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Per N 5 7 1 1 I» t 1 * * . N 4 Ba . * Bu Br 4 2 AR Er = 3 15 ig! wa 1 5 BR 9 8 4 5 7 J * 1 e ——— enurtsdidk * 1 7 0 ya i ed eee 5 7 Ba 5 BET: „le 170 . Rz be 85 1 . 4 1 fi 0 y D) 7e 1 Ates Kapitell. Haͤusliche Gewohnheiten von Voͤgeln. Auf Reinlichkeit abzweckende Gewohnheiten von Vögeln. 5 ſcheinen in demſelben Verhältniß reinlich zu ſein, als ſie munter und thätig ſind; auch zeichnen ſich kleine Thiere, mit wenigen Ausnahmen, vor den größeren durch Thätigkeit und Reinlichkeit aus. Sowohl die häuslichen als auch, wenn wir uns ſo aus— drücken dürfen, die perfünlihen Gewohnheiten von Vögeln liefern uns mehrere Beweiſe für ihr beſonderes Streben nach Reinlichkeit, wovon einige wohl eine genauere Auseinander- ſetzung verdienen. Wenn bei den Vögeln irgend eine Feder beſchmutzt iſt, ſo laſſen ſie keinen Augenblick verſtreichen, dieſelbe zu reini— gen und zu putzen, und nicht weniger aufmerkſam zeigen ſie ſich hinſichtlich ihrer Neſter. Ohne Zweifel mag daſſelbe Gefühl von Mißbehagen, welches wir erfahren, wenn unſer Haar in Unordnung und Verwirrung gerathen iſt, auch den Vogel zum Putzen und Glattſtreichen ſeiner Federn beſtimmen; das Zuſammenbacken oder die Verfitzung zweier einander berührender Federn an den Spitzen verurſacht bei jeder Bewegung der Hautmuskeln ein Zerren und Zwicken der Theile, woraus ſie entſpringen. Der ſo bewirkte Reiz beſtimmt den Vogel, die Federn der betheiligten Stelle zu unterſuchen, und indem er mit ſeinem Schnabel jedes Federchen durchgeht, gelingt 7 ihm bald, fie 2 wieder in ihre gehörige Lage zu bringen und zugleich von je: dem fremdartigen Stoff, der etwa daran haftet, zu befreien. Es iſt in der That überraſchend, zu ſehen, wie bald Neſtlinge dergeſtalt ihr Gefieder ordnen und putzen. Kurze Zeit nach Erlangung der Fähigkeit, ihre Augen zu öffnen, wo der Flaum, der ſie nach der Ausbrütung bedeckt, noch nicht angefangen hat, durch Federn verdrängt zu werden, haben wir ſie in zahlreichen Fällen ihre Köpfe rückwärts drehen und alle die dünnen Stoppeln oder Härchen, ſo wie die hervor— ſproſſenden Federn, die ſie erreichen konnten, durchgehen ſehen. Man ſollte meinen, dies ſei mehr das Geſchäft der Mutter, wie man es gewöhnlich in Büchern angegeben fin— det; allein, ob die Mutter gleich ſehr aufmerkſam jede Art von Reinlichkeit beobachtet, wie wir gleich ſehen werden, ſo hat doch die Vorſehung gewollt, daß ein fo wichtiger Um: ſtand nicht ganz allein ihrer Sorge anheim falle. Diejenigen unſrer Leſer, welche keine Gelegenheit haben ſollten, ſich von unſrer Bemerkung hinſichtlich der Neſtlinge zu überzeugen, können leicht das Nämliche an Hausthieren beobachten. Katzen z. B. ſind ſehr ämſig in Reinhaltung des Pelzes ihrer Kätzchen, zu welcher Verrichtung ihre rauhe Zunge in hohem Grade geſchickt iſt; allein ein junges Kätz— chen kann man, wenn es nur erſt einige Tage alt iſt, eben ſo wie den Neſtling, ſich ſelbſt eifrig putzen ſehen; ſobald es umherzulaufen vermag, verſucht es ſogar feine Mutter zu rei: nigen. Letzteren Umſtand haben wir bei jungen Vögeln nie— mals beobachtet; dagegen iſt er unter Kaninchen, Pferden und andern vierfüßigen Hausthieren keineswegs ungewöhn— lich. Gegenſeitige Hülfe bei Reinigung des Körpers leiſten ſich ſogar Individuen, die nicht von einer und derſelben Fa⸗ milie ſind, wie man dies bei Pferden ſehen kann, die ſich gegenſeitig den Hals putzen und belecken; ja Wilſon erzählt in ſeiner unvergleichlichen Schilderung des blauen Hehers (Garrulus cristatus, Brisson) ein Beiſpiel dieſer Art von zwei Vögeln, die nicht einmal der nämlichen Speeies an: gehörten. 3 Ein Individuum dieſer Art, welches im Walde gefangen worden war, erhielt feinen Platz mit einem Bülau (Ieterus spurius, Bonaparte) in einem und demſelben Käfig. „Der Bü— lau geberdete ſich,“ erzählt Wilſon, „anfangs etwas unru— hig, als beleidige und gefährte ihn die Gegenwart des frem— den Gaſtes; der Holzheher unterdeß ſaß ſtumm und bewe— gungslos auf dem Fußboden des Käfigs, entweder zweifel— haft über ſeine eigne Lage oder in der Abſicht, ſeiner Nachba— rin Zeit zur Beſchwichtigung ihrer Furcht zu gönnen. Dieſe be: gann, ſich ...... dem Fremdling allmälig zu nähern, aber mit großer Vorſicht und zum ſchnellen Rückzug bereit. Da ſie jedoch ſah, daß der Holzheher wagte, in aller Demuth und Friedfertigkeit einige Kaſtanien-Bröckchen aufzupicken, ſtieg ſie ebenfalls herab und that das Nämliche, drehte ſich aber bei der leichteſten Bewegung ihres Gaſtes dieſem ent— gegen und ſetzte ſich in Vertheidigungszuſtand. Allein ehe es noch Abend geworden, war alle ceremonidſe Eiferſüchtelei verſchwunden, und ſie wohnen, freſſen und ſpielen jetzt zuſam— men in vollkommner Eintracht und guter Laune. Wenn der Holzheher trinken will, ſpringt ſeine Tiſchgenoſſin keck in das Waſſer, um ſich zu baden, und ſchleudert es in Schauern über ihren Gefährten, der ſich dieſes ganz geduldig gefallen läßt und nur dann und wann wagt, etwas davon zu ſchlür— fen, ohne das geringſte Zeichen von Unwillen oder Empfind— lichkeit an den Tag zu legen. Im Gegentheil ſcheint er ſich über ſeine kleine Mitgegefangene zu freuen, indem er ihr er— laubt, an ſeinem Backenbart herum zu picken, was ſie ſehr ſanft macht, und ſeine Krallen von zufällig daran hängenden Kaſtanien-Bröckchen zu reinigen.“) Enten und andere Waſſervögel ſind wo möglich noch ämſiger im Putzen ihres Gefieders als Landvögel, wovon ein Grund darin zu liegen ſcheint, daß bei der Dichtigkeit ihrer Feder-Hülle eine geringe Unordnung derſelben leicht gefühlt *) Wilson, Americ, Ornith. 1. 15. er 4 wird, indem die Luft durch die in Folge der Verſchiebung entſtandene Oeffnung zur Haut gelangt. Die Dichtigkeit des Gefieders bei Waſſer-Vögeln dient dazu, dem Waſſer, worin ſie ſchwimmen, ſowohl ein undurchdringliches Gewebe entge— genzuſetzen als auch eine glatte Fläche darzubieten und hier: durch die Wirkungen der Frietion beim Schwimmen zu hintern. Die meiſten Schriftſteller erzählen uns außer dieſem, daß Vögel und mehr insbeſondere Waſſer-Vögel ihre Federn mit einer eigenthümlichen Fettigkeit beſtreichen, welche zu die: ſem Behuf von einer Drüſe am Bürzel abgeſondert werde; allein dies iſt eine Vermuthung, welche, wie wir ſogleich zei: gen werden, großen Zweifeln unterliegt. Zunächſt dürfte es aber zweckmäßig ſein, die gewöhnliche Urſache umſtändlicher mizutheilen. „Am Bürzel (rump),“ ſagt Wilſon, „ſitzen zwei kleine Drüſen, beſtimmt, eine ölige Feuchtigkeit zu berei— ten und abzuſondern, und mit einem Ausſcheidungs-Kanale oder einer Oeffnung verſehen. Um dieſe Oeffnung herum wächſt ein Büſchel kleiner Federn oder Haare, einem Maler: Pinſel nicht unähnlich. Wenn daher das Gefieder ſtellen⸗ weiſe auseinander gewichen, gekrauſt oder auf irgend eine Art in Unordnung gerathen iſt, ſo dreht der Vogel ſeinen Kopf rückwärts nach dem Bürzel, erfaßt mit dem Schnabel den vorerwähnten Büſchel, drückt auf die Drüſen und preßt fo die dlige Flüffügfeit daraus hervor, womit er die von einander gewichenen Theile der Federn einſalbt und dieſe zu— gleich mittelſt des Schnabels auszieht, glatt ſtreicht und in die gehörige Ordnung zurückbringt, ſo daß ſie wieder dichter an einander anſchließen“).“ „Die Drüſen, welche das Oel abſondern,“ ſagt Blu⸗ menbach, „und am obern Theile des Bürzels liegen, ſind bei Waſſervögeln am größten; und bei einigen dieſer letztern, wie z. B. bei der Moſchus-Ente (Auas moschata) hat die ſecernirte Subſtanz einen moſchusähnlichen Geruch! ).“ *) Ray's Willughby, p. 3. ) Vergleichende Anatomie. 3 Die Willughbyſche, kurz zuvor mitgetheilte Angabe iſt von den meiſten ſyſtematiſchen Schriftſtellern gebilligt worden, wiewohl nur wenige die geringſte Notiz von den Bürzel⸗Drüſen nehmen. „Am Rüden oder an der obern Seite des Bürzels,“ ſagt Linné, „befinden ſich zwei Drüſen, welche eine ölige Flüſſigkeit ausſcheiden, womit die Vögel ihre Federn ein: ſalben“).“ „Der untere Theil des Rückens,“ ſagt Dr. Latham, „iſt mit einer doppelten Drüſe verſehen, welche eine ölige Flüſſigkeit zum Beſtreichen und Aufputzen der Federn jecer: nirt ).“ Die neuern Schriftſteller über Ornithologie, welche dieſe Meinung billigen, dürften, weil ſie keine Notiz von den fraglichen Drüſen nehmen, mit Réaumur's Beobachtun— gen, die wir hier in der Kürze mittheilen wollen, unbekannt ſcheinen. „Die Drüſen am Bürzel, bemerkt Réaumur, „ſondern eine ölige Flüſſigkeit ab, die bei einigen Vögeln aus einem, bei andern aus zwei Ausſcheidungs-Kanälen her— vorfließt. Hühner haben blos einen ſolchen Kanal, der in einer coniſchen, fleiſchigen, im Verhältniß zum Bürzel faſt ſenkrecht liegenden Röhre beſteht, und wenn er mit den Fin: gern gedrückt wird, eine Flüſſigkeit von dicklicher Conſiſtenz ausſcheidet. Aber bei einer befondern Hühner-Species ohne Schwanz (Gallus ecaudatus, Temminek), die urſprüng— lich von Ceylon ſtammt ) fehlen nicht nur letztrer, ſondern auch Bürzel und Drüſen durchaus, indem der Theil, wo dieſe bei andern Arten ſitzen, niedergedrückt und platt erſcheint. *) Ker’s Linnaeus, p. 409. **) Geueral History of Birds, I. 22. %) Temminck, Hist. des Pig. et Gall. II. 267. USER Kaulhuhn, Rumkin. Wollte man verſuchen, einen Grund aufzuſtellen, wa⸗ rum dieſes ceyloniſche Huhn keine Fettdrüße am Bürzel hat, ſo dürfte man eben ſo leicht in einen Irrthum verfallen, wie dies aller Waheſcheinlichkeit nach in der Theorie der Fall geweſen, welche man geſchmiedet hat, um den Nutzen der Drüſe bei Vögeln, die damit verſehen ſind, zu erklären. Alle Werke der Natur ſind reich an Wundern, geeignet, in uns das gerechteſte Staunen hervorzurufen; und diejenigen, welche in der lobenswertheſten Abſicht eine Darſtellung und Veranſchaulichung dieſer Wunder unternehmen, können ge— wiſſermaßen als tadelswürdig angeſehen werden, wenn ſie in ihre Aufzählung Umſtände aufnehmen, welche ſchwankend und ungewiß ſind. Unter dergleichen unwahrſcheinliche Dinge ſcheint die Meinung zu gehören, daß die Federn von Vögeln mit einer Art von Oel oder Fett beſtrichen werden müſſen, 5 damit der Regen oder anderes Waſſer in Folge dieſer Ueber— Oelung von denſelben ablaufe, ohne einzudringen, und daß dieſe Flüſſigkeit, ſobald eine Einſalbung erforderlich ſei, aus der Drüſe am Bürzel hervorgedrückt werde. „Hätten diejenigen, welche dieſe Meinung annahmen, ſich, ſo zuläſſig dieſelbe auch erſcheinen mag, die Mühe ge— geben, von der geringen Ouantität jener Flüſſigkeit, welche wirklich von einem Tage zum andern aus dieſer Druͤſe her— vorfließt, Notiz zu nehmen, und dieſelbe mit dem verhält— nißmäßig beträchtlichen Flächenraum verglichen, welchen die Vereinigung zahlloſer Federn irgend eines vorliegenden Vogels bedeckt, um nichts von dem Werkzeuge zu ſagen, womit die Einſalbung verrichtet werden ſoll, ſo würden ſie augenblicklich erkannt haben, daß jene Theorie unhaltbar iſt, inſofern die in einem Tage abgeſonderte Quantität Oel oder Fett kaum zur Oelung einer Feder, geſchweige denn des ganzen Gefieders hinreichen kann. Wir haben ſo eben alles in der doppelten Bürzeldrüſe eines gemeinen Zaunkönigs enthaltene Oel aus— gedrückt und gefunden, daß es unmöglich iſt, eine ganze Schwanzfeder damit zu überſtreichen“).“ „Ein Umſtand,“ ſagt Le Vaillant, „iſt häufig hin: reichend, eine Theorie über den Haufen zu werfen;“ und der Umſtand, daß die Federn bei den mit einem Bürzel ver— ſehenen Vögeln eben ſo glatt und regendicht ſind als bei de— nen, welche die in Rede ſtehende Drüſe beſitzen, liefert einen ſchlagenden Beweis für dieſe Bemerkung. Indeß bleibt es eine ausgemachte Sache, daß man Vögel bisweilen die Drüſe mit dem Schnabel begnabern ſieht. Allein gerade die Beobachtung eines ſo beſchäftigten Vogels, weit entfernt, den gebilligten Schluß zu beſtä— tigen, dürfte vielmehr gezeigt haben, daß der Schnabel niemals eine zu dem vorgeblichen Zweck hinreichende Menge öliger Flüſſigkeit auspreſſen kann. Die einzige richtige Fol: gerung dürfte geweſen ſein, daß irgend ein leichter Schmerz . 8 oder Reiz den Vogel beſtimmte, die Drüſe mit dem Schna— bel zu behandeln; übrigens weiß ja jeder Schul-Knabe, daß der Kanal dieſer Drüſe bei feinen Lieblings-Vögeln, die er im Käfig hält, ſich oft verſtopft und eine ſchmerzvolle und bis⸗ weilen tödtliche Ueberfüllung verurſacht ). Blumenbachs Bemerkung“) daß die Drüſe bei Waffer: vögeln am größten ſei, enthält eine Verallgemeinerung, wel— che durch Thatſachen nicht verbürgt wird; denn Rueche (Co— lymbus), Taucher und ſolche, denen der Schwanz fehlt, ha— ben eine ſehr kleine Drüſe *), wiewohl ihr Gefieder eben fo glatt und für das Waſſer eben ſo undurchdringlich iſt, als das der Seeſchwalben und Möven, welche mit beträchtlich großen Schweifen verſehen ſind. Man darf, wie geſagt, nur einen Vogel, der ſeine Fe⸗ dern ſäubert, genau beobachten, um ſich von der Unrichtig- keit der fraglichen Theorie zu überzeugen. Wir haben ſtun⸗ denlang verſchiednen Vögeln, während ſie in dieſem Geſchäft begriffen waren, zugeſehen, aber, weit entfernt, beſtändig zur Bürzel⸗Drüſe zurückzukehren, was nach jener Hypotheſe, wenn nach und nach jede Feder eingeölt werden ſollte, durch— aus erforderlich wäre, wird ſie im Gegentheil während der Operation, im ganzen nur wenig oder gar nicht beachtet, und iſt es ja der Fall, fo geſchieht es nur, um den fie um: gebenden Federbüſchel aufzuputzen 7). tährte man deſſenungeachtet noch einige Zweifel hierüber fo würde folgendes ganz einfache Experiment ++) zur Ausmitte⸗ lung der Wahrheit hinreichen: man darf nur bei einem Huhn oder einer Ente die Drüſe einige Tage oder Wochen hindurch fo bedecken, daß der Vogel nicht dazu gelangen kann, wäh— rend man dieſelbe bei einem andern unbedeckt läßt und bei ) Hist. Nat. des Perroquets, I. 20. **) Reaumur, Oiseaux Domestiques, II. 332. *) Vergleich: Anatomie. +) Ray's Willughby, p. 3. ++) J. Rennie. 9 beiden den Zuſtand des Gefieders während dieſer Zeit beob— achtet. Unabhängig von einem ſolchen Experiment, welches man mit jedem Vogel anſtellen kann, iſt für die Theorie ſchon der Umſtand verderblich, daß die Federn auf dem Kopfe eben ſo ſchön aufgeputzt, glatt und glänzend erſcheinen, wie die am Leibe, ob fie gleich nicht geölt werden können, da es dem Vogel unmöglich iſt, den Kopf mit ſeinem Schnabel, dem einzigen zur Aufſtreichung des Oels geſchickten Werkzeuge, zu erreichen. Sollte man uns fragen, was wir denn eigentlich glau⸗ ben, daß der Nutzen der Drüſe ſei, ſo müſſen wir ein für allemal antworten, daß wir denſelben nicht kennen; allein unſre Unkenntniß ihres wahren Nutzens liefert jener muth— maßlichen Theorie keine Stütze, eine Theorie, welche die vor— erwähnten Thatſachen als irrig und unſtatthaft nachgewieſen haben, was auch von einigen andern auf Reinlichkeit ber züglichen Anſichten gilt, die wir ſogleich mittheilen werden. Die mahomedaniſchen Araber der Wüſte, falls ſie ſich kein Waſſer zu den ihnen vom Koran vorgeſchriebenen Wa: ſchungen verſchaffen können, nehmen ihre Zuflucht zu trocknem Sande, womit ſie ihren Körper, als mit einem Surrogat abreiben “); derſelbe wird ohne Zweifel auch von einigen Vögeln, die daher Pulvinatores heißen, zu dem nämlichen Behuf ver— wendet, indem ſie ſich im Staube baden und ihre Federn damit anfüllen. In Käfig eingeſperrte Lerchen ſieht man dergeſtallt eifrig ihre Bruſt an den trocknen Stellen der ihnen in ihren Kerker gelegten verwelkten Raſenſtücke reiben. Ein flüchtiger Beobachter dürfte vielleicht zu dem Schluß verleitet werden, dieſes geſchehe in der Abſicht, Inſekten aufzufinden; allein das von der Stelle abgewendete Auge des Vogels und der Ausdruck innigen Vergnügens an demſelben, würde ihm zeigen, daß eine ſolche Vermuthung unrichtig iſt. Ein be: kannteres Beiſpiel von Staub-Bad liefern die Scheunthor-Vö⸗ gel, ſogar die noch nicht flüggen Kügelchen haben wir im *) Volney, Egypt and Syria, vol. II. 10 Staube baden ſehen, wozu fie allem Anſchein nach ihr Au: ſtinkt trieb, da fie noch zu jung waren, um dieſes Verfah⸗ ren durch Nachahmung oder Erfahrung erlernt zu haben. Wären nun die Federn dieſer Sandbader zuvor mit einer fettigen Subſtanz, wie die in der Bürzel-Drüſe, einge⸗ ölt worden, ſo würde der Staub daran haften geblieben ſein und dergeſtalt mehr zu ihrer Beſchmutzung als Reinigung bei— getragen haben. Die Abſicht, in welcher ſich dieſe Vögel im Staube wälzen, ſoll ſein, die Vogelläuſe (Nirmi), womit die meiſten Vögel behaftet ſind, zu erſticken oder zu vertreiben. Eben fo wie Schweine ſich in Lachen, das Rhinoceros und der nubiſche Elephant im Schlamme wälzen, um ſich gegen die ihnen fo furchtbare Fliege, Zi meb genannt, zu ſchützen ). Dem ſei nun, wie ihm wolle, wir haben nie einen Vo⸗ gel, nachdem er ſich im Staube gebadet, den Staub aus ſeinen Federn mit dem Schnabel kämmen ſehen; ſie ſcheinen im Gegentheil ſein Darinbleiben vorzuziehen. | Dieſe merkwürdige Thatſache dürfte durch einen Umſtand erläutert werden, den der eben angeführte Reiſende an einem Adler (Gypaetos barbatus, Storr), welchen er in Abyſſinien ſchoß, beobachtet hat: — „Als ich,“ ſagt er, „an das todte Naubthier Hand legte, ſah ich zu meinem nicht geringen Befremden meine Hände mit gelbem Pulver oder Staub bedeckt und gefärbt werden. Als ich daſſelbe auf den Bauch kehrte und die Fe⸗ dern am Rücken unterſuchte, gaben ſie auch Staub von ſich, der die Farbe des Gefieders an dieſem Theile hatte. Der Staub war nicht etwa in kleinen Quantitäten vorhanden, denn als ich auf die Bruſt des Vogels klopfte, flog der gelbe Puder in weit größerer Menge als aus der Puder-Quaſte eis nes Friſeurs empor. Die Federn am Bauche und an der Bruſt, deren Farbe goldgelb war, ſchienen nichts Außerge⸗ wöhnliches in ihrer Bildung zu haben; aber die großen Schul⸗ ) Bruce’s Travels. 11 ter- und Flügel-⸗Federn ſchienen offenbar dünne Röhren zu enthalten, welche, beim Daraufdrücken dieſen Stoff auf den feineren Theil der Feder ausſtreueten; allein dieſer war braun, gerade ſo wie das Gefieder am Rücken. Auf der Seite des Flügels ſchienen die Rippen oder der harte Theil der Federn nackt zu ſein, gleichſam wie abgetragen; oder ſie mochten ſich vielmehr erneuen, weil ſie vorher zu ihren Verrichtungen nicht mehr getaugt. Was der Grund dieſer ſeltſamen Vorkehrung der Natur fein mag, bin ich nicht im Stande zu beſtimmen. Da ſie etwas Ungewöhnliches iſt, ſo dürfte ſie wahrſcheinlich zum Schutz gegen das Klima beſtimmt ſein, und zwar zu Gunſten ſolcher Vögel, welche jene faſt unzugänglichen Hö— hen eines, ſelbſt in ſeinen niedrigſten Theilen mehrere Monate hindurch übermäßigen Regenfluthen ausgeſetzten Landes be— wohnen ).“ Das Einpudern mit Staub, was wir in Bezug auf dieſe Vermuthung bemerken wollen, dürfte ein ſchlechter Schutz gegen heftige Regenſchauer ſein. Viele Vögel waſchen bekanntlich ihr Gefieder, indem ſie entweder mit dem Schnabel Waſſer darauf ſchleudern, oder ſogar ihren Körper in Teiche und Flüſſe eintauchen. So all— gemein iſt dieſe Gewohnheit, daß man auf dem feſten Lande davon Vortheil zieht und wilde Vögel mittelſt eines ſoge— nannten Abreuvoirs fängt. „Nichts,“ ſagt Bechſtein, „kann in heißem Sommer: Wetter angenehmer ſein, als die hieraus entſpringende Er— götzlichkeit, während man ruhig im Schatten eines dichten Laubdachs in der Nähe eines rinnenden Baches ſitzt. Je nach der Ausdehnung des Orts, wird ein drei bis ſechs Fuß langes und drei oder vier Fuß breites Netz über einen kleinen Graben geſpannt, der ausdrücklich zur Hineinleitung des Waſſers aus dem anſtoßenden Bache gegraben iſt. Eine Anzahl Stäbe, ungefähr einen Zoll im Durchmeſſer haltend, werden in dieſen Kanal in gleicher Höhe mit dem Waſſer geſteckt und oben *) Travels, Appendix, p. 155. 12 mit Ringen verſehen, um zu verhindern, daß das Netz nicht naß werde, — der noch übrige Theil des kleinen Kanals wird mit Reiſern und Aeſten überdeckt. Iſt der Ort gut gewählt, ſo wird er den ganzen Tag (von Vögeln) umgeben ſein, vor⸗ züglich aber des Morgens und gegen Sonnenuntergang *). + Mr. Knapp nennt den Hänfling (Linaria Linota) in beſagter Hinſicht als den reinlichſten der Vögel, — weil dieſer ein Vergnügen daran findet, in dem erſten beſten Bächelchen herumzupatſchen und fein Gefieder zu putzen *); allein wir glauben nicht, daß ſich der Hänfling häufiger badet, als irgend ein andrer der kleineren Vögel (Sylviadae, Vieillot). Der Hänfling, der Buchfink und alle Körner (Säme⸗ reien) freſſende Vögel baden ſich, wie wir bemerkt haben, in der That, nicht fo häufig, als die mit dünneren und ſchlan⸗ keren Schnäbeln verſehenen Vögel (Sylviadae, Vigors), denen Baden faſt eben fo nöthig zu fein ſcheint, als Luft und Nah: rung. Dieſe werden daher auch, wie wir von Herrn Bed: ſtein erfahren, am häufigſten in den Abreuvoirs gefangen, und in Gewäſſern, in der Nähe ihrer Niſtorte, ſehen wir ſie jeden Tag ſich fleißig baden. Auch im Käfig waſchen ſie ſich weit häufiger als die Körner⸗-Freſſer. Ein Rothkehlchen, das wir gegenwärtig beſitzen, wäſcht ſich, wenn man ihm Waſſer giebt, zu jeder Stunde, ſei es Tag oder Nacht, ſeine Federn ſind kaum trocken, ſo zeigt es großes Verlangen, ſein Bad zu erneuern, und würde dies, erlaubte man es ihm, wohl ein dutzendmal des Tages thun; dagegen zeigt ein Gimpel, in einem benachbarten Käfig, kein Beſtreben, ſich mehr als ein- oder zweimal in der Woche zu baden. Ein niedlicher Plattmönch, ebenfalls in unſerm Be: ſitz, ſcheint ſich eben ſo gern zu baden als das Rothkehl—⸗ chen! ). Mr. Sweet bemerkt, daß, wenn er feinen zarte⸗ *) Manuel da I' Amateur, p. 67. 2. edit. 5%) Journal of a Naturalist, p. 154, 3. edit. ) J. Bennie. N 15 ren Vögeln geftatte, ſich ſo oft zu baden, als fie es thun möchten, dies, vorzüglich im Winter, ihnen nachtheilig ſein, ja ſogar den Tod bringen könne). „Eine der merkwürdigſten Eigenheiten, welche ſich bei jungen Vögeln äußern,“ ſagt der Geiſtliche W. Herbert, „iſt das glühende Verlangen einiger Arten, ſich zu waſchen, und anderer, ſich mit Staub zu bepudern (and of dusting themselves) wie dies z. B. der Zaunkönig thut. Dies muß, denke ich, ein inſtinktmäßiger Trieb ſein. Es iſt wohl möglich, daß die kleinen Zaunkönige durch die Oeffnung ihres bedeckten Neſtes ihre Aeltern ſich in einigen Fällen im Staube baden ſehen können; allein das Neſt hat oft eine ſolche Lage, welche dergleichen Beobachtungen unmöglich macht, und doch iſt das Verlangen bei allen Individuen gleich mäch— tig. Auf der andern Seite können die Neſtlinge des Weidenzei— ſigs und manche andere, die ſich, ſobald ſie ihr Futter ſelbſt zu ſuchen vermögen, bei der erſten ſich darbietenden Gelegenheit eifrig baden, nie etwas der Art geſehen haben, da ihre Neſter unter den Wurzeln eines Baumes auf einer trocknen Uferbank im Walde erbaut iſt. Dieſer Trieb iſt ihnen alſo vom Schö— pfer eingeflößt und zwar mit einer Kraft, die in Gefangen— ſchaft zur Tollheit auszuarten ſcheint. Es iſt einer Nachtigall ſehr nachtheilig, ſich im Winter zu baden, und bringt ihr den Tod, wenn ſie es öfter thut; allein trotz dem ſtürzt ſie, ſo wie man eine Schale mit Waſſer in ihren Käfig ſetzt, in dieſe, um ſich zu baden, und ſteht darauf ſich ſchauernd da, ein wahres Bild des Froſtes und der Niedergeſchlagenheit; deſſenungeachtet wiederholt ſie die Operation, wenn es ihr verſtattet wird, jeden Tag, bis fie ſtirbt. Junge Zaunkönige, Weidenzeiſige u. ſ. w. baden ſich, ſobald ſie allein freſſen können, mit demſelben Eifer, wenn man ihnen Waſſer in ihren Käfig giebt, ob ſie gleich, bei einer Temperatur von weit unter 70° F. und wenn die Sonne nicht ſcheint, daran ſterben. Bei den jüngeren Vögeln bewirkt dieſes Baden, *) British Warblers, an mehreren Stellen. 14 einige Stunden nach oder auch erſt am nächſten Tage einen plötzlichen Anfall von Lähmung, wobei ſie mit einem Schrei umfallen, indem fie den Gebrauch des einen oder beider Bei- ne verlieren, und eine Verzerrung des Mundes zeigen. In dieſem Zuſtande ſcheint die allgemeine Geſundheit nicht be— theiligt zu ſein, ſind aber beide Beine gelähmt, ſo muß das arme Thier bald ſterben. „In einem etwas weiter vorgeſchrittenem Alter beſteht die Folge eines einzigen Bades bei kaltem Wetter in epile- ptiſchen Anfällen, die nach kurzen Zwiſchenzeiten wiederkehren und endlich den Tod herbeiführen. Im Zuſtande der Freiheit würde ſich der Vogel durch Reiben an Blättern und durch ſehr ſchnelle Bewegung abtrocknen, auf dieſelbe Art, wie Zaunkönige durch beſtändige Thätigkeit der ſtrengſten Kälte trotzen, deren geringſter Angriff ſie im Käfig tödten würde; auch mag der Vogel, wenn er Gelegenheit hat, ſich zu jeder Zeit nach Gefallen zu baden, die günſtigeren Augenblicke be⸗ nutzen. „In einem Käfig muß man ſolchen Vögeln ein Waſſer⸗ Gefäß mit enger Mündung geben, um zu verhindern, daß ſie ſich nicht durch Baden um's Leben bringen. Sie wieder⸗ holen es, wofern man es zuläßt, ſtets mit gleichem Eifer, bis ſie ſterben, ſo ſtark iſt der innere Trieb dazu. „Meines Erachtens tritt das Verlangen, ſich zu baden, bei Vögeln, welche im Winter nach wärmeren Klimaten wandern, das, im Staube zu patteln, dagegen bei denen, welche bei uns bleiben, vorzüglich hervor. Das Staubbad zeigt, wie alle Anordnungen in der Natur, von hoher Weisheit; denn wollte der kleine Zaunkönig während des Winters, an: ſtatt im Staube, ſich in kaltem Waſſer baden, ſo müßte er erfrieren ).“ Die größten Raubvögel ſind eben ſo große Liebhaber vom Baden, aber um Waſſer zum Trinken bekümmern ſie ſich *) Notes Io White’s Selborne, Letter 12. edit. 8. 1832. 15 jo wenig, daß man fälſchlich behauptet hat, fie tränken niemals. „Was ich beobachtete,“ ſagt der Abbé Spallan— zani, „iſt, daß Adler, wenn man ſie auch mehrere Mo— nate hindurch ohne Waſſer ließ, in Folge dieſes Mangels nicht den geringſten Nachtheil zu erfahren ſchienen; allein wenn man ſie mit Waſſer verſah, ſo traten ſie nicht blos in das Gefäß und beſpritzten ihre Federn gleich andern Vögeln mit Waſſer, ſondern tauchten mit ihrem Schnabel ein, hoben hierauf nach Art des gewöhnlichen Geflügels, ihren Kopf em— por und verſchluckten, was ſie aufgenommen hatten; hieraus ergiebt ſich deutlich, daß ſie trinken. Für den Adler mußte man nothwendiger Weiſe das Waſſer in ein großes Gefäß gießen, weil anders bei ſeinen Verſuchen, zu trinken, letzteres ſicherlich umgeſtürzt worden fein würde).“ In Büchern über Falknerei findet man auch Vorſchrif— ten, wie man die abzurichtenden Vögel mit Waſſer zum Ba— den verſehen ſoll. „Hat man ſeinen Falken,“ ſagt Wil— lughby, „von ſeinem Umherſchweifen entwöhnt und auf beiderlei Weiſe abgerichtet und völlig gezähmt, und iſt auch ſein Befinden vollkommen gut, ſo gebe man ihm in einem Becken etwas Waſſer zum Baden, welches ihm, wenn er darin ſteht, bis an die Dickbeine reicht, und wähle übrigens dazu einen mäßig warmen heitern Tag. Hat man den Fal— ken geätzt und mit warmem Fleiſche belohnt, ſo trage man ihn des Morgens an ein ſandiges Ufer und halte ihn in der Sonne bis er ſeinen Kropf gefüllt, wobei man ihm die Kappe abnimmt, daß er ſich ſelbſt putzen und ſäubern kann; iſt dies geſchehen, ſo ſetze man ihm die Kappe wieder auf und ſtelle ihn neben das Becken, nehme ihm dann die Kappe wieder ab, und laſſe ihn baden, fo lange er Luft hat, und ſich mit dem Schnabel putzen wie zuvor, und füttere ihn darauf. Will er ſich nicht im Becken baden, ſo zeige man ihm zu dieſem Behuf einen kleinen Fluß oder Bach. Durch das ) Dissertations, I, 173. 16 öftere Baden gewinnt der Vogel an Stärke und Appetit und wird auf dieſe Weiſe kühn; an dem Tage aber, wo er— badet, gebe man ihm kein gewaſchenes Fleiſch. Will man ſeinen Falken ſteigen laſſen, ſo ſetze man ſich den nächſten Tag nach dem Bade, entweder Früh oder Abends zu Pferde und wähle irgend ein Feld aus, wo es keine Krähen oder Tauben giebt, dann nehme man ſein Federſpiel, an beiden Enden wohl geködert, ziehe dem Falken die Kappe ab und laſſe ihn ein oder zweimal in das Federſpiel hacken, hierauf ſetze man ihm die Kappe wieder auf und reite gemächlich ges gen den Wind, dann nehme man ihm die Kappe ab, und ehe er beizt oder etwas in's Auge faßt, pfeife man ihn freund⸗ lich von der Fauſt“)““ Bedürften dieſe Vögel einer Einözlung des Gefieders nach jedesmaligem Bade, ſo müßten ſie durchaus mit einer weit größeren Drüſe begabt ſein, als irgend einer von ihnen hat, um die erforderliche Oel-Menge erhalten zu können; zugleich würde dies die Mile von ihren Federn gänzlich abs halten, jedoch ſcheint dies gerade das Ziel bei der Operation zu ſein, um ſich unter andern von Schmarotzer-Inſekten zu befreien. Der Kopf indeß, welchen ſie mit dem Schnabel nicht erreichen können, und der folglich auch nicht mit Oel be: ſtrichen werden kann, muß am meiſten von Ungeziefer heimge⸗ ſucht werden; und dem gemäß ſehen wir öfters auch Vögel ſich damit begnügen, ihre Köpfe zu benetzen, ohne die übri⸗ gen Theile des Körpers zu berühren. Desgleichen kann man ſie häufig ihre Köpfe mit den Krallen kratzen oder kämmen ſehen, wahrſcheinlich in einer ähnlichen Abſicht. Dieſer Um: ſtand hat zu einer intereſſanten Erörterung hinſichtlich des be abſichtigten Nutzens der Krallen einiger Arten geführt, unter welche die Ziegenmelker und die Reiher gehören, deren Zehen mit kleinen Zacken oder Zinken, wie eine Säge oder ein Kamm, verſehen ſind. *) Ornithology, by Ray, p. 402. 17 Der Nacht-Reiher. Wilſou bemerkte, daß bei den Nachtreihern (Nyeticorax Europacus), welche er unterſuchte, die mittleren Zehen oder Krallen, welche an der innern Seite mit fünfunddreißig bis vierzig Zacken oder Zähnen, gleich einer Säge, beſetzt waren. mit Zähnen oder Zacken beſetzte Kralle des Nacht-Reihers. 15 kleine Federbuſen (Flaumfeder-Theilchen) von den Vögeln jelbft enthielten, ein deutlicher Beweis, daß ſich dieſe ihrer Kral— len anſtatt eines Kammes bedienen, um ſich an ſolchen Stel— len von Ungeziefer zu entledigen, die ſie mit dem Schnabel nicht erreichen können).“ Hinſichtlich der Ziegenmelker ſtellt Wilſon eine ähnliche Behauptung auf. Von feinem Nacht-Falken (Night- hawk) 3. B. ſagt er, feine mittle Kralle ſei an ihrem innern Rande gezähnt, um ihm als Kamm zur Entfernung von Ungeziefer zu dienen ). Ferner ſagt derſelbe, „der innere Rand der mittlen Klaue des Whip⸗-poor⸗will, eines ebenfalls dem Sie: genmelker Geſchlecht angehörigen Vogels, iſt gezackt, und da man zwiſchen den Zacken oft Theilchen von Flaumfedern fin⸗ det, ſo iſt es wahrſcheinlich, daß dieſes Thier ſich ſeiner Kral— len als Kamm zur Reinigung des Kopfes von Ungeziefer be— dient, indem dieſer vor allen andern Theilen, ja faſt aus: ſchließlich, bei allen Vögeln dergeſtalt bevölkert iſt!“ *).“ Er beweiſt dieſes ferner in dem Fall des carolinafchen Ziegen melkers (Chuck-will’s-widow) durch wirkliche Beobachtung des Umſtandes, er bemerkt, wo er von dieſer Species ſpricht: „da der Vogel während der heißen Stunden des Tages viel ſchläft, ſo wird er ſehr von Ungeziefer, vorzüglich am Kopfe heimgeſucht und iſt mit einem Kamme verſehen, den er oft anwendet, um ſich in der Gefangenſchaft von dieſer Plage zu befreien +). + White von Selborne auf der andern Seite, (mit deſ— ſen Bericht Wilſon nicht bekannt geweſen zu ſein ſcheint), war der Meinung, daß die Zacken an der Kralle des euro: päiſchen Ziegenmelkers die Beſtimmung hätten, dem Vogel beim Feſthalten von Käfern (Zantheumia solstitialis u. ſ. w.), denen er ihn nachſtellen ſah, behülflich zu ſein. *) Wilson Amer. Ornith. VII. 110, 2. edit. **) Ebendaſelbſt V. 70. n) Ebendaſelbſt V. 77. +) Ebendaſelbſt VI. 97. 0 19 „Ein Umſtand,“ ſagt dieſer Beobachter, „der mir viel Vergnügen machte, war deutlich zu ſehen, wie er (der Vogel) oft im Fluge ſein kurzes Bein ausſtreckte, und indem er den Kopf niederbog, etwas in ſeinen Schnabel ſteckte. Wenn er irgend — Der carolinafde Zigenmelker (Chuck-will’s- widow. einen Theil feiner Beute ergreift, wie ich jetzt den trifftigſten Grund habe, zu glauben, daß er jene Käfer ergreift, fo zweifle ich nicht länger über den Gebrauch ſeiner Mittel— Zehe, welche auf eine merkwürdige Weiſe mit einer gezähn— ten Kralle verſehen iſt“).“ Herr Dillon hat neuerdings ſehr trifftige Gründe gegen dieſe Vermuthung von White aufgeſtellt und nimmt an, daß der Haupt⸗Nutzen der gezähnten Kralle in Kämmen und Auf: putzen der Borſten (Vibrissae) beſtehe. Zu dieſem Behuf ſind ſeiner Anſicht nach, Bein, Fuß, Zehe und Kralle auf das entſprechendſte geeignet; während ſie ihm zur Ergreifung von Käfern nicht im mindeſten gemacht zu ſein ſcheinen. „Die Mittel-Zehe,“ ſagt derſelbe, „verglichen mit den andern, iſt Letter 47. 20 Fuß des Ziegen-Melkers, woran man die ge: zähnte Kralle deutlich wahrnehmen kann. ſehr lang, und ihre Kralle iſt etwas flach, leicht auswärts ge: krümmt und an dem concaven Rande ausgezackt, einigerma— ßen einer flächlings (mit der Schneide nach unten ſehenden) geſtellten Sichel gleichend, deren Spitze nach außen gerichtet iſt, wiewohl Bewick's Abbildung ſie fälſchlicher Weiſe nach innen gekrümmt, wie die andern Krallen, erſcheinen läßt. „Dieſer Form wegen kann die Kralle unmöglich als ein Werkzeug zum Ergreifen und Feſthalten dienen, während ſie ſich zum Kamm vortrefflich eignet; und wenn man erwägt, wie die Borſten um den Mund herum ſich an den Spitzen krümmen und zuſammen kleben, ſo läßt ſich die Nothwendig⸗ keit eines ſolchen Werkzeugs durchaus nicht beſtreiten.“ Dil: lon fügt noch hinzu, „ich habe den Vogel mehrmals ſeinen Fuß auf die von mir beſchriebene Weiſe gebrauchen ſehen, ich bin faſt gewiß, daß mich meine Augen nicht täuſchen konnten “).“ Als Erwiederung hierauf iſt behauptet worden, „es gebe eine amerikaniſche Gruppe, die keine Borſten im Umkreiſe des Schnabels, aber nichts deſto weniger gezähnte Krallen habe, desgleichen exiſtire eine andere Gruppe in Auſtralien, die mit Borſten verſehen ſei, aber eine glatte und einfache Kralle habe, und als Einwurf gegen Wilſons Mittheilungen bemerkt der nämliche Schriftſteller, daß der Schluß, die Natur habe einer oder zwei gefiederten Familien das ausſchließliche Vermögen ) Mag. of Nat. History, III. 33. 21 ertheilt, ſich von einem Feinde zu befreien, der auf gleiche Weiſe alle Vögel plagt, verkehrt ſei, hinzufügend, daß der auſtraliſche Podargus, (die Familie, von welcher eben geſagt worden, daß ſie eine glatte Mittelkralle habe), vorzüg— lich von Ungeziefer gequält werde, und daß bei einigen von ſeinen Exemplaren die leeren Nüſſe (Eihülſen) noch in den Federn hingen ). Wir wollen noch hinzufügen, daß bei allen von uns un— terſuchten Exemplaren die Kralle nach innen gekrümmt iſt, ſo wie ſie Bewick darſtellt, und nicht nach außen, auf welchen Umſtand Dillon feine Behauptung vorzüglich gründet ). Vielleicht wäre es eben ſo gut, Audubon's Beſcheiden— heit nachzuahmen, welcher ſagt: „Ich wünſchte, daß ich den beſondern Nutzen der kammartig ausgezackten Kralle hätte entdecken können, welche dieſer Vogel „„ an jedem Fuße hat. Allein dieſes lieber Leſer, bleibt eine Lücke in der Ornithologie, und ich fürchte, daß es wenigſtens für mich eine ſolche bleiben werden).“ Indeß ſcheint uns, ohne daß wir uns anmaßen, die Frage entſcheiden zu wollen, Wilſon's Anſicht die annehm— barſte zu ſein. Der oben erwähnte Umſtand, welchen er wirklich beobachtete, kann ſicherlich nicht durch die allgemeine Bemerkung wiederlegt werden, daß es ungereimt fei, anzu: nehmen, die in Rede ſtehenden Vögel ſeien mit einem befon- dern Werkzeuge verſehen, welches in gleichem Grade allen Vögeln nützen würde. Als Erwiederung hierauf, ſind wir, vermöge gleicher Beweisführung, zu der Behauptung be— rechtigt, daß es eben ſo ungereimt iſt, der andern Er— klärung gemäß, anzunehmen, die gezackte Kralle ſei auf die Ziegenmelker beſchränkt, da doch andere, welche Kä— *) Mag. of Nat. History. IV. 276. ) J. Rennie, ***) Ornithological Biographie, p. 276. 22 fer freſſen, wie z. B. der Wannenweher (Falco tinunculus, Ray“), mit keinem ähnlichen Werkzeuge begabt find. Am Ende dürften die Krallen-Zacken für keinen von den angeführten Zwecken beſtimmt ſein und vielleicht dem Vogel blos dazu dienen, ſich beim Niederſetzen auf einen Aſt oder Zweig feſter zu klammern, in welchem Fall er die Eigenheit hätte, der Länge nach zu ſitzen, und niemals, wie andere Vö— gel, in einer Quer-Lage. Podargus Auritus. Es wäre intereſſant, zu erfahren, ob der auſtraliſche Podargus, welchem die gezähnte Kralle abgeht, auf dieſe eigenthümliche Weiſe ſitzt. Nachfolgender Umſtand, der unter unſere Beobachtungen fiel, ſcheint zu zeigen, daß Schwalben nicht mit den Mitteln begabt ſind, ſich von Schmarotzer-Inſekten zu befreien. Als wir den Ruinen von Brougham Caſtle in Cumber: land einen Beſuch abſtatteten, fiel uns die ungewöhnliche Zahmheit einer Schwalbe (Hirundo rustica, Plin.) auf, wir auf der Bruſtmauer der über den Fluß Emont führenden *) Selby, p. 44. \ 25 Brücke, auf der Straße von Penrith fanden. Schwalben ſind allerdings in der Regel nicht ſehr ſcheu, vielleicht im Vertrauen auf die Schnelligkeit ihrer Flucht, bei drohender Gefahr; allein dieſe arme Schwalbe ließ Jedermann an ſich herankommen, ohne einen Verſuch, zu entfliehen. Sie ſchien in der That, inſtinktmäßig um die Hülfe des Menſchen zu flehen, wenigſtens ſchienen uns dies ihre wehmüthigen Blicke zu verrathen. Als ich ſie in die Hand nahm und unterſuchte, zeigte ſichs, daß ihr Gefieder von einem Inſekt (Craterina hirundinis, Olbers) wimmelte, welches etwas größer als die gemeine Bettwanze (Cimex leeticularius) iſt. Ich tauchte den armen Vogel ſogleich in das vorbeifließende Waſſer, und ſo wie er von ſeinen Quälern befreit war, flog er froh und munter davon, um ſich mit ſeinen Gefährten zu vereinigen. Wäre derſelbe mit einem Kamme verſehen geweſen, wie die Ziegenmelker, ſo würde er jeden Falls unſers Beiſtandes nicht bedurft haben ). Das Hauptwerkzeug indeß, womit Vögel ihre Federn ordnen und putzen, iſt der Schnabel, und iſt ihnen dazu eine Flüſſigkeit nöthig, fo muß dieſe aus den Speicheldrüſen?) und nicht aus den Bürzeldrüſen kommen. Beobachtet man die Operation mit Aufmerkſamkeit, ſo kann man in Wahr— heit die Zunge eben ſo thätig ſehen als die übrigen Theile des Schnabels, und wahrſcheinlich iſt fie das Organ, wel: ches den Vogel jede Runzelung und jedes Zuſammenkleben der Federchen erkennen läßt, nimmt er eine ſolche Verwirrung wahr, ſo erfolgt augenblicklich eine Pauſe, bis die betheiligte Stelle wieder in die gehörige Ordnung gebracht iſt. Wir haben einen Grünfinken (Fringilla chloris) feine Flügel, ſo wie ſie nach dem Baden trocken wurden, ordnen und putzen ſehen, und wir konnten deutlich bemerken, wie er ſich dabei ſeiner Zunge bediente, um die gerunzelten Federn J. Rennie. **) Huber, De lingua Pici viridis. Siehe auch die Baukunſt der Vögel (Leipzig, Baumgärtn. Buchhandl.) Capitel XV. 24 wahrzunehmen und ſie wieder glatt zu lecken, wenn das bloße Durchziehen derſelben durch den Schnabel hierzu nicht aus: reichte“). Daß dieſe Bemerkung, wiewohl fie für eine neue ange⸗ ſehen werden kann, nichts deſtoweniger richtig iſt, läßt ſich durch die Analogie beſtätigen, wenn man die ähnliche Weiſe berückſichtigt, auf welche andere Thiere ſich ſelbſt reinigen. Quadrupeden haben keine ſolchen Drüſen, die man bei Vögeln fälſchlicher Weiſe für Oel-Quellen gehalten hat; dei: ſenungeachtet erſcheint bei den meiſten Quadrupeden das Pelz: haar glatt, ja ſelbſt glänzend, was durch bloßes Lecken be— wirkt wird, ſo wie wir unſern jungen Grünfinken ſeine Federn lecken ſahen. Auf unſern Weiden kann man dergeſtalt das Vieh ſeine feuchte Zunge über das Haar bewegen ſehen; und die Elephanten in unſern Menagerien bedienen ſich der feuchten Extremität des Rüſſels zur Reinigung ihrer rauhen hagrloſen Haut. Sogar unter den Inſekten, deren Oekonomie und Ge— wohnheiten ſo verſchieden ſind, haben wir, wenigſtens in einem merkwürdigen Falle, den Reinigungs-Prozeß nach demſelben Prinzip mittels eines angefeuchteten Inſtruments verrichtet werden ſehen. Unſern Leſern dürfte es nicht unwillkommen fein, zur Erläuterung des Geſagten die urſprüngliche Mit: theilung über dieſes Inſtrument, welches wir an der Made des Johanniswürmchens, (Lampyris noctiluca) beobachteten, zu leſen. Auf einer naturgeſchichtlichen Excurſion nach den Wal: dungen von Dartford in Kent, am 14. März, fand ich ein Inſekt, welches mir bis jetzt noch nicht zu Geſicht gekommen, auf dem bemooſten Stamme einer Eiche kriechen; die Eiche war außerdem mit Geißblatt umwunden, und nahe am Bo— den wurzelte eine Farnkraut-Staude in der verwitternden Rinde. Das Inſekt hatte in feinem Aeußern große Aehnlich— keit mit dem weiblichen Johanniswürmchen, aber es war *) J. Rennie. 