthaltener Vorſtellungen fortgehen. Der vorgeſtellte Gegen⸗ ſtand muß vorhero von allen Seiten betrachtet und
zeraliederi worden ſeyn, ehe wir ſeine weitern, aber
entferntern Verhaͤltniſſe nach Wirkung und Urſache aufſuchen koͤnnen, weil wir ſonſt Jrrgeſtalten nach⸗ laufen und uns in ein Labhrinth verirren, worin wir Kraft und Zeit umſonſt verſchwenden. Wenn wir aber einige Uebung im Denken erlangt haben, ſo koͤnnen und muͤſſen wir uns ſtets beider Methoden der Beobachtung bedienen, weil wir bloß auf dieſe Art die Gegenſtaͤnde in ihrem ganzen Umfange fennen, : und ihre Wirfungen und Ber begreifen lernen.
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- dung zur Selbftftändigfeie ohne Geminn find. Wir - - "müffen daher nachmals, wenn wir mehr Fertigkeit im
N
— 23 —
X. Capite.
—32
uerer das Zweifeln als ein Erziehungsmits tel zum Denten
N . ‘
Nichts , was wahr, gut: , edel und groß ift, erhält
der‘ Menſch ohne Arbeit und Mühe. Die Tugend und die Wilfenfchaften find der Preis großer ſelbſt⸗ eigener Anſtrengungen. Und es waͤre auch fuͤr die
Ausbildung des Menſchen nicht vortheilhaft, wenn ihm irgend ein Gut ohne Selbſtthaͤtigkeit zu Theil
wuͤrde, weil er ewig ſchwach, kraftlos und ungeſchickt bleiben würde. Die Noth, die ihn daher zur Thaͤ— tigkeit noͤthigt, ift eine Wohlehäterin der Menjchheit und das wahre ächte Menfchenleben ift ein Produkt der Nothwendigkeit, bie uns durch Entbehren und
Schon frühzeitig bringe man uns eine Menge . Materialien Durch die Erziehung und durch den Uns
terriche ‘bei, die wir auf Treu und Glauben anneh⸗
men, und die, da wir nicht frei und ſelbſtthaͤtig dahei
verfahren Pönnen, nur allzu häufig für unfere Bits
Gebrauche unferer Denffraft erlangt haben, dasjenige, zu. deffen Befiß wir auf dieſe Are gelangt find, wieder
fleißig durchdenken und bajlelbe prüfen, ob es den Grundfägen der Vernunft gemäß oder benfelben ent⸗
Leiden aus dem Todtenfchlummer aufweckt, in wel⸗ chem uns die rohe Materie gefeſſelt haͤlt.
\ | | | — 154. — |
gegen, und ob es alfo wahr, gut und nuͤtzlich ift. Dieſes öftere Prüfen und Zorfchen rege Zweifel in uns auf, weil wir bald Unmahrfcheinlichfeiten unter ‚unfern ‚eingefammelten Kenntniffen, bald Luͤcken in unfern daraus gezogenen Folgerungen, bald Ver« ftoße, ober gar Widerfprüche gegen die Naturgeſetze unfers Geiftes, bald frevelhafte Inkonſequenzen gegen . das Sittengefeß bemerken werden. Wir: hatten bis jeßt etwas als wahr angenommen, weil man ung daſ⸗
felbe unter diefem Titel aufgebürber hatte, oder weil
wir daſſelbe zur Beförderung unferer Ruhe oder ıms ferer Gluͤckſeligkeit fir nöchig hielten. Wir fahen alfo ‘etwas nicht deshalb für Wahrheit an, weit es mit ben Öefeßen des Verſtandes und der Vernunft übereinftimmee und alfo Wahrheit war, fondern aus
Eigennuß oder aus Furcht vor Kampf und Mühe
fchenften wir einer Sache Glauben, ob fie gleich ent« weder "feinen verdiente, oder da wir Diefelbe nicht
felbftehätig durchdacht und durch Freiheit an unfere eorhergehenden Kenntniffe angereihee hatten, für uns ein Wahn war. Und was hilft uns ein Wahn, den jeder Zufall vernichten und jeder Lichtftrahl zer⸗ ſtreuen fann? Bergeblich preift man fih im Beſitze
deſſelben gluͤcklich! Der Wahn bleibe doch ein Schar« tenbild, ein Ding ohne Werth und eine Schande für
feinen Beſitzer. Wenn ung daher unfere Kenneniffe
nicht erniedrigen follen, fo müffen wir die Grunde anzugeben wiſſen, marum mir fie für wahr oder für
nicht wahr halten und Fein Befiß von irgend einer.
| Meinung darf uns zu theuer feyn, den wir nicht aufs
zuopfern beteit wären, ‚fobald er die Feuerprobe der '
Vernunft nicht aushalten follte.
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Zweifeln zeigt eine Ungewißheit in unſerer Er⸗
Fenntniß und. das Unzureichende in den Gründen jur ' |
Entſcheidung über etwas an. Es fehlt uns noch an hinlaͤnglichen Beweiſen, ob wir, dem zu unterfuchens
den Gegenftande etwas beilegen oder ihm abfprechen,
ob wir. ihn fie wahr ober für falſch erklären follen
und. wir. ſchweben noch zwifchen Wahrheit und Irr⸗ thum, indem die Beweisgründe entweder für beide gleich oder für beide ungleich, aber zur völligen Bes ſtimmung unfers Urtheiles zu Gunſten weder der Einen noch des Andern hinreichend find. Zweifeln ift daher ein. Urtheilen, wo man fich noch für Feine
Meinung oder Sache zu erklären wage: wir. find
| während des Zweifelns noch ungewiß, auf welche Seite wir uns wenden follen, und wir find während Diefes Zuftandes bloß bemüht, den Gegenſtand, ber unfere Zweifel aufregt, von ‚allen Seiten zu ünter⸗
ſuchen, ſein Verhaͤltniß zu andern Dingen oder zu unſern Erkenntniſſen zu pruͤfen, ſeine Wirkungen auf⸗
zufuſſen und feine Beſtandtheile zu zergliedern, um endlich zur völligen Gewißheit über ihn zu fonımen, und dem Schwanfen in unfern Urtheilen, das pein« lich und beunruhigend iſt, ein Ende. zu machen.
Das. Zweifeln iſt alſo ein Zuſtand der Uns J ruhe, aber dieſe Unruhe fuͤhrt zur Selbſtthaͤtigkeit |
und Freiheit: ‚Denn Das Zweifeln macht uns aufmerk⸗
ſamer auf alle Ereigniſſe, die mit dem zu betrachten ⸗
den Gegenſtande in Verbindung ſtehen, zugleich aber
auch forſchbegieriger und kuͤhner im Schließen und.
Erflären, um wieder mit uns felbft einig zu werden
und den Frieden in uns. herzuftelen: Mach einiger
Seele für unfterblich. erklaͤrten, ehe wir noch ausger
macht haben, ob fie ſelbſt exiſtirt und alfo Wirklich⸗
keit fie uns hat. — „Die Einfachheit der menſch⸗
lichen Seele aber kann doch nicht geleugnet werden?“ Mein! Dies wird auch niemand thun, Der weiß, |
worauf es hierbei ankommt. In Gedanken erfcheine die. menfchliche Seele als einfach, aber finder dieſe ‚Einfachheit: auch außer dem Denfen flatt, oder bleibe fie ſtets ein Gedanfending ? Denken, d. h. in feinen Borftellungen zur Einheit. verbinden, fann der Menich alles, was ſich nicht. Durch das Denfen. ſelbſt gerſtoͤrt und ſich alte. im Begriffe widerſpricht, aber iſt deshalb alles Gedachte wirklich und. hat alſd dad Einfache Realitaͤt? Die menſchliche Seele ift daher bloß ein Gedonfending und alles, was wir. non Ihr ausſagen, kann auch auf. nichts mehr Anſpruch machen. „Allein wir werden doch. Wirkungen ge
wahr, ‚Die wir ihr beilegen, z. B. das Denken ſelbſt,
das Wollen-u. ſ. w., find dieſe Eigenſchaften deshalh auch nicht wirklich, weil das Subjekt, dem wir fie zuſchreiben, nicht in. der Anſchauung nachgewieſen
werden kann?“ Diefe Wirkungen kommen zu unfe
.. zer Öewahrnehmung und find Gegenſtaͤnde der inz
nern Erfahrung, iſt dies auch mit der Unfterblichfeig der Seele der Fall? Es ift der eigenthuͤmliche Cha» rakter der Vernunft, ſtets nach. unbedingser. Einheit zu ſtreben; fie faßt ale innern „nicht yon dem Koͤr⸗ per herruͤhrenden, Erſcheinungen zuſammen und legt fie einem unbekannten Subjekte als Grund bei. Wir
ichließen alfo aus den Wirfungen auf eine Kraft,
die wir felbft nicht anders fennen, außer durch jene, .
wodurch wie ihre, Eigenfchaften befimmen, : ihr
R ' Ge 155 — 2
Weſen und Seyn aber gaͤnzlich unbeſtimmt faffe, | Won der Unfterblichfeit aber erfahren wir ganz und gar nichts und wie-wollen wir alfo das Dafeyn eines Subjektes und feine unendliche Fortdauer behaupten 2 „Allein ich wuͤnſche unſierblich zu ſeyn.“ Wie viele
Dinge aber wuͤnſchen nicht die Menſchen, wird das. ' Gewuͤnſchte deshalb wirklich? Was iſt das Wuͤn⸗ ſchen anders als ein Verbinden von Vorſtellungen nebſt dem muͤßigen Verlangen, fie verwirklicht zu ſehen, und was wird burch-diefes Traͤumen, Durch
dieſes Spiel von Vorftellungen in Ruͤckſicht ber Eris ſtenz ihres Gegenftandes gewonnen? Nichts, gat "nichts, fie bleiben leer und wenn wir auch ein Leben in dieſen Wuͤnſchen verzehrten.
Wenn aber auch die Unſterblichkeit der —8* . Tchen Seele nicht aus ihrer Einfachheit erfolge noch “ hberhanpt ein Gegenſtand iſt, der bewieſen werden Tann, fo giebt e8 doch andere Gründe, für die Wahr⸗ heit diefer Lehre, die win hier nur fur; berühren koͤn⸗ nen. In unferm. Bufen erſchallt ein Gebot, daß wir heilig ſeyn und alſo fters moraliſch gut handelt ſollen. Allein wie find wir dies immer, zu thun im Stande? Wir befigen außer der Vernunft zugleich auch Sinnlichkeit, außer dem Unendlichen erwas _ Enblihes, wir haben Triebe und Neigungen , Lei⸗ denfchaften und Begierben, dieſe wollen befriedigt feyn und geben Beranlaffung zu Abweichungen vom Sittengefege, weil fie berrfchen und nicht- dienen und nicht unter der Autorität des Gewiſſensgeſetzes ger nießen wollen. Gleichwohl dauert bie Anfoderung - zur Heiligkeit ſtets fort, der wir freilich, von ſinnlichen
. Neigungen befturme, niemals völlig Genuͤge leiſten - konnen. Da wir aber demohngeachter heilig wers ben foen, fo müffen wiv annefmen, daß wir eroig fortdauern und daß, wenn mir uns auch wegen unfes eer finnlichen Natur nicht in den völligen Beſitz Der .” Heiligkeit feßen koͤnnen, wir doch ftets darnach ſtre⸗ ben und ringen ſollen, wozu alſo eine unendliche Fort⸗ bauer mit dem Bewußtſeyn unſerer Perſoͤnlichkeit, d. h. Unſterblichkeit der Seele noͤthig iſt, die wir daher durch die unendlichen Foderungen des morali⸗ ſchen Pflichtgebotes genöchige für wahr anfegen müfs
fen.: Wir find uufterblih, weil wir heilig ſeyn follen
und wir ſtreben ach Heiligkeit, weil wir ewig. forgs
leben. Da dies Fuͤrwahrhalten fih auf bas Sitrenr .
gefeg gründet und eine nothwendige Folge feiner Foderungen ift, fo nennen wir den Grund für Die Annahme diefer, Lehre, die nicht bewiefen, fondern bloß geglaubt, das heißt, aus ſubjektiven (nicht vom „Objekte der Seele hergenommenen) Gründen für wahr gehalten werben kann, einen moraliſchen Glau⸗ bensgrund und bie Annahme derſelben iſt kon, ein moralifcher , Glaube.
Da alſo das Bezweifeln ber Meinungen unb
Grundſaͤtze ein vorzügliches Uebungs⸗ und Bildungs- mittel der Denkkraft und auch der Weg zur Wahr—⸗ heit ift, wie feßen. wir uns nun in diejenige Gemuͤths⸗ verfaſſung, bie diefer Art des Nachdenkens befonders . günftig ift? Alles: Selbſtdenken fängt damit an, daß - wir felbft, auch auf die Gefahr, zu irren, unterfuchen, "was feyn und warum efwas feyn fann, was wir wiſſen koͤnnen und mas wir zu glauben genoͤthigt
\
- 161 — 5 u werben. Wir müffen ſtets unſern eigenen Verſtand gebrauchen, ehe wir ein Urtheil uͤber die Wahrheit oder Falſchheit einer Sache, uͤber die Gerechtigkeit
oder über die Ungerechtigfeit einer Handlung wagen, . Zu diefem Selbftgebrauche der Denffraft nad) eige⸗
ner Einfiche und alſo zu dem Berfeßen in ben Zus
‚ ftand, der das Prüfen und Unterfuchen vorzüglich bes
födert, wird erfodere: 1) Muth und Vertrauen auf eigene Kräfte; jener belebt uns, Diefer läßt uns an einem glücklichen Erfolge nicht zweifeln. Man muß fich etwas zutrauen, wenn man etwas ausrichten will; und man muß fi) weder duͤrch die Gefahren des Irrthumes noch durch die Ausfihe auf Mühe und Kampf von dem Forfchen und Ergründen ber Dinge" abfchreden lafien.
Smentens, 9 Ruhe und Unbefangenbeit des Geis | fles: denn wenn. es in. unjerm Buſen flürme,
wenn :ung Seidenfchaften hin und Her werfen und wenn ein Heer von Begierden und Neigungen auf uns losbriche, dann haben wir weder Zeit, noch Luſt, noch Entſchloſſenheit, alles zu Unterſuchende
unparteiiſch und fireng zu prüfen. Wir glauben lie⸗
ber dasjenige, was unfern Leidenfchaften fchmeichelt,
als daß wir auf die Ausfprüche eines uneingenommes -
nen Berftandes achten follten; ja wir feheuen fo gat bie Mühe, eine Unterfuchung. über dasjenige anzu« ftellen, was benn in dieſem Getuͤmmel von Vorſtel⸗ lungen, bie in ung lebendig find, Wahres und Ges
haltreiches fen und was fie zu bedeuten haben. Ein
folcher unruhiger Zuſtand ift der Beförderung’ der Abſicht, Zweifel über unfern geſigen Def hſtand zu Kunſt zu denken. |
*
- 160 — - Neigungen beftueme, niemals völlig Genuͤge leiſten koͤnnen. Da wir aber bemohngeachtee heilig wers ben follen, fo müflen wiv annehmen, daß wir ewig faortdauern und daß, wenn wir uns auch wegen unfes eer fimlihen Natur nicht in den völligen Beſitz der Heiligkeit feßen können, wir boch ftets darnach fires ben und ringen follen, wozu alfo eine unendliche Forts Dauer mit dem Bewußtſeyn unferer Perſonlichkeit, d. h. Linfterblichkeit der Seele nöthig ift, - die wir daher durch die unendlichen Foberungen bes morali⸗ ſchen Pflichtgebores. genöthige für wahr anfeßen müfs ſen. Wir find unfterblich, weil wir heilig feyn follen und wir fireben ach Heiligfeie, meil wir ewig forgs leben. Da dies Fuͤrwahrhalten fih auf bas Sitrenp gefeß gründet und eine nothwendige Folge feiner Soderungen ift, fo nennen wir den Grund für die Annahme diefer Lehre, die nicht bewiefen, fondern bloß geglaubt, das heißt, aus-fubjektiven (nicht vom „Objekte der Seele hergenommenen) Gründen für wahr gehalten werden kann, einen morafüchen Glau⸗ bensgrund und die Annahme derſelben ift ro, ein moralifcher , Glaube,
Da alte das Bezweifeln ber Meinungen un Grundfäße ein vorzuͤgliches Uebungs⸗ und Bildungs
x anittel der Denffraft und auch der Weg zur Wahr⸗ heit ift, wie ſetzen wir ung nun in diejenige Gemuͤths⸗ verfaſſung, die diefer Art des Nachdenfens befonders
. günftig ift? Alles Selbſtdenken faͤngt damit an, daß wir ſelbſt, auch auf Die Gefahr, zu irren, unterſuchen,
" was feyn und warum. etwas ſeyn fann, was wir willen koͤnnen und was wir zu glauben genoͤthigt
\
werben. Mir muͤſſen ſtets anſern eigenen Verſland gebrauchen, ehe wir ein Urtheil über die Wahrheit ober Falfchheit einer Sache, über‘ die Cerechtigfeie
oder üben die Ungerechtigkeit einer Handlung wagen, .
Zu diefem Selbſtgebrauche der Denkkraft nach eige⸗ ner Einſicht und alſo zu dem Verſetzen in den Zu⸗ ſtand, der das Pruͤfen und Unterſuchen vorzuglich bes födere, wird erfodert: ı) Much und Wertrauen auf eigene Kräfte; jener belebt uns, dieſer laͤßt uns an einem glücklichen Erfolge nicht zweifeln, Man muß fich etwas zutrauen, wenn man etwas ausrichten will; und man muß fi weder durch die Gefahren des Irrthumes noch durch die Ausſicht auf Mühe und Kampf vondem Forfchen und Ergründen der Dinge abfchreden laſſen.
Zwentens, Ruhe une Unbefangenheit des Geis ftes: denn wenn, es in. unjerm Buſen flürme, wenn uns feidenfchaften bin und her werfen und : wenn ein Heer von Begierden, und Meigungen auf uns losbricht, dann haben wir weder Zeit, noch Luſt, noch Enefchloffenheit,- alles zu Unterfuchende unparteiifch und fireng zu prüfen. Wir glauben lies. ber dasjenige, was unfern Leidenſchaften ſchmeichelt, als daß wir auf die Ausſpruͤche eines uneingenomme⸗ nen Verſtandes achten ſollten; ja wir ſcheuen ſo gar die Muͤhe, eine Unterſuchung uͤber dasjenige anzu⸗ ſtellen, was denn in dieſem Getuͤmmel von Vorſtel⸗ lungen, die in uns lebendig ſind, Wahres und Ge⸗ haltreiches ſey und was fie zu bedeuten haben. Ein, folcher unruhiger Zuſtand ift der Beförderung der Abfiht, Zweifel über unfern geſigen Def hſtand zu
Kunß zu denken. |
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‚ 162
erregen , nicht guͤnſtig; dazu gehoͤrt Hupe , Unein⸗ genommenheit und Unparteilichkeit des Geiſtes, die
"ums in ben Stand ſetzen, eine prüfende und leidens
J uns haͤufig die Frage vorlegen: ob nicht eben ſo wohl |
.
fchaftlofe Ueberlegung über die Dinge anzuſtellen und
m
mit der Wage des Urtheils die Gründe für und gegen.
>»
eine Behauptung und Meinung abzumägen: denn
Urtheile duͤrfen nicht gezählt, fondern gewogen werden.
3) Wir müffen öfters folche Einwuͤrfe, Die den
Inhalt unferer Vorftellimgen, ihre Verbindung, ihre - Richtigkeit und ihren Grund betreffen, erfinnen und
den Gegenftand überlegend nach allen Richtungen
und in alle Schlupfwinkel verfolgen, Wir müffen
das Gegentheil von dem, was wir meinen, willen und glauben, wahr feyn fünne und ob es nicht ſcharf⸗ finnige und erfinderifche Köpfe gegeben habe, die ‚ gerade das Gegentheil von dem, was wir für wahr halten, behauptet baden? _
4) Wir müffen die Echeu ablegen, die wir vor gewiſſen fogenannten heiligen Wahrheiten haben. Eine entehrende Furcht vor Schaden, fey es in der - öffentlichen Meinung, fey es auf diefer Erde ader in einer andern Welt, fen es in Ruͤckſi ht unferer Ers kenntniß oder unferer Ruhe, hält uns oft ab, ihnen
kuͤhn ins Ungefiche zu ſehen, ihren Urfprung zu ers.
forfchen, ihre Aechtheit ju erbärten und ihren Nußen
zu unferfuchen. Diefes Grauen vor gewiffen Wahrs
- . heiten ift die. Mutter des Aberglaubens und der Bors urtheile, und macht uns eben fo ungluͤckſelig als es uns in Unmuͤndigkeit erhaͤlt.
s _ 163 i 2. 9 Ein gutes Gewiſſen iſt die ſchoͤnſte Fruche
des Lebens, deren Anblick den Kopf und das. Herß
ſtaͤrkt. Es giebt nicht allein Muth im Handeln, fone bern aud) im Denken. Haben wir diefe Himmels gabe erkämpft und durch.alle Stürme des Lebens uns . beſfleckt erhalten, dann wagen wir jeden Augenblick . in ung felbft einzufehren, uns zu Durchförfchen, alle
unfere- Regungen und Gedanfen zu belaufchen und bei ihrer Prufung bloß auf ihre Reinheit und Wahrs
heit zu fehen-_ Haufeit aber die Zurien — das An-
Magen und Verdammen unfers Gewiſſens — in une : ferm Bufen, dann flichen-wir vor uns felbft, - ftürzen uns in das Getuͤmmel der Außenwelt und ſchwimmen dem Steome nad), um den firengen Richter in ung zum. Schweigen zu bringen. Wir prüfen und bes
ſchauen alsdann nicht unfere Vorftellungen,: wir
zweifeln nicht an ihrer Wahrheit und Gegrüuͤndetheit, fondern merden eine Beute jeder Verkehrtheit des Herzens und jeder Verirrung des Verſtandes. O ein gutes Gewiffen wiege Kronen auf, und vor ihm verſchwindet aller Glanz und alle Herrlichkeit diefer Welt! Es mache brav, fühn, unternehmend und: edel, und wer noch keine That gethan har, Die eine blutige Reue und einen .ewigen Stachel in feinem Bulſen zurücläßt, wenn er"in der Einjamfeit über fich nachdenft, kann eben fo wohl ein Held im Dens fen, als im Handeln werden, fo bald er fih nur feine Mahe und Feine, Gefahr zu fuͤrchten entſchließt.
6) Es muß unfer ſteter Vorſatz ſeyn , allen Vorurtheilen und allem Aberglauben zu entſagen, welche die Traͤgheit naͤhren und allen Zweifel erſticken. u
8 2 |
\
.-
Iede Vorſtellung, die nicht eine Feucht unferer eigen nen Thätigfeit iſt, muß uns verhaßt und jeder Ges danfe, ber ifolirt in uns dafteht und nicht in unfere übrigen Ideen eingreift, muß befampft werden; er muß entweder uns zu eigen ober von uns ausgefchie- den werben. Wenn wir im Verhaͤltniß zu ihm alle unſere Borftellungen durchgehen und gewahr werden, dag Einige nicht deutlich und beſtimmt genug find, Andere in unfere Gedankenkette nicht feft genug eins greifen, daß Einige nicht haltbar, Andere mit fremd- artigen Gegenftänden vermilcht find, fo fernen wir ungewiß über uns werden, und Zweifel in die Wahr⸗ heit und iu die Aechtheit unferer Borftellungen feßen. Mähren und unterhalten wir diefe Geiſtesſtimmung und biefes Mistrauen in unfere Kenntniſſe und Eins fichten, fo gewöhnen wir uns gar bald an eine größere Borficht bei der Aufnahme unferer Vorſtellung von etwas, und an eine fchärfere Prufung ihres Urſprun⸗ ges, ihres Grundes, ihrer Wahrheit und Nuͤtzlich⸗ feit.
) Wir müffen uns bei Erregung von Zweifeln - and bei dem Streben nad) ber Erreichung des Zu⸗ Randes, der uns zum Unterfüchen und Ergrunden geneigt macht, durch die Gedanken beleben und ſtaͤr⸗
fen, daß nur dasjenige Wahrheit für uns ift und.
Werth für uns hat, was wir durch eigenes freies Machdenferrüber uns und über die Natur der Dinge . und über ihre Abſicht herausgebracht haben, und daß ein unbefangenes felbfithätiges Forſchen felbft der DBefoderung der Tugend günftig ift: denn je mehr und je tiefer wir uns erforfcht und je mehr wir
\
| — 165 — nn
gWaheheit atampft haben, deſto mehr ſind wir zu beſtimmen im Stande, welche Mittel außer der freien Selbſtthaͤtigkeit der Vernunft und der Entſchloſ⸗ ſenheit des Willens zum Erwerbe der Tugend vor⸗
zuͤglich beitragen. Der Menſch ſoll (ters durch ſich
ſelbſt ſeyn, was er ifts er fol nicht von Andern bors gen,. fondern auf eigene Koften und Gefahren vers ſuchen, was er vermag und was er werden ſoll.
89) Wir muͤſſen fleißig die e Geſchichte der menſch⸗ (ßen Meinungen fludiren; bei dieſem Studium wer⸗ den wir den ſchrecklichen Wechſel derſelben und bie
Vergaͤnglichkeit alles Menſchenwerkes recht einleuch⸗
tend gewahr. Worauf man vor Jahrtauſenden
feine Seligkeit gründete, iſt entweder heute vergeſſen
oder wird von Einigen verſpottet — von, Andern als eine Verirrung des menſchlichen Geiftes beklagt; worauf man vor einigen Jahrhunderten als auf eine ewige Wahrheit ſchwur, wird heute für einen Irr⸗ thum erkläre und ſollte Viele von unferen Borftelluns
gen nicht. eben dies Loos treffen, das mehrern Mei- nungen der Vorwelt zu Theil warb? Sollten wir nicht auch Irrthuͤmer für Wahrheiten anfehen, da
Die weifeften und feharffinnigften Männer diefem Uns glücke nicht entgehen Eonnten? - Einen vorzüglichen Beweis von der Hinfälligfeit menfchlicher Meinungen giebt befonders die Philofophie und der religioͤſe Glaube (Religion); es iſt daher das Studium der Geſchichte der Philoſophie und der Glaubensarten ein ſehr wirkſames Mittel, Mistrauen in uns gegen
unſere für am wahrſten gehaltenen Vorſtellungen zu
erwecken und uns zum Bezweifeln und Unterſuchen
—
— 166 — derſelben geneigt zu machen, um ung zum Selbſtben⸗ ken zu ersiehen.
9) Wir müßen öfters auf unfer vergangenes Seben zurudjchayen, und uns unferer ehemaligen Ges danfen und Meinungen zu erinnern ſuchen. Rei diefem Ruͤckblicke werden wir bald nur zu deutlich ge⸗ wahr werden, wie oft wir vormals etwas für wahr und gegrunder gehalten haben, wovon uns bei meh⸗ terer Einſicht oder veränderter Anficht der Dinge das Gegentheil einleuchtend wurde, und wie oft wir ehe- mals glaubten, daß etwas nicht anders ſeyn fonne, “ob wir gleich nunmehro das Gegentheil davon ein« fehen gelernt haben. Diefe Erinnerung an das Bers gangene wird uns zu einer forgfältigen Prüfung und Ergrundung des Gegenwaͤrtigen antreiben und wir werden eine genauere Reviſion unjerer Meinungen anftelfen, um zu erfahren, ob nicht etma wiederum Borfiellungen darunter find, die feine icharfe, ruhige und unparteiiſche Kritif aushalten und bei denen ung die Zufunft der Unbeionnenheit, oder der Parteilid- feit oder des Vorurtheiles anflagt.
Wenn wit auf eine folhe prüfende Art unfer Gemürh gefiimmt haben, und mit Erinnerungen an die Vergangenheit unjere Vorſtellungen unterjuchen, dann werben wir nichts mehr auf Treu und Glauben
"annehmen, fondern alles felbft vermitcelft der Naturs geſetze unfers Geiftes und der äußern Erfahrung prüs fen. So £ühn auch ein Zweifel feyn mag, er bringe: uns doch weder Berluft noch Schande. Nicht dass jenige wird dem Menjchen zugerechnet, was er benft
und glaube, fondern dasjenige, worauf er finne unb
Das er thut. Haben wir daher nur eifrig nach
Wahrheit gefirebr, “wenn wir auch in unferm Be⸗
muͤhen nicht allzu glücklich geweſen feyn follten, fo ‚haben wir doch gethan, was wir zu ehun ſchuldis waren.
J
"Und was iſt Zweifeln anders, als ein emſiges und unparteiiſches Beſtreben, Wahrheit zu erbeuten? Ohne Zweifeln giebt es für den Menſchen feine Ger wißheit und mer noch nicht geziweifele hat, darf auch noch feinen Anfpruch. auf Wahrheit machen... Was er für Wahrheit hält, ift-ein Wahn, der ihn eben fo fehr entehrt, als er dem Irrthume, dem Aberglau⸗ ben und dem Unglauben Nahrung giebt. Das ärhre “ intellektuelle Handeln des Menfchen ift ein Zweifeln, beſſen Produkt die Wahrheit ft. |
Weiche Regeln aber muß man bei feinem Zwei⸗ feln beobachten? 1) Man muß nicht verſchiedenartige
Gegenſtaͤnde und die Gebiete ſpezifiſch verſchiedener
Wiſſenſchaften mit einander vermiſchen. Man muß
bj
z. B. nicht nach dem Zweckmaͤßigen fragen, wenn
die Rechtmaͤßigkeit einer Handlung in Anſpruch ges nommen wird, und man muß nicht etwas durch die
Logik begruͤnden won, was ein Gegenftand des
fi nnlichen Erkennens iſt.
2) Man muß alles ‚ was man bezweifelt, nach
Grundfägen unterfuchen und man darf dabei eben fo _
wenig ben Örundfaß des MWiderfpruches als den
Grundfag der Urſachlichkeit Cd. h. dag alles, was
⸗⸗
— 168 — | 0 geichiehe, innerhalb ber. Erfahrung eine Urfache als
Bedingung und als Grund feines Dafeyns babe)
hintauſetzen.
3) Man muß ſeine Zweifel niemals in die uͤber⸗
ſinnliche Welt hinuͤberſpielen, fo fange von einem
Objekte des Erkennens die Rede ift, weil fonft der Zweifel wenig oder gar nicht begründet werben fann, und zu feinem Wiſſen als der Lebereinftimmung Aller
über etwas, wozu doch endlich alles Zweifeln ab⸗ zwecken foll, führe . | _
4) Der Zweifler muß eben fo gut Gruͤnde (und
der Ungewißheit einer Meinung, eines Grundſatzes
u. ſ. w. als der Andere für die Gewißheit und Wahr⸗ beit feiner Ausſage anführen, und dieſe Gründe
müſſen eben. fo gut wieder Gründe haben oder der
- erfte Grundfaß einer Wiffenfchaft feyn als die Bes
weife, womit ber Gegner Das Gegentheil zu erhaͤrten
bemuůht iſt.
5) Beim Zweifeln mußen man eben ſo wohi fol⸗
gerecht verfahren, als bei der völligen und gewiſſen Entfcheidung über etwas: denn müflen nicht auch
Zweifel über einen Gegenftand in etwas Voraus— gehenden gegründet ſeyn, woraus ſi e ſi ch als s Folgen
| ableiten laſſen?
0 Die Gruͤnde des Zweifelns muͤſſen fi,
in die flreitige Sache eingreifend feyn und zur end“
5 fichen Gewißheit über das Dafeyn oder Nichtfeyn
von etwas führen.
nicht bloße Fragen aufmwerfen) für feine -Behauptung
F 169 —
es Man muß beim Bezweifeln die Saturges ſehe bes menfchlichen Geiftes, ihren Gehalt und ihre - . Grenzen eben fo gut anerkennen, als beim Gegen» eheile, nämlich bei dem Fuͤrwahrhalten oder Miches fürwahrhalten von. etwas,“ weil man doch: bei allem Streiten auf- etmas fußen muß und fid) Doch auch dem Andern verſtaͤndlich machen will, welches un⸗ moͤglich ſeyn wuͤrde, wenn man nicht die Natur des Menſchen als Fuͤhrer annaͤhme, auf den man fi u als. Richter berufte.
—*
wu...
Diefes Zweifeln ift fein Scepticismus, der ein Syſtem mit einem beftimmten Inhalte ift, der auf einer verkehrten und‘ unrichtigen Anwendung des Grundfaßes des Widerfpruches beruht und aus einer Unbekannefchaft mit der Natur unfers Seyns und Handelns, als dem Quelle alles Lebens und aller Fhaͤtigkeit entſteht, fondern ein wahres ächtes Ver⸗ ſtondesleben, das den Menfchen zur Mündigfeit, zur Freiheit und zur Wahrheit verbilfe Es mache im
Forſchen nach der Natur ber Dinge nicht kalt und muthlos, wie der Eceptieismus, weil es Realitäten verfchafft und 5 nicht bloß mit Negarionen begnuͤgt; es liefert herz - und geifterhebende Reſultate, bie, da fie auf unmandelbaren Gründen beruben, felbft ‚unmanbelbar find. Es giebt Auffchlüffe über die Natur des Mienfchen und der Dinge, und führt den ‚forfchbegierigen ‚Geift zu Entdeckungen, die eben fo beruhigend als einflußreich find, Man prahle jetzt häufig mit einer Art des Scepticismus, der fein Das
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% " x
=, 170 7
ſeyn bloß dem Widerſpruchsgeiſte (nicht wie der Humeiſche jenem eifrigen und unparteiiſch en Streben nad) Wahrheit, freilich ohne die voraus⸗ gehende Unterſuchung, was der Menſch vermoͤge ſei⸗ ner Kraͤfte erkennen kann, nach welchen Geſetzen dieſe wirken und welches die Grenzen ihres Gebrauches ſind) verdankt, der von einem zuͤgelloſen Ehrgeitze herruͤhrt, welcher, da er ſich über ausgezeichnete
Denker nicht durch wirkliche Einſichten und gründs -
liche Kenneniffe erheben Fann, doch ihre Behauptun⸗ gen mit nichtigen Gruͤnden zu beftreiten ſucht.
/
XI. Capitel. u Eu
| Das Baͤcher lefen als eing, Dantäsung, u ' trachtet. on
Ares, was iſt, hat eine Abficht. Der Zweck des menfchlichen Treibens und Einnens auf diefer Erbe ift das Streben nach Muͤndigkeit. Worin beſteht . aber diefe Muͤndigkeit? Sie beftehe nicht in einer ge« wiſſen Reihe von Jahren, die jemand durchvegetirt bat, noch in der erworbenen Geſchicklichkeit, ſich ſelbſt ‘ernähren zu koͤnnen, ſondern in der, erlangten Fertigkeit, von allen feinen Anlagen und Kräften einen willkuͤhrlichen und felbftehätigen Gebrauch nach eigener Einſicht machen zu koͤnnen. Das freie durch⸗
greifende Selbſtdenken und das beſonnene Entſchlieſ⸗ fen ini Handeln find der Charakter derfelben. Die Unmuͤndigeeit hingegen muß verlaſſen werden, weil
Br mim. fe atbe vaſchuldet iſt: denn ſteht es nicht in unferer Willkuͤhr , aus Diefem Zuftande der Ohnmadıt, der,. - Thaten⸗und Gedankenloſigkeit herausgeben und find wir nicht vermögend, alles zu thun, was uns durch. das Gewiſſen geboten ift, fo bald mir nur. auf eiger nen. Füßen zu gehen und jeder Gefahr zu troßen wagen, Die -uns zu uͤberfallen etwa Mine machen ſollte?
N =
‚ Geift- und Gedankenreiche Bücher find -bie herrlichftien Fruͤchte des menfchlichen Seiftes; ‚in ihnen prangt alles,. was hehr und. groß ifl. Die Schäße ber. Erfahrung und der Speculation A die: Ausbeuten‘, ber Klugheit und der Weisheit lege man in ihnen nie« | Der ‚und jeder, der Luſt dazu hat, kann ſich damit bereichern. Sie find eine Quelle des Reichthumes, die nie verſiegt und die jedem gewaͤhrt, was er wuͤnſcht, fo bald er nur bie Mühe des Nachdenkens niche feheues. In Buͤchern lebe eine neue Welt auf, worin die erfinderifchften und maͤchtigſten Geifter herrſchen, welche uns oft. ihre geheimften Gedanken, _ ihre einflußreichſten Entdeckungen zur Belehrung, Warnung und Zuͤchtigung mitteilen |
. Die Buchſtabenmenſchen (die Shriftheller
ſind, wenn auch nicht immer die geiſtreichſten, doch die gedankenreichſten. Es giebt viele Dinge in Buͤchern, wovon fi) unſere Hof» und Weltleute nichts traͤumen laſſen. Was auf der Erde und im Himmel, im Menſchen und außer dem Menſchen ge⸗ ſchieht, iſt in Buͤchern niedergelegt, welche das Hei⸗ ligthum der Menſchheit aufbewahren, dieſelbe gegen
— ı72 #
Darbarei, Aberglauben und Unmwiffenbeit ſchuͤtze und welche die Stammpalter der Kultur des Men⸗
ſchengeſchlechts find.
Das Blcherlefen wird theils zur Erholung, teils zur Belehrung, theils zur Kultur, heile zum Reitvertreibe benutzt. Man will fi durch daffelbe in einen Zuſtand verfeßen, in welchem man fih noch nicht befindet und den man für ein Hut anfieht; man will etwas werden, was man noch nicht ift, und etwas erwerben, was man noch nicht beſitzt. Da nun das Organ, wodurch uns die Gedanken Ande- ger und dasjenige, was wir im intellektueller Hinſicht noch nicht find, zu Theil wird, der Verſtand ift, vermoͤge deſſen wir uns alles Geiftige aneignen, fo muß alles Leſen ein Verſtehen des Inhalts des Ge⸗ leſenen ſeyn. Was heißt aber etwas verſtehen? Es heißt nicht bloß Worte und ihre Bedeutung wiſſen, den Gehalt der Redensarten und der einzelnen Pe⸗ rioden begreifen, ſondern auch den Sinn und Zus fammenhang der Gedanfen mit einander einfehen, Urjache und Wirkung durchfchauen, das -Ganze zu einer Einheit im Bewußtſeyn verbinden, und Geift und Sprache in die todten' Buchftaben und Worte .
bringen. Wer etwas verfleht, befiße eine Einfihe -
in die Verkettung, in den Einn, in den Zweck des Ganzen, von dem gehandelt wird. Was gehört aber zum Verſtehen und was muß demfelben vorauss gehen? Wenn wir plöglid) in eine Welt von Erfcheis nungen geftoßen werden, die uns völlig fremb und unbegreiflich find, fo And wir nicht im Stande, ihren Zweck und ihre Urfachen zu errathen: wir befinden
. m
une iin einem Zuſtande von Betäubung und’ Verlegene beit; weil wir.das Erfcheinende nicht an unfere bis⸗ herigen Erfahrungen anreihen und es durch diefelben erläutern und uns verfländlich machen koͤnnen. So
bald wir aber'beim Beobachten von demjenigen aus geben, was uns ſchon befannt iſt und das Unbe⸗ kannte und Neue daran Fetten, fo begreifen wir. fo
wohl diefes als den Zufammenhang mit jenem und .
teir. ſchweben nicht mehr in einer Welt, wo für ung alles ein Raͤthſel if. Wir müffen aljo zum Pers
ftehen frember Dinge eine lebendige und verftänbdliche' Welt in ung “Haben ; die uns nach allen Richtungen ſammt ihrem Inhalte befannt ift, woran wir das
—
geleſene Unbekannte anknuͤpfen und beides durch ein⸗
. ander. aufklaͤren und für uns begreiflich machen.
Mer etwas über Erfcjeinungen, z. B. über Schwaͤr⸗ merei, Teäume, fire Ideen u. f. w. lefen. wollte, und
hätte theils noch Feine deutliche Vorſtellung von dies fen. Gegenftänden, theils wären ihm dergleichen Ers
fcheinungen oder folde, die Line Aehnlichkeie mie
ihnen haben. oder im völligen Contrafte mic ihnen leben, gänzlich, fremd, ſo wuͤrde er ſich vergeblich, um Aufſchluß uͤber ſie zu erhalten, an das Bud)
wenden, er wuͤrde ſeinen Inhalt durch keine ent⸗
ſprechende oder verwandte Vorſtellung in ſich ver⸗
ſtaͤndlich machen koͤnnen. Durch das Lefen muß er
alſo einen Zuſtand in ſich rege machen, der entweder dem Inhalte des Buches voͤllig entſpricht, z. B. bei
Dichtern, die Gefühle, Begriffe und Ideen ſchildern
und darfiellen, Oder der doch. Aehnlichkeit mit dems felben hat: denn wie will ‚er fonft dasjenige, mag er lieſt, begreifen, wenn nichts in feinem Gemuͤthe am
⸗
See ⸗— ñ — Aigen u * . &
/
— 172 press
Barbatei, Aberglauben und Unwiſſenheit uten
and. welche die Stammhalter ber. ‚Kultur bes Men
ſchengeſchlechts f find.
Das Blcherlefen wird cheils zur Erholang
theils zur Belehrung, theils zur Kultur, theilg zum
Zeitvertreibe benutzt. Man will fich durch daſſelbe in einen Zuftand verfeßen, in welchem man ſich noch
nicht befindet und den man für ein Gut anſieht; ‚man
will efwas werden, was man noch nicht ift, und etiwas erwerben, was man noch nicht beſitzt. Da nun dag Organ, wodurd ung die Gedanken Ande⸗
reer und dasjenige, was wir im intelfeftueller Hinſicht „noch nicht ſind, zu Theil wird, der Verſtand iſt, vermoͤge deſſen wir uns alles Geiſtige aneignen; fo
muß alles Leſen ein Verſtehen des Inhalts des Ge⸗
leſenen ſeyn. Was heißt aber etwas verſtehen? Es
heißt nicht bloß Worte und ihre Bedeutung wiſſen, den Gehalt der Redensarten und ber einzelnen Pe⸗
‚tioden begreifen, fondern aud) den Sinn und Zus fammenhang der Gedanken mit einander einfehen,
Urſache und‘ Wirkung durchfchauen, das -Ganze zu einer Eineit im Bewußtſeyn verbinden, und Geift und Sprache in die todten Buchftaben und Worte .
bringen. Wer etwas verfteht, befißt eine. Einfiche -- in die Verkettung, in den Sinn, in ben Zwed des - Ganzen, von dem gehandelt wird. Was gehört aber zum Berfteßen und was muß demfelben vorauss gehen? Wenn wir ploͤtzlich in eine Welt von Erſchei⸗ nungen geftoßen werden, . die uns völlig fremd und unbegreiflich find, fo find wir nicht im Stande, ipren Zweck und ihre Urfachen zu errathen: wir befinden
. m
| — 173 — uns in einem Zuſtande von Betaͤubung und Verlegen ⸗ heit, weil wir das Erſcheinende nicht an unſere bis herigen Erfahrungen anreihen und es durch dieſelben erlaͤutern und uns verſtaͤndlich machen koͤnnen. Go bald wir aber beim Beobachten von demjenigen auss geben, was uns ſchon bekannt iſt und das Unbe⸗ kannte und Neue daran fetten, fo begreifen wir. fo wohl diefes als den Zufammenhang mit jenem und wir ſchweben nicht mehr in einer Welt, wo für ung alles ein Rärdfel it. Wir müffen aljo zum Pers ſtehen fremder Dinge eine lebendige und verſtaͤndiiche | Welt in uns haben, die uns nach allen Richtungen | ſammt ihrem Inhalte befanne ift, woran wir das gelefene Unbefannte anfnüpfen und beides durch eins - ‚ ander. aufflären und für -uns, begreiflich machen. Wer etwas über Erſcheinungen, z. B. über Schwaͤr⸗ merei, Träume, fire Ideen u. ſ. w. leſen wollte, und haͤtte theils noch keine deutliche Vorſtellung von die⸗ fen Gegenſtaͤnden, theils wären ihm dergleichen Er⸗ ſcheinungen oder ſolche, die eine Aehnlichkeit mit ihnen haben oder im voͤlligen Contraſte mit ihnen ſtehen, gaͤnzlich fremd, ſo wuͤrde er ſich vergeblich, um Aufſchluß uͤber ſie zu erhalten, an das Buch wenden, er würde feinen Inhalt durch feine ent⸗ fpvechende oder verwandte Borftellung in fich ver- ſtaͤndlich machen koͤnnen. Durch das Leſen muß er alſo einen Zuſtand in ſich rege machen, der entweder dem Inhalte des Buches völlig entſpricht, z. B. bei Dichtern, die Gefühle, Begriffe und Ideen ſchildern und darfiellen, oder der doch. Aehnlichkeit mit dem⸗ felben hat: denn wie will ‚er fonft dasjenige, was er lieſt, begreifen, wenn nichts in feinem Gemuͤthe am
m. 176,” 6
ſchmaͤhliche ff werden ſoll, die uns ewig an der
Erde gefeſſelt Hält und alles Aufſchauen zum Himmel, d. h. zu Ideen, den Urbildern des Guten ynd Web⸗ ren, verhindert.
Zum Verſtehen der Buͤcher gehoͤrt alſo, daß wir ſchon einige Erfahrungen durch Beobachtungen gemacht haben, um das Geleſene durch ſie begreiflich zu machen. Ferner wird Selbſtthaͤtigkeit des Verſtan⸗ des, und Lebhaftigkeit der Einbildungskraft dazu er⸗ fodert, um alles Geleſene durch Feſthalten in einen
verſtaͤndlichen Zuſammenhang durch eigene Thaͤtig⸗ keit zu bringen. Und das Leſen ſelbſt iſt ein. Ver⸗ ſtehen des Inhaltes eines Buches, eine Einſicht in die Urſachen und in den Zweck des abgehandelten Gegenſtandes und eine Kenntniß der Wirkungen und ‚Mittel der in Uinterfuchung genommenen Erjcheinme gen. Allein wozu lernen wie Wirkung und Urfache, Mittel und Zweck der Dinge fennen? Was ift uns mit Kenntniffen gedient, wenn wir niche milfen, wozu und wie wir fie brauchen follen? Alles Wiſſen ſoll zu' etwas gut ſeyn, was wird aber dazu erfodert, um Gebrauch davon machen zu koͤnnen? 1) Freiheit
und Selbſtthaͤtigkeit aller unferer Anlagen und Kräfte,
‚und 2) Einſicht in die Zwecke der Menſchheit. Jene Eigenſchaften ſind die Bedingungen der Letztern und
“haben wir jene erkaͤmpft, fo koſtet es uns weder viel
Zeit noch Mühe, uns Kenntniß von diefen zu ver⸗ ſchaffen und die Mittel gu ihrer, wenn auch nicht voll- ſtaͤndigen, Erreichung, doc) zur Annäherung an Dies ſelben herbei zu fehaffen.. Warum lefen wir aljo und was ift der Zweck der Lektuͤre? Alles Verſtehen ift
— 171 2
bloß Mittel zu etwas, und wir wollen durch daſſeibe nicht bloß Worte und Begriffe zufammenfeßen ler⸗ nen, fondern etwas Hoͤheres und Wichtigeres durch
Diefe erreichen. Uns ift es hier aber nicht um eine." -
Kenntnig der Dinge, die Mittel zu etwas find und fters. Mittel bleiben, “fondern um die Zwecke der Menfchheit zu thun, welche der Menfch kennen ler⸗ nen und nad ‚welchen er ftreben fol. Was der Menfch überhaupt zu erkaͤmpfen eine Pfliche Hat, “ find zwei Gegenftände, Kultur zur Freiheit feiner Kräfte und Kultur zur Sittlichkeit. Die Letztere gehe gänzlich ſammt aflen ihren Antrieben aus uns hervor und feße mie die Erſtere ſelbſteigene Anſtrengungen voraus. Um aber ſelbſtthaͤtig zu werden, dazu ge⸗ hoͤrt Uebung und das Leſen hat feinen. andern Zweck, . als uns in der Selbfthätigfeie zu üben. Alles Leſen muß daher auf die Entwicelung und Vervollfomms nung aller unferer Vermögen und Kräfte zum freien und felbfteigenen Gebrauche angelegt ſeyn- wozu das Urtbeilen und Berftehen-als Mittel dient. Wir leſen, um.ung mündig zu machen, und wir ftreben durchs Sefen. nach Selbſtthaͤtigkeit, um allen Fode⸗ rungen, die die Vernunft an Ans thut, Gnuͤge zu leiften. An alle Menſchen läßt. die Vernunft das
‚Gebot ergehen: fend felbftehätig und bediente. Ä
euch eurer räfte nach eigener Einſicht. | Durch den öftern Gebrauch werden die Kräfte geibe und durch häufige Hebung erlangen fie eine immer - größere Stärke, Fertigkeit und Geſchicklichkeit. Und wozu ſind denn dieſe noͤthig? Zu einem ſteten Recht⸗ und Guthandeln, welches das Hoͤchſte im Himmel und auf der Erde für den Menſchen ift. Ä Sun zu denken. M
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— 1718 —
Warum iſt denn aber gerade Kultur der Kraͤfte des Menſchen der Zweck des Leſens und warum hat
es keine andere Abſicht? Der Menſch will durch alle
feine Thaͤtigkeit entweder etwas außer ſich oder in ſich bewirken und daher äußere oder innere Zwecke errei⸗ chen. gene aber find entweder gänzlich unerreichbar,
fo lange er noch feine Selbſtthaͤtigkeit des Geiftes errungen hat, oder fie find für den Menfchen-ent«
‚ehrend 5 B. Schwelgereien, wozu bloß Geld und Vegetiren erfodert wird; diefe find entweder anges nehme Gefühle, oder Belehrung, oder Kultur.
- Zum Genuß‘ eines glücjeligen Zuftandes ift theils - bloße Paffivieat und Empfänglichkeit für äußere und
innere Eindruͤcke, theils auch Thaͤtigkeit nöthig, um
die zum Wohlſeyn erfoderlichen Stoffe. entweder bloß herbei zu ſchaffen, oder zu verarbeiten. Belehrung ‚ Kann nicht ohne Selbſtthaͤtigkeit des Werftandes ſtatt
finden, denn wir muͤſſen dasjenige, was wir ans ſchauen, oder durch den mündlichen oder ſchriftlichen Unterricht erhalten, im Bewußtſeyn zu einer Vor⸗ ſtellung verbinden, dieſe an andere Vorſtellungen an»
‚ fetten und fo das Unbefannte durch das Bekannte
aufklären. Man fieht hieraus, daß zur Erreichung dieſer beiden Zwede, nänlicd des Vergnügens und ‚der Belehrung , jederzeit Geuͤbtheit im Selbſtdenken
erfoderlich iſt, um dasjenige zuſammen zu faſſen und
zu begreifen, was uns entweder von Andern oder von uns felbft zur Realiſirung derſelben dargereicht wird.
Es bleibt uns alſo als hoͤchſter Zweck der Lektuͤre bloß
die Kultur unſerer Kräfte übrig, welche zur Er⸗ reichung aller andern edlen Zwecke die Bedingung ift. Allein zur Ersepung zur Selbſtthaͤtigkeit find-Mates
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rialien erfoderlich, woran wir unſere Kraͤfte uͤben koͤnnen und wo koͤnnten wir dieſe zur Kultur noͤthigen
Stoffe in reichern Maaße fuͤr unſere Geiſteskraͤfte
paſſender, ihre Thaͤtigkeit mehr erweckender und ſchon zu geiſtigen Verarbeitungen vorbereiteter fin⸗
ben, als in Büchern? — Bücher ſprechen verſtaͤnd⸗
licher und eindringlicher zu uns als die Natur und er«
feichtern daher fo wohl das Verſtehen der Erſcheinun⸗
gen als die Ausbildung unſerer Kraͤfte weit mehr als die. Anſicht der Natur, die ſtumm bleibe‘, wenn wir
ihr nicht durch freies Selbſtdenken eine verſtaͤndliche | Sprache leihen. Niemand kann uns Kultur mitthei⸗ len, fondern wir müffen fie ung felbft erwerben, weil
fie bloß eine Frucht unferer freien Selbſtthaͤtigkeit ift. Die Lektuͤre der Bücher reizt die Wißbegierde in uns auf, weil fie uns einige Auffchlüffe mierheile, am Deren Kenntniß uns fehr viel gelegen ift; Andere aber
fo in den Hinterhalt ſtellt, daß wir fie nur. durch eigene Anftrengung erfämpfen koͤnnen und wo bie
Wißbegierde einmal entflamme ift, da entfchliegt mar
fih audy bald zu eigenen Verſuchen im Nachdenken
und Ergründen ber Urſachen und Zwecke der Erſchei⸗ nungen.
Bei der gegenwaͤrtigen Abhandlung, die bloß
die Erziehung zum Selbſtdenken und die Unterſuchung der Mittel, die man dazu anwenden muß, aber nicht Die. Erweckung und Ermunterung zum Handeln nach eigenen Einfihten, zur Abfiche bat, iſt es uns vors zuͤglich um die Bildungsmittel zur Rultur ber intel lektuellen Kräfte," d. b: des Verftandes, ber Urtheils⸗ kraft und. der Vernunft zu hun, wie muß man 2
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[ ‚= 190 —-
alfo fefen, um ſich zum Selbſtdenker auss zubilden? Alles, was wir lefen, müflen wir nad) feiner Bedeutung und nach feinem Zwecke einzufehen ſuchen. Miches darf bei diefem Gefchäfte übergan-
gen werden, was wir nicht. begriffen oder wovon wir " _
nicht die Einfihr erlangt haben, daß es Unſinn ift und aljp gar nicht verftanden, d. b. in unferm Be- wußtfeyn verfnupft, und feinem Gehalte nach einge- fehen werden kann. Daher müffen wir uns auch ans faͤnglich vor der Leftüre folcher Bücher Huren, deren Inhalt jenfeits der Grenzen alles menfchlichen Erken⸗ nens liegt, weil diefer feine Thaͤtigkeit in ung aufregt und ung feine $uft Durch das Gelingen unferer Arbeit einfloͤßt. Wenn man das Bücherlefen als ein Kul⸗ turmittel der Denffraft betreiben will, fo muß man ſich 1) mit der Bedeutung der einzelnen Worte, mit dem Sinne ganzer Redensarten und ganzer Perioden befannt machen. Man muß das Verhaͤltniß eines Saßes zum Nachfolgenden unferfuhen, und feine Beziehung zum Ganzen prüfen. Dan barf keinen Abſchnitt in der Rede verlaffen, fo lange man noch _ ‚nicht kinſieht, was der Verfaſſer für eine Erfcheinung dder für eine Eigenfchaft derfelben. ausbrüden ‚und
erklaͤren gerollt bat.
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2) Man muß ganze Gedankenreihen des Ver⸗ faſſers feſthalten, ſie nach allen Richtungen verfolgen, in allen Verhaͤltniſſen betrachten und ſie nach ihrer Abſicht erforſchen. Alte Praͤdikate und Subjekte, alle Urtheile und Schluͤſſe muͤſſen ſorgfaͤltig gepruͤft und es muß unterſucht werden, ob jene wahr und treffend, ob dieſe gegruͤndet ſind und was aus allem,
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wenn es entweder der Wahrhei gend ober berfelben‘ ’ zuwider iſt folgt. |
3) Hat man einen ganzen. Abſchnitt durchge⸗ leſen, ſo muß man ſich denſelben in Gedanken und zwar, wenn er fuͤr uns neu und alſo ſchwer iſt, mehr als einmal mit Reflexion, d. h. mit Pruͤfen nach allen ſeinen Verhaͤltniſſen und mit Unterſuchen ſeines Zu⸗ ſammenhanges, wiederhohlen, um zu erfahren, ob ‚wir wiſſen, was der Verfaſſer geſagt hat. Auch Muüſſen wir den Abſchnitt, deſſen Inhalt fuͤr uns neu und vielleicht ſchwer zu begreifen iſt, nochmals durchleſen, um zu ſehen, ob wir das Geleſene voll⸗ ſtaͤndig aufgefaßt und richtig verſtanden haben.
4) Man muß ferner unterfuchen ‚ vb der Ber faffer bei feinen Räfonnements folgerichtig verfahren. ift, und ob er nicht in das Reſultat mehr hineingelegt, als in ven Borderfäßen enthalten ift, oder ob erniht
etwas gänzlich Faliches aus. feinen zum Örunde ge⸗ legten Behauptungen gefolgert bat, —
5 Die Urtheile und Schluͤſſe des Veefaſſers müffen nach ihrer formellen und materiellen Wahr ⸗
heit duröhgegangen werden und man muß ſehen, ob fie der Form nach richtig, d. br ob fie fich nicht wider - fprechen, und ob fie ihrem Inhalte nach gegründer find, d. h. ob fie entweder mit ber. Erfahrung oder mit den urfprünglichen Ertenntnifgefegen des menſch⸗ lichen Geiſtes uͤbereinſtimmen.
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6) Hat man nun alles, was der Verfafler be⸗ hauptet, nach feinem ganzen Umfange und nad) feis
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nem wahren Gehalte eingeſehen, ſo muß man ſich bemuͤhen, zu erforſchen, ob und in wie ferne die Be⸗ hauptungen des Verfaſſers in allen ihren Theilen oder nur im Einzelnen wahr oder falſch und warum ſie das Eine oder das Andere ſind. Man muß ſich nunmehro über ben abgehandelten Gegenſtand er- heben und die Herrfchaft über ihn zu gewinnen fuchen, indem man eine freiere Anficht der Sache nimmt und unterfucht, ob er alle Vortheile, die ihm fein abzu- bandelnder Gegenftand darbot, zu feiner Erörterung benußt, ob er ihn von: allen Seiten und in allen fei« nen Verhaͤltniſſen erforfcht, ob er alle Gruͤnde und Urfachen, Die denfelben in ein vorzügliches Licht ſtel⸗ fen, bemerkt und ob er feine Abhandfung mit alfen ben Erfahrungen bereichert hat, bie ſchon vor ſeiner Unterſuchung vorhanden waren.
| ) Man muß gehau Acht geben, ob der Ver« faffer nicht verfchiebenarrige Gegenſtaͤnde mie einans ber vermifcht ober verfchiedene Gebiete der Wiſſen⸗ ſchaften mit einander verwechfele, ;. B. die Mora mie der Rechtswiſſenſchaft, die Logik mie der. Metas phyſik, die geoffenbarte Religion mit der natürlichen), und ob er nicht etwas aus der einen Wiſſenſchaft zu entſcheiden gefucht hat, welches gar nicht aus ihr ent⸗ | fchieden werden durfte. Alle Menfchen follen in einen Staat treten und wer es nicht will, der darf dazu ge⸗ zwungen werden; diefen Gaß kann nicht die Moral, ‚ fondern bloß die Rechtswiſſenſchaft rechtfertigen.
8) Man mag bie Grundfäße, worauf ber Vers i faſſer ſeine Behauptungen ſtuͤtzt und wodurch er fie
‚ zu begründen vermeint, auffuchen und nach ihrer Richtigkeit und Beſtim theils den Gebrauch beurtheilen, d macht hat. Hieraus lernen wir fol. —
lichkeit und Feſtigkeit, als bie Wahrhen feiner Unter · —
ſuchungen einfehen. —
9) Bei originellen Denkern muß man beſonders auf die Anſicht, aus welcher ſie den zu unterſuchenden Gegenſtand betrachten, auf die Methode, die ſie in ſeiner Bearbeitung und Erlaͤuterung befolgen, auf die Winfe, die fie bald uͤber dieſes, bald über jenes geben, auf die dern, bie anfänglich oft paradop klingen, aber doch bei längerm Nachdenken als wahr und gegrunder erjcheinen, auf Die Hülfsmittel, bie fie zum Beweiſe ihrer Behauptungen benußen, auf Die Züge, womit fie Menfchen und Sachen charaftes rifiren, auf die Bemerfungen, die fie in ihre Unter»
fuchung einftreuen, kurz man muß auf alles, was ihre - '
ideen, den Gang und die Einfleidung derfelben bes trifft, forgfältig Acht geben.
.10) Bei der Ueberſicht des Ganzen eines Were kes muß man auf den Geiſt, der daſſelbe belebt, und ‚auf den Charakter, der dafjelbe von allen Andern unterſcheidet, aufmerffam ſeyn, um fo wohl die Eis genheiten bes Denfers, als feiner Gedanken Fennen zu lernen.
Diefe Anatomif der Bücher ift eben ko noch» wendig als die Anatomie des menfchlichen Körpers; ohne jene entgeht uns ein ganz befonbers fruchtbares
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ohne Diefe bleiben uns die Beftandrheile und die Des ſchaffenheit des menfliche Körpers unbekannt.
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uͤffsmittel zur Erziehung zum Selbſtdenken, und"
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Beim Leſen müſſen wir nie unthaͤtig ſeyn, ſon⸗
dern uns ſtets ſelbſt beſchaͤftigen, wenn uns auch das
Buch, das wir leſen, nicht genug zu thun geben follee. Es liege die Schuld an uns, wenn ung ein Bud) ge« haltleer vorkommt. Jedes Buch ift eine todte Maffe, Die bloß dadurch belebt wird, daß wir mit unferm
Verftand felbftehärig bei der Lektuͤre deſſelben ver⸗ fahren. Wir müffen daher dasjenige aus ung felbft
hervorlangen, was diefes Todtengerippe nicht ents
hält, und wir müffen. ihm durch Selbſtthaͤtigkeit Geiſt einhauchen, wenn es fraftlos zu Boden finfen
will. Leibnitz fagte von fih, daß er fein Buch ohne Nußen leſe. Diefer ideenreiche Kopf lieh dem
Buche, was es vielleiche felbft nicht hafte, nämlid) . Gedanken, und gerieth baher auf Anfichten der Dinge,
die man bisher überfehen hatte,
Zum Verſtehen hilft nicht Geſchwindſeyn ‚ fon:
“ bern ausdauernde Bebarrlichfeit im Derfen: wer
das Flüchtige feffeln, das Unfichtbare ſichtbar machen, das Dunfle erleuchten, das Grobe vergeiftigen, das
Todte beleben und alles, was fi) ihm darbieret, nah
Willkuͤhr beberrichen fann, der ift der geſchickteſte
Leſer.
Allein wir muͤſſen nicht alles leſen, was uns in
die Hände kommt, ſondern eine. Auswahl unter den - zu leſenden Büchern trefien; denn nicht aus jedem
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. — iss — | Holze kann ein Merkurius gefchnißt werden. Wir müffen unfere Zeit und unfere Kräfte nicht an .
"jedes geiftlofe, fehaale und. gedanfenleere ‘Buch vers ſchwenden, fordern wir müffen mie beiden haushaͤlte⸗ riſch umgehen. Das Leben ift. kurz und der Taten
ſollen viele gethan werden. -Die Zeit eile, die Kräfte: , nußen ſich ab, das Alter uͤberfaͤllt uns, "ehe wir es uns vermuthen und wir ſinken unbeweint und vers
geſſen in das Grab, weil wir nicht genug gethan haben. Zeit und Keäfte find zwei Güter, die, wenn
ſie einmal verpraßt find, hie wieder erjeßt werben - koͤnnen. Hier hilft kein Wehellagen: o fi praeteritos
- ‚referat mihi Juppiter annos; alles Seufzen ift ums ſonſt. Wir muͤſſen eilen und arbeiten, weil wir noch ° jung und kraftvoll find und weil uns das Gluͤck noch hold ift. J
Welche Buͤcher aber ſind beſonders zur Kultur der Denkkraft geſchickkt? Dir Menſch kann ſich den Stoff weder zum Denken noch zum Handeln erſchaffen, weil er nicht allmaͤchtig iſt,
„er muß alſo denſelben anderswoher zu erhalten ſire ben, und er bekommt ihn entweder durch Eindruͤcke von Außen oder von Innen, deren Regſamkeit und Lebendigkeit er durch Selbſtthaͤtigkeit erhöhen, und
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‚ über welche er fich durch Much und Entſchloſſenheit | .
‚immer mehr Gewalt verfchaffen- kann, Diejenigen Bücher alfo, welche ipn reichlich mit Nahrung zum > ‚Denken 'verforgen, find vorzüglich sur Ausbildung feiner Denkkraft geeignet. Wir muͤffen daher 1) ges dankenreiche Bücher lefen: was verftche man..aber. unter dem Gedankenreichthume? Cine Menge Bes
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griffe,; die neu, ausdrucksvoll, det Sache entfpres chend, deutlich und beftimme find, zieht unjern Geift ' an und ladet ihn zum Nachdenfen ein. Se reichlicher daher ein Buch mit Vorftellungen angefüllt ift, die. leicht faßlich find, den Gegenſtand treffend charaftes rifiren, in Die Geheimniſſe der Dinge eingreifen und: uns diefelden enthüllen, den wahren Gefichtspunfe des Gegenftandes auffaffen und neue Ausfichten er⸗ öfnen, defto tauglicher ift es zur Uebung des Verſtan⸗ des und der Vernunft - Ein gedanfenreiches Bud liefert uns viele intereffanee Materialien zum Denken; eg reist uns daher eben fo fehr zur Thätigfeit als eg uns Vergnügen verfchaft, und es macht eben fo gut. eine Welt voll Erfcheinungen in ung rege, als es das. eigene freie Nachdenken über uns felbjt thut; 2) muß das Buch, das wir zur Hebung unferer Denkkraft waͤhlen, geiftreich feyn: denn durch die
‚befebenden ideen, die das Geiftreiche enchält, durch das Meizende und Pikante, womit daſſelbe unfer In⸗
nerftes ergreift, werben wir gegen die Ermüdung.in unferm Beftreben nach Selbftftändigfeie und gegen
den Ueberdruß im Denfen gefichert. Was verftehe
man alfo unter einem geiftreichen Bude? Dasjenige,
“welches nicht bloß Begriffe, fondern auch Ideen ents haͤlt, die feappant,ı treffend, neu find, Die das Ge⸗
muͤth beleben und ihm zugleich viel zu Denfen geben,
die Eigenfchaften an den’ Dingen und an den Mens [chen bemerkbar machen, welche nicht fo gleich zu ent⸗
decken' find und die den Gegenſtand gleichſam vergeis ſtigen, iſt geiftreih. Bei der Lektüre geiftreicher -
— — ⸗— —
Buͤcher erhalten wir viele Gedanken, und je laͤnger
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wir uͤber ſie nachdenken, deſto weniger ſind wir im Stande, alle Vorſtellungen, die ſie enthalten und erwecken, zuſammen zu faſſen. uns eine große Menge derſelben und immer kommen neue zum Vorſcheine und wir ſchwimmen in einem Meere von Gedanken. Geiſtreiche Bücher ermuͤden
nicht: wir werden immerfort durch fie mit neuer
Kraft und mit neuem Leben ausgeruͤſtet, und wir
fuͤhlen an der Beſchaͤftigung mit ihnen ein Wohlbe⸗
bagen und eine Befriedigung , die zugleich ſtaͤrkt und
belebt. Das Geiſtreiche zu faſſen und zu begreifen,
koſtet uns eben keine großen Anſtrengungen, ob es uns gleich in die tiefſten und verborgenſten Geheim⸗ niſſe der Dinge und der Menſchen einweihet. Der Geiſt iſt das Unſichtbare in den Gedanken, das ihren Inhalt fuͤr den Verſtand eben ſo lehrreich und reizend
als fuͤr das Herz anziehend und erquickend macht.
Das Inkierſte der Menſchheit geht in das Geiftreiche über und offenbart ſich durch daffelbe, und man findet die urfprünglichfte und reinſte Thaͤtigkeit des Schrift«
ſtellers in Büchern ausgedruckt, Die geiftreich find. - Zum Öeiftreichen gehört alfo Meubeit und Reichthum
an Gefühle und Gedanken erweckenden Ideen, und
8 wird vieler Scharfſinn, und eine feurige und
fhöpferifehe Einbildungsfraft dazu erfodert, um fo wohl neue Wahrheiten zu entdecken, als fie ſprechend und febendig darzuftellen. Folgende Stellen von Kant find zugleich gedanken » und geiſtreich: „das
Immer entwiſcht
Schattenreich iſt das Paradies der Phantaſten.
Hier finden ſie ein unbegrenztes Land, wo ſie ſich nach
Belieben anbauen koͤnnen. Hypochondriſche Duͤnſte, Ammenmaͤhrchen und Kloſterwunder laſſen es ihnen
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an, Bauzeug nicht ermangeln. Die Dpilofopfen zeichnen den Grundriß und ändernihn wiederum ober verwerfen ihn, wie es ihre Gewohnheit iſt. Nur das beilige Rom hat daſelbſt eintraͤgliche Provin⸗ zen; die zwei Kronen des unfichtbaren Reiches ſtuͤtzen die dritte als das hinfällige Diadem feiner irrdifchen Hoheit, und die Schlüffel, melche die beiden Pforten der andern Welt aufthun, ofnen zugleich ſympathe⸗ tifch Die Kaften der gegenwärtigen. Dergleichen Gerechtfame des Geifterreiches, in fo ferne e8 durch - Die Gründe der Staatsflugheit bewieſen ift, erheben fich „weit uͤber alle ohnmaͤchtigen Einwuͤrfe der Schul⸗ weiſen u. ſ. w.“ „Die Weiblichkeiten heißen Schwaͤ⸗ chen. Man ſpaßt daruͤber. Thoren treiben damit
ihren Spott, Vernuͤnftige aber ſehen ſehr gut, daß - fie gerade die Hebezeuge find, die Maͤnnlichkeit zur lenken und fie zu jener ihrer Abfiche zu gebrauchen.
‚Der Mann ijt leicht zu erforfchen, Die Frau verräch ihr Geheimniß nicht, obgleich Anderer ihres (wegen ihrer Redſeligkeit) fehleche bei ihr verwahrt iſt. Er liebe den Hausfrieden und unterwirft ſich gern
ihrem Megiment, um fich nur in.feinen Gefchäften
niche bebindere zu feben. Sie fcheuer den Haus⸗ krieg nicht, den fie mit der Zunge führe und zu mels _ chem Behufe die Natur ihr Redſeligkeit und affekt⸗ volle DBeredtpeit gab, die den Mann entwaffnet. Er fußt ſi ſich auf das Recht des Staͤrkern, im Hauſe
zu befehlen, weil er es gegen’ äußere Feinde ſchuͤtzen foll; fie auf das Necht des Schwaͤchern, vom männ«
fichen Theile gegen Männer gefchüge zu werden und
- macht durch Thränen der Erbitterung den Mann
- d . ’ i ’ , 1} 38 — ar . . ” . X ——
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— 189 — —“
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| wehelos, indem ſe ihm ſeine Ungrofmirigt vor⸗
rüdt 5“
3) müffendie@edanfen eines Buches, das wir leſen, nicht felten originell ſeyn, damit fie durch das Neue, Auffallende und Ungemöhnliche den Geift ſtets zu neuen Anftrengungen anreizen und ermuntern.
