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■'S; ; ^^ DAS cSo^y

LEBEN UND DIE LEHRE

DES

MOHAMMAD

NACH BISHER GRÖSSTENTHEILS UNBENUTZTEN QUELLEN

BEARBEITET VON

A.<gPRENGER.

-'■ , C ,.

- J ZWEITE AUSGABE.

ZWEITER BAND.

BERLIN

NICOLAISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG.

(a. EFFEKT A: L. LINDTNEK.) 1869.

u-

Inhaltsverzeichnifs zum zweiten Bande.

Achtes Kapitel 1 40

Erste Auswanderung nach Abessynien. Des Propheten

Rückfall zum Heidenthum (A.D. 616) 1

Anhang zum achten Kapitel 41 67

I. Die Flucht nach Abessynien 41

IL Belege zu S. 17 50

III. Ueber die Wege und Stege im Koran 62

Neuntes Kapitel 68 109

Verfolgungen. Hamza's und 'Omar's Bekehrung ... 68

Anhang zum neunten Kapitel 110 118

Die Feinde des Islams 110

Zehntes Kapitel 119—155

Fernere Verfolgungen. Achterklärung. Zweite Flucht

nach Abessynien 119

Anhang zum zehnten Kapitel 156 179

I. Belege 156

II. Liste der Auswanderer 162

Eilftes Kapitel 180—212

Christlicher Einflufs auf Mohammad. (Herbst 616

bis 619.) 180

Anhang zum eilften Kapitel 213—237

I. Koränstellen aus der Rahmänperiode 213

IL Der heilige Geist 229

m. Der Thron Gottes 236

Zwölftes Kapitel 237—334

Periode fremder Einflüsse:

1. Ginn und Engel 236

II. Die Propheten und das Prophetenthum . . . 251

III. Das Buch 285

IV. Prädestinationslehre 300

Anhang zum zwölften Kapitel 335 347

I. Die Form biblischer Namen dieser Periode . . . 335

II. Forkän, Heil 337

III. Die Kaba 340

Dreizehntes Kapitel 348—378

Lehrer des Mohammad 349

Anhang zum dreizehnten Kapitel 379 402

I. Wie hiefs der Lehrer ? 379

II. Asätyr alawwalyn, d. h. die Märchen der Alten . 390

III. Konnte Mohammad lesen? 398

Vierzehntes Kapitel 403—487

Theologische Streite in Makka:

I. Mohammad wird als Besessener verschrien . . 410 II. Wunder 413

III. Die zweite Drohungsperiode 433

IV. Die Natur Jesu 447

V. Der Koran 451

VI. Alexander der Grofse 464

VII. Verbotene Speisen und Sabbathfeier .... 475

Fünfzehntes Kapitel 488-514

Ausbildung des Schreckensapparates 488

Sechszehntes Kapitel 515 548

Die letzten drei Jahre vor der Higra und die Flucht

nach Madyna 515

Achtes Kapitel.

Erste Auswanderung nach Abessynien. Des Pro- pheten Rückfall zum Heidenthum (A. D. 616).

btatt massenhafter Bekehrungen bewirkten die Drohungen und das entschiedene Auftreten des Mohammad nur \ er- foljJTungen. Wie sehr sich seine Verehrer auch bemühen mochten, ihren Glauben geheim zu halten, so mufste er doch immer durchscheinen, auch mufste es ihnen unwür- dig dünken, ihre üeberzeugung zu verläugnen, um so mehr da der Prophet selbst auf ein offenes Bekenntnil's eredrunsen zu haben scheint: wenigstens lälst er in meh- reren Straflegenden nur diejenigen Gläubigen gerettet wer- den, Avelche »mit den Boten Gottes waren«. Eine solche Forderung war auch nothw endig, denn die Anzahl der er- klärten standhaften Hekenner des Islams scheint zu An- fang des Jahres 616 kaum ein Dutzend überstiegen zu haben. Unter diesen Verhältnissen rieth er jenen Gläubi- gen, welche am meisten Verfolgungen ausgesetzt waren, Makka zu verlassen und sich nach Abessynien zu flüchten Es ist bereits Bd. I S. 364 erwähnt worden, dafs Chalid von seinem Vater Sa'\d genöthigt wurde, den Glauben abzu-

schwören. Sein Neffe ') erzählt, »der Prophet habe den Chä- lid mit etwas mehr als einem halben Dutzend Korayschiten zum König von Abessynien geschickt.« Es ist sicher, dafs C'halid bis zur Flucht seinen Glauben verbarg. Auch An- dere mögen so gehandelt haben; einige von den Flücht- lingen jedoch hatten ihn offen bekannt. Dies mufs nament- lich von 'Othmän und seiner Frau Rokayya angenommen werden, welche ebenfalls auswanderten.

Auf die äufsern Verhältnisse, mit denen wir uns, so lange sie uns selbst berühren, viel zu viel beschäftigen, reflectiren wir gewöhnlich gar nicht, wenn es sich um längst verflossene Zeiten handelt. Weil auch damals die Menschen Bedürfnisse hatten und sich davon bestimmen liefsen, so ist die Frage wichtig: Wie konnten die Flücht- linge in Abessynien ihren Unterhalt finden? Die Tradition sagt uns, dafs sie von dem König unterstützt wurden, und die grofse Anzahl, welche sich allmählig dort hinbegab, und der Umstand, dafs viele von ihnen noch sechs Jahre dort blieben, selbst nachdem Mohammad für die Gläubi- gen einen neuen Wohnort in Madyna bereitet hatte, las- sen uns keinen Grund, diese Angabe zu bezweifeln. Es fragt sich aber, ob die ersten Auswanderer, auf diese Un- terstützung bauend, sich dahin flüchteten, oder ob sie sie erst nach ihrer Ankunft daselbst erwirkten. Man mufs wohl unterscheiden; es ist hier nicht von einer dreitägi- gen Gastfreundschaft, sondern von der Unterstützung einer Anzahl von Personen mit Weib und Kind die Rede. Wenn sich die ersten Auswanderer mit der Gewifsheit, Unter- stützung in Abessynien zu finden, dahin begaben, so folgt, dafs der Fortschritt des Islams schon im Frühling 616 von den Christen besünstifft worden und den Moshmen von dort eine Einladung zugegangen sei.

Arabien war seiner Streitkräfte und Lage wegen das

') I^äba, von Ibn Sa'd, von Sa'yd b. 'Amr b. Sa'yd, welcher ein Neffe des Chälid war.

Avichtigste Land liir die giiechisoln' un<l porsisclie f)i|>lo- matie, und es ist anzunehmen, dafs die arabischen Statt- halter der Griechen in Arabia Petraea früh von dem Auf- treten eines Propheten in Makka Nachricht erhielten und die Bewegung mit Wohlgefallen ansahen. Der christliche König von Abessynien hatte sich in einem frühern Fall, als ein yamanischer Fürst den Kaiser gegen die in seinem Vaterlande regierenden Perser um Hülfe bat, als ein treuer Bundesgenosse des Kaisers bewiesen, indem er auf dessen Wunsch diese Hülfe gewährte und Yaman eroberte. Auch in diesem Fall kann eine ähnliche Combination vorhanden gewesen sein oder es mochte der König aus freiem An- trieb sich dem Mohammad erboten haben, seine Anhänger aufzunehmen. Dies jedoch scheint nicht der Fall gewesen zu sein, und da der Islam fast gar keine Anhänger zählte, war er wohl noch nicht wichtig genug, um die Aufmerk- samkeit der griechischen Politik auf sich zu ziehen. Ich glaube, die Moslime flüchteten sich nach Abessynien ohne Aussicht auf Unterstützung Seitens der Regierung, fanden solche aber später. Aus dem Koränvers 29, 60 geht her- vor, dafs selbst im Jahre 617 früher ist dieser Vers wohl nicht geolfenbart worden einige Gläubige durch Lebenssorgen von der Auswanderung zurückgehalten wor- den seien.

Die ersten Auswanderer waren fast alle von wohlha- benden Familien und brachten wohl einige Mittel mit. 'Othmän mochte von seinem Schwiegervater Mohammad unterstützt worden sein.

In Bezu«: auf die Vermögensumstände des Mohammad finden wir, dafs er sich wohlhabend fidilte, als er als Pro- phet auftrat :

108, 1. Wir haben dir wahrlich das Kawthar (Fülle) gegeben.

2. Bete daher zu deinem Herrn und schlachte [ihm das Opfer, welches du Avie die übrigen Araber bei dem Pilgerfest darbringst].

1*

3. [Niclit «lii, sondern] dein Widersacher er ist der Segenlüse.

'Äg b. Wäyil Sahmy soll seine Schadenfreude dar- über ausgedrückt haben, dafs der Prophet keine raännU- chen Nachkommen habe, und bei dieser Gelegenheit sollen diese drei Verse geoffenbart worden sein. Das Wort, welches ich durch segenlos übersetze, bedeutet nämlich ganz vorzüglich kinderlos. Ich halte dafür, dafs diese Nachricht aus einer Verdrehung des Sinnes der Korän- stelle entstanden sei. Die Veranlassung zu dieser Offen- barung ist übrigens für unsern gegenwärtigen Zweck von Aveniger Wichtigkeit als eine andere Streitfrage, nämlich die Bedeutung von Kawthar *). Begreiflicher Weise wol- len die Moslime im Koran nur himmlische Dinge finden, und so kommt es , dafs 'Ikrima unter Kawthar das Pro- phetenthura und das Buch [welches im Himmel aufbewahrt wird], Hasan den Koran, Sa'yd b. Gobayr aber überhaupt viel Segen und Gutes versteht. Es gab aber schon zu Sa'yd's Zeiten Leute, \velche glaubten, dafs das Kawthar

') Wir lesen im Baghawy: „Die Lexicographen sagen, Kaw- thar wird von Kathra, Menge, gebildet, wie Nawfal von Nafl. Die Araber (Bedouinen) heifsen alle Dinge, welche zahlreich, werthvoU oder wichtig sind, „Kawthar". Aufser diesen zwei Wörtern kann ich mich nur noch auf eins entsinnen, welches eine ähnliche Form hat, nämlich fay^al. Alle diese drei Wörter haben eine doppelte Bedeu- tung: Kawthar und Kajthar = abundantia und vir munificus; Naw- fal = donum und vir valde munificus; fajQal = discriminatio justi et injusli und judex, arbiter. Ich glaube, dafs diese Wörter ursprüng- lich Substantiva verbalia waren. So bedeutete auch Sultan ursprüng- lich Macht und wurde, wenn ich nicht irre, zuerst von Mahmud Ghaznawy als Titel angenommen, wodurch es die Bedeutung von Machthaber erhielt. Dieser Ideengang vom Abstracten zum Concreten und vom Unsichtbaren zum Sinnlich -Wahrnehmbaren ist bei den Persern beliebt und gibt ihren Poeten zu schönen Vergleichen An- lafs, z. B. der Quell ist so rein wie die Seele des Frommen. Bei den Arabern aber ist er sehr selten und es ist nicht unwahrschein- lich, dafs Kawthar und dergleichen Formen und Bedeutungen vom Tigris nach Westen kamen.

ein Flufs im l\ira<1iese sei '). Diese Aulfassung hat der Phantasie am meisten zugesagt, und es haben sich meh- rere Traditionen gebihlet, in welchen gesagt wird, dals an diesem Flusse oder Teiche, welcher das Eigenthum des Propheten ist, die Gläubigen am Gerichtstage Labung fin- den werden ^).

Da die urs|)riingliche Bedeutung von Kawthar, Fülle, Ueberflufs, von Niemandem angefochten worden ist, so läfst der Zusammenhang der Inspiration keinen Zweifel über den Sinn: Mohammad spriclit seine freudige Dank- barkeit für den ihm von Gott zu Theil gewordenen Wolil- stand aus.

Auch in der bereits Bd. I S. 310 eingeschalteten Süra 93 drückt er die Befriedigung aus, die ihm seine Vermögensverhältnisse ge^vährten und erkennt zugleich an, dafs er durch seine Heirath in diese glückliche Lage ver- setzt worden sei.

In der nach 616 geoffenbarten Süra 20, 131 137 wird ihm befohlen , nicht eifersüchtig nach den Genüssen

") Bei Bochäry S. 742 wird eine Tradition der ' Ayischa, und bei Baghawy zwei dem Anas und zwei dem Ibn Omar in den Mund gelegt, in welchen vom Paradiesflusse Kawthar die Rede ist. Von Flüssen im Paradiese wird schon im Koran gesprochen, und es ist der Natur der Sache gemäfs, dafs die Vorstellungen allmählig be- stimmter wurden und dafs man einen Flufs vor andern hervorhob. Ob man ihn aber schon zur Zeit des Propheten Kawthar hiefs oder erst später, lafs ich dahingestellt; jedenfalls bedeutete Nähr alkaw- thar, wenn auch die Benennung in Hinblick auf den Koran gewählt wurde, im ersten Jahrhundert noch Flufs der Fülle. Und daher, als Abu Bischr Yünos zu Sa yd sagte: die Leute sind der Ansicht, dafs [das im Koran genannte] Kawthar ein Flufs im Paradiese sei, antwortete er: dieser Flufs sei nur eines der dem Propheten von Gott gegebenen Güter oder von der Fülle, die ihm bescheert worden.

'') Es ist kein Zweifel, dafs Mohammad von einem solchen Teiche sprach, und Bochäry hat mehrere Traditionen darüber ge- sammelt, aber Kawthar wurde erst viel später als Eigennamen die- ses Teiches angesehen.

G

seiner Feinde hinzuschielen, der nächstfolgende Vers aber zeigt, dafs er zu jener Zeit von Lebenssorgen frei gewesen sei. Süra 15, bS nird die Erniahnung ohne diesen Beisatz Avieder- holt; vielleicht ging es ihm damals schon schlecht; später er- scheint er in grofser Dürftigkeit. Es ist Avohl diesem Um- stände zuzuschreiben, dafs er im Jahre 617, als die an ihn glaubenden Sklaven grofsen Qualen ausgesetzt waren, nichts für sie that, während Abu Bakr mehreren die Freiheit er- kaufte. Es ist anzunehmen, dafs er das Vermögen seiner Frau theils verlor und theils »auf dem Pfade Gottes«, na- mentlich um diese Auswanderung nach Abessynien zu be- werkstelligen, ausgab ^).

Dafs es den zuerst Ausgewanderten in Abessynien nicht sehr gut ging, beweist die Eile, mit der sie nach Makka zurückkehrten, als sie von der Aussöhnung des Mohammad mit den Korayschiten hörten, welche im Som- mer 616 stattfand. Ich will nun die Geschichte dieser Aussöhnung erzählen.

Mohammad war persönlich grofsen Beschimpfungen ausgesetzt. Er ertrug sie mit Geduld, und da es seinen Feinden nicht gelang, ihn mit Gewalt von seinem Vorha ben abzubringen, sollen sie es versucht haben mit ihm zu unterhandeln.

»Einige vornehme Makkaner, erzählt die Tradition-), wünschten sich mit Mohammad zu versöhnen. Sie sajjten zu ihm: Lafs uns zu einem Vergleich kommen; folge du

') Ich kann nur eine äufserst schwache Tradition aufbringen zur Unterstützung der Vermuthung, dafs Mohammad Geld ausgab, um seinen Predigten Eingang zu verschaffen. Es wird nämlich bei Baghawy, Tafs. 41, 13, dem 'Otba b. Rabya vorgeworfen, dafs er sich durch den guten Tisch des Propheten verleiten lasse, Partei für ihn zu ergreifen.

^) Baghawy, Tafsyr 109,1; Wähidy, Asbab 109. Der letzte Theil der Tradition ist nur im Baghawy. Man vergl. auch Ibu Is- häk S. 239.

unserer Religion, dann wollen wir auch «1er deinen folgen und in allen Dingen deine (Genossen sein. Bete ein Jahr unsere (Jötzen an, dann wollen wir ein Jahr deinen (Jotl verehren. Wenn deine Lehre sich als besser erweist, so bleiben wir dabei; ist die unsere besser, so geniefsest du während eines Jahres die Vortheile derselben. Er wei- gerte sich auf diesen V^orschlag einzugehen und sie sag- ten: So erkenne wenigstens einige von unsern Göttern an, und wir wollen an dich Urlauben und deinen Gott anbeten. Er erwiederte: Ich will sehen, was mir in ße- zuü: auf diesen Vorschlai»- von meinem Herrn j^eoffenbart

O O ö

Avird« ^).

') Schon in dieser Darstellung benehmen sich die Korayschi- ten viel unterthäniger gegen Mohammad, als es in WirkHchkeit wahr- scheinlich der Fall war. Es war der Geist der Tradition, sie so dar- zustellen. Deutlicher spricht sich dieser Geist in folgender Nach- richt aus. Ihn Ishäk, S. 185, von Yazyd b. Ziyäd, von Mohammad b. Ka'b Koratzy: Ich habe gehört: 'Otba b. Raby'a, einer der Füh- rer seines Stammes , safs eines Tages in der Gesellschaft der Ko- rayschiten, während Mohammad sich allein im Bethofe befand. Er sagte: soll ich mich nicht zu Mohammad begeben, ihn anreden und sehen , ob er nicht irgend einen Vorschlag annimmt und uns in Ruhe lassen will? Dies war nach der Bekehrung des Hamza, als die Gläubigen sich vermehrten. Die Korayschiten antworteten: Das ist ein guter Gedanke, führe ihn aus. 'Otba setzte sich neben den Propheten und sagte: Du weifst, mein lieber Vetter, welche hohe Stellung dir deine Geburt und Familie gibt. Du hast nun eine Neuerung angefangen, welche die nachtheiligsten Folgen hat; du hast uns in Parteien gespalten, uns für Thoren erklärt, unsere Götter und Religion beschimpft und unsere dahingeschiedenen Vor- eltern verdammt. Sieh , ich will dir Vorschläge machen , vielleicht kommen wir zu einem Verständnifs. Welches sind deine Vor- schläge? — Wenn du durch deine Neuerungen Reichthümer zu er- werben suchst, so wollen wir eine Sammlung veranstalten und du sollst der reichste Mann in Makka sein, bezweckst du eine hohe Stellung, so ernennen wir dich zu unserm Führer und wollen nie einen Beschlufs fassen ohne deine Beistimmung, strebst du nach dem Königthum, so rufen wir dich als Herrscher aus [in einer au-

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Der erste Theil dieser jSachricht ist zu albern, als dafs wir ihm Clauben schenken könnten. Hingegen ist es

dern Version werden ihm auch die schönsten Weiber angeboten]. Wenn du aber von einem Phantom (Rayiyy) geplagt wirst und du nicht im Stande bist, dessen Erscheinen von deiner Seele zu ver- bannen, so wollen wir keine Unkosten scheuen, Mittel zu suchen, auf dafs du geheilet werdest. Es kommt ja bisweilen vor, dafs ein Täbi' einen Menschen verfolgt, und es ist dann nöthig, dafs er die gehörigen medizinischen Mittel dagegen gebrauche. Als 'Otba diese oder ähnliche Worte gesprochen hatte, sagte der Prophet: Bist du fertig? Ja. Höre nun, was ich zu sagen habe! [Koran 41]: Im Namen Allah's, des gnädigen Rahmän: 41, 1. Erlafs von dem gnädigen Rahmän [bestehend in]

2. einem Buche , welches in deutlichen Zeichen geschrieben (d.h. nach einander geoffenbart) zum arabischen Psalter wird für vernünftige Leute,

3. indem es Versprechungen und Drohungen enthält. Aber die Meisten wenden sich davon weg und geben kein Gehör.

Der Prophet setzte sich in Bewegung und fuhr fort, die Süra bis Vers 37 vorzutragen und fiel auf die Knie. 'Otba schwieg, die Arme auf dem Rücken gekreuzt, und Mohammad sagte: Du hast nun gehört, wie es mit dir steht (die Koränstelle enthält nämlich eine Drohung der Hölleustrafe). 'Otba begab sich zu seinen Gefähr- ten, und als diese ihn von Weitem sahen, sagten sie: Bei Gott! 'Otba kommt mit ganz anderen Mienen zurück, als er uns verlas- sen hat. Sie riefen ihm dann entgegen: Was bringst du? Ich habe eine Rede vernommen, dergleichen ich früher nie gehört habe, es ist kein Gedicht, kein Zauberspruch und kein Orakel. O Ko- rayschiten, thut was ich euch sage, und ich will dafür verantwort- lich sein; leget diesem Mann nichts in den Weg, seid vielmehr höf- lich gegen ihn: was ich gehört habe, enthält eine wichtige Nach- richt. Wenn ihn die Bedouinen vernichten, so haben uns Andere von ihm befreit, ist er siegreich, so ist seine Herrschaft über Ara- bien unsere Herrschaft und seine Gröfse unsere Gröfse, und wir sind die glücklichsten der Menschen. Die Anwesenden erwiederteu: Er hat dich mit seiner Zunge bezaubert. Otba versetzte: Dies ist meine Ansicht, thut, was euch gut dünkt.

Man könnte diese Geschichte „Mohammad auf den Zinnen des Tempels" überschreiben. Indessen wenn sie auch eine Dichtung ist, so befinden sich doch historische Erinnerungen darin. Es ist Grund vorhanden zu glauben, dafs Otba unter allen Aristokraten am wohl-

gewifs, dafs Molianiinad mit den Korajschiten zum Ein- verständnifs kam , dafs er die Götter Lät , 'Ozzä uml Manäh, welche ihren Nachbarn aui heihgsten waren, be- stätigte und sie ihn dafür als Gottgesandten anerkennen sollten. Es ist bereits bemerkt Avorden, dafs Mohammad, um keinen Anstofs zu geben und für inspirirt, nicht aber für besessen zu gelten, anfangs sehr beliutsam war und gegen seine üeberzeugung manchem heidnischen Gebrau- che huldigte. Wir wollen nun etwas tiefer in die politi- sche ßedeutunor des Götzendienstes im Hij^räz eingehen, um dieses Einverständnifs würdigen zu lernen.

Die Heiligthümer in Makka und der Umgebung las- sen sich vom Standpunkt der Politik in drei Klassen ein- theilen. Erstens: Penaten der Makkaner, unter welchen Hobal der wichtigste war. Diese hat Mohammad von An- fang an verworfen, und auch seinen Stammgenossen Avaren sie nicht so sehr an's Herz gewachsen, dafs sie sich nicht hätten davon trennen können. Zweitens: die Statuen des Asäf und der Näyila, welche hinter der Ka'ba innerhalb der Stadt auf zwei Anhöhen, dem (/afä und der Mar^va, standen und welche nicht nur den Makkanern, sondern auch einigen mit ihnejj in innigster Verbindung stehenden Stämmen heilig waren und das sichtbare Band der Ein- tracht bildeten. Diese Stämme hielsen, mit Einschlufs der Korayschiten, Homsiten; sie verrichteten beim Pilgerfeste Ceremonien vor diesen Statuen, welche die übrigen Stämme nicht mitmachten. Mohammad hat die Ceremonien zwischen Asaf und Näyila, wie auch die übrigen Beobachtungen des Pilgerfestes, immer verrichtet. Nach der Eroberung von Makka liefs er zwar die Statuen zerstören, aber die Ce-

wollendsten g<*gen Mohammad gesinnt war; auch ist der Geist des betreffenden Koranstückes richtig aufgefafst.

Eine etwas verschiedene Version theilt Baghawy, Tafsyr 41, 13, auf die Auktorität des Gäbir b. 'Abd Allah mit: Baghawy gibt auch die Version des Mohammad b. Kab Koratzy.

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remonieji sin<l bis auf «len lieutigen Tag Gesetz für die iMosliine. Drittens: tleiligthüiiier, welche von allen Stäm- men verehrt wurden, die an dem Pilgerfest Theil nahmen. Zu diesen gehörte der in der Ka'ba eingemauerte schwarze Stein, die heiligen Plätze Minä und 'Arafat, und in der That das ganze heilia^e Gebiet. Ich habe bereits die Vermu- thung ausgesprochen, dafs das Pilgerfest zu Ehren Allah's ii:efeiert wurde, und wir könnten daher den Mohammad nicht tadeln, dafs er es sanctionirte '), wenn wir nur auch gewifs wären, dafs er den Allah der Heiden von Anbe- ginn angebetet habe.

Die umliegende Bevölkerung besafs Idole, welche, wie Asäf und Näyila, den Verband von mehreren Stämmen bil- deten, und Specialgötter waren, die aber von ihren Nach- barn respektirt werden mufsten, wenn diese mit den Ei- genthümern in gutem Einvernehmen stehen wollten. Moham- mad hat diese Rücksichten vernachlässigt und die Götzen der Nachbarn nicht anerkannt. Ich will nun die Special- götter, die für uns von Interesse sind, aufzählen.

Westlich von Makka bis an das Meer hin trieben sich die wilden Kinänastämme umher. Die Korayschiten betrachteten sich als einen derselben und hatten an ihnen in grofsen Bedrängnissen Bundesgenossen. Die Kinäniten ge- meinschaftUch mit den Ghatafäniten besafsen die Göttin 'Ozzä. Weil aber der Zweck der Heilisrthümer die \ er- einigung mehrerer Stämme war, so wurde der Familie Schaybän aus dem Stamme Solaym die Priesterwürde zu- gestanden, damit auch dieser Stamm in den Verband gezo- gen werde. Die 'Ozzä war ein Baum zu Nachla, etwa an- derthalb Tagereisen von Makka. Bäume werden noch heutisren Taijes von den Arabern verehrt. In einer Stra- fsenecke zu Damascus steht ein alter Oelbaum, Sitti Zaytün »Frau Oelbaum« geheifsen, zu welchem diejenigen Einwoh-

') Nach Kalby bei Tha'laby, Tafsyr 2, 59, haben auch die Qi\- bier, d. h. Hanyfe, die Heiligkeit der Ka ba anerkannt.

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nerinnen der Sladt uulll'ahrteii, welche Naehkommenscliait wünschen. Nachmittags habe ich stets einen Daiuysch dabei bemerkt, der kleine Gaben empfing mid sein (jlebet mit dem ihrigen vereinigte. Er war ein strammer Bursche, und ich zweifle nicht, dafs seine Fürbitte oft erhört wurde. Osiander hat mit umfassender Gelehrsamkeit die Angaben über 'Ozza und die übrigen arabischen Götzen gesammelt und sie mit grofsem Scharfsinn zusammengestellt, es ist daher unnöthig, hier in fernere Einzelheiten einzugehen'). Ich stimme ihm aber nicht bei, wenn er glaubt, dafs, wo man immer den Namen 'Abd 'Ozzä «Knecht der Ozzä« fin- det, auch ein förmlicher, wenn nicht ausschliefslicher 'üzzä- Dienst geherrscht habe. Der Aberglaube ist unter unge- bildeten Menschen unersättlich, und es ist eine traurige Wahrheit: »Wer der Menschen Leichts-Iäubiürkeit traut, hat auf Fels gebaut«. In der Gegend des Todten Meeres gibt es viele Moslime, welche ihre Kinder nicht nur beschnei- den, sondern auch von christlichen Priestern taufen lassen,

') Ich führe jedoch die von Tha'laby gesammelten Nachrich- ten an:

„'Ozza war dem Mogälid zufolge ein dem Ghatafän -Stamme angehöriger Baum , welchen dieser Stamm anbetete. Der Prophet sandte dann den Chälid b. Walyd das Heiligthum zu zerstören. Dhahhak sagt: sie war ein Götze des Ghatafän -Stammes, welchen der Ghatafänite Sad b. Tzälim einführte. Er kam nämlich nach Makka und beobachtete die Ceremonien, welche die Korayschiten zwi- schen Qafä und Marwa verrichteten. Er kehrte nach Batn Nachla zu- rück und sagte zu seinem Volke : die Makkaner haben den (^ai'ii und die Marwa, ihr habt nichts Aehnliches. Er nahm daher einen Stein vom (^afä und einen von der Marwa, brachte sie nach Nachla, legte sie in einiger Entfernung von einander und nannte den einen (^'afä, den andern Marwa, dann nahm er drei Steine, lehnte sie gegen ei- nen Baum und sagte: dies ist euer Herr, betet ihn an. Sie thateu wie er gesagt hatte. Ihn Zayd behauptet, die Ozza sei ein Tem- pel in Täyif gewesen, welchen die Thakyfiten anbeteten."

Diese tendenziöse Dichtung zeigt, dafs der 'Ozza -Dienst und Cafä- und Marwa- Dienst parallel waren, und der eine für die Iloms- stämme dieselbe Bedeutung hatte, wie der andere für die Ghata- fäniten.

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und ich habe selbst «^^esehen, nie Moslime dem jakobiti- sehen Patriarchen zu IMaiädyn Geld gaben, damit er Tür ein krankes Kameel bete. Li Indien empfangen grofse moshmische Heihge, wie Nitzäm awhya bei Delhi und Tschischty zu Agmyr, ebenso viel \ erehrung von den Hin- dus als von den Rechtgläubigen, und wir wissen, wie sehr die Juden zum Aerger der Leviten geneigt waren, die Opfer den Götzen nachzutragen, statt sie nach Jerusalem zu bringen. Wenn nun der Baum zu Nachla wunderbare Kräfte besafs, wie die Sitti Zaytün, so ist es wohl be- jjreiflich, wie der Xame 'Abd al-Ozzä unter Stämmen vor- kommen kann, welche sich im Allgemeinen nicht viel darum kümmerten. Ein gedrücktes Herz, dessen Bitten von den einheimischen Göttern nicht erhört wurde, mag zu diesem fremden Idol seine Zuflucht genommen haben und seine Wünsche mögen in Erfüllung gegangen sein. Was war natürlicher, als aus Dankbarkeit das nächste Kind 'Abd al- 'Ozza zu heifsen. Ferner werden Namen gar leicht zur Mode und überschreiten dann die heimischen Grenzen. Es ist übrigens nicht anzunehmen, dafs in allen Fällen ein und dieselbe 'Ozzä zu verstehen sei-

Die Strafse zwischen Makka imd Syrien wurde gröfs- tentheils von yamanitischen Stämmen beherrscht. Diese nebst der inclavirten Modharbevölkerung hatten ein Idol, Ma- näh bei Kodayd, nahe der Meeresküste, ungefähr 25 Stun- den nördlich von Makka. Es war ein Felsen am Fufse des Berges Moschallal ^).

Südöstlich von Makka herrschten Hawäzin- Stämme.

') Katäda sagt: die Manäh gehörte dem Stamme Chozaa und befand sich za Kodayd. Ibn Zayd behauptet, es war ein Tempel zu Moschallal, welchen die Banü Kab anbeteten. Dhahhäk sagt: sie war ein Götze der Hodzayliten und Chozä'aiten, den die Einwoh- ner von Makka anbeteten. Einige leiten Manäh von näa her, wel- ches im Aorist yauü und im Inf. nawon hat und heiischer Sternun- tergaug heifst (Tbalaby, Tafsyr 53, 23).

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llir Mittelpunkt uar das alle, scliün*^elegene Täyil un<] da- selbst hatten sie das (Jölzenbild Liit ^).

Den Sommer 1850 brachte ich in der tibetanischen Landschaft Kanaur, jenseits der ersten Schneekette des Himalayagebirges, zu, und obschon die Einwohner dem ]\amen nach Buddhisten sind, so erinnerte mich ihr Kul- tus doch recht lebhaft an das, was ich von der Religion der alten Araber gelesen und gedacht hatte. Jedes Dorf besitzt einen oder mehrere Götzen, welche die phantas- tischsten Gestalten haben. Der Tempel steht entweder im Dorfe oder auf dem schönsten Platze der Umeebuns:, und es wurde mir gewöhnlich gestattet, dabei mein Zelt aufzuschlagen. Alles was die Einwohner Farbiges und In- teressantes finden, wird darin aufgestellt. Um das Ge- bäude herum stehen gewöhnlich eine Unzahl von giganti- schen Ge^^eihen von Steinböcken und andern Thieren je- nes prächtigen Gebirges. Ueber dem Eingang des Tem-

' ) Katäda sagt : die Lät war in Täyif ; nach Ihn Zayd war Lät der Name eines Tempels zu Nachla, welchen die Korayschiten an- beteten. Ihn 'Abbäs, Mogähid und Abu Qälih lesen Lätt, welches geröstetes Korn mit Butter kochen bedeutet, und sie behaupten, Lätt wurde ein Mann genannt, welcher solche Speise für die Pil- grime zu bereiten pflegte. Nach seinem Tode wallfahrteten die Leute zu seinem Grabe, und endlich beteten sie ihn an. Dem Soddy zufolge bekauptet Abu ^älih, dafs dieser Lätt zu Täyif lebte, sich stets bei den Götzen jener Stadt aufhielt, genanntes Gericht berei- tete und nach seinem Tode angebetet wurde. Nach Kalby [welcher immer den Namen und die Genealogie weifs] war Lätt ein Tha- k}'fite und hiefs eigentlich (J!archa b. Ghanm. Er pflegte geschmol- zene Butter auf ein Felsstück zu giefsen, die Bedouinen nahmen sie und benützten solche, geröstetes Korn zu bereiten. Nach seinem Tode brachten die Thäkyfiten das Felsstück nach ihrem Hauptquar- tier und betrachteten es als Heiligthum, und endlich wurde Täyif um dieses Heiligthum herumgebaut.

Tha'laby, welcher diese Stellen gesammelt hat (vgl, auch Ibn ßashkowäl, Bibl. Spr. 267) vertheidigt die natürliche Ableitung des Wortes Lät von Allah (vgl. Bd. I S. 286 fg.).

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jM'ls von Sunnam (in Cierard's Karte Soognum) waren ver- lijoidete Eti(juets von englischen Shirtingstücken angeklebt, und im Tempel iand ich gar ein Paar alte Spielkarten an die Wand gesteckt. Es mag einmal einem deutschen AI- terthumsforscher zu geistreichen Spekulationen Veranlas- sung gehen, Avie der Herzbub oder das Eichelafs zu gött- licher Verehrung kamen, wie weit sich der Dienst dieser zwei («ottheiten erstreckt und ob er nicht von Tibet aus- gegangen sei. jManche Tempel sind das ganze Jahr ge- schlossen, aufser an dem Feste des Hauptidols oder der Kirchweihe. Da geht es dann in jenen Gemeinden, wel- che den Mittelpunkt von mehreren Ortschaften bilden, um desto lebhafter her; es versammelt sich viel Volk und es wird getanzt, gejubelt und getrunken, bis alles im Taumel darniedersinkt. Was mir aber besonders auffiel, ist, dafs die Gemeinden all ihren Stolz auf ihren Götzen setzen: er ist der Mächtigste und Wirksamste und auch der Schön- ste und Reichste, den es gibt, und wer es wagt, ihn her- unterzusetzen, beschimpft die Gemeinde. Ich zweifle nicht, dafs bei den Arabern ähnhche Gewohnheiten herrschten und dafs bei ihrem lebendigen National- und Stammge- lühl es für die Jsachbarn nothwendig war, ihre religiösen Feste mitzumachen und ihre Hauptgötter anzuerkennen, wenn sie mit ihnen in Eintracht leben wollten. Zur Begründung meiner Ansicht, welche Menschen ohne Er- fahrung profan erscheinen wird , theile ich hier schon beispielsweise eine wohl begründete Thatsache mit: Im Jahre 630 besiesrte Mohammad die Hawäzin- Stämme und Ij^lagerte Täyif Es wurden Friedensunterhandlungen ein- geleitet, Abgeordnete von Täyil kamen in das Lager des Propheten, um die Bedingungen der Unterwerfung festzu- setzen. »Sie verlangten aber, erzählt der Berichterstat- ter ^), dafs er eine Erzlüge sage. Sie sprachen nämlich zu ihm: Erlaube uns noch ein Jahr, die Göttin Lat

') Wähidy, Asbäb. 17, 75, von "Ata, von Ibn "Abbäs.