25 beträchtlich länger und zeigte andere Farben. Der Kopf, ob: ſchon klein, war gleich dem der Raubkäfer-Maden gebildet, woher ich ſchloß, daß das Thier einer ihrer zahlreichen Fami— lien angehören dürfte; um mich jedoch hierin nicht zu täu— ſchen, denn es konnte am Ende doch nur ein pflanzenfreſſen— des Inſekt ſein, ſteckte ich es nebſt etwas Eichenrinde, Moos, Farnkraut und Geisblatt in eine zur Aufnahme naturge— ſchichtlicher Gegenſtände beſtimmte Schachtel und geſellte nachmals mehrere kleine Schnecken mit durchſichtigen Gehäu— fen hinzu, die ich an derſelben Stelle ſammelte — ein Um— ſtand, der mich zur Entdeckung einer von jenen Thatſachen führte, die, nachdem ſie unmittelbarer Forſchung entgangen, oft zufällig erkannt werden. „Erſt am folgenden Tage ſah ich wieder in die Schach— tel, und da bemerkte ich, daß keine von den vegetabiliſchen Sub— ſtanzen angerührt worden war, denn die Schnecken hatten ſich an den Deckel feſt geklebt, nach ihrer gewohnten Weiſe, wenn man ſie an einen trocknen Ort verſetzt; und wiewohl der kleine Fremdling ſich ziemlich lebhaft zeigte und in allen Richtungen umherſpazierte, ſo ſchien doch nichts innerhalb ſeines Bereichs ſeinem Geſchmack zuzuſagen. Nachdem ich das Thierchen eine Zeitlang ſorgfältig beobachtet, feſſelten meine Aufmerkſamkeit einige höchſt ſeltſame Bewegungen, die es mit feinem Schwanze machte, und wovon ſich der Leſer ei— nen um ſo deutlicheren Begriff wird machen können, wenn er geſehen hat, wie der Ohr-Wurm, oder das vom gemei— nen Mann mit dem Namen Teufels-Kutſchpferd (Goerius olens, Stephens), bezeichnete Inſekt, ſeinen Schwanz über den Rücken krümmt, ungefähr nach Art eines Hühnerhundes, der wohlgefällig vor ſeinem Herrn her läuft. Der gabelartige Schwanz des Ohrwurmes fo wie auch der des Goerius ſoll dieſen Thieren bei Entfaltung ihrer langen und dichtgefalte— ten Flügel behülflich ſein, eine Operation, wovon ich niemals ſelbſt Zeuge geweſen; allein da das mir unbekannte Inſekt offenbar keine Flügel hatte, fo konnte dies nicht der Zweck jener von mir angedeuteten Bewegungen rn Ich habe 26 mehr als einmal eine weibliche Motte ſich den weichen Flaum vom Körper abſtreifen ſehen, um ihre Eier mit einer warmen Decke zu bekleiden, zu welchem Behuf ſie ein zangenartiges, am Ende des Schwanzes gelegenes Inſtrument in der erfor— derlichen Richtung bog; aber in dem fraglichen Beiſpiele konnte dies nicht der Fall ſein, da das Thierchen keinen Flaum an ſeinem Leibe hatte; indeß ſchien es bei näherer Beſichtigung etwas ſehr ämſig aus den Theilen zu zerren, über welche ſein Schwanz-Ende zurückgebogen war. „Es ſchien etwas ſo Ungewöhnliches in dieſen Bewegun— gen zu ſein, daß in mir die Begierde rege wurde, ſie genauer zu beobachten, und da das kleine Geſchöpf ſich keineswegs furchtſam zeigte, ſo konnte ich es leicht durch ein ziemlich ſtar⸗ kes Vergrößerungs-Glas betrachten. Das Schwanz-Werkzeug beſtand, wie ich auf dieſe Weiſe entdeckte, aus einer doppel— ten Reihe weißer, knorpeliger, in einem Kreiſe, eine Reihe innerhalb der andern, angeordneter Strahlen; und was am ſeltſamſten dabei, dieſe waren retractil Gurückziehbar). Die Strahlen waren durch eine feuchte, gelatinöſe (gallertartige) Membran mit einander vereinigt, jedoch ſo, daß ſie einzeln ausgeſtreckt werden konnten, eine oder zwei ragten häufig über die Linie der andern hinaus. Dieſelben ließen ſich eben ſo gut krümmen als ausſtrecken und konnten ſich mithin den Winkeln oder Vertiefungen einer unebenen Fläche fügen. „Ich überzeugte mich bald, daß dieſes ſonderbare In— ſtrument von dem Inſekt zur Neinigung feines Körpers ge: - braucht wurde; und es würde ſchwer gehalten haben, etwas Wirkſameres zu dieſem Behuf auszuſinnen, wiewohl es in ſeiner Thätigkeit von allen Werkzeugen dieſer Art, womit ich bes kannt war, abwich, in ſo fern es durch Saugen wirkte, und nicht wie ein Kamm, oder eine Bürſte, oder ein Wiſchtuch, wovon ich in der Folge einige Beiſpiele erwähnen werde. „Es war überdies inwendig mit einer trichterartig geſtal— teten, durch die convergirenden Strahlen gebildeten Taſche verſehen, in welcher jedes Stäubchen und alle andre vom Körper abgelößten Uureinigfeiten geſammelt wurden, bis fie 27 dieſelben nicht mehr faſſen konnte, wo dann der angehäufte Schmutzballen durch eine wurmförmige Bewegung ausgedehnt (geſtreckt) und mit großer Sorgfalt an einem Orte abgeſetzt wurde, wo er nicht wieder mit der gleißenden Haut des In— ſekts in Berührung kommen, und ſomit dieſelbe nicht beſchmutzen konnte. Dieſe Haut, wenn ich ſie ſo nennen darf, war von weichem, lederartigen Anſehen und zeigte unter dem Vergrö— ßerungs⸗Glaſe eine zarte, feine Bekleidung, wie Schagrin — wovon man mit unbewaffnetem Augen nichts gewahren konnte. Vergrößerte Anſicht des Reinigungs-Werk— zeugs, a) offen und b) geſchloſſen. „Wenn dem gemäß das eben geſchilderte Werkzeug über eine Portion dieſer ſchagrinartigen Fläche ausgebreitet worden war, ſo wurde es nachmals mit offenbarer Anſtrengung her— ausgezogen und dieſelbe Operation, wo nöthig, wiederholt. „Jedes Staubtheilchen und jeder andere fremdartige Stoff ward auf dieſe Weiſe von der Haut weggenommen und durch eine eigenthümliche Bewegung der retractilen Strahlen in die trichterförmige Taſche gebracht. „Die wirkliche Nahrung des fraglichen Inſekts, welche, wie deutlich erwieſen iſt, in Schnecken beſteht, zeigt auf eine höchſt anſchauliche Weiſe die Abſicht der Vorſehung, als fie das Thierchen mit dem von mir geſchilderten Werkzeuge ausſtattete; 2 * 28 die Made kann nicht leicht eines ihrer Schlachtopfer verzehren, ohne ſich mit Schleim zu beſudeln; und daher ſah ich ſie Larve des Johnniswürmchens, die ſich ihres Reinigungs- Werkzeuges bedient. nach jeder Mahlzeit ſorgfältig Kopf, Hals und Seitentheile mit ihrem Reinigungs- Werkzeuge durchgehen, um ſie von Schleim zu befreien ).“ Noch wollen wir zur Erläuterung unſers Gegenſtandes der eigenthümlichen Struetur des Fußes der Dipteren (nur mit zwei Flügeln verſehener Fliegen, Diptera) als eines Reinigungs-Werkzeuges erwähnen, beſonders da man hierüber in keinem naturgeſchichtlichen Werke Erwähnung fin- det, obſchon die meiſten unſrer Leſer bemerkt haben werden, wie Fliegen von Zeit zu Zeit ihre Füße über einander wegziehen, um den Staub abzureiben, und wie ſie eben ) J. Rennie, im Journal of the Royal Institution for Octbr. 1830. 29 ſo eifrig beſtrebt ſind, Augen, Kopf und Bruſtſtück mit ihren Vorderbeinen, die Flügel dagegen mit ihren Hinterbeinen zu reinigen. Made des Johanniswürmchens, welche eine Schnecke frißt. An dem Fuße der gemeinen Fleiſch-Fliege (Musca carna- ria) befinden ſich zwei zugerundete Kämme, deren innere Fläche mit Flaum bedeckt iſt, und dergeſtalt eine feine Bürſte abgiebt; und einige Libellen (Tipulidae) haben drei ſolche Kämme an jedem Fuße, wie man aus einer Zeichnung der— ſelben erſehen kann, die wir anderswo zu einem andern Be— huf gegeben haben ). ) Insect 'Transformations, p. 391. 3 wit ers Kapitel, Betrachtung einzeln und in Geſellſchaft lebens der Vögel hinſichtlich ihrer Nahrung. Eine der gewöhnlichen Ergötzlichkeiten der Einwohner von Aleppo und andern orientaliſchen Städten beſteht darin, daß fie, während fie, wie es ihre Gewohnheit iſt, auf den plat: ten Dächern ihrer Häuſer umherſpazieren, um die kühle Luft zu genießen, Körner ausſtreuen, oder ſich wenigſtens ſtellen, als ſtreuten ſie dergleichen aus; in kurzer Zeit kommen ſodann ganze Heerden Tauben und andere Vögel, wovon vorher keine Spur zu ſehen war, auf dieſes ihnen wohlbekannte Zeichen herbei). d Auf die nämliche Weiſe kann man ſämmtliches Geflügel auf einem Meierhofe, oder die Enten und Schwäne in einem Teiche, an eine beſtimmte Stelle locken, alle eilen mit großer Haſt dem Orte zu, wo ſie Futter zu erwarten haben. Eben ſo haben wir zeitig im Frühling, wenn die Weiden, trotz den kalten Tagen und den noch kältern Nächten, ihre Kätzchen entfalteten, einen zahlreichen Inſekten-Schwarm, aus ſehr verſchiedenen Arten, — als Schmetterlingen, Bienen, Wespen und mehreren Dipteren (Diptera) — beſtehend, ſich um die goldnen Blüthen drängen ſehen, angelockt wahrfchein: lich durch die reichen, ſich rings um den Baum verbreiten— den Wohlgerüche und ein vollgültiges Zeugniß ablegend, daß hier Honig zu erlangen ſei. Die Urſachen der Zuſammengeſellung von übrigens in ihrer Lebensweiſe ſo verſchiednen Arten liegen in ſolchen ) Volney, Voyage dans I' Egypte et la Syrie, vol. . 31 Fällen, wie die eben mitgetheilten, am Tage und laſſen ſich leicht erklären; dagegen giebt es manche andere Fälle, wo ſich Thiere in großen Schaaren zuſammendrängen, aber die ſie verbindende Kette mehr oder weniger verborgen iſt. Dies gilt unter andern von Schafen, die auf einer Wieſe weiden und ſich ſo dicht zuſammendrängen, daß zum Freſſen kaum Platz genug für ein jedes übrig bleibt. Indem ich dieſes ſchreibe, gewahre ich aus dem Fenſter meines Studierzimmers ſieben weidende Schafe, ſo dicht zu— ſammengedrängt, daß ſie mit ihren Fellen in fortwährender Berührung ſind, und doch iſt das Feld keineswegs klein, und andere Theile deſſelben haben eben ſo gutes Gras, als das Fleckchen, wo dieſe ſieben Schafe es bis auf die Wurzel abna— gen, während ihre übrigen Gefährten, nur wenige Schritte von ihnen entfernt, dieſelbe Abtheilung des Feldes einnehmen. Um auf die Urſache dieſer Geſelligkeit zu kommen, welche nicht nur jedes vernünftigen Beweggrundes, der etwa aus ge— genſeitigem Vortheil entſpringen könnte, zu entbehren ſcheint, müſſen wir zunächſt bedenken, daß dieſe Schafe gezähmt ſind, und mithin in andern Verhältniſſen leben als die Species in ihrem natürlichen wilden und freien Zuſtande, in welchem eine ſolche Geſelligkeit zur Erreichung eines wichtigen Zweckes dienen mag. Die Schafe bergiger Gegenden, welche in einem Zuſtande verhältnißmäßiger Wildniß leben, wie die Beobachtung lehrt, obſchon durch keine Hürden eingeengt, heerden ſo dicht zuſammen, als die auf unſern Fluren, wovon ſo eben die Rede geweſen, und ziehen in regelmäßigen Reihen, eins hinter dem andern, und ſtets einen Leithammel, an der Spitze, von einer Bergebene zur andern. Die Pflicht des Leithammels iſt, ſeine Heerde vor nahender Gefahr zu warnen, ſowohl während des Marſches von einem Weideplatze zum andern, als auch während des Weidens. Dieſen Umſtand, welchen man häufig erwähnt findet, haben wir in Wales mehr als einmal zu beobachten Ge— legenheit gehabt. Als wir z. B. Snowdon erklimmten, wurde unſre Aufmerkſamkeit durch das tiefe und rauhe Gekrächz 32 (Krroup) eines in der Luft kreiſenden Raben in Anſpruch genom— men, der ohne Zweifel nach einem unglücklichen, durch Zu: fall oder Krankheit gelähmten, und am weitern Fortkommen gehinderten Schafe, worauf er ſich ſtürzen könnte, umherſpähete. Unmittelbar von einem Abſatz des Berges über uns wurde das Geſchrei des Raben durch den Alarm-Ruf des Anführers einer kleinen Schafheerde beantwortet, welche das ſpärliche Gras dieſer hohen Region abweidete; und auf das Warnungs⸗-Zei— chen drängten ſich die Thiere ſchnell dichter zuſammen, und be— trachteten, indem ſie einen „geſchloſſenen Phalanr“ bildeten, ihren Feind mit einer kühneren Haltung, als dies von Ge— ſchöpfen, die ihrer Furchtſamkeit halber zum Sprüchwort ge: worden ſind, zu vermuthen war. Der Rabe bemerkte auch bald, daß er wenig Ausſicht hatte, von einer ſo wachſamen und vorſichtigen Heerde ein Schlacht— opfer zu erlangen, und nahm ſeinen Flug nach den benachbarten Klippen, wo er hoffen mochte, auf das Aas eines ſolchen Thie— res zu ſtoßen, welches etwa ein von ſeiner Beute verſcheuchter Fuchs ungefreſſen gelaſſen, oder, ein Sturz von oben herab, wie dies bisweilen zu geſchehen pflegt, zerſchmettert hatte. Beim Abzuge ihres Feindes begannen die Schafe wieder zu weiden, jedoch anfangs ſehr vorſichtig und von Zeit zu Zeit ihre Köpfe emporhebend, um ſich zu überzeugen, ob er auch wirklich nicht mehr in der Nähe ſei, während ihr Führer, zur Verdoppelung der Sicherheit, ſeinen Poſten als Schildwache für das allgemeine Wohl wieder einnahm ). Wir ſind jetzt geneigt, zu ſchließen, daß man dieſe 948 Beiſpiele von den Schafen und vom Raben, in ſo weit als Nahrung im Spiele iſt, als allgemeine Bedingungen der ein: ſamen und geſelligen Lebensweiſe von Vögeln betrachten müſſe. Der Vogel, deſſen Nahrung ſich auf lebendige Beute be— ſchränkt, wird ſtets allein umherſchweifen, weil er in Geſell⸗ ſchaft mit Raubgefährten nur kärgliche Mahlzeiten zu gewär⸗ *) J. Rennie. — 990 tigen hätte; wogegen diejenigen, welche von Sämereien und andern leicht und in Ueberfluß zu erhaltenden Subſtanzen leben, zuſammenheerden, um mit größerer Sicherheit freſſen zu kön— nen, indem ſie, wie dies die Bergſchafe thun, eine Wache ausſtellen, welche ſie vor Gefahr warnt. Der Rabe kann in der That nicht als ein Vogel gelten, der hinſichtlich ſeiner Subſiſtenz ausſchließlich auf lebendige Beute angewieſen ſei. Er iſt von Natur nicht mit hinreichend furchtbaren Waffen zu dieſem Behuf ausgerüſtet; und faſt durch— gängig, wenn es an Aas mangelt, attafirt er Lämmer, frän: kelnde Schafe oder ſolche, die in einen Graben oder Moraſt ge— fallen ſind; dieſen ſetzt er ſich auf den Kopf und hackt ihnen die Augen aus. In gemäßigten Klimaten ſind Vögel, die nach Aas ge— hen, zur Reinhaltung der Luft von ſchädlichen Dünſten weniger nothwendig als in tropiſchen (ſehr heißen) Ländern, wo ſich Geier ſchaarenweiſe und aus Entfernungen verſammeln, die ſämmtliche Beobachter, welche dieſen Umſtand erzählen, in Erſtaunen geſetzt haben. Das Zuſammenheerden dieſer Vögel läßt ſich indeß leicht der Sorgſamkeit einer weiſen Vorſehung zuſchreiben, welche ſchädliche Leichname ſchnell entfernt wiſſen will; und offenbar aus dieſem Grunde ſind dergleichen Vögel mit jo außerordentlich ſcharfen, entweder Seh- oder Geruchs- Werkzeugen, oder wahrſcheinlich mit beiden zugleich begabt, um Aas in weiter Ferne entdecken zu können. Treffliche Beiſpiele zur Beſtätigung dieſer Anſicht liefern zwei Arten, welche häufig mit einander verwechſelt worden ſind, der braſiliſche Geier oder Truthahn-Buſſard (Catharista au- ra, Vieillot) und der ſchwarze Geier oder Urubu (Catharista Urubu, Vieillot), die beide für fo nützlich gehalten werden, daß die Tödtung derſelben mit harter Strafe belegt iſt. Der erſtere wird in der That, wie wir von Herrn Des eourtilz erfahren, zu Charleſton gewöhnlich Five pounds (Fünf⸗Pfund) genannt, zur Andeutung der Strafſumme. ) The Turkey Buzzard, er ſieht dem Truthahn ſehr ähnlich. 54 „Dieſe Vögel,“ fügt Descourtilz hinzu, „werden ſo geſchätzt wegen der trefflichen Dienſte, die ſie der Stadt und ihren Umgebungen durch Entfernung todter Thiere und andern Unflathes, ihrer ausſchließlichen Nahrung, leiſten. Selbſt ein todtes Hühnchen wird bald nach ſeinem Verſcheiden bis auf die Knochen aufgezehrt. Die Geier ſind den ganzen Tag über be— ſchäftigt, die Runde zu machen, um ein Aas oder Abgänge zu entdecken, und, in Legionen herabkommend, ſtreiten fie wechjel: ſeitig um die Beute, welche ſogleich verſchwindet. „Sie ſind dabei ſo zutraulich, daß man ſie leicht mit einem Stocke zu Boden ſchlagen kann. Ich hegte großes Verlangen, mir auf dieſem Wege ein Exemplar zu verſchaffen, allein ich mochte doch nicht gern 5 Louisdor Strafe bezahlen ).“ „Die große Anzahl dieſer Vögel,“ (C. Urubu), jagt Ulloa, „welche man in ſolchen heißen Klimaten findet, iſt eine treffliche Vorſichts-Maaßregel der Natur, indem andern Falls die durch die beſtändige und übermäßige Hitze bewirkte Fäulniß die Luft für den Menſchen unerträglich machen würde. Die Vögel find in Carthagena Jedermann bekannt und höchſt zutraulich; ſie bedecken die Dächer der Häuſer und ſie ſind es, welche die Stadt von allem thieriſchen Unflath reinigen. Nur wenige Thiere werden daſelbſt getödtet, wovon dieſe Vö— gel nicht die Abgänge erhielten; und gebricht es an dieſer Nah: rung, ſo nehmen ſie ihre Zuflucht zu anderem Unflath. . „Ihr Geruchs-Sinn iſt ſo ſcharf, daß ſie ein Aas in einer Entfernung von drei bis vier Legoas (ſpaniſche Meilen) wittern, welches ſie nicht eher verlaſſen, als bis nur noch das Scelett übrig iſt“ ).“ Folgende Rachrichten über denſelben Vogel verdanken wir Wilſon's trefflicher Feder. Sie ſind aus Hampſtead, unweit Charleston, vom 21 Februar 1809 datirt. „Ein Pferd war auf der Straße unter Convulſionen gefal⸗ ) Voyages d'un Naturaliste, I. 244. ) Voyage, Histoire de l’Amerique Meridionale I. 52. 4. Amst., 1752. n 12 [5 2 len, man ſchleppte den Leichnam nach Hampſtead und zog ihm die Haut ab. Der Boden auf hundert Yards im Umkreiſe war von Truthahn-Buſſard und ſchwarzer Geier oder Urubu. Aas-Krähen ſchwarz; viele ſaßen auf den Dächern von Scheu— nen, auf Zäunen, Pfahlwerk, den nächſten Häuſern, und etwa ſechszig oder achtzig auf der andern Seite eines kleinen Baches, 36 Ich zählte zu einer Zeit zweihundert ſieben und dreißig, allein gewiß waren deren noch mehr da, außer manchen, die in der Luft über meinem Kopfe ſchwebten oder ſich in der Ferne zeigten. Ich wagte mich behutſam bis auf dreißig Yards von dem Aaſe heran, wo drei oder vier Hunde und zwanzig oder dreißig Geier ämſig in Zerreißen und Verſchlingen begriffen waren. Sehend, daß ſie keine Notiz von mir nahmen, wagte ich mich noch näher, bis ich etwa nur noch zehn Yards von ihnen entfernt war, und ſetzte mich auf dem Ufer nieder. Immer noch zollten fie mir wenig Aufmerkſam⸗ keit. Die Hunde, welche bisweilen zufällig von ihren Mit: gäſten mit den Flügeln geſchlagen wurden, knurrten und ſchnappten nach den Vögeln, ſo daß dieſe für einen Augenblick aufflatterten, ſich aber ſogleich wieder nieder ließen. „Ich ſah die Geier häufig über einander herfallen, wobei ſie mit den Klauen oder Ferſen kämpften, ſich wie Hähne mit offenen Flügeln ſchlugen und ihre Krallen einander in die Köpfe bohrten. Weibchen ſowohl als Männchen machten mit offnem Munde ein Geziſch, ganz dem ähnlich, welches ſtatt findet, wenn ein rothglühendes Eiſen in Waſſer getaucht wird, häufig vernahm man auch ein Schnauben wie von einem Hunde, der feine Naſe reinigt, und ich glaube, daß fie eben- falls ihre Naſenlöcher reinigten. „Als ich ſah, daß ſie meiner nicht achteten, ſtahl ich mich bis auf etwa drei Schritte von den Pferde-Beinen heran und ſetzte mich wieder. Jetzt flatterten alle einige Fuß hoch auf, allein als ſie mich ruhig ſahen, kehrten ſie zurück, wie zu⸗ vor. Da ſie oft von den Hunden beläſtigt wurden, ſo beor⸗ derte ich letztere nach Hauſe; meine Stimme beunruhigte die Geier nicht im geringſten. „Sobald die Hunde fort waren, verſammelten ſich die Geier in ſolcher Menge, daß ich zu einer Zeit ſiebenunddreißig auf und neben dem Aas zählte, während einige darin ſtaken, ſo daß kaum ein Zoll davon zu ſehen war. Bisweilen kam einer mit einem großen Stück von den Eingeweiden heraus, dieſer wurde augenblicklich von mehreren andern umringt, welche 57 den zu Tage geförderten Leckerbiſſen zerfleiſchten, ſo daß er bald verſchwunden war. Gelegentlich ließen ſie auch ihr Ziſchen vernehmen. Einige, denen Beine und Köpfe ganz mit Blut bedeckt waren, boten einen höchſt wilden Anblick dar. So oft ſich die Hunde wieder näherten, wies ich ſie zurück, was den Geiern zu gefallen ſchien; von welchen dann und wann einer den andern bis auf zwei oder drei Fuß von der Stelle, wo ich ſaß, verfolgte. Bisweilen ſah ich ſie ihre Hälſe auf dem Erdboden hinſtrecken, als wollten ſie das verſchlungene Fleiſch hinabpreſſen ).“ Dies ſcheinen die nämlichen Vögel zu fein, welche Ae o ſt a unter dem Namen Poullazes beſchrieben hat, „ſie haben,“ erzählt er uns, „eine erſtaunliche Behendigkeit und ein durch— dringendes Auge und ſind zur Reinhaltung von Städten ſehr nützlich, indem ſie nicht die mindeſte Spur von Aas oder fau— lenden Subſtanzen übrig laſſen. Sie bringen die Nacht auf Bäumen und Felſen zu und begeben ſich des Morgens nach den Städten, wo fie ſich auf den Dächern der höchſten Gebäu— de niederlaſſen, um von da aus nach Beute zu ſpähen !).“ Wir wollen dieſen Mittheilungen nur noch die von Herrn Desmarchais hinzufügen, welcher ſeltſamer Weiſe behaup— tet, der im Syſtem mit dem Namen Catharista aura bezeich— nete Vogel ſei eine Art Truthahn, der, anſtatt von Körnern zu leben, ſich gewöhnt habe, Aas zu freſſen. „Dieſe Vögel,“ fügt er hinzu, „folgen den Jägern, vorzüglich ſolchen, die blos nach den Fellen trachten; dergleichen Leute laſſen die Leichname der getödeten Thiere liegen, die an Ort und Stelle verfaulen und die Luft mit ſchädlichen Dünſten erfül— len würden, wenn ſich nicht dieſe Vögel ins Mittel ſchlügen, welche kaum einen abgezogenen Leichnam bemerkt haben, als ſie auch einander zurufen und gleich Geiern darüber herfallen, in Zeit von einem Augenblicke das Fleiſch hinterſchlingen und die Kno— *) Amer, Ornith. IX. 107. ) Von Buffon citirt. 58 chen ſo rein und blos laſſen, als wären dieſe mit einem Meſſer abgeſchabt worden. „Die Spanier, welche ſich auf den großen Inſeln und dem feſten Lande niedergelaſſen haben, desgleichen die Portu— gieſen, welche jene Länder-Striche bewohnen, die ſich zum Handel mit Fellen eignen, haben dieſen Vögeln eine große Wohlthat zu verdanken, in ſofern dieſelben die todten Körper freſſen, und dadurch die Verpeſtung der Luft verhindern; daher auch derjenige, welcher einen ſolchen Vogel tödtet, Strafe zah— len muß. Beſagter Schutz hat dieſe ekelhafte Truthahn-Art, (kind of turkey) bedeutend vermehrt"). Zu bemerken iſt jedoch; daß in allen über dieſe Vögel mit⸗ getheilten Berichten nichts von einer Schildwache geſagt iſt, die ſie gleich den Bergſchafen oder gleich verſchiedenen andern Vogel-Arten, wovon ſogleich die Rede ſein ſoll, ausſtellten. Dies erklärt ſich indeß durch den augenblicklich einleuchtenden Grund, daß die Geier keine furchtbaren Feinde haben, und vom Menſchen ſeines eignen Beſten wegen geſchützt werden, wozu noch kommt, daß ſie gleich dem Maulwurf zu ekelhaft erſcheinen, als daß ihnen irgend ein Thier nachſtellen ſollte. Die Coloniſten haben in der That jedes Mittel verſucht, ihr Fleiſch dem Gaumen annehmbar zu machen; allein, ob fie ih- nen gleich den Leib aufgeſchnitten und die Eingeweide heraus— genommen haben, ſo behalten die Vögel doch, gleich nachdem ſie getödtet worden, einen unerträglichen Aas-Geruch, den nichts vertilgen kann“). Dies iſt indeß noch nicht Alles; fie haben auch eine eigenthümliche Weiſe ſich zu vertheidigen, wenn ſie etwa angegriffen werden. „Ein Mann im Staate Delaware,“ ſagt Mr. Ord, „der vor einigen Jahren mehrere Truthahn-Buſſards von ei: nem todten, in Fäulniß übergegangenen Pferde freſſen ſah, be— ſchloß, einen derſelben zu fangen, um ihn zur Unterhaltung für ſeine Kinder mit ſich nach Hauſe zu nehmen. Er näherte ſich ) Eitirt von Buffon. *) Amer. Ornith. IX. 98. 39 behutſam, that dann einen plötzlichen Satz auf die nichts ah: nende Gruppe, packte einen hübſchen feiſten Kerl mit den Ar— men und machte ſich mit ſeiner Beute triumphirend auf den Heimweg, aber ſiehe, der ergrimmte Geier entlud einen ſol— chen Strom von Unrath, den er heraufwürgte, in das Geſicht unſers Helden, daß dieſer auf immer von ſeiner Vorliebe für Truthahn-Buſſard's geheilt ward.“ Andere in Geſellſchaft lebende Vögel indeß ſtellen, wie man leicht beobachten kann, während ſie freſſen, ſtets eine Schildwache aus, welcher die Pflicht obliegt, bei Zeiten vor der drohenden Gefahr oder den Zeichen ihrer Aunäherung zu warnen. Wenn dem gemäß eine Heerde Spatze ſich in der Ecke eines Weizen-Feldes niederläßt und, wie Bloom field ſagt: „einer nach dem andern auf das wogende Korn herab— ſinken“).“ ſo kann man gewiß ſein, daß ſtets einer oder vielleicht mehrere einen erhabenen Poſten auf dem nächſten Zaune einnehmen und mit durchdringendem ſpähendem Auge auf jede Bewegung unter Menſchen oder Thieren achten, welche von dem Wachthurme aus geſehen werden können. So wie die Schildwache irgend etwas gewahrt, das ihr verdächtig erſcheint, ſo giebt ſie ihr wohlbekanntes Zeichen, worauf die ganze Heerde mit der größten Haſt und Beſtürzung von ihrem Banket wegeilen. Ihre Furcht iſt in den meiſten Fällen nur momentan, denn ſo wie ſie ſich überzeugt haben, daß keine unmittelbare Gefahr droht, kehren ſie ſchnell wieder zurück, um ihre Mahlzeit zu beendigen. Spatze, welche in kleinen und großen Städten hauſen, ver— fahren ziemlich auf die nämliche Weiſe, wiewohl ſie gezwungen ſind, ſich eine wo möglich größere Schnelligkeit und Vorſicht anzueignen, als ihre ländlichen Anverwandten auf den Bauer— höfen. Die Stadt-Sperlinge, welche inmitten der Metropolis (London) in Menge umherſtreichen, vereinigen ſich ſelten zu ) Farmer Boy. 40 ſehr zahlreichen Heerden und werden weit häufiger in fouragi- renden Parteien von zweien bis zu einem halben Dutzend ge— ſehen, auf offner Straße von dem lebend, was ſie zufällig auf dem Pflaſter finden, vorzüglich aber auch in der Nähe von Ställen ſich aufhaltend, um Hafer und aus dem Heu gefal⸗ lene Gras-Sämereien aufzupicken. Ich habe gelegentlich beobachtet, mit welcher Klugheit und Vorſicht dieſe Sperlinge verfahren, um nicht von Knaben oder Katzen überraſcht zu werden. Bemerken fie irgendwo verſtreu— ten Hafer, ſo fliegen ſie nicht gerade nach der Stelle hin, ſon— dern machen erſt verſchiedene Touren um dieſelbe, gleichſam als wollten ſie erſt den ſicherſten Annäherungs-Punkt ausmitteln. Liegt das einladende Futter unweit einer Mauer, ſo hängen ſie ſich, mit dem Rücken abwärts, an rauhe Vorſprünge des Mör— tels oder in eine zufällige Lücke zwiſchen den Backſteinen und ſehen ſich dabei mit der größten Vorſicht nach allen Seiten um, auf dieſe Weiſe klettern ſie nach und nach an der Mauer herab, bis fie nur noch einige Schritte von dem erwähnten Preis ent- fernt ſind, hierauf ſtürzen ſie ſich, einer oder zwei zu gleicher Zeit, darauf herab und fliegen mit einem Mundvoll davon auf das nächſte Dach, wo ſie ihre Beute gemächlich und in Sicherheit verzehren können. Allein worauf wir vorzüglich aufmerkſam machen, iſt, daß ſie, obgleich jeder einzelne Sperling einer ſolchen Partei die außerordentlichſte Vorſicht an den Tag legt, zur noch größeren Sicherheit auf einem benachbarten Dach- oder Fenſter-Vor⸗ ſprunge eine Schildwache ausſtellen, die nicht ermangelt, ihren unten fouragirenden Kameraden die Annäherung jedes Vor— übergehenden und insbeſondere jeder Katze, die ſie verſtohlener Weiſe beſchleichen will, anzuzeigen ). Nach allem, was wir haben wahrnehmen können, ſcheint nichts, was eine Auswahl oder beſondere Anſtellung ſolcher Schildwachen verriethe, ſtatt zu finden. Der wahre Umſtand dürfte vielmehr ſein, daß derjenige ) J. Rennie. 41 Vogel, welchen die Mahnungen des Hungers weniger antrei—⸗ ben, und welcher daher zuletzt herbeifliegt, zufolge einer in— ſtinktmäßigen Befürchtung, daß ſie insgeſammt an der betref— fenden Stelle einer Gefahr ausgeſetzt ſeien, ein Widerſtreben fühlt, ſeinen Gefährten beim Freſſen Geſellſchaft zu leiſten. Wir ſtellen dies indeß blos als eine annehmbare Muthma— ßung auf, welche ſich mehr auf den individuellen Fall von Sper— lingen als auf einige andere in Geſellſchaft lebende Vögel an— wenden läßt. Sperlings-Höfe oder Sperlings-Verſammlungen behufs einer gemeinſamen, eine ihrer Gemeinden betreffenden Angele— genheit kommen häufig vor, und in Wahrheit können ſie kaum irgend Jemand entgehen, der auf die Lebensweiſe und Gewohn— heiten von Thieren achtet. Die Vögel wählen in der Regel einen von ihrem gewöhn— lichen Aufenthalt etwas entfernten Ort aus, als z. B. inmitten eines Dickichts oder den Saum eines Waldes, wo man ſehen kann, wie ſie ſich dicht um ein Individuum aus ihrer Mitte herumdrängen und daſſelbe mit dem ganzen Wortreichthum ihres Vocabulariums ausſchelten. Ob ſie aber von wörtlichen Vorwürfen zu körperlichen Züchtigungen ſchreiten, haben wir nie ausmitteln können, denn ſie ſind bei dergleichen Gelegen— heiten ſo beſorgt, von keinem Lauſcher beobachtet zu werden, daß fie, ſollte ſich ein ſpähender Naturforſcher in ihren Be— zirk wagen, ſogleich in dem Prozeſſe einhalten und ihren Ge: richtshof abbrechen. Den eben mitgetheilten vollkommen ähnliche Schilderungen haben verſchiedene Autoren von Saatkrähen-Verſammlungen oder Krähen⸗Gerichtshöfen (erow-eourts) gegeben. Bei letztern findet indeß, wenn wir dem, was davon erzählt wird, trau— en dürfen, ein regelmäßiges Verhör des Delinquenten ſtatt, der, wird er ſtraffällig befunden, eine ſtrenge Züchtigung von der ganzen Gerichts-Verſammlung erhält und bisweilen gerade zu getödtet wird ). ) Landt, Description of the Feroe Isles. 42 Nach Plinius dem Aeltern kommt etwas Aehnliches unter Störchen vor. „Auf den offnen Ebnen bei Pithonasco— me in Aſien,“ ſagt dieſer Schriftſteller, „iſt ein Ort, wo ſie, wie erzählt wird, zuſammenkommen und mit einander zanken und hadern; zuletzt aber ſehen ſie ſich nach demjenigen unter ihnen um, welcher hinterher zögerte und ſpäter kam, — dieſen zerreißen fie in Stücke und ziehen dann wieder ab **). Es iſt unſers Bedünkens nicht unwahrſcheinlich, daß zu dieſer Legende, (denn mehr als eine Legende dürfte es wohl nicht fein), von Krähen-Gerichtshöfen die Streitigkeiten Veranlaſſung gegeben haben, welche unter den Krähen ſtattfinden, wenn ſie ihre Neſter bauen. „In ſolchen Fällen,“ wie Goldſmith als Augenzeuge berichtet, „bleiben Diebereien nie unbeſtraft; und wahrſcheinlich nach geſchehener Anklage erleiden die des Diebſtahls überwieſenen eine allgemeine Züchtigung. Ich habe bei ſolchen Gelegenheiten acht bis zehn Saatkrähen nach dem Neſte des jungen (diebiſchen) Pärchens fliegen, ſich dar: auf niederlaſſen, und den ganzen Bau augenblicklich in Stücken zerreißen ſehen. So ſieht ſich das junge Pärchen genöthigt, ſei— ne Arbeiten regelmäßiger und ehrlicher zu betreiben; während der eine Vogel nach Materialien ausfliegt, ſitzt der andere auf dem Baume und bewacht das begonnene Werk; und auf dieſe Weiſe kommt unter gelegentlichen Zänkereien in drei oder vier Tagen ein bequemes Neſt zu Stande, welches äußerlich aus Stöcken und Reißern beſteht und inwendig mit Wurzelzaſern und langen Grashalmen ausgekleidet iſt. Von dem Augen: blick an, wo das Weibchen zu legen beginnt, hören alle Feind⸗ ſeligkeiten auf, keine einzige Krähe im ganzen Wäldchen wagt es jetzt, den brütenden Vogel, der früher ſo roh behandelt wur⸗ de, nur im Geringſten zu beläſtigen, ſo daß er ſeine Eier in aller Gemächlichkeit legen und ausbrüten kann. So groß iſt die Strenge, mit welcher ſelbſt Krähen der nämlichen Kolonie von einander behandelt werden; wollte ſich es aber eine fremde Krähe gelüſten laſſen, ſich unter ihnen anzuſiedeln, ſo würde ſie keine ) Plin, Hist. Nat. X. 23. 45 günſtige Aufnahme finden Die ganze Kolonie würde zugleich über ſie herfallen und ſie ohne Gnade und Barmherzigkeit ver: treiben ).“ Saatkrähen, wofern wir aus unſrer eignen Beobachtung ſchließen dürfen, gehen, wenn ſie nach der Brütezeit in Abthei— lungen zuſammenheerdend freſſen, was die Ausſtellung von Schildwachen anlangt, ſogar noch ſorgfältiger zu Werke als Sperlinge; denn während fie für ihre junge Familie ſorgen, ver: proviantiren ſie ſich im allgemeinen noch beſonders. Dieſe Krä— hen-Poſten ſind ſo wachſam, daß es keineswegs leicht iſt, ſich einer fouragirenden Partei auf Schußweite zu nähern, weswe— gen auch der gemeine Mann glaubt, die Saatkrähe könne Schießpulver riechen. Wir haben indeß oft erfahren, daß es eben ſo ſchwer iſt, ſich ihnen ohne Alarmirung der Schildwachen zu nähern, wenn man blos einen Regenſchirm hat und nicht mit einer Vogelflinte bewaffnet iſt; daß ſie indeß einige Kenntniß vom Feuergewehr haben, ſcheint daraus hervorzugehen, daß ſie in Unruhe gerathen, wenn man mit einem bloſen Spazier— ſtock und ohne alles Geräuſch auf ſie zielt, — eine Kenntniß, die ſie wahrſcheinlich durch wiederholte Erfahrung erlangt ha— ben, als, nachdem die Jungen hinlänglich reif waren, um zu Paſteten verwendet zu werden, auf ihre Niſtbäume gefeuert wurde. Es wird in einigen Berichten über neu entdeckte Länder be— hauptet, daß die Vögel anfangs bei Crblickung einer Vogel— flinte nicht in Furcht gerathen wären, wohl aber ſpäter, nach— dem ſie mit ihren Leiſtungen etwas vertrauter geworden. Wir halten es gleichfalls nicht für unwahrſcheinlich, daß die Krähen einen Theil jener vorzüglichen Wachſamkeit, die ſie an den Tag legen, bei der Erbauung ihrer Neſter erwer— ben, wenn der eine Vogel eines Pärchens gewöhnlich das Neſt ) Animated Nature, III. 340. Angeführt in der Baukunſt der Vögel von J. Rennie. Leipzig in Baumgärtners Buchhandl. 1833. 44 bewacht, während der andere Ausflüge macht, um Bau-Ma⸗ terialien herbeizuſchaffen ). Für die Beharrlichkeit, womit, wie Einige behaupten, Saat: krähen für die Zuſammenhaltung der zu ihrer Geſellſchaft gehöri— gen Mitglieder ſorgen, ſo daß, wenn ein Pärchen auf einen abgeſondert ſtehenden Baum baue, das Neſt ſogleich von der Gemeinde geplündert und zerſtört werde **) liefern unſre Be- obachtungen keinen Beleg. Im Gegentheil wüßten wir nicht, daß uns irgend eine Saatkrähen-Anſiedelung vorgekommen, wo wir nicht ein oder mehrere Neſter auf abgeſonderten, vereinzelten Bäumen, ja bisweilen ſogar in einer kleinen Entfernung von der Haupt⸗Niederlaſſung geſehen hätten. Die Saatkrähen-Ko⸗ lonie zu Lee in Kent, bot im Sommer 1831 zwei ſolche Neſter auf einem einzeln ſtehenden Baume dar, welche, wie wir den Leſer verſichern können, das ganze Jahr hindurch unangetaſtet blieben ). Das Wache -Ausſtellen in Geſellſchaft lebender Vögel iſt bereits von den Alten beobachtet worden, und wir finden in ihren auf uns gekommenen Werken Sagen davon, welche nicht weniger übertrieben lauten, als die neuern Fabeln von den Krähen-Gerichtshöfen. Der Kranich, der berühmteſte Vogel bei den Alten, wurde in dieſer Hinſicht von Ariſtoteles an die Spitze der geſelligen Vögel geſtellt T); und Feſtus, der Grammatiker, iſt der Meinung, daß das Wort congruus und ähnliche abge: leitete Ausdrücke von Grues (Grus), dem lateiniſchen Namen des Kranichs abſtamme ++), „Die Kraniche,“ ſagt Ariſtoteles, wie wir die Stelle ) J. Rennie. *) Bingley, Anim, Biog. II. 240. *) J. Rennie. +) Hist. Anim. VIII. 12. Tr) „Congruere, “ ſagt Feſtus, „quasi ut grues conve- nire.“ (Gleichſam wie Kraniche zuſammen kommen.) De significatione Verborum, ex Verio Flacco, er 45 überſetzen, haben einen Führer ſo wie auch Schildwachen, de— nen ſie ihren Platz hinter der Nachhut anweiſen, ſo daß ſie ih— ren Alarm-Ruf vernehmen können s).“ Der Kranich. Plinius enthält eine noch umſtändlichere Schilderung ihres Verfahrens. Indem er von ihrer Wanderung ſpricht, ſagt er: „Sie treten keine Wanderung an, brechen während derſel— ben von keiner Stelle auf, ohne vorher eine Verſammlung zu— ſammengerufen zu haben und ohne allgemeine Uebereinſtim— mung. Sie fliegen ſehr hoch, weil ſie dergeſtalt weiter vor ſich hinblicken konnen, und zu dieſem Behuf wählen ſie einen Füh— *) Hist. Anim, IX, 10. 46 rer, dem ſie folgen. Die letzten im Haufen müſſen nach der Reihe den übrigen zurufen und den Zug durch ihr Geſchrei zuſammenhalten. Des Nachts ſtellen ſie Wachen aus, welche einen kleinen Stein in den Füßen halten. Schlafen ſie ein, ſo verräth er durch feinen Fall ihre Nachläſſigkeit. Die an- dern legen im Schlafe den Kopf unter die Flügel und wech- ſeln im Stehen mit den Füßen. Der Führer ſtreckt den Hals lang aus, ſieht ſich um und giebt Nachricht. Wenn man ſie zahm macht, ſind ſie ſehr drollig, und jeder läuft für ſich wild im Kreiſe herum. Wenn ſie über den Pontus wollen, ſuchen ſie, was gewiß iſt, erſt die Meerenge zwiſchen den Vorgebirgen Crieumetopon und Carambis und beſchweren ſich mit Ballaſt. Wenn ſie bis zur Hälfte herüber ſind, laſſen fie die Steinchen fallen, die fie in den Füßen halten u. ſ. w.). Der alte Grammatiker Johann Tzetzes hat dieſe Er— zählung in griechiſche Verſe gebracht, und der Geſchichtſchrei— ber Ammianus Mareellinus erzählt uns, daß Ale: rander der Große, wenn er ein wenig ausruhte, um ſich— rer wach zu bleiben, in Nachahmung dieſes klugen Verfah— rens, eine ſilberne, über einem kupfernen Becken aufgehängte Kugel in der Hand zu halten pflegte, die, wenn er einſchlief, herabfiel und ihn erweckte“). Der gemeine Brachvogel “) (Charadrius pluvialis, Tem- minck) iſt ebenfalls ein Vogel, von dem gerühmt wird, daß er Schildwachen ausſtelle. Longolius ſagt: „dieſe Vögel ſind ſo an Geſelligkeit gewöhnt, daß man nie einen einzelnen ſieht r).“ Belon giebt einen umſtändlichen Bericht von ihrem Ver— fahren, welchen wir überſetzen wollen. „Die Brachvögel,““ ſagt er, „rufen bei Tages-Anbruch einander zu, wie ein Menſch pfeifend und auf das Wort hine antwortend. Die FD *) Apud Alirovandi Ornich. III. 137. **) The golden plover. +) Apud Aldrovandi, III. 206. 47 Bauern, welche dies vernehmen, ſind gewiß, den nächſten Tag ein Volk (Heerde) zu entdecken; denn der Brachvogel bleibt am Tage in Geſellſchaft, entfernt ſich aber mit Ein— bruch der Nacht von der Heerde, und am andern Morgen ſind ſeine Gefährten innerhalb einer viertel- oder halben Meile von einander zerſtreut. In der Heerde befindet ſich einer, den die übrigen als Herrn oder König anerkennen, ſeine Stimme iſt lauter als die der übrigen und wohl bekannt, und für alle das Zeichen zur Verſammlung. Die Bauern nennen ihn den Rufer (ealler) und wollen ihn an feinen länger gehaltenen Tönen von den andern unterſcheiden können. Bei ſeinem Er— wachen läßt er ein Geſchrei vernehmen, welches wie bien huit klingt. Die Bauern an der Grenze, die in Rotten gehen, verſammeln ſich des Abends da, wo ſie den Brachvochel ha— ben ſchreien hören, und wo ſie ihn, wenn der Tag graut, zu finden hoffen; noch in der Dämmerung brechen ſie auf, eini— ge hier, andere dort, zerſtreuen ſich über die Korn-Felder und warten bis Tages-Anbruch; ſo wie ſie hierauf das Pfei— fen des Königs hören, welches wohl eine Meile (franzoſiſche) weit vernommen wird, und ſeine Gefährten zuſammenruft, gehen ſie gerade auf ihn los, überzeugt, daß ſie die ganze Heerde an derſelben Stelle finden werden. Der Brachvogel erhebt ſich nicht ſo früh von ſeinem Lager, als die Lerche, das Rebhuhn oder der Kibitz; jedoch erwacht er vor Tages— Anbruch. Sobald die zur Heerde gehörigen Brachvögel die Stimme ihres Rufers vernommen haben,, eilen ſie ſogleich auf ihn zu. Wenn ſich zufälliger Weiſe zwei Heerden auf derſelben Ebene befinden und mit einander vermengt ſind, ſo unterſcheiden die Brachvögel die Stimme ihres Führers und fliegen zu ihm hin. „Nachdem es Tag geworden, verſammeln ſich die Bau— ern, berichten einander, was ſie gehört und überlegen, was nun zu thun ſei. Hierauf marſchirt die Compagnie ab, in Schlachtordnung und denselben Weg verfolgend. Sobald fie ſich aber der Stelle nähern, wo die Brachvögel campiren, breiten ſie ſich in einen Begen oder Halbmond aus und 48 ſpähen im Weitervorrücken aufmerkſam vor ſich hin, um ſich mit jedem Umſtand, der die um ihren Rufer verſammelte Heerde betrifft, vertraut zu machen. „Jeder Bauer iſt mit einem langen Stocke bewaffnet und einer oder zwei tragen das Netz (harnois) zum Einfangen der Brachvögel, die ſie auf der flachen Ebene beobachtet haben. Die Bauern, wohl wiſſend, daß Brachvögel außerordentlich furchtſam find, ſpannen das Netz ihnen fo nahe als möglich aus. Während einer derſelben damit beſchäftigt iſt, verthei— len ſich die andern hinter ihm auf allen Seiten, und kriechen auf dem Bauche fo nahe als möglich an die Vogel heran; und wenn ſie ſehen, daß das Netz gelegt, und jener bereit iſt, daſſelbe zu ziehen, ſtehen fie plotzlich vom Boden auf, erheben ein Geſchrei und werfen ihre Stöcke in die Höhe, um die Brachvögel aufzuſcheuchen. Sieht nun der, welcher das Netz hält, die Vögel ſich nähern, ſo läßt er ſein Seil fah— ren und ſchließt ſie unter dem Netze ein. „Die Bauern werfen ihre Stöcke in die Luft, um die Brachvögel zu erſchrecken und zu bewirken, daß fie hart an der Erde hinfliegen, weil ſie dieſelben dergeſtalt in ihren Ne— gen fangen konnen; denn die Brachvögel find außerordentlich ſchnell. Allein wenn das Volk hoch fliegt, fangen die Bauern keinen einzigen ).“ Einige Schriftſteller über Ornithologie erzählen auch, daß die Wachteln einen König haben, der ihre Wanderungen leite; ja ſie behaupten ſogar, dieſe Vögel ſeien klug genug, um nicht einen aus ihrer Mitte zum Monarchen zu wählen, ſon— dern es werde hierzu von denſelben eine Landralle (Crex pra- tensis, Ortygometra Crex)**) erkohren; denn wenn fie an den beſtimmten Orte ankommen, ſo fällt der erſte des Zuges gewöhnlich einem Raubvogel zum Opfer, der auf ihre Ankunft lauert; die Wachteln nun, dieſes vorherſehend, ſorgen dafür, daß das Loos nicht eine von ihnen treffe, und wählen daher *) Belon, Oyseaux, p. 261, fol. Paris, 1555. *) Daher auch der Name Wachtelkönig. 49 einen Vogel, der einer andern Art angehört, zu dieſem Be: huf. Solche Mährchen, welche Vögeln unglaubliche Schlau— heit und Planmäßigkeit zuſchreiben, berechtigen uns, wie Buffon richtig bemerkt, gar ſehr, zu zweifeln, ob ihre Ur— heber ſelbſt einen großen Antheil von dieſen Eigenſchaften beſitzen “). Da indeß die Landralle zu derſelben Zeit mit den Wach— teln wandert, ſo ſchweift obige Erzählung nicht ganz in dem— ſelben Grade von der Wahrheit ab, als die Behauptung des Ariſtoteles, daß eine Eule (ros) “) die Wachteln als Kö— nig führe. Vaillant bemerkt, daß die Idee von dergleichen Vo— gel⸗Königen von der zufälligen Beobachtung einer fremden Species unter einer Heerde in Geſellſchaft lebender Vögel herrühre. So wird der Kap-Kardinal (Fringilla serena, II- liger) ) auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung der Kö— nig der bengaliſchen Sperlinge Passer Bengalensis, Brisson) und der Wachsſchnabel-Finken (Fringilla undulata, Pallas) ge⸗ nannt. Vaillant beobachtete einſt einige gemeine Kreuz— ſchnäbel (Loxia curvirostra) im Königlichen Garten zu Paris unter andere in Geſellſchaft lebende Vögel gemiſcht. Als eine ungewöhnliche Erſcheinung konnten dieſe Kreuzſchnäbel leicht die Aufmerkſamkeit des großen Haufens auf ſich ziehen, und die Meinung veranlaſſen, ſie ſeien Königs-Vögel. Der— ſelbe Forſcher ſah einſt einen Krammetsvogel (Turdus pilaris), der ſich von ſeinen Gefährten verirrt und, weil er ſich Staa— ren zugeſellt hatte, von den Bauern zu Sezaune in La Brie der König der Staare genannt wurde +). Auf dieſe Weiſe ſucht Vaillant den Urſprung des Namens Paradies-Königs— Vogel (Paradisea regia) zu erklären, eines Vogels, von wel— chem auf den Arrou-Inſeln im öftlichen Archipelagus, wo der— ) Oisseaux, Art. la Caille. *) Hist. Anim. VIII. 12. %) The Dominican widow bird. +) Oisseaux de Paradis, Art, Manucode. — 50 ſelbe einheimiſch ift, jo manche Sage herrſcht. Es wird 3. B. behauptet, daß die beiden Hauptarten der Para⸗ dies⸗Vögel (Paradisea Apoda und Paradisea magnifica) ) eine jede ihren Führer habe, deſſen königliche Mandate von einer zahlreichen Unterthanen-Menge mit unterwürfigem Gehorſam befolgt würden; und daß feine Majeſtät ſtets über der Heer: AA, Paradies⸗Königsvogel. de herfliege, um ſeine Befehle, die Beſichtigung und Prüfung der Waſſerquellenbetreffend, zu ertheilen, damit ſein Volk mit Sicher— heit trinken könne“); — denn die Indianer ſollen, um die *) Valentyn, Beschr., Van Oude, III. ed. 1724. 31 Vögel heerdenweife zu fangen, das Waſſer, wo dieſe zu trinken pflegen, vergiften. Vaillant's Erklärung ſtimmt mit dem Sonnerat’- ſchen Bericht von den Gewohnheiten des Paradies-Königsvo— gels überein; denn da derſelbe ein einſam lebender Vogel iſt der in Aufſuchung von Beeren, feiner Nahrung ), von Buſch zu Buſch fliegt, ſo mag er gelegentlich in der Nähe der Heerden von geſellſchaftlichen Vögeln geſehen werden, wo er wegen feines ausgezeichneten Geſieders“ ) auffallen muß. Dieſelbe Bemerkung läßt ſich eben ſo ungezwungen auf den König der Geier (Sarcoramphus papa, Dumeril) an- wenden, eine Vogel-Art, die ſelten in Heerden verſammelt geſehen wird; und wovon dann und wann einer oder zwei ſich unter die Truthahn⸗Buſſarde (Catharista aura, Vieillot) miſchen und natürlicher Weiſe wegen ihrer auffallenderen Ge- ſtalt und Farben beſonders in die Augen ſtechen. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß ähnliche Gewohnheiten des Löwen und des Adlers, welche beide einſam lebende Thiere ſind, in Verbindung mit ihrer Größe und Stärke, ihnen die weltbekannten Titel: König der Thiere und König der Vögel verſchafft haben. „Der Adler,“ ſagt Jonſton, „macht Anſprüche auf den erſten Platz, nicht weil er das beſte Gericht auf dem Tiſche abgiebt, denn niemand mag ihn eſſen, ſondern weil er der König der Vögel iſt“ ).“ Die alten Griechen bedienten ſich des nämlichen Aus— drucks; ſo ſpricht z. B. Pindar von dem großen Adler, als dem Oberhaupt (oberſtem Magiſtrat) der Vögel T).“ Joſephus, der jüdiſche Geſchichtsſchreiber, ſagt eben— ) Voyage à la Nouv. Guinee, p. 156. ) Audebert, Hist. Nat. Ois. de Paradis, p- 22. ) Miracles of Nature, Enelished by a Person of Qua- lity, p. 167. fol, Lond. 1657. +) Ode VI. Isihmior, 3 * uwe NS ne nos U 32 falls, der Adler ſei als Abzeichen für die Legionen gewählt worden, weil er, „der König aller Vögel und der ſtärkſte König der Geier. von allen iſt, daher man ihn zum Symbol der Herrſchaft und als Omen (Wahrzeichen) des Sieges gewählt hat“); und dieſer Schluß wird ganz beſonders von Aldrovand einge— ihärft, der uns erzählt „daß der Adler Drachen (große Schlangen) zum Kampfe heraus fordere und mit ihnen fech- te; Stiere angreife und fie tödte“ — und dann noch als Anti— elimar ) hinzufügt, daß er Kaninchen überfalle, Füchſe zerreiße und Schlangen freſſe ). *) Josephus, de Bello Indico, III. 5. *) entgegengeſetzte Stufenfolge, (von unten herauf). *) Ornithologia, V. 10. 35 „Cajus Marius“ ſagt Plinius, „ertheilte wäh: rend ſeines zweiten Conſulats den Befehl, daß die römiſchen Legionen blos den Adler zu ihrem Abzeichen und keine andere Fahne haben ſollten; denn früher marſchirte der Adler zwar ſtets voraus aber in einer Reihe mit vier andern Abzeichen, nämlich Wölfen, Minotauren, Roſſen und Ebern, die ein jedes vor der dazugehörigen Truppenabtheilung hergetragen wurden. Wenige Jahre darauf begann der Adler allein auf dem Schlachtfelde zu herrſchen und die übrigen Abzeichen wurden im Lager zurückgelaſſen; allein Marius verwarf ſie ſämmtlich, und ſeitdem hat man ſelten ein ſtehendes Lager oder ein Winter⸗Quartier ohne ein paar Adler geſehen ).“ Joſephus und Plinius irrten indeß beide darin, wenn ſie glaubten, daß blos den Römern der Adler als mi— litäriſches Abzeichen diente; denn der goldne Adler mit aus— gebreiteten Flügeln wurde von den perſiſchen Monarchen ge— führt“) und es iſt wahrſcheinlich, daß die Römer denſelben von den Perſern angenommen haben, ſo wie ihn ſpäter Na— poleon und die Vereinigten Staaten von den Römern an— nahmen; während die Perſer ſelbſt dieſes Symbol von den Aſſyrern entlehnt haben mögen, unter deren Panieren er bis Babylons Eroberung durch Cyrus wehete. Dies mag zur Erklärung dienen, warum von dem Ad— ler mit ausgebreiteten Flügeln in den Büchern der Propheten fo oft Erwähnung geſchieht “). Hoſea ſagt, „Rufe laut wie eine Poſaune, (und ſprich) er kommt ſchon über das Haus des Herrn, wie ein Adler ); und Heſekiel beſchreibt den Nebuchadnezar als einen großen Adler. „Ein großer Adler mit großen Flügeln und langen Fittigen und voll Federn, die bunt waren kam auf Libanon und nahm den Wipfel von den Cedern u. ſ. w., und den König von Aegypten als ) Plinius Hist. Nat. X. 4. ) Xenaphon, Cyropaedia, VII. %) Paxton, Illustr. of Script. II. 13. +) Hosea, VIII. 1. 34 einen andern großen Adler mit großen Flügeln und voll Fe: dern: „und da war ein andrer großer Adler mit großen Flü⸗ geln und vielen Federn; und ſiehe der Weinſtock hatte Ver— langen an ſeinen Wurzeln zu dieſem Adler und ſtreckte ſeine Reben aus gegen ihn, daß er gewäſſert würde)“. Ohne Zweifel in derſelben Abſicht und Bedeutung wurde in der grichiſchen und römiſchen Mythologie der Adler als der Vogel des Zeus oder Jupiter aufgeſtellt, ein Begriff, den Lucian mit feinem gewohnten Spott ohne Gnade und Barmherzigkeit lächerlich macht, indem er den Momus zum Jupiter ſagen läßt, er möge froh ſein, daß er (der Adler) ſich nicht einfallen laſſe, ihm auf den Kopf zu niften**), In ſo fern von Größe und Anſehen oder auch von Flug⸗ kraft die Nede iſt, wuß der Adler (Aquila chrysaetos, Klein) dem Condor von Amerika (Sareoramphus gryphus, Dume- ril) die Palme überlaſſen, auch hat letzterer Vogel das Ebeu— bild einer Königs-Krone auf dem Kopfe, indeß genießt der Con— dor doch nicht die Ehre, den Adlern zugezählt zu werden, da er offenbar ſowohl in Hinſicht auf Bau als auf Lebens— Weiſe nichts als ein Geier iſt. Wir können recht gut begreifen, warum der kleinſte un⸗ ter den brittiſchen Vögeln, das Goldhähnchen (Regulus crista. tus, Ray) in den meiften Ländern als ein königlicher Vogel angeſehen worden iſt; denn dieſes niedliche Thierchen hat eine ſchöne Krone von glänzend gelber Farbe auf dem Kopfe, wie ſchon Ariſtoteles richtig bemerkt“ *). Wie aber der ge: meine Zaunkönig (Anorthura communis) ein Königs-Vogel genannt worden, können wir nicht leicht einſehen, es müßte denn aus Ironie oder als Antiphraſe geſchehen ſein, ſo wie uns Herbert erzählt, daß derſelbe Vogel in einigen Provin⸗ zen von Frankreich der Ochs (boeuf) genannt werde. Unver⸗ mögend letzteren Umſtand zu erklären, behaupten Ges ner, *) Hesekil, XVII. 3 — 7 und La Roque, Voyage. * Oswv euulnoıe, v. ) Hist. Anim. VIII. 3. 35 Willughby and andere, Naturforſcher, daß Belon, Briſ— ſon und Oliva die beiden Arten mit einander verwechſelt Condor, welcher ein Puma angreift. hätten. Uns erſcheint indeß dieſe Beſchuldigung grundlos, denn Ariſtoteles unterſcheidet die beiden Vögel ſehr deut— lich und doch ſagt er, der mit dem goldnen Federbuſch auf dem Kopfe wird König (rvoavvos), und der gemeine (Tpozı- Jos) wird ebenfalls ein Oberhaupt und König (Tesopvs au Baoıksvs) genannt, „weshalb der Adler,“ fügt er hinzu, „mit demſelben kämpfen ſoll“).“ Unabhängig von dieſer Autorität, beweiſen die volks— thümlichen Namen, die dem gemeinen Zaunkönig in den mei— ſten Sprachen von den Bauern, die nichts von den Streitig⸗ ) Hist. Anim. IX. 2. 36 keiten der Naturforſcher wiſſen, ertheilt werden, daß der frag: liche Ausdruck einen von irgend einer Verwechſelung der Arten unabhängigen Grund haben müſſe. Die Italiener z. B. nennen ihn den kleinen König (re- attino), den Zaunkönig (re disiepe), den König der Vögel (re degli uccelli); die Spanier, das Königlein (reyezuelo); die Portugieſen, den Königs-Vogel, (ave rei); die Franzſen, den kleinen König (roitelet) oder den Beeren-König (roi berry) oder den Froſt-König (roi de froidure); und die Deut— ſchen den Schnee-König und Thurn-König.. Zu gleicher Zeit bemerken wir, daß der Zaunkönig mit dem goldnen Federbuſch ähnliche Titel erhalten hat, ſo heißt er z. B. im Italieniſchen der kleine Papſt (papazzino); in Deutſchland Königchen (Kinglet); und in Schweden Königs-Vogel (Rongs-vogel). Wir erklären uns für unfähig, den Grund dieſer allgemeinen Verbreitung des nämlichen Begriffs ausfindig zu machen, allein es liegt vollkommen am Tage, daß dieſelbe nicht von jener vermeintlichen Verwechſelung herrührt. Vielleicht dürfte die beſondere Vorliebe der Moorſchnepfe oder Haarſchnepfe (Scolopax gallinula) für eine einſame Le— bensweiſe Urſache ſein, daß junge Jäger oft in Verſuchung gerathen, ſie für das Männchen der Heerſchnepfe oder Be— caſſine (Scolopax gallinago) zu halten, wiewohl fie ſich in Größe und ſelbſt in Gefieder ſo ſehr von dieſer unterſcheidet. „Die Moor-Schnepfe“ ſagt Mr. Knapp „iſt ein einſam lebender, ungeſelliger Vogel, ein Einſiedler aus freier Wahl. „Mit Ausnahme unſrer Raubvögel, deren Lebensweiſe es erfordert, und einiger wenigen anderen ſcheinen alle gefiederte Familien einen allgemeinen Hang zu haben, entweder in Heerden oder in Familien oder in Paaren zuſammen zu Ile: ben; dagegen bringen die Individuen jener Species einen großen Theil ihres Lebens in Zurückgezogenheit und allein zu zwei derſelben findet man, ausgenommen in der Brütezei, ſelten oder vielleicht niemals beiſammen. 37 „Man vermuthet, daß ſie in den tiefen und ſumpfigen Strichen oder mit Schilf und Binſen bedeckten Diſtrikten der an Moorboden reichen Grafſchaften, welche Verborgenheit vor > Th te se Sant er 5 >: 3 Die Moor- oder Haar-Schnepfe. jedem Späherblick, Schutz und Sicherheit gegen jeden ge— wöhnlichen Unfall gewähren, paaren und ihre Jungen auf— bringen. Durch die Winterfröſte aus dieſen wäſſerigen Strichen, ihrem Sommer : Aufenthalt, vertrieben, trennen fie ſich, und ſuchen in friedlicheren Gegenden nach Futter, wobei ſie einer kleinen einſamen offnen Quelle, die vom Abhange eines Hügels herabrieſelt und mit Gras und Laubwerk um— wachſen iſt, oder dem ſeichten Binſen-Bächelchen in einem einſamen Thale den Vorzug geben. „Haben ſie ſich einen ſolchen Platz zu ihrem Wohnort auserkohren, ſo verlaſſen ſie ihn ſelten auf lange Zeit, und eben ſo wenig vertauſchen ſie ihn mit einem andern, ja wenn ſie auch davon aufgeſcheucht und am Tage daſelbſt wiederho— lentlich mit Flintenſchüſſen begrüßt werden, ſo ſcheinen ſie doch keine Ahnung von Gefahr zu beunruhigen; und ſucht man am andern Morgen nach der kleinen Haarſchnepfe (judeock), 38 ſo findet man ſie wieder bei ihrer Quelle. Die Gleichmuth, womit fie dergleichen Verfolgungen erträgt, iſt bewunderungs⸗ würdig. Sie dient dem jungen Jäger die ganzen Weihnachts— Ferien hindurch zur Unterhaltung und Plage, und entgeht, Dank der Kleinheit ihres Körpers, zuletzt allen ihr am Tage drohenden Gefahren. „Die Urſachen, welche dieſe Schnepfen beſtimmen, ein ſo einfaches Leben zu führen, ſind beſonders dunkel, eben ſo wie diejenigen, wodurch einige andre Vögel zur Zuſammen— geſellung veranlaßt werden, da wir nicht wüßten, daß ihnen ein beſonderer Nutzen daraus erwüchſe. „Wildes Geflügel, die Saatkrähe und einige andere Vö— gel gewinnen vielleicht durch ihr Zuſammenheerden an Eicher: heit, da fie während ihrer Mahlzeiten eine Schildwache aus: zuſtellen ſcheinen, die ſie von nahender Gefahr unterrichten muß. Allein unſre in Geſellſchaft lebenden kleineren Vögel brauchen keine ſolche Vorſicht; Sicherheit und gegenſeitiger Schutz ſcheint nicht das Ziel ihrer Vereinigung zu ſein, da im Gegentheil die Größe der Heerde Gefahr herbei ziehen muß, und Wärme im Winter dadurch nicht bezweckt wird. Behufs der Wanderungen erſcheint dieſes Zuſammengeſell— ſchaften in mancher Hinſicht zweckdienlich und nothwendig; aber bei unſern bleibenden Vögeln, rückſichtlich ſeiner ver— ſchiednen Reſultate betrachtet, iſt es mehr ein Gegenſtand der Vermuthung als der Erklärung. „Furchtſame Geſchöpfe geſellen ſich in der Regel zuſam— men, und zwar hauptſächlich aus Furcht vor Gefahr, werden aber, ohne einander wechſelſeitigen Beiſtand zu leiſten, gera— de durch dieſe Vereinigung Unfällen mehr ausgeſetzt; und jene Schnepfe, obwohl ihre Gewohnheiten gerade das Gegentheil von Verbindung mit ihres Gleichen ſind, giebt uns dennoch keinen Leitfaden zur Ausmittelung der Urſachen ihrer unge: wöhnlichen Lebensweiſe. „Dieſes Zuſammenleben einiger, und dieſe Zurückgezo— genheit und Einſamkeit andrer Vögel find nicht etwa die Wir: kungen einer ſchnell vorübergehenden Laune bei einigen weni: 39 gen Individuen, fondern fie werden fo regelmäßig und jähr: lich bei den verſchiednen Arten beobachtet, daß man fie Durch: aus für eine nothwendige und beſtimmte Einrichtung der Na: tur anſehen muß, obgleich ihr Zweck unbekannt iſt“).“ Aehnliche Bemerkungen laſſen ſich auf den Sandpfeifer (Totanus hypoleucos, Temminck) anwenden, der fo ſehr zur Einſamkeit geneigt iſt, daß wir ſelbſt während der Brütezeit ſelten zwei ſolche Vögel beiſammen geſehen haben, wiewohl einzelne In— dividuen ſehr häufig längs den ſandigen Ufern von Seen und Flüſſen umhertrippeln, nach Waſſer-Inſekten jagend, die fie durch ihren ſchnellen Lauf und ſelten oder niemals im Fluge ereilen, wie letzteres von Seiten ihres Jagd-Gefährten, der Bachſtelze (Mota- eilla lotor), häufig geſchieht. So weit unſre Beobachtungen rei: chen, heerden fie nicht zuſammen, ſelbſt während ihrer Win: ter⸗Reiſen nicht. Die verhältnißmäßige Seltenheit von Waſ— ſer-Inſekten dürfte die Vorliebe dieſes Vogels für Einſam— keit erklären, denn wenn auch jene Inſekten zu gewiſſen Zei— ten und an gewiſſen Orten in hinreichender Menge gefunden werden, wie dies die Wolken von Tage-Fliegen (Ephemeri- dae) beweiſen, von welchen wir an den Rheinufern während des Herbſtes mehrere Sandpfeifer mit großem Appetit haben ſchmaußen ſehen, ſo iſt dies doch blos als gelegentlich zu be— trachten, und auf einen regelmäßigen Vorrath, wie etwa an den Seeufern, wo man den Dunlin (Tringa variabilis), einen hinſichtlich des Fraßes dem Sandpfeifer ähnlichen Vogel in beträchtlichen Banden antrifft, iſt nie zu rechnen. Letztere Vögel picken während der Ebbe einen reichlichen Vorrath von Waſſer-Inſekten auf und halten ſich zu gleicher Zeit ſo dicht zuſammen, daß wir wohl behaupten können, niemals einen derſelben zwei bis drei Schritt von der Heerde entfernt gefe: hen zu haben. Ob ſie eine Wache ausſtellen oder nicht, ha— ben wir nicht ausmitteln können; allein ſie ſind ſo ſcheu, daß meh— rere kühne, an einer Tränke lauernde Jäger nicht im Stande wa: ) Journal of a Naturalist, p. 254. *) J. Rennie, 60 ren, uns ein einziges Exemplar zu verſchaffen, wiewohl fie zwei oder drei Monate hindurch verſuchten, verſchiednen Heer⸗ den, welche die Küſte beſuchten, ſich auf Flintenſchuß⸗Weite zu nähern. Der Dunlin. Drittes Kapitel. Einſam und in Geſellſchaft lebende Vögel in Be— zug auf Schutz oder Beiſtand. Werfen wir nochmals einen Blick auf die bisherigen Mit: theilungen über die einſame und geſellige Lebensweiſe von Vögeln, ſo muß es uns einleuchten, daß ihre Geſelligkeit kein in die Augen fallendes Reſultat erzeugt, ausgenommen das Ausſtellen von Schildwachen zur Warnung vor Gefahr, wo— fern nämlich ein ſolches Verfahren (woran vielleicht noch ge— zweifelt werden dürfte) wirklich ſtattfindet. Außer dem geſelligen Gimpel (Loxia socia) in Afrika wüßten wir keinen Vogel zu nennen, der in Verbindung mit ſeines Gleichen durch gemeinſchaftliche Anſtrengung ein ge— meinnütziges Werk errichtete. Und ſelbſt in Betreff dieſes Falles haben Le Vaillant's genaue Beobachtungen darge— than, daß die Vögel, weit entfernt, ganze Neſterſtraßen an— zulegen, wie uns Paterſon und Andere dies erzählen, ihre Neſter blos in wirklicher Berührung mit einander erbauen ”), ſo wie man Saatkrähen in dieſem Lande, (England) biswei— len das Nämliche thun ſieht. Die Anſicht, daß der geſellige Gimpel Straßen erbaue, iſt von demſelben Gepräge wie des ältern Plinius Erzählung von den Schwalben in Egypten, welche Dämme erbauen ſollen, um ſich gegen die Nil-Ueber— ſchwemmungen zu ſichern, ein Mährchen, das ihm wahr— ſcheinlich ein oberflächlicher Beobachter aufgeheftet, welcher die Uferſchwalben (Hirundo riparia) in einen Ufer-Abhang hatte *) Voyage p. 3. 62 graben ſehen und dadurch auf die falſche Vermuthung ge: führt worden war, daß fie einen Damm errichteten “). Auf ähnliche Weiſe berichten nicht unberühmte Schrift⸗ ſteller, daß, wenn ein Sperlingspaar ungerechter Weiſe von dem Neſte einer Schwalbe Beſitz genommen, letztere ihre Ge— fährten zu ihrem Beiſtand auffordere und in Gemeinſchaft mit dieſen Mörtel in Menge herbeiſchaffe, um die räube— riſchen Sperlinge lebendig im Neſte, wie in einem Grabe einzumauern. Dieſe Anekdote iſt offenbar eine Erfindung der Einbildungskraft, denn es leuchtet doch wohl ein, daß es un: möglich iſt, einen Vogel, der mit einem ſo ſtarken Schnabel begabt iſt, wie der Sperling, auf dieſe Weiſe zu begraben ). Herr Dupont de Nemours erzählt uns folgende von ihm gemachte anziehende Beobachtung: „ich bemerkte,“ erzählt er, „eine Schwalbe, die unglücklicher Weiſe, wie, kann ich nicht recht begreifen, — mit dem Fuße in einer Bindfaden-Schlinge hängen geblieben, deren anderes En— de an die Traufe des Collegiums der vier Nationen befeſtigt war. Ihre Kräfte waren erſchöpft — ſie hing an dem einen Ende des Bindfadens, ſchrie von Zeit zu Zeit und erhob ſich bisweilen, als ſuche ſie davon zu fliegen. Sämmtliche Schwal⸗ ben des großen Beckens zwiſchen den Brücken der Tuilerinen und dem Pont Neuf, und vielleicht von noch entlegneren Plä— gen, hatten ſich zum Belauf von mehreren Tauſenden verfam: melt. Ihr Flug glich einer Wolke, alle ließen Laute des Mitleids und der Beſtürzung vernehmen. Nach einigem Zau⸗ dern und einer tumultuariſchen Berathung verfiel eine der: ſelben auf ein Mittel zur Befreiung des kleinen Gefangenen, theilte es den übrigen mit und ſchritt ſofort zur Ausführung. Eine jede nahm die ihr angewieſene Stelle ein, alle, die zur Hand waren, flogen der Reihe nach auf den Faden los und hackten im Vorbeifliegen mit ihren Schnäbeln darauf. *) Siehe Baukunſt der Vögel von Rennie aus dem engliſchen Leipzig, Baumgärtn. Buchhandl, 1833. **) Ebendaſelbſt Seite 356. 65 Diefe Anſtrengungen, auf einen Punkt gerichtet, wurden von Secunde zu Eerunde, ja wohl noch häufiger wiederholt. Eine habe Stunde verging unter dieſer Art von Arbeit, ehe der Faden ſich trennte und die arme Schwalbe in Freiheit ge: ſetzt wurde. „Die Heerde, blos an Zahl etwas vermindert,“ fügt Düpont de Nemours hinzu, „blieb indeß bis zum Einbruch der Nacht an Ort und Stelle und machte ein un— aufhörliches Gezwitſcher, welches indeß nicht mehr von Angſt und Beſorgniß zeigte, ſondern vielmehr Glückwünſchungen und Lobpreiſungen ihrer That zu enthalten ſchien ).“ Nun zweifeln wir keineswegs, daß dieſe Schwalben ſich um ihre Gefährtin verſammelten, wie Herr Dupont berich— tet hat, denn alle kleine Vögel pflegen herbeizukommen, wenn ſie von ihres Gleichen gerufen werden, ein den Vogelfängern wohl bekannter Umſtand, welche Lodvögel anwenden, um wilde zu ihren Netzen zu bringen; allein wir zweifeln gar ſehr, daß die in Rede ſtehenden Schwalben ihre Thätigkeit in der Abſicht, den Bindfaden zu zerſchneiden, vereinigt, und glauben, daß ſich der Beobachter in dieſer Hinſicht Ba Haber müſſe. In einem ähnlichen Falle, wo ſich ein paar Enge in einen Bindfaden verfißt hatten, drängten ſich ihre Nach— baren um ſie her, aber blos in der Abſicht, ſie auszuſchelten, und keineswegs, um fie frei zu machen ). Es iſt in der That unter Quadrupeden ein ſeltener Fall, und ein noch ſeltenerer unter Vögeln, wenn er überhaupt un⸗ ter dieſen vorkommt, daß man auf Beiſpiele von gegenſeiti— gem Beiſtand ſtößt, wie man dergleichen unter Inſekten, die in einem geſelligen Zuſtande leben, in einent ausgezeichneten Grade findet“ ). Biber vereinigen ſich zur Bildung von Dämmen über einen Fluß und zur Aushöhlung von Kammern in den Ufern; allein es werden auch Geſchichten von der ge— *) Antoine, Animaux Celebres, II. App. p. 18. *) Siehe Baukunſt der Bügel. Seite 231. %) Insect Miscel, III. 64 genſeitigen Beiſtandleiſtung einiger andren Quadrupeden er- zählt, die offenbar eben ſo geſchminkt und übertrieben ſind, wie die von Dupont's Schwalben. So iſt ferner die Bereitung eines Winter-Quartiers von Seiten des Murmelthiers (Arctomys marmota, Arctomys Bo- bac etc.), welche ſtets Bewunderung erregt hat, durch die Ausſchmückungen ungenauer Beobachter bedeutend übertrieben worden. „Ihr Witz und Verſtand,“ ſagt Ges ner, „verdient Bewunderung, denn, gleich Bibern, legt ſich eins dieſer Thiere auf den Rücken, und die andern bela— den ſeinen Bauch mit Materialien, und haben ſie ihm eine hinreichende Quantität aufgebürdet, ſo bindet es dieſelben gleichſam feſt, indem es ſeinen Schwanz in die Schnautze nimmt, und wird hierauf von ſeinen Gefährten in die Höhle gezogen; „indeß kann ich nicht mit Gewißheit ſagen,“ fügt er hinzu, „ob dies Wahrheit oder Lüge iſt; denn man hat kei— nen andern Beweis für obiges Verfahren, als daß man ei— nige ſolche Thiere auf dem Rücken kahl gefunden hat).“ Dieſe ausgemachte Fabel wird von einigen Autoren mit allem Ernſt als eine wohlserbürgte Thatſache aufgeſtellt, und Beauplan geht gar ſo weit, ſich einzubilden, daß er eine Anzahl Murmelthiere einen ihrer Gefährten am Schwanze ha⸗ be fortziehen ſehen, wobei fie ſich in Acht genommen, den- ſelben nicht umzuwerfen! ). Dieſe Mittheilung ſcheint indeß durch eine neuere, von einem ungenannten Verfaſſer für authentiſch ausgegebene Er— zählung, worin von der Geſchicklichkeit des Murmelthiers im Heumachen die Rede iſt und geſagt wird: „ſie beißen das Gras ab und wenden und trocknen es an der Sonnen ),“ noch übertroffen zu werden. Das einzige deutliche und entſchiedene Beiſpiel von ge— genſeitigem Beiſtande, welcher unſers Wiſſens unter Vögeln vorkommt, iſt, daß die Aeltern ihre Jungen füttern, warm ) Hist. of Anim. by Toplis, p. 407. **) Descript. Ukraine. ) Mag. Nat. Hist. I. 377. . 65 [4 und rein halten und gegen ihre Feinde vertheidigen, wovon wir im Verlauf dieſes Werkes hinlängliche und ausführliche Beweiſe anführen wollen. Um ſich die ihnen nöthige Tem— peratur zu verſchaffen, ziehen ohne Zweifel manche Arten Vor: theil von der animaliſchen Wärme ihres Gleichen, und wir können mit einiger Wahrſcheinlichkeit behaupten, daß dies in den meiſten Fällen durch gegenſeitige Duldung, wo nicht gar mit ausdrücklicher Erlaubniß geſchieht. Es iſt eine ſowohl höchſt außerordentliche als auch ganz beſonders beglaubigte, dagegen aber noch keineswegs zur Genüge erklärte Thatſache, daß die innere Wärme warmblü— tiger Thiere in den kälteſten und heißeſten Klimaten nur we— nig Verſchiedenheit zeigt. Dem Ununterrichteten erſcheint es nicht weniger irrig, zu ſagen, daß der Körper an einem kalten Wintermorgen und in den heißeſten Hundstagen gleich warm ſei, als wenn man behauptet, daß die Sonne nicht, wie es ſcheint, fort: rücke, ſondern ſtill ſtehe. Capitain Parry fand z. B., daß wenn auf der Win— ter⸗Inſel unter 66° 11“ N. Br. die Temperatur der Luft 3° — 32° Fahrenheit betrug, die innere Temperatur der eben getödteten Füchſe 1063» — 98» % zeigte, und auf Ceylon fand Dr. Davy, daß die Temperatur der Einwohner blos um zwei Grad von der gewöhnlichen Wärme des menſchli— chen Körpers in England abweichen). Bei ſehr hohen Tem: peraturen findet indeß ein etwas größerer Unterſchied ſtatt, wie dies aus den ſcharfſinnigen Verſuchen der Herren Dela— roche und Berger hervorgeht, die ſich einer Hitze von 228° oder 16° über dem Siedepunct des Waſſers ausſetzten; fie machten hierdurch die Erfahrung, daß in ſo hohen Tempera— turen eine Zunahme von 7 oder 8 Graden nach der hundert— grädigen Scala ſtattfindet ). ) Second Voyage, p. 157. **) Philos. Transact. for. 1814, p. 600. *=*) Journ, de Physique, LXXL. 289. 66 Die Zunahme an Kälte dagegen ſcheint keinen ſolchen Einfluß auf die Temperatur des Körpers zu haben; und dies iſt wohl der Grund, warum große Kälte weniger nachtheilig und verderblich auf Thiere wirkt, als man eigentlich glauben ſollte. f White von Selborne ſagt von den Zigeunern: — Die: ſe abgehärteten Wilden ſcheinen darauf ſtolz zu ſein, daß ſie der ſtrengſten Winterkälte trotzen und das ganze Jahr hin— durch unter freiem Himmel (sub dio) leben. Der letzte Sep⸗ tember war einer der naſſeſten Monate, die man kennt, al⸗ lein trotz dem unaufhörlichen Regen, ſchlief ein junges Zigeu⸗ ner⸗Mädchen mitten in einem unſerer Hopfengärten auf dem kalten Erdboden, ohne etwas anderes als einen Fetzen von einer Bettdecke, die auf einigen reifenartig mit beiden Enden in die Erde geſteckten Haſelruthen ausgeſpannt war, über ſich zu haben, unter Umſtänden, die ſelbſt für eine Kuh in einer ſolchen Lage eine zu große Prüfung geweſen wären; innerhalb dieſes Gartens ſtand ein großer Hopfen-Ofen, in einem von deſſen Gemächern ſie Schutz und Obdach hätte finden können, wenn fie dieſe ihrer Aufmerkſamkeit für würdig erachtet“).““ Einige halbwilde Katzen (Felis domestica), welche häufig eine einſame Meierei am Saume eines Waldes beſuchten, waren mehr auf ihre Bequemlichkeit bedacht, als dieſe junge Zigeunerin; inſofern ein zur Trocknung des Korns beſtimmter Ofen in der Nachbarſchaft, während des Winters, wenn er geheizt wurde, ihr Lieblings-Zufluchtsort war“). Das Geſetz, nach welchem thieriſche Wärme unter dem Einfluß beträchtlicher Hitze oder Kälte ziemlich einen und den: ſelben Grad behauptet, obgleich nicht leicht mit einer der an⸗ gemommenen Theorien in Einklang zu bringen, giebt uns in: deß den einzigen bekannten Grund an die Hand, warum ei: nige von den kleineren und anſcheinend zarten Thiere der ſtrengen Kälte unſerer härteſten Winter nicht unterliegen. ) Nat. Hist. of Selborne, lett, 67. 2 * Rennie. 67 Die Aelſter (Pica caudata, Ray), wiewohl ein ziemlich robuſter und abgehärteter Vogel, nimmt bisweilen zu dem Mittel ſeine Zuflucht, wovon kleinere Vögel oft Gebrauch machen — nämlich mehrere drängen ſich des Nachts dicht zuſammen, um einander gegenſeitig warm zu halten. Ein ge— bildeter und wahrheitsliebender Mann hat uns erzählt, daß er einſt eine Anzahl ſolcher Vögel (wahrſcheinlich eine junge Hecke nebſt den Alten) in einer Tannen-Pflanzung auf einem Baume geſehen, die ſo dicht beiſammen geſeſſen hätten, daß ſie gleichſam in einen Klumpen zuſammengeballt erſchienen wären. Es iſt wenig von dem Horſten dieſer Vögel bekannt; aber unter kleinern Vögeln iſt das in Rede ſtehende Verfah— ren nicht ungewöhnlich. Sogar am Tage, bei ſtrenger Winterkälte, ſahen wir den Hausſperling (Passer domestieus, Ray), zu einem ähnlichen Mittel ſeine Zuflucht nehmen Auf einem Schornſtein, von unſerm Studierzimmer aus ſichtbar, haben wir oft ſämmtliche Inhaber einer benachbarten Sperlings-Colonie ſtundenlang um die wärmſte Stelle auf dem vorſpringenden Ziegel- Rande, der ſich gerade in der Mitte befand, mit einander ſtreiten ſehen. Hier prallte die Sonne am ſtärkſten auf, hierher ſen— dete das Küchenfeuer von unten die meiſte Wärme und hier war mithin der glückliche Beſitznehmer gegen den kalten Wind geſchützt, der an ſeinen Gefährten wegſtrich, welche auf die beiden Enden der Reihe gedrängt waren. Allein keiner blieb lange im ruhigen Beſitz der beneideten Stelle, denn ſobald die kalte Luft denen auf der ungeſchützten Seite zu empfindlich ward, drängten ſie ſich unter lautem Schelten und Zwitſchern nach der Mitte zu, und da die Inhaber der beſten Plätze ſich weiger— ten, dieſe aufzugeben, fo hockten ihnen die Andränger auf und quetſchten ſich, in Keil-Manier, ungefähr wie man ein Buch auf einem vollgepfropften Büchergeſtell, mit Gewalt einzwängt, zwiſchen zwei ihrer hartnäckigen Kameraden; um die mittelſten Plätze herrſchte auf dieſe Weiſe fortwährender Streit, bis der Hunger die ganze Geſellſchaft forttrieb, um nach Futter zu ſuchen. 68 Von einem ähnlichen Streit um Plätze unter einer Fa: milie von Schwanzmeiſen (Parus caudatus, Ray), waren wir einſt unweit Eltham Zeuge, nachdem wir zuvor beobachtet, wie fie in Aufſuchung von Coceus-(Coceus erataegi, Fabr.) Eiern auf einer Weißdorn-Hecke von Zweig zu Zweig hüpften. Der Boden war mit Schnee bedeckt, und da der Abend hereinbrach, zogen ſich die kleinen Geſchöpfe, die ohne Zwei— fel ihre raſtloſe Thätigkeit warm erhalten hatte, von der off— nen Hecke, unter den Schutz einer dicken Stechpalme zurück, „der Leit-Vogel (Anführer), ließ“ wie Herr Knapp ihre Verfahrungs-Weiſe richtig beſchreibt, „ein gellendes Zwit— ſchern, welches wie twit, twit, twit, klang, vernehmen, und fort trollten fie ſich alle, um eine jede die erſte zu fein, hier: auf hielten ſie einige Augenblicke, und dann ging's wieder fort ).“ Sobald ſich indeß auf einem niedrigen Aſte der Stechpalme die ganze Geſellſchaft verſammelt, fingen ſie an, einander zu drängen, ſich unruhig hin und her bewegend und eben ſo wie die oben erwähnten Sperlinge zwiſchen einander einzwängend; ob ſie indeß die Nacht über hier ſchlafen, oder blos die Rangordnung beſiimmen wollten, ehe ſie ſich in ir: gend ein Loch im Baume zurückzogen, konnten wir nicht aus⸗ mitteln, denn als wir uns in unſerm Eifer, zu beobachten, was ſie vorhätten, der Stelle zu ſehr näherten, flogen ſie, von Schrecken ergriffen, ſammt und ſonders nach einem fernen Felde ). Daß obiger Streit um Plätze unter den kleinen Schwanz: Meiſen nur ein Vorläufer von ihrem Rückzug in einen behag: licheren und wärmeren Winkel für die Nacht war, ſcheint uns aus den bekannten Gewohnheiten ihrer Gattungsver— wandten, ſo wie auch aus dem Verfahren der Sperlinge, welches wir täglich vor Augen haben, mit ziemlicher Gewiß: heit hervorzugehen. *) Journal of a Naturalist, p. 164. 3. edit, **) J. Rennie. 69 Jeden Abend, bevor fie ihre Schlaflöocher einnehmen, verſammeln ſich die Sperlinge auf einem Baume oder Haus— dache in der Nähe, eine geraume Zeit hindurch mit einander zankend und die Plätze wechſelnd, worauf ſie einer nach dem andern den Sammelplatz verlaſſen, und zwar der Ueberein— kunft gemäß, die ſie hinſichtlich des Vorranges getroffen zu haben ſcheinen. So robuſt und abgehärtet Sperlinge jedenfalls ſind, zei— gen ſie doch einen großen Widerwillen, des Nachts ohne Ob— dach zu bleiben, daher man ſie denn auch, wenn der Abend graut, jede Art von Zufluchtsort benutzen ſieht. Am häufig— ſten kriechen ſie in der That unter die vorſpringenden Dach— ziegel oder die Karnieße von Pfeilern; allein ſie retiriren ſich eben ſo gern in die Lücken und Löcher eines Heuſchobrrs oder unter die gegen den Wind geſchützte Seite eines Krähen— geſtes, oder fie huſchen auch in ein Sandloch, welches die Üfer⸗Schwalbe (Hirundo riparia, Ray) zu einem Neſte für ſich ausgewühlt hat. Hierbei zeigen fie eine ganz beſondere Vorliebe für ein Schutzdach von Epheu, der ſich an einer Mauer hinanrankt, oder einen dichlaubigen Clematis-(Wald— rebe) Buſch, allein wenn ſie einen ſolchen Schutz finden kön— nen, hudeln ſie ſich, ſo weit unſere Beobachtungen reichen, nicht dicht zuſammen, ſondern ein jeder ſucht blos das wärm— fie Laubdach, welches er ausmitteln kann“). Es iſt höchſt bemerkenswerth, daß die Droſſel und die Amſel, die doch übrigens ſo ſehr beſorgt ſind, ihren Eiern und Jungen Schutz und Wärme zu verſchaffen, was die Be— reitung dieſer Bequemlichkeiten für ſich ſelbſt während des Winters betrifft, ſo wenig Mutterwitz an den Tag legen, denn gewöhnlich ſchlafen ſie zugleich mit Weindroſſeln und Buchfinken in offenen Hecken, wo ſie oft in ſtrenger Kälte er— frieren oder von Vogelſtellern gefangen werden. Der Staar (Sturnus vulgaris) zeigt größere Sorgfalt für ſich ſelbſt, indem er in den Löchern von Bäumen, in Kirch— =) J. Rennie. 70 thürmen oder, gleich Sperlingen, unter den Dachziegeln von alten Häuſern und häufig auch in den dicken Rohrbüſchen von Moräſten ſeine Zuflucht für die Nacht ſucht. Jedoch leidet er ſelbſt hier von der Kälte. An einem Wintertage im Jahre 1822, nach einem ſehr harten Froſte in der Nacht, als wir an den Bäumen von Copenhagen-Fields nach Flechten ſuchten, fanden wir in ei— nem Baumloche einen erfrornen Staar. Er war ziemlich feiſt und vollkommner im Gefieder, als wir je zuvor einen Vogel dieſer Art geſehen; auch zeigte die aufmerkſamſte Unterſuchung nicht, daß er einen Schuß, oder eine andere Verletzung er: halten, die, außer den Wirkungen heftiger Kälte, zu ſeinem Tode hätte beitragen können. Es verdient noch Erwähnung, daß die Staare, gleich den Sperlingen und andern Vögeln, welche in Löchern über— nachten, ſich dicht zuſammendrängen und um die beſten Plätze ſtreiten, ein Umſtand, den in der That ſchon Plinius er: zählt. „Was die Staare anlangt,“ ſagt dieſer Schrift— ſteller, „ſo iſt es die Eigenſchaft des ganzen Geſchlechts, in Trupps zu fliegen und während ihres Fluges ſich in einen Ring oder Ball zu verſammeln, indem jeder ſich beſtrebt, der mittelſte zu ſein ).“ Dieſe Angabe des Plinius ſtimmt mit dem, was wir oben von den Sperlingen und Schwanzmeiſen bemerkt haben, genau überein. Es iſt nicht wenig intereſſant, dergeſtalt Thatſachen zu be- ſtätigen, welche von den Alten beobachtet worden ſind. Herr Knapp hat dies in Bezug auf die Staare gethan, welche wir jetzt betrachten. „Es iſt,“ ſagt derſelbe, „etwas höchſt merkwürdiges und geheimnißvolles in dem Benehmen dieſer Vögel, kurz bevor fie ſich nach ihren nächtlichen Zufluchtsor— ten begeben, indem ſie zu dieſer Zeit allerlei verſchlungene Evolutionen und Bewegungen machen. Sie formen z. B. „) White’s Selborne, letter 105. **) Natural History, by P. Holland, p. 284. ed. 1694. 71 einen Triangel, dehnen dieſen hierauf zu einer langen birn— förmigen Figur aus, entfalten ſich wie ein Tuch, oder kreiſen in einen Ball zuſammen, wie Plinius beohachtet hat, wo— bei ein jeder bemüht iſt, in die Mitte zu gelangen u. ſ. w., und dies Alles mit einer Schnelligkeit, daß man mehr Pa— rade-Evolutionen als die Bewegungen von Vögeln zu ſehen glaubt *). Was das Nothkehlchen, den Saun: Sperling (Aceentor modularis, Bechstein) und den gemeinen Zaunkönig (Anor— thura communis) betrifft, ſo kann man kaum begreifen, wie nur einer derſelben den Winter überlebt, ſchon wenn man bedenkt, wie ſchwer es ihnen fallen muß, ſich ihr Futter zu verſchaffen. Selby hat in der That beobachtet, daß Zaun— könige in ſtrengen Wintern, vorzüglich wenn viel Schnee fällt, umkommen. „Unter dieſen Umſtänden,“ ſagt er, „begaben ſie ſich Schutzes halber in Mauerlöcher unter die Dächer von Scheu: nen und Heuſchobern, und ich habe häufig die Leichname von mehreren zugleich in alten Neſtern gefunden, die ſie bei heftigen Winterſtürmen und ſtrenger Kälte, um wärmer und geſchützter zu fein, bezogen hatten! ).“ Büffon ſagt, ein Jäger habe ihm erzählt, daß er oft mehr als zwanzig in dem nämlichen Loche beiſammen gefunden ). Ein unterrichteter Freund hat uns erzählt, daß er einſt mehrere Zaunkönige in dem Loche einer Mauer in eine Art von Ball, wahrſcheinlich um ſich während der Nacht gegen— ſeitig warm zu halten, zuſammengerollt gefunden habe, und obgleich etwas der Art nur ſelten und zufällig beobachtet werden mag, ſo ſind wir doch der Meinung, daß dergleichen Vereinigungen unter ſolchen kleinen Vögeln, die das Vermö— gen, in kaltem Wetter Wärme zu erzeugen und zurückzuhal— ten, nur in geringem Grade beſitzen, nicht ungewöhnlich Journal of a Naturalist, p. 195. ) Illustrations of Brit. Ornich. I. 197. % Dis. Art. Le Roitelet. 72 find. Ganz der nämliche Umſtand ift in der That bereits von älteren Naturforſchern beobachtet worden. Der gelehrte Verfaſſer der Physicae Curiosae, von Zaunkönigen ſprechend, ſagt: „Sie drängen ſich während des Winters in eine Höhle zuſammen, um durch ihr dichtes Beiſammenſtecken ihre Wär— me zu vermehren ).“ Diejenigen, welche Zaunkönige in Käfigen halten, ver— ſorgen dieſe Thierchen gewöhnlich mit einem Kaſten, der mit Tuch ausgekleidet und überzogen iſt, und worin ſie des Nachts warm ſchlafen können). Indeß ſcheint der Zaunksnig am Tage, ſelbſt bei ſehr kaltem Wetter, nicht viel von Kälte zu fühlen, denn wir haben ihn in ſolchem eben ſo luſtig ſingen hören, als wenn er ſich des warmen Sonnenſcheins erfreute, White's **) Bemerkung entgegen, daß Zaunkonige in fro— ſtigem Wetter nicht fingen +). Wenn Schnee fällt, ſcheinen Schafe ſowohl von natür— lichem Schutz Vortheil zu ziehen als auch ſich dicht zuſam— menzudrängen, um ihre animaliſche Wärme zu ihrem Beſten zu verwenden, fie nehmen daher während eines Schneegeſts— bers ihre Zuflucht zum nächſten natürlichen Obdach, und brächte ihnen dies auch gewiſſes Verderben, im Fall es ei— nen tiefen Schnee legte, und dieſer lange liegen bliebe. Es wird daher eine der ſchwierigſten Aufgaben des Schäfers, in ſolchem Wetter ſeine Schafe mitten auf dem Felde gerade dem Sturme ausgeſetzt zu erhalten. Wenigſtens hat uns dieſes ein alter Schäfer erzählt, auf den wir, zu Ende des Decembers 1808 beim Einbruch der Nacht in einem wilden Bergpaß, unweit Douglas, an der Grenze von Lanarkſhire ſtießen, und der gerade damit beſchäftigt war, ſeine Heerde auf beſagte Weiſe, inmitten eines heftigen Schneegeſtö bers, *) Multi una specie in hyeme conduntur, ut parvus in minutis corporibus calor societate augeatur, p. 1249. oO 2 *) Syme, Brit. Song Birds, p. 159. *) Selborne, lett. 60. +) J. Rennie. 75 wie es uns nur ſelten vorgekommen, beiſammen zu erhal: ten”). Der Ettricker Schäfer erwähnt in einer höchſt anziehenden Erzählung, betitelt, „Snow-Storms“ (Schnee-Stürme), in feinem Sheperds-Calender (Hirten⸗Calender) nichts von dieſem Hange der Schafe; wiewohl man folgern kann, daß ſie bei einer ſolchen Gelegenheit, welche er ſchildert, demſelben nachgegeben, indem er bemerkt, daß er eine Anzahl ſeiner Schafe am Abhange eines hohen Ufers, wohin ſie ohne Zwei— fel beim Ausbruch des Sturmes ihre Zuflucht genommen, unter dem Schnee begraben gefunden habe. Ob man gleich das Schaf zufolge ſeiner Lebensweiſe für abgehärtet halten ſollte, ſo zeigt es doch ein ſehr ängſtliches Verlangen nach Schutz, welches alle Beachtung verdient. Lord Kames erwähnt, daß die Schafmutter mehrere Wochen vor dem Lammen einen geſchützten Ort aufſucht, wo ſie ihr Lamm in aller Bequemlichkeit und Sicherheit wer— fen kann; und Mr. Hogg erzählt in dem eben erwähnten Ban⸗ de einen Fall, wo eine Schafmutter über eine weite Strecke der Stelle zuwanderte, wo ſie ihre Lämmer zu werfen gewohnt war; was aber noch merkwürdiger iſt, eine Schafmutter, von jener ge: boren, die man noch dazu, als ſie einige Tage alt war, an einen entfernten Ort geſchafft hatte, kehrte zu der nämlichen Stelle zurück, um daſelbſt ihr erſtes Lamm abzuſetzen“ *). Es iſt ein äußerſt ſonderbarer und merkwürdiger Umſtand, daß manche Arten, die zu einer Periode im Jahre einſam leben, zu einer andern in Geſellſchaft zubringen, und obſchon ſich derſelbe in einigen Fällen erklären läßt, ſo hält ſolches doch in andern ſehr ſchwer. Es leuchtet z. B. ein, daß das Winter-Neſt der Gold— 9 J. KR. ) Gentleman Farmer, p. 15. %) Shepherd’s Calendar, das Capitel über Schafe. 4 74 after⸗Motte) (Porthesia chrysorrhoea) *) zur gemeinſchaftlichen Wohnung der ganzen Brut beſtimmt iſt, die in ihrem jungen Zuſtande Futter genug finden“) kann, wenn ſie ſich auch nahe zuſammenhält; ſobald die iungen Thierchen aber im folgenden Frühjahr an Größe zunehmen, und einen größeren Futtervorrath nöthig haben, fo trennen fie ſich natürlicher Weiſe, und jedes fouragirt für ſich ſelbſt. Die Brut von Lachſen und den meiſten andern Fiſchen hält ſich in der erſten Zeit ihrer Exiſtenz in dichten Haufen zuſammen, wahrſcheinlich aber nicht aus irgend einem Hange zur Geſelligkeit, ſondern weil ſie zu der nämlichen Zeit und an der Quelle des nämlichen Teiches ausgebrütet worden ſind und bisher keine Gelegenheit gehabt hatten, wegen der räu⸗ beriſchen Neigungen ihrer Gefährten in Unruhe zu gerathen. Jedoch iſt dies ſehr verſchieden von der Zuſammengeſellung von Vögeln, nachdem ſie mehrere Monate hindurch ein einſa⸗ mes Leben geführt haben, wie dies z. B. von Lerchen, Hänf⸗ lingen, Fenſter -und Schornſtein-Schwalben und manchen andern gilt. Die Lerche iſt während der Sommer-Monate entſchieden ungeſellig; denn wenn man auch zwei oder drei Paare auf demſelben Felde antrifft, jo findet man doch ihre Neſter ſel⸗ ten nahe beiſammen. Sie ſind nicht zänkiſch oder kampflu⸗ ſtig, wie die Rothkehlchen, allein ſie ſcheinen einen einſam gelegnen Ort einer ſtark bevölkerten Nachbarſchaft vorzuziehen. Die jungen Lerchen, nachdem ſie das Neſt verlaſſen, ſcheinen in gleichem Grade dem geſelligen Leben abgeneigt, und halten ſich nicht, wie dies die meiſten Neſtlinge thun, in eine Ban⸗ de zuſammen, ſondern ziehen es vor, einſam auf den Feldern umherzuſchweifen, wiewohl dies ihren Aeltern ihre Verſorgung mit Futter erſchweren muß. Aber eben dieſe ungeſelligen *) Liparis auriflua, chrysorrhoea. (Ihre großen Geſpinſte beißen Raupen-Neſter, die man im Winter durch das Raupen Eiſen bricht. ) Siehe Insect Architecture, p. 331. 75 Vögel heerden, ſobald als die Brütezeit völlig vorüber iſt, in faſt unglaublicher Anzahl zuſammen, und werden als— dann, wie dies bereits ſeit den früheſten Zeiten geſchehen, in den meiſten Ländern Europas, z. B. in Griechenland, Sta: lien), England *), Deutſchland u. ſ. w. für die Tafel ge: fangen. Die große Menge von Lerchen, die man in Frank⸗ reich fängt, kann man aus Montbeillard's Bericht er- rathen, welcher ſagt, „einhundert Dutzend oder mehr werden bisweilen auf einmal gefangen, und es gilt für ſchlechtes Glück, wenn man blos fünfundzwanzig Dutzend erhält“). In der That find ſolche Anzahlen erforderlich, um die Koſten zu decken, welche die erforderlichen Anſtalten verur— ſachen, da man gewöhnlich ungefähr zwei tauſend mit Vogel— leim beſtrichene Weiden-Ruthen auf ein Feld ſteckt. Auf dem feſten Lande gilt der Lerchenfang für eine fürſtliche Ergötzlichkeit; und der franzöſiſche Adel pflegte den— ſelben ebenfalls zu lieben. In England dagegen wird der Lerchenfang blos von Vo— gelſtellern betrieben, die ſich in der Regel eines Tage-Streich— Netzes (day-elap-net) oder eines Nachtnetzes und einer Fang— glocke (low-bell) bedienen und damit die Lerchen, wenn dieſe ſchlafen, auf den Stoppel-Feldern fangen. Ob nun gleich dieſe Lerchen während des Winters in ſo großen Heerden zuſam— menleben, trennen ſie ſich doch ſogleich mit dem Eintritt der Paarungs⸗Zeit; jedes Pärchen wählt ſich dann ein beſonderes Feld oder ein Fleckchen eines Feldes zum Brüteplatze. Was wir von den Lerchen geſagt haben, läßt ſich ziem— lich auch auf den Hänfling, die beiden Haus-Schwalben und verſchiedene andere Arten der bei uns einheimiſchen Vögel an— wenden, welche in einzeln lebenden Pärchen brüten und ſich mit dem Eintritt des Winters zuſammengeſellen. Es verdient Erwähnung, daß die meiſten dieſer Hecken, ) Oppian in Ixeuticae. *) Polyd. Virgil. Hist. fol. 1534, *) Oiseaux, Art, L’Alouette. 76 wo nicht alle, wandern, indem fie entweder das Land ganz und gar verlaſſen oder aus einem Diſtriet in einen andern ziehen, und betrachtet man die Sache unter dieſem Geſichts⸗ punkte, ſo ließe ſich mit einiger Wahrſcheinlichkeit vermuthen, daß die jungen Hecken von der Erfahrung der ältern Vögel bei Auswanderung in ein wärmeres Klima oder nach Orten, wo reichlicheres Futter zu finden iſt, Vortheil ziehen. Wie annehmbar dies indeß auch immer erſcheinen mag (und uns erſcheint es beinahe als einzige Löſung der Schwierigkeit), ſo ſtößt man doch auf manche Arten, die ſich augenſcheinlich in denſelben oder ſehr ähnlichen Umſtänden befinden und doch nie oder wenigſtens nur ſehr theilweiſe zuſammen heerden. Die Piplerchen (Anthus) z. B., in ihren Gewohnheiten und in ihrem Aeußeren der Lerche ſo ähnlich, daß ſie gewöhnlich Heidelerchen genannt werden, heerden nie in großer Anzahl zuſammen; und wiewohl ſich Oberſt Montagu's Autorität nicht beſtreiten läßt, wenn er behauptet, die Wieſenlerche (Anthus pratensis, Bechstein) ) während des Winters in kleinen Völkern beiſammen geſehen zu haben, ſo zweifeln wir doch ſehr, daß dies gewöhnlich der Fall iſt, oder es waren vielleicht auch die Vögel, welche er ſah, die im vorhergehen⸗ den Sommer ausgebrüteten Familien. Die Felſen⸗Lerche **) (Anthus rupestris, Nilsson), die wir auf den wilden felſigen Ufern der Normandie zu beo— bachten gute Gelegenheit hatten, dürfte der Anzahl nach, in welcher man ſie auf einem kleinen Raume zuſammengedrängt findet, für eben ſo geſellig betrachtet werden; allein wenn man auch ein Dutzend oder mehr innerhalb weniger Schritte von einander ſitzen ſieht, ſo fliegen ſie doch nie in Heerden, ſondern ſtets einzeln auf, und eben ſo ſchlafen ſie auch ver— einzelt? *). ) Piſperling (the meadow-pipit). ”) The rock-pipit. %) J. Rennie. 