Das Driginelle wird dem Gewoͤhnlichen entgegenges
feßt und iſt alfo.dasjenige, was nicht alltäglich if Allein ift es nicht oft der Tall, daf etwas ungewoͤhn⸗ lich und doch nicht originell ii? Man begreift, alfg unter dem Driginellen außer dem nicht Altäglichen noch mehrere Eigenfchaften, die wir aufſuchen müffen,
* Das Driginelle liefert neue und belehrende Anfichten der Dinge, und hebt Öefichtspunfte an ben Gegens
ſtaͤnden heraus, die wir ſelten gewahr werden und
die vielen Stoff zum Nachſinnen geben. Das Ori⸗
ginelle muß viele Gefuͤhle und Ideen in uns auf:
wecfemund als Mufter für den Gefchmac gelten Fün«
nen; denn es giebt auch) originellen Unfinn.. Es offenbar ſich alfo in den Schriften.auf eine Doppelte -.
"Art, 1) in ben Gedanken und 2) in ber Darftellung
der been eines Buches. Jene find Fühn. und
ibeenreich ‚ enthalten neue Auffchlüffe über die Dinge
und über den Menfchen, und betrachten fie aus un«
gewoͤhnlichen Geſichtspunkten: dieſe muß korrekt,
lebendig, praͤcis, deutlich und ausdrucksvoll ſeyn. Folgende Gedanken Kants ſind originell: „die un⸗ bedingte Nothwendigkeit, die wir als den letzten Traͤger aller Dinge, ſo unentbehrlich beduͤrfen, iſt der wahre Abgrund fuͤr die menſchliche Vernunft. Selbſt bie Ewigkeit, fo ſchauderhaft mbaben ſie auch
‘
Gegenſtand angemeffen find, daß bas Ganze Die
Einbildungskraft ins Spiel ſetzt und den Verſtand, ob es ſchon zu denken giebt, doch leicht und angenehm beſchaͤftigt und unſere Bemuͤhung durch neue und
nuͤtzliche Einſichten belohnt.
Die Buͤcher, die wir zur Ausbildung unſerer Denkkraft leſen, muͤſſen ſich alſo eben ſo ſehr durch Gedankenreichthum als durch eine ſchoͤne Darſtellung = der Vorſtellungen auszeichnen, wenn wir mit reichem
Gexwinne für die Kultur und Mimdigfeit unfers Gei«
ſtes leſen wollen. Doch giebt es Schriftſteller,
denen die Gabe einer angenehmen und fchönen Dar; ftellung ihrer Gedanfen gänzlih abgeht, bie aber
gleichwohl fehr gebanfen + und geiftreich ſchreiben. Ä Im einen jolchen Falle wuͤrden wir ung felbft am meis.
ſten ſchaden, wenn wir fie nicht leſen wollten. Wir muͤſſen daher auch ſolche Schriften fleißig ſtudieren, die uns zwar durch Peine lebendige Darſtellung ein⸗ laden, aber doch unſerm Verſtande Vieles zu denken und uns die herrlichſten Aufſchluͤſſe ͤber den Men⸗ ſchen und die Natur geben.
5) Wenn wir uns im Selbſtdenken eine große
Fertigkeit erwerben wollen, fo iſt es zweckmaͤßig ge-
handelt, wenn wir nach dem Einſammeln von Ma⸗ terialien und nach der Erweckung unſerer Denkkraft zur freien Selbſtthaͤtigkeit öfters ſolche Bücher leſen, deren Inhalt ſyſtematiſch geordnet iſt und worin das Ganze eine ſtreng wiſſenſchaftliche Form erhalten hat. Wir gewoͤhnen uns dadurch ſo wohl an folgerichtiges als an ſyſtematiſches (nach Prinzipien geleitetes)
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Denken; wir lernen lange Gedankenreihen verfolgen und fangen eifriger an, ihre Verkettung und ihre
Anordnung zu ſtudieren und zu prüfen. Beſtimmt ⸗
heit, Deutlichkeit und eine natuͤrliche Verbindung unſerer Gedanken wird uns dadurch zum Beduͤrfniſſe,
Das Spftematifche in den Wiſſenſchaften iſt das
Band, das die unfichtbaren und flüchtigen Geiftr—
bie Gedanken — zuſammenhaͤlt und uns die Ueber⸗ fiht und die Pruͤfang derſelben erleichter.. Der. ‚Meufch ſoll, wenn er. ein nügliher Mann für die
Belt werden will, nicht allein ſelbſt denken, ſondern
auch das Selbſtgedachte in einen leicht faßlichen und - natürlichen Sufgmmenhang bringen lernen... Sind
bei ber Lektuͤre die logiſchen Sormen und das Softes |
matifche in .der Stellung der abgehandelten Gegen⸗ ſtaͤnde fuͤr uns noch zu trocken und abſchreckend, ſo
liegt die Schuld an uns. Wir haben uns zu feige:
zeitig in ihre Schule begeben: in uns iſt dasjenige
noch nicht rege und felbftehätig worden, was uns bei‘ Eu
den trockenſten Gegenftänden vor langer Weile ſichert. Man muß vorhers.viele Stoffe zum Denfen und eine . große Fertigkeit in dem Letztern errungen haben ‚ebe
man ſich an die Beichäftigung mit den logischen Funk⸗
tionen des Denkens wagt und man muß ſi ſich vorhero in der Erfahrung kennen gelernt haben, ehe man den . Grund und die Bedingung aller Erfahrung und die Daraus abgeleiteten Prinzipien mit Luft und Vortheil auffuchen kann. Arbeit ohne Gewinn ermüder ung . nicht allein, fondern flöße uns. auch Abfcheu vor ihr ein: trocene logiſche Denkubungen haben ſchong
manchem aufſproſſenden Juͤngling alles Selbſtdenken
verhaßt gemacht und bie leeren Formeln haben ſchon =
supi in denken.
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⸗ — 194 — J
manchen wißbegierigen Geiſt getoͤdtet. Alles in der. Natur gefchieht ftufenweife und diefe Ordnung müffen wir auch bei. der Kultur unferer Anlagen beobachten, wenn wir nicht Zeit, Mühe und Sräfte umſonſt ver⸗ praſſen wollen.
Welchen Inhalt aber muͤſſen die Buͤcher haben, womit wir die Lektuͤre zur Ausbildung unſerer Denke" kraft zur Selbſtſtaͤndigkeit beginnen koͤnnen? Das« fenige,. was allgemein nüßlich, für Kopf und Herz Intereffang, neu und verſtaͤndlich ift, reizt uns vors zugfich zum Nachdenken. Der Menfch und die Natur find daher die wichtigen Gegenftände,. die ung befonders zum Denken auffodern, die uns bie tref⸗ lichſten Materialien dazu liefern und bie nie aufhören, uns Intereſſe für- die Beſchaͤftigung mit ihnen eins- zufioͤßen. Wir muͤſſen uns alſo ‚vorzüglich mit des Lektuͤre ſolcher Buͤcher beſchaͤftigen , die uns mit dev Natur des Menfchen, ihren Eigenheiten, ihren Kraͤften, ihren Verireungen, ihren Gefeßen und mie den Grenzen ber Anmendbarkeit derfelben befannt - “machen. Der Menfch ift eine Welt im- Kleinen; in ihm gehen Sonnen auf und unter; in ihm wirft eine ftete Produktionskraft; mögen Millionen Zahre in bas Meer der Ewigkeit hinabgeſunken feyn, es blei⸗ ben doc) ſtets Dunkelheiten und unbefannte Falten in feinem Herzen; er nimme ftets eine andere Geſtalt an, deren Erfcheinung oft alle vorher aufgerhürms | ten Berge von Schlüffen umſtuͤrzt. Der Grund von. dieſer fleten Umwandlung und von biefen mannichfale
\
u 1 Be
tigen Erſcheinungen ; die man in dem Menſchen ge⸗
wahr wird, iſt die Freiheit, der Urquell alles Guten und alles. Boͤſen, und die Selbſtthaͤtigkeit ſeiner
Denkkraft, dar Schöpfer der Wahrheit und des Irr⸗
humes.: "Mehrere haben den Menfchen ganz zu Pens
zen geglaubt‘, wenn fie eine kurze Ueberſicht von fein mem. Sum‘. und Handeln erlangt hatten; allein je größere Fortſchritte fie in feiner Erkenntniß machten, defto mehrere Unbegreiflichfeiten entdeckten fie und‘ deſto mehrere: unerwarsete Erfcheinungen ſprangen ihnen in die Augen: denn es liegt in der menfchlichen Erkenntnißart, daß nur demjenigen etwas ſchwierig iſt, der. eine Sache in ihrem ganzen Umfange uͤber⸗ nei,
x J
Eina andere Aet von Buͤchern, "Sie wir im Ans
fange unſerer Denfübungen zu unferer Lektuͤre aufs
fuchen muͤſſen, fi nd foldye, die von den Erjcheinungen .
und. von den Produften der Natur handeln, und die. uns theils mit ihrer Befchaffenheit, theils mie ihrem Nußen ‚ theils mit der Art ihres Seyns und Enes” fiehens befannt machen. Es fomme dem Menfchen
furchtbar vor, aber es ift auch zugleich für ihn ents _
ehrend, in einer Welt zu leben, deren Erfcheinungen hebft ihren Urſachen und Bedingungen ihm unbe⸗ fannt find. Der unwifjende, wilde und rohe Menſch ſieht und hoͤrt im Gewitter und in jedem ungewoͤhn⸗
*
lichen Ereigniſſe der Natur, z. B. im Erdbeben, das .
Zürnen der Gottheit und wer zittert nicht vor der >
Gewalt eines allmächtigen Weſens, fo lange er dafs
ſelbe bloß von Eeiten feiner Macht Fennt, und fo
lange er noch nicht mit den natuͤrlichen Urſachen der N 2
— 196 —
Erſcheinungen dieſer "Art befannt-ift? Viele · Dinge
auf der Erde kommen uns bloß fuͤrchterlich vor, weil pie’ ihre Beſchaffenheit und den Grund ihrer MWirfungsarten .nicht kennen. Und‘ entehre es Ä den Menfhen, den Herrn der Schöpfung; nicht, wenn er feine Kenntniß besjenigen beſitzt, was um ihn her: vorgeht und wenn er vor einer: Naturgemalt öittent , der nur ber Aberglaube huldigtꝛe Das Seudium des Menſchen und der gotur muß alſo das Erſte ſeyn, womit ‚tie unſere Lektuͤre beginnen. Durch daſſelbe lernen wir ſo wohl ſelbſt denken als auch Materialien zur Ausfuͤhrung von aller⸗
lei Zwecken einſammeln. Ferner iſt auch die Ges
ſchichte der Wiſſenſchaften und der Kuͤnſte, der Denk⸗
art und der Meinungen der Vorwelt, des politiſchen Zuſtandes und der Kultur der Voͤlker eine reiche Fund⸗
grube zur Bereicherung und Erziehung unſers Geis |
fies, die wir nicht ununterſucht und unbenutzt laſſen durfen ©
> 4
Iſt die Lektuͤre der alten griechiſchen
und römifhen-Claffifer der Ausbildung
\
unferer Denkkraft zuträglicher und be föderliher, als das Lefen der neuern Schriftſteller? Alles, was langes Nachdenken und mannichfaltiges Studium erfodert, che es feinem Inhalte nach völlig verftanden und in Saft und Blue
= verwandelt werden kann, unterſtuͤtzt und. begünftige ganz vorzüglich die Kultur der Denkkraft. Wie
‘ I uud 1 97 ——
Diele Dinge müffen wir nicht wiſſen und wie angee legentlich stufen wie uns nicht bemühen, ehe wir einen. alten griechiſchen ober lateinifhen, Schriftfteller verftehen, d. h. ehe wir die Ideen auf⸗ gefaßt, die er ausgefuͤhrt hat, die Behandlung, bie: Verbindung und Anordnung feiner Vorſtellungen afennen gelernt und Die Bedeutſamkeit der Prädifate, Gleichniſſe u. ſ. w. eingefepen haben? Wir müffen
Worte, Redensarten, Sitten, Gebräyche, Den .
- Pungsart, Mythologie, Staatsverfaflung, Geogra⸗ phie, Geſchichte und andere Gegenftände kennen ler⸗ nen, ehe wir nur einigermaßen Anſpruch auf einige Einſicht in die Meinung des alten Schriftftellers und _
in den Inhalt feines Buches machen fonnen. Das
Ueberſetzen deſſelben erfodert eine angeftrengte Aufe
merffamfeit, ein ununterbrochenes Nachfinnen und
ein ftetes Prüfen; wir muͤſſen die einer Stelle anges meffene Bedeutung eines Wortes herausfuchen , das
Vorhergehende und Nachfolgende fters im Auͤge be— “ halten und beides’ mit einander vergleichen, um fo - wohl der Meinung des Verfaffers als der Wahrheit der Gedanfen auf die Spur zu kommen, um bie. Schönheiten und die Eigenthimlichfeiten in fehler Mede» und in feiner Denkart zu erforfchen, das Treffende und Ausdrucksvolle in den gebrauchten Bei⸗
worten zu ergruͤnden. Auf dieſe Art ſind wir ſtets
genoͤthigt, um nur einigen Genuß und Nußen bon .
unſerer Lektuͤre der alten Claſſiker zu Haben ‚„ vielen Fleiß und viele Aufmerffamfeit auf ihre Erklärung zu wenden. Zu Büchern Hingegen, die in unferer Mutterſprache gefchrieben find, bringen wir ſtets “einige Kenntnig der Sprache beim Anfange unferer
=
Lektuͤre mit; da ‘uns alſo die Sprache, worin das Buch geſchrieben iſt, wenn auch nicht vollkommen,
doch ſchon etwas bekannt iſt, fo ſehen wir beim Leſen
mehr auf den Sinn des Ganzen, als auf die Bedeu⸗
tung der 'einzelnen Worte und auf ihre Verbindung.
Wir wollen bloß Gedanken einſammeln, und die Leichtigkeit des Verſtehens macht uns oͤfters leichtſin⸗ nig im Aufmerken und wir leſen mechaniſch, was wir mit Ueberlegung und: Bedachtſamkeit durchgehen folls - ten. Aus alten Schriftftellern glauben wir aud)
öfters mehr zu lernen, als aus Meuern, und diefer
Wahnglaube (denn das ift er, was die Vervoll⸗ kommnung ber Wiſſenſchaften anbelangt) macht, daß wir defto aufmerffamer auf alle feine Gedanken find. Es fälle daher in die Augen, daß bie Lektuͤre der Bücher, die in einer todten Sprache gefchrieben find,
.' die Ausbildung der Denkkraft mehr befoͤdert, als die
Seftüre folcher, ‚welche in der Mutterfprache oder " überhaupt in einer lebendigen Sprache ausgearbeitet
find,
- Nenn man aber auch zugeben wollte, daß die Ausbildung unſerer Denkkraft eben ſo gut durch die
Lektuͤre der Schriften in neuern Sprachen, als durch
den Umgang mit den alten Claſſikern erreicht werden,
koͤnnte, wenn wir jene nur eben ſo behandelten, wie
wir die griechiſchen und roͤmiſchen Schriftſtel⸗ lee zu leſen gewohnt find, fo wuͤrde doch dadurch unſere Ausbildung noch nicht vollkommen ſeyn und wir würden immer noch die Griechen und Römer zu unſerer vollftändigen. Kultur, "nämlich zur Ge-
ſchmacksbildung, noͤthig haben. Der Geſchmack
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aim: nur an Muftern gebildet werden und biet ſich
die griechiſchen und die roͤmiſchen Claſſiker, weil die Sprachen, in welchen ſie geſchrieben find, jege todte Sprachen und alfo unveränderlih find, ‚welches durchaus außer dem Geiftvollen; Gedankenreichen,
Originellen und Schönen zum Begriffe, den wir uss
von einem Mufter machen, erfoderlich iſt. „Grie⸗
hen und Römer find Mufter des Gefchmades, fagt .
Hippel, und werden es bleiben in Ewigkeit. Nur
ſelige und vollendete Sprachen. kommen zu biefer Ehre. So lange eine Sprache lebt, wird dies Wort _ adelich, dies bürgerlich, dies bäuerifch, nach dem es
die Mode will. Es gehe mie den Worten, wie mit
den Samilien; dies kommt empor, jenes fälle. Heute.
ift es am föniglichen Hofe, in der Epopee, willkom⸗ men, morgen findet man es ſchon bis im Schäfer:
gedichte unausfteplich. Gedankenwendung, Dene . art, alles ift im aͤgyptiſchen Dienfthaufe der Mode — Gewinnſucht, Eigenſinn in der Nation kann Worte
erhoͤhen und erniedrigen. Alle Münzen in einer
lebendigen Sprache find der Reduktion unterwor "
fen — und wenn dann die Tyrannei triumphirt und Gößengreuel die heilige Stäte fchänder, wenn von
den Tempeln des Gefchmades fein Stein auf dem Andern ift,, wenn Barbarei das Sand deckt, find
Homer und Pindar, Virgil und Horaz“ — (die Wiederherfteller des Geſchmackes und die Er⸗
neuerer der Wiſſenſchaften) — Und Kant bee |
merke in der Kritik der Urtheilskraft S. 54 in der _ Anmerkung: „„Mufter des. Geſchmacks in Anfehung der redenden Künfte müffen in einer: todten und ges
le heten Sprache abgefaßt ſeyn: das Ekſte, um nicht
— 200, —
bie Berönderung erdufden zu muͤſſen, welche· die lebenden unvermeidlicher Weiſe trift, daß edle Aus⸗ drücke platt, gewoͤhnliche veraltet und neugeſchaffene in einen nur kurz dauernden Umlauf geſetzt werden; das Zweite, damit ſie eine Grammatik habe, welche keineni muthwilligen Wechfel ber Mode unterworfen. ift, fondern ihre unveränderliche Regel hat.“
Welhes find die gedanken, und geiſtreich— fen Schriften und Schriftfieller unter den neuern Eultivirten Nationen?.“
\ DU]
| Wenn bie fchlummernden Kräfte des Menfchen - nichts gewaltiger zum Wirken und Handeln. auffodere und reist, als die Lekture ideenreicher Bücher, fo, thut man wohl, daß man fi) mit den großen Geis. fern, die Die Ausbeute ihres Nachdenkens im Beobs achten und Specuftren in Büchern niedergelegt haben, befannt marht, damit man weiß, wohin man feine Zuflucht: ‚nehmen fol, wenn man den Weg zu feiner Muͤndigkeit einſchlagen und ſich zur Selbſtſtaͤndigkeit im Denken ausbilden will. Schon fruͤhzeitig müffen wir eine weife Auswahl in unferer Lektuͤre treffen, weil das Leben pfeilfchriell vorüberflieht und ung bie Sabre _ der Geſchaͤfte ereilen, wo wir weder Luſt noch Zeit haben, viele. Bücher zu leſen, zumal wenn ihre Lek⸗ türe uns große Anftrengung koſtet.
— 201 —
Ich fuͤhre hie nur Schriftſteller und Schriften der Neuern und keine Ueberſetzungen der alten Klaſ⸗ ſiker an, weil dieſe jederzeit auch in der beſten Ueber⸗ ſetzung zu viel verlieren, als daß man alle ihre Vor⸗
zuge darin wiederfinden und darnach die alten Schriftſteller richtig wuͤrdigen koͤnnte. Die alten griechiſchen und.römifchen Autoren müſſen in der Originalſprache geleſen werden, wenn fie wahr⸗
haft genoſſen werden ſollen. In keiner Ueberſetzung
findet man den antiken Geiſt und den gediegenen Cha⸗
rakter wieder, der den meiſten Originalen eigen iſt. Ueberdies geht bei der Lektuͤre einer Ueberfegung noch
das Vektſetzen in das Alterthum in dem Leſer und
%.
Häufig auch die gebrungene Kürze im Ausdrude vers
- . bogen. Ich führe daher nur die Driginalfchriften
der neuern Zeiten an, die jeder, der fich zum Selbſt⸗ denken erziehen will und der dies Gefchäft durch feine ganze Lebenszeit fortzufeßen bemüht ift, mit eben fo -
großem Gewinne für. die Kultur feines Kopfes als u “ für die Veredlung feines Herzens lefen wird, |
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‚A. Unter ben Teusfchen find zu bemerfen:
ı) Klopftod. a) Oden. 2%. b) Mefſias.
4 Baͤnde, (inf. ſammelichen Werken 1-6 ® .) 1798 —
2800.
2) Wieland. R Geſchichte des Agathon (in ſ. ſaͤmmtlichen Werfen 1794 — 1801. 1=3 3.) b) Der goldene Spiegel oder die Könige von Schefchian (ebend. 6 und 7 3.) e) Gefchichte des weifen Danifchmende und
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der drei Ealender (ebd: 8 2.) d) Mufarion (ebd. 9 2).
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\ ._ | — 204 —
1797. 1 B. herausg. von Sclichegroll) f) Ueber weib⸗ liche Bildung. ıgor.
6) Leßi ing, G. E. a) gaofopn, ober über die Gren⸗ zen der Mahlerei und Poeſie, n. v. A. „788. (in deffen ſaͤmmtlichen vermifchten Schriften 30 B. 1770 — 1794 im 9 und_Io Th.) b) Sabeln. Drei Bücher nebft Abs "Handlungen, mit diefer Dichtungsart verwandten Inhalte ‚1759. (ebend. im 18.) c) Nathan der Weiſe. Ein dras matifches Gedicht in 5 Aufl. 1779 (ebend.) d) Emilia Galotti, Trauerſp. (ebend. im 19 B.) e) Miß. Sara Samſon, Trauerſp. (ebend. im 19 B.) f) Minna von Barnhelm, oder das Soldatengluͤck, Luſtſp. (ebend. 21 3.) 8) Hamburgiſche Dramaturgie, 2 B. (ebend. im 24 und 25 8.) h)dDie Erziehung des Menfchengefchlechtes 1785: i) Ernft und Falk, Gefpr. für Sreimauerer (ebend. im
7 Th. k). Einige Lieder, Epigramme, Oden u. f. w. im
1 und 2 B. f. verm. Schriften. Ferner einzelne philo⸗ ſophiſche und aͤſthetiſche Abhandlungen in dieſen ſeinen Schriften. |
77 Leibnitz. 1) Nouveaux Ehfais für Pentendement humain. v. Ulrich, in den philof. Werfen nad Rafpeng - Sammlung aus d. Fr. mit Zuf. und Anmerk. ı und 22. 1778. 1780. 2) Ellay de Theodicde fur la bonte de
dieu, la libert€ de Phomme set Porigine du mal. Amſt.
1710. 1714. 1720,
8) Engel, 3 J. J. a) Der Philofoph für. die tt 1 und 2 Th. N. A. 1787. 3 Th. 1800. N. Aufl. in 2 Baͤn⸗ den 1801.. Auch unter dem Titel» E. Schriften ı und
298. 1801. b) Ideen zu einer Mimif, 2 Th. 1785 und
\ 1786. c) Anfangsgründe einer Theorie der Dichtungs⸗
arten, aus deutſchen Muſtern entwickelt (leider! bloß der
uſte Theil) 1783. d) Kleine Schriften 1795. (worin des
fonders zu bemerfen find: 1) über’pie Schönheit des Ein, ° fachen,.2) über die muflcalifche Mahlerei, 3) über einige Eigenheiten des Gefühlsfinned, 4) Fragmente über Ges
genſtaͤnde der fchönen Wiffenfchaften und 5) Verfuch einer
FE J I J 21 — 205 — we
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Mahede die Vernunftlehre aus platoniſchen Dialogen
au entwickeln.) . e) Der Fuͤrſtenſpiegel 1798. f) Der
Dantbare Sohn, ein Tändliches Euflfp. 1770. g) Dee Edelknabe, Luſtſp. 1775. h) nie Lorenz Start. em |
Charaktergemaͤlde 18OI. .' >
9 Mofes Menselsfoßn. Ay Philoſophiſche Schriften. v..4. 1777. 2 Theile, worin befonders die Briefe über die Empfindungen lehrreich find. b) Phädon oder 'Äber bie Unfterblichfeit der: Seele, in 3 Gefprächen 776. ı) M orgenſtunden oder Vorleſungen uͤber das Daſeyn Gottes r’ Th 1786. d) Jeruſalem oder über“ re⸗ ligioͤſe Macht und Judenthum 1783.
70) Buͤrger, GN. Gedichte rund 28. berandg, | v. Reinhard. 1796. ‚Seine dorzuͤglichſten Gedichte find: .
=) des. Pfotrers Tochter von Taubenheim, b) dag bohe Lied, e) Leonore und Andere. |
11) Schiller. a) Don Karlog, Infant von Spa⸗ nien 1787. N. A. in 2 B. 1801. b) Der Geiſterſeher
1789. (bloß der ıfle Th.) e) Wallenftein, ein dramatis : ſches Gedicht in 2 Th. 1300. d) Proſaiſche Echriften Hermifchten Inhalts ı Th. 1792. 22H. 1800. 3%h. 1801,
e) Gedichte ı Th. 1800. f) Gefchichte des Zojährigen
Krieges 3 Th. 1793: 8) Gefchichte des Abfalls der ver⸗
‚einigeen Niederlande von der fpanifchen Regierung ı 2. 1738. Neue ganz umgearbeitete Aufl; ı Th. ı und 2 B. Mit K. h) Maria Stuart, ein Trauerſp 1807 9 Das Maͤdchen von Orleang 1801.
12) Garve. a) Verfuche über berſchiebene Gegen
Rände aus der Moral, der Literatur und dem-gefellfchafte
lichen. Eeben 1—4%B. 1792 —ıg00. (Die gehaltreiche
fen Auffäße in diefen vier Bänden find : 1) einige Beob⸗ achtungen über die Kunſt zu denfen-und 2) über die Rol⸗ fen der Wahnmigigen in Shafefpearg Schaufpielen und
über den Charakter Hamlets insbefondere, im 2 B. und
über Geſellſchaft u. Einfamfeit im 3 u. 43.) b) Samm⸗ fung einiger Abhandlungen 1779. ©) Vermiſchte Auf⸗
— 4
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| eo * fäe , welche eingeln oder in Zeitſchriften erſchienen fin, 17Th. 1796. 2 Th. 1800. d) Ueber bie Neigungen. Eine Preisſchrift 1769. in 4. e) Einige Betrachtungen uͤber die allgemeinften Grundfäge der Sittenlehre 1798. F) Frag⸗ mente zur Schilderung Friedrichs IL 2 Th 1801. N. %: g) Vertraute Briefe an eine Freundin 1801. Lehrreiche Abhandlungen findet man bei feinen Ueberfegungen, bes ) Eitero, von ben menfchlichen Pflichten 2—4 B. N. 1792. 2)Macfarlan über bie Armuth 1785. 3) Payley's Grundſaͤtze der Moral und Politik im 2 Th. 1787. 4) Ethik des Ariſtoteles 1B. 1798. 2 Th. 1801. 5) Ser gufon’ 8 Grundfäße der Moralphiloſophie 1772. J
| 13) Gerſtenberg, H. W. v. a) Sändeleien 1765. b) Ugolino, eine Tragodie in 5 Aufz. 1768, - .- }
14) Leiſewitz, IA: Julius von Tarent. DTrauev⸗ ſpiel 1776. re.
15) Gesner, E. Schriften in 3 206, 1788 (die Idyllen/ 2 Daphnig u. A.)
16) Goefing. ‚ Gedichte in 3 2b. 1780 — 182. (worin befonderg die poetifchen. Briefe, die Lieder zweier Liebenden u. A. bemerkt zu werden verdienen.)
127) Gotter. a) Gedichte 2 Baͤnde 1787 u. 1788. Der erfte Band diefer Sammlung enthält Gotter's eigent⸗ liche Gedichte, worunter vorzüglich geiſt⸗ und. gedanken⸗
reich ſind a) die Flucht der Jugend, b) Epiftel über die
Starfgeifterei, c) der Dorfkirchhof nach dem Engl. des , Gray und andere philofophifche, fcherzhafte und ruͤhrende Gedichte. Der 2 B. enthaͤlt 1) Elektra, Trſp. 2) Mes rope, Trſp. 3) Alcire und Medea. b) Die Erbſchlei⸗ cher, Luſtſp. 1789. u *
18) Haller, (Albrecht von) Verſuch ſchweitzeri⸗ ſcher Gedichte. N.A. 1777. Bern. Unter feine beſten Ge⸗ dichte gehören: 1) über die Ewigkeit, 2) über die Ehre, 3) Mariane, eine Elegie und“ einige Naturſchilderungen in den Alpen.
19) Siinimermann, g G. Von ber Erfah⸗ zung in der Arzeneikunde. N: Aufl. 1777. b) Heber die Einfamfeit.4 Th: 1784 und 1785. —
20) Weikard, MA Der philoſophiſche Arzt. Neue durchaus ‚vermehrte Ausgabe. 3 Bände. 1798. 1799.
27) Herder, J. G. 3) Ideen zur Philo ſophie der Geſchichte der Menſchheit 1h. 1785 — 1792. (be⸗
ſonders der 3 und 4 B.) b) -Zerftreuete Blätter —6 Th. 1791 — 1797. 0) Briefe zur Befoͤderung der Hu⸗
manitaͤt 1 — 10 Sammlung 1795 — 1797. 4) Terp⸗ ſichore 3 Th. 1795 — 1796. (nach dem Pat. des Ba de) e). Zwei Preisſchriften: 1) uͤber den Urſprung der Spra⸗
de. .2) Urfachen des geſunkenen Geſchmackes bei den
verſchiedenen Voͤlkern, da er gebluͤhet. 2e berichtigte Ausg, 3739. 5) Sott. ‚Einige Gefpräche. N. v. A. 1800.
22) Jacobi, F. H. a) Woldemar. 22 v. A. 1 und a6 2 Th. 1796. b) Allwills Briefſammlung ı B. 1792.
c) Ueber bie Lehre des Spinoda, in Briefen an Hrij. Moſes Mendelsfohn. Neue v: 9. 1789. d) Etwas, das Leßing gefagt hat. 1782. e) Einige Abhandlungen in Journalen 3. 3, im beuffchen Muſeum Febr. 1788. über den fron«
men Detrug und eine Vernunft, bie nicht Vernunft, ift,
und Andre.
29) Jacobl, J. 6 Saͤmmtliche Werke. Nee
Ausgabe 1773. (Diefe Sammlung ift bei: meitem nicht
vollſtaͤndig; es fehlen alle feit der Zeit der Herausgabe
derfelben erfchienenen Werke des Verfaſſers.)
2) Richter, J. P. F. Seine beſten Arbeiten ſind:
a) Heſperus oder 45 Hundspoſttage. Eine Biographie.
N. v. 9. 1799. im 4 Theilen. b) Die unfichtbare Loge.
Eine Biographie. 2 Th. 1793. U
25) Möfe r J. a) Patriotiſche Phantaften. 4 Th. 1786. db) Vermifchte Schriften: Nebſt deſſen Leben, herauss. v. F. Nicolai. 1 Th. 1797. 2 Th. 1708
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EN. 1704. A) Gefchichte des armen Heren von Milden-
burg. 3 Th. 178% und 1790. | 45) Müller, 3. G. in Jetzehoe. a) Emmerich, eine komiſche Geſchichte 3 Th. b) Die Herren von Wald⸗ heim, eine komiſche Geſchichte 4 Th. 1785. c) Friedrich
Brack, Gefchichte eines Ungluͤcklichen. 4 Th. 17931795.
46) Heyne, Anton Wal. a) Bagatellen 2 Th. 1785
und 1786. b) Amathonte, ein perfifches Mährchen 1799. ‘e) Korane. - Ein morgenländifches Mährchen 1801.
| a7) Falk, J. D. a) Der Menſch und die Helden,
zwei ſatyriſche Gedichte 2e A. 1798. b) Die heiligen
Gräber zu Kom und die Gebete. Zwei ſatyriſche Gedichte
ze verb. Aufl. nebſt einem Anhange 1799. Seine ſatyri⸗
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(en Werte find auch unter dem Titel: Satyren, N. 2. 3 B. 1800. erfchienen.
| * Neubeck, V. W. Die Geſunbbrunnen. Ein
Seöicht in 4 Gefängen 1798.
49) Hoͤlty, L. H. L. Gedichte, beſorgt durch Stoll« berg und Voß 2e A. 1795. | | 50) Pfeffer, 8. &. fämmtliche poetifche Delate 6 Th. 1799.
51) Alxing'er, 8 v. 2) Sämnitliche Gedichte.
2 Th. 1788. b) Doolin von Mainz Ein Kitten
gedicht in 10 Geſ. ze v. 2. 1797. .c) Bliomberis 1791.
52) Blumaner, Al. Gedichte 2 Th. 1787 u. 1789.
Sämmtliche Werke 3 B. 1801.
‚ ..53) Claudius, Matthia G., Asmus ober ſammt⸗
uche Werke des Wandsbecker Boten 6 Th. 1775 — 1798. 549) Goͤtz, J. N. vermifchte Gedichte, herausgege |
ben v. K. W. Kamler. 3 Th. 1785.
5) Kleiſt, Ch. €. v., ſaͤmmtliche Werkea Th. 1782. 56) Nicolai, 8% 9. v. vermiſchte Gedichte und
| proſaiſche Schriften 7 Th. 1792 —.1795.
37. Stolberg er he und Eht, Sedichte 1779.
04
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58) Maͤtthilon, Fr. a) Gedichte. N. A. 1797 b) Narbtrag zu denfelben. 1799. zur
59) Salis, 3. G.v. Gedichte 2e Aufl. 1794
66) Weiße, eh. F. kleine lyriſche Gedichte 3 TH.
1772.
menfchliche Natur und ihre Entwickelung. 1 und 2 Th. 1778.
62) Tiedemann, D. Unterſuchungen über den Menfhen 1 — 3 Th. 1777 — 1778.
63) Irwing, 8.5.9. Erfahrungen und Unten fuchungen über den Menfchen ı 4 B. 1772 — 1779.
64) Ssder, J. G. 9. Unterfuchungen über den - menfchliden Willen, 2e verb. auf 1-4 Th. 1785 — 1793. .
65) Heydenreich, 8 N. » Syſtem der Aeſthe⸗ tif 1 Th. 1790. b) Pſychologiſche Entwickelung des Aberglaubens und ber damit. verfnüpften Schwärmereien. 1798. c) Philofophie über die Leiden der Menfchheit 3 8. 1797 — 1799. d) ‚Beiträge zur Kent des Geſchmackes. 1798. J
66) Jakob, 8. H. Srundeiß der Erfahrungsſee⸗ lenlehre. ze verm. A. 1800.
67) Schmid, C. C. E. a) Empiriſche Hſychologie
1Th. 2e v. Aufl. 1796. (vorzüglich lehrreich iſt die Ein- leitung.) b) Phyſi ologie, philoſ. behandelt 1798. 1799.
ı und 2 ®.
68) Platnen, Ernſt. 8 Neue Anthropologie für ,
Aerzte und Weltweife ı Th. 1790. b) Phil. Aphoris⸗ men ar Th. Ganz neue Aufl. 1800.
69) Reimarus, H. ©. a) Allgemeine Serra
tungen über die Triebe der Thiere, hauptſaͤchlich über ihre
Kunfttriebe. Aufs neue Durchgefehen, mit inm. und einer
Einleit. verm. v. 3.9 H. Reimarus, vierte Ausgabe: 2 \
4
61) Teten’ g, N. philoſophiſche Verfuche über die |
1 _
— 912. 1798. b) Abhandlungen von den vornehmften Wahrs ‚heiten der natürlichen Religion 6e U. 1791. ' | 70) Mutf Helln©. vermiſchte Schriften 14°. 1793 — 1798.
71) Fichte, J. G. a) Einige Vorleſungen uͤber die Beſtimmung des Gelehrten 1794. b) Syſtem der Sittenlehre, nach den Prinzipien der Wiſſen ſchaftslehre 1798. e) Die Beſtimmung des Menſchen 1800. (in dem Syſteme iſt vorzuͤglich die angewandte Moral und in der Beſtimmung der ze Abſchnitt lehrreich.).
Mm) Ewald, ©. H. Ueber das menſchliche Herz, ein Beytrag jur Charakteriſtik der Menfchheit 3 Th. 1784-
73) Maaß, J. G. € a) Berfuch über die Einbile dungskraft. Neue v. X. 1797. b) Grundriß ber allgem. und befondern Rhetorik 1798. |
72) Meiners, Ch. Vermiſchte philoſophiſche .Schriften 3 Ch. 1775. Ä
75) Weishaupt, U. Ueber bie Selbſikenntniß, ihre Hinderniſſe und Vortheile 1794.
76) Hoffbauer, J E. Natutlehre der Seele, in Briefen 1796.
77) Reinhold, C. L. Briefe uͤber die tantiſche Philoſophie ı und 2 B. 1790. 1793. (gehaltreich iſt vor⸗ zuͤglich der ıfle Band.)
0,989) Forberg. a) Fragmente aus meinen Papie
ren 1795. b) Refultate und. Erfahrungen 1 B. 1796. befonders die Abhandlung: über die Schwierigkeiten der Beobachtung ſeiner ſelbſt und Anderer.
| 79) Ith, J. Verſuch einer Anthropologie oder Phi⸗ loſophie des Menſchen nach ſeinen korperlichen Anlagen. 2 Th. 1794 und 1795. 80) Reinhard, F. V. 2) Dom Werthe ber. Kleis nigfeiten in der Moral. Mit Zufägen bes Verf. aus d. - Kate mit Anmerk. von J. €. 3. Eck. N. A. 1799. b) Ueber
J
A246
\ x , _ 213 , nn das Wunderbare und die Merwunderung, ein .Biychologis
fcher Verſuch 1782. c) Ueber den Kleinigkeitsgeiſt in der Sittenlehre 1801. v*
81) Eberhard, J. A. a) Vermiſchte Schriften 1785. b) Reue vermiſchte Schriften 1783. c) Verſuch einer allgemeinen deutfchen Synonimik in einem kritiſch ' pbilofophrfchen Worterbuhe 1 — 5 Ch. 1795 — 1800. u . d) Neue Apologie des Sokrates 2° 2. ze Aufl. 1788: a
92) Mülfer, Joh, Gefihichte fchtweigerifcher Eidge⸗ noſſenſchaften 4B. 1786. u. f.
33) Juͤnger, J. F. a) Wilhelmine, € eine Geſchichte 2 Th. 1795 und 1796. "b Srig, ein komifcher Roman 6 Th. 1796 — 1800. c) Der Schein betrügt 2 Th. 1787 — 1789. d) Huldreich Wurmfaamen von Wurm⸗ feld, ein komiſcher Roman’ 3 Th. 1781 und 1782. e) Romiſches Theater 3 ©. 1792. 1793: f) uftfpiele s Th. “7 35 — 1789. . 7.84) Buͤſch, Erfahrungen 1 —4 * 1790 — 1794. (beſonders der ge Theil, der fein eigenes Leben enthält.) 85) Schuͤtz, Eh. ©. Lehrbuch zur Bildung des Ver⸗ flandes und des Geſchmackes ı und 2 Th: 1776— 1778. - 86) Wezels Verſuch uͤber die Kenntniß des Men⸗ ſchen ı und 2 Th. 1784 und 1785. 87) Krug's a) Verfuch einer foftematifchen Ench⸗ clopädie der Wiſſenſchaften ı Bd. 1796. 2 B. 1797. b) Philoſophie ber Ehe 1300.. 89) Manfo, a) die Kunſt zu lichen. Ein Lehrge⸗ dicht in 3 Gef. 1792. b) Vermiſchte Schriften 1u. 2 Th. 1801. ur & go) Archenholz, J. W. v. a) Gefchichte des fir benjaͤhrigen Krieges in Teutſchland 2 Th. 1793. b) Re⸗ gierungsgeſchichte des ſchwediſchen Koͤnigs Guſtav's des J. 2 Th. 1801. c) England und Italien. N. umg. Aufl. in 58.1797. | ——
om any —
96) Ungen EX. a) Erſte Gründe einer Phyſto⸗ logie der eigentlichen thierifchen Natur chierifcher Korper, entworfen von x. 1771. 6b) Der Arzt. Eine mebi;. Bochenfchrift. N. 2. 1-6 Th. 1769.
91 *) Jenifch. a) Philofophifch kritiſche Ver⸗ gleichung und Wuͤrdigung von 14 aͤltern und neuern Sprachen Europens 1796. b) Ueber den bisherigen Ein, fluß der griechiſchen und roͤmiſchen Schriftſteller auf neu europaͤiſche Geiftesbildung und über die niglich beſte Art | des Erudiume derfelben für den Geiſt des Zeitalters 1798. c) Geiſt und Charakter des achtzehnten Jahrhunderts,“ polit. 'moral, aͤſthet. und wiffenfch! betrachtet. 1 — 3 Th. 1799 — 1300. d) Univerfalhiftorifcher Ueberblick der Ent⸗ wictelung des Menfchengefchlechtes als eines fich fortbil⸗
benden Ganzen in 2 B. 101:
.B. Unter den Branzofen:
. I) Rouffeau, J. J. a) Emile ou de l’education Paris I—6. 1794. deutfch von €. $. Cramer. 1789 — 1791. b) du contrar focial ou principes du droit politi- que. Lpſ. 1796. d. v. J. Schram 1800. und in dem naͤml. Jahre auch zu Frankfurt am M.. c) Julie ou la ‚nouvelle Heloife 4’ Tem. deutſch v. IePigue 1800. Au . die Mad. Mereau in Siena hat eine Ucberf. v. d. Werke angefündigt.) d) Confelkons 1 — 4 B. beutfch'v. Knigge 1782 — 1790. e) Difcours {ur Porigine er les fondemens
\ Lo
) Unter den bier aufgezählten Werfen haben nicht alle Stellen nicht allein in den Gedichten, fondern auch in den .philofophifeden Werken, die in der Ueberfchrift dieſer Ab⸗ handlung angegebenen Eigenfchaften, altein ich weite fe wegen diefer einzeluen Mängel nicht gern ausichlieffen- Man muß daher ſelbſt beurtheilen, welche Stellen ‚odet Partien in einen. Wuche ſich durch Fälle der ‚Gedanfen and durch Geiſt auszeichnen Mir war es bloß um bie Angabe von Seriften diefer Art zu thus.
% - N \ - de l’inegalit€ parmi les hommes, , ferner f. Brisfe an B’Alembert, an den Erzbifchof. von Paris, an Maleöher- bes und v.
2) Montaigne, M.de, Eſſays. 3 Vol. in4. Lon- don 1724. beutſch v. Bode in 6 Bänden, der 7e enshäl ein Secregiſter 1793 — 1799.
3) Monrefquieu. a) Eſprit des loix 1748. a deutſch gu Altenburg 1782. in 4 B. b) fur la caufe de - la grandeur et de la decadence des Romains 1734. c). - Letues perſanes 1721.
| 4) d’Alembert. Melanges de literature, d’hifteire et de philofophie. Amfterdam 1759. in 5 Vol. in ı2. - In diefem Werke zeichnen fich vorzüglich aus: 1) difcours preliminaires’ zur Encyclopädie. 2) eflai fur les gens de lettres und 3) eflai fur les elements de philofophie ou {ur, les principes des conneiflances humaines.
5) Diderot, a) les bijoux indifcrets, ein Roman in 2 Bänden. b) le fils naturel,; und le.pere de famille, beide Luftfpiele machen nebft einem Auffage über die dra⸗ matifche Kunft le theatre de Dideror 2 B. aus, bag Leffing in 2 B. Berlin 1781. überfeßt hat. c) la reli- gieufe 1797. deutfch von €. F. Cramer 1798. 4) Jac- ques le fatalifte et fon maitre 2 Vol. 1797. d. Berlin in - 23.1792. e) eflai fur la peinture 1796. d. von €. $. Eramer 1797. f) eflai fur la vie de Seneque, deutſch von Epheu 1783. .
.6) Barthelemy, J. J. ») Voyage du jenne Ana- charfis en Grece vers le milien du FVme fiecle avant l'ere vulgaire 7 Vol. in 8. Paris 1788. deutfch von Bieſter in 7B. 1789 — 1793. b) Oeuvres diverfes, deutfch unter dem Zitel: B. vermifchte Schriften 2 Th. £pj. 1799.
N la Bruyere, Les charadteres de T heophrafte et de la Bruyere. Avec des notes de M. Cofte. ı und _ 2 Tom. Dresden. neuvelle ed, 1769. a‘
3
IB rm 2 0 _,u_....
— 2116 —.
8) Charron, de la fageffe 1662, beutfch von Moſche ısor. und auch in 2 Baͤnden v. L. Hübner 1782. Muͤnchen in 8.
9) Buffon. a) epoques de la nature 2 Vol, deutſch 3 Th. Petersburg 1781. .b) hiſtoire naturelle ‘generale, deutſch. Berlin 1771. ın 7 Bänden. :
10) Candorcet. Eſquiſſe d’un tableau hiftori- , que des progres de l’Efprit humain. ‚Paris 1795. deutſch von Poſſelt 1796.
11) Raynal. Hiſtoire philoſophique et politique des erablifemens er du Commerce des Europeens dans les deux Indes. 1750. ju Genf in 5 Bänd. in 4. und in 10 B. ın 8. deurfch ın zo Th. . ”
“ 72) Helverius. a) de Vefprit 2T. 1759. beutfch giegnig 1787. b) de Homme, .de fes facultes intellec- tuelles et de fon edueation. Lond. 1773. 2 Vol. deuiſch Breslau 1788.
13) Le Sage. a), niſtoire de Gilblas de Santilane. Nouvelle ed. Päris 1787. in 4 B. d. von Mylius.!N. N. 1798. in 6 Th. BE) le diable boiteux, deuiſch Freyberg 1-89. c) le Bachelier de Salamanque 1741, 2 Vol. de Win 1792. 2 Th. \
14) Bayle Di&ionaire hiftorique et critique, EA. des-Maizeaux. Amft. et Leyd. 1730. 4 T. in fol, deutfch, die pbilofophifchen Artikel von 8. H. Jakob, 2 B. 1797. die aͤſthetiſchen Artikel. Bremen.
15) Pafcal. a) Mes penfees 1752. b) Letires - provinciales. . \
16) Condillac, a) Part de penfer, b) Eflay fr Vorigine des connaiffances humaines 1746. 2 T. d. N Hämann 1780. c),Traitd des fenfaiions 2 Tom.
174 &. Wien 1792. v. Weißeger. d). Traite du com- wenn t J =" Defcartes, Opera omnia in 9 Tom. in 8.
i J ⸗
—
18) Malebranche. Recherche:de la veritg. .2 Tom. in 4. Paris 1721. deutfch, Halle 1777 — 1781.
in 4 B. v. J. Ph. Müller, Paalzow und Ulrich.
19) Thomas. a) Eſſai fur le caractere et l'eſprit
des femmes 1772. in 8.. b) Effai fur les eloges 1773. in 2 Bänden.
20) Moliere. ) le Mifantrope. 0) l’Avare. €) ecole des femmes. *d) ecole des maris. e) le coca imaginaire. f) l’Amour medecin. g) le medecin malgre
lui. h) le Tartuffe. i) George Dandin. k) les fem-
zes favantes: - 1) le malade imaginame. m) les precieu- fes ridicules. Zu
21) Corneille, (Pierre) a) le Cid. b) Jules Cefar. ce) Horace in f. Oeuvres. Berlin 1792 und.ı793. 22) Boileau Dgipreaux. Oeuvres. 12 ä Ber- lin 17385. 3- -Vol. T) Part poetique. 2) Satyres.
23) Scarron. Roman eomique 2 Vol. in 12.
_ Paris 1786.
24) Pahw*), a) recherches philofophiques für Ies |
‘ Egyptiens et les Chinois. Amſt. 1773. 2 Vol. deutfch v.
Krünig in 2 B. 1774. b) Recherches philofophiques ‘fur les Americains ou Memoires .intereflantes pour ſer- vir a l’hiftoire de l’Efpece humaine 2 Vol. deutſch. 1769. - in 2 B. c) Recherches philofophiques fur les Grecs. 2 Tom. 1788: d. v. Villaume 1789. in 2 B.
25) Voltaire. oeuvres complettes de V. Gotha. | 72 Vol. Geine vorzuͤglichſten Werke find: a) fiecle de
\ Louis XIV. b) hiftoire de ‚Charles XII. ec) Zadig.
d) ingenu. e) Candide. . f) philofophie de Y'hikoire. . g) dictionaire philofophique. h) Micromegas, ) traitẽ
de la Tolerance uůͤ. A. | u *) Diefer if zwar ein Deuticher (aus Kanten), fo wie - Roußeau ein Schweiger, aber da beide franzoͤſiſch fchries
ben, fo babe ich fie unter Die franzöfiihen Sanifepelte gerechnet.
Lear. c) Macbeth. d) Hamlet. e) Othello. . Man’ febe.
C. Unter ben Englänbern:
ı) Hume, Dävid, a) an Enquiry on human Un-
‚derftanding,. überf. von Tennemann 1793. b) political
difcourfes, überf. Koͤnigsberg 1800. c) on natural reli-
gion, uͤberſ. von Schreiter. Leipzig 1783. (Alle dieſe engl. Abh. findet man in den: Eſſays and Treatiſes on ſeveral
Subhjects 4 Vol. Bafıl. 1793.) O) Hiſtory of England from the Invaſion ‘of Julius Caefar to the reyolution in
. 1688. 1778. 8 Vol. in 8. London.
2) Shakeſpeare. 2) Julius Caefar. b) King
feine Plays, accurately printed from the Text of Mr. Malone’s Ed. with ſelect and explanatory Notes in’7 Vol.
Schlegel. | 3) Milton.. Paraäife lofl, a poem in 12 Boecks.
b. von Buͤrde 2 B. 1793. V
4) Smith, Adam, a) Inquiry into the Näture and Caufes of the Wealth of Nations. 4 Vol. Baf. 1795. d. v. Garve und Doͤrrien. N.A. in 3. 1799. b) the theory of moral Sentiments. 2 Vol. Bal. 1793. d. v. Koſegarten
in 2 B. 1791 und 1795.
s) Gib bo n, Edw. the Hiftory of de Decline and Fall of the Roman Empire. 13 Vol. Baf. 1757. 1789. d. von Schreiter. (Dieſe Ueberfeßung aber iſt zum großen Bedauern aller Verchrer G. noch nicht vollendet.)
6) Robertfon, Dr. W. a) Hiftory of the reign . |
of Charles the V. 5 Vol. Baf:' 1788. b) the Hiftory of America. 4 Vol. c) the Hiftory of Scotland during the reigns of Queen Mary and King James VI, till his
‚accefs into the Crown of England. 3 Vol. Bal. 1791.
7) Gray, Elegy written in a country Church. yard.
| ce Gotters Gedichte) nr Poems.
.r
‘1790. deutſch v. Efhenburgu und nochmals v. A. W.
-
.
*
\
rg. —
9 Darwin. Zoonomia 2 Vol. in + beutfch von Brandig unter bem Titel: Zoonomie oder. Gefetie des or, ganifchen Lebens 1 — 4 Th. 1795. u. f. |
9) Addifon und Steele. a) Spedtator. Eding-
.
burgh. 1766. in 8 Vol. in 8. d. von Benzler und Ram⸗
ler in 8 Bänden 1782 und 1783. b) The Tattler 4Vol. 1754. _c) The Guardian 2 Vol. 1752. |
10) Bolingbroke.‘ a) Differtation upon. Par-
ties. London 1775. b) Letters on the ftudy and ufe of
\
%
hiftory. a new ed. 1788. Baſ. b. v. Vetterlein n2Th.
179° | | | 11) Chefterfield, Letters written by: Ch. to
his fon Philip Stanhope Eſq. 4 Vol. 1778. in 3. deutſch, u
Leipzig in 6 8. 1777, | nn 12) Fielding, the Hiſtory of Tom Jones
6 Th. 1786 — 1788. Bp}.
‚ 13) Goldfmith. 3) The Vicar of Wakefield, ä Tale the ſixth ed. 1779. d. v. Bode 1777. ®pi. b) the Traveller, a Poem. c) the deferted Village, a Poem.
14) Pope. a) Eſſay on eriticiſm 1709. d. von Eſchenburg in dem. Archive der Zeit. 1795. Aug. Sept,
a. . foundling. London 1750. 4 Vol.- in 8. d. von Bode in
und Det: b) Ode on St. Cecilia’s day 1708. c) Rape .
of the Lock 1712. d) Temple of fame. e) Windfor- foreft 1713. f) Eflay on Man. g) Epiftle from Eliſa to Abelard. j I
15) Ri chardfo n, the Hiftory of Clatiſſa Harlow
8 Vol. Baf. 1792. und 1793. deutſch von 8. T. Koſegar⸗
seh in 8 DB. 1790 - 1793. pi. 16) Smollet. a) the Adventures of Roderic Ran- dom. ‘2 Vol. Lond. 1793. in’ 22. d. von Mylius in 2B.
1790. b) the Expedition: of Humphrey Clinker 2 Vol.
in 12. Lond. 1794. d. von Bode in 38. 1785. c) the Adyentures of Peregrine Pickle. 4 Vol. Lond. in 12.
1794. d. von Mylius in 4 B. N. A. 1789. d) the
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— 20 —
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Adventures of Ferdinand Count: Fathom 2 Vol. it 12.
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“ moral philafophy 1786. vorzüglich die d. ueberſ. dieſes
ſtanding. 18 Ausg. 1788. 2 Vol. d. v. Tennemann in 3 B.
Lond. 1795. d. von Dertel 2 B. 1799: Lpzʒ. >
17)Sterne, a) Life and Opinions "of Triftram Shandy. 2 Vol. Baß 1792. db: dv. Bode in 9 Th. oder 3 DB. 20. A. 1776. Eing neue Ueberfegung iſt im Jahr 1801. in 3 3. zu Leipzig erfchienen. b) Sentimental Journey through France and Italy by Yorik. Baf. 1792. d! v. Bode 4e Aufl. 1776. in 2 Bänden. c) Lettes,
18) Swift 'a)a Tale ofa Tub. Written for the univerfal Improvement of mankind. Lond. 1734. deutſch, Zürich 1786. b) Trarels into feveral remote Nations of the World by Lemuel Gulliver. Lond. 1795: deutſch, Kopenhagen 1787. und auch im 5 und 6 6 Bande von Swif ts und Arbuthnots vorzüglichften profaifchen , Schriften. Lpz. 1799. ,
19) Thomfon. Sealons. Hamburg 1791. b. son. RR Shubartate, Aufl. 1796, u. dv. Harries 1796.
20) Home. 6 Elements of Criticifm. 3 Vol, Baf. 1795. d. v. Meinhard, Garve, Engel und Schaz. g3te Aufl. 1790 und 1791. in 3 33. Lpz. b) Sketches of the Hiftory of Man 4 Vol. Bat. 1796. Ky
an) Shaftesbury. Charadteriftic of Men, Man.
ners, Opinions, Times with a, Celledion of Letters.
3 Vol. Baf. 1790. 0
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22) Burke. Refle&ions on the [ublime and beau- |
tiful. —— Garve 1773. 23) Fergufon. a) an Eſſay on the Hiflory of eivil ‘fociety. Bal. 1786. d. Lpz. 1768. b) Inftitutes of
Werke son © arve 1772. | \ 24 Locke. a) Eflay concerning human Under-
1795 — 1797. b) Same thoughts concerning education
Lond. 1696, d. von Rudolphi ing Bande des Nevis fi onswertes H. v. Campe und Lpz. v. Ouvrier 1786.
— 2211 —
.' 25) Hartley. Obfervätions on”Man. Lönd. 1749. 2 Vol. d. v. Piſtorius mit Anmerf. in 2 2. ‘1772. 26) Blair, Lqctures on Rhetotic and Belles: Let- zres. 3 Vol. Baſ. 1788. » v. Schreiter in 4 Th. 1785 = 1739. \ 27) Baco de Verulam. a) Novum organon Tcien- tiarum 1664. in fol. deutſch v. Bartoldy und mit An⸗
merk. von Maimon: 2%. 1793. b) de dignitate et
augmentis feientiarum, libr. IX. ‚1664. in fol. uͤberſ von Pfingften. Peſt 1783.
h 2 ). Newton, philofophiae narurali prindipi ma; thematica. Lond. 1687. in’ 4. ru
‚‚29), Harris. a). ‚Hermes or. a: ;philofophicäl In-
guiry concerning language and univer falGrammar. Lond.
1751. 3e Aufl. 1777. d. von Ewerbek. 1788. .b) Treatis
ſes in f. Werfen, 1763. 2 Vol. in 8.
30) Franklin, *), Moral and. political Eſſays. 2 Val. d. unter. folg. Titel: Fleine' Schriften, meift in der Manier des Zuſchauers nebſt ſ. Leben aus d. Engl. von Schatz. 2 Th. 14
31) Youn g, the Night- Thonghis. 4 Vol 1768. in {. Merken. deutfcd) von Ebert in 5 B.
.32) Berkely, a) on the principles of human Knowledge. Lond. 1725. b) „Alsiphron. 1732. c) a new theory of Viffon 1709. d) Three dialogues between
Hylas and Philönäs ete. 1713. d. von Blanfenbürg .
“3781. unter dem Titel: 2. philo ſophiſche Werke. 33) s teward, „James, Inquity into the principles
of political Oeconomy, being-an Eſſay on the Science -
of demeftic Policy in free Nations; in which are parti- eularly confidered Popülstion,, Agriculture, Trade, In- duftry,.Money, Coin, Intereft, Cireulation, Banks, Ex- ehange, public Credit and T axes. London 1767. 2 Th.
Ift ein Nordamericaner.
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| ferer Muͤndigkeit zu gebrauchen verſtehen.
— 226 —
⸗
muͤſſen wir fo wohl durch Schreiben als bdurch freies
Reflektiren öfters wieberholen und ung jederzeit die Grunde angeben, warum etwas wahr. und wozu etwas nuͤtzlich, und in welchem Verhaͤltniſſe daffelbe
befonders bedeutend und fruchtbar ift.
Der dritte Weg, worauf wir Kenntniſſe erwers
ben fonnen, ift das felbft eigene Beobachten ber
äußern Natur und der Menfchen. Wir müflen ſtets von dem Borfaße belebt feyn, Feine Erfcheinung uns
beobachtet und unergründet vor ung vorbeigehen zu ' - Saffen: wir müffen immer bereit und aufgelegt feyn,
fie vollftändig und unverfälfcht aufzufaffen und ihrer Urfache und ihrer Abſicht nachzuſpuͤren. Nur dann erft fönnen wir ung einigermaßen unfers Dafenns fir
werth halten, wenn wir über alles in und. aufer ung
zu reflektiren und es als ein wirffames Mittel zu un⸗
Dieſe drei Arten, Stoffe einzuſammeln, müuͤſſ⸗ en wir haͤufig mit einander verbinden und wo die Eine nicht zureicht, die Andere zu Huͤlfe nehmen. ' Wir
. - müffen leſen und zugleich dem Gelefenen Durch das Beobachten mehr Leben und Einbringlichfeie geben. Nach allen Richtungen hin muß unfer- Streben nach Kenntniſſen gerichter feyn: denn Mannichfaltigkeit
erquickt unſer Gemuth. Durch Arbeit. kann der Menfch alles werben, wenn es nur. durch endliche
Seife erreichbar ft. _
Wes he heißt ſchreiben ? Seine Gedanken in einem |
natürlichen Zufammenhange und durch Gründe un«
. 4
Te 227 —
2
rerſfuͤtzt jur Aufklärung und Erläuterung, egend eines - Gegenſtandes oder zur Erzähling ‚von etwas. Ge fehehehen deutlich und beftimme fchrifelich vortragen. Der Inhalt einet Schrift foll nicht aus Meinungen beftehen, die ohne. Beweis hingeworfen ſind: keine Vorſtellungen ohne Inhalt; Feine Räfonnemenks ohne Gruͤndlichkeit, fondern Reihen von Gedanten, die wahr und tief geſchoͤpft, nach allen Seiten ver⸗ folgt, mit triftigen Gruͤnden unterſtuͤtzt und mit Deutlichkeit und Popularitaͤt vorgetragen worden, find das Ziel, wonach man bei feinen ſchriftlichen
Anfjägen ſtreben muß. Das Schreiben ift das Ep ° periment, 06 man etwas gründlich und in feinem gan⸗
zen’ Umfang "weiß, oder ob man bloß an der Ober⸗ flaͤche deſſelben haͤngen geblieben iſt. |
Wie gelangen wir nun zu der Geſchitichtet, unſere Gedanken in einer natuͤrlichen Ordnung, be⸗
ſtimmt und deutlich, folgerichtig und gründlich nie⸗
derzuſchreiben? Keine Geſchicklichkeit iſt angeboren, ſondern jede muß erworben werden. Sie iſt der Preis des Fleißes und der Anftrengung. Wenn wir
uns einige Kenntniffe, ſey dies auf welche Art es - wolle, eingefammelt haben, fo müffen wir dieſelben
öfters in einem fchriftlichen Auffage erneuern. Bei
einer folchen Arbeit. müffen wir aber befonders dahin "
ſehen, ob unfere Gedanken in einer lichtvollen Ord⸗ nung an einander gereiher find, ob ein Saß in den Andern eingreift und ob der Öegenftand, ben wir in
Betrachtung zogen, durch .unfere Raͤſonnements u wirklich Aufklaͤrung erhalten hat: Unſere ſchrift⸗
lichen Ausarbeitungen moͤſſen von feichtem anfangen | P 2
\
N . — 2285 —
und zum Schwerern fortgehen. Das uns am ge⸗
naueſten Bekannte muß den Vorrang vor dem weni⸗ ger Bekannten erhalten und wir muͤſſen eher uͤber ſinnliche Gegenſtaͤnde unſere Gedanken niederzuſchrei⸗ ben gelernt haben, als wir unfern Weg. zu Betrach⸗ ungen intellektueller und moraliſcher Dinge nehmen. Wir müffen vorher über. das bloß Gehoͤrte und Ges fehene unfere Anfchauungen und Gedanken ſchriftlich aufzufegen geuͤbt feyn, ehe wir über daſſelbe Meflerios nen anftellen und ehe wir. ünfere geifligen Operatios nen in Betrachtung ziehen. Erzählungen des Ver⸗ nommenen, Befchreibungen des Geſehenen und Schil⸗ - derungen des Gefühlen müffen die erften Gegen: ftände unferer fehriftlichen Arbeiten feyn. ‘Briefe, Erzählungen‘, Naturbefchreibungen und Reifefchilde- - rungen find Das Seichtefte für unfere erften ſchriftlichen Aufſaͤtze. Bei dieſen Ausarbeitungen aber muͤſſen wir immer ſo ſchreiben, wie wir geſprochen haben wuͤrden, wenn wir jemanden, den wir wegen ſeines
Verſtandes und wegen ſeines Charakters hochachten,
Nachrichten von demjenigen, was wir erfahren
haben, muͤndlich mitzutheilen haͤtten. Das Gefuͤhl
iſt Hier ber beſte Fuͤhrer indem, was ſchicklich, rich⸗ tig und natuͤrlich iſt, weil es jetzt noch nicht auf Wahr⸗ heit, durch Reflexion gewonnen, ſondern auf Waprs
heit, aus Anſchauungen geſchoͤpft, ankommt. Man muß alfo früher jchreiben lernen, tie man mif ver:
ftändigen Leuten fpriht, als man zu fehreiben vers ſucht, wie man durch Nachdenfen geleitet für fi) raͤſonnirt.
Der Uebergang von ſchriftlichen Ausarbeitungen ‚des Geſehenen, Gehörten und „Gefühlsen zu felbft
vr
Pr)
— 229
erfundenen und ſelbſtgedachten Aufſaͤtzen kann vun | Die fchriftliche Wiederholung folcher Rafonnements,
Die zugleich. mit Tharfachen vermifche find, gemacht werden, die wir in’irgend einem Buche gelefen haben.
Wie fängt man es aber an, daß man das Belefene - \
treu und richtig, aber dod) auf feine eigene Art, dar⸗ ſtellt? Man faßt vorzüglich den Hauptgedanfen eines Buches oder eines Auffaßes ins Auge, bedient fich deſſelben als Führer auf feinem Gedankenwege, reiht die Nebenvorftellüngen nach "ihrer nähern oder fer⸗ nern Verwandtfchaft mit ihm an denfelben an, fiehe immer dabei auf die Abſicht, welche der ganzen Ars beit zum’Örunbe liegt, ob nämlich der Auffaß eine raſonnirende Erzäpfung, oder eine Belehrung durch bloße Keflerion oder eine Ermahnung zum Guten feyn‘ foll, vergleicht die Grunde in Anfehung ihrer größern_oder geringeren Wirkſamkeit zur Aufhellung des Ganzen und uͤberſchauet oͤfters reflektirend ſeine Gedanken, ob fie natuͤrlich, wahr , treffend und aus⸗ drucksvoll ſind. Hat man Auf dieſe Ark feine Arbeit geendigt, ſo lieſt man dieſelbe wieder durch, ver⸗ beſſert fo wohl den Styl als die Gedanken ſeines Auf⸗ ſatzes, prüft die Letztern nad) ihrer Richtigkeit und unterſucht, ob fle gehörig mil einander‘ verbunden - find, 'und zu dem beabfihtigten Zwecke hinwirken. Hierauf vergleiche man feine eigene Darftelung ber ‚Gedanken eines Andern mit dem Originale, wo man . bald einfehen fernen wird, : wie gearbeitee werben muß, wo man gefehlt und warum man feine Abfiche niche erreicht bat. Nur zu häufig wird man alsdann gewahr werden, daf man huchklingende Worte für ausdrucksvolle Gedanken, mahleriſche Bilder für
ee A 830 —
"neue e Entdeduingen und Anfichten uͤber einen Gegen⸗
ſtand, und das Unnatürfiche fly das Natürliche ger
waͤhlt hat. Dieſe Einſicht in das Diangelhafte muß
uns deſto aufmerkſamer auf uns machen, jemehr wir uns im: Schwülſtigen gefallen, ſo lange uns Fertig⸗ keit im Denken, Erfahrung und Kenntniffe abgehen.
Die Jugend fpielt in ihren Arbeiten mit Praͤdi⸗
Lkaten, welche fie von allen. Feldern zuſammenlieſt;
‚ber denkende Mann hingegen foͤdert Gedanken zu \ age ‚ die er durch Energie und Scharfſi nn. bildet: iene (die Prädikate) Taffen fich leichter auswendig ler⸗ ‚nen und im Gedaͤchtniſſe aufbewahren ‚als dieſe,
welche Produkte der geiſtigen Selbſtihaͤtigkeit ſind. Nuͤchternheit in der Darſtellung der Ideen iſt ein
Merkzeichen eines originellen Geiſtes, dahingegen
das Schwuͤlſtige, Ueberladene und Unngtuͤrliche in derſelben Armuth an Gedanfen verräth. , Dasjenige,.
was uns an einem Schriftfteller, 5 Ban W teland,
Goethe, Kant (in fr früheren Schriften) als leicht vorkommt, iſt die Frucht des reiflichſten und ange⸗ ſtrengteſten Nachdenkens eines ſchoͤpferiſchen Geiſtes.
Dieſes Gefuͤhl der Leichtigkeit im Nachmachen ruͤhrt
—
von den der Natur gemäßen Aeußerungen in- ihren
Schriften her und wir find alsdann geneigt, ‚Dass
jenige, mas uns behaglich vorkommt, für einen feicht u hervorzubringenden Gegenſtand zu halten,. ob 'es
gleich das Schwerfte ift, weil ſchon die Natur, ‚mit
’ dem Babe: in uns durch rege in, Sinflang geſetzt nn Von muß. 1*Ñ
Eine ſchwerere Art ſchriftlicher Yücarbeitungen
find Abpanblüngen über r Gegenſande, bie nicht ge⸗
— 231 -
mahlt oder geſchildert ſeyn wollen, und. wobei man nicht mie Bildern ggisreicht, fondern über welche bloß . vefleftiee werden muß; Die gar Feine Tharfachen ents halten, föndern die bloß durch Raͤſonnements in ihr gehoͤriges Sicht gefeße werden Fonnen. Zum Refleftis | ren gehört_ein hoher, Grad von Selbfithätigfeit, welche mit den Vorſtellungen nach Belieben ſchaltet.
Zu dieſer Art von Ausarbeitungen find viele Kennt niſſe und Selbſtdenken noͤthig, wir müffen daher: ſchon eine. äroße Fertigkeit in andern jchriftlihen Ars beiten erlangt haben, ehe wir zu bloß räfonnirenden Auffägen übergehen. Wir duͤrfen uns bei Feiner Are von Beiftesübuhg uͤbereilen: denn basjerige, wozu wir gar feine Hoffnung haben, daß es uns bei aller. uns möglichen Anftvengung gelingen werde, flößt ung ' fonft Unluft an alfen Geiſtesarbeiten ein und iſt das Grab unferer Freiheit. | P 2 Wwie muſſ en wir aber bei ſelbſteigenen ſchrift⸗ lichen Ausarbeitungen verfahren, welche Denkuͤbun⸗ = gen fenn und zugleich zur Wahrheit führen follen?
‚ . Das Erſte, was wir. thun müffen, ift, daß wir den -.. zu..bearbeitenden Gegenftand genau -unterfuchen, ihn
in feine Beſtandtheile auflöfen, fein Verhaͤltniß zu andern und feine Verbindung und feine Verwand⸗ [haft mit andern’ uns ſchon genauer befannten Din« gen betrachten, und alles ſelbſt durchzudenfen vers ſuchen, ſo viele Mühe es ung auch koften mag, um _ "eine umfaffende Ueberſicht über die Materie, diewir bearbeigen wollen, zu erhalten. Sefture und Beob⸗ achtungen leiften uns hierbei gute Dienſte.
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— 232 —
2) Miüffen wir die Bedeutung und den Inhalt
= ber Worte, in welchen die zu en Aufgabe .
abgefaßt ift, richtig und genau beſtimmen, um zu ers fopren, „ was fie enthält und welche Abſicht ſie hat.
3) Muͤſſen wir uns eine Hauptidee von dem, was wir bearbeiten und ausfuͤhren wollen, machen, dieſelbe beſonders herausheben und fie ums tief eins prägen, um fie als, Zuhrer auf dem Pfade, den wir berreten wollen, braudyen zu koͤnnen.
| 4). Müffen wir- nunmehro ſolche Vorſtellungen
aufſuchen, die in einer nahen Verwandſchaft mit dieſem Hauptgedanken ſtehen und die als Theile von
ihm angeſehen werden koͤnnen, um unſern Geſichts⸗
kreis zu erweitern und den Gegenſtand vollſtaͤndiger
u bearbeiten. Ä
5) ‚Müfen wir unfere Gedanken gehoͤrig ord⸗
nen, und alles genau uͤberlegen, wie wir dieſelben
ſtellen wollen und in welcher Ordnung ſie auf einander folgen ſollen, damit wie nicht etwas früher anführen
als e8 gefagt werden darf, und ung 10 nachhere wiedere ,
bolen.