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beizubehalten und erkliire, daCs unser Gebiet beilig sei, wie das von Makka, und dals also die Bäume, Vögel und wilden Thiere desselben von Menschenhand nicht verletzt werden dürfen. Der Prophet verweigerte ihnen ihre Bitte. Sie aber bestanden darauf und motivirten sie mit den Wor- ten: Wir wünschen den Arabern zu beweisen, dafs wir vor ihnen bevorzugt sind. Wenn du aber fürch- test, dafs sie dir Vorwürfe machen, so sage, du hättest uns diese Zugeständnisse in Folge einer göttlichen Offen- barung gemacht. Der Prophet schwieg und überdachte, ob er ihnen dieses Zugeständnifs machen solle. 'Omar aber erhob sich und schrie: Der Prophet schweigt nur deswe- gen, weil er eure Vorschläge verabscheut. Darauf wurde Kor, 17, 75 77 geoffenbart.«

Wir sehen, dafs Nationaleitelkeit die Araber an ihre Götter knüpfte ^) und dafs Mohammad, selbst nachdem er sich einen grofsen Theil von Arabien mit Waffengewalt unterworfen hatte, geneigt war, Zugeständnisse zu machen, welche seinen Grundsätzen zuwider waren, um diese em- pfindliche Seite des Charakters seiner Nation nicht zu ver- wunden.

Die Makkaner konnten ohne die Freundschaft der um- liegenden Stämme nicht leben und um diese nicht zu ver- scherzen, mufsten sie ihre Hauptgötter anerkennen. Ge- wifs wäre es keinem kinänitischen Nomaden eingefallen, zum schwarzen Stein zu pilgern , wenn seine 'Ozzä ver- nachlässigt worden wäre, noch hätte sich ein Einwohner von Täyif dazu herbeigelassen, nach Makka zu wallfahrten, wenn seine Lät nicht einen Gegenbesuch erhalten hätte. Die Korayschiten machten es daher zur Bedingung ihres

' ) Wir lesen oft im Koran, dafs die Götzen und Menschen sich in diesem Leben einander nützlich sind. Das Gesagte erklärt, wie die Götzen den Menschen nützen. Wenn aber die Götzen Ginn d. h. vernünftige Wesen waren , so mufste es für sie sehr schmeichelhaft sein, angebetet zu werden. Der Nutzen war also wechselseitig.

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(ilaiibens an Mohammad, dafs er die Göttlichkeit der Lät, Ozza und Mamlh anerkenne. Dafs dies ans rein pohti- sehen (iriinch'n geschah, ersehen \\ir ans ihren im Koran 28, 57 angeführten Worten: »Wenn wir mit dir der Lei- tung folgen, so Averden wir aus unserm Lande vertrie- ben« ^). Wenn nämhch die ganze Umgebung feindüch ge- gen sie gesinnt gewesen wäre, so hätten sie ihren Kara- wanen den Weg versperrt und wohl auch, da das heihge Gebiet, in welchem Makka stand, allen angehörte, sie dar- aus vertrieben.

Mohammads Lage war so verzweifelt, dafs ihm kaum eine andere Wahl offen stand, als ihren Anforderungen zu entsprechen. Die Hoffnung, dem Islam durch Drohungen Eingang zu verschaffen, hatte ihn verleitet, das Straf- gericht mit gröfserer Bestimmtheit vorherzusagen, als klug war. Die Zeit, zu der es hatte eintreffen sollen, war nahe ^). Eine massenhafte Bekehrung allein konnte das Nichteintreten des Strafgerichtes rechtfertigen. Eine solche mufste er um jeden Preis erwirken. Lm diesen Zweck zu erreichen, verfafste er im Juni 616 eine kurze Anrede an die Makkaner, in der er sie wieder an seine Visionen erinnert, den drei Göttinnen als Fürsprecherinnen bei Allah huldigt, an das nun nahende Strafgericht erin- nert und endlich seine Mitbürger auffordert, sich vor Al- lah zu prosterniren.

') Wähidy, Asbäb, bemerkt zu diesem Koränvers:

„Härith b. 'Othmän b. Nawfal b. 'Abd Manäf sagte zum Pro- pheten: Wir wissen, dafs das, was du sagst, das Wahre ist, aber wir können dir nicht folgen, denn wenn wir dies thäten, so würden die Araber sich gegen uns vereinen und uns aus unserm Lande ver- treiben, und wir wären nicht im Stande ihnen Widerstand zu leisten. Darauf wurde 28, 57 geoffenbart. "

Ich glaube, dafs das Stück, in welchem dieser Vers vorkommt, nach der Widerrufung des Zugeständnisses geoffenbart worden sei. Da es zur Beleuchtung der Situation beiträgt, schalte ich weiter un- ten das ganze Stück ein.

^) Vergl. Kor. 53, 58.

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53, 1. [Ich schwöre] bei den Plejaden, wie sie unter- gingen '),

2. euer Landsmann ist weder verirrt, noch verwirrt,

3. und er spricht nicht nach seinen Gelüsten (Wahn):

4. was er predigt, ist nichts anderes als eine Offen- barung, die ihm geoffenbart wird;

5. es hat ihn hierüber belehrt der mit grofser Ge- walt Ausgerüstete (u. s. av., siehe Bd. I S. 307).

18. Er hat bereits das gröfste der Wunder seines Herrn gesehen.

19. Sehet ihr die Lät und die 'Ozzä

20. und die Manäh, die dritte, andere [Göttin]?

21. Sie sind erhabene Gharänyk ^)

22. und, wahrlich, man kann ihre Fürsprache er- warten.

56. Welche Gnade deines Herrn wirst du noch be- zweifeln? (d. h. warum zweifelst du, dafs Gott in seiner Güte die Schutzgeister zu Fürsprechern bestellt hat?)

57. Dieser da (d. h. Mohammad) ist ein Warner wie

') Es ist hier nicht von dem täglichen Untergange, sondern von dem heiischen, der Nawö, die Rede. Der heiische Untergang aller Mondstationen, besonders aber der Plejaden, spielte in den Wetter- regeln und auch in der Poesie der Araber eine grofse Rolle.

^) „Gharänyk bedeutet ursprünglich männliche Wasservögel. Der Singular ist Ghirnavv'k oder Ghirnyk. Sie werden ihrer weifsen Farbe wegen mit diesem Namen bezeichnet, man sagt, es sei ein Name des Vogels Kurky, Kranich. Ghornük bedeutet auch einen weifsen, zarten jungen Menschen. Die Heiden glaubten, dafs die Abgötter (a^näm) bei Allah in Gunst stehen und für sie fürsprechen, und sie verglichen sie mit Vögeln, welche gegen den Himmel fliegen und sich erheben" (Mawähib allad. S. 66).

Einige verstehen Schwäne unter Gharänyk. Auch in der germa- nischen Mythologie stand der Schwan zu den in Luft und Wasser waltenden Lichtgottheiten in engster Beziehung und galt als weissa- gender Vogel. Gewisse göttliche Wesen liebten Schwanengestalt an- zunehmen, wie die Walkyrien oder Schlacht- und Schicksalsjuug- frauen, und die Wald- und Wasserfrauen. Man erinnere sich auch an Jupiters Abenteuer mit Leda.

u. 2

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die frühern Warner waren ^) (er warnt euch vor dem Strafirerichte wie Noah und Andere ihre Zeitgenossen Avarnten, denn)

5s. das sich Nähernde"^) hat sich genähert und aufser Allah gibt es ISichts, was es aufhalten könnte.

59. Seid ihr erstaunt über diese Neuigkeit?

60. und lacht ihr statt zu weinen

61. und treibet Scherz?

62. Nein, werfet euch auf das Angesicht vor Allah und betet ihn an!

Die Theologie ist eine so dehnbare Wissenschaft, dafs, wer sich nur einige Zeit mit ihr beschäftigt hat, alles Raub, Mord, Gotteslästerung zu rechtfertigen weifs, nur nicht das Ausbleiben des Zehent und der Sportein. So fiel es auch dem Mohammad nicht schwer, einen Grund für die x\nerkennung der Götzen zu finden. Wenn das Bd. I S. 130 angeführte Dokument acht ist, so hat man schon lange vor Mohammad die Geister, deren Repräsentanten die Götzen waren, auch Engel (Malak, Plur. Maläyika)^) eenannt, d. h. man hat sie mit den biblischen Geistern identifizirt; jedenfalls macht Mohammad in Süra 53 *) kei-

') Auch Baydhawy bezieht „dieser da" auf Mohammad oder die von ihm erhahene Offenbarung, und seine Deutung wird durch sehr viele Koränstellen bestätigt. Abu Mähk bei Thalaby hingegen, um diesen Vers mit der vorhergehenden Stelle (s. Bd. I S. 61) in Zusam- menhang zu bringen, sagt: „dieses da ist es, wovor ich euch warne, nämlich vor dem Schicksale der alten sündhaften Völker, welches in den Rollen des Abraham und Moses verzeichnet steht." Da Abu Mälik zu einer Zeit lebte, zu der die Rollen noch bekannt sein konn- ten, so sind seine Worte insofern interessant als sie die Bd. I 8. 61 ausgesprochenen Ansicht bekräftigen und die dort angeführten Korän- stellen als Inhaltsanzeige der Rollen erklären.

*) Im Kor. 40, is macht Mohammad, nach seiner Manier, „das sich Nähernde" zu einem Namen des jüngsten Tages.

3) Auch Thalaby, Tafs. 2, 10, sagt: „Die Heiden unter den Ara- bern behaupteten, die Engel seien Töchter Gottes."

*) Vergleiche auch die in diesem Kapitel angeführte Korän- stelle 37, 100 ifif,.

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nen Unterschied zwischen Ginn, Engel und Götze. Indem er also lehrte, dafs die Lät und die andern beiden Götzen für den Menschen bei Gott Fürsprechen und indem er diese Götzenbihler als Repräsentanten von Engeln ansah, stimmte seine Lehre mit der der judenchristlichen Sekte, Avelche an eine Engelhierarchie glaubte, ja Avohl gar mit der christ- katholischen Lehre, welche in den Engeln und Heiligen Fürsprecher findet (und manchen Götzen in einen Heili- gen verwandelt bat), überein. An einem andern Orte wird das Verhältnifs der Ginn zu den Engeln im Koran aus- führlicher besprochen Averden.

Diese Ansprache war vom glänzendsten Erfolge ge- krönt. Auf seinen Aufruf: Werfet euch nieder vor Allah! fielen alle Anwesenden ^) auf's Angesicht und berührten mit der Stirn die Erde. Nur der alte Walyd, wenn er auch nicht den Muth hatte, dieser Kundgebung zu wider- stehen, wollte sich doch auch nicht beugen. Er nahm da- her eine Hand voll Erde auf und drückte sie e:es:en die Stirne. Er war ein corpulenter Mann, und es wurde sei- ner Schwerfälligkeit und nicht seinem Stolze zugeschrie- ! ben , dafs er sich nicht prosternirte. Mohammad w urde I nun in ganz Makka als ein Bote Allah's anerkannt.

Er hatte seine Anerkennung durch Aufopferung sei- ner heihgsten üeberzeugung erkauft und seine früheren Lehren Lüge gestraft. Seine übermüthigen Gegner, wel- che ihn, indem sie ihm huldigten, doch nur zu ihren Zwek- ken benutzen wollten, konnten ihn nur verachten, und seine aufrichtigen Anhänger wurden im Glauben irre. Dafs we- gen dieser Verläugnung seiner üeberzeugung wenigstens ein Gläubiger von ihm abfiel, lernen wir aus dem Koran. Mohammad beschuldigt den Apostat, sich an seine Wider- sacher verkauft zu haben und verhöhnt ihn, Aveil sie ihm

') Es entstand in der frühesten moslimischen Gemeinde die Gewohnheit, nach Ablesung dieser Süra auf das Angesicht zu fallen.

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ihr Versprechen nicht hielten und weniger für seinen Ab- fall gaben als ausgemacht gewesen war.

53, 34. Was däucht dir von demjenigen, welcher den Rücken gekehrt,

35. wenig erhalten und im ßrunnengraben auf Fels gekommen ist (d. h. seinen Gönner trocken, nicht freigi- big gefunden hat);

36. besitzt er vielleicht die Kenntnifs des Verborge- nen? Dann freilich sieht er [was wahr ist],

37. oder ist ihm nicht zur Kenntnifs gebracht wor- den, was in den Rollen des Moses steht

38. und des Abraham, der Wort hielt. [Fortsetzung Bd. I S. 61.]

Mohammad erinnert den Abtrünnisren an die Rollen des Abraham und Moses als an eine Schrift, mit der dieser vertraut war und an die er glaubte. Es war also ein Schriftgelehrter und Hanyf. Wer mag es gewesen sein? Wir wenden uns natürlich an die Exegeten um Aufschlufs. Mogähid und Ibn Zayd ^) aber haben die Unverschämt- heit, einen Älann zu nennen, welcher der erste war, der den Propheten verfolgte, und welcher alle andern Makka-

*) "Wähidy, Asbäb 53, 30. Soddy aber, bei Baghawy, Tafsyr, behauptet, dafs Aq b.Wäj-il der Abtrünnige war. Diese beiden Tra- ditionisten scheinen in Vers 35, viie ich, o'tiya gelesen zu haben; denn sie sagen, dafs der Abtrünnige nur schlecht belohnt wurde. Aber Ibn Abbäs, Kalby und Mosayyab b. Scharyk, bei "Wähidy, haben a „er hat gegeben" gelesen, und um die unsinnige Lesart zu recht- fertigen, erzählen sie folgende alberne Gefchichte: Othmän b. 'Af- fän pflegte viel Almosen zu geben. 'Abd Allah b. Sa'd b. Aby Sarh fragte ihn, warum er sein Vermögen verschwende? Er antwortete, um seine Sünden zu sühnen und der Höllenstrafe zu entgehen. 'Abd Allah versetzte: wenn du mir deine Kameelin mit Sattel schenkst, so will ich dich davon befreien. Othmän ging auf den Handel ein, und dem Versprechen des 'Abd Allah trauend, hörte er auf, Almosen zu geben. Vers 35 würde also bedeuten: er hat wenig [Almosen] gege- ben und ist auf Stein gekommen, d. h. sein Bemühen, Verdienste für das Jenseits zu sammeln, hat fehlgeschlagen.

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ner an Reichthum übertraf, dem also Mohammatl nicht zu- muthen konnte, dafs er sich verkauft habe sie nennen den Walyd b. Moghyra. Der einzige damals in Makka lebende Hanyf, dessen Namen wir kennen, ist Waraka. Er mag der Abtrünnige genesen sein, der in Bahyra den Verkünder der ältesten, Avahren Religion und in Moham- mad einen Seher derselben erbhckt hatte, aber in beiden Betrüger fand, den nach seinem Abfall auch die Religion seiner Väter so wenig wie vorher befriedrigte und der end- lich zum Christenthum überging und so in seiner Abge- schlossenheit weder zu den Freunden des Mohammad ge- hörte, noch auch zu seinen Feinden, welche ihn in seinen Erwartungen betro£:en hatten.

Die Tradition sagt, dafs der Engel Gabriel sogleich zum Propheten kam, um ihn zurechtzuweisen, und dafs er am folgenden Morgen schon sein Zugeständnifs widerrief. Es wäre unbillig, von der Tradition eine andere Erklärung zu erwarten. Es war demüthigend genug für die Theo- logen, diesen Mifsgriff zugeben zu müssen; er wird auch von Ibn Hischäm verschwiegen und von dem gelehrten und philosophisch gebildeten Verfasser der Beweise für die Wahrheit des Islams (ich meine das Schifä des Kädhiy 'lyädh), sowie von den meisten spätem Theologen geläug- net. Thatsachen beweisen jedoch, dafs einige Zeit ver- strich, ehe Mohammad sein Zugeständnifs zurücknahm. Es kehrten nämlich die nach Abessvnien sreflüchteten Moslime auf die Kunde hin, dafs eine Aussöhnung ihres Meisters mit den Heiden erfolgt sei, nach Arabien zurück. Sie ka- men ungefähr einen Monat darnach in die iXähe ihrer Va- terstadt und, wie die Tradition sagt, vernahmen sie hier zum ersten Mal zu ihrem Leidwesen, dafs sich das gute Einverständnifs zerschlagen habe und die Verfolgung hef- tiger wüthe als zuvor. Sie berathschlagten sich, ob sie ohne Weiteres wieder nach xVfrika in's Exil zurückkehren oder sich vorerst nach Makka begeben sollten, entschlos-

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sen sich aber, iiaclKiein sich jeder des Schutzes einer Per- son von Einilufs versichert hatte, zu Letzterem. Ich halte diese ganze Darstelhmg (nicht die Thatsache) für eine Dichtung und glaube, dafs dasselbe Verlangen nach Ein- tracht, Avelches die Korayschiten beAvogen hatte, zur Ver- söhnung die Hand zu bieten, sie auch bewog, einen Bo- ten nach Abessynien zu senden, um die flüchtigen Fami- lienglieder zurückzurufen und dafs diese, vielleicht beglei- tet von Christen, welche neugierig waren, den Propheten kennen zu lernen und zu ermitteln, wie viel Wahres an seiner Prätension ist, noch ehe er seine Zugeständnisse zurückgenommen hatte, in Makka anlangten und dafs diese Zurücknahme ihrem und ihrer Beijleiter Einflüsse zuzu- schreiben sei. Die Gründe für die Vermuthung, dafs Chri- sten nach Makka gekommen seien, glaube ich im Koran zu finden und um sie zu würdigen, ist es nöthig, nicht nur dieses, sondern auch die folgenden Kapitel unbefangen zu lesen. Wenn sich diese Vermuthung auch als ungegrün- det heraussteflte, so geht aus der Rückkehr der FlüchtHnge nach Makka und diese ist eine Thatsache doch her- vor, dafs Mohammad sein Zusreständnifs nicht so bald zu- rücknahm, als die Tradition behauptet.

Wenn Mohammad während dieser Zeit Inspirationen im Sinne seiner Zugeständnisse veröffentlicht hat, so hat er sie gestrichen und sie sind verloren gegangen. Fol- gendes ist wohl die erste nach seiner Rückkehr zu seiner Ueberzeugung noch übrige Koränstelle:

28, 85. Er, welcher dich mit dem Koran beauftragt hat, wird dich wieder in das Ma ad ^) zurückbringen. Sprich:

') Obwohl diese Stelle klar und für den orakulösen Stil, des- sen sich Mohammad damals bediente, ungewöhnlich breit ist, so hat man es doch schon im zweiten Jahrhundert mit Erfolg versucht, den Sinn zu verdrehen. Wir lesen im Kitäb alaghäniy No. 1186: „der Dichter Komayt b. Zayd fragte den Abu Ga'far [Mohammad b. 'Alyy], was Ma'äd bedeute, und er antwortete: Ich besuchte mit meinem Vater den Abu Sa' yd Chodry (f 53 54), und mein Vater fragte

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Mein Herr weils am besten, wen er auf den richtigen Weg leitet und wer sich im offenbaren Irrthume befindet.

86. Du hattest selbst nicht erwartet, dafs dir das [im Himmel aufbewahrte] Buch eingegeben werden würde. Es geschah einzig aus Gnade Seitens deines Herrn, Mifs- brauche also diese Gabe nicht dazu, die Verläugner dei- nes Herrn zu unterstützen,

87. und lasse dich in Zukunft von den Zeichen (Of- fenbarungen) Allah's ja nicht abwendig machen, nachdem sie dir geoffenbart worden sind. Predige deinen Herrn und sei nicht einer derer, welche neben ihm andere Göt- ter anerkennen.

88. Rufe aufser Allah keinen andern Gott an. Es gibt keinen Gott aufser ihm. Alles vergeht aufser seinem Wesen. Ihm gehört die Herrschaft und vor ihm müfst ihr einst erscheinen.

Diese freimüthige, ehrenvolle Erklärung ist nicht im Geiste des Mohammad und sie war seinen Gegnern ge- genüber auch nicht politisch. Mir kommt sie wie ein Pec- cavi vor, welches er den Christen gegenüber zu machen gezwungen war, die ihn auf das Ma'ad, rechte Geleis, zu- rückgebracht hatten. Auf diese mufste sie denselben vor- theilhaften Eindruck machen wie auf uns. Seine Feinde

ihn, was Ma'äd in der Koränstelle 28, 85 bedeute, worauf jener die Antwort gab: Ma'äd ist das, wovon das Letzte der Tod ist."

Ma ad ist das Nomen loci von 'ad, zurückkehren, es heifst also der Platz, an dem man gewesen ist, und zu dem man wiederkehrt. Es wird für Heimath gebraucht, und viele Commeutatoren erklären es in diesem Sinne und setzen hinzu, der Vers sei dem Mohammad auf der Flucht von Makka nach Madyna geoffenbart worden. Es hat aber auch eine allgemeinere Bedeutung und kann hier durch Laufbahn, Geleis, übersetzt werden. Der Wunsch, zu verbergen, dafs Mohammad je sein Geleis verlassen habe, veranlafste die Moslime, diese Stelle zu verdrehen, und damit sie mit desto gröfserem Anscheine von Gewis- senhaftigkeit dem Worte Ma'äd einen andern Sinn unterlegen konn- ten, erfanden sie obige Tradition, um zu zeigen, dafs die Bedeutung schon in alten Zeiten zweifelhaft war.

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wurden nütliend über den unverschämten Betrüger. Sie fra":ten ihn: Wie kommt es, dafs Allah erst die arabischen Schutzirötter als beo:ünsti2:te Wesen anerkennt und dann wieder verläugnet und verdammt? Auch seine Drohungen eines Strafgerichtes, welches, obschon sie jetzt mit gröfse- rer Heftigkeit als je zuvor die neue Lehre verfolgten, den- noch nicht eintrat, war eine Ursache des Spottes. Er gab ihnen folgende Antwort, in welcher er sein Zugeständnifs als eine Eingebung des Teufels erklärt und sagt, dafs Aehnliches auch allen frühern Gottgesandten begegnet sei. 22, 43. Wenn sie dich der Lüge zeihen, so wisse, dafs schon vor ihnen die Zeitgenossen des Noah, die 'Aditen, die Thamüdäer, das V^olk des Abraham, das Volk des Lot und die Leute von Äladyan [die Boten Gottes] der Lüge geziehen haben. Auch Moses wurde ein Lügner gehei- fsen. Ich habe eine Weile zugewartet, dann aber habe ich die Ungläubigen hergenommen und wie war meine Mifsbilligung!

44. Wie viele Städte haben wir nicht vertilgt, weil sie ungerecht waren. Sie sind jetzt öde und ein Haufen von Ruinen, welche ihre Grundvesten, den verschütteten Brun- nen und den hohen Thurm bedecken.

45. Reisten sie denn nicht auf der Erde herum? Hät- ten sie doch Herzen, diese Beispiele zu verstehen und Ohren, sie zu hören. Ihre Augen sind nicht blind, aber die Herzen in ihrem Busen sind blind.

46. Sie fordern dich auf, die Strafe zu beschleunigen. Gott wird seinem Versprechen nicht zuwider handeln ; aber ihr müfst bedenken, ein Tag ist bei deinem Herrn so lang als Tausend Jahre nach eurer Rechnung.

47. Wie vielen Städten habe ich [wie jetzt euch] eine lange Frist gewährt. Sie verharrten im Frevel, endlich habe ich sie hergenommen. Zu mir leitet der Weg! *)

') Diese Worte, welche im Koran mehrere Mal vorkommen, mufsten dem Araber, welcher in einer Schlucht, bei welcher Wan-

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48. Sprich: 0 Menschen, ich bin für euch offenbar ein Warner ').

51. Wir haben vor dir keinen Boten und keinen Pro- pheten gesandt, in dessen Lieblingsgedanke '^j, wenn er solchen hegte, der Satan nicht etwas hineinwarf: Allah streicht die Zugabe des Satans und befestigt dann seine ei- genen Zeichen. Allah ist der Wissende, der Weise.

52. Gott gestattet solche Versehen, damit das, Avas der Satan eingibt, eine Versuchung sei für die, in deren Herzen eine Krankheit ist und für Menschen versteinerten

derer vorbeiziehen müssen, auf den Feind lauerte, oder der in Furcht war, dafs auf ihn gelauert werde, sehr begreiflich sein. Sie bedeu- ten: „Der Mensch kann Gott nicht entgehen." Uns erinnern sie an

Teils Monolog:

Durch diese hohle Gasse mufs er kommen, Es fuhrt kein anderer Weg nach Küfsnacht.

') Hier folgen Verse, welche dem Sinne nach bei jeder Gele- genheit wiederholt werden, und wahrscheinlich in diese Stelle erst später eingeschaltet worden sind.

*) Omnyya, Plur. amänyy, bedeutet einen Wahn (engl, a fancy), welcher eine Folge unserer Wünsche und Neigungen ist, ein Hirn- gespinst, eine unbegründete Lehre oder Theorie. Es kommt von tamannä, sich nach etwas sehnen, und auch sich durch Sehnsucht zum Wahn verleiten lassen, faseln (engl, to fancy); auch in folgen- der Tradition hat Omnyya diese Bedeutung t^is .-tUic JüLoCav! Uli

Ä?Ji Lij.>A^> *.JCoiA:&- xaÄajI qUxc ,£••*■<■' (j«!.^-^^ 6j^. r\^ j^ Nachdem 'Othmän erwacht war, sagte er: Sollten etwa die Leute behaupten, ich habe mich von einem Hirngespinst leiten lassen, so will ich euch etwas erzählen: es ist mir der Prophet im Traum erschienen und hat mir mitgetheilt etc. Wenn ein Moslim im Traume den Pro- pheten sieht, so ist der Traum wahr, denn der Teufel darf alles an- dere nur den Propheten nicht äffen. Ein solches Traumgesicht nun führt Othmän zum Beweise an, dafs er nicht im Wahne sei. Aus Tha'laby, Tafsyr2,105, geht hervor, dafs es nur im Dialekte der Korayschiten die Bedeutung „Wahn" hatte, während es in andern Dialekten „Wunsch" hiefs. Er sagt: „Amänj'yohom, d. h. ihre Wün- sche, die sie hegen; es wird aber behauptet, dafs es im Sprachge- brauch der Korayschiten Wahn bedeute, wa kyla abäfylohora bilogha Kor ay seh."

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Herzens. Wahrlich, «he Ungerechten leben in grofsem Zwiespalt ').

53. Diejenigen, denen die Kenntnifs (Bibel) gegeben worden ist, wissen ^), dafs diese Offenbarung die von dei- nem Herrn ausgehende Wahrheit ist, und glauben daher daran und ihre Herzen unterwerfen sich ihr in Demuth; denn Allah führt die Gläubigen zur geraden Strafse (girät),

54. die Ungläubigen aber werden stets in Zweifel darüber sein, bis sie plötzlich die Stunde überrascht oder die Strafe eines verheerenden Tages kommt ^).

55. Die Herrschaft ist an jenem Tage in den Händen des Allah, er wird zwischen ihnen richten, und die Gläu- bigen und Guten werden in wonnereiche Gärten eingehen.

In dieser Inspiration sind mehrere Worte, welche vor der christlichen Periode gar nicht, hingegen in der für den christlichen König von Abessynien verfafsten Süra 19 häufig vorkommen, wie C^i'^ä.t, Strafse, Saa, die Stunde, Nabyy, Prophet. Auch sind in V. 53 unter «denjenigen, welchen die Kenntnifs gegeben worden ist« wohl die Chri- sten zu verstehen.

Auf eine ähnliche Art drückt sich Mohammad in ei- ner andern Stelle aus:

23, 95. Sprich: »Herr, entweder lafs mich das erleben, was ihnen gedroht worden ist.

96. Herr, stelle mich daher nicht auf die Seite des ungerechten Volkes [welches vertilgt wird].

') Die Schlufsworte vieler Koränverse sind allgemeine Phra- sen, welche mit dem Sinne des Verses in keinem Zusammenhange stehen. Möglicher Weise bedeuten diese Worte: die Ungläubigen stehen im Zwiespalt mit Gott; ich glaube aber, dafs sie den Bd. I S. 471, Note, bezeichneten Sinn haben.

*) Ich lese layalam statt liyalam, welches keinen guten Sinn gibt.

3) Dies ist wahrscheinlich die älteste Stelle, in welcher die Stunde oder eine zeitliche Strafe gedroht wird.

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97. Es ist allerdings in unserer Macht, dicli erleben zu lassen, was w\t ihnen drohen,

98 allein, es ist besser, dafs du das Böse mit Gutem erwiderst [und nicht darauf bestehest, dafs wir sie jetzt schon bestrafen] ; wir wissen ganz wohl, was sie dir nach- sagen [und sie werden uns nicht entgehen]

99. und [damit du dich nicht wieder compromittirest] sprich: Herr, ich fliehe unter deinen Schutz vor den Ein- gebungen ^) der Satane

IGO. und ich flüchte mich unter deinen Schutz, auf dafs sie mir nicht zu Leibe kommen.

Es wird dem Leser nicht entgangen sein, dafs der erste der hier angeführten Verse unvollständig ist. Auf das »Entweder lafs mich erleben, was ihnen gedroht wor- den ist« folgt kein Oder ^). In einer andern Koränstelle kommt ein Oder vor, welchem kein Entweder vorausgeht: 17, 30. Oder entferne dich von ihnen nach der Barm- herzigkeit deines Herrn, welche du erwartest, strebend und sprich ein gelindes Wort zu ihnen.

Es wäre möglich, dafs dies der Nachsatz zu jenem Entweder ist, nur müfste man annehmen, dafs sich zwei \ eränderungen in den Text eingeschlichen haben und dafs es geheifsen habe: Entweder sprich: Lafs mich erleben, was ihnen gedroht worden ist, oder entferne dich von ih-

') Im Arab. Hamazät. Hamz bedeutet znsammendrücken, die Bedrückung, welche der Geisteskranke fühlt, veranlafste die Araber diese Zustände als einen von einem bösen Geist ausgeübten Druck oder Beschattung (wörtlich Bedeckung) anzusehen. Hamz alscbay- tän, Teufelsdruck, bedeutet daher geradezu Wahnsinn.

*) „Entweder" heilst im Arabischen immä, Ul; dieses Wort steht aber im Koran auch einige Mal für 'u«-öl, wo immer, wenn immer. Die Commentatoren behaupten, es stehe hier für Ui, wel- ches nach Soyüty „wenn", nach Andern „wahrlich" bedeutet. Im Kor. 20, 121 kann imma allerdings in dem Sinne von „wenn" aufge- fafst werden, aber in dieser Stelle müssen wir dem Sinne Zwang anthun, wenn wir diese Bedeutung hineinlegen wollen.

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nen und sprich ein folgenschweres Wort über

sie ^). Wir werden sehen, dafs Mohammad erklärte, dafs, so lano-e er in Makka weile, die Stadt nicht unteri^ehen könne, ferner hatten wir bereits Gelegenheit zu beobach- ten, dafs die früheren Strafgerichte nicht selten auf die Bitte der mifshandelten Gottesboten gesandt wurden. Vers 96: »Herr, stelle mich daher nicht auf die Seite des un- «•erechten V^olkes« wäre demnach eine fernere Erklärung der Worte »nach der Barmherzigkeit deines Herrn, wel- che du erwartest, strebend<f. Diese Stelle bedeutet näm- lich: Du erwartest dem allgemeinen Strafgerichte zu ent- gehen, mache dich dieser Barmherzisrkeit Gottes theilhaft, indem du dich entfernst.

Wie es mit diesen Conjecturen auch immerhin stehen mag, so viel scheint aus dem Context hervorzugehen, dafs der Nachsatz ebenfalls eine Drohung enthielt und dafs es nicht wie Kor. 40, 77. 43, 40. 7, 112 und 20, 60 hiefs »oder wir lassen dich früher sterben; jedenfalls müssen sie zu uns kommen«. Nach meiner Anschauung ist also der Sinn dieser Stelle: Wenn du Avillst, so bitte Gott, sie zu ver- tilgen und dich zu retten; und es soll geschehen. Es ist aber besser, wenn du dies nicht thust und dich von den Ungläubigen zurückziehst. Wir wären allerdings im Stande, sie zu vertilgen etc. Dieser Gegenstand wird an einem andern Orte weitläufiger zur Sprache kommen.

Nach dieser Erklärung wurde die vom Teufel ein- geflüsterte Aeufserung selbstverständlich gestrichen und an die Stelle der Worte »sie sind erhabene Gharänik, und man darf wahrlich ihre Fürsprache erwarten« eine Inspi- ration von entgegengesetzter Tendenz gesetzt:

53, 21. Wie, ihr solltet Söhne haben und Er (Allah) Töchter?

') wa kol alayhom kawlan mäthüran ^j^U statt wie es jetzt halfst : wa kol lahom kawlan maysüran.

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22. Das wäre eine ungleiche \ ertheilung! [Die Ge- burt eines Sohnes gilt nämhch bei den Arabern für ein Glück, die eines Mädchens für ein Unglück] ').

24. Soll der Mensch haben, was er wünscht (nämlich Söhne),

25. während doch Allah diese und jene Welt besitzt [und er soll dennoch nur Töchter haben?]

26. Wie viele Engel gibt es nicht in den Himmeln, und ihre Fürsprache ist nutzlos,

27. es sei denn, x\llah habe von vornherein die Für- sprache für Jemanden gebilligt, für wen es ihm gefällt.

28. Nur diejenigen, welche nicht an das Jenseits glau- ben, geben den Engeln (Götzen) Aveibliche Benennungen.

29. Sie sind ohne alle Kenntnifs hierüber und lassen sich blofs von Vermuthungen leiten, aber Vermuthungen vermögen Thatsachen gegenüber nichts.

30. Ziehe dich daher von jenen zurück, welche un- serer Lehre den Rücken kehrten und deren Streben sich auf das irdische Leben beschränkt.

31. Dies ist die Summe ihres Wissens. Tröste dich, dein Herr kennt diejenigen am besten, welche sich von seinem Wege verirren, und er kennt diejenigen am besten, welche sich leiten lassen.