77 Daß Weißkehlchen (Saxicola Oenanthe, Bechstein)“ bildet eine andere Ausnahme von unſter allgemeinen Regel. Oberſt Montagu erzählt uns in der That, (wie im Fall der oben erwähnten Wieſen⸗Lerche), von einer ſehr großen An⸗ zahl Weißkehlchen, die ſich am 24. März 1804 auf der Süd⸗ weſtküſte von Devon unweit Kingsbridge an einer niedrigen geſchützten Stelle gezeigt, und den ganzen Tag über in Auf: ſuchung ihres Futters fortwährend zuſammengeheerdet habe. Dieſe Heerde beſtand aus lauter Männchen, ohne ein einziges Weibchen unter ihnen ). Pennant ſagt ebenfalls, „um Eaſtbourne herum, in der Grafſchaft Suſſex, werden ſie von den Schäfern in großer Anzahl gefangen. — Die jährliche Menge, welche man allein in dieſen Diſtrieten in Schlingen fängt, beläuft ſich auf ungefähr 1,840 Dutzend ). Es iſt jedoch kaum zu be: zweifeln, daß White's Angabe die richtigere iſt. „Wäh⸗ rend des Herbſtes,“ erzählt uns dieſer, „werden beträcht— liche Quantitäten auf den ſüdlichen Dünen (South downs) in der Nähe von Lewis gefangen, es giebt daſelbſt Schäfer, wie wir aus glaubwürdigem Munde erfahren, die in einem Jahre manches Pfund (Sterling) durch das Fangen derſelben mit— telſt Fallen verdient haben; allein obgleich ſo große Anzahlen gefangen werden, ſah ich doch (und ich bin in jener Gegend ſehr wohl bekannt) nie mehr als zwei oder drei auf einmal, denn ſie leben zu keiner Zeit des Jahres in Geſell— ſchaft beiſammen ?).“ Ein neuerer Schriftſteller, der mit White übereinſtimmt, bemerkt richtig, daß wenn das Zuſammenheerden der Weiß— kehlchen im Süden von England eine wirkliche Anhäufung derſelben aus andern Theilen des Landes ſei, dieſes als eine *) The Wheat- ear. ) Ornith. Dict. p. 553, 2. edit. ) Brit. Zool. p. 102, fol, edit. +) Selborne, letter 13, 78 Abweichung von ihren Gewohnheiten an andern Orten be: trachtet werden müſſe. „Sie gehen und kommen hier ohne irgend eine Anzeige, und ſcheinen über ein Paar hinaus keine Geſellſchaft zu bilden. Sie mögen indeß daſelbſt Heer: den, denn es giebt manche Orte, wo ſich Vögel zu gewiſſen Perioden des Jahres ohne irgend eine hinreichend erklärte Urſache anhäufen, wiewohl zu jeder andern Zeit des Jahres ſelten mehr als zwei oder drei beiſammen geſehen werden.“ Es kann unſres Bedünkens wohl kein Zweifel darüber herrſchen, daß der wahrſcheinlichſte Grund für die einſame Lebensweiſe des Weißkehlchens die Beſchaffenheit ſeiner Nah⸗ rung iſt; denn da es von den wenigen Inſekten zu leben ſcheint, welche an ſolchen Stellen, wie den kleinen Steinhäuf⸗ chen in den Furchen eines Kornfeldes, vorkommen, ſo würde es für mehr als ein Paar dieſer Vögel unmöglich ſein, an der nämlichen Stelle hinreichendes Futter zu finden. Pennant erwähnt als einen Grund für das zahlreiche Vorkommen dieſer Vögel zu Eaſtbourne, daß in der Nach⸗ barſchaft eine gewiſſe Fliege in Ueberfluß ſchwärme, welche die anſtoßenden Hügel des wilden Feldkümmels (Thymus) wegen beſuche, und fügt noch hinzu, daß die Fliege ihre Eier auf den Feldkümmel lege und ſich auch von dieſer Pflanze Wir kennen keine Fliege, worauf dieſe Angabe paßte, mit Ausnahme einer ſehr kleinen Gallfliege (Gall-Wespe) (Cynips Thymi) ‚die indeß, unſers Wiſſens, nie fo häufig fein kann, um einen ſo großen Vogel, wie das Weißkehlchen, in der Hoffnung, daß er ein reichliches Mahl finden werde, in gro: ßer Anzahl herbeizulocken. ) Brit. Naturalist, II. 361, ) Brit. Zool. (oben angeführt.) Bier tes Ka pit e las Das Paaren der Vögel. Es würde in Wahrheit keine leichte Aufgabe ſein, ein ſchlagenderes Beiſpiel von der Weisheit, die ſich in Regelung der Schöpfungswerke beurkundet, aufzufinden, als den außer— ordentlichen und für uns unerklärlichen Umſtand, daß Männ- chen und Weibchen faſt aller Thiere ſtets hinſichtlich ihrer Anzahl einander ziemlich gleichen. Was das Menſchengeſchlecht z. B. anlangt, ſo iſt es in verſchiednen Ländern durch Volksſchätzungen nachgewieſen wor— den, daß das Zahlen-Verhältniß der beiden Geſchlechter nur ſehr geringe Abweichungen zeigt. Hufeland fand, daß in Deutſchland ungefähr) vierundzwanzig männliche Individuen auf zwanzig weibliche kommen!); bei einem durchſchnittlichen Ergebniß von 58,000 Geburten im Dublin-Lying-in-Hospital (Inſtitut für Gebärende) verhielt ſich die Anzahl der männ— lichen zu den weiblichen wie zehn zu neun! ); und aus den Volksliſten von England und Wales in den Jahren 1811 bis 1820 ergaben ſich 1,664,557 männliche Geburten gegen 1,590,510 weibliche ). Man hat gefolgert, daß der ſtete Ueberſchuß an männ— chen Geburten von der Vorſehung darauf berechnet ſei, für die durch Lebensweiſe und gefährtetere Stellung beding— te größere Sterblichkeit unter dem männlichen Geſchlecht Erſatz zu leiſten. ) Edin. Phil. Journ, III. 296 — 9. ) Cross, Med. Schools of Paris, p. 191, ) Population Abstract, p. 154. 80 Keine phyſiologiſche Forſchung, die man bis jetzt ver⸗ ſucht hat, iſt im Stande geweſen, die mehr unmittelbaren Urſachen dieſer wundervollen Thatſachen aufzuhellen, wiewohl neuerdings einige von den Geſetzen, wodurch fie geregelt wer: den, durch die intereſſanten Experimente von Herrn Gir ou de Buzareingues nachgewieſen worden ſind ). Dieſer fand nämlich, daß in Bezug auf das Alter der gepaarten In⸗ dividuen und das Verhältniß der erzeugten Geſchlechter ſich ziemlich dieſelben Regeln unter Vögeln wie unter vierfüßigen Thieren (Quadrupeden) bewähren, wenigſtens wenn ſich bei⸗ de im Zuſtande der Zähmung befinden. Die Männchen von Quadrupeden leiſten, was die Pflege und Beſorgung der Jungen betrifft, den Weibchen ſelten ir⸗ gend einen Beiſtand. Der Beiſtand des Männchens iſt in der That bei den meiſten Thieren, welche ihre Jungen ſäu⸗ gen, nicht von Nöthen, und daher nimmt daſſelbe ſelten No⸗ tiz von ſeinen Sprößlingen, ja weiß nicht einmal etwas von deren Exiſtenz. Unter den Inſekten iſt die Hülfe des männlichen Thieres, wenigſtens was die Ernährung anlangt, noch weit weniger erforderlich; denn nur ſehr wenige Inſekten-Aeltern leben lange genug, um ihre Nachkommenſchaft zu ſehen. Inſekten finden in den meiſten Fällen ihre Nahrung, gleich nachdem ſie aus den Eiern hervorgegangen ſind, es iſt die Hauptſorge der Mutter, ihre Eier an ſolche Stellen zu legen, wo ihre Brut ohne Mühe die geeignete Nahrung finden kann. In der That wird in einigen Fällen der erforderliche Nahrungs⸗Vor⸗ rath von der Mutter geſammelt und an den Ort geſchafft, wo fie die Eier gelegt hat“ ); aber der Vater theilt nie⸗ mals die Mühe, denſelben herbeizuſchaffen oder das Neſt zu erbauen +); während in einigen merkwürdigen Ausnahmen, *) Experiences sur la Generat. 8. Paris, 1828. ) Insect Architecture, 11. 32. van) Ebendaſelbſt S. 45. +) Insect Miscellanies, p. 242. 81 welche Ameiſen und andere Inſekten darbieten, weder Männ⸗ chen noch Weibchen, ſondern eine beſondere, mit den Ernäh— rungsgeſchäft von Natur beauftragte Inſekſen⸗Raſſe für die nothwendige Nahrung der Jungen ſorgt. Was die Vögel anlangt, ſo muß das Futter für die Jungen in den meiſten Fällen aus der Ferne herbeigeholt werden, und eine große Betriebſamkeit iſt erforderlich, um es in hinreichender Menge zu ſammeln, da die Gefräßigkeit der Neſtlinge unerſättlich iſt. Wenn die Brut zahlreich iſt, ſo würde es für das Weibchen allein äußerſt ſchwer, wo nicht gar unmöglich ſein, den erforderlichen Vorrath zu beſorgen. Saatkrähen z. B., welche ihre Jungen mit Käfer-Larven (Maden) und ähnlichen Inſekten füttern, müſſen oft lange und weite Excurſionen von ihren Neſtbäumen machen, ehe fie die nöthige Beute finden können; und wäre dieſes Geſchäft dem Weibchen allein zugetheilt, fo würde es nicht genug zu: ſammenbringen, um ſowohl ſeinen eignen Bedürfniſſen als auch den unaufhörlichen Forderungen von fünf Jungen ge— nügen zu können, da letztere im Verlauf eines einzigen Tages ſo viel verſchlingen, als ſie wiegen. Wenn demnach Saatkrähen, wie dies bisweilen geſchieht, ſpät im Jahre ein zweites Neſt bauen, weil das erſte zer— ſtört worden, ſo wird es ihnen faſt unmöglich, die Jungen aufzubringen, da die Wärme des vorrückenden Sommers den Erdboden austrocknet und Maden und Würmer ſo tief in den ſelben hinabtreibt, daß fie außerhalb des Bereichs der Vogel ſind, die auch übrigens, weil die Operationen des Pflügens und Grabens ziemlich aufgehört haben, wenig Hülfe von den Arbeiten des Menſchen erwarten können. In ſolchen Fällen hat man bemerkt, daß das unaufhörliche Schreien der Jun— gen nach Futter, etwas ſehr Ungewöhnliches bei Neſtlingen, deutlich beweiſt, daß die Anſtrengungen und Beſtrebungen der Aeltern nicht hinreichen, ihnen den ihren Bedürfniſſen erfor— derlichen Nahrungs-Vorrath zu ſchaffen“).“ ) Journal of a Naturalist, p. 257, 3. edit, 82 Wenn alſo ſchon bei vereinter Thätigkeit beider Aeltern die Schwierigkeit groß iſt, ſo läßt ſich leicht abnehmen, um wie viel mehr ſie dies, ſelbſt unter gewöhnlichen Umſtänden, für das Weibchen allein ſein müſſe, vorzüglich da ſeine Kräfte durch die vorhergehenden Anſtrengungen beim Brüten etwas geſchwächt worden find. Während dieſes Prozeſſes iſt die Hülfe des Männchens nicht weniger unerläßlich als beim Füttern der Jungen. | Es liegt am Tage, daß die Henne, während ſie eine Anzahl von Tagen auf den Eiern ſitzen muß, um ſie auszu⸗ brüten, und die ſie, wie wir ſpäter ſehen werden, nicht einmal auf mehrere Minuten verlaſſen kann, ohne Gefahr zu laufen, daß die ſich im Embryonen = Zuftand befindlichen Kügelchen zerſtört werden, unfehlbar entweder ihre ſich entwickelnde Nachkommenſchaft dieſem Unfall ausſetzen oder ſelbſt verhun⸗ gern müßte. Dies darf in der That als der Anfang der dem Hahn obliegenden Arbeiten betrachtet werden; denn wenn er auch beim Neſtbau ein wenig hilft, ſo arbeitet er doch nicht ſo ämſig an dem kleinen Gebäude, als das Weibchen. In dem Falle des Capocier's (Sylvia macroura) erzählt uns Vaillant, er habe beobachtet, daß das Weibchen weit thätiger und ängſtlicher bei Betreibung des Baues iſt als der Hahn, ja daß es dieſen für ſeinen Muͤßiggang und ſeine ausgelaſſene Fröhlichkeit ſogar mit Schnabelhieben beſtraft; während er, um ſich dafür zu (rächen, bisweilen Portionen aus dem Neſte herausreißt“). Abgeſehen daher von der Hülfleiſtung beim Neſtbau, ſo würde das Weibchen offenbar ihren häuslichen Pflichten nicht genügen können, wenn es ſeinen alleinigen Anſtrengun⸗ gen überlaſſen bliebe; wiewohl in Bezug auf polygamiſche (mehrere Weibchen habende) Vögel, wie dies nachmals ge: zeigt werden wird, die eben gemachte Bemerkung nicht ohne einige Modificationen gelten kann. ) Oiscaux d' Afrique, III. 77; Siebe auch die Baufunft der Vögel S. 297. (Leipzig in Baumgärtners Buchhandl.) 35 Der Inſtinkt, oder wie man ihn auch immer nennen mag, welcher Vögel dieſes Erforderniß zu ahnen, vorauszu— ſehen und dafür zu ſorgen treibt, läßt ſich bei den gegenwär— tigen Zuſtand unſers Wiſſens nicht bis zu feinen unmittel— baren Urſachen verfolgen; und wir müſſen uns folglich mit der Kenntniß der beobachteten Thatſachen begnügen, Einige von dieſen Thatſachen ſind nicht wenig intereſſant, vorzüglich wegen der großen Aehnlichkeit der Verfahrungsar— ten von Vögeln mit unſern eigenen, — eine Aehnlichkeit, die ſich keinesweges auf das Thun und Treiben anderer Thier— Claſſen erſtreckt. Man dürfte meinen, daß Raubvögel ſich bei ihrer vor: läufigen Communication anfänglich vor einander fürchten, wenigſtens könnte ein Entomolog leicht etwas der Art vor— ausſetzen, inſofern er aus Erfahrung weiß, daß unter Raub— Inſekten die Männchen, ſogar nach der Paarung, oft von den Weibchen gefreſſen werden. Raubvögel indeß, wiewohl ſie, von Hunger getrieben, nicht anſtehen dürften, ihre eigene Species zu vernichten, werden nicht wie Spinnen von einer, feinen Unterſchied fen: nenden kannibaliſchen Gefräßigkeit getrieben, und obſchon einige von den ſtärkeren und größeren Adlern (Hsliaetus leu- cocephalus, Savigny) und andere ihre Gattungsverwandten verfolgen und zur Auslieferung des Fanges nöthigen, den fie gerade gemacht haben, ſo wüßten wir uns doch keines auf— gezeichneten Falles zu erinnern, daß ein Adler den andern zu feiner Beute gewählt, wie man dies von Spinnen beobach⸗ tet, und wie es unter Fiſchen gewöhnlich iſt. Im Gegentheil ſcheinen die Männchen und Weibchen von Raubvögeln zärtlicher und feſter an einander zu hängen, als die der meiſten übrigen Arten. Sie bleiben nicht nur während der Paarung und Brütezeit beiſammen, ſondern le— ben auch den Reſt des Jahres fortwährend mit einander, ja oft mehrere auf einanderfolgende Jahre hindurch, wenig— ſtens wenn wir der umſtändlichen Erzählung von einem Ad: 84 lerpaare trauen dürfen, welches ſich ſtets an einem und dem: ſelben Ort aufgehalten und geniſtet haben ſoll. VM N 5 A le 2 . 4 u Der weißköpfige Adler oder Seeadler und der Fiſchaar. Es iſt in der That nicht vollſtändig erwieſen, daß die Vögel immer die nämlichen ſind; allein zugegeben auch, es 85 feien nicht die nämlichen, ſondern man habe es hier mit mehreren, nacheinander an derſelben Stelle niſtenden Pärchen zu thun, ſo werden wir doch auf die intereſſante Frage ge— führt, wie das geſtorbene oder verſchwundene Pärchen durch ein anderes erſetzt werde? Wir haben in mehr als einem Falle ein Aelſter- Pärchen auf demſelben Baume eine Reihe von Jahren hindurch niſten ſehen, wo es jedesmal eine Hecke von vier oder fünf Jungen aufbrachte. Dieſe letzteren verſchwanden insgeſammt aus der Nachbarſchaft, — wenigſtens konnten wir keine Vermehrung in der Neſterzahl beobachten. In einem Falle ſahen wir ein Aelſter-Neſt dergeſtalt 10 Jahre nach einander behauptet wer— den ). Die Anzahl der Jungen, welche jährlich in einem ſolchen erblichen Neſte, wie man es nennen könnte, aufge— bracht werden, muß demnach mit der Sterblichkeit dieſer Vö— gel in Folge von Krankheit oder Zufall in Verhältniß ſtehen. Sollte z. B. das Weibchen, welches eben eine Hecke aufgebracht hat, zufälliger Weiſe getödtet werden, ſo muß ſich der Gatte entweder nach einer andern Gefährtin umſehen, oder das Neſt einem ſeiner Nachkömmlinge überlaſſen. Daß erſteres das gewöhnliche Verfahren iſt, wird ſich aus That— ſachen ergeben, die wir ſogleich mittheilen wollen; daß indeß letzteres ebenfalls vorkommen mag, läßt ſich daraus ſchließen, daß die jungen Vögel, wenn ſie ihre Aeltern verlaſſen, ſich ſelbſt irgendwo anſiedeln müſſen, wobei ſie uatürlicher Weiſe die beſte und Re Stelle wählen, die fie ausfindig machen können. Das Fortbeſtehen eines Neſtes an einer und derſelben Stelle mehrere Jahre hindurch iſt noch merkwürdiger in dem Fall von Zugvögeln, als in dem von Aelſtern, welche nicht wandern und ſich ſelten ſehr weit von ihren Brüte-Bäumen entfernen. In einem an den unſrigen ſtoßenden Garten befand ſich das Neſt eines Plattmönchs (Sylvia atricapilla) eine Reihe *) J. Rennie. 86 von Jahren hindurch, und es ging aus demſelben eine Hecke nach der andern hervor, ohne daß ſich eine Zunahme der Be: A, 3 2 IT 8 Der Plattmönch (Schwarz-Mützchen )). völkerung der Species wahrnehmen ließ. Nun hat zwar die⸗ ſer Vogel, der nicht viel größer iſt als ein Zaunkönig und kaum eine halbe Unze wiegt, den ganzen Süden von Euro: pa und einen großen Theil von Nordafrika zu durchwandern, wobei er natürlicher Weiſe zahlreichen Zufällen und gelegent⸗ lichem Mangel an geeignetem Futter ausgeſetzt iſt; allein aus der regelmäßigen Wiederherſtellung jenes Neſtes an derſelben Stelle ergiebt ſich offenbar, daß, wo nicht beide, doch we— nigſtens der eine von den Plattmönchen die weite Reiſe nach und von Afrika eben ſo wohlbehalten zurückgelegt haben mußte als der abgehärtetere und robuſtere Kuckuk oder die mit grö⸗ ßerer Flugkraft begabte Schwalbe. Während des Frühjahrs von 1831 kamen die Platt⸗ mönche, welche wir für die nämlichen Vögel (Individuen) halten, weil ſie ſich immer an denſelben Niſtort halten, un⸗ ) The Black-cap. 87 gewöhnlich ſpät an; denn in einem andern Garten, ungefähr eine halbe Stunde von dem in Rede ſtehenden entfernt, be: fanden ſich, als unſre kleinen Rachbarn aus Süden anlang- ten, bereits Junge in einem ebenfalls erblichen Plattmönchs— Neſte. Als erſtere eintrafen, wurde ihre Aufmerkſamkeit durch den ungewöhnlichen Umſtand in Anſpruch genommen, daß ſie den lauten Geſang eines Rebenbuhlers in der Nähe ihres Gebietes vernahmen. Dies war ein Plattmönch-Hähnchen, welches wir im letzten Herbſte auf dem Vogelmarkt zu Paris gekauft hatten, und um ihm den Genuß der friſchen Luft und des Sonnenſcheins zu gewähren, täglich in ſeinem Käfige im Freien, ungefähr einen Flintenſchuß von ihren gewöhnlichen Niſtorte, aufhingen. Die wilden Vögel ſchienen den kleinen Fremdling durch— aus nicht leiten zu können, und der Hahn flog fortwährend um den Käfig herum, abwechſelnd Neugierde, Furcht, Aerger, herausfordernden Trotz, und triumphirenden Ueber— muth verrathend. Bisweilen hüpfte er von Zweig zu Zweig des nächſten Baumes, ſchweigend und mit der größten Be— gierde in den Käfig ſpähend; mit einem Mal ſchnellt er eine große Strecke weit fort, als fürchte er, auf ähnliche Weiſe eingekerkert zu werden; oder, ſeine Furcht bemeiſternd, ſetzte er ſich auf einen recht in die Augen fallenden Aſt, ſchnappte mit dem Schnabel und rief tſcheck, tſcheck, dem Anſchein nach in heftiger Aufregung; bald darauf ſang er wieder ſeine lauteſten Töne, die entweder eine Herausforderung enthielten oder vielleicht feine Unabhängigkeit und Superiorität aus- drücken ſollten. Unſer Vogel im Käfig mittlerweile war kei— neswegs ein paſſiver Zuſchauer bei dieſem Allen und unter— ließ nie, wenn der andere ſeinen beſten Geſang ertönen ließ, ebenfalls zu ſingen, und ihn, wo möglich, zu übertreffen, da er nicht an ihn kommen konnte, um ſich in einen Zwei— kampf mit ihm einzulaſſen. Dieſe Art von Zänkerei dauerte über eine Woche, indeß zeigte der wilde Vogel nach und nach weniger Eifer, in den Käfig zu ſpähen oder von unſerm Vogel Notiz zu nehmen, 88 ja mit der Zeit näherte er ſich ihm gar nicht mehr, indem ſeine ganze Aufmerkſamkeit jetzt ſeiner Gattin gewidmet war, der er im Neſtbau Beiſtand leiſtete. Es verdient Erwähnung, daß die Plattmönche, wiewohl ſie bei ihrer erſten Erſcheinung, zu dem Garten ihre Zuflucht nahmen, wo das Neſt bisher erbaut worden war, ihre Re⸗ ſidenz zuletzt in einem andern Garten, in einiger Entfernung, aufſchlugen, wozu ſie wahrſcheinlich die Nachbarſchaft unſeres Käfig⸗Vogels, ſo nahe ihrer Behauſung, beſtimmen mochte. Der Ort, wohin ſie ſich begaben, iſt nur ſo weit entfernt, daß wir leicht den Geſang des Hähnchens vernehmen können, und unſer Vogel zeigt ſich nicht minder eifrig, zu antworten, und ſtrengt eben ſo wie früher alle ſeine Kräfte an, jenen im Geſang zu übertreffen; wobei es bemerkenswerth iſt, daß der wilde Vogel ſich um dieſe Nebenbuhlerſchaft nicht weiter zu kümmern, und durch ſeinen Geſang nichts weiter als ſeine und feiner Gattin Unterhaltung zu beabſichtigen fcheint “). Wir glauben aus dieſer kleinen Erzählung den Schluß ziehen zu dürfen, daß, wäre der wilde Platt-Mönch zufällig getödtet worden, die Henne ſich gern mit unſerm, oder irgend einem andern Vogel, der ihr feine Aufwartung gemacht, ge: paart haben würde; denn jedenfalls war es die natürliche Furcht, ſich unſern Vogel von ihr vorgezogen zu ſehen, die den wilden Hahn zu den verſchiedenen leidenſchaftlichen Aus: drücken beſtimmte, wovon oben die Rede geweſen iſt. Dieſen Schluß beſtätigt ſein nachheriges Benehmen, ſo— bald er ſich hinſichtlich der Zuneigung von Seiten ſeiner Ge— fährtin, indem dieſe unter ſeinem Schutz zum Neſtbau ſchritt, geſichert ſah. f Ungefähr um dieſelbe Zeit hatten wir Gelegenheit, das Verfahren einiger andern Käfig⸗Vögel von verſchiedenen Ar: ten in ihren Vorbereitungen zum Brüten zu beobachten. Es iſt eine wohlbekannte Sache, daß Vogelliebhaber häufig Kanarien⸗Vogel⸗Sien mit Hähnen andrer Arten der⸗ *) J. Rennie. 89 ſelben Gattung, oder wenigſtens ſolchen, welche ihnen in Grö— ße und Gewohnheiten am meiſten gleichen, zu paaren pflegen; und da wir zwei dergleichen Hähne in einem Goldfinken und einem Zeiſig (Carduelis spinus, Brisson) beſaßen, ſo ſteck⸗ Zeiſig und Neſt. ten wir beide zugleich mit einer Kanarien⸗Sie in einen großen Hecke-Käfig (Vogelhecke). Es machte uns in der That nicht wenig Spaß, die Anſtrengungen dieſer beiden Vögel zu ſehen, wie ſie ihre Federn aufputzten und ſo laut, als es ihre Kehlen geſtatteten, zu ſingen begannen, gleichſam als wollte einer den andern ausſtechen; ja mehr als einmal ſahen wir dieſelben Futter im Schnabel herbeitragen und es der Kanarien-Henne zum Geſchenk darbieten. Gleich von vorn herein zeigte dieſe indeß einen entſchiednen Widerwillen gegen den Goldfinken, wiewohl fein Gefieder weit ſchöner war als das feines Neben: buhlers, und ob er gleich an Glanz und Lüſtre der Farben 90 alle andre Vögel feiner Species, welche uns je zu Geſicht gekommen, übertraf, während der Zeiſig, abgeſehen von ſei— nen weniger lebhaften Farben, den Schwanz verloren hatte und übrigens kahlköpfig war, indem er die Gewohnheit hatte, ſeinen Kopf gegen die Drähte des Käfigs zu reiben. Trotz allen dieſen Mängeln des Zeiſigs in ſeinem per— ſönlichen Erſcheinen, wozu noch feine geringere Virtuoſität im Geſange kam, (der auch durch den harten gackernden Ton beeinträchtigt wurde, welchen er feinen melodiereichſten Paſſa⸗ gen als Finale anzuhängen pflegte, und der gegen den mun— tern melodiſchen Pfiff des Goldfinken-Finale's gewaltig ab— ſtach) wurde letzterem für ſeine Bewerbungen nichts zu Theil als ein lautes Schelten oder bisweilen tüchtige Schnabelhiebe, denn die Kanarien-Sie war bei weitem der ſtärkere Vogel, und verfehlte ſelten, ihn die Schärfe ihres Schnabels em— pfinden zu laſſen. „Weil nun der Zeiſig offenbar der begünſtigte Liebhaber war, ſo nahmen wir den Goldfinken wieder aus der Hecke heraus; da jedoch fein Käfig in der Nähe derſelben aufge: hängt wurde, ſo fuhr er fort, alle jene Gebehrden zu machen, die ihm doch ſo wenig genützt hatten. Aber der Zeiſig, ganz dem bereits erwähnten wilden Plattmönch ähnlich, ließ als— bald in ſeinen Anſtrengungen, zu gefallen, bedeutend nach, und, obſchon während des nun folgenden Brüte-Geſchäfts nicht unaufmerkſam, nahm er ſich doch ſelten die Mühe, mit dem Goldfinken im Geſange zu wetteifern, ſondern zwit— ſcherte mit halb unterdrückter Stimme, gleichſam als wollte er zeigen, daß er ſich wenig darum kümmere, wie ſchön oder wie laut fein alter Nebenbuhler jetzt fingen möchte ). Mantagu war der Meinung, daß Vögel, die ſich noch nicht gepaart, ohne Unterlaß umherwandern, bis ſie eine Gattin gefunden, und er fügt zur Unterſtützung dieſer Anſicht mehrere bemerkenswerthe Thatſachen an, die unter ſeine Beobachtung fielen. *) J. Rennie. 91 Was die Nachtigall anlangt, ſo beginnt das Männchen, deſſen Töne ungefähr zu Ende Juni's verſtummen, wenn ihm ſeine Gattin durch Zufall getödtet worden, ſeinen Ge— ſang von neuem und fährt bis ſpät im Sommer oder ſo lange damit fort, bis es eine neue Gefährtin gefunden hat. „Davon,“ fährt Montagu fort, „haben wir uns überzeugt, indem wir das Weibchen nebſt dem Neſte weg— nahmen, warauf das Hähnchen ſeine gewöhnlichen lauten Töne von neuem vernehmen ließ, welche ein anderes no chen herbeilodten, + Es dürfte in der That ſcheinen, als habe die Natur bei Vögeln, welche paaren, eine ziemlich gleiche Anzahl bei— der Geſchlechter hervorgebracht; allein deſſenungeachtet, findet, falls der Hahn oder die Henne vor dem Brüten getödtet wird, der übriggebliebene Vogel einen zweiten Lebensgefährten. Der Hahn der wandernden Arten verlaſſe niemals, glaubt Montagu, den Platz, wo er zuerſt ſeinen Wohnſitz aufge— ſchlagen, ſondern locke durch ſeinen Geſang die Weibchen da— hin; und daher hält er es für wahrſcheinlich, daß ſolche Weibchen, die noch nicht gepaart oder ihren Gatten durch Zufall verloren, in Aufſuchung eines andern Hähnchens umherwandern. Wenn es uns erlaubt iſt, von einem im Käfig einge ſperrten Vogel zu ſchließen, ſo fühlen wir uns geneigt, den Umſtand, daß der Hahn von Zugvögeln einen Niſteplatz auf— ſuche und daſelbſt ſinge, bis er eine Sie herbeigelockt, in Zweifel zu ziehen. Unſer eingekerkerter Plattmönch, deſſen wir ſchon erwähnt, ſchien durch ganz andere Gefühle ange— regt zu werden, denn er fuhr fort, die Luſt zum Wandern durch ungeduldiges nächtliches Hin- und Herhüpfen in ſeinem Käfig, lange, ehe noch ſeine freien Brüder und Schweſtern in der Gegend angelangt waren, an den Tag zu legen. Seine unruhigen Bewegungen begannen genau am erſten April, ob wir gleich an dem nämlichen Tage den Geſang von drei oder vier neuerdings angekommenen Plattmönchen im Garten vernahmen; auch war bereits vor einer Woche 92 ein ſolcher Vogel in der Nachbarſchaft bemerkt worden. Es verdient überdies Erwähnung, daß unſer Vogel ſchon vor Weihnachten zu ſingen angefangen hatte, wodurch er doch keines Falls die Herbeilockung eines Weibchens bezwecken konnte. Was aber vorzüglich für unſre Meinung ſpricht, iſt, daß feine Wander-Bewegungen (migratory agitation) nicht eher als den zehnten Juni aufhörten, und er hüpfte in der Nacht des neunten eben ſo unabläſſig umher als zu Anfange, am erſten April. Wenn wir auch nun, weil die Gefangenſchaft im Käfig kein natürlicher Zuſtand iſt, nicht mit Gewißheit aus den damals vorkommenden Umſtänden ſchließen können, ſo ſcheint es doch ziemlich ansgemacht, daß unſer Vogel, wäre er frei geweſen, jede Nacht in ſeinen Wanderungen und einen Theil des Tages, wie er dies wirklich that, (denn er ſchlief nur gelegentlich einige Minuten), in ſeinem Geſange, ſo lange, bis er eine Gattin gefunden, fortgefahren haben würde ). Einen dem von Montagu angeführten ähnlichen Fall hat Profeſſor Kalm aufgezeichnet. „Ein Schwalben-Pär⸗ chen,“ ſagt dieſer, „baute ſein Neſt in einen Stall, und das Weibchen legte Eier in das Neſt und war damit be⸗ ſchäftigt, ſie auszubrüten. Einige Tage ſpäter ſah man das Weibchen immer noch auf den Eiern ſitzen; aber das Männ⸗ chen flatterte um das, Neſt herum, ſetzte ſich bisweilen auf einen Nagel nieder und ließ herzzerreißende Klagelaute ver⸗ nehmen, welche ſein inneres Leiden verriethen. Bei näherer Unterſuchung fand man die Sie todt im Neſte, man warf den kleinen Leichnam heraus. Das Männchen begab ſich darauf hinein und ſetzte ſich auf die Eier; allein nachdem es etwa zwei Stunden geſeſſen, und weil es vielleicht dieſes Ge⸗ ſchäft zu mühevoll und beſchwerlich für ſich fand, verließ es das Neſt und flog davon, kehrte jedoch des Nachmittags mit einem andern Weibchen zurück, welches ſich auf die Eier ) J. Rennie. a 95 feßte und nachmals die daraus hervorgegangenen Jungen fo lange fütterte, bis dieſe für ſich ſelbſt ſorgen konnten“). Daß es aber nicht der Hahn allein iſt, welcher folcherge: ſtalt vermag, eine neue Sie herbeizuſchaffen, geht aus Whi: te's Bemerkungen hervor. Unter den monogamiſchen (in Pärchen lebenden) Vögeln, ſagt derſelbe, „kann man nach der Paarungszeit mehrere einzelne und von jedem Geſchlecht finden; allein ob dieſer Zuſtand von Cölibat (Eheloſigkeit), Sache freier Wahl oder der Nothwendigkeit iſt, läßt ſich nicht leicht ausmitteln. Wenn die Hausſperlinge meine Mauerſchwalben (martins) ihrer Ne⸗ ſter berauben ), ſorgt, fo oft ich einen derſelben erſchießen laſſe der andere, ſei es Hahn oder Henne, auf der Stelle für ei: nen neuen Gefährten, und dies mehrere Male nach einander. „Ich erinnere mich eines Taubenhauſes, welchéẽs den Angriffen und Räubereien eines Paares weißer Eulen aus: geſetzt war, die große Verheerungen unter den jungen Tau— ben anrichteten. Eine von den Eulen wurde bei der erſten beſten Gelegenheit erſchoſſen; allein die überlebende fand bald eine neue Gefährtin, und die Verheerung dauerte fort. Nach einiger Zeit gelang es, das neue Paar zu vernichten, worauf die Plage ein Ende hatte. „Ein andrer Fall, deſſen ich mich hier ebenfalls erinnere, rührt von einem Jäger her, deſſen Eifer ſich Wildpret zu ver: ſchaffen, größer war, als ſeine Menſchlichkeit; dieſer ſchoß nach der Paarungs⸗Zeit den Hahn jedes Rebhühner-Pärchens auf ſeinem Revier, in der Meinung, daß die Jalouſie mehrerer Männchen dem Brüte⸗-Geſchäft Abbruch thue. Er pflegte zu ſagen, daß, obgleich er die nämliche Henne mehrere Male zur Wittwe gemacht, dieſe doch ſtets einen neuen Liebhaber ſich zu verſchaffen gewußt, der ſie nicht von ihrem gewöhn— lichen Aufenthaltsorte weggeführt habe“ ). ) Travels in Amerika. *) Nat. Hist, of Selborne, letter 34. 94 In Widerſpruch mit dieſer Theorie ſteht ein Beiſpiel, berühmt ſeit den früheſten Ztiten als ein wahres Muſter von ehelicher Liebe und Treue, nämlich die Turteltaube. Die ſchwarze oder dunkelfarbige Turteltaube ſoll von den Aegyptern als Symbol (Hieroglyphe) keuſcher Wittwenſchaft benutzt worden ſein, indem man geglaubt, daß, wenn Gatte oder Gattin eines Pärchens getödtet worden, keins von beiden jemals eine neue eheliche Verbindung eingehe. ö „Sie (die Tauben) ſind,“ ſagt Plinius, „vor allen übrigen Thieren keuſch, und kein Gatte kennt den Ehebruch. Sie verletzen die eheliche Treue nicht, haben eine gemein⸗ ſchaftliche Wohnung, und nur ein eheloſer Tauber oder eine Wittwe verläßt das Neſt. Man ſagt von den Männchen, daß ſie herrſchſüchtig, auch wohl boshaft ſind, und oft einen Ehebruch argwhönen, wenn er auch der Natur nach nicht ſtatt findet. Alsdann iſt ihre Kehle voll von Klagen, und ſie hauen unbarmherzig mit dem Schnabel, aber bald folgt der Verſöhnungskuß, und der um Liebe flehende Tauber, geht um ſeine Taube ſchmeichelnd vielmals im Kreiſe herum. Beide Gatten haben für die Jungen eine gleich ſtarke Liebe, welche öfters zu einer Art von Beſtrafung Anlaß giebt, wenn das Weibchen die Jungen nicht fleißig genug beſucht. Legt fie, fo wird fie vom Männchen getröſtet und bedient). Die Dichter folgen natürlicher Weiſe derſelben Anſicht, und daher ſtoßen wir von Ovid und Dante) an bis auf unſre Zeiten herab auf Vergleichungen und Anſpielungen, die davon abgeleitet ſind, gleich als wäre die Sache außer allen Zweifel geſetzt. Allein wie weit die Behauptung, daß Tauben auf die angegebne Weiſe handeln, von der Wahrheit entfernt liegt, kann leicht von einem jeden nachgewieſen werden, der ſich auf eine Widerlegung derſelben einlaſſen will, und geht auch ) Plin. Hist. Nat. lib. X. p. 52. ) Inferno , Cant. 5, 95 aus Umſtänden hervor, welche man in den eben angefuͤhrten Schriftſtellern ſelbſt erwähnt findet. Ariſtoteles z. B., wiewohl er an einer Stelle Winke fallen läßt, welche für ſein Einverſtändniß mit der allgemei— nen Anſicht ſprechen, ſagt an einer andern, daß er Tauben ihre Gatten habe verlaſſen ſehen. Uebrigens iſt es jedem, der Tauben gehalten hat und noch hält, ein wohlbekannter Umſtand, daß dieſe Vögel ſich leicht von ihren Taubenſchlägen nach andern weglocken laſſen, und ſo ihren Beſitzern verloren gehen. „Einige,“ ſagt Plinius, wo er die Mittel erwähnt, deren ſich Taubenliebhaber bedienen, „um dieſe Vögel in ihren Taubenhäuſern zu erhalten, ſchneiden ihnen in dieſer Abſicht die Flügelglieder mit einem ſcharfen goldnen Inſtrument (denn ſonſt iſt die Wunde allemal gefährlich) ein. Es ſind dieſe Vögel übrigens ſehr geneigt, ſich bald hier bald da aufzu— halten und verſtehen auch die Kunſt, andere durch Schmei— cheleien und Liebkoſungen auf ihre Seite zu bringen und an ſich zu locken und entführte Gefährten mit nach Hauſe zu nehmen).“ Alles dieſes ſteht in offenbarem Widerſpruch mit dem, was dieſer Schriftſteller auf der vorhergehenden von uns ebenfalls angeführten Seite des nämlichen Werkes ſagt. Ray erzählte dem berühmten Buffon ebenfalls, daß trotz der gerühmten ehelichen Treue und Beſtändigkeit der Turteltaube, oftmals die Weibchen von ſolchen, die in Vo— lieren eingeſperrt geweſen, mit allen Mänchen ohne Unterſchied gelebt hätten. Ja Ray behauptet ſogar, er habe wilde Turteltauben beobachtet, welche auf einem und demſelben en bar falſch. Wir ſtoßen indeß unter andern Vögeln auf zärtliche ) Plin. Hist. Nat. X. 52, ) Oiseaux, Art, Tourterelle. 96 Gattenliebe, welche wohl verdient, erwähnt zu werden; wir wollen daher ein Beiſpiel dieſer Art mittheilen, welches uns Bingley von einem Pärchen des äthiopiſchen Papageys, (Psittacus pullarius) nach Bonnet erzählt. „Sie haben eine außerordentliche Zuneigung zu einan⸗ der, und es iſt merkwürdig, daß ſich das Männchen dem Weibchen zur Rechten ſetzt. Dieſes macht ſelten einen Ver⸗ ſuch vor jenem zu freſſen. „Das, was Bonnet von einem Pärchen dieſer Art mittheilt, welches er beſaß, liefert zugleich einen ſtarken Be⸗ weis von dem hohen Grade von Betrübniß, deren das Thier fähig iſt. „Dieſe beiden Vögel,“ ſagt Bonnet, waren in einem viereckigen, für ſie paſſenden Käfig, das Trögelchen ſtand auf dem Boden deſſelben. Das Männchen ſaß faſt immer dem Weibchen zur Seite auf derſelben Stange; ſie hielten ſich dicht an einander, und blickten ſich oft mit einer Art von Zärtlichkeit an. Entfernten ſie ſich von einander, ſo geſchah es nur auf einige Augenblicke; ſie ſetzten ſich bald wieder zuſammen und dicht an einander. Sie fraßen mit einander und flogen bald wieder auf die oberſte Stange zu⸗ rück. Von Zeit zu Zeit ſchienen ſie ſich mit leiſer Stimme zu unterhalten; ſie ließen auch bisweilen allerlei veränderte höhere und tiefere Töne vernehmen, bisweilen ſchienen ſie ſogar mit einander zu zanken, was aber bald vorüber ging und ſich jeder Zeit mit neuen Liebkoſungen endigte. Dieſe glücklichen Gatten brachten auf beſagte Art vier Jahre hin; aber nach Verlauf dieſer Zeit fingen die Beine des Weib- chens an zu ſchwellen, und es wurde ſo ſchwach, daß es nicht mehr zum Troge herunter kommen konnte, aber das dienſt⸗ fertige Männchen trug ihm Nahrung zu und fütterte es vier Monate lang mit dem Schnabel. Die Schwachheiten des Weibchens nahmen mit jedem Tage zu, und verurſachten, daß es nicht mehr auf die Stange fliegen konnte, ſondern ſich unten auf den Boden niederſetzen mußte, und nur bis: weilen aber vergebens verſuchte, auf die Stange zu kommen. Das Männchen ſtand ihm aus allen Kräften bei. Bald er: 97 griff es mit dem Schnabel den obern Theil feines Flügels, um es auf die Stange zu ziehen, bald faßte es daſſelbe am Körper mit dem Schnabel und half ihm mit wiederholter An— ſtrengung. Seine Bewegungen, Geberden, beſtändige Be— mühung, kurz, alles zeigte bei dem Vogel das dringende Ver— langen an, der Schwachheit feiner Gattin zu Hülfe zu kom— men. Der Anblick wurde aber erſt recht rührend, als das Weibchen auf dem Puncte war, zu ſterben. Das unglückli— che Männchen lief unaufhörlich um ſeine ſterbende Gattin herum, es verdoppelte ſeinen Eifer und ſeine zärtliche Sorg— falt, es verſuchte ihr den Schnabel zu öffnen und Nahrung hineinzubringen. Seine Aengſtlichkeit nahm mit jedem Au— genblick zu; es lief mit der größten Unruhe hin und her, es gab bisweilen ein klagendes Geſchrei von ſich und heftete ſo— dann ſeine Blicke auf das Weibchen mit einem tiefen Still: ſchweigen. Es war unmöglich dieſe Ausdrücke des Schmerzes, ich möchte faſt ſagen, der Verzweiflung zu verkennen, und das unempfindlichſte Herz hätte dabei gerührt werden müſſen. Endlich ſtarb das Weibchen, das Männchen verfiel in an— haltende Betrübniß und lebte nur noch einige Monate ). ) Bingly, Anim. Biog. II. 224. (Bonnet's Betrachtungen über die Natur, 2. Bd. S. 207 und 9. Fünftes Kapitel. Eigenheiten beim Paaren. Es giebt einige Vogel-Arten, bei welchen die Hülfe des Männchens ſowohl während des Brütens als auch zur Her— beiſchaffung von Futter für die Jungen weniger nothwendig iſt, als bei denen, deren Gewohnheiten wir in dem vorherge— henden Kapitel beſchrieben haben. Bei ſolchen Arten iſt häus: liche Zuneigung weit weniger bindend und kann in einigen Fällen gar nicht als vorhanden betrachtet werden. So haben wir z. B. niemals Kuckucke in Paaren zuſammen leben ſehen, wiewohl einzelne Vögel dieſer Art den ganzen Som: mer über in beträchtlicher Menge vorkommen; und unter den Hausvögeln ſieht man den Pfauhahn ſelten in Geſellſchaft mit der Pfauhenne. Der Truthahn kann in der That durch künſtliche Mittel leicht dahin gebracht werden, mit der Truthenne in Geſell⸗ ſchaft zu freſſen; allein was den letzteren Vogel anlangt, ſo findet im wilden Zuſtande gerade das Gegentheil ſtatt. Als ein Contraſt von dem, womit wir durch Erfahrung vertraut find, dürfte eine Skizze von den ſeltſamen Gewohn- heiten des Truthahns, wie fie in feinen heimathlichen Wäl- dern von Audubon, Charles Bonaparte und den früheren Reiſenden in Amerika beobachtet worden ſind, dem Leſer nicht unwillkommen ſein. Etwa zu Anfange Oetobers wandern die Truthühner, jung und alt, von ihren Brüte-Diftriften nach den reichen fetten Landſtrichen in der Nähe der Flüſſe Ohio und Miſſiſ— ſippi. Die Männchen (von den Amerikanern Gobblers 99 genannt) geſellen ſich zuſammen und weiden in Trupps von zehn bis hundert, getrennt von den Weibchen, welche biswei— len einzeln aufbrechen, bisweilen aber auch in Begleitung ih— rer Jungen oder zu Familien vereinigt, eine Bande von 70 bis 80 Stück bildend. Alle dieſe zeigen eine Furcht vor den alten Hähnen und ſind beſtändig auf ihrer Hut, um ſie zu ver— meiden; denn obſchon die Jungen erſt ungefähr zwei Drittel Wilder Truthahn und ſein Junges. ihres Wachsthums erreicht haben, ſo ſcheinen ſie doch von den Männchen bereits als Nebenbuhler betrachtet zu werden, und ſo oft ſich den alten Hähnen eine Gelegenheit darbietet, fallen ſie über die Jungen her und tödten dieſelben nicht ſel— ten durch wiederholte Schnabelhiebe auf den Kopf. Gegen die Mitte Februars oder frühzeitig im März beginnen die Truthühner, ſich zum Brüten vorzubereiten. Die 5 100 Weibchen weichen anfangs den Männchen aus und werden von dieſen, welche ihr eigenthümliches kollerndes Geſchrei aus— ſtoßen, eifrig verfolgt. Des Nachts ſchlafen beide Geſchlech— ter abgeſondert, jedoch in der Regel nicht ſehr weit von ein— ander entfernt. Wenn ein Weibchen von ungefähr ſeinen Lock-Ruf vernehmen läßt, antworten alle Männchen mit Tau: ter Stimme, indem ſie ein kollerndes Geſchrei von ſchnell auf: einander folgenden Tönen ausſtoßen, als hätten ſie die Abſicht, den letzten Ton zugleich mit dem erſten von ſich zu geben, — ziemlich auf die nämliche Weiſe, wie der zahme Truthahn, wenn er auf ein ungewöhnliches oder häufig wiederholtes Ge— räuſch antwortet, — aber nicht mit ausgebreitetem Schwanze und ſtolzirendem Gange, als wenn ſie auf der Erde um die Weibchen umherflattern, oder die nämlichen Bewegungen des Morgens auf den Aeſten der Schlaf-Bäume (roost trees) aus⸗ üben. Wenn ihre Zahl beträchtlich iſt, ertönen die Wälder bisweilen von einem Ende zum andern meilenweit von dem ſonderbaren Geſchrei der Truthähne, welches von den Schlaf— Orten aus über eine Stunde lang in abwechſelnden Antwor— ten ununterbrochen fortdauert. Alles wird darauf wieder ruhig, bis ſie mit Aufgang der Sonne ſtillſchweigend von ih: ren Schlaf-Bäumen herabſpringen und mit ausgeſpreiztem Schwanze und herabhängenden Flügeln einherzuſtolziren be- ginnen. Wenn der Lockruf der Truthenne vom Erdboden empor ſteigt, fliegen alle Hähne in der Nachbarſchaft ſogleich nach dem Orte hin. In demſelben Augenblick, wo ſie ihn errei— chen, ſie mögen nun die Henne wahrnehmen oder nicht, rich— ten ſie ihre radartig ausgebreiteten Schweife empor und wer— fen den Kopf rückwärts zwiſchen die Schultern, die zu glei— cher Zeit gehoben erſcheinen, ſie ſchwellen ihren Kamm und ihre Fleiſchlappen an, ſenken die Flügel mit einer zitternden Bewegung und einem raſſelnden Geräuſch, wobei ſie ſich brüſtend und mit großem Pomp einherſtolziren und von Zeit zu Zeit mit einem eigenthümlichen Gepolter Luft aus den Lungen 101 hervorſtoßen. Nach kurzen Zwiſchenzeiten ſieht man ſie ſtill ſtehen und rings umherlauſchen und ſpähen; allein ſie mögen nun das Weibchen entdecken oder nicht, ſo kehren ſie zu ihrem Einherſtolzieren und Blaſen zurück, wobei ſie ſich ſo ſchnell bewegen, als es die Beſchaffenheit ihres Ganges und ihre Begriffe von Ceremoniel zu geſtatten ſcheinen. Wenn die Männchen bei dergleichen Bewegungen auf einander ſto— ßen, wie dies oft vorfällt, ſo erfolgen wüthende Kämpfe, die ſich blos mit der Flucht oder dem Tode des Beſiegten en— digen, und manches Leben geht verloren. „Es hat mir oft,“ ſagt Audubon, „wenn ich zwei Männchen im wüthenden Kampfe mit einander beobachtete, Spaß gemacht, zu ſehen, wie ſie ſich einer um den andern vor und rückwärts bewegten, je nachdem einer oder der andere die Oberhand gewannen, und zwar mit herabhängenden Flü— geln, den Schweif zum Theil emporgerichtet, die Federn am Leibe emporgeſträubt, und die Köpfe mit Blut bedeckt. Läßt einer, wenn ſie dergeſtalt mit einander ringen und nach Luft ſchnappen, feinen Halt fahren, fo iſt es um ihn ge: ſchehen; denn der andere, ihn immer noch feſt gepackt hal— tend, ſchlägt ihn heftig mit Sporen und Flügeln und bringt ihn in wenigen Minuten zu Boden. Gleich nachdem er todt iſt, tritt ihn der Sieger unter ſeine Füße; allein was ſonder— bar iſt, nicht mit Haß, ſondern mit allen jenen Geberden und Bewegungen, die er bei Liebfofung des Weibchens an den Tag legt *), Wenn ſich Truthahn und Truthenne begegnen, eröffnen beide die Ceremonien mit Brüſten, Einherſtolzieren und Ent— falten der Flügel, ſo daß man an die ſteifen und pomphaften Bewegungen erinnet wird, wodurch ſich die ſtattlichen Me— nuetts an den ehemaligen Höfen von St. James und Ver— ſailles auszeichneten. Iſt endlich die Partie von beiden Seiten annehmlich befunden worden, ſo ſcheint das zärtliche Verhältniß das ganze Jahr hindurch zu dauern, wiewohl der ) Ornithol. Biogr. p. 4. 