69) ©o bald mir uns einen Gegenſtand zur ſchriftlichen Bearbeitung ausgefucht haben, jo muͤſſen
wwir ung die Haupt» und Mebenideen mit wenigen
Worten anmerken und eine Sfiße von denfelben ent⸗
werfen, Die aber nicht allzu lang ſeyn darf, wenn fie
uns nicht beim nachherigen. Ausarbeiten ſtoͤren und verwirren ſoll.
. — 123 —
Mm Jeder Saß, ben die Sfiße enehäfe ‚.muß beftimme und deutlih ausgedruͤckt, wirklich von dem Andern verſchieden ſeyn und zur Sache als ein Theil zum Ganzen gehoͤren. Dieſen kurzen Entwurf von, einer Sache müffen wir genau prüfen, ob er den Ge. genftand erfchöpft und ob er ihn in das richrige Licht ſtellt. In dee Verbindung der einzelnen Sage muß gine natürliche. Orbnung berrfchen, jeder muß ber Naͤchſte von dem Vorhergehenden feyn und jeder muß jur Erläuterung und zur. Aufhellung des Ganzen dienen.
8). Au⸗ Behauptungen, die wir aufftelen, müflen in einander eingreifen und ſich in förmliche Schluͤſſe auflöfen laſſen, die der Schriftfteller zwar nicht ſelbſt zu machen braucht, die aber doch der Leſer als Wahrheiteerobe nachmachen koͤnnen muß. | " 99) Muſſen wir uns vor Spruͤngen in unſern Raͤſonnements huͤten und Acht geben, daß wir nicht etwas aus Vorderſaͤtzen folgern, was ſich nicht aus ihnen weder mittelbar noch unmittelbar herleiten laͤßt.
10) Die Geſetze des Denkens und Erkennens muͤſſen von uns ſtets ſorgfaͤltig beobachtet und auch ihr Unterſchied darf von uns nicht aus den Augen ge⸗ ſetzt werden: wir duͤrfen weder Ungereimtheiten ver⸗ binden, noch von der bloßen Denkbarkeit eines Din⸗ ges auf ſein Daſeyn ſchließen noch uͤberhaupt "über die. Grenzen alles menichlichen Erfennens hinaus fchweifen,, ‘welches, wenn es die von uns verſchiede⸗ nen Gegenſtaͤnde betrift und nicht die bloßen Denk,
En 234 ze Formen, Erkenntnißgeſehze und das Wille nsgeſeh a an⸗ geht , durch Raum und Zeit beſchraͤnkt iſt.
1), Mien wir ſtets bemuͤht ſeyn, dafuͤr zu ſorgen, daß ſich die Gedanken, die wir niederſchrei⸗ ben, als Produkte unferer eigenen Anſicht eines Ge⸗ genſtandes bewaͤhren: nie duͤrfen fie das Gepraͤge Anderer, ſondern fie müuͤffen die Eigenthuͤmlichkeiten unſerer Vorſtellungsart an ſich tragen. Wir müffen . ung ſtets ſelbſt zu denken angelegen ſeyn laſſen wenn wir auch keine originellen Denker ſeyn ſollten: denn das originelle Denken koͤnnen wir ung nicht geben, aber wohl find wir im Stande, uns zum Selbfiden- ‚ten auszubilden; „jenes feßt Genie voraus, das ein Geſchenk der Natur If, dieſes hingegen erfödere bloß
Fleiß, Anſtrengung und.ben guten Willen, auf eige⸗ nen Fuͤhen zu geben, - =
13) Freimuͤthigkeit y d.h. die Mußerungen uns ſerer Meinungen und Gefinnungen muͤſſen fo befchafs fen fen, als’ wären wir niemand beshalb- verants wortlich als uns ſelbſt, muß jedepzeit unfere Gedan⸗ kendarſtellung charakteriſiren, weil wir nur auf dieſe Art zur Wabrheit zu gelangen Hoffnung haben. Ä
13) Muͤſſen wir unſere ſchriftlichen Abeiten oͤfters wieder durchſehen und dieſelben von neuem pruͤfen: denn wie leicht kann es der Fall ſeyn, daß wir eine Seite des uns zum Nachdenken gewaͤhlten Gegenſtandes uͤberſehen, die weſentlich zur Sache ge⸗ hoͤrt, oder daß wir einen Punkt deſſelben nicht ſo ins icht geſtellt Haben, als es nothwendig und nützlich
‘ .
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Dieſes Duchehen aber muß: zu verſchiedenen Zeiten geſchehen und es muß jedesmal ein nicht unbe⸗ traͤchtlicher Zeitraum verſtrichen ſeyn, ehe wir dieſe Ueberarbeitung unſerer Gedanken nochmals überneh«
men, damit wir neue Einſichten dazu mitbringen und
bamig uns der Gegenſtand in einiger Ferne erſcheint und ung etwas fremb worden ift, weil wir alsdann leichter Luͤcken und Mängel an unſern Raͤſornnements gewahr werden, die uns vorhero nicht bemerkbar waren: große Naͤhe iſt zu einer genauen und vollſtaͤn⸗ digen Kenntniß der Gegenftände eben fo wenig vor⸗ theilhaft als große Entfernung: Uebrigens verwans delt der Menfch die Dinge mit fih, er muß daher
feine: Arbeit auch unter verfchiedenen Unnftänden .
durchgehen, wenn er ihr das Eiegel der Bollfomimens... heit aufdruͤcken will, welches. nur Dadurch gefihehen..
kann, daß er ausdem Strome bes Wandelbaren und —
Veraͤnderlichen das Nothwendige und Algemeine in den m Dingen aufbaſcht. ——
19 Zur Erleichterung unſerer ſchriftlichen Aus⸗ arbeitungen iſt eine große. Kenntniß der Sprache noͤthig, in welcher. wir unſere Gedanken niederſchrei⸗ ben. Die Ausdrücke muͤſſen fo gleich die Ideen, die wir durch Selbſtthaͤtigkeit hervorbringen, auffaflen,
und die Worse muͤſſen fo gleich.die flüchtigen Gefühle erhäfchen, die kaum geboren wiederum: verfehwinden, ſo bald fie nicht in der Geburt aufgefangen werden.” Eine vollkommene Kenntniß einer Sprache aber er⸗ wirbt man ſich durch das Leſen, Sprechen und Schreiben: dieſe Drei Wege dev Erlernung betfelben | müflen wir gu gleicher Zeit cinſchlagen/ wenn ünſer
Ä 260. . Bemühen allen jenen-Nußen haben foll, den twin davon erwarten. . Die Dichter, welche die Natur
und ben Zuſtand unfers. Geiftes fehildern und die Ppis loſophen , die unfern ganzen Gemüchszuftand zerglies
" bern und eine Wefhreibung unferer geiftigen Beſitzun⸗
egen liefern, find eine reiche Fundgrube zur Vermeh⸗ >, zung unferer Sprachtenntniß. |
15) Dasjenige; was wie gefchrichen Gaben, müffen wir uns öfters lauf vorfefen ‚.um fo wohl.den Styl als die Gedanken zu prüfen, um zu feben, ab jener Eorreft und.der Sache angemefjen ift, und ob. biefe wahr, praͤcis, deutlich und folgerichtig fi nd. Durch das Gehör laden wir-den Verſtand zu einer ‚neuen angeſtrengtern Prüfung ein und er entdeckt durch laute Töne aufmerkſam gemacht, öfters Fehler, die demjelben beim ftillen Leſen entwilcht waren. - -;
Die erſten fchriftlihen Abhandlungen, welche . wir zur Uebung unferer Denkkraft ausarbeiten, duͤr⸗ fen nicht allzu lang ſeyn, damit wir unfern Geift niche auf: einmal zu fehr ermüben, imnter das Ganze zu überfehen im Stande find, und defto
leichter das Fehlende, Ueberfluͤſſige und Unzweck⸗
‚mäßige an unſerer Arbeit bemerken koͤmen. Die Zeit reife Früchte und auch unſere Denkkraft erlangt mit der Zeit und durch Uebung ‚Stärke und Aus⸗ dauer, und wir koͤnnen und muͤſſen alsdann Arbeiten . verſuchen, Die einen kängern Athem, mannichfaltigere Kenntnifle und einen größern Kräfteaufwand erfodern.
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7 237 —
Alles alſo, uͤber welches wir ſchreiben wollen, muß vorhero ſorgfaͤltig durchdacht, deutlich und beſtimmt vorgeſtellt, gehoͤrig eingetheilt und geordnet, die groͤßere oder geringere Wichtigkeit eines Theiles zum Ganzen und das Verhaͤltniß des Letztern zu andern Dingen genau unterſucht worden ſeyn, ehe wir daſſelbe zu Papier bringen. Und wenn etwas nicht das Erſtemal nach Wunſch gelingt, fo. muͤſſen wir
daſſelbe mehrmals verſuchen. Wir duͤrfen niemals
die Miüpe fcheuen, einen Gegenftand mehr als eine mal zu bearbeiten. Diefe Wiederholung lohnt reich⸗ lic) und wir gewinnen durch fie fo wohl an Einfichten als an Selbftftändigfeie der Denffraft und der end; liche gluͤckliche Erfolg floͤßt ung auch Muth zu neuen
noch ſchwierigern Arbeiten ein. J
XIV. Capitel.
ueber einige andere Huͤlfsmittel zum Den
‚tenlernen. oo
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Das ganze Daſeyn des Mienfchen auf diefer Erde ift eine Erziehungsperiode, wie es vielleicht auch mit
den zufünftigen Perioden unferer unendlichen Forts dauer der Fall feyn wird, weil das Unenbliche in ung. ſtets mie dem Endlichen zu fämpfen haben‘ und daſſelbe doch nie gaͤnzlich befiegen wird. Alles, was ift, muß daher. der Menſch zur Beföderung feines tebenszwedes als Miftel anfehen, außer den. Men« ſchen ſelbſt, der als Perſon beilis und unverletzlich
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— 236 J
is und niemals in das Sachenreich geworfen werden “darf: und wenn er alle Mittel, die er zu ſeiner Ver⸗ ſtandesbildung ergreift, zweckmaͤßig benutzt, fo wird er ſeine Denkkraft, wenn ſie einmol zur Selbſtthaͤkig⸗ keit erwacht ift, eben fo wenig wieder in Schlummer ‚wiegen koͤnnen, als er jegt etwas mit offenen Augen nicht fehen will... Der Berfiand und die Vernunft . find die Augen der Denkkraft, deren Vollkommenheit eben fd gut durch oͤftern und zwar abfichtlichen Ge⸗ brauch erhöht werden kann, als irgend ein Fürper- liches Organ durch Uebung eine größere Fertigkeit ers Hält, als es von Natur beſitzt. | ' Welche Mittel find. denn aber außer den fchon Aungefuͤhrten noch befonders zur Kultur der Denkkraft tauglih? Wenn fi) die menichlichen Kräfte öfters an einander reiben, und durch Streit und Kampf zur Thaͤtigkeit aufgefobert werden, ſo erwacht ein Wett⸗ eifer unter den Menſchen, der Luſt und Liebe zur Ausdauer im Denken und Handeln einfloͤßt. und Der ſie eben ſo ſehr zur Einſammlung von Kenntniß an⸗ treibt, als er ihre Kräfte vervollkommt. Das ges
ſellſchaftliche Leben iſt daher ein kraͤftiges Reizmittel
für den Geiſt, es reißt ihn auch wider, Willen von feiner. Trägheit los," und treibt ihn. zu felbfteigenen Verſuchen an. In Gefellichaften aber müffen wir
— vorzůglich den Umgang mit denkenden und geiſt⸗
reichen Maͤnnern aufſuchen, die durch ihre treffende Bemerkungen und originelle Gedanken Feuerfunken in unſre Seele werfen und jenen Ehrgeiz in uns entſtam⸗ men, nicht hinter ihnen zurudbleiben zu wollen, ſon⸗ dern ihnen gleich zu kommen. Alle unſere Kraͤfte
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werden rege und ‚unfere Aufmerkfamfeie iſt gefpannt, -wenn sie fühne‘ oder neue Gedanken hören; wir‘ ſuchen fie erftlich zu begreifen und aledann entiveder | zu. widerlegen, oder in. unfern Ideenvorrath aufzu⸗ nehmen, je nachdem ſie uns gegruͤndet oder unge⸗ gründet zu ſeyn feheinen. »Die Geiſtesfunken, die in Geſellſchaften ſpruͤhen, feßen alles in Bewegung und ſind ein treffliches Ermunterungsmittel zum Erwachen
and zur Vervollkommnung ungeuͤbter Kräfte: wir pruͤfen, ſtreiten, billigen, verwerfen, ſinnen auf neue Einwuͤrfe, erregen Zweifel und was ſind die Fruͤchte von dieſen Kämpfen? Freiheit und Self thaͤtigkeit fi il nd der Lohn unferer Anftrengung.
Der Menſch kann nicht alles durch ſich eis und auf einmaf wiſſen. In Geſellſchaften vernimmt er nach und nach Meinungen, die ihm Hinweiſung zur Entdeckung einer ihm unbefannten Welt geben und bie einen Lichtfunfen in ihn werfen, der von ihm .. genähre nachmals fein ganzes inneres erhellet. Er erfähre alles zu verfchiedenen Zeiten und in feiner foftematifchen Ordnung; er fann daher alles ruhiger und bedachefamer überlegen und durchdenfen, und ihn. ſchrecken nicht die Feſſeln eines Syſtemes vom . Unterfuchen und Ergründen des Gehören ab. : Sein Geiſt fann fi) frei beraegen und hinwenden, wo er hin will. Allenthalben findet er in Menge eine. ſchmackhafte und für ihn paſſende Nahrung und-fann ſich daran eben fo gut ſtaͤrken als belehren. Wir ſollten daher in unſern Geſellſchaften. mehr uͤber Mei⸗ nungen ſtreiten als es bis jetzt noch der Fall iſt, weil site mehr ung zur Thaͤtigkeit aufmuntert, und uns
‚245 —
‚zugleich in ben Augen Anderer Ehre und Beifall er:
wirbt, als gefellfchaftliche mit Kenntniß und Witz
durchgeführte Difpüte.- Gedankenfämpfe find das
Elemente, wo die Kultur des Menfchen vorzüglich ges
deiht, fie find die Uebungsfchule, wo fein Geift mins
‚dig wird. Und was hilft ihm eine Vertraͤglichkeit,
die ihn ewig in Ohnmacht und Unmünbigfeit erhaͤlt?
. -
Wer eine große Fertigkeit im Denken erlangen will,
muß Andere dfters Fühn zum Difpuriren Geransa
fodern, nichts auf Treu und Glauben annehmen, die
ſchwachen Seiten einer Behauptung angreifen, Er»
klaͤrung über das Dunkle und Zweideutige fodern, und ſcheinbar Zweifelsgruͤnde ſelbſt gegen die ein⸗
| leuchtendeſten Wahrheiten aufſuchen. Allein dieſe
geſellſchaftlichen Streite uͤber Meinungen duͤrfen weder in Beleidigungen ausarten, noch uns an eine Art von Rechthaberei gewöhnen, welche das Berders ben unferer Geiſtesfreiheit ift, ſondern fie. münfen ung als unfchuldige Mittel zur Belebung und wur Ausbile
u bung unferer Denffraft dienen.
In Gefelſſchaften treffen wir Meiſchen von un⸗ gleichen Kenntniſſen und Einſichten und von un⸗
gleichen Talenten an. Dies Gewahrwerden macht uns nicht etwa muthlos, wenn die Natur ſelbſt etwas
ſparſam in Austheilung ihrer. Gaben gegen ung ge weſen iſt, ſondern floͤßt uns vielmehr Luſt und Muth ein, jenen hervorragenden Geiftern nachzuſtreben, . weil’ wir wiſſen, daß fie alles auch durch Uebung und | Arbeit: worden find, was fie find: Wer ſich oft an Andern reibt, wird ſcharf, und mer fich ofe mit Andern
unterhält, wird Plug und gewitzigt. Nichts ſchaͤrft
— — ———— — — — — — —
t . nn 241: —— ”
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unfere Xufmerffamfeit mehr und gewöhnt unſern
Geiſt mehr an Nachdenken als eine geſellſchaftliche Unterhaltung, wo man nicht jeden Augenblick von einem Gegenſtande zum Andern uͤberſpringt, ſondern ein einziges Objekt nach allen Richtungen durch Fra⸗ ‚gen, Zergliedern und” Zweifeln verfolgt, Ueber— ha«upt follte alles unſer Beſtreben ftets dahin geben,
‚mehr geiftig ehätig zu ſeyn, als es bisjeßenoc) det
Fall ift, - weil der Menfch doch durch ein geiftiges Leben Werth erhält. Sterben wir auch bei foldhen
S
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Anftrengungen einige Sabre früher, (wenn dies wirk⸗
lich der Fall ſeyn ſollte, woran aber ſehr zu zweifeln ”
ift, weil das Geiftige koͤrperliche Maſſen verjuͤngt) was buͤßen wir denn ein? Iſt denn dies Wandeln im - Etaube jo angenehm und find denn die Freuden, bie
die Zeit reift, fo juß und Dauerhaft? Wer geiftig viel. .
lebt, darf ſich nicht über eine kurze Lebensdauer bes fehweren; er hat genug gelebt, wenn ihn auch der
Tod in,der Bluͤthe feiner Jahre mwegraffen follte,
Vieler Kampf gewährt vielen Sieg und viele Siege geben viele Gefchicklichfeit im Denen. Selbſt die
Niederlagen im Dijputiren find. Aufmunterungen zu
neuen Kriegen, well fie nicht durch den Anblick von
Ungerechtigfeiten verbittert werden Es ſollten
Kamofſchulen im Denken angelegt werden, wie man
jeßt Unterricht in Fechtſchulen zu koͤrperlichen Uebun |
gen giebt. N
Tätige ſtect an wie Traͤgheit. & " daher
ein Ungluͤck, wenn junge Leute oͤfters mit ſchlaͤfrigen “
und unthätigen Menfcyen Umgang haben; fie werden von biefem Geiſtesſchlafe erhal, ehe fie 1“ daſſelbe Er»
Kunſt in denken.
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vermuthen und es koſtet ihnen viel⸗ Anſtrengungen,
wenn ſie ſich ja nachmals von dieſen Feſſeln wieder befreien wollen. Oefters beſtimmt ſchon bie Kinder⸗ waͤrterin das geiſtige Schickſal eines Kindes: leben⸗ dige und geſchaͤftige Waͤrterinnen floͤßen ihrem Pfleg⸗ linge ſelbſt Leben und Thaͤtigkeit ein. Man muß be fonders, fo lange ung noch die Jugend laͤchelt, feu⸗ rige und fühne Geſellſchafter aufſuchen, um durch ihr Beiſpiel zum Wirken und Handeln aufgefodert und durch daſſelbe an eine ſtets regſame Tbaͤtigkeit gewohnt zu werden.
Ein anderes ſehr wirkſames Mittel, ſich zum Selbſtdenken zu erziehen, iſt die in einem Staate herrſchende Freiheit im Denken und Schreiben. Frei⸗ muͤthige Aeußerungen, die wir von Andern verneh⸗
men, oder die wir ſelbſt thun, find das Salz, Das
unfern Geift vor der Schlafſucht bewahrt. . Freiheit ft das Element der Tugend und Freimüthigfeir, die Bafis des Selbſtdenkens. Wenn wir Andern unfere Gedanken, Meinungen und Anfichten über
die Menfchen und die Dinge mittheilen, fo wollen wir
Dadurch erfahren, was fie baruber denfen und ob
. wir auf dem Wege zur Wahrheit find. Ueber ftreis
tige Gegenſtaͤnde entfpinnt fih ein Kampf, der beis den Parteien vortheilhaft iſt. Wechfei,.:tige Erörtes tungen verfcheuchen Das Einfeitige in der Denkart und votten die Unduldſamkeit des Charakters, die feinen Widerfpruch vertragen kann, aus. Während ſolcher Gedanfenmitsheilungen fegen wir alle unfere Geiftes-
Feäfte in Thaͤtigkãt; dasjenige, ‚ was uns nicht mit
dem Rechte odersmit ber Wahrheit übereinzuftimmen ſcheint, ſuchen wir zu widerlegen und dieſes Wider⸗ legen iſt nichts anders als ein Sinnen und Trachten nach Gruͤnden, Das unſern Geiſt in einer ſteten Thaͤ⸗ tigkeit erhaͤlt und demſelben größere Vollkommenhei⸗
ten verſchaft. In Staaten ‚ wo man feine Gefahr
wegen feiner. Meinungen zu beforgen hat, wenn man fie öffentlich äußert, gedeiht Daher vorzüglich dag gei« flige Große und: die moraliihe Güte, weil ber
Menſch jagen und thun fann, was er will und was.
er vor feinem Gewiſſen verantworten fann.
. Die Regenten thun daher nicht wohl, daß fie die Denk s.und Schreibfreipeit einſchraͤnken oder
gaͤnzlich unterdruͤcken. Sie rauben der Menſch⸗
heit dadurch, ein ſehr wirkſames Mittel, muͤn⸗ dig zu werden, und pflanzen, vielleicht wider ihren
Willen, Aberglauben Unglauben und Irrthuͤmer
fort, die dürch freie oͤffentliche Eroͤrterungen gar bald verſcheucht werden wuͤrden. Aeußerungen von ‚ges. wöhnlichen oder vom Staate in Echuß genommenen Meinungen machen entweder gar feinen Eindruck auf uns, oder dieſer iſt doch fo leife, daß er bald’ wieder
verwifcht wird und alſo ohne Gewinn für unjere geis
ſtige Ausbildung ift: ungewöhnliche und breufte Bes hauptungen hingegen graben fich tief in unſerm Ge⸗
muͤth ein und zwingen uns zur Thaͤtig keit ‚ fo wenig
wir auch Öfters geneigt dazu ſeyn mögen. Die Men fen muͤſſen frei ipre Gedanken aͤußern koͤnnen,
wenn ihr Streben nach Kultur gelingen ſoll, und wenn ſie endlich einmal von der ſchmaͤhlichen Unmuͤn⸗ >
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—, 232 —
2) Mien n wir die Bedeutung und dem neInhele
Worte, in welchen die zu In Yang Aufgabe Ä
abgefaßt ift, richtig und’ genau beſtimmen, um zu ers
fapren, „was fi fie enspäle und welche Abſicht ſie bar.
3) Muͤſſen wir uns eine Hauptidee von dem, was wir bearbeiten und ausfuͤhren wollen, machen,
dieſelbe beſonders herausheben und ſie uns tief ein⸗
praͤgen, um fie als, Fuͤhrer auf dem Pfade, den wie
betreten wollen, brauchen zu koͤnnen.
45 Müffen n wir: nunmehro for (de Vorftellungen aufſuchen, die in einer nahen Verwandſchaft mit
dieſem Hauptgedanken ſtehen und die als Theile von ihm angeſehen werden koͤnnen, um unſern Geſichts⸗
Preis zu erweitern und den Gegenſtand vollſtaͤndiger
u bearbeiten. Ä
5), Müfen wir’ unſere Grdanten gehörig Orb» nen, und alles genau überlegen, wie wir Diefelben .
ſtellen wollen und in welcher Ordnung fie auf einander + folgen foller, damit wir nicht etwas früher anführen
als es geſagt werden darf, und ung nachbero wieder⸗ holen. rn ae
6) & baid wir uns einen egenſtand zur
ſchriftlichen Bearbeitung ausgeſucht haben, ſo muͤſſen ‚wir ung die Haupt⸗ und Nebenideen mit wenigen
Worten anmerken und eine Sfiße von denfelben ents werfen, . die aber nicht allzu lang feyn darf, wenn fie
"uns nicht beim nachherigen. Ausarbeiten flören und vermwirren fo, |
us — 233 — 257 Jeder Satz, den die Skitze enthält )- muß: beflimme und beutligy ausgedrückt, wirflid von dem Andern verſchieden ſeyn und zur Cache als ein- Theil. zum. Ganzen gehören. Dieſen kurzen Entwurf von | einer. Sache müffen wir genau prüfen, ob er den Ge⸗ genſtand erſchoͤpft und ob er ihn in das richtige Licht ſtellt. In der Verbindung der einzelnen Saͤtze muß eine natuͤrliche Ordnung herrſchen, jeder muß ber Naͤchſte von dem Vorhergehenden feyn und jeder muß
zur Erläuterung und zur Aufhellung des Ganzen dienen.
9 aue Behauptungen, die wir aufftelen, |
müffen in einander eingreifen und fi) in foͤrmliche
Schluͤſſe -auflöfen laffen, die der Schriftfteller zwar nicht ſelbſt zu machen braucht, die aber doch der, t Leſer als Wahrheitsprobe nachmachen koͤnnen muß. 99) Muͤſſen wir uns vor Sprüngen in -unfern Raͤſonnements huͤten und Acht geben, daß wir nicht etwas aus Vorderſaͤtzen folgern, was ſich nicht aus
ihnen weder mittelbar noch unmittelbar herleiten laͤßt.
10). Die Geſetze des Dentens und Erkennen müflen von ung ftets forgfältig beobachtet und auch ihr Unserfchieb darf von ung. nicht aus ben Augen ges
feße werben: wir bürfen weder Ungereimtheiten vere
binden, noch von der bloßen Denkbarkeit eines Din⸗ ges auf fein. Daſeyn ſchließen noch, überhaupt "uber
die, Grenzen alles menichlichen Erfennens hinaus
ſchweifen, ‚welches, wenn es die von uns verichieden men Gegenſtaͤnde beteift und nicht die bloßen Denk⸗
Lf
-
— 234 - formen, Erkenntnißgeſetze und das Witeieheſeh an an⸗ geht ‚ durch Raum und Zeit beſchraͤnkt iſt.
m), Miffen wir ſtets bemüht ſeyn, dafuͤr zu ſorgen, daß ſich die Gedanken, die wir niederſchrei⸗ ben, als Produkte unſerer eigenen Anſicht eines Ge⸗ genſtandes bewaͤhren: nie dürfen fie das Gepraͤge - Anderer, fondern fie mi hffen die Eigenthuͤmlichkeiten unſerer Borftellungsart an fich tragen. Wir müffen . ung fters felbft zu Denfen angelegen ſeyn laflen, wenn wir auch Feine originellen Denker feyn follten: denn das originelle Denken koͤnnen wir ung nicht geben, aber wohl find wir im Stande, ung zum Selbſtden⸗ ken auszubilden; jenes ſetzt Genie voraus, das ein Geſchenk der Natur iſt, dieſes hingegen erfödert bloß
Fleiß, Anftrengung und,den guten Willen, ui eigen. nen Süßen zu geben, -
| 13) Freimuͤthigkeit, d.h. bie ıBerungen Uns ſerer Meinungen und Gefinnungen An \ fo befchafs fen feyn, als wären wir niemand beshalb- verants wörtlich als ung felbft, muß jedgrzeif unſere Gedan⸗ kendarſtellung charakteriſiren, weil wir nur auf dieſe Art zur Wabrheit zu gelangen Hoffnung haben.
19) Muͤſſen wir anſere ſchriftlichen Abbeiten öfters wieder durchſehen und dieſelben von neuem prüfen: denn wie leicht kann es der Fall ſeyn, daß wir eine Seite des ung zum Nachdenken gewählten
Gegenſtandes uͤberſehen, die weſentlich zur Sache ge⸗ hoͤrt, oder daß wir einen Punkt deſſelben nicht ſo ins „Licht geſtellt haben, als es. nothwendig und nuͤtzlich
.. , 235 ons Me. Dieſes Duchſehen aber miß— zu verfchiedeneh Ä Zeiten gefchehen und es muß jedesmal ein nicht unbes
trächtlicher. Zeitraum derftrichen fenn, ehe wir diefe " Ueberarbeitung unferer Gedanken nochmals übernehe
men, damit wir neue Einfichten dazu mitbringen und
bamig uns ber Gegenſtand in einiger Ferne erfcheint und uns etwas fremd worden ft, weil wir alsdann
leichter Luͤcken und Maͤngel an unſern Raͤſomements
gewahr werden, die uns vorhero nicht bemerkbar waren: große Nähe iſt zu einer genauen und vollſtaͤn⸗ digen Kenntniß der Gegenſtaͤnde eben ſo wenig vor⸗ theilhaft als große Entfernunng. Uebrigens verwan⸗ Belt der Menſch die Dinge mit ſich ‚ er muß daher feine Arbeit auch unter verfchiedenen Unftänden .. durchgehen, wenn er ihr das Eiegel der Bollfomimens... ' heit aufdruͤcken ill, weiches nur dadurch gefihehen.. > Fann, daß er aus dem Strome bes-Wandelbaren und - Veraͤnderlichen das Nothwendige und Allgemeine in den Dingen aufhaſcht. in
14) Zur Erleichterung unferer ſchriftlichen Aus⸗ arbeitungen iſt eine große Kenntniß der Sprache noͤthig, in. welcher wir unſere Gedanken niederſchrei⸗ ben. Die Ausſdrücke muͤſſen fo gleich die Ideen, die wir durch Soelbſtthaͤtigkeit hervorbringen, auffaſſen,
und die Worte muͤſſen fo gleich.die flüchtigen Gefühle erhäfchen, die kaum geboren Wiederum. verſchwinden, fo bald fie nicht in der Geburt aufgefangen werden, Eine vollkommene Kenntniß einer Sprache aber ers wirbe man ſich durch das Leſen, Sprechen . und Schreiben: diefe drei Wege dev Erlernung berfelben
muͤſſen wir zu gleicher Zeit cinſchlagen/ wenn Fünſer u
—8
m 80 —
"neue Entdeckungen und- Anſichten uͤber · einen SGegen⸗ ſtand, und das Unnatürfiche fr das Natürliche ge⸗
wähle bat, Dieſe Einſicht in das Mangelhafte muß
uns deſto aufmerfiamer auf ung machen, jemehr wir
‘ *
‚uns im Schwülſtigen gefallen, fo lange uns Fertig⸗
keit im Denfen,. Erfahrung und Kenntniffe abgeben. Die Kugend fpielt in ihren Arbeiten mit Prädis
Lkaten, welche fie von allen. Feldern zuſammenlieſt; ‚ber denkende Mann hingegen foͤdert Gedanken zu
Tage, die .er durch Energie und Scharffinn-bilder:
iene (die Prädifate) laſſen ſich leichter auswendig ler⸗
nen und im Gedaͤchtniſſe aufbewahren als dieſe,
welche Produkte der geiſtigen Selbſithaͤtigkeit ſind.
Nuͤchternheit in der Darſtellung der Ideen iſt ein
Merkzeichen eines originellen Geiſtes, dahingegen
das Schwuͤlſtige, Ueberladene und Unngsärliche in derfelben Armuth an Gedanken verrätb., Dasjenige, was uns an einem Schriftfteller, z. B. an W ieland, Goeche, Kant (in fr früheren Schriften) als leicht vorkommt, iſt die Frucht des reiflichſten und ange frengeeftn Nachdentens eines. ihöpferifchen Geiſtes.
Dieſes Gefuͤhl der Leichtigkeit im Nachmachen ruͤhrt
von den der Natur gemaͤßen Aeußerungen in ihren Schriften her und wir find alsdann geneigt, ‚dass
jenige, mas uns behaglich vorkommt, für einen ſeicht
| hervorzubringenden Gegenſtand zu halten, ob es
gleich das Schwerſte iſt, weil ſchon die Natur mit
dem Wahren i in uns dur Geige in Sytlans geſetzt
fen muß.
Eine ſchwerere Art ſchrictlicher Yüsarbeitungen
find Abhandlüngen über Gegenflände, die nicht ges
— 231 -
mahit oder geſchildert ſeyn wollen, und. wobei man nicht mie Bildern s sreicht, fondern über welche bloß reflefeire werden muß; die gar Feine Tharfachen ents halten, föndern, die bloß durch Raͤſonnements in ihr gehoͤriges Licht gefeßt werden koͤnnen. Zum Refleftis | ren gehört_ein hoher, Grad von Selbſtthaͤtigkeit, welche mit den Vorſtellungen nad) Belieben ſchaltet.
Zu dieſer Art von Ausarbeitungen find viele Kennt niſſe und Selbſtdenken noͤthig, wir müflen daher: ſchon eine- große Fertigkeit in andern fehriftlichen Ars beiten erlangt haben, ehe wir zu bloß räfonnirenden Auffägen übergehen. Wir dürfen ung bei feiner Arc von Geiftesubung uͤbereilen: denn dasjenige, wozu teir gar feine Hoffnung haben, daß es uns bei aller. uns möglichen Anftrengung gelingen werde, flößt uns ' fonft Unluft an alfen Öeiftesarbeiten ein und if dag. Grab unferer Freiheit. J t Wie müffen wir aber bei ſelbſteigenen ſchrift⸗ lichen Ausarbeitungen verfahren, welche Denkuͤbun⸗ = gen fenn und zugleich zur Wahrheit führen follen? -
Dos Erfte,- was wir. thun müffen, ift, daß wir den -
zu ˖bearbeitenden Gegenftand genau unterſuchen, ihn in ſeine Beſtandtheile aufloͤſen, ſein Verhaͤltniß zu andern und ſeine Verbindung und ſeine Verwand⸗ ſchaft mit andern’ uns ſchon genauer bekannten Din⸗ gen betrachten, und alles ſelbſt durchzudenken ver⸗ ſuchen, ſo viele Muͤhe es uns auch koſten mag, um "eine umfaſſende Ueberſi cht über die Materie, die wir bearbeigen wollen, zu erhalten. Lektuͤre und Beob⸗ achtungen leiſten uns hierbei gute Dienſte.
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6 und nienials in das Sachenreich geworfen werden ":darf: und wenn er alle Mittel, die er zu feiner Ver⸗ ‚ fandesbildung ergreift, zweckmaͤßig benutzt, ſo wird ‘er feine Denkkraft, wenn fie einmal zur Selbſtthaͤtig⸗ keit erwacht if, eben fo wenig wieder in Schlummer wiegen koͤnnen, als er jeßt etwas mit offenen Yugen niche fehen will... Der Berfland und die Vernunft ſind die Augen der Denkkraft, deren Vollkommenheit eben ſo gut durch oͤftern und zwar abſi chtlichen Ge⸗ brauch erhoͤht werden kann als irgend ein koͤrper⸗ liches Organ durch Uebung eine groͤßere Fertigkeit er⸗ haͤlt, als es von Natur befi ige. WWelche Mittel ſind denn aber außer den ſchon Angefuͤhrten noch beſonders zur Kultur der Denkkraft tauglich? Wenn ſich die menichlichen Kräfte öfters an einander reiben, und Durch Streit und Kampf sur Thaͤtigkeit aufgefodent werden, fo erwacht ein Wert: eifer unter den Menſchen, der Luſt und Liebe zur Ausdauer im Denken und Handeln einflöße- und- der
fie eben fo fehr zur Einfemmlung von Kenntniß an⸗
treibt, als er ihre Kraͤfte vervollkommt. Das ges
felfichaftliche Leben ift baher ein fräftiges Reizmittel
für den Geift, es reißt ihn auch wider, Willen von feiner. Trägheit los, und treibe ihn. zu felbfteigenen Werſuchen an. In Geſellſchaften aber muͤſſen wir | vorzüglich den Umgang mit denfenden und geiſt⸗ reihen Männern auffuchen ‚ die durd) ihre treffende . Bemerkungen und originelle Gedanken Seuerfunfen in unſre Seele werfen und jenen Ehrgeiz in ung entſtam⸗ men, nicht hinter ihnen zuruͤd bleiben zu wollen, ſon⸗ dern iönen ar zu Fomman. Alle unfere Kräfte
.. . h = 239 —
werden rege und ‚unfere Aufmerkſamkeit ft gefpannt, -wenn wir fühne‘ oder neue Gedanken hören; wir: fuchen fie erftlich zu begreifen und alsdann entweder | zu. widerlegen, oder in unfern Ideenvorrath aufzus nehmen, ‚je nachdem fie uns gegruͤndet oder unge gründet zu ſeyn fcheinen. "Die Geiftesfunfen, bie in . Geſellſchaften ſpruͤhen, ſetzen alles in Bewegung und ſind ein treffliches Ermunterungsmittel zum Erwachen und zur Vervollkommnung ungeübter Kraͤfte: wir pruͤfen, ſtreiten, billigen, verwerfen, ſinnen auf neue Einwuͤrfe, erregen Zweifel und was ſind die Fruͤchte von dieſen Kämpfen? Freiheit und Selbfl- thaͤtigkeit ſind der Lohn unferer Anftrengung. u
Der Menfh kann nicht alles durch fich felbft und auf einmaf wifen. In Geſellſchaften vernimme er nach und nad) Meinungen, bie ihm Hinweiſung zur Entdeckung einer ihm unbefannten Welt geben
und bie einen lichtfunken in ihn werfen, der von ihm en
genähre nachmals fein ganzes inneres erhellt, Er‘
erfährt alles zu verfchiedenen Zeiten und in Feiner
foftematifhen Ordnung; er fann daher alles ruhiger ‚und bedachtfamer überlegen und durchdenfen, und
ihn Schrecken, nicht die Feſſeln eines Syſtemes vom - Unterfuchen und Ergründen des Gehoͤrten ab. : Sein Geiſt kann ſich frei bewegen und hinwenden ‚woe_
hin will, Allenthalben finder er in Menge. eine. ſchmackhafte und für ihn paffende Nahrung und kann - fich. daran eben fo gut ftärken als belehren. Mir follten daher in unſern Geſellſchaften. mehr über Meis nungen ftreiten alg es bis jeße noch der Fall ift, weil - nichts mehr ung zur Tyatigkeit aufmuntert, und uns
= 20 —
‚zugleich in ben Augen Anderer Ehre und Beifall er;
wirbt, als gejellfchaftliche mit Kenntniß und Witz Burchgeführte Diſpuͤte. Gedankenfämpfe find das Element, wo die Kultur des Menfchen vorzüglich ges beiht, fie find die Webungsfchule, wo fein Geiſt muͤn⸗
‚dig wird. Und was hilft ihm eine Werträglichfeie, - Die ihn ewig in Ohnmacht und Unmuͤndigkeit erhält?
Wer eine große Fertigkeit im Denken erlangen will, muß Andere öfters Fühn zum Difpuriren heraus - fodern, nichts auf Treu und Glauben annehmen, Die
ſchwachen Seiten einer Behauptung angreifen, Er-
Märung über das Dunkle und Ziweibeutige fodern, und ſcheinbar Zweifelsgruͤnde ſelbſt gegen die ein⸗ leuchtendeſten Wahrheiten aufſuchen. Allein dieſe geſellſchaftlichen Streite uͤber Meinungen duͤrfen weder in Beleidigungen ausarten, noch uns an eine Art von Rechthaberei gewoͤhnen, welche das Verder⸗ ben unſerer Geiſtesfreiheit iſt, ſondern ſie muͤſſen uns als unſchuldige Mittel zur Belebung und wur Ausbil
bung unferer Dentkraft dienen.
m
In Geſelſchaften treffen wir Menſchen von un⸗ gleichen Kenntniſſen und Einſichten und von un⸗
gleichen Talenten an. Dies Gewahrwerden macht
uns nicht etwa muthlos, wenn die Natur ſelbſt etwas
| fparfam in Austheilung ihrer Gaben gegen ung ge weſen iſt, ſondern floͤßt uns vielmehr Luſt und Much
ein, jenen hervorragenden. Geiftern nachzuftreben, ,
weil wir wiffen, daß fie alles auch durch Hebung und
Arbeit worden find, mag fie find: Wer fih oft an
Andern reibt, wird feharf, und wer fich oft mit Andern
unterhält, wird Elug und gewitzigt. Nichts ſchaͤrft
‘
N \ >
unfere Kufmertfamteit mehr und gewoͤhnt unſern.
Geiſt mehr an Nachdenken als eine geſellſchaftliche Unterhaltung, wo man nicht jeden Augenblick von einem Gegenſtande zum Anderen überfpringt, fondern ein einziges Objekt nach allen Richtungen durch Fra⸗ gen, Zerglievern und” Zweifeln verfolgt. Webers haupt follte alles unjer Beftreben ftets dahin gehen, ‚mehr geiftig ehätig zu ſeyn, als es bis jetzt noch dee Fall ift, weil der Menfch doch durch ein geiftiges chen Werth erhält. Sterben wir auch bei ſolchen
Anftrengungen einige Jahre früher, (wenn dies wirk⸗ lich der Fall ſeyn ſollte, woran aber ſehr zu zweifeln
iſt, weil das Geiſtige koͤrperliche Maſſen verjuͤngt) was buͤßen wir denn ein? ft denn dies Wandeln im Staube fo angenehm und find denn die Freuden, die
N
die Zeit reift, fo ſuß und dauerhaft? Wer geiftig viel. -
lebt, darf fich nicht. über eine kurze Lebensdauer bes ſchweren; er hat genug gelebt, wenn ihn auch der
- Tod in,der Bluͤthe feiner Jahre megraffen folltes
Vieler Kampf gewährt vielen Sieg und viele ‚Siege geben viele Gefchicklichkeie im Denken. Selbſt die
Niederlagen im Dijputiren find Aufmunterungen zu
neuen Kriegen, well fie nicht durch den Anbli von
Ungerechtigfeiten verbittert werden Es ſollten
Kampfſchulen im Denken angelegt werden, wie man
jeßt Unterricht in Fechtſchulen zu förperlichen Uebun |
gen giebt. ——
Thaͤtigkeit ſteckt an wie Traͤgheit. & iR daher
ein Ungluͤck, wenn junge Leute oͤfters mit ſchlaͤfrigen “
und unthätigen Menfchen Umgang haben; fie werden von diefem Geiſtesſchlafe erhaſcht, ehe fie fi % daſclbe Q
Kunſt zu denken.
\ Ä — 242 u
vermuthen und es koſiet ihnen viel⸗ Anſtrengungen, wenn ſie ſich ja nachmals von dieſen Feſſeln wieder befreien wollen. Oefters beſtimmt ſchon bie Kinder⸗ waͤrterin das geiſtige Schickſal eines Kindes: leben⸗ dige und geſchaͤftige Waͤrterinnen floͤßen ihrem Pfleg⸗ linge ſelbſt Leben und Thaͤtigkeit ein. Man muß be⸗ ſonders, ſo lange uns noch die Jugend laͤchelt, feu⸗ rige und kuͤhne Geſellſchafter aufſuchen, um durch ihr Beiſpiel zum Wirken und Handeln aufgefodert und durch daſſelbe an eine ſtets regſame Thaͤtigkeit gewohnt zu werden.
Ein anderes ſehr wirkſames Mittel, ſich zum Selbſtdenken zu erziehen, iſt die in einem Staate herrſchende Freiheit im Denken und Schreiben. Frei⸗ muͤthige Aeußerungen, die wir von Andern verneh⸗ men, oder die wir ſelbſt thun, ſind das Salz, das unſern Geiſt vor der Schlafſucht bewahrt. Freiheit iſt das Element der Tugend und Freimuͤthigkeit, die Baſis des Selbſtdenkens. Wenn wir Andern
unfere Gedanfen, Meinungen und Anfichten über die Menfchen und die Dinge mittheilen, fo wollen wir | dadurch erfahren, was fie. baruber denfen und ob ‚ wir auf dem Wege zur Wahrheit find. Ueber ftreis
> gige Gegeuftände entfpinng fich ein Kampf, der bei⸗ den Parteien vortheilbaft it. Wechfei,.:tige Erörtes tungen verfcheuchen Das Einfeitige in der Denfart und «orten die Unduldſamkeit des Charakters, die feinen Widerfpruch vertragen Fann, aus. Während folcher Gedankenmittheilungen feßen wir alle unfere Geiſtes⸗
“
7 243' um feäfte in Thatigüt ‚dasjenige ‚ was uns nicht mit Dem Rechte oder. mit ber Wahrheit übereinzuftimmen feine, ſuchen wir zu widerlegen und dieſes Wider⸗ legen iſt nichts anders als ein Sinnen und Trachten nach Gruͤnden, das unſern Geiſt in einer ſteten Thaͤ⸗ tigkeit erhält und demſelben. größere Vollkommenhei— ten verſchaft. In Staaten, wo man feine Gefahr wegen feiner Meinungen zu beforgen bat, wenn man fie öffentlich äußert, gedeiht daher vorzüglich Das gei⸗ flige Große und die moraliihe Güte, weil der Menſch jagen und thun fann, was er will und was er vor feinem Gewiſſen verantworten kann.
Die Regenten thun daher nicht wohl, daß fie
die, Denk s und Schreibfreiheit einſchraͤnken oder
gänzlich unterdrücken. Sie rauben der Menſch⸗ heit dadurch ein ſehr wirkſames Mittel, muͤn⸗ Dig zu werden, und pflanzen, vielleicht wider ihren Willen, Aberglauben, Unglauben und Irrthuͤmer fort, die durch freie oͤffentliche Eroͤrterungen gar bald verſcheucht werden würden. - Aeußerungen von ‚ges. wohnlichen oder vom Staate in Echuß genommenen Meinungen machen entweder gar feinen Eindruck auf uns, oder diefer ift doc) fo leife, daß er bald wieder verwifcht wird und alſo ohne Gewinn für unjere geis . tige Ausbildung ift: ungewöhnliche und dreufte Bas haͤuptungen hingegen graben fi ch tief in unſerm Ges. muͤth ein und zwingen ung zur Thaͤtigkeit , fo wenig wir aud) öfters geneigt dazu ſeyn mögen. Die Mena ſchen müljen frei. ihre Gedanfen äußern koͤnnen, wenn ihr Streben nad) Kultur gelingen ſoll, und wenn fie endlich einmal von der ſchmaͤhlichen Unmuͤn⸗ 2°
®
. ‘ \ . .
— 242 - vermuthen und es toſtet ihnen viel⸗ Anſtrengungen, | wenn fie fih ja nachmals von dieſen Seffeln . wieder
. befreien wollen. Defters beftimme ſchon die Kinder waͤrterin das geiſtige Schickſal eines Kindes: leben⸗ dige und geſchaͤftige Waͤrterinnen floͤßen ihrem Pileg: | linge ſelbſt Leben und Thaͤtigkeit ein. Man muß de fonders, fo lange ung noch die jugend lächelt, feus rige und fühne Geſellſchafter aufſuchen, um durch ihr Beiſpiel zum Wirken und Handeln aufgefodert und durch daſſelbe an eine ſtets regſame Thaͤtigkeit ‚gewöhnt zu werben. |
Ein anderes. fehr wirkſames Mittel, ſich zum Selbſtdenken zu erziehen, ift die in einem Staate berrfchende Freiheit im Denken und Schreiben. reis muͤthige Aeußerungen, die wir von Andern verneh men, oder die wir felbft Bun, find das Salz, das unfern Geiſt vor der Schlafſucht bewahrt. Freiheit AR das Element der Tugend und Freimuͤthigkeit, die Baſis des Selbſtdenkens. Wenn wir Andern unſere Gedanken, Meinungen und Anfichten über die Menfchen und die Dinge mittbeilen, fo wollen mit . dadurch erfahren, was fie. Darüber Denfen und ob wir auf dem Wege zur Wahrheit find. Ueber ſtrei⸗ — tige Gegenſtaͤnde entfpinne fich ein Kampf, der beie den Parteien vortheilhaft iſt. MWechfei.!tige Eroͤrte⸗ rungen verſcheuchen das Einſeitige in der Denkart und rotten die Unduldſamkeit des Charakters, die keinen Widerſpruch vertragen kann, aus. Waͤhrend ſoſcher Gehanlanmithelungen fen n wir alle unfere Geiſtes⸗
| Feäft in Thatigtat; dasjenige, ‚ was ung nicht nit u dem Rechte oder.mit der Wahrheit ubereinzuftimmen
ſcheint, ſuchen wir zu widerlegen und dieſes Wider⸗ legen iſt nichts anders als ein Sinnen und Trachten nach Gruͤnden, das unſern Geiſt in einer ſteten Thaͤ tigkeit erhält undebemfelben. größere Vollkommenhei⸗ ten verfchaft.” In Staaten, wo man feine Gefahr wegen feiner Meinungen zu beforgen hat, wenn man fie öffentlich äußert, gedeiht Daher vorzüglich das gei⸗ ſtige Größe und: die. moraliſche Güte, weil der
Menſch fagen und thun fann, was er will und was
er vor ſeinem Gewiſſen verantworten kann. |
. Die Regenten thun daher nicht wohl, daß ſie
die Denk⸗- und Schreibfreiheit einſchraͤnken oder
gaͤnzlich unterdruͤcken. Sie rauben der Menſch⸗
heit dadurch, ein ſehr wirkſames Mittel, muͤn⸗ dig zu werden, und pflanzen, vielleicht wider ihren
Willen,‘ Aberglauben, Unglauben und Irrthuͤmer
fort, die Durch freie öffentliche Erörterungen gar bald verjcheucht werden mwürben. - Heußerungen von ‚ges.
wöhnlichen oder vom Staate in Echuß genoinmenen
Meinungen machen entweder gar feinen Eindruc auf uns, oder dieſer iſt doch fo leife, daß er bald’ wieder
verwifche wird und alfo ohne Gewinn für unjere geis
ſtige Ausbildung ift: ungewöhnliche und dreufte Bes
hauptungen hingegen graben ſi ſich tief in unſerm Ges
muͤth ein und zwingen uns zur Thaͤtigkeit „ſo wenig wir auch oͤfters geneigt dazu ſeyn mögen. Die Men⸗ | fden müllen frei. ihre Gedanken aͤußern fönnen,
wenn ihr Streben nad) Kultur gelingen ſoll, und wenn fie endlich einmal on der fomäptichen Unmuͤn⸗ ⸗ * | 9 2
— 244 =.
nigkeit befreiet werden ſollen, worin ſie ſeit Jehr⸗ - saufenden ſeufzen. Freimuͤthige Männer fi nd fies die beften Bürger: denn wer feinem gepreßten. Her-
. "zen burch ungehinberte Bekanntmachung feiner Ges
danken Luft machen kann, fühle Dadurch Erleichte⸗ rung jedes Druckes und er gehorcht eben fo bereit— willig in Deſpotien als in Freiſtaaten. Er begnuͤgt ſich mit den Vortheilen, die er durch die freien Aeußerungen ſeiner Meinung fuͤr ſeinen Verſtand erbaͤlt.
Freiheit im Denken und Schreiben iſt alſo fuͤr den Bürger und den Staat nuͤtzlich; jede Geiſtesbe⸗ druͤckung hingegen für beide jchädlich und gefährlich, geil fie die Menſchen nicht allein am Selbfidenfen und an ber VBervollfommnung ihrer Denffraft hin⸗ dert, fondern auch geneigte macht, das graufame
Joch, das fie druͤckt, augenblicklich abzufchütteln, oghne zu bedenfen, welche Folgen eim fo rajches Uns ternehmen haben kann. DBerjenige, der feinen ‚Schmerz zu verbergen genoͤthigt wird, iſt gefährlicher als derjenige, Der ihn lauf äußert und derjenige, ber fagen kann, was er denft, trägt ‚geduldiger die Laſten, die der Staat ihm aufbuͤrdet, als derjenige, dem ‚man freimuthig zu reden und zu ſchreiben verbietet. Die Freiheit der Meinungen ift das Linderungsmittel für taufend Plagen und für namenlofe Leiden, womit den Menfchen theils das Schickſal, theils die zuͤgel⸗
loſe Wilfühe Anderer heimfuche. Der freie Mann
ift auch ein wahrbeitsliebender Mann,. und äußert auch jemand bei Geſtattung der Preßfreiheit Gedan- Sen, Die nicht richtig ober gar gefährlich ſind, fo
x*®
wird ſich ſchon € ein Widerleger finden, , der ſie Sf . tet und ihre Falſchheit mir Gründen beweift.
Die öffentliche Meinungẽfreiheit iſt alſo ein vor⸗
treffliches Mittel, den Menſchen zum Selbſtdenken (zu erziehen. . Sie führe ihn aber nicht allein zum Denfen an; fondern bewahrt ihn auch zugleich in Zufunft vor dem Misbrauche feiner Kräfte: denn durch ben Gebrauch von etwas lernt er den richtigen
Gebraud; deſſelben kennen. Der Menfch ift ein » u
Lernthier, das alles durch Uebung und Gewoͤhnung | werden muß,
‚Die Zreiheit im Denfen und im Schreiben ift aber nicht allein nüßlih, fondern aud) dem Rechte
nach erlaubt. Als juridifche Perfon fann und darf ”
der Menſch alles thun, was ſich mit der Einſchraͤn— kung der Freiheit Aller nach einem allgemeinen Ge⸗ ſetze vertraͤgt: durch Gedankenaͤußerungen und durch die öffentliche Mittheilung derfelben wird fo lange feines Andern Recht gefränft, als diefer nicht non dem Schreibenden . eines "Verbrechens befchuldige wird, welches der Letztere im Falle einer gerichtlichen. Anklage beweiſen muß, und iſt er dies nicht zu thun im Stande, ſo zieht er ſich Strafe als ein Inſuriant — zu. ‚Alles hingegen ift.erlaubt, oͤffentlich befannt zu machen, was ben Andern Feines im Geſetze verbotes nen Unrechtes befchuldige.. Die Sitten, die Relis
gion, (oder vielmehr die Ölaubensarten) der Staat nebft feinen Beamten und andere Dinge find die Ges '
"genftände, worüber jedermann ungehindert feine Meinung öffentlich mittheilen darf, In Ruͤckſicht
S
” Pu
’
— 246 — . 4 ber Drffeißei aber giebt es noch ein Tribunal, das Darüber zu fprechen bat und diefes ift das Gewiffen
(die Moral), in Anſehung deſſen fie fo gar Pflicht ift,
weil fie ein fehr nüßliches Mittel zur Kultur unferer
Kräfte ift und weil fie zugleich auch die Lauterkeit der. Denfungsart und der G.finnung befüdert; in Ans fehung des äußern Rechtes hingegen ift. fie ein der Perſoͤnlich keit des Menſchen anklebendes unveraͤußer⸗
Nliches Recht,/das eben fo wenig gekraͤnkt als ber
Menſch unter die Sachen aut werden darf,
Freie Staatsverfäffungen, die viele Gelegenheit
zum Handeln und alfo auch zum Denken und Uebers
„legen geben, find ein anderes vorzüglich wirffames
“ Mittel zur Kultur unferer Denffraft. Wo jeber fein
öffentliches Intereſſe felbft zu bejorgen und in feinem Handeln und Denken fich vor nichts als vor dem Uns
u ‚rechte zu fürchten hat, da mird er zur Aemſigkeit und
Kuͤhnheit aufgelegt und dieſe beiden Eigenfchaften be-
7 gänftigen bejonders die .Selbfiftändigkeit des Vers
‚flandes. und der Bernunft. . Die Parteien, Die in
Freiſtaaten herrfchen, find eine’andere Veranlaſſung zum" Denfen, die durch das Hinzufommen von Lei⸗
denſchaften die Menfchen allgewaltig zum eigenen Ver: ſtandesgebrauche auffodert. Ueberdies giebt es in Republifen - (repräfentativen Volksſtaaten) feinen Gegenftand, der für irgend einen Bürger fremd, oder auch gleichgültig ſey; und diefe Theilnahme an allem, was gefchießt, gewöhnt den Menfchen ganz
üuͤnvermerlt an Selbftchätigfeit im Denken“, Nichts,
5 = 27 . ‚was Menſchlich ſt , ſoll Menſchen fremd ſeyn, und wo findet man mehr Auffoderung, dieſe Pflicht zu befolgen als wo alles, was geſchieht, durch unſers Gleichen verrichtet wird? Dieſe Gleichheit floͤßt Selbſtachtung ein und der Menſch hat in Anſehung feiner Kultur fehon viel gewonnen, wenn ?r fid) vor keinem Staubgebornen erniedrigt, fondern ſich mit ihm auf den Fuß der Gleichheit gejtelle:anfehen kann.
Diefe Selbftachtung giebt auch Much zu Verſuchen
und der Menſch wagt zur Erreichung feiner gebotenen
oder erlaubten Zwede alles, wenn er feinen Hefen
als das Geſetz — bie perfonificirte Vernunft — su ”
fürcheen bar. .
!
Reifen ü nd eine ‚andere Beranlaffung zum mad - denken. Die vielen Gegenftände ; die wir auf Reie . ,
fen gewahr werden, ihre Verfchiedenheiten unter eins ander, das Abmeichende und Ungewoͤhnliche in. den
Sitten und Gebräuchen, die an verfchiedenen Orten
und in verfchiedenen Ländern berrfchen, die ‘Betriebs ſamkeit, die Denkungsart und der Charakter der Menfchen ‚ die wir hier und dort zu fehen —— fodern uns ganz unvermerkt auf, den Grund und bie. Bedingungen der wahrgenommenen Erfcheinungen zu . ‚ 'erforfchen. Wir vergleichen das an verfchiedenen
Orrten Gefehene mit dem an unferm Wohhorte Ges >
wöhnlichen, beurtheilen daffelbe nach dem Schick⸗
“lichen und Zweckmaͤßigen, und ber Maaßſtab, wos _
mit wir die menfchlichen Handlungen meſſen, ift das Recht, die Moral und die Klugheit, und diefes
—
* u _ \
⸗ NER 250, ur ' » . _ N An velchen Kenntniſſen gebrag) e es mir acc, ‚ als ch etwas erklaͤren, mich mit jemand uͤber etwas unter⸗ halten oder den Inhalt eines Buches berſtehen lernen wollte? Was habe ich für Geſinnungen in mir ber merkt? Was babe ich gethan oder unterlaffen. und aus welchen Abfichten ift dies gefchehen? Was regte ſich heute in mis, als ich einen Bekannten loben oder tadeln hörte? Wie würde ich mich betragen haben, wenn das fihreiende Unrecht, das man A— anthat, ° mir widerfahren wäre? Solche und andere Fragen muß man fich) täglich vorlegen und diefelben nach eige:
5 ner, Einſicht und mit Aufrichtigkeit beantworten.
Vieles Tragen erregt viele Aufmerkſamkeit, diefe er⸗ zeugt Luſt nach Kenntniffen und der Menſch, ‚der diefe "in fih- recht lebendig erhält, Tann fich fehmeicheln, Daß er endlich ſ cher an Verſtand münbig werden wird,
e— giebt zwar noch mehrere. Mittel, ſich zum Selbſidenken zu erziehen, z. B. das oͤftere Zuruͤck⸗
ziehen in die Einſamkeit, das einſame Wandeln in ‚ber freien Natur, das Beſuchen oͤffentlicher Orte
u. fe w., allein. diefe brauchen hier nicht. befonders
3 Burchgegangen zu werden, weil ſich jeder nur ſtets feft
‚ vorfegen darf, daß er alle Gelegenheiten, feine Denk⸗ kraft zu üben, auffuchen und benußen, daß er alles, was er hoͤrt, ſieht und fühle, felbft prüfen, und daß er von allem, was erifkirt, bie Urfache und bie Abs
| v. erforfchen will. \
}
4 r N N *
— 2521 —
XV. Capitel.
Wie muß die Erziehung befhaffen feum wenn. man die Denkkraft an Selbfithä tigkeit gewöhnen will?
Man wuͤrde unter den Menſchen Feine ſolche auffals lende Ungfeichheiten in Ruͤckſicht ihrer Geiſteskraͤfte und Talente bemerken, wenn die Erziehung und der. Unterricht beſſer und zweckmaͤßiger eingerichtet waͤre, als es jetzt ñur noch zu häufig der Fall iſt. Bloß die Anlagen fehr weniger gluͤcklicher Geifter entwickele
allein die Natur und die Gefelljchaft zu ihrer größten . Vollfommenpeit; die meiften Menfchen mjffen Hin gegen “abfichtlih als der Vervollkommnung ihrer. ' Vermögen und Kräfte fähige Weſen bearbeiter wer= -
den. Ohne Erziehung bleiben die.Meiften Kruͤppel,
die mit großen Gaben ausgerüfter feinen Schrire in.
die Welt thun koͤnnen, ohne zu ftraucheln, und da fie ſchwach und ohnmächtig find, fo fönnen fie fih von ihrem Falle nicht wieder erheben. Thut man hin«
gegen weder zu viel moch zu wenig bei der Erziehung \
bes Menfchen, ſo fann man alles aus ihm machen, yon er bie Naturanlage hat,
Unter dem Erziehen berſtehe ih ei ein abſichtliches
Entwidelg und Vervollkommnen der menfchliden
Anlagen und Kräfte, ihrer Natur und ihren Zwecken gemaͤß. Durch die Erziehung will man die Fertig⸗
keiten und Geſchicklichkeiten hervorrufen, deren die
a. in,
g FE 250 — —
An weten Kenneniffen gebrag) es mir noch, ‚ als 16 etwas erklären, mich mit jemand über etwas unter⸗
haalten oder den Inhalt eines, Buches verſtehen lernen wollte? Was habe ich für Geſinnungen in mir bes.
merkt? Was habe ich getban oder unterlaffen. und
aus welchen Abſichten 'ift dies geſchehen? Was regte .
fi) heute in mir, als ich einen Befannten loben oder
tadeln hörte? Wie würde ich mich betragen haben,
wenn das ſchreiende Unrecht, das man A— anthat, mir widerfahren wäre? Solche und andere Fragen
muß man fich täglich vorlegen und bdiefelben nach eige⸗
net, Einſicht und: mit Aufrichtigkeie beantworten.
- Vieles ‚Tragen erregt viele Aufmerffamfeit, Diefe er⸗
zeugt Luſt nach Kenntniſſen und der Menſch, der dieſe
irn ſich recht lebendig erhält, kann ſich ſchmeicheln,
daß er eñdlich ſ cher an Verſand muͤndig werden wird,
| Es giebt zwar noch mehrere Mittel, ſich zum Selbſtdenken zu erziehen, z. B. das oͤftere Zurück“
ziehen in die Einſamkeit, das einſame Wandeln in der freien Natur, das Beſuchen öffentlicher Orte
u. ſ. w., allein, diefe brauchen hier nicht: befonderg
u durchgegangen zu werden, weil ſich jeder nur ftets feſt
_ vorfeßen darf, daß er alle Gelegenheiten, feine Denk⸗
kraft zu üben, auffuchen und benugen, daß er alles, was er hört, fi ieht und fühle, ſelbſt prüfen, und dag ı
er von allem, was exiſtirt, die Urſache und die Ab⸗
| v. erforfchen will. _
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wie er am ſi cherſten d die Fetcrungen der Vernunft ber
friedigen fann und er muß wiſſen, warın und was für ' ihn Pflicht ift, wenn er nach Tugend ftreben will. . Ohne felbfteigene Thärigfeit im Denfen und Handeln hat er feine Hoffnung, daß er Das erreichen werde, was ihm als Lebenszweck aufgegeben ift. Der Zweck der Erziehung ift daher in Ruͤckſicht des Erfenntnißs vermögens das Selbſtdenken und in Anſehung bes - Begehrungsvermögens felbfteigene Entſchließung zum Handeln nad) Dernunftgefeßen. Der Menfch Soll . alfo zur Selbftftändigkeit im Denfen und Handeln . erzogen werden, warum erzieht man ihn nicht auch zur Selbftchärigkeit in Gefühlen? Die Gefühle haͤn⸗ gen theils gar nicht von feiner Willführ ab, theils find fie Jolgen feiner andern freien Thätigfeiten; im
erſtern Falle kann er fie fich nicht nach Belieben vers ſchaffen, weil Feine menjchliche Gewalt und Einſicht, ‚bie fih allemal dur Selbſtthaͤtigkeit offenbaren,
twas zu ihrer Erregung und Motifizirung beitragen kann, und im jmeiten Falle find Die Gefühle, bloße Wirkungen feines Erfen:iens und Handelns, und jemehr er alſo geiſtig thaͤtig iſt, deſto mehr kann er ſich auch Gefuͤhle verſchaffen und deſto mehr kann er die Empfaͤnglichkeit dafuͤr erhoͤhen; allein in die⸗ ſem Falle ſind ſie doch erſt Folgen der ſelbſtthaͤtigen Aeußerungen des Menſchen und kein unmittelbar Her⸗
— Was nun der Menſch nicht unmittel- _. -
bar durch Selbſtthaͤtigkeit erreichen fann, kann aud) nicht Zweck der Erziehung ſeyn, weil dieſe eine Bils bung zur freien Thärigkeit if. Das Gefühlsvers mögen hingegen iſt ein bloß leidendes Vermögen, das
aentweder von fremden Gegenſtaͤnden oder von uffer
7
254 —
| ver eigenen Thaͤtigkeit als Folge affizirt und in
Wirkſamkeit geſetzt, das nun zwar auch vervollkommt
wird, aber doch immer erſt, wenn gedacht, erkannt
md gehandelt wird; nicht durch ein abſichtliches
MWirfen auf daffelbe, fondern durch die Folgen, die ſich aus ben freien aodtigteiten. des Menfchen ers geben.
Die Erziehung bat bie Abſichegt das Selbſtt ha⸗
tige und Freie in der menſchlichen Natur in die Will-
—
/
Führ des Menfchen zu geben, damit er thun kann was er will, und durch ſich ſelbſt alles, wozu er ſein Daſeyn erhalten hat, werden kann. Sich zu diefem oder
. fenem Gefühle zu beftimmen, fid) dieſe oder jene Anz nehmlich keit bes Gefuͤhls zu verſchaffen und die Un⸗
anuehmlichfeit befjelben zu entfernen, , ſteht nicht in
ſſeiner Gewalt; ‚hingegen kann er denken und handeln "wie er will, und es ift ganz das Werf feiner Freiheit,
wenn er über einen Gegenſtand reflektirt oder ſi ch zu
einer Handlung entſchließt H·
Eine Erziehung wo der Menſch alles ſpielend werden ſoll, iſt keine Erziehung. Dieſe muß An-
ſtrengung koſten, damit die Anlagen Kraft und "Stärke erlangen. Aeußere Reize und innere Selbſt⸗
ehätigfeit find Die Bedingung zur Erreichung von
Selbſtſtaͤndigkeit im Denken und Handeln. Se
*) Das Vermoͤgen der Anſchauungen macht einen Theil des Erkenntnißvermaͤgens aus, und wird alfo ale . em Beſtandtheil deſſelben mit ihm geübt u uno vervoll⸗ kommt.
‘
41
. -r | — 255 — mehr daher jemand zur Thaͤtigkeit aufgefodert und
je mehr es Kampf beim Ueberwinden von Schwierig⸗
keiten koſtet, deſto vollkommener iſt die Erziehung, die jemand erhaͤlt. Fremde Thaͤtigkeiten, z. B. das Lehren u. fe w., muͤſſen beim Erziehen nur die Ver⸗ anlaſſung zum Selbſtwirken ſeyn: das Thaͤtigſeyn und das Zuruͤckwirken auf aͤußere Eindruͤcke muß.
‚gänzlich ein Werk des Zöglings werden. Diefen -
nichts. ohne. eine feinen Kräften angemeffene Anftrens gung thun zu laſſen ‚ muß eine e beftänige Moriue des 6 Erdiehers ſeyn. Allein da wir ‚hier bloß die Auebildung ber | Denkkraft in Betracht zu ziehen haben, ſo fragt es fih, wie man den Menfchen zum Selbſtdenken er⸗ ‚ziehen fann? Dan muß theils die Hindernijfe, die - der Entwicelung der Denkfraft im Wege ſtehen, wegräumen, theils alle Gelegenheiten zu felbft eigee
“ nen VBerfuchen des Söglings. im Denken auffuchen.
Es giebt daher eine negative und eine pafitive
Erziehung. zum Denfen. Was bat nun die erftere
Sröiebungsarf zu thun? Sie muß dahin fehen, daß dem Zöglinge nichts vorgebacht werde und daß er . nicht etwa nachbete, daß er vor Borurtheilen und Aberglauben bewahrt werde, daß er Geſellſchaften vermeide, wo Dinge gefprochen werden, Die £heild über feine Fähigkeiten, diefelben zu begreifen, geben,
theils ihm etwa den Wahn einflößen, daß er entweder, .
das Denken nicht nöthig babe, oder daß es uberhaupe. fuͤr ihn eine zu ſchwere Sache fen; daß e er nicht finn«
- Iofe Dinge entweder lefe oder höre, Daß er nichtezwed«
los etwas thue, z. B. in Die Kirche zugeben, deren
254 —
| ver eigenen Thaͤtigkeit als Folge affizirt und in
Wirkſamkeit geſetzt, das nun zwar auch vervollkommt
“wird, aber doch immer erſt, wenn gedacht, erkannt
“und gehandelt wird; nicht durch ein abſichtliches
Wirken auf daſſelbe, ſondern durch die Folgen, die ſich aus den freien moltigkelen des Menſchen er⸗ geben.
Die Erziehung hat die Abſicht, das Selbſtthaͤ—
. tige und Freie in der menſchlichen Natur in die Wille -
—
f
Führ des Menſchen zu geben, damit er thun fann was - er will, und durch fich felbft alles, wozu er fein Dafeyn erhalten hat, werden fann. Sich zu diefem ober
. fenem Gefühle zu beſtimmen, ſich diefe oder jene An⸗ nehmlich keit bes Gefuͤhls zu verfchaffen und die Un⸗
j anuehmlichfeit befielben zu entfernen, fteht nicht im
ſeiner Gewalt; ‚Hingegen kann er denken und handeln “wie er will, und es ift ganz das Wert feiner Freiheit,
wenn er über einen Gegenſtand reflektirt oder ſich zu
einer Handling entſchließt pr
Eine Erziehung ; wo der. Menſch alles-fpielend werben ſoll, ift feine Erziehung... Diefe muß An=
ſtrengung often, damit die Anlagen Kraft und
Erärfe erlangen, Aeußere Reize und innere Selbfts thäfigfeit find die Bedingung zur Erreichung von
Selbftftändigfeie im -Denfen und Handeln. Je
” Das Vermögen der Anfchauungen ‚macht einen Theil des Erkenntnißvermaͤgens aus, und wird alfo ale . em Beſtandtheil beffelben mit m geübt u uno > bervalle kommt.