32. Allah, welcher die Himmel und die Erde besitzt.

') Hier folgt ein Vers, dessen Hauptbestandtheil auch sonst noch zweimal im Koran (7, 69 u. 12, 4o) vorkommt, und hier, wohin er durch die zu grofse Aengstlichkeit der Sammler gekommen sein mag, die Verbindung unklar macht:

23. Dieses [Lät, d. h. die Göttin; 'Ozzä, d. h. die Erhabene, und Manäh, d. h. Fatum, Fortuna, vgl. das hebräische Meni, Jes. 65, :i] sind nur Namen, welche ihr und eure Väter [den Götzen] beilegtet. Allah hat euch für diese Benennungen durchaus keine Befugnifs ge- geben. Ihr folget darin nur Vermuthungen, und den Wünschen eurer Herzen. Es ist aber bereits eine Leitung von eurem Herrn ge- kommen.

30

Avird es denen, die Böses gethan, vergelten und auch die Guten mit Gutem belohnen ^).

Die Geschichte eines Propheten, welcher Eingebun- gen des Teufels für Offenbarungen ausgegeben und Viel- götterei gelehrt hatte, konnte Mohammad nicht auftreiben. Die Legende, welche am besten auf seinen Fall pafste, war wohl die des widerspenstigen Jonas. Er wurde in Gnaden aufgenommen, Aveil er einer der Gottprei- senden war (Kor. 37, 143) und dieses zu sein läfst sich Mohammad in einem Stück, welches wir später einschal- ten werden, ebenfalls von Gott auftragen. 37, 139. Und Jonas gehörte wahrUch auch zu den Gesandten.

140. [Es ist bekannt] wie er sich auf ein überfülltes Schiff flüchtete.

141. Die Leute an Bord warfen das Loos, und er war verloren.

142. Der Fisch verschlang ihn, und er war nicht frei von Tadel (Schuld),

143. und wenn er nicht einer der Gottpreisenden ge- wesen wäre,

144. so würde er bis zum Tag der Auferstehung in dem Bauch des Fisches gebUeben sein.

145. Wir Avarfen ihn an den Strand und er war krank.

146. Wir liefsen daher eine Kürbisstaude über ihn em- porwachsen

147. und sandten ihn als unsern Boten zu hundert Tausend und mehr Menschen.

' ) Hier folgt ein Vers, welchen ich für eine jener spätem (wohl madynischen) Einschaltungen halte, die durch die Fragen überängst- licher Moslime veranlafst wurden:

33. nämlich diejenigen, welche schwere Sünden und Ausgelassen- heiten vermeiden aufser Kleinigkeiten; denn dein Herr ist um- fassend im Vergeben, aber er kennt euch auch besser als ihr selbst; denn er hat euch ja aus der Erde hervorgebracht und aus dem Mut- terleib, in dem ihr verborgen läget; bildet euch daher nicht ein, dafs ihr rein seid, denn nur Er weifs, wer gottesfürchtig ist.

31

148. Sie bekehrten sich und [statt sie zu vertilgen, ^\'}e ihnen i^edroht worden war] gewährten wir ihnen den Gemifs des Lebens einige Zeit (d. h. bis zum natür- Hdien Tode).

149. Frag sie nun, ob dein Herr Töchter habe und sie Söhne?

150. oder ob sie zugegen waren, dafs sie behaupten können: wir haben die Engel als Mädchen erschaffen?

151. Ist es nicht eine reine Erfindung, wenn sie sagen: 1.52. Allah hat gezeugt; und sind sie nicht Lügner?

153. Wie, er hätte [in diesem Falle] Töchter und nicht Söhne gewählt?

154. Was ist euch? wie urtheilt ihr?

155. Denkt ihr denn gar nicht nach?

156. oder besitzet ihr vielleicht eine deutliche Aukto- rität [für eine solche Behauptung]?

157. Weiset euer Buch (Dokument), wenn dies der Fall ist!

158. Sie nehmen an, dafs zwischen ihm imd dem Ginngeschlecht eine Verwandtschaft bestehe. Dem Ginn- geschlecht ist es aber schon längst bekannt, dafs sie zu den Vorgeladenen (Verdammten) gehören.

159. Weit entfernt ist Allah von dem, was sie ihm nachsagen.

160. Eine Ausnahme machen [unter den Geistern] die treuen Diener Allah's (d. h. die Engel) [denn diese sagen:]

161. Ihr und eure Abgötter,

162. ihr werdet Niemanden [von uns] verführen [eure Anbetung anzunehmen],

163. als den, welcher schon mit einem Fufse in der Hölle ist;

164. denn jeder von uns hat seinen angewiesenen Posten,

165. Wir stehen ehrfurchtsvoll in Reihen

166. und singen das Lob Gottes,

32

Die Geschichte des Jonas besteht in blofsen Andeu- tungen und unterscheidet sich insofern wesentlich von der des Joseph in Süra 12, deren Kenntnifs er für einen Be- weis seiner Mission ausgibt und deshalb ziemlich voll- ständig darstellt. Sie gleicht vielmehr der Anspielung auf die Folkssage von der Armee des Elephanten und der Le- gende von den Märtyrern in der Feuergrube ( Band I S. 461). Die Andeutungen jedoch sind umfangsreich ge- nug für eine recht vollständige Erzählung, welche entwe- der als bekannt vorausgesetzt oder nebenbei mitgetheilt wurde. Dafs die Geschichte des Jonas den Makkanern bekannt, die des Joseph und Moses (Süra 20) aber unbe- kannt gewesen sein soll, ist nicht vorauszusetzen. Wenn sie Mohammad aber nebenher erzählte, so fragen Avir: warum hat er nicht, wie in den genannten Fällen, die ganze Mit- theilung als Offenbarung dargestellt? Ich glaube, dafs er sie von den Christen erhalten habe, und da diese nicht mit ihm im Complott standen, konnte er es nicht wagen, sie in extenso zu erzählen und als eine Offenbarung aus- zugeben. Es bestärkt mich in meinem Glauben die Form Yünos, Jonas. Es ist dies nicht die ursprüngliche hebräi- sche Yönäh, noch die im Syrischen erhaltene vulgäre Form, sondern die griechische mit sehr geringer, ja vielleicht ohne Modification; denn da die Vocale im Koran erst viel später gesetzt wurden, ist es möglich, dafs Mohammad Yunas (Junas) oder gar Yonas (Jonas) gesprochen habe.

Eine kurze aber wichtige Inspiration, welche in diese Zeit fällt, enthält die Grundlage der Theologie, die er von nun an lehrte. Er gibt darin eine Definition von Allah, welche nicht nur das Engel- und Ginngeschlecht, sondern auch Jesum von der Verwandtschaft mit Gott ausschliefst, indem Allah darin als ein Wesen sui generis dargestellt wird. Wenn Mohammad je Bedenken trug, »seinen Herrn« Allah zu nennen, weil ihn die Heiden als den Patriarchen der Ginn betrachteten, so mufsten sie nach dieser Defi-

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nition wegfallen, und er fängt auch an, »Allah« häufiger als »mein Herr« zu gebrauchen.

112, 1. Sprich: Er ist der Gott (Allah) einer (d. h. ein isolirter) ^),

2. [er ist] der in sich selbst abgeschlossene "^J Gott (Allah):

') Im Arabischen Ahad, wörtlich: irgend einer, aliquis, ullus. Die Commentatoren versichern uns, dafs es statt wähid, ein einzi- ger, stehe. Im Texte des Ihn Masüd stand auch wähid. Es be- deutete demnach: der alleinige. Ich glaube aber, dafs Ahäd in der gewöhnlichen Bedeutung aufzufassen sei und dafs Mohammad in der ganzen Süra nichts Anderes sagen wolle als: Allah ist ein Wesen sui generis (vergl. Kor. 42, 9). Dieses scheint auch die Auffassung des Obayy b. Kab [bei Baghawy, Tafs. 112] und des Ihn 'Abbäs [bei Thalaby, Tafs. 2, 158, von Kalby, von Abu ^älih, von Ihn 'Abbäs] gewesen zu sein. Beide behaupten nämlich, diese Süra sei auf das Verlangen der Korayschiten , über den Stammbaum des Herrn des Mohammad unterrichtet zu werden, geoffenbart worden. *) Im Arabischen ^amad, welches jetzt in der Bedeutung von ^ewig" vorkommt; diese jedoch scheint den ältesten Commentatoren unbekannt gewesen zu sein. Ihn 'Abbäs, Mogähid, Hasan und Sa'yd b. Gobayr sagen : Qaraad ist derjenige, der keine Höhlung (Bauch) hat. Scha'by sagt (wohl im Hinblick auf diese Definition, die er falsch aufgefafst hat): Qamad ist derjenige, der weder ifst, noch trinkt. Andere glauben, dafs die darauf folgenden zwei Verse eine Erklärung von ^amad seien; so fafst sie auch Abu Horayra in ei- ner Tradition bei Bochäry, S. 744, auf, und 'Obayy b. Kab soll ge- sagt haben: Qamad ist derjenige, welcher nicht gezeugt hat, noch gezeugt worden ist, denn wenn er gezeugt worden wäre, müfste er auch sterben. Abu "Wäyil, der Halbbruder des Ibn Salama, sagt, es bedeute einen vollkommen unabhängigen Herrn; so soll es auch Ibn 'Abbäs, dem 'Alyy b. Aby Talha zufolge, erklärt haben; auch Bochäry huldigt dieser Ansicht. Soddy sagt: Die ßedouinen gebrau- chen die Redensart: ^amadto fuläuan, ich habe mich an Jemanden gewendet. Qamad bedeutet also eine Person, an die man sich in seinen Bedürfnissen wendet und die man in seinen Bedrängnissen um Hülfe anruft. Katäda endhch erklärt, dafs es ewig bedeute; nach 'Ikrima bedeutet es: der Allerhöchste; dies soll auch die Er- klärung des Alyy gewesen sein.

II. 3

34

J. er hat niclit j^ezeugt und ist nicht gezeugt worden,

4. und nie hat es ein ihm verwandtes Wesen «je- geben.

Auch folgende Offenbarung ist im Geiste jener Pe- riode:

109, 1. Sprich: 0 Ungläubige!

■2. Ich bete nicht an, was ihr anbetet

3. und ihr wollt nicht anbeten, was ich anbete,

4. noch will ich anbeten, was ihr anbetet,

Da Qamad schon von Katäda durch ewig erklärt wird, und dies jetzt die einzige Bedeutung ist, welche das Wort hat, so ist anzu- nehmen, dafs sie durch das Sprachbewufstsein des Volkes gebildet worden; wir müssen uns also daran halten, obwohl sie dem Mo- hammad nicht bekannt war, und in der durch die genannten Auk- toritäten angezeigten Richtung zurückzugehen. Die nächste Stufe ist: der Unveränderliche, aber dies ist ein negativer Begriff und würde auch im Arabischen durch ein Negativum ausgedrückt wor- den sein; es ist auch eine Abstraction, unsere Führer aber leiten uns zu einer sinnlich wahrnehmbaren Grundvorstellung. Wir haben ge- sehen, dafs den meisten Commentatoren „derjenige, welcher nicht hohl (sondern massiv solid) ist" als Grundbedeutung vorschwebte. Camda heifst ein in dem Boden festsitzendes Felsenstück, und die- ses ist das sinnliche Vorbild der Grundeigenschaft des Gottes des Mohammad; er zeugt nicht, hat keinen Organismus, vergeht und verändert sich nicht, sondern ist solid (und dauerhaft), in sich abgeschlossen und geschlechtslos. Diese Idee wird von Balrnüs, welcher Gott als das Fard, Einzelstehende, bezeichnet, deutlicher ausgesprochen (vgl. Note zu S. 61 Bd. I, siehe auch Scharh alma- wäkif S. 1 65). Die Sage schreibt den Aditen eine Gottheit zu, wel- che Caniüd hiefs. In der Bibel, z.B. Deut. 32, 3i, wird Gott mit einem Fels verglichen und, wenn auch in einem andern Sinne, so ist zu bedenken, dafs das Wort in der Theologie stets von gröfse- rer Wichtigkeit und Zähigkeit war als die Bedeutung; wir finden also schon vor Mohammad Elemente für diese Benennung.

Dieses kühne Epithet hat den stumpfsinnigen Feinden des Is- lams schon früh Veranlassung zu Bemerkungen gegeben. Euthy- mius Zigabenus sagt: '0X6aq)VQ0v X^'ysi rov &f6r, ijtoi öqaiQixov. TovTo 8s TO ox>j[4.(c acüfiarog iazi, xai ocöfia iftcpairsi, coaneQ ör/ xai tb Tzvxvbv xai nsnilrintrov ; aq.aiQa df vXr/.Tj xar' avrov 6 v^coffl (iv srs axsGSTai ütü oxptrai.

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5. wie ihr nicht anbolt'n wollt, was ich anbete.

ß. Ihr habt eure Religion und ich habe meine Re- ligion *).

Folgende OlTenbarung aus dieser Periode gewährt uns einen I51ick in das Innere des Propheten und zeigt ihn uns in einem günstigen Lichte:

76, 23. Wahllich, wir haben den Koran auf dich all- mählig herabgesandt,

24. daher [trage kein Bedenken, sondern] gedulde dich, bis der Befehl deines Herrn ergeht, und gehorche weder einem Sünder noch einem Ungläubigen unter dei- nen Widersachern

') Nach Kalby ist folgende Stelle zugleich mit Süra 112 geof- fenbart worden; dem Inhalt nach zu urtheilen, ist sie etwas jünger. Es wird darin der Rahmän gepredigt:

2, 153. Eure Götter sind Ein Gott; es gibt keinen Gott aufser ihm, er ist der milde ivahmän.

159. Wahrlich, im Baue der Himmel und der Erde, und in der Aufeinanderfolge von Tag und Nacht, und im SchiflFe, welches auf dem Meere dahinschwimmt, beladen mit für die Menschen nützli- chen Dingen, und in dem Wasser, welches Gott vom Himmel herab- sendet, womit er die Erde wiederbelebt, nachdem sie erstorben, und alle möglichen Gattungen von Thieren erfrischet, und in der Bewe- gung der Winde und Wolken, welche zwischen Himmel und Erde [für die Menschen] Dienste thun, sind Zeichen [welche die Einheit Gottes beweisen] für vernünftige Menschen.

160. Es gibt Menschen, welche Wesen aufser Allah ihm gleich- stellen und sie ebenso lieben wie Allah. Die Gläubigen aber lieben Allah am meisten. Wenn die Ungerechten die Einsicht hätten, wel- che sie beim Anblick des Strafgerichtes haben werden, würden sie überzeugt sein, dafs die Macht ungetheilt in der Hand Allah's liegt und dafs Allah iieftig im Strafen ist.

161. Wenn die Einflufsübenden sich von den Beeinflufsten los- gesagt haben, und diese das Strafgericht erblicken und alle Bande zerrissen sind,

162. werden die Beeinflufsten sagen : Stände uns doch die Rück- kehr oifen, wir würden uns von ihnen lossagen, wie sie sich jetzt von uns lossagen. Auf diese Art wird ihnen Allah ihre Werke zu ihrer Verzweiflung anschaulich machen. Sie werden nie aus dem Höllenfeuer befreit werden.

3*

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if». uml vorrichte «las Ozikr deines Herrn Morgens und Abends

26. und auch iS^achts; und wirf dich auf's Angesicht ihm zu Ehren und verrichte das Subhän lange Zeit wäh- rend der Nacht.

27. Jene lieben das Vergängliche und lassen einen schweren Tag unbekümmert hinter sich (d. h. wenden sich vom Gedanken daran weg).

28. Wir sind es, die sie erschaffen und kräftig ge- macht haben, und Avenn wir wollten, würden wir ihren Typus ändern (d. h. sie in Schweine verwandeln).

29. Diese Offenbarungen sind eine Erinnerung, und wer will, schlage einen zu seinem Herrn führenden Weg ein.

.30. Aber ihr könnet nicht wollen, es sei denn, dafs es Allah will, denn Allah ist wissend und weise.

31. Er führt, wen er will, in seine Gnade ein, für die Ungerechten aber hat er eine peinliche Strafe bereitet.

Auch in einer andern Koränstelle trägt Gott dem Pro- pheten auf, nicht jenem »Sünder (Athym)« zu folgen^):

68, 7. Wahrlich, dein Herr weifs am besten, wer sich von seinem Pfade verirrt hat, und er kennt auch die Ge- leiteten am besten.

8. Folge daher [da dein Herr aus dir spricht] nicht den Läugnern [deiner Inspiration].

9. Sie wünschen, dafs du einlenkest, dann würden auch sie einlenken.

10. x\ber folge nicht jenem Betheurer und Stümpfer,

') Es ist nicht leicht zu bestimmen, wer „jener Athym" sei. Wenn in allen Koränstellen, wo er genannt wird, dieselbe Person zu verstehen ist, so dürfte Omayya b. Aby-1-Qalt gemeint sein ; denn nach der Tradition trieben böse Geister ihr Spiel mit ihm, und nach Koran 26, 222 war jener Athym in derselben Lage. Die Exegeten nennen bei solchen Gelegenheiten gern den Walyd b. Moghyra; es könnte aber, wenn es nicht Omayya ist, auch Abu Sofyän ge- meint sein.

'

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11. liinterlistigen Verleumder und parteij^äiigerisclien Scliimpfer,

12. Hemmschuh des Guten'), Widersacher, Sünder und V^erunglimj)rer,

13. (Jewalttliätigen und von der Natur Gezeichneten^),

14. blofs weil er Reichthum besitzt und viele Söhne.

15. Wenn ihm unsere Zeichen vorgelesen werden, sagt er: Dies sind die Asätyr der Alten,

16. wir werden ihn bald auf seinen Riesel zeichnen. Mohammad schleudert auch eine Stelle^) gegen »den

Hemmschuh des Guten« und beschuldigt ihn, dafs er die Vielgötterei (wohl unter der Voraussetzung, dafs die Ginn Engel seien) vertheidige ^):

50, 18. lind der Taumel des Todes hat dir die Wirk- lichkeit (die Erfüllung des gedrohten Strafgerichtes) ge- bracht — dies ist es, was dir schwer im Sinne lag

') Nach einigen bedeutet es geizig, haushälterisch.

*) Die zahlreichen Bedeutungen, welche die Lexicographen von zanym angeben, verdanken ihren Ursprung vi^ohl nur dieser Stelle. Ibn 'Abbäs soll gesagt haben, der hier Beschriebene wäre nicht kenntlich ohne dieses Epithet, er hatte nämlich einen Auswuchs (Za- nama) am Nacken. Zannam heifst überhaupt: ein Thier zeichnen, z. B. dadurch, dafs man ihm die Ohren aufschlitzt. Ich glaube also, dafs der Beschriebene einen Naturfehler hatte und dafs ihm deswe- gen gedroht wird, er werde am Riesel gezeichnet werden.

^) Nach Thalaby 50, 25. 26 beziehen einige Exegeten diese Stelle auf Walyd b. Moghyra. Die meisten andern Comraentatoren beziehen sie nicht auf ein Individuum. Es mag sie „kull", wörtlich : jeder, dazu verleitet haben, ihr eine allgemeine Anwendung zu ge- ben. Dieses Wort hat aber nicht nur in andern Schmähstellen des Korans (z. B. 68, lo. 31, 17. 26, 222), sondern auch in der Tradition die Bedeutung: jener, solcher, z. B. in den Worten, welche Moham- mad an Soräka b. Mo'tamer richtete: .Läj ,L«s> JS it>Ac ^J^UJi iA.üi Äilww 'i\jMJ^\ J. v-jLi=^oo ^der feindseligste unter allen Menschen ist jener Seh kerl, Mistfink und Gassenbub Soräka."

*) Dieser Stelle geht eine Vertheidigung der Auferstehungs- lehre voraus. Wahrscheinlich wurde das Anathem gegen jenen

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19. uikI es ist in die Posaune gestofsen worden dies ist der «jjedrolite Tag,

2(1. und es sind «He Seelen gekommen und mit jeder ein Dränger und einer, der Zeugnifs sag.

21. Du lebtest darüber .unbekümmert, wir haben dir

„Hemmschuh des Guten" durch seine Angriffe auf diese Lehre her- vorgerufen : 50, 1. Käf. Beim glorreichen Koran!

2. Sie sind wohl gar erstaunt, dafs ein Warner aus ihrer Mitte zu ihnen gekommen ist, und die Ungläubigen sagen: Es ist son- derbar !

3. Wie, nachdem wnr gestorben und zu Staub geworden sind [sollen wir auferstehen] ! Dies wäre ein wunderbares Zurückbringen !

4. Wir wissen, welche von ihnen die Erde verschlungen hat, denn es ist ein sorgfältig bewahrtes Buch bei Uns.

5. Ja, sie haben die Wahrheit verläugnet, als sie zu ihnen kam, und befinden sich deshalb in einer verzweifelten Lage.

6. Blicken sie denn nicht zum Firmament empor und sehen, wie wir es gemacht und geschmückt haben und dafs es ohne Risse ist,

7. und blicken sie nicht auf die Erde? Wir haben sie ausge- spannt und Berge darin gesetzt und alle erdenklichen lebensvolle Paare wachsen lassen,

8. um fromme Knechte Gottes aufmerksam und nachdenklich zu machen.

9. Auch haben wir vom Himmel gesegnetes Wasser herabge- sandt und dadurch hervorwachsen lassen Gärten und Getreide zur Ernte

10. und hohe Palmen, beladen mit üpgiger Frucht

11. zur Nahrung für [unsere] Knechte, und wir haben damit eine erstorbene Landschaft belebt. So geschieht die Auferweckung [der Todten].

u. War etwa die erste Schöpfung schwierig für uns? Den- noch ist ihnen eine neue Schöpfung (die Auferstehung) unbegreifli(^h.

15. Wir haben den Menschen erschaffen und wissen, was ihm seine Seele einflüstert; wir sind seinem Herzen näher als seine grofse Schlagader.

ifi. Die zwei Aufpasser passen nämlich auf, einer zur Rechten und einer zur Linken,

17. und der Mensch spricht nicht ein Wort, ohne dafs ein auf- merksamer Wächter bei ihm wäre.

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aber den Staar gestochen. Nicht wahr, jetzt ist dein Ge- sicht scharf, und du hast Tag.

22. lind sein Gespann (der ihn bewachende Engel) sagte: Das ist es, was bei mir über ihn vorlag.

23. [Kine Stimme erschallte:] werfet in die Hölle je- nen widersetzlichen Erzfrevler ohne Zag',

24. jenen Hemmschuh des Guten, ZAveifler und Un- gerechten, dem daran lag,

25. neben Allah andere Götter anzuerkennen. Sie (der Dränger und Zeuge) stürzten ihn auch in die hef- tige Pein.

26. Sein Gespann sagte: Herr, ich habe ihn nicht ver- leitet, er war selbst auf weitem Irrwege.

27. Gott sprach: Rechtet nicht vor mir; ich habe die Drohung voraussrehen lassen.

28. Mein Wort ist unabänderlich, und ich bin nicht grausam gegen meine Knechte.

Die weltlichen Rücksichten der Korayschiten , wel- chen er nachgegeben hatte, verwirft er in einer Offenba- rung, die wohl viel spätem Datums sein mag:

28, 57. Sie sagten : Wenn wir mit dir der Leitung fol- gen, so werden wir aus unserm Lande vertrieben. Ha- ben wir ihnen nicht eine geheiligte, sichere Stätte zur Woh- nung angewiesen, in welche, auf unsere Fügung, Früchte jeder Art eingeführt werden? Den Meisten mangelt es an Einsicht.

58. Wie viele Städte haben wir nicht, weil sie un- dankbar waren, zerstört, obschon sie im üebenflufs schwelg- ten. Dort stehen ihre Wohnungen, nach ihnen lebten nur wenige darin, denn wir (Gott) sind die Erben.

59. Dein Herr hat noch nie Landschaften vertilgt, ehe er in den Hauptort einen Boten gesandt hatte, der den Bewohnern unsere Zeichen vorlese, noch haben wir je Landschalten zerstört, aufser wenn die Einwohner gottlos waren.

60. Euer Besitz ist nur Tand und Luxus des Erden-

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lebeiis, die Güter bei Allah sind besser und dauerhafter. Sehet ihr das nicht ein?

61. Ist wohl der, welchem wir eine schöne Verhei- fsung gemacht haben und der er auch entgegengeht, mit dem zu vergleichen, welchem wir irdische Genüsse be- scheert haben der sich aber am Tage der Auferste- hung unter den Vorgeladenen befinden wird?^)

') Nach Soddy ist der Gerechte 'Ammär (siehe Bd. I S. 447) und der Reiche Walyd b. Moghyra.

Anhang zum achten Kapitel.

I. Die Flucht nach Abessynien').

Die Nachrichten systematischer Biographen über diesen Gegen- stand hat am klarsten Ibn Sayyid alnäs S. 14 zusammengestellt. Er sagt: „Es gibt zwei Auswanderungen nach Abessynien; das erste Mal flüchteten sich 12 Männer und 4 Frauen. Dann kehrten sie auf die Nachricht hin, dafs sich die Heiden nach Vorlesung der Süra 53 prosternirt haben, nach Makka zurück, wo sie noch stärker verfolgt wurden als früher. Sie flohen daher das zweite Mal, und es nah- men 83 Männer vorausgesetzt dafs Ammär unter ihnen war, denn die Tradition in Bezug auf ihn ist nicht ohne Widersprüche und 18 Frauen Theil, nämlich 1 1 Korayschitinnen und sieben fremde. Die Korayschiten schickten zwei Mal eine Gesandschaft an den Nagä- schy, nämlich nach der ersten Flucht der Moslime nach Abessynien und wieder nach der Schlacht bei Badr. Amr b. 'A9 war beide Mal einer der Gesandten, das erste Mal war 'Omära b. Walyd sein Col- lege und das zweite Mal 'Abd Allah b. Aby Raby'a." Im Madärig alnobüwa ed. Dilly Bd. 1 S. 64 wird die zweite wie die erste Flucht dieser AuflFassung gemäfs unter dem Jahre 5 der Sendung erzählt. Die Chronologie und die ganze Auffassung ist falsch und, wie wir weiter unten sehen werden, ist der Irrthum durch Wäkidy veran-

') In diesem Excursus mufs Mehreres, was erst im zehnten Kapitel be- sprochen werden kann, als bekannt vorausgesetzt werden, und hätte es sicli nicht darum gehandelt, die Dokumente bezüglich des Kiickfalles des Mohammad zum Polytheismus hier einzuschalten, würde ich den ganzen Excursus in den Anhang zum zehnten Kapitel verlegt haben; die beiden Abhandlungen lassen sich näm- lich nicht wohl trennen.

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lafst worden. Ich theile die vorzüglichsten Dokumente über diesen Gegenstand mit:

1. Bochäry, S. 546, theilt unter der Aufschrift „Flucht nach Abessynien " nur eine Tradition mit und selbst in dieser wird die Flucht nur im Vorbeigehen erwähnt. Vielleicht dürfen wir daraus den Schlufs ziehen, dafs er keine andere fand, welche nach seinem Canon gesund (d. i. authentisch) war. In dieser Tradition wird dem 'Othmän das Verdienst zugesprochen, sich an den zwei ersten Aus- wanderungen betheiligt zu haben. Der Commentator bemerkt dazu, „nämlich an der Flucht nach Abessynien und Madyna". Seine Be- hauptung wird dadurch bestätigt, dafs er sich auch wirklich mit dem Propheten nach Madyna flüchtete und dafs es bei Bochäry, S. 522, wo diese Tradition ebenfalls vorkommt, statt „an den zwei ersten Auswanderungen" heifst: „an beiden Auswanderungen". Dieser Version zufolge unterschied man ursprünglich nur zwischen dem Exodus nach Abessynien und Madyna, nicht aber zwischen zwei abessynischen Auswanderungen, denn sonst hätte man dem 'Oth- män das Verdienst von drei Auswanderungen zusprechen müssen.

2. Fortsetzung des Briefes des 'Orwa (von Bd. I S. 356): „Einige von ihnen liefsen sich zum Abfall bewegen, andere

stärkte Gott, und sie blieben treu. Unter diesen Verhältnissen be- fahl ihnen der Prophet, nach Abessynien auszuwandern. Dort re- gierte ein frommer König, der den Titel Nagäschy führte. Nie- mandem geschieht dort Unrecht. Abessynien war ein vortheilhafter Handelsplatz für die Korayschiten , wo sie vollkommene Sicherheit genossen. Der Prophet rieth daher seinen Anhängern, dahin aus- zuwandern, denn sie hatten in Makka viel zu dulden, und er fürch- tete, dafs sie abtrünnig werden würden. Die Meisten folgten sei- nem Befehl. Er selbst wanderte nicht aus. So blieben die Ver- hältnisse einige Jahre; die Korayschiten bedrückten die Gläubigen sehr hart, aber der Islam verbreitete sich und einige vornehme Ko- rayschiten bekannten sich dazu."

3. Ibn Sa d, fol. 38, von Wäkidy, von Hischäm b. Sa d (f 160), von Zohry:

„Als sich die Zahl der Moslime vermehrte, sie ihren Glauben öffentlich bekannten und darüber sprachen, wurden viele von den ungläubigen heidnischen Korayschiten über diejenigen von ihren Fa- milien erbittert, welche den Glauben angenommen hatten, und sie quälten sie und sperrten sie ein, um sie von ihrer Religion abtrün-l nig zu machen. Der Prophet sagte daher zu ihnen: Es ist aiu| besten, wenn ihr die Heiraath verläfst. Sie antworteten: Wo sch- ien wir hingehen? Er deutete nach Abessynien, denn es war ihnt|| am liebsten, dafs sie sich dorthin flüchteten. Es wanderte dahei

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eine Anzahl von den Moslimen dorthin, einige mit ihren Familien und andere allein."

Diese Tradition des Zohry steht auch im Oyün alathar, S. 19, mit anderer Isnad, nämlich: "Abd al-Razzäk (f 211, 85 Jahre alt), von Ma'mar b. Raschid, von Zohry (f 125). Wir können also ge- trost annehmen, dal's sie Zohry lehrte. In dieser Quelle findet sich aber ein Zusatz, welcher, wenn auch zum Theil, doch gewifs nicht ganz von Zohry herrührt. Er lautet: „Der erste, der sich dahin flüchtete, war'Othmän b. Affän mit seiner Frau Rokayya, einer Toch- ter des Propheten. Andere behaupten, der erste Flüchtling nach Abessynien sei Hatib b. Amr gewesen, andere meinen Salyt b. Amr und Abu Hodzayfa, welcher sich vor seinem Vater des Glaubens wegen flüchtete. Es begleitete ihn seine Frau Sahla, welche ihren Glauben vor ihrem Vater verläugnet hatte und nun vor ihm floh. Sie gebar in Abessynien einen Sohn, der den Namen Mohammad erhielt'). Es flohen auch Mo^'ab 'Abd al-Rahmän b. 'Awf, Abu Salama mit seiner Frau, 'Othmän b. Matzün, 'Amir b. Raby'a mit seiner Frau Layla, Abu Sabra mit seiner Frau 0mm Kolthüm bint Sohayl b. 'Amr (diese wird von Ihn Ishäk nicht genannt, mit Ein- schlufs derselben haben sich fünf Frauen geflüchtet), Sohayl b. Bay- dhä und 'Abd Allah b. Mas'üd. Sie verliefsen Makka einzeln, ei- nige zu Fufs, andere auf Kameelen; bei Scho'ayba trafen sie sich, wo sie zwei Handelsschiffe fanden, die sie um einen halben Dynar an Bord nahmen. Ihre Flucht fand im Ragab des Jahres 5 der Mis- sion (616) statt. Die Korayschiten verfolgten sie bis an's Meer, fanden aber, als sie daselbst ankamen , dafs sie sich schon einge- schiff't hatten. Dann verliefsen Makka: Ga'far [hier folgt die Liste des Ihn Ishäk von 83 Männern]."

In der Icäba, Bd. 1 S. 836, sagt Zohry, nach dem Berichte des Yak üb b. Sofyan, auf die Auktorität des Sa'yd b. Mosayyib: An der ersten Flucht nach Abessynien betheiligten sich Ga'far mit sei- ner Frau Asmä , 'Othmän b. Affän mit seiner Frau Rokayya und Chälid b. Sa'yd mit seiner Frau.

Ich glaube, dafs das Wort „ersten" vor „Flucht" eingeschoben sei, denn wenn sich die spätem Quellen auf die Auktorität des Zohry hätten berufen können, dafür, dafs Ga'far und Chälid unter den ersten Flüchtlingen gewesen sind, so hätten sie deren Namen in ihren Listen gewifs nicht ausgelassen, sie erscheinen aber weder bei

') Hier, glaube ich, eudet die Tradition des Zolny; was folgt, ist aus :in- dern Quellen zur Ergänzung hinzugefügt. Dafs die Tradition bis hieber von Zobrj' sei, wird in der l9äba, Bd. 1 S. 616, bestätigt.

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Ibn Ishäk noch bei Ihn Sa'd unter den frühsten 15 oder 16 Flücht- lingen ').

4. Wir wollen nun die Ansicht des Ibn Ishäk über die Aus- wanderung nach Abessynien berücksichtigen. Tabary, S. 128, sagt:

Die Angaben über die Anzahl der Flüchtlinge nach Abessy- nien, die an dieser Flucht, welche die erste ist, Theil nahmen, sind verschieden. Einige sagen, es waren derer elf Männer und vier Frauen.

Darauf theilt er die unter 5 und 6 erwähnten Traditionen des Ibn Sa'd mit. Dann fährt er S. 129 fort:

„Andere setzen die Zahl der Moslime, welche sich nach Abes- synien begaben, ausschliefslich der kleinen Kinder und derjenigen die dort geboren wurden, auf 82 an, vorausgesetzt dafs 'Ammär b. Yäsir unter ihnen war, denn über ihn waltet einiger Zweifel ob. Ibn Homayd, von Salama, von Ibn Ishäk*) erzählte mir: Als der Prophet sah, wie grofse Drangsale die Gläubigen befielen, rieth er ihnen, nach Abessynien auszuwandern. Auf seinen Rath begaben sich diejenigen Moslime, welche sich dem Propheten angeschlossen hatten, nach Abessynien; sie thaten diesen Schritt aus Furcht vor Versuchung [zum Abfall] und um sich mit ihrer Religion zu Gott zu flüchten. Dies war die erste Auswanderung, welche im Islam stattfand. Die ersten, welche auswanderten, waren*):

1) 'Othmän b. 'Affän.

2) Seine Frau Rokayya.

3) Abu Hodzayfa b. Otba b. Rabya [welcher sich vor seinem Vater flüchtete].

4) Seine Frau Sahla, eine Tochter des Sohayl b. 'Amr, welche ihres Glaubens wegen von ihrem Vater davonlief und in Abessynien einen Sohn Namens Mohammad gebar.

5) Zobayr b. 'Awwäm b. Chowaylid b. Asad.

6) Mo9'ab b. 'Omayr b. Häschim.

7) 'Abd al-Rahmän b. 'Awf Zohry.