102 Hahn keineswegs feiner Gattin beftändig treu bleibt und kein Bedenken trägt, bei ſich darbietender Gelegenheit ſeine Aufmerkſamkeiten andern Truthennen zu bezeigen. Sind aber die oben geſchilderten Präliminarien beſeitigt, ſo folgen die Hennen ihrem Lieblings-Hahn und ſchlafen mit ihm auf einem Baume oder wenigſtens in deſſen unmittelbarer Nachbarſchaft, und dies bis zur Lege-Zeit, wann die Henne zu jeder Liſt ihre Zuflucht nimmt, um ihre Eier vor dem Männchen zu vers bergen, welches dieſelben ſtets zerbricht, um, wie behauptet wird, zu verhüten, daß ſie ſich feiner Geſellſchaft ent: ziehe, indem ſie dem Brüte-Geſchäft obliege. Während dieſer Periode meidet die Henne das Männchen den größten Theil des Tages hindurch; letzteres wird mürriſch und unaufmerk— ſam, begegnet den andern Männchen ohne Jalouſie, und das Kollern (Kodern) und Brüſten, welches früher ſtatt fand, hat ein Ende. 8 „Truthähne, wenn fie auf den Bäumen ſchla— fen,“ ſagt Audubon, „blaſen bisweilen die Federn auf und kollern, allein häufiger und in der Regel habe ich ſie ihren Schwanz ausſpreizen und aufrichten und Luft aus den Lungen ausſtoßen ſehen, worauf ſie den Schwanz und an⸗ dere Federn ſogleich ſenkten. In ſternhellen Nächten, oder wenn der Mond ſcheint, machen ſie dieſe Bewegungen nach Zwiſchenzeiten von wenigen Minuten, mehrere Stuuden hin— durch, ohne ihre einmal eingenommene Stelle zu verlaſſen, in der That bisweilen ohne ihre Beine zu erheben, vorzüg— lich gegen das Ende der Brütezeit „Die Männchen werden dann äußerſt mager und hören auf zu kollern, ihr Bruſt-Schwamm (breast-sponge) wird flach. Sie trennen ſich alsdann von ihren Hennen, und man möchte glauben, daß ſie ganz aus deren Nähe geflohen. „Zu ſolchen Zeiten habe ich ſie bei einem Tümpel an einer einſamen Stelle der dichten Wälder und Nohrdidichte gefunden, wo ſie den Nahenden oft bis auf wenige Schritte an ſich herankommen laſſen. Sie ſind zu dieſer Zeit unver— mögend zu fliegen, laufen aber ſehr ſchnell und beträchtlich 105 weit. Ein langſamer, zur Jagd auf Truthühner abgerichte: ter Hund hat mich oft ſtundenweit geführt, ehe ich wieder auf den nämlichen Vogel ſtieß. „Dergleichen Jagden unternahm ich nicht in der Abſicht, den Vogel zu tödten, denn zum Eſſen würde er zu dieſer Zeit nicht getaugt haben, auch war er überdieß mit Zecken (Ungeziefer) bedeckt; ſondern um mich mit ſeinen Gewohnhei— ten bekannt zu machen. Die Hähne ziehen ſich dergeſtalt an einſame Orte zurück, um Fleiſch und Kräfte wieder zu erlan- gen, indem ſie mittelſt einer beſondern Grasart purgiren und ſich weniger umher bewegen. Sobald ſie etwas an Kräften ge— wonnen, kommen ſie wieder zuſammen und beginnen ihre Streifzüge von neuem *). Aehnliche Gewohnheiten kommen nicht ſelten auch unter andern dieſer Vögel-Gruppe (Rasores, Illiger) angehörigen Arten vor. Allein mehrere derſelben paaren auf die ge— wöhnliche Weife. Einige aus der Haſel-(Wald-) Hühner: Familie (Tetraonidae, Lea ch) find polygamiſch, andere da— gegen monogamiſch. Das Waſſerhuhn (Tetrao scoticus) z. B. betreffend, wel— ches bisweilen ſchon im Januar paart), haben wir die Bemerkung gemacht, daß Hahn und Henne den größeren Theil des Sommers über zuſammenhalten. Wir haben desgleichen Gelegenheit gehabt, die polyga— miſchen Sitten des Birkhuhns (Tetrao tetrix) zu beobachten, welche denen des wilden Truthahns ziemlich gleich kommen, inſofern die Männchen im Herbſte ſich zuſammengeſellen und in Abtheilungen von Dutzenden und darüber in Glendaruel und andern waldigen und ſumpfigen Niedrigungen der weſt— lichen Theile des ſchottiſchen Hochlandes geſehen werden können. „Mit dem Herrannahen des Frühlings beginnen indeß dieſe Thiere, welche den Winter in verträglicher Gemeinſchaft ) Ornith. Biogr. p. 5. *) Selby, Illustrations, p. 308. 104 mit einander zugebracht haben, allmälig reizbar und zornſüch⸗ tig zu werden, und fie trennen ſich nicht nur mit gegenfeiti- ger Uebereinſtimmung, ſondern legen auch Groll und Feind: ſeligkeit an den Tag, fo oft fie mit einem ihrer früheren Ge— fährten zuſammentreffen. Jeder Hahn wählt ſich einen beſon⸗ deren Ort, über den er unumſchränkte Herrſchaft ausübt; und wagt ſich ein Nebenbuhler in ſein Gebiet, ſo muß er entweder den erſten Anſiedler beſiegen, oder mit feiner Nieder: lage und oft mit dem Tode für ſeine Anmaßung büßen. Damit jedoch kein Fremdling aus Unkenntniß ſein Gebiet betrete, macht er Grenzen von letzterem und fein Recht darauf durch lautes Krä— hen bekannt, vorzüglich des Morgens, wenn die Vögel ihre Schlafſtellen verlaſſen, um ſich für den Tag mit Futter zu verſorgen. Das Geſchrei des Vogels warnt indeß nicht blos ſeine Nebenbuhler, das von ihm erkohrne Gebiet zu betreten, ſondern ladet zu gleicher Zeit ſolche Weibchen, die es zufällig vernehmen, ein, ſich zu ihm zu begeben, wo er ſie mit ſtol⸗ zierendem Schritt und mit herabhängenden Flügeln und Schwanze, einigermaßen ſo, wie wir dies oben vom Truthahn gezeigt haben, empfängt“). Während der Paarungs- Periode wird die Haut ſei⸗ ner Augenbrauen außerordentlich roth, und das ganze Ge— fieder zeigt bei ihm einen größre Farben-Lüſtre““) als bei an⸗ dern Vögeln. Zu Anfange des Mai's beginnen die Hennen zu legen. Eine andere Art, das canadiſche Haſel-Huhn (Tetrao um- bellus) verfährt ziemlich auf die nämliche Weiſe; wiewohl der Ruf des Hahns, wie ihn Au dubon *) und Wil: fon +) beſchreiben, ganz eigenthümlich iſt. Wenn ein fremder Reiſender durch die einſamen Wal⸗ dungen, worin ſich das canadifche Haſelhuhn in Menge aufs ) J. Rennie. **) Selby Illustrations, p. 205. N Ornith. Biog. p. 215. +) Wils, Am, Ornith. VI. 46. 105 hält, feinen Weg nimmt, wird fein Ohr plötzlich durch eine Art von puffendem (bumſenden) Schall überraſcht, gleich als wenn Das canadiſche Haſel-Huhn?). zwei mit Luft angefüllte Blaſen heftig gegen einander geſchla— gen würden, aber jener iſt weit lauter. Anfangs ſind die Schläge deutlich und langſam, allein nach und nach nehmen ſie an Häufigkeit und Schnelligkeit zu, bis ſie zuletzt in einander verlaufen, gleich den Trommelgewirbel oder dem Rollen des weit entfernten Donners, welches allmälig in dem Ohre er— ſtirbt. An heitern ſtillen Tagen kann man dieſes Trommeln eine halbe Stunde weit vernehmen. Es wird aller drei bis vier Minuten wiederholt. *) The Ruffed Grouse, 106 Diefe Vögel beginnen ihr Trommeln zeitig im April; unmittelbar nach Tagesanbruch fangen ſie damit an und er— neuern es gegen Einbruch der Nacht. Der Hahn ſteht, wenn er trommelt, gewöhnlich 4 einem kleinen Hügel oder Erdhöcker oder auf einem gefällten Baume, an einem einſamen oder geſchützten Orte; er richtet ſich ſtolz empor, ſträubt fein Gefieder, ſenkt feine Flügel, er: hebt ſeinen Schweif, zieht die Kehle ein, ſchwellt die bei— den Feder⸗Büſche am Nacken zu einer Art von Krauſe an und bläſt ſeinen ganzen Körper auf, wobei er ſich brüſtet und mit großer Stattlichkeit auf dem Beine im Kreiſe herumdreht. Unter dieſen vorläufigen Geſtieulationen vergehen einige Se⸗ eunden, worauf er alle feine Federn feſt an den Leib anzieht und, indem er ſich ausſtreckt, feine Seiten mit geſteiften Flü⸗ geln raſch und ſchnell nach einander zu ſchlagen beginnt, eini⸗ germaßen nach Art des Haushahns, aber viel lauter und, nach einigen langſamen Schlägen zu Anfange, mit weit ra⸗ ſcherer Bewegung, ſo daß ein rollendes Getös gleich dem fernen Grollen des Donners bewirkt wird. i Dieſes Geräuſch täuſcht ſehr leicht, indem es meiſten— theils weit näher erſcheint, als es wirklich iſt, jedoch reicht es hin, den Jäger an Ort und Stelle zu führen. „Während des Frühlings,“ ſagt Au dubon, „und gegen den letzten Theil des Herbſtes, zu welchen beiden Zei— ten man das canadifhe Waldhuhn in den Wäldern, wo es ſeinen Aufenthalt hat, von verſchiedenen Seiten her trommeln hört, habe ich manchen ſchönen Hahn erlegt, und zwar mit⸗ telſt Nachahmung des Getöſes, welches er durch das Schla— gen feines Leibes mit den Flügeln bewirkt, wozu ich mich, einer großen mit Luft angefüllten Rindsblaſe bediente, auf die ich mit einem Stocke ſchlug, ſo viel als möglich daſſelbe Tempo beobachtend, in welchem der Vogel feine Schläge führt. Wenn der männliche Vogel das durch die Blaſe und den Stock bewirkte Getrommel vernahm, flog er, von Eifer⸗ ſucht entflammt, gerade auf mich los, und ſo konnte ich ihn, vorbereitet wie ich war, ohne große Mühe ſchießen. 107 „Einer in gleichem Grade glückenden Lift bedient man ſich zur Täuſchung unſers kleinen Rebhuhns, indem man den Lockruf des Weibchens während des Frühjahrs oder Som— mers nachahmt; aber niemals, ſo oft ich es auch verſucht habe, iſt es mir gelungen, das Ohr-Waldhuhn “) (Tetrao cupido) durch Nachahmung des brauſenden Getöns (booming sounds) welches dieſer Vogel vernehmen läßt, an mich zu locken ).“ i Der Bericht über das Balzen (Paaren) des Ohr- Waldhuhns (Tetrao cupido), welchen Dr. S. Mitchell aus deu-Vork geliefert hat, verdient hier mitgetheilt zu werden. „Die Balz⸗Zeit,“ ſagt der Doctor „iſt im März, und die Brüte⸗Zeit dauert den April und Mai hindurch. Alsdann läßt ſich der männliche Vogel an einem eigenthümlichen Ge— tön erkennen, wenn er daſſelbe ausſtößt, werden die Theile um die Kehle ſichtbar aufgetrieben und ſchwellen an. Man kann es an einem ſtillen Morgen auf drei engliſche Meilen weit, ja noch weiter vernehmen. Einige wollen es ſogar in einer Entfernung von fünf bis ſechs Meilen (englifche) ge: hört haben. Dieſes Getön iſt eine Art von Bauchrednerei (a sort of ventriloquism). Es berührt das Ohr des in der Nähe Stehenden nicht mit Heftigkeit; ſondern er glaubt, obgleich nur durch wenige Schritte von dem Vogel getrennt, eine Stimme zu hören, die eine oder zwei Meilen entfernt ſei. Dieſe Töne haben etwas höchſt Charakteriſtiſches. Obgleich ganz eigen: thümlich find fie mit dem Ausdruck Tuten (tooting) bezeich— net worden, wegen ihrer Aehnlichkeit mit dem fernen Blaſen auf einer Muſchel oder einem Horn.“ „Während der Begattungs-Periode,“ fährt Mitchell fort, „und während die Weibchen mit Brüten beſchäftigt ſind, pflegen die Männchen ſich zu verſammeln, und zwar für ſich, fern von den Weibchen. An einem ausgewählten, mitten im Walde gelegnen Orte, wo es wenig Unterholz giebt, ) The pinnated grouse. ) Ornith. Biog. p. 215. 108 kommen fie aus dem benachbarten Diſtrikt zuſammen. Der Be: we gungen halber, die fie daſelbſt vornehmen, wird derſelbe Pa: rade-Platz (scratching -place) genannt. Die Zeit der Zu: ſammenkunft iſt Tages-Anbruch. Sobald es zu hellen be: ginnt, verſammelt ſich die Geſellſchaft von allen Seiten, bis⸗ weilen zu 40 bis 50. Iſt die Dämmerung vorüber, ſo be: ginnt die Ceremonie mit einem leiſen Tuten von einem der Hähne. Dieſes wird von einem andern beantwortet. Sie ſchlüpfen hierauf einer nach dem andern aus den Büſchen hervor und ſchreiten mit allem Stolz und Geprünge, deſſen fie fähig find, einher. Ihr Hals iſt gekrümmt, die Federn an demſel⸗ ben ſind wie eine Art von Krauſe oder Kragen emporgeſträubt; die Schwanzfedern ſpreizen ſich fächerartig aus: ſie ſtolzieren, ſo weit ſich Kleines durch Großes erläutern läßt, in einem dem Gepränge des Truthahns gleichenden Styl umher. „Sie fcheinen mit einander in Stolz und Stattlichkeit zu wetteifern; ſie werfen oft, wenn ſie an einander vorbei— ſchreiten, ſich gegenfeitig verhöhnende Blicke zu und ſtoßen her⸗ aus fordernde Töne aus. Dies find die Zeichen zum Kampfe. Sie ſtreiten mit ausgezeichnetem Muth und großem Ingrimm. Während des Kampfes ſpringen ſie einen oder zwei Fuß vom Boden auf und ſtoßen ein gackerndes, kreiſchendes und miß— tönendes Geſchrei aus. Man hat ſie an dieſen Orten oft vor dem Erſcheinen des Lichtes im Oſten geſehen. Auch nährt man deshalb den Glauben, daß ſich ein Theil von ihnen über Nacht daſelbſt verſammele. Die übrigen vereinigen ſich mit letzteren am Morgen. Derſelbe Umſtand hat ferner zu dem Glauben geführt, daß ſie auf der Erde ſchlafen; und dieſer Glaube wird durch die Entdeckung kleiner Dünger-Kreiſe be⸗ ſtätigt, welche wahrſcheinlich von einem Volke herrühren, welches daſelbſt zuſammen übernachtet hat. „Dieſe Kampfplätze ſind oft von den Jägern entdeckt worden, eine ſchlimme Entdeckung für die armen Vögel. Ihre Verderber erbauen ſich Lauer-Löcher aus Fichten⸗Aeſten, welche man bough-houses (Laub⸗Häuſer) nennt, in geringer Entfernung von der Parade. Hier nehmen ſie, mit Vogel⸗ 109 flinten verſehen, ihren Standort in den letzten Stunden der Nacht und warten auf das Erſcheinen der Vögel. Sie paſſen den Augenblick ab, wo ſich zwei mit ſtolzen Blicken betrachten oder im Kampfe begriffen ſind, oder wenn eine größere Anzahl ſich in einer Reihe ſehen läßt, und geben dann ein verheerendes Feuer auf die armen Thiere. Dieſe Verfolgung hat an ſo vielen Orten und in einem ſo weiten Bereich ſtatt gehabt, daß die Vogel, nachdem fie zu wieder: holten Malen geſtört worden, ſich fürchten, zuſammenzukom— men. Wenn ſie der Stelle nahe ſind, wohin ſie ihr Inſtinkt treibt, wählen fie, anſtatt ſich anf dem Parade-Platze nie- derzulaſſen, ihren Sitz auf den höchſten Bäumen; und es bleibt ferneren Beobachtungen überlaſſen, wie weit der raſt— loſe Verfolgungs-Geiſt des Jägers die Gewohnheiten des Waldhuhns abändern und es zu einer neuen Lebensweiſe ver— mögen dürfte. „Sie halten ſich bis zur Brüte-Zeit gewöhnlich in Völ— kern, oder wie man ſich ebenfalls ausdrückt, in Haufen (packs) zuſammen. Ein voller Haufe beſteht wie bekannt aus 10 oder 12. Bisweilen geſellen ſich zwei Haufen zuſammen. Ich hörte unlängſt von einem, deſſen Zahl ſich auf 24 belief, ſie laſſen ſich ſo wenig aufſcheuchen, daß ein Jäger, von ei— nem Hunde unterſtützt, im Stande war, faſt ein ganzes Volk zu ſchießen, ohne einen einzigen zur Flucht zu bewegen. Desgleichen hat man Beiſpiele, daß Jäger, die in der Nähe der Parade-Plätze auf der Lauer liegen, mehrere Male gefeuert haben, ehe entweder der Knall oder der Anblick der verwundeten und todten Gefährten dieſe Vögel zur Flucht aufzuſcheuchen vermochten. tan hat ferner bemerkt, daß wenn eine Geſellſchaft Jäger ein Volk Haſelhühner umgeben hat, die Vögel, während ſie ſo umſtellt und eingeſchloſſen ſind, ſich ſelten oder niemals ihren Schwingen anvertrauen; ſon— dern jeder läuft ſo lange, bis er an dem nächſten Jäger vorbei— kommt und dann flattert er mit der größten Behendigkeit auf).“ —— ) Siehe New-York Med, Reposit. vol. VIII. 110 Wir haben hier Wilſon's treffliche Zeichnung des Hähnchens dieſer Waldhuhn-Art wie es im Einherſtolzieren begriffen iſt und feine Kehle aufbläht, eopirt.“ NS a Das amerifanifhe Ohr: Wald: Huhn im Einherſtolzieren begriffen. „So ganz neu und charakteriſtiſch,“ ſagt dieſer Beo— bachter, „erſchienen mir beim erſten Anblick die Geberden und Bewegungen dieſer Vögel, daß ich mich, anſtatt darauf zu ſchießen, niederſetzte und, hinter einem Reiſighaufen ver— borgen, 7 oder 8 von ihnen in geringer Entfernung vor mir, ſogleich ihre Stellung flüchtig ſeizzirte“).“ *) Am. Ornith, III. 114. 111 Eine andere amerikaniſche Waldhuhn-Art (Tetrao obseu- rus, Say) zeigt denen der eben geſchilderten ſehr ähnliche Ge: wohnheiten und hat Charles Bonaparte hinſichtlich der ganzen Familie zu der Bemerkung veranlaßt, daß kein Vogel auf eine entſchiednere und despotiſchere Weiſe polygamiſch ſei. Die Männchen verlaſſen ſehr bald die Weibchen, um für ſich zu leben ohne ſich um ſie und ihre Nachkommenſchaft im ge— ringſten zu bekümmern !). Tetrao Obscurus. Die Trappen ſcheinen mit den eben beſchriebnen Vögeln ähnliche Gewohnheiten zu haben; ſie ſind ebenfalls polyga— miſch, und die Männchen rufen die Weibchen während der Nacht durch ein eigenthümliches Lockgeſchrei. Sie haben auch Verſammlungs⸗Plätze, die einigermaßen den Parade-Plätzen ) Bonaparte, Am. Ornith, III 29. 112 des amerikaniſchen Waldhuhns gleichen; denn ob man gleich nirgends erwähnt findet, daß dergleichen Verſammlungen wirk— lich beobachtet worden, ſo hat man doch ihre Vereinigungs— Plätze in Kornfeldern und Triften gefunden, die gleich Drefch- Tennen niedergetreten waren und dadurch einen deutlichen Be— weis für die zwiſchen den ſtreitenden Nebenbuhlern ſtattge— habten Raufereien ablegten. Wegen ihrer Aehnlichkeit mit den Reihern dürfte man annehmen, daß die Rohrdommeln gleich dieſen Vögeln paa— ren; indeß ſind ſie, im Gegentheil, nicht allein polygamiſch, ſondern wenn wir einigen Schriftſtellern Glauben beimeſſen dürfen, zeigen die Männchen ſogar äußerſt wenig Zärtlichkeit gegen die Weibchen, — weniger in der That, als man dies von irgend einem andern Vogel erwähnt findet. Salerne mag ſich indeß jedenfalls getäuſcht haben, indem er fagt, die Weibchen müßten, um die Aufmerkſam⸗ keit des Männchens auf ſich zu ziehen, dieſem Futter brin: gen, fo etwas liefe der ganzen Oekonomie der Vögel zuwi— der und bedürfte zu ſeiner Beſtätigung der unzweideutigſten Zeugniſſe. Die Antipathie, welche ein Männchen und ein Weibchen, die M. Hebert verſuchsweiſe zuſammengeſperrt hatte, gegen einander zeigten, beweiſt wenig, inſofern dieſe Thiere ſich in einem Zuſtande unnatürlicher Beſchränkung befanden. Die Töne, welche die männliche Rohrdommel im Frühjahr vernehmen läßt, ſind beſonders rauh, und ſo laut, daß man ſie über eine halbe Stunde weit hören kann. Man nennt dieſes Getön brummen (bumping) eder brauſen (booming) und es übertrifft das Schnarren oder Brummen der ſtärkſten Baßſaite. Man glaubt, daß daſſelbe die lei— denſchaftlichen Gefühle des Vogels ausdrücke. „Während der Monate Februar und März,“ ſagt M. Baillon, „ſtoßen die Männchen früh und Abends ein Geſchrei aus, welches ſich mit der Exploſion einer großen Muskete vergleichen läßt. Die Weibchen laufen bei Ver— nehmung dieſer Töne herbei, bisweilen ſieht man ein Dutzend um ein einziges Männchen herum; die männlichen Rohr— 115 dommeln ſchreiten ſtolzierend mitten unter ihren Weibern ein— her und bemühen ſich, ihre Nebenbuhler wegzutreiben. Derſelbe treffliche Beobachter ſagt von dem Kampfhahn”) (Tringa pugnax), „ich kenne keinen Vogel, der ein glühen— deres Verlangen in der Paarungs-Periode zeigte, als die männlichen Kampfhähne in ihrem Ungeſtüm an den Tag legen, was einzig und allein der Eiferſucht zugeſchrieben wer- den kann. Ich bin dieſen Vögeln oft in den Mooren von Montreuil⸗ſur⸗Mer nachgegangen, wo fie im Aprill eintreffen. Ihr erſtes Geſchäft iſt, zu balzen, oder vielmehr mit ihren Nebenbuhlern zu fechten, während das ſchwache Geſchrei der Weibchen ihre Feindſeligkeit und Wuth noch mehr erweckt und erhöht; und ihre Kämpfe ſind oft lang, hartnäckig und bisweilen blutig. Der Beſiegte ſucht ſein Heil in der Flucht, aber das Geſchrei des erſten beſten Weibchens, welches er vernimmt, macht ſeine Furcht ſchwinden und erweckt ſeinen Muth von neuem, und er erneut den Kampf, ſo wie ein andrer Gegner erſcheint. Dieſe Scharmützel werden alle Mor: gen und Abende wiederholt, bis die Vögel wieder abziehen, was während des Mai's geſchieht.““ In den Meoren von England, im Frühjahr, hügeln Ahill)**) die Kampfhähne, wie man ſich auszudrücken pflegt, d. i., ſie verſammeln ſich auf einer Erhöhung des Bodens in der Nähe ihrer Brüte-Plätze, welche von den Weibchen (reeves) ausgewählt werden, und auf dieſen kleinen Hügeln oder Anhöhen fechten ſie nach Art der wilden Truthähne oder andrer der Vielweiberei ergebenen Vögel, bis ſie den Raſen— boden während ihres hartnäckigen Kampfes glatt und kahl getre— ten haben. Indeß hat die Stelle nicht, wie man gewöhnlich an— gegeben findet, die genaue Form eines Kreiſes, ſondern dieſe iſt verſchieden, je nach den Umſtänden, die das Treffen be— gleiten. Vogelſteller wiſſen dieſe beſondere Gewohnheit des Vo— ) The ruff, ) Wir haben den Ausdruck wörtlich wieder gegeben. 114 gels zu benutzen. Sie ſpähen in den Diſtrikten, wo ſich der Kampfhahn häufig aufhält, nach deſſen Balz-Plätzen umher, und haben ſie die erwünſchte Entdeckung gemacht, ſo bege— ben ſie ſich vor Tagesanbruch an den Ort, breiten ihre Netze aus, ſtellen ihre Lockbögel auf und nehmen ihren Stand hun: dert bis hundert und funfzig Schritt davon, je nachdem es ihnen räthlich dünkt. Das Netz iſt ein ſogenanntes einfaches Streichnetz, ungefähr 50 Fuß lang und 6 Fuß breit, es hat an jedem Ende eine Stange und Richtſäulen die in die Erde befeſtigt werden und wovon jede mit einem Kloben verſehen iſt, mittelſt welcher das Netz leicht gehandhabt werden kann, und ſelten verfehlen ſie damit ſämmtliche Vögel innerhalb ih⸗ res Bereichs zu umſtricken. Um das Ziehen des Netzes zu erleichtern, pflegt man es ſo zu ſtellen, daß es ſich mit dem Winde über den Boden faltelt. Indeß ziehen es einige Vogelſteller vor, daſſelbe gegen den Wind zu ſchleppen, weil es dergeſtalt die Vögel nicht ſo leicht aufſcheucht. Kampfhähne freſſen hauptſächlich bei Nacht und erſcheinen mit Tagesan—⸗ bruch, und zwar alle ziemlich zu derſelben Zeit auf den Balz⸗ Plätzen. Der Vogelſteller hält ſich demgemäß bereit, feinen erſten Zug zu thun, und richtet ſpäter ſein Augenmerk auf die Nachzügler, welche durch die Moräſte ſetzen, ohne ſich noch eine beſondere Anhöhe auserkohren zu haben. Einige Vogelſteller behalten die erſten Kampfhähne, welche ſie fangen, zu Lockvögeln; andere bedienen ſich zu die— ſem Behuf ausgeſtopfter Bälge, die indeß nur eine ſehr rohe Nachahmung der Natur find, Dieſe ausgeſtopften Vögel kommen folgendermaßen zu Stande: man füllt den Balg, nachdem die Beine davon abgefchnitten worden find, mit ei— nem zuſammen gebundenen Strohwiſch und näht hierauf die Haut längs der Bruſt und dem Bauche zuſammen, ohne jedoch dabei auf Bedeckung oder Verbergung des Strohes be— dacht zu ſein. In das Stroh wird ein Stock geſtoßen, um den Lockvogel in den Boden ſtecken zu können; desgleichen wird in den oberſten Theil des Kopfes und durch den Hals hinab in den ausgeſtopften oder Stroh-Leib ein Pflock oder Stab getrie— 115 ben, der zu gleicher Zeit zur Befeſtigung der Flügel dient. Wie roh nun auch dieſe Nachahmung iſt, und ſo wenig ein Balg und Federn einem lebenden Vogel nachgebildet werden können, ſo entſpricht doch ein ſolcher Scheinvogel dem beab— ſichtigten Zweck vollkommen. Die ausgeſtopften Bälge werden mittelſt eines hinreichend langen Bindfadens auf die Erde niedergebunden; bisweilen bringt man aber auch eine lange Schnur ſo an, daß man den Lockvogel emporſchnellen kann, um die den Kampfhähnen ge— wöhnliche Bewegung nachzuahmen, die, wenn ſie einen Nach— zügler hinter ſich her fliegen ſehen, eine Elle hoch vom Boden aufflattern oder ſpringen, worauf ſich letzrer niederläßt und zum Kampfe rüſtet. Die auf die beſchriebene Weiſe gefangenen Kampfhähne werden für die Tafel mit Milch und Brod, und bisweilen mit gekochtem Waizen fett gemacht; iſt indeß Eile nöthig, ſo fügt man noch Zucker hinzu, wodurch ſie in Zeit von we— nigen Tagen in einen Fettklumpen verwandelt werden. Mr. Towns, ein berühmter Vogel-Mäſter zu Spalding, erzählte dem Oberſt Montagu, daß ſeine Familie bereits 100 Jahr das Gewerbe treibe, und er erinnere ſich nicht, daß, wenn die Vögel tafelrecht geweſen, der Preis für das Dutzend unter 30 Schilling betragen, ſich wohl aber oft höher belaufen habe. Mr. Allan aus Grange erzählte Herrn Bewick, daß er im Jahre 1794 im Georges-Hotel in Pork zu Mittage geſpeiſt, wo unter andern ein Gericht in 4 Kampf— hähnen beſtanden, die auf der Rechnung beſonders mit 16 Schillingen berechnet geweſen wären. Die Kampf: Hähne find dergeftalt zum Fechten geneigt, daß die Vogel-Mäſter fie in ein finfteres Gemach einfperren müſſen; denn, ſo wie Licht zugelaſſen wird, fallen ſie augen— blicklich über einander her und laſſen nicht eher vom Kampfe ab, als bis die Mehrzahl derſelben todt auf dem Platze liegt. ü 116 Es iſt daher um fo mehr zu verwundern, daß es dem oben erwähnten Towns gelang, eine große Anzahl Kampf: hähne wohlbehalten nach Irland zu bringen. Auf Verlangen des Marquis von Towuſend, der damals Lord Lieute— nant von Irland war, brach Towns mit 27 Dutzend von Lincolnſhire auf; und nachdem er 7 Dutzend davon für den Herzog von Devonſhire zu Chatsworth zurückgelaſſen, ſetzte er ſeinen Weg durch das Königreich bis Holyhead fort und lieferte in Dublin 16 Dutzend lebende Vögel ab. Er hatte im Ganzen auf dieſer Reiſe nur 3 Dutzend verloren, ob ſie gleich nothwendiger Weiſe in Körben eng zuſammengepfropft geweſen waren. Wir finden nicht, daß man jemals Kampfhähne veran⸗ laßt hätte, ihre kriegeriſchen Eigenſchaften zur Unterhaltung und Beluſtigung des Publikums an den Tag zu legen, wie dies mit einigen andern polygamiſchen Vögeln der Fall iſt, wiewohl fie zu dergleichen Schauſpielen in vorzüglichen Grade geeignet erſcheinen dürften. Wir leſen, daß Solon, der athenienſiſche Geſetzgeber, den Befehl ertheilt, daß man Wachteln in Gegenwart der athenienſiſchen Jugend, um dieſe zum Muth zu entflammen, mit einander kämpfen laſſen ſolle. Bei den Römern ſtanden, wie es ſcheinen dürfte, Wach— tel⸗Kämpfe in noch höheren Anſehn, wenigſtens läßt ſich dies aus dem Umſtande ſchließen, daß Auguſtus einen ägyptiſchen Statthalter mit dem Tode beſtrafte, weil dieſer eine durch ihre Siege berühmte Wachtel gekauft und auf die Tafel gebracht hatte. Selbſt noch jetzt findet man dieſe Er— götzlichkeit in einigen Städten Italiens im Schwunge, und noch mehr bei den Chineſen. In Italien ſtellt man 2 mit Leckerbiſſen gefütterte Wachteln an den Enden eines langen Tiſches einander gegenüber auf und wirft als Zankapfel einige Hirſekörner zwiſchen ſie. Zuerſt zeigen ſie einen drohenden Anblick und ſtürzen dann mit großer Heftigkeit auf einander los, hacken mit den Schnäbeln, richten die Köpfe empor und erheben ſich auf ihren Sporen, bis eine von ihnen den Kampf— 117 platz räumen muß. Früher veranftaltete man Kämpfe zwi- ſchen Menſchen und Wachteln. Der Vogel wurde in eine große Schachtel geſteckt und in die Mitte eines auf dem Fuß— boden gezognen Kreiſes geſetzt. Der Kämpfer, (ein Menſch) begann den Angriff damit, daß er den Vogel mit dem Fin— ger auf den Kopf ſchlug, oder ihm einige Federn ausrupfte, und wenn die Wachtel bei Vertheidigung ihrer ſelbſt nicht über den Kreis hinaus gerieth, ſo gewann ihr Herr die Wette, welche man zuvor feſtgeſetzt hatte. Wenn ſie dagegen, durch die Wuth der Leidenſchaft getrieben, den Kreis überſchritt, ſo wurde ihr Gegner als Sieger erklärt; Wachteln, welche zu wiederholten Malen den Preis auf die beſchriebene Weiſe gewonnen hatten, wurden ſehr theuer bezahlt *). Die gewöhnlichſten dergleichen Zweikämpfe finden, wie bekannt, zwiſchen abgerichteten Hähnen (Streithähnen) ſtatt; denn der Menſch hat gelernt, die Eiferſucht dieſer polygami— ſchen Vögel zu ſeiner Beluſtigung und Unterhaltung in Thä— tigkeit zu ſetzen. „Ein Liebhaber von Hahne-Gefechten,“ ſagt M. Payne Knight, „würde es für höchſt wunderlich halten, wenn man ihm ſagte, daß er ſeinen eignen Geſchmack für derglei— chen heroiſche Ergötzlichkeiten verdamme, indem er einen Wi— derwillen zeige, Hähne auf einem Hühnerhof ſchlachten zu ſehen; die Freunde von Stierhetzen in England, oder Stier— Gefechten in Spanien, würden auf keinen Fall zugeben, daß ihnen das Schlachthaus eines Fleiſchers gleiches oder ähnli— ches Vergnügen gewähre. Um ſolche Schauſpiele anziehend zu machen, bedarf es der Entwickelung von Muth, Kraft und Geſchicklichkeit; denn nur durch das Sympathiſiren mit den energiſchen Leidenſchaften werden die Zuſchauer unterhal— ten und beluſtigt; und wenn auch manches Schlachtopfer, ſowohl des Aberglaubens als der Gerechtigkeit und Ungerech— tigkeit, energiſche Beſtrebungen paſſiver Standhaftigkeit ent— falten mag, ſo muß dieſe doch nur matt und ſchaal erſchei— ) Julius Pollux, De Ludis, Lib. IX. 118 nen, wenn man fie mit denen vergleicht, welche in den man: nigfaltigen und lebhaften Kämpfen des Amphitheaters*) her: vorglänzten, wo Kampfluſt und Eifer auf beiden Seiten gleich, und Leben und Ehre der Preis des Sieges war). Nach Marsden's Bericht iſt auf der Inſel Su: matra die Leidenſchaft für Hahnen-Kämpfe ſo groß, daß ſie von den Einwohnern mehr für eine ernſte Beſchäftigung als für eine Ergötzlichkeit gelten. Man ſieht in dieſem Lande ſelten einen Reiſenden ohne ſeinen Hahn unter dem Arme; und bisweilen befinden ſich 50 Perſonen beiſammen, wovon eine jede ihren Hahn unter dem Arme trägt. Sie ſetzen oft Alles auf den Ausgang eines Treffens, ſelbſt Weiber und Töchter nicht ausgenommen; und der Verlierende ſieht ſich oft feiner ganzen Habe beraubt und zur Verzweiflung getrie⸗ ben. Wir dürfen uns indeß hierüber nicht wundern, da es ja ſelbſt bei uns (in England) Leute von allen Ständen giebt, die ſich leidenſchaftlich für einen beſondern Hahn intereſſiren und oft ungeheure Summen aufs Spiel ſetzen. Die Art des Hahnen-Kampfes iſt in verſchiedenen Län: dern beträchtlich verſchieden, indem die Vögel auf verſchiedne Weiſe abgerichtet und mit Schutz- und Angriffs: Waffen ver- ſehen werden. Die Athenienſer feierten, wie Aelian erzählt, zum Andenken eines Sieges über die Perſer durch den The— miſtokles ein Feſt, welches ſich durch Hahnen-Kämpfe aus: zeichnete; denn als der Feldherr zu Anfange des Kampfes ſeine Truppen verzagt und kleinmüthig ſah, lenkte er ihre Blicke auf zwei mit einander fechtende Hähne; „ſeht“ ſagte er, „den unerſchütterlichen Muth dieſer Thiere, und doch haben ſie keinen andern Beweggrund als die Liebe zum „) Siehe das Capitel über die Amphitheater in Pompeit. Leipzig, Baum gärtnerſche Buchhandlung 1834 — 35. ) Principles of Taste, p. 33, 4. edit, 119 Siege; während ihr für eure Familien, für eure Götter, für die Gräber eurer Väter und für eure Freiheit ſtreitet!“ Ent— flammt durch dieſe Worte ſtürzten ſie auf ihre Feinde und ſiegten. Sehftes Kapitel. Bau der Ei e vn Bevor wir uns ausführlicher mit dem Brüten beſchäfti⸗ gen, erſcheint es unerläßlich, Einiges über den Bau der Eier zu ſagen; und um dieſen merkwürdigen aber ſchwierigen Ge— genſtand denjenigen unſrer Leſer, die keine phyſiologiſchen Kenntniſſe beſitzen, ſo deutlich als möglich zu machen, wollen wir das Ei von feiner erſten Erſcheinung im Eierſtocke (ova- rium) oder „Eierorgan“ (wie man es nennen kann) der Henne an bis zum endlichen Hervorbrechen des Küchelchens aus der Schale verfolgen. Dieſer Gegenſtand iſt von einigen der ausgezeichnetſten Beobachter und Experimentatoren mit der größten Sorgfalt unterſucht worden, weil man hoffte, daß dadurch Licht über die dunkeln Punkte in der erſten Lebens-Geſchichte andrer Thiere, deren Entwickelung zu beobachten noch ſchwieriger, wo nicht gar unmöglich iſt, verbreitet werden würde. Unter den ausgezeichneten Männern, welche ſich mit der- gleichen Unterſuchungen beſchäftigt haben, nennen wir hier Harvey, Malpighy und Haller; und von unſern Zeit— genoſſen, Spallanzani, Blum enbach, Scarpa, Prander, Meckel, Dutrochet, Sir E. Home und Dr. Paris. Die Hauptthatſachen, welche durch ſie ausgemittelt wor— den ſind, wollen wir hier in gedrängter Kürze aber deutlich zuſammenzuſtellen ſuchen. Das Ei eines Vogels erſcheint in dem Eier-Organ (ova- rium) unter der Geſtalt einer kleinen gelben Kugel, oft klei— 121 ner als ein Senfkorn, die aber allmälig an Größe zunimmt, bis fie ſich von ihrem dünnen Stiele ablöſt und in den Eier— . A 5 iz 7 2 U SU 7 7 7 4 1 * 7 \ n DEE? EZ 2 . E ; { STE | In . 2 N 1 N er N N 2 N) 1900 0 1 Eier-Organ; Ovarium. gang (Dviduet) fällt. Der Eierſtock enthält alle, mehrere Jahre nach einander zu legende Eier, und jedes Ei unterſcheidet ſich von den übrigen ſowohl in Größe als in Miſchung und Farbe. Die größten, zuerſt zu legenden Eier ſind gelblich, wäh⸗ rend die rückſtändigen allmälig an Größe und Gilbe abneh⸗ men“). ) Bourdon, Physiologie Comparée, I. 101. 6 122 Man hat zwiſchen der Lostrennung der Eier von dem Eier-Organ und dem Abfallen der reifen Früchte vom Baume eine Analogie nachzuweiſen verſucht; allein wir ſind, wiewohl wir die Aehnlichkeit der Umſtände nicht läugnen können, doch der Meinung, daß eine ſolche Analogie, wie Dutrochet bemerkt, eine ſchärfere Prüfung nicht aushält. Daß indeß die zunehmende Schwere des Eies, indem ſie den dünnen Verbindungs-Stiel ausdehnt, die Blutgefäße, wodurch das Ei mit Nahrung verſehen wird, in dem Grade verſchmälert, daß jener bedeutend ſchwach wird und zuletzt abbricht, läßt ſich mit einiger Wahrſcheinlichkeit annehmen. Bevor das Ei in den Eiergang oder Eierleiter fällt, ent— hält es weder Eiweiß, noch iſt es mit einer Schale verſehen. Dieſe beiden Theile werden durch das Hinzukommen der gluti— nöſen (klebrigen) Subſtanz, albumen (Eiweißſtoff) benamt, und der kalkigen Subſtanz, für die Schale, gebildet, wie wir dies ſogleich weitläuftiger auseinanderſetzen werden. Durch Krankheit oder ungünſtige Zufälle werden Eier bis— weilen von dem Eiergange ausgeſchieden, ehe die Schale an: gefangen hat, ſich zu bilden, und in dieſem Zuſtande werden dieſelben in England mit dem Provinzialausdruck coc eggs (Dotter⸗Eier) bezeichnet. Wenn man das Ei einer Henne im Eierorgan unterſucht, ſo gewahrt man zahlreiche Blutgefäße, dieſe verbreiten ſich in eine Art von haarförmigem ſehr unregelmäßigem Netzzgeflecht über die ganze Oberfläche und durch die Subſtanz der Hülle oder Membran, welche das Ganze umſchließt, und die man die äußere Haut oder Decke nennen kann, indem ſich unter ihr eine andere auf ähnliche Weiſe mit Blutgefäßen verſehene Membran befindet, die zur Ernährung und Vermehrung des Dotters (yolk) beiträgt. Durchſchneidet man dieſe beiden Hüllen mit großer Be: hutſamkeit, fo ſtößt man auf eine dritte, die ſich durch vor— zügliche Zartheit, große Durchſichtigkeit und ihre weiße Farbe auszeichnet. 125 Die dritte Haut ſcheint mit den beiden erſten in keiner Verbindung zu ſtehen, auch läßt ſich in ihrer Subſtanz keine Embryo, befruchtetes Ei. Vereinigung von Blutgefäßen wahrnehmen. Unmitelbar in- nerhalb dieſer durchſichtigen Hülle, welche in ihrem Gewebe dem Oberhäutchen des menſchlichen Körpers (epidermis) ähnelt, liegt der Dotter, welcher jetzt ſeine völlige Ausbildung noch nicht erreicht hat, und gerade der Stelle gegenüber, wo der— ſelbe mit dem Eierſtock zuſammenhing, befindet ſich das Ru— diment (eicatricula) ) des zukünftigen Kügelchens. Letz⸗ teres beſteht aus einer weißen Subſtanz, welche durch keine Haut von der gelben Maſſe, dem Dotter, getrennt iſt, ſondern blos auf demſelben liegt, und bleibt ſo lange unver— ändert, bis es durch die ihm durch den Brüte-Prozeß mitge— theilte Wärme entwickelt wird, wo ihm alsdann der Dotter zu ſeiner erſten Nahrung dient. Der Keim oder das Nudiment des Kügelchens hat, wie uns Dutrochet verſichert, keine Verbindung mit der eigen— thümlichen Dotter-Haut, wovon er ſich durch die ſorgfältig— ſten Unterſuchungen überzeugte. Er entfernte die eigenthüm— liche Haut des Dotters, welche keine Spur von Verbindung (Adhäſion) mit dem Keime zeigte, ſondern bei ihrer Ablöſung ihn vollkommen ganz ließ, und als er die ſo entfernte Haut unter dem Mieroskop unterſuchte, konnte er nicht den gering— ſten Riß, nicht die geringſte Verletzung in ihrer Subſtanz noch irgend eine Verſchiedenheit in ihrem Gewebe oder Gefüge ) Cicatricula, Narbe. 6 * 124 entdecken. An der diejer gegenüber befindlichen Sıelle kann man daran mit der Zunahme des Eies eine weißliche Linie oder einen Streif wahrnehmen, welcher ungefähr ein Drittel der Rundung einnimmt und die bevorſtehende Ruptur (Riß) andeutet, wodurch das Ei aus dem Beutel, in welchem es eingeſchloſſen iſt, mit der Zeit entſchlüpft. In der That öffnet ſich nach Lostrennung des Eies der Beutel, den die bereits erwähnten umhüllenden Membranen bilden, in der Richtung dieſer weißen Linie, und das Ei, von feiner äußeren Haut bedeckt, (die in keinem Zuſammen— hange mit dem Beutel ſteht) verläßt das Eier-Organ und dringt in das breite Ende des Oviduets (Eier-Ganges). Nach dieſem Entſchlüpfen des Eies gleicht der Beutel oder Sack, der es enthielt, in hohem Grade der zweiklappigen Samen— kapſel von Pflanzen, und da er nun weiter keinen Nutzen hat, nimmt er ſchnell an Größe ab und verſchwindet nach und nach ganz und gar. Zur Zeit, wo das Ei in den Eier-Gang fällt, iſt es blos von einer einzigen, äußerſt dünnen, dem Oberhäutchen beim Menſchen gleichenden Haut bedeckt, aber bald nach ſeinem Abfalle zeigt es eine zweite Hülle, die etwas dicker als die erſte iſt. Dieſe zweite Haut wird durch die in Folge der Ge: genwart des Eies bewirkte Reizung der Gefäße an der innern Fläche des Eierganges erzeugt, welche Lymphe ausſcheiden, die durch ihre Gerinnung das Ei mit einer Hülſe oder Schale umkleidet. Dieſe Hülſe ſetzt an beiden Enden kleine Hübel an, die ſich in die trübe Extremität des Eiweiſes endigen und die Dotterſchnüre (Hagel, Chalazes) genannt werden; die Hülle ſelbſt heißt der Dotter-Sack oder die Hagel-Haut (chalaziferous membrane). Leveille hält die Hagel (Dotter: ſchnüre) (chalazes) für abſorbirende Gefäße, beſtimmt, das Weiße aufzuſaugen und mit dem Dotter während des Brüte— Prozeſſes zu vermiſchen ); allein dies iſt eine bloſe Ber: muthung. 8 ) Nutrition des Foetus, 8vo. Paris, 1799. 125 Iſt das Ei dergeftalt mit einer zweiten Haut begabt worden, ſo geht es weiter in der Eier-Röhre hinab und wird tief in das Weiße (albumen) gebettet, welches die Röhre ausfüllt. Iſt das Weiße gebildet, ſo macht das Ei noch weitere Fortſchritte, und wird durch die ſeeernirenden Gefäße der Röhre abermals mit einer neuen Hülle verſehen, welche die erſte Schicht der Membranen der Schale bildet, die das Weiße umgiebt und ſich an die loſen oder freien Enden der beiden Dotterſchnüre (Hagel, Chalazes) befeſtigt. Ueber dieſer bildet ſich eine zweite Hülle, die zweite Schicht der Haut der Schale, underdeß iſt das Ei über die Hälfte des Eier— Ganges hinaus gelangt. Auf ſeinem Wege durch den noch übrigen Theil erhält es, ehe es gelegt wird, die harte Beklei— dung oder eigentliche Schale, friſchgelegtes Ei, wovon ein Theil der Schale entfernt iſt. Aus dem eben Mitgetheilten ergiebt ſich, daß, von der Schale an nach innen gerechnet, das Ei ſechs verſchiedne Hül— 126 len hat, wovon jedoch vor feinem Hinabſteigen in den Eier— leiter blos eine wahrzunehmen iſt. Sie ſind der Reihe nach folgende: 1) die Schale. 2) die äußere Schicht 55 RER Haut. 3) die innere - a: 4) das Weiße (Glahr). 5) der Dotter-Sack (galaziſerous RER SEN 6) die eigenthümliche Haut. Harvey war der erſte, welcher zwei beſondere Eiweiße in einem Ei, jedes von einer beſondern Membran umgeben, nachwieß; das eine, ſagt derſelbe, „iſt dünner und flüſſiger, das andere dicker und leimiger, und etwas weißer, — in al⸗ ten Eiern wird es nach mehrtägiger Bebrütung gelblich. So⸗ wie dieſes zweite Weiß (Glahr) den Dotter ringsum bedeckt, fo iſt es wieder ſeinerſeits von der äußeren Flüſſigkeit umge— ben. Daß dieſe beiden Glahre von einander abgeſondert find, geht deutlich daraus hervor, daß, wenn man die äußere Rinde oder Schale wegnimmt und die beiden darunter lie— genden Häute durchbohrt, die äußere Flüſſigkeit herausfließt. Schlägt man hierauf dieſelben Membranen in der Schale, (worin wir annehmen daß das Ei liegt) rechts und links zu: rück, ſo wird man das innere und dickere Weiß immer noch ſeine Stelle und kugelartige Geſtalt behaupten ſehen, denn es wird in der That von feiner eignen Membran begrenzt, die fo dünn ift, daß fie mit bloßen Augen gar nicht wahrgenom⸗ men werden kann. Durchſchneidet man dieſe, ſo fließt das Glahr gerades Weges aus und verliert ſeine runde Geſtalt, ganz ſo, wie jede andere Flüſſigkeit aus einer Blaſe, worin fie enthalten iſt, wenn man dieſe zerſchneidet, ausläuft !).“ Wir fühlen uns geneigt, mit der zuerſt von Dr. Paris aufgeſtellten Anſicht, daß nämlich daß Weiße im Ei zur Ne: gulirung der Temperatur beſtimmt ſei, übereinzuſtimmen. ) Exercit de Gener. p. II. 127 „Das Eiweiß (albumen)“ ſagt dieſer, „als ein ſehr ſchwacher Wärme⸗Leiter, verzögert die Entweichung von Wär— meſtoff, verhindert jeden ſchnellen Temperatur-Wechſel und macht ſomit die andern Falls verderbliche Erkältung, welche das gelegentliche Aufſtehen der Mutter von den Eiern her— beiführen dürfte, unſchädlich. „Als Erläuterung des Nutzens und der Wichtigkeit einer ſolchen Structur, will ich bemerken, daß diejenigen Fiſche, welche ihre Vitalität (Leben) eine beträchtliche Zeit nach ihrer Entfernung aus dem Waſſer behaupten, wie z. B. Aale und Schleihen das Vermögen beſitzen, eine ſchleimige und klebrige Flüſſigkeit abzuſondern, womit ſie ihren Körper umhüllen. Ergiebt ſich nun hieraus nicht höchſt wahrſcheinlich, daß dieſe Subſtanz, indem ſie wie das Weiße im Ei wirkt und die Verdünſtung durch die Oberfläche des Thieres und mithin die daraus entſpringende Temperatur-Veränderung verhindert, die hauptſächlichſte Urſache jenes zähen Lebens iſt“).“ Dutrochet fand, daß die eigenthümliche Haut des Dotters und der Dotterſack (chalaziferous membrane) fo feſt zuſammenhalten, daß ſie ſich nach Legung des Eies nicht von einander trennen laſſen, ob man ſie gleich während der Be— brütung locker an einander haftend und als zwei für ſich be— ſtehende Häute deutlich wahrnehmen kann. Es iſt höchſt merkwürdig und übrigens eine längſt be— kannte Sache, daß die Dotterſchnüre, (Chalazes) und der Keim (Cicatricula) ſtets eine beſtimmte relative Lage behaup— ten, denn der Keim (Narbe) liegt ſtets am Aequator, (eine um die Mitte gezogene Linie), die Dotterſchnüre dagegen liegen an den Polen, oder vielmehr an einem Punete in der Nähe der Pole, denn ſie theilen den Dotter in zwei Theile von ungleicher Größe und befinden ſich nicht immer in der Richtung ſeiner Are. Die Portion, dem Keim gegenüber, iſt ſtets die ſchwerſte und ſtrebt daher ſtets nach unten, ſo daß der Keim immer die oberſte Stelle einnimmt und ſich mit— *) Lin. Trans. X, 306. 128 hin unter den günſtigſten Umſtänden befindet, um während der Bebrütung des Eies den Einfluß der Wärme zu em⸗ pfangen. Harvey's Erklärung hiervon war, daß die Hagel gleichſam als die Pole des Eies und zur Vereinigung aller mit einander verwebten und zuſammenhaftenden Häute dien⸗ ten, wodurch die Flüſſigkeiten nicht nur eine jede an ihrer Stelle erhalten würde, ſondern auch ihren Platz im gegenſei— tigen Verhältniß zu einander behaupteten). Allein dies ſtimmt, wie Derham richtig bemerkt, nicht mit der Wahr⸗ heit überein; „die Hagel,“ ſagt derſelbe, „dienen nicht blos dazu, die Flüſſigkeiten an ihrer Stelle und in ihrer gegenſei⸗ tigen Lage zu erhalten, ſondern ſie müſſen auch immer den nämlichen Theil des Dotters zu oberſt erhalten, auf welche Seite auch das Ei gekehrt werden mag; dieſes geſchieht durch folgenden Mechanismus: Die Dotterſchnüre (Chalazae) find ſpeeifiſch leichter als das Weiße, worin fie ſchwimmen, und da ſie an der Membran des Dotters haften, nicht gerade in ſeiner Axe, ſondern etwas außerhalb derſelben, ſo be— wirken ſie, daß eine Seite des Dotters ſchwerer iſt als die an— dere; daher der Dotter, der durch die Dotterſchnüre empor⸗ gehoben und ſchwimmend mitten zwiſchen den beiden Glahren erhalten wird, durch ſeine ſchwerere Portion ſtets mit einer und derſelben Seite nach oben gerichtet bleibt).