257 — Der Erjieper mwN Änglichen X — = a > Denfelberz. m Munlisesom- Zu : it, urie —zE en anfing! u ‚ undDdar a m me ben, ZZ .— : Sandder 3 5 ihm erg . se wihen — Iß ihn vð Folgen Bil =
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ii.
wahrnimmmt, da it. Der Erzieher muß bloß durch
Fragen und Winke dem gaͤnzlichen Verirren des Zoͤg⸗
Tings zuvorkommen, und denſelben wieder. auf den Gegenftand, der eben jet zum Unterfuchen und Er forichen gewählte worden ift, zuruͤckbringen. Er muß die Denkkraft deffelben anfänglich an leiche zu begreifenden und.fichtbaren, und darauf an ſchwerern und unſichtbaren Dingen üben: Er muß ihn vor— bero mie der Welt Der Anfchauungen ‚befannf machen ehe er ihn in das Sand. der. bloßen Begriffe
. und Ideen führt. Er muß ihm erft eine Geuͤbtheit
im Urtheilen verichaffen, ehe er ihn, an Schlüſſe ge
machen, gewoͤhnt und.er muß ihn von ben Wirkungen Ä auf die Urſachen, von den Folgen auf die. rundes
und von den Theilen aufs Ganze, und nicht umge⸗
kehrt, zurück geben laffen. . Der Erzieher muß dem -
Zoͤgling gewöhnen, hichts ungeprüft und unbetrachtet vor'fich vorbeig ben zu lafien, moran.er feinen Ders; land und feine Vernunft üben kann. or. J
Nachdenken gewoͤhnt wird, fuͤr den wird der ſelbſt eigene Gebrauch ſeiner Denkkraft eben ſo zum Be⸗ duͤrfniſſe werden, wie dasjenige Beduͤrfniß iſt, was nothwendig zur Erhaltung des Lebens erfoderlich iſt, Auch muß das Denkenlernen Anſtrengung koſten, da⸗ mit der Zoͤgling zu der Einſicht gelangt, wie viel er vermag, wenn er eine Zeitlang ſeine Kräfte mit Fleiß und Abfihe übe Der Menfch ift von Natur” zut
Traͤgheit geneiat, welche er nur dadurch beſi jegen
kann, daß er Gewalt braucht und daß er feine Miche Kunſt au denken. \ R
... » . ! —— Mm —— UL,
*FF Wer in der Jugend an. die Erforſchunge von: Wirfungen und Urfachen, und aljo.an.gründlicheg;
-
— 255 —
ebene, den Schlummer, ber feine Denkkraft ges feſſelt haft, dadurch zu verſcheuchen , daß er anhal⸗ tend Verſuche in der Aufſuchung des Wahren. und Falſchen macht.
Aufmunterungen durch klug artheiltet (ob, Hin weifung auf Gewinn und auf den Beifall der Men: ſchen ſind aͤußere Triebfedern, womit der Erzieher ber ermuͤdeten Denkkraft ſeines Zeslings zu Hilfe komnien kann.
Auch muß man mit der Jugend oͤfters cäfonni ven, alfein diefes Räfonnement muß ihren Einfichten and ihren Lebensfreife angemeffen ſeyn, wenn es für ſie von Nutzen ſeyn ſoll. — Man muß öfters Zwei⸗ fel gegen dasjenige erregen, was fie für wahr halt,
damit fie genüfhige wird, ſich nach haltbarern Gruͤn⸗
den umzuſehen und ſich dieſelben deutlich zu benken. Fragen über das Geſehene und, Gehoͤrte find Antriebe zum angeſtrengtern Nachdenken, und ſie tragen, wenn fie zweckmaͤßig geſtellt und verfolgt werden, eben fo ſehr zur Kultur der: Denkkraft als zur Erbeu⸗ tung der er Wahrheit bei. J
Pen 2
XVI. Capitel.
| Ueber einige Kinderniffe in.der Erlernung :de& Selbfidenfens und über die Mittel, fie hinweg' zu ränmen.
9
Du menschliche geben.ift ein ſtete Kampf. Der oeganifche und der seifige a0 Des Menſchen haben
- .
u 259 —
mit Hinderniſſen zu ſtreiten, die von allen Seiten auf fie eindringen, die aber doch auch zugleich ihre Kräfte _ zu einer defto größern Geſchicklichkeit und Thaͤtigkeit
. erziehen, je uͤngeſtuͤmer und anhaltender fie auf dies felben losftürmen. _ Nur aus dem MWiderftreice geht der Menfch ſelbſtſtaͤndig hervor. Lebte er einſan und fern von allen Gefahren, fo würde er bloß an ein mechaniſches Wirken gewöhnt werben. Allein J da..er mit Feinden jo wohl in ſich als. außer ſich Mr kaͤmpfen hat,. fo muß er flets zum ‚Streite gerüftee ſehn, um fie zu befi iegen, wodurch er. fih Stärfe-und Much erwirbe. Die Hindernigfe, die ſich uͤnſerm Bemühen, felbft zu denken, in den Weg ftellen, find‘ fo wohl innere als aͤußere. In unſern Gemüche - liegen Schwierigkeiten verborgen, die unſern Geiſtes⸗ flug hemmen und außer uns lauern Feinde auf uns, die uns von jedem Verſuche, auf ‚sigene Kräfte iu. fußen, abſchreden.
Die innern Hinderniſſe haben theils in der Sinnlichkeit, theils in dem Verſtande ſelbſt ihren Sitz. . Dip Sinnlichkeit liebe angenehme Genuͤſſe,
deren Erwerb aber weder Mühe noch Zeit noch Ges
fahren foften darf, und der. Verſtand läßt aus Trägs heit, die von der Ungeübtheit und von der Materie,
in die-er.eingefeffele it, herruͤhrt, die Erfcheinungen, wie ein Spiegel die Gegenftände, vor ſich vorbei⸗ gehen ‚ohne in dieſelben einzufallen und ihnen nach Belisben diefe oder jene Ge ftale ‚oder Wendung zu geben. Unter die innern Hinderniſſe ſi find au sechs -
nen: . -
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ſcheuet, den Schlummer
— 258 — — avſcheu vor Anz
fefielt hält, dadne⸗ —— und Muͤhſelig⸗
tend Verſ⸗ BA —— reuden fo viele (ſchmei⸗ Falſchen 2” —* Ka 72, die wir ohne viele Mühe . i A
. ee Zeganenufiwand genießen fönnen. weit —* we | 77 Nachen Blumen pfluͤcken, fie ver⸗
ef" —* 6 find dann ohne Werth! Jede
$ jr 7 mi Annehmlichkeiten ſchwanger und
al, fi ung Gelegenheit zum Genuffe Dar, wir nur unfere Sinne oͤfnen, um fie mit vollen
4 einzuſaugen. Warum ſollen wir uns alſo den aünfeligfeiten des Lebens ausſetzen, um etwas zu er⸗ Beuten, was doch einen ungemiffen Erfolg hat und
warum wollen wir einer Ruhe entſagen, die ung fo
wohl befomme. und behagt?“ Diefe Schmeicheleien
‚wiegen den Verſtand in Schlaf und machen ihm jeden
Verſuch, feine Selbſtthaͤtigkeit u zetgen , iumiber.
2) Das zweite Hinderniß ift eine gewiſſe Traͤgheit des Verſtandes, die ihn gefeſſelt haͤlt. Er ſcheuet jede Anſtrengung; es geht uns durch Mark und Bein, wenn wir nachdenken ſollen, ehe wir noch dieſe Laſt, die unſere Selbſtthaͤtigkeit niederdruͤckt, abge⸗ worfen, und wir fuͤhlen uns nach jeder augenblick⸗
lichen Geiſtesarbeit ermattet, ſo lange wir noch durch
keine Uebung die Herrſchaft uͤber die Materie, die unſern Geiſt umhuͤllt, erlangt haben. Es giebt Handlungen, an die man ſich nicht früh genug ge« wöhnen fann, und darunter gehören auch die Ver⸗ ftandesübungen. Die Krufte, die unfern Geift um« fhließe, wird mie den Jahren immer Dicker und ber
Verſtand wird daburch ſchwerfaͤlliger und immer une
9
— 261 —
geneigter, feine Erziehung zur Selbſtthaͤtigkeit zu
verfuchen.: Es ift Daher notbivendig, daß wir frußs zeitig anfangen, uns im Denken zu Üben, die Urfachen ‚und Grunde der Erfceheinungen aufjufuchen, und alles, was um uns ber fich ereignet, zu beobachten
und zu exforſchen, damit unfere Denkkraft fruͤhzeitig
mit der Geübtheit Staͤrke und Luſt im ſteten Nach⸗ denken erlange.
>} Sn den feiern Jahren unſers Lebensn wer⸗ den uns gewiſſe Vorſtellungen eingepraͤgt, die, da
fie in’ uns ein empfaͤngliches Gemuͤth antreffen, und
da in uns alles noch einer unbeſchriebenen Tafel gleicht, ſich tief und dauerhaft eingraben und einen Einfluß auf unſer Thun und Laſſen erhalten, der alles, was wir find, was wir werden und ſeyn wol⸗ len, unferer Gewalt entreißt. Dieſe früh eingefoges nen Borftelungen beherrfchen unfern Verſtand und unfern Willen unumfchränft und wir bleiben, wenn
wir uns nicht. bald ermannen und fie-mit aller Ans .
ſtrengung bekaͤmpfen, auf unſere ganze Lebenszeit ihre. Sklaven. Wir thun und denken bloß das, was fie gethan und.gebacht wiſſen wollen. Auf den Wils len wirken fie theils Durch Furcht, theild Durch ‚dem
Eigennutz, auf den Verſtand aber eheils durch Ge=
wohnheit, theils Durch Behaglichkeit. Diefe Feſſeln ‚müffen: wir ſo bald als möglich abzumerfen eifen, wenn wir feldft degfen lernen wollen, weil fie uns durch die Sänge der Zeit zur andern Matur werden, und wir gar nicht mehr ahnden, daß wir auf Diefem Wege die Beſtimmung unfers lebens nicht erfülfen,
Wir müflen uns dem Kreife unferer "gewöhnlichen
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— 0162 — 7—
Vorſtellungen enfreiffen und ung lieber auf din weiten Oeean wagen, mo fein gebahnter Weg uns leiter, wo fein Stern uns leuchtet, als noch länger in diefem Dauberlande wie angefeffele fißen, : damif fih unfer Geiſt verfuchen, durch Fallen geben und durch ben Gebrauch der Freiheit freie Selbftepätigfeit erwerben ferne.
4) Aberglaube und Vorurteile, i in welche unſer jugendlicher Geiſt eingeweihet wird, ſind ein neues Hinderniß in der Erlernung des Selbſtdenkens. Wir halten nicht etwa dasjenige für wahr, mas uns nach einer ruhigen und unpartheiifchen Prüfung einleuch« fet, fondern dasjenige ift für ung Wahrheit, deſſen Gegentheil nach unſerer Einſi cht mit Sure. vor Schaden oder gar mit ewiger Verdammniß verknuͤpft
iſt. Ale Vorftellungen, die das Begehrungsver- ‚mögen in ihr Intereſſe ziehen, find wirkſamer, ges
waltiger und unvertifgbarer, als ſolche, die bloß ein Beduͤrfniß des Verſtandes befriedigen, weil durch jene dem Eigenmitze geſchmeichelt wird: und aller Aberglaube und alle Vorurtheile beſtricken unſern
Geiſt durch ihre Vorſpiegelungen fo gewaltig, «daß er fih nur durch die ftärfftg Entſchloſſeüheit und die : mübjeligften Anfttengungen denfelben eritziehen kann. Unſere fruͤhern Gefellfchafter find. nur zu oft mie Aberglayben angefüllt und wir werben Durch die Zeit
. {6 damit angeſteckt, daß wir fo.gar zu diefem Wahn⸗
. "glauben Unduldfamfeie gefellen. Durch folche mit
Eigenwillen, Furcht und Eigennuß begleitete Vor⸗ ſtellungen wird ung alle Luft, ja jeder Gedanke, von inferm Berftand einen freien. Gebrauch nach eigener.
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w⸗
Einſicht machen zu wollen, benommen. Wir wach⸗
fen in ihren Feffeln auf und wir halten nichts mehr
für wahr-und richtig, als was dieſen Phentemen ſchmeichelt. -
5) Eine allzu lebhafte und eine allzu träge Eine
bildungsfrafe iff ein anderes inneres Hinberniß im Selbſtdenken. ‚Das ewige Gaufelfpiel der Erſtern betäube unfern Geiſt und diefer ahndet nicht einmal, ‚daß er felbft denfen lernen foll, und die gar'zu große Armuth der Letztern tilgt in uns jeden Gedanken an
freie Selbſtthaͤtigkeit aus. Der Verſtand darf
weder mit Materialien uͤberhaͤuft noch allzu ſparſam damit verſorgt werben, wenn er zur Freiheit erwachen und etwas zur Ertaͤmpfung ſeiner Muͤndigkeit wog to Ä |
L
Eine allzu (hf Einbilbungitraft verflingt
alle unfere Aufmerkſamkeit, gewoͤhnt den Geift an ein muͤßiges Beſchauen bes Spieles, das fie: treibt
und ſchwaͤcht jede andere Kraft; indem fie derfelben
theils ben Nahrungsfaft, theils die Luft zur Thätigs
keit entzieht. "Nun bat der Nichtgebraucd einer
Kraft eben den Nachtheil, den die allzu große ununs
terbrochene Anftrengung derſelben bat. Schwaͤche
und d Abmung ſind die Folgen von beiden.
Der Geiſt bedarf auch in der Einſamkeit PR, Khäftigung ‚ allein wie fann er thaͤtig ſeyn, went ihm die Einbildungsfraft feinen Stoff darreicht und wenn fie alles um ihn her öde und rodt läßt? Endlich
macht ein ſteter Mangel an Materialien zum Nach⸗
2*
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[4
m 266 — 5
| Geiſt ſinkt über dem bumpfen Anfchauen biefer ges * heimnißvollen Vorftellungen in einen Schlimmer, aus dem: ihn nichts wieder auferweden kaun. Allein ' micht bloß das Wunderbare und Yinbegreiflihe, das die refigiöfe Cpofitive) Glaubensart lehrt, ‚hält den Veſtſtand von Selbfiverfuchen ab, fondern auch die
Verbote des Selbftprufens, welche die Priefter und
Pfaffen ergehen laſſen, ſchreten ihn durch ihre Dro⸗
bungen davon ab;
4) der Staat, der keine Greifer im Denfen und Schreiben geſtattet, und der alſo jede freimuͤthige Aeußerung mit Strafe belegt, iſt auch ein Hinderniß in der Ausbildung der Denffraft: denn wer will feis
. nen eigenen Weg zu gehen wagen, wenn er befuͤrch⸗ ten muß, daß das Verderben auf ihn lauert und dag fein zeitliches Wohl dabei auf dem Spiele ſteht? Die Einfchränfungen, die ein Staat in dem freien Gebiete. des Denkens und Schreibens macht, find das unnüßefte und fehreiendefte Linreche--und- das größte Hinderniß. in der Kultur des * Menſchenge—
ſchlechtes _
5). ber umgang, den man mit borurthelbvo len, , gedankenloſen und traͤgen Menſchen unterhaͤlt, hindert auch die Uebung der Denkkraft: denn der
Menſch thut nur zu haͤufig das, was’ er Andere thun ſieht: er ahmt im Guten und im Boͤſen nach. Und aller Schlümmer und alle Unthaͤtigkeit ſteckt an; wir vertraͤumen daher ein Leben, das wir Andere hate
los und unit zubringen ſehen;
i
—
Pflicht ſey, . felbft zu denken. und in. allen Dingen .:
— 267 —
—* find. der Stand in welchem Jettand ges
bohren wird, und worin man das Selbſtdenken ent⸗ weder fuͤr entbehrlich, oder für ſchaͤdlich oder gar fi für - entehrend erklaͤrt, das Leſen myſtiſcher ‚ Ihmwärmeris
ſcher, wundervolle und unglaubliche Dinge enthalten« der Bücher, wötluftiger Romane u. ſ. w. Alle dieſe Segenftände erſticken nicht allein die Luſt und die Ent⸗
ſchloſſenhelt zum“ ſelbſteigenen Verſtandesgebrauche,
ſondern vernichten ſo gar den Gedanken, daß es
Härh eigenen Einſichten zu Handeln. Halten wir eine
ESache für nuͤtzlich und wichtig, ſo fangen wir endlich auch an, ſo ſauer und beſchwerlich es uns anfaͤnglich
Auch ſeyn mag,darnach zu ftreben und was geht über Die Größe des. Mannes, der in den Stuͤrmen der
Welt unerſchůtterlich daſteht und ſtets ſo handelt, wie es ihn feine Einſicht lehrt und was giebt einen uns.
fteeblichern- -Nachruhm als die‘ Ausbeute, die Der
76) Andere düßere Hinderniffe in der Kultur der
Menſch, durch Selbſidenken woher, der- Macwelt
| hinterlaßt 2:
= D
.,.. “ "0. yo — - Gr Zn
‚Wie kann man nun die Hinderniſe y die ſich un⸗
Km Beftreben; ſelbſt denken zu lernen, in den Weg
rreten, beſi egem?-- -Die innern weichen der Entſchloſ⸗
ſenheit des Willensund einer derſelben angemeſſenen ununterbrochenen Anſtrengung der Denkkraft. So bald wir zum Selbſtbewußtſeyn erwacht ſind und alſo den Zuſtand unſers Gemuͤthes einigermaßen kennen n lernen Gelegenheit haben, müffen wir fo gleich ben
’ x ⸗
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- — 268 — ⸗
Kampf mit der Traͤgheit, Gemachlichkeit pen Vor⸗ urtheilen und dem Aberglauben beginnen, ſie unter⸗ graben, und ihre Nichtigkeit und Verderblichkeit ein⸗ zuſehen ſuchen. Bei bieſer Bekaͤmpfung muͤſſen wir uns auf eine ermunternde und ſtaͤrkende moraliſche Vorſtellung ſtuͤtzen, um fo wohl nicht zu ermuͤden, als auch der Wichtigkeit und Nothwendigkeit uni Bemuͤhens immer eingeben? zu: feyn. Ohne ale Schonung müffen wir gegen jede Porſtellung verfah⸗
ven, welche die Prüfung ber. Barnunfs nicht aushält
und wir muͤſſen ung als Kranke. anfeden, denen⸗man
"einen fleinen. Schmerz verurfacht ). um deſte geöfisen
Uebeln vorzubeugen. Alles aber, was ſich hinfuͤhro in unfer Gemuͤth einfchleichen und darin. feſtſetzen will, muß forgfältig geprüft und nad) feiner Wahrheit und
. Wirkfamfeie unterſucht werben, . Beſonnen und fuͤhn
müffen wir alle fih uns darbietenden Erfcheinungen in ihre; Beflandtpeilen auflöfen, ‚nach ihren: Weſen und nach Ihren Selgen — —— kein
is .eo.0 0°
und fie als Kinder unfers Geiftes anfehen. f Hab: ime
‚ mer haben wir fchon viel gewonnen, "wenn wir zu ber Einficht gelangt find, daß dieſe oder jene Borftellung,
welche uns am Gelbfidenfen hindert, nichtig ift und
daß fie ehen fo wenig Grund als Nachteil für unfer
wahres ächtes, Seyn uhat und wenn wir mit dieſer Finficht- noch . die. ¶Entſchloſſenheit ſie auzurot⸗
ten, verbinden, fo werden wir gay: had die Schwie⸗
rigkeiten beſtegen, welche unfere Erziehung zur freien Selhſtthaͤtigkeit der Denkkraft verhindern. Der Kampf mit den aͤußern Hindernif en im
J Selbſidenken erfodert meh! Vorſich und Bepufan
\
— 269 _
feit als mit den Innern, wenn uns unfer Unterneh ⸗ men gelingen und wir nicht Stürme gegen uns auf» regen wollen, Die ung ungluͤcklich machen und- ung Zreiheit und. Ruhe rauben koͤnnen. Wir haben es hier mit der Staats» und Kirchengewalt zu thun, Die eiferſuͤchtig jede Schmäferung ihres Gebietes: bewacht und den Kühnen, ber einen Eingriff in daffelbe wagt, zu Boden ſchmettert. Wir müffen alfo ftets forgfäfe tig überlegen, mas wir fagen und Treiben, , damit eg derſelben feinen Anftoß giebt, allein wir dürfen ung doch auch nicht ſcheuen, dasjenige als Wahrheit zu . verfündigen, was wir mit Gründen fuͤr ſolche aner⸗ kennen. Ballen vie in Diefem Kampfe ale Opfer für die - Rechte der Menfchheie und für die Wahrheit, fo haben dies Unrecht nicht wir, jondern die Staatsge- walt hat es zu verantworten. Sie foll blog Hand« lungen richten, die auf die Willführ Anderer. einwirs fen, aber feine Gedanken und Meinungen verdam« men, bie bloß vor das Gericht des Gewiſſens der Menfchen und vor die Gottheit gehören , und die Die Staatsgewalt fo Heilig, mie dieſe felbft, halten foll.
In allen Zeitaltern hat es freimuͤthig denkende Koͤpfe gegeben und es liegt bloß an den Menſchen, daß das Selbſtdenken und die ſchriftliche Bekannt— machung der Ausbeute deffelberr nicht für eine eben fo gemöhntiche und ſchuldloſe Erfcheinung als die Bes wegung im Raume, das Eehen ber Augen und das teben in der Luft angefehen wird. ‚Wenn Alle ſelbſt denfen, alsdann wird fein freimüthiger Denfer mehr geächtet werden und wenn alle prüfen und forfchen, dann werden alle außere Hinderniſſe des Selbſtden⸗
Tan kens verſchwinden. Erkennt man bie Letztern nur ein⸗ mal als ſolche an, dann wird der menſchliche Geiſt ſicherlich alle ſeine Kraͤfte aufbieten, um ſie zu uͤber⸗ winden, weil ſie ſich ſeinem freien und rechtmaͤßigen Wirken freventlich entgegen ſtellen.
Gegen äußere Hinderniffe muß man ſch beſon— ders mit dem Bewußtſeyn ſeiner Pflichterfuͤllung ſtaͤr⸗ ken und bedenken, daß, wenn man und auch jetzt vers kennt, verſchmaͤht und verlaͤumdet, doch eine beffere Nachwelt ung Gerechtigkeit wiederfahren laffen werde, Je mehr, wir uns bei unſerm Denken und Urtheilen
“durch die Achtung gegen die Pflicht des Selbſtdenkens - beftimmen laſſen, defto ſicherer koͤnnen wir ſeyn, daß wir mächtige Forrtſchritte in der Wahrheit machen
| werden,
!
XV. Eapite, '
Fernere Marimen, die man bei der Erzie bung zum Selbſtdenken und beim Fon fhen nad Wahrheit beobachten muß.
" | Ö}
Mir müffen - 2) öfters das Gegentheil von dem, worüber wir jetzt nachdenken, zu erfunden ftreben. ‚Wenn wir wiſſen wollen, was zum Beifpiel der Wahnſinn ift, fo müflen wir zu erforfchen fuchen, was er nicht if. Derjenige, der. einen freien Ge⸗ \ brauch von feinem Verſtande machen und. der ſich "jepen Gegenſand ‚nach Belieben zum Nachdenken
: | .. — 271 7 I wählen, ihn nach allen Seiten hin ſelbſtbeliebig un⸗ -terſuchen, ihn an ſeine ſchon erworbenen Vorſtellun⸗ gen mit Bewußtſeyn und Abſi cht anketten, und ihn mit Andern vergleichen kann, iſt Herr ſeines Geiſtes. Er unterſcheidet die Vorſtellungen der Gegenſtaͤnde von dieſen ſelbſt und er weiß, daß Gedanken noch feine Objekte und Peine Wirklichkeit derſelben aus— druͤcken. Der Wahnſinnige hingegen hält feine Eins bildungen für die wirklichen Gegenſtaͤnde und "kann fih von ihnen nicht fosreiffen, ſondern ift in ihren Kreis gebannt; er Denke ohne’realen, obgleich ofe nicht ohne logischen, Zufammenhang, kann feine fan« gen, dem Inhalt nach wahren und der Form nach cons fequensen, Reihen von Vorftellungen verfolgen und fi ee mit'den verfchiedenen Gegenftänden, die fie darſtellen ſollen, vergleichen, um zu ſehen, ob fie ihnen ent fprechen und mit denfelben übereinftimmen oder nicht, kurz er ift ein Spielball einer einzigen ober inebrerer . firer Ideen, deren Kreis er nicht überfpringen und innerhalb welchen er Lingereimtheit auf Ungereimes' * heit häuft, fo bald man feine Worte und feine Hand» lungen mit feinem wieflichen Zuftande in Vergleihung bringt. DBeurtbeilt man ihn aber aus dem —— . | punfte feines. eingebildeten Suftandes ‚o handelt und ſpricht er oͤfters dieſer Lage ſehr angemeſſen, z. B. es haͤlt ſich jemand fuͤr einen Koͤnig und ſo lange er ſich dieſen Gedanken denkt, thut und fpricht er alles | fo, wie er glaubt, daß ein König benfen und handen - muͤſſe. Es’ giebt Menfchen, die fo fange bie, _ vernüunftigften. Männer, und fi aller Grunde und . Urfachen der. Dinge um fid) her bewußt find, als dieſe Ä nicht in das Gebiet ihrer fixen Ideen fallen, wo f e
.
augenblicklich wieder ihre Einbildungen mie der Ge⸗
| genftänden- verwechfeln. — Das Gegentheil von dem Selbſtdenken ift das Michtfelbfidenfen, von dem
os
—
Schlafen das Wachen, von dem Haͤßlichen das
Schoͤne, von dem Niedrigen das Hohe u. ſ. w. Wenn mir öfters ſolche Betrachtungen anftellen und das Gegentheil von dem zu unterfüchenden Gegen⸗
ſtande aufipüren und durchgehen, fo werben wir bald dahin gelarigen, daß wir Wahrheit und Selbſtthaͤ⸗ | tigkeit der Denkkraft erkaͤmpfen.
Eine zweite Maxime, die wir bei unſerm Den⸗ ken befolgen muͤſſen, iſt, daß wir ung bei unſern Un⸗ terſuchungen jederzeit eine leitende Idee verſchaffen, an die wir den Faden unſers Nachdenkens anknuͤpfen, um einen Gegenſtand in alle ſeine Schlupfwinkel ver— folgen zu koͤnnen. Dieſe Idee kann nun entweder praktiſcher vder theoretiſcher Natur ſeyn, und kann alſo entweder von der Beurtheilung des Werthes der Handlungen der Menſchen oder eines Dinges oder von der Erkenntniß eines Gegenſtandes hergenommen ſeyn. Jede Handlung der Menſchen iſt entweder moraliſch oder unmoraliſch, rechtlich oder widerrecht⸗ lich, (feine gleichguͤltige kann und darf es nicht geben) jede Erfcheinung muß einen Grund, eine Urfache und eine Abfiche haben, . jedes Ding muß zu etwas da feyn u. ſ. w. Bedienen wir ung jederzeit folcher leis tenden Ideen, fo teßen wir ung in den Etand, ſo wohl felbft zu denfen als uns Auch gegen Irrthum zu verwahren. |
Wir durfen 3) nichts denken, was wir nicht verſtehen, oder wenigſtens in der Folge einzuſehen
= 273° —
Hoffnung Haben. Kein unverfländlicher Gedanke,
⸗
keine dunkle und verwirrte Vorſtellung darf in unſere
Ideenreihe aufgenommen, ſondern, alles muß be
leuchtet, zergliedert, nach Grund und Folge, nach Urſache und Wirkung begriffen werden, fo bald wir daffelbe gewahr worden ſind. Bleibe uns ja endlich. etwas unverftändlich, fo müffen wir den Grund das von auffuchen, und zu ber Einfiche zu gelangen ſtre⸗ ben, ob ein Gegenftand entweder außerhalb ben - Grenzen alles menfchlihen Begreifens liegt, z. DB. was Gott ift und wie er wirft, wie der menfchliche Geift denke, mie Freiheit auf die Nothwendigkeit ein⸗ wirfen fann u. f. w., oder ob mir noch nicht die Kenntniffe befißen, Die zum Verſtehen deflelben noche wehdig find. In der erfien Ruͤckſicht muͤſſen wir die Natur des menfchlichen Geiftes ſtudieren, um feine verfchiedenen Operationen kennen zu lernen, um niche das Denken mit dem Erkennen u. ſ. w. für Einerlei
‚zu halten, oder von: dem Daſeyn einer Erfeheinung .
auf das Dafeyn einer überfinnlichen Urfache zu fchliefs * fen; und in’ der Zweiten miffen wir emſig bemuͤht ſeyn, um die uns zur Erklaͤrung einer Erſcheinung noch mangelnden Einfihten zu erwerben.
Man muß es fih zu einem unwandelbaren
Grundſatze machen, ſich nicht lange in einem Kreiſe von dunkeln, verworrenen und unbegreiflichen Vor⸗ ſtellungen herum zu treiben, weil dies für unfern -
Geiſt gefährlich it, fondern biefelben entweder auf«
zuhellen, zu ordnen und begreiflich zu machen ,. oder
ſie bei Seite ſchieben und ihnen entweder auf immer.
oder nur auf eine Zeitlang den Abſchied zu geben, J Sunf gu denten. ©
⸗
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— 274 —
bis wir ung entweder bie Vorkenntniſſe, bie jum Ver⸗ fiehen berfelben norhwendig find, eingefammelt oder bis wir. mehr Geiftesftärfg erlangt haben, oder über- haupt zum: Nachdenken aufgelegter find, als es jeße der Fol iſ. Das lange Herummandern in dem Felde des Unbegreiflihen raubt dem menfchlihen Geifte alle Energie, alles Zutrauen auf ſich ſelbſt und
- alle Luſt zu fang anhaltenden Anftrengungen.
Wir müflen 4) dasjenige, was wir durch Machs ‚denken und Unterfuchen herausgebracht haben, an die Vorftellungen anderer Menfchen halten, baffelbe mit den Yhrigen vergleichen und fehen, in wie ferne
. unfere Reſultate mit den Ihrigen übereinftimmen,
auf welchen Wege fie wohl auf diefelben gefominen find und wo fie oder wo wir gefehlt haben. Dies Vergleichen der Gedanken ift ber. Schmeljtiegel der Wahrheit; ' es fäubert und reinigt, ſondert das Aechte von dem Unächten, das Wahre von dem Falſchen ab, und made uns auf Öefichtspunfte aufmerfjam,
die wir entweder wegen unferer Sage ober wegen unz
ferer Anſicht des Gegenſtandes oder aus Mangel an Einſicht und geübten Geiftesfräften überfehen haben.
„Mit allen unfern Gedanken muͤſſen wir diefe Probe
der Vergleihung anftellen-und unpartheiiſch Wahr⸗
. heit, Gründlichfeit und Gediegenheit der beiderfeis
tigen Vorftellungen abwiegen. Jeder Gegenftand des Nachdenkens und das Refultat, das wir aus demfelben gezogen haben, muß mittheilbar feyn; was niche diefe Probe auspält, mit deſſen Wahrheit und Gegruͤndetheit ift es fücherlich fchleche beſtellt. Die allgemeine Mittheilbarkeit einer Meinung, d. h. die -
.
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qm 95 —
Möglichkeit des Begreifens derſelben von jedem, der |
Luſt und Einfiche dazu har, iſt für die Wahrheit ders felben das, was die Publizieäe für das Recht iſt. Ueberdies ift es immer eine bedenkliche Sache,“ wenn
niemand von denen, die felbft denken, mit unfern Vor⸗ - ftelungen übereinftimmt, und es ift weit wahrfcheins
licher, daß wir geirrt haben, als daß alle Andere, welche ruhig geprüft und ſelbſtgedacht baben, irren ſollten.
X
Wit möffen 5 uns öfters beim Denken orien⸗
tiren, und daher manchmal auf den Punkt zuruͤck⸗
ſehen, von dem wir bei unſerm Nachdenken ausge⸗
gangen ſi nd und nach dem Ziele hinblicken, auf das wir losfteuern. Der Standpunkt, auf dem wie
ftehen, muß uns immer befannt ſeyn, um die Nähe
und Ferne der Wahrheit unferer Borftellungen und
unfers Machfuchens beuetheilen zu koͤnnen. Der
menfchlihe Geiſt wird nur zu leicht ein Raub von
Verirrungen, denen er nur dadurch ausweichen kann, daß er manchmal. bei feinem Nachdenken Halt macht
und ſieht, wo er ſich befindet, ob er auf dem rechten
Wege iſt, ob er nicht das Gebiete, durch das die
Bahn unſeres Unterſuchens geht, verlaſſen hat und
in ein fremdes und unbekanntes Land eingetreten iſt,
wo wir verlaſſen find und wo mir feinen Führer wein
ter haben. Das Orientiren ift- für ben Geift das,
was nad) einer langen Reife eine Erquitfung für dein,
Körper iſt; es labt, ſtaͤrkt und verjuͤngt. Durch daſſelbe beſinnen wir uns, woher wir kommen und wohin wir wollen, welche Bahn wir ſchon durchlau⸗ fen, und in welcher Richtung wir Dies gethan haben
und welche Schwierigkeiten noch zu beſiegen And, © 3
— 276 —
ehe wir ans Ziel gelangen, ob die Beweisart, von der wir Gebrauch gemacht haben, in dem Felde, auf dem wir uns befinden, anwendbar iſt, und eb
die Gründe ‚ mit denen wir über einen Gegenfland
entſchelden. ‚, auf denſelben baffen ober nicht.
ee
Sechſtens ift viel daran gelegen, daß wir immer
wiſſen, ob wir-es mit einem’ Gegenſtande des Wiſ—
—
ſens, oder des Glaubens oder des Meinens zu thun haben. . Wer die Unſterblichkeit der. menſchlichen Seele. oder das Dafeyn ‚Gottes demonſtriren, d. h. die Wirklichkeit und alſo die Wahrheit des Geſuchten
in der Anſchauung nachweiſen und begruͤnden wollte,
würde das Sieb. der Danaiden zu füllen verſuchen. Wer hingegen meint, bag drei mal vier doch wohl ztoölf ausmachen oder daß die Peripherie des Eirfels
‚von dem Mittelpunfte deffelben doch wohl allenthals
ben gleich weit entfernt ſeyn fonne, wuͤrde eben fo ſehr von dem Ziele der Wahrheit abweichen, als dere jenige, ber für gewiß behauptere, daß wir uns in Der ‚andern. Welt wieber erkennen wurden. Alles, was gewußt und alfo erfannt werden fann, mußein Ob⸗
jekt der Anſchauung oder der Grund von der Erfenntnif
felbft feyn und die Beweiſe dafür muͤſſen objektiv (im dem Gegenftande enthalten) und fubjeftiv (in dem ur⸗
theilenden Subjekte gegruͤndet) zureichend ſeyn; das
Gegentheil davon iſt entweder ein Gegenſtand des
Glaubens ober des Meinens. Das Meinen iſt die
geringfte Art des Fuͤhrwahrhaltens, z. B. das Werts ter wird ſich heute ändern (ob gleich die Kennzeichen, wodurch man bies gewiß einjehen koͤnnte, noch nicht zu Fällung ‚eines ſolchen Urtheiles binreichend find)
\
. ” x . . . ’ - 277 _ | und. bei ihm-finden weder ſubjektiv noch objektiv hin⸗ reichende Gründe. zum Beweiſe .der behaupteten . Sadheftatt. Beim Glauben hingegen find zur An⸗
nahme und zum Fuͤrwahrhalten eines Gegenflandes
hinlaͤngliche fubjeftive Bedingungen vorhanden.
Der Glaube umfaßt entweder Dinge einer überfinns
lichen Wels (j. B. es giebt einen Gore, wir find une
ſterblich) oder der Vergangenheit (z. B. Cäfar gab
‚ber roͤmiſchen Freiheit ben legten Stoß, es hat ein Alerander gelebt) und es giebt daher einen mora⸗ lifchen und einen hiſtoriſchen Glauben. Das Mei- nen bieteg dem menfchlichen Geiſte den meiteften Spielsaum dar und das Wiſſen umfchliege das kleinſte Gebiet der menſchlichen Thaͤtigkeit.
Bei allem unferm Denken müffen wir 7) nicht
- - allein nach der kogijchen Einftinimigkeit unferer- Ges
danken, fondern auch nach dem niateriellen .Zufam«
menbange derfelben mit dem zu unterfuchenden Gegen⸗
- °
ftande ftreben. Keine Behauptung darf von ung .
aufgeftelle werden, die fi ch nicht aus einem Grund:
fage ergäbe .und es darf ung feine Meinung ents . |
wiſchen, die nicht mit unferm ganzen Gebanfenfüftenie
im Einflange ſtaͤnde. Unfere „Borftellungen koͤnnen
wir deshalb wohl ändern, allein alles, was wir jeßt ſprechen, reden und ſchreiben, muß doch einftimmig in fich ſelbſt ſern, menn.es für uns Anſpruch auf Wahrheit machen will
Dieſe Dorimen des Denkens find fo wohi
Uebungsmittel unſerer Denkkraft, weil wir uns
bei Befolgung derſelben ſtets unſers eigenen Ver ⸗
a v⸗
— 20. —
Außer dem moralifchen Intereſſe koͤnnen mie auch noch die Ausficht auf die mancherfei Arten von Vortheilen, die uns das Denken gewährt, mit der Borftellung von diefer Art von Beſchaͤftigungen ver« binden. Die Gefchicflichkeit im Denfen macht uns zur Ausführung von allerlei Zweden tauglich und verfpricht einen Genuß, ber eben fo aufmunternd ‚als erquickend ift; ‚denn wenn wir im Denfen geübt find, fo Fönnen wir uns mit der Hoffnung ſchmei⸗ ein, daß wir die Natur in ihrer geheimen Werk ftätte belaufchen,; daß wir dag für uns Nuͤtzliche und Echädliche fo wohl in der Natur als in der Geſell⸗ fchaft der Menſchen Eennen lernen und daß uns Freu⸗ den zu Theil werden werden, von benen ber Ungebildete weder eine Ahndung noch für die er eine Empfänglichkeit bat. Unfer? Brauchbarfeit wird mit der Geuͤbtheit im Denken vermehrt, unſere Gewalt uͤber die Natur vergroͤßert. Als Aufmunterungsmittel zum Denken giebt es eben ſo viele Arten von Intereſſe, als es Gegenſtaͤnde giebt, welche uns entweder Gewinn, oder Ehre, oder Brauchbarkeit oder Wuͤrde ver⸗ ſchaffen. Die Ausſicht auf dieſe aͤußern und innern Vortheile muͤſſen wir weislich benutzen, um vermit⸗ telft des Einen oder. des Andern unfer Intereſſe am Nachdenken zu beleben, zu unterpalten u und” su ver⸗ ſtaͤrken.
Au berdem giebt es noch mehrere Ermunterunge⸗ und Staͤrkungsmittel i im Denken und dieſe ſind:
1) die Abwechſelung der Gegenſtaͤnde; J 2) das, Contraſtirende; 3) das Neue und Ungewoͤhnliche;
— 7
ET Te 4) die Steigerung i in den Berftelungen; 5) ‚das Paradore; , 6) das Witzige; en 7) bas Naiver . —
‘ .
1) Sebe Veränderung‘ und Abwechſelung der Gegenftände erregt unſere Aufmerffamfeit und reise den Geift zu neuem Nachdenken; das ſtete Finerlei
| hingegen ermuͤdet und laͤßt den Verſtaͤnd unbeſchaͤf⸗
tigt. Man muß daher, um feine Kräfte immer,von
‚neuem zur Ihätigkeit zu flärfen und feine &uft dazu
zu unterhalten, öfters die Gegenftände der geiftigen
Beſchaͤftigung wechfeln, denn Abwechfelung ift Ex
quickung und. Stärkung für den Geift, weil’ der
Wechſel der Dinge außer dem tiefern Eindrucke, den er auf unſer Gemuͤth macht, auch zugleich andere Anſichten darbietet, unſere Kraͤfte bald in einem'
geringern bald in groͤßerm Grade beſchaͤftigt, und durch friſche Reize zu neuen Anſtrengungen auffodert.
Das Sinnliche muß daher mit dem’ Veberfinntichen . das Phnfifche mie dem Moralifchen, der Menfch mit der Natur, Anfehauungen mit Begriffen, Phantafie-
gebilde mit Ideen der Vernunft, das Träge und -. Lebenloſe anit dent Thätigen und Lebendigen wechſeln. Veraͤnderupgen der Gegenſtaͤnde des Nachdenkens find für den Geiſt das, was eine friſche reine Frühe lingsluft für den Körper ifl. -Meues Leben und neue
„Kräfte durchdringen unfer inneres und verfcheuchen
jeden Öedanfen, als wenn wir jemals im Nachdene
ten ermüden, und als wenn uns daſſelbe jemals
überdruß und Ekel einläßen € koͤnnte.
— 282 —
2) TR das Contraſtirende ein anderes treffliches Erregungsmittel zu neuer Luſt im Nachdenken. Es ſticht von den Vorſtellungen ab, die ung bisher bes fchäftige haben und durch das ftarfe, aber zugleich angenehme Entgegenfegen der Gegenftände und Ideen wird die Aufmerffamfeit von neuem aufgeregt. Wenn man zu ‚lange uber einem Gegenftände bruͤtet, ſo wird er, zumal wenn er nicht viele Seiten zum Betrachten darbietet, und alſo vielerlei Anſichten zu⸗ laͤßt, zu gemein und alltaͤglich, als daß er uns noch mit Vergnuͤgen und Vortheil fuͤr unſere Bildung beſchaͤftigen koͤnnte: den menſchlichen Geiſt als eine endliche in Schranken eingefeſſelte Kraft ſtumoft ein ewiges Einerlei ab. Es ſi ind daher Reizmittel noͤthig, um ſeine Kraͤfte in jugendlicher Staͤrke zu erhalten. Wenn wir in unſern Betrachtungen das Erhabene mit dem. Niedrigen, das Schoͤne mit dem Haͤßlichen, das Unendliche mit dem Endlichen u. f. w. abwechſeln laſſen, fo ermüden wir nicht leicht, fondern find ſtets bereit, unfere ‚Unterfuchungen mit Luſt und Anfirens gung fortzuſetzen. Mit Vergnügen fuchen wir jolche Verſchiedenheiten auf, dringen in ihre Befchaffens beiten ein und erforfchen ihr wechfeljeitiges Verhaͤlt⸗ ni. Contraſte beleben die Sinne uud wenn dieſe Srgane des Geiftes,' vermittelſt deren er ſich mit der Welt außer fih in Correſpondenz feßt, immer angefrifäht werden, fo gebt biefe neue Belebung auf
| den Geiſt felbft über, denn mas ermattet an ung,
wenn wir lange über einen und Denfelben Gegenftand nachgedacht haben? Iſt es nicht die Meisempfäng«
. Tichfeit der Sinne, die in ben Nerven ihren Grund
su haben fheint, und iſt es nicht vielleicht Die Auf—
⸗ 6
un 283 \
\
rung md der Verbrauch ‚des Demengeiſt, d deſen
Mangel uns ſtumpf und lebenlos macht, fo-bald nk .
lange wit dem Geifte gearbeitet haben? Das Com ‚traftirende.aber ſetzt das, Stockende in Lhatiskeit und friſcht das Abgelehte a an. |
\ „\
Die Ermüdunget des Geiſtes ir: das Grab aller
| großen ‚. neuen und fruchtbaren Gedanken und aller
‚erhabenen. weit wirfenden Entfchlüffe; es gelingt ung nichts, wenn wie ermüdet find, und vergeblich vers ſuchen wir, felbft bekannte Gegenftände mie Glück zu - bearbeiten. Wir müffen daher öfters das. Gegen⸗ Yheil bei unferm Nachdenken, und zwar im ſtarken | Eontrafte Darftellen, wenn wir weder ermuͤden noch Zeit und Kräfte. wit leeren Begriffen vergeuden wollen.
3) In das Neue und Ungewoͤhnliche ein ande⸗ res Mittel, das uns zum Denken anfeuert und ung | Intereſſe an diefer Are von Befchäftigung einflöße. 5 Ein Gegenftand, der uns unbekannt, doch aber feis ner Natur nach nicht. allzu ſchwer zu begreifen ift, . erteilt der Wirkſamkeit unferer Geiſteskraͤfte einen neuen Schwung. Wir ſuchen uns Einfichten in.den« felben zu verschaffen und uns mie feinen Verhaͤltniſſen J zu andern Dingen bekannt zu machen, fo viele Ans firengung es uns auch Foften mag, weil das Dunfele, u das Unbefannte und das Unbegreifliche eine Schwies rigfeit ift, die unfern Geift, wenn feine Kräfte nur einigermaßen geuͤbt find, nicht nieberfchläge, weil.er
ein geſchworner Feind folcher Erfcheinungen ift, bie. er zu befiegen nie ermudet.
EZ 1.7 ra ” Allein wie unterfcheider ſich das Meue von dem Abwechſelnden? “jenes ift uns unbefannt, dieſes kann uns ſchon bekannt feyn; jenes fann zwar Aehnlichkeit nrit Gegenſtaͤnden haben, welche eben jetzt unſere . Aufmerffamfeir. beſchaͤftigen, dieſes aber muß von
denfelben der Art nach verfchieden feyn. Daher iſt alles Neue zwar ein Wechjelndes, . aberinicht alles Wechfelnde iſt Neu. Neue Entdeckungen über bie. Natur und den Menſchen verfehlen nie die Abſccht uns zum Nachbenken; zu reizen.
Allein das Fortgehen von einem Gegenftande
zum Andern, um etwas Neues aufzuſuchen, darf uns nicht zur Fluͤchtigkeit verleiten, welche der Ober⸗ flaͤchlichkeit der Kenntniß Vorſchub und der Gruͤnd⸗ lichkeit der Einſichten Eintrag thut. Die Letztere er⸗
wirbt man ſich beſonders dadurch, daß man den Ge⸗
genſtand genau kennen lernt, daß man ſeine Beſtand⸗ theile unterſucht und ſeine Wirkungen beobachtet, 2) daß man ſein Verhaͤltniß zu andern Dingen in Betracht zieht, und daß man Einſicht in das zu be⸗ kommen ſucht, was er zu einer Erſcheinung, die ein Produkt der Wechſelwirkung verſchiedener Gegen⸗ ſtaͤnde iſt, beitraͤgt, und 3) daß man auch die Um⸗ ſtaͤnde, unter denen man ihn gewahr nimmt, beobach⸗ get, und af die Anſicht Acht giebt, ‚aus. ‚denen wir
| ihn beurthei le. |
4 Wird bie Aufmerkſameit undedas Sn on am Nachdenken auch dadurch unterhalten, daß wir yon dem weniger Intereſſanten zu dem mehr Ans iehenden, von dem Kleinen zu dem ‚Großen, von
—4
|
FRE weniger Wichtigen und Geholtsollen zu dem mehr Ideen⸗ und Folgereichen, von dem weniger Angenehmen zu dem mehr Angenehmen: uͤbergehen,
und daß wir alſo die Vorſtellungen von den Gegen ⸗
ſtaͤnden ſteigern. Dieſer Uebergang muß aber nicht
allzu ploͤtzlich ſeyn, ſondern nur allmaͤhlig geſchehen: wer ſich auf einmal; mitten. in den Genuß ſtuͤrzt, der wird deſſelben bald uͤberdruͤßig; denn er floͤßt ihm Ekel ein. und zieht uͤherdies noch Schwaͤchung ber Sräfte nach ſich. So iſt es auch mit den, Geiſtes⸗ ‚hefchäftigungen; das Lehrreichſte und. Intereſſanteſte muß nicht den Anfang berfelben machen, ſondern fuͤr das Ende bei dem. Nachdenken uͤber einen Gegenſtand aufgeſpart werden, wo es für den Gef Srirtung wird. Do a ee
5 Paradore eat ergreifen. Saiten
in unferge, Seele, die oft gar noch nicht berührt wor⸗ den fin. Wir faſſen begierig die Anſicht auf, die ‚ burch-diefen Klang in uns erwecft-wird und von Neu⸗
n
N
gier gefporne ftreben wir nach Auffchluß über Dinge, - .'
die bis jeße noch unferm Nachdenken entgangen find. . Paradorien wirken, wenn fie nicht allzu ſehr gehäuft . werben, ‚gleich eleferifchen Schlägen; fie erfchlitgern, befeben und flärfen. Die Schriftſteller thun daher
wohl, wenn fie ihren Sefern zur Unterhaltung der, '
Aufmerkſamkeit manchmei paradoxe Gedantken hin⸗ werfen.
⸗ —
6) Das. Witzige ſchmerr gleich Stacheln, wenn wir uns getroffen fuͤhlen; allein es iſt nicht bloß ſchmerzhaft, ſondern auch angenehm, ſo bald es nur
— 286 win
ceſe die Seite eines Gegenſtandes, auf die der Sa ſeine Pfeile abſchießt, beruͤhrt es: ſetzt Die menſch⸗ lichen Kraͤfte in ein leichtes Spiel, Das ben: Geiſt eben ſo ſehr van als. es ihn vom Macforiihen auf⸗ | fobert-
9
⸗ ‘. ⁊
7) Das Wohlgefallen an dem Naiven eatſtehe burch den Anblick der reinen unſchuldigen Menſchen⸗ natur und iſt als ſolches Fein geringer Antrieb, ün⸗ ſere Beobachtungen über die’ Menſchen unumtetbrös chen fortzufeßen, weil es ung Hochachtung gegen ein Geſthlecht einflöße, aus dem die Natur noch ſo'ſchuld⸗ los ſpricht. Naive Behauptungen erregen die Auf merkſamkeit⸗ gewähren uns ein reines Vergnuͤgen und reizen eben fo ſehr die Neugierde, als fie Muth im Nachdenken einflößen..
Kr
uUiberhauyt unterhält alles die Anfmurſamr eie unfecs Geiſtes und das Intereſſe am Nachdenken, was. ber Einbildungsfrait Nahrung giebe und alles floͤßt uns Luft ein, einen tapfern Kampf mit Schwies rigfeiten zu beftehen, was unfere Neu s und Wig- ‚ begierde zu befriedigen verſpricht. Wir müffen: da- ber, wenn wir uns gegen Ermübung und gegen
= Aleberdeuß mit geiftigen Befchäftigungen verwahren
wollen, für Mannichfaltigkeit, Geiftigfeit, Leben. digkéeit und Fruchtbarkeit des Stoffes forgen, welche die finfenden Ktaͤfte aufrecht erhalten und die ermat⸗ ‚teten ſtaͤrken.
- —
2 — 27 -
XIX. Eapitel, FE rs . Weige gehter muß man bei Selernung: 26 Selöfdentens vermeiden?
En
rue
Weſr bei Allem, was er thut und was er vornimmt,
ſtets mit ſich ſelbſt zufrieden iſt, wird. in keinem ſeiner Geſchaͤfte eine. große Geſchicklichkeit erreichen, weil er das Ziel der Vollkommenheit, nach:dem, er zu: fire ben hat, errungen zu haben waͤhnt, ob dies gleich nicht der Fall ifi. Dee Menfch muß, daher. mit ſich felbft in dein, was durch Sreiheit-erreichbar iſt, un—⸗ zufrieden werden und dieſe Unzufriedenheif mie fih ſelbſt entſteht durch Ideale, Die er Ah von allem, .
was er thun foll, bildet und nad) deren Realifirung
er fich fiets zu ringen entjchließe. : Und nirgends: if |
ein folches fees Streben nach Idealen nothmwendiger und nuͤtzlicher, als bei der intellektuellen und morali« ſchen Kultur des Menfchen, weil die Vollfommenpeie derfelben in einer unendlichen Ferne liegt, Mag er Geſchicklichkeiten und Tugenden erfämpft haben, welche er :will; er thut hierin feiner Vernunft doch nie Genüge, und dies ift auch das wahre ächte Menſchenleben und die Stimmung, bei der er ſich ein Held im Denken und im Guten zu werden ſchmei⸗ cheln darf. , Der Menſch muß ſch daher ſtets angelegen ſeyn laſſen, nach einer immer groͤßern Ausbildung der Denkkraft zu ſtreben und er darf ſich nie von dem
J.
— 18 — Gedanfen einwiegen faffen , ‚ als Gabe, er das Ziel ers reicht, dent wie groß auch) die Fertigkeit und die Ges ſchicklichkeit, die er fi ch im Denken errungen, hat, in mag, feine Denffraft kann doch immer mehr ausgeb be und vervollfomme 'werden. ine grens zenlofe Bollfommenheit muß das Ziel feyn, nad) dem er ſtrebt, und bie Mufter, die die Wors und die Mit—⸗ Welt im Denken aufſtellt, müffen ihn jur Aufmunte⸗ tung bei feinem Benühen und zu Beiwelfen-bienen, wie weit es der Menfch durch Fleiß und Webung i in der Kultur feiner Denkkraft bringen tann.
Denken und sernen müfen Geſchäfte ſeyn, die er feig ganzes Leben Hindurch fortfeßen muß, weil ei Fra der Pflicht der Vervollkommnung feines
erftandes und feiner Vernunft Genüge thut. Der ſtolze Traum / daß: er ſchon alle Voilkommenheiten beſitze, welche er ſich erwerben ſoll, iſt das Grab des Adels und der hohen Würde feiner Natur, Die Selbſtgenuͤgſamkeit iſt nirgends weniger werth als in.dein, was unfer Werden besriffe, ob fie gleich in dem, was wir haben‘, (in Anſehung der aͤußern Guͤ⸗ ter) Lob verdient.
» Ein zweiter Fehler if die esneomfegueng ‚mw wir aus Borderfäßen Behauptungen ziehen, die ſich nicht aus ihren ergeben. Wer zum Beiſpiel an⸗ nimmt, jeder Menſch koͤnne immer beſſer werden und jeder habe die Pflicht, nach einer ſteten moraliſchen Vervollkommnung zu ſtreben und endlich gleichwohl den Einen oder den Andern oder gar das ganze Men⸗ ſchengeſchlecht für unverbejferlich erklärt, wer alles
| . 4
— 289 =. | Unrecht für verdammlich haͤlt, die eigenen Ungerech⸗ tigkeiten aber nicht mißbilligt, der verfaͤhrt nicht con⸗ ſequent. Verhilft eine ſtrenge Conſequenz auch nicht immer zur Wahrheit, ſo gelangen wir doch durch die Beobachtung derſelben zu der Einſicht, daß der Satz, aus bem wir folgerichtig. gefchloffen haben, ſelbſt nicht wahr ift: wir lernen. alfo. einen Irrthum Pens nen, ber ung in den wichtigſten Angelegenheiten des Lebens boͤtte ſehr nachtheilig ſeyn koͤnnen.
3) Müfen wir die Unredficheie: im, Suchen nach Wahrheit vermeiden, und wir bürfen uns niche von etwas völlig überzeugt ftellen, mas wir entweder noch nicht geprüft haben ober gegen melches wir nad) . einer unpartheiifchen und reiflichen Unterjuchung noch einige Zweifel hegen, ober was fich uns fo gleich als
‚
ungegründet darftellen würde, wenn wir nicht von Vorurtheilen ober von Partheilichkeie für daffelbe eine genommen wären. Heuchelei im Denken iſt 'eben fo.
nachtheilig als ehrlos, weil es uns gegen reine un«
eigennüßige Wahrheit nicht allein gleichgültig mache, -
fondern ung diefelbe auch als ein Phantom anjehen läßt. Das beftändige Streben nad) Aufrichtigfeie in dem, was wir denfen, wiffen und glauben, ver«
vollkommt eben fo ſehr unfere Kräfte, als es in ung
den Trieb erweckt, jede Erfcheinung, welche in unfern Gefſichtskreis fälle, gruͤndlich und vorurtbeilsfrei zu
unterfuchen. : Diefes Zorfchen mache uns auf bie _ Luͤcken und Mängel in unfern Erfenntniffen aufmerk .
fam und lernt uns das Ungegründere und Seichte vie»
fer Säße fennen, die wir entweder aus Gemaͤchlich⸗
Seit oder aus Borforge fire unſer Wohl für wahr. und Ruuß au denken · T
\
—
i— 390 — ,
ßeſt gegruͤndet hielten. So viel der Menſch Ruhe braucht, ſo viel giebt es auch Wahrheiten, die durch freies und unbefangenes Nachdenken gewiß gemacht werben koͤnnen, und fo viel:zu feinem Wohle dient, ſo viel finden fich auch Sehren, beren Gewißheit ſich über allen Zweifel erheben laͤßt. Die Gluͤckſeligkeit bes Menfcheit ift nicht das Kriterium ber Wahrheit, fondern die vorurtheilsloſe Vernunft ,. deren Foderun⸗ gen aber in’ formeller und materieller Hiafiche befrie⸗ Dige werden müffen, wenn etwas für wahr und ge: gründet geiten pi 2 ir
3): Alles, was wir benfen, wiſſen und glau - ben, muß nicht allein für ung, ſondern auch für An⸗ dere verftänblich. ſehyn, denn Die allgemeine Verſtaͤnd⸗ lichkeit ) unferer Gedanken if ein Kennzeichee, daß fie in dem Gegenſtande, den fie betreffen, gegruͤndet | ſind und daß ſie fich Durch eine firenge Folgerung aus den aufgeſtellten Süßen ergeben. Was niemand verſteht, oder was auch nur einige Eingemeihete, nicht —etwa durch den Verſtand, einfehen, fondern nur durch das Gefühl ahnden, ift entweder gänzlich falfch, oder Wahrheit und Irthum find fo unter einander ge mifcht, daß man fie mit aller Müße kaum von einan⸗
der unterſcheiden kann.
9 Zum Verſtehen aber wird erfodert I) daß-jemand Luft hat und Feine Anſtrengung ſcheuet, ſich etwes begreiflich zu machen, 2)-daß er die dazu noͤthigen Talente befist, und 3) daß er fich ohne Vorurtheie und ohne Partheilichkeie mie jedem Gegenſtande he⸗ kannt zu machen lernt.
Was mirffen wir thun, wenn unſere Gedanken allgemein verſtaͤndlich werden ſollen? St müffen uns:
2) mit dem Gegenftande, fiber den toir unfere
Gedanken mittheilen wollen, genau befannt machen;
b) den Worten ‚ in die wir unfere Gebanfen
einfleiven, ihre gewoͤhnliche Bedeutung laffen oner Doc) genau angeben, was fie in unſern Vorſtelungen
bedeiſten;
| e) Deurlichkeit und Beſtimmtheit in den Bu
. geiffen, Ordnung im dem Gedankengange, und Pos pularitaͤt i in ber Darftellung der Ideen beobachten; ;
d) in unfern Schlüffen und Solgerungen freng Ä
sonfequent ſeyn;
e) nicht Blendwerke und Denan ationen, ſen |
bern Grunde, die von der Natur der Sache herge⸗ nommen find, zum Beweiſe unſerer Behauptungen Brauchen;
£) innerhalb der Grenzen der menfchlichen Er⸗ kenntbarkeit bleiben und nicht in ein Feld hinüber,
fpringen, wo alles Verſtehen aufhört.
Vergleichen wir endlich noch unfere Meinungen mit den Behauptungen anderer Menfchen, und hals . ten fie an von ſich felbft einleuchtende oder ſchon aus⸗ gemachte Säße, fo fönnen wir hoffen, daß man uns fere Gedanken verftehen und daß fie feinem Gaufels fpiefe gleichen werben, welches jede Beleuchtung
ſcheuet. Wir denken ja nicht für uns allein, fordern auch für Andere. Wir wollen durch unfer Nachden⸗
© a- J
| — 292 "
fen nüßen, was hilft aber alle unſere Muͤhe, wenn wir fuͤr Andere umſonſt gearbeitet haben, weil wir ihnen das Verſtehen nicht erleichtert oder auch ganz un⸗ moͤglich gemacht haben? Die Wahrheit iſt ein Ge⸗ meingut der Menſchheit; fie darf nicht. bloß in uns | verfchloffen bleiben, fondern wir müffen fie auch öffentlich mittheilen, weil Irrthuͤmer, Vorurtheile
und Aberglaube Hinderniſſe der Tugend fi nd.
5) Die logiſche Unwahrheit, d. h. das Nichts übereinftimmen unferer, Gedanken mit fi) ſelbſt ift ein anderer Fehler im Denken, den man aber bei _ einiger Aufmerffamkeit anf diefelben leicht vermeiden ‚Tann, weil er. gar zu ſtark in die Augen fpringt. Die Logik, fo bald fie auf einen Gegenftand ber Er- Fenntniß angewandt wird, fieht bloß dahin, daß fich - bie. Vorftellungen nicht. widerfprechen und alfo nicht einander feldft vernichten. Die Aufichlüffe, die mon durch eine genaue Befolgung, aller logifhen Kegeln und Gefeße erhält, find bei meitem nicht fo wichtig als diejenigen wähnen, die die logifche Wahrheit mit der materiellen verwechſeln, welche Leßtere uns wirk⸗ Stiche und gegründere Einfichten in einen Gegenftand, verfchaft und die den Andern nur zu häufig einer Ber; findigung 'gegen die Logik befchuldigen, ob gleich der Sehler des Räfonnements nicht in dieſer, ſondern in einem Mangel an Einfichten und Kenntniffen liegt.
6 Mifen wir ung auch huͤten daß wir bei der Erörterung eines Gegenftandes’ nicht aus dent Gebiete der einen Wiſſenſchaft in das Gebiete der Andern aberſchweiſen- und dadurch in mancherlei.
23 ” Jerthuͤmer Adrathen. Wir müfen das Eigenthuͤm⸗ | liche einer jeden Wiſſenſchaft berausßeben und daſſelbe weiglich benugen. | \ 7) & giebt noch mehrere Fehler, die man bei dem Denken zu vermeiden bat und die im Gemuüͤths⸗ zuſtande des Denkenden liegen. Dergleichen ſi nd: : a A. Die Zerfireuung ‚wo jemand: feinen Gegen⸗ ſtand feſthalten, fondern von dem Einen zu dem An⸗ dern abſpringt, wo jemand keine lange Kette von Vorſtellungen verfolgen kann, ſondern hier und dort Eine heraushebt, die am meiſten in die Augen faͤllt. Diefer Sehler im Denfen ift fie die Kultur. des Ver⸗ ftandes und fuͤr die Wahrheit fehr nachtheilig, weil ” beide, nur durch, Anftrengung und >, Ordnung erworben werben koͤnnen. Don
B: Mißmuth, wo jemand fters über feinem eige⸗ nen Zurftande bruͤtet, in grämifchen Gefühlen herum⸗ wuͤhlt und dem zu unserfuchenden Gegenftande bei weitem nicht die Aufmerkſamkeit ſchenkt, die zu einer genauen Kenntniß befjelben norbwendig iſſ. Bei einer folcyen Gemuͤthsſtimmung födert der Gedanken⸗ gang nicht, die Vorftellungen. erweden fich einander . nicht auf eine leichte Art, der. Geift ift fie neue Ans . ſichten verſchloſſen, feine Selbſtthaͤtigkeit ift gerheile und alſo ohnmächtig und daher fruchtlos. Die Hei terkeit des Geiſtes ift die gluͤcklichſte Geburtshelferin der Gedanken und wir müffen diefe. ſo viel möglich durch ‚ein veines Herz, durch Empfaͤnglichkeit ber * Sinne, durch, Thaͤtigkeit des Verſtandes und durch
⸗
— 296 — Vernunft kann keine Sekte ſtiften, weil fie ein Be=
ſtandſtuͤck der Natur des Menſchen ausmacht, und
das Menſchengeſchlecht keine Sekte ſeyn kann, indem
man immer etwas Gehaͤſſiges mit dieſer Benennung
-
verbindet und zugleih auch Sektirerei auf die Er» lernung auswendig gelernter, blind angenommener und mit Leidenfchaft verfochtener Lehren hinweiſet. Da diefe bier angeführten Fehler große Kinder; mffe im freien Denken und in der Erwerbung von
Wahrheit find; fo müflen wir uns fehr forgfältig be⸗
wachen, damit wir nicht in diefelben fallen und wenn wir fchon in ihren Feſſeln ſchmachten, ſo duͤrfen wir weder Zeit noch Muͤhe fparen, uns in Freiheit zu
ſetzen, weil diefe Sflaverei nicht weniger entehrt als
fie, wie jeder Sklavenftand, für die menſchliche Natur
nachtheilig iſt.
XX. Capitel.
Hat das Denken Grenzen und wie viel giebt s e8 Methoden zudenten? . ı
Grenzen find Schranken, in die etwas eingefchloffen ift und über die es nicht hinaus gehen kann. Für den Menſchen giebt es Natur - und Freiheits> (moras fische) Schranten. Hat man auch beim Denken dieſe
Schranken anzuerfennen? Man mag baffelbe in
engerer oder in weiterer Bedeutung nehmen, es mag
ein bloßes Verbinden und Trennen von Borftellungen
. — 297 SE
aber das Erkennen ſelbſt ſeyn, fo ſind ihm gewiſſe Grenzen geſetzt, Die aber ihren Grund in der Natur ber Denf£raft jelbft haben. Der Mersch Fann nicht
das Widerfprechende denfen und nichts, was alißers: I
halb der Sinnenwelt iſt, erkennen. Dies find Nas turgrenzen, welche für das Denken alfo folgende. find: 1) der Sag des Widerfpruchs und 2) der Grundfag der Erkennbarkeit. Nach jenen Dürfen. ſich die Vorftellungen, die wir mit einander verbins der, nicht. aufheben und jelbft im Begriffe Yrftören: nad) .diefem muß fi der Gegenftand, der erfanne werden foll, durch Anfchauungen legitimiren: denn was nicht anfchaubar iſt, iſt auch nicht erkennbar, (es müßten: denn die Örundlagen und bie Bedingun«. ‚gen des Erfennens und alfo Die urfprünglichen Ges ſetze des menfchlichen Geiſtes ſelbſt feyn, melche Hoch in den: Kreis unferer Erfenntniffe gehören) und: was über die Sinnenwelt und die Dedingung derfelben hinausliegt, iſt fein Gegenfland des Erkennens. Das menſchliche Denken hat alſo Grenzen, die man nicht ohne Gefahr und angeſtraft uͤberſpringen kann. Wer ſich oft in jenes unbekannte Land wagt, wo nichts erkannt werden kann, und gleichwohl alles, was er
durch Denken mit hinuͤber traͤgt und traͤumt, fuͤr er
kennbar haͤlt, wird unvermeidlich ein Schmaͤrmer, weil er bloße Vorſtellungen fuͤr die Gegenſtaͤnde ſelbſt anſieht und ſich an dieſe Anſicht ſo gewoͤhnt, daß er weder Die Freiheit noch den Muth hat, ſich von den; ſelben loszureiſſen. ur '
Außer den Naturgrenzen aber giebt es auch noch . Freiheitsſchranken, welche das Handeln des Men:
/ !
Dj 298 PP
ſhen durch Verbote und Gibote- einengen, in wie ferne haben nun diefe-für das Denken Guͤltigkeit? Das Denfen ift eine Verſtandesoperation, die noch⸗ wendig erfolgt, und die nicht der Willkuͤhr anheim geftelle, fondern die ein Werk der Naturwirkſamkeit iſt; fie läße keine Zurechnung' zu und ift daher weder
gut noch böfe. Die Feffeln, die das Moralifche dem
Menfchen anlegt ‚- gelten alfo nicht fire das Denken;
er Bann alles denken, was er will; er kann fich ohne
‚Bedenken gute und böfe Borftellungen bilden, bloß die Ausführung des gedachten Böfen ft ihm verboten. Wollte, man das Denfen des Menſchen burd das Moraliſche befchränfen, fo würde man ihm 1) bie Kenntniß von bem, was boͤſe ift und 2) von-fich felbft und feinem Zuftande unmöglich machen, Er fann ‚and folf über die Safter und Ausfhweifungen- des Menfchen nachbenfen, un Abfcheu in-fich Dagegen zu erregen und er Darf das Boͤſe denfen, aber daſſelbe weder in feine Willensmaximen aufnehmen noch dar⸗
nach handeln.
In Anſehung des Denkens weichen alſo alle moraliſchen Schranken zuruͤck, weil ſie die Ausbil⸗ dung ſeiner Denkkraft verhindern wuͤrden. „Allein wenn der Menſch auch das Boͤſe denken darf, ſo darf ones doch niemand ſagen.“ Das Sprechen iſt ein lautes Denken und ift eben fo ſchuldlos als das bloße Denfen. Und welche Vortheile würde man denn gewinnen, wenn man das Reden über das Unmora⸗
liſche durch das Gewiſſen beſchraͤnkte? Der Menſch ſoll ſich mie Andern verſtaͤndigen und wie will er Dies thun koͤnnen, ohne mit ihnen ſich zu⸗unterhalten?
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Er ſoll das Böfe verachten, bas Laſter vorabſcheuen, und Das Verbrechen vermeiden lernen, und was floͤßt einen tiofeen Abſcheu gegen unmoralifche und mwiders | ‚rechtliche Handlufigen ein als das laute Reden, das die Schande kund thut, die den Boͤſewicht brand⸗ markt und das Die Strafe ausſpricht, die der Schuld. auf dem Aue nachfelgen mug? Die intelleftuelle und
die moralifehe Kultur, die Liebe zur Wahrheit und bie Heiligachtung des Rechtes und der Tugend würde.
Darunter leiben, wenn man das Reden durch Gewiſ⸗
ſensverbote beſchraͤnkte. Der Menſch darf ſich Feine Schranken im Denken feßen; als diejenigen-,. welche die Nasur eff vorgeſcheieben hat.
Wenn man denkt, ſo trennt man entweder.das,
was ſchon verbunden iſt und. bringe es in eine andere
Verbindung oder man vereinigt DaB, was vorher noch gar nicht verbunden iſt. Das Erſte geſchieht
durch Analyſis, das Andere durch Syntheſis; eßs giebt alſo auch nur wei Methoden des Denkens, die analyeifche und die ſynt hetiſche. Jene zer⸗ gliedert, erlaͤutert, macht deutlich und verſtaͤndlich, was ſchon vorher verbunden iſt; dieſe verknift das
Unverbundene, reiht das Zerſtreuete an einander, ordnet das Verworrene und ſetzt neze Verbindungen zuſammen. Aller Analyſis muß zwar eine Syneheflg vorausgehen, allein fo bald wiir,uns;des Denkgeſchaͤf⸗ tes bewußt werden und über bas Gedachte abſichtſich reflektiren, findew: wir ſchon eine Menge Borftelluns
gen von Gegenſtanden, welche dutch unſern Verſtand
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ſchen durch Verbote und Gibote -einengen, ir wie
ferne haben num diefe für das Denken Guͤltigkeit? Das Denfen ift eine VBerftanbesoperation, die noth⸗ wendig erfolge, unb die nicht der Willkuͤhr anheim geftelle, ſondern die ein Werk der Naturwirkſamkeit iſt; fie läße keine Zurechnung' zu und iſt daher weder gut noch böfe. ' Die Feffeln, die das Moraliſche dem Menſchen anlegt ‚- gelten alfo niche fire das: Denfen;
er Bann alles denfen, was er will; er kann ſich ohne ‚Bebenfen gure und böfe Borftellungen bilden, bloß die Ausführung des gedachten Böfen ft ihm verboten.
Wollte, man bas Denfen des Menſchen burch das Moraliſche befchranfen, fo wurde man ihm 1) bie Kenntnig von bem, was boͤſe ift und 2) von fich felbft und feinem Zuftande unmöglich machen, Er fann
und ſoll über die Safer und Ausfchweifungen- des
Menfchen nachdenfen, un Abfcheu in-fih Dagegen zu erregen und er darf das Böfe denfen, aber dafjelbe weber in feine Willensmarimen auftzehmen noch dar⸗
nach handeln, _
In Anſehung des Denfens weichen alfo alte moraliſchen Schranfen zuruͤck, weil fie-die Ausbil dung feiner Denkkraft verhindern würden. „Allein wen der Menſch auch das Böfe denken darf, "fo darf
er es doch niemand fagen.” Das Sprechen ift ein lautes Denken und ift eben fo ſchuldlos als das bloße
Denfen. Und welche Vortheile würde man denn gewinnen, wenn man bas Reden über das Unmora⸗
liſche durch das Gewiſſen befchränfte? Der Menid)
ſoll ſich mit Andern verſtaͤndigen und wie will er dies thun koͤnnen, ohne mit ihnen ſich zu: unterhalten?