8) Abu Salama b. 'Abd al-Asad.

9) Seine Frau 0mm Salama, die Tochter des Abu Oraayya b. al-Moghyra.

10) 'Othmän b. Matz'ün.

11) 'Amir b. Rabya 'Anezy (d.h. vom Stamme 'Aneza b. Asad

') Möglich wäre, dafs nicht „erste" sondern „nach AbessjTiien" eingescho- ben ist und dafs, wie wir zur Tradition des Bochärv bemerkten, die Auswande- rung, welche vom Jahi-e 616 bis 622 nach Abessj-nien stattfand, im Uiitersclüed zur Flucht nach Madyna auch in dieser Tradition als die erste Flucht bezeiclinet wurde.

2) Vergl. Text des Ibn Ishäk S. 208.

*) Ich ergänze diese Liste aus Ibn Ishäk.

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b. Raby'a, nach andern vom Stamme Anz b. Wäyil), ein Verbün- deter der Banü Adyy b. Ka'b.

12) Seine Frau Laylä, eine Tochter des Abu Hathma Ho- dzäfa b. Ghanim, von den Banü Adyy.

13) Abu Sabra b. Aby Rohm b. 'Abd al- Ozzä 'Amiry. Nach andern war es Abu Hätib b. 'Amr b.'Abd Schams b. 'Abd Wodd, ein Bruder des Sohayl b. 'Amr oder Solayt b. 'Amr, welcher aus- wanderte, und einige behaupten, dafs er der erste war, welcher nach Abessynien ging.

14) Sohayl b. Baydhä von den Balhärith b. Fihr.

Ihn Ishäk zählt also zehn Männer [mit Ausschlufs der Frauen] auf, dann fährt er fort: Diese zehn sind meinen Nachrichten zu- folge die ersten Moslirae, welche ihre Heimath verliefsen und sich nach Abessynien begaben. Dann wanderte Ga far b. Aby Tälib aus, und es folgten ihm die Moslime, welche sich in Abessynien ver- sammelten. Einige von ihnen hatten ihre Familie mit sich, andere waren allein ohne dieselbe. Darauf zählt er die zweiundachtzig Männer auf, mit Einschlufs der zehn bereits genannten. Er zählt auch die Frauen und Kinder auf, welche sie begleiteten, und dieje- nigen, welche in Abessynien geboren wurden."

Diese Liste hat Tabary nicht abgeschrieben, er stellt aber diese Angabe des Ihn Ishäk der des Ibn Sa'd, No. 6, gegenüber und sagt, dafs dieser nur sechzehn Auswanderer erwähne. Nach Tabary's Auffassung haben also alle 83 Männer, welche Ibn Ishäk aufzählt, schon vor der Vorlesung von Süra 53 und der Bekehrung Omar's die Flucht ergriffen. Die Liste dieser Leute nach Ibn Ishäk; findet weiter unten einen Platz.

Ibn Ishäk, bei Tabary S. 140 (Ibn Hischäm hat diese Tradi- tion ausgelassen, Tabary benutzte den Text des Salama b. Fadhl, der im Uebrigen mit dem des Ibn Hischäm übereinstimmt), von Yazyd b. Ziyäd Madany, von Mohammad b. Ka'b Koratzy (geboren im Jahre 40, f 120) '):

„Als der Prophet sah, dafs sich sein Volk von ihm abwandte, schmerzte es ihn, dafs es sich von der Offenbarung, die er ihm von Gott brachte, entfernte. Er hegte den Wunsch, dafs ihm Gott eine Offenbarung schicke, welche eine Aussöhnung zwischen ihm und seinem Volke herbeiführen könnte. Da er sein Volk liebte und es zu gewinnen wünschte, so war ihm daran gelegen, dafs seine Stel- lung zu ihm weniger peinlich sein sollte. Während er von solchen Gedanken, Wünschen und Hoffnungen beseelt war, offenbarte ihm

'") Der Text ist im Jouru. As. Suc. Beng. 18.50 No. 2 abgedruckt. Ein Theil dieser Tradition tindet sich auch bei Baghawj', Tafs. 22,51, auf die Auk- torität des Mohammad b. Ka'b Koratzy, des Ibn 'Abbäs „und anderer Exegeten".

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Gott die (53ste) Sura: „Bei den Plojaden, wie sie untergingen, euer Landsmann ist weder verirrt noch verwirrt." Und als er zu den Wor- ten kam: „Seht ihr die Lät und die 'Ozzä und die Manäh, die dritte Gottheit", legte ihm der Teufel Worte auf die Zunge, die dem ent- sprachen, was er bei sich selbst überdacht und gewünscht hatte, nämlich: „Diese erhabenen Gharänyk wahrlich, man darf ihre Fürsprache erwarten!" Als die Korayschiten dies hörten, freuten sie sich darüber und es gefiel ihnen, dafs er ihre Götter so ehren- voll erwähnt habe, und sie hörten ihm zu. Die Moslime nahmen die Oflfenbarung, die ihnen ihr Prophet verkündete, an, ohne zu ver- muthen, dafs er sich geirrt habe, und als er zum [letzten] Vers der Süra kam, in dem es heifst: „fallet nieder!" und die Süra vollendet hatte, warf er sich selbst auf die Erde nieder, und die Rechtgläu- bigen folgten seinem Beispiele, um damit auszudrücken, dafs sie die Oflfenbarung, die er soeben verkündet hatte, glaubten und ihm folg- ten. Auch die Heiden unter den Korayschiten und auch andere, welche zugegen waren, fielen nieder, weil er ihre Götter auf diese Weise erwähnt hatte. Es war weder ein Gläubiger noch ein Heide in dem Tempel, der sich nicht auf die Erde warf, aufser Wa- 1yd b. MoghjTa. Da er ein alter Mann war, so nahm er eine Hand voll Sand auf und neigte seine Stirn darauf. Die Leute gingen nach Hause, und die Korayschiten freuten sich, dafs er ihrer Götter er- wähnt hatte und sagten: Mohammad hat unsere Götter auf die eh- renvollste Weise erwähnt, er hat in dem, was er vorlas, gesagt, dafs sie die erhabenen Gharänyk seien und dafs ihre Fürsprache erspriefs- lich sei. Es wurde den Ausgewanderten in Abessynien bekannt, dafs sich die Makkauer prosternirt und es hiefs auch, dafs sie sich bekehrt hätten. Einige verliefsen Abessynien und andere blieben. Unterdessen kam Gabriel zum Propheten und sagte zu ihm: Was hast du gethan, Mohammad! Du hast den Leuten etwas vorgele- sen, was ich dir von Gott nicht überbracht habe. Der Prophet war sehr betrübt über diesen Vorfall und fürchtete, dafs Gott ihn stra- fen würde. Gott sandte ihm daher eine Offenbarung (Süra 17, 75 flf.), in der er sich seiner erbarmt, ihm die Sache leicht macht und ihn mit der Versicherung tröstet, dafs es keinen Propheten vor ihm ge- geben, dem, wenn er Wünsche hegte wie er, der Teufel nicht dem Wunsche entsprechende Worte eingeflüstert hätte. Gott hob die von dem Teufel eingeflüsterten Worte auf und bestätigte die ächten Verse. Auf diese Art befreite er ihn von seiner Traurigkeit und Furcht. An die Stelle der Worte: „Diese erhabenen Ghai-änyk wahrlich, man darf ihre Fürsprache erwarten" setzte Gott die Worte: „Wie, ihr sollt Söhne haben und Allah Töchter! Das wäre eine verkehrte Eintheilung. Wie viel Engel sind im Himmel, und doch

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hilft ihre Fürsprache nichts, aufser wenn's Allah zugibt." Er will damit sagen: wie kann die Fürsprache eurer Götzen angenommen werden? Als die Korayschiten hörten, dafs Gott die Worte des Teufels aufgehoben habe, sagten sie: Mohammad hat es bereut, sich über die Stellung unserer Götter bei Allah ausgesprochen zu haben. Er hat seine Ansicht geändert und andere Worte an ihre Stelle ge- setzt. Die zwei Worte, die der Teufel dem Propheten eingegeben hatte, waren im Munde aller Heiden; sie machten das Uebel noch schlimmer und vermehrten die Verfolgungen, denen seine Anhänger ausgesetzt waren. Die Rechtgläubigen, welche Abessynien verlas- sen hatten auf das Gerücht, dafs sich die Korayschiten mit Moham- mad prosternirten, kamen bis in die Nähe von Makka. Als sie da- selbst erfuhren, wie die Sache stehe, wagten sie es nur heimlich oder unter dem Schutze eines Freundes in die Stadt zu gehen. Un- ter denen von ihnen, welche in die Stadt hineingingen und daselbst blieben, bis der Prophet nach Madyna floh und mit ihm bei Badr fochten, waren: 'Othmän b. Affän mit seiner Frau Rokayya, Abu Hodzayfa mit seiner Frau und viele andere , in Allem dreiund- dreifsig Männer."

Im Texte des Ihn Hischäm S. 241 finden wir die Fortsetzung dieser Tradition und den letzten Satz etwas ausführlicher als bei Tabary :

„Einige von denen, welche zurückkamen, blieben in Makka bis zur Flucht nach Madyna und fochten bei Badr und Ohod; andere wurden in Makka festgehalten ') und versäumten die Schlacht von Badr und andere Treffen, und andere starben in Makka. Unter diese gehören:

1) 'Othmän b. 'Aflfän [siehe No. 2 der Liste im Anhange zum zehnten Kapitel], seine Frau Rokayya.

2) Abu Hodzayfa (No. 9), seine Frau Sahla.

3) 'Abd Allah b. Gahsch (No. 5).

4) 'Otba b. Ghazwäu'(No. 11).

5) Zobayr (No. 12).

6) Mo^.'ab (No. 17).

7) Sowaybit (No. 18).

8) Tolayb (No. 16).

9) 'Abd al-Rahmän b. 'Awf (No. 22).

10) Mikdad (No. 27).

11) 'Abd Allah b. Masüd (No. 25).

12) Abu Salama (No. 30), seine Frau 0mm Salama.

') In Bezug auf die Meisten ist dies ein Euphemismus für „sie wurden abtrünnig".

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13) Schammfis (No. 31).

14) Salania b. Hischäm (No. 35), sein Onkel hielt ihn in Makka zurück und er kam erst nach den Schlachten von Badr, Ohod und Chandak nach Madyna.

15) 'Ayyäsch (No. 36); er floh mit Mohammad nach Madyna, aber seine beiden Stiefbrüder, Abu Gahl b. Hischäm und Härith b. Hischäm, welche dieselbe Mutter hatten, holten ihn ein, brachten ihn nach Makka zurück und hielten ihn daselbst fest, bis die Schlacht von Chandak vorüber war.

16) 'Ammär b. Yäsir (No 83). Es waltet ein Zweifel, ob er sich nach Abessynien geflüchtet hatte oder nicht.

17) Mo'attib (No. 37).

18) "Othmän b. Matz ün (No. 38).

19) Sein Sohn Säyib (No. 39).

20) Kodäma b. Matz ün (No. 40).

21) 'Abd Allah b. Matzun (No. 41).

22) Chonays (No. 49).

23) Hischäm b. 'Ä9 (No. 51). Er wurde nach der Flucht des Propheten zu Makka festgehalten und kam erst nach der Schlacht von Chandak nach Madyna.

24) 'Amir b. Raby a (No. 66), seine Frau Laylä.

25) 'Abd Allah b. Machrama (No. 68).

26) 'Abd Allah b. Sohayl (No. 69). Er wurde vom Prophe- ten entfernt gehalten, als dieser nach Madyna die Flucht ergrifl". Beim Feldzug von Badr jedoch gelang es ihm, die Heiden zu ver- lassen, und er focht auf der Seite des Propheten.

27) Abu Sabra (No. 67), seine Frau Kolthüra.

28) Sikrän (No. 71) und seine Frau Sawdä. Er starb zu Makka vor der Higra, und der Prophet heirathete seine Wittwe Sawdä.

29) Sa'd b. Chawla (No. 74).

30) Abu 'Obayda (No. 75).

31) 'Amr b. Härith (No. 79).

32) Sohayl b.Baydhä (No. 76).

33) 'Amr b. Abu Sarh (No. 77).

Die Anzahl der Anhänger des Propheten, welche von Abessy- nien nach Makka zurückkehrten, beläuft sich auf dreiunddreifsig Männer. Einige begaben sich unter den Schutz von Heiden. Von diesen ist uns Othmän b. Matz'ün genannt worden, der sich unter den Schutz des "Walyd b. Moghyra stellte, und Abu Salama b. 'Abd al-Asad, der sich unter den Schutz des Abu Tälib stellte; denn seine Mutter war eine Schwester des Abu Tälib, welcher also der Onkel des Abu Salania war."

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Im Texte des Ibn Ishäk finden wir S. 208 zwar die Aufschrift y, Erzählung der ersten Auswanderung nach Abessynien ", aber in der Erzählung wird kein Unterschied zwischen einer ersten und zweiten Auswanderung gemacht. Vielleicht rührt diese Aufschrift nicht von Ibn Ishak selbst her; jedenfalls herrscht hier im Werke dieses Shriftstellers eine grofse Verwirrung, die noch dadurch vermehrt wird, dafs in dem Texte, der uns vorliegt, Stellen ausgelassen sind. Nach dem angeführten Berichte über die Auswanderung, dem er noch den der korayschitischen Gesandtschaft an den Nagäschy an- schliefst, folgt S. 224 die Bekehrung 'Omar's, welche sich im August 617 ereignete, dann die Achterklärung, 9. September 617, die von Mohammad ertragenen Mifshandlungen und mit ihm geführten Dis- pute, und S. 241 erst folgt (wenn wir den uns vorliegenden ver- stümmelten Text aus Tabary ergänzen) die Vorlesung von Süra 53, die Rückkehr der Flüchtlinge von Abessynien und das soeben ge- gebene Namensverzeichnifs.

In Tabary ist folgende Anordnung: Erste Flucht nach Abessy- nien, Mifshandlungen (aber nicht die Dispute), Gesandtschaft an den Nagäschy, Bekehrung des 'Omar, Achterklärung, Vorlesung von Süra 53 und Rückkehr der Flüchtlinge.

Nach dieser Rückkehr flohen sie wieder von Arabien und dies wird die zweite Flucht nach Abessynien genannt. Wäkidy nimmt wohl mit Recht an, dafs Ibn Ishäk's Liste von 83 Männern in die zweite Flucht gehöre, er macht sich aber in Bezug auf die Zeit und zum Theil auch in Bezug auf die Art, wie sie flohen, irrige Begriffe.

5. Ibn Sad, fol. 31), und Tabary, S. 128, beide von Wäkidy, von Yünos b. Mohammad Tzafary, von seinem Vater, von einem Manne seines Stammes; auch [Wäkidy,] von 'Obayd Allah b. al- 'Abbäs Hodzaly, von Härith b. al-Fodhayl:

Sie verliefsen Makka einzeln und heimlich und kamen nach Scho'ayba. Es waren eilf Männer und vier Frauen; einige ritten (auf Kameelen) und andere waren zu Fufs. Gott fügte es so, dafs gerade zwei Handelschiflfe daselbst lagen '), welche sie um einen halben Dynar nach Abessynien nahmen. Der Auszug fand im Ra- gab des fünften Jahres der Mission statt. Die Korasychiten ver- folgten sie bis an das Meer, holten aber keinen von ihnen ein, denn sie waren bereits abgesegelt. Die Flüchtlinge erzählten: Wir kamen nach Abessynien, wo uns der beste aller Gastfreunde aufnahm. Wir

') Zwei Schifte kommen auch bei Ga'far's Rückfahrt von Abessynien vor wäre nicht eine Verwechselung denkbar?

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qlieben unserer Religion treu und beteten Allah an , wir wurden nicht gequält und hörten nichts, was uns hätte beleidigen können."

Ibn Isliak, S. 217, von Zohry, von Abu Bakr b. 'Abd al-Rah- man b. Ilarith b. Hischam Machzümy, von Omni Salma, einer Toch- ter des Abu Omayya, welche später der Prophet heirathete:

^Als wir nach Abessynien gekommen waren, nahm uns Nagä- scby, der beste aller Gastfreunde, auf. Wir blieben unserer Reli- gion treu" etc. [wie oben].

Dies ist eine eigene Tradition, und Wäkidy that Unrecht, wenn er sie der frühern beifügte. Ich habe bereits bemerkt, dafs die Flüchtlinge erst später von Nagäschy unterstützt wurden.

6. Ibn Sad, fol. 39, von Wäkidy, von Yünos b. Mohammad, von seinem Vater; auch [Wäkidy,] von 'Abd al-Hamyd b. Ga'far [f 153], von Mohammad b. Yahyä b. Habbän [f 121, 74 Jahre alt]. Auch Tabary hat diese Tradition aufbewahrt.

„Namensverzeichnifs der Ausgewanderten:

1) 'Othmän b. 'AfFän.

2) Seine Frau Rokayya.

3) Abu Hodzayfa.

4) Seine Frau Sahla.

5) Zobayr.

6) Mopab.

7) 'Abd al-Rahmän.

8) Abu Salama.

9) Seine Frau 0mm Salama.

10) 'Othmän b. Matzün Gomahy.

11) 'Amir b. Raby'a 'Anezy.

12) Seine Frau Laylä.

13) Abu Sabra.

14) Hntib.

1 5) Sohayl.

16) Abd Allah b. Masüd [Hodzaly], ein Verbündeter der Zohriten."

7. Ibn Sad, fol. 39, von Wäkidy, von Mohammad b. 'Abd Allah, von Zohry, von Abu Bakr b. 'Abd al-Rahmän b. Härith b. Hischäm:

Das Gerücht des Niederfallens verbreitete sich allenthalben, und es wurde den Anhängern des Propheten in Abessynien hinter- bracbt: Die Makkaner haben sich mit dem Propheten prosternirt und den Islam angenommen; ja selbst Walyd b. Moghyra und Abu Ohayha haben sich hinter ihm prosternirt. Die Flüchtlinge sagten: Wenn sich die Makkaner bekehrt haben, so lafst uns zurückkehren,

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denn unsere Verwandten sind uns lieber [als die Abessynier]. Sie kamen bis eine Stunde vor Makka; dort trafen sie Kiuäniten auf Kameelen reitend und fragten sie nach Neuigkeiten über die Ko- rayschiten. Sie antworteten: Mohammad hat ihre Götter auf eine anständige Weise erwähnt, und die Vornehmen (Mala) haben sich für ihn erklärt. Darauf sind sie aber wieder von ihm abgefallen, und er hat wieder angefangen, über ihre Götter zu schimpfen, sie aber sind ihrerseits zu ihren Verfolgungen zurückgekehrt. So stand es, als wir sie verliefsen. Die Flüchtlinge beriethen sich, ob sie nicht nach Abessynien zurückgehen sollten, und sagten: Wir sind nun so weit gekommen , lafst uns in die Stadt gehen und sehen, was die Korayschiten thun. Diejenigen, die es wünschen, können mit den Ihrigen einen Vertrag [des Schutzes] abschliefsen und dann [wenn die Zeit des Vertrages vorüber ist] wieder zurückkehren."

8. Ihn Sad, fol. 39 v., von Wäkidy, von Mohammad b. 'Abd Allah, von Zohry, von Abu Bakr b. 'Abd al-Rahmän:

Sie gingen nach Makka, aber Alle begaben sich unter den Schutz eines Gastfreundes, mit Ausnahme des Ihn Masüd, welcher nur kurze Zeit in Makka blieb und dann nach Abessynien zurück- kehrte."

Wäkidy sagt: Sie waren im Ragab des fünften Jahres (April 616) ausgewandert und blieben den Scha'bän und Ramadhän (Mai und erste Hälfte des Juni 616) in Abessynien. Im Ramadhän fand die Prosternation statt und im Schawwäl (fing am 24. Juni 61 6 an) kamen sie nach Makka zurück."

9. Ibn Sad, fol. 39, unter der Aufschrift „die zweite Flucht nach Abessynien", von Wäkidy, von Sayf b. Solaymän, von Ibn Aby Nagyh; auch [Wäkidy,] von 'Otba b. Gobayra Aschhaly, von Ya'küb b. Omar b. (vielleicht 'an „von") Katäda, von einem Schaych der Banü Machzüm, von 0mm Salma; auch [Wäkidy,] von 'Abd Allah b. Mohammad Gomahy, von seinem Vater, von 'Abd al-Rah- män b. Säbit (t 118):

„Als die xVnhänger des Propheten, nach der ersten Flucht, nach Makka zurückkamen, verfolgten sie ihre Stamragenossen mit Wuth, ihre Verwandten quälten sie , und sie hatten grofse Drangsale zu ertragen. Der Prophet erlaubte ihnen daher, das zweite Mal nach Abessynien auszuwandern. Ihr zweiter Auszug war mit gröfsern Schwierigkeiten begleitet als der erste. Die Korayschiten fügten ih- nen grofse ünbil! zu, quälten und verfolgten sie, weil sie gehört hatten, wie gut sie der Nagäschy behandelt hatte. 'Othmän b. 'Affän sagte daher: O Gottgesandter, du warst in der ersten Auswande- rung nicht bei uns, willst du uns auch auf der zweiten nicht be-

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gleiten? Er antwortete: Ihr flüchtet euch zu Gott und zu mir, und beide Auswanderungen sind euer Verdienst. 'Othmän erwiderte: Dein Befehl genügt uns.

An dieser Auswanderung nahmen in AUem dreiundachtzig Män- ner und elf korayschitische und sieben fremde Frauen Theil. Die Aus- gewanderten fanden in Abessynien beim Nagäschy die beste Aufnahme. Als sie hörten, dafs sich der Prophet nach Madyna geflüchtet habe, kehrten dreiunddreifsig Männer und acht Frauen [nach Makka] zu- rück. Zwei Männer starben in Makka und sieben wurden daselbst festgehalten. Vierundzwanzig von ihnen fochten bei Badr. Im er- sten Raby' I des ersten Jahres der Flucht schrieb Mohammad einen Brief an den Nagäschy, in dem er ihn aufforderte, den Islam anzu- nehmen, und er sandte ihn durch 'Amr b. Omayya Dhamry. Nachdem der Nagäschy ihn gelesen hatte, bekannte er sich zum Islam und sagte: Wenn es mir möglich wäre, würde ich zu ihm kommen. Der Pro- phet schrieb ihm nun, er möchte ihm die 0mm Habyba, eine Toch- ter des Abu Sofyän, zur Frau geben, denn sie war unter den Aus- gewanderten und hatte ihren Mann 'Obayd Allah b. Gahsch, welcher in Abessynien zum Christenthum übertrat und dort starb, dahin be- gleitet. Der Nagäschy gab sie ihm zur Frau und gab ihr eine Mitgift von 400 Dynär. Die Heirath wurde in Abessynien durch die Pro- curation des Chälid b. Sa'yd b. al-A^ vollzogen. Der Prophet schrieb [später] an den Nagäschy, er möchte diejenigen seiner An- hänger, welche noch bei ihm wären, senden. Er that es und sandte sie in zwei Schiffen mit 'Amr b. Omayya Dhamry nach Arabien. Sie landeten zu Bawlä, d. h. al-Gär, von wo sie die Reise zu Lande bis Madyna fortsetzten. Als sie ankamen, fanden sie, dafs der Pro- phet nach Chaybar gezogen war. Sie folgten ihm. Als sie da- selbst ankamen, hatte er Chaybar schon erobert, auf seine Empfeh- lung gaben ihnen aber die Moslirae einen Antheil von der Beute."

Es ist ein Irrthum , wenn Wäkidy die zweite Flucht fast un- mittelbar nach der Rückkehr von der ersten versetzt, sie fand erst nach 'Omar's Bekehrung (Aug. 617) und der Achterklärung statt ').

10. Ibn Sayyid alnäs, fol. 25, entnimmt dem Verfasser des Isty ab eine Tradition, welche auf der Auktorität des Abu Dawüd Sigistäny (in dessen Sonan sie sich jedoch nicht befindet) und des Müsä Ibn Okba beruht und in welcher folgender Passus vorkommt:

„Als sie in der Schi'b eingeschlossen waren (d. h. nach der Achterklärung), befahl der Prophet den in Makka (und nicht in der Schi'b) wohnenden Gläubigen, sich nach Abessynien zu flüchten. Es

') Ibn Mas'üd, welcher keinen Schutz in Makka fand, mag bald wieder abgereist sein, vielleicht auch einige Andere mit ihm.

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war ein Handelsplatz der Korayschiten, und der Prophet lobte den Nagäschy, weil in dessen Lande Niemandem Unrecht geschieht etc."

Die Entstellung dieses Theils der Propheteiibiographie ist folgende: Um seine Streitkräfte zu vermehren, legte Mohammad, als er seit einiger Zeit in Madyna gewesen war, grofses Gewicht auf die Higra, Flucht, d. h. den Aufenthalt in seiner unmittelbaren Nähe. Wie hoch die- ses Verdienst angeschlagen wurde, ersehen wir daraus, dafs später Omar denen, die sich dessen rühmen konnten, eine bedeutend hö- here Pension ertheilte als andern Gläubigen. Auch die Löhnung ihrer Söhne war bedeutend höher. Es begründete daher den Adel einer Familie, wenn ihr Ahnherr ein Mohägir, Flüchtling, war. Man kann aber der Ehre nie zu viel haben, und um einen doppelten Adels- brief zu besitzen, rühmten sich einige Familien, dafs ihr Stammva- ter nicht r.ur nach Madyna, sondern auch nach Abessynien geflohen sei. Dieses Verdienst war besonders für Leute wichtig wie Ga'far, welcher erst, nachdem der Islam in der Schlacht bei Badr und an- dern Gefechten die Feuerprobe bestanden hatte, nach Madyna kam und also nicht das Verdienst der früh nach Madyna Geflüchteten hatte. Wenn man die Sache genauer untersucht, so war die Flucht nach Abes- synien gewifs nicht so verdiensth'ch wie das treue Ausharren eines Abu Bakr beim Propheten. Dessenungeachtet wurde es schon früh eine stereotype Redensart, wie wir aus No. 1 (und wenn wir in der Ipaba nachlesen, aus sehr vielen Beispielen) ersehen, einem Gläubi- gen nachzusagen: er hat das Verdienst beider Fluchten ').

Schon 'Orwa (f 94) hat angefangen, die Namen der abessynischen Flüchtlinge zu ermitteln. Aus No. 3 und 4 abergeht hervor, dafs selbst Zohry's Liste nicht sehr vollständig war und dafs er die Sache von ei- nem etwas andern Gesichtspunkte ansah als seine Nachfolger. Wahr- scheinlich legte er noch kein Gewicht darauf, ob Jemand ein oder zwei Mal nach Abessynien gereist war, sondern wem das Verdienst gebühre, der erste gewesen zu sein, der die Heimath verliefs. Aufser den

') Wenn folgende Tradition acht wäre, so hätte sich schon Abu Müsä (f 21) der zwei Fluchten gerühmt. Sie ist aber wohl von seinem Sohne Abu Borda (f 103) zur Verherrlichung der Familie erfunden worden. Bochäry, S. 545, von Borayd b. 'Abd Allah, von Abu. Borda, von Abu Müsk:

„Wir waren in Yaman, als wir von der Flucht des Propheten nach Madyna hörten. Wir bestiegen ein Schiff, und es wurde an die Küste von Abessynien getrieben. Beim Nagäschy fanden wir den Ga'far. Wir blieben bei Ga'far, bis er zum Propheten ging. Wir kamen zu ihm, als er gerade Chaybar erobert hatte, und er sprach: O Seefahrer, ihr habt das Verdienst beider Auswanderungen."

Wenn es auch wahr ist, dafs sich Abu Müsa schon vor 622 bekehrte, so sind seine Verdienste um den Islam, ehe er mit Ga'far nach Madyna kam, sehr gering, denn er begab sich in seine Heimath zurück und erschien erst wieder, als Mohammad s':'inc Siegeslaufbahu begonnen hatte.

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Biographen beschäftigten diese Forschungen auch die Genealogen, besonders Ihn Kalby, gerade weil sie es mit dem Adel der Fami- lien zu thun hatten. Die Nachfragen wurden bei den Abkömmlin- gen der Gefäln-tei) des Propheten gemacht, und wenn auch mancher Flüchtling ausgelassen wird, so ist anzunehmen, dafs in den Listen dennoch eher zu viel als zu wenig Namen enthalten sind, denn jede Familie legte ihrem Ahnherrn so viele rühmliche Epithete bei als möglich '). Die Feststellung der Geschichte der Fluchten war von diesen Forschungen ziemlich unabhängig; sie wurde, wie das Be- nehmen der korayschitischen Gesandtschaft vor dem Nagäschy, theils von Geschichtenerzählern von Profession aufbewahrt, theils aber gründete sie sich auf aphoristisch überlieferte Nachrichten von Zeit- genossen oder Hadythe (Traditionen) im eigentlichen Sinne des Wortes. "Wie wenig Auskunft die Nachkommen der Betheiligten über die früheste Geschichte zu geben vermochten, ersehen wir aus den Nachrichten (Bd. I S. 434), welche die Enkel des Arkam von dem Gründer ihrer Familie gaben. Sie wiederholten verbatim die Volkssage. Es ist aber kein Zweifel, dafs viele auf diese Art gesammelte Nachrichten werthvoll waren, aber verloren gegangen sind ^). In No. 2 und 3 ist die Erzählung der abessynischen Aus- wanderung noch sehr vag und in Ibn Ishak sehr verworren. Das Verdienst, sie besser beleuchtet zu haben, gebührt dem Wäkidy.

Die Genealogen, namentlich Ibn Kalby, hatten schon Gewicht darauf gelegt, dafs manchen Personen das Verdienst gebühre, zwei Mal nach Abessynien geflohen zu sein. Wakidy prägte nun diese Theorie vollends aus und hat, wenn er nicht selbst im Irr- thume war, doch seine Nachfolger hineingeführt. Es ist möglich.

') Die Art, wie Ibn Ishäk die beiden Listen benutzt, beweist, dafs sie nicht das Resultat eigner Forseliiingen seien, sondern dafs er sie anderswoher erhalten habe. In Ibn Sa'd findet sieh das Resultat neuer Nachfragen, es war aber zu seiner Zeit, wie es scheint, alles schon gesammelt und auf diesem Felde wenig Ehre zu gewinnen, imd spätere Auktoren (vergl. Nur alnibräs S. 3791 fanden nur noch den Kamen der 0mm Ayman, der Sklavin des Propheten, hin- zuzufügen.

-) Die Traditiouisten stellten die Regel auf, dafs eine gute Ueberlieferung von verschiedenen Männern erzählt werden müsse, um Glauben zu verdienen, und sie verwerfen die vereinzelten Ueberlieferungen ; daher die beständigen Wieder- holungen derselben Geschichte. Volkssagen sind immer mehr verbreitet als Nach- richten über Thatsachen, und so trifft es sich, dafs wir in Büchern, wie Bochäry, Mythen finden, während Traditionisten, welche, wie Ibn Kalby, Zobayr b. Bakkar, Madäyiny, sich an diese Regel nicht hielten und deswegen von den Theologen ver- achtet wurden, interessante Einzelheiten, die sie durch ihre Nachfragen ermittelt hat- ten, aufbewahrten ; leider ist keins ihrer Werke, mit Ausnahme des Fotuh des Ba- lädzory, der Maghäziy des Wäkidy und der Geschichte der Eroberung von Sy- rien des Abu Ismä'yl Azdy, bekannt geworden. Aber wir haben zahlreiche Auszüsce.

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dafs einige derjenigen Flüchtlinge, welche, auf die Nachricht hin, Mohammad habe sich mit den Heiden ausgesöhnt, nach Makka zu- rückgekehrt waren, sich noch im Jahre 616 wieder nach Abessynien begaben und somit die zweite Flucht machten. Wenn man aber mit Wäkidy annimmt, es haben alle in der zweiten Liste des Ihn Ishäk genannten dreiundachtzig Männer damals schon miteinander Makka verlassen, so ist es unrichtig, denn als im folgenden Jahre 'Omar dem Islam beitrat, hatte die Anzahl der erklärten Anhänger kaum die Hälfte von dreiundachtzig Männern erreicht. Wir müssen daher die in No. 10 enthaltene Angabe als Richtschnur wählen und an- nehmen, dafs die meisten derer, die sich nach Abessynien flüchte- ten, erst nach dem August 617 Arabien verliefsen. Dies veranlafste den Ibn Ishäk, die Vorlesung von Süra 53, in Folge welcher die so- genannte zweite Auswanderung nöthig wurde, nach der Bekehrung des Omar (Aug. 617) zu erzählen. Unmittelbar nach der Acht- erklärung mag nun eine bedeutende Anzahl von Moslimen auf ein- mal Makka verlassen haben, aber ich halte es für einen Irrthum zu glauben, dafs alle dreiundachtzig Männer zu gleicher Zeit aus- wanderten. Ibn Mas'üd und vielleicht auch einige wenige Andere kehrten schon 616 oder Anfang 617, sobald sich das gute Einver- ständnifs zwischen Mohammad und den Korayschiten zerschlagen hatte, nach Abessynien zurück. Eine bedeutende Anzahl mag mit einander ungefähr um die Zeit der Achterklärung Makka verlassen haben. Andere aber gingen später, wie es die Umstände forderten, nach Abessynien, während noch Andere sich mit ihren Familien aus- söhnten und nach Makka zurückkamen, Ueberhaupt scheint von 617 bis 622 ziemlich viel Verkehr zwischen den Moslimen in Makka und denen in Abessynien gewesen zu sein, und einige mö- gen die Reise hin und her zwei oder drei Mal gemacht haben. Die hier vertheidigte Auffassung findet eine über allem Zweifel erhabene Bestätigung in den) Entwicklungsgange der auf die genannten Er- gebnisse bezüglichen Offenbarungen. Die in Süra 29 und 16 ent- haltene Aufmunterung zur Flucht nach Abessynien mufs geraume Zeit nach Süra 53 geoffenbart worden sein.

Werfen wir einen Blick zurück auf die Tradition des Ibn Sa'd, No. 9, welche Alles enthält, was er uns über die zweite Flucht nach Abessynien zu geben weifs: Aus der Isnäd lernen wir, dafs er sie aus verschiedenen Quellen abgeleitet hat, und aus dem Inhalt, dafs wenigstens eine davon mit dem Berichte des Ibn Ishäk überein- stimmte. Er zwängt aber das Ueberlieferte in sein System und be- hauptet unter Anderm, dafs die dreiunddreifsig Männer und acht Frauen, welche nicht in Abessynien blieben, sondern nach der zwei- ten Flucht nach Makka zurückkehrten, erst nachdem sie die Flucht

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des Mohammad nach Madyna erfahren hatten, Abessynien verliefsen. Dies ist unrichtig; sie kehrten geraume Zeit vor der Higra und wohl nicht alle zu gleicher Zeit nach Arabien zurück. 'Othmän b. Affän ist einer von ihnen. Ihm wurde in Makka ein Kind (Namens 'Abd Allah) geboren, ehe er sich nach Madyna begab, und doch (rat er die Flucht zur selben Zeit an wie Mohammad, er mufs also lange vor der Higra von Afrika zurückgekommen sein; ja es ist sogar zweifelhaft, ob er eine zweite Reise nach Abessynien gemacht habe '). Wenn die übrigen zweiunddreifsig Männer Abessynien erst nach der Higra verlassen hätten, wären sie gewifs geraden Weges nach Madyna gegangen, statt zuerst Makka zu besuchen und sich dort festhalten zu lassen. Die Wahrheit ist: sie kamen nach ihrer Vaterstadt, weil sie um's Jahr 620 hörten, dafs die Verfolgung nach- gelassen habe. Einige mochten auch deswegen zurückgekehrt sein, weil ihr Glaube erkaltete, denn wenigstens einer von ihnen hat bei Badr gegen Mohammad gefochten.