“ Zufolge dieſes Umſtandes ſtellte Willughby die Be: hauptung auf, daß es faſt unmöglich ſei, ein Ei auf ſeinem breiteren Ende zu balanciren, fo lange die Membranen im Innern unzerriſſen ſind, wiewohl ſich eine ſolche Zerreißung durch ſtarkes Schütteln des Eies bewirken läßt“ ). Dieſer Mechanismus, einfach und bewundernwürdig wie er iſt, hat fein Beſtehen, nach Herr Dutrochet' s Be hauptung, in der Beſchaffenheit der vorläufigen Verhält—⸗ ) Exercit. de Gener. J. 13. *) Physico-ITheolog. B. VII. c. 4. n. 6. ) Ornithology by Ray, p. 11: 129 niffe zwiſchen der Lage des Eies im Eier-Organ, und der Stellung des breiten Endes des Eierganges und deſſen allge— meiner Geſtalt. Die Mündung des Eierganges hat nämlich eine ſeitliche Stellung und läßt demnach das Ei in derſelben Lage hindurch, in welcher ſie es aufgenommen, — das iſt, mit dem Keime am Aequator des Dotters, deſſen Axe ziemlich die Richtung des Eierganges hat; und dieſer iſt ſo gebildet, daß ſeine Axe nicht ganz dieſelbe wie die des Dotters iſt. Aus den vorhergehenden Beobachtungen Dutrochet's geht hervor, daß der im Keime enthaltene Vogel-Embryo in keiner organiſchen Verbindung mit ſeiner Mutter ſteht. Er haftet nicht an der eigenthümlichen Haut des Dotters, und der Dotter hängt ſich nicht an die gefäßreiche Haut, worin er enthalten iſt. Dies ſtimmt mit dem überein, was man im allgemeinen im Pflanzenreiche beobachtet, die Pflanzenkeime zeigen ſich nämlich von ihrem erſten Erſcheinen an als grünlich— weiße Spitzen, ohne alle Verbindung mit ihren Kapfeln und folglich mit den Samen⸗Organen (ovaria). Dutrochet war der erſte, welcher zeigte, daß das in dem Sacke (Beutel) des Eier-Organs enthaltene Ei blos eine eigenthümliche Haut hat, unter welcher die Subſtanz des Dotters frei und loſe liegt; — eine Beobachtung, welche Ba— ron von Haller's Theorie hinſichtlich der Exiſtenz des Kü— gelchens vor der Befruchtung über den Haufen wirft, dieſe Theorie ftügte ſich auf den bloſen Umſtand, daß man in einem Ei, worauf ein Vogel geſeſſen, ein Stück von jener, welches den Dotter umhüllte, gefunden hatte, und ohne Beweis den Schluß fällte, daß dieſer Darm vor der Befruchtung exiſtirt habe. Dutrochet im Gegentheil fand, daß der Darm vermöge einer ſich durch ſuceeſſive Proceſſe über die ganze Peripherie des Dotters verbreitenden Entwickelung in dieſen eintritt. Die chemiſchen Beſtandtheile dieſer verſchiedenen Theile des Eies ſind folgende: — Die Schale beſteht hauptſächlich aus kohlenſaurem Kalk, der Kreide nicht unähnlich, wozu noch eine kleine Quantität 150 phosphorſaurer Kalk und thieriſcher Schleim (mucus) kommt. Wenn man ſie verbrennt, werden die thieriſchen Subſtanzen und die Kohlenſäure getrennt. Erſtere verwandeln ſich in Aſche oder Thierkohle, die andere verflüchtigt ſich, und als Rückſtand bleibt reiner Kalk und etwas phosphorſaurer Kalk übrig. Daß Weiße (Eiweiß) iſt ohne Geſchmack und Geruch, hat eine zähe ſchleimige Conſiſtenz, löſt ſich leicht im Waſſer und ge- rinnt durch Säuren, Alkohol und bis zu 165» Fahrenheit erhitztes Waſſer. Iſt es dergeſtalt geronnen, fo löſt es ſich nicht län: ger in kaltem oder heißem Waſſer auf und zeigt einen ſchwa⸗ chen faden Geſchmack. Aus Dr. Boſtock's Experimenten geht hervor, daß das Weiße im Ei aus 80.0 Theilen Waſſer; 15.5 Albumen; und 4.5 Mucus (Schleim) beſteht; außerdem zeigt es Spuren von Kali (Soda) Benzoe-Säure und Schwefel-Waſſerſtoff-Gas. Letzte⸗ res kann man, wenn man ein Ei mit einem ſilbernen Löffel ißt, auf dieſem ſchwärzlich purpurne Flecke erzeugen ſehen, indem es ſich mit dem Silber zu Silber⸗Sulphuret verbindet. „Der Dotter hat einen faden, milden, öligen Geſchmack und bildet mit Waſſer zuſammengerührt eine milchige Emul⸗ ſion. Lange gekocht wird es zu einer körnigen, bräunlichen Maſſe, welche beim Auspreſſen ein fades, feuerbeſtändiges Oel giebt. Seine chemiſchen Beſtandtheile ſind Waſſer, Oel, Ei⸗ weißſtoff und Gelatine. Im Verhältniß zu der Menge des Eiweißſtoffes kocht das Ei hart. Das Del des Dotters iſt in Schwefel⸗Aether auflöslich. Ein wichtiger Theil des Eies, den wir bisher noch nicht erwähnt haben, iſt der Luft-Sack (follieulus aeris), welcher feinen Platz am ſtumpfen (breiten) Ende hat und von Dr, Paris genau beſchrieben worden iſt. „Die äußere Schale,“ ſagt dieſer, „und ba innere In hen womit fie ausgekleidet iſt, bilden die Wände (pa- rietes) der Höhle, deren Ausdehnung in dem friſchen Ei an Größe kaum das Auge eines kleinen Vogels übertrifft: durch die Bebrütung indeß erlangt ſie einen anſehnlichen Umfang. Daß ihr weſentlichſter Nutzen in Oxydirung des Blutes des 151 Kügelchens beſteht, unterliegt nach meiner Anſicht keinen Zweifel, allein um die Wahrheit einer ſolchen Theorie voll— kommen zu begründen, iſt es nothwendig, die Beſchaffenheit der Luft zu entdecken, womit es angefüllt iſt, und die man bis jetzt noch nicht unterſucht hat.“ Aus Verſuchen, die Dr. Paris zur Aufklärung dieſes Punktes angeſtellt, zieht derſelbe den Schluß, daß es vor der Bebrütung atmoſphäriſche Luft enthalte. Keine andere chemiſche Veränderung findet hinſicht— lich der Beſtandtheile der Luft ſtatt, als daß ſie ſich mit etwas Kohlenſäure verbindet. „Das Luftſäckchen gewinnt durch die Bebrütung an Volu— men, und dieſe Zunahme findet ziemlich in dem Verhältniß von 10 zu 1 ſtatt. Ich muß hier bemerken, daß ſeine Ausdeh— nung nicht gleichmäßig in gleichen nach einander folgenden Zeiträumen fortſchreitet, ſondern in demſelben Verhältniß be— ſchleunigt wird, als ſich das Brütegeſchäft feinen letzten Era: dien nähert. Es ſcheint indeß ſeine größte Ausdehnung einige wenige Tage vor dem Hervorbrechen des Thieres aus feiner Schale zu erreichen. „Der nämliche Apparat findet ſich in den Eiern aller Bo: gel und enthält eine ähnliche Luft; feine Capacität ſcheint ſich indeß keineswegs nach der Größe des Eies oder des Vogels, dem es angehört, zu richten; allein ich glaube ein treffliches Geſetz entdeckt zu haben, wodurch ſeine Ausdehnung beſtimmt und modifieirt wird. Ich habe nämlich, jo weit als meine beſchränkten Unterſuchungen reichen, gefunden, daß das Luft— Säckchen (folliculus aöris) in den Eiern derjenigen Vögel, welche ihre Neſter auf die Erde bauen, und deren Junge, gleich nachdem fie ausgebrütet worden, befiedert nnd fähig ſind, ihre Muskeln zu gebrauchen, größer iſt, als bei denen, die auf Bäumen niſten, und deren Nachkommenſchaft blind und in einem hülfloſen Zuſtande aus dem Ei kriecht. So find die Luft-Säckchen in den Eiern von wildem Ge: flügel, (fowls) Rebhühnern, Waſſer-Hühnern u. dgl. von an— ſehnlicher Größe, während die in den Eiern von Krähen, Sperlingen und Tauben außerordentlich klein find, die Kügel— 152 chen von Rebhühnern u. dgl. haben daher ein vollkommneres Gefieder und ein größeres Vermögen zur Ortsbewegung als die nackten Neſtlinge von Tauben und Sperlingen. Ein ſolches Beiſpiel von der Wirkſamkeit der Orygenirung zur Beförderung und Zunahme der Muskelkraft iſt nicht das einzige in der Phyſiologie; die Geſchichte der wiederkäuenden Thiere liefert uns ähnliche Fälle.“ | „Ihre Cotyledonen,“ bemerkt der Verfaſſer der Zoono⸗ mia, „ſcheinen dazu beſtimmt, den Endigungen der Mutter⸗ kuchen⸗Gefäße eine größere Fläche darzubieten, damit dieſe hinreichenden Sauerſtoff von den Uterin-(Gebärmutter-⸗) Ge: fäßen erhalten können; dergeſtalt wird die Nachkommenſchaft dieſer Claſſe von Thieren vor ihrer Geburt vollkommener ausge⸗ bildet, als die der fleiſchfreſſenden Thiere. Kälber und Läm⸗ mer vermögen daher bereits wenige Minuten nach ihrer Ge- burt Gebrauch von ihren Füßen zu machen; während junge Katzen und Hunde erſt mehrere Tage, nachdem ſie geboren worden ſind, ihre Augen öffnen.“ „Es iſt ein höchſt merkwürdiger und Allen, die mit der Landwirthſchaft vertraut find, wohl bekannter Umſtand,“ ſagt Dr. Paris, — „daß, wenn das ſtumpfe oder breite Ende eines Eies mit der Spitze ſelbſt der feinſten Nadel durch⸗ bohrt wird, (ein Verfahren, wovon die Bosheit nicht ſelten Gebrauch macht), der Bildungs-Prozeß aufhört und aus dem Ei eben ſo wenig etwas wird, als aus einem Wind-Ei (sub- ventaneous egg). Hierdurch wurde Sir Bu ſick Harwood auf die Vermuthung geführt, daß die in dem Luftſäckchen ent⸗ haltene elaſtiſche Flüſſigkeit Sauerſtoff ſei, und ich ließ mich beſtimmen, ihre Beſchaffenheit zu unterſuchen. Kann dieſes merkwürdige Problem vielleicht durch die Annahme gelöſt wer- den, daß das fortwährende Eindringen friſcher Luft zu erre— gend und reizend wirke. Ein ähnliches Beiſpiel zur Unter: ſtützung dieſer Muthmaßung läßt ſich aus dem Pflanzenreiche entlehnen. Die junge und zarte Pflanze, wird oft, ehe ſie noch ihre Wurzeln ausbreitet, durch eine zu frühe Communi⸗ cation mit der Atmoſphäre zerſtört, indem dieſe ihre Kräfte 155 erſchöpft, und dieſe Wirkung ift fo ſichtbar und in die Augen ſpringend, daß der Gärtner, blos durch Erfahrung belehrt, die zarte Pflanze mit einem Glaſe bedeckt, wodurch die Aus: dehnung ihrer Atmoſphäre verringert und mithin ihre Reſpi— ration beſchränkt und die regelloſen Thätigkeiten, die ihr Ver⸗ derben bringen würden, beſeitigt werden).“ ) Lin. Trans. X. 309. Shen Farbe der Eier. Wiewohl ſich mit Gewißheit annehmen läßt, daß die Natur bei ihrer Schöpfung nichts umſonſt, nichts ohne Grund thut, und daß jeder mit organiſchem Leben in Verbindung ſtehende Umſtand beſtimmt iſt, einen Zweck zu erfüllen, ſo können wir doch bei unſern Unterſuchungen die Abſichten des Schöpfers in beſondern Fällen häufig nicht errathen. Dieſe Betrachtung anlangend ſind die Farben im hohen Grade anziehend aber dabei ein äußerſt ſchwieriger Gegen: ſtand, welcher zu manchen ſcharfſinnigen Theorien Veranlaſ— fung gegeben hat, die ſich auf einige wenige mit Partheilich- keit hervorgehobene Punete gründen; während man bisher in dieſer Hinſicht nur wenig gethan hat, wohl begründete That— ſachen unter einem allgemeinen Geſichtspunkte zu vereinigen. Es iſt z. B. behauptet worden, die bunten Farben der Blumen hätten die Beſtimmung, das Auge des Menſchen zu erfreuen, — eine Anmaßung, auf welche, ſo wie auf manche andere ähnlicher Art, folgende Zeilen des berühmten Pope als hinreichende Antwort dienen dürften. „Indem der Menſch ſich rühmt, “Sieh? alles iſt für mich!“ Spricht eine feiſte Gans, „der Menſch iſt für mich da“).“ Nehmen wir wieder an, daß die Farbe jeder beſondern Blume der Oeconomie dieſer letztern durch die Brechung oder Zurückprallung verſchiedenfarbiger Lichtſtrahlen beſonders ange— meſſen ſei, eine Meinung, die auf den erſten Anblick höchſt annehmbar erſcheint, ſo tritt uns augenblicklich der Umſtand *) „While man exclaims, “see all things for my use,’ ‘See man for mine!’ replies a pamper’d goose.“ 155 entgegen, daß die Farben bei verſchiednen Exemplaren der nämlichen Art, wiewohl dieſe ſich derſelben Geſundheit er— freuen, und ſo weit als unſre Wahrnehmung reicht, in den Verrichtungen des Wachsthums und der Beſamung gleich kräf— tig und thätig erſcheinen, verſchieden ſind. Wir haben z. B. gegenwärtig eine Anzahl von Aurikeln und Stiefmütterchen (Viola tricolor), die faſt alle Farben⸗Nu⸗ ancen zeigen, von faſt reinem Weiß bis zum Dunkel-purpur⸗ nen⸗ſchwarz, und doch ſcheinen alle dieſe verſchiedenfarbigen Exemplare ſich eines gleichen Gedeihens zu erfreuen und kein Zeichen von Krankheit zu äußern, oder wie ſich der Lin né'⸗ ſche Botaniker ausdrücken würde, eine Monſtroſität (Mißbil⸗ dung) an ſich wahrnehmen zu laſſen. Der Fall iſt derſelbe mit Thieren, wofür unter andern zahlreichen Beiſpielen das geſtreifte Gehäuſe der Waldſchnecke (Helix nemoralis) einen Beweis liefert. Innerhalb des Be— zirks einer Viertelſtunde haben wir nicht weniger als ein Dutzend Varietäten dieſer Art geſammelt, die bald ein bald zwei, drei, vier bis ſieben Streifen zeigten, und die Streifen wichen hinſichtlich ihrer Farbe, Breite und Anordnung von einander ab, einige waren ſehr Haß andere dagegen ſchwärz⸗ lich braun. f „Die Garten⸗ Spinne (Epeira diadema) bietet eine gleiche Vorſchiedenheit von Zeichnungen und Nuaneen dar; einige ſind hell orangenfarben, andere dunkelbraun und noch andere grünlichgrau, während die Flecke bisweilen groß und deutlich, bisweilen klein und undeutlich find ). Die Urſachen obiger Verſchiedenheit auf eine genügende Weiſe auszumitteln, waren wir nicht im Stande, wiewohl wir dieſem Gegenſtand manches Jahr hindurch große Aufmerk— ſamkeit gezollt haben; wir haben denſelben hier blos erwähnt, um dasjenige einzuführen, was wir über die Farben-Verſchie⸗ denheit der Vogel-Eier zu ſagen im Begriff ſtehen, indem wir unſre Leſer erinnern, daß die Erſcheinung, wie dunkel ſie auch *) J. Rennie, 156 immer rückſichtlich ihrer Endurſachen fein mag, nicht ohne Beiſpiele bei andern natürlichen Erzeugniſſen iſt. Richten wir unſre Betrachtung auf die Art und Weiſe, wie die Schale eines Eies gebildet wird, ſo können wir einige von den Umſtänden, welche bei der Färbung und Zeichnung derſelben im Spiele ſind, entdecken. Wir wiſſen jetzt mit Beſtimmtheit, daß die Schale eine Seeretion iſt, welche Kalk zur Baſis hat und von den Drüſen des Eiergan— ges herrührt, nachdem der Kern (nucleus), beſtehend aus dem Eiweiß und Dotter, aus dem Eierſack (ovarium) in jenen ein: gedrugen iſt. Die weiße Farbe der Eier unſrer nützlichen Hausvögel (Scheunthor-Vögel); Hühner, Gänſe; die matte Rahm⸗Farbe der Faſanen⸗Eier, die grünlich braune der Nachtigall⸗Eier und das helle Blaßblau der Rothſchwanz- und Zaunſperlings- (ac- center modularis) Eier, müſſen, wie die ſchwarzen Knochen bei den Vögeln von Malabar, durch eine gleichförmige fär⸗ bende Subſtanz in der Kalk-Seeretion erzeugt worden; und wir finden demgemäß, daß, wenn die Schale eines gleichfar⸗ bigen Eies der Einwirkung verdünnter Salzſäure ausgeſetzt wird, dieſelbe ſich völlig auflöſt, und die Auflöſung, wenn man das blaue Ei des Zaun-Sperlings und das grüne Ei der Kachtigall dazu nimmt, eben fo vollkommen iſt, als wenn man die elfenbeinweiße Schale des Baumhacker-Eies mit dieſer Säure behandelt.“ Ein ähnlicher Verſuch mit irgend einer andern gleich- förmig gefärbten Schale z. B. dem blaßgelben Gehäufe der Gartenſchnecke (Helix hortensis) iſt ziemlich von den nämli⸗ chen Reſultaten begleitet, und nur ein dünnes Häutchen (membranous pellicle) bleibt durch die Säure unanfgelöft. Unterwirft man dagegen das geſtreifte Gehäuſe der Wald⸗ ſchnecke (Helix nemoralis) der Einwirkung der Säure, fo blei⸗ ben die farbigen Streifen, welche weniger Kalk und mehr thieriſche Subſtanzen enthalten, in einer aufgelockerten und etwas fleckigen Geſtalt, aber beträchtlich dicker als diejenige Portion, wo die Grundfarbe vorherrſcht, woraus ſich ergiebt, 157 daß die Streifen hauptſächlich aus animaliſchem Stoff be: ſtehen. Unterſucht man den Mantel der Schnecke, von welchem die Schale fecernirt wird, fo findet man, daß er mit dunklen, durchſichtigen Streifen bezeichnet iſt, welche den Streifen auf der Schale genau entſprechen; und es kann wohl ſein, daß dieſe Streifen, indem ſie nicht ſo ſpröde und zerbrechlich ſind als die übrigen Portionen der Schale zur Verſtärkung des Ge— füges dieſer letztern dienen. Die verſchiedenartigen Zeichnungen auf den Eiern mancher Vogel- Arten werden höchſt wahrſcheinlich ziemlich eben fo wie die Streifen der Schnecken-Gehäuſe erzeugt, nämlich durch Drüſen, welche eine farbige Subſtanz abſondern und zwi— ſchen diejenigen vertheilt ſind, welche die allgemeine Grund— farbe oder die ungefärbten Portionen fecerniren. Da jedoch die Bildung der Eierſchale in dem Eiergange vor ſich geht, ſo liegt ſie außer dem Bereich der Beobachtung, während man den Prozeß, wodurch das Schnecken-Gehäuſe entſteht, ſchritt— weiſe mit den Augen verfolgen kann. Die eben aufgeſtellte Anſicht wird dadurch noch wahr— ſcheinlicher, daß die verdünnte Salzſäure auf die Zeichnungen der Vogel-Eier eine ähnliche Wirkung äußert, denn wenn man das Ei einer Singdroſſel, welches eine hellbraune Grundfarbe und unregelmäßige ſchwarze Flecke und Tüpfeln hat, mit die— ſer Säure behandelt, ſo bleiben dieſe Flecke und Tüpfeln, während die blaue Portion ſich auflöſt und verſchwindet. Daſ— ſelbe findet hinſichtlich der Zeichnungen auf den Eiern der Ki— bitze und Buchfinken, Goldammern, Neunmörder, Aelſtern und Hausſperlinge ſtatt. Den verſchiedenen Unterſuchungen zu Folge, welchen wir die farbigen Zeichnungen dieſer und andrer Eier unterworfen haben, ſcheinen dieſelben aus einem thieriſchen, zum Theil in Weingeiſt auflöslichen Oel zu beſtehen, welches demjenigen ähnlich iſt, das, wie Odier gezeigt hat, die färbende Sub— 158 ſtanz der Flügeldecken (elytra) von Käfern bildet“); indeß mag wohl auch etwas Schleim (mucilago) ſich darin vorfin- den. Dieſe Anſicht von der Sache erhielt eine fernere Be— ſtätigung durch Knapp's Beobachtungen, der uns erzählt, daß die kalkige Subſtanz während der Bebrütung zum Theil aufgezehrt wird, die Zeichnungen auf den Eiern hingegen we— nig verletzt werden, und ſelbſt bis zuletzt eben ſo deutlich er— ſcheinen als an friſchgelegten Eiern“ ). | - Da diefe Zeichnungen ſich größtentheils entweder aus: ſchließlich oder zahlreicher am breiten Ende des Eies befinden, ſo ließe ſich annehmen, daß die Drüſen, welche die farbige Subſtanz abſondern, des durch den Druck des Eies bewirkten Reizes bedürfen, um in Thätigkeit verſetzt zu werden, und hieraus ließe ſich auch der in Zeichnungen beſtehende Gürtel oder Streif erklären, den man ſo häufig an den Eiern des Weißkehlchens, des Dorndrehers (Lanius Collurio) und noch manchen andern wahrnimmt. Wir ſind eben Zeuge von ei— nem Umſtande geweſen, welcher dieſe Erklärung beftätigt. Eine Canarienvogel-Sie, die wir mit einem Zeiſig (Car- duelis Spinus) paarten, hatte beim zweiten Legen (das erſte mal war aus den Eiern nichts geworden) zwei Eier von ver— ſchiedner Größe; das eine zeigte das gewöhnliche Maaß, einen bläulich weißen Grund und an dem breiten Ende einen Ring oder Gürtel von unregelmäßigen röthlichen Streifen; das an: dere war etwa um ein Drittel kleiner und völlig fleckenlos, indem man auch nicht die geringſte Zeichnung daran wahr— nehmen konnte. Unſrer Meinung nach rührte letzterer Umſtand wohl daher, daß dieſes Ei zu klein war, um die Drüſen zur Ausſonderung ihres färbenden Stoffs zu reizen oder denſel— ben aus ihnen hervorzudrücken “““). Iſt dies, wie es allen Anſchein hat, richtig, ſo hätten wir eine genügende Erklärung für die große Verſchiedenheit in ) Mem. Soc. d' Hist. Nat. de Paris, Tome J. ) Journal of a Naturalist, p. 223, 3. edit. %) J. Rennie. 159 den Zeichnungen von Eiern, die von einer und derſelben Art, ja einem und demſelben Vogel herrühren. „Die Vogel-Eier,“ ſagt Knapp, „weichen im allge— meinen ſehr von einander ab und ſind daher gelegentlich ſehr ſchwer zu beſtimmen, wenn man ſie aus ihren Neſtern ge— nommen hat, inſofern Farbe und Zeichnungen der Eier der nämlichen Species, ja ſelbſt aus dem nämlichen Neſte, ſehr verſchieden von einander ſind. Die einfarbigen behaupten ihre eine Farbe und zeigen blos in der Nuance Verſchieden— heiten; ſind die Eier aber mit Flecken und Tüpfeln verſehen, ſo weichen ſie hinſichtlich dieſer Zeichnungen ſehr von einander ab, was zum großen Theil wahrſcheinlich von dem Alter des Vogels herrühren mag; allein hierdurch wird die Verſchieden— heit der Eier eines und deſſelben Neſtes nicht erklärt. „Die Eier von See-Vögeln, insbeſondere die des gemei— nen Taucherhuhns (Colymbus Troile) ) gleichen ſich ein— ander oft ſo wenig, daß es großer Erfahrung und Geübtheit bedarf, um fie zu ordnen ).“ Derſelbe Schriftſteller fügt noch hinzu: — „wenn auch die Zeichnungen ſehr von einander abweichen, ſo geht die Ab— weichung der Nuancen und Flecke einer Species doch nie ſo weit, daß fie genau fo geſtaltet erſcheinen, wie die einer an: dern Familie, ſie behaupten im Gegentheil Jahr fuͤr Jahr eine charakteriſtiſche Geſtaltung.“ Im allgemeinen iſt die eben mitgetheilte Behauptung allerdings richtig, wiewohl die Eier des Goldfinken und des Buchfinken ſehr oft ziemlich die nämlichen Zeichnungen wahr— nehmen laſſen; und wir haben mehr als ein Buchfinken-Ei geſehen, welches denen der Goldammer in ſeiner Zeichnung dergeſtalt glich, daß beide blos durch ein ſehr geübtes Auge von einander unterſchieden werden konnten “““). ) The Guillemot. ) Journ. of aà Nat. p. 224. ) J. Rennie. 140 Die Eier des Haus-Sperlings find, wie Knapp be: merkt, vielleicht unter allen den meiſten Verſchiedenheinen un: terworfen *). Unter einigen Hunderten, die wir unterſucht ha⸗ ben, glichen ſich nur ſelten zwei einander, ſelbſt wenn ſie aus demſelben Reſte waren; einige zeigten breite Streifen und Flecke, während andere ſo fein getüpfelt oder richtiger mar⸗ morirt waren, daß man alle Aufmerkſamkeit nöthig hatte, um die Zeichnungen zu entdecken, indem ſie mehr von einer einförmigen grauen Farbe zu fein ſchienen. Dieſelbe Verſchie⸗ denheit bieten auch die Nuancen (Farben) dieſer Zeichnungen dar; indem einige ſehr blaßgrau und andere faſt ſchwarz ſind. Die Eier des Plattmönchs (Sylvia atracapilla) find wiederum in der Regel mehr geſteckt als getüpfelt, und zwar entweder mit einer dunklern oder bläſſern Fleiſchfarbe als die des Grun⸗ Plattmönnchs E i. des iſt, allein in manchen Fällen ſind dieſe Flecke wenig oder gar nicht zu bemerken ). Wir haben anderswo“) auf die ſeltſamen Anſichten auf- merkſam gemacht, welche hinſichtlich des Endzwecks der ver— ſchiedenen Farben der Inſekten-Eier genährt worden ſind; die gewöhnlichſte Meinung iſt, daß ſie dazu dienen, das Ei den Augen ſeiner natürlichen Feinde zu verbergen. „Die Schlange,“ ſagt Dr. Darwin, „die wilde Katze und der Leopard find fo gefärbt, daß fie dunkeln Blät: tern und ihren lichtern Zwiſchenräumen gleichen, und Vögel gleichen in Farbe dem braunen Erdboden oder den grünen Hecken wo ſie ſich gewöhnlich aufhalten. ) Journ. of a Naturalist. p. 222. *) J. Rennie, *) Insect Transformations, p. 33, 141 Gloger, ein Deutſcher, hat diefe Theorie in Bezug auf die Eier der Vögel noch weiter ausgeſponnen. Er meint, es ſei eine weiſe und höchſt bemerkenswerthe Vorkehrung der Natur, daß Vögel, deren Neſter ſehr frei ſtehen, und deren Inhalt den Augen ihrer Feinde vorzüglich ausgeſetzt iſt, Eier legen, die ſich durch ihre Farbe nur wenig von den ſie umgebenden Gegenſtänden unterſcheiden laſſen, ſo daß ſie das Auge der— jenigen Thiere täuſchen, die ein Verlangen zeigen, ſie zu ver— nichten (verzehren); ſolche Vögel dagegen, deren Eier eine helle deutliche Farbe haben und daher ſehr in die Augen fal— len, verbergen ihre Neſter entweder in Löcher oder verlaſſen die Eier blos des Nachts, oder brüten ſogleich nach dem Legen. „Es iſt ferner,“ ſagt derſelbe Schriftſteller, „zu be— merken, daß bei ſolchen Arten, deren Neſt offen ſteht, und wo das Weibchen die Jungen ohne den Beiſtand des Männchens aufzieht, erſteres im allgemeinen von andrer Farbe iſt als das Männchen, und daß dieſe bei ihm weniger in die Augen fällt und mehr mit den umgebenden Gegenſtänden harmonirt. Die weiſe und vorſichtige Natur hat alſo für die Erhaltung derjenigen Arten, deren Neſt völlig frei und ungeſchützt iſt, dadurch geſorgt, daß ſie den Eiern eine Farbe gab, die dieſe in der Ferne nicht verräth; dagegen ſie unter Umſtänden, wo die Eier dem Blick verborgen ſind, die glänzendſten Farben verleihen konnte. Oder es können vielleicht, um uns richtiger auszudrücken, ſehr viele Vögel ihre Eier an Stellen legen, die leicht in die Augen fallen, weil die Farbe der Eier dieſe leicht mit den umgebenden Gegenſtänden verwechſeln läßt; während andere Vögel genöthigt find, ihre Neſter zu verbergen, weil anders die ſehr ſichtbare Farbe ihrer Eier ihre Feinde herbei— locken würde.“ Eier müſſen den Vertheidigern der eben mitgetheilten Hy— potheſe zufolge in zwei Claſſen gebracht werden, je nachdem ihre Farbe einfach oder gemiſcht iſt. „Die einfachen Farben, als z. B. Weiß, Blau, Grün, Gelb ſind die leuchtenſten und hellſten und mithin für die 142 Eier die gefährlichſten. Das reine Weiß, die verrätheriſcheſte unter allen Farben, wird bei Vögeln gefunden, welch in Höh— len und Löcher niſten, wie z. B. der Holzhacker, der Dreh⸗ hals, die Mantelkrähe, der Bienenſpecht, der Eisvogel, der Taucher, die Schwalbe, die Mauerſchwalbe. Blos bei dieſen Vögeln haben die Vögel eine ausgezeichnet weiße Farbe. „Die Eier ſind ferner weiß bei einigen Arten, welche, gleich den Hausſchwalben, gewiſſen Sperlingen (Passeres), den Zaunfönigen (Troglodites) u. ſ. w. ihre Neſter mit ſehr engen Oeffnungen verſehen, daß das Auge ihrer Feinde nicht hinein⸗ dringen kann. Weiße Eier findet man auch bei Vögeln, die blos des Nachts oder wenigſtens erſt ſehr ſpät am Tage da: von gehen, wie die Eulen und Falken. ; Auch kommt dieſe Farbe bei ſolchen Vögeln vor, die blos ein oder zwei Eier legen und gleich nach dem Legen brüten, wie die Tauben, die Tölpel und die Sturmvögel. Was die hellgrüne oder hellblaue Farbe anlangt, ſo gehört dieſe bekanntlich manchen Arten an, die ihre Neſter in Löcher bauen, wie der Staar, der Dompfaff, der Fliegenſchnäpper u. ſ. w. Zweitens iſt dieſe Farbe den Eiern ſolcher Vögel ei— gen, die ihre Neſter aus grünem Mooſe, oder wenigſtens mit: ten ins Gras bauen, aber ſtets gut verſteckt, wie dies z. B. die Meiſe, der Hänfling u. ſ. w. thut. „Endlich legen manche von den ſtärkeren und größeren Vögeln grüne Eier, wie z. B. Reiher, welche im Stande ſind, ſich gegen Räuber zu vertheidigen. Eine lichtgrüne Farbe, die etwas ins Gelbliche ſpielt, zeigen die Eier der vielen hüh⸗ nerartigen Vögel (Gallinaceae), welche ins Gras niſten, ohne etwas mehr als ein unvollkommnes Neſt zu bauen, welches 145 bald unter der Menge der Eier verſchwindet; dies gilt z. B. vom Wiedehopf, dem Perdrix cinereus, dem Faſan. Dieſelbe Farbe wird auch bei einigen der Schwimmvögel (Palmipedes) beobachtet, die ihre Eier, wenn ſie dieſelben legen, verlaſſen, aber mit aufmerkſamer Sorgfalt bewachen, wohin z. B. die Schwäne, die Gänſe, die Enten, die Taucher u. ſ. w. ge: hören.“ N „Die Eier gewiſſer großer Vögel, die ihre Neſter unter freiem Himmel bauen, aber hinreichende Mittel zu ihrer Ver— theidigung beſitzen, ſind von ſchmutzig weißer Farbe, wie man dies bei den Geiern, Adlern und Störchen wahrnehmen kann. „Unter den Eiern von gemiſchter Farbe hat man zweier— lei Arten zu unterſcheiden, nämlich ſolche, die einen weißen Grund haben, und ſolche, deren Grund nicht weiß iſt. Eier mit weißem Grunde legt die Goldamſel, die Schwanzmeiſe “), die Kohlmeiſe, der Nußhacker, der Grauſpecht und die gemeine Schwalbe. Die meiſten von den Eiern mit weißem Grunde liegen in wohl verſteckten Neſtern verborgen. „Die Eier von gemiſchter Farbe und deren Grund nicht weiß, wenigſtens nicht rein weiß iſt, ſind die der Lerche, der Grasmücke (Curruca Locustella, Fleming)“ ), der Goldam⸗ mer, der Bachſtelze u. ſ. w. 7 — — Ei der Feldlerche. ferner die der Krähen, der Holzheher, der Droſſeln, der Wachtelu u. ſ. w. Endlich die der meiſten Singvögeln, *) The long-tailed-tit. ) The grass-hopper bird. 144 bei denen ihre Farben mit dem Innern des Neſtes überein- ſtimmen ).“ So beſchaffen iſt die Theorie; und Herr Glöger ſoll nach Unterſuchung ſämmtlicher Vögel Deutſchlands bewieſen haben; daß die Thatſachen durchgängig derſelben entſprechen. Im Einklang mit der nämlichen Anſicht bemerk Dr. Darwin, daß die Eier des Zaun-Sperlings (Accentor modularis) grünlich blau find, gleich denen von Aelſtern und Krähen, welche von unten in Korb-Neſtern zwiſchen dem Auge und dem Blau des Firmaments geſehen werden; allein er vergißt, daß die Eier der Singdroſſel, welche nicht minder hellblau find als die des Zaunſperlings, nicht zwiſchen dem Auge und dem Firmament geſehen werden können, denn das teft iſt mit einer dicken Mörtelſchicht überzogen. Noch weni: ger läßt ſich dieſe Lehre auf die Eier des Schwarzkehlchens (Saxicola rupicola, Bechstein) ) anwenden, welches auf den Erdboden niſtet; und am wenigſten unter allen auf die des Rothſchwänzchens, welches in Baumhöhlen oder Mauer: löcher baut. Wäre die Anſicht dieſer Schriftſteller nicht ſo allgemein verbreitet, wie fie dies, unſers Wiſſens, in compi— lirten Volksſchriften iſt, ſo würde es, da ſie jedem, der mit der Thatſache vertraut iſt, augenblicklich als falſch erſcheinen muß, Zeitverſchwendung ſein, ſie zu widerlegen; allein wegen dieſer ihrer allgemeinen Verbreitung wollen wir hier noch eini— ge andere Einwürfe folgen laſſen. „Saatkrähen,“ ſagt Profeſſor Brande, „bauen ein ziemlich freiſtehendes Reſt auf die höchſten Bäume; die Doh— len verbergen die ihrigen in Löcher; während der Kibitz, das Waldhuhn und die Schnepfe auf die nackte Erde niſten, und doch iſt die Farbe der Eier von allen dieſen Vögeln ziemlich dieſelbe. Die Amſel und Singdroſſel wiederum ſind Vögel von ſehr ähnlichen Gewohnheiten; ſie niſten an denſelben ) Verhand. der Geſellſchaft Nat. Freunde, in ae ) "The stone-chat, > 145 Stellen; aber die Amſel legt ein matt roſtfarbenes Ei, die Droſſel dagegen ein hellblaues mit einigen dunkeln, wohl be— grenzten (deutlichen) Flecken. —— —— am — — e i, Die Holzheher, wird behauptet, legen weiſe Eier; ſie ſollten es der Theorie nach, aber in der Wirklichkeit verhält ſich die Sache ganz anders. Bei den Habichten, die ſo geſchickt und gewohnt find, ihre Neſter zu vertheidigen, ſollten jener An⸗ ſicht zufolge rein weiße Eier legen, allein dieſe ſind matt— farbig und fallen wenig in die Augen; die Weihen (Bußaards), die feigſten der ganzen Familie, legen vielleicht die ſichtbarſten Eier unter allen. Die Aelſter iſt ein ſtarker Vogel, ihre Eier ſind wohl verborgen und das Neſt iſt gut befeſtigt und verwahrt; aber die Farbe des Aelſter-Eies iſt matt, wie bei dem Waldſchnepfen- und Saatkrähen-Ei u. ſ. w. Zwei einander ſehr ähnliche Eier ſind das des Rothſchwan— zes und das des Zaunſperlings; der Rothſchwanz baut in Löcher, der Zaunſperling nicht. Der Kuckuck wählt ſehr oft das Neſt des Zaunſperlings, in welches er mitten unter die hellblauen Eier ein geflecktes braunes Ei legt. Wenn wir demzufolge einräumen, daß die glänzendſten weißen Eier bei Vögeln gefunden werden, deren Neſter am beſten verſteckt ſind, wie z. B. die des Eisvogels, des Wendehalſes, des Zaunkönigs, der Meiſe, des Sperlings und ins beſondere das der Uferſchwalbe, ſoll— ten wir dann nicht vielmehr auf den Gedanken gerathen, daß, da das Innere dieſer Neſter a iſt, die 146 glänzendweiße Farbe der Eier den Vogel in den Stand ſetze, dieſelben von einander unterſcheiden zu können? Wie dem auch fein mag, jeden Falls iſt Herrn Glögers Theo: rie mehr ſinnreich als durch Thatſachen erwieſen ).“ In Erwähnung des Eisvogels als Beiſpiel hat Herr Gloger keine glückliche Wahl getroffen; denn wenn auch dieſer Vogel ſeine glänzend weißen Eier in ein Loch verbirgt, ſo werden ſie dadurch doch nicht dem durchdringenden Auge ſeines Hauptfeindes, der Waſſerratte entzogen, die gleich allen Nagethieren (der Maulwurf nicht ausgenommen) bei dem wenigſt möglichem Lichte ſehen kann. Er ſcheint auch den Umſtand überſehen zu haben, daß manche Vögel, welche hellfarbige Eier legen, offene Neſter bauen, wie z. B. die Singdroſſel, deren lichtblaue, mit eini⸗ gen wenigen ſchwarzen Flecken verſehene Eier durch die Unter⸗ lage (Neſt) von Kuhdünger, worauf fie der Vogel legt, keines⸗ wegs verborgen werden. Eine ähnliche Bemerkung läßt ſich hinſichtlich des Schwarzkehlchens (Saxicola rupicola, Bech- stein) machen. Der Grünfink (Fringilla chloris, Te min eh) dagegen, welcher ein offnes Neſt von von grünen Moos baut und es mit Roßhaaren, ſo weiß er ſie nur auftreiben kann, auskleidet, legt hellweiße, rothgefleckte Eier, die ſich nur ſehr wenig von denen des Zaunkönigs oder des Weidenzeiſigs (Sylvia Trochilus), unterſcheiden, welche Vögel bedeckte Neſter mit einem kleinen Seiten-Eingange bauen, während der Haus— ſperling (Passer domesticus, Ray) matt grünliche oder bläu⸗ lich weiße Eier mit graulich ſchwarzen Streifen legt und ſtets in Löcher oder unter irgend ein Schutzdach niſtet. Da dieſe Einwürfe unwiderleglich erſcheinen, ſo halten wir es für unnöthig, uns mit Dr. Darwin' s phantaſie⸗ reicher Erklärung des Urſprungs der Farben bei Eiern weit- läuftig zu befaſſen; er ſchreibt denſelben der Farbe der Ge: genſtände zu, unter welchen der Mutter- Vogel hauptſächlich ) Brande’s Journal for Decbr. 1829, p. 441, note. 147 lebt; dieſe ſollen nämlich durch das Auge auf die Eierſchale wirken; wäre dies richtig, ſo müßten der Grünfink und das Rothkehlchen nicht weiße, ſondern blaue Eier wie das Noth: ſchwänzchen legen. Was die Inſekten⸗Eier betrifft, fo hängt ihre Farbe bis⸗ weilen, jedoch nicht in jedem Fall, van den Farben des Em— bryos ab, welche durch die Schale hindurchſchimmern, wovon uns der kleine Nashorn-Käfer (Oryetes nasicornis, Illi- ger) “), ein Beiſpiel darbietet. Bei Vögeln kommt dies aber niemals vor; und die Zeichnungen auf den Eiern ſcheinen, ſo weit unſre Wahrnehmung reicht, mit den Farben und Schattirungen der Federn in keiner Verbindung zu ſtehen. In der That gehen Vögel von dem bunteſten Gefieder, wie 3. B. der Pfau und der Kolibri, aus weißen Eiern hervor. — Indeß läßt ſich vernünftiger Weiſe annehmen, daß jene Far⸗ ben und Zeichnungen der Eier beſtimmt ſind, irgend einem beſondern Zweck zu dienen, wiewohl wir dieſen nach dem ge: genwärtigen Zuſtand unſrer Kenntniſſe nicht mit Beſtimmt⸗ heit angeben können. Ohne eine Theorie hinſichtlich der Urſache der fraglichen Erſcheinung aufzuſtellen, hat Mr. Griffiths auf eine vor— ſichtigere Weiſe als Glöger und Darwin einige allge⸗ meine Folgerungen aus Thatſachen hergeleitet. „Die Eier von Raubvögeln, welche am Tage nach Beute fliegen,“ ſagt dieſer Beobachter, „ſind von weißlicher Farbe und roth gefleckt, oder roth und mit Braun gefleckt. Die Eier mit röthlicher Schale nehmen in demſelben Verhältniß an Farbe ab, als ſie gelegt werden, ſo daß einige der letzten blos hellröthlich oder weißlich mit hellrothen Tüpfeln erſchei— nen. Die Eulen und Nachteulen (Uhus) haben weißliche Eier ohne Flecken. Die Eier der ſcheckigen Aelſtern -haben auf ei- nem weißen Grunde am breiten Ende einen Kreis rother, brauner und bläulicher Flecke, über welche die nämlichen Farben geſprenkelt ſind. ) Insect Transform. p. 36. 148 Aelſter⸗ Ei. „Vögel, welche in die Löcher von Bäumen, Mauern oder Felſen niſten, haben im allgemeinen Eier von reinem Weiß. Hierher gehören die des Wiedehopfs, der Spechte mit ſchwarzem Gefieder, des Wendehalſes (torcal) , des Eis— vogels (martin (King) fisher), des Bienenſpechts. Die Baum: hacker⸗Eier haben einige wenige rothe Puncte. Vögel, die in einer gewiſſen Höhe auf Bäume niſten, z. B. Raben, Krä⸗ hen, Aelſtern u. ſ. w. haben gewöhnlich grüne oder grünliche Eier, die braun gefleckt oder punctirt find. Man hat beobachtet, daß die weißen oder weißlichen Eier von Schwimmvögeln kurz und zugerundet find, während die gelben oder grünlichen und gefleckten Eier eine ziemlich längliche Geſtalt haben. Die Eier der Sumpfoögel haben Flecke auf einem grauen, gelben, gelblichen, grünen, grünlichen, bläulichen, rothen oder röthlichen Grunde. Sie find ſelten Sphäroide, fon: dern meiſtens länglich (länglichrund) und nehmen von dem breiten Ende an ſehr ſchnell an Dicke ab. Weiß iſt die gewöhnlichſte Farbe der Eier der hühnerar⸗ tigen Vögel (gallinaceae); indeß haben einige einen grünen, grünlichen oder gelblichen Grund. Es iſt bemerkenswerth, daß die Eier, welche von gewiſſen Arten auf grünes Kräute⸗ rich (ins Gras) gelegt werden, mehr oder weniger an dieſer Farbe Theil nehmen. Die Sperlinge (passeres) haben Eier, deren Grund weiß oder weißlich, blau oder bläulich, oder 149 grün und dann gewöhnlich mit dunkeln Farben, als Roth, Braun und Schwarz, gefleckt iſt. Das Meiſen-Geſchlecht, welches in Baumhöhlen niſtet, hat ganz weiße oder weiße rothgetüpfelte Eier. Daſſelbe gilt von den Schwalben und Mauerſchwalben. Die Lerchen, Haidelerchen u. ſ. w. legen Eier, die eine Erdfarbe zeigen. 7 . Achtes Kapitel. Beobachtungen über das Brüten. Zum erfolgreichen Brüten iſt die Aufrechthaltung einer gleichmäßigen Temperatur von ungefähr 96° Fahrenheit oder 37° Réaumur unerläßlich nöthig, denn bei niedrige: ren Temperaturen ſcheint das Lebens-Prineip zu erſtarren und wird unfähig zur Entwickelung des für den Embryo be— ſtimmten Nahrungs-Vorraths. Von dieſer Regel ausgehend iſt es ſowohl den Aegyptern als denjenigen Europäern, wel: che den Verſuch gemacht haben, gelungen, mittelſt künſtlicher Wärme und ohne irgend eine Beihülfe von Seiten der Mut⸗ tervögel Eier auszubrüten. Eine der merkwürdigſten Anekdoten, künſtliches Brüten betreffend, iſt diejenige, welche ihren Urſprung einem mäd— chenhaften Aberglauben der römiſchen Kaiſerin Livia ver: dankt. Plinius erzählt die Geſchichte folgendermaßen: „ſie nahm ein Ei und trug es fortwährend in warmem Bu: ſen mit ſich herum, und wenn ſie ja genöthigt war, es auf einige Zeit von ſich zu legen, ſo nahm ſie es ſtets ſorgfältig aus ihrem Buſen und verbarg es in den einer Amme, damit die Wärme nicht unterbrochen würde).“ Réaumur erwähnt einige andere Beiſpiele ähnlicher Art: „eine Dame brütete dergeſtalt vier junge Goldfinken aus fünf Eiern von demſelben Neſte aus; das eine war faul und konnte mithin keinen Vogel liefern, ſie brauchte hierzu blos ) Cuvier’s Animal Kingdom, Aves, I. 138. (engl. ueberſ.) ) Plin. Hist. Nat. X. 76. 4151 zehn Tage. „Eine andere Dame,“ fügt er hinzu, „er— zählte mir einen noch außerordentlichern, aber keineswegs unglaublichen Umſtand derſelben Art, ſie verſicherte mir nämlich, eine Hündin auf Hühner⸗Eiern bis zum Hervorbre⸗ chen der Küchelchen ſitzen geſehen zu haben, indem dieſes Thier eine Vorliebe für die Eier, welche ſie unter ſich hatte, gefaßt haben mochte, wovon ſich indeß der Grund nicht gut angeben läßt, wenigſtens iſt nicht anzunehmen, das es dazu durch das Verlangen, junge Huͤhner auszubrüten, beſtimmt worden ſei ). Plin ius ſcheint anzudeuten, daß die Geſchichte der Kaiſerin Livia ſpätere Verſuche, Eier durch künſtliche Wär⸗ me auszubrüten, veranlaßt habe, er ſagt nämlich, „Viel— leicht hat dieſer Umſtand zu der neuen Erfindung Gelegenheit gegeben, daß man Eier an einem warmen Orte auf Spreu legt, ſie durch ein mäßiges Feuer in gleicher Wärme erhält, und durch einen Menſchen von Zeit zu Zeit umwenden läßt, da dann die Jungen mit andern zu gleicher Zeit aus der Schale hervorbrechen ).“ Wenn indeß auch damals dergleichen Verſuche von neuem vorgenommen wurden, ſo waren ſie doch keineswegs neu, denn ſchon Ariſtoteles und Diodorus erwähnen derſel— ben, wiewohl auf eine etwas unbeſtimmte Weiſe. Ariſto— teles meint, man könne in der Erde Eier erwärmen und aus brüten; wahrſcheinlich mochten ihn die Eier der Krokodille und andrer Amphibien, die in der Erde ausgebrütet werden, auf dieſen Gedanken gebracht haben. Auf die nämliche Weiſe ſcheint er die Schlangen⸗Cier, welche in Düngerhaufen ausgebrütet werden, im Auge ge— habt zu haben, wenn er uns erzählt, daß man in Aegypten die Eier mit Miſt bedecke, um junge Hühner aus ihnen zu erhalten, was doch durchaus unmöglich iſt, wie wir ſogleich ſehen werden. ) L’Art. de faire Eclorre, chap. 1. ) Plin, Hist. Nat. X, 76. 152 Diodorus iſt etwas ausführlicher in Schilderung des Verfahrens, welches nach ihm darin beſtand, daß man ein Gefäß mit durchgeſiebtem Vogeldünger anfüllte, den Dünger mit Federn bedeckte, und auf dieſe die Eier mit den dünnen Enden nach oben legte und ſie alsdann ebenfalls mit einer Feder- und Dünger- Schicht bedeckte“). Cardan, welcher dieſe Stelle erläutert, ſagt, „der Dünger, ſowohl unter als über den Eiern muß in Kiffen geſtopft werden **). + Ré aumur verſichert uns indeß, daß dies alles nichts als Fabel ſei; denn mittelſt mannigfaltiger, ein ganzes Jahr hin— durch beſtändig wiederholter Verſuche, die er mit einer Sorg— falt und Aemſigkeit anſtellte, daß er faſt darüber die Geduld verlor, hatte er auch nicht einen einzigen Vogel auf die be— ſagte Weiſe ausbrüten können, jedoch glückte es ihm endlich, auf einem andern Wege ſein Ziel zu erreichen. Einen eben fo günſtigen Erfolg hatte, wie uns The: venot erzählt, ein Verſuch, den man in Toscanien, jedoch unter Leitung eines Aegypters anſtellte; denn der Großherzog, von jener lobeoswerthen Wißbegierde, die dem Hauſe von Mediei ſo eigenthümlich iſt, beſeelt, hatte aus Aegypten einen mit dem Verfahren, Eier durch künſtliche Wärme aus⸗ zubrüten, vertrauten Mann kommen laſſen. Neuere Reiſende, welche das in Aegypten übliche Ver— fahren erwähnen, find in ihren Berichten davon ſehr mangel⸗ haft, indeß werden wir uns wenig hierüber wundern, wenn wir erfahren, daß daſſelbe in Aegypten ſehr geheim gehalten wurde. Schon Vater Sicard ſagt, es fer ein Geheimniß ſelbſt in Aegypten und nur den Bewohnern des Dorfes Berme und einiger umliegender Oerter im Delta bekannt, welche es ihren Kindern als Erbe hinterlaſſen, mit dem Verbot, es Fremden mitzutheilen. Gegen den Herbſt, die günſtigſte Jahreszeit zum Brüten, zerſtrenen ſich die Bewohner des genannnten ) Aldrovandi Ornithologia, II. ) De Subtilitate. 159 Dorfes über das ganze Land, und jeder übernimmt von de: nen, die mit der Kunſt nicht bekannt ſind, eine Anzahl Eier zum künſtlichen Ausbrüten. Die nun folgenden Operationen beſtehen erſtens in der Erbauung paſſender Oefen, und zwei— tens darin, daß die Eier in dieſen einer regelmäßigen Wär— me ausgeſetzt werden. Das Geheimniß liegt indeß nicht im Baue des Ofens, (denn ſein Aeußeres liegt vor aller Augen, und man erlaubt auch Fremden, im Innern dem merkwürdi— gen Vorgang beizuwohnen), ſondern vielmehr in der Art, wie man die Eier erwärmt, um die Küchelchen nach und nach zu entwickeln und endlich auszubrüten. Die weſentlichſte Bedin: gung bei dieſem Verfahren iſt, daß man die Eier in der er— forderlichen Temperatur erhält und mithin die Handhabung des Feuers, wodurch der Ofen geheizt wird, vollkommen verſteht. — — Aegyptiſcher Eier-Ofen. Den beſten Beſchriibungen zu Folge iſt ein ägyptiſcher Brütofen (Mamal) ein von Ziegelſteinen aufgeführtes, unge— fähr neun Fuß hohes Gebäude (S. Pig. a.); durch die Mitte deſſelben läuft ein ttwa drei Fuß breiter und acht Fuß hoher Gang, der ſich von einem Ende zum andern erſtreckt, durch 134 dieſen Gang, welcher den ganzen Ofen beherrſcht, gelangt man in letzteren, was die verſchiedenen zur Erhaltung der Eier in dem gehörigen Temperatur-Grade erforderlichen Ope⸗ rationen ſehr erleichtert. Auf jeder Seite dieſes Ganges be— findet ſich eine doppelte Reihe von Gemächern, eine über der andern, jedes Gemach iſt drei Fuß hoch, vier bis fünf breit und zwölf bis funfzehn Fuß lang, und hat eine runde Oeff— nung von ungefähr anderthalb Fuß im Durchmeſſer, ſo daß man bequem hinein kriechen kann; in jedes werden vier bis fünftauſend Eier gelegt. Den Grundplan eines ägyptiſchen Eierofens ſtellt Fig. b. dar; und die Querdurchſchnitte Fig. e. und Fig. d. laſſen den Leſer, erſterer den Gang (A), den Eingang in dieſen (bb), und die Gemächer zu beiden Seiten; letzterer, außer dem Gange und den Gemächern, die in die: ſen zur Einführung der Eier angebrachten Löcher wahrnehmen. Die Zahl der Gemächer in einem Brütofen wechſelt von drei bis zwölf, und das Gebäude reicht zur Aufnahme von 40,000 bis 80,000 Eiern hin, welche aber nicht auf den bloſen Steinboden des Ofens, ſondern auf eine Matte oder eine Schicht Flachs oder ein anderes die Wärme nicht leicht leitendes Material gelegt werden. In jedem der untern Gemächer iſt eine Feuerſtelle zur Er⸗ wärmung des obern, dem die Hitze durch ein rundes Loch in der Mitte mitgetheilt wird (Siehe die Durchſchnitte). Die Feuerſtätte iſt eine Art Rinne, zwei Zoll tief und ſechs Zoll breit, gleich über dem Rande des Fußbodens, bisweilen ganz, meiſtentheils aber nur auf zwei Seiten rund. Da Holz und Kohlen ein zu ſchnelles Feuer geben würden, ſo brennt man mit Stroh vermengten, in Kuchen geformten und ge: dörrten Kuh- oder Kameeldünger. Die Eingänge zu den Ge: mächern dienen als Eſſen, um den Rauch abzuleiten, der endlich in den Gängen oben an der Decke durch Löcher ins Freie entweicht. Das Feuer in den Rinnen Ceuerſtellen) wird, nach Einigen, nur Früh und Abends eine Stunde unterhalten, während man es, nach Andern, täglich vier mal anzündet. Der Unterſchied mag ſich wohl nach der Tem⸗ 455 peratur der RE nz me Wen ENT Rauch v Pr gen hat, jo ı den v verſch n Gemächern Grundplan eines ägyptiſchen Eierofens. den g führenden Oeffnungen forgfä aer t gro a Rh 1275 se 17 Wärme beſſer zur hält als eine höl⸗ zerne Thüre Hat man das Feue nach der Temperatur der Luft, 8, 10 oder 12 Tage a fo hört man damit auf, 156 weil der Ofen nun fo warm iſt, als zur Ausbrütung nöthig iſt, welche im Ganzen 21 Tage erfordert, gerade wie bei den Eiern, welche die Henne ſelbſt ausbrütet. Auerduechſchnitt und Höhe eines äanpeifgen Eierofens. Ungefähr um die Mitte der angegebenen Zeit wird eine Anzahl Eier aus den untern Gemächern in die obern ge— bracht, um den jungen Küchelchen das Hervorgehen aus den Schalen zu erleichtern, welches durch das Aufeinanderliegen der Eier für die unterſten erſchwert werden würde. 12 N. nerd SEM ce Höhe e | in ägyptiſchen Eierofens. Die Zahl der Eieröfen in den verſchiedenrn Gegenden Aegyptens ſoll ſich auf 386 belaufen, und dieſe Zahl kann nie vermehrt oder vermindert werden, ohne daß dies bekannt würde, da ein jeder Eierofen zu feiner Beſorgung einen Ber: meer erfordert, und kein ſolcher feine Kunſt ohne einen durch 157 den Aga von Berme unterzeichneten Erlaubniß-Schein aus: üben darf. Der Aga erhält für jeden Erlaubniß-Schein zehn Kronen. Nimmt man nun an, daß jährlich in jedem Ofen ſechs bis acht mal Eier ausgebrütet werden, und daß jede Brut ſich auf 40,000 bis 80,000 belaufe, ſo läßt ſich daraus abnehmen, daß die Durchſchnittszahl der in einem Jahre in Aegypten ausgebrüteten Hühnchen ſich beinahr auf 100 Mil— lionen beläuft. Der Ausbrüter ſtellt ſeine Rechnung mit ei— nem Abzug von etwa einem Drittel ſämmtlicher ihm über: gebenen Eier, und er ſteht in der That nur für zwei Drittel der Eier, welche ihm von dem Unternehmer übergeben werden, ſo daß er von 45,000 Eiern nur 30,000 Hühnchen abzuliefern braucht. Erhält er mehr als zwei Drittel, ſo ſind die übrigen ſein Eigenthum. Ueberdies erhält er außer freier Koſt für ſeine ſechsmonatliche Arbeit 40 bis 50 Kronen. Von den falſchen Berichten ausgehend, die uns Ariſto— teles und Diodorus über die äegyptiſche Methode, Eier auszubrüten, hinterlaſſen haben, ſtellte Rẽéaumur eine An: zahl ſinnreiche Verſuche mit Dünger in einem Zuſtand von Gährung an. Eine auszügliche Mittheilung dieſer Verſuche wird nicht unintereſſant ſein, diente ſie auch blos dazu, die Wichtigkeit einiger Umſtände, die zu einem erfolgreichen Brü— ten erforderlich ſind, nachzuweiſen. Es iſt eine den Gärtnern wohlbekannte Sache, daß fri— ſche Dünger-Lagen wenige Tage nach ihrer Aufſchichtung heiß werden, und daß die Hitze darin fortwährend zunimmt, bis die hineingeſteckte Hand Schmerz empfindet, daß ſie mit, hin eine Hitze entwickeln, die für die Ausbrütung von Eiern viel zu groß iſt. In der That wurden die Eier in der von Réaumur angewendeten Düngerſchicht, ob ſie gleich in einem Topfe ſtaken, faſt gar und zum Eſſen geſchickt. Die fragliche Hitze iſt übrigens keineswegs beſtändig oder gleich— förmig, auch iſt ſie nie dieſelbe in verſchiedenen Tiefen oder Theilen derſelben Düngerſchicht. Um dieſem Uebelſtand zu begegnen, beſchloß der ſcharfſinnige Forſcher, den Dünger blos zur Erhitzung einer Höhlung oder eines Ofens anzuwenden, 158 anftatt die Eier unmittelbar hineinzulegen; er begann daher mit zwei Schichten, die, nicht ſo breit als Melonenbeete, durch einen ſchmalen Pfad geſchieden und an den Enden ver: ſchloſſen waren, und einen länglichen Ofen oder eine Höhlung bildeten, deren Luft durch die Gährung warm erhalten wur: de; das Ganze wurde mit Brettern überdeckt, doch nicht ſehr dicht; die Temperatur zeigten in mehrere Theile geſteckte Iher: mometer an, und um den Apparat gegen Regen zu ſichern, wurde er in einen geräumigen Wagenſchuppen gebracht. „Einige Tage nach Errichtung des Ofens,“ erzählt Réaumur, „zeigte mir das Thermometer, daß die Hitze weit größer war, als ich ſie brauchte; aber ſo wie ich ſie auf den erforderlichen Grad herabgeſtimmt hatte, brachte ich 200 Eier in den Ofen — genug für einen erſten Verſuch — wiewohl er recht gut über 1000 faſſen konnte. Der größere Theil dieſer Eier wurde auf Bretter-Geſtelle, die übrigen in Körbe gelegt, und ich wußte ganz gewiß, daß alle ziemlich derſelben Wärme ausgeſetzt waren, die ſie unter einer Henne erhalten haben würden. Schon nach 24 Stunden zwang mich meine Ungeduld, zu unterſuchen, welche Veränderung die Eier erfahren haben möchten: ich zerbrach zwei davon und hatte das Vergnügen: ein kleines Herz wahrzunehmen, das ſich in der angegebenen Zeit entwickelt hatte und bereits ſchlug, desgleichen ſah ich den kleinen, zu ſeiner Füllung hinreichenden Tropfen Blut ein- und ausſtrömen. Dies war ein Anblick, der einen Naturforſcher nicht leicht ermüden konnte, und wenn er auch länger als ſechs oder acht Minus ten gedauert hätte. Die nächſten vier oder fünf Tage hin⸗ hindurch gelang es mir, die Gleichheit der Temperatur zu erz halten, zugleich konnte ich die Fortſchritte (der Entwickelung) der Hühnchen in den Eiern beobachten, indem ich täglich eis nige von letztern zerbrach, um mich hiervon zu überzeugen. Ja ich fühlte zuletzt ſogar ein Bedauern, dies ferner zu thun, in der Meinung, hierdurch eben ſo viele Kügelchen zu ver⸗ lieren. 159 „Allein ſo wohl diefe als andere, manchen ähnlichen Verſuchen ausgeſetzte Eier begannen am achten oder neunten Tage meine Erwartungen zu täuſchen. Bis dahin hatte ich in den Eiern, die ich zerbrach, die Kügelchen ganz nach mei— nem Wunſch gefunden; allein die Sache änderte ſich, und der ſich über dem Ofen verbreitende Geruch überzeugte mich, daß wenigſtens einige von den Eiern verdorben ſein müßten. Dieſe ließen ſich in der That leicht von den geſunden unter— ſcheiden, indem bei einigen die verdorbene Subſtanz die Schale durchbrochen hatte und bei andern durch die Poren dieſer letz— tern getreten war. Ich entfernte ſorgfältig alle verdorbene Eier; allein da ihre Anzahl mit jedem Tage zunahm, ſo ſchloß ich zuletzt, daß ein verderblicher Zufall alle betroffen haben müſſe; und obſchon in einigen die Kügelchen ſich ge— bildet hatten und mit Federn bedeckt waren, ſo fand ich ſie doch alle todt. „Da es mir indeß geglückt war, dieſe jungen Hühnchen binnen zwei Dritteln der zu ihrer Ausbrütung in der Regel erforderlichen Zeit ſo weit zu bringen, als bis wohin ſie ge— diehen fein würden, wenn fie von einer Henne bebrütet wor: den wären, ſo ſchien für mich Hoffnung vorhanden zu ſein, daß ich durch Verdoppelung meiner Sorgfalt mit der Zeit zum Ziele gelangen würde. Ich legte daher eine Zeitlang friſche Eier in denſelben Ofen, und wählte hierzu jeden Tag die von meinen eignen Hähnern erhaltenen, auch brauchte ich dabei die Vorſicht, jedesmal das Datum darauf zu bemerken. Allein auch diesmal ſchlugen meine Erwartungen fehl, die Eier waren in der Regel den zwölften Tag verdorben. „Als ich im darauffolgenden November meine Verſuche wieder aufnahm, ließ ich mehrere Brüte-Oefen von verfchie: denen Formen, einen nach dem andern erbauen, und auch einige in der Geſtalt von Back-Oefen; allein da dieſe nicht paſſend ſchienen, ſo kehrte ich zu meinem erſten Plan zurück, und im Februar ſtand ein ſolcher Ofen fix und fertig in einem Stalle, der für ſechs Pferde hingereicht haben würde. So— 160 bald die Temperatur zu dem erforderlichen Grade gefteigeri war, brachte ich die Eier hinein; die Düngerſchicht war ſehr feucht, und da die Jahreszeit zur Trocknung derſelben nicht taugte, ſo war der Ofen im Innern ſtets mit einem dicken Qualm gefüllt, und zwar in ſolcher Menge, daß die Eier fortwährend wie mit Waſſer benetzt waren. Einige Eier la— gen in offenen Käſten, deren Boden mit Stroh beſtreut wa— ren; letzteres ward durch den feuchten Brodem in eine Art Schlamm verwandelt. Allein trotz dem, daß die Eier in dieſer ſchlammartigen Maſſe ziemlich ſo naß waren, als lägen ſie in Waſſer, ging doch die Entwickelung der Kügelchen bis zum ſiebenten Tage vor ſich, von denen aber keins denſel— ben überlebte. | == — zZ EAN „Die Wände des Ofens wurden indeß mit der Zeit trocken, und es war kein bemerklicher Dampf mehr vorhan—⸗ den, deſſenungeachtet blieben alle meine Verſuche drittehalb Monate hindurch fruchtlos, wiewohl ich täglich darauf bedacht war, den Urſachen dieſes Mißlingens zu begegnen. Nach manchen fruchtloſen Bemühungen, welche die größte Geduld 161 endlich ermüden mußten, ſah ich nunmehr deutlich ein, daß der Hauptpunkt, worauf ich mein Augenmerk zu richten habe, darin beſtehe, die Eier durch die Wärme des Düngers hin— reichend warm zu erhalten, ohne ſie aber dabei dem ſich aus letzterem entwickelnden Dunſte, der durch die Poren ihrer Schalen drang und dem Keime verderblich ward, ausgeſetzt zu laſſen. Von dieſer Anſicht ausgehend, ließ ich eins von jenen Fäſſern, die man halbe Ochſthofte nennt, in ein zu ſeiner Aufnahme hinreichend weites, in den Dünger gemachtes Loch einſenken, wobei ich vorzüglich dafür ſorgte, daß der obere Rand drei oder vier Zoll über das heiße Düngerbett hervor— ragte; der Boden war mittelſt Querſtangen in einen be— weglichen Deckel verwandelt und dieſer mit einem großen und acht kleinern Löchern verſehen worden. Letztere wurden durch Korke verſchloſſen und dienten als Regulatoren der innereren Wärme. Die Eier wurden in runden Körben, die im Durch— meſſer ungefähr zwei Zoll weniger maßen als daß Faß, in dieſes hinabgelaſſen, von den Körben ſelbſt waren die einen tiefer, die andern ſeichter, erſtere enthilten zwei, letztere eine Eierſchicht. Ich ließ drei ſolche Körbe, die ungefähr zweihun— dert Eier enthielten, in den Ofen ſtellen, und zwar ſo, daß ſich der unterſte einige Zoll vom Boden, und der höchſte ebenfalls einige Zoll vom oberſten Rande befand. Als die Zeit abgelaufen, in welcher meine früheren Verſuche fehl ſchlugen, war in dieſem neuen Ofen noch kein einziges Ei verdorben, und nach zwanzig Tagen kam mein Gärtner, der für ſo manche verunglückte Brut hatte ſorgen müſſen, des Abends in der größten Aufregung zu mir, um mir die frohe Nachricht zu bringen, daß ein junges Hühnchen im Durch— brechen der Schale begriffen ſei, und daß man es deutlich pipen hören könne. Dieſes Hühnchen täuſchte unſere Hoff— nungen nicht, es kroch ſchon den nächſten Tag aus feiner engen Behauſung, ja einige andre gingen ihm ſogar voraus; hierauf folgten bald noch mehrere, und dieſen wieder an— 162 dere und fo fort, fo daß ich jeden Tag neue Kügelchen erhielt *). Das Problem hinſichtlich der durch Gährung erzeugten Wärme war dergeſtalt gelöſt; allein Ré aumur blieb hier: bei nicht ſtehen. a Verfußt en, Eier im Miſte auszubrüten. Der Ritter von St. Sulpiee, eifrig beſtrebt, das Verfahren einzuführen, wendete ſich an den Naturforſcher, um die nöthige Belehrung darüber zu erhalten; allein anſtatt demfelben Dünger⸗Lager anzuempfehlen, meinte Réaumur daß der Reetor von der Wärme der Backöfen, welche der weitläuftigen wohlthätigen Anftalt*), L’Entant Jesus genannt, angehören, Vortheil ziegen dürfte. Nach verfchiednen Verſu⸗ chen, die Wärme eines Zimmers, welches über dieſem Back— haus gelegen war zu benutzen, und nachdem man die nöthigen Anſtalten zur Unterhaltung einer gleichmäßigen Temperatur ge: troffen, beſchloß man, die Eier auf dem Brettergeſtell eines klei⸗ nen, daſelbſt befindlichen Schenktiſches anzuordnen; und die Sorge dafür wurde den Nonnen der Anſtalt zu übertragen. — L’Art de Faire Ecelorre, Aem, II. 165 Bei einem der erften in dieſem Backhaus angeftellten Verſuchen war die Beſorgung eines beſondern Kaſtens, der hundert Eier enthielt, einer ſehr klugen Nonne anvertraut wor: den, die einen enthuſiaſtiſchen Eifer für die Sache zeigte. Mehr als die Hälfte dieſer Eier verdarb; aber bemerfenss werth iſt, daß etwa zwanzig um einen Tag früher ausgebrüs tet wurden, als dies der Fall geweſen ſein würde, wenn eine Henne darauf geſeſſen hätte. Beim Hervorbrechen des erſten Küs gelchens gerieth die Nonne vor Freuden faſt außer ſich und eilte ſogleich fort, um Jeden, den ſie finden konnte, die Neuigkeit mitzutheilen. | i. n 1 Brütezimmer über dem Backofen der Priorei de 1' Enfant Jesus zu Paris. Der Erfolg beſagter Experimente führte natürlicher Weiſe auf den Schluß, daß Bäcker und Paſteten-Bäcker ihre Oefen durch Errichtung von Brüte-Gemächern über denſelben zu ähnlichem Gebrauche benutzen dürften, und daß man derge— ſtalt junge Hühnchen in Unzahl, ja ſogar noch mehr als in Aegypten, erhalten könnte. 164 Es ſcheint indeß, daß eine ſolche Idee nie zur Ausfüh— rung gediehen iſt, oder daß man, außer einigen wenigen Ver: ſuchen von geringem Belang, in keinem Theil von Europa eine Anſtalt zu dieſem Behuf getroffen hat. Vor einigen Jahren richtete Jemand in der Nähe von London einen Dampf-Brüte-Apparat ein und ſtellte ihn im ägyptiſchen Salon Piccadilli zur Schau auf; indeß haben wir nicht gehört, daß der Erfinder ſein Machwerk je zu einem Handel mit jungen Hühnchen, die er mittelſt deſſelben aus— brütete, benutzt hätte. Wie wichtig es ſei, die Eier in einer gleichmäßigen Temperatur zu erhalten, geht aus der großen Sorgfalt hervor, welche Hennen in Anordnung ihrer Eier, worauf ſie ſitzen, an den Tag legen. Unter andern merkwürdigen Thatſachen, die mit vorliegendem Gegenſtand in Verbindung ſtehen, gehört die Beobachtung, daß Hennen bisweilen dieje— nigen Eier, die fie nicht hinreichend mit ihrem Körper be⸗ decken können, aus dem Neſte werfen oder verzehren. Vor einigen Tagen hatten wir drei Weiden: Zeifig: *) Eier mit uns nach Hauſe genommen und waren eifrig darauf bedacht, ſie ausgebrütet zu ſehen, wir legten ſie daher, nachdem ſie etwas erwärmt worden, in das Neſt einer Kanarien-Sie, die damals auf vieren ihrer eignen Eier ſaß. In Verlauf des nämlichen Tages waren zwei von ihren eignen Eiern ver— ſchwunden; wahrſcheinlich hatte ſie der Vogel, unvermögend, alle ſieben Eier zu bebrüten und in einer gleichmäßigen Tem⸗ peratur zu erhalten, zerſtört; die drei kleinen von uns unter: gelegten Eier waren ziemlich eben ſo groß als die beiden verſchwundenen ). Aus demſelben Grunde mögen wohl diejenigen Vögel, in deren Neſter der Kuckuck auf eine ſchmarotzeriſche Weiſe *) Sylvia sibilatrix, Bechstein. *) J. Rennie. 165 feine Eier legt, oft, wenn nicht immer, ihre eignen Eier vernichten, um den fremden Platz zu machen. Während des Brüte-Geſchäfts verfährt die Mutter ſo, als ſei es ihr bekannt, daß, wollte ſie die Eier alle in einer und derſelben Lage erhalten, einigen davon der wohlthätige Einfluß der Wärme ihres Körpers vorzugsweiſe auf Unkoſten der übrigen zu Theil werden würde. Neunes Kap! Entwickelung des Kügelchens. Es iſt ſchon ſeit langer Zeit eine Lieblings-Beſchäftigung für philoſophiſche Naturforſcher geweſen, die Veränderungen zu beobachten, welche ein Ei während ſeiner Bebrütung vom erſten Tage an, wo ſich die Mutter darauf ſetzt, bis das Kügelchen die Wände ſeines Kerkers durchbricht und an das Tageslicht gelangt, nach und nach erfährt, Die vorzüglichſten Schriftſteller, welche dieſen höchſt merk⸗ würdigen und anziehenden Vorgang in ſeinen verſchiedenen Stadien beobachtet haben, ſind Fabrieius ab Aquapen— dente, Harvey, Malpighi, Maitre-Jean, Réau⸗ mur, Haller, Scarpa, Meckel, Blumenbach, Prout, Dutrochet und Sir Everard Home. Die Beobachtungen und Mittheilungen dieſer Forſcher wollen wir jetzt in gedrängter Kürze zuſammenſtellen und mit einander vergleichen. In ungefähr zwölf Stunden, nachdem die Mutter auf dem Ei zu ſitzen angefangen, find die erſten Lebens = Spuren im Keime (cicatricula) wahrnehmbar. Was der Kopf des Kügelchens zu fein ſcheint, ſteht mit dem Körper in Verbin: dung und ſchwimmt in der umgebenden Flüſſigkeit; und ge: gen das Ende des erſten Tages ſieht man dieſen anſchei⸗ nenden Kopf in Folge ſeiner Vergrößerung zurückgebogen. So ſagt Haller; allein Blumenbach hält dies für eine trügeriſche Erſcheinung, erzeugt blos durch die ſich im voraus bildende Behauſung (Aufenthalt) des zukünftigen Kügelchens, „wovon,“ ſagt derſelbe, „keine Spur vor dem zweiten Tage 167 ſichtbar iſt, an welchem es eine gekrümmte Geſtalt annimmt, und einem an feinem Enden geſchwollenen gallertartigen Fa: Das Ei, wie es in der dreizehnten Stunde ſei— ner Bebrütung erſcheint, mit einer vergrößerten Anſicht des Kügelchens im Embryo: Zuſtande ). den ähnlich ſieht, der dicht von Flüſſigkeit umgeben iſt, von welcher er ſich kaum unterſcheiden läßt.“ Die erſte Spur von Blut erſcheint am Dotterſacke gegen das Ende des zweiten Tages, wo man eine Reihe von Punkten, in Geſtalt kleiner Vertiefungen oder Rinnen erblickt, die, wenn ſie ſich ſchlie— ßen Gefäße bilden, deren Stämme ſich mit dem Kügelchen verbinden. Haller ſagt: man kann jetzt Spuren des Rücken-Kno— chens (der Wirbelſäule, vertebrae) gleich kleinen Kügelchen *) Dieſe und die nachfolgenden Anſichten, welche die Entwicke— lung des Kügelchens im Ei erläutern, find aus Sir E. Home's vergleichender Anotomie entlehnt. 168 wahrnehmen, die auf den beiden Seiten der Mitte des Rück— grades angeordnet ſind, auch beginnen die Flügel und die Ein Ei, wie es gegen das Ende der ſechszehnten Stunde ſeiner Bebrütung erſcheint, mit einer vergrößerten Anſicht des Embryo-Kügelchens. an ihrer matten Farbe erkennbaren Blutgefäße des Nabels ſich zu zeigen. Es entwickeln ſich Hals und Bruſt, der Kopf wird größer, die Umriſſe der Augen und ihre drei umgeben: den Häute werden jetzt ſichtbar, und man ſieht das Herz ſchlagen (pulſiren) und das Blut umlaufen (eireuliren). Blumenbach erwähnt nicht, daß er das Herz vor dem Anfange des dritten Tages geſehen habe, an welchem es einem gekrümmten Canal gleicht und aus drei dicht an einander liegenden, in Geſtalt eines Dreiecks angeordneten Erweiterungen beſteht; ein Theil davon iſt eigentlich das rechte Herzohr (auricula), welches zu dieſer Periode ein ge— meinſchaftliches Herzohr bildet; und ein andrer iſt die einzige Herzkammer (Ventrikel), welche nachmals zur linken Herzkam⸗ 169 mer (Ventrikel) wird; der dritte Theil (bulbus aortae, Ur: ſprung der großen Herzſchlagader) bildet einen ſtarken Bauch nach außen. Ein Ei, wie es nach der ſechsunddreißigſten Stunde ſeiner Bebrütung erſcheint, nebſt einer vergrößerten Anſicht des Vogel-Embryos. Bemerkt zu werden verdient, daß das Herz in dieſer Pe⸗ riode aus der Bruſt hervorſpringt und einen dreifachen Schlag, (triplets) hat; der eine findet ſtatt, wenn das Blut aus den Venen in das Herzohr einſtrömt, ein zweiter, wenn das Blut in die Schlagadern, und ein dritter wenn daſſelbe in die Nabelgefäße getrieben wird, Bewegungen, welche, nachdem man den Embryo aus dem Ei genommen hat, noch 24 Stunden hindurch andauern. Die Blut = (Venen) und Schlagadern (Arterien) ſieht man jetzt auch ſich über die Oberfläche des Gehirns verzwei— gen, und das Rückenmark beginnt ſich längs 1 Rücken aus: 170 zudehnen, oder vielmehr, wie Marcel de Serres ), Tiedemann“), und Carus“) ſehr ſchön gezeigt haben, Ein Ei, ſechsunddreißig Stunden nach der Be: brütung geöffnet, nebſt einer vergrößerten An⸗ ſicht des Embryos, an welchem das erſte Erſchei— nen der Haupt⸗ Blutgefäße wahrzunehmen iſt. das Rückenmark ſelbſt bildet, indem es ſich ausbreitet, das Gehirn. In dieſer Periode wird die Flüſſigkeit, welche den Fötus (Kügelchen) umgiebt, conſiſtent und nimmt an Durch⸗ ſichtigkeit ab. Ziemlich um die nämliche Zeit krümmt ſich auch das Anfangs in gerader Linie verlaufende Rückgrath und die Gelenke deſſelben (die Wirbelbeine, vertebrae) werden ſichtbar. Die Augen laſſen ſich an ihrem ſchwarzen ) Du Cerveau, Paris 1826; und Sur le Cervelet, Paris 1823. ) Geſchichte des Gehirns des Fötus, 4. Leipzig. ) Vergleichende Anatomie, 171 Pigment und ihrer, im Vergleich mit Nachmals, verhältnißmäßig bedeutenden Größe erkennen, wovon die Urſache ein beſonderer Schlitz im untern Theil der Iris (Regenbogenhaut), iſt ein Umſtand, welchen man auch bei der gemeinen grünen Eidere (lacerta agilis) und andern Thieren, die keine Pupillarhaut haben, beobachten kann. Am vierten Tage läßt ſich die Pupille eben ſo gut unter⸗ ſcheiden als die wäſſrige und Glas-Flüſſigkeit (Humor aqueus et vitreus). Am Kopfe ſind fünf mit einer Flüſ— ſigkeit gefüllte Bläschen zu erkennen; und dieſe nähern ſich einander in demſelben Verhältniß, als fie an Größe zu— nehmen, endlich vereinigen fie ſich mit einander und bilden das Gehirn, von ſeinen Häuten umkleidet. Die Flügel wach— ſen ebenfalls, die Schenkel fangen an zu erſcheinen, und der Ein Ei nach dem vierten Tage ſeiner Bebrü— tung geöffnet, nebſt einer vergrößerten Anſicht f des Embryos. Leib verlängert ſich bis zum dritten Theil eines Zolls. Ber: ſchiedne andre wichtige Organe werden en ſichtbar, z. B. * 172 der Magen, der Darmkanal und die Leber. Eine Gefäß⸗ haut erſcheint um den Nabel, und wächſt während der fol- genden Tage ſo auerßordentlich ſchnell, daß ſie faſt die ganze innere Fläche der Schale bedeckt; ſie vertritt offenbar die Stelle der Lungen, und unterhält mithin den Athmungsprozeß. Am fünften Tage fangen die Lungen an ſich zu bil⸗ den, können öber natürlicher Weiſe wegen der den Fötus um— hüllenden Flüſſigkeit ihren Dienſt noch nicht verrichten. Die Nabel: Gefäße treten aus dem Unterleibe hervor; das Herz iſt von einer ſehr dünnrn Haut eingeſchloſſen, welche den Bruſtkaſten bedeckt, und die Muskeln erſcheinen im Umfange des Körpers in Geſtalr einer ſalbenartigen Hülle. Ein Ei, wie es nach dem fünften Tage ſeiner Bebrütung erſcheint, nebſt einer vergrößerten Anſicht des Kügelchens. Am ſechſten Tage wird endlich die Gallenblaſe ficht- bar, und jetzt laſſen ſich auch die erſten Spuren willkührlicher Bewegungen wahrnehmen. 0 Ein Ei, wie es nach dem ſechsten Tage der Be: brütung erſcheint, nebſt einer vergrößerten Anſicht des Kügelchens. Das Rückenmark, in zwei Theile geſchieden, verläuft längs dem Stamme; die Leber, anfangs weißlich, nimmt eine dunklere bräunliche Farbe an. Der Embryo iſt jetzt 7°) Linien lang. Am ſiebenten Tage läßt ſich der Schnabel leicht er— kennen, und die Haut mit den Keimen der Federn wird ſichtbar. Am achten Tage haben Gehirn, Flügel, Schnabel und Beine ziemlich ihre völlige Geſtalt erlangt; ſind aber, wie Searpa bemerkt, noch weich, biegſam und durchſichtig“ ). Die beiden Herzkammern (Ventrikel) erſcheinen ebenfalls und zwar, gleich zwei Blaſen, einander berührend und oben mit ) Eine Linie iſt der zwölfte Theit eines pariſer oder etwas weniger als der eilfte Theil eines engliſchen Zolls. ) De Penit. Ossium Structura Comment. 4. Lips. 1799. 174 — Ein Ei, wie es nach dem ſiebenten Tage der Bebrütung erſcheint, nebſt einer vergrößerten Anſicht des Kügelchens. Ein Ei, wie es nach dem achten Tage der Bebrütung erſcheint, nebſt einer vergrößerten Anſicht des Kügelchens. 175 Ein Ei, wie es nach dem 9, Tage der Bebrütung erſcheint. Daſſelbe Ei mehr nach rechten Seite gedreht. 176 der Subſtanz der Herzohren zuſammenhängend; zugleich be: merkt man zwei auf einander folgende (ſucceſſive) Bewegun: gen darin, fo wie auch in den Herzohren, welche zwei be: fonderen Herzen gleichen. Am neunten Tage beginnen die Knochen, ſich zu bil: den, ſie erſcheinen in Geſtalt harter beinerner Glieder (joints) der mittle Theil des Schenkel- und Unterſchenkel-Knochens wird, nach Searpa, gelblich. Dergleichen Knochenkerne bilden die Rudimente des Knochenrings der Sclerotiea (feſten Au: genhaut), welcher einer kreisförmigen Reihe der zarteſten Per: len gleicht. Zu derſelben Periode werden die Spuren der ſchönen gelben Gefäße am Dotterſacke ſichtbar. Ein Ei, wie es nach dem zehnten Tage der Bebrütung erſcheint. Am zehnten Tage erſcheinen die Muskeln der Flügel vollkommen gebildet, und die Keime der Federn nehmen ſicht⸗ lich zu. Searpa konnte bis zu dieſer Periode nichts Hartes wahrnehmen, was er ſah, waren gelbe, aus ſchönem Netz⸗ werk beſtehende Runzeln. (Zool. Journ. 11. 433.) 177 Am eilften Tage fangen die Schlagadern (Arterien) an deutlich hervorzutreten, diejenigen, welche früher vom Her: zen entfernt waren, vereinigen ſich jetzt damit und hängen fortan mit ihm zuſammen. Zu dieſer Zeit war es, wo Searpa zuerſt die Runzeln an den Beinen und Schenkel—⸗ Der Vogel⸗Embryo, aus dem vorhergehenden Ei genommen, und wovon das Amnion und das Bläschen entfernt iſt. Beinen rauh und hart werden, und rothe Stellen erſchei— nen ſah. Am zwölften oder dreizehnten Tage, wenn man die Membran (chorion), welche das Weiße des Eies einhüllt, nach ſehr behutſamer Oeffnung der Schale unterſucht, ſo gewährt ſie, ſagt Blumenbach, ohne irgend eine künſtliche Ein— ſpritzung, eines der ſchönſten Schauſpiele, welche in der gan— zen organiſchen Schöpfung vorkommen, — der einfachſte und doch zugleich der vollkommenſte Apparat für die Lungen. Sie zeigt eine mit zahlloſen Blutgefäßen Venen und Arterien, die ſich durch ihr Gewebe verzweigen, bedeckte Fläche. Die Ve— nen zeichnen ſich durch eine glänzende Scharlachfarbe aus und 178 führen dem Embryo geſauerſtofftes *) (oxygenirtes) Blut zu; während die Schlagadern auf der andern Seite dunkel violett erſcheinen und das kohlenſtoffige (mit Kohlenſtoff beladene) Blut aus dem Körper des Embryos fortführen. Die Verrich- tungen beider Arten von Gefäßen ſind alſo gerade das Ge— Ein Ei, wie es nach dem vierzehnten Tage der Bebrütung erſcheint. gentheil von denen, welche ſie ausüben, ſobald das Kügelchen durch die Lungen athmet. Da die eben erwähnten Echlag: adern mit den Darm-Blutadern (Venae iliacae) in Verbin⸗ dung ſtehen, und da ihre Wände äußerſt dünn ſind, ſo eignen *) Die Vermiſchung des Blutes mit Sauerſtoff geſchieht bei den gebornen Säugethieren und Vögeln, in den Lungen auf eine noch nicht hinreichend erklärte Weiſe. Sauerſtoff ift überall in der Natur verbreitet. Die atmoſphäriſche Luft enthält in hundert Theilen etwa zwanzig Theile Sauerſtoff das Uebrige iſt Stickſtoff. Der Sauerſtoff iſt erſt in den 179 Daſſelbe Ei, nach Entfernung der äußeren Hälfte des Bläschens. Jahren 1771 und 1774 durch Priſtley entdeckt wor— den, man nannte ihn anfangs, weil er zur Unterhaltung des Feuers und thieriſchen Lebens unbedingt nöͤthig iſt, Feuerluft oder Lebensluft. Verbrennliche Körper können nur, wenn ſie mit Sauerſtoffgas in Berührung find, verbrennen, und alles Verbrennen beruht auf chemi— ſcher Verwandſchaft des verbrennlichen Körpers zum wäg— baren Theile des Sauerſtoffgaſes, indem dieſer ſich mit dem brennenden Körper vereinigt, wird der in dem Gas gebunden enthaltene Wärmeſtoff frei und erſcheint als Licht und freie Wärme. In der atmoſphäriſchen Luft ſind die brennbaren Körper mit mehr Stickgas als Sauerſtoffgas, in Berührung, im reinen Sauerſtoffgas verbrennen ſie da— her weit lebhafter und ſcheiden in gleicher Zeit weit mehr Licht und Wärme ab, als in der atmoſphäriſchen Luft. Thiere können nicht leben, wo es an Sauerſtoff fehlt, be: finden ſich aber keineswegs im reinen Sauerſtoff beſſer als in der atmoſphäriſchen Luft, ſondern erkranken endlich dar ein, weil der Lebensprozeß zu ſehr beſchleunigt wird.! 180 Der Embryo des eee e Eies geöffnet, ſo daß man den Verlauf der Hauptblutgefäße ſehen kann, welche zum Bläschen und der Areo— larhaut gehen. in vorzüglichem Grade geeignet, die Circulation (Blutumlauf) in einem warmblutigen Thiere zu beobachten. Nach Ecar: pa behaupten jetzt die Schenkelbeine, wenn man ſie trocknet, wee Geſtalt. Am vierzehnten Tage erſcheinen die Federn gehörig entwickelt, und nimmt man den Embryo jetzt aus dem Ei, ſo kann er den Schnabel öffnen, um Luft einzuathmen. Während des noch übrigen Theils des Vorganges wird der Dotter, in Folge ſeiner Vermiſchung mit dem innern Glahr nach und nach dünner und bläſſer, während eine Un⸗ zahl franzenartiger ſich in Flocken von eigenthümlicher Stru⸗ ctur endigender Gefäße an der innern Fläche des Dotterſacks 181 Ein Ei, wie es nach dem achtzehnten Tage der Bebrütung erſcheint. Das nämliche Ei, nach Entfernung eines Theils des Bläschens, fo daß man das Kügelchen deut: lich ſehen kann. 182 rung (Abſorption) des Dotters in den Körper wahrnehmen kann. hervorſproſſen und in den Dotter hineinhängen, offenbar dazu beſtimmt, letzteres zu abſorbiren (einzufaugen) und den Ve— nen zuzuführen, wo es dem Blute aſſimilirt (ähnlich gemacht) und zur Ernährung des Kügelchens verwendet wird. Blu: menbach überzeugte ſich von dem wirklichen Uebergange des Dotters aus den fluctuirenden (freihängenden) Gefäßen der innern Fläche des Dotterſacks in die Blutgefäße, welche zu den Kügelchen gehen; wenigſtens konnte er gelbe Streifen in dem rothen Blute der Venen unterfcheiden *). ) Zool. Journ. II. 483. 185 Am neunzehnten Tage kann der Embryo Töne von ſich geben, ſo daß man ihn durch die Schale hindurch pipen hört. Am ein undzwanzigſten Tage, in der Regel, durch— bricht der junge Vogel die Schale und entweicht aus ſeinem Kerker, bisweilen geſchieht dies indeß ſchon am neunzehn— ten, bisweilen aber auch erſt am ſiebenundzwanzigſten Tage. Ein Ei, wie es nach dem zwanzigſten Tage der Bebrütung erſcheint. Bläschen und Amnion find entfernt, ſo daß man die Lage des jungen Vogels vollkommen ſehen kann. Der Austritt des Kügelchens aus der Schale erſcheint uns als einer der wichtigſten Prozeſſe der belebten Schöpfung, welche je von Naturforſchern unterſucht worden find. Réau— mur hat uns eine äußerſt genaue und ausführliche Schil— derung dieſes Vorganges geliefert, und neuerdings iſt von Varrel eine kurze Auseinanderſetzung ſeiner eignen Beobach⸗ 154 tungen bei verſchiedenen Vogel-Arten erſchienen. Der Laie glaubt, der Muttervogel zerbreche die Schale des Eies, um das Kügelchen aus ſeinem Kerker zu erlöſen, eine Meinung, wozu wahrſcheinlich der Umſtand Veranlaſſung gegeben hat, daß Stücke von der Schale oft zerbrochen und eine Strecke weit fortgeſchleppt gefunden werden, während die innere Haut (Membran) keine Riſſe zeigt, und dies, behauptet man, könne unmöglich der Fall ſein, wenn das Kügelchen von innen aus die Schale durchbräche. Allein man dürfte aus demſelben Grunde folgern, daß ein mit Pergament bedecktes Weinglas durch einen Hammerſchlag nicht zertrümmert werden könne, ohne Riſſe im Pergamente zu verurſachen; denn die Mem⸗ bran des Eies iſt elaſtiſch und nachgebend, die Schale dage— gen nicht. Daß aber das Kügelchen und nicht die Mutter dieſen Dienſt verrichtet, iſt durch unmittelbare Beobachtungen erwieſen, die man zu feiner Ueberzeugung ſehr leicht wieder⸗ holen kann. Bemerkt zu werden verdient noch, daß Ddiefe Thatſache bereits im dreizehnten Jahrhundert von Al ber— tus Magnus, jenem großen Naturforſcher des finſtern⸗ Zeitalters, wahrgenommen worden it”). Man dürfte vielleicht der Meinung ſein, daß eine ſolche Arbeit für die Kräfte des noch ſchwachen Kügelchens viel zu groß ſei, allein man muß auf der andern Seite bedenken, daß das ängſtliche Beſtreben des kleinen Thierchens, aus fei- nem Kerker hervorzugehen, ſeine Energie nicht wenig erhöht, und dieſe wird noch durch ſeine eigenthümliche Structur ſo wie durch die Lage, welche es annimmt, befördert. Der Schnabel iſt in der That noch weich, und dürfte einem oberflächlichen Beobachter zur Durchbrechung der Schale wenig geeignet erſcheinen: allein dieſes Werkzeug iſt, wie fich- Mr. Marrel ausdrückt, an dem gekrümmten Theil der obern Mandibel (obern Schnabelhälfte), gerade über feinem äußer⸗ ſten Ende mit einer kleinen hornartigen, ziemlich kreisrunden, Schuppe verſehen, welche in der Mitte eine ſcharfe hervor- ) Apud Aldrovandi, Ornith. III. 184, ed. Francof. 185 ſpringende Spitze hat, und vermöge der beſondern Lage des Kopfs wird dieſe ſcharfe Spitze in beſtändige Berührung mit der innern Fläche der Schale gebracht. Erwähnung verdient noch, daß der einzige Nutzen, wels chen dieſe hornige Spitze hat, darin beſteht, dem Kügel— chen die Schale durchbrechen zu helfen, denn wenn der kleine Vogel aus ſeiner engen Behauſung hervorgeht, und der Schnabel durch den Einfluß der Luft hart wird, ſo fällt dieſe Schuppe bald ab, und am zweiten oder dritten Tage iſt an der Stelle, woran ſie ſaß, nur noch ein hellfarbener Fleck ſichtbar. Uebrigens läßt ſie ſich gleich beim Hervorbrechen des Kügelchens leicht mit dem Daumen⸗Nagel lostrennen. Bei Tauben, und wahrſcheinlich auch bei andern Vögeln, welche nicht gleich bei ihrem Hervorvorgange aus dem Ei um— herlaufen und ihr Futter ſuchen, fällt die Schnabelſchuppe vor Verlauf einer Woche nicht ab. Marrel glaubt, daß die Härte der Schnabel-Schuppe mit der Dicke der Schale in Verhältniß ſtehe, indem ſie bei einem aufbewahrten Kügelchen der ägygtiſchen Gans (Anser Gambensis) ſehr hervorragend, hart und ſcharf iſt. Die Lage des Kügelchens im Ei ſcheint deſſen Durchbruch durch die Schale eben ſo wenig zu begünſtigen, als die Weichheit des Schnabels; denn es iſt wie ein Ball zuſam— mengerollt, mit dem Hals abwärts nach dem Leibe geneigt, dem Kopf in der Mitte, und dem Schnabel unter dem rech— ten Flügel, wie bei ſchlafenden Vögeln. Die Füße ſind ebenfalls unter den Leib gebogen, wie bei jungen Hühnern und bei Tauben, welche man für den Bratſpieß zugerichtet hat, die Krallen find fo zurückgekrümmt, daß ihr converer Theil faſt den Kopf berührt. Der Vordertheil des Kügelchens, liegt, wie Neaumur bemerkt, nach dem breiten Ende zu; und Dr. Prout ſagt, „es, (das Kügelchen) iſt dergeſtalt im Ei gelegen, daß es durch feine überwiegende Schwere nach einer Seite eine Po: 186 Lage des Kügelchens im Ei. ügelchens im Ei. Lage des K 187 fition einnimmt, wodurch der Schnabel ganz nach oben ge: kehrt wird ). ö Es iſt von einer dicken feſten Membran umgeben, welche es in der eben beſchriebenen Lage erhält und dem Anſchein nach in den erforderlichen Bewegungen hemmt. Allein eine genauere Unterſuchung zeigt, daß alle dieſe Umſtände mehr auf Erleichterung als Verzögerung ſeiner Operationen gegen die Schale abzwecken, die es durchbrechen muß, wenn es daraus entſchlüpfen will. ö | In der That wird der Schnabel, obgleich, wie bei ſchla⸗ fenden Vögeln, unter dem Flügel ſteckend, fo weit vorgeſcho— ben, daß er über dieſen nach dem Rücken zu hervorſpringt, und der Kopf, welcher ſich abwechſelnd vor und rückwärts bewegt, bewirkt, daß der Schnabel auf die Schale ſchlägt, eine Verrichtung, die ſowohl durch den Flügel als den Körper geleitet wird. Es verdient Erwähnung, daß der Kopf im Vergleich zur Maſſe des Körpers ſehr ſchwer iſt und hier— durch nebſt dem Halſe zu einer Laſt wird, welche das Kügel— chen ſelbſt mehrere Tage nach ſeinem Hervorbrechen aus dem Ei nicht ohne Schwierigkeit aufrecht erhalten kann. Im Ei dagegen, die Lage ſei, welche ſie wolle, wird der Kopf entweder durch den Leib oder durch den Flügel oder durch beide zu gleich unterſtützt; und je größer und ſchwerer der Kopf iſt, deſto nachdrücklicher und wirkſamer müſſen na— türlicher Weiſe die Schläge des Schnabels ſein. Die Länge des Halſes bewirkt, daß dieſer zu beſagter Zeit gebogen iſt, wiewohl er nach den erſten vierzehn Tagen ziemlich gerade wird; was aber aus Nothwendigkeit, um Raum zu gewin— nen, geſchieht, erſcheint, wie bei manchen andern Operatio— nen der Natur, als das Beſte, was eine freie Wahl mög— licher Weiſe würde haben thun konnen. Vermöge genauer Aufmerkſamkeit zur gehörigen Zeit ver: nahm Réaumur häufig das Hämmern des Schnabels ge: gen die Schale, und in den weiter vorgeſchrittenen Perioden ) Phil, Trans, für 1822. 188 der Operation konnte er das Kügelchen ſogar durch die durch⸗ ſichtige Schale in der Arbeit begriffen ſehen. Das Reſultat der erſten Schläge iſt ein kleiner Sprung, dem breiten Ende des Eies näher als dem ſchmalen. Wenn dieſer Sprung erſcheint, ſo ſagt man, daß Ei ſei angebrochen (ehipped). Die Membran reißt ſelten gleich von vorn herein, ſelbſt nachdem der harte Theil der Schale, welcher ſie bedeckt, ab⸗ gelöft iſt; in einem Fall ſah indeß Re aumur, als er die Operationen eines Kügelchens bei Kerzenlicht beobachtete, die⸗ ſes mit allen Kräften die von ihrer Membran entkleidete Schale bearbeiten. Es ſchlug jedoch nicht darauf, ſondern ſchien fie abzunutzen und durch beſtändige Friction dünner zu machen. Die ununterbrochenen Schläge erweitern die erſten Riſſe, und neue Splitter werden faſt alle in demſelben Kreiſe abgeſto⸗ ßen, indem jene (die Schläge) ziemlich rings in dem ganzen Um⸗ fange eines Kreiſes verlaufen, welcher das Ei nie ſchräg ſondern ſtets gerade (wagerecht) durchſchneidet. Während deſſen bleibt der Schnabel ſtets unter dem Flügel und in derſelben Lage. Um nun jene Durchbrechung zu bewirken, muß ſich das Kü⸗ gelchen allmälig drehen, bis es eine vollkommene Umwälzung um ſeine Axe vollendet hat; obſchon dieſer Umſtand zufolge der Undurchſichtigkeit der Schale nicht beobachtet werden kann. Allein einen Beweis für feine Wirkſamkeit liefert das Erſchei⸗ nen der Schnabel⸗Spitze an verſchiednen Stellen, während der Kopf ſtets unter demſelben Flügel bleibt; eine Lage, die fo ge— nau beibehalten wird, daß ſie ſelbſt nach Trennung der Schale in zwei Portionen, wenn ſich dem Kügelchen bereits eine Ausgangs-Thür, ſo groß als die Dimenſionen ſeines Kerkers, öffnet, noch eine Zeit lang fort dauert. Die Umwälzung oder Umdrehung, die das Kügelchen dergeſtalt um ſeine eigne Axe vollbringt, findet ſtets von der Linken zur Rechten ſtatt, und wird waheſcheinlicher Weiſe mittelſt der Füße bewerkſtelligt; denn die Krellen, indem ſie auf die Schale durch die Membran, welche ſie von derſelben 189 ſcheidet, drücken, müſſen in eben dieſer Schale den zur Ausführung der Kreisbewegung erforderlichen Widerſtand finden. Die eben mitgetheilte Anſicht erhält dadurch Beſtäti— gung, daß die Füße allein den jungen Vogel in den Stand ſetzen können, aus ſeiner engen Behauſung hervorzugehen; denn die Flügel und andern Glieder, mit Ausnahme des Hal— ſes und Schnabels ſind, ſo lange das Thierchen im Ei ein— geſchloſſen iſt, jeder Bewegung unfähig. Réaumur, begierig, die Art der kreisförmigen Bewe— gung des Kügelchens auszumitteln, begnügte ſich nicht mit der bloſen Wahrſcheinlichkeit, ſondern ſchritt zu Verſuchen. „Iſt es,“ fragt er, „der Wahrſcheinlichkeit entgegen, daß die Schläge des Schnabels auf die Schale eine Reaction (Gegenwirkung) auf den Körper des Kügelchens ausüben, hinreichend, ſeine Lage zu verändern und es nach und nach einen Kreis beſchreiben zu laſſen? „Ein einfacher Verſuch ſchien mir zur Löſung dieſer Frage wohl geeignet, er beruhete auf dem Grundſatz, daß, wo— fern jene Anſicht richtig, das Kügelchen ſich nicht drehen kön— ne, wenn der Schnabel ſo geſtellt ſei, daß er nichts Feſtes habe, wogegen er ſich ſtemme, ein leicht herbeizuführender Umſtand, ſobald man dem Schnabel jene feſte Stütze nimmt, gegen welche er wirken muß, oder den Sprung (Riß) nach der rechten Seite verlängert, ſo daß der Schnabel nichts hat, worauf er ſchlagen kann. „Dem gemäß verlängerte ich den Bruch bei zwei Eiern beträchtlich und entfernte in derſelben Richtung ſowohl Schale als Haut, einzig und allein in der Abſicht, um zu ſehen, was nun mit dem Kügelchen werden würde. „Unglücklicher Weiſe für die Theorie war die Folge da— von, daß beide Kügelchen ſchneller aus ihrer Haft befreit wurden, als wenn ſie ſich ſelbſt einen Ausweg hätten bahnen müſſen. Ich hatte ihnen einen Theil der Arbeit erſpart, und ſie wußten recht gut, wie ſie ihre Stellung zu ändern hatten, 190 um den rückſtändigen Theil der Schale vollends durchbrechen zu können).“ Der Bruch iſt, wie die Unterſuchung von Eiern lehrt, bald breiter bald ſchmäler, ja ſogar bei einem und demſel⸗ ben Ei von verſchiedenen Breiten; bei manchen ſind blos ei— nige Stücke, bei andern dagegen ſehr viele abgeſchilfert, im letztern Fall zeigt das Ei alle Unregelmäßigkeiten einer durch wiederholte Hammerſchläge zerbrochenen Glasflaſche. Die beabſichtigte Wirkung iſt die völlige Trennung der beiden Portionen, zuerſt der harten Schale und dann der Membran, die durch das wiederholte Picken des Schnabels zer: riſſen wird. Nicht allen Kügelchen gelingt es, dies innerhalb des nämli⸗ chen Zeitraums zu vollbringen, einige werden mit der Arbeit in einer Stunde fertig; andere in zwei oder drei Stunden, während die meiſten einen halben Tag, und einige ſogar vier— undzwanzig Stunden dazu nöthig haben. „Ich habe,“ jagt Réau mur, „Kügelchen zwei Ta⸗ ge nach einander hiermit beſchäftigt geſchehen, Einige arbei⸗ ten ohne Unterlaß; andere ruhen von Zeit zu Zeit aus, je nach ihren phyſiſchen Kräften. Ich habe einige, in Folge ihres ungeduldigen Beſtrebens, ans Tageslicht zu gelangen, die Schale viel zu früh durchbrechen ſehen; ſie hätten nämlich, bevor ſie aus ihrer Haft entwichen, einen auf vierundzwanzig Stunden hinreichenden Nahrungsvorrath, (ohne zu freſſen) in ſich aufnehmen müſſen; zu dieſem Behuf gelangt die unverzehrte Dotter-Portion durch den Nabel in den Körper. In der That ſiecht das junge Hühnchen, welches aus der Schale hervorgeht, ehe der Dotter aufgezehrt iſt, und ſtirbt ſchon nach wenigen Tagen. Die Hülfe, welche ich gelegent— lich mehreren bei der Durchbrechung ihres Kerkers leiſtete, gab mir Gelegenheit, dergleichen Hühnchen, welche ihre Schale zu durchbrechen begannen, bevor der Dotter völlig aufgezehrt war, zu beobachten; und ich habe manches ziem⸗ ) Oisseaux Domestiques, Mem. Tom. VI. 191 lich zerbrochene Ei geöffnet, wo das Kügelchen einen großen Theil des Dotters noch nicht aufgeſogen hatte. Uebrigens haben einige Kügelchen größere Hinderniſſe zu überwinden, als andere, indem nicht alle Schalen von einerlei Dicke und Conſtiſtenz ſind; und ich halte es für wahrſcheinlich, daß die— ſelbe Ungleichheit in der auskleidenden Haut ſtatt findet. Die Schalen der Eier von verſchiedenen Wogel-Arten ſtehen hinſichtlich ihrer Dicke mit den Kräften des Kügelchens in Ver— hältniß, welches ſie zu durchbrechen beſtimmt iſt. „Der Kanarien-Vogel würde nie im Stande ſein, die ihn einſchließende Schale zu durchbrechen, wenn dieſe ſo dick wäre, wie bei dem Ei eines Scheunthor-Vogels (Huhns), und das Huhn würde alle Eier, die es auszubrüten verſuchte, zerdrücken, wenn deren Schalen nicht dicker wären, als die des Kanarien⸗Vogeleies. Das Kügelchen einer Henne würde fer: ner vergebens ſich abmühen, ſeine Schale zu durchbrechen, wenn dieſe ſo dick und hart wie bei einem Straußen-Ei wäre; und wiewohl ein Strauß, welcher im Begriff ſteht, aus dem Ei hervorzugehen, dreimal ſo groß iſt, als das Haus-Hühn— chen, ſo läßt ſich dennoch nicht recht begreifen, wie ſein Schnabel hinreichende Stärke beſitzt, um durch eine Schale zu brechen, die härter iſt, als eine porzellanene Taſſe. In einigen Gegenden pflegt man die Eier, zu der Zeit, wo man das Hervorbrechen der Kügelchen erwartet, in warmes Waſſer zu tauchen, indem man drr Meinung iſt, daß hier— durch die Schale zerbrechlicher, und dergeſtalt die Arbeit dem Kügelchen erleichtert werde. Allein ſelbſt kochend heißes Waſſer macht die Schale nicht zerbrechlicher, und wiewohl Waſſer dieſelbe erweicht, ſo wird ſie doch, wenn ſie an der Luf trocknet, wieder ſo hart wie früher *). 4 Herr Darrel bemerkt ſehr richtig, daß die Schale durch die Bebrütung ſpröder gemacht wird, während der Be— ) Reaumur, Oiseaux Domest., tom, VI. 192 brütung erleiden die Eier von gewöhnlichem Geflügel im Durchſchnitt einen Verluſt von acht Gran, indem die Feuch⸗ tigkeit zum Theil verdünſtet und zum Theil abſorbirt wird, und zu gleicher Zeit löſt ſich auch die auskleidende Mem⸗ bran ab “). | N 5 N „„ \ N) \ Ä i N N 44 U Eier von dem eingeſchloſſene durchbrochen. Obgleich in den meiſten Fällen der Bruch durch die ganze Peripherie der Schale geht, ſo begnügt ſich doch bisweilen das Kügelchen, nur etwa drei Viertel davon zu durchbrechen. Iſt dies geſchehen, ſo bedarf es des Schnabels nicht zur völligen Trennung, welche leichter und ſchneller durch Stoßen mit der ganzen Körpermaſſe geſchieht, wobei die Füße als Hebel dienen. Durch dieſes anhaltende Vorwärtsſtoßen mit dem Körper, eine Bewegung, welche häufig wiederholt wird, lüftet das junge Thierchen allmälig die obere Portion der Schale und zerreißt zuletzt alle Befeſtigungen; und wieder: ſteht ja ein Theil dieſen Angriffen, ſo wird er zu einer Art von Charnier, welches verſtattet, den Deckel, wie man ihn nennen kann, auf die eine Seite zu ſtoßen. Wenn die obere Portion völlig losgetrennt iſt, wird ſie bisweilen eine ziemliche Strecke weit fort geſchleudert; biswei— len erhält ſie aber durch den Stoß eine höchſt ſeltſame Lage, IM 40 — n K ü ge lch en, ) Zool. Journ. II. 436. * 195 nämlich innerhalb der andern Portion, ungefähr wie eine Taſſe in die andere geſetzt wird. Letztrer Umſtand ereignet ſich dann, wenn das eben hervorgehende Kügelchen die obere Portion der Schale unmittelbar vor ſich hat und dieſelbe, ohne daß es die Nothwendigkeit erheiſcht, und ohne daß dadurch ein beſondrer Zweck erreicht wird, mit ſeinen Füßen in die untere ſtoßt. „Das Kügelchen einer Ente,“ ſagt Réaumur, „wel— ches ich gerade in dem Augenblick beobachtete, wo es beſtrebt war, die beiden Theile der Schale gänzlich von einander zu trennen, zeigte mir, daß es, um dies zu bewirken, von zwei Methoden Gebrauch machte, denen gleich, zu welchen die Kü— gelchen von Hühnern und wahrſcheinlich alle andere Vögel in der nämlichen Abſicht ihre Zuflucht nehmen. Die Schale des Enten⸗Eies war höchſtens in zwei Drit— teln ihres Umfanges durchbrochen, indeß geſtattete mir der Bruch, weil er weit war, zu bemerken, daß der Schnabel Anſichten der Schale, wie ſie nach dem Entſchlü— pfen des Kügelchens erſcheint. unter dem rechten Schnabel ſtak, während das kleine Ge— ſchöpf an dem vordern Theil der Schale lüftete, auf der Seite, wo ſie keinen Widerſtand leiſtete, weil daſelbſt alle ihre Ban— den gelöft waren, und hierdurch bewirkte das Kügelchen das Zerbrechen der Schale auf der Seite, wo ſie 9 ganz war. 194 „Wenn es dem Kügelchen,“ fährt Réaumur fort, „endlich gelungen iſt, den vorderſten Theil der Schale hin: reichend nach oben zu kehren oder abzuheben, um ſich einen Ausgang zu verſchaffen, ſo ſtreckt es ſeine ſchwachen Beine aus, die jetzt noch unvermögend find, es zu tragen. Wenn es dergeſtalt faſt ganz aus der Schale heraus iſt, zieht es feinen Kopf unter dem Flügel hervor, wo derſelbe bisher ver- borgen gelegen, ſtreckt feinen Hals aus und richtet ihn vor: wärts, iſt aber noch mehrere Minuten hindurch nicht ſtark genug, ihn zu erheben. „Sieht man zum erſtenmal einen jungen Vogel in die⸗ ſem Zuſtande, ſo fühlt man ſich zu der Meinung veranlaßt, daß ſeine Kräfte völlig erſchöpft, und daß er im Begriff zu ſterben ſei, allein in den meiſten Fällen erholt er ſich ſehr ſchnell wieder, alle ſeine Organe gewinnen an Kraft, und in kurzer Zeit erſcheint das kurz zuvor noch ſo hülfloſe Thierchen als ein ganz anderes Geſchöpf. Nachdem es ſich einige Minuten auf feinen Beinen um- hergeſchleppt, wird es fähig, darauf zu ſtehen, ſeinen Hals zu erheben, ihn in verſchiedene Richtungen zu bringen und endlich ſeinen Kopf aufrecht zu erhalten. Die Federn ähneln zu dieſer Zeit blos einem zarten Flaum; und weil dieſelben mit einer flüſſigen Subſtanz aus dem Ei benetzt ſind, ſo er— ſcheint das Kügelchen faſt völlig nackt. Wegen der Menge ihrer Aeſte und Zweige haben dieſe Federn gleichſam das An ſehen von eben ſo vielen winzigen Sträuchern; ſo lange als jene Aeſte und Zweige feucht ſind und an einander haften, nehmen ſie ſehr wenig Raum ein, allein ſo wie ſie tro— cken werden, entwickeln ſie ſich und weichen von einander. Die Aeſtchen, Buſen oder Bärte einer jeden Feder ſtecken an: fangs in einer häutigen Röhre (Scheide) durch die ſie zuſam⸗ mengedrückt und gehalten werden; allein ſo wie dieſelbe trock— net, ſchlitzt ſie auseinander, eine Wirkung, welche auch durch die Federkraft der Bärte ſelbſt unterſtützt wird, vermöge welcher 195 dieſe zurückweichen und ſich ausſpreitzen. Iſt dies geſchehen, ſo verbreitet ſich jede Feder über einen beträchtlichen Flächen— raum, und nachdem ſie alle trocken und gerade geworden, erſcheint das Kügelchen über und über mit einem warmen weichen Flaum bekleidet ).“ Es würde dem gewöhnlichen Gange der Natur zuwider laufen, wenn nicht die Mehrzahl der Eier, worauf die Mut— tervögel ſitzen, ſich fruchtbar erwieſe; indeß treten während des Brütens uns zum Theil unbekannte und unerklärliche Umſtände ein, welche bewirken, daß aus den Eiern nichts „wird, und in Wahrheit giebt es wohl keinen einzigen Fall, wo nicht durch ein wenig künſtliche Nachhülfe eine größere Anzahl Kügelchen von einer Hecke erhalten würde. Eini— ge von den Kügelchen z. B. ſind ſchwach, während andere wieder, obwohl nicht an Kraft Mangel leidend, doch auf ei— nen größern Widerſtand von Seiten der Schale oder deren Membran ſtoßen, als ſie zu überwinden vermögen; noch an— dere, die ebenfalls hinlänglich ſtark und in einer Schale und Membran von gewöhnlicher Conſiſtenz und Dicke eingeſchloſſen ſind, vermögen nicht aus ihrem Kerker zu entweichen, ſelbſt nicht wenn man eine Oeffnung fuͤr ſie macht, und zwar, wie es ſcheint, aus einer unbekannten Urſache, die ſie der Fähig— keit beraubt, die Kreisbewegung um ihre Axe zu machen, ſie bleiben in der nämlichen Lage und kleben an die Schale. Um zu verſtehen, wie ein Kügelchen dergeſtalt an ſeine Schale feſtgeleimt werden kann, muß man ſich erinnern, daß zwiſchen dem Körper deſſelben und der die Schale auskleiden— den Membran ſich das Weiße des Eies, eine ſchleimige kleb— rige Flüſſigkeit befindet, die, wenn ſie vertrocknet, zu einer Art Bindemittel (Cement) wird, hinlänglich geeignet, die Federn an die Membran, womit ſie in Berührung ſtehen, feſtzu— kleben. * ) Oiseaux domestiques, ſiehe oben. 196 Das Kügelchen eines Eies, wenn letzteres bei dem künſt⸗ lichen Brüten einer zu hohen Temperatur ausgeſetzt war, läuft große Gefahr, von einem ſolchen Unfall betroffen zu werden; doch geſchieht dies ſelten früher, als nachdem es eine ziemlich große Breſche an der zuerſt behackten (ehipt) Stelle gemacht und zugleich die Membran zerriſſen hat, nach welchen Operationen es geraume Zeit ausruht. Die durch den gemachten Riß eindringende Luft verwandelt die weiße Flüſſig— keit zunächſt dem Rande der Oeffnung, ſo wie auch eine Strecke nach Innen, in einen zähen Leim, ſo daß das Kügelchen, wenn es zu ſeiner Arbeit zurückkehren will, blos auf die nämliche Stelle hämmern kann, weil es, durch die leimartige Sub: ſtanz feſtgehalten, ſeinen Körper nicht zu bewegen vermag. Seine Verſuche bewirken ein Zerren und Ziehen an den Federn und machen es quieken, und da ſeine Beſtrebuugen immer ſchmerz⸗ voller werden, ſo hört ſein Verlangen, ſich zu bewegen, auf; leiſtet man ihm jetzt keinen Beiſtand, ſo muß es ſterben; es iſt folglich nicht ohne Nutzen, die Zeichen anzugeben, wo- durch ein ſolcher Zuſtand der Dinge ſich erkennen läßt. Wenn man daher bemerkt, daß eine beträchtlichere Oeffnung ſowohl der Schale als der auskleidenden Membran fünf oder ſechs Stunden hindurch ohne Erweiterung bleibt, und wenn zu gleicher Zeit der Rand der Membran hart und trocken und viel⸗ leicht mit einigen Federn beklebt erſcheint, ſo iſt es durchaus nöthig, das Kügelchen zu befreien, indem man die Schale ſo behutſam und ſanft als möglich mit einem Schlüſſel oder an: derm ähnlichen Werkzeug zu zerbrechen und die Membran mit der Spitze einer Scheere aufzuſchlitzen ſucht. Dieſe Operation, wiewohl ſchmerzhaft für das Kügelchen, raubt ihm doch kei— neswegs das Leben; denn ſo wie es ſeine Freiheit erlangt hat, zeigt es eben ſo iel Kraft und Thätigkeit als jedes andre Kügelchen ſeines Alters. Im Fall ein Kügelchen nicht Kraft genug beſitzt, die Schale zu durchbrechen, ſo verräth ſich dies durch eine leichte 197 Abbröckelung (chip), die mehrere Stunden hindurch dieſelbe bleibt, ohne daß ſie weiter ausgedehnt, oder die Membran zerriſſen würde. Auch hier muß man, wie im vorhergehen— den Fall, Beiſtand leiſten; und kommt dieſer nicht zu ſpät, ſo ſtößt das Kügelchen, ſo wie es ſich der Luft ausgeſetzt fühlt, ſeinen Kopf hervor, ſtreckt ſeinen Hals aus und ſucht aus der Schale zu entſchlüpfen. Zehntes Kapitel. Beſchützung und Pflege der Jungen. Wenn man junge Singvögel, ehe ſie flügge ſind, von ihren Müttern nimmt, wie dies häufig geſchieht, ſo iſt, der Erfahrung gemäß, Wärme für ſie eben ſo ſehr erforderlich als Nahrung; nächtlicher Kälte ausgeſetzt kommen häufig ſelbſt die munterſten und geſündeſten Neſtlinge um. Die Mutter⸗Vögel, dies wohl wiſſend, find eben fo eifrig bemüht, ihre Jungen, nachdem dieſe aus den Eiern hervorge— gangen, gehörig zu bedecken, als ſie während des Brütens für Warmhaltung der Eier ſorgten. Unter den kleineren Vögeln (Sylvicolae , Vieillot) verläßt daher die Mutter, nachdem ihre Jungen ausgekrochen ſind, noch mehrere Tage hindurch ſelten das Neſt, das Männchen trägt das nöthige Futter für ſeine Gattin und die Kleinen her— bei, welche letztere zur Zeit noch ſehr wenig bedürfen. Der Zaunkönig und andere Vögel, welche domartige Neſter bauen, haben hierin einen Schutz mehr, wodurch die Entweichung der thieriſchen Wärme verhindert wird; und Raubvögel, Tauben, und Krähen haben nur eine geringe Anzahl Junge zu ſchützen. Was das Hühner-Vieh anlangt, fo haben die Mütter, wenn die neuausgebrüteten Vögel umher laufen können, nicht we— nig Mühe, ihre junge Brut gegen Kälte zu ſchützen und dies ſelbſt in den heißeſten Tagen, nach Regengüſſen, welche wegen ihrer ſchnellen Verdünſtung ſehr ſchädlich auf die kleinen Thier— chen wirken. Wie ſehr wir indeß auch immer die Klugheit und Vorſicht von Vögeln in einigen Stücken, fo wie ihre ſorgſame Zärtlich— 199 keit für ihre Jungen bewundern mögen, ſo zeigen ſie doch in andern Fällen, wenigſtens wie es den Anſchein hat, große Dummheit, und weit entfernt, daß mütterliche Liebe ihren Inſtinkt ſtärkt, ſcheint ſie dieſelben vielmehr zu verblenden, ſo daß ſie zu Folge ihrer Unbehülflichkeit und Unachtſamkeit ſogar bisweilen ihre Jungen beſchädigen oder wohl gar eins oder das andere davon tödten. Eine Henne z. B. ſetzt oft, aus übergroßer Sorgſamkeit, ihre Kügelchen in ihrer Rähe zu erhalten, den Fuß auf einige derſelben, fo daß fie zerquetſcht oder tödtlich verletzt werden; daſſelbe geſchieht auch dann und wann, wenn ſie auf ihnen huckt, um ſie warm zu erhalten. Ferner ſcheint ſie beim Scharren, um ihnen Futter zu verſchaffen, ſich nicht im ge— ringſten darum zu bekümmern, wohin ſie mit ihrem Fuße trifft; und wir haben oft geſehen, daß ſie dergeſtalt die hin— ter ihr herlaufenden Jungen traf und zappelnd zu Boden ſtreckte. Allein unabhängig von dergleichen Unfällen kann eine Henne niemals ihre junge Brut hinreichend gegen plötzliche Temperatur⸗Veränderungen ſichern. Sie kann und darf nicht fortwährend auf ihnen ſitzen, da fie umherlaufen und freſſen müſſen; und in kaltem oder regnigem Wetter muß der feuchte Erdboden ſehr nachtheilig für dieſelben ſein, ſelbſt wenn die Mutter ſie unter ihren warmen Flügeln hat. Daher ſehen wir denn auch häufig, daß eine Mutter-Henne von zwölf oder mehr Jungen, die ſie ausgebrütet hat, nicht über drei oder vier aufzubringen im Stande iſt. Man hört und lieſt, daß Hähne bisweilen alle jene Pflichten der Mütter, wenn dieſe zufällig getödtet worden waren, oder ihre Brut verlaſſen hatten, ausgeübt haben. Ariſtoteles erzählt uns einen ſolchen Fall“); Plinius ſagt: „auch erzählt man von gewiſſen Hähnen, daß ſie, als die Henne geſtorben war, nach der Reihe ihre Stelle vertreten, alle Geſchäfte eines brüs ) Hist. Anim. IX. 40. 200 tenden Huhns verrichtet und ſich in dieſer 1 des Krähens enthalten haben.“ Albertus Magnus war Zeuge von einem ‚ Abnlidien Fall, und Aelian erwähnt fogar einen Hahn, der, als die Henne während des Brütens geſtorben war, ſich auf die En feßte und die Hühnchen aufbrachte *). Willughby ſagt: — „Wir haben mehr als einmal nicht ohne Vergnügen und Bewunderung Kapaune gleich einer Henne, junge Hühnchen aufbringen ſehen; ſie riefen die ganze Brut herbei, fütterten ſie und wärmten ſie unter ihren Flügeln, und dies ganz mit derſelben zärtlichen Sorgfalt, als es die Mutter zu thun pflegt **). Dies führt uns auf einen höchſt intereſſanten Gegenſtand, nämlich das Abrichten von Kapaunen zur Vollziehung der mütterlichen Pflichten, ein Verfahren, welches ſchon im 10. Jahrhundert ausgeübt worden iſt. Um einen Kapaun hierzu abzurichten, ſollen wir ihn, wie Baptiſta Porta in ſeinem intereſſanten Buche über Natürliche Magie, lehrt, ſo zahm machen, daß er uns aus der Hand frißt, dann zur Abendzeit ihm Federn aus der Bruſt rupfen und die nackte Haut durch Reiben mit ſeſſeln reizen und dann die Hühnchen unter ihn ſetzen. Dieſe drängen ſich natürlicher Weiſe unter dem Vogel zuſammen und lindern dadurch, daß ſie ihn mit ihren Köpfen reiben, das mittelſt der Neſſeln bewirkte Jucken; dies muß man zwei oder drei Abende wiederholen, und ſo wird er mit der Zeit den Kügelchen zugethan werden und ſie wie eine Mutter wärmen und pflegen. Der Verfaſſer meint, daß hier das gegenſeitige Leiden und Bedürfniß gegenſeitige Zuneigung und Liebe erzeuge, und daß das klagende Zirpen der Kügelchen in dem Kapaun, der ſelbſt leide, das Verlangen erwecke, ihren hülfloſen Zuſtand ) Plin. Hist. Nat. X. 76. **, Hist. Nr. 29. Apud Aldrovandi, II. 107. ) Rays Willughby, p. 156. 201 zu erleichtern. Ein Kapaun, einmal an dieſe Dienſtleiſtung gewöhnt, wird dieſelbe ſtets ausüben, und wenn eine Brut aufgewachſen iſt, ſo kann man ihm eine neue von eben aus— gebrüteten Kügelchen unterſchieben, er wird dieſe eben ſo zärtlich behandeln, und eben ſo eifrig für ſie ſorgen, als für die erſte, und dies ſo fort“). Das Gefühl von Zärtlichkeit für die junge Brut andrer Vögel, welche Urſache man ihm auch immer zu Grunde legen mag, iſt durch manches auffallende Beiſpiel verbürgt, ſowohl unter Vögeln als andern Thieren. „Im Monat Mai,“ ſagt Buffon, „brachte man mir eine junge Henne, die ohne Hülfe nicht zu freſſen im Stande war. Ich ließ fie aufziehen, und ſie war kaum flügge ge: worden, als ich von anderswoher ein Neſt von drei oder vier noch nicht flüggen Feldlerchen erhielt. Sie faßte eine ſtarke Zunei— gung zu dieſen neuen Ankömmlingen, die kaum jünger waren als ſie ſelbſt; das ſorgſame Thier pflegte ſie bei Tag und bei Nacht, wärmte dieſelben unter feinen Flügeln und füt⸗ terte ſie mit ſeinem Schnabel. „Nichts konnte die liebevollen Dienſtleiſtungen der jun: gen Pflege-Mutter unterbrechen. Wenn ihr die kleinen Feld— lerchen weggenommen wurden, flog ſie, ſobald man ſie in Freiheit geſetzt, auf der Stelle zu ihnen hin, nicht im ge— ringſten darauf bedacht, zu entweichen, was ſie wohl hun— dertmal hätte thun können. Ihre Liebe und Zärtlichkeit wur⸗ den immer größer; ſie vernachläſſigte Freſſen und Trinken; ſie erforderte jetzt dieſelbe Unterſtützung, wie ihre adoptirten Pfleg— linge, und ftarb endlich, durch übertriebene mütterliche Sorg— ſamkeit aufgerieben. Keine von den jungen Feldlerchen über— lebte die Pflegerin, eine ſtarb nach der andern; ſo weſentlich war ihre Pflege und Sorgfalt, die von eben fo großer Zärtlich⸗ keit als Klugheit zeigte“ ).“ *) Magia Naturalis, IV. 26. *) Zool. Journ. II. 21. 202 Einen noch merkwürdigeren Fall hat Mr. Broderip auf: gezeichnet: — Am 2. April 1820 erzählt derſelbe, „ſah ich eine Katze fünf junge Ratten ſäugen, die Ratten waren ungefähr bis zu einem Drittel ihres Wachsthums gediehen. Es war ergötz— lich zu ſehen, mit welchem Wohlgefallen die jungen Thiere den reichlichen Milchſtrom einſogen, welcher ihnen aus den Zitzen ihrer Pflege-Mutter zuſtrömte, — merkwürdig, — die Brut ward durch die Milch ihrer Zerſtörerin genährt! „Die Katze ließ den jungen Ratten die nämliche Auf⸗ merkſamkeit zu Theil werden als ihren jungen Kätzchen, ſie leckte dieſelben und putzte ihr Fell trotz der großen Verſchie⸗ denheit in Geſtalt und Größe. Der Mann, welcher dieſes Schauſpiel auf dem Strande in der Nähe von Eſſex- Street (London) zum beſten gab, erzählte, daß die Katze vor vier: zehn Tagen geheckt, und zu dieſer Zeit drei Kätzchen an ihren Zitzen gehabt hätte, damals habe er auch die jungen Ratten gefunden und des Nachts der Katze zum Freſſen vorgewor: fen; allein am andern Morgen hätte er zu feinem nicht ge⸗ ringen Erſtaunen die Kätzchen die Milch ihrer Mutter mit den Ratten theilen ſehen. Zwei von den Kätzchen wurden nachmals getödtet, aus Furcht, daß die Mutter einer fo zahl: reichen Familie erſchöpft werden möchte. „Der Mann verſicherte, die Katze ſei eine gute Mäuſe⸗ fängerin; geſtand jedoch ein, daß er dieſelbe abgerichtet, weiße Mäuſe zu verſchonen, weil er dergleichen ſtets gehalten habe. „Da die Kietze Kätzchen hatte,“ fügt Mr. Brode— rip hinzu, „auf die ſie ihre mütterliche Zärtlichkeit verwenden konnte, und welche hinreichend geſaugt haben müſſen, um die Mutter jeder körperlichen Beſchwerde, die ihr eine zu reichliche Milchabſonderung hätte verurſachen können, zu überheben, ſo läßt ſich dieſe ſeltſame Abweichung des Inſtinkts nicht leicht erklären. Darf man vielleicht annehmen, daß zu ſolchen Zei: ten die allmächtige und durch nichts zu bezwingende srogyn ſich ohne Unterſchied auf jedes junge lebende Geſchöpf er: ſtrecke, welches hinſichtlich ſeiner Pflege und Nahrung der 205 Gnade und Barmherzigkeit der neuen Mutter überlaffnn und von ihrer Fürſorge Gebrauch zu machen fähig iſt? „Die Beiſpiele vom Heckenſperling oder der Bachſtelze und dem jungen Kuckuck; von jungen Enten, welche durch Hühner ausgebrütet oder ihnen ſogar als Erſatz für den Verluſt oder das Fehlſchlagen ihrer eignen Brut gegeben wor— den ſind; ja noch mehr, die Ausdauer und der Eifer, womit eine Henne auf einem oder zwei weißen Bällen ſitzt, ſcheinen ſämmtlich für jene Anſicht zu ſprechen“).“ Eine ähnliche Mittheilung in White's Selborne, zu deren Erläuterung der vorhergehende Fall von Herrn Bro: derip erzählt worden iſt, ſcheint uns zu merkwürdig, um hier übergangen werden zu dürfen. „Mein Freund,“ ſagt White, „hatte von Jemand ein kleines hülfloſes Häschen erhalten, welches die Bedien— ten mit Milch mittelſt eines Löffels fütterten; und gerade zu derſelben Zeit warf ſeine Katze Junge, die man gleich nach ihrer Geburt tödtete und begrub. Der Haſe wurde bald darauf vermißt, und man glaubte, er ſei den Weg der meiſten ſolcher kleinen Pfleglinge gegangen, nämlich von einer Katze oder einem Hunde gefreſſen worden. Allein ungefähr 14 Tage ſpäter, als der Herr vom Hauſe in der Abenddämmerung in ſeinem Garten ſaß, ſah er feine Katze mit emporgehobenem Schwanze auf ſich zu kommen, welche kleine kurze halbverhaltene Laute inneren Wohlbehagens, dergleichen Katzen ſich gegen ihre Kätzchen zu bedienen pflegen, vernehmen ließ, und etwas hinter ihr her— ſpringen, — dieſes etwas, war nichts anderes als — das Häschen, welches die Katze mit ihrer Milch ernährt hatte und mit großer Zärtlichkeit zu ernähren fortfuhr.“ Sir Wilhelm Jardine fügt eine ähnliche Geſchichte hinzu: — „Etwa vor zwei Jahren, in der Hütte eines Häuslers in Annandale in Dumfriesſhire, verlor eine Hecke junger Fer: ) Zool. Journ. II. 21. 204 kel ihre Mutter; zu derfelben Zeit hatte eine Wachtelhün⸗ din geworfen, und als die jungen Hunde das dergleichen Thierchen betreffende Schickſal erfahren, wurde ihre Stelle durch die Ferkel erſetzt, die ihre Pflegemutter mit aller Zärt⸗ lichkeit fäugte und abwartete ).“ Eine ähnliche Geſchichte iſt in den Menagerien von einer Katze, welche junge Hunde ſäugte, zu leſen ). Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß einige dergleichen Fälle, wie die mitgetheilten, zu den Erzählungen von aus: geſetzten Kindern, die von wilden Thieren geſäugt worden, Veranlaſſung gegeben haben; wer erinnerte ſich hier nicht an die alte Sage von Romulus und Remus welche eine Wölfin ernährt haben ſoll. Auch die entbundene Wötfin in grünender Höhle des Ma— vors Schuf er zum Säugen geſtreckt: wie beid' um die Euter ihr hängend Spielten die Zwillings-Knaben, und beid' an der Pflegerin ſchlürften, Unverzagt: und jene mit längtichem Halſe gewendet, Schmeichelte und um einander mit bildender Zunge ſie leckte. Virg. Aeneid, VIII, v. 630 ff. Voß. ueberſ. “) Wir kehren jetzt zu den Berichten von jungen Hühnchen, die durch Hähne gefüttert und aufgebracht werden, zurück. „Ich hatte,“ ſagt Rͤaumur, „wiederholte Gelegen heit, mich mit eignen Augen davon zu überzeugen, daß Ka: paune die Pflichten einer Mutter ſehr gut erfüllen. ) White’s Selborne, Sir Jardine's edit. p. 231, %) S. die Menagerien St. 247 und 248 Leipz. in der Baum- gärtnerſchen Buchhandlung 1835. * Im Original lautet die Stelle: — — Viridi foetam Movortis in antro Succubuisse lupam; geminos huic ubera circum Ludere pendentes pueros, et lambere matrem f Impavidos; illam tereti cervice reflexam Mulcere alternos. — Virg. Aeneid, VIII. * 205 „Eine Dame erzählte mir, daß fie jährlich eine ſehr große An- zahl Hühnchen ohne einen anderen Pfleger, als Kapaune aufge— zogen habe; auch ſind mir auf ihrem Schloſſe Voujour, unweit Livry, häufig über 200 Kügelchen zu Geſicht gekommen, die blos 3 oder 4 Kapaune zu ihrer Leitung und Pflege hatten; denn es iſt als ein Vortheil dieſer Methode zu betrachten, daß man einem Kapaun zwei oder dreimal ſo viel Kügelchen anvertrauen kann, als eine Henne zu beaufſichtigen im Stande iſt. „Ein anderer Vortheil beſteht darin, daß man einen Ka: paun zu jeder gegebenen Zeit zu dieſem Geſchäft brauchen kann, indem er ſich ſtets hierzu bereitwillig zeigt, ja er ſcheint ſogar in demſelben Verhältniß auf feine Familie ſtolz zu wer: den, als ihre Zahl zunimmt; wogegen Hennen diejenigen Kü— gelchen, welche ihnen nach einem gewiſſen Alter übergeben werden und die mithin in Größe von denen verſchieden ſind, die fie ſelbſt ausgebrütet haben, verfolgen und von ſich weg: treiben. „Ein dritter Vortheil iſt, daß man dadurch der Henne die Mühe, ihre Kügelchen zu warten und zu pflegen, erſpart, indem ſie andern Falls zu lange mit Legen ausſetzen oder zu bald legen würde; es wird alſo auch die Moglichkeit eines Un— falls vermieden, welcher die Kügelchen treffen könnte, wenn fie, noch nicht im Stande, für ſich ſelbſt zu forgen, von einer Mutter verlaſſen würden, die, wie dies häufig der Fall iſt, zu bald wieder legte ).“ Die Erziehung des Kapauns zur Uebernahme der mütter: lichen Pflichten iſt für eine ſehr ſchwierige Sache ausgegeben worden. Außer der von Baptiſta Porta vorgeſchlagnen Methode, den Kapaun mit Neſſeln zu brennen (ftechen), erthei— len andere den Rath, man ſolle ihn, während ihm die Kügel— chen übergeben werden, mit Wein oder Branntwein trunken machen, damit er, wenn er die Thierchen um ſich ſähe, in den Wahn gerathe, er ſei eine Henne. *) Oiseaux Domestiques, Mem. VII. 206 Réaumur, der dies verſuchte, fand, daß in ſehr vielen Fällen der Kapaun, anſtatt die Kügelchen zu hüten und ab: zuwarten, darauf trat und mehrere todt drückte, und andere tüchtig mit dem Schnabel hackte. Nachdem er ſich überzeugt, daß dergleichen empiriſche Methoden ohne Erfolg waren, über— gab er der Frau, welche zu Chateau de Vaujour die Aufſicht über den Hühnerhof führte, drei Kapaune, und da dieſe nach einem regelmäßigen und vernünftigen Erziehungs-Plan ver: fuhr, und dieſes Verfahren nicht etwa blos eine Nacht und einen Tag, ſondern mehrere Tage nacheinander fortſetzte, ſo gingen die ihr anvertrauten Zöglinge aus ihrer Schule nach Verlauf von zehn oder zwölf Tagen vollkommen gut unterrich- tet hervor. Ihre Methode beſtand weder in Feder-Ausrupfen, noch in Reiben mit Neſſeln, noch endlich in Erregung von Trunkenheit. Sie hielt dieſelben ein oder zwei Tage hindurch in ziemlich tiefen und ziemlich engen Eimern, die ſie durch ein darüber gelegtes Brett verdunkelte, abgeſperrt und allein, und nahm ſie des Tags nur zwei oder dreimal heraus, um ſie zu füttern. Nachdem ſie den Kapaun dergeſtalt der Einſam— keit überdrüßig gemacht, gab ſie ihm als Geſellſchafter zwei oder drei bereits etwas herangewachſene Hühnchen in ſeinen Kerker und warf ihm, ſo wie dieſen, das Futter zugleich vor. Wenn er die kleinen Dinger ſchlecht behandelte, ſo wurden ſie auf einen oder zwei Tage entfernt, und ihm alsdann andere gegeben. Durch dergleichen Mittel, welche, je nachdem es die Umſtände erheiſchen, abgeändert werden müſſen, gewöhnt ſich der Kapaun, mit zwei oder drei Kügelchen auf freund— ſchaftlichem Fuße zu leben. Man vermehrt hierauf nach und nach die Anzahl der Kügelchen, bis er endlich ſtolz auf ſeine Heerde wird, und dieſe bis zu jeder beliebigen Zahl vermehrt werden kann. „Erhält er unter ſolchen Umſtänden ſeine Freiheit, ſo ſitzt er auf den Kügelchen, gerade ſo, wie eine Henne, ſobald ſie nämlich Schutz gegen Kälte bedürfen, desgleichen führt er ſie an Orte, wo Futter zu finden iſt, und gackert dabei wie ein Huhn, um fie, wenn ſie zerſtreut find, zuſammenzurufen. 207 Auch pflegt er fein Gackern zu verdoppeln, wenn er einen Leckerbiſſen findet, als z. B. ein Stückchen Brod, einen Re— genwurm u. ſ. w. Dieſe zerhackt er in kleine Portionen, um ſie unter ſeine Pfleglinge zu vertheilen, und wie es ſcheint, macht es ihm große Freude, dieſelben mit gutein Appetit das freſſen zu ſehen, deſſen er ſich ihnen zur Liebe beraubt. „Nachdem zwei oder drei Tage mit Abrichtung des Ka— pauns verſtrichen, während welcher Zeit er wahrſcheinlich ein oder zwei Kugelchen tödten mag, wird die Sache leicht; und iſt er einmal abgerichtet, ſo verharrt er in dieſer ſeiner er— worbnen Gewohnheit ſein ganzes Leben hindurch und ermüdet nie in Erfüllung feiner Pflichten; ja ſelbſt, nachdem er wäh: rend des Winters mehrere Monate hindurch keine Pfleglinge gehabt, kehrt er mit dem Wiedereintritt des Frühjahrs un⸗ verdroſſen zu ſeinem Geſchäfte zurück. Wiewohl nun Kapaune jeden Falls zur Pflege der Kügel chen am beſten taugen mögen, ſo ſcheint es doch in gleichem Grade möglich, Hähne in dieſer Kunſt abzurichten. „Ich glaubte,“ ſagt Réaum ur, „drei Kapaune in die Schule geſchickt zu haben, allein einer davon, wie ſich bald auswies, war ein Hahn, der jedoch eben fo gut. unter: richtet nach Haufe kam, als feine beiden Gefährten“) .““ Allein in den Fällen künſtlicher Ausbrütung durch Oefen, muß es häufig unmöglich fein, eine hinreichende Anzahl von Hühnern oder Kapaunen zur Auffütterung und Pflege der aus ihren Eiern eben erſt hervorgſchlüpften Hühnchen aufzutreiben, und es wird alsdann zur glücklichen Aufziehung der jungen Thierchen ein ferneres künſtliches Verfahren unerläßlich. Wäre in der That alle Emſigkeit und Sorgfalt einer Henne hierzu nöthig, ſo würde man vergebens nach Erſatzmitteln der müt— terlichen Pflege ſuchen; allein da es hier hauptſächlich auf gehörige Nahrung und Wärme ankommt, ſo kann die Kunſt, bei einiger Aufmerkſamkeit, vielleicht noch mehr ausrichten, als die eifrigſte Mutter. ) Oiseaux Domestiques. 208 Réaumur ſchlug auch hier mehrere Wege ein, um die natürliche Mutter durch eine künſtliche, wie er ſie ſehr paſſend nennt, zu erſetzen. Bringt man die Hühnchen in ein Treibhaus, ſo wird es allerdings nicht ſchwer halten, ſie in einer beſtändigen Sommer-Wärme, gegen Froſt und 1 ge ſichert, zu erhalten. Mit gleichem Vortheil könnte man ſie auch in den erſten 14 oder 21 Tagen in den Ofen: Behältern aufziehen, worin ſie ausgebrütet worden ſind, indem man ſie Behufs der Tränkung und Fütterung täglich etwa fünf oder ſechs mal herausnähme. Allein dieſes Verfahren würde mehr Mühe verurſachen, als nöthig iſt. Réaumur hat einige der Schwierigkeiten, worauf er bei feinen Verſuchen ſtieß, fo deut: lich auseinander geſetzt, daß wir uns nicht enthalten können, die von ihm in fraglicher Hinſicht gemachten Beobachtungen mitzutheilen: — „Mein Apparat,“ ſagt er, „ſchien anfangs nicht voll⸗ kommen genug, denn, wiewohl die Hühnchen in warmer Luft gehalten wurden, ſo fehlte es ihnen doch an dem ſanften Druck, welchen der Körper der Mutter, wenn dieſe auf ihnen ſitzt, auf ihren Rücken ausübt; leßterer wird unter den Flü⸗ geln der alten Henne nothwendiger Weiſe mehr erwärmt als die übrigen Theile des Körpers; und der Bauch ruht ſogar auf der kalten, feuchten Erde. Gerade das Gegentheil fand in meinem Apparat ſtatt, indem die Füße am meiſten Wär⸗ me erhielten. Die Hühnchen ſelbſt verriethen durch ihr Be— nehmen, daß ſie mehr Wärme für den Rücken als für die übrigen Theile ihres Körpers bedurften, ſie drängten ſich alle an das wärmſte Ende des Apparats, und anſtatt niederzu- hucken, wie ſie dies im natürlichen Zuſtande während des Schlafs thun, blieben ſie aufrecht wie die Kerzen ſtehen, den Rücken dem Ofen zugekehrt, um die erforderliche Wärme da⸗ mit aufzufangen. Ich ſchloß hieraus, daß ſie einen Apparat bedürften, der, indem er auf ihnen ruhete, ſie zu derſelben Stellung beſtimmen würde, die ſie auf eine natürliche Weiſe 209 unter den Hühnern annehmen. Ich erfand daher eine leb— loſe Mutter, um in Hinſicht die lebende zu erſetzen. 7 FRE N" Ur N 2 ei) * im) EI D —— —————> — Nübumt i e „Die künſtliche Mutter beſteht in einem mit Schafpelz gefütterten Kaſten, deſſen Boden wagerecht und vierrckig iſt, während der obere Theil ſchräg läuft, wie bei einem Schrei— be⸗Pult.“ Dieſer Kaſten wird an das Ende eines Käfigs oder in einen mit Weiden- oder Draht-Geflecht verwahrten Trog geſetzt, und oben durch einen beweglichen Deckel verſchloſſen; daß Ganze muß ſo eingerichtet ſein, daß die Hühnchen rings um die Seiten ſpazieren können. Die Neigung des Deckels erlaubt den Thierchen, ſich nach ihrer Größe einen Platz zu wählen; da aber alle junge Vögel ſich ſehr dicht an einander zu drängen, ja ſelbſt auf einander zu hucken pflegen, und dadurch die ſchwächern leicht erdrückt werden können, ſo ver— beſſerte Réeaumur feine künſtliche Mutter dadurch, daß er ſie an beiden Enden offen ließ oder wenigſtens nur ein loſes Netzwerk darüber befeſtigte; durch letzteres kann ſelbſt das ſchwächſte Hühnchen entkommen, ſobald es ſich zu ſehr ge— drückt fühlt, und dann nach der andern Oeffnung herumgehen, um ſich eine weniger gefährliche Nachbarſchaft zu ſuchen. Der ſcharfſinnige Forſcher brachte auch an dieſer Vor— richtung noch Verbeſſerungen an, wovon die eine darin be— ſtand, daß er den Deckel niedrig genug ſtellte, um die Hühnchen vom Aufeinanderklettern abzuhalten, denſelben aber im Verhältniß zu ihrem Wachsthum allmälig erhöhte. Eine andere Verbeſſerung war, daß er die großen Kä— 210 fien oder Tröge mittelſt einer Scheidewand in zwei Abtheilungen ſchied, um die Hühnchen von verſchiedener Größe von einan⸗ der abzuſondern. , Verbeſſerte künſtliche Mutter. „Sie zeigten mir bald,“ ſagt Réaumur, „wie lieb und wohlthätig ihnen der Vortheil meiner künſtlichen Mutter war, indem ſie mit großem Wohlbehagen darunter blieben und ſich ſehr dicht daran drängten. Hatten ſie ihre kleinen Mahlzeiten eingenommen, ſo hüpften und ſprangen fie. eine Zeit lang umher, und fingen fie an, müde zu wer: den, ſo begaben ſie ſich unter dieſe Mutter, und gingen ſo tief in dieſelbe hinein, daß ſie krumm ſitzen mußten, und daß, wenn ich den Deckel abnahm, in dem Pelz⸗Futter deſſelben die Eindrücke von den Rücken mehrerer Kügelchen ſichtbar waren. „Gewiß giebt es keine natürliche Mutter, die völlig eben ſo gut für die Kügelchen ſein könnte, als die künſtliche, und die Thierchen ſelbſt entdecken dieſes gar bald, der Inſtinkt iſt ein ſchneller und ſicherer Führer. Kügelchen, Direct vom Brüte⸗Ofen, zwölf bis vierundzwanzig Stunden nach ihrer Entweichung aus der Schale, picken bereits kleine Brodkru— men und Körner auf und verſchlingen dieſelben; und nach— dem ſie gefreſſen und eine Zeitlang umherſpatziert, finden ſie bald ihren Weg in die mit Pelz gefütterte Zelle, wo fie aus- 211 ruhen und ſich wärmen können, bis fie der Hunger von neuem in Bewegung ſetzt. Alle nehmen des Nachts ihre Zuflucht zur künſtlichen Mutter und verlaffen dieſelbe genau mit Tages- Anbruch, oder wenn eine Lampe an den Ort ihrer Behau— fung gebracht wird, die gleichſam einen künſtlichen Tages-An⸗ bruch erzeugt, aber, was bemerkt zu werden verdient, auf alte Hühuer keinen Eindruck macht, dieſe bleiben dabei unbe— weglich in ihren Schlafſtellen“).“ Eine noch zierlichere und ſinnreichere Mutter beſteht in einem Ofen mit rings um denſelben laufenden Stiegen (Gemä— chern) für die Hühnchen und einem N ur oder Drahtgitter über RB \ = 2 BD Réaumurs Ofen-Brüte-Haus. letztere, um zu verhindern, daß die Thierchen entweichen oder dem Ofen zu nahe kommen. Dieſes erwies ſich Herrn Réau— mur als ein treffliches Mittel, nicht nur die Hühnchen 212 geſund zu erhalten ſondern auch durch dieſelbe Wärme von Zeit zu Zeit eine neue Brut zu erzielen, indem er Eier in Körben über dem Ofen aufhing. Dieſe Methode, künſtliche Mütter zu eonſtruiren, find für alle Vögel anwendbar, denen ihr Futter nicht in den Schnabel geſteckt zu werden braucht, und die nicht ins Waſſer gehen, als z. B. Rebhühner, Faſane, Truthühner und Pfauen. Allein für junge Enten und Gänſe, die Waſſer zum Darin: ſchwimmen nöthig haben, mußten beſondere Anſtalten getrof— fen werden; und Réaumur, der auch hier die Natur zum Muſter nahm, brachte in dem mit einer natürlichen Mutter verbundenen Kaſten einen kleinen Teich für feine Waſſervögel an, mit einem ſanft geneigten Zugange, und umgab denſel— ben mit grünem Raſen, der dieſen Vögeln noch willkommner iſt, als jungen Hühnchen. u 2 len In, cer de Mi il) km ee . N 7 Aue 1 All — Hull. | | 10 ͤ. U 0 III || Mil I AJ %% h 1 0 a IN) N 0 ! IHR AH I Kir S U un 2 — — ü Tl S an D DIS Künſtliche Mutter für Waſſer⸗ Vögel. Eilftes Kapitel. Fütterung der Jungen. In dem Verfahren, ihre Jungen mit Futter zu verſor⸗ gen, weichen die Vögel weſentlich von den Quadrupeden ab. Was die letztern anlangt, ſo hat der Schöpfer die Mutter an ihrem eignen Körper mit einer Nahrungsquelle für ihre Jungen verſehen, woraus dieſe ſo lange Leben und Kräfte ſchöpfen, bis ihre Zähne zum Zermalmen ihrer Nahrung hin: reichend groß und ſtark geworden find; und ſelbſt Naubthiere tragen ihrer jungen Brut mehrere Wochen hindurch keine tahrung zu, ſondern ernähren dieſelbe einzig und allein mit Milch. Vögel, auf der andern Seite, müſſen für ihre Jungen ſchon den zweiten Tag nach der Ausbrütung Futter herbei: ſchaffen. Während des erſten Tages finden dieſe gemeinig— lich in den letzten Ueberreſten des Dotters, welche ſie, wie wir geſehen, durch die Nabelgefäße abſorbirt haben, hinrei— chende Nahrung. Wir wollen mit John Hunter das animaliſche Leben in drei Stadien (Sufen) unterſcheiden: Das erſte Stadium begreift den Fötal- oder Embryonen-Zuſtand; die Periode unmittelbar nach der Geburt, in welcher die Aeltern in den meiſten Fällen für Futter ſorgen müſſen; und die dritte da— tirt ſich von dem Zeitpunkte an, wo das junge Thier für ſich ſelbſt, ohne Hülfe von Seiten der Aeltern, zu ſorgen be— ginnt. Das erſte und dritte dieſer Stadien oder Perioden ſind vielleicht allen Thieren gemein; aber einige ſcheinen unmittel— 214 bar aus dem erſten in das dritte überzugehen. Die Nahrung, womit das Thier in der zweiten Periode verſorgt wird, iſt unendlich verſchieden. Bei den meiſten Inſekten trifft die Mutter hierzu die nöthigen Anſtalten, indem ſie, vom Inſtinkt getrieben, ihre Eier oder ihren Cocon auf oder neben irgend eine Subſtanz (einen Körper) legt, der einſt für ihre Brut, ſo wie dieſe aus den Eiern hervorgekrochen, eine zweckmäßige Nahrung abgiebt. Die meiſten Vögel ſammeln Futter für ihre Jungen; in⸗ deß findet bei der Taube und einiger andern eine Vorkehrung ſtatt, die mit den Brüſten der Quadrupeden einige Aehn⸗ lichkeit hat. „Ich habe“ ſagt John Hunter, „im Verlauf mei⸗ ner Forſchungen hinſichtlich der verſchiednen Arten, wie junge Thiere ernährt werden, die Entdeckung gemacht, daß alle zum Tauben⸗Geſchlecht gehörige Vögel mit einem ähnlichen Vermögen begabt ſind. Die junge Taube wird, eben ſo wie das junge Säugethier, bis es die gewöhnliche Nahrung ſeiner Sippſchaft zu verdauen im Stande iſt, mit einer Subſtanz geſpeißt, welche der Körper ſeiner Aeltern zu dieſem Behufe ſecernirt, aber, nicht wie bei den Quadrupeden (Mommalia), liegt dem weiblichen Thier allein dieſe Pflicht ob, ſondern auch dem Männchen, welches jene Nahrung vielleicht in ei— nem noch reichlicheren Maaße erzeugt, als das Weibchen. „Es iſt die Eigenſchaft vieler Vögel, daß ſowohl Männ— chen als Weibchen gleichen Antheil am Brüte-Geſchäft und an der Auffütterung ihrer im zweiten Studium begriffenen Jungen nehmen; aber die eben berührte beſondere Ernäh— rungs- Weiſe, mittelſt einer beſondern in dem Körper der Aeltern fecernirten Subſtanz, iſt beſondern Arten eigen und geht in dem Kropfe vor ſich. 5 „Außer dem Tauben-Geſchlecht, glaube ich nicht ohne Grund auch die Papageien als mit dieſer Eigenſchaft begabt annehmen zu konnen, indem fie den Inhalt des Kropfs auszuwürgen und einander damit zu füttern vermögen. Ich Sn Baumgärtners Buchhandlung zu Leipzig it fo eben erfchienen und durch alle Buchhandlungen verfendet worden; DIE DRITTE LIEFERUNG DER 2 Encyclopädie der Diätetik allge 19 in es ? 1 Gesundheits - Lericon. | Ein AN 2 7 € > vollſtändiges Real-Woͤrterbuch des geiſtigen und koͤrperlichen Verhaltens im geſunden und kranken Zuſtande 4 für It der m ag jedes Alter, Geſchlecht, Temperament, jeden Stand, und alle Verhaͤltniſſe des Lebens. Ein Volks- und Huͤlfsbuch zum augenblicklichen Nachſchlagen und zur ſteten Belehrung, wie man Geſundheit und Leben bis zum ſpaͤteſten Alter erhalten und bewahren, Krankheiten vorzubeugen, ſie mildern und heben kann. Von D. JULIUS ALBERT HOFMANN, ausübendem Arzte zu Dresden. 8 Dritte Lieferung zu 6 Bogen in gr. Lex. 8., geht von Erhitzung bis Gans. Preis zu 8 Groſchen. & Das ganze Werk von einem eleganten Bande wird in 7 bis $ Lieferungen beſtehen. 1 Die Lieferungen werden bei Empfang derſelben bezahlt. — Dieſes herrliche Werk, welches einem großen Beduͤrfniſſe abhil verfehlt nicht, wahrhaft volksthuͤmlich zu werden, und durch eine fi zahlreiche Verbreitung den Segen zu bringen, welchen der Herausgeb dabei vor Augen gehabt hat. Sein wahrhafter Nutzen, feine Gruͤnd⸗ lichkeit, fein ausgedehnter und erſchoͤpfender Inhalt, und bei einer herr⸗ lichen Ausſtattung ſeine auffallende Wohlfeilheit verſchaffen demſelben in jeder Familie, welche das hoͤchſte irdiſche Gut: Geſund⸗ heit vor Allem ehrt und wuͤnſcht, einen willkommenen Eingang wie aus der, überaus günftigen Aufnahme deſſelben hervorgeht. | x | \ / 2 | „ enge 1 1 in. ... rn. 1 „reer „ m Kagysun 5 ren 17 5 LAT, 10 4 1 %% r eee „„ ee ap —* * „ ee ee Te wi. nee, PFRE AN an ern e rn „ J um Kun rue n , “ “ran Komme en 9 5 „ 2 e See r * eee Irak mm n “ur: „eee Au LT * eee r . „ „ e e ee S L e 9 9 ˖ [„ 9 6 4 eee „% r ebe. e taten en e PER N EN ar Maas War ee nen 7 Er reed lie NR. 1 * e % ee, „ le „e , 9 34 % 44 n * 14 e „ e * — 1 Are Bere arm n ELITE een an „ee 77765 ve „ere Etagen LEER? . „ dee 2 n % N Aa AN AN e e 8 e e 3 v ine 9 4 nn KLETT PEN] n ee EN NN A Kr}. 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