.2 2 | Er foll das Böfe verachten, das Laſter verabſcheuen, und das Vorbrechen vermeiden fernen, und mas flößt. einen tieferen Abfchen gegen unmoralifche und wider⸗ „rechtliche Handluñgen ein als das laute Reden, das ' Die Schande fund thut, die den Boͤſewicht brand. markt und Das Die Strafe ausfpricht, Die der Schuld. auf dem Arge nachfelgen muß? Die incellefeuelle und die moraliſche Kultur, die Liebe zur Wahrheit und Die Heiligachtung des Rechtes und ber Tugend wuͤrde darunter leiden, wenn man: das Reden durch Gewiſ⸗ ſensverbote beſchraͤnkte. Der Menſch darf ſich keine Schranken im. Denken ſetzen, als diejenigen, welche | bie Nasur in vorgeſcheieben hat.
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Wenn man benkt, ſo trennt man entweder ˖das, was ſchon verbunden iſt und bringt es in eine andere Verbindung oder man vereinigt das, was vorher noch gar nicht verbunden iſt. Das Erſte geſchieht durch Analyfis, Bas Andere durch Syntheſis; es giebt alſo auch nur zwei Methoden des Denkens, Die
analykiſche imd die ſynthetiſche. Jene zere
gliedert, erlaͤutẽtt, macht deutlich und verſtaͤndlich, was ſchon vorher verbunden iſt; dieſe verknipft das Unverbundene, reiht das Zerſtreuete on einander, ordnet das Verworrene und feht neße Verbindungen; zufammen. Aller Analyfis muß zwar eine Spntheflg gorausgehen, allein fo bald wir, unsides Denkgeſchaͤf⸗ tes bewußt werden und uber das Gedachte abſichtlich reflektiren, finden: wir ſchon eine Menge Vorſtellun⸗ gen von Segenſtanden, welche burg unfern Berftand
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" ' eo; 2 — 300 — 1
| | | unvermerkt verbunden worden find, und Die wir nun⸗
mehro wieder zerlegen’ und erläutern muͤſſen.
Das Eirifammeln von Kenntniffen ift eine Syn⸗
theſis, das Nachdenken aber uͤber das Eingeſammelte
eine Analyſis, welches von beiden, das Syntheſiren ober das Anafyfiren, ift leichter 2’ &s Eoftet weniger Mühe, und Anftrengung, das Verbundene zu fren« nen als das Zerftreuere zufammen zu fuhen, um es zu einem verftändlichen Ganzen ju vereinigen. Jenes
hat fchon Bedeutung und Verſtaͤndlichkeit, diefes ſoll
beide Eigenfchaften erft durch eine befonnene Zuſam⸗ menfügung erhalten. . ‘Der Menfch kann daher eher
dasjenige verſtehen, was er ſchon geordnet und in ein
Ganzes verbunden hat, als das Verworrene ordnen und dem Bedeutungsloſen Sinn und Bedeutung
“geben. Das: Denfenlernen als. ein abfichtliches Bes
ftreben, den Verſtand und die Vernunft an Selbſt⸗ thätigfeit zu gewöhnen, muß mit dem Erldutern und Berftehen desjenigen beginnen, was wir ſchon Durch Vorſtellungen aufgefaßt haben; Hierauf müffen wir
| zu neuen Combfationen. und zur Hervorbringung
neder Gedanken fortgeben. Das Seßtere verlange weit mehr Kenntniſſe, Geuͤbtheit im Denken und An⸗
ſtrengung bes Verſtandes als das Erſte, weil neue
Böorftellungen, neue Anfichren und eine neue Ord⸗ nung ber Dinge hervorgebracht werden ſoll.
Die Knafofis if beſonders ehr bie Jugend vor
cheilhaft, weil fie durch "diefelbe füch ſelbſt verſtehen
lernt. Wer aber viele Erfahrangen gemacht und
eine große Fertigkeit im Denken errungen has, der
—E 5
-
—W — 301 —
muß auf neue Eroberung ausgeben und neue Enc« Decfungen zu machen ſuchen. Allein wie macht man Entdeckungen? Man thut! bei der Anſicht eines Ges, genſtandes das Gegentheil von dem, was bisher ge⸗ than worden iſt. Man hebt die. Kehrſeite einer Sache heraus und nöthige dieſe zum Sprechen. Man laͤßt die Sonne ſich nicht mehr um die Erde, ſondern dieſe um jene drehen; man laͤßt die Natur
‚nicht mehr dem Menſchen, ſondern dieſen jener Ge⸗
feße vorſchreiben. Man wagt einen kuͤhnen Gedan⸗ fen und kettet andere zur Sache gehörige an denſel⸗ ben an; ; man vereinigte Eigenfchaften mit einander, die dem erften Anfcheine nach ‚vielleicht widerfprechend | feheinen, bie aber dennoch bei genaueren Betrachtung . und im Sortgange der, Unterſuchung fehr gut zufams men paſſen. Was man gefunden has, muß. man ‚weiter verfolgen; ‚die fruchtbarften und berrlichften . Ausfichten in dem, was gefucht wird, eröfnen fih oft erft in der Mitte des Weges, und find wir auch! nicht allemal im Finden glüdlich, fo darf: dies Miß⸗ geſchick doch kein Grund ſeyn, unſer Unternehmen gänzlich aufzugeben, denn mas heute nicht gelingt, kann morgen gelingen, und in ber Natur und in dem Menfchen find noch Geheimniffe genug verborgen, die zum Erfinden und Bilden neuer Ideen und Ay« ‚fihten für eine Ewigkeit Stoff geben. Wer vieles mie Einficht, Talent und-Kraft verfucht, muß Dinge . ſehen, Die vorher in feines Sterblichen Auge gefom« men ſind.
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3
— 302 ww
un XXL , Capitel, |
Beide Bermögen und Kräfte Des menſche
lichen Geiſtes unterſtuͤtzen und erleſhterns. — —das Deynken? *
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Einſeitigkeit in der Ausbildung der menſchlichen
" Kräfte ik für den Erwerb für Wahrheit und für Stel . heit ſehr nachtheilig, denn wenn die Kultur einer Au⸗ fage vernachlaͤßigt wird, fo leidet auch die. Andere Darunter, weil es ihr zur Erkaͤmpfung ihrer Selbſt⸗ Kändigfeit. ensweber an Stoff ober an Hebung ge⸗ vricht. Miemand kann geiſtvoll und gebankenreich ſpekuliren, als wer vieles gelernt und erfahren hat, - and niemand kann Ordnung und Verßpaͤndlichkeit in bie rohen Maffen von Gelehrſamkeit und Erfahrung bringen, als wer Selbſtſtaͤndigkeit und Freiheit im "Bent errungen bat. Wer in feiner Jugend kuͤhn und ſelbſtthaͤtig fpefuliren gelernt Bat, bat Hoffnung, ein gehaftreiher Selbſtdenker zu werden, wenn er ſich nur Mühe giebt, reichliche Erfahrungen einzus fammeln; wer bingegen in dee Füͤlle jugendlicher ‚Kräfte nie verwegen in das Feld der. Spefufation ein«
gegriffen und, feine Geiftesenergie erfämpft hat, wird
1, 88 niemals i im Denten und Eſinden weit bringen.
Die inne find das Band ‚ das uns an bie | Außenwelt kettet; je empfchglicher und reizbarer die⸗ ſelben ſind, deſto enger iſt unſere Verbindung mit derfelben und deſto gewaltiger und gehaltreicher ſpricht
= 39 -
ſe uns an. Was nun den Sinnen Nahrung giebt, \ das forgt auch für den Verſtand, ‚weil biefer die Ma«- terialien zum Denfen durch jene erhalten muß, indem x fonft feer und unthätig bleibt. Wer. daher feine- Sinne vervollkommt, belebt und ſtaͤrkt auch zugleich ſeine Denkkraft. Das Denken wird alfo durch die Sinne, welche ben. Stoff dazu herbei führen, bes fFoͤdert und erleichtert, und dee Verſtand labt ſich an Demjenigen, was ihm durch die Sinnlichkeit gegeben wird. Man floht baraus, wie nothwendig es iſt, daß wir die Sinne üben, beleben, vervollkommnen = and fir alles, was ift und geſchieht, empfängfich aachen, wenn wir uns sum gebaltreichen Selbſtden⸗ ken erziehen wollen. Der Verſtand kann nicht den⸗ Sen, fo large die Sinne nicht geübe find und dag
Denken wird demſelben nur Dadurch erleichtert, daß
man ihn. mit reihlihen Materialien verſorgt, ‚nicht
aber dadurch, daß ihm vorgebacht wird, weil er in biefem Falle niemals ſelbſt denken lerne: denn Selbfle - denken wird nur Durch Selöfispätigfei errungen“, .
Da bie Dentfraft Erleichterung. in threm ©. ſchaͤfte blog durch einen reichen Vorrath von Mate tialien erhält, fo müflen wir die Anlagen nd Kräfte, welche berfelben Stoffe zuführen, kennen fernen. Welches find nun außer den Sinnen noch Die Stoffberbeifchaffenden Vermögen, des Menſchen? ‚ Die Phantafie, die Einbildungsfraft und das Ge⸗ daͤchtniß verforgen die Denkkraft mit Materialien, burch deren Verarbeitung fie fih fo wohl vervolß tommmen. als bereichern kann, Die Phantaſie ver⸗ gegenmärtigs vergangene Vorſtellungen, die. Einbil⸗
Son
Nm 304 dungskraft macht neue Sombinationen, fihaffe neue Gebilde und verfinnlicht Diefelben, "und das Gedaͤcht⸗ niß bewahrt die ſſchon empfundenen Eindruͤcke und die gehabten Vorſtellungen auf, und wir koͤnnen ſie vermittelſt der Erinnerungskraft wieder hervorrufen.
—Weie uͤbt man aber die Phantaſie? So balb man oͤfters das Vergangene ſich vergegenwaͤrtigt, ſo bald man das, was man geſehen, gehoͤrt und geleſen Bat, ſich wieder recht lebhaft vorſelt ſo verſchafft man ihr auch Leben und Thaͤtigkeit.“ Wir muͤſſen da⸗ Her oft unſer vergangenes Leben ſammt allen ſeinen Schickſalen uͤberſchauen, alle Ereigniſſe deſſelben uns fo lebendig wieder einpraͤgen, als wenn fie noch gegen⸗ wärtig wären und abfichtlich manchmal das Auge des
. Körpers zutun, um Das Auge bes Geiftes, das ift,
‚. \ die Phantafle, zu oͤfnen. - Auf dieſe Are verfchaffen wir ihr Stärfe, und fie reicht dem Verſtande reich" lichen Stoff zum Nachdenfen dar und- erleichtert ihm durch ihre lebendige Wergegenwärtigung das Yuffins ben des Wahren und Zweckmaͤßigen.
Die Einbildungskraft tritt als Schoöͤpferin auf: kühn reißt ſie jeden Stoff an ſich, formt ihn nach Be⸗ lieben, ſetzt neue Geſtalten zuſammen, haucht ihnen geben ein und ſtellt fie vor uns hin, als ob fie leibten
und lebten. Dieſe ſchoͤpferiſche Kraft wird beſonders Durch. die Lektuͤre von Dichtern in Thaͤtigkeit geſetzt und der geiſtige Hauch, der in dieſen Goͤtterſoͤhnen weht, geht in fie uͤber und entflammt ſie. Von jedem Funken Begeiſterung wird fie ergriffen und von bieſer entzuckt und fortgeriſſen ſpricht ſie ſelbſt das
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_ 205 _
.. Rede aus. Wie muͤſſen. manchinol dithten a
vchtlich kuͤhne Geſtalten, ngite Ideen zufammenfegen und fie vergegenwaͤrtigen, weil. dadurch die-Einkike‘ Dungsfraft. Staͤrke und Biegſamkeit erhält und; als⸗ dann dem Verſtand fo, wohl reichlichen Steak: um Denken giebt, alsß auch als eine. felbftchätige; Kraft demſalben -fein Heſchaͤft ſehr erleithtert. Wie viele
Groͤße ſchlummert im Menſchen und; wie viele Enere
‚gietiege i in ihm verborgen, die ‚en ‚bloß aus ‚Mangel an Bildung. der-Eindildungskraff.ungenußt zu Srabe- _ träge! Wer große Tharen thun will, muß feine Eins Vldungskraft beleben, die das Entfernte ſo ſtark vers gegenwaͤrtigt, daß as einen noch weit, lebhaftern Ein⸗ drack ‚auf den Geift macht, ‚als das Wirkliche außer
was, und benfelben mwilltührlich 3 zum Dandeln bins *
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Das Gedachtniß iſ der Bepaprer der FR
—* In ihm legen wir alles nieder, was wir er⸗ fahren und was wir gedacht haben. Die aͤußere und hie. innere Welt, die ihren juͤngſten Tag erlebe haben, ruhen im Gedaͤchtniſſe, das alles, was für
uns da geweſen iſt, aufbewahrt und das durch die Erinnerungskraft geweckt den Verſtand mit Nahrung: verſorgt: wie uͤben wir nun unſer Gedaͤchtniß, damit es die, Wirkſamkeit des Verſtandes erleichtere? Alles,
gas. mir ſehen und hören, muͤſſen wir verſtehen zu lexnen fuchen: denn das Verſtandene bewahrt das·
Gedaͤchtniß leichter auf, als dasjenige, was uns une. begreiflich bleibt: Und alles, was. wir: begriffen.: haben, müffen wir in eine natuͤrliche Ordnung brin⸗
‚gen, weil das Gedaͤchtniß leicht dadjenige hehaͤlt, was u
Kunſt zu denken.
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Beide Vermögen unb Kräfte des men ſch⸗ rise Geifes unterflägen und erleichtern - . das Denen?
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Einſeitigkeit in der Ausbildung der menſchlichen "Kräfte it für den Erwerb für Wahrheit und flir Flei⸗ heit ſehr nachtheilig, denn wenn die Kultur einer An ⸗ fage vernachläßige wird, fo leidet auch die. Andere daruntar, weil es ihr zur Erfämpfung ihrer Selbſt⸗ Naͤndigkeit entweber an Sto ober an Uebung ge-
vricht. Miemand Fann:geiftvoll und gebanfenreich .
ſpekuliren, als wer vieles gelernt und erfahren har, |
und ntemand Fann Ordnung und Verfſtaͤndlichkeit in bie rohen Maffen von Gelehrſamkeit und Erfahrung Bei ngen, als wer Selbſtſtaͤndigkeit und Freiheit im en errungen bat. Wer in feiner Jugend kuͤhn hr ſelbſtthaͤtig ſpekuliren gelerne hat, hat Hoffnung, ein gehaltreicher Selbſtdenker zu werden, wenn er ſch nur Mühe giebt, reichliche Erfahrungen einzus fammeln; wer hingegen in der Fuͤlle jugendlicher Kräfte nie verwegen in das Feld der Spekulation eine egriffen und. feine Geiftesenergie erfämpft hat, wird ° . es niemals im Denken und Effinden weit Öringen.
Die Eine find das Band, das uns an Die Außenwelt fetter; je empfleglicher und reizbarer Die: . felben find, deſto enger iſt uniere. Verbindung mit ‚berjeiben und defto gewaltiger und gehaltreicher fpricht
Seunsan, Was nun den Sinnen Nahrung giebt, .
das forget auch für den Verftond, ‚weil biefer die Ma«
.:serialien zum Denfen Durch jene erhalten muß, indem Er fonft Teer und unthätig bleibe. Wer daher feine-
Sinne vervollkommt, belebt und flärkt auch zugleich feine Denkkraft. Das Denken wird alſo durch die Sinne, welche den Stoff dazu herbei fuͤhren, be⸗ foͤdert und erleichtert, und der Verſtand labt ſich an Jenjenigen, was ihm durch bie Sinnlichkeit gegeben wird. Man fiohe Baraus, wie nochmendig es iſt, daß wir die Sinne üben, beleben, vervollfommnen -
and für alles, mas ift und gefchiebe, empfängfich
wachen, wenn wir uns zum gebaltreichen Selbfidens
ken erziehen wollen. Der Verſtand kann niche den⸗
den, fe lange die Sinne nicht geübt find und dag Denten wird demfelben nur dadurch erleichtert, daB man ihn mie reihlihen Mareriälien verforge, nicht aber Dadurch, daß ibm vorgedacht wird, weil er in Diefem Falle niemals ſelbſt denken lernt: denn Selbſt⸗ denken wird nur Durch Selbfishätigfeit errungen. |
Da bie Denkktaft Erleichterung in ihrem Se ſchaͤfte blog durch einen reichen Vorrath von Mares rialien erhäle, fo müflen wir die Anlagen un Rräfte, welche berfelben Stoffe zuführen, kennen fernen. Welches find num außer den Siunen no
die Stoffberbeifchaffenden Vermögen bes Menſchen?
» Die Phantafie, bie Einbildungsfraft und das Ge⸗
daͤchtniß verſorgen Die Denkkraft mit Materialien, durch deren Verarbeitung fie fich fo wohl vervoll⸗ kommnen als bereichern kann, Die Phantaſie vers gegenwärtige vergangene Vorſtellungen, bie Einbib
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... Rebe ans. Ei igüffen.manchimel-Dirhten nhub⸗
vehtlich kuͤhne Geſtalten, ngite Ideen zuſammen feßen
und fie vergegenwaͤrtigen, weil dadurch die Einbile
bungsfraft.Stätfe und Biegſamkeit erhält und alce dann dem’ Verſtand fo, wohl reichlichen Staff: ni Denken giebt, alß auch als eine ſelbſtthaͤtige: Kraft demſelben -fein Beſchaͤft fehr erleichtert. Wieviele
. Größe ſchlummert im Menſchen und wie viele Ener⸗
‚gietiege i in ihm verborgen, . die ‚er bloß aus-Mangek
an Bildung der. Eindildungskroft:ungenußt. zu Grabe - _
träge! Wer große Thaten thun will, muß feine Eins Kilbungsfeaft beleben, die das Entfernte fo ſtark pers gegenwärtige, Daß 48 einen noch weit lebhaftern⸗ Eins druck auf den Seift made, ‚als das Wirkliche außer
was, und benfelben aunwiltůhrlich zum Handeln bim .
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Das Gedidheniß iſt der Vewahrer der Verhemn
—* In ihm legen wir alles nieder, was wir er⸗
" fahren.und mes wir gedacht haben. "Die äußere und
Die, innere Welt, die ihren juͤngſten Tag erlebt
haben, ruhen im Gedaͤchtniſſe, das alles, was fuͤr uns da geweſen iſt, aufbewahrt und das durch die, Erinnerungskraft geweckt den Verſtand mit Nahrung verſorgt: wie üben wir nun unſer Gedaͤchtniß, damit
es die Wirkſamkeit des Verſtandes erleichtere? Alles, mes wir ſehen und hören, muͤſſen wir verſtehen zu
lexnen fuchen: denn das Verſtandene bewahrt das
Gedaͤchtniß leichter auf, als dasjenige, was uns une.
begreiflich bleibe: Und alles, was; wir: begriffen :
haben, müffen wir in eine natürfiche Ordnung brin⸗
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an Bildung. ber. Eindildungskraff:ungenuße zu-Grabe . _
traͤgt! Wer große Tharen chin will, muß feine Ein⸗ Kilbungsfeaft beleben, die das Entfernte fo ſtark pers gegenwärtige, Daß es einen noch weit lebhaftern⸗ Ein⸗ druck auf den Geiſt macht, ‚als das Wirkliche außer
was, und. benfelben unwilttůhrlich zum Handeln bins .
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‚Das Gedideniß iſt der Dewaprer der Berban.
gene In ihm Iegen wir alles. nfeder, was wir ere
* fahren.und wes wir gedacht haben. Die äußere und
hie. innere. Welt,. die ifren juͤngſten Tag erlebt
haben, ruhen im Gedaͤchtniſſe, das alles, was fuͤr uns. da gervefeg ift, aufbewahrt und das durch die, Erinnerungskraft geweckt ben Verſtand mit Nahrung: verſorgt: wie üben wir nun unſer. Gedaͤchtniß, damig
es di Wirkſamkeit des Verftandes erleichtere? Alles, moes wir fehen.und hören, muͤſſen wir verſtehen zu
lexnnen fuchen: denn das Verſtandene bewahrt das:
Gedaͤchtniß leichter auf, als dasjenige, was uns uns.
begreiflih bleibt. Und alles,. was; wir: begriffen..
haben, müffen wir in eine natürliche Ordnung; brin⸗
‚gen, weil das Gedaͤchtniß leicht dadjenige hehaͤt, was Kunft zu denlen. u
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| mieweder nach der Achnlichkeit ober nach dem Bei:
farmhenfegn in Raum und Zeit an einander gereißet wird oder fich. zu einander mie Wirkung und Urſache verhält. Wir muͤſſen fleißig dasjenige, was wir verd wommen haben, es ſey nun durch die Sinne oder durch die Einbildungskraft, wiederholen, um daſſelbe unſerm Gemuͤthe tief einzupraͤgen und jene Geneige
t ünfers Geiſtes, dasjenige wieder. hervorzuholein, was. ehemals geweſen iſt, hervorzubringen. Mies laute Wiederholen iſt ein zweckmaͤßiges Mittel, ettvdd Im: Gedaͤchtniffe zu behalten. Wir müffen vorzüglich art einenr Gegenſtande den Punkt’ ins Auge fallen; an welchem bie Kette der uͤbrigen Vorſtellungen haͤnge, und wenn wir uns denſelben recht lebhaft vor⸗ ffiellen, fo koͤnnen wir uns an alles, was wir wollen, leicht wieder erinnern. Das Befinnen auf etwas wird dadurch erleichtert, wenn wir häufig unfern Idernvorrath teviditen und wenn wir ein Dierfmal Brrausheben, weldies mit allem, was wir haben‘, in VBerwandſchaft ftebr. Das Eine welt alsdann das Andere und das Ganze tritt endlich im feiner ganzen‘ VBollkommenheit vor uns hin, Ein gutes Gevaͤcht⸗ niß, d. h. dasjenige, welches leicht behaͤlt und leicht wiedrr zuruͤck giebt, was es gefaßt hat, iſt eine große:
Erleichterung für. das Denken: denn woher nimme
unſer Verſtand den Stoff zu feinen Arbeiten, wenn wir einſam und die. Sinne unthaͤtig find? Woher:
. eehält.er Leben, wenn alles um uns her ſchweigt und
wie kann er anders: in feinem Bemühen glücklich ſeyn, wenn ihm nicht das Gedaͤchtniß Vorfellung auf Vor ſtellung suführt?
|
Wie uaterſcheidet ſich aber bas Gebachtniß von
Ber Phntäfe? Weide vergegenmwärtigen ums ſchon gehabte Worfeungen, und beide reichen uns Stoff
I
gum Denken; worin Hege -nım ber: Unterſchied derſel⸗
ben? Das Gedaͤchtniß ſteht mehr in unfred- Willkuͤhr, als.die Phantafie; hat diefe ihr Spiel begonnen, ſo kuft fe Vorſteliuũgen zuruͤck, fo wenig mit auch Luſt an ihrer Wiebererweckling haben. Sie ergreift fie, wie das Feuet "einer Feuersbrunſt dei einem Sturme die nahe gelegenen Haͤuſer, und hoͤrt nicht eher zu wirken auf, bis fie gewaltſam unterdruͤckt wird: Sie macht rind zu einem Spielballe. Das Gedaͤchtniß hingegen erweckt dloß ſolche Vorſtellungen, die mir zu haben wuͤnſchen: es ſteht in unſrer Willkuͤhr, welche Gedanken wir wieder erwecken und welche wir dem Todtenfchlafe uͤberlaſſen wollen. Das Gedaͤcht⸗ niß ruft ſie auch in der Ordnung hervor, in welcher wir dieſelben zu haben wuͤnſchen, da hingegen die Phantaſte fie Bunt und kraus unfer einander wirft und f e nach ihren tollen Launen aufführt.
Beim Denken aber dürfen dieſe Vermoͤgen und Kräfte nicht alle zugleich wirkſam feyn, fonft entſteht Verwirrung in den Vorftellungen und wir wiſſen
nieht, woran wir uns halten follen. Weberdies wer⸗
/
dert durch eine folche Unordnung alle Borftellungen
dunkel und wir koͤnnen Peine genau von ber andern unterfeheiden, weil unfer Geift durch die vielfeitige Thaͤtigkeit, bie zu gleicher Zeit ſich aͤußert, zerſtreuet und Ber Verſtand alſo am Auffaſſen und Ordnen ver hindert wird. ‚Die Zerftreuung, als ein’ Vermiſchen veſchiebenarciger Sezenſtinde kann nur dadurch ver⸗ u 2 |
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misven werden, daß mit, nich jedem ‚Sinfaße der Mantaſie nachgeben, fordern daß wir Tange;an einem und domſelben Gegenſtand haften bleiben; "und alſo durch den Verſtand die Herrfehaft- uber, alle / unſere Vorſtellung behaupten. ne “ BE ar. 2:
Sn weichem Berhälinife aber. (oki. „alle dieſe Anlagen und Kräfte zum; Verftande ftehen? Sie fols jen ihm dienen, aber denfelben nicht beherrſchen, - fie follen ihm Materialien zum Urteilen, and, Reflsfeicen
zuführen, „aber feine Urtheile nicht nothwandig bes
> flimmen. Der Verftand muß Herr ſeyn ‚und; nad) . eigener Einfihr über Wabebelt und Zweckmaͤßigkeit
—
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xxn. Capitel. m
Wie terne man ſyſtematiſch denken und wel—
gen Nupen bat biefe Denkweiſe?
”
u Das ſyſtematiſche Denken iſt ſtets als ein fehr zweck⸗
mäßiges Beföderungsmirtel des richtigen.. Denfens gepriefen worden was verfteht man nun Darunter?
‚Wenn alles in einer Wiffenfchaft genau zufammen
hängt, Eines aus dem Andern fireng abgeleitet ift, fein Sprung und feine Abweichung von ‚dem aufge: ftellten Grundfage fihtbar ift, fondern alles, wie die Dinge in einer Kette, in einander eingreift, fo nennt man biefe Behandlungsart bes Gegenftandes füftes
“ matſſch Ein fies Denken kfodert alſo ein Prin⸗
= 309° —
zip, wornach alles, was behauptet wird, geprüft‘
und wornaͤch afles, was im diefe oder‘ jene Wiſſen⸗ fhaften gehört, beurcheile wird. Will zum Beiſpiel jemand die Luͤge durch das Naturrecht als verboten behiuptin‘; ſo muß er Beweifen, daß dadurch jeman- bes Recht bekinträchtigt wird, Denn dadurch allein
wird eb klar, „ daß die Lüge als eine Durch das äußere
Recht verbotene Handlung betrachtet werden Panıt.
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Iſt aber! Dies nicht der Fall,” fo gehört ein ſolches
Berbor nicht in das Rechtsgebiet, und derjenige, der
diefe "Behauptung ‘gewagt bat, ift. nicht konſe⸗ quent verfaͤhren. Will jemand alles, was in der
Sinmenwelt geſchieht, aus Natururſachen erklaͤren,
ſo iſt ſein Verfahren richtig, weil der Grundſatz der Eaufalicät | ber einzige Erklaͤrungsſatz aller Erſchei⸗ nungen ift: 43 bald’ er aber diefen Satz auf die uͤber⸗ finnliche Welt’ anwendet, ſo begeht er einen ers
thum, weil er der Kategorie der Cauſalitaͤt keine An⸗
ſcha auung! mehr unterlegen kann und fie’ jeberzeif
keer bleibt; und unanwendbar iſt, fo bald dieſer Fall
eintritt. Das ſyſtematiſche Denken, wenn es zus gleich auch auf Wahrheit ſieht, erfodert alſo 1) einen Grundf aß, den man feinen Behauptungen unter⸗
legt; 2) ſtrenge und conſequente Folgerung aller
‚Säge; die man darauf gründet. 3) Vermeidung
älfes Ueberſpringens aus dem einen Gebiete der Wiſ⸗ ſenſchaft in das Andere; z. B: der Logik in die Me⸗ faphufif, der Moral in die Rechtslehre. 4) Ord⸗ nung, Deutlichkeit' und · Beſtimmtheit der Gäße und Behauptungen. Die Erfüllung dieſer Foderungen ft durchaus nothwendig ‚went das ſyſtematiſche Den⸗
ken zugleich. ein Befoͤderungsmittel Des“ richtigen und
= a0 "nn Des fruchtbaren Denkens fen fol, unh wenn wir fein Spielwerk mit leeren Formeln treiben, ſonbere die Wahrhelt ergruͤnden wollen. |
Wie lernt man nun ſyſtematiſch penfen? Alles
Seite muß ben Weg zu dem Schwerern bahnen und wir müffen alſo mit ſolchen Sägen unfere foftematis
fehen Denfübungen anfangen, die weder allzu lange Reihen yon Folgerungen nöthig machen, noch füch mit Öegenftänden befchäftigen, die von unfern Biss berigen Arbeiten zu entfernt Siegen und. ung alfo fremd find. Wir müffen uns einen Saß bilden und alles das Daraus zu folgern ſuchen ‚ was ſich nothwendig aus demſelben ergiebt. Was ergiebt ſich aber aus einem Satze, den man einer Behandlung i . eines Gegenſtandes zum Grunde legt? a) Das Gleiche. b) Das Aehnliche. c) Die Wirkung als aus einer Urſache. d) Die Folge als aus einem Grunde u. ſ. w. Durch die Befolgung dieſer Res geln lernen wir auch zugleich dasjenige kennen, was fh nicht aus einem Satze ergiebt, und was, wenn es Daraus gefolgert wird, durchaus bem Irrthume Thor und Thür öfnet. _ Es kann etwas Wahrheit feya, aber wenn es ſich nicht entweder felbft begruns ber ober durch etwas Anderes begruͤndet wird, ſo noͤthigt es uns weder Ueberzeugung ab, noch kann es auch auf die Gewißheit und Eindringlichkeit Ans
fprud) machen, bie es durch eine: richtige Folgerung
| u einen Grunbfage erhalten werde.
Haben wir ucheug im Kleinen augeſtellt, ſo Gm wir zu ganzen Miſſenſcheſten übergehen unb
⸗
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X m, 311 —
dadurch fo wohl unſere Deukkraft uͤben, als Wahr⸗
heit erkaͤmpfen. Dieſes Denkgeſchaͤft aber erfodert,
daß wir uns genau mit dem Grundſatze alg her lire quelle, woraus alles übrige fließt, befanng machen und daß wir afles, was wir dazu rechnen und Ing
wir daraus folgern, auf denſelben zuruͤck führen, um zu ſehen, ob es fi) wirklich Davaus.ergiebt und ob es
in einem firengen Zufammenbang mit Dem Porher⸗
‚gehenden ſteht. Wir wollen ben: Fall feßen, daß ‘jemand bemeifen mollse, bie Todesſtrafen ſenn wiher⸗ rechtlich, wie müßte ex #4 anfangen, um ſeine Bea hauptung ſyſtematiſch richtig zu beweiſen? Ey michee
die Menſchenrechte vollſtaͤndig aufſuchen und durch |
diefe Die Grenzen beftimmen, wie weit ber. Steat gehen harf, wo fich alsbann-.ergeben würde, daß dag teben und die Erhaltung deſſelben Fein Recht un anf - es alfo auch kein Gegenſtand des Staates, ab dr
ber jede Toͤdtung als Safe ungerecht ſey.
Die Wiſſenſchaften, die beſonders da⸗ füßemar tiſche Denken befödern, ſind Die reinen von aller Er⸗ fahrung unabhängigen Miffenfchoften; 1) die Mar thematik, ‚bie die Begriffe. in ber Anſchauung darſtellt und baber leirhter if als bis übrigen Wiſſenſchaften,
Die feine Anſchauuug zum Beweiſe für ihre Wahrheit
zu Hilfe nehmen koͤnnen. 2) Die Ingif, die es bloß
mit Begriffen und zwar mit her Verbindung und Tren/
nung berfelben nach. ben Grundſͤtzen ber Ciuſtinmung und des Widerfpruchs zu ehun hat. 3) Die Metaphnſik. 4) Die Rechtswiſſenſchaft. 5) Die Tugendfehre.
6) Die Kritik der reinen Vernunft und Andrei: Alle
dieſe Wiſſenſchaften laſſen einen Breng wiſſen ſehaft⸗
—
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— 412 —
Kehen:Bang-zu: fie haben einen erſten Grundſatz, (oder⸗wenn fie ihn jeßt noch nicht baden füllen‘, fo kann! und muß es. doch für fie einen geben) und ihr ganzer Inhalt ift cheils eine Folgerung aus demſel⸗ ben;, ttheils giebt er doch die Richtſchnur ab, -ob der Gegenſtund in das Gebiet diefer Wiſſenſchaft gehöre, und ob er richtig gefolgert iſt. Wir muͤſſen ung das her angelegen ſeyn laſſen, dieſe Wiſſenſchaften zu findieven., und dabei feinen Satz annehmen, deſſen Richtig keit ſich nicht unmittelbar oder doch mittelbar
aus dem erſten angenommenen Grundſatze erweiſen Rift. Se weiter wir uns aber von dem erſten Grund⸗ fatze entfernen, defto mehr find wir. der. Gefahr des Irrthumes ausgeſetzt , wie muͤſſen daher oft auf den⸗ felben zuruͤckſehen und pruͤfen, ob unfere-daraus ges
zogene Behauptung die Feuerprobe deſſelben aushaͤlt
und vb wir nicht etwa eine unrichtige Folgerung dar⸗ aus gezogen haben. Bei der Logik iſt es leicht aus⸗ zumachen, ob wir gefehlt haben ‚ oder ob wir richtig zu Werke gegangen find: wir haben hier Bloß die Uebereinſtimmung oder den Widerftreit "dar. Worftels lungen unter einander zu unterfuchen:: hingegen iſt es bei allon andern Wiffenfchaften ſchon ſchwerer zu’bes ſtimmen, was ihr. Inhalt ift, und ob fich unfere Bes hauptungen folgerichtig und alfo ſyſtematiſch daraus ergeben, weil außer der Pruͤfung, die: ber der Hgik ſtatt finder, noch der Juhalt der Borftelungen un: rerſacht und derfelbe nach feime Wabrheit, Reauugt | ut wi geprüft werben mei. Eur ehe ee ” Eine, vorzuctiche Auletteng num m füßensüchejen Beiden iſt beſonders die Seftüre ſolcher Schriftſtelles,
\ ‚314 — | velche fireng ſyſtematiſch betfahren As; wir muͤſ⸗ ‚fen daher :in. dieſer Hinfiche: Schriften kefen, dis die reine Mathematik vortragen‘, und außer: den mathe ⸗ masifchen-Schriftftellern beſonbers audyibie philoſo⸗
. Hilden, z. B. Wolf, Kant, Fichte, Schel⸗ king und Andere. Auf diefe Art werden wir an eine ſiyſtematiſche Denkart gemöhnt: und: dieſe Gewpoͤhnung verdient hier den Namen Natur, weil ſie zur Wahrheit fuͤhrt, ” deren Erforſchung der. Dee beſtimuit iſt.
Beide Vortfeite Set aber: bie: Angewoͤhnung an · eine ſyſtematiſche Denkart?. ı)-Wirternen.leihe ‘die (logiſche) Wahrheit von idem Irrthume unter⸗ ſcheiden. 2) Wir gewoͤhnen uns an Gruͤndlichkeit und an Ordnung in unſern Raͤfonnements. 3) Wir lernen lango: Gedankenveihen verfolgen. 4) Wir gewoͤhnen uns an die Erforſchung und Ergruͤndung von allem, was wir gewahr werden. 5) Wir ver⸗ ‚wifchen nicht verſchiedenartige Gegenſtaͤnde mit eins ander, ſondern wir behandeln jeden: Gegenſtand abs geſondert und nach der Weiſe, die er eigentlich zu⸗
laßt, z. B. wir behandeln did Philoſophie nicht wis "|
bie Mathematik, und dieſe nicht wie jene, "weil die Philoſophie keine Wiſſenſchaft dar Anſchauung, ſon⸗ been .ber. bloßen. Begriffe iſt. 65) Wir, gewoͤhnen
uns an. Beſtimmtheit und Deuslichkeit der Begriffe. .D Wir überfchreiten nicht die eigenthuͤmlichen Gren⸗ zen, die die Matur dem menſchlichen Geiſte zum Er⸗ kennen geſetzt Hat, ſondern wir bleiben ſtets auf dem ihm von der Natur angewieſenen Gebiete. Dieſe und noch mehrere andere Vorcheile find die Folgen der Gewoͤhnung an-eine ſyſte matiſchẽ Denfarte et
34 —
Die Fehler aber, die wir bei bieſer Denkmeiſe vermeiden muͤſſen, find: 1) einſeitige Folgerungen,
wo wie irgend einen Theil pan einem Gegenſtande bes
ſeitigen, und uns hieß. bes Anders zu irgend einem
Vortheile bedienen. 2) Daß wir nicht glauben, daß
das ſyſtematiſche Verfahren ſchon allein genug zu Er⸗ forſchung der Wahrheit ey. Das Sufkematikche betrift mehr das Forwelle als das Materielle unfers Denkens, und wir müͤſſen auferben noch Kenntuiſſe und Erfahrungen einſammeln, um nicht trocken,
geiſtlos und unfruchtbar zu räfenniren Wir muͤſſen
nie vergeſſen, daß zu allen Folgerungen aus Grund⸗ fügen Kenntniß des Gegenſtandes und der mie ihm verwandten Dinge erfoberlih iſt. 3) Muffen wir
uns vor Erfchleichangsfäßen, falfchen Schlußarten
mb Sceinbeweifen hüten, damit wir nicht hei aller foRematifchen Strenge in Irrthum gerathen. 4) Muüffen wir nichs auf halbem Wege mit unfeen Foi⸗ gerungen ſtehen bleiben, ſondern wir muͤſſen doriu fortfahren, mag ſich daraus ergeben. was da will.
= Durch eine ſolche Strange in den Schlüffen. lernen
vir einſehen, wo der Fehler liagt, ob.im Grundſatze oder in ber baraus gejogenen Folgerurig,. ..5) Müflen _
wir auch nicht alles in Syſteme zwingen wollen, was
- Seine Solche Behandlungsart zufäßt, - weil man ben Gegenſtand entweder noch nicht genug kennt, und
moch nicht Merkmale genug von ihm aufgefaßt hat, ober. weil es für den menfchlichen Geift nur Murhs maßungen, aber: feine voͤllige Gewißheit daruͤber giebt:
Die foftemarifche Vehanblungsart der Wiſſen⸗
ſchaften iſt die Epoche ihrer Bervollkommnung, wie
on das fofemarlihe Verfahren im Denten, Ertennen und Handeln eine Annäherung zur Muͤndigkeit des menſchlichen Geiſtes beurkundet. Die Syſtematil erfodert Kraft und Selbſtſtaͤndigkeit im Denken; allein leeres Syſiematiſi ren iſt fuͤr die Kultur der Wiſſenſchaften eben fo verderblich als geiſtvolles und gedankenreiches Raͤſonniren nach Grundſaͤtzen bens ſelben vortheifßaft iſt; bei jenem wähnt man durch das bloße Formelle im Denken alle Geheinniffe pr | Matur und best menfchlichen Geiſtes zu enthuͤllen, gleich dies eben ſo unmoͤglich iſt, als ob jemand * Welemeer austrinken wollte, da hingegen dieſes alle Reichthuͤmer der Erfahrung und der Spekulation weislich zum Anbaue derſelben benutzt.
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"XXI. Capitel.
Weber die Urſachen der. Irrih amer im Den⸗ ken und. Äber die Mittel, diefeisen | | vermeiden. .
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Waͤren die Menſchen mit niches als mie Wahrheit bekannt, fo. wuͤrde ihnen dieſe endlich zum alltäglich“ fien Dinge werben, der menſchliche Geift wuͤrde in Schlafſucht verfinken und feine angeborne Größe und feine hohe Beftimmung würden luftige Traumgebilde ſcheinen, weil er nicht felbfichärig zu ſeyn und mig dem Irrthume zu fämpfen brauchte, fondern bie reine lautere Wahrheit ohne Muͤhe und Arbeit empfinge, ob gleich ſeine Kultur im Kampf ı und Streite mit
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— sis — — _ Meinungen, bie er-alfo fuͤr irrig haͤlt, am beſten ges deiht. Das Wahre muß Anſtrengimg koſten, damit es ſo wohl unſere Kraͤfte vervollkommne ‚als damit it t auch daſſelbe hoch achten lernen. |
‚Allein weun auch der Irrthum für die Ausbil bung unfers Geiſtes vortheilhaft iſt, fo ſtuͤrzt er uns:
doc) auch wiederum unverſchuldet in tauſenderlei Un-
gemach.... Schmerzen find in feinem. Gefolge, weil wir unfere Verſuche mit Verluft, bezahlen müffen und Schaam begleitet ihn, weil wir ung getäufcht fehen.
Durch Irrthuͤmer ‚aber machen; wir nicht allein ung
feldft, fonbern; auch Andere ungluͤcklich; wir pflanzen. Wahn und Täufchung fort,. und wer: kann die Folgen berechnen, die falfche und unrichtige Borftellungen haben, da es ausgemacht: ift, baf ber Menſch alles durch feine Borftellungen ift und daß er alfo fein Schickſal durch dieſelben beſtimmt?
Was iſt aber der Irrthum? Eine /Vorſtellung, die dem vorgeſtellten Gegenſtand nicht entſpricht, die /ein Merkmal enthaͤlt, das ihn fremd iſt, und die ihm eine Eigenſchaft beilegt, wozu fein Grund in ihm enthalten iſt, iſt ein Irrthum. Man ſieht leicht ein, daß hier nicht von dem logiſchen, ſondern von dem materiellen Irrthume, welcher nicht etwa ‚bloß etwas Widerſprechendes, „ſondern auch etwas Falſches und Erdichtetes von einem Gegenſtande aus - fagt, die Rede iſt, und daß er alſo das Weſen und den Gehait einer Sache ſelbſt betrift. Sich irren, heißt daher etwas fuͤr wahr und gegruͤndet ‚halten,
was nichk wirtlich, ſondern bloß Schein ı und Räus
ſchang iſt.
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Ri: wioe die Samuchteit, ſondern · der Verßand ie. weit alles, Irren ein Urcheilen ˖ erfodert/ und nur dieſer allein urtheilen kann.MWelchesſind ‚nme: die Ueſachen ‚nf: Seripämerf. ‚Die gewoͤhnlichſten ‚find: meine ce RE Er PB POOL 3) daß; man oͤfters "Iber Dinge: awcheilt und auch daruber uf Macht entſcheiden zu: koͤnnen: waͤhnt⸗
‚in: die moan:entweder gar Feine; Einſicht Aber von demen man. mn: eingrſehr obarſbuͤchliche Kenntniß bee
Atzt. Die Unwiſſenheit und! die: unvollkomene
Keontniß einer Sache iſt al sing Auelle von Jera
sbmexn „. die in reichen Maaße ſtraͤme, weile Den
Hgesenſtaͤnde Im menfhlichen: Leben: ſo bielt aglebcz
ujher welchec mir etmas ausſagen, ab wir gleich ihren Inhalt und, ih VBeſchaffenbeit micht Kennen: Min ine ale Gina. eh wir. feine Bapkeantei befigen:
en RE AILTLER RIBTW N r „ts: Be
Mir =) Eine ander Urfache ds — be
Mangel an Selhftshätigkeic des. Geiſteg. Win uren
nachlaͤßigen bie-bunfeln und verworrenen Vorſtellun⸗
gen, die wir von etwas haben, aufzuklaͤren . und zu.
dordnen, und legen, daher ganz unvermerkt Dun. Gen genſtaͤnden Eigenſchaften bei 7. die ſie „nicht: beſttzen und die wir aus Gewohnheit und. ‚erägbei: en fir ausgemadhis MWabrbeiten anſeben. TG ‘ 5 ae ip .
2) Auch —8 oft iv nis im —E—
uud verfahren zu eilig und zu unbedachtſam im Beur⸗ heilen eines Gegenftandes, und dichten. ihm Merlin
male an, bie feinen Grund, in ihm haben. .n&bie
- Mangel. an. Bedachrfamkeie und Aufmerkſamkeit ver⸗
BODEN BER EP
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Arllein wenn auch ber J
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inungen, bie er alſo fuͤr trrig Geile av n Schein
zs fo wohl unſere Kräfte vervolſkom Aonntniſſe einer
wir auch daſſelbe hochachten lerner Zeit: haben, ſpn⸗ | , ſeyn. 22 N An ei⸗ —F
body auch wiederum UND, „u von Irkthhrmern:: noir
gemach. Schmerzen u Raͤſonnenene über Anen wir unfere Verſuche / u
| uf, mekche in feihieim Wer: nz und demſelben weder aͤhn⸗ Du B, befaiste,, ſelbſt, ſon gan bie Zriebfebern; Sieden Andern
Wahn uns men leiten, nidjtigerau und gewiß,
——— m etwas Inneres und alſo · unffchtbar n Pin welchem DU That ‚ wie jeder an ich ſelbſt e Jade koͤnne; oͤfters keins Aehnlichkeit Habe ünd mob dreuft über die Marimen und Antriebe der Auubungen aller Menſchen um ſich her abſpricht, dieſe entweder verdanimt oder lobpreiſt, begeht Aen Irrthum, und wer den Grundſatz als guͤltig anime‘, daß alles,.- was in: der Welt vorkommt, aus und nach Natuturſachen erklärt werden: müſſe, und gleichwohl jede ErfHeinung der Vorwelt, bie
etwas Ungewoͤhnliches oder Unbegreifliches enthaͤlt,
für eine Offenbarung und für ein Wunder ausgiebt, der oͤfnet dem Irrthume ein weites Feld, weil er ſo
Frevencich von hraturgeſchea abisrihef Bie-fich, wenn
fie: einmal vernachlaͤßigt und“ Bitfatigefeßt wetden, wine zu fuͤrchterlich an dem ſehwwachen Sterblichen Be een Zn
\
[ee Nu: irrt marubfters auf die entgegengeſetzte m man aus faiſchen Vorb erſaͤtzen richs a ziehe und aus irrigen Grundſaͤtzen | "Yaubız hier liegt der Grund deg | .e in.der Inkonſequenz bei Folgeruns Ä . * annimmt, daß man lügen. duͤrfe, wenn v Leben eines Andern: durch eine Füge retten ‚nen vermeine und gleichwohl jedy Luͤge, Bieen sen’ koͤnnte, unter allen Umſtaͤnden vermeidet, deß trrt, Denn die Wahrheit beſteht In Saͤtzen, die bro gruͤnder and die konſrenent gefolgere ſeyn mliſſen. Auch bat dieſe Art des Irrthums noch den Nachtheil, daß man den Wahngmuben unterhält, als wenn Bujentge, was in ſelnen Folgen wahr fen; auch in. fehten Worberfägen Begründer und als wahr fax Wahrhelt aus’ unrichtigen Schlliſſen iſt feine Wahre. heie, weil ſie feinen Grand hat, fonderwein Wähn⸗ glaube, der der Kultur des menſchlichen Geiſtes ſehr naͤchtheilig if, woil man. mehr aufs Gefühl als auf Grunbſaͤtze bauer, und daher der; Paffuirde. vor der u Selbſithatigteit den Vorinas einrdumr. |
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6) Voturtheile int Aberglaube fine eine. feuche⸗ bare Mutter von Irrthuͤmern. Wir urtheilen uͤber etwas, ehe wir daſſelbe genau unterſucht Ind kennen gelernt haben, und werben entweder aus Furcht ober: aus Angewohnheit, oder aus Tragheit eine Beute des Irrthumes. Wir leben ‚in: Taͤuſchungen undr . alfe unfere Urtheile, wenn fie auch ‘Hier und da eins. mal treffend find, ſend unxichtig, weil. der Grund, | worauf’ fie ſich üben ‚ unrichtig und irrig 8 |
.
5: D Heftige Gemuͤthsbewegungen/ weidenſchaf⸗ ten und Begierden herleiten uns auch. zu Irrthuͤmern.
Es fehle uns an der Ruhe des Geiſtes, die zur ge⸗ nauen Unterſuchung einer Sache erfoderlich iſt. Wir ſehen alles durch ein gefaͤrbtes Glas, unſere Wünfche
beherrſchen unſere Vorſtellungen und. wir halten bloß dasjenige fuͤr wahr, was uiiſern herrſchenden Nei⸗
gungen ſchmeichelt. Die Vorliebe fuͤr einen Gegen⸗ ſtand laͤßt: uns nichts. als’ Vollkommenheiten an. ihm
gewahr werben, ob gleich jeder uneingenommene
Beurtheiler das Gegencheil von dem, was it 1 ſeben erblickt. ve m Fe Er 5 ee... N,
8) Oft entfiegen auch dadurch egersßlme, daß * etwas durch Die eine Wiſſenſchaft auszumachen ‚glauben ‚was doch bloß duvch eine Andere entſchieden werden kann. Wer z. B. Die, Rechtmaͤßigkeit,
jemand zum Einerie in den Staat zu noͤthigen, durch
bie. Moral,.: bie Wirklichkeit eines Gegenſtandes durch Die. ‚sogif. ;. das Daſeyn Gottes durch die Metas
Ahyſik u. f. w. zu beweiſen ſucht, der Befindet ſich im Irrthume, denn obgleich die Wahrheit aller dieſer Behauptungen erhaͤrtet werden kann, fo muß dieſelbe
doch anders woher, als aus den angefuͤhrten Wiſſen⸗
ſchaften, bewieſen werden. Das Vermiſchen der
verſchiedenen Gebiete der Wiffenfchaften:,bei der. Er⸗ deterung eines Gegenſtandes iſt eine reiche und dse
| wbalche Quelle v ‚von, Zrrthümern.
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Was. mug ‚man nun ‚hun ‚ um "allen dieſen
Irrthuͤmern auszuweichen, ihre Quelle „zu. vers ſtopfen, und zur Haren lausern Wahrheit zu gelangen ?.
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Da der Menſch alles durch Borftöllingen und alles für, ihn wiederum nür durch Borftellungen ift, ſo
muß er biefe berichtigen, verändern und umbilden;
hierzu ift 1) Selbſtthaͤtigkeit ‚nöthig; er muß daher frei und energifch über alles, was ihm vorfönumt, und was er zu wiffen verlange, refleftiren, damit er in das Wefen ber Dinge eindringt und ihr wahres
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Seyn und Wirken in feine Borftelungen auffagt. Gelbſtthaͤtigkeit des Berftandes, bie allenchalben mik .
„Beſonnenheit verfähre, und fid ‚durchgängig äußert, iſt ein gutes Verwaßrungsmittel gegen-
Irrthuͤmer: denn 1) untergräbt und vertilgt fie alle
Vorurtheile, allen Aberglauben, und alle blinde. .
Vorliebe für irgend etwas; 2) bringt fe die Seibens [haften zum Schweigen und bekaͤmpft die zuͤgelloſen Treigungen und Begierben; 3) verhärel fie Int on⸗ ſequenzen und 4) nimmt ſie nichts ungeprüft an.
2) Wenn wir im Denken ſelbſtthaͤtſg And, ſo
vergleichen wir unſere Vorſtellungen mit den Buch |
fie vorgeftellten Gegenſtaͤnden, fuchen ihr Verhaͤltniß
zu andern Dingen auf, Die, entweder mit ihnen vep⸗
wandt find, oder fich in ihrer Nähe befinden oder
mie ihnen in Wechſelwirkung ftehen. Durch ein . forgfames und fleißiges Vergleichen der verſchieden⸗
artigen Gegenſtaͤnde und Vorſtellungen lüfter, wir ben Schleier, der uns bisher Die Wahrheit verbarg, und entgehen dem Irrthume, der bisher unſere Jin«.
bedachtſamkeit und > Sorgloskeit zu feinen Gehälfen |
hatte. | nt 3) Wir miſſen uns die Vorftelungen die it
uns von den Gegenftaͤnden bifden, allemal fat‘
Kunſt zu denken. X
or — 322 — und beutlich zu machen ſtreben, und wir vůrfen uns eben ſo wenig durch unverſtaͤndliche Begriffe als durch ben Syrenengeſang der Leidenſchaften bezaubern lafs fen. Alles, was ein Gegenſtand unſers Rachden⸗ kens iſt, muß eine Sache einer deutlichen Erkenntniß werben, fein Merkmal befielben darf bloß von uns geahndet, fondern muß klar und. heil erkannt werben. Wie im Sonnenfcheine die Pflanzen am beften ges deihen, fo gedeiht auch die Wahrheit allein in dem delt lichte der Vorſtellungen.
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4) Ueber alles, was wir beurtheilen wollen, ‚ möüffen wir ung eine volftändige, gruͤndliche und um« faffende Kenntniß verfchaffen. Das Unvollftändige und Seichte in der Erkenntniß ift eine, reiche Quelle des Irrthumes, die: mon aber verftopfen kann, fü bald als man fih nur entſchließt, alles Halbwiſſen aufzugeben und nach einer vollfommenen- Einfiche in das, was ung zu willen nüßlich und nothwendig iſt, zu ringen. Eine gruͤndliche Sachkenntniß fuͤhrt zur Wahrheit; denn wer einen Gegenſtand genau kennt, der m errath ſo gleich dasjenige, was wahr iſt.
59 Kupe bes Geiſtes, Undefangenheit des Ge⸗
= muͤthes und Freiheit von Leidenſchaften laſſen uns
jede Sache fd. anſehen, wie fie wirklich iſt. Wr legen ihr keine Eigenſchaften bei, die fie nicht befiße, und ſetzen keinen Werth auf ſie, den fie nicht verdient, ſondern wir beuttheilen und würdigen fie nach ihrem wirklichen Gehalt, ſo bald wir alle Parteilichkeit,
allen Haß agb. alle Vorliebe. von der vr und Deurcbeilung derſelben ausfiliegen. R W
33 — Dieſe Ruhe und Unbefangenheit veo Geiſtes iſt
fein Schlafen, ſondern ein Wachen, "keine Unthaͤtig⸗
. Seit, fondern ein freies vorurtheilslofes Wirken des - Verſtandes. : Bei .unfern Urtheifen muͤſſen ‚wir, wenn es ung um Vermeidang von Irrthuͤmern zu
ehun iſt, uns. immer fragen: würbe ein ſolches Ur⸗
theil, als wir uͤber etwas ausſagen, wohl jeder ver⸗ nuͤnftige und unterrichtete Mann fällen? Rank daſ⸗ ſelbe Anfpruch auf den Beifall jedes Unpartheüfchen machen; und. würde ich dem Urtheilenden in meinem
Gewiſſen beiftimmen, wenn er fo uͤber mich urtheilte,
mie. ich jetzt ihn beurtheile? Hält man noch uͤberdieß |
feine ‚Urteile an die Urtheile Anderer,. und Argreift man die. Gelegenheit, fie zu fragen, ob fie wohl
dasjenige, was wir für. wahr halten, auch nach ihrer ",
Einſiche für wahr anfehen, fo entgehe'man vielen Irrthuͤmern, in die man fih durch Unbeſonnenheit, Partheilichkeit und Kurſſichtigkeit ſtuͤrzt.
XIV. Capitel. |
Durch welche Mittel kann man in ſich die Grneigeheit, immer mit feinem Zeitalter in ber Auftlärung fortzugehen, erweden . und unterhalten?
Kein Zeitalter hat jemals folche große und ſchnelle Fortſchritte in den Wiſſenſchaften gemacht, als bag Unſerige, befonders iſt dies in Teurfchland. der Fall. Die Philofophie. hat eine gaͤnzliche Umaͤnderung * u |
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— 324 — litten eig ba.fie bie Oberſte ber Wiſſenſchaften iſt, fü verſpuren auch alle. Uebrigen, ob gleich nicht alle in gleichem Grade (denn dies haͤngt von ihrer . nähern. oder: endferntertt Verbindung mit. der Philo⸗ fſophie ab) dieſe Revolution. Allem nicht hloß die Denkart in der Philoſophie umd die Anſicht ber Letz⸗ ‚ sern hat eine große Umwandlung erfahren, ſondern auch die Medizin und die Chemie ſind buch Brown un? & anoifier umgeändert worden. . Die: Ente deckungen, welche Die drei Reformatoren unfers Zeit alters gemacht haben, find ein großer Gewinn. für ‚die Wiffenfchaften und für die Kultur bes menſch⸗ lichen Geiſtes, und wollte man auch nicht zugeben, daß man durch: dieſe Nevolutionen in ben oben anges führten drei Wiſſenſchaften eben weiter: gefommen fey, fo fann man doch'niche leugnen, daß ber menſch⸗ ‚liche Geift an Geneigtheit und Stärfe, alles zu prüs fen und zu erforfchen, gewonnen hat. Allenthalben ift man bemüht, die Wiflenfchaften gu revidiren zu jichten und von neuem zu begründen. Allenthalben herrſcht ein reger Eifer ‚ das Heiligſte und Profanſte der Bearbeitung und der Pruͤfung der Vernunft zu unterwerfen: Man ſieht jetzt Mängel in den Willens ſchaften, wo man ehemals nichts als Vollkommenhei⸗ gem’ erblickte, und wird Luͤcken gewahr, wo man vormals alles fuͤr vollendet Biele: Die verſchiedenen Wiſſen⸗ ſchaften werden ftreng- ven einander abgeſondert; hierdurch lernt man ihren Gehalt kennen, wird ihre Vollkommenheiten und ihre Gebrechen gewahr und etfaͤhrt, was noch weiter zu Chun iſt, 'und: wo.man anfangen muß, wenn alles in einer Wiſſenſchaft ber faſtigt. und begrundet feon ſoll. Man: fängr 1% ‚er
BE 325 —
in. Acht zu nehmen an, vamit man ‘nicht fo. Teiche: mehr von dem Gebiete ber: einen Wiſſenſchaft in das Gebiete der Andern überfchweift, wodurch man fonft Die Mängel heider verbedte; man ſtellt jede für ſich in ihrer Vollkommenheit oder Unvollkommenheit auf.
Welch' ein geoßer Gewinn für den Menſchen iſt alle .
nicht die Kenntniß dieſer Fortſchritte: in: ven Wiſſen⸗
ſchaften, und welchen Nachtheil hat bie Unkunde in denſelben für. denjenigen, der ſich nicht angelegen ſeyr
laͤßt, mit feinen Zeitalter gleichen Schritt zu halten 3
ec
Was verſteht man aber unter ber Aufklärung? Aufklären Heißt, Licht uͤber etwas verbreiten, was
dunkel iſt, und wendet man dieſe Begriffe auf die menſchlichen Kenntniſſe an, ſo heißt es, die Angele⸗
genheiten der Menſchheit in wiſſenſchaftlicher Hinſicht aufhellen, gründliche Einſichten in dieſelben verbrei⸗ ten, und die einzeln zerſtreueten Kenntniſſe und Be⸗ merkungen in ein Ganzes zuſammenfaſſen. Wer eine Wiſſenſchaft aufzuklaͤren bemuͤht iſt, der ſucht fie durch ·Grundſaͤtze zu begründen, durch vichtige Folgerungen, bie er darqus zieht, zu ’vervolllomms nen und.derfelben durch. Erforſchung des ihr eigene thuͤmlichen Gebietes Gehalt, Wahrheit und Feſtig⸗ eit zu geben. Man bezieht aber. das Aufklären niche allein auf bie Gegenſtaͤnde des Denkens und Erken⸗
nens, fondern man ſagt auch: biefer. oder jener
Menſch ift aufgeklärt, mas verfteht man nun ungen ber Aufklärung eines Menſchen? Ein aufgeklaͤrter
"Mann ift derjenige, ber über alles,. was ift, was ges
fhieht, was er thut oder unterläßt ober. thun und
laſſen fol, ſelbſt denkt, der ſich niemals bloß auf
/
-—
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fremde Einſichten und Urtheile vverlaͤßt, z. fondern fich ſtets nach feiner eigenen Ueberzeugung, welche ein Produkt feiner Selbſtthaͤtigkeit iſt, beſtunmt. Mar verſteht alfo unter der Aufklärung nit allein eine richtige geimdfiche Einſicht in. die Natur der Dinge, fondern auch bie. Fertigkeit, ſelbſt zu denken. Sie ift Daher doppelter Art; man bezieht fie:entweber auf den Inhalt oder auf bie Form bes Denkens und Ers kennens, und. e8 giebt alfo eine materielle und eine _ formelle Aufklärung. Wer ſich in allen Dingen feie ne Denkkraft ſelbſtthaͤtig bedient, und wer alles nad) eigener Einficht beurtheilt, . ber denke in: formeller Hinſicht aufgefläre. Diefe Art won Aufklärung ift der Ausgang aus der ſelbſt verfchuldsten Unmuͤndig⸗ keit; felbft verſchuldet iſt dieſe, weib wir fie verlaſſen ſollen, indem ſie ein Hinderniß einer vollkommenen Pflichterfuͤllung iſt. Wer Hingegen uͤber Die Dinge ſo urtheilt, wie: es ihre Beſchaffenheit erfodert, und wer fie nach eigener Einſicht bearbeitet, der ift in:
materieller Hinſicht aufgeklaͤt. Es kann daher
jemand. in irgend einer Wiſſenſchaft z. B. is der Ma⸗
thematik, in der Theologie, aufgeklärt und einſichts⸗
voll feyn, und über. die andern Wiffenfchaften voller Vorurtheile entfcheiden, und alles glaubig annehmen, was er barüber vernimmt, und ohne weiter ben Grund deffelben. zu prüfen. — Beide Arten von Auf ktaͤrungen duͤrfen nicht von einander getrennt werden, wenn wir nicht entweder mit leeren Gedanken ſpielen, oder von Aberglauben und Vorurtheilen geaͤffet wer⸗ ben wollen; wir müffen nicht allein in allen Dingen unfern Berftand und unfere Vernunft felbftrhätig
Brauchen, ſondern auch nach einer vollſtaͤndigen und
rue
+
grůndlichen Einſicht in die Gegenftände und in bie. ‚Handlungen ber Menfchen ringen. Die Entdeckun⸗
gen und Fortfchritte in den Wiffenfchaften müffen
fiets an uns ein empfängliches Gemüthe finden, wie muͤſſen fie eifrig fenndn zu lernen ſtreben, fie unters
fuchen und. prüfen. Jede neue oder ungewöhnliche Meinung müffen wir unferer Beurtheilung abfichelich - unterwerfen. Allein nie Darf ung bie Marime bederr-
fhen, das Neue oder das Alte anzunehmen oder zu vermwerfen, weil es Neu oder Ale ift, fondern unfe -
fieter Grundfaß muß feyn, bloß das Wahre, das
—
aber bloß durch eine ſcharfe und unpartheiiſche Unter⸗
ſuchung und Pruͤfung zu Tage gefoͤrdert wird, in unſer
Gedankenſyſtem aufzunehmen, und das Falſche, das eben diefe Probe aushalten muß, zu verwerfen. Das Meue ift nicht immer wahr, und das Alte nicht im⸗ ‚mer falfch; es ift Daher Forſchen und Prüfen noͤthig: denn unfere Meinungen haben nur dadurch wahren Werth und. wirflihen Gewinn für uns, ‚wenn fie durch Selbſtdenken gewonnen werden.
Allein welche v von diefen beiden Arten von Auf J
klaͤrung hat den Vorzug vor der Andern? So lange man keine Materialien eingeſammelt, haben die Ge⸗ danken keinen Gehalt, und ſo lange man keine Fer⸗
tigkeit im Denken errungen hat, haben die Gegen- ſtaͤnde keine Bedeutung und feinen Sinn. Die. macterielle und formelle: Aufklaͤrung muͤſſen alſo in
‚einem Subjekte mit einander vereinigt ſeyn, wenn es
wahrhaft aufgeklärt feyn will. In Ruͤckſicht auf die
Gedanken und ihren inhalt darf alfo Feine. der an⸗ dern vorgezogen werden, allein in Bezug auf das
’
— z28 x 1
| Mordliſche verdient die formelle Aufklaͤrung per Vor⸗ zug vor der materiellen, weil der Selbſtdenker ſeine Pflichten und Rechte am genaueſten zu erkennen im Stande iſt, und beiden am beſten Gnuͤge leiſten kann, wenn er will. Der Wille aber iſt ein Erbgut des | Einfihtsvollen und des Unwiſſ enden, und dieſer kann eben ſo tugendhaft werden als jener, weil Tugend ein Produkt des guten und beharrlichen freien Willens iſt. Der moraliſche Vorzug, der alſo der formellen vor
der materiellen Aufklärung zukommt, leiter. Daher bloß
zu der Verbindlichkeit, daß biefe jener untergeordnet werde, und daß man erft felbfidenfen lerne und dann Kenntniſſe einſammle, oder "daß man flets durch biefe jenes zu erfämpfen ftrebe, und daß alfo die . intellektuelle Mundigkeir beim Lernen das Hoͤchne fen
Wie macht man ſch nun geſchickt und fabig, mit ſeinem Zeitalter in der Aufklaͤrung immer gleichen Schritt zu halten? Unser dieſem Fortſchreiten wird kein Nachbeten, fondern ein felbfichätiges Aufnehmen und Bearbeiten von Materialien und ein durch Selbſtdenken geleitetes Billigen oder Verwerfen der - Meinungen’ unferer Zeitgenoſſen verſtanden. Das Erfte, was wir zur Erreichung bes Zweckes eines fieten Fortſchreitens in der formellen und materiellen Auffldrung thun müffen, ift, daß wir uns ein empfaͤngliches Gemuͤth verfchaffen, welches allerlei Eindruͤcke in fich' aufzunehmen geneigt und fähig iſt. Die Reizbarkeit der Sinne muß daher ſtets erhoͤhet werden, damit die Gegenſtaͤnde die Aufmerkſamkeit des Geiſtes an ſich ziehen und das Gemuͤth tief er⸗ ſhitzern. Die Sinne fuͤhren dem Verſtande t —
| 39. I. — bei di die Vorſtellungen, die m man Sat,
) nicht etwa widerfprechen, bei jenen.
man auf den Gegenſtand ſelbſt Ruͤckſicht
eſucht, mas in ihm enthalten ift. Zu allem.
‚nen find daher Anfchauungen (wirkliche Objekte) vo Begriffe (Eigenſchaften, die man von den Ges, genfländen in der Wirklichkeit ausſagt) noͤthig. An⸗ ſchauungen ſi nd Borftellungen, welche ſich unnittele bar. auf den Gegenftand beziehen und uns ‚denfelber unmittelbar vorhalten. Nun giebt es zwei Arten von Anfchauungen (unmittelbare Vorſtellungen), in». nere und äußere. Die Gegenftände des menfchlichen Erkennens fi find Daher entweber Gefühle, Empfinduns gen, Gedanken ober Objekte, und Die. Vermoͤgen, die das Erkennen möglich machen, find die Sinnlichs keit und der Verftand. Welches find nun die um - · fprlinglichen Geſetze des Erkennens? Wenn man nah ben urfprünglichen Gefeßen der menfchlichen Anlagen . fragt, fo will man die urfprunglichen Handlungsweis fen derfelben wiſſen, und da eg nur eine Art giebt, wie man etwas erfennen fann, nämlich durch Ber , . ziehung der Begriffe vermigtelft der Einbildungskraft “auf Anfchauungen, fo giebt es auch nur ein. urfprüngs _ liches Gefeß des Erkennens, welches pofitio ausges .. drücke folgendermaßen lautet: was erfannt wer, den foll, muß fih anfhauen laffen, und negativ: was nicht anfıhaubar if, fann auch nicht erfannt werden. Alle Anfchauung ift nur finnfih, daher ift alles Unfinnliche nicht ers kennbar. Gott und die menfchlihe Seele fünnen _ nicht erkannt werden, hingegen ift alles, was fich im Raume und in der Zeit darſtellen laͤßt, erkeunbar.
— 7 —
ſeyn kann, und dieſer kann niemals von demfelben
abweichen, fo, lange er Verſtand ift. Sie find: bie
formellen) Kriterien der Richtigkeit des Gedachten
und der Beweis, daß man auch die urſpruͤnglichen Verhaͤltniſſe, -in welchen. ein Gegenſtand betrachtet werden kann, erſchoͤpft hat, allein es iſt nicht allemal noͤthig, daß man jeden Gegenſtand nach allen zwoͤlf
Urtheilsformen durchgehe, um zu ſehen, ob man auch
richtig geurtheilt, und ob man die Verhaͤltniſſe
eines Gegenſtandes völlig: erſchoͤpft hat, weil man
beim Unterſuchen von etwas ſelten das formell Rich⸗ tige und Vollſtaͤndige verfehlt, und weil zu einer voll
ſtaͤndigen und vollkommenen Erkenntniß eines Gegen⸗
8
a J ſtandes noch weit mehr noͤthig iſt. Ne,
Durch das bloße Denken eines Gegenſtandes wird in Anſehung unſerer Einſicht in denſelben nicht viei gewonnen; wir muͤſſen über Das bloße Denken hinaus gehen und benfelben felbft kennen lernen. Das Kennenlernen gefehieht Durch das Erkennen, allein
was verfieht man unter diefem? Wenn man einen
Gegenftand angefchauer und gedacht und den Bes
geiff, den man durch das Denken erhalten hat, wies
der mit der Anfchauung verbinder, fo erkennt man dens
ſelben. Ich fihaue 5. DB. etwas an,. allein fo lange
ich bloß dies thue, ſteht der Gegenſtand nur dunkel
vor mir; fo bald ich aber diefe Anfıhauung im Bes wußtſeyn durch den Verſtand zu einem Begriff ers bebe, und diefen auf den Gegenfland anwende, fo febe ih, daß er z. B. ein Baum ift, daß er grün if, daß er Früchte traͤgt u. fm. Das Erfennen unters ſcheidet ſich alſo von dem Denen dadurch, deß man
= 339, - — bei dieſemn bloß auf die Vorſtellungen, die man Sat, | ſieht, ob fie fich nicht etwa widerfprechen, bei jenem. aber ninme man auf den Gegenſtand felbft Ruͤckſicht und unterſucht, was in ihm enthalten iſt. Zu allem Erkennen ſind daher Anſchauungen (wirkliche Objekte) und Begriffe (Eigenſchaften, die man von den Ge⸗ genſtaͤnden in der Wirklichkeit ausſagt) noͤthig. An⸗ ſchauungen find Vorſtellungen, welche ſich unmittel⸗ dar auf den Gegenſtand beziehen und uns ‚denfelben unmittelbar vorhalten. Nun giebt .es’ zwei Arten von Anſchauungen (unmittelbare Vorſtellungen), in⸗ nere und aͤußere. Die Gegenſtaͤnde des menſchlichen Erkennens ſi ſind daher entweder Gefuͤhle, Empfindun⸗ gen, Gedanken oder Objekte, und die Vermoͤgen, die das Erkennen moͤglich machen, ſind die Sinnlich⸗ keit und ber Verſtand. Welches find nun die ur⸗ ſpruͤnglichen Geſetze des Erkennens? Wenn man nach den urſpruͤnglichen Geſetzen der menſchlichen Anlagen fragt, fo will man die urſpruͤnglichen Handlungsmweis . fen derfelben willen, und da eg nur eine Are giebt, wie man etwas erfennen kann, naͤmlich durch Be⸗ giehung der Begriffe vermittelt der Einbildungsfraft “auf Anfchauungen, fo giebt es auch nur ein urfprüngs _ liches Gefeß des Erkennens, welches poſitiv ausge⸗ drücke folgendermaßen lautet: was erfannt wers , den foll, muß fih anſchauen laffen, und negativ: was nicht anfhaubar if, kann aud nicht erfannt werden. Alle Anfhauung ift nur ſi nnfich, daher ift altes Unfinnliche nicht ers kennbar. Gott und die menfchlihe Seele koͤnnen nicht erkannt werden, hingegen iſt alles, was ſich im Raume und in der Zeit darſtellen laͤßt, erlennbar.