II. Belege za S. 17.

Ein Dokument über diesen Gegenstand steht S. 45 46; ich theile nun auch die übrigen mit.

11, Tabary, S. 139, von Yakü^ b. Ibrähym [b. Kathyr, f 252], von [Isma'yl b. Ibrähym] Ihn 'Alyya (geb. 1 10, f 193), von Ihn Ishäk (S. 239), von Sa'yd b. Myna, einem Clienten des Abü-1-Bohtory:

„Walyd b. Moghyra, Ac b. Wäyil, Aswad b. Mottalib und Omayya b. Chalaf begegneten dem Propheten und sprachen: Wohlan, o Mohammad, wir wollen das anbeten, was du anbetest, bete auch das an, was wir anbeten. Wenn du darauf eingehst, so wollen wir dich in unsere Genossenschaft aufnehmen. Wenn dann das, was du verkündest , besser ist als das , was wir besitzen , so sind wir deine Genossen und haben einen Antheil daran. Wenn aber das, was wir bereits besitzen, besser ist als das, was du hast, so bist du unser Genosse und geniefsest die Vortheile dessen, was unser ist. Gott offenbarte darauf Süra 109."

In Ihn Hischäm, S. 239, und auch bei Baghäwy, Tafs. 109, ist

') Als ein anderer specieller Fall verdient der des Abu Salama Erwähnung. Ibn Sa'd, fol. 225 v., sagt: „Alle Nachrichten stimmen darin überein, dafs Abu Salama mit seiner Frau an beiden Auswanderungen nach Abess_\Tiien Theil nahm." Dann folgt eine Tradition, in der ein Madyuenser sagt: „Der Erste, welcher in der Higra von Makka nach Madyna zu uns kam, war Abu Salama b. 'Abd al-Asad. Er kam am 10. Moharram au, der Prophet am 12. Raby I. Zwischen der An- kunft der Ersten und der Letzten, welche sich mit Mohammad nach Madyna flüchteten, verflossen zwei jNIonate." Zohry erzählt eine ähnliche Tradition. Es ist wohl kaum ein Zweifel, dafs Abu Salama von Makka und nicht von Abes- synien nach Madyna kam.

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der Wortlaut dieser Tradition etwas verschieden. Tabary setzt diese Tradition unmittelbar vor die Erzälilung der Verhältnisse, unter de- nen die 53ste Süra geoffenbart wurde. Kalby, von Ibn'Abbäs, sagt bei Wähidy, 6, 1 3, dafs die Makkaner dem Mohammad versprachen, ihn zum reichsten Mann in Makka zu machen , wenn er ihre Reli- gion bestätigen wollte. Katäda berichtet bei WäUdy, 10, 16, dafs 'Abd Allah b. Aby Omayya Machzümy, Walyd b. Moghyra, Mokrab b. Hafi;, 'Amr b. 'Abd Allah b. Aby Kays 'Ämiry und 'A^ b. Wäyil den Propheten aufforderten, im Koran eine Offenbarung zu veröffent- j liehen, in welcher ihnen nicht aufgetragen würde, die Götzen zu verlassen.

12. Tabary, S. 142, von al-Kasim b. Hasan, von Hasan b. Dawüd [f 247], von Haggäg, von Abu Ma schar [Verfasser einer Biographie des Propheten, aus der ohne Zweifel Tabary diese Tra- dition abgeschrieben. Er starb im Jahre 170], von .Mohammad b. Ka'b Koratzy [geb. im Jahre 40, starb in oder vor 120], und auch von Mohammad b. Kays. Beide erzählten [dem Abu Ma' schar]:

Der Prophet safs unter einer Anzahl von Korayschiten. Er wünschte damals, dafs Gott nichts offenbaren möchte, was seine Stammgenossen von ihm entfernen könnte. Gott offenbarte ihm ge- rade [die dreiundfunfzigste Süra]: „Bei den Plejaden, wie sie unter- gingen, euer Landsmann ist weder verirrt noch verwirrt." Er reci- tirte sie, bis er zu den Worten kam: Seht ihr die Lät und die 'Ozzä und die andere dritte [Gottheit] Manäh", und dann gab ihm der Teufel die zwei Sätze ein: „Diese erhabenen Gharanyk, ihre Für- sprache darf man wahrlich erwarten". Er sprach mit den Leuten und dann fuhr er fort die Süra zu recitiren, bis er zu der Sigda kam (d. h. den Schlufsworten der Süra, wo es heifst: „Fallet auf euer Angesicht"), und alle Anwesenden prosternirten sich mit ihm. Walyd b. Moghyra, welcher alt war und sich nicht beugen konnte, nahm eine Hand voll Erde auf und drückte sie gegen die Stirn, um so die Prosternation zu verrichten [welche darin besteht, dafs man den Boden mit der Stirn berührt]. Den Korayschiten gefiel, was der Prophet gesprochen hatte,, und sie sagten: Wir wissen, dafs Allah das Leben gibt und nimmt und dafs er der Schöpfer und Er- halter ist. .\ber unsere Gottheiten befürsprechen alles dies für uns bei ihm. Wenn du ihnen einen Antheil [in der Weltregierung] ein- räumst, halten wir es mit dir.

Am nächsten Tage kam Gabriel zu ihm und sie collationirten die Süra mit einander. Als sie zu den beiden Sätzen kamen, die der Teufel ihm eingegeben hatte, sagte Gabriel: Diese zwei Sätze habe ich dir nicht überbracht. Der Prophet erwiderte: Wie, habe ich Gott eine Lüge aufgebürdet und auf seinen Namen etwas ge-

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sagt, was er mir niclit geoffenbart hat? Darauf wurden ihm die Worte geoffenbart [Süra 17, 7:]: Es wäre ihnen beinahe gelungen, dich von dem, was wir dir geoffenbart hatten, zu verleiten, dafs du uns eine Lüge aufbürden sollst [bis V. 77]. Der Prophet war sehr traurig und beängstigt darüber, bis ihm Gott die Worte offenbarte [Kor. 22 , .si] : Wir haben vor dir keinen Boten oder Propheten ge- sandt, dem nicht etc. Die Moslime, die sich nach Abessynien ge- flüchtet hatten, erhielten Kunde, dafs alle Makkaner sich bekehrt hätten, und kehrten zu ihren Verwandten zurück. Sie fanden aber, dafs, als Gott die Worte des Satans ausgestrichen hatte, die Ko- rayschiten abtrünnig geworden waren, worauf sie wieder nach Abes- synien gingen."

13. Ibn Sa'd, fol. 39, von Wakidy, von Yünos b. Mohammad b. Fodhäla, von seinem Vater; und auch [Wakidy,] von Kathyr b. Zayd (t zu Ende des Chalyfats des Mancür), von al-Mottalib b. 'Abd Allah [b. al-Mottalib]:

Der Prophet sah, dafs sein Volk ihn floh, und er verlassen war. Dies betrübte ihn und er sprach: Dafs mir doch nichts ge- offenbart würde, was meine Stammgenossen von mir entfernt! Er näherte sich ihnen nun und verkehrte mit ihnen, und sie näherten sich ihm. Eines Tages war er in einer jener Gesellschaften, zu de- nen sie sich bei dem Tempel zu versammeln pflegten, und er las ihnen die 53ste Süra vor. Als er zu den Worten kam: „Seht ihr die Lat und die'Ozzä und die Manäh, die dritte Gottheit", gab ihm der Satan folgende zwei Worte ein: „Diese erhabenen Gharänyk, wahrlich ihre Fürsprache darf man erwarten". Nachdem sie der Prophet ausgesprochen hatte, fuhr er fort, die Süra bis zu Ende zu lesen. Er warf sich selbst auf die Erde nieder und das ganze Volk that desgleichen. Walyd b. Moghyra nahm eine Hand voll Erde auf und verrichtete darauf die Ceremonie; denn er war alt und konnte sich nicht prosterniren. Einige sagen, dafs Abu Ohayha Sayd b. 'Amir eine Hand voll Erde aufnahm, weil er alt war, und andere sagen, dafs sie es beide thaten. Die Korayschiten waren erfreut über die Worte des Propheten und sagten: Wir haben stets anerkannt, dafs Allah Leben und Tod gibt und dafs er erschafft und ernährt, aber diese Götter legen Fürsprache für uns ein bei ihm. Wenn du ihnen ihren Theil (ihre Rechte) zugestehst, so halten wir es mit dir. Diese ihre Rede ging dem Propheten sehr zu Herzen. Er blieb zu Hause sitzen bis am Abend; dann kam Gabriel zu ihm, über- hörte mit ihm die Süra und sprach: Diese zwei Worte habe ich dir nicht mitgetheilt. Der Prophet erwiderte: Wie, habe ich von Gott etwas gesagt, was er nicht gesprochen hat? Es wurde ihm darauf Koran 17, 75 geoffenbart."

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14. EochAry, 8.543, und Baghawy, Tafsyr 53, 02, von Abu Ishak, von Aswad b. Yazyd (f 72 oder 75), von Abd Allah [Ibn Mas üd] :

„Auch die Heiden prosternirten sieh, als der Prophet Süra 53 vortrug, nur einen bemerkte ich, der eine Hand voll Erde aufnahm, darauf die Ceremonie verrichtete und sagte: Dies genügt. Ich sah ihn später wieder, als er getödtet worden war. [Es war Omayya b. Chalaf]."

Wenn dieser Traditionist die anstöfsige Geschichte auch nicht er- zählt, so deutet er doch darauf hin und setzt sie als bekannt voraus.

Im Mawähib, S. 66, wird die Authenticität dieser Erzählung gründlich untersucht. Der Verfasser führt zuerst die Einwendungen des Räzy dagegen an. Dieser Philosoph stellte sich schon vor 600 Jahren auf den Standpunkt unserer modernen Geschichtschreibung und räsonnirt über historische Thatsachen a priori. Er sagt, dafs Mohammad der Verkünder der Einheit Gottes und der Unfehlbare, unmöglich ein solches Zugeständnifs gemacht haben könne, und dafs, so etwas zu glauben, unvernünftig und gotteslästerlich sei. Die Be- weisführung des Verfassers des Mawähib gegen diese Einwendungen sind so sehr nach meinem Geschmack, dafs ich sie ganz übersetze. Der arabische Text steht im Journ. As. Soc. Beng. Bd. 19 S. 132:

y,Dera ist nicht so (wie Räzy behauptet), die Geschichte ist be- gründet. Man findet sie in den Werken des Ibn Aby Hätim, Ta- bary und Ibn Mondzir, welche verschiedene Auktoritäten anführen, dann auch in Ihn Mardawayh, in Bazzär (Bazzäz?), in der Prophe- tiMibiographie des Ibn Ishäk, in den Feldzügen des Müsa b. 'Okba und in der Prophetenbiographie des Abu Ma schar, wie schon von dem Traditionskundigen "Imäd aldyn b. Katbyr imd andern nachge- wiesen worden ist. Räzy jedoch behauptet, dafs die Ketten der l)ürgen alle am Anfange unvollständig seien und dafs daher die Is- näde nicht als „gesund" angesehen werden können. Wir werden zeigen, dafs dem nicht so sei. Auch Abü-1-Fadhl xVskaläny be- weist, dafs die Erzählung begründet sei, indem er sagt: (ich lasse seine Worte aus und gehe sogleich auf die Beweisführung des Ver- fassers über).

Wir finden die Erzählung [im Mosnad des] Bazzäz und in Ibn Mardawayh auf die Auktorität des Omayya b. Chälid (f 200 oder 201), von Schoba (f 160). Omayya b. Chälid bemerkt: Ich glaube, Scho'ba hat die Nachricht von Sa'yd b. Gobayr (f 95), von Ibn 'Abbäs (f 6^) erhalten. Bazzäz erklärt: „Dies ist die einzige Isnäd, welche nicht unterbrochen ist; Omayya b. Chälid ist ein zuverlässiger berühmter Traditionist. Es überliefern sie zwar auch Kalby, von Abu Qälih, von Ibn Abbäs, aber dem Kalby schenkt mau kein Ver-

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trauen." Die Beliauptung des Bazzäz ia Bezug auf Kalby ist auch begründet. Allein Nalihas führt dafür eine andere Isnäd an, in der der Name des [allerdings verdächtigen] Wäkidy erscheint. Ihn Is- hak erzählt sie in seiner Biographie weitläufig auf die Auktorität des Mohammad b. Ka'b, so auch Müsä b. 'Okba in seinen Feldzü- gen, und zwar von Zohry ; und Abu Ma'schar erzählt sie in seiner Biographie von Mohammad b. Ka'b Koratzy und von Mohammad b. Kays. Auf seine (des Abu Ma'schar) Auktorität wird sie auch von Ta- bary angeführt. Ihn Aby Hätim erzählt die Tradition auf die Auktorität des Asbät, von Soddy; Ibn Mardawayh theilt sie auf die Bürgschaft des 'Abbäd b. Cohayb, von Yahyä b. Kathyr, von Kalby, von Abu Qä- lih mit und auch auf die des Abu Bakr Hodzaly und die des Ayyub, [beide] von 'Ikrima; Solaymän erzählt sie aus zweiter Hand, auf die Bürgschaft der Zeugen, welche sie von Ibn'Abbäs genommen haben und bereits genannt worden sind. Tabary erzählt sie aufser- dem auch auf die Bürgschaft des [Exegeten] 'Awfy, von Ibn "Abbäs. Diese Bürgschaften laufen alle auf Eins hinaus; denn alle, mit Aus- nahme des Sa yd b. Gobayr, sind entweder schwach, oder die Kette ist unterbrochen. Indessen da so viele Zeugen vorhanden sind, so mufs man anerkennen, dafs die Geschichte begründet sein mufs. Ferner gibt es noch zwei andere Zeugenreihen, welche zwar nicht bis zu den Zeitgenossen des Propheten hinaufreichen, die aber aus Namen bestehen, welche Zutrauen einflöfsen. Eine von diesen wird von Tabary [in seinem Comm. zum Koran] erwähnt, nämlich: von Yünos b. Yazyd, von Zohry, von Abu Bakr b. 'Abd al-Rahman b. HArith b. Hischäm. Die auf dieser Bürgschaft beruhende Tradition ist dieselbe , wie die anderer Bürgen ; die andere , welche derselbe Geschichtschreiber anführt, beruht auf dem Zeugnisse des Mo'atmir b. Solaymän und Hammäd b. Salama; einer von diesen hatte sie von Dawüd b. Aby Hind, von Abu Aliya."

Für diejenigen Leser, welche in die Kritik der Quellen einzu- gehen geneigt sind, dürften einige Erklärungen nicht überflüssig sein. Die Geschichte wurde von Ibn 'Abbäs (f 68) gelehrt, und drei sei- ner Schüler pflanzten sie auf seine Auktorität fort, nämlich Sa'yd b. Gobayr, Abu Qälih und 'Ikrima. Jeder von den folgenden Männern des dritten Zeitalters hat nun einen dieser drei Schüler des Ibn 'Ab- bäs gehört, nämlich: Scho'ba, Kalby, Abu Bakr Hodzaly und Ayyüb. Unter diesen ist Kalby insofern wichtig, als er einen Koräncommen- tar hinterlassen hat und es wohl anzunehmen ist, dafs er sie darin in seinen Bemerkungen zur Süra 53 niedergelegt hat. Auch 'Awfy welcher sie ebenfalls (wohl unmittelbar) von Ibn 'Abbäs erhalten hatte, ist der Verfasser eines Koräncommentars. Solaymän Taymy (f 180), der Verfasser einer Prophetenbiographie, hat sich schon

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-die Muhe gegeben , die Zeugnisse der genannten drei Schüler des Ihn Abbäs zu sammeln und zu vergleichen.

Eine andere Urquelle ist Mohammad b. Kab Koratzy, Er wurde A. H. 40 geboren und starb 120. Von ihm haben sie die zwei Hauptbiographen des Mohammad entlehnt, nämlich Ibn Isluik, durch Yazyd b. Ziyad, und Abu Ma' schar, welcher kein Mittelglied nennt. Tabary in seiner Geschichte schreibt sie aus den Werken dieser beiden Biographen ab; wir würden dadurch in den Stand ge- setzt, durch die Vergleichung des Textes des Ibn Ishäk und des Abu Ma' schar zu urtheilen, ob ihre beidrn Versionen hinlänglich übereinstimmen, um die Annahme zu rechtfertigen, dafs Mohammad b. Ka'b die Erzählung schriftlich hinterlassen hat, oder nicht, wenn Abu Ma' schar nicht zugleich einen andern Zeugen anführte, den Mohammad b. Kays. Es ist aber klar, er vermischte die Nachrich- ten der Beiden und redigirte die Tradition auf's Neue.

Aufser den Genannten ist noch Soddy (f 127) eine Urquelle, aus welcher durch Asbät der Traditionist Ibn Aby Hi'itim seine Nachricht herleitete.

Aus diesen Quellen nun flofs die Nachricht durch verschiedene Canäle in spätere Werke, wie Tabary, Ibn Mardawayh etc., die aber für uns alt und zum Theil verloren sind. Die Aufgabe der Kritik ist durch Vergleichung den ursprünglichen Inhalt jeder Tradition wie- der herzustellen.

An Alter kommt dem Ibn 'Abbäs am nächsten : Abu Bakr b. 'Abd al-Rahmän b. Härith b. Hischäm b. Moghyra Machzümy (f 94). Weil nicht vorauszusetzen ist, dafs er vom Propheten selbst Aus- sprüche gehört habe, wird seine Nachricht morsal geheifsen '), d. h. die Bürgenkette reicht nicht bis zum Zeitalter des Propheten hinauf und ist daher am Anfange unvollständig. Auf seine Auktorität hat sie Zohry (f 125) dem Prophetenbiographen Müsä b. 'Okba erzählt und auch dem Mohammad b. 'Abd Allah, von welchem sie Wäkidy erhalten hat.

Gleichzeitig mit Abu Bakr b. 'Abd al-Rahmän lebte Abu Allya [Rofay b. Mihrän Riyähy, f 90]. Er erzählte die Geschichte dem Dawüd b. Aby Hind (f 140), und durch ihn wurde sie fortgepflanzt. Die Auktorität dieser beiden Traditionisten wird von Tabary angeführt aber nicht in seiner Geschichte, sondern wahrscheinlich in seinem Korän- commentar. In seiner Geschichte benutzte er vorzüglich das Werk des Ibn Ishäk und in diesem Falle auch das des Abu Ma schar. In seinem

') Dieser Vorwurf kann der unter Ko. 14 angeführten Tradition nicht ge- macht werden, und nach dem Canon müslimi.scher Kritik ist sie die wichtigste und besitzt Beweiskraft in der moslimischen Theologie.

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Commentar hingegen scheint er sich nicht die Mühe gegeben zu ha- ben, diese Werke nachzuschlagen, sondern er schrieb von frühern Conimentatoren ab. So haben auch andere moslimische Schriftstel- ler gearbeitet, und wir finden über denselben Gegenstand eine be- deutende Verschiedenheit der Angabe zwischen den „Biographen" und Exegeten ". Es ist daher von der gröfsten Wichtigkeit, dafs wir nicht, wie bisher geschehen, uns blofs auf die erstem beschrän- ken, sondern auch die letztern zu Rathe ziehen.

IIL lieber die Wege und Stege im Koran.

Mohammad und seine Familie, ja die meisten Makkaner, be- schäftigten sich mit dem Karawanenhandel. In der Wüste wie auf dem Meere ist es schwer zu wissen, wo man ist und in welcher Richtung man gehen soll. Bei solchen Leuten mufste das Finden des kürzesten Weges und das Vermeiden von Umwegen ein häufiges Bild der Rede sein, auch wenn sie von andern Gegenständen sprachen; wir sind daher nicht erstaunt, zu finden, dafs die Hauptbitte in Mohammad's Vaterunser lautet: „Führe uns auf die gerade Qirät (Strafse), auf die Qirät derer, gegen die du gnädig warst und die nicht irrten". Aber es befremdet uns, wenn wir hören, dafs er statt des gewöhnlichen arabischen Wortes für Weg ein lateinisches wählt. Qirät ist nämlich wie unser „Strafse" von strata [via] abgeleitet '), und, so viel ich weifs, wird es im Arabischen nicht gebraucht, au- fser im Hinblick auf den Koran oder höchstens von einem Schrift- steller , welcher an ungewöhnlichen Wörtern Vergnügen findet. Dieser und einige andere Umstände, die wir bald kennen lernen werden, lenken unsere Aufmerksamkeit auf die Wege und Stege im Kor;'in, um so mehr da der Weg der Gerechten und der Weg der Sünder auch in der Bibel eine bedeutende Rolle spielen.

Das eigentliche Wort für Weg, zur Zeit des Mohammad wie auch später ^), war taryk (Kor. 20,79 und auch 4,16?). Es ist auch der gewöhnliche Ausdruck dafür im Hebräischen. Dennoch kommt

') Es wird auch Sirät und Zirät geschrieben, und in der Aussprache ist das i kaum vernehmbar (ischmäm alsyn), also srät, strata. Girat kommt in ei- nem Verse des 'Ämir b. Tofayl vor: ^\3\ f<J.SJ jjr;> d-^^^ f^j' U.^^ _bi.>^i Q-» »wir haben ihr Land dermafsen mit Cavallerie überschwemmt, dafs wir es zertretener als die ^irät zurückliefsen."

Ich weifs leider nicht, ob der Dichter vor oder nach Mohammad blühte.

^) In unsem Tagen ist Darb das gewöhnliche Wort fiir Weg. Vor eini- gen Jahrhunderten bedeutete es noch Stadtthor; so bei Mokaddasy, welcher in der Umgangssprache der bessern Gesellschaft schrieb.

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taryk im Koran in allen seinen Formen nur neun Mal vor, was um 80 mehr auffällt, da die andern Ausdrücke für dieselbe Idee so oft wiederkehren. Es ist nicht zu übersehen , dafs Mohammad dieses rein arabische Wort gerade da gebraucht, wo er von einem rein arabischen Gegenstande spricht den Ginn. Diese Dämonen der Araber sagen (Kor. 72, ii), dafs sie in verschiedene Haufen getheilt waren, welche entgegengesetzte Wege (religiöse Richtungen) verfolg- ten. Und in einer andern Süra (46, l>9) drücken sie ihre Freude dar- über aus, dafs sie den Koran gehört haben, welcher sie zur Wahr- heit und auf den geraden Weg führte. Diese Dichtung entsprang in Mohammad's eigenem Gehirn, und er drückte sie auch in seiner Muttersprache aus, und während er in dreiunddreifsig andern Stel- len, in denen er die wahre Religion den geraden Weg heifst, das lateinische Wort ^irät, Strafse, gebraucht, ist dies die einzige Stelle, in welcher er ihn mit taryk bezeichnet.

Qirät kommt in Allem 45 Mal im Koran vor. Es scheint, dafs es dem Mohammad besonders vornehm und elegant erschien. Ue- brigens bedeutet es nur in zwei oder drei Stellen eine wirkliche sichtbare Strafse, nämlich in Kor. 36, 66, dann kommt eine Stelle (Kor. 37, 23) vor, wo er von der ^irät in die Hölle spricht; in ei- nem andern spätem Verse (Kor. 4, le?) heifst er denselben unheim- lichen Weg taryk. In Kor. 7, 84 sagt er: „Pafst den Leuten nicht auf jeder ^irät auf, um sie einzuschüchtern und ihnen den Pfad (sabyl) Allah's zu versperren." Es ist möglich, dafs ^irät hier nicht figür- lich zu nehmen ist und dafs er die Heiden beschuldigt, sie packten seine Anhänger auf offener Strafse an, um sie zum Abfalle zu be- wegen. Es könnte aber auch bildlich zu nehmen sein: „Begegnet ihnen nicht mit allen möglichen Einwürfen und Vorstellungen", aber ein ähnlicher Ausdruck kommt auch anderswo (Kor. 7, 15) vor. Ich mache auf diese Stelle aufmerksam, um die Erbärmlichkeit des ge- zwungenen affectirten Stiles des Korans anschaulich zu machen. Der gewöhnliche Ausdruck für „auf dem Wege auflauern" ist v3y.*i> / äji:iiLi und für Strafsenräuberei |3vx..*iaJ! ^la'i (K. 29, ss), man sagt aber auch / ij-Ii!t «i:ilj. Wenn nun Mohammad in einer dieser Re- densarten ^irät statt taryk oder sabyl gebraucht, so mag es für das arabische Ohr noch ungewöhnlicher geklungen haben, als wenn wir sagten Wegräuber statt Strafsenräuber. Aber die Orientalen haben die unglückliche Gewohnheit, nach seltenen Ausdrücken zu haschen. Ich habe sie überall im Orient bemerkt, und sie spricht sich auch in ihrer Literatur, besonders in der Poesie aus (und der Koran gehört in das Gebiet der Dichtung). Ich gebe hier zwei Beispiele. Die jungen Leute in Indien, welche Englisch gelernt haben, haschen auf orientalische Art nach zwei Dingen: nach gemeinen Redensarten

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(slang) und vornehmen Worten. Es ist eine gemeine englische Re- densart, zu sagen: I cut my sticks statt ich entferne mich. Ein Hindu, bemüht, sich zugleich gemein und vornehm auszudrücken, sagte einst: I amputate my canes. In einer nach englischen Quel- len bearbeiteten Geschichte in hindustanischer Sprache wird von den Einfällen der Barbaren in's römische Reich gesprochen. Der üebersetzer gab Barbar mit Dihkän wieder, was Landeigenthü- mer, Dorfbewohner bedeutet. Ich konnte mir lange nicht erklä- ren, wie er zu diesem Einfall gekommen. Endlich verfiel ich auf sei- nen Gedankengang. Im Hindustanischen bedeutet Gawnwär „Dorf- bewohner" zugleich einen rohen, barbarischen Menschen (nicht so tückisch als ein Gauner in unserer Sprache). Dieses Wort erschien dem gelehrten Verfasser unpassend, nicht etwa deswegen weil es die Idee von Barbar nicht ausdrückt , sondern weil es bekannt and einheimisch ist; er benutzte daher den noch viel unpassendem per- sischen Ausdruck '). Mohammad beweist in unzähligen Stellen des Korans, dafs sein Geschmack nicht viel geläuterter war.

In allen übrigen Fällen bedeutet girät die richtige Lehre, die wahre Religion. Indessen wird nur einmal (Kor. 23, 76) al9irät „die Strafse" ohne fernere Erklärung in diesem Sinne gebraucht; in 33 Stellen ist ^irät von dem Eigenschaftswort mostakyn „gerade" begleitet, welches auch einmal (Kor. 46, 29) in demselben Sinne dem synonymen taryk beigelegt wird. In drei andern Stellen hat es ein Eigenschaftswort, welches entweder ebenfalls gerade oder eben be- deutet; in einem Falle wird die wahre Religion als die Strafse (^i- rät) Gottes und in drei andern als die Strafse des Erhabenen und Gepriesenen bezeichnet. „Die gerade Strafse" kann in der That als ein stereotyper Ausdruck für die wahre Religion angesehen werden. Die genannten Verschiedenheiten in der Wahl des Adjektivs sind Opfer, die Mohammad dem Reime gebracht hat. Nicht zu überse- hen ist übrigens, dafs er in diesem figürlichen Ausdruck mit zwei Ausnahmen (Kor. 1, 5 und 37, 11s) nicht „die gerade Strafse" (mit dem bestimmten Artikel), sondern „eine gerade Strafse" gebraucht. Wir würden gewifs den bestimmten Artikel anwenden, weil uns die Wahrheit vorschvv'ebt, dafs es nur einen geraden Weg zwischen zwei Punkten gebe. Indessen Mohammad spricht von der Religion, und vielleicht war er so liberal wie der weise Nathan und gab zu, dafs mehrere Wege zum Himmel führen. Aber um ernsthaft zu reden, auch in andern Fällen wird im Arabischen der Artikel nicht ge-

') üeber die Bedeutung des Wortes Dihkän siehe Mohl's Einleitung zum Schähnäma.

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braucht, wo wir ihn anwenden würden. Es deutet dies auf eine Verschiedenheit der Vorstellungen hin.

In den allerfrühesten Offenbarungen kommt Qirat nicht vor, es steht dafür sabyl. So bedeutet in dem bereits angeführten Verse Kor. 7, 84 sabyl Allah (der Pfad Gottes) die wahre Religion, wäh- rend in demselben Verse ^irat die Bedeutung von Weg, Landstrafse hat, und dies ist eine der frühsten Stellen, in denen wir ^irät finden.

In den madynischen Offenbarungen kommt es selten vor und wird wieder durch sabyl ersetzt. Am häufigsten wird es in jener Periode angewendet, in welcher Mohammad Rahmän mit Vorliebe gebrauchte und während welcher er christlichen Einflufs auf sich wirken liefs.

Da aus dem Koran hervorgeht, dafs das Seelenheil davon ab- hänge, dafs man auf dem geraden Wege bleibe, so hat sich die Phan- tasie der Gläubigen viel mit dem (J!!irät beschäftigt. Auf eine sehr natürliche Weise schliefst sich folgende gewifs sehr alte Tradition an den Koran an: 'Abd al-Rahmän b. Hosayn b. Nofayr, von sei- nem Vater, von Nowäs b. Sim'än, vom Propheten: „Gott hat euch den geraden Qirät als Beispiel vorgelegt. Auf beiden Seiten des- selben ist eine Mauer mit offenen Thoren, vor welchen blofs mar- chämatische (oder ^archämatische?) Vorhänge sind. Am Eingange des Qirät steht Jemand, welcher ruft: O Menschen, betretet alle den (Jlirät und wandelt nicht auf Umwegen. Ein anderer Rufender be- findet sich über dem Qirät, und wenn ein Mensch eins der Thore öffnen will, sagt er: Oeffne es ja nicht, denn wenn du es öffnest, wirst du auch hineingehen. Der Qirat ist der Islam, die Vorhänge sind die Gesetze Gottes, die offenen Thore sündhafte Dinge, der Rufende am Eingange des ^irat ist das Buch Gottes und der Ru- fende über dem Wege das Gewissen des Gläubigen."

Später hat man aus dem Qirat eine Brücke gemacht, welche über den Rücken der Hölle geschlagen wird ; sie ist schmaler als ein Haar und schärfer als ein Schwert. Mohammad wird der erste sein, welcher darüber hin dem Paradiese zueilt. Wenn dann die Gläubi- gen, welche ihm folgen, ausgleiten, so rufen sie: o Mohammad! o Mohammad! und der Prophet schreit laut: o Herr, meine Anhän- ger! meine Anhänger! Natürlich gelingt es allen Frommen, dieses Seiltänzerstückchen auszuführen. Nach andern Dichtungen ist der Qirat nur für uns Ungläubige so eng und gefährlich, für die Mos- lime ist er so weit wie eine Heerstrafse; ferner müssen manche beim letzten Gerichte 50000 Jahre warten, während andere in we- nigen Minuten abgefertigt werden.

II. 5

Sabyl, welches ich des Unterschieds wegen durch Pfad über- setze, ist ein ursprünglich arabisches Wort und kommt 176 Mal im Koran, in verschiedenen Anwendungen, vor. Die ursprüngliche Be- deutung von sabyl ist nicht so umfassend als die von taryk. Sabyl bedeutet einen Weg, dessen Richtung durch zwei oder wenigstens einen Berg, welchem er entlang läuft, bestimmt wird. Von dieser Art war ein grofser Theil der Handelsstrafse von Madyna nach dem Edomi- ter-Lande. Ein solcher Weg ist unendlich viel angenehmer für Kara- wanen als der über Steppen. Man findet Wasser und manches Mal sogar Schatten, und wenn man die Reise nur einige Male gemacht hat, ist man sicher, sich nicht zu verirren. Mohammad macht da- her die Makkaner auf die Wohlthat Gottes aufmerksam, welcher weite Thäler erschaffen hat, die als sabyle dienen (K. 21, 32. 71, 19). Sabyl bedeutet also vorzugsweise einen guten sichern Weg ' ) : wenn es aber in einem figürlichen Sinne im Koran vorkommt, so wird es nicht nur, wie (jirät, auf die richtige Lehre, sondern meistens, wie „der Weg der Gerechten" in der Bibel, auf einen rechtschaffe- nen Lebenswandel angewendet, so in Kor. 17, 34.

AI -Sabyl der Pfad " bedeutet in den oft wiederkehrenden Phrasen „sie versperren den Pfad" und „sie machen euch vom Pfade abirren" geradezu die wahre Religion. Es wird auch „sie machen euch von der Geradheit des Pfades abirren" gesagt (Kor. 2, 102. 5, 15. 65. 81. 60, 1). Dieser Ausdruck -) ist ganz gleichbedeutend mit „Geradheit der Strafse" in Kor. 3^, 21. Aufserdem kommt sehr häu- fig der „Pfad Gottes" vor, während „die Strafse Gottes" nur ein- mal genannt wird. Indessen scheint der Pfad Gottes nicht ganz dieselbe Richtung zu haben in Makka und Madyna. Vor der Flucht bestand er in der Anerkennung und Anbetung des einen wahren Gottes, nach der Flucht aber im Kampfe gegen die Ungläubigen.

An mehreren Stellen (ich glaube an zehn) werden „die Söhne

') Der Ausdruck: „es gibt einen "Weg für mich gegen dich" (^J^xajw J. (j5n.aJLe) bedeutet so viel als: du bist mir blofsgestellt , es haftet ein Vergehen auf dir, wodurch du dich compromittirt hast. Hiernach sind die Koränverse 3, 69. 42, 39. to. zu erklären.

^) Im Original Js^xAt^il |».vw Ebenheit (Geradheit) des Weges. Tha'laby er- klärt es durch / Ä.j_L2jt Ja-**«» Mitte des Weges. Wenn von einer Karawanen- strafse über Steppen die Rede ist, dürfen wir nicht an unsere Chausseen denken. Man läfst die Kameele auf dem Wege, wo sie etwas finden, grasen, und sie mö- gen sich über eine Breite \on mehr als einer halben Stunde ausdehnen; es ist also ein Unterschied, ob man in der Mitte des Weges bleibt oder sich weit da- von verirrt, wo man auch Eaubanfällen mehr ausgesetzt ist. Jetzt sagt man sawä in der Bedeutung von gerade. Wenn man einen Araber um den Weg fragt, und er will sagen; gehe gerade fort, so antwortet er: sawä, sawä! oder auch toghri, toghri! Letzteres ist das türkische Wort für gerade.