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seine, Mathematik) u. ſ. mw. find. Gegenftänbe a priorifcher Erfenntniffe. : Alles ‚hingegen, was ‚gelernt und durch äußere und innere Eindrücke in ber - Empfindung gefanne feyn will, z. B. pragmatifche Anthropologie,. pofitive Zurisprudenz, pofitive Theg⸗
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logie, Erfahrungsfeelenlehre, Arzeneikunde “en 19
liefert Stoffe zu a pofteriorifchen Ertenntniffer.
u Erkenntniſe a priori ſi ſind fuͤr jedermann aikig, weil ihr Inhalt in den urfprünglichen Handlungswei⸗
fen des menfchlichen Geiftes und.in unmittelbar dar u
aus gefolgerten Säßen befteht, und alfo Nothwen⸗ digkeit und Allgemeinheit im Urtheilen bei ſich führe; Erkenntniſſe a pofteriori aber können auf feine folche
Gewißheit und Allgemeinheit Anfpruch machen, weil | J
ihr Stoff zufällig iſt, Die daruͤber zu faͤllenden Urtheil⸗
unſicher ſind, und viele Faͤlle, die in der Erfahrung. | vorfommen,, immer noch fein Urepeil, zulaflen, DaB
das y was jeßt geſchieht oder ſi ch ereignet, onmu ar ſchehen ober ſich ereignen werde. en
Außerdem ‚giebe es noch Osfege des. Denfeng
und Erfennens, die zwar nicht a priorj fi find „weil ſie bloß comparative Allgemeinheit haben, aber doch
auch eben deshalb nicht gaͤnzlich a pofteriori find.
Dies find die Aſſociationsgeſetze, wo man VPorſtel⸗ lungen vermittelſt der Einbildungskraft entweder nah ihrer Gleichzeitigkeit oder nach ihrem Beiſgmmen⸗ ſeyn im Raume, oder nach ihrer Urſachlichkeit, oder
nach ihrer Aehnlichkeit und Gleichheit verbindet. Dieſes Verbinden geſchieht ganz, unwillkuͤhrlich unſ wird vermittelſ der Anwendung ——*
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va alles Erkennen ein Beziehen eines Begriffes ii die Einbildungskraft auf eine Anfchauung ift, fo kaͤnn das Objekt dieſer entweder die Bedingungen’ aller Erfahrung ausdruͤcken, oder aus der Erfahrung ſelbſt hergenommen feyn; man kann alfo etwas a priori (or aller Erfahrung) oder a pofteriori (in und durch ‚bie Erfahrung) erfennen, je nachdem das Objekt des Erkennens entweder eine Bedingung des Dentens, Erkennens, Handelns und Empfindens, ober bie Gegenſtaͤnde , die zum Denken, Erkennen, Handeln
und Einpfinden gegeben werden, darſtelt.
Wie anterſcheidet ſich aber dasjenige, was man dutch die Erfahrung fernen kann, von dem, was man vor der Erfahrung wiſſen kann? Die Verſchie⸗ denheit des Stoffes bewirkt eine Verſchiedenheit der Erkenntnißart. Was durch aͤußere oder innere Ein⸗ drlicke in der Empfindung gegeben wird, iſt ein Ge genſtand der Erfahrung, was hingegen die Bedin⸗ gang, daß etwas im menſchlichen Gemuͤthe erfahren «werden kann, und was alfo die urfprünglichen: Ge- feße der menfchlichen Anlagen und Kräfte und das⸗
jehige, mas ſich unmitrelbar aus denſelben ergiebt, ausmacht, iſt fein Gegenftand der Erfahrung, fons dern ein Stoff zu einer a priorifchen Erkenntniß. Die _ Bedingungen bes Denkens, Erfennens, Handelns und Empfindens und alfo ihre Geſetze und die Wifs fenfchaften, wozu fie den Inhalt hergeben und welche den Gehalt diefer Vermögen entiveder jedes einzel⸗
nen insbeſondere oder mehrerer in ihrer Zuſammen⸗
wirkung aufſtellen, z. B. die Logik, Metaphyſik, die Moral, die Rechtelehre,t die reine Anfigauungslehre
(reine. Macthematik) u. ſ. w. find. Gegenſtaͤnde a prioriſcher Erkenntniſſe. Alles hingegen, was
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‚gelernt und durch äußere und innere Eindrüde in ber Empfindung. gefanne feyn will, z. B. pragmatifche Anthropofogie,. pofitive Jurisprudenz, pofitive They⸗
logie, Erfahrungsfeelenlehre, Arzeneikunde as.f; Br |
liefert Stoffe zu a pofteriorifigen Erfenneniflen . _
Erkenntniſſe a priori ſind fuͤr jebermaun allg,
weil ihr Inhalt in den urſpruͤnglichen Handlungswei⸗
ſen des menſchlichen Geiſtes und in unmittelbar dar⸗ u
aus gefolgerten Sägen beſteht, und alfo Nothwen⸗ digkeit und Allgemeinheit im Urtheilen bei ſi ch fuͤhrt;
Erkenntniſſe a poſteriori aber koͤnnen auf keine ſolche
Gewißheit und Allgemeinheit Anſpruch machen, weil
ihr Stoff zufällig iſt, die darlıber zu fällenden Urtheile
unficher find, und viele Fälle, die in der Erfahrung.
‚vorkommen, immer noch Fein Urtheil, zulaſſen, daß
das, was jetzt geſchieht oder ſi h ereignet, Puma ſchehen oder ſich ereignen werde.
Außerdem giebt es noch Osfege des. Denkens und Erfennens, die zwar nicht a priorj find, weil ſie
bloß ‚ comparative Allgemeinheit haben, - aber. doch
auch eben deshalb nicht gänzlich a pofteriori find. Dies find die Affociationsgefeße, wo man Vorſteb
. Jungen vermittelft Der Einbildungskraft entweder nd ihrer Gleichzeitigkeit ,oder nach ihrem Beiſgmmen⸗ ſeyn im Raume, oder nach ihrer Urſachlichkeit, oder
nach ihrer Aehnlichkeit und Gleichheit verbindet. Dieſes Verbinden geſchieht ganz, unwillkuͤhrlich— up wird vermittelſ der Anwendung ——*21*
338 —
ſeyn kann, und dieſer kann niemals von demſelben
abweichen, ſo, lange er Verſtand iſt. Sie ſind die (formellen) Kriterien der Richtigkeit des Gedachten
und der Beweis, daß man auch dje urſpruͤnglichen
Verhaͤltniſſe, in welchen. ein Gegenftand betrachtet werben kann, erfchöpft hat, allein es ift niche allemal noͤthig, daß man jeden Gegenftand nach allen zwoͤlf
Urtheilsformen durchgehe, um zu ſehen, ob man auch
richtig geurtheilt, und ob man die Verhaͤltniſſe
"eines Gegenſtandes voͤllig erſchoͤpft hat, weil man
beim Unterſuchen von etwas ſelten das formell Rich⸗ tige und Vollſtaͤndige verfehlt, und weil zu einer volle
ſtaͤndigen und vollfommenen Erkenntniß eines Gegen⸗
ſtandes noch weit mehr noͤthig ſt.
Durch das bloße Denken eines Gegenſtandes |
wird in Anfehung unferer. Einfiche in denfelben nicht
uiel gewonnen; wir müffen über: das bloße Denken hinaus gehen und denſelben ſelbſt kennen lernen. Da⸗ Kennenlernen geſchieht Durch das Erkennen, Allein
was verſteht man unter dieſem? Wenn man einen
Gegenſtand angeſchauet und gedacht und den Bes griff, den man dur) das Denken erhalten bat, wies
der mit der Anfchauung verbinder, fo erkennt man bens ſelben. Sch fihaue 5. DB. etwas an, allein fo lange ich bloß dies thue, ſteht der Gegenftand nur dunkel vor mir; fo bald ich aber biefe Anſchauung i im Bes
wußtſeyn durch den Verftand zu einem Begriff ers bebe, und diefen auf ben Gegenſtand anwende, fo febe ih, daß er z. B. ein Baum iſt, daß er grün if,
daß er Früchte traͤgt u. ſ. w. Das Erkennen unter⸗
(ride ſich alfo von bem Denten daburch— daß man
7
‚werden foll, darf fih nicht im Begriffe,
— 342 *
"Bertandesgefehe, z. B. des Geſetzes der Eaufalicäe, ‚auf den Raum und die Zeit, und auf das Aehnliche ‘und Gleiche durch Huͤlfe der Einbildungsfraft bes - wirkt. Das Aehnliche erweckt das Aehnliche, und dieſes unwillkuͤhrliche Zuſtroͤmen von Vorſtellungen erleichtert gar trefflich das Denken, und wenn wir "uns von demſelben nicht unterjochen laſſen, ſo koͤnnen
wir reichlichen Gewinn für unſere Arbeiten davon
siegen.
Ein abgeleitete Denfgefig iſt der Sof des
Widerſpruchs und ber Einftimmigfeit ‚ der aber eine durchgängige Allgemeinheit und’ Nothwendigkeit hat,
weil er nichts weiter ausdruͤckt, als das Denken in
formeller Hinſicht. Er muß ſich ableiten laſſen, weil er die urſpruͤngliche Handlungsweiſe des Verſtandes
ſchon vorausſetzt; denn man muß erſt wiſſen, daß
und wie man denkt, ehe man beſtimmen kann, nach
welchen Geſetzen man beim Denken verfaͤhrt. Er. iſt der erſte Grundſatz der Wiſſenſchaft des formellen Denkens ‚ und kann als Satz des Widerſpruchs fol⸗
Rd
gender Geftalt ausgedruͤckt werden: was gedacht
"widerfptehen und alfo ſelbſt vernichten,
dermaßen: Vorſtellungen, die mit einander. Verbunden‘ werden follen, müffen mit
einander übereinftimmen. Diefe beiden Säge
fehen bloß auf das Formelle und nicht auf das Mas
rerielle der Gedanken; und beflimmen bloß das Denk
bare, aber nicht das Erfennbare,
und ala Sag der Einſtimmigkeit lauter er folgen .
. . ‘ ‘, a — ® \ , I: ' oe
Der Berftand iR. aber nicht das einige Ver⸗ moͤgen, welches die Denkkraft ausmacht ‚ fondern zu
dieſer gehoͤrt auch noch die Vernunft. Inwieferne
N
bat nun dieſe urſpruͤngliche Denk » und Erfenneniß-
ger der Vernunft äußert fih dadurch, daß fie alles Bedingte zum Unbebingten erhebt, daß fie zu allem Vorhandenen bie erfte Urfache auffucht, und- alfo alles, was fie bearbeitee, zur unbedingten Einheit ſteigert. Nun kann fie entweder die unbedingte Eins heit der geiftigen Wirfungen in ung oder afler-Objefte
als Erfcheinungen oder aller Objekte als Gegenftände
bes Denfens überhaupt auffuchen und beftimmen,
Es giebt alfo drei verfchiedene Einheiten, welche eben
ſo viele uefprungliche Handlungsweiſen vorausſetzen, die ſi ch an den Leitfaden der drei verſchiedenen Schluß⸗ arten, wodurch ſich die Thaͤtigkeit der Vernunft aͤuſ⸗
ſert, aufſuchen laſſen. Es giebt cathegoriſche, hypo⸗
thetiſche und disjunktive Vernunftſchluͤſſe, welche auf drei urſpruͤngliche Arten thaͤtig zu ſeyn hinweiſen,
und die drei der Form und Materie nach aus der Vernunft entfpringenden Ideen charakteriſiren. Allein da wir bier bloß die uefprünglichen Denkge⸗
ſetze aufſuchen, ſo brauchen wir die Ideen der Ver⸗ nunft nicht naͤher zu unterſuchen, ſondern wir haben bloß zu beſtimmen, was die Vernunft beim Denken thut, und / welchen Grundſatz ſie dabei befolgt. Sie
erhaͤlt den Stoff ihrer Thaͤtigkeit von dem Verſtande,
und da dieſer bloß Begriffe und Urtheile bildet, ſo
⸗
gefetze? Als eine beſondere Anlage muß ſie auch eine: beſondere Handlungsmweife haben, , welche, fo bald fie in Begriffen aufgefaße wird, die ihr eigenehümse . lichen Geſetze ausdrückt. Der urfprüngliche Charaks ,
I 344 —
hat ſie biefe noch zu .einer bohern Einheit zu verbin⸗ ben, als die Verſtandeseinheit iſt. Der Grundſatz, den fie dabei befolgt, ift folgender: alles Ge⸗— dachte läßt fih zur unbedingten Einheit erheben. Und aus dieſem Sage läßt fih in Anz ſehung alles Denkens und Ertennens folgender Grundſatz ableiten; alles, was gedaht und erfannt werden kann, muß einen hinreis handen Grund haben; nichts. aber hat
. einen binreichenden Grund, was nich
bis zur unbedingten Einheit geſteigert worden iſt. Mun vermehrt dieſes Geſetz zwar unſere Erkenntniß von den Gegenſtaͤnden nicht, wie dies die Vernunft uͤberhaupt nicht kann, weil fie nicht unmittelbar auf Anfchauungen geht, allein es noͤthigt doch den Verſtand, bei dem Erkannten, das . noch nicht hinreichend begruͤndet iſt, nicht ſtill zu
ſtehen, ſondern in ſeinem Forſchen weiter fortzugehen. Es giebt alſo kein Erkenntnißgeſetz der Vernunft, weil überhaupt durch Vernunft feine Erkenntniß moͤglich iſt, indem der Gegenſtand dieſer allezeit durch den Verſtand bedingt und es niemals ein Er⸗ kenntniß geben kann, welches nicht ein Produkt der Sinnlichkeit und des Verſtandes ſey, ob es gleich wohl Gedanken geben kann, die Vernunftideen auss drüden, ‚und es alfo Denfgefege.der Vernunft geben muß, welche aber immer bloß logiſchen Werth be⸗ halten.
Allein. wenn man auch alle Geſetze des Denkens und Erkennens genau kennt, ſo hat man doch immer noch nicht v viel fuͤr ſeine Kenntniſſe gewonnen; Man
*
—
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weiß bloß, was gedacht und erkannt und was nicht
gedacht und erkannt werden kann. Sollen dieſe Geſetze für uns fruchtbar werden, fo muͤſſen mir fie auf Gegenftände der Erfahrung anwenden, mo es ein unermeßliches Feld zu bearbeiten giebf, auf . welchem ber Menſch, der feine Anlagen und Kräfte, - ihre Öefeße und die Grenzen der Anwendbarfeit ders felben kennt, veichliche Fruͤchte einfammeln ‚ann. . Alle &efeße find leere Formeln, ſo lange ſie nicht auf ſolche ihnen eigenthuͤmlich zu bearbeiten gegebene
egenſtaͤnde angewandt werden. In der Erfah⸗ rung und durch die Erfahrung kann ſich der Menſch
bereichern; daher muß er ſtets Erſcheinungen beob⸗
achten und ihre mannichfaltigen Geſtalten ſtudiren.
XXVI. Capitel.
Ueber den Unterſchied zwiſchen den hiſtori—
ſchen und den philoſophiſchen Wiſſenſchaf— ten, und über das Wahre in Beiden.
—
Zwei: Objekte find es, mit denen fich der Menfch in feinem Nachdenken befchäftigen kann, entweder mit Dingen . außer fih oder mit Erfcheinungen in ſich. Bei jenen wird ihm der Stoff (der Inhalt ſeines Denkens) gegeben, bei dieſen muß er ihn ſelbſt her⸗ vorbringen; jene machen einen unwillkuͤhrlichen Ein«
druck auf ihn, dieſe muß er durch freie Selbſtthaͤtig⸗
keit ans Licht rufen. Dieſer Unterſchied, wie er den Stoff von ‚beiden erhält, macht auch) ben Haupt
ge — | unterfhieb in den Wiſſenſchaften aus, die ſich ent⸗
—weder mit etwas, ſchon ohne unſere Willkühr, Vor⸗
handenem oder mit etwas durch unſere Thaͤtigkeit Hervorgebrachtem befchäftigen. Der gegebene Stoff zeigt etwas ſchon Geſchehenes, der Hervorgebrachte etwas noch Selbſtthaͤtiges an. Jener macht das Objekt der Geſchichte, dieſer das Dit der Philo⸗ ſophie aus.
Geſchichte und Philoſophie umfaſſen alſo alle Zweige des menſchlichen Wiſſens, und machen die Gegenſtaͤnde alles Erkennens aus. Die Geſchichte
erzaͤhlt was geſchehen Rt, die Philoſophie unterſucht die Gruͤnde und Urſachen des Geſchehens, jene be⸗ ſchaͤftigt ſich mit der Vergangenheit, dieſe mit der Gegenwart. Was im Menſchen da geweſen iſt, fälle der Geſchichte anheim, z. B. feine ehemaligen - Meinungen; was er aber burch Freiheit und Selbſt⸗ thaͤtigkeit hervorbringt, ‚ nimme die Philoſophie in
Beſchlag.
Bas kann man-min unter Gefchichte verftehen ? Da fie ihre Bemühungen auf einen ſchon vorhanbe- ven Gegenſtand einfchranft, fo ift fie eine wiflen« . fchaftlihe Kenntnig von dem, was ber Menſch ges than, gedacht und erfannt hat, und welche Begeben⸗ heiten ſich in der Natur ereignet haben. Willens ſchaftlich muß fie ſeyn, denn man will die Erfcheinuns gen nicht einzeln und abgeriffen, fondern verbunden und nach ihren Gründen und Folgen an einander gereihet haben, wenn man das wiſſen will, was ger ſchehen if. Sie ordnet daher ben Stoff nah
realen Gehalt Haben, denn fonft würden ſie den Stoff
a 347 - Regeln, welche die Kette find, die das Ganze zuſam⸗ menhält.. - Diefe Regeln aber haben bloß einen logi«
fhen Werth, "weil nach ihnen etwas, das fchon da ift, verknuͤpft werden ſoll, und koͤnnen alſo keinen
beſtimmen, welches bloß in den philoſophiſchen Wife fenfchoften der Fall iſt. Wer die Gefchichte der Kuls eur der Menfchheit wiffen will, der will die Art und Weiſe, wie fih die Menfchen ausgebildet, die äußern "Umftände, welche ihre Ausbildung entweder beguͤn⸗ ftige oder gehindert haben, die Irrwege, die fie auf dem großen Sebenspfade gegangen find und die mans cherlei Schickſale, die fie betroffen haben, nad
Grund und Folge kennen lernen. Einzelne That⸗
ſachen ſind keine Geſchichte; es muͤſſen die Begeben⸗ heiten an einander gekettet und nach der Natur der Suche mit einander verknuͤpft ſeyn, wenn fie dieſen Namen verdienen wollen. Hiſtoriſche Wiſſenſchaf⸗ ten ſind alſo alle diejenigen, welche einen gegebenen und ſchon vorhandenen Stoff zu bearbeiten haben. ofltive Jurisprudenz, pofitive Theologie, Philolo⸗ fe m. gehören in die Öefchichte, und fie muͤſſen eit das Prineip ihrer Veurtheilung aus ſich
„ ſelbſi. ſchoͤpfen.
Die Philoſophie bearbeitet einen Stoff, den
der Menſch waͤhrend des Akts des Bearbeitens aus ſich ſelbſt hervorbringt und ſich alſo denſelben ſelbſt giebt. Sie iſt eine Wiſſenſchaft desjenigen, was der Menſch von Natur iſt, und was er vermoͤge derſel⸗
den ſeyn fol. Sie hat es daher 1) mit der Kenntniß
der urſprůnglichen Anlagen des Menſchen, u mit dem
) N
Safatte, welcher ſich durch ihre Thaͤtigkeiten offen⸗
bart, mit den Geſetzen, nach denen ſie wirken und
mit den Grenzen ihrer Anwendung zu thun; 2) ord⸗ net ſie die durch die verſchiedenen Anlagen bes Men fehen unmittelbar gegebenen Stoffe ſyſtematiſch, und
verbindet fie nach ihrer fpezififchen Verſchiedenheit jeden in ein Ganzes, wodurch die befondern philofes phiſchen Wiffenfchaften eneftehen, welche zeigen, was der Menfh ohne Ruͤckſicht auf die Erfahrung if, und mas er aus ſich machen fol. Jede ſolche il fenfchaft hat, da fie jederzeit einer beſondern Anlage ihre Daſeyn verdankt, ihr eigenthuͤmliches Princip, das nicht allein ihre Form, fondern auch) ihren ns halt beftimme. Alle Prinzipien der pbilofophifchen Wiſſenſchaften haben nicht bloß einen logiſchen (wie in den hiſtoriſchen Wiſſenſchaften), ſondern einen rea: fen Werth; felbft der Grundfaß der Logik hat fin dieſe Wiſſenſchaft einen realen Gehalt: denn durd ihn wird ja beftimme, was in diefelbe gehört und was ihr fremd iſt. Philoſophiſche Wiffenfchaften fint
2°
alle jene Wiffenfchaften, welche die Natur des Denk
und Erkenntniß⸗ ⸗des Empfindungs⸗ und Gefuhl⸗ und Begehrungs⸗ und Willensvermoͤgens ergruͤnden die Geſetze, nach denen fie wirken und die Arc ihr: Wirkſamkeit aufftellen. ° Logik, Metaphyſik, Mi ral, Rechtslehre, reine Naturwiſſenſchaft, Krit des Geſchmacks u. ſ. w. ſind Poitdfeebifhe Willen fchaften, weil fie einen Stoff behandeln, den ſich d Maenſch durch freie Selbſtthaͤtigkeit ſelbſt giebt, u zu erfahren, was er vermoͤge ſeiner Natur iſt ur aus ſich machen ſoll.
= 39 > Diefe beiden Arten von Wiſenſchaften 1 Soßen auch ein verfchiedenes Wahre: denn es kann etwas
philoſophiſch wahr, und doch hiſtoriſch falſch ſeyn. Sie haben alſo beide verſchiedene Kriterien, nach
denen man ihre Wahrheit pruͤft, und ſo bald man
dieſe mit einander vermiſcht, ſo leidet ſo wohl die |
Vervollkommnung der Wiſſenſchaften als auch ihre Wahrheit darunter. Da bie Phipfophie von dem
Menſchen efivas Hervorgebrachtes ift, fo müffen auch
die Regeln und Geſetze, nach denen ihre Wahrheit
beſtimmt wird „ aus der menſchlichen Natur unb
zwar aus der Anlage genommen werden, uus wel⸗
cher eine‘ zu beurtheifende phifofophifche Wiffenfchaft ihrem Inhalte nach entſpringt. Ganz anders aber
"it es mit der Geſchichte; hier muß der Probierſtein "der Wahrheit in der Wiſſenſchaft ſelbſt, deren Stoff ſchon vorhanden iſt, geſucht werden. Die 'hiſtoriſche' Wahrheln iſt bloß eine relative, die philoſophiſche
"aber eine abſolute. Bei jener hat man bloß zu ſehen, R Ay das Faktum oder der Gegenſtand wirklich in der”
n Unterſuchung genommenen Wiſſenſchaft vorhan⸗ den, und ob die Zeugniſſe, die ſein Dafeyn erhärten,
polen Glauben verdienen. Und diefen verdient eine- N egebenheit, wenn ber Erzähler die Wahrheit ſagen Bit und kann, und man hat feine Urfadye, ihr
{if enfelben zu verweigern, wenn fie auch ungewößnlich,
ffonderbar und unnatuͤrlich, aber nur nicht fich felbft. hdwiderſprechend iſt. Wenn jemand Wunder als ſinn⸗ ı Yliche Ereigniſſe erzahle, fo ift dies ein Widerſpruch Win Objekte; allein etwas anderes ift, wenn man.
hierbei auf die Perfon des Erzählers ſieht. Dieſer haͤlt jede Begebenheit, deren Urſache ihm nicht ſo
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gleich einleuchtet für. ein übernatätfich. gewirktes Ereigniß, d. h. für ein Wunder und bier wuͤrde mar | ganz verfehre verfahren, und ‚gänzlich das Gebiet der Geſchichte verlaſſen, wenn maͤn uͤber die Wahre heit ſeines Glaubens ſtreiten und ihm dieſelbe ab⸗ ſprechen wollte. Es iſt daher in der Geſchichte eine ſubjektive und eine objektive Wahrheit zu unterſchei⸗ den, jene bezieht ſi ſich auf den Erzaͤhler, dieſe auf das Erzaͤhlte. Bei jener hat man zu unterfuchen, welche “ Meinung. ber Erzähler über die von ihm erwaͤhnte Thatſache über über das von ihm erzählte Ereigniß hegt; bei dieſer laͤßt man ſich angelegen ſeyn, zu er: gründen, ob eine Begebenheit in dem Consert ba Ereigniſſe paßt, ob fie nicht etwa iſolirt daſteht unl alſo gar ‚feinen. wahrſcheinlichen Entftefungsgrun Bat, der fieimie beim Borhergehenden verbinder, o fe gehörig beglaubigte und dem Zeitgeifte gemäß i Was diefe Kriterien aushäft, ift hiſtoriſch wahr, ‚ baffelbe gleich der Philofoph . als folcher noch w Recht in Zweifel zieht, oder gar als gegen die b J kannten Geſetze der Natur und des menſchlichen G ſtes anſtoßend verwirft. Allein der Philoſoph mir ſein Gebiet verfennen‘, wenn er das philofoppil Wahre aüch allein für Hiftorifch wahr gehalten wiſ wollte. Er befände fich in einem eben fo großen In thume, als derjenige, ‚ber Durch die Gefchichte N ſtimmen wollte, was recht und (moralifch) gue i In der Gefchichte kann es manches geben, was nit u abſolut wahr iſt, beſonders iſt Dies mie den Mein: gen der Fall, allein in der Philoſophie ift nur vi jenige wahr, was mit den Gefegen bes Verſtand und der Vernunft ubereinſtimmt und außerdem ai
= og * noch ‚dem. poräefteilteh Gegenftande entſpricht alſo Merkmale enthaͤlt, welche ihren. nd im in
dieſem haben. Dieſe Regel aber giebt erſt das formelfe Kriterium. der Wahrheit der philoſophiſchen
Wiſſenſchaften an und iſt allgemein und nothwendig; bas materielle hingegen wird durch jede befondere pbilofoppifche Wiſſenſchaft und mit ihrem Inhalte
gegeben, und hat wohl in einer beſondern Wiſſen⸗
ſchaft. Allgemeinheit, kaun „aber. nicht auf andere ; Brei der, Philofoppie angewandt werden, In
Anſehung des materiellen Kriteriums der Wahrheit,
f kann etwas in, der einen Wiſſenſchaft wahr ſeyn, was
in der Andern falſch iſt, da aber dieſes Falſche von ſeinem verkehrten Gebrauche herruͤhrt, und überdies .
alle Wahrheif unficher macht, fo muß man fid) hüten, ein materielles Kriserium auf eine Wiff enfchaft. an« zumwenden, in ber es keine Anwendung hat. Nach
jegft Ye, !
mp rx, ol „mas man mir anthut, allein dies geſtattet nicht die
gie Moral, wenn daher jemand jenes Wiedervergel⸗
tungsrecht aus der Moral ableiten und daſſelbe als
puein dieſer eigenthuͤmliches Gebot, aufſtellen mollte, fo — er im Irrthume, und-machte von dem mate⸗
" piellen Kriterium des moralifchen Wahren einen uns f eeichtigen Gebrauch.
ni In den hiſtoriſchen Wiſſenſchaften muͤſſen die
gegenſtinbe , die ihren Inhalt ausmachen, getreu,
aufrichtig und der Natur der Sache gemaͤß darge⸗
en dellt und logiſch richtig an einander gekettet werden:
Die ben philofophifchen hingegen müffen fie nach) einem
m geordnet werden, welches fo wohl ihre Sorm
Ko 3
dem Rechte. darf ich: außer dem Staate alles thun,
—: 348 =.
Snpatte ‚ "welcher ſich durch ihre Thaͤtigkeiten offen: Bart, mit den Geſetzen, nad) denen fie wirfen und mit den Örenzen ihrer Anwendung zu thun; 2) ords net fie die durch die verfehiebenen Anlagen des Men- fehen unmittelbar gegebenen Stoffe ſyſtematiſch, und verbindee fie nach ihrer fpezififchen Verfchiedenpeit jeden in ein Ganzes, wodurch) die befondern philofo: phiſchen Wiſſenſchaften entſtehen, welche zeigen, was der Menſch ohne Kücfiche auf die Erfahrung iſt, und was er aus fich machen fol. Jede folche if fenfchaft hat, da fie jederzeit einer befondern Anlage ihr Daſeyn verdankt, ihr eigenthuͤmliches Princip, das nicht allein ihre Form, ſondern auch ihren ns halt beſtimmt. Alle Prinzipien der. philofophifchen Miffenfchaften haben nicht bloß einen logifchen (wie in den hiſtoriſchen Wiffenfcaften), fondern einen rea⸗
J 38—
fen Werth; felbft der Grundfag der Logik hat für
dieſe Wiffenfchaft einen realen Gehalt: denn burd) ihn wird ja beftimme, was in diefelbe gehört und was ige fremd. iſt. Philoſophiſche Wiffenfchaften find ‚alle jene Wiffenfchaften, welche die Natur des Denk und Erkenntniß⸗ ⸗,des Empfindungs⸗ und Gefuͤhls und Begehrungs⸗ und Willensvermoͤgens ergruͤnden, die Geſetze, nach denen fie wirken und die Art ihren Wirkſamkeit aufftellen. Logik, Metaphyſik, Mo ral, Rechtslehre, reine Natuewiſſenſchaft „Kriti des Geſchmacks u. ſ. w. ſind A Wiffen fchafren, weil fie einen Stoff behandeln, den fich de
. Menfc durch freie Selbſtthaͤtigkeit ſelbſt giebt, un zu erfahren, mas er vermoͤge feiner Natur ift un
aus w machen foll.
— 349 —
Diefe beiden Arten von Wiſſenſchaften haben
auch ein verſchiedenes Wahre: denn es kann etwas philoſophiſch wahr, und doch hiſtoriſch falſch ſeyn. Sie haben alſo beide verſchiedene Kriterien, nach denen man ihre Wahrheit pruͤft, und ſo bald man
dieſe mit einander vermiſcht, ſo leidet ſo wohl die |
Vervoilkommnung der Wiſſenſchaften als auch ihre Wahrheit darunter. Da bie Philoſophie von dem
Menſchen etwas Hervorgebrachtes iſt, fo müffen auch
die Regeln und Geſetze, nad) denen ihre Waprheif
beſtimmt wird, aus der menſchlichen Natur und.
* zwar aus der Anlage genommen werden, aus wel⸗
cher eine zu beurtheilende philoſophiſche Wiffenfhaft
“ ihrem Inhalte nach entfpringe. Ganz anders aber * ift es’ mit der Gefchichte; hier muß der Probierftein "Der Wahrheit in der Wiſſenſchaft ſelbſt, deren Stoff
ſchon vorhanden iſt, geſucht werden. Die hiſtoriſche
Wahrhelt iſt bloß eine relative, die philoſophiſche M aber eine "abfolute. Bei jener hat man bloß zu ſehen, 9 das Faftum oder der Gegenſtand wirklich in der
n Unterfüchung genommenen Wiffenfchaft vorhan⸗ Mr den, und ob die Zeugniſſe, die ſein Dafeyn erhärten, DM yolfen ‚Glauben verdienen. And diefen verdient eine:
OB egebendeit, wenn der Erzähler die Wahrheit ſagen
Ai und kann, und man hat feine Urfadye, ihr dt
enfelben zu verweigern, wenn fie auch ungewößnlich, üſchonderbar und unnatuͤrlich, aber nur nicht fich felbft. 1 iderſprechend iſt. Wenn jemand Wunder als ſinn⸗
tı Pfiche Ereigniffe erzählt, fo ift dies ein Widerſpruch Nm Objekte; allein etwas anderes ift, wenn man. hierbei auf die Perfon des Erzählers ſieht. Dieſer Halt jede Begebenheit, deren Urfache ihm nicht fo
HR.
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f ’
! — 354 =
= aligimeine reine Logik, und zieht man das Erkennen
in Betracht, ſo kann man dieſes entweder an ſich oder in Bezug auf ein Objekt unterſuchen. Im er⸗
ſtern Falle erhält man eine Theorie des. Erkennens;
im zweiten entweder Metaphyſik ober empirifche Pſy⸗
chologie oder praftifche Anthropologie, je nachdem
- der Stoff entweder a priori ober Dur. die Erfahrung . gegeben iſt. Wendet man das Erkennen auf eine
äußere Natur an, mag dies nun die bloße Form ber äußern :oder innern Anſchauung, oder bie. Gegen⸗
- fände, die nothwendig in derſelben enthalten find,
betreffen, fo entſteht reine Mathematik und reine Naturwiſſenſchaft. Alles dieſes find. Wiſſenſchaften, welche ſich bloß mit dem Erkennen abgeben, und welche entweder die Geſetze deſſelben aufſtellen oder die Anwendung derſelben lehren; ſie machen insge⸗
ſammt Theile der theoretiſchen Philoſophie aus.
Allein nun fragt es ſich, ob durch dieſe Wiſſenſchaften alle Zweige der theoretiſchen Philoſophie aufgeſtellt
ſind, und 'wodurch man ſich der Voellſtaͤndigkeit ders ſelben verſichern kann? Da alles theoretiſche Willen ſſich auf Die Geſetzgebung des Verſtandes gründet und
dieſe entweder fir die Objefte des innern ober bes äußern: Sinnes, welche Gegenflände bes Erfennens ausmachen, Geſetze giebt, fo darf man nur bemweifen,
dab alle urfprüunglichen .Wirfungsarten, beren ber
Menſch als ein erfennendes Weſen fähig ift, aufge foßt ‚find, um die Ueberzeugung zu bewirken, daß
. der Stoff alles wiſſenſchaftlichen Erfennens erschöpft
iſt und alſo alle theoretiſchen Wiſſenſchaften angeges
ben ſind. Der. Stoff dieſer Wiſſenſchaften find ent⸗
weder die Geſebze des Erkennens ſelbſt oder ihre
s N [2
Anwendung, und dieſe kann nun entweder auf duch Erfahrung oder a priori gegebene Gegenſtaͤnde gehen. Jene machen die philoſophiſchen Erfahrungs⸗, dieſe
‚ die reinen, durch Stoffe a priori hervorgebrachten Wiſſenſchaften aus. Nun-Haben wir ſo wohl die Wiſſenſchaften des theoretiſchen Erkenntnißvermoͤ gens als auch die reinen durch Raum⸗ und Zeitver⸗ haͤltniſſe moͤglichen Wiſſenſchaften nebſt den empiri⸗ | fchen, weiche die Zeit zur Form ihres Dafenns haben, ‘ und alſo alle philofophifchen theoretiſchen Wiſen- | ſchaften vollftaͤndig angegeben.
Die braktiſche Philoſophie hat ihren Quell in der praktiſchen Vernunft, welche Geſetze fuͤr den Willen giebt. Dieſe Geſetzgebung kann ſich nun entweder bloß auf unſern Willen in ſeinem Verhaͤlt⸗ niſſe zur praktiſchen Vernunft oder auch auf den Wile-' fen Eines oder Aller zu diefer beziehen: In der erften Hinſicht find Die Geſetze moraliſche, ; in ber an⸗ dern rechtliche. Die moralifche Gefeßgebung föberr, daß unfer Wille mit der praftifchen Vernunft und zwar aus Achtung gegen biefelbe in feinen Marimen , und Entſchluͤſſen uͤbereinſtimme; die rechtliche Geſetz⸗ gebung hingegen macht zwar auch biefe Foderung in Anfehung der Webereinftimmung des Willens an Einen und Alle, allein fie läße die Triebfeder, melde diefe Webereinftiimmung bewirkt, üunbeftimme, mag fie eigennüßig oder ‚uneigennüßig feyn, dies fft in Ans fehung des Rechtes Einerlei, wenn nur der Wille eines jeden allgemeine Geſetzlichkeit hat. Die Ges ſetzgebung, die auf Uebereinftimmung unfers Wil⸗ lens mit der praktiſchen Vernunft aus Achtung gegen
32
| u} u . dieſe dringt, „begründet die Moral, bie Geſetzgebung
bingegen, welche bloß Geſetzlichkeit des Willens Eines und Aller fodert, die Rechtslehre. Die Mo⸗
ral verlangt alſo außer der Allgemeinheit der Marke
men auch Lauterkeit und FR — der Geſinnung, bie Rechtslehre aber bloß Gefeglichfeis der Handlun⸗ gen Aller nad) einem allgemeinen Geſetze.
Werden die Worſchriften der Moral ale Gebot⸗ oder Verbote der Gottheit vorgeñiellt durch welche ſich unfer. Wille aus Ehrfurcht gegen. dieſe zur Aus⸗ führung oder zur Unterlafjung einer Handlung bes ſtimmt, ſo entſteht Religion, und da dieſe einen Vers nunfturſprung bat, fo iſt fie Naturreligion, welche daher ein Theil der praktiſchen Philoſophie iſt. Das Recht drückt allemal ein Verhaͤltniß zur Willkuͤhr Anderer aus, und. fan entweber als bioß durch uns fere oder durch eine öffentliche Vernunft entſtanden angefehen werden, Wird das Verhaͤltniß unferer Willkuühr zur Willkuͤhr Anderer bloß. durch unfere Vernunft beftimmt, fo entſteht Das Privatrecht, eritt aber eine öffentliche Vernunft auf, und beſtimmt nah einem allgemeinen Geſetze dig. Willkuͤhr Des Einen im Verhaͤltniß zur. Willkuͤhr des Andern, fo entſpringt das öffenrlihe Recht. Das Privatrecht begreift Geſetze in fi ch, welche keiner aͤußern Be⸗ kanntmachung beduͤrfen; dies iſt aber nicht der-Zalf mit den Gefeßen des öffenglichen Rechtes, melde uoͤffentlich bekannt gemacht werden müffen, wenn fie “Gültigkeit haben ſollen. Das öffentliche Hecht ber ſtimmt drei Verhäfeniffe, aus denen fih. auch drei verſchiedene Rechtswiſſenſchaften ergeben, 1) das
— 357. 7
FE Stoatsrecht, 2) das Volberreche und das Welt⸗ büuͤrgerrecht. Alle dieſe Wiſſenſchaften ſind Zweige der praktiſchen Philoſophie, weil fie Geſetze für un« fern Willen aufſtellen. Allein der Menſch hat als bandelndes Weſen nicht allein Vernunft, ſondern auch Sinnlichfeit, diefe will eben fo wohl .befriedige
ſeyn als jene. Giebt es nun noch eine praßtifche
Wiſſenſchaft, welche die Gefeße der Sinnlichkeit in Ruͤckſicht ihrer Befriedigung, d. h. des Genufles, aufſtellt? Da Geſetze allgemeine Vorſchriften ſind, welche eine durchgaͤngige Guͤltigkeit haben und wenn ſie befolgt werden, allemal ihren Zwyeck erreichen, bie Sinnlichkeit aber in Anfehung des Genuſſes gar feine Geſetze geſtattet, weil eine Handlung, welche heute ein Mittel der Befriedigung derfelben ift, dies morgen oft nicht mehr ift, indem die Begierden wechfeln, bie Neigungen fich verändern und die Enipfänglichkeit für Genuß bald ſtark bald ſchwach ift, fo Farin’ es keine Wiffenfchaft der Befriedigung der Sinnlichkeit, d. h. der Glückfeligkeit geben, ob wohl Rathfchläge gegeben und Regeln äufgeftelle werden fünnen, wie man es machen muß, wenn nları glüclich ſeyn will; ob es jr daraus noch nicht folge, daß. wir nuns mebro. auch glücklich feyn werden, weil dieg nicht ims mer von ung, fondern von den Umftänden abhängr. Die Klugheit, welche in jedem einzelnen Sal berech⸗ net, welche Folgen eine Handlung haben kann, iſt
in Anfehung der Gluͤckſeligkeit der einzige- Führers
fie läßt aber feine Geſetze zu, und es kann daher auch feine philoſophiſche Wiffenfchaft der Klugheit geben, - Außerdem daß der Menfch ein erfennendes und
handelndes Wefen ift, iſt er auch noch ein fuͤhlendes.
⸗
⸗358 - In wieferne giebt es nun eine Wiſenſchaft der ts fühle? Eine Wiſſenſchaft ſtellt objektive Merkmale auf, welche eñtweder in etwas als einem Gegenſtande des Erfenneng anzutreffen find, oder wie dtwas z. B. in der praftifchen Philoſophie, moͤglich iftz da.nun das Gefühl in jedem Subjekte verfchieden ift, indem es bei demfelben auf Die größere oder geringere Reizbars feit und Einpfänglichfeit anfomme und baffelbe durch äußere und innere Umftände auch. zahllos verfchieden . beftimme wird, fo kann es feine Wiffenfchaft der. Ge⸗ ‚fühle geben, welche unter allen Umſtaͤnden lehrte,
daß diefes oder jenes den Fühlenden durchaus befrie-
digen und alfo fuͤr ihn Wahrheit haben müßte, ob «es wohl eine Kritik von einem Vermögen geben Fan, deſſen Wirkſamkeit fi uns durch Gefühle offenbart. Dies ift die Kritik ber aͤſthetiſchen Urtheilskraft, welche es mit der Unterſuchung bes Gefuͤhls der Luft
und Unluft, des Schönen und Erhabenen in thun bat,
Bir tollen nunmehro bie einzelnen philoſophi⸗ fchen Wilfenfehaften durchgehen, und die Gefeße und Regeln angeben, welche man beobachten muß, wenn - man über fie wahr und richtig urtheifen will. Es ſollen nicht etwa ‚hier die Wiffenfchaften felbft aufge
ſtellt, fondern es foll nur gezeige werben, wie man
verfahren muß, wenn man in ihnen Wahrheit finden |
Witll.
A. Kritik der reinen Vernunft.
Eine Kritik der menſchlichen Anlagen hat in | unterfuchen, was vermoͤge der Natur derſelben ge⸗
[4
359 Zi ſchehen am; welche Geſehe ihnen was den Inhalt ihrer Thaͤtigkeiten welches die Grenzen ſind, die ſie ni duͤrfen, ohne ins Leere zu gerathen, zu verirren. Man kann Jahrtauſend Haben, denn das Philofophiren kuͤndigt 5 als ein Beduͤrfniß des menſchlichen Geifte noch daran gedacht zu Haben, was on wiffen kann, thun fol und hoffen darf, das innere der menfchlichen Natur eingeb fepn, um zu erfahren, was der menfchliche G mag, nach welchen Geſetzen er wirkt, und w ellem Gedachten und Erfannten beiträge. Und | wohl iſt es Eines der wichtigften Gefchäfte, a\ machen, was denn der Ppilofophirende vermöge ner Naturanlagen ausrichten ann, um weber
noch Kräfte auf Erforjchung von —
wenden. Wenn, jemand beweiſen will, daß wi etwas von den Dingen an ich wiflen, daf die Seele
‚als.ein einfaches Weſen unfterblich ſey, daß die Gott⸗ ‚heit ihrem - Daſeyn nach einen Gegenftand des Wiſ⸗ fens ausmache, fe verfenne er feine Kräfte. Wäre ‚er mit den Öefeßen derfelhen und mit den Grenzen | ihrer Anwendbarkeit. bekannt, fo würde er einfehen, .
daß wir ung die Dinge nad) der Art. unfers Denfens
und Erfennens vorftellen, und daß fie folglich in der
Geſtalt erfcheinen muͤſſen, welche das Weſen und bie Matur des Erkenntnißvermoͤgens ausmacht, daß wir nur das Daſeyn von Erſcheinungen beweiſen, und daß einfache Dinge und unendliche Weſen nicht er⸗
ſcheinen koͤnnen, weil die Form aller Erſcheinungen
dieſe zu außer einander und nach einander hefindlichen,
—
In wieferne giebt, erum ende fühle? Eine EL? 2 | Ä
auf, welche eng 8
bes Erkennen!?ö * igenttich Des in der praftif® „ 8 7 he die Abſicht, Gefuͤhl in N — moͤge feiner Er⸗ bei demfelb —* kſeetze und-Grene keit und Eier 5” 05 @ Inhalt fie durch äußere ufö —2 | je geht. alſo von befinde, * Affe von Dingen ‚fühle 942 | | , was barunfer zu daß die, —* moͤglich iſt. Sie digenꝰ⸗ʒ. o | en jedes Vermögen wohle,, | ‚« thut, fondert den LU tigen ab, laͤßt ſich an⸗ Diet | digen Thaͤtigkeit deffels ww. urn „elafge auf diefe Weiſe zur fe 0, dichen Handlungsweife, feiner J v der Letztern und den Grenjen,
Bieffamfeit anerkennen muͤſſen.
a Gegenſtaͤnden tragen die Sinn«
FR BGBGenkkraft bei, und wenn man weiß, mötheile jener bie Sinne und die Eins
A, und Die Beſtandtheile dieſer der Den Uriheilskraft und die Vernunft find, fo-
an bie Vermögen fernen, Deren Art zu wirs ihrem Inhalte und Geſetzen nach, unterfucht ‚gen To, Vede Kritik Ber einzelnen gefeßgebenben serrnögen des Mänfchen muß von der Erfahrung aus⸗ ‚gehen, denn woran wili ſie ſich fonft bei ihren Untet- ſuchungen halten, wenn fie nicht eine Wirkung bat, von der fie bie Urſache auffuchen fol? Thaͤte ſie dies
| \ ” x - . . x 1 “ . . x .
— 2ꝛ
nicht und fußte alſo nicht auf Erfahrungen, ſo koͤnnte ſie ſo viele Vermoͤgen des menſchlichen Geiſtes und Gefetze derſelben erdichten, als man wolle. Auf Wirkungen in ſich muß der Menſch ſich ſtuͤtzen, wenn feine Unterſuchungen über die Natur feines Geiſtes glücklich und fruchtbar ausfallen füllen, und von dert Erfcheinungen muß er zi ihren Urſachen auffleigen, ‚weil er dieſe nur durch jene kennen lernt, indem dieſe
beim Ureheilen bloß eine Denkweiſe feines Verftandes
find und in. bem Objefte, das er unterfucht, gar niche exiſtiren. Ohne Kritif der menfchfichen: Natur fan der Menfeh Feinen- fi chern Tritt im Erkennen ehun, und ohne diefelde weiß er nicht, ob Miffenfhaften, mit denen man fich feit Jahrtauſenden befchäftige hat, znicht leere Traͤumereien find, wie es mit der bisheri⸗ gen Metaphufit ber Hall iſt. Wenn er aber. weiß, was er vermöge feiner Natur im Denken und Erlen · nen ausrichten kann, dann wird er ſowohl nur ges haltreiche Wiſſenſchaften aufſtellen, als auch wiſſen, wie er es anfangen muß, wenn er in feinem Sorten Zuͤcklich ſeyn will
Durch eine Keiiit der reinen Vernunft eofäßrt der.Unterfucher, daß die Sinnlichkeit eine andre Form Art zu fen). als der Verſtand und die Bernunft | hatz daß jene bie Bedingung der Bildung von Ans fhauungen, diefe die Urfache von Begriffen und von Ideen find; dag die Sinnlichkeit allein fein Erfennts niß möglich macht, ſondern daß Hierzu die Denkkraft beitragen muß, und daß überhaupt Feine von beiden
" Anlagen etwas ohne die Andere im Selde Des. Erfens nens ausrichten kann, (denn Anfchanungen find blind,
3a. —
“und 1b Begeilfe leer, wenn .fich nicht beide Vermögen -
einander unterftüßen)," daß ber Menfch tur Erfcheis
| nungen erfennen kann und daß ihm alfo die Erkennt⸗
niß aller überfinnfihen Dinge verfchlöffen iſt; daß fi das Denfen von dem Erkennen unterfcheidee und
daß man fich viele Gegenftände denken, fie aber Dennoch
nicht erfennen kann; daß jebes Vermögen, welches ein Beftandftucf des Erfennens ausmacht, demfelben allein . eigenchümliche Produkte liefert, welche bloß Durch daſſelbe möglih find, und welche feine ur« fprüngliche Art ehätig zu feyn ausdrüden; daß bie Ideen der. Vernunft beim Erfennen bloße logifche Gültigkeit Haben, und daß fie das durch den Ver⸗ ftand als bebingt Gebachte zum Linbedingten fteigern ; daß fie in Hinſicht des Erfennens leer bleiben, und
daß feine Anſchauung ihnen adäquat gegeben werden
kann; daß der Raum die Form der dußern Sinne die Zeit die Form des innern Sinnes, und daß biefe geßtere die Form alles Vorſtellens ift: denn, was uns zum Bewußtſeyn kommen foll, muß auf uns Ein⸗ druck gemacht haben und alles Denken von etwas iſt nur dadurch moͤglich daß daſſelbe den innern Sinn
affizirt.
Die Regeln, die man bei der Arſtellung einer
Kritik des menſchlichen Erkenntnißvermoͤgens beob⸗ achten muß, ſind daher folgende:
1) Man muß von dem Erkennen ausgepen, die Beftandtheile deſſelben genau auffuchen, fie fcharf auffaſſen und nachfehen, wie daſſelbe möglich ift.
3 —
2) Wenn man die Möstichkeie deſſelben auf
gefunden hat, fo muß man die urfprüngfichen Gefege auffuchen, nach welchen jedes der Vermögen, wo⸗ durch ein Erkennen bewirkt wird, thaͤtig iſt.
*
3). Die Auffuchung dieſer Geſetze muß nach
einem Prineip geſchehen, bamit man ſich ihrer Voll⸗
ſtaͤndigkeit verſichert halten kann.
9 Man muß die Grenzen ‚genau beftimmen, innerhalb welcher jedes Vermögen fruchtbar thätig
—
iſt, und über welche hinaus zu gehen ber Tod alles
aͤchten geiftigen Lebens ift. 5) Man muß fehen, in welhem Verhaͤltniſſe
das Erfenntnifvermögen zum Willens - und Ges
füptsvermögen. ſteht.
Wenn man dieſe Kegeln beobachtet und bie
Foberungen erfullt, die fie an den Kritiker der ſpeku-· lativen Vernunft machen, fo kann man ficher feyn,
daß man die Wahrheit niche verfehlt. B. Kritik der praktiſchen Vernunft.
Die Kritik der praftifchen Vernunft unterfuche das Vermögen, das dem Willen Geſetze vorfehreibt, - ind belehrt uns von der Form feiner Thätigkeie, ins --
dem ſie das Geſetz aufftelle, welches dem Willen zur
allgemeinen Richtſchnur dienen fol. Ferner lehrt
fie ung, welche Folgerungen fich aus diefem Geſetze
ergeben, wenn es feinem ganzen Umfange nad) ers
fuͤtlt werden und wenn der Autoritaͤt, mit der es fi im menfihlichen Gemuͤthe anfündige, Genüge ‚ges
r
Ne ”
34 Ä ſchehen ſoll. Die Kegeln, bie man bei Yaffıhung dieſes Geſetzes zu befolgen hat, find folgende: .
1) Man muß von praftifchen (moraliſchen und rechtlichen) Urtheilen aucgehen ‚ und zu ihrer Quelle aufſteigen. u
2) Da fih der Charokter der Vernunfturtheile
. durch Allgemeinheit ankuͤndigt, fo muß die Formel,
wodurch man das Gejeß der praftifchen Vernunft ausdruct, jeden Willen binden und alſo Allgemein⸗ heit haben.
3) Wenn man das Geſetz der braktiſchen Ver⸗
nunft aufgefunden hat, ſo muß man unterſuchen, welche Folgerungen ſich daraus ergeben; man muß
ſein Verhaͤltniß 1) zu unſerm Willen und 2) zu un⸗
ſerer Sinnlichkeit in Betracht ziehen und ſehen, was
noͤthig iſt und alſo vorausgeſetzt werden muß, wenn
es nicht allein uͤberhaupt befolgt, ſondern auch in ſei⸗ nem ganzen Umfange regliſirt werden ſoll.
Man darf nie vergeſſen, daß das Geſeh der praktiſchen Vernunft nicht aufs Erkennen, ſondern bloß aufs Handeln geht, und daß es uns alſo keine
Erkenntniß der uͤberſinnlichen Welt verſchaffen kann.
5) Es muß ſorgfaͤltig angegeben werden, wie ſich die Glaubensgruͤnde für das Daſeyn Gottes und die Unſterblichkeit der menſchlichen Seele von Gruͤn⸗ den des Wiſſens und Meinens unterſcheiden.
* Kr itit der Uetheilskraft. Die Kritik der Urtheilskraft unterſucht die Moͤg⸗
lichteit der Entſtehung des Gefuͤhls des Schoͤnen und
— a65 -
| Erhabenen, und der Zweckmaͤßigkeit der Natur. Das Schöne entſteht dadurch, daß die Einbildungg—
kruft in ihrer freien Thaͤtigkeit des Auſſaſſens mit den
Geſehen des Verſtandes uͤbereinſtimmt, ohne ‚daß
man einen. Begriff zum Grunde legte, der dieſe J
Uebereinſtimmung beſtimmte. Es kuͤndigt fish dieſe burch ein Gefuͤhl der Luft an, welches das Gefuͤhl des Schönen iſt. Das Erhabene verdankt feinen Urs - ſorung der Ohnmacht der Einbildungskraft im Auffaſ⸗ ſen eines Ganzen, und der: Thätigkeit ber Vetnunft, welche ſi ſich durch die Made ihrer Ideen des Ganzen bemeiftere und über allen Widerſtand ſowohl der Größe als. dir Gewalt triuniphiät. Die Zweckmaͤßig⸗ keit der Natur euſteht aus der Thaͤtigkeit her bloßen Vernunft, die einen Begriff von einem Zwecke aus ihren eigenen Mistefn aufſtellt, die Erſcheinungen der
Natur an denſelben haͤlt und fie prüft, Die Regeln,
die man bei diefen Unierſuchungen Sefolgen Fanny . find folgendes
4) Dat Schöne ft ber Ar nach von dem ne habenen verſchieden, indem jenes dem Verſtande, dieſe der Vernunft ſeinen Urſerung verband, x”.
5 Das Schöne und Erhabene iſt ein X des Urtheilens, her durch keinen vorausgehenden Begriff beftimme wird, und Der ein Gefüt bewirkt, welches
angenehm ift. Es ift alfo etwas in uns befindliches, und man fanıt nie ganz ſicher vorausbeſtimmen, ob . in Gegenſtand ſchoͤn ſeyn werde oder nicht, ſo lange man ihn noch nicht an unſer Gemuͤth geholten und durch daſſelb⸗ worobt hat.
—W
= 366 —
3) Das Vermögen, das Schöne und Erhabene in Natur und Kunſt zu beurtheilen, ift der Geſchmack, welcher alfo keine objektiven Prineipien hat, und bie Gegenſtaͤnde feiner Beurtheilung nicht ans Erkennt⸗ niße, fondern ans Gefühlsvermögen hält.
4) Mon muß die Veurtheilung des Schönen "nicht mit der Kraft verwechfeln, welche Gegenſtaͤnde,
die ſchoͤn ſeyn Fönnen, hervorbringt. Dies ift das Genie, und da dies etwas durch Freiheit bewirkt, fo giebt es ein Kunft « und ein Nasurfchönes und Ex dabenes. .
3) Es müflen forgfältig alle Merkmale aufge fucht werden, weiche das Gefühl des am charak⸗ teifiren
6) Es muß der Unterfchieb wiſchen d dem Anges nehmen, Nůhhlichen, Guten und Schoͤnen angegeben
werben,
7) Das Zweckmaͤßige, das man an den Din · gen bemerkt, muß man denſelben nicht objektiv bei⸗ legen, ſondern es bloß als ſubjektiv, als eine beſondere Art, wie wir fie beurtheilen, anſehen.
8) Wir dürfen nicht der Beurtheilung nach Zwecken die Unterſuchung nach Natururſachen auf⸗ opfern, weil nur dieſe Letztere unſere Kenntniſſe der Natur und ihrer Erſcheinungen vermehrt.
D. Logit. Die reine allgemeine Logik hat es mit dem bloßen Derten zu thunz; fie ſieht nicht auf die Nichtigkeit Vhalts des Gedachten, . fondern bloß auf die
1 — 367 Fi j . | ” | ) | Einftimmigkeie der Oeanten. Sie abftrahiet von allem Inhalte uud gruͤndet ich auf den Sag der Eins ſtimmung, nach welchen fie die Begriffe, Uktheile sub Schtafle: pruft. Sie erkennt daher alles fuͤr
richtig, was ſich durch Vorſteilungen mit einander
verbinden laͤßt, und alles fuͤr unrichtig, was ſich im
Begriffe widerſpricht. Als eine beſondere Wiſſen⸗
ſchaft ſtellt fig Pie nothwendigen Regeln auf, welche
beim "bloßen Denken vorkommen und welche ihren
Inhalt ausmachen. Was zur Pruͤfung der bloßen
Form des Gedachten gehoͤrt, nimmt ſie in Beſchlag |
und:entfcheidee über feine Wahrheit. Alles hingegen,
was den Inhalt der Erkenntniſſe, alfo ber Anfehauun
gen, ‚Begriffe und Ideen anbelangt, liegt gaͤnzlich
außer ihrem. Gebiete, weil fie eine Wiflenfchaft der -
bloßen Form’ des Denfens iſt. Es giebt Daher auch
feine angewandte Sogif, s; weil dieſe es mit dem In⸗
halte der Gedanken zu thun hat, welcher entweder
in die enrpiriſche Pſychologie oder in die pragmatiſche
Anthropologie gehoͤrt. Und man macht von der
. $ogiß eine ſehr verfehrte Anwendung, wenn man den.
inhalt der. Behauptungen des Andern durch diefelbe
.
widerlegen will; hierzu find theils andere Grunbjäge, theils Kenntniſſe der: Ark, zu der der Gegenſtand ges
höre, noͤthig. Außerhalb der Wiffenfchafte des . .
bloßen Denkens hat der Grundſatz der Einfimmung
“ einen bloß formalen Gehalt, und vermöge beffelben kann man nur die Einftimmigfeir oder den Wider⸗ ſtreit der Gedanken pruͤfen.
Die bozit zerfaͤllt ale Wiſſenſchaft in zwei Theile, 1) in die allgemeine Elementarlehre und =) in bie
— 3 | — allgemeine Methodenlehte San ſtellt Die mancher⸗ lei verſchiedenen Arten auf, wie Gedanken gebildet werden koͤnnen, uͤnd macht die Begriffe, die Urtheile
und die Schluͤſſe zu dem Gegenſtande, ihrer Beſchaͤf⸗ tigung: dieſe giebt die Merkmale an, welche zur
logiſchen · Vollkommenheit einer Erkenntniß erfoder⸗
lich find, und ſtellt die Foderungen auf,, bie man befriedigen muß, wenn die Behandlung eines Gegen⸗ ſtandes auf ſtrenge Wiſſenſchaftlichkeie. Anſpruch machen will, Die Letztereverlangtalſo/daß ſich jede Wiſſenſchaft auf ein Prineip als auf einen Grund ſtuͤtze, aus dem ſich alle andern Saͤtze dir In der⸗ felben vorkomnien, ſtreugtonſequent abſeiten laſſen, and daß man nichts in: dieſe Wiſſenſchut. aufnehme/
was ihr ftemd, "ober dauslaſſe, was ihr eigen iſt.
Ste nimmt aber bloß das Logiſche jeden Wiſſenſchaft, d. h. die Verbindung und ben Zuſammenhang ber Gedanken “tr Beſchlag, den Inhalt hingegen, der dieſe Wiſſenſchaft ausmacht, muß das derſelben eigenthumliche Princip deſtimmen. „on.
.. Der Werth der togif it weder R aroß, wie man oft geglaubt hat, "weil fie bloß die Form ber Gedanken gi beurtheilen hat, noch iſt dieſe Wiſſen⸗
aft ſo weitlaͤufig, als man ſie noch in manchen Khrbuͤchern ausgefuͤhrt findet. Was mehr als die For der Gedanken, d.h. die Art ünd Weiſe, wie Gedanken gebildet werden, zum Gegenſtande feiner Unterſuchung mache, gehört nicht‘ in’ die Logik, und. da ſie fich mit den bloßen formellen Regeln bes Dens kens beſchaͤftigt, fo iſt fie Fein Gegenftand des erften Unterrichtes in der Philoſophie: denn man muß ſchon
[4
u ſehr ine Denken geube ſeyn und: viele Materialien ein«
geſammelt Haben, wenn der Geiſt an der Befchäftie gung mit der bloßen Form der Gedanken Vergaigen
finden foll. Allein deshalb: darf fie doch nich? ver⸗
| nachlaͤßigt, fondern nur erſt nach einer größeren -
Uebung im Denken betrieben werden: denn ſie iſt zu
allen Wiſſenſchaften ſehr nuͤtzlich, weil fie den Zuſam⸗
menhang der Gedanken zu pruͤfen hat.
E. Tbeorie des Erkenntnißvermoͤgens. Dieſe giebt die Regeln an, welche man befolgen
muß, wenn eine Erkenntniß 1) einen realen Gehalt
und 2) Wahrheit Haben fol, Außer dem Begriffe wird zum Erfennen noch ein Objekt erfodert, auf
welches ſich jener vermittelſt einer Anſchauung beziehe;
nun ift alle Anfchauung des. Menfchen finnlich, Daher iſt Bein überfinnlicher Gegenſtand für ung erfennbar; Was aber von uns erfannt werben fol, muß in dee
Beit oder im Raume als den Formen aller finntichen Anſchauungen vorhanden feyn fünnen; jedes Objekt bes Erfennens ift daher entweder eine Größe oder. eine Veränderung, und mas dieſe Merkmale aus
ſchlaͤgt kann keinen Gegenſtand des Erkennens aus⸗
machen. Keine Kraft iſt erkennbar, ob es wohl ihren.
Wirkung if. Die Objekte ber Sinnenwelt machen daher allein Materialien aller menſchlichen Erkennt⸗ niß aus; alles Uebrige, was außerhalb denſelben liegt, iſt entweder ein Gegenſtand des Glaubens oder des Meinens.
WBei allem Ettennen iſt die Sinnlichkeit nebſt der Denkkraft beſchaftigt, beim Denken hingegen
Kunß au denken. Aa
A D r2 = . . . « ” ’
In
‚- yp - J bloß die Letztere. Jenes geht uͤber das bloße Denken des Objektes hinaus und ſagt Eigenſchaften von bene, ſelben aus, welche nicht in feinem bloßen Bagriffe
: guthalten find. Das Erkennen has es daher mie ſyn⸗ thetiſchen, das Denken aber mit analytiſchen Urthei⸗
"fen zu hun. Durch die Letztern erfährt man bloß, was man fi in einem Begriffe von. einem Gegen⸗ ſtande gedacht hat, durch die Erftern. ſammelt man immer neue Merkmale ein, die man entweder aus der Erfahrung, oder aus Grundſaͤtzen a pfiori hernimmt und fie dem vorgeftellten Objekte beilege.
Wenn man erfahren will, ob man einen Gegen⸗
ſtand erfahnt und zwar richtig erkannt hat, fo muß
mar nachfehen, ob man in feiner Behandlung die
Vebingung alles Erkennens erfüllt hat und ob bie
- Merkmale, die man ihm beilegt, nicht allein ihrer
Form, fondern auch iprem Inhalte nach in demfels ben gegründet find. 1
. F. Metaphyſik.
Metaphyſik iſt die Wiſſenſchaft dee Vernunft ideen, und der Eigenfehaften, die ihnen durch bloße Vernunft beigelege werden koͤnnen. Die Gegen ſtaͤnde, die alfo bie Metaphyſik ausmachen, find 1) ein Ding überhaupt, 2) bie menfchliche Seele, 3) die
Sreiheit und 4) bie Gottheit. - Da abet den Ver⸗ : nunftideen nie eine Anfshauung adäquat hervorges * bracht werden kann, weil fie theils etwas Einfaches, theils etwas Unendliches, theils etwas Exftes bezeich⸗ ‚ ten, fo ift. Die Metaphyſik 1) bloß eine Wiſſenſchaft von Negationen; fie has es mis Gegenſtaͤnden zu
ON
\ +
— 371 —— | chun, denen alle Eigenſchaften , welche aus Ans fchauungsbedingungen und aljo aus. der Möglichkeie, etwas zu erkennen, hergenommen find, abgeſprochen werden. Dieſes Abfprechen aber führt 2) gleichwohl zu Begriffen, . welche etwas Pofitives. bezeichnen, + B. die Gottheit ift nicht durch Raum und Zeit bee ſchraͤnkt, alſo unendlich und uneingefchränft. : Alles dies. aber verhilft uns zu Feiner Erkenntniß des Ges . genftandes felbfi, fondern nur zu Merkmalen, welche die Vernunft einem ſolchen von mihr gedachten Gegen⸗ = ſtande beilegt. \ u
Die Metaphyſik der Natur iſt reine 1 Natutlchee
und die Metaphyſik der Freiheit entweder reine Zus
gend oder reine Rechtslehre, und beide werden, von dem bisher gewöhnlich geweſerien Sorachgebrauche abweichend, ſo genannt.
Die eigentliche Metaphyſik verhilft uns 18 niche wu iefer Kenntniß, ‚fondern beugt, wie die Kritif der Vernunft, größten Theils nur Irrthuͤmern⸗ do MNichts ift ein Gegenftand der Metaphyſik, alswas
durch Vernunft hervorgebracht, und durch Merkmale des Unendlichen und Unbebingten gedacht werden kann.
6G. Mathematit.
Mathen atik iſt die Wiſſenſchaft der Con⸗ | ftruftion der Begriffe, und conftruiren heiße, einen Begriff in der Anfchauung darftellen. Da es num Anfchauungen a priori und a pofteriori giebt, fo zers fälle die Marpematit auch in die reine und in die
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| = sm =
| angewandte. Hier iR die Rede nur von ber Erſtern, welches eine Wiſſenſchaft der Darſtellung eines Be⸗ griffes in einer Anſchauung a priori iſt. Sie bezieht ‚ch entweder auf den Kaum oder auf bie Zeit, und man erhält reine Geometrie und reine Arithmetif. Diefe ſtellt einen Begriff in der reinen Zeit, jene im deinen Raume bar. Es giebt alfo eine reine Groͤßen⸗ and eine reine Zahlenlehre. Sin jener ftellt man Punkte, Linien und Flächen dar, und in dieſer füge man eine Einheit zur Andern hinzu.
—
Gegenflände ber Mathematit ſind alſo bloß Begriffe, welche einer Anſchauung faͤhig ſind; alles hingegen, was keine Anſchauung zulaͤßt, iſt kein Odbjekt der Mathematik. Die eigentliche Philo o⸗ phie, die es mit der Erkenntniß durch bloße Begriffe zu thun hat, kann daher in keiner mathematiſchen Form dargeſtellt werden.
Die Machematit‘, ba fie A auf Anfhauungen fihße, führt die'größte Gewißheit in ihren Ariomen und Poftuläten bei fih, und da fie Die firengfie wife fenfchaftliche Form zulaͤßt, fo ift fie ein treffliches Webungsmittel des ſyſtematiſchen Denfene.
H. Reine Narurlehre
Reine Naturlehre iſt die Wiſſenſchaft, welche zeigt, wie eine Natur in der Anſchauung möglich iſt, und welche "diefelbe alſo gänzlich nad) a prioriſchen Orundfägen, d. h. folhen, die aus: dem menſch⸗ lichen Erkenntnißvermoͤgen hergenommen ſind, con ſtruirt. J
| = 33 De 8 u ve Sie geht von. der Materie aus, welche fie 171 etwas im Raume bewegliches und als den Raum Exr füllendes darſtellt. Die Materie aber als beſtimmte Raumerfuͤllung iſt nur durch die beiden Grundkraͤfte der urſpruͤnglichen Abſtoßung und Anziehung möglich. Alles Bewegliche im Raume ſetzt eine bewegende Kraft voraus und da es nun mechaniſche, organiſche
und thieriſche Kräfte als aͤußere Bewegungen hervor⸗
Dringend.giebt, fo giebt es eine dreifache Nafurwiß
fenfchaft ı).der äußern Natur, 2) bes Ayganismus |
und 3) des shierifchen Organismus. " Die Regeln, die man bei. Beurtheilung der Gegenſtaͤnde berfelhen beobachten muß, ſind 1) daß man jede Erſcheinung aus Naturſachen erklaͤrt, 2) daß man keine unbe⸗
kannten, durch feine ſpezifiſch verfchiedenen Erſchei⸗
| mungen bewährten erften Kräfte gelten läßt, 3). daß inan im Erklaͤren einer Erſcheinung feinen Sprung
macht ‘und 4) dag man das Organiſche weder |
E ‚meihanifch noch chemiſch erklärt,
I. 1. Pragmatifge Kurkropufogie |
Die pragmatifche Anthropologie ift eine Kenne -
% 4
niß desjenigen, was ber Menfch durch Selbſtthaͤtig⸗ |
keit aus fich felbft macht. ESs ift aber nicht genug,
daff man. weiß, was der Menfch durch Zreiheit aus:
ſich gemacht hat, ſondern man nauß auch nachfors.
fehen, wie er bies bewerffteflige hat. Die innern
und bie äußern Erfcheinungen des felbftehärigen Mey ſchen nebft ihren Urfachen machen alfo ben Gegen ſtand diefer Wiſſenſchaft aus. Die Regen, bie may
bei dem Streben nad) der Erforſchung desjenigen,—/
8374 ihfofern der Menſch die ſelbſtthaͤtige Urſache bavon iſt, zu beobachten hat, ſind folgende:
| ı) Man muß genau dasjenige, was der Menſch Sans fich ſelbſt macht, von dem unteefipeben, was ‘die Natur aus ihm macht.
2) Die. Aeugerungen: iebes Vermögens des Menfchen müflen rein und unverfälfcht aufgefaßt werd ‚den, damit man fiehe, melde Erfcheinungen jedes derſelben hervorzubringen im Stande if. |
3) Sede Erſcheinung muß zwar als ein Werk ſeiner Selbſtthaͤtigkeit angeſehen, aber doch ihrem Grunde nach aus Natururſachen erklaͤrt werden.
49) Wenn man von dem Keufern auf das. ns nere des Menſchen ſchließt, ſo muß man ſich huͤten, daß man ihm nicht etwa etwas unterſchiebt, was er nicht iſt. Seine Perſon, ſeine Geſi chtszüge, ſeine Denkungsart und ſein Charakter ſind zwar der Widerſchein des Innern „allein es iſt Doch große Aufmer kſamkeit noͤthig, wenn man dieſe Erſcheinun⸗ gen nicht unrichtig auslegen wiil.
5) Sebe teleofogifche Erflärungsart, d. 6. jede Erklärung nach Zweden- verhindert ben Erwerb von Menſchenkenntniß; man muß fie daher in demjenigen Streben, das innere und Aeußere des Menfchen zu | erforfchen, forgfältig vermeiden. _
6) Man muß fic öfters bie Erfcheinungen, bie man an dem Andern gewahr wird, durch feinen eige⸗ Men Öcmüchszuftand erklären, um zubemjenigen durch⸗
* yahringen, was nicht mehr als äußere Erfcheinung an
dbem Andern fichrbar wird, Das Erflären durch
ı.
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Kiäfogle fh Hier nicht “allein nothwendig, ſondern wenn ‚dabei behutſam verfahren wird, euch nublich.
5. kann aber. der Mienſch a aus fr machen? e kann VBorftellungen und diefen gemäße Erfcheinuns gen. herogrbringen. Die, hervorbringenden Bere . mögen find älfo diejenigen welche Vorſtellungen bil⸗ den ober nach Vorſtellungen handen. Man will alfo durch eine pragnidtifche: Anthropologie dasjenige kennen ſernen, was ber. Menfc in Anſehung feines . Dentens und; Erfennens,- ‚feines Fuͤhlens, feine® WVegehrens und Wollens durch eigene Anſtrengung geworden if.
K Enviriſche Pſohologie oder vielmehr Phyſiologie des menſchlichen Geiſtes.
Die empiriſche Pſychologie beſchaͤftigt ſich mie der Unterſuchung desjenigen, was die Natur aus ‚dem Menſchen macht. In dieſer Hinſicht iſt der Menſch ein Spielball’ des Nothwendigen; ee ift den Einwirkungen aller Art wider feinen Willen ausge» fegt, und die Erfcheinungen, die die Natur bewirkt, find nicht fein Werk, fondern ein Produkt der. unwill⸗ führlichen Aeußerungen feiner Nasuranlagen und der äußern Welt. Daß etwas auf ihn Eindruck macht, daß ihn etwas mehr oder weniger flarf reizt," daß er für manche Wiffenfchaften kein Talent har, ift Werk der Natur. Die empirifche Pfuchologie Bat alſo die unwillkuͤhrlichen Einflüffe des Aeußern auf das Ges mich des Menfchen, und die Art, mie fie wirken, . und wie wieder von Innen auf fie zuruͤckgewirkt wird, und alfo die Produkte der äußern und innern Natur⸗
— 6 — nochcendigkeit in Bezug auf das Erlenntniß ⸗Ve⸗
fuͤbls⸗ und Begehrungsvermoͤgen zu unterſuchen. Was mechaniſch und nothwendig im Menſchen ge⸗ wirkt wird, iſt Gegenſtand der empiriſchen Pſycholo gie. Sie hat daher
1) dergleichen Wirkungen ef und zu ordnen;
2) fie natürlich zu ehren; . ur u
3) den Grad des Einflufles bes Innern und ‚ des Aeußern auf diefelben zu beftimmen ;: 4) bei der. Erklärung innerhalb der ‚Örenjen | des menfchlichen Erkennens zu bleiben; &
5) alles durch Frelheit Hervorgebrachte forge
fältig von demjenigen, wag:eit Werk der Nothwen⸗
digtei iſt, abzuſondern, und
| 6) Nichts ohne hinreichend eefläsenbe: und bes / Pininnde Gründe anzunehmen. |
_ — L. Moral.
„Die Moral iſt die. Wiſenſchaft ber Pflichten,
welche aus Achtung gegen bie bloße Vernunft zu bes
folgen find, und welche ſich entweder auf ung ſelbſt
oder auf Andere beziehen. - Es giebt Feine andern Pflichten weiter als Selbſt⸗ und Naͤchſtenpflichten, weil eine Pflicht eine Handlung. gegen eine Perſon ausdrüuͤckt, in der durch dieſelbe entweder in Anſehung ihres Gemuͤthes oder ihres aͤußern Zuſtandes eine Veraͤnderung hervorgebracht werden ſoll. Auf Gott
"Tann niemand einwirken, und alſo giebt es auch keine Pflichten gegen ihn. Jede durch eine. moraliſche
4 ' ®
; - , \ Li
1.
ft geboten Sanblung mußß micht allein aflgentein ſehn, -fondern-auch:die Marime, die ide zum Grunde _
Inst. muß auch Achtung gegen die Vernunft und Bois dieſer willen gefoßt werben. -Miches iſf woraliſch, mas nicht um des. bloßen Vernunfta cboſes
oder Verbotes gethan oder unterlaſſen wird.
zn De Orhors. dee Moral nd: das Hoͤchſte was Der. NMenſch befolgen kann, und man muß. ihmen:dig Herrſchaft Kb. alles Menſchliche zuerkennen. JIq der Veurtheilxag · ſewohl unferer Handfungen als de Hondlungen Anderer muͤſſen fe. das Primat füͤhrenz ug oem. man die: Handlungen der Menſchen in morauiſcher Hinfispe würdigt, fa muß mon ſtreug do⸗ bei ſehn: deyn dieſe Are von Strenge im Artheilen hat einen großen Einfluß gufamfern Charakter, unb- wach. uns vdlich bie Tugend ſelbſt licbenswärbig, Der Moral... darf beim Beurtheilen der Menfchen
ichts vergeben werben, ‚und. wenn eine Handlung
auch noch ſo ‚glänzend und bie. ‚Abfichten aus) noch {6
aut find, ſo muß. fie doch verdammt werben, were
‚ fie die Feuerprobe der Moral.nicht aushälk.. das Moraliſche muß rein und ungeſchmuͤckt dargeßzellt werden, weil jede Zuthat, die nicht von der Achtung gegen die Vernunft hergenommen iſt, daſſelbe ver⸗ nichtet. Die Strenge im angeglichen Urcheilen uüͤber die Handlungen der Menſchen macht das ‚Lafler- un
das Verbrechen ſchuͤchtern, und wenn heide euch nicht immer unfenbleiben, ſo wagt man bach ſicher nice mehr, fo dreuſt bie Maske der Tugend anzu⸗
Segen, And noch auf den Deifgll der Menſchen Ay
ſpruch in machen. Seren. unmoraliſche Mi
.
!
m - 378 — vernichtet bie gute Handlung und keine‘ moraliſche Handlung wird durch' ben unglücklichen Erfolg..ders ſelben unmoraliſch.“ Gluͤck und Moralitaͤt find oft ſo weit wie Himmel und Erde von einander getrennt, und find’fters wie- Tod und re von einander ungen» ſchieder. u MENU
Wenn 'ben Fobẽeungen der Moral Gnuͤge ges * iſt, dann kanneman au: auf-den Vortheil ſehen, -"den eine Handlung: in item Gefolge Bat,
allein nie darf die Klugheit über: die Weieheir legen,
förßerri Biefe fon ſtets Über jene die: Oberhand fuͤhren⸗ Die meiſten Streitigkeiten in ber’ Beurtheftung An⸗ ‚ derer entſtehen dadurchh, daß man vabta von ganz ver⸗
ſchlebenen Grundfägen der Würdigung. beẽſelben aus⸗ geht , und daß der Eine ſeinen Urtheilen ein moratie ſches Princip, der Andere aber line Voẽrſchrift der Klugheit zum Grunde legt.RXhut man bloß das letztere, fo verlohnt !es ſich oft nicht der Drühe, "Uber bie Handlungen · der Menſchen zu ürtheiten, weil bie Maximen/ die man babei befolgt, eben ſo mannich. | faltig ſeyn koͤnnen, als es verſchiedenartige Gegen; ſtaͤnde des Begehrens giebt. Ueberdies erniebrigt dine ſolche Beurtheilungsart, wenn ſie zur Hoͤchſten und Einzigen gemacht wird, die menſchliche Natut
iin unsund wie werben gegen Pflicht und Recht
Fleichguͤltig, ehe wir es ung verſehen, weil wir fie bloß als einträgfiche: Pfruͤnden und ’als feile Dienen anzjufeßen' gewohnt werben. Wollen wit dahero in moralifchen Dingen Wahrheit erfämpfen, fo muß
die Handlung, die’ wir moraliſch nennen, 2) aliges miein fegn: Können, 2) feinen Menſchen als bloßes
'
⸗ J—
| — Er — Drittel anſchen oder behandeln, 3) aus Achtung aan | die Vernunft gefchehen feyn, und alfo 4) die Billi⸗ gung. von. jedem vernünftigen Menſchen erwarten konnen. W Kuh, jede Untefafung «i einer Pice muß Areng zetadelt werden , denn dieſelbe veranlaßt den Wahn, als ob in moraliſchen Dingen etwas gleichgültig fey, and fie. macht eben fo lar in Grundſaͤtzen, als ſte eine Geringſchaͤtzung ber: Menſchheit werbreitet.Jede Handlung, welche in das Gebiet der Moral ein⸗ ſchlaͤgt, iſt entweder geboten oder verboten, und dem
‚Dienfchen darf weder. eine Unterlaffung von etwas
Gebotenen noch die Ausführung von etwas Verbote⸗
nen bei Beſtimmung feines Werthes nächgefepen
werden.
M Raturseligiom.- alu Die Naturreligion iſt ı) objektiv, die € Biene
(haft aller. ‚moralifchen Gebote und Verbote als Ges
bote und Verbote des Willens Gottes, und 2) ſub⸗ jektiv, die Befolgung moralifcher Vorſchriften als goͤttlicher Gebote, und die Unterlaſſung moraliſcher Verbote als Verbote der Gottheit. Sie hat alſo keinen andern Inhalt als die moraliſche Pflichten⸗ lehre, und ber Unterſchied zwiſchen der Moral und der Naturreligion beſteht darin, daß jene alle Pflich⸗ ten als Gebote oder Verbote der Vernunft, dieſe als Gebote. oder Verbote der Gottheit anſieht. Die Letztere aber nimmt noch zugleich die Betrachtung der Natur zur Belebung und Staͤrkung des moralifchen | Gefuͤhles, und zur Erweckung der Bewunderung unb
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- — wen Ten °
| der Dankbarkeit gegen bie Betrgeit zu. Hiifs; allein
demohngeachtet enthaͤlt ſie nicht mehr Pflichten als die Moral. Die Regeln, die man alſo befolgen muß, wenn man uͤber die Natarreligion richtis ur⸗ theilen will, ſind folgende:
I ) Alte moralifchen Vorſchriften fir Ausſpruͤche
| des Willens Gottes. |
, 2) Was nicht buch Bermufe, —*— ober
verbhoten ifb: iſt auch wicht. durch ben Wilen der Gott⸗
Bei geboten ober verboten B
3) Die naturreligi iöfen Voeſchriften yirtfen aus Ehrfurcht gegen den Seiligen Willen der Por bes folgt werden.
y Die Naturreliglon hat eben fe wenig Sr
. heimniffe als die Moral, infoferne ſi fi e nämlich bloß gebietet oder verbietet. 2
5) Der Naturreligidfe muß bie Vernunft als
Geſetzgeber aller moraliſchen Gebote und Verbote
anerfennen‘, denn fonft weiß er den Inhait ſeiner Pflichten nicht, allein die Triebfeder, warum er die Gebote befolgt und die Verbote unterlaͤßt iſt der
heilige Wille der Gottheit. |
6) Die Naturreligion iſt fuͤr jedermann hin⸗ reichend: denn 1) ſpricht die Vernunft in jedem Men⸗ ſchen, 3) kann jeder ihre Ausſpruͤche als Ausſpruͤche der Gottheit anſehen und 3) kann er die Letztern eben
ſo leicht hefolgen, als die Gebote und Verbote der
Moral oder der boſſenbarun 3 Religioa ſo bald er
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| derſelben iu Unterlaſſen. 2
⁊
|
J an 381 * Muß die Naturreligion jeder geoffenbarten
zum Grunbe) liegen: denn jede Religion hat die
Bearbeitang des Moralifchen im Menfchen zur Abs
fiche , fie will diefen geneigt. und fähig machen, die ' Gebote der Vernunft zu befolgen und bie Verbote,
’. nv N. Rechtoslehre.
Die Rechtslehre iſt die Wiſſenſchaft der Gefege, welche durch Eine dußere Geſetzgebung ſanktionirt werden fonnen, und da diefe Geſetze ſich auf Hands tungen: besichen, fo kann man ſich ihres’ Inhaltes und ihrer Vollſtaͤndigkeit dadurch bemächtigen, daß man bie Verhaͤltniſſe auffaßt, in welche der Mienſch zu dem Menſchen und zu Dingen gedacht werden kann. Das Recht iſt die Einſchraͤnkung der Hand⸗
lungen eines jeden auf die Bedingungen, daß ſie nach
einem allgemeinen Geſetze mit den Handlungen von jedermann zuſammen beſtehen koͤnnen. Es drückt alſo eine allgemeine Geſetzlichkeit der Willkuͤhr Eines und Aller aus, und wenn ein Menfch allein eriftirte und
‚nicht in Beruͤhrung mit feines Gleichen fäme, fo -
hätte er bloß dem Sittengefeße zu geborchen, und - Das Rechtsgeſetz waͤre fuͤr ihn ohne Gehalt und Werth, indem dieſer erſt aus den Verhaͤltniſſe her⸗ vorgeht, in das Menſchen durch ihre Handlungen
mit einander gerathen koͤnnen. Das Rechtsprincip,
da es den Willen Aller binden und verpflichten ſoll,
#) Es fragt ſich freilich, ob ſie nunmehro auch noch geoffenbarte Religion, die etwas Geſchichtliches iſt, bleibt. | B
- 4868 muß durch einen Imperativ ausgedruͤckt · werden und Jautet daher folgendermaßen: Schränfe beine Hands lungen auf bie Bedingung ein, daß fie mit. den. Hand⸗ lungen aller Andern nad) einem allgemeinen Geſetze zuſammen befiehen koͤnnen. Es nimme alfo bloß Die Handlungen der Menfchen in ihrer Wechfelmirkung in Anfpruch, und kümmert fih nicht um die Maxime
urd bie Gefinnung, die denfelben zum runde liegt,
mögen dieſe moralifch oder unmoraliſch ſeyn, Dies
‚geht dem Rechte nichts an, wenn nur der Menfch in
feiner Willkuͤhr eine allgemeine Geſetzlichkeit zeige. Wodurch kann man aber Diefe gewahr werben? Daß er jebermanns Willkuͤhr, infoferne diefelbe in ihrer _ Handlung nad) einem allgemeinen Gefege verfaͤhrt, reſpektirt und daß er jeden als ein mit Perfönlichkeie
begabtes Wefen anfiet. Die Regeln, die man alfo
bei Beurteilung menfchliher Handlungen in Ruͤck⸗ fiche ihrer Mechtlichkeie beobachten muß,. find fol«
gende: .
ı) Man mng. Acht geben, ob jemand durch feine
- Handlung in einem Verhaͤltniß zu einem Andern ſteht,
denn: mir in dieſem Falle ſchlaͤgt fie in das Rechtsge⸗ bier ein, Hat fie bloß auf den Handelnden Bezug,
ſo gehört ihre Beurtheilung in das Gebiet der Moral.
2) Muß.man fich fragen, ob fie nach einem allgemeinen Gefege möglich feyn kann, und ob der
‚Hanbelnde feine Willkuͤhr durch die Willkuͤhr Ande⸗ rer geſetzlich beſchraͤnkt, z. B. wenn jemand feinen
Vertrag nicht hält, fo kann dieſe Handlungsweiſe
kein allgemeines Geſetz ſeyn, weil es feinen Vertrag
'
. ‘ - R N f
* 383 wehr geben. ‚hrbe,.: und diefe Hendlungeweſſ. oe u.
eine ter gedadt,. ſich us ſich ſeldvſt dentchten |
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bh FR man ſehen , Fr der Gandetide auch die Perfönlichkeie des Andern reſpektirt, d. 5. den⸗ jenigen, auf den feine Handlung Einfluß hat, als ein ‚mie Vernunft und Freiheit der Willkuͤhr begabtes und alſo ſelbſt geſetzgebendes Weſen anſieht: denn durch keine rechtliche Handlung darf die Perſoͤnlich⸗ keit des Andern vernichtet werden weil ſie ſonſt auf⸗ hoͤren wuͤrde, eine rechtliche zu ſeyn, und ſich nur in dem Falle, daß die Willführ des Andern, wo⸗ durch ſich im Rechtsverhäfeniffe feine Perfönlichkeie offenbart, reſpektirt und auf ein allgemeines Geſetz befchränfe wird, ein Rechtsverhaͤltniß denken laͤßt. Sollte fih daher auch jemand dem Andern zum Sklaven anbieten, fo erhielte dieſer doch Fein Eigen» thumsrecht uͤber denſelben, weil eben dadurch jedes Rechtsverhaͤltniß zwiſchen beiden aufhoͤren wuͤrde, und alſo gar nicht mehr vom Rechte, alſo auch von keinem Vertrage die Rede ſeyn koͤnnte.
4) Muß jede rechtliche Handlung fh Auf etwas Aeußeres beziehen, indem das Hecht bloß die Will. Führ des Einen in Bezug auf den Andern, und alſo weder die Geſinnungen noch die Meinungen beſchraͤnkt.
Da das Recht der allgemeine Erhalter der Men⸗ ſchen iſt, ſo darf es bei Beurtheilung der wechſelſeiti⸗ gen Handlungen der Menſchen nie hintangeſetzt wer⸗ den, ſondern alles ihr Thun und Laſſen muß nach dem Rechte beurtheilt werden. Man muß daher
= 94 =
allemal erfilich fehen, ob eine Handlung rechklich |; und alsdann fann men ſich in die Berechnung der Vortheile, die fe hat, einlaſſen. Verletzt fe das‘ ‚Bedht, und wenn au bie ganze Welt Dabei juges . winnen wäre, fo muß fie doch verbamme werden. Derjenige, der fie thut, iſt, je nachdem feine Ueber · fegung dabei mehr oder weniger thätig ift, ein mehr oder wenig größerge Boͤſewicht. Dem Rechte darf nichts vergeben werden, wenn die Menfchheit in dem Menſchen geachtet, wenn biefer erhalten und wenn die Vernunft‘ als ftete Gefeßgeberin anerkannt wer⸗ den fol. Sept man das Recht fehon bei Beurthei⸗ hung der Handlungen ber Menfchen pintan, ‚ fo wird “man es bald unter die Maͤhrchen rechnen, und es wie diefe als eine Albernheit verlachen und verfpotten. Niemand, ev glänze auf dem Throne oder fhmachte in der Küste, ift von’ dem Nichten nach dem Rechte losgeſprochen, es herrfche über alle Staubgeborne, und man muß fich niemals ſo weit erniedrigen, daß wan eine widerrechtliche Handlung wegen ihrer Vor⸗ theile oder wegen der Gewalt ber Perſon, die fie thut, preift, weil man fich durch ein ſolches Lobpreiſen ſelbſt antehrt.
O. Privatrecht.
Das Recht zeigt ein Verhaͤltniß zu etwas an, und da der Menfch ſich nur in einem dreifachen Ber⸗ daͤltniſſe zu irgend etwas betrachten kann, fo giebt es auch nur drei äußere Gegenftände der mehfchlicher Wir: 2) eine Sache; 2) bie Handlung eines Andern und 3) der Zuftand eines Andern. Er kann daher nur diefe drei Gegenſtaͤnde erwerben, wodurch
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and gu denten. Bb
er x affb em Sachrnrecht, ein verſdaliches Reche und ein auf bingfiche Arc perfünfiches Recht erhält: Diele echte. erwirbt: er fich entweder durch Bemaͤchtigung oder durch Vertrag, oder durchs Geſetz, und macht bie Gegenſtaͤnde, die fie: begreifen, ‚zu dem Seinen, . ohne daß die Geſetze, , die ihm. baflelbe zuerfenumg und verfihern, einer- öffentlichen - Befanntmachung bedürften. Der Inbegriff diefer Gefeße macht das Privasreche aus. Niemand barf-ipn in dem Gy nuſſe dieſer Rechte, vermdge welcher etwas das
Seine wird, ſtoͤhren, da aber bei dem Hange dex Menſchen zum Widerrechtlichen niemand leicht daß Eigenthum des Andern achtet, fo wird dasjenige, was ‚jeder rechtlicher Weiſe im Nacurſtande beſitzt, ihm nur erſt im Staate völlig gefichert. Es iſt daher
| noͤthig, dag der Menſch qus dem Naturſtande heraus
und in einen oͤffentlichen Rechttzuſtand, d. he in den Staat wrett wo es eine austheilende Gerechtigkeit giebt, vermoͤge welcher. jedem ‚das Seine geſichert iſt und jeder dag. empfängt ; „was er durch feine. wide - rechtlichen Handlungen verdient. Die Regeln, die man bei Deurtheilung von Gegenſtaͤnden, Die in das Drivamedt einfhlagen,, beapaghen muB, ,. # nd fole gende: BER Fee oo. 2. nn + se: he rn 1) Ich kann mie älles zu eigen machen, ,. ebei “ wine Unktrn Recht beeinträchtige 2 Ss | ni Fe 2) eher iſt verbunden feinen Vertrag zu Hhal⸗ sen, vorik mur dadurch das: Recht:als eine allgemeine —— ‚her Wiſſtuhn Aler aufrecht erhaltes
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34 *
| alemäl erftlich fehen, ob eine Handlung rechtlich M;
und alsdann kann man ſich in die Berechnung der. Vortheile, die Re hat, einlaſſen. Verletzt fie das
‚echt, und wenn auch Die ganze Welt babei zu ges - |
winnen wäre, fo muß fie doch verdammt werben. Derjenige, ber fie thut, ifi, je nachdem feine Ueber $egung dabei mehr oder weniger ehätig iſt, ein mehr oder wenig größerer Boͤſewicht. Dem Rechte darf nichts vergeben werden, wenn die Menfchheit in dem
| WRienſchen geachtet, wenn dieſer erhalten und wenn . die Bernunff als ſtete Geſetzgeberin anerkannt wer⸗ den fol. Setzt man das Recht ſchon bei Beurthei⸗ bung der Handlungen der Menſchen hintan, fo wird man es bald unter die Mährchen rechnen, und es wie diefe als eine Albernheit-verlachen und verfporten. Niemand, ev glaͤnze auf dem Throne oder ſchmachte in der Huͤtte, ift von’ dem Richten nach dem Rechte losgeſprochen, es herrſcht über ale Staubgeborne,
‚und man muß fich niemals ſo weit erniebrigen, daß won eine widerrechtliche Handlung wegen ihrer Vor⸗ heile oder wegen der. Gewalt ber Perfon, die fie thut, preift, weil man ſich durch ein ſolches Lobpreiſen ſelbſt ‚ entehrt, |
o. Privatrecht |
. + Das Rechs zeigt ein Verhaͤltniß zu etwas an, und da ber Menfch fich nur in einem dreifachen Vers haͤltniſſe zu irgend etwas betrachten Bann, fo giebt es auch nur drei äußere Gegenftände ‚der mehfhlihen. Willkuͤhr: 1) eine Sache; 2) die Handlung eines Andern und 3) der Zuſtand eines Andern. Er kann
Daher nur dieſe drei Gegenſtaͤnde erwerben, wodurch,
-
. .
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er} 2 : 8). Ade Arten von Erwerbungen find im Natur⸗
Rande möglich, und ‚werben Sic erſt im Siaaie
ni [
wirluch· | ’ 2: .3
Be 3 beffriciigen Weg ne
Das öffentliche Recht begreift Diejenigen Gehe, = welche einer Öffentlichen Bekanntmachung bedürfen, J
ohne welche ſie zwar ſeyn koͤnnen, aber keine Guͤltig⸗ keit haben. Es zerfaͤllt in drei Theile, 1)-in das Staatsrecht, 2) in: das’ Voͤlkerrecht und: 3) in das Weltbuͤrgerrecht, ‚weit es bloß noch:diefe:drei Arsch
von Verhaͤltniſſen und. ‚al von Öffenstichen Geſeben *
gehen? Bann.
J a) © thaterege Be Der Staat ift eine Vereinigung von Menfchen
€ . 8. %r
unter öffenelichen Geſetzen, und. ber Zweck deſſelben iſt der Schuß: aller Nechte ver Verbundenen. Dab .
Staacsrecht ift daher die Willenfchaft der ‚öffentlicher Mechte und der Drganifation, weiche das: Recht im Anfehung des Staates erfodert. Es frage fich alfo, welche öffentlichen Rechte der Monſch hat, welche Einrichtungen zum Schutze des Genuſſes : diefet echte. ufoderlich find, und weiche Staatsorganifas tion nothwwendig ift, damit eine burchgängige unvers anderliche Gerechtigkeit herrſche
Durch die bloße Moglichteit des Veiſammen (ebene der. Menfchen in einem öffentlichen Vereine
;
‘.
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ergeben fich nach der Kategorie ber Relation, welche
alle urfprlingfichen Verhaͤltniſſe bes Menfchen ud
Menfſchen beſimunt / folgende © drei Rechtei 1) — Bb2 |
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, 4) Dure - 4 7
Recht auf H ‚us us eines Menſchen,
feine Perſo ‚ds.eines Bürgers und 3)
einen fol reg als eines Unterthans. * "ns ber Selbſtſtaͤndigkeit iſt der
" Kr —* Herr und darf thun, was er wil, es Y —** has. Recht keines Andern dabei ver⸗
ben Fo bes Rechtes ber Freiheit muß jedes
. jer ei is Etaase als aus. feinem Willen entfprungen
. r ao mi feiner Einwilligung gegeben, angefehen wer: acn Finnen und vermöge bes Rechtes ber Gleichheit -. Serf ihn niemand zu etwas verbinden, als wozu er ihn wiederum. nöthigen Fan. ... Diefes find.die ur fprünglichen. und alfo angebornen Menfchenrechtt, welche nicht veräußert werben koͤnnen, und welche jeder Staatsverfäflurig zum Grunde liegen müflen, wen fie wur einigermaßen vor. ber Vernunft beftehen aud alſo gerecht ſeyn will... Die erworbenen Rechte Seßehen in der Befugniß, etwas Acußeres als das Keine ju erwerben, und find ſchon oben im Privat⸗ rechte angegeben worden. |
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Wenn alſo bie unveräußertichen Rechte die Be⸗ | Bingungen find; auf welche ſich jeder Staat gründen wüß,. fo muß jede Staatsverfaſſung rechtligger Weiſe won.deu Volke ausgehen, weil niemand das Recht über daffelbe zu verfügen hat, als. das Volk felbft, und weil daffelbe nur allein fich nicht unreche thun 0.8 bonn. Dis Aufgabe alfo, welche die Staatsverfaſ⸗ 27 Pangelchre zu loͤſen hat, ift folgende: was-muß man 2 shım, damit eine burchgängige austheilende Gerecheigs | lait exiſtixe7. Hierzu ift 1).ein Geſetz, das Das Recht "Eisen und. ‚Alm beine a ein. Bine, der
ee cn .
— 399° = rfucht ‚vb. eine Hanblung unter dem Geſetze ent⸗ (ten iſt, oder nicht und 3) eine vollzieheuͤde Gewale foderlich, welche den Ausſpruch des Richters voll⸗ be. Bloß durch die Thaͤtigkeit dieſer drei Gewal⸗ nr ift. die. Herrfchaft einen durchgaͤngigen Gerechtig⸗
ie möglich, weil nur dadurch, daß niemand in feiner‘ genen Sache Richter if, Unpartheilichkeit der Aus⸗
wüche flast ſinden kann. Diefe drei Gewaiten muͤſ⸗
m daher bem Rechte nach von einander getrennt
eyn, und fie find theils einander ſubordinirt, ſo daß ie geſetzgebende Gewalt die Hoͤchſte iſt, theils cock"
inire, fo Daß jede, fo lange fie ihre Amt treulich ver:
valtet, von der Andern unabhaͤngig iſt und alſo zu
aichts genöthige werben fan, was dem Zwecke ihres
Dafeyns: entgegen if. Die gefeßgebende Gewalt‘ ftelte den Souverain vor und kann niemals unrecht
thun, ſo lange fie gefeßgebende Gewalt ift, das heißt,
ſo lange fie der Form nad) allgemein gültige, und der Materie (dem Inhalte derfelben) nach niemandes Rechte beeinträchtigende Gefege giebt. Sie kann daher. als ‚gefeßgehende. Gewalt auch nicht verants wortlich feyn, weil er fein Geſetz, nach dem ſie ge⸗ sichtet.werben, und keine Gewalt, die ſie gerichtlich
verfolgen koͤnnte, uͤber ihr giebt. Bei diefer Ride
verantworslichkeit aber wird ſtets vorausgeſetzt, daß ſie ihren Charakter als geſetzgebende Macht behaup⸗
tet, Und micht verantwortlich iſt bloß ber ganze Kor per, aber nicht die einzelnen Individuen, welche mit allen übrigen Bürger als ſolchen unter. gleichen Ge⸗
fee ſtehen. Die’ riehterliche und bie’ —— Gemoitipingegen find jederzeit veraumvrcuch,
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— u u . — - 9 — sm an Oefehe gebunden And, und alſo Ki .
„ Trennung der Gewalten, welche zur Rea⸗ ng ud Erhaltung eines ‚öffentlichen Rechts zu⸗ ——æz End, iſt durch das Recht geboren, zeit ſonſt Feine austheilende Gerechtigkeit geben watt, melche doch Pflicht iſt, und. da man diejenige Merfaſſung, in ber die Gewalten von einander ge⸗ trennt ſind, bie republikaniſche nenne, ſo iſt die sepublifonifcheBerfaffung: die allein Rechtliche, weil es in einem Rechtsvereine nup entiveder Trennung oder Einheie:der "Gemalsen geben.fanıt. Das Leb- tere ift Defposie,. weil her Deſetzgeber alle Gewalten in ſich vereinigt und Dabei weder Alnpantheifigfeie noch Rechts ſicher hait moglich iſt, welche beide bloß dadurch erhalten werden koͤnnen, daß der. Richter nicht ber Geſetzgeber, dieſer nicht der Heſcheollzieher, und ven: jene. nicht Richter iR.
rt An: Sachen— Verhaltbiſſe ſteht nun die eepoblie
: kanifge Verfaſſung als diejenige, welche allein durch die Vernunft geboten iſt/und. welche jetzt (die Nord⸗ amerikaniſchen Sreiftgaten ‚einigermaßen: ausgenom⸗ men) noch nicht porhanden iſt, zu ben jetzt beſtehen⸗ den Verfaſſungen? Sie iſt das Kriterium desjenigen, was darin gerecht iſt und das. Muſter, nach dem fie = gebildet. werden ſollen. Dieſe Veränderung den Vers faſſungen oher das. Fortſchroiten berfelben zum Beſſern liegt demijenigen ob, der jeßt:die. Souveranitaͤt in aigem Stqute auslibt ¶ Jede Wehheſſeruag haͤngt vor ſeinem Willen und Gewiſſen ab, und es darf ihn
an — 7 —
niemand dazu noͤthigen, weil er der Souvexain ifls : allein er iſt doch ſtets durch -eine Gewiſſenspflicht ver⸗ bunden, der Stimme ber Vernunft Gehoͤr zu geben, und erftens wenigſtens republikaniſch zu regieren, und jweiteng bie beſtehende Verfaſſuͤng dem Vorbilde, das die Vernunft von einem Staate aufſtellt und ' deſſen Realiſirung fie gebietet, immer arigemeffener zu machen: Die’ Regel, die man befolgen muß, . wenn man richfig über Gegenftänbe des Staatsrecht⸗
urtheilen will, ſind folgende: | |
1). Jede Marime, die wir als Princip der . Beurtheilung von etwas aufſtellen, muß allgemein ſeyn, und es darf alſo durch diejelhe nlemand unrecht geſchehen toͤmen. J '
2) Die üefprüngfichen Keite ber Menfcpei | muͤſſen als. die oberften Grundfäge, jeder Kritik der Staatseinrichtungen angeſehen werden.
3) Es muß die Marime. gelten, daß jeber den beſtehenden Geſetzen Gehorſam ſchuldig iſt. Eu
4). Jeder ‚darf alles thun, was durch kein Ser feß verboten iſt, fo lange er .nur gegen feine Gewiß fenspflicht verſtoͤßt; benn dieſe tritt mit ihren Gebo⸗ ten ober Perboten auf, wo das Geſetzi in Aunſchung eines Unrechtes ſchweigt.
8). eher: fann und .barf im Seaate nur nach dem Geſetze gerichtet und verurtheilt werden.
6) Kein Verbrecher darf eine andere als die im | 8* beſtimmte Strafe erleiden. Es darf daher weder eine -Miüberung noch Schaͤrfung der Strafe ſtatt finden; denn beide find etwas, was außerhalb
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Des Chefoßes fiegt, welches eine Handlung un Ver⸗ |
brechen mache und mit Strafe belegt wiſſen will.
-U) Jede Ungleichheit vor dem Geſebe iſt eine
Ungerechrigeie
8) Niemand darf Geſehze seben eis der Sou⸗ Yerain.
9) Blog der Semerain iſt nicht verantwort⸗
lich, alle übrigen Gewalten aber find als ſolche ver⸗
antwortlich.
10) Jede umanderung der Verfoſſeng außer | durch ‘den Souverain if eine Ungerechtigkeit, und
alfo ein Verbrechen.
11) Je zahlreicher die efekadache Bewalt iſt,
deſto mehr iſt die Freiheit in einem Staate geſichert, und je geringer die Anzahl der Mitglieder iſt, welche die vollziehende Gewalt ausmachen, 2 befto fchneller wird das Geſetz vollzogen.
12) Da alles Recht von dem Volke, das den allgemeinen Willen der Form und dem Gehalte nach ‚Fonftituiee, ausgeht, ſo muß daſſelbe auch alle Per⸗ ſonen zu den verſchiedenen Staatsgewalten entweder mittelbar oder unmittelbar waͤhlen. Unmittelbare Wahlen muͤſſen die Wahlen der geſetzgebenden und
richterlichen Gewalt ſeyn und mittelbar, d. h. durch
ben geſetzgebenden Koͤrper, muß bie vollziehende Ge⸗
walt gewaͤhlt werben.
13) Die republikaniſche Verfaſſung muß repraͤ⸗
fentativ fern, weil ſonſt das Volk als ſolches Richter
und Geſetzgeber zugleich und alle Uodetuhauichteit unmöglich ſcyn wurde.
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— re — 1 Alles, was der Stwat· vornimmt, muß niche allein feiner Zerm, fonbern auch feinem sn | balte nach rechtlich ſeyn.
b) Voͤlterreche en Die Staaten find als rechtliche Perſonen gegen einander zu betrachten; und da jeder Staat ir Ans fehung feines Verhäftniffes zu dem Andern fein. eige⸗ ner Richter iſt, ſo befinden ſich die Staaten jetzt noch im Naturſtande gegen einander. Es giebt daher
auch noch Fein poſitives Voͤlkerrecht, denn dieſes muß
wicht allein feſtgeſetzt, fondern auch gehandhabt wer⸗ ben. Dies iſt aber.fo lange unmoͤglich, als noch fein Bölferbund geſchloſſen, ber bie Geſetze, Die ein Staat gegen den Andern zu beobachten hat, feſtſetzt und der alfo auch ihre Streitigkeiten entfcheider, Mit dem Zeifpunfte, mo ein Voͤlkerbund geftiftet, worben ift, fängt auch der ewige Briebe an... ?, Wenn es aber jetzt auch noch fein bofitioes il ferreiht giebt, fo findet doch ein Vernunftvodlkerrecht ſtatt, weiches ſich aus dem bloßen: Berhältniffe der einen juridiſchen Perſon zu der Andern ergiebt. Daſſelbe iſt die Wiſſenſchaft der wechſelſeitigen Rechte und Pflichten der Staaten als juridiſcher Perſonen. Wenn man richtig über das voͤlkerrechtliche Verhaͤlt⸗ niß der Staaten urtheilen will y ſo muß man ſoigende Bu Regeln beobachten: on
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1) Jede Handlung, die PP ein Staat gegen den Andern erlaubt, muß algemeinen Sieh ‚Mo fonnen.
R P N 7 17 Sn :0
2) Jide folche Handlung darf alfo bie Perſon⸗ finfeit Des Andern nicht beeinträchtigen, fondern muß ihn als ein freies fich. nach eigenen Geſehen beim mendes Weſen anfepen. | EN
3) Was jeder Staat. in feinem Innern thut, und was er alfo in Anſehung deſſelben für Einrich tungen trift, darein hat der Andere ‚Fein Recht ſich zu miſchen: denn es waͤre eben ſo gut, als wenn tn Menſch dem Andern verſchreiben nt was er den
“ gen ſollte.
No 4) Jeder Staat hat die Die, ſich gegenti Kilärife des Andern zu vertheidigen. - Diefe Ber eheidigung ift ihm als Selbſterhaltung geboren. Di bder find nur Wertheibigungs » aber feine Angrifs feige rechtlich ; und angegriffen ift ein Staat, wend entweder fein Gebiet angefallen iſt, oder feine Bir ger in ihren Rechten gefränft werden.
| 9 Kein Staat darf bem Andern eimperlei: . werben, weil dies Mord iſt; denn einen Staat vo nichten- und ihn mit einem anbern pereinigen, bei eine Perfon morden. WMW 1
6) Das rRecht im Kriege gehen nur fo weit, co Eh das angethane Unrecht erſtreckt und das Re Bere wpleber moͤglich iſt.
7) Es kann keinen Strafkrieg geben, weit ti — Staat ein geſetzmaͤßiger Richter des Andern fe am: denn alle Staaten haben als juridifche P
fonen gleiche Rechte und gleiche Pflichten, ‚und kei | 8 über ben Andern geſcht |
rn 395 — . 1:8): Jeder Staat Hat im Kriege zweier. cm mehrerer Staaten das: Mecht ber Neutralitaͤt, und keiner darf den Andern zum Antheilnehmen an irgend, einem Kriege ‚jwingen.
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9 Weltb argerteht. Das Weltbaͤrgerrecht druͤckt kein Verhaͤltniß
! Ber Staaten gegen einander, ſondern des Bürger® -
& des einen Staates gegen jenen des Andern aus. De: N die Menfchen wegen der Kugelgeftalt der Erde ſtets
mit einander in Berührung kommen, fo'muß es noch ' ’ ein Recht geben, welches die Regeln bei dieſer Be⸗ ! recht, melches ſich auf eine "allgemeine Hoſpitalitaͤt: gruͤndet. Kein Bürger des einen Staates darf da⸗
her in dem andern Staate feindſetig behandelt , undı Hl geinem darf das Recht der Anbauung „wenn noch: ME Platz vorhanden iſt, verweigert werden. Das Welt⸗
buͤrgerrecht ſchreibt Beine ſittlichen, ſondern rechtliche, „Gebote vor. Es: betrachtet den, Menfihen. bloß als: „geil Weſen, dem gewiſſe Rechte zukommen, welche nvon jedermann bloß nach dem Rechte Hedig gehalten werden ſollen. Alle Regeln, die man bei Beurthei⸗
lung weltbuͤrgerlicher Verhaͤltniſe Probadıten muß, and daher folgende: : u
a. 19 Jeder Menſch muß in jedem Staate als eine
„, rühtung vorfchreibf, und dies iſt das Weltbuͤrger⸗
—— geachter, und alfe als ein undedegä -
„uiches Wefen behandelt werden und
un ) Jeder Menſch hat wohl das geche ein fand step ein Wolkzuibeßuhen, „aber:nicht. zu eroberna en denn jeder Boden, auf den. Menſthen wohnen, iſt
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N ) ‘de ſolche Handlung barf alfo bie Berfön-
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fihfeit des Andern nicht beeinträchtigen, fondern muß: ihn als ein freies ſich nach eigenen Geſeben beſtim⸗ mendes Weſen anſehen.
3) Was jeder Staat in feinem Innern thut, und was er alſo ia Anjehung befielben für Einrichs tungen trift, darein hat der Andere Sein Recht ſich zu miſchen: denn es wäre.eben.fo gut, als wenn ein Menfch dem Andern verſchreiben m wolle, was er den⸗
ken ſollte. 4) Jeder Staat hat die Pflicht, ſich gegen bie
Kilävife des Anderen’ zu vertheidigen. Diefe Ver⸗ eheidigung ift ihm afs Selbfterhaftung geboten. Da⸗
Ber find nur Wercheibigungs » aber Feine Angriffs:
ktiege rechtlich; und angegriffen iſt ein Staat: ‚ wenn entweder fein Gebiet angefallen ift, "oder feine Bür⸗ ger in ihren Rechten gekraͤnkt werden.
9 Kein Staat darf dem Andern inverleibt
peden, weil dies Mord iſt; denn einen Staat ver⸗
mehten und ihn mit einem andern bereinigen, heißt eine Perfon morden..: ,
6). Das Recht im Kriege geht nur ſo weit als fh. das angethane Unrecht erſtreckt und das Rede wpleder moͤglich if.
7) Es kann feinen Straffrieg geben, , weil kein Staat ein gefetzmaͤßiger Richter des” Andern feyn fan: denn alle Staaten haben als juribifche Per« fonen gleiche Rechte und gleiche Pflichten, und feier |
| nü uͤber den Andern geſcht.
a 5 395. une)! Ieder Staat hat im Kriege zweier. eben mehrerer Staaten das Recht ber Neutralität, undz
Feiner darf den Andern zum Antheilnehmen an varalı einem Kriege ‚wingen.
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9 Weltbaͤrgerteht. Das Weltdaͤrgerrecht delt fein Verhaͤltniß
ber Staaten gegen einander, ſondern des Buͤrger⸗
des einen Staates gegen jenen des Andern aus. De: die Menſchen wegen der Kugelgeſtalt der Erde ſtets mit einander in Beruͤhrung kommen, ſo muß es noch ein Recht geben, welches die Regeln bei dieſer Be⸗
ruͤhrung vorſchreibt, und dies iſt das Welrbürger« „
recht, welches ſich auf eine "allgemeine Hoſpitalitaͤt: gruͤndet. Kein Bürger bes einen Staates darf da⸗ her in dem andern Staate feindſetig behandelt ‚ und: '
keinem darf das Recht der Anbauung, wenn noch;
Platz vorhanden iſt, verweigert werden. Das Welt⸗
blirgerrecht ſchreibt. keine firtlichen‘;. ſondern rechtliche,
"Gebote vor. Es: betrachter den Menſchen bloß als;
ein Wefen, dem gewiſſe Rechte zufommien,- welche.
von jedermann bloß nach dem Rechte Heflig- gehalten. werden follen. Alle Regeln, Die man bei Beurthei⸗ kung weitbürgerficher Berpälmile Probaceen miß, fine daher folgendes: - —.
„FTD Jeder Menſch muß in jedem Staͤate als eine frhiige Pirfen geachter, und alfe als ein underlegä -
liches Wefen behandelt werden , und
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> Po — Mon in Beſitz genonmen und jedes Eggenthumerecht,
das ſich ein Fremdling aamaßt, iſt eine ungerech⸗ dgkeit. |
2 XXVIM. Eopitel. Wie muß won verfaßren und weiche Maxi— men und Regeln muß man befolgen, wenn „mon in deu hiftorifhen Wiffenfhaften n richtig urtheilen wilt? |
Das Eigenthuͤmliche der hiſtoriſchen Wiſenſchaften beſteht darin, daß ihr Inhalt ſchon vorhanden iſt
und nicht erſt hervorgebracht. werden darf: denn fie beſchaͤftigen ſich mit dem, was entweder geſchehen iſt oder was als noch geſchehend angeſehen wird. Nun
giebt es zwei Gegenſtaͤnde, die das Objekt der Ge⸗ ſchichte ausmachen koͤnnen, und dieſe ſind der Menſch und die Natur, weil dieſe allein einen Stoff darbie⸗ ten, der nicht von dem Beobachter hervorgebracht wird, ſondern den er als gegeben annehmen muß. Dieſer Stoff betrifft nun theils dasjenige, was der Menſch von Natur und zwar aͤußerlich iſt, und das, was er geweſen iſt und alſo gedacht, erkannt und ge⸗ than hat, theils das, was die Natur gegenwaͤrtig und was fü fie e „gerpefen ift. Der: Stoff der. Geſchichte ift alfo die Beſchreibung des Menſchen und der Natur, ihre Veraͤnderungen und Schickſale, die poſitiven Wiſſenſchaften und die Huͤlfsmittel, welche zum Ver⸗ ſtehen der Geſchichte ſowohl des Menſchen— als? der Ratır nothwendig ſind. Dre?
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397 — Die pofitivon Wiſſenſchaften find als-Kiftprifege ‚Shegenflände eine ſyſtematiſche Kenntniß desjenigen, was der Menfch für recht und gut erkannt dat und. als poſitive, was noch Heuf zu Tage dafur angefehen und als folches befolgt werden ſoll. Sie. betreffen einen Theil der praktiſchen Philoſophie, und Haba es entweder mit dem Gewiffen ‚oder mit dem äußern echte zu thun. Es kann baher nur eine Religiona⸗ und pine Rechtslehre geben, welche: poſitiv ſind, weil Die die einzigen Gegenſtaͤnde des Prattiſchen find, in Anfehung deren. fich eine: äußere Geſetzgehung denken laͤßt. Die Religienslehre macht Gott und die Rechtslehre den Staat zum Geſetzgeber "und ihre Wahrheiten, Gebote und Verbote muͤſſen als non Diefem ſankticnirt angefehen werben. Bären fie Dies nicht, fo wären ſie auch nicht pofltiv; . denn damit etwas pofitiv: werde, dazu if. eben noch. .eine befonhag Santtien außer jener der Vernunft erfoderlich.
A. Poſitive Religionsteßre
Die Naturreligion iſt ein bloßes Produkt dep
Vernunft, bie Ppfitive hingegen farm außerdem no
pieles enthalten, : wonon die Vernunft nichts weiße denn ihre: Quelle ift die Geſchichte. Jede pofitine Religion muß als von Gott geoffenbart angeſehen wer⸗ den, weit ein Öefehgeber erfoderlich iſt, indem ſich alle Religion auf den Willen und alſo auf das Praktiſch⸗ beziehe, der zu ‚feiner Beſtimmung Geſetze noͤthig hats: fie muß aber, auch in einem beſondern Bud mithalten. ſeyn, damit fie; vein und unvermiſcht forte.
gepflanzt werben kann. Wenn man fie alſo kennen lernen will, fo nf: man die Urkunde Bor, zii
e nn 400 u
:an den Suöfebm derſelben Halten; er darf weber andere Lehren, als dies Buch enshält, vortragen, noch andere Triebfedern zu ihrer Befolgung an rathen, als diejenigen find, deren ſich ber Schrift: Heller der Offenbarungsurkunde bedient, Thut eb Sag nicht, ſondern lehrt Dinge, die wohl in der Ber- murfft, aber nicht in feiner Offenbarung enthalten Find und gebraucht Motive, die wohl fehr zweckmaͤßig und vernuͤnftig find, von denen aber doch die Offers Barung ſchweigt, fo verläßt er das Gebiet ber Offen» Sarung, und.fehiweift in Die Regionen der Vernunft AIber und thut weber jener noch dieſer Gnuͤge; nach dener ſoll er alles gläubig annehmen und vortragen, vas ſie lehrt; dieſe Hingegen verlangt, daß er weder vwas glauben. noch etwas lehren ſoll, als mas ſich aus.igeen Ausſpruͤchen ergiebt und wovon er überzeugt IR, Ba es wahr und gut ſey. Der Offenbarungs lehrer träge geſchichtliche Wahrheiten vor, und dieſe
San und darf er weder vermehren noch vermindern,
ae gaͤnzlich aufzuhe ben. as er in der Urkunde vorſendet, das uſt ein gegebener Stoff, den er. weder vctaͤndern noch vernichten kann. Er bleibe unver
undarlich, und wenn' die Mapime: des Veraͤnderns
Ummandelns und Auslaſſens einmal in dem einen Feldeder Geſchichte guͤltig ſeyn ſoll, fo muß ſie in
allan iditſelbe Guͤltigkeit haben; allein! da eine ſolche Behandlung ber. Geſchichte dieſe gaͤuzlich vernichten
vwürbe, ſo darf ſie!gar nicht angewandt werben, -fp
funge: man: wid ,::boß :diefelbe beſtehen ſoll. Will $D- jemand willen, ”. was die schriftliche: Religion lahrt, fo mug er ſich an das neue Teſtament wenden and nachſehen, was hier geboten und was. varbates
| . ‚403 — . BB. Pofitive.Recheslehre. Die poſitive Rechtslehre ift die Wiſſenſchaft des⸗
\
“ jenigen, was in irgend einem Staate als Gefeß gilt.
Ihr Inhalt umfaßt die rechtlichen Verhälnife, _ welche irgend ein Souverain zwiſchen ſich und ſeinen Unterthanes in Anfehling ihrer Handlungen und . ihres Eigenthumes beſtimmt hat. Sie ift etwas
Vorhandenes und mache alfo einen Gegenftand der
Gefchichte aus. Die Regeln, die man befolgen muß, wenn man richtig in ihr und über fie urtheilen will,
find folgende: was bas Geſetz geboten har, ift vet, |
und was daſſelbe verboten hat, ift unrecht. Jenes ſoll gethan und dieſes unterlaſſen werden. Was hin⸗ gegen durch kein Geſetz im Staate beſtimmt iſt, iſt
erlaubt ynd kann daher gethan ober unterlaffen.wers ⸗
den, je nachdem es jemanden gut duͤnkt , oder er
daſſelbe vor feinem Gewiſſen verantworten will. Alle .
Geſetze find. buchftäblich zu nehmen, weil den buch»
ftäblichen Sinn jedermann begreift; fein Geſetz ao - - u |
darf nad) feinem Geifte ausgelegt und angewandt werben,“ weil biefer leicht, eben fo vielfach feyn kann, - als zahlreich die Menge ber Ausleger if. Was ift aber unter dem buchftäblihen Sinne eines Geſetzes zu verſtehen? Unter dem buchſtaͤblichen Sinn begreift man 1) daß ſich kein Satz, der als Geſetz gelten ſoll,
d
R
widerſpreche: denn widerſvricht er ſich, ſo hat er gar
feinen Sinn, d. h. die Vorſtellungen, die Durch den⸗
felben ausgedrückt werben, vernichten einander und
man kann dieſelben nicht mit einander verbinden,
und 2)daß jedes Wors in der ihm eigenthuͤmlichen und
gewoͤhnlichen Bedeutung genommen, 3) daß jeder
Satz nach Grund unb Solge beftimme werde, und 4) \ ee 2. —
-
— 494 — daß das Ganze eine Meinung ausbrücde, welcher jedermann, ber ein Urtheil faͤllen kann, durch bie Worte genoͤthigt, feine Veiftimmung zu geben ge gungen wird. Jede Stelle muß baher logiſch und grammatiſch richtig erfläre werden, und was ſich durch eine folhe Unterfuhung als Ausbeute ergiebt, Das ift der buchftäbliche Sinn eines Geſetzes. Wil Hingegen jemand ein Geſetz philoſophiſch deuten und feinen Sinn durch die Philoſophie beftimmen, fo vers Fennt er eben fo fehr das Feld des Hiftorifchen, als er im Falle ber Anwendung einer foldhen Auslegung auf eine Handlung, welche ihm als Richter zu unters ſuchen und zu würdigen obliege, fträflih handelt. Die zu gebenden Gefege follen zwar gerecht und zweckmaͤßig fen, allein diejenigen, die ſchon vorhan⸗ den find, duͤrfen weder vernünftiger noch menſch⸗ ficher ausgelegt werben, als fie ihrem buchftäbfichen Indhalte nad) find, weil nur biefer als Geſetz gelten Kann und weil dies Deuten die Willkuͤhr an die Stelle bes Geſetzes feßt, und die Einführung gerechter und zweckmaͤßiger Gefege verhindert. — Was im Staate durch fein Geſetz verboten ift, darf auch, wenn es geſthieht und wenn es auch widerrechtlich ſeyn ſollte, nicht beftraft werden: denn eine Hand⸗ hung wird nur durch die Uebertretung eines Gefeges ein Verbrechen, nnd da nun ber Staat eine befons dere Art von Öefeßgebung befißt, von der man nicht wiffen kann, was durch diefelbe verboten angeſehen wird, fo lange das Verböt noch nicht erfolge ift, fo auch feine wiberrechtlihe Handlung, welche nicht als ftrafbar anzuſehen. Wollte ein ſolchen Falle zur philoſophiſchen
405 —. Otechtalehre ‚in ber freilich alles Widerrechtiche als verboten und als ſtrafbar betrachtet wird, ſeine Zu⸗ flucht nehmen, ſo miſcht er ſich in ein Gebiet, das ‚fir ihn eben fo nachtheilig ift, als er unrecht handelt: gerechte Gefege kann und foll er geben, aber er darf doch Feine Handlung barnach entfcheiden, bie vor der | Bekanntmachung derſelben gefchehen iſt, weil nur. ein gegebenes und burch den Staat ſanklionirtes Ge⸗ ſetz fuͤr die Unterthanen oder Buͤrger Guͤltigkeit Haben kann. Den beſtehenden Geſetzen iſt jeder mann Gehorſam ſchuldig, wenn ſie auch ungerecht oder unzweckmaͤßig ſeyn ſollten „ weil jedes Geſetz als Ausfpruch des Souverains angefehen werben muß, der die Quelle des Rechts im Staate ift und gegen. ben fein Widerftand ſtatt finder, Freilich hleibt dies fer rechtlicher Weiſe nur fo. lange Souvergin, als er Geſetze giebt, welche jedermann zum Gehorſam ver⸗ binden und welche das angeborne Recht der Freiheit: des Menfchen nicht heeinträchtigen. - Im entgegen gefeßten Galle vernichtet er felbft feinen Charakter ‚als Souverains. Die Kriterien ber Gerechtigkeit ... „pofitiver Geſetze liefert Die philofophifche Rechtswiſ⸗ ſenſchaft, und die Kriterien ihrer Zweckmaͤßigkeit die Klugheitslehre, Ein Geſetz muß vorhero gerecht und dann erſt zweckmaͤßig ſeyn: denn die Gerechtige keit ſoll die Oberherrſchaft über hie Kiugheit führen.
C. Heilkunde.
Die Heilkunde iſt die Wiſſenſchaft der Abwei⸗ chungen des thieriſchen Organism von ſeinen Geſetzen und die Kenntniß der Mittel, jene aufzuheben und dieſe wieder in die ihrer Natur angemeſſene Wirk⸗
famfeif zu verfeßen. Man muß daher bie Erſchei⸗ nungen auffuchen , woburd) ſich die Eigenheiten der organiſchen Kraft in ihrem gefunden Zuftande offen,
. baren, ihre Geſetze ſtudiren und beobachten, was ihre Thätigfeiten entweder unterftußt ober verhindert. Wird der ehierifche Organism in feinen Sunftionen gehemmt, fo entſteht Krankheit. Es muß Daher un- terſucht werden, welches Mittel diefen Zuftand aufs Heben, und den Menfchen wieder gefund madyen kann, in welchem Verhaͤttniſſe daſſelbe zur Krankheit ſteht, wie daffelbe auf den kranken Theil wirft, und warum es gerade diefe und feine andere Wirfung hervor⸗ bring. Da der Drganism feine Thärigkeit durch Reizempfaͤnglichkeit äußert, und alfo jede Krankheit entweder burch das Uebermaaß oder durch Die große Schwäche verfelben entſteht, fo muß die Reizbarkeit bald vermindert bald vermehrt werden, wenn bas "Uebel gehoben werben foll. Arzeneien bewirfen Ge⸗ genfeize ‚ welche die ungehinberte Thätigfeit der or⸗ gaaniſchen Kraft wiederherftellen, wenn biefe noch im Stande ift, ‘alle ihr entgegenwirfenden Hinderniffe zu befämpfen. Jede Franke Erfcheinung im Menfchen bat eine natuͤrliche Urſache und jede Wirkung hat ihren zureichenden Grund. Iſt Feine Urfache zu einer Krankheit im menfchlihen Körper vorhanden, fo kann aud) feine Krankheit eintreten und jede kranke Erſcheinung muß ſich entweder durch ein phyſiſches oder inoraliſches Mittel heben laſſen „ wenn fie über» haupt noch mweggefchaft werden Fann. Jene wirft chemiſch, diefe durch Vorſtellungen, welche viele Krankheiten theils verhindern, theils heilen würden,
wenn die Menſchen nur mehr fur und Kraft 1 Bien,
*
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| — 407 — ihren Körper durch ſelbſtbeliebige und moraliſche Ideen zu beherrſchen. Der Einfluß derſelben erhebt den menſchlichen Geiſt und dieſe Erhabenheit der Empfindungs⸗ und Denkungsart und der Entſchluß,
nicht krank, beſonders nicht kraͤnklich, ſeyn zu wollen,
vertreibt Uebel, die häufig bloß in unferer Einbildung ihren Grund haben, Weife Enthaltſamkeit, kluge Maͤßigkeit im Eſſen und Trinfen, Bewegung, frifche reine $uft und. moralifche Ideen find häufig, mo feine '
Verletzung irgend eines Theiles ſtatt finder, die wirfs. ſamſten und jedermann zu Gebote flehenden Arzenei⸗ mittel. So,
Barum aber ift die Aezeneitunde eine hiſtori⸗
ſche Wiſſenſchaft?“ Weil der Stoff, der ihren In⸗
halt ausmacht, gegeben iſt und nicht waͤhrend des Denkens durch Freiheit hervorgebracht wird. Man kann dieſe Wiſſenſchaft nicht aus einem hervorzubrin⸗ genden Stoffe aufbauen, fondern man muß ſich an den vorbandenen haften. . Sie ift. eine. Erfahrungs⸗ wirfenfchaft und zwar eine hiftorifche Erfahrungs« wiſſenſchaft, weil ihr Inhalt keine urſpruͤngliche Thaͤ⸗ tigkeit des menſchlichen Geiſtes und die aug dieſer ſich ergebenden Grundſaͤtze begreift, ſondern auf Erſchei⸗
nungen eingefchränft iſt, deren Inhalt durch die
Empfindung und alfo durch die Erfahrung gegeben 'iſt und hiſtoriſch aufgefuche werben mug. Sie kann daher auf feine vollfommene und untrhgliche Gewiß⸗ heit Anfpruch machen, ob fe gleich aus rhapſodiſchen Bruchſtuͤcken zu einem Ganzen verbunden werden kann, das mit Einſicht in das ihm eigenthuͤmliche Gebiete und mit Befonnenpeit bearbeitet als wirkliche
°
DR 4 [ )
Ta ‚458 —
Wiſſenſchaft auftreten kann, welche comparative Alls gemeinheit und Nothwendigkeit hat.
D. Eigentliche Geſchichte.
Die Geſchichte zaͤhlt alle die Veraͤnderungen und Schickſale auf, die ein Gegenſtand erlitten hat und durchlaufen iſt. Es iſt aber noͤthig, daß man einen Ge⸗ genſtand ſelbſt vorhero genau kennen lernt, ehe man zur Kenntniß-feiner Ummwanblungen uͤbergeht. Man muß daher willen, was ber Menfch von Natur ift und was er Durch Freiheit werben kann und foll, ehe man füch mic feiner Kulturgeſchichte mit Außen bes
” anne machen kann. Das Objekt der Gefchichte ift
die ganze Erfcheinungsmwelt: denn diefe allein veräns bert fid) und die einzelnen Dinge, woraus fie beſteht, find der Menfch und die äußere Natur, welche orgas nifche und anorganifche Produkte enthält. In Ans fehung des Menſchen will man entweder wiſſen was er jemals gedacht und erkannt, und was er gethan bar, Es giebt alſo eine Geſchichte
1) der Kultur des Menſchengeſchlechtes; 2) ber Meinungen des Menfchen;
3) der Staaten als eines Produftes de Men⸗ fen ‚ und
4) der organifchen und anorganifcen Natur. 1) Kulturgeſchichte des Menſchengeſchlech— tes, Geſchichte der Menfhheit) .
Unter Kultur verſteht man bie Ausbildung aller menſchlichen Anlagen und Kraͤfte zur Greißei ‚und
»
— 49 —
eine Geſchichte der Kultur iſt eine Darſtellung der
verſchiedenen Entwickelungsarten der menſchlichen Vermoͤgen, der Mittel, welche itzre Ausbildung bald
verhindert, balb befoͤdert haben, und der Epochen,
welche durch die Natur des menſchlichen Geiſtes ſelbſt
beſtimmt werden. Es iſt Daher noͤthig, daß man weiß, welche Vermögen und Kräfte der Menfch bes fißt, ehe man die Schickſale ihrer Ausbildung kennen
lernen will. Wie der einzelne Menfch- ausgebildet
wird, fo. erzieht fich auch das ganze Menſchenge⸗ fchleche; denn Ddiefes hat nicht mehrere Anlage als .
“jener, und beide müflen einerlei Erziehungsmittel ‚brauchen, wenn ihre Kultur gedeihen fol. Die Ans lagen entwicteln-fich ſowohl im Menfchen als im Men
fehengefchlechte im gleicher Ordnung: der Werftand
Fann nicht ausgebilder werden, fo lange die Sinne , noch. nicht vervollfomme find. Daher wird im Mens
fehengefchlechte, wie im Menfchen, erft die Anlage
für die Thierheit als lebendiger, hernach die Anlage
‚ fürbieMenfchheit afs lebender, aber zugleich vernünfs <giger und endlich Die Anlage fir die Perfönlichfeit als
vernünftiger aber zugleich ‘der Zurechnung fähiger Weſen ausgebildet. Diefe Stufenfolge muß das Menfchengefhlecht in dem Gange feiner Kultur eben
fo genau beobachten, als ber einzelne Menfch, weil
jede von'den nachfolgenden Anlagen des Stoffes ber Vorhergehenden nöthig hat, wenn fie thätig feyn fol. Anfänglich zeige fich das Menſchengeſchlecht als bloß finnliches und zwar thieriſches Weſen, bei dem bie Sinnlichkeit und der Verftand erwacht ifl. Den Uebergang zur Kultur ber theoretiſchen Vernunft bahnt die Ausbildung des Geſchmacks und zwar die
v I) \
— : 410 — Auebildung des Gefuͤhls ei das Shin unb den Webergang zur Kultur der praftifchen Vernunft, er⸗ öfnet die Ausbildung des Gefühls für das Erhabene. In der Kufturgefchichte. bes Menfchengefchlechtes giebt es alfo drei Hauptepachen, welche durch bie drei urfprünglichen Anlagen des Menſchen beſtimmt und zwei Mebenepochen, zu welchen die Kultur des Geſchmacks die Veranlaffung giebt. Wozu kultivirt ſich aber das. Mienfchengefchleche? Wie ber einzelne Menſch alle feine Anlagen und Kräfte ausbilder, um ſich derfelben frei” und zweckmaͤßig zum Dienfte ber praftifchen. Vernunft bedienen zu koͤnnen, fo ift dies auch der Fall-bei dem ganzen Menfchengefchlechte. Alle Kultur zielt dahin ab, daß die Menfchen möra; tisch gut und’ rechtlich handeln fernen, und daß auch affe ihre Einrichtungen den Charafter des Morali⸗ ſchen und Rechtlichen ‘an fih fragen. MWenn man
J alſo richtig uͤber die Kulturgeſchichte des Menſchen⸗
geſchlechtes urtheilen will, ſo muß man
1) die Anlagen und Kräfte, welche kultivirt werben ſollen, | Ä 2) den Zweck wozu fie ausgebildet werden, und ,) die Mittel, die ihre Ausbilbung entweder beföbern ober verhindern, fennen lernen.
4) Muß man das ganze Menſchengeſchlecht als ein großes zuſammenhangendes Ganze anſehen, wo Seine: Generation umfonft ba iſt; jede träge mehr ober weniger zur allgemeinen Kultur bei, wenn es ‚ung auch manchmal ſcheinen ſollte, als haͤtte ſie gaͤnz⸗ lich unnüß fuͤr dieſen Zweck gelebt: denn an jede
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ergeht die Pflicht der Vervollkommnung durch die
bloße Vernunft und da'man nicht annehmen kann, Daß diefe durch ihre Gebote nichts arlsrichte, indem. fiadas Realfte und Eindringlichfte auf Erden ft, fo ift auch der Glaube, daß das Menfchengefchleche in.
feiner Kultur nicht weiter fortfchreise, fondern ſich in ſteten Kreiſen herumdrehe, ein Wahnglaube.
5) Die Kultur des Menſchen wird nie abge⸗
brochen, ſondern geht ununterbrochen, bald ſchneller
bald langſamer und daher bald ſichtbater bald un⸗ ſichtbarer fort.
6) Den Kulturzuſtand des Menſchen ‚ eine
Nation und des ganzen Menfchengefchlechis lernt man durch die Urtheile, die es über Menfchen und- Dinge fälle, durch die Thaten, die daffelbe thut und‘ durch die Beſchaffenheit feiner volitiſchen und religiös '
fen Einrihtungen fennen. .
7) Die Mittel, die zur Kultur entweder beitra⸗
gen oder dieſelbe verhindern, find a) die Menſchen in ihren Einmirfungen auf einander, b) die Anftal«
gen, die fie getroffen haben, und c) bie Natur, wozu
Klima, Fruchtbarkeit u. ſ. w. gehöre.’
8) Man muß, fich erft durch Nachdenken von:
feiner eigenen fteten . Vervollfommfung überzeuge _
haben, ehe man an die fleten Fortfchritte des Men« ſchengeſchlechts in der Kultur glauben fann.
9) Das Menfchengefchleche altert nie, wie der
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einzelne Menfch, fondern bleibe ein ewiger Süngling, und daher wird feine Kultur ftets und mit Eifer forte
geſetzt. Es beſteht aus allen lebenden Menfchen, und
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da. nun bie größte Thaͤtigkeit das Juͤnglingsalter
charakteriſirt und da nur dieſe auf Befoͤderung ber
Kultur hinwirken fann, fo fann man bem Menfchen- gefchlechte mie Recht ewige Juͤnglingsjahre zus ſchreiben.
10) Die. Natur hat es mit dem Menſchenge⸗ fehlechte, eben fo wenig als mit dem einzelnen Men- ſchen auf feine Gluͤckſeligkeit, ſondern auf Kultur ans gelegt. Die Uebel in der Welt reizen zum Wider⸗ ftand, und diefer Kampf befödert bie Ausbildung
dd Menſchengeſchlechtes.
11) Wenn man fragt, auf welcher Stufe der Kultur das Menſchengeſchlecht jetzt ſtehe, ſo kann man ſagen, daß es ſich der Kultur der Anlage fuͤr die Perſoͤnlichkeit naͤhere; denn wenn man auch nicht immer moraliſch gut und rechtlich handelt, fo faͤngt ſich doch ein Geiſt der Rechtlichkeit, wenn auch nicht
in den Handlungen, doch in ben Urtheilen zu verbrei⸗
ten an, daß night leicht eine öffentliche widerrechtliche Handlung gefchieht, welche nicht allgemein verdammt wird. - Diefe Beurtheilungsart offenbart eine Ihäs tigkeit der Anlage für die Perfönlichkeie und diefelbe wied immer allgemeiner werden, je mehr und länger biefer Geift herrſthend fegn wird, o-
12) Das Menfchengefchleche kann in feiner Kulcur nur langſame Fortſchritte machen, weil daſ⸗
ſelbe alle Individuen begreift ‚ bie ſich an Talenten ”
unb Fähigkeiten eben fo ungleich find, als ihre lage und ihr Zuftand peſchteden iſt. |
0 = 413 —
2) Geſdiqht⸗ der menſchlichen Mei⸗ |
‚nungen Die Arten der menfchlihen Meinungen find
eben fo mannichfaltig, als es Objekte giebt, von
denen ber Menfch entweder etwas willen kann, ober
die er als Blaubensfachen anſteht. Daher giebt es
| ‚eine Gefchichte der moralifchen,, rechtlichen, religiös.
fen, metaphufifchen, logiſchen, phyſikaliſchen u.f. m. Meinungen. Durch eine ſolche Geſchichte wuͤnſcht man zu erfahren, was die Menſchen von jeher uͤber
irgend einen Gegenſtand gewußt, geglaubt und ge⸗
meint haben. Wie faͤngt man es aber aͤn, um zu
dieſer Kenntniß zu gelangen? 1) Muß man jede Ark
von Meinungen, die einer befondern Art von Gefeße . gebung im menfchlichen Geiſte ihr Daſeyn verdankt,
beſonders betrachten. Man darf daher die, morali-⸗ fchen Meinungen nicht mit den religiöfen noch mit beit phnftfalifchen in eine Klaſſe werfen, forfdern jede ihrem eigenthuͤmlichen Charakter, ihrem Grunde
und ihrem Urfprunge nach in Betracht ziehen. Wer ‚alle Dieinungen mit einander vermiſcht, lernt in kei
ner Art von Erfenntniffen den Gang des menfchlichen
J
Geiſtes zu feiner Ausbildung und das Streben deſſel⸗ ben nach Wahrheit kennen. | |
\ 2) Muß man den Quellen ‚ aus denen eine Meinung gefloſſen iſt, ſorgfaͤltig nachſpuͤren, um ſich theils von ihrer Naturgemaͤßheit, theils von ihre
Wirklichkeit zu uͤberzeugen. Die Quellen aller Mei⸗
nungen ſind der menſchliche Geiſt und die aͤußere u
Natur, und die Beranlaffung zu ihrer Eneftehung
‚geben bie mancherlei Erſcheinungen, die ſich in und
U] 414 -
außer ung offenbaren, und die hi unfere Wißbe⸗
gierde, theils unſere Bewunderung, theils unſer Er⸗ ſtaunen, theils Furcht in uns erwecken.
3) Wozu wuͤnſcht man aber die menſchlichen Meinungen kennen zu lernen? Um zu erfahren, wie ſich der Menſch gebildet und ſeine Anlagen entwickelt hat, welchen Gang die einzelnen Wiſſenſchaften ge⸗ nommen und wie ſie nach und nach vervollkommt worden find, zugleich aber auch um zu-unterfschen, 0b Wahrheit oder Irrthum in irgend einer Vorſtel⸗
ung enthalten ift, um die Erſtere ſich zu eigen zu machen und ſich vor dem Letztern hüten zu-fernen.
4) Alle Meinungen , die wir fennen lernen, muͤſſen wir in Rüdfihe ihres Gehaltes prüfen; wir müffen nachfehen, in mieferne fie wahr oder falich oder wie Webrhel und Falſchheit in ihnens gepaart find. , 5) Die manchetlei Meinungen, die wir in der Gecſchichte auffinden, müffen als fo viele Verſuche angeſehen werden, um zur obhjektiven Webrhet von irgend etwas zu gelangen.
6) Sie bezeichnen bie Stufe ‚ auf welcher ein
Manſch oder ein Zeitalter in Anfehung feiner Kultur
geftanden hat oder noch ftehe: wenn jemand die Ur« ſache von jeder außerordentlichen Erfcheinung vers görtlicht, fo ift dies ein Kennzeichen, daß bloß fein Verftand ehärig iſt, und daß feine Vernunft noch niche felbftchärig zu feyn begonnen bat. _
7). Man muß jede Meinung in ihre Beſtand⸗ heile zerlegen, um au erfahren, was zu derſelben die
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Veranlaſſung gegeben hat, und das fotale, Native :
‚nelle und Temporelle in ihr beraus fuhen.
8) So toll und thoͤricht eine Meinung auch ſeyn
mag, ſo hat ſie doch die Abſicht, etwas Wahres zu bezeichnen. Es iſt daher jederzeit noͤthig, den Urs fprung und die Veranlaffung einer Meinung aufzu⸗
ſuchen. Dieſes Nachforſchen muß zum Theil hiſto⸗
riſch, zum Theil pſychologiſch angeſtellt werden, weil
die Veranlaſſung eine Geſchichtsſache, der Urſprung
aber ein Gegenſtand der Pſychologie iſt.
J Geſchichte der Staaten. Durch eine ſolche Geſchichte will man erfahren,
welche Wege dieſe oder jene bürgerliche Geſellſchaft
- eingefcehlagen hat, um fih ber. eimzig rechtlichen
Staatsverfaſſung — ber republifanifhen — zu
nähern. Alle Staatsformen, alle Berfaffungen,
alle Veränderungen in.einem Stagte, alle Theiluns
gen der Staaten und Verbindungen derfelben, alle
Kriege, kurz alles, was die Menfchen in Bezugauf . -
den Staat gethan haben, müflen als fo viele Vers
fuche, das Problem zu löfen, welche Staatsverfaffung
die vollfommenfte ſey und als fo viele Beftrebungen,
die Annäherung berfelben zu beſchleunigen, angefehen - werden. Iſt die Einfuhrung einer ſolchen Verfaſ⸗ ſung auch nicht der Wille der Menſchen, beſonders aber nicht der Gewaltigen, ſo iſt es doch die Abſicht
der Natur oder beſſer der Vorſehung, die alles ſo
lenkt, daß endlich die Gerechtigkeit das belebende
Princip der Staaten wird. Wenn man alle Ereig⸗
niſſe in der Welt, und alle Staatsbegebenheiten aus
— *
J —— 44 — - außer uns offenbaren, und -die theil, un unfere Wißbe⸗
gierde, theils unſere Bewunderung, theils unſer Er⸗ ſtaunen, theils Furcht in uns erwecken.
3) Wozu wuͤnſcht man aber die menſchlichen Meinungen kennen zu lernen? Um zu erfahren, wie ſich der Menſch gebildet und ſeine Anlagen entwickelt bar, welchen Bang die einzelnen Wiſſenſchaften ger nommen und wie fie nach und nad) vervollfomme “ worden find, zugleich aber auch um zu-unterfuchen, ob Wahrheit oder Irrthum in irgend einer Vorftels
lung enthalten ift, um die Erftere fich zu eigen zu machen und ſich vor dem Leßtern hüten zu ‚lernen.
2) Alle Meinungen , die wir kennen lernen, muüuͤſſen wir in Ruͤckſicht ihres Gehaltes prüfen; wir müſſen nachſehen, in wieferne ſie wahr oder falſch oder wie Webrhel und Falſchheit in un a gepaart find. | .5) Die monchetle Meinungen, die wir in der Gecſchichte auffinden, müuͤſſen als fo viele Verſuche
angeſehen werden, um zur objektiven Probe von irgend etwas zu gelangen.
6) Sie bezeichnen die Stufe, auf welcher ein
Menſch oder ein Zeitalter in Anfehung feiner Kultur
geftanden hat oder noch ſteht; wenn jemand die Ur⸗ ſache von jeder außerordentlihen Erfcheinung vers görtliche, fo ift dies ein Kennzeichen, daß bloß fein Verſtand rhärig iſt, und daß feine Bernunft noch nicht felbftchätig zu feyn begonnen bat. .
7) Man muß jede Meinung in ihre Beſtand⸗ sheile zerlegen, ‚um zu erfahren, was zu derſelben bie
eg — Veranlaſſung gegeben hat, und das Sofale, Natio⸗ | ‚nelle und Temporelle in ihr heraus ſuchen. .
8) So ioll und thoͤricht eine : Meinung auch ſeyn mag, fo bat fie doch die Abſicht, etwas Wahres zu bezeichnen. Es ift daher jederzeit nöthig, den Urs fprung und die Veranlaffung einer Meinung aufzu⸗ ſuchen. Dieſes Nachforſchen muß zum Theil hiſto⸗ riſch, zum Theil vſychologiſch angeſtellt werden, weil die Veranlaſſung eine Geſchichtsſache, der Urſprung
aber ein Gegenſtand der Pſychologie iſt.
3) Geſchichte der Staaten. Durch eine folche Gefchichte will.man erfahren,
welche Wege dieſe oder jene bürgerliche Gefellfhafe
- eingefehlagen hat, um fih der einzig rechtlichen Staatsverfaſſung — der republifanifhen — zu nähern. Alle Staatsformen, alle Verfaſſungen, alle Veränderungen in einem Stagte, alle Theiluns gen der Staaten und Verbindungen berfelben, alle Kriege, kurz alles, was bie Menfchen in Bezug auf den Staat gethan haben, müffen als fo viele Ver⸗ fuche, das Problem zu löfen, welche Staatsverfaffung die vollfommenfte fey und als fo viele Beftrebungen, die Annäherung derfelben zu befchleunigen, angefehen - werden. Iſt die Einführung einer ſolchen Verfaſ⸗ ſung auch nicht der Wille der Menſchen, beſonders aber nicht der Gewaltigen, ſo iſt es doch die Abſicht der Natur oder beſſer der Vorſehung, die alles ſo lenkt, daß endlich die Gerechtigkeit das. belebende Princip der Staaten wird. Wenn man alle Ereig⸗ niſſe in der Welt, und: alle Staatsbegebenheiten aus
2
J — 416 —
bieſem Sch chtopunkee betrachter, fo bekommt das graͤßliche Schaufpiel, das die Staaten aufführen und das fonft in dem vernünftigen Zufchauer Verachtung feiner Gattung erregen müßte, einen Zweck, bem die Spielenden zwar nicht beabfichtigen, ber fich aber doch endlich felbft wider ihren Willen realifirt. Mies mand, fann daher die Staatengefehichte mit Vortheil und Intereſſe ſtudiren, fo lange er fich nicht die Auf-
„ gabe gelöft hat, wie die Verfaffung befchaffen fenn
müffe, welche das Recht Aller beſchuͤtzt, und welche
mit der größten Freiheit die groͤßte Sicherheif verbin⸗ det. Der Ehrgeiz und die Herrſchſucht find die
Teiebfedern der ewigen Kriege gemwefen, welche bis⸗ her Die Welt zerfleifcht Haben, und diefe jerftorenden geidenfchaften werden nicht eher, wenn auch nicht ausgerottet, doch unſchaͤdlich werden, als bis die Verfaſſungen aller Staaten den Charakter der Vers
nuͤnftigkeit an fih tragen, und fi) alfo auf die Prin-
eipien der Selbftftändigkeie, ber Freiheit und der Gleichheit bes Menfchen gründen. Iſt es nur ein» mal dahin gefommen, daß irgend ein Staat eine
‚gerechte Verfaffung bat, fo wird ſich auth die An⸗
näherung des Zeitpunftes befchleunigen, mo Alle Dies
- fes Vorzuges theilhaftig zu werden fuchen werben.
Eine Gefchichte der Staaten hat, es alfo 1) mit den Verfaffungen der mancherlei Staaten, bie je eriftirg Haben und von denen wir Machrichten befigen, "und mit ihren Veränderungen,
2) mit den Kriegen, die diefe Staaten geführt,
‚und
3) mie den Regenten, ie in. ihnen geherrſcht haben, zu thun.
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4) Geſdichte ber anorganiſchen und c organ | niſchen Natur. | . Diefe Gefchichte Hat die mancherlei Veraͤnde⸗ rungen aufzuzaͤhlen, welche die Natur und ihre Pro⸗ dukte erlitten haben. Man will, wiffen, wie ein Land oder eine Gegend dieſe Geſtalt, die fie jetzt hat, ers Balten, ob ſich ihre Fruchtbarkeit vermehrt oder vers \ mindert, ob fie nicht fonft Pflanzen und Thiere ns naͤhrt bat, welche man jeße nicht mehr in ihr anttift und welchen Umwandlungen die in denfelben noch vors handenen örganijchen. Produfte unterworfen geiefen. find, Wozu will man. aber alles diefes wiffen? Da ber Menſch Endzweck der Natur ift, und da alſo alles, was dußer ihm da ift, feinerhalben eriftire, fo will, man durch eine folhe Naturgeſchichte willen, ob alles noch fo gut zum Leben des Menfchen,- zu feiner Er⸗ haltung, zu feinem Wohlſeyn und zu feiner Vervoll⸗ fommnung eingerichtet ift, als es vorhero der Fall gewe⸗ ſen, oder ob alles vorhero dieſem Zwecke weniger ent⸗ ſprochen hat als wir es jetzt bemerken. Die Materialien zu einer ſolchen Gefchichte find zwar nicht zahlreich, allein wo eigentliche Geſchichtsdata nicht hinreichend find, Fönnen vielleicht Murhmaßurigen von dem, was ba ift, auf das, was geivefen ift, gewagt werden, um Doch einigermaßen die Wißbegierde bes Menfchen in biefer Hinſicht zu befriedigen und ber Abficht, in der ſolche Unterſuchungen angeftellt werden, Genuͤge zu leiften. Aus Analogie laͤßt ſich in Dingen „ bie von. Den noch vorhandenen boch nicht allzuſehr abgewichen ſeyn koͤnnen, vieles folgern, was als Beitrag zu ei⸗ ner Geſchichte der Natur angeſehen werden kann. Die Veraͤnderungen, die in der Natur ſtatt gefunden
aunß zu denken. P d.
\
geben y müßfen tbeils nach mechanifchen ‚ theils nach organifchen Prineipien ‚erfolge feyn, und da nun Die organifchen und anorganifchen, Produfte ſpecifiſch von einander verfchieden find, fo darf auch die Gefchichte ‚beider nicht in einander gemiſcht, fondern jedes Nas tuereich muß in Ruͤckſſcht feiner Veränderungen beſon⸗
ders durchgegangen werden. E Beſqhreibuns des Menſchen und bes . Natur.
Da die Beſchaffenheit der Art, wie der Mmenſch
den Stoff zu ſeinem Nachdenken erhaͤlt, den Unter⸗
ſchied der Wiſſenſchaften in philoſophiſche und hiſtori⸗ ſche ausmacht, und da man den Zuſtand des Men⸗
ſchen und der Natur, und die Beſtandtheile beider
nicht anders kennen lernen kann, als daß man den Stoff, der ſchon vorhanden und gegeben iſt, ſorgfaͤl⸗ fig aufſucht, zweckmaͤßig ordnet, das Verſchiedene trennt, und das Gleichartige verbindet, ſo gehoͤren Anatomie, Naturbeſchreibung, Geographie, Na- turlehre, Phyſiologie des menſchlichen Koͤrpers, der Thiere und der Pflanzengewaͤchſe u. ſ. w. in die Ge⸗ ſchichte. Wird hier auch nicht erzaͤhlt, was dieſe Dinge geweſen, ſondern was ſie noch ſind, ſo iſt doch
I ihr Stoff kein Produkt der bloßen Selbſtthaͤtigkeit des
Menſchen und gehoͤrt alſo nicht in die Philoſophie,
ſondern er muß zuſammen geleſen und fo behandelt
‚werben wie er vorhanden if. In der Phnfiologie uns ferfücht man, wie etwas wirft und: wozu diefe Wir⸗ kung da iſt, und in der eigentlichen Naturbeſchreibung J will man willen mas. da ift, mie es bejchaffen ift und in welchen Verbindungen daflefbe ſteht. Der teleo⸗
a —
logiſchen Betrachtung uͤber die Natur und den Men⸗ |
fchen muß die Kenntniß ihrer Beſtandtheile und der Wirkungen derfelben voraus Heben; denn man muß borhero willen, was die Gegenftände find und welche Erſcheinungen durch fie hervorgebracht werden, ehe man fragen kann, welchen Zweck biefe leßtern haben. Es iſt Daher noͤthig, daß man den Menſchen in Ans feines Körpers und bie Natur in Anſehung ihrer Ber ſchaffenheit und Produkte genau und gruͤndlich erforſcht, damit man ihnen weder «Eigenichaften andichte, die
fie nicht haben, noch Zwecke beilege, die fie.niche rea⸗
liſtren koͤnnen; und die Natur und. der Menfch müffen beſchrieben und zergliedere werden, wenn man ihre Deftanbrpeile kennen lernen will, und ihre Wirkun⸗ gen muͤſſen fleißig und genau beobachtet und unter ein⸗ ander verglichen werden, wenn man zu einer Kenntniß von dem Zwecke ihres Dafeyns gelängen will,
5, Phitotogiſche Wiffenfchafcen.
Der Zweck des Studiums bet Dpilologie fin formeller Hinficht die Kultur der Denkkraft, in mas terieller aber die Kerintniß der Denfungsart und der Sitten, der Ereigniffe und der Staaten, der Glau⸗
. bensarten und der Philoſophie, der Gebräuche und
der Geſetze u. ſ. w. der alten Welt: denn ohne Kennt⸗
niß der altenSprachen kann man dieſe Gegenſtaͤnde nicht
gruͤndlich kennen lernen, Die Bedeutung der Worte
und der Redensarten, der Bau dieſer Spräaden und -
die mancherlei Kenntniſſe, welche zum Verſtehen eis nes Schriftſtellers der alten Welt nothwendig ſind, ſind lauter geſchichtliche Gegenſtaͤnde und muͤſſen als
‚ein vorhandener Stoff, der nicht willtuͤhrlich veraͤn⸗
oa —
* - — — — — — — —
dert werden kann, angeſehen werden Was fih durch
richtige Interpretation d. h. durch gruͤndliche Einſicht
in die Bedeutung der Worte, in den Zuſammenhang | der Gedanken, in die Geſchichte und Geographie er⸗
giebt, iſt philologiſch wahr. Die Sprachen muͤſſen gaͤnzlich als Stoffe bes hiſtoriſchen Wiſſens behandelt
werden, und man darf nicht willkuͤhrlich einen Sinn in eine Stelle hineinlegen, der nicht durch ben genauen Worteverſtand gerechrfertige werden Bann und die Huͤlfsmittel, welche das Verſtehen der in derſelben vors getragenen Dinge befördern, muͤſſen theils aug der ei⸗ gentlichen Gefchichte, cheils ausder Kenntniß der Natut des menfchlichen Geiftes hergeholt werben. Die Res
geln einer alten Sprache müffen daher auch Durch die Gefchichte fennen gelernt werden, und wenn fie fid
auch auf die Naturgeſetze der menfchlichen Denfmweife
zurückführen laffen, ſo dürfen fie doch als Mes
geln einer. befondern Sprache nicht bloß auf jene ge;
bauer werden, und man darf die alten Schriftfteller weder weifer noch. unwiſſender machen als fie find, wenn man nicht das Gebiet, das man bearbeitet, gänzlich verfennen will. Will man die alte Welt durch
das Studium ihrer eigenen Schriftſteller kennen ler⸗
nen, ſo iſt erforderlich:
1) Grammatikd.i. Betanntſchaft n mit der ort bedeutung, Einſicht in die Medetheile, in die Ver— bindung derſelben, in den Bau einer Sprache und in ihre Dialekte u. ſ. w. |
29) Hermeneutik d. i die Wiſſenſchaft und Kunft, einen Schriftfteller nach den grammatifchen, logifchen
| (formen) und materiellen Regeln zu erklaͤren.
\
N *
- 42 -
3) Kritik d. i. Prüfung der Aechtheit einer Les⸗ art, entweder ihrem Wortverſtande oder ihrem Sach⸗ inhalte nach.
4) Geographie d. 5 Kenntniß der alten Belt in
polisifcher,, mathematifcher und phyſikaliſcher Hinſicht.
5) Geſchichte der Staaten, der Voͤlker, der zeiten , der Münzen u. mw.
6) Antiquitäten d. h. Geſchichte der Menſchen E
in Anſehung ihrer Sitten, Gebraͤuche, Denkungsart, Geſetze, Staatsformen, religioͤſen Ceremonien u. ſ. w.
7) Mythologie d. h. die Kenntniß der Verhaͤlt⸗ niſſe, in welchen man ſich die Gottheiten zu den Men⸗,
ſchen und derWelt gedacht hat.
8) Literaturgeſchichte d. h. bie Geſchichee der |
| Gelehrten, ihrer Bücher und der gelebrren Anſtalten.
9) Archaͤologie d. h. die Keunniß ber Kunſt⸗ _ denkmaͤler der alten Welt.
10) Naturgeſchichte. 1 11) Narurbeſchreibung und —* Philoſophie.
Die uͤbrigen hiſtoriſchen Wiſſenſchaften Brauchen |
hier nicht befonders angeführt zu werden: benn man
darf fich nur erinnern," welcher Quelle fie ihr Dafeym .
verdanken und zu welchem Zwecke fie bearbeiter wers
den, um richtig über fie urtheilen zu fernen. Die Re⸗
n‘*
— ——— 422 or '.
geln, die man bei allem geſchichtlichen rZorſchen und beim Ureheilen über gefchichtiiche Gegenſtaͤnde beobache ‚ten muß, find folgende:
1) Die Quelle aus der etwas entſtanden iſt, muß ſorgfaͤltig aufgeſucht werden ⸗
2) Die Denkmaͤler, die von etwas Nachricht liefern / find' nach allen Regeln der Srammatif, Der dogik und der materiellen Wiffenfchaften, auszulegen,
3) Jeder Schriftſteller muß aus fich und aus der Denkungsart feineg Zeitalters erklärt iyerden,
Zu 9 Das Emäptte muß rein aufgefaßt, zweckmaͤ⸗ fig geordnet und zu einem veetänblichen Ganzen bear⸗ heitet werden.
5) Jede Muthmaßung, die 2% nice auf bie Analogie von etwas Andern. gender, iſt fo viel alg wielch zu vermeiden.
6) Alle Geſchichtsſtoffe, in fo ferne fie fich ber „ Art nad) von einander unterfcheiden, müffen ans dem Geſichtspunkte betrachtet werben den ihre weiten fenheit an die Hand giebt.
7) Die Geſchichte darf nicht mit der Philoſo⸗ phie uͤnd dieſe nicht mit jener vermiſcht, ſondern jede wuß beſonders betrachtet und unterſucht werden.
8) Sind wunderbare Ereigniſſe hiſtoriſch bewies ten, v h enthält die Begebenheit keinen Widerſpruch in ihrem Degrifſe und verdient der Zeuge⸗ der. fie
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„MER TE Bun Ki A ._ 3. .
43 — | auffzat, vermoͤge ſeiner Aufrichtigkeit und Kennenife " Glauben, fo dürfen fie nicht weggeleugnet und alfo u weder wegeregefirt noch wegphilofophirt, fondern pfys chologiſch d. h. aus der Denkungsart bes Zeitalters . - und alfo dem Kulturzuſtande einer Nation erklaͤrt wer⸗ den: denn ift auch etwas für ung weder wahr noch glaublich, fo hat es doch ein ander Zeitalter als wahr ⸗ und glaublich angenommen. Und wollen wir nicht eben gerade durch die Gefchichte erfahren, was por . ung gefhehen, gebacht, erfanns und geglaubt. wor - ben iſt? 9) Wir müffen nichts für geſchichtlich wahr TE erkennen, wovon es feinen gefhichtlichen Beweis giebt. —
10) Hat das Geſchichtliche zugleich den Cha⸗ rakter des Poſitiven, ſo muß das poſitiv Rechtliche und poſitiv Religioͤſe eben ſo gut buchſtaͤblich genom⸗ men und nach dem Wortverſtande und Sachinhalte erklärt werden, wie jeber andere Gefhichtsgegeuftand.
11) Das Kriterium des pofitio Wahren, Mo⸗ raliſchen und Rechtlichen iſt 1) daß ſich eine Sache nicht widerſpricht. 2) Daß ſie beglaubigt iſt j und 3) daß fie von einem hoͤhern Geſetzgeber fuͤre wahr, gut und rechtlich erklaͤrt worden iſt. |
13) Die Kriterien des abſolut Wahren, Gu⸗ ten und Mechtlichen hingegen liefere die Philofophie, - “ welche jebe Wiſſenſchaft „ fo bald es auf dieſe drei Ohjekte als abſolute Wahrheit antommt, als gültie gen Richter a anerkennen muß.
%
Ess ziebe zwar eine Kritik der ſchoͤnen Kuͤnſte, aber keine Wiſſenſchaft derſelben , denn das Schöne iſt et⸗ was, das gefaͤllt, und die Vorſtellung deſſelben wird nicht auf das Objekt zum erkennen deſſelben, ſondern auf das Subjekt bezogen , um zu erfahren, in wel—⸗
chem Verhaͤltniſſe ein Gegenſtand zum freien Res
flexionsvermoͤgen des Menſchen und alſo zum Ge— ſchmacke ſteht. Man will keinesweges durch eine ſol⸗ de Beziehung feine Einficht über den Gegenſtand ver; mehren, fondern benfelßen bloß in ſeinem Verhaͤlt⸗ niſſe zum Gefuͤhlsvermoͤgen und zwar in der bloßen Reflexion uͤber denſelben betrachten. Eine ſchoͤne Kunſt iſt die Geſchicklichkeit, etwas einer Idee gemaͤß,
welche als die Urſache deſſelben anzuſehen iſt, hervor⸗ zubringen, was ein Wohlgefallen im Menſchen er⸗ regt, welches durch die bloße Beurtheilung entſteht.
Das Hervorgebrachte iſt ein Kunſtwerk, zu deſſen
Hervorbringung Genie, zu ſeiner Beurtheilung aber Geſchmack erfordert wird. Jenes charakterifirt ſich durch Originalitaͤt ber Ideen, durch Reichthum und Geiſtigkeit der Gedanken, durch Erfindung in der Anlage und Durchfuͤhrung des Ganzen und durch Leich⸗ tigkeit im Begreifen deſſelben; dieſer durch die Erre⸗ gung des Gefühls des Schonen und d Erhabenen und
!
ya 428 — ⸗ .
durch Hinwegſchaffung alles desjenigen, was dieſe Gefuͤhle vernichten oder ſtoͤren koͤnnte. Jenes iſt die
ſchoͤpferiſche Kraft der Natur, dieſer der Bildner der ⸗·
ſelben; jenes ſchaft neue Formen und Geſtalten, die- fer ereheile ihnen die Eigenfchaft, durch die bloße Be⸗ frachtung berfelben i in dem Zuſchauer ein Wohlgefallen
zu erregen.
Alle ſchoͤnen Kuͤnſte haben bi die Erregung des Wohlgefallens durch Darſtellung von Ideen zur Ab⸗ ſicht und die verſchiedenen Arten, wie der Menſch Ideen ausdrücken kann, geben auch verfchiedene Ar⸗ ten von [chönen Künften. Er fann feine Ideen ent⸗ weder durch Begriffe oder durch Anfchauungen oder - dur) Empfindungen’ äußern und darftellen, und es giebt alfo vedende und bildende ſchoͤne Kuͤnſte und die Kuͤnſte des fehönen Spiels der Empfindungen. Die, rebenben ſchoͤnen Kuͤnſte druͤcken Ideen durch Worte aus und erwecken dadurch Anſchauungen fuͤr dieſe Ideen in der bloßen Einbildungskraft; die bildenden druͤcken Ideen durch die Sinne.in den Anſchauungen aus und die Kunſt des ſchoͤnen Spiels der Empfindun⸗ gen iſt die Geſchicklichkeit, Empfindungen durch Aus -
Bere Eindrüce zu bewirken, welche in bem Menfchen
ein Woblgefallen durch ihr kuͤnſtliches aber ſchonet Spiel erwecken.
Die Negen, die man bei Beurtheilung aller Kunſtwerke beobachten muß, Find folgende:
1) Jedes Kunftwerf muß einen Zweck haben, zu defien Realiſirung daſſelbe hervorgebracht iſt und auf ben ſich alles Mannigfaltige deſſelben ab quf eine Einheit bezieht. |
! u u _ um 50000 HT Tg muß ein XXIX. Kapis weber dag Gefisf |
Biemuß man verfahren „„ Einbildungskraft in und Marimen muß me mit dem Verftande oder man in den ſchoͤne „n.durcd) die Ohnmacht de thei WW; Belebung von Vernunft |
„4 ‚fervorbringen.
| + thle des Schönen und Erhabenen S nn ee. ' —* verfchiedenen Arten von Wohl was, das „‚oenen die untergeprdneten Arten z. 2. ai ih auf „Z ‚218 Komijche, das Surchtbare, Scrt auf dar ; 13 X yerwandt find, chem Z ts, was In einem fchönen Kunſtwerke vorı fer, at 2 muß angeſehen werden koͤnnen, als bu f MM 1 es bloß das Wohlgefallen, obgleich noch meh: Nebenabſichten 5. DB. das Belehren, Beſſern 2. j w. Dadurch erreicht werden können, Das Beleh⸗ ren und. Beſſern ift jederzeit etwas zufälliges und kann such fehlen, ob gleich demohngeachtet ein Kunftwerf ein, ſchoͤnes Kunftwert feyn fann, 5) Ales, was ein Kunſtwerk ſeyn fol, muß ſich als ein Produkt des Genies durch Originalität in den Ideen und in der Erfindung, durch Mufterhaftigkeit in der Ausführung und durch Geifigfeit in ben Begriffen begrfunden. 6) Daſſelbe muß auch die Forderungen des Ge⸗ ſchmacks befriedigen, d.h. es muß in bet bloßen Be urtheilung gefallen. 7) Es muß, fic} leicht begreifen laffen und doch dem Leſer, Zuſchauer oder Zuhoͤret vieles zu denken geben. | J
—W
— 425 — —
durch Hinwegſchaffung alles desjenigen, was diefe Gefuͤhle verrichten oder lören fünnte. Jenes iſt die fchöpferifche Kraft der Natur, ‚diefer der Bildner dere
felben; jenes fchaft neue Formen und Geſtalten, die- fer ertheile ihnen die Eigenfchaft, durch die bloße Be⸗ trachtung derſelben in dem Zufchauer ein Wohlgefallen zu erregen.
Alle ſchoͤnen Kuͤnſte haben bi die Erregung des
Wohlgefallens durch Darftellung von Ideen zur Abs
ſicht und die verfthiedenen Arten, wie der Menfch
Ideen ausdrücden kann, geben auch verfchiedene Ar⸗
ten von fchönen Künften. Er kann feine Ideen ent⸗
weder durch Begriffe oder durch Anſchauungen oder -
duch Empfindungen’ äußern und barftellen, und es giebt alfo redende und bildende ſchoͤne Kuͤnſte und die
Küuͤnſte des ſchoͤnen Spiels der Einpfindungen. Die,
vebenden fehönen Künfte drücken been durch Worte
aus und erwecken dadurch Anfchauungen für biefe,
‚Ideen in ber bloßen Einbilbungsfraftz die bildenden
drücken Ideen durch die Sinne. in den Anfchauungen aus und die Kunft des ſchoͤnen Spiels der Empfinduns
gen if die Geſchicklichkeit, Empfindungen durch äu= -
Bere Eindrüde zu bewirken, welche in bem Menfchen “ein Woblgefallen durch ihr Kunftihes aber ſchones Spiel erwecken.
Die Regeln, die man Sei eurtheilung aller
Kunſtwerke beobachten muß, find folgende:
1) Jedes Kunſtwerk muß einen Zweck haben, ju deffen Realiſirung daſſelbe hervorgebracht iſt und
auf den ſich alles Mannigfoltige deſſelben al auf eine
Einheit bezieht.
—
—
J „x
16 — | 3) Die Realifirung dieſes Zweckes muß ein
Wohlgefallen erregen und alſo entweder das Gefuͤhl
des Schönen durch das Spiel der Einbildungskraft in ihrer freien Uebereinſtimmung mit dem Verſtande oder das Gefüuͤhl des Ergabenen. durch die Ohnmacht der Einbildungskraft und bie Belebung von Vernunft
ideen als einer Macht hervorbringen.
3) Die Gefuͤhle des Schoͤnen und Erhabenen ſind die beiden ſpezifiſch verſchiedenen Arten von Wohl⸗ gefallen, mit denen die untergeordneten Arten z. B. das Naive, das Komiſche, das Furchtbare, Sonde
liche un. ſ. w. verwande fi nd.
4) Alles, was in einem ſchoͤnen Kunſtwerke 0084
handen ift, muß angefehen werden können, als bes
zwecke es bloß das Wohlgefallen, obgleich noch meh⸗ tere Nebenabfichten. z. B. das Belehren, Beſſern u. ſ. w. dadurch erreicht werden koͤnnen. Das Beleh⸗ ren und Beſſern iſt jederzeit etwas zufaͤlliges und kann
auch fehlen, ob gleich demohngeachtet ein Kunſtwerk
eig, ſchoͤnes Kunſtwerk ſeyn kann. 5) Alles, wos ein Kunſtwerk ſeyn ſoll, muß ſich
als ein Produkt des Genies durch Originalitaͤt in den
Ideen und in der Erfindung, durch Muſterhaftigkeit in der Ausführung und durch Geiſtigkeit in ven Degeiffen
| begrfunden.
6) Daſſelbe muß auch die Forderungen des Ge⸗ ſchmacks befriedigen, d. h. es muß in det bloßen Ber
urtheilung gefallen.
7) Es muß fi leicht begreifen laſſen und doch dem Leſer, Zuſchauer oder Zuboͤret vieles zu denken geben. | | N
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8) Die ſchoͤne Kunſt iſt keine Natchehmung der Natur, ſondern ſie iſt der Ausdruck von Ideen, wel⸗ (he die Einbildungsfraft Darzuftellen hat, mag dies
nun durch Worte, Gebehrdung ober Töne geſchehen.
0) Ein fchönes Kunſtwerk fon zwar ein Intereſſe, aber nicht an ſeinem Beſitze, ſondern an der Vorſtel⸗ "kung Jeiner Exiſtenz erwecken, und fein Kunſtwerk darf ein doppeltes Intereſſe erregen, weil ſonſt alles Wohlgefallen vernichtet wird, indem es daſſelbe theilt.
10) Jedes Kunſtwerk muß individuell ſeyn und“ jeber Künftier muß indivibualificen. N |
A. Redende fohöne Kunſte.
Wenn jemand Ideen durch Worte ausdruͤckt und dadurch Anſchauungen fuͤr dieſelben in der bloßen Ein⸗ bildungskraft erregt, ſo wirken dabei zwei Vermoͤgen, der Verſtand und die Einbildungskraft. Es giebt daher blos zwei Arten von redenden Kuͤnſten, welche dadurch entſtehen, daß Eines von dieſen beiden Ver⸗ moͤgen die Oberhand uͤber das Andere hat. Wird der Verſtand als Herrſcher anerfannt und wird etwas als fein Geſchaͤft durch Worte betrieben, als wäre es . ein freies Spiel der Einbifdungsfraft, fo heißt dieſe fhöne Kunft, Beredſamkeit; wendet mar ſich hingegen vorzüglich an die Einbildungsfraft und be= treibt man ein freies Spiel derfelben durch Worse auf die Art, als wäre es ein Gefchäft des Verftandes „ſo nennt man dieſe ſchoͤne Kunſt, die Dichtkunſt. Die Poeſie und die Beredſamkeit untetſcheiden ſich alſo dadurch von einander, daß jene ein unterhalten⸗
2 —3 ‘ . .
— 18 —
des Epiel mie Ideen für die Einbildungsfraft ankuͤn⸗ digt und dem Verſtande dach vieles zu denken giebt,
dieſe hingegen mie einem Geſchaͤfte für den Berftand
auftritt und es doch bfoß als ein Spiel mit Ideen für die Einbildungsfraft betreibt.
| Unter ben rebenben Kuͤnſten behauptet bie Dichts kunſt den höchften Rang, weil fie troß der Ankuͤndi⸗ aung eines Spieles mit Ideen für die Einbildungss kraft doch dem Berftande viele Materialien zum den Ben verfchaft. Es giebt eben fo viefe Dichtarten, als man durch die Darftellung von Ideen in Worten Ges füpfe erregen Bann. Die eine Art hat die Erweckung des Naiven, eine andere die Erregung des Furchtba- ren, eine dritte das Komifche u. f. m. zur Abſicht. Der Trauerfpieldichter bat einen andern Zweck als der Suftfpieldichter, der Romanendichter ftrebt nach einem andern Ziele als der Lyriker, und fo hat jede Dichtart ihre bejondere Abſicht, „nach weicher der Werth jedes in derfelben zum Vorſchein kommenden Kunſtwerkes beurtheilt werden muß. Der Luſtſpieldichter will das “ Gefühl bes Komifchen rege machen; mag fein Stoff ſeyn, welcher er will," fo muß doc) feine Bearbeitung auf.die Ausführung jener Abſicht angelegt feyn; je beſſer er nun diefe erreicht, defto größer ift fein Werth als Künftler. Allein nicht jeder Stoff taugt zu jeber Dichtart; fo werden Unmoralitdten und Verbrechen nie Lachen, obſchon Abſcheu erregen. Daher geben fie wohl Stoffe zum Trauerfpiele, aber nicht zum Luſt⸗
- fpiele ab. Das Ehrwürdige ift fein Gegenftand ber
Satyre ‚ 0b es gleich Materialien zu einem Liede ober au einer Ode Kiefern konn und niemand Birk bie There
Seiten und Xusfhmeifungen des bürgerlichen Lebens u > zum Gegenſtand einer Idylle fir paffenb zu halten.
Wenn man weiß, welches Gefühl eine jede Dichtart
erwecken fol, ‚fo läßt ſich auch leicht beftimmen, in .
welche Klaife ein Kunſtwerk gehoͤrt. Die Mittel aber einen vorgeſtellten Zweck zu erreichen, ſind in den ſchoͤ⸗ nen Kuͤnſten zahlreich und mannichfaltig und je unge⸗ woͤhnlicher und kuͤhner die Bahn iſt, die jemand zur Erreichung feiner Abſicht gegangen iſt, deftb groͤßer 'iſt der dichteriſche Werth feiner Arbeit. Für den Kunſtrichter ift es Daher Pflicht, den Weg zu unter⸗
ſuchen, auf dem ein Dichter zu ſeinem Ziele gelangt iſt: dieſe Unterſuchung erfordert aber viele Menſchen⸗
kenntniß, um ſo gleich beurtheilen zu koͤnnen, in wel⸗
chem Verhaͤltniſſe ein Mittel zum Zwecke ſteht, welche
Wirkung es in Bezug auf das Ganze hervorbringt,
ob es nothwendig oder blos zufaͤllig und alſo unnuͤtz
iſt, ob es theils die Anſchaulichkeit, theils die Schoͤn⸗ hlit befördert, theils die Geiſtigkeit des Ganzen vermehrt.
Da nun alle ſchonen Kuͤnſte den Zweck Wohl⸗ gefallen zu erregen, haben, fo muß Dies auch die Abs ſicht der redenden Kuͤnſte ſeyn. Es kommt alſo nun
darauf an, zu beſtimmen, welche Arten von Wohl⸗ gefallen die verſchiedenen Dichtarten und bie Beredt⸗ ſamkeit zu erregen die Abficht haben, um im Stand
zu, ſeyn, den Werth eines jeden Kunſtwerkes zu be⸗
flimmen. Da der Menſch drei Hauptanlagen hat,
welche drei verfchiedene Arten von Stoffen, welche
dichteriſch bearbeitet werben koͤnnen, liefern, fo fanıt _ es auch nur drei weſentlich verfchiedene Dichtarten ge⸗
ben; man will entweder Die Probufse der Denkkraft
!
. - j 433 — | r L
hingegen verſchmaͤht daffelbe eine mehr als die Lyri⸗ fhe, welche blos durch die Aufftellung einer ſchoͤnen Form ein äftherifches Wohlgefallen eeregen will.
Weiche Marimen muß nıan aber befolgen, ment man uͤber ein Dichterwerf urebeilen will? 1) Es ift noͤthig, daß man unterfucht, in wel: che Dichtart ein Kunſtwerk gehören fol,
| 2) Nunmehto muß man fi belehren , welchen Zweck dieſe Dichtart hat.
3) Es muß forgfältig .nachgefplire werben, ob ein Kunſtwerck diefen Zweck erreicht und. wie es ihn ers reicht oder ob es ihn verfehlt und warum es ihn ver⸗
„. fehlt hat.
4) Die ganze Anlage beſelben muß baher ge⸗ nau ſtudirt und alle einzelne Theile muͤſſen zergliedert und ihr Verhaͤltniß unter einander und zum Ganzen ergruͤndet werden.
5) Man muß daſſelbe nicht als einen Gegen ftand des bloßen Erkennens behandeln, fondern die Vorftellung von dem Einzelnen und dem Ganzen im: mer im Verhaͤltniſſe zu ſeinem Gemuthet in Betracht ziehen,
6) Dan muß in einen Gedichte bie Form vor
ber Materie unterfcheiben und den Werth beider uns terſuchen.
7) Der aͤſthetiſche Werth eines Gedichts liegt in der Behandlung eines Gegenſtandes, nicht in ſei⸗ wem Inhalte, der wohl vergnügen aber nicht gefals len Sann.
ander eingteife und ſich wechſelweiſe unterſtuͤtze; ob er nicht Epifoden einſchalte, Die nicht zur Sache ges
hören und bie die Bollfommenheit des Ganzen flören; ober für irgend eine Perfon ein befonderes Intereſſe zu erregen geſucht oder ob er biefes Intereſſe ges theilt und auf welche Art und Weiſe er. alles fo geords
net und dargeſtellt habe, baß der obige Satz einleuch⸗
tend wurde und ſeine Anſchaulichmachung in dieſer
Dichtung gerade dieſes und kein anderes Gefuͤhl er⸗
regte? Warum erwekte die Lektuͤre dieſer Geſchichte nicht das Gefuͤhl des Erhabenen oder des Laͤcherlichen und wie haͤtte alles eingerichtet ſeyn muͤſſen, wenn es
eine von dieſen beiden Arten von Gefuͤhlen baͤtte her⸗ verbringen folen?
„Wir muͤſſen jebes dichteriſche Kunſtwerk ganz durchgeleſen haben, ehe wir eine Zergliederung ſowohl ſeinem Inhalte als ſeiner Form nach anſtellen koͤnnen: denn wir koͤnnen ſeinen Werth bloß nach dem Total⸗ eindrucke beſtimmen, den daſſelbe auf uns macht. Die Form in einem ſolchen Werke macht eigentlich das
Aeſthetiſche aus und ſie beſteht in der Verbindung und. Anordnung des. Einzelnen zu einem Ganzen und er⸗ regt allein Wohlgefallen oder Mißfallen. Sein Ins
halt ift etwas, das nicht in. das Gebiet des Aeſtheti⸗ fihen gehört, er ift eine Zuthat, die angenehme, rei⸗ zende oder möralifche Gefühle erweckt, und er kann
ſehr einfach und unbedeutend feyn, wenn nur die Form, J in die er eingekleidet, und die Art, wie er bearbeitet iſt,
dichteriſchen Werth hat. Keine Dichtart miſcht ſoviel
von dieſem Reizenden bei als die erzaͤhlende, welche vager auth mehr durch den Stoff vu intereffiren ſuchtz
— 44 — N gliederung, wenn man wiſſen will, ob fie wahre Kunſt⸗ werfe ſeyn. Reichthum an Ideen, Anſchaulichkeit in der Darſtellung der Begriffe, neue Wendungen in den Gedanken, kuͤhne Anſichten über den zu behan⸗ beinden Gegenfiand, geiftreiche Bemerkungen, Ges dankenfuͤlle, Beredheit, ein fchöner und gebildeter . Vortrag, ein ‚beflimmter Zweck, Benußung aller einzelnen Dinge zur Deutlichmachung bes Ganzen und zur Erregung eines Intereſſes für.daffelbe u. ſ. w. find Erforderniffe, die man bei der Beurtheilung einer Dede nicht uberfehen darf. Jede Rede will entweder " belehren oder zu einem Entfchluffe bewegen; auf dieſe beiden Zwecke muß alles angelegt betrachter werden, und aus ihrer Verſchiedenheit ergiebt ſich auch eine Verſchiedenheit der Marimen, die man bei feiner Kri⸗ tikß uͤber ein ſolches Kunftwerf beobachten muß. Frei⸗ lich iſt es noͤthig, daß man weiß, wie auf ben Vers ſtand und wie auf den Willen aͤſthetiſch gewirkt wer⸗ den kann und beides muß man aus einem ſorgfaͤltigen Studium der Pfucholögie lernen. |
B. Bildende ſchoͤne Kuͤnſte. Dieſe Art von fehönen Künften ſtellt Gegenfläns de Ideen gemäß in der Anfchauung und zwar im Rau me dar und hät es entweder mie der Sinnenwahr- heit sber mir dem Sinnenfcheing zu hun, je * nachdem die Darftellung mit dem darzuftellenden Ge “ genflande ganz übereinftimme oder nicht; im leßtern Falle aber den Sinn doch fo täufcht, daß er den Ges ‚genftand für wirklich und der Wahrheit gemäß dar⸗ .. geftelle hält. Die ehfte Arc der bildenden Künfte heißt die Plaſtik, die andere die e Maplerei
. \
. — 438 . — Bi Plaſtit begreiftt | 1) die Baufunft, und J 2) die, Bildhauerkunſt
in ſich, in welchen. ven die Darfelung dm ar u
genftande entfpricht: Die Mablerei bar es mit ber ſchönen Safe
lung des Menſchen, mit /der ſchoͤnen Schilderung der
Natur, und mit der ſchoͤnen Zuſammenſtellung ihrer |
Produkte ju thun. Die beiden Erſtern machen bie
eigentliche Mablerei aus, bie Letztere aber die Luſt⸗ j gärtnerei. Beide ftellen Ideen in der Anſchauung dar und befriedigen dadurch die Sinne fo ſehr, daß
fie den Schein der Dinge für Wirklichkeit halten.
Jede von dieſen Künften hat ihre beſondere Re⸗ geln, die man bei ihrer Beurtheilung nicht aus den
Augen verliehren darf. Die Hauptmärimen bei einer
ſolchen Beurtheilung find, Daß man 1) ihren Zweck, nn 3) ihre Wahrheit und 3) ihre Schoͤnheit, unterſucht.
IN
Die Kinfte bes ſchoͤnen Spiels vu
Empfindungen \
Diefe Künfte wollen durch aͤußere Eindruͤcke Ge⸗ fuͤhlei in uns erwecken und dieſe Einbruͤcke fi nd entives
‚ber Töne oder Farben, Dies giebt alfe zwei Arten > von folchen Kinften, die Mufit und bie Farben.
. Fünf Beide exregen ein aͤſthetiſches wear | Era u
V
⸗⸗
Die ie Schönfei der Muſik aͤber oſehhe nicht in ihren
Inhalte, fondern in der Art und Weiſe, wie fie die Gefühle erregt und alfe in ihrer Form, weiche allein vor das Zorum des Geſchmacks gehört, da hingegen
ihr Juhalt blos den Sinnenreiz befriedigt. Die Mu⸗
ſick ift eine Darftellung von Ideen durch Töne in der Zeit und fie. giebt, fo bald man von ihrem Inhalte
d. h. von dem angenehmen Klange und dem lieblichen und bloß auf die Verbindung der Töne und alfo auf
viel als die Dichtkunft) doch nicht wenig zu denken, und wird fie fters als ſchoͤne Kunſt beurtheile, fo träge ihr Lim:
.. gang und die Befchäftigung mit derſelben eben fo viel
zur‘ Ausbildung des Geſchmacks als zur Kultur der Hu: manität bei, weil fie Die wilden Leidenſchaften bandigr, die Vernunft von der Knechtſchaft befreiet, in ber fie
‘ber unbändige Hang nad) der Befriedigung eigennüßie
ger Triebe gefeflelt haͤt. Allein, wenn fie blos ‚zu
- einem Spiel angenehmer Empfindungen herab gewuͤr⸗
digt und unter die Künfte des Luxus geworfen wird, wie dies jeße fehr häufig der Fall ift, wo faft nur ihr Mißbrauch fichtbar wird, fo verliehre fie eben fo fehr von ihrem Einfluffe als von ihrem Werthe und ſteht mit jedem andern Genußmittel auf einer gleichen Stu⸗ fe des Ranges.
Das Vermögen, das Schöne, und Wahre in der Natur und in der Kunft zu beurtheilen ift der Ge⸗ ſchmack, allein da diefer wie jede andere Anlage des Menfchen fo fange fie nicht ausgebilder ift, theils truͤg⸗
lich, theils ungeſchlachtet iſt, ſo muß er vervollkomm⸗ net werden. Vollkommenheit erlangt er dadurch, daß
*
Eindrüucke, den dieſer auf die Sinne macht, abſtrahirt,
die Compofision fieht, dem Verftand (freilich niche fo
7
— 47.-
\ - *
er fleißig geuͤbt Wird; ; ‚allein woran kann man ih
üben? So lange er weder Fertigkeit noͤch Feſtigkeit
im Beurtheilen erreiche hat, würde es gefährlich ſeyi, ihn an jedem auch häßlichen und. gefchmaflofen Ge-⸗ genftande zu.üben, weil er dadurch vielleicht zeitlebens ‚verwöhnt werden würde. ‚Seine Thätigfeit offenbart ſich durch Gefühle und da dieſe fich nicht auf beftimms te Begriffen zurückbringen und als folche dnech den Verſtand berichtigen laffen, fo muß man ſehr vorſich⸗ tig in ſeiner Kultur verfahren: denn in Anſehung des Gefuͤhles gewoͤhnt ſich der Menſch durch einen laͤngern Umgang an das Unnasürlichfte und Vernunftwidrig⸗
fte. Der Geſchmack muß ſich daher an Gegenftän«- .
Den verſuchen, die fuͤr ſchoͤn gelten und die die Feuer⸗ “probe der Zeit ausgehalten haben, und was dieſe Pruͤ⸗ fung beftanden hat, das ift ein Mufter des Geſchmacks. Dies find Werke, welche fich durch Originalität der Ideen, Reichthum und Geiftigkeit, Anſchaulichkeit und Individualitaͤt der Begriffe und Schoͤnheit der Darſtellung aus zeichnen. Alſo Werke, die Produkte des Genies und des Geſchmacks ſind, vertreten die Stelle von Muſtern und an ſolchen muß man feinen Geſchmack üben und ausbilyen, wenn man als Kunfk richter auftreten will, DasMatürliche in einem Kunſt⸗ werke erweckt das Gefühl für das Natuͤrliche in uns und die Erhabenheit und Schönheit an Gegenftänden außer uns noͤthigt unfern Geiſt, ſich zu verfuchen, um fich Empfänglichkeie für das Schöne und Erhabene in der Natur und in der Kunft zu erwerben und feine Anlage su der Beurtheilyng deffelben auszubilden.
Dig beiten und untruͤglichſten Mufter der Geſchmacks⸗⸗ übung in den vedenden Künften find die Schriften
Ann 2
— 438.
der Griechen und Römer, weil ihre Sprachen feis . ner Umwandelung mehr ausgefeßt find. Allein wern mar von der letztern hinwegſieht, fo kann man auch mehs were neuere Schriftſteller als Mufter des Gefchmads anfeben. Dergleihen find Wieland, Goͤthe, Klopſtock, Seffing, Voltaire und auch einiger- maßen Ramler. Ueber Einzelne von den Werfen biefer Schrifefteller follten Vorlefungen gehalten und Kommentare ausgearbeitet werden, morin man ihre . intellektuellen und äfthetifchen Vollkommenheiten ent; wickelte und die in demfelben enthaltene Ausbeute für die Pſychologie bemerkbar machte. Auf biefe. Art ‚würden die Meifterftucke dieſer Männer erft recht nutz⸗ bar werden und man würde wiflen, mas man in ih« wen zu fuchen und wie man fie‘ zu benußen babe.
In den bichenden Kuͤnſten ſind die Ueberreſte aus dem Alterchume, hernach die neuern Italiener Cot⸗ reggio, Titian, Michel Angelo u. A. und in der Kunft des ſchoͤnen Spiels der Empfindungen bie
großen teutfchen und isalienifchen Tonkünftter 5. 3. Hendel, Gluk, Mozart, Haydn, Paeſiello,
Eimarofa u, x. als Raſter des Geſchmackes zu. bes trachten.
N
\ . h .., '
Y 439 —
XXX. . Eapitel
ueber den Werth der verſchiedenen Wiſ⸗ ſenſchaften. |
s‘ . — — *
Werth hat dasjenige, was zur Bewirkung eines ver⸗ nuͤnftigen Zweckes dient und ein vernuͤnftiger Zweck iſt
ein ſolcher, der ſich entweder auf eine Foderung des Verſtandes oder der Vernunft bezieht. In der Ju⸗ gend zu ſparen, um im Alter nicht darben zu muͤſſen, iſt eine Klugheitsregel, welche der Verſtand giebt,
allein feine Kräfte allſeitig auszubilden, um ſowohl ein Srauchbarer als ein rechefchaffener Menfch zu wers
den, iftein Gebot der Vernunft. Wenn man nun
wiſſen will, welchen Werth die menfchlichen Wiffen- -
fchaften Haben, fo muß man beftimmen, in welchem
WVerhaͤltniſſe diefelben zu den verfchiedenen Zwecken des Menfchen ſtehen und. da alle Zwecke fih auf fein Das. feyn überhaupt und auf fein Seben auf biefer. Erde,
insbefondere beziehe, fo giebt es für ihn einen Ent
zweck und einen Zweck. Sein Entzweck ift das Hoͤch⸗ fte für ihn, nach. deffen Wirklichmachung er ſtreben
ſoll; und ber Zweck feines Daſeyns iſt daher dem Ent⸗ zwecke untergeordnet, weil jener bloß als Mittel zur Erreichung dieſes dienen ſoll. |
Der Entzweck des Menfchen ift die Realiſteung des hoͤchſten Gutes, welches in der Verbindung des
größten Grades von Sittlichkeit mit dem hoͤchſten Gra⸗ de von Gluͤckſeligkeit beſteht und der Zweck ſeines Da⸗
fans auf dieſer Erde iſt die Ausbibuus aller ſeiner
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— a32 -
der Griechen und Roͤmer, weil ihre Sprachen eis . ner Umwandelung mehr ausgefeßt find. Allein wenn mare
‚ von der letztern hinwegſieht, fo kann man aud) meh:
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were neuere Schriftfteller als Mufter des Gefchmads anfeben. Dergleichen find Wieland, Goͤthe, Klopſtock, Seffing, Voltaire und auch einiger- maßen Ramler. Ueber Einzelne von den Werfen biefer Schriftfteler ſollten Vorlefungen gehalten und Kommentare ausgearbeitet werden, worin man ihre intellektuellen und aͤſthetiſchen Vollkommenheiten ent;
wickelte und die in bemfelben enthaltene Ausbeute fir
die Pfnchofogie bemerkbar machte. Auf diefe Art
‚würden die Meiſterſtuͤcke dieſer Männer erſt recht nußs
bar werden und man würde wiffen, mas man in ih. wen zu ſuchen und wie man fle‘ zu benußen babe.
In den bifdenben Künften find bie Ueberreſte aus
bem Alterthume, hernach die neuern Italiener Cor reggio, Titian, Michel Angelo u. A. und in
der Kunft des ſchoͤnen Spiels der Empfindungen bie
großen teutfchen und isalienifchen Tonkuͤnſtler z. B. Hendel, Gluck, Mozart, Haydn, Paeſiello,
Cimarofa u. 4. als vage bes, Geſchmackes zu bes I trachten.
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9 —
XXX. Capitel.
Weber den Werth ber verſchiedenen Wiſ⸗ u fenfgaften.
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Werth hat dasjenige, mas zur Bewirkung eines ver⸗ nünftigen Zweckes bient und ein vernünftiger Zweck iſt ein ſolcher, der ſich entwede auf eine Foderung des Verſtandes oder der Vernunft bezieht. In der Ju⸗ gend zu ſparen, um im Alter nicht darben zu muͤſſen, iſt eine Klugheitsregel, welche der Verſtand giebt, allein feine Kräfte allſeitig auszubilden, um ſowohl ein brauchbarer als ein rechtſchaffener Menſch zu wer⸗ den, iſt ein Gebot der Vernunft. Wenn man nun wiſſen will, welchen Werth die menſchlichen Wiffen- - fchaften haben, fo muß man beftimmen, in welchem
WVerhaͤltniſſe diefelben zu den verfchiedenen Zwecken bes Menfchen ftehen und. da alle Zwecke ſich auf fein Das.
feyn überhaupt und auf fein Sehen auf diefer Erde insbefondere bezieht, fo giebt es für ihn einen Ent zweck und einen Zwed. Sein Entzwed ift das Hoͤch⸗ u fte für ihn, nach deſſen Wirklichmachung er ſtreben
ſoll; und der Zweck ſeines Daſeyns ift daher dem Ent⸗ zwecke untergeordnet, weil jener bloß als Mitte que Erreichung dieſes dienen fol. U
Der Entzweck des Menſchen iſt die Realiſteung des hoͤchſten Gutes, welches in der Verbindung des groͤßten Grades von Sittlichkeit mit dem hoͤchſten Gra⸗ de von Glückſeligkeit beſteht und der Zweck feines. Da⸗ ſeyns auf dieſer Erde iſt die Ausbibuus aller ſeiner
I
Vs
x u 440 _ Anlagen und Kräfte zur freien Selöftefärigfei den Gefegen und Abfichten einer jeden Derfelben insbefon
dere und aller zufammen dein Sittengefeße gemäß.
Nun fleht zwar. nur ein Theil des höchften Gutes in der menfchlichen Gewalt,‘ nämlich die Sittlichkeit, benn Gluͤckſeligkeit wünfche der Menfch wohl, die Eu; füllung diefes Wunſches aber haͤngt von Innern und “Außen Bedingungen ab, bie nicht in feiner Gewalt find, allein diefer alg die Bedingung des andern giebt doch den Maafftab, an dem der Werth der Willen fhaften zu prüfen iſt. Was nun, zur Beförderung ber Moralitäg unmittelbar oder mittelbar beiträgt, hat einen höhern Werth als dasjenige, was feinen
Einfluß auf diefelbe hat und die Wiffenfchaft des Mo |
raliſchen nimme die hoͤchſten Stelle unter den menſch⸗ lihen Wiffenfchaften ein, ‚weil fie lehrt, worin die Moralitaͤt ſelbſt, d. h. eine demi Sittengeſetze gemaͤße Geſinnung und eine aus bloßer Achtung gegen daſſelbe
beobachtete Handlungsweiſe beſteht. Die Moral,
welche dem Menſchen zeigt, was gut und boͤſe if, was er thun und laſſen, welche Geſinnung er ſich erwer⸗ ben und welche Maximen er ſeinen Handlungen‘ zum Grunde legen fol, if alfo die Krone der Wiſſenſchaf⸗
u ten und je näher nun die Verbindung iſt, in welcher eine Wiſſenſchaft mit derſelben ſteht, deſto hoͤher iſt
auch ihr Werth. Weil nun die Rechtslehre in ſo fer⸗ ne mit ihr am naͤchſten verwandt iſt, daß ſie mit iht ‚bie praktiſche Vernunft als‘ ihren Geſetzgeber und als ihre Quelle anerfenne und. auf die Geſetzlich⸗ keit dee Handlungen eines und aller ſieht, ſo behaup⸗
et fie in dem Reiche der Wiffenfchaften. den zweiten - Pletz. Run ift war niche zu leugnen, u die Na⸗
4
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- A— .. turreligion ben Menfchen- auch lehrt, was er thun
“und laffen ſoll, allein fie ſchaͤrft dieſe Gebdte und Ver · bote doch nicht, wie die Moral, aus bloßer Achtung gegen die Vernunft ein, noch erkennt fie dieſe als al⸗
(einigen Geſetzgeber any. wie Die Rechtslehre, ſonbern | fie nimme in beiden Fällen noch zu dem. Willen der Gottheit ihre Zuflucht. Sie ift Daher als ein entfern-
teres Huͤlfsmittel zur Beförderung der Moralicät und
der Tugend. anzufehen, und fie ift blos dazu da, die Wirkſamkeit, den Einfluß und Die Lebendigkeit dee
Maximen, zu denen die bloße Vernunft den Stoff und das Gebot, fie in feine Willenshandlungen auf⸗ zunehmen und zu befolgen, liefert, zu verſtaͤrken; und
da fie einigermaßen der Autonomie der praktiſchen Ver⸗ nunft und ber Autokratie der Willführ Abbruch thut, ſo kann ſie nie auf den Rang Anſpruch machen, in welchem die Rechtslehre ſteht, welche ſich ſelbſt auf
jene beiden Elemente des Moraliſchen füge.
Noch entfernter ift die Verbindung, in welcher eine geoffenbarte Religion Creligiofe Glaubensart) zum Entzwecke des Menfchen fteht, zumal wenn ihre Lehren nicht moralifch gedentet, fondern blos als’ hiſto . riſche Ausfprüche des Willens Gottes den Menjchen angekuͤndigt werden und daher theilsder Perfönlichkeir des Menfchen d. h. der Selbftgefeßgebung der Vera nunft und. der‘ Freiheit bes Willens Abbruch thun, | theils die Reinheit und den Adel der Öefinnung unters graben. Wird ihnen aber eine moralifche Deutung gegeben, fo verlichren fie ihren Charakter als Ge⸗ bote und Verbote einer Lehre, Die blos einen ges ſchihtuchen und alſo unabänderlichen Stoff bat, fü 2 |
⸗ *
‘
> — 442 7
foden mie ber- Paturreigion , welche dieſelben deutet,
| ‚in Eins zufammen und nehmen alfo mir ihr gleichen
Rang ein. ' Umaberin Stand gefeßt zu werden, allefeine Pflichs
+ ten kennen zu lernen und ftets moralifch gut zu handeln,
dazu ift erforderlich, daß man weiß, was der Menſch yon Natur ift,. d. h. was er wiffen kann, thun fol,
hoffen darf und weſcher Gefuͤhle er faͤhig iſt. Dies
zu erfahren, iſt eine Unterſuchung ſeiner Anlagen und Kräfte nöthig, welche von der Erforſchung der Thaͤ⸗ tigfeiten, der Geſetze derfelben, des Inhaltes und der Grenzen ber Anwendbarfeis diefer Letztern ausge:
den muß. So viel nun der Menſch fpezififch verſchie— . , ‚bene Thätigfeitem in fich bemerft, fo viele Geſetzge⸗ bungen und: alfo auch fo viele Kritifen finden ftatf.
Es giebt nun Gefeße für Das Gute und für das Wahre ynd Regeln für das Schöne, Es kann alfe auch nur drei Kritifen geben, unter denen bie Kritik der praß
tiſchen Vernunft den erften Plaß einnimmt; hierauf .
folgt die Kritik der reinen cheoretifchen Wernunfe und dann bie Kritik der Urtheilskraft; denn jene hat gu unferfuchen, was der Menfch willen und alfo in
"wie ferne er Wahrheit finden kann, und da nun das Gute au) zugleich wahr feyn.muß, fo hat fie einen
hoͤhern Rang als die Kritik der Urtheilskraft, wel⸗ che bloß die Gefühle des Schönen, Erhabenen und
Zweckmaͤßigen zu unterfüchen hat, deren Wirkſamkeit
mehr oder weniger zur Beförderung ber Moralität beiträgt, je nachdem ſich das Gemuͤth durch Diefelben zur Geſetzmaͤßigkeit geneigt fuͤhlt oder nicht. Wenn
man nun weiß, was der Menſch von Natur iſt, ſo
ws man bie je mancherlel Wiſſenſchafen aufluchen, wel⸗
che fich unmittelbar aus der Kenntniß der menfchlichen Natur und ihrer Gefege ergeben. Zu allem Wiſſen gehört 1) ein Denfen, alfo Logik. 2) Regeln und Geſetze, nach denen etwas gewußt werden kann, alſo J Theorie bes Erkenntnißvermoͤgens und“ 3) ein Stoff. Diefer, kann nun entweder in der Natur des Menfchen ſelbſt feinen Grund haben oder von Außem her gege⸗ ben ſeyn; es giebt daher Wiſſenſchaften, welche ei⸗ nen Aprioriſchen und andere, welche einen durch Er⸗ fahrung ‚erhaltenen Stoff zu bearbeiten. haben. Zu jenen gehört .ı) die Metaphyſik der Natur und 2) Die Metaphyſik der Freiheit und zu Diefen die Ges ſchichte der menfchlihen Meinungen und alfo 1) die Ge⸗ nn fchichte der Moral. 2) Die, Gefchichte der Rechts⸗ lehre. 3) Die Gefchichte der Religion 4) Die: Gefchichte der Unserfuchungen der einzelnen Vermoͤ⸗ “gen und Kräfte des menfchlichen Geiftes. 5) Die Gecſchichte der Logik. 6) Die Geſchichte der Theorie des Ertennent und 7) die Geſchichte ber Mesappofit Um aber ftets gut zu handeln, muß man niche . affein mit bem befannt feyn, mas gut ift, was man thun und faffen folk, was dev Menfch von Natur iſt und was er alfo vermag, fondern man muß auch die Hinderniffe kennen lernen, welche dem moralifchen Gut⸗ handeln im Wege ſtehen. Diefe Hinderniffe liegen entweder. x) in jedem Menfchen felbft oder 2) in andern Menfchen. oder 3) in der äußern Natur. Ha« ben fie in dem Mienfchen felbft ihren Grund, fo liegen fie entweder. in feinem: Geiſte ober in feinem Körper, Jener iſt entweder unausgebildet oder ungefind. Iſt das Erſtere der Fall, fo muß man bie Mittel kenne bene
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nu 444 — nen, wie man ihm mancherlei Fetigeeiten verſchaffen, und an Selbſtthaͤtigkeit gewoͤhnen kann, und trift das Zweite ein, ſo muß man die Heilmittel aufſuchen, ver⸗ mittelſt welcher man ſeine Geſundheit wieder herſtellen kann. Zur Wegraͤumung dieſer Hinderniſſe der freien Tyaͤtigkeit des menſchlichen Geiſtes iſt eine Kenntniß 1) der Erziehungskunſt, 2) der pragmatiſchen Anthro⸗ pologie und 3) der empiriſchen Pſychologie noͤthig. Iſt hingegen der Koͤrper am Guthandeln hinderlich, ſo iſt er entweder ungeſund oder ungeſchickt. Zur Wie⸗ . bererfangung der Geſundheit iſt Kenntniß der Be⸗ ſtandtheile des menſchlichen Körpers, feiner Wirkun⸗ gen und der Geſetze dieſer und feines Zuſtandes, und " alfo. x) der Anatomie, 2) der Phyſiologie, 3) der Pathologie und 4) ber Arzeneimittel erfordere - lich. Um bie leßtern aber zu bereiten, Dazu ges hört Einfiche in die Chemie und in die Stoffe aus dem Mineral» Pflanzgens und Thierreih. Wenn der Koͤr⸗ per ungeſchickt ift, fo muß er durch Hebung zu.allerfei Geſchicklichkeiten und Fertigkeiten erzogen werden. Man muß Daher die verjchiedenen Mittel fennen fernen, ver- mittelſt deren man, diefen Zwed am. nweclmaͤßigſten und ſchnelſten erreichen kann.
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Wenn der Menſch mit Hinderniſſen zu kaͤmpfen hat „ welche andere Menſchen feinem Streben nach "Tugend in den Weg legen, fo find diefelben entweder rechtlich oder widerrechtlich. Sind fie das Erftere, fo kann er bloß Huͤlfe von ſich erwarten; und find fie
das Zweite, ſo hat er fih an.den Staat zu halter. Im erſtern Falle ift eg noͤthig, fich Klugheit zu er⸗ - werben und im zweiten iſt ihm eine Kenntniß x) ber
Vom "445 en Verfaſſung des Staates, in weichen er lebt, und 2) der Verhältniffe, in welchen diefer ‚zu andern Staa⸗ ten ſteht, und 3) der Geſchichte von beiden erfoxderlich.
Wirft ihm aber die äußere Natur in feinen Des mühungen ; moralifch gut zu werden, Hinderniffe in, den Weg, fo muß er die Natur felbft, ſowohl ihrer Befchaffenheit,, als ihren Wirkungen und Probuften -
nach fennen-fernen. Daher folgen nunmehro 1) die
phyſi iſche, die mathematiſche und die politiſche Geo⸗
graphie. 2) Die Naturbeſchreibung, a. der Men⸗
ſchen, b. der Thiere, c. der Pflanzen und d. der Mi⸗ neralien. 3) Die Phyſik. 4) Die Aftronomie...5) Die Statiſtik und 6 6) bie Geſchichte dieſer Bein fchaften. Ä Wenn man alſe nach dem Maaßſtabe, weichen" der Entzweck des Menfchen aufſtellt, den Rang ber Wiſſenſchaften beſtimmt, fü erfcheinen.fie freilich in einer.andern Ordnung und an einem andern Plaße,
als welchen ihnen der Staat angewiefen hat, wo oft
bie Dberften zu unterſt fiehen und alfo die Erften bie Letzten, aber nicht wie es dort heiße, daß es im
Himmelreiche ſeyn foll, fin nd.
—XVXXI. Kapitel Beſchluß.
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Micht immer geſchieht, was ber Menſch will und es
iſt auch gut, daß ſeine Wuͤnſche haͤufig vereitelt wer⸗ den: denn er bliebe ſonſt ewig am Boden haͤngen und
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würde nie feiner hohen Beſtimmung eingeben? wer⸗ den. Allein da, kommen Leiden, die ihn quälenz Hoff⸗
‚ nungen, bie serftdrt werben; Freuden, die gleich Schatten entfliehen; Plaͤne, die fcheitern; holde füs ße Genuffe, die ſich in Zurien verwandeln; und nuns mehro wird er auf fich aufmerffam, er wagt etwas, gewinnt Vertrauen zu ſich, reißt fich von dem Blinden Scidfale los und mache fih zum Herrn feines Den⸗ kens und Handelns. Die größten Denfer mußten meis ftentheils in ihrer Jugend durch vieles Ungemad) ge: hen und es ift eine Klugheitsregel, daß man niemand dasjenige, was er werben fol, allzufehr erleichtere. Man muß Arbeit und Müpfeligfeiten ausgeftanden haben, ehe man feldft denken lernt und Gefahren und Ungluͤck find niche felten die Führer zur Größe des
Menſchen. Man wage daher. etwas im Denken; man - vertraue ſich felbft, wenn man aud) irrt; man räfons
nire über allerlei Dinge, denn um nicht mit Schande zu beftehen, wird man fich unterrichten; man folgere ftreng, wenn man feinem Räfonnement einmal einen Grundfaß untergelegt bat und man betruͤbe fich eben fo wenig, daß man geirret hat, als man uber jemand ungehaften fey, daß man des Irrthums überwiefen wird. Kämpfen macht tapfer und ſtetes Nachdenfen führe zum Selbfidenfen. Der. Selbſtdenker befige auch einen Werth, den Fein Nachbeter hat; er iſt zu jedem Poften geſchickt; er diene im Staate oder in ber Kirche, im, Frieden öder im Kriege, immer. wird er ſich auszeichnen und gleich einem Rieſen uͤber Pygmaͤen hervorragen. Auch verhilft das Selbſtdenken zur Er⸗ Tämpfung eines Charakters: denn dieſer ſtuͤtzt ſich auf Grundfäße und wer anbers kann dieſe befißen als wer
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N ‘ | — 447 ſelbſt denkt? Auswendig gelernte Saͤtze laſſen ich we⸗ der in die Maximen des Willens aufnehmen noch floͤ⸗ ßen ſie Muth und Beharrlichtkeit im Handeln ein, ſon⸗
dern ſie bieiben unthaͤtig, verſchwinden endlich und |
Hinterlaffen feine Spuren von ihrem Dafeyn. Nichts
beharrt, als was der Menſch durch Selbſtthaͤtigkeit
ergreift und nichts hat Werth, als dasjenige was er durch Freiheit thut. Alles Mechaniſche iſt vor der Vernunft ein Greuel und aller Sklavendienſt eine
Entwuͤrdigung der Menſchheit. Selbſtdenken und ſelbſt handeln fi find die großen Ziele, nach begen der Menſch ringen foll und deren Erreichung allein Würde giebe, Man entfage daher der Trägheit, ſowohl der Denb
kraft als des Willens, und zeige fich als Mann, wenn. inan auch darüber zu Grunde gehen, follte, Größe des Kopfs und Herzens. ift unfterblich und wenn alles
waandelt und alles zufammenftürze, ſteht der große
Denker und der edle Mann ſelbſt unter den Ruinen
einer Melt noch aufrecht und unverfere. Platon und
Kriftoreles, Bacon und Roußeau, Kant und feibnig, Schafefpeare und Milton, Spis no za und Hume, Sophokles und Homer, Klopſtock und Goͤthe, Wieland und Newton kennen keinen Tag des Todes. Die Ewigkeit bat ihre Namen geheiligt. |
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Riga nach Warſchau durch Suͤdpreußen uͤber Breslau, Dresden, Karlsbad u. ſ. w. ites his 7ied Heft. 1795 bis 1797. ıfles. und 2tes Heft, ganz neue Aufl. 1901. e) Ueber veris und die parifer iſter Th. mo. 0
©: 211 3 8 v. u. zier Sand 1801.
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Mann und: Weib 1797: ©. 212. Fichte. d) Grundlage ber gefammten si
fenfchaftstehre. Neue Auflage 1802. e) Grundlage des
Naturrechts nach Principien der Wiſſenſchaftslehre. Per und ater Theile 2796 uud 897. als tm
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Philoſophie. der natuͤrlichen Belgien 1798: 1791. © Mann und- Weib 1797. .
S. 2ı2. Fichte. d) Grundlage ber gefammten Wif⸗ ſenſchaftslehre. Neue Auflage 1802. e) Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wiſſenſchaftslehre. iſter und zer Theile 1796 uud 3797. alıys dıme |
&. 223 3.20% von Solten in 6 Bänden, 2800. 1801.
S. 233 230% ng nieder ſclast, L. fon» dern aufmuntert.
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