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des Pfades" genannt. Das bedeutet Menschen ohne Dach und Fach, denen man Almosen geben soll. Nicht nur in neuerer Zeit, son- dern schon vor mehreren Jahrhunderten kommt sabyl in der Be- deutung von: „öffentliche Wohlthätigkeitsanstalt" vor, in welcher Rei- sende Wasser finden oder die Armen Essen. Es fragt sich, ob diese Bedeutung aus dem koränischen „Sohne des Pfades", oder ob dieser Ausdruck aus jener Bedeutung gebildet worden ist; in die- sem Falle müfsten wir übersetzen: „Söhne oder Kunden wohlthäti- ger Anstalten".

Von den Karawanenzügen ist auch das Wort Iloda, wörtlich: Weisung auf den rechten Weg, hergenommen, welches sehr oft im Koran vorkommt und die wahre Religion bedeutet. Der Ausdruck: hom 'ala hodän min rabbihom , sie [befinden sich] auf einer Lei- tung von Seiten ihres Herrn " könnte man im Deutschen füglich durch ein uns bekanntes Bild wiedergeben und sagen: Ihr Herr führt sie am Gängelbande.

Neuntes Kapitel.

Verfolgungen. Hamza's und ' Omar's Bekehrung.

IViohanimafl niaclite bald nach seinem ersten Auftreten die Erlalirung, dafs kein Prophet angenehm sei in seinem Va- terlande, und bis zu seiner Flucht nach jMadyna hatte er einen harten Kampf gegen seine Widersacher zu bestehen. Die arabischen Biographen weisen den Nachrichten über die Verfolgungen einen frühern Platz an ^). Ich habe an verschiedenen Stellen darauf hinsjedeutet; hier aber stelle ich sie freilich mit einigen Wiederholungen zusam- men, theils um die Mittel, welche die Feinde anwendeten, den Islam zu unterdrücken, anschaulich zu machen, theils um für die darauf bezüglichen Offenbarungen einen Platz zu finden und den Einflufs, den die Feinde auf die Ent- wickelung des Islams geübt haben, zu erklären.

Die Biographen und Exegeten nennen mehrere Perso- nen, gegen w eiche Gott Koränverse geoffenbart hat. Ihre An-

') Bochäry stellt sie unmittelbar nach den Bekehrungen und er folgt in solchen Dingen gewöhnlich dem Ibn 'Okba. In Ibn Ishäk sind sie etwas zerstreut, fangen aber auch schon unmittelbar nach den Bekehrungen an; an dieser Stelle stehen sie auch bei Tabary. Die Inspirationen gegen die Mala (Aristokratie) von Makka sind je- doch vor Ende 616 nicht geoffenbart worden, und die Angriffe auf einzelne Feinde sind meistens von 617 619.

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graben müssen aber mit Vorsicht angenommen werden; denn in diesen Offenharungen sahen sie Verdammungsurtheile, welche nur auf" diejenigen anwendbar sind, die später im Unglauben starben '). Am liebsten beziehen sie selbe auf Männer, die bei Badr fielen, denn natürlich lag ihnen daran, das Strafgericht Gottes recht angenscheirdich zu machen. Von der Feindschaft derjenigen aber, welche am Ende noch den Islam annahmen imd sich dadurch unter den Seeligen einen Platz sicherten, s|»rechen sie sehr ungern. Im Geiste der orientalischen Schulen ist eine Liste von sechs bis zwölf Männern stereotyp geworden, welche die Traditioni- sten und Biographen bei jeder Gelegenheit, wo von den Widersachern die Rede ist, wiederholen. Unter diesen Ver- hältnissen können wir zufällige Aeufserungen nicht hoch irenus: anschlauen, denn sie sind die einzi«ren Nachrichten, durch welche wir die dogmatische Biographie berichtigen können.

Ibn Sa'd hat folgende Tradition aufbewahrt, wovon die Schlufsworte nicht zu übersehen sind, indem sie das eben Gesagte bestätigen:

»Als der Prophet und seine Anhänger den Islam ver- öffentlichten und seine Religion in IMakka bekannt und von den Leuten einander gepredigt wurde, suchte Abu Bakr heimlich Anhänger zu gewinnen; Sa'yd b. Yazyd und 'Othmän benahmen sich ebenso, aber Omar, Hamza und Obayd Allah b. Garräh verkündeten sie öffentlich. Da- durch wurden die Korayschiten erbittert, und es zeigten sich Neid und Feindschaft"). Einige traten dem Prophe- ten offen entgegen, andere aber, obwohl sie dieselben Ge- sinnungen hegten, verbargen ihre Feindschaft. Seine und seiner Anhänger offenen Feinde, welche überall Streit und

' ) Man lese Baydhawy's Bemerkung zu 46, i7 als Beleg dieser Behauptung.

') Also erst nach der Bekehrung 'Omar's and Hamza's, wel- che im Jahre 617 erfolgte.

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Zänkereien suchten, \^al•en Abu Gabi b. Hiscliäm, Abu La- bab b. Xhi] al-Mottalib, al-Asxvad b. 'Abfl al-Yaghutb, Härith b. Kays b. Advy, iiacb seiner Mutter der Sohn der (Jha^tllala t-enannt, Walyd b. Mo«i;hyra, Omayya und Obayy, die Söhne des Cbalaf, Abu Kays b. Fäkih b. Mo- ghyra, 'Äc; b. Wäyil, Nadhr b. Härith, Monabbih b. Haggäg, Zohayr b. Aby Omayya, Säyib b. (,'ayly b. 'Äyidz, Aswad b/Abd Aswad (Mottahb?), 'Äc; b. Sayd b/Ag, 'Äg b. b. Häschim, 'Okba b. Abu JMo'ayt, Ibn al-Agady Hodzaly, welchen die Ibexe gestochen haben, Hakam b. Abü-l- A(?, 'Adyy b. Hainra. Dies waren seine ^Nachbarn. Am wei- testen trieben ihre Feindschaft Abu Gahl, Abu Lahab und Ukba b. iMoayt.

'Otba und Schayba, die Söhne des Raby'a, und Abii Sofyän waren ihm ebenfalls feind, aber sie griffen ihn nicht offen an, sondern benahmen sich wie überhaupt die Ko- rayschiten. Ibn Sa'd bemerkt, dafs mit Ausnahme des Abu Sofyän und al -Hakam nicht einer von den Genannten sich zum Islam bekehrte ').«

In Makka gab es keine Regierung, jede Familie mulste sich selbst beschützen und, um sich zu stärken, mit andern Fa- milien in freundschaftliciiem Verhältnisse leben. In allen freien Städten, selbst wenn sie, wie überall im iMittelalter in Eiu'opa, eine Verfassung haben, kommen einzelne Familien zu grofser Macht und Ansehen. Das mufste nun besonders in einer Ge- sellschaft der Fall sein, wo kein Gesetz und keine Formen dem Ehrereize wachsender Familien Schranken setzten. Indessen diese Re2;ellosio'keit mulste auch ein Geuens-ewicht erzeugen. Sie begünstigte das Streben tapferer, talentvoller Männer. Nicht der älteste, noch der reichste, sondern der klügste und

') Ibn Sa'd, fol. 38, von Wjikidy, von Mawhab, von Ya'küb b. 'Otba (f 128). Eins der ursprünglichen Materialien, auf welche sieb diese Tradition gründet, steht in Bochäry S. 543, und ich habe es auch im Anhang in deutscher Uebersetzuug eingeschaltet.

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entschlossenste Mann in jeder Familie war der anerkannte Führer, und es ist eine Ehrensache unter den Arabern dem Führer zu iols^en, ohne sich, wenn es einmal zur Ihat kommt, ein Urtheil zu erlauben. AVenn sich nun solche Führer dnrch [)ersÖ!diche Finenschaften anszeichnen, so kön- nen sie ihren P^influls über den j^anzen Stamm ausdehnen. Indessen es bleibt immer nur ein moralischer Einflufs, und die Familien und ihre Hänpter dürfen unter keiner Bedin- ffuno' gekränkt werden.

Ein so regelloser Zustand hat manche Nachtheile. Der Arme findet keinen Schutz gegen den Reichen, es entste- hen hiiufig Fehden zwischen den einzelnen Familien und wenn die ganze Gemeinde angegriffen \\ird, fehlt es oft an Einigkeit, auch leidet bisweilen die persönliche Freiheit fast ebenso sehr unter der Allmacht der öffentlichen Meinun«: als in unsern Tajien unter der IJnumschränktheit der Po- lizei. Indessen nur in einer solchen Gesellschaft konnten jene heroischen Charaktere erwachsen, die wir in der Ge- schichte der Gründung des Islams erblicken. Es fehlt uns jeder Maafsstab, nach welchem wir sie würdigen könnten, und deswegen hat nmn sie gewöhnlich als Fanatiker ge- brandmarkt. Aber wenn sie auch derselbe Enthusiasmus beseelte wie später unsere Kreuzfahrer, so kann man sie doch nicht derselben Blindheit, derselben Verbrechen, noch derselben Rohheit anklagen, noch waren sie neben Prah- lerei so erbärmlich feig, wie die in Erz gekleideten Ritter. Sie waren die Männer ül)erlegter That imd eiserner Aus- dauer; unerschütterlich in ihren Grundsätzen, besonnen in ihren Entschlüssen, beharrlich in ihren Handlungen selbst wenn die Ueberzeugung wankte ergeben der gemeinen Sache, voll Aufopferung und Todesverachtung und doch beseelt von jugendlichem Muth und Lust am Leben. Ein solcher Menschenschlag wächst nur in freien Ländern; wir sehen etwas Aehnliches in F.ngland und in der Schweiz; aber die gröiste Vollkommenheit erreicht der 3iann in den

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Oasen der AVüste. Jeniehr aber der Mensch bevormundet wird, desto krankhafter und einseitii;er ist seine Entwick- lunir. In unserem Deutschland findet mau o-rofse Gelehrte und emsige Handwerker, geniale Künstler und geschickte Techniker, übermüthige Aristokraten und hitzköpfige De- magogen, aber Männer sind selten. Man hat behauptet, der iSationalcharakter hänge lediglich von der Race ab. Das ist nicht richtig. Freie Institutionen bilden Männer, und die Institutionen hänijen ebenso von Verhältnissen als vom Volke selbst ab. Die Gebirge der Schweiz, die in- sulare Position von England, das Terrain von Kordamerika haben eben so viel Einflufs auf die Entwicklung freier In- stitutionen geübt als das Wollen des Volkes. So auch verdankt der Araber seinen Nationalcharakter nicht dem Sem und nicht dem Arfachschad, sondern der Wüste und ihrer Lage.

Es war nothwendig, diese Bemerkungen vorauszu- schicken, um den Leser in den Stand zu setzen, die Cha- raktere, welche für und gegen die Entwicklung der neuen Religion thätig waren, und die Verhältnisse, welche wir in diesem Kapitel näher betrachten, zu würdigen. Da ich mich in einer Arbeit, die sich nur mit wissenschaftlichen For- schuniren über die Thatsachen beschäftigt, nicht mit der Zeichnung von Charakteren die immer willkührhch und einseitig ist befassen kann, so mufs der Leser ein für allemal darauf aufmerksam gemacht werden, dafs die han- delnden Personen Araber und nicht Europäer sind.

Die hervorragenden Persönlichkeiten von Makka wer- den im Koran unter dem Namen Mala, Aristokratie, zusam- mengefafst, bisweilen werden sie auch die Motrafun, Wohl- habenden, geheifsen. Mohammad hatte eine sehr hohe Idee von der iMala, sie umfafste jene Männer, welche sich durch Intelligenz auszeichneten, die in Monarchien den Rath der Könige bilden (Koran 27, 29) und welche als die Anfüh- rer der Armee sich zum Kriegsrath vereinigen (Kor. 2, 247), ja selbst für die Engel oder Ginn, welche sich am Throne

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Gottes berathen (K. 37, 8. 38, 69), wufste er keine ehren- vollere Benennung; zu finden als Mala. Die Aristokratie von Makka mufs also mächtig gewesen sein ').

Macht ist immer conservativ. Entstehen ist Vergehen, und um dem Vergehen zuvorzukommen, sucht sie das Ent- stehen zu verhindern. x\lles Geistige, Lebensvolle ist ein Gräuel in den Augen der Aristokratie, und ihre Anstren- gungen, das Alte wieder zurückzubringen, steigen im Ver- hältnifs zu ihrer Ohnniacht, dem Fortschritt der Zeit Ein- halt zu thun. Die Mala von Makka gebahrte sich nicht so lächerlich als die Bourbonisten in der Vorstadt St. Ger- main, noch war sie so bornirt wie die Hofbedienten, welche in Deutschland Grafen und Barone geschimpft werden, noch so brutal wie unsere Bureaukratie; dennoch fehlte es auch ihr, den Neuerungen des Mohammad gegenüber, an Mälsi- gungr und Verstand. Es ist kein Zweifel, dafs viele ihrer Mitglieder abergläubisch genug waren, sich durch seine Dro- hungen erschrecken zu lassen und sich deshalb ruhig verhiel- ten; aber andere verübten allerlei Neckereien und Grau- samkeiten gegen die Gläubigen und gingen so weit als es die ölVentliche Meinung und die sociale Stellung der be- treffenden Persönhchkeiten erlaubten.

Abu Tälib war der natürliche Beschützer des Mo- hammad. Er war seines Vaters älterer Bruder und hatte ihn nach dem Tode des Grofsvaters erzogen. Mohammad hingegen nahm, nachdem er selbstständig geworden war, dessen Sohn'Alvy in sein Haus auf, als zur Zeit einer Hun- srersnoth Abu Tälib nicht im Stande war, seine zahlreiche Familie zu ernähren. Die Bande des Blutes waren somit durch wechselseitige Verbindlichkeiten gestärkt. Abu Tä- lib war zwar arm, aber er hatte viele Söhne und war da- lier schlagfertiger als irgend ein anderes Mitglied der Fa- milie des Häschim. Seine Ritterlichkeit ist aufser allem Zweifel, und dafs er dem Islam durch die Erfüllung seiner

' ) Nach Baghawy,Tafs. 38, 3, bestand sie aus ungefähr 25 Personen.

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Pflicliten g;egpn seinen NeiTen grofse Dienste geleistet habe, ist nnläiii>har; dennoch müssen wir die Tradition zn seinen (jlunsten mit Milstiaiien ansehen. Kr war ein firuder des Ahnherrn der Abbäsidischen Chalyfen und der Stammvater der'AIyiden, welche den Herrschern aus dem Hause Omayya den Thron jeden Augenblick streitig machten. Sein Cha- rakter und seine Stellung zum Islam waren daher schon irüh ein Gegenstand des Streites der politischen Parteien. So lange die Omayviden regierten, behaupteten ihre Hof- traditionisten, dafs der Prophet gesagt habe, Abu Tälib sei tief in der Hölle, mit dem Beisatze: »vielleicht wird ihm meine Fürbitte am Tage der Auferstehung nützen, so dafs er dann in eine Lache ') von Feuer versetzt wird, die ihm nur bis an die Fersen reicht, jedoch so heifs ist, dafs ihm das Gehirn davon sieden wird.«

Diese Traditionisten beriefen sich in ihrer Lästerung darauf, dafs er im Unglauben starb. Unter den Anhängern des Alyy hingegen stand er immer in grofsen Ehren, und da sich Wäkidv zu dieser Partei hinneigte, beurtheilte er ihn vielleicht zu 2:ünsti<J-. Die 'Abbäsiden stimmten in die- ser Hinsicht den 'Alyiten bei, und so kommt es nun, dafs Ibn Ishak, welcher seine Prophetenbiographie auf den Wunsch des ersten Abbäsidischen Chalyfen schrieb, dem Abu Tä- lib bei jeder Gelegenheit ein Gedicht in den Mund legt, in Avelchem er nicht nur seine Rewunderung für den Prophe- ten, sondern auch seinen Glauben an denselben ausspricht. Im Fihrist -) wird berichtet, dafs ein Zeitgenosse des Ibn Ishäk Gedichte fal)ricirte und sie demselben mit der Bitte übergab, sie in sein Werk aufzunehmen. Ibn Ishäk will- fahrte seinem Wunsche, und es unterliegt keinem Zweifel, dafs die Gedichte des Abu Tälib zu den unterschobenen

') Das Wort ist dhahdäh, welches in allen Traditionen über diesen Gegenstand sorgfältig beibehalten wird. Sie entstammen also alle aus einer Quelle. Siehe Bochäry S. 54'^.

') Vergl. meinen Aufsatz in der Zeitschr. d. deutsch -morgenl. Ges. 1860 erstes Heft.

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gehören. Da nun unsere zwei Hauptquellen über die Pro- pheti'uljioj^raphie für Abu 7'ä.lib Partei nehmen, stellen sie ihn wahrscheinlicli, indem sie den Schutz, den er seinem Neffen «gewährte, erzählen, edler dar, als er wirklich war, ohne jedoch die Lügen, welche ihre Vorgänger zu seinem Nachtheil erdichtet hatten, kritisdi auszuscheiden. Aus Tra- ditionen, welche ohne Rücksicht auf Abu Tälib überlie- fert worden sind, geht hervor, dafs er des Propheten Le- ben schützte, dafs er ihm aber gegen Unbilde nicht bei- stand; und da Mohammad selbst schwach und persönlich feig war, mufste er diese ungerächt ertragen.

Indem Abu Tälib wenigstens so weit über seinen Neffen schützend seine Hand ausbreitete, hatten die übrigen Mit- glieder seiner Familie zwar die Wahl, sich ihm anzuschlie- fsen oder ihn im Stiche zu lassen. Indessen hätten sie das letztere gethan, so würden sie ihr Ansehen für immer ver- loren haben; es hätte ihnen zur ewigen Schande gereicht, wenn sie einem Druck von aufsen nachgegeben und ein Familienglied geopfert hätten. Anders wäre es gewesen, wenn Abu Tälib in Verbinduno- mit seinen Brüdern von xVnfang an und aus freiem Antriebe ihn selbst genöthigt, seinem Berufe zu entsagen, und wenn er ihn im lalle der Verweifferuno^ aus Makka verwiesen liätte. Aber Abu Tälib fühlte sich ihm verpflichtet, und das Uebernatür- liche der Beg-eisteruns; des Mohammad wurde allgemein anerkannt, ja selbst seine Feinde behaupteten, es seien Ginn in ihm. Aufserdem war Mohammad sehr schonend uresen Vorurtheile. Anfanü:s war also kein Grund vorhan- den, ihn zu verlassen, und da seine V^erwandten einmal an- gefangen hatten, ihn zu schützen, mufsten sie auch fort- fahren, es zu thun.

Der erste Schritt, den die Mala gegen ihn machte, war vollkommen loyal. Mit Walyd b. Moghyra an der Spitze begaben sich mehrere aus ihrer Mitte zu Abu Tälib und sprachen: Dein Neffe lästert unsere Götter, tadelt un- sere Religion, erklärt uns für Thoren und behauptet, dafs

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unsere Väter im Irrtbume waren. Entweder bringe ihn zum Schweigen oder entziehe ihm deinen Schutz und wir wol- len schon daiiir soro-en, dafs er es nicht läno^er treibe. Abu Tälil) empfing sie mit Artigkeit und machte ihnen mit ifrofser Mälsio-uno' Vorstelluna:en o-eoren ihr Verlangen. Sie standen davon ab und entfernten sich ').

Ich nehme an, dafs dieser Besuch im Frühling oder zu Anfano; des Sommers 613 stattfand. Wie wir bereits «resehen haben, ist so viel gewifs, dafs ungefähr um jene Zeit jede Familie diejenigen von ihren Mitgliedern streng überwachte, welche dem Mohammad anhingen, und sie auch, wenn sie von ihm nicht abfielen, quälte. Auch Abu Tälib scheint seinem Neffen eine Warnung gegeben zu haben, denn er wagte es nicht die nächsten zw ei Jahre öffenthch zu pre- diijen.

Die im vorigen Kapitel erzählte Rücknahme des Zu- geständnisses, welches Mohammad zu Gunsten der Lät, Ozzä und Manäh geniacht hatte, schürte den Geist der Verfol- gung. Die aus Abessynien zurückgekehrten Moslime waren natürlich am schlechtesten daran und sahen sich genöthigt, wie hülflose Fremde ihre heidnischen Bekannten um jenen Schutz anzuflehen, welchen ihnen ihre Verwandten schul- dig waren , aber verw eigerten. Der ritterliche Sinn der Araber läfst es nicht zu, den Schwachen, wenn er so weit gekommen ist, seine Hülfsbedürftigkeit zu bekennen, von der Thür zu weisen, selbst wenn bis dahin die bitterste Feindschaft bestand und dessen Rettung- im o:rellsten Wider- Spruche mit den Interessen des Stärkern stehen sollte. Wer kennt nicht die Geschichte des Cid? er hatte den ed- len Geist seiner Väter bewahrt.

Der aus Abessynien zurückgekehrte 'Othmän b. Matz ün begab sich zu Walyd b. Moghyra und bat, dafs er ihn als Gast aufnehme. Der Erzfeind des Islams war durch seine Bitte entwaffnet und öffnete ihm sein Haus. Er machte al-

') Ibn Ishäk, S. 196.

I

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lenthalben bekannt, dafs 'Otlimän unter seinem Schutze siehe, und er eine Beleidigunof G:ei'en seinen Schützlinor als einen Schimpf gegen sich selbst rächen uürde, und er gestat- tete ihm zugleich volle Freiheit, nach seiner Ueberzeu- gung zu denken und zu handeln.

Indessen solche Ritterlichkeit von der einen Seite ist nicht denkbar ohne ein ähnliches hohes Selbstgefühl von der andern: Edelmuth unter erbärmlichen Wichten und Frei-, gebigkeit unter schamlosen Bettlern mufs sich schnell er- schöpfen. Um solche Tugenden, welche ein Bediirfnifs der Menschen sind, unter sich üben zu können, finden es die Reichen und Mächticren nöthio-, sich von den Armen zu sondern, und diese Sonderung ist um so exclusiver, je grö- fser der Reichthum einer Kation ist. 'Othmän w ar seines Gön- ners würdig; er sprach zu sich selbst: Morgens und Abends gehe ich in voller Sicherheit aus und ein unter dem Schutze eines lJns:Iäubio:en, während meine Gefährten und Glaubens- genossen wegen Allah Lnannehmhchkeiten und \ erfolgungen ausgesetzt sind. JSein, ich kann den Gedanken nicht länger ertragen, dafs ich nicht ihr Schicksal theilen soll'). Kr be- gab sich zu Walyd und sprach: Deine Ver[>flichtung gegen mich hat ein Ende, denn ich verzichte auf deinen Schutz. Wa- lyd antwortete: Warum so, mein lieber Neffe, hat dir viel- leicht Jemand von meinem Stamme etwas zu Leide gethan? Nein, antw ortete er, aber ich ziehe es vor, mich dem Schutze Allah's anzuvertrauen und will nicht der Schützling von irgend Jemand sein. Wenn dem so ist, versetzte Walyd, so begleite mich zur Ka'ba und erkläre dort öffentlich, dafs du meinem Schutze entsagst, Avie ich vor aller Welt er- klärt habe, dafs du mein Schützling seiest. Sie begaben sich zur Kaba und Walyd rief mit lauter Stimme: Hier ist Othmän! er ist hierher gekommen um zu erklären, dafs

' ) Ich glaube, dafs diese Verzichtleistung unmittelbar nach der Bekehrung Omar's stattgefunden, als die Moslime es versuchten, das Volk von der Mala zu trennen und Mohammad Süra 38 verfafste.

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er auf meinen Schutz verzichte. Othmän sprach darauf: Es ist wahr, was er sagt. Er hat sich gegen mich als einen edlen treuen Beschützer bewiesen, und wenn ich ihn verlasse, so geschieht es nur deswegen, weil ich keinen andern Hescliützer wünsche als Allah. Ich erkläre hiermit, dals ich seinem Schutze entsage! ')

Von einem andern, viel rohern Feinde des Mohammad, -den er in einer Süra des Korans angegriffen hatte, wird ein noch edlerer Zug erzählt; ich nenne ihn edler, weil die Ehre sein Beschützer zu sein, ihm nicht unmittelbar zukam. Abu Salima, der Machzümite, begab sich unter den Schutz des Abu Tälib. Einige Männer der Machzümfamilie gin- gen zum Schaych und sprachen: Wie, Abu Tälib, du beffnüo'st dich nicht damit, deinen Neffen Mohammad zu schützen, du übernimmst es auch, ein Mitglied unserer Fa- milie unserer Obhut zu entziehen. Er antwortete: Er hat sich unter mein Dach geflüchtet, er ist der Sohn meiner Schwe- ster und ich werde ihn so lans:e schützen als wie den Sohn meines Bruders. Daraut erhob sich Abu Lahab, der Erz- feind des Islams und sprach: 0 Korayschiten, ihr treibt es Avirklich zu arg gegen diesen Schaych. Ihm allein im gan- zen Stamm verdenkt ihr es, wenn er Jemanden beschützt. i)ei Allah, wenn ihr so fortfahrt, so erheben wir uns und unterstützen ihn in allem, was er thut, ja wir wollen die blinden Werkzeuge seines Willens sein. Diese entschlos- sene Erklärung des Alni Lahab zu Gunsten seines Bruders Abu Tälib bewog die Machzümiten sich zurückzuziehen und den Schutz, den er dem Abu Salima angedeihen liefs, zu respektiren -).

Den Propheten linden wir im Sommer 617 in dem Hause seines .lüngers Arkam; wie er dahin kam, wird nicht gesagt. Der stereotype Beisatz, welcher nie fehlt, wenn das Haus Arkams erwähnt wird, lautet: »er predigte darin

') Ibn Ishäk, S. 243. «) Ibn Ishä]^, S. 244.

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den Islam und forderte die Menschen auf, ihm beizutreten.« Auch wissen wir, dafs sein Aufenthalt eine nichtige Epoche in der Bekehrun*i;sgeschichte war, und dafs während des- selben sich mehrere Männer für 3lohammad erklärt haben. Wann er sich in das Haus des Arkam begeben luid was ihn dahin gebracht habe '), läfst sich zwar nicht genau be- stimmen, doch ist gewils, dafs sein Aufenthalt daselbst mit dem Höhepunkt der durch die Zurücknahme seines Zuge- ständnisses bewirkten \ erfolgungen zusammenfällt. Die un- mittelbare Ursache aber mögen seine bösen INachbarn ge- wesen sein. »Ich w ohnte, erzählt er '-'), zwischen den bos- haftesten Nachbarn, nämlich Abu Lahab und 'Okba b. Mo'ayt. Allen Unrath, den sie hatten, warfen sie vor meine Thür, ja selbst den Koth. Der Prophet, fährt 'Äyischa fort, ging dann hinaus und rief: 0 Banü 'Abd 3Ianäf, was sind das für Nachbarn! und er warf den Unrath auf die Gasse ^)."

') 'Abd Allah, ein Sohn des Sergius, war ein Verbündeter der Familie Machzüm. Wenn dieser Sergius identisch ist mit Bahyra, dem Lehrer des Mohammad (vergl. Anh. zu Kap. 13), so erklärt es sich sehr gut, warum sich Mohammad in das Haus eines Mach- zümiten zurückzog; vielleicht war es hier, wo Mohammad die Ge- schichtchen, wie die des Joseph von Egypten, erzählte, mit der Versicherung, sie seien ihm geoffenbart worden. Bahyra bezeugte, dafs sie wirklich so im Buche Mosis stehen. Vielleicht ist es die- sem Kunststücke zuzuschreiben, dafs er im Hause des Arkam meh- rere Bekehrungen machte (vergl. Kap. 13).

') Ihn Sa'd, fol. 38, von Wäkidy, von 'Abd al-Rahmän b. Abu Zinnäd, von Hischäm b. 'Orwa, von seinem Vater, von "Ayischa, vom Piopheten.

3) Bochäry, S. 543, von Scho'ba, von Abu Ishäk, von 'Amr b. Maymün, von 'Abd Allah [b. Masüd]:

„Während der Prophet, umgeben von einigen Korayschiten, sich prosternirte, brachte 'Okba b. Mo'ayt den Abfall von gebärenden Thie- ren und warf ihn über ihn. Er aber hob sein Haupt nicht auf. Es kam seine Tochter Fätima und nahm denselben von seinem Rücken und verfluchte den Thäter. Der Propliet sagte darauf: O Gott, ich über- lasse dir die Mala (Fürsten) der Korayschiten, besonders den Abu Gahl b. Hischäm, ütba b. Raby'a, Schayba b. Raby a, Omayya (oder Obayy) b. Chalaf. Ich bemerkte später, sagt Ibn Masüd, [dafs die-

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Es wäre doch zu arg gewesen, wenn Gott die Un- bilden, welche sein Bote zu ertragen hatte, ganz ungerächt gelassen hätte. Yazyd b. Rümän, einer der Gründer der Prophetenbiographie, erzählt (bei Ibn Ishäk S. 272) gestützt auf den Koränvers 15, 95, in Avelchem Gott verspricht, er wolle für die Spötter sorgen: Der Engel Gabriel kam zu Mohammad, als die Leute um die Ka'ba herumgingen. Der Engel blieb stehen und der Prophet stellte sich neben ihn. Es «ino: Aswad b. ]\Iottalib vorüber; der Enbrel warf ihm ein irrünes Blatt in's Gesicht und er wurde blind; als As- wad b. 'Abd Yäghüth vorbeiging, zeigte er auf seinen Un- terleib, und er starb an der Wassersucht; als Walyd b. Moghvra kam, zeigte er auf die ISarbe, welche von einer Wunde, die er vor mehreren Jahren durch einen Pfeil er- halten hatte, herrührte. Die Narbe brach auf, und er starb daran. Er zeigte auf den hohlen Theil der Fufssohle des 'Äc; b. Wäyil. Einige Zeit darauf ritt er auf einem Esel nach Täyif; auf dem Wege scheute das Thier vor einem

ser Fluch in Erfüllung ging, denn] die Genannten wurden in den Brunnen von Badr geworfen, mit Ausnahme von Omayya b. Chalaf, dessen Gliedraafsen getrennt wurden, der aber nicht in den Brun- nen geworfen wurde."

Bochäry, S. 519, 544, von Mohammad b. Ibrähym Taymy, von Orwa:

^Ich fragte 'Abd Allah, den Sohn des 'Amr b. al- A9 (sie! nicht wie Ibn Ishäk: Ich fragte den 'Amr b. al- A9.), welches das Schlimmste sei, was die Ungläubigen dem Propheten angethan haben. Er ant- wortete: Er betete einst im Higr der Ka ba und es kam 'Okba b. Mo'ayt, legte ihm sein Kleid um den Hals und würgte ihn sehr heftig. Abu Bakr packte den 'Okba bei den Schultern und sagte: Wollt ihr einen Mann tödten, weil er sagt: Mein Herr ist Allah!?"

„Die Drohung in den Koränversen 25, 29 31 bezieht sich auf 'Okba b. Aby Mo'ayt und Obayy b. Chalaf. Eines Tages besuchte 'Okba den Propheten und horchte ihm zu. Obayy, mit dem er im vertrautesten Verhältnisse lebte, hörte davon und machte ihm Vor- würfe darüber. Der andere, um ihm zu beweisen, wie sehr er den Propheten verachte, sagte, er wolle ihm in's Gesicht speien, und er that es auch."

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Busch, er trat sich einen Dorn in den Fufs und starb. Er zeigte auf den Kopf des Ihn Toiätila; es bildete sich ein Geschwür, durch Avelches er sein Leben verlor.«

Arkam war ein Mitj-lied der mächtigen Familie Älach- züm, und Avie feindlich auch die Häuptlinge derselben dem Islam sein mochten, so war es eine Anerkennung ihrer Macht und Ritteilichkeit, wenn ein freies Mitglied einer anderen Familie bei ihnen Schutz suchte, und ohne die hergebrachten Gewohnheiten zu verletzen, konnten sie ihn nicht versagen. Für Mohammad selbst war es freilich eine Schande genöthigt zu sein, zu einem fremden Hause seine Zuflucht zu nehmen; aber dieser Schimpf fiel auf seine Verwandten, die denselben auch nicht lange tru- gen. Ihm war die Siclierheit, die er genofs, von gro- fsem Vortheil, denn er brachte die Zahl seiner erklärten Anhänger in ein paar Monaten von weniger als vierzig zu mehr als hundert. Edle Naturen finden einen Genufs in Gefahren; und Hindernisse, welche in dieser Welt nie fehlen, scheinen dazu vorhanden zu sein, die schönsten Eigenschaften des Menschen zu entwickeln. Der Drang für einen hohen Zweck zu kämpfen und zu wagen, hat auch bei dieser Gelegenheit dem Islam einige der schön- sten Kräfte zugeführt. Einer von denen, welche sich im Hause des Arkam bekehrten, war der Löwe Gottes, Hamza, ein Sohn des Abu Tälib und Vetter des Propheten.

Abu Gahl ging beim (^'afä, wo Arkam's Haus stand, am Propheten vorüber, schimpfte ihn und erlaubte sich beleidigende Bemerkungen über dessen Religion und Ver- hältnisse. Mohammad schwies;. Eine Frau, welche in ih- rem Hause safs, hörte es ^). Abu Gahl begab sich in die

') Auch bei einem andern Vorfalle war eine Frau die Be- schützerin des Mohammad.

Abu Gahl und eine Anzahl anderer Ungläubiger versperrten dem Propheten den Weg und quälten ihn. Tolajb eilte herbei n. * 6

Gesellscliaft der Korayschiten, \velclie bei der Ka'ba safsen, und unterhielt sich mit ihnen. Es dauerte nicht lans:e, da kam Hamza, welcher ein Jagdhebhaber war, mit Pfeil und Bogen vom Jagen zurück, und seiner Gewohnheit gemäfs ging er auf die Ka'ba zu, un) \velche er herum zu gehen pflegte, ehe er sich nach seiner Wohnung begab. Auf dem Wege trat ihm die Frau entgegen der Pro])het hatte sich nach Hause begeben und sagte: o Hamza! wenn du doch gesehen hättest, wie soeben Abü-1-Hakam ') deinen Vetter Mohammad behandelt hat: er hat ihn be- schimpft und gröblich beleidigt. Da Gott seine Wunder an Hamza wirken wollte, so ward dieser von Zorn entflammt. Obschon es sonst seine Sitte war, wo er immer einige Leute beisammen sah, sie zu grüfsen und mit ihnen eine Weile zu plaudern, so ging er jetzt doch schnellen Schrit- tes fort, ohne sich bei irgend Jemandem aufzuhalten, um Abu Gahl aufzusuchen und zurechtzuweisen. Er fand ihn bei der Ka'ba in Gesellschaft mehrerer Leute, ging auf ihn zu und gab ihm mit dem Bo'J:en einen derben Schlag auf den Kopf mit den Worten: Wie, du wagst es, ihn zu schimpfen, ihn, an dessen Religion ich glaube und dessen Ansichten meine Ansichten sind? Gieb mir den Schlag zu- rück, wenn du es wagst! Einige von den anwesenden

und schlug den Abu Gahl blutig. Tolayb wurde darauf von den übrigen ergriffen, aber Abu Lahab vertheidigte ihn und hinterbrachte die Sache seiner Mutter Arwä, dafs sie ihn strafe. Sie aber sagte: Der schönste Tag meines Sohnes ist der, an welchem er seinen Vet- ter vertheidigt hat. Es wurde dann dem Abu Lahab hinterbracht, dafs sie zur (^äbierin geworden sei. Er begab sich zu ihr und ta- delte sie darob. Sie antwortete: Gehe und schütze deinen NeflFen; gelingt es ihm, was er angefangen, so gewännst du dabei, thust da es nicht, so hast du deinen eigenen Neffen verrathen. Er antwor- tete: Unsere Macht beruht auf den Arabern (Bedouinen), diese aber mifsbilligen es, dafs er eine neue Religion einführen will. I^äba unter Arwä.

') Abu Gahl, d. h. Vater der Unwissenheit, ist ein Schimpf- name; das wahre Kunya dieses Mannes ist Abü-1-Hakam.

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Machzümiten , zu deren Familie Abu Gahl gehörte, eilten ihm zu Hülfe; dieser aber sagte: Lafst ihn gehen, denn ich habe fürwahr seinen Vetter gar arg beschimpft. Hamza blieb Moslim; als die Makkaner seine Bekehrung vernah- men, wufsten sie, dafs Mohammad eine mächtige Stütze gewonnen habe, und sie wagten es nicht, sich so vermes- sen gegen ihn zu betragen wie bisher ^).

Nicht lange nach Hamza '^), im August 617, als der Prophet noch im Hause des Arkam weilte, bekehrte sich 'Omar, der gröfste Staatsmann, der je gelebt hat.

'Omar, sagen seine Biographen, hatte, wie die Män- ner aus dem Sadüs- Stamme, einen kräftigen Körperbau und eine w eifs - röthliche Haut ^). Wenn er sich unter einer Volksmenge befand, ragte er durch seine ungewöhn- Hche Gröfse über alle empor. Dabei war er behend und wurde der Amphidexter geheifsen, weil er die linke Hand mit ebenso viel Fertigkeit benutzen konnte als die rechte; er hatte einen schnellen Gang und machte grofse Schritte. Als er dem Islam beitrat, war er 26 Jahre alt und in sei- ner vollen Jugendkraft. Diesen kräftigen Körper belebte

') Die Nachrichten stimmen auf das Befriedigendste überein. Ihn Sa'd, fol. 179, von Wäkidy, von 'Obayd Allah b. 'Abd al-Rah- män b. Madhab, welcher den Mohammad b. Kab Koratzy erzählen hörte: Abu Gahl, 'Adyy b. Hamrä und Ihn AQady begegneten eines Tages dem Propheten und beschimpften und quälten ihn. Hamza er- fuhr es, begab sich voll Wuth in den Bethof und schlug den Abu Gahl mit dem Bogen, dafs man am Kopfe die Spuren sehen konnte. Hamza bekehrte sich dann und Mohammad und die Moslime wur- den durch seine Bekehrung gehoben. Dieses ereignete sich, nach- dem er sich in das Haus des Arkam begeben hatte, im Jahre 6 nach der Sendung.

Die von Wähidy 6, 122 auf die Auktorität des Ibn 'Abbäs er- zählte Darstellung nähert sich der des Ibn Ishäk (S. 184).

^) Dem Madärig Bd. 1 S. 56 zufolge nur drei Tage später.

') Nach einer Tradition war er braun; es heifst, dafs er ur- sprünglich weifs gewesen, in dem Seuchenjahr A. H. 18, welches 'Am alramäda genannt wurde, weil es Mensch und Vieh hinwegraflfte, sich von Oel nährte, während er bis dahin Milch und Butter zu es-

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ein gesunder Ceist. Er hatte einen richtigen Blick, war rasch im Entschlufs, unerschütterhch in seinem Vorhaben und kühn, ja gewaltthätig in der Ausführung. Dieser mäch- tige IMann besals alle Eigenschaften, um, was er auch im- mer ergreifen mochte, Ungewöhnliches zu leisten und eine Wohlthat oder ein Fluch für seine Mitmenschen zu sein. Glücklicher Weise war er dabei schlicht, frei von Selbst- sucht und persönlichen Rücksichten , und w enn er auch unter seiner Geradheit viel ScJilauheit verbarg und mit Rob- heit Nachgiebigkeit verband, so war er doch von den edel- sten Absichten beseelt. Geo-en seine Freunde bewies er

o

grofse Anhänglichkeit und i\ulopferung, sie mufsten sich's aber gefallen lassen, dafs er in wichtigen Momenten für sie sprach und handelte; er fühlte, dafs er zum Herrscher geboren sei. Er machte nach dem Tode des Propheten keine Ansprüche auf das Chalyfat, sondern erhob den Abu Bakr zu dieser Würde, leitete aber in den meisten Fällen die öffentlichen Angelegenheiten. Um sein Verhältnifs zu Mohammad deutlich zu machen, erlaube ich mir einen Vergleich. Wie der Mann in der Schwäche seiner Frau eine gewisse IJebermacht erblickt, ihre Rathschläge be- folgt und selbst ihren Launen nachgiebt, sie beschützt und zugleich leitet und erzieht, so auch scheint es gerade die Schwäche des Mohammad jjewesen zu sein, was den s:e- waltigen 'Omar zu ihm hinzog; die Ueberlegenheit seines einseitigen Genies, in dem er die Stimme Gottes erkannte, erfüllte ihn mit Verehruno; aber in o^ewöhnlichen Dinuen bewachte er ihn, wie eine Mutter ihr Kind. Er übte mo- fsen Einflufs auf Mohammad's Gesetzo-ebun»; selbst jMos- lime schreiben ihm den Ursprung von einigen Koränver- sen zu '). Er mischte sich sosrar in dessen Familienansrele-

sen gewohnt gewesen war, und dies die Ursache der Veränderung seiner Hautfarbe war. Es ist richtig, dafs in tropischen Ländern, wo die Hautfarbe der Menschen dunkel ist, sich Schwäche und Kränklichkeit durch Bleichung derselben zeigen.

•) Tha'Iaby, Tafs}T 2, 119, von Mohammad b. 'Abd AUah

b. Mothanniy AnQary, von Homayd dem Langen, von Anas b. Miilik:

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genheiten; so erschien er, als sich in dem Harem des Pro- pheten ein rebellischer Geist zeij^te, mit einem Stocke in der Hand unter den schönen Bewohnerinnen und stellte mit Schimpiworten und Schlaufen die Subordination wieder her. Wenn auch nicht viele AVaffenthaten von ihm erzählt werden, so war er doch der gewaltige Hagen des Islams, welcher bei allen wichtigen Gelegenheiten das Wort nahm und Widerspruch und Schwierigkeiten mit dem Stocke oder Säbel beilegte.

„'Omar sagte: Gott hat in drei Dingen mit mir übereingestimmt. Ich sagte zum Propheten: Wäre es nicht passend, wenn du den Ma- kam Ibrähym zu einem Betplatze machtest? und Gott offenbarte Kor. 2, 119. Ein anderes Mal sagte ich zu ihm: Es gehen tugend- hafte und ausschweifende Menschen aus und ein bei dir; wäre es nicht besser, wenn du das Verschleiern deiner Frauen einführtest? und es wurde Kor. 33, 53 geoffenbart. Einmal bemerkte ich, dafs die Mütter der Gläubigen und der Prophet in Zwiespalt gerathen waren. Ich begab mich zu ihnen und sagte: Wenn ihr den Propheten nicht in Ruhe lafst, so wird ihm Gott statt eurer bessere Frauen geben. Die letzte, der ich einen Verweis gab, war Omra Salama, und sie antwortete: Kann der Prophet seinen Frauen nicht selbst einen Ver- weis geben, dafs du dich berufen fühlst, dies zu thun? Ich schwieg und es wurde sogleich Kor. 66, s geoffenbart. "

Moslim, Bd. 1 S. 462, von Gowayryya b. Asmä, von Näfi', von Ibn 'Omar:

„Omar sagte: Ich stimmte in drei Dingen mit Gott überein: In Bezug auf den Makäm Ibrähym, auf das Verschleiern und auf die Kriegsgefangenen von Badr."

Thalaby, von Ibn Kaysän:

„Man erzählt, dafs der Prophet in Begleitung des 'Omar bei dem Makäm Ibrähym vorüberging. 'Omar sagte: Ist dieses nicht der Makäm unseres Vaters Abraham? Allerdings. Willst du ihn nicht als Betplatz wählen? Ich habe keinen Befehl dazu. Die Sonne war noch nicht untergegangen, als Kor. 2, ii9 geoflfen- bart wurde."

Aus einer Tradition bei Moslim, Bd. 2 S. 463, geht hervor, dafs auch die Offenbarung von K. 9, S5 durch 'Omar verursacht wurde. Wenn die Moslime diese Fälle zugeben, dürfen wir schliefsen, dafs sie sehr häufig waren, denn solche Geständnisse widersprechen ihren Ansichten von Ofifenbarung.

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Der schwache Mohammad wäre geneigt gewesen, je- nen Geist mönchischer Demuth und Entsagung seinen An- hängern einzuprägen, welcher das Christenthum vom Islam unterscheidet. Die Moslime verdanken dem festen Willen des 'Omar jene stolze, männliche Selbstachtung und jenes brü- derliche Zusammenhalten, welche Eigenschaften sie vor allen anderen Religionsgemeinden auszeichnen und selbst unter den Gräueln der Türkenherrschaft im Volke noch fortleben. Ein Moslim stellt sich über alle andere Menschen und selbst über die Engel; er achtet Niemanden aufser seinem Glau- bensbruder und diesen achtet er, weil er Moslim ist, auch hält er sich für dessen Ehre und Wohlfahrt verantwortlich. Wenn ein Gläubiger auf einer Reise in einem kleinen Orte anlangt, so ist sein erster Gang nach der Moschee; dort findet er stets Brüder, die ihn in ihr Haus aufnehmen und ihm mit Rath und That beistehen. Die Moschee dient näm- Hch in vielen Orten nicht blofs als das Bethaus, sondern auch als die Schule und das Forum der Gläubigen. Wenn die Unschuld einer gläubigen Frau in Gefahr ist, so leistet ihr jeder Moslim Schutz, und wenn sie sich vergangen, hält sich Jeder für berechtigt, sie zu strafen, ja zu tödten. Dies ist der Geist des Omar, der noch unter den Beken- nern des Islams fortlebt.

Von der Jugendgeschichte dieses grofsen Mannes wis- sen wir, dafs er ursprüngHch die Kameele seines Vaters hütete und sie nach Dhagnän, einer sumpfigen, aber mit üppiger Vegetation besetzten Gegend in der Wüste, nörd- lich von Makka, hinaustrieb. Nachdem er als Chalyf aus- gerufen worden war, ging er einmal bei diesem Orte vor- über und in dankbarer Erinnerung dafür, dafs ihn die Vor- sehung zum mächtigsten Manne seiner Zeit gemacht habe, sprach er (Vers):

»Alles, was du siehst, ist nur Tand; Gott allein bleibt, und er gewährt Reichthum und Kinder.«

Es ist sehr begreiflich, dafs die Volkssage die Be- kehrung dieses Mannes, wie die des Paulus, einem Wun-

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der zuschreibt. Es wird erzählt: Mohammad betete zu Gott, dals er seine Rehgioii durch den Uebertritt des Omar oder seines Erzfeindes Abu (Jahl verherrHchen möge^). Seine Bitte wurde erliört, und er hatte sich kurz darauf der Bekehrung Omar's zu erfreuen.

»Omar, so fälirt die Volkssage fort, ging, das Schwert über die Schulter gehangen, aus, und begegnete einem Zoh- riten, Avelcher ihn fragte: Wo gehst du hin, 'Omar? Er antwortete: Ich bin entschlossen, den Mohammad zu tödten. Aber, ^vie wirst du vor den Hanü Häschim und Banü Zohra sicher sein, wenn du ihn todt schlägst, fragte der Zohrite? 'Omar erwiderte: Mir scheint, auch du bist zum Täbier geworden und hast die Religion verlassen, in der du ge- boren. Der Zohrite sagte: Soll ich dir etwas sagen, was noch sonderbarer ist? Dein Schwager und deine eigene Schwester [Fätima] sind ^'äbier geworden und haben deine Religion verlassen. Omar begab sich wüthend zu seinem Schwager [Sa'yd b. Zayd]. Es war gerade ein Gläubiger Namens Chabbäb bei ihm und seiner Frau. Chabbäb ver- barg sich, als er 'Omar's Fufstritte hörte. 'Omar trat her- ein und sprach: Was ist das für ein Gesumme, welches ich soeben vernommen? Sie hatten nämlich gerade die Süra Tah (das 20ste Kapitel des Korans) gelesen. Sie antworteten : Wir haben uns über die Tagesneuigkeiten unterhalten. Ich vermuthe, sagte Omar, ihr seid (^äbier geworden. Und wie, versetzte sein Schwager, wenn die Wahrheit in einer andern Religion als der deinigen wäre? 'Omar sprang auf ihn zu und gab ihm einen Tritt, und seiner Schwester, welche ihrem Manne zu Hülfe eilte, ver- setzte er eine tüchtige Ohrfeige. Sie blutete und sprach: Zürnest du mir, o Omar? Aber wenn dennoch deine ReH- gion falsch wäre? Ich bezeuge, dafs es keinen Gott giebt

') Diese Tradition ist alt und ging wahrscheinlich von Mo- hammad selbst aus. Sie hat, wie es scheint, die wunderbaren Be- kehrungsgeschichten in's Leben gerufen.

aufser Allah und dafs Mohammad sein Bote ist. 'Omar verzweifelte, sie von ihrem Glauben abwendig machen zu können und sagte: Gebt mir die Schrift, die ihr habt, auf dafs ich sie lese, 'Omar hatte nämlich bereits die Bibel gelesen. Seine Schwester antwortete: Du bist unrein, und nur die Reinen dürfen sie berühren. 'Omar wusch sich, dann nahm er die Schrift und las die Süra bis zu den Worten: »Ich bm (lott, es giebt keinen Gott aufser mir«. Er rief aus: Führt mich zu Mohammad, Chabbäb kam nun aus seinem Schlupfwinkel hervor und sprach: Freue dich, 'Omar, die Fürbitte, welche der Prophet am Donnerstag für dich einlegte, ist \virksam. Er betete näm- hch: Stärke den Islam durch die Bekehrung des 'Omar b. Chattäb oder des 'Amr b. Hischäm (d. h. x\bü Gahl). Der Prophet befand sich in dem Hause [des Arkam], welches am Fufse des ^afä- Berges liegt. 'Omar begab sich dahin und fand Hamza und Talha und andere Gläubige an der

O

Thür. Die übrigen iürchteten sich vor ihm. Hamza aber sprach: Ja, es ist Omar. Wenn ihm Gott wohl will, so bekehrt er sich und folgt dem Propheten, hat er aber an- dere Absichten, so wird es uns ein Leichtes sein, ihn zu tödten. Der Prophet war im Innern des Hauses und es wurde ihm geoffenbart, was vorging. Er kam daher her- aus, nahm Omar beim Kleide und Säbelriemen und sprach: Für dich hat Gott nicht bestimmt, dafs du einen so schreck- lichen Lebenswandel führen sollst wie Walyd b. Moghyra. 0 Gott verherrliche den Islam durch den Beitritt 'Omar's! Darauf legte dieser das Glaubensbekenntnifs ab« ').

Legenden gehen meistens aus dem Bedürfnisse her- vor, eine subjektive Ueberzeugung oder auch eine That- sache, welche nicht stark genug in die Sinne fällt, durch eine Erzählung recht anschaulich zu machen. Omar wurde

') Ibn Sa'd, fol. 231, von al-Kcisim b. 'Othmän Bacry, von Anas b. Mälik. Aehnliche Traditionen sind auch bei Ibn Isluik:, S. 246, und 'Oyün alathar, S. 23.

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durch die Erhabenheit des Korans bewogen, dem Islam beiziitret4'n; um nun dieses recht handgreillicli zu machen, hat ihui ein fronnner Traditicinist lolirende Erzählung: in den Mund gelegt'): »Ich verliels mein Haus, um uiich dem Propheten zu widersetzen (wohl nur zu dispuliren ). Er hatte sich vor mir nach der Moschee (der Ka'ba) bege- ben, wo ich ihn auch traf. Ich blieb stehen und er reci- tirte den Aidang von Sura 69. Ich bewunderte die Com- position des Korans und sprach zu mir selbst: Er ist ein Dichter. Er las darauf den Vers: »Er ist nicht ein Dich- ter: ihr habt A\enig Glauben.« Ich dachte: Nein, er ist ein Kähin, denn er weifs, was ich denkf. Darauf fuhr er fort: Dies sind nicht die Worte eines Käliin, und vollendete dann die Süra. Nun schlug der Islam tiefe Wurzeln in mir« '^).

Diese Tradition ist, dem bdia-lte nach zu urtheilen, äl- ter als die vorhersfehende. Ibn Ishak, S. 247, hat eine noch weniger ausgebildete aufbewahrt, welche ebenfalls die Tendenz hat zu zeiijen, dafs die Hekefuunjj: des 'Omar der Macht des Korans zuzusclireiben sei. Dieser zu-

') Sohayly, Abkürz. S. 36, von [Mohammad h. 'Abd Allah] Ibn Sangar, von Abü-1-Moghyra, von Cafwän b. Amr, von Scho- rayh b. 'Obayd.

*) Es hat sich auch eine andere, von dieser ganz unabhängige Tradition gebildet, welche Baghawy, Tafs. 74, 17 aufbewahrt hat. Dieser zufolge machte der Anfang von Süra 40 einen so tiefen Ein- druck auf Walyd b. Moghyra, dafs man fürchtete, er werde zum Islam übertreten. Er hatte diese Offenbarung bei der Ka'ba er- horcht, begab sich zu seinen Stararagenossen und drückte seine Be- wunderung über dieselbe aus; dann ging er nachdenklich nach Hause. Abu Gabi eilte ihm nach und bewog ihn, zu seinen versammelten Stammgenossen zurückzukehren. Hier entspann sich das Gespräch, in welchem er und die übrigen Heiden erklärten : Mohammad ist nicht von Ginn besessen, er ist kein KAhiti, kein Dichter und kein Lügner. Endlich kam Walyd zum Schlufs, dafs er ein Sahir (Zau- berer) sei, weil er durch seine Lehre die wundprbai-,sten Dinu^e be- wirke. Ibn Ishak versetzt die Erklärung in eine andere Zeit und giebt eine andere Veranlassung an. Ich werde seiner Version der Geschichte

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folge war 'Omar ein lustiger C4eselle, der den Wein liebet und seinen Abend gern in) Stadtviertel Hazwara bei einer Machziimitischen Familie unter Trinkgenossen zubrachte. Eines Tages fand er sie nicht versammelt, er begab sich in die Schenke, aber auch diese war geschlossen, und so ging er zur Ka ba. Dort fand er den Mohammad. Er hatte eine Stellung eingenommen, dafs sein Gesicht gegen die Ka'ba und Syrien (Jerusalem) gekehrt war, und betete so laut, dafs man jedes Wort vernehmen konnte. Seine An- dachtsübungen bestanden in der Recitation von Koränstel- len. Omar schlich sich unbemerkt näher und verbarg sich hinter dem Tuche, mit dem der Higr bedeckt war, um ihn deutlich hören zu können. Die Worte Gottes, welche er sprach, machten einen solchen Eindruck auf ihn, dafs er ihm, als er sich entfernte, in sein Haus folgte und das Glaubensbekenntnifs ablegte.

Die wohlmeinenden Erfinder dieser Erzählungen schei- nen sich wenig in die Verhältnisse der Zeit versetzt und nicht bedacht zu haben, dafs wohl Jedermann im Higäz mit einigen Offenbarungen bekannt war und dafs diejeni- gen, welche Mohammad von Zeit zu Zeit erhielt, so schnell

einen Platz anweisen, obschon sie mir jünger zu sein scheint als jene. Hier will ich jedoch bemerken, Mohammad habe sich im Ko- ran dagegen verwahrt, dafs er ein Sahir sei. Aber Sahir ist in dem Sinne von Taschenspieler, Betrüger aufzufassen. Der Schlufs dieser Geschichte hat die Absicht, gestützt auf die Verdrehung des Sinnes der betreffenden Koränstelle, zu zeigen, dafs auch die Ungläubigen schon in früher Zeit die übernatürliche Kraft seiner Inspirationen anerkannten und ihn deswegen Sahir (Wundermann) nannten.

Ich werde in Kap. 13 zeigen, dafs die Makkaner wirklich Ur- sache hatten, einige Koränstücke, welche er um die Zeit der Be- kehrung des Omar veröffentlichte, für eine Betrügerei zu halten und dafs Mohammad es vollends verdiente, Sahir (Taschenspieler, Betrü- ger) genannt zu werden. Vielleicht gehörte die Bekehrung Omar's zu den Erfolgen seines Kunststückchens, und ist dies die Ursache, warum die Tradition seine Bekehrung dem Zauber des Korans zu- gehreibt,

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in Makka bekannt werden mnfsten, als zu seiner Zeit das neuste Lied des Beianger in Paris.

Dal's die Bekehrun«^ des 'Omar nicht so plötzlich und also auch nicht so wunderbar war, als die Volkssage er- zählt, geht aus lolgendem Berichte der Laylä hervor: »Omar verfolgte mich und meinen Mann 'Amir wüthender als ir- gend ein Anderer. Als wir uns aber zur Abreise nach Abessynien rüsteten und ich schon reisefertig auf dem Ka- meele sals, kam 'Omar und fragte: Wohin, o Mutter des 'Abd Allah? Ich antwortete: Ihr habt uns unserer Reli- gion wegen so verfolgt und gequält, dafs wir nach dem Lande Gottes hinziehen. Er erwiderte: Möge Gott euch begleiten, und ging fort. Als mein Mann kam, erzählte ich ihn), was vorgefallen, und er sagte: Was ich von dir höre, erfüllt mich mit der Hoffnung, dafs er sich bekeh- ren werde.«

Wenn auch in diesem Berichte »esa^t wird, dafs Omar ein wüthender Widersacher des Islams gewesen war, so unterliegt selbst dieses einigem Zweifel. Es scheint viel- mehr, dafs Omars Familie nicht Willens war, ihn zu schützen und dafs sein Uebertritt zum Islam mit Gefahr für sein Leben verbunden war. Er konnte es daher nicht wagen, seinen Glauben öffentlich zu erklären, ehe er sich des Schutzes des Sahmiten Äc; b. Wäyil versichert hatte, dafs er aber schon vor seinem öffentlichen ("ebertritt dem Islam hold war, geht aus einer Erklärung hervor, die sein Schwager Sa'yd b. Zayd öffentlich auf der Kanzel von Küla machte: Es gab eine Zeit, zu der Omar mich und meine Frau ('Oniar's Schwester) in unserm Glauben stärkte, noch ehe er selbst dem Islam beigetreten war ').

Die Bekehrung einer so hervorragenden Persönlich- keit wie Omar versetzte Makka in srrofse Aufres:un£r. Sein

•) BochAry, S. 546. Diese Nachricht, welche auf sehr guter Auktorität beruht, steht in direktem Widerspruche mit der zuerst erzählten Bekehrungsgeschichte des Omar.

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Sohn erzählt: »Als sich mein Vater bekehrt hatte, versam- n)elte sich das Volk bei seinem Hanse und rief: 'Omar ist zum Cabier j>eworden ') [und sie wollten ihn tödten]. Ich war ein Knabe und safs aut dem Hausdache. Da kam ein Mann, der eine Kobä von Atlas anhatte, und sprach: Wohlan Omar ist ein Cäbier geworden was hat das zu sa2:en? Ich bin sein Beschützer. Als die Leute dies hörten, ent- fernten sie sich. Ich frai^te, wer der Mann sei, und man sagte mir: der Sahmite 'Äg b. Wäyil ^).«

Der Einflufs des 'Omar auf die kleine Gemeinde der Gläubigen, welche bis dahin höchstens aus zweiundfunfzig Personen bestand, machte sich bald fühlbar. Nach seiner Bekehrung, sagt Ibn Mas üd, waren wir stets geachtet^), und (/ohayb ^) erklärt: nachdem sich 'Omar bekehrt hatte, be- kannten und predigten wir den Islam öffentlich. Wir wag- ten es, uns um die Ka'ba herum zu setzen und die als religiöse Handlung betrachteten Gänge um den schwarzen Stein zu verrichten. Wir liefsen es uns nicht mehr län2:er

') Es wird dem Leser nicht entgangen sein, dafs in den Tra- ditionen, die sich auf die Bekehrung 'Omar's beziehen, der Ausdruck ^zurn Qäbier werden" mit Vorliebe gebraucht wird. Dies ist wohl die älteste Tradition, in der dieser Ausdruck vorkommt und er ist dann in allen neuern adoptirt worden.

^) Bochäry, S. 545, von Sofyän b. Oyayna, von 'Amr b. Dy- när, von Ibn 'Omar. Ein Bericht, welcher von der Familie des Omar aufbewahrt wurde, lautet: „Während mein Vater mit Furcht erfüllt im Hause safs, kam der Sahmite 'A9 zu ihm. Er hatte eine Holla aus Hibara und ein mit Seide eingefafstes Kamye an: er gehörte zur Familie Sahra , welche mit uns im Heidenthum verbündet war. Er sprach: Wie ist dir zu Muthe? Omar antwortete: Deine Stamm- genossen glauben, dafs sie mich tödten können, weil ich mich zum Islam bekehrt habe. 'Ac versetzte : Das ist aufser aller Frage. Als ich dies hörte, sagte Ibn 'Omar, fühlte ich mich sicher. 'A9 ging fort und begegnete den Leuten, welche wie ein Wildbach durch das Thal herbeiströmten. Er fragte: Was wollt ihr? Sie antworteten: Es gilt dem 'Omar, welcher zum Qäbier geworden ist. 'A9 sagte: Das geht nicht an, und sie kehrten um."

3) Bei Bochäry, S. 545.

*■) Bei Ibn Sad, fol. 232.

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gefallen, wenn wir grob beliandelt wurden, und vergalten womöo'lich Gleiches mit (jlleichem. Ein anderer Zeitsre- nosse sagt: 'Oinar's Hekelirung war liir uns ein Sieg, seine Flucht nach Madvna eine Hülle und sein Rej>ierunosantritt ein CJottesseü:en.

Die (i laubigen verliefsen nun das Haus des Arkam und den Schutz der Machzümiten und nahmen eine heraus- lordernde Stellung ein. Es ist kein Zweifel, dafs in diese Zeit (Ende Sommer 617) die Offenbarungen fallen, in wel- chen Mohammad es wagt, die Mala (Aristokratie) anzu- greifen ^). In Süra 38 '^) zeigt er, wie ohnn)ächtig die Mala vor Gott sei und dafs ihr Spott über die Nichter- füllung seiner früheren Drohungen sie doch am Ende ge- reuen dürfte, denn wenn es Gott einmal gefalle sie zu stra- fen, so genüge ein Ruf, sie zu vertilgen: , 38,1. Cäd. Beim Koran, welcher die Mahnung ent- hält, [schwöre ich, dafs er wahr ist] doch die Ungläu- bigen verharren im üebermuth und Zwispalt ^).

•2. »Wie viele Geschlechter haben wir vor ihnen ver- tilgt! Sie riefen um Gnade, als die Zeit der Rettung vor- über war '}.

') Aus Kor. 7, 73 erhellt, dafs viele von dem gemeinen Volke geneigt waren, an Mohammad zu glauben, dafs sie aber von den Aristokraten zurückgehalten wurden. Diese werden daher der Ränke und Umtriebe gegen Gott beschuldigt.

^) Wir haben das directe Zeugnifs des Baghäwy, Tafsyr 38, 3, dafs diese Süra unmittelbar nach der Bekehrung des "Omar geoffen- bart wurde. Wenn ich auch dem Baghawy darin beipflichte, so setze ich doch den von ihm erwähnten Gang der M;ila zu Abu Ta- lib etwas später und halte ihn für eine Folge des in dieser Süra enthaltenen Angriffes auf die Mala.

^) Nach einigen ist der Sinn: Die, welche im Unglauben ver- harren, thun es aus Stolz und Widerspenstigkeit, obwohl der Ko- ran voll Ermahnung (oder glorreich) ist. Schikäk, Zwispalt ist eins der Merkmale der Ethnoi; sie sind im Zwispalt mit ihrem eigenen bessern Wissen, mit Gott und unter sich selbst (vgl. Bd.I S. 471 Note).

*) Der Ausdruck des Originals: lata hyn mana^ hat den Gram- matikern Schwierigkeiten verursacht. Einige sagen, dafs man im

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3. Sie sind darüber erstaunt, dafs ein Warner aus ihrer Mitte aufgestanden ist, und die Ungläubigen sagen: Dieser Mann ist ein Taschenspieler und ein Lügner.

4. Wie, er nimmt statt der (lötter nur einen Gott an? Dies ist wahrlich eine höchst wunderbare Geschichte!

5. Die Mala (Aristokratie) von ihnen entfernte sich [von ihrem Boten] und sagte: Geht und bleibt bei euren Göttern; es ist klar, wo man hinaus will (d. i. er strebt nach der Herrschalt);

6. wir haben nichts von dem in der vorhergehenden Kirche gehört *). Dies ist alles Machwerk (Lüge),

7. wie, er soll so vor uns bevorzugt sein, dafs ihm die Kündigung geoilenbart wurde! Sie bezweifeln meine (Gottes) Mahnung; freilich haben sie meine Strafe noch nicht gekostet [die ihnen angekündiget wird; wenn dieselbe sie überfällt, werden sie anders denken].

8. Sind sie vielleicht im Besitze der Schätze der

Dialekt von Yainan lata für laysa sage, welches im Koran und über- haupt in der Schrittsprache ^er ist nicht" bedeutet. Es ist merk- würdig, dafs in allen arabischen Dialekten, die ich gehört habe, die- ses bequeme Wort verloren gegangen und durch und müsch (d.i. hua und hua schay) ersetzt wird; auch la wird jetzt nur noch im Prohibitiv benutzt, während in andern Stellen „nicht" seine Stelle ersetzt. Dennoch kommt in stereotypen Redensar- ten jetzt noch vor; so sagt man: ädriy, ich weifs nicht, anstatt arif. Wahrscheinlich sind und laysa, wenn sie je in allen Dialekten im Gebrauch waren, mit einander daraus verschwunden. Wie nun das moderne aus „es ist nicht" entstanden ist, mag auch lata aus lähua durch Verhärtung des h in t, die im Ara- bischen sehr häufig ist (auch umgekehrt, die Erweichung des t in h kommt vor; so habe ich Bedouinen den Euphrat Fräh nennen hö- ren) entstanden sein. Einige nehmen tahyn raanä^on als die richtige Lesart an, and Abu 'Obayda erklärt, dafs dies die Les- art im Codex des Othmän sei. In diesem Falle heifst der Satz: „Flucht ist nicht an der Zeit" und im erstem: „dies ist nicht die Zeit der Flucht".

') Es scheint, dafs die Korayschiten sagen wollten: Die Chri- sten erkennen die Engel als Beschützer und Fürsprecher an.

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Barmherziglcei deines Herrn, des Erhabenen und Besche- renden [dafs sie glauben, einer von ihnen, den Reichen und Vornehmen, hätte vorzugsweise zum Prophetenthum beruien werden sollen?] ').

9. Oder gehört ihnen die Herrschaft der Himmel und der Erde und alles Dessen, was zwischen beiden ist? Wenn dem so ist, so mögen sie auf der Himmelsleiter emporstei- gen [und erzwingen, dals einer von ihnen als Prophet gesandt werde].

10. Aber dort wird jede Legion von Ethnoi in die Flucht areschlao-en.

11. Schon vor ihnen hat das Volk des Noah, der Stamm 'Ad und Pharao, reich an Pfählen, die Gottgesandten der Lüge geziehen,

12. wie auch die Thamüdäer, das V olk des Lot und das Volk von al-Ayka. Dieses sind die Ethnoi

13. ja alle haben sie die Boten der Lüge beschul- digt und meine Züchtigung [welche sie getroffen hat] verdient.

14. Diese (die Ethnoi, denen sich auch die Makka- ner anschliefsen) haben in der Regel nur einen Ruf zu erwarten, es bedarf keines zweiten'^).

15. Sie (die Makkaner) haben gesagt: tierr, schreibe schnell unser Conto noch vor dem Tage der Abrech- nung ^).

16. Höre ihren Spott geduldig und erwähne unsern Diener David, den wir mit Macht ausgestattet haben, weil er sich bekehrte.

Hier folgt die Geschichte des David und Salomon. Es scheint, Mohammad wollte den Aristokraten zeigen, dafs

') Vergl. Kor. 43, 3i.

') Nach einer andern Erklärung: Darauf folgt keine Pause.

') Mohammad hatte nämlich in Kor. 69, i9 von einer geschrie- benen Rechnung gesprochen, worüber sich die Korayschiten lustig machten; vergl. auch Kor. 17, 73 und 84, 7.

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nicht alle Propheten so elend waren wie er, und dafs auch lvönio;e darunter waren. Am Ende werden aber auch Hiob und andere Propheten «genannt.

In einer andern Süra wiederholt er die Geschichte der vertil«ften Städte fast mit denselben Worten, in denen er sie früher erzählt hatte, doch mit dem unterschiede, dafs diesmal der Hochmuth und die Lmtriebe der Aristo- kraten an dem Unglauben der Einwohner und an der Strafe, die sie befallen hat, schuld sind.

7, 1. Alif, Läm, Myra, ^äd. [Dies ist] eine Schrift, welche dir geotfenbart worden ist entferne jede Be- sorgnifs darüber von deiner Brust auf dafs du durch dieselbe [die Ungläubigen] warnest, und zur Ermahnung der Gläubigen

2. Foli>et den an euch erlassenen Offenbaruni^en eures Herrn und fo|o;et nicht andern Ratho-ebern. Ihr nehmet die Sache wenig zu Herzen.

3. Wie viele Städte haben wir nicht schon zerstört; und unser Zoin hat sie plötzlich im nächtlichen Schlaf oder während des Mittagsschlummers übereilt.

4. l nd wenn unsere Strenge sie befiel, so konnten sie weiter nichts vorbringen als dafs sie sagten: Wir sind wahrlich untjerecht g-ewesen ').

') In diesem Verse spricht er von etwas Geschehenem von einer Strafe, die an ungläubigen Städten vollzogen worden ist und er droht den Makkanern eine ähnliche, wenn sie dem bösen Rath ihrer Mala Fürsten folgen. Da diese Drohung nicht in Erfüllung gegangen ist, so schaltete er später folgende Verse ein^ wodurch die Drohung eine andere Bedeutung erhalten und sich auf den jüngsten Tag beziehen soll:

5. Wir werden Diejenigen befragen, zu denen Boten gesandt worden sind, und auch die Boten;

6. wir werden dann den Boten Kenntnifs [von den Sünden der Völker] mittheilen, denn wir waren nicht abwesend [und wissen was sie gethan].

7. An jenem Tage wird mit Gerechtigkeit gewogen, und wes- sen Waagschale schwer ist, der geht in die Glückseligkeit ein;

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57. So haben wir Jen Noah zu seinem Volke ge- sandt und er sprach: 0 Volk, betet Allah an, denn ihr habt keinen andern Gott als ihn. Ich fürchte wahrlich für euch die Strafe eines ernsten Tages.

58. Die Mala (Aristokratie) von seinem Volke erwie- derte'): Wir halten dafür, dafs du in handgreiflichem Irr- thum bist [es wird keine Strafe kommen].

59. Er antwortete: 0 Volk, ich bin nicht im Irrthum: ich bin vielmehr ein Bote des Herrn der Welten.

60. Ich überbringe euch die Botschaften meines Herrn, ertheile euch Rath und weifs von Allah was ihr nicht wisset.

61. Seid ihr darüber erstaunt, dafs euch durch einen Menschen aus eurer Mitte eine Mahnung von eurem Herrn überbracht wird, euch zu warnen ^), damit ihr gottesfürch- tig werdet, und damit ihr auch möglicher Weise Barm- herzigkeit findet?

62. Sie ziehen ihn der Lüge. Wir aber haben ihn und die, welche es mit ihm hielten, in eine Arche geret- tet, während wir diejenigen, welche unsere Zeichen als Betrug erklärten, ersäuften; denn sie waren ein verblen- detes Volk.

63. Und zu den 'Äditen [sandten wir] ihren Bru- der Hüd und er sprach: 0 Volk, betet Allah an; denn ihr

8, Diejenigen aber, deren Wagschalen leicht sind, haben ihre Seeh'gkeit verloren, weil sie wider unsere Zeichen ungerecht ge- handelt.

9. Wir haben euch ehedem (vor dem Tage der Abrechnung?) auf der Erde mächtig gemacht und euch mit eurem Unterhalt ver- sehen. Ihr seid aber wenig dankbar.

Darauf folgen Stücke, welche ursprünglich selbstständige Inspi- rationen bildeten, bei der Zusammenstellung des Korans aber hier eingeschoben wurden; im Vers 57 endlich finden wir die Fortsetzung des obigen Angriffes auf die Aristokraten.

') „Die einflufsreichen Männer seines Volkes, welche ungläu- big waren, sagten etc." Kor, 23 24—25.

^) Vergl. Kor. 38, i. 7. II. 7

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habt keinen Gott aufser ihm. Wollt ihr denn Gott nicht fürchten?

64. Die Mala (Aristokratie) von seinem Volke, wel- che ungläubig war, erwiederte: Wir glauben, dafs du der Thorheit schuldig bist, und halten dich für einen Lügner.

65. Er antwortete: 0 Gott, ich bin keiner Thorheit schuldig, ich bin vielmehr ein Bote des Herrn der Welten;

66. ich überbringe euch die Botschalten meines Herrn und bin euch ein treuer Rathgeber.

67. Seid ihr darüber erstaunt, dafs euch durch einen Menschen aus eurer Mitte eine Mahnung von eurem Herrn überbracht wird, damit er euch warne? Erinnert euch, dafs er euch als Nachfolger des Geschlechtes Noah einge- setzt und euch mit ungewöhnlicher Leibesgröfse begabt hat. Gedenket der Wohlthaten Gottes, damit ihr gedeihet.

68. Sie antworteten: Bist du zu uns gekommen, auf dafs wir nur Allah anbeten und die Götter verlassen sol- len, welche unsere Väter verehrten? Bringe die Strafe über uns, welche du androhest, Avenn du zu den Wahr- haftigen gehörest ').

69. Er sprach: Verworfenheit und der Zorn eures Herrn ruhen bereits auf euch. Wollt ihr mit mir über Na- men streiten , welche ihr imd eure Väter [den Gegenstän- den eurer Anbetung] beilegtet und wozu euch Allah durch- aus keine Auktorität gegeben hat? Wartet nur zu, auch ich warte [auf das Stralgerichtj.

70. Wir aber haben ihn und die, welche mit ihm hielten, in Folge einer von uns ausgegangenen Gnade ge- rettet, während wir diejenigen, welche unsere Zeichen als Betrug erklärten, ausrotteten; denn sie waren nicht zum Glauben bestimmt.

71. Und zu den Thamüdäern [sandten wir] ihren Bru- der ^'älih, und er sprach: 0 Volk, betet Allah an; denn ihr habt keinen Gott aufser ihm. Es ist zu euch eine von eurem Herrn ausgehende Erleuchtung gekommen. Diese

') Vergl. Kor. 38, is.

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Kameelin Allah's diene euch zum Zeichen. Lafst sie auf der Erde Gottes fressen luid tliut ihr nichts zu Leide, sonst wird euch eine peinHche Strafe treffen.

72. Erinnert euch, dafs er euch eingesetzt hat als Nachfolger der Aditen und euch auf der [selben?] Erde eure Wohnorte ange\viesen hat. Auf den Ebenen habt ihr Schlösser gebaut und in den Bergen habt ihr Häuser aus- gehauen, (ledenket der Wohlthaten Gottes und stiftet nicht V erderben auf der Erde.

73. Die Mala (Aristokratie), welche unter seinem Volke übermüthig war, sagte zu den Schwachen (Mittel- losen), nämlich zu denjenigen von ihnen, welche glaubten: Seid ihr auch versichert, dafs (^älih ein Bote von seinem Herrn ist? Sie antworteten: Wir glauben was er überbringt.

74. Die Lebermüthigen erwiederten: Wir verwerfen das, was ihr glaubet.

if}. Sie lähmten die Kameelin [und schlachteten sie], widersetzten sich dem Befehle ihres Herrn und sprachen: o ^älih, bringe nur die Strafe über uns, welche du andro- hest, wenn du zu den Gottgesandten gehörst.

76. Es ergriff sie das Beben und am Morgen lagen sie als Leichen in ihren Häusern.

77. Er wandte sich von ihnen ab und sprach : 0 Volk, ich habe euch die Botschaft meines Herrn über- bracht und euch meinen Rath ertheilt, aber ihr liebt die Rathgeber nicht.

Bemerkung. Hier folgt die Geschichte des Lot, die wir bereits kennen, vergl. Bd. I S. 494.

83. und zu den Madyanitern [sandten wir] ihren Bruder Scho'ayb und er sprach: 0 Volk, betet Allah an, denn ihr habt keinen Gott aufser ihm. Es ist zu euch eine von eurem Herrn ausgehende Erleuchtung gekommen: gebet volles Maafs und Gewicht, verkürzet Niemanden sein Recht und stiftet nicht Verderben auf Erden, nachdem sie verbessert worden ist. Dies wird zu eurem Besten ge- reichen, wenn ihr zum Glauben bestimmt seid.

7*

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84. Und setzt euch nicht auf jeden Pfad drohend und bemüht, den Weo- Allah's jenen, welche an ihn glauben, zu versperren und krumm zu machen. Erinnert euch, wie ihr noch wenig zahlreich wäret, und er hat euch vermehrt; Sehet was das Ende der Bösewichter war,

85. Wenn ein Theil von euch das glaubt, womit ich gesandt worden bin, und andere nicht glauben, so seid geduldig bis Allah zwischen euch entscheidet, denn er ist der beste Schiedsrichter.

86. Die Mala, welche übermüthig war unter seinem Volke, sagte: Wir werden dich und die mit dir glauben gewifs aus der Stadt vertreiben, wenn du nicht zu unse- rer Religion zurückkehrst. Er antwortete: Wie, gegen un- sern Willen [sollen wir zurücktreten?]

87. Wir würden uns einer Lüge in Bezug auf Allah schuldig machen, wenn wir zu eurer Religion zurückkehr- ten, nachdem uns Allah davon befreit hat. Wir können unmöglich zurückkehren, es sei denn, dafs Allah, unser Herr, es wolle. Das Wissen unseres Herrn umfafst Alles, auf Allah vertrauen wir. Herr löse die Schwierigkeiten I zwischen uns und unserem Volke in Wahrheit, denn du bist der Beste der Lösenden.

88. Die Mala, welche unter seinem Volke ungläubig i war, sagte zu diesem: Wenn ihr dem Scho'ayb folgt, so i büfst ihr ganz gewifs ein beim Handel.

89. Es ergriff sie also das Beben und am Morgen lagen sie als Leichen in ihren Häusern;

90.' diejenigen, welche den Scho'ayb des Betruges beschuldigten, waren wie wenn sie nie darin gelebt hät- ten, und es stellte sich heraus, dafs diejenigen, welche den Scho'ayb des Betruges beschuldigten, im Handel verloren haben.

91. Er wandte sich von ihnen ab und sprach: 0 Volk, ich habe euch die Botschaften eures Herrn überbracht und euch meinen Rath ertheilt. Wie soll ich mich über ein ungläubiges Volk betrüben.

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92. So oft wir oinen Propheten in eine Stadt sand- ten, verhängten wir über die Einwoliner Unolück und Man- uel, damit sie sich deniüthigen sollen;

9\ dann sandten wir statt des Schlimmen Gutes bis sie sich grofsen Wohlstandes erfreuten; darum sagten sie: Auch unsere Väter haben Gutes und Böses erfahren. Wir haben sie daher plötzlich ergriffen ehe sie es gewahr Avurden.

94. Wenn die Bewohner der genannten Städte gre- glaubt hätten und gottesfürchtig gewesen Avären, so wür- den wir den Segen des Himmels und der Erde für sie eröffnet haben. Aber sie verharrten im Läugnen und wir bestraften sie ob dessen, was sie damit gewonnen (d. h. wie sie es verdienten).

95. Waren etw a die Bewohner dieser Städte ') sicher vor der Möglichkeit einer Strafe, welche sie über Nacht im Schlaf überfalle?

96. Waren die Bewohner dieser Städte etwa sicher vor der Möolichkeit einer Strafe, welche sie um Mittag; bei Scherz und Spiel überfalle?

97. Waren sie etwa sicher vor der List Allah's? Niemand wird sich sicher wähnen vor der List Allahs, ausgenommen Leute» welche ihrem Untergänge entgegen- eilen.

98. Sind Jene (die Makkaner), welchen wir die Erde nach dem l ntergang ihrer frühern Bewohner zum Erbe gaben, znr üeberzeuo-untj; o;elan2;t, dafs, wenn wir wollen, wir auch sie ihrer Sünden wegen bestrafen? Wir pflegen ein Siefirel auf ihre Herzen zu drücken und sie hören nicht mehr (d. h. wir machen sie verstockt).

99. Zu den Bewohnern jener Städte, von deren Ge- schichte wir dir bisweilen Mittheilungen machen, waren Bo-

') Nach Baghawy ist Makka und die Umgebung unter ^Städte" zu verstehen; man müfste also übersetzen: Sind die Bewohner der Städte etc.

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ten gekommen mit Erleuchtungen ^), aber sie waren nicht bestimmt zu glauben, was sie bis dahin geläugnet hatten '^). So versiegelt (verhärtet) Allah die Herzen der Ungläubigen.

100. Wir haben gefunden, dafs die meisten ihren V^er- pflichtungen nicht nachkamen. Ja, wir haben gefunden, dafs die meisten Verderben stifteten.

10!. Nach diesen Propheten sandten wir den Moses mit unsern Zeichen (Offenbarungen) zu Pharao und seiner Mala, sie aber verwarfen sie. Sieh, was die Verderbenstif- ter für ein Ende nahmen!

102. Moses sprach: 0 Pharao, ich bin ein Bote vom Herrn der Welten.

103. Es geziemt sich daher, dafs ich in Bezug auf Allah nur dieWahrheit rede. Ich bin mit einem Beweise von eurem Herrn ausgerüstet: Entlasse die Kinder Israel mit mir. Pha- rao erwiederte: Wenn du mit einem Zeichen ausgestattet bist, lafs es sehen, so du die Wahrheit sprichst.

104. Er warf seinen Stab hin, und dieser wurde zur unverkennbaren Schlange.

105. Dann zog er die Hand [aus dem Busen] hervor, und die Anwesenden sahen, dafs sie w^eifs war.

106. Die Mala des Volkes des Pharao sagte: Dies ist ein geschickter Zauberer (Taschenspieler).

107. Er will euch aus eurem Lande vertreiben. Was beschliefst ihr?

108. Sie sagten [zu Pharao]: Bestelle ihn und sei- nen Bruder auf später. Schicke inzwischen Leute in die Städte,

109. welche alle geschickten Zauberer zusammenru- fen und zu dir bringen.

110. Die Zauberer stellten bei Pharao sich ein imd

' ) Die Commentatoren verstehen Wunder unter „Erleuchtungen." ') Nach Yamjin b.Rabbäb's Auffassung, müfsten wir übersetzen: Und jedes Volk läugnete, was ihre vertilgten Vorgänger geläugnet hatten. Diese Auffassung scheint mir richtig zu sein, denn Moham- mad hält die Ethnoi aller Zeiteu für ein und dasselbe Gezücht.

«

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sprachen: Wir erhalten gewifs eine Belohnung:, wenn wir siegreich sind.

111. Pharao antwortete: Ja, und ihr werdet bei mir hoch in Gnade stehen.

112. Sie sprachen: 0 Moses, willst du den [Stab] hinwerfen oder sollen wir zuerst werfen?

113. Er antwortete: Werfet! Als sie geworfen hat- ten, bezauberten (täuschten) sie die Augen der Menschen und erfüllten sie mit Entsetzen. Sie vollbrachten einen i^rofsen Zauber.

114. Wir offenbarten dem Moses: Wirf deinen Stab hin ! und siehe, er verschlang ihre Gaukelei.

115. Die Wahrheit hielt Stich, und ihr Thun war vereitelt.

116. Sie waren überwunden und zogen sich gede- müthigt zurück.

117. Die Zauberer warfen sich anbetend auf's Ange- sieht nieder und sprachen:

118 Wir glauben an den Herrn der Welten,

119. den Herrn des Moses und Aaron.

120. Pharao sprach: Wie, ihr glaubet, ehe ich es euch erlaube? Dies ist eine List, die ihr in der Stadt er- sonnen habt, um die Einwohner daraus zu vertreiben. Aber ihr werdet sehen.

121. Ich lasse euch einerseits die Hände und andrer- seits die Füsse abhauen und dann kreuzige ich euch alle an Palmenstämmen.

122. Sie antworteten: Wir werden dann zu unserm Herrn zurückkehren;

123. denn du rächst dich an uns, blofs weil wir an die Zeichen unsers Herrn glauben, nachdem sie uns kund geworden. Herr, verleihe uns Geduld und lafs uns als Mos- lime (dir ergeben) sterben.

124. Die Mala des Volkes des Pharao sagte: Willst du den Moses und sein Volk Unheil auf Erden stiften lassen? Er wird dich und deine Götter verlassen. Pharao antwortete:

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Wir sollen ihre Sohne tödten und ihre Töchter am Le- ben lassen. Wir haben sie ja vollends in unserer Macht.

Beni. Man sieht deutlich, dafs er in V. 119—122 die Geschichte nacherzählt, wie er sie gehört hatte; in V. 124 erwähnt er dieselbe Thatsache noch einmal auf seine Situation angepafst. In dieser Redaktion der Geschichte des Moses ist die Mala feindlich gegen ihn; in einer andern (vergl. Kap. 12) ist sie seiner Religion hold.

1'25. Moses sprach zu seinem Volke: Rufet Allah um Hülfe an und seid geduldig, denn die Erde gehört Allah, und er bestimmt sie für wen er will von seinen Dienern zum Erbe, und am Ende werden die Frommen Meister.

riO. Sie antworteten: Wir sind gepeinigt worden, ehe du zu uns kamst und nachdem du kamst. Er sagte: Viel- leicht wird euer Herr eure Feinde vertilgen und euch auf Erden zu ihren Nachfolgern machen. Er wartet nur ab, wie ihr euch benehmt.

127. Wir hatten die Leute des Pharao bereits mit unfruchtbaren Jahren und Mangel an Früchten heimgesucht, auf dafs sie in sich gehen sollten.

128. Als ihnen wieder Gutes widerfuhr, sagten sie: Dies ist unser (so gehört es sich). Wenn ihnen aber Bö- ses widerfuhr, so hielten sie den Moses und die mit ihm waren für ünglücksvögel. Aber ihr Schicksal stand bei Allah die meisten jedoch wissen es nicht.

129. Sie (die Aristokraten) sagten: Was für Zeichen du uns immer bringen magst, uns zu täuschen, wir glau- ben dir doch nicht.

130. Darum schickten wir über sie die Fluth, die Heuschrecken, Ungeziefer, Frösche und Blut als deutliche Zeichen. Sie aber beharrten in ihrem Hochmuthe, und benahmen sich als ein verbrecherisches" Volk.

131 Als sie diese Plagen befielen, sprachen sie zu Moses: Bitte deinen Herrn, das zu thun, was er nach dei- nem \ orgeben gelobet hat, und wenn du uns von der Plage befreit hast, wollen wir an dich glauben und die Kinder

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Israel mit dir entlassen. Naclulein \vir aber die Plage von ihnen einstweilen, bis ihre Zeit kommen würde, wegge- nommen hatten, brachen sie ihr Wort.

132. Wir rächten uns an ihnen und ertränkten sie im Meere; weil sie unsere Zeichen als Tru«: angesehen und gleichgültig dagegen gewesen waren.

133. Und wir gaben dem Volke, das sie erniedrigt hatten, den Osten der Erde und den Westen, \vorüber wir unsern Segen ausgössen. So wurde das gnadenreiche Wort deines Herrn an den Kindern Israel erfüllt, weil sie aus- dauernd [unter den Verfolgungen] waren; und wir zer- trümmerten das, was Pharao und sein V olk gethan hatten und auch ihre Bauten.

Ich schliefse hier meine Auszüge aus dieser Süra, weil darin die'Malä und ihr Uebermuth ferner nicht erwähnt wer- den und weil die Fortsetzung wegen der zahlreichen ma- dynischen Einschiebsel kritische Erörterungen nöthig macht, welche an einen andern Platz gehören. Um die Tendenz dieser Stelle vollends zu verstehen, ist es nöthig, in Kap. 12 die Bemerkungen über Prädestination, über die Hungersnoth und den darauf folgenden Wohlstand in Makka nachzulesen.

Die Situation des Mohammad spiegelt sich gewöhn- Hch in den den Boten Gottes und ihren Feinden in den Mund ffelefften Worten am deutlichsten ab; die Erzähluno; selbst ist meistens so, wie er sie gehört hatte. Folgende in Süra 10 enthaltene Offenbarung ist überaus bezeichnend für die Lage der Moslime, als sie, den Aristokraten trotzend, aus dem Hause d*es Arkam hervortraten. In Vers 83 wird gesagt, dafs nicht alle Israeliten an Moses glaubten. Gei- ger findet diese Einzelheit in den jüdischen Quellen wie- der, denn es heifst in den Midr Rab. zu 2 M. Par. 5 (bei Geiger S. 160): »Der Stamm Levi war frei von harter Ar- beit«. Gleichviel ob wirklich die Rabbiner schon vor Mo- hammad die Behauptung, dafs die Leviten allein an Moses glaubten, aufgestellt hatten, oder ob erst 3Iohammad auf den Einfall kam, er wufste den Umstand sehr gut zu benutzen.

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»Trauet auf Gott und seid Moslinie und er wird euch nicht verlassen!« läfst er Moses seiner kleinen Schaar von (»laubigen zuruten. jNirgends im Koran wird die Furcht der Aristokraten, dafs Mohammad sich über sie erheben wolle, so klar ausgesprochen wie in V. 79. Er verdammt daher ihren üebermuth, Avie in andern in dieser Periode entstandenen Offenbarungen.

10, 76. Dann sandten wir nach ihnen (andern Boten) den Moses und Aaron zu Pharao und seiner Mala mit un- sern Zeichen (Offenbarungen); sie aber waren übermüthig und benahmen sich wie ein lasterhaftes Volk.

77. Nachdem also die von uns ausgehende Wahrheit zu ihnen gekommen war, sagten sie: Dieses ist wahrlich handgreifliche Zauberei (Betrug).

78. Moses antwortete: So sprecht ihr von der Wahr- heit, nachdem sie zu euch gekommen ist? Wie, dieses ist Zauberei? Die Zauberer (Betrüger) gedeihen nicht.

79. Sie erwiderten: Bist du zu uns gekommen, um uns von der Ueberzeugung abwendig zu machen, in der wir unsere Väter gefunden haben? Ihr beide würdet euch emporschwingen im Lande, und wir sind daher nicht ge- sonnen, an euch zu glauben.

80. Pharao sagte: Bringt jeden geschickten Zau- berer zu mir. Als sich die Zauberer eingestellt hatten, sprach Moses zu ihnen: Werfet hin, was ihr hinzuwerfen gedenket.

81. ISachdem sie [ihre Stäbe] hingeworfen hatten, sagte Moses: Euer Werk ist Zauber (Gaukelei). x\llah wird ihn vereiteln, denn Allah begünstigt nicht die Werke der Verderber.

82. Allah bestätiget die Wahrheit mit seinen Worten, wenn es die Lasterhaften auch mifsbilligen.

8.3. Es glaubte an Moses nur ein Stamm aus seinem Volke, die andern fürchteten, Pharao und seine Mala wür- den sie quälen. Pharao stand wahrlich hoffUrtig im Lande, und er war einer der Zuweitgehenden.

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84. Moses sprach: Wenn ihr an Gott glaubet, so baut ihr auch auf ihn, wenn ihr euch wie Moshme benelimet.

85. Sie antworteten: auf xMIah setzen wir unser Ver- trauen. Herr, gieb uns nicht der \ erfolgung eines Volkes von Unterdrückern preis ^),

86. rette uns durch deine Barmherzigkeit von die- sem ungläubigen Volke.

87. Wir offenbarten dem Moses und seinem Bruder: Errichtet Häuser für euer Volk in Egypten und stellt sie so, dafs sie gegen die Kiblah sehen und verrichtet das Ge- bet. Bringe zugleich den Gläubigen freudige Botschaft.

88. Moses sprach: 0 Herr, du hast dem Pharao und seinen Fürsten Schmuck und Reichthum in diesem Erden- leben verliehen, damit sie, o Herr, deinen Weg verfehlen sollen. Herr, vernichte ihre Reichthümer und verhärte ihre Herzen, und sie werden auch dann nicht glauben, ehe sie die peinliche Strafe sehen [und ihr nicht mehr entgehen können].

89. Gott antwortete: Ich habe eure Bitte erhört. Seid standhaft und folo-et nicht dem Wejje der Unwissenden.

90. Die Kinder Israel führten wir durch das Meer. Pharao und seine Legionen folgten ihnen in Frevel und Feindschaft, bis die Fluth über sie hereinbrach. Da sagte Pharao: Ich glaube, dafs es keinen Gott giebt aufser dem- jenigen, an Avelchen die Kinder Israel glauben und ich bin einer der Moslime (der Ihm Unterwürfigen).

91. Jetzt glaubst du, früher aber warst du Avider- spenstig und einer der Verderbenstifter!

92. Heute wollen wir dich retten mit deinem Kör- per "^J, auf dafs du ein Zeichen seiest [von der Macht des Glaubens] für die nach dir, denn viele Menschen kümmern sich nicht um unsere Zeichen ^).

') Wörtlich: Mache uns nicht zur Versuchung dieses ungerech- ten Volkes, d. h. lafs nicht zu, dafs sie sich an uns versündigen.

') Dem Baghawy zufolge ist nur der Leichnam auf das Ufer geworfen worden, nach Geiger aber hat er Gnade gefunden.

*) Folgender Vers scheint mir ein Zusatz zu sein, aus der Zeit, zu der Mohammad feindlich gegen die Juden geworden war:

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Die Hauptabsiclit, warum Mohammad diese Version der Gesc'hiclite des Moses verfafste, war, seinen Wider- sachern den Unterschied zwischen Offenbarung und Sihr (Zauberei, Gaukelei, Betrug) anschauhch zu machen. Im dreizehnten Kapitel wird der Betrug, dessen er sich um diese Zeit schuldig machte, nachgewiesen Averden: er gab Geschichten, die ihm ein Vertrauter erzählte, als Offenba- rungen und die Kenntnifs derselben als Beweis seiner In- spiration aus. Wir haben schon in den Legenden über die Bekehruno: des 'Omar gesehen, dafs die Tradition iMoham- mad's \ erwahrung: o^eo^en Sihr in diese Periode verleort. Er giebt sich aber nirgends so viel Mühe, diesem \ or- w'urf zu begegnen als in dieser Stelle.

Die Volkssage hat diese Verwahrungen recht schön benutzt. Obschon Sihr im Koran in den meisten Fällen Taschenspielerei, Betrug bedeutet, hat sie das Wort in dem Sinne von Zauberkunst genommen und dadurch ein Mittel gefunden, den Propheten als einen Wundermann darzustellen '):

»Mehrere Korayschiten versammelten sich bei Walyd

93. Wir haben einst den Kindern Israel einen Aufenthaltsort des Wohlwollens als Wohnstätte angewiesen und ihnen gute Dinge zur Nahrung gegeben. Sie waren auch nicht in Meinungsverschie- denheit bis ihnen das Wissen zu Theil geworden war. Aber dein Herr wird zwischen ihnen die streitigen Fragen am Tage der Auf- erstehung entscheiden.

Unter dem Wissen, welches die Ursache des Zwiespalts wurde, verstehen die Commentatoren die Offenbarung des Mohammad. Viel- leicht bezieht sich der Vers auf einen Irrthum des Mohammad. In früheren Koränstellen behauptete er, dafs Gott den Israeliten das Land E^ypten zum Erbe gegeben habe. Ueber diesen Irrthum mochte er von seinen Feinden zurechtgewiesen worden sein und nun drückt er sich über diesen Punkt unbestimmt aus und behauptet, dafs früher alle Juden die gleiche Ansicht gehabt, jetzt aber nach- dem Gott gesprochen, hätten einige ihre Ansicht geändert.

') Es war jedoch die Bedeutung von Sihr den Exegeten nicht unbekannt. Baghawy bemerkt zu Kor. 7, 113: ^c ^^^^^ ^J^:^ ^5^

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b. Moghyra, welcher schon seines Alters wegen eine hohe Stellung unter ihnen einnahm, und er richtete folgende Worte an sie: Es nähert sich die Zeit des Pilgerfestes und es werden Leute von verschiedenen Stämmen hierher kommen. Sie haben von Mohammad gehört, und es ist also besser, dafs wir alle dieselbe Aussage über ihn ma- chen, damit nicht einer den) an<lern widerspreche. Sie er- widerten: Es ist deine Aulgabe zu entscheiden, was wir über ihn sagen sollen; gib deine Meinung zum besten, wir wollen horchen. Er fuhr fort: Nein, sprecht ihr, und ich will horchen. Sie sagten: Wir wollen sagen, er ist ein Kähin (vergl. Bd. 1 S. 255). Er antwortete: Nein, bei Gott, er ist kein Kähin. Wir haben Kähine gesehen, er aber murmelt und reimet nicht wie sie. Sie sagten: Wir wollen behaupten, er ist magnün (besessen, verrückt). Jener antwortete: Er ist nicht magnün. Wir haben Mag- nüne gesehen, aber er hat nicht jenes Ersticken, Irrereden und Flüstern an sich. Sie sagten: Er ist ein Dichter. Er antwortete: Er ist kein Dichter; wir kennen alle Dich- tungs- und V^ersarten und keine entspricht seinen Worten. Sie sagten: Er ist ein Zauberer. Er antwortete: Er ist kein Zauberer; wir kennen die Zauberer und ihr Blasen und Knotenbinden. Sie fragten ihn, welche Aussage sie machen sollten. Er antwortete: Seine Worte sind voll Süfsigkeit und der bdialt voll Frische, und daher, Avas ihr immer sagen möget, wird sich als falsch erweisen. Es ist doch am besten, wir sagen: er ist ein Zauberer, denn seine Worte üben wirklich Zauber; sie trennen Mann von Frau, Vater von Sohn, Sohn von Vater und Bruder von Bruder. Sie einigten sich dahin, ihn für einen Zauberer zu erklären, und als die Pilgrime kamen, thaten sie es auch.« Das Thatsächliche in der Erzählung ist wohl, dafs sie seinen Sihr (Betrug) hinsichtlich der Quellen, aus deuen er die bibhschen Legenden geschöpft hatte, aufdeckten und so weit bekannt machten als möglich. Vgl. Note S. 89 dieses B.

Anhang zum neunten Kapitel.

Die Feinde des Islams.

unter den makkanischen Familien war die der Omayyiden, aus der später die Chalyfen , welche zuerst in Damascus und dann in Spanien regierten, hervorgingen, bei Weitem die angesehenste. Ihr Schaych Abu Sofyän war ein kluger, gemäfsigter und würdevoller Mann. Die neue Lehre erfüllte ihn mehr mit Verachtung als mit Entsetzen. Er beobachtete daher gegen Mohammad die äufseren For- men herablassender Artigkeit, intriguirte aber im Stillen gegen ihn und gab den seiner Familie angehörigen Anhängern des Islams nur wenig Schutz. Die Klagen, welche Mohammad im Koran über die Hinterlist seiner Gegner ausstöfst, scheinen besonders gegen Leute von dessen Schlage gerichtet zu sein.

Es befindet sich eine kurze Schmäh -Süra im Koran, welche von den Commentatoreu auf verschiedene Personen bezogen wird '). Sie pafst aber am besten auf Abu Sofyän, dessen Name, da der Ge- schmähte zur Hölle verdammt wird, Abu Sofyän aber als Moslim starb, von den Exegeten nicht genannt werden konnte: 104,1. Wehe jenem Verläumder, welcher seine Umtriebe verhehlt,

2. Schätze gesammelt und gezählt

3. und daraufrechnet, dafs sein Reichthum ihn unsterblich erhält;

4. wir aber schleudern ihn in das Hotame.

5. Weifst du auch was ist das Hotame?

6. Es ist Allah's brennende Flamme,

7. welche über die Herzen schlägt zusammen

') Ibn Ishi"ik, S. 234, bezieht sie auf Omayya b. Chalaf Gomahy; Kalby, bei Baghawy, auf Achnas b. Scharyk; Mokätil, ebendaselbst, auf Walyd b. Mogbyra, und Mogähid auf alle Verläumder des Propheten.

111

8 9. und wie ein Gewölbe auf hohen Säulen sie umschliefst').

Häkim b. Abü-l-Ä^ b. Oraayya, der Ahnherr der Marwänischen Chalyfen, stand in dieser Familie dem Abu Sofyän am nächsten an Ansehen * ) , übertraf ihn aber an Rachsucht und Verfolgungsgeist. Er war vielleicht der einzige, der es wagte, seine Verachtung ge- gen Mohammad, selbst nachdem er durch die Einnahme von Makka den Islam anzunehmen gezwungen war, an den Tag zu legen. Mo- hammad verwies ihn dafür nach Täyif, wo er A. H. 32 starb.

'Otba und sein Bruder Schayba hatten nebst einem bedeutenden Vermögen grofsen Einflufs von ihrem Vater Raby'a b. 'Abd Schams ererbt, welcher sich nicht nur über ihre mit den Omayyiden innigst verbundene Familie, die Banü 'Abd Schams, sondern auf die ganze Makkanische Republik ausdehnte. 'Otba war daher ihr Feldherr in den zwei wichtigsten Kriegen, die zu seiner Zeit geführt wurden in dem von Figär und in dem von Badr. Diese zwei Brüder wa- ren von milder Gemüthsart und wurden vielmehr durch ihre Posi- tion als durch ihre üeberzeugung verleitet, dem Propheten zu op- poniren. Wenn sie sich ihm auch feindlich entgegenstellten und am Ende im Kampfe gegen ihn fielen, so hat doch ihre Unentschlos- senheit seiner Sache grofsen Vorschub geleistet, und es scheint, dafs sie halb von seiner Sendung überzeugt waren.

Die Familie der Asaditen stand der Familie Abd Schams nahe. Unter ihren Mitgliedern waren Abü-1-Bachtary 'Aq b. Hischäm b. Härith b. Asad und Aswad b. Mottalib b. Asad b. Abd al-'Ozzä Abu Zam'a wie durch Einflufs so auch durch Feindschaft gegen die neue Religion am hervorragendsten.

Die Machzümiten übertrafen an Reichthum und numerischer Stärke alle andern makkanischen Familien, standen aber an Adel hinter den genannten zurück. Ihr Oberhaupt Walyd b. Moghyra b. 'Abd Allah b. 'Omar b. Machzüm ist uns schon bekannt: er war ei- ner der frühesten und entschiedensten Feinde des Islams, dabei aber ritterlich und nicht ohne Bildung. Er nahm daher mehr darauf Be- dacht, seine Mitbürger von der neuen Religion abzuhalten, als durch einen Eingriff in die persönlichen Rechte der Moslirae, sie im Keime zu ersticken. Statt physische Macht zu gebrauchen, schlofs er Leute

') Ungefähr um das Jahr 619 erfand Mohammad eine Anzahl von Namen für die Hölle, darunter der hier, sonst aber nirgends im Koran gebrauchte, Ho- tame. Den Lexicographen zufolge ist die ursprüngliche Bedeutung von Hotame ein heftiges Feuer.

^) Vielleicht gebührte diese Ehre dem Abu Ohayha 'Abd Allah. Es wird von ihm erzählt: Wenn er eine besondere Art von Turban wählte, so wagte es Niemand in Makka einen eben solchen zu ti-agen. Sein Sohn Ohayha starb im Figärkrieg. Vier von seinen Söhnen bekehrten sich zum Islära, nämlich Abän, Chälid, 'Amr und al-Hakam. Sein Sohn A9 fiel bei Badr gegen Mohammad.

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von Talent, Kenntnissen und Erfahrung an sich, wie Omayya b. Aby Qalt und Nadhr b. Härith, und bemühte sich, die Widersprüche und den Betrug des Mohammad aufzudecken und ihn in den Augen vernünftiger Menschen verächtlich und lächerlich zu machen, das ge- meine Volii aber beschwichtigte er durch sein Ansehen und durch materielle Vortheile. Wir haben gesehen, dafs Walyd der erste war, Avelcher auf die Gefahr aufmerksam machte, die ihm von den Prä- tensionen des Mohammad unzertrennlich erschienen, und die Makka- ner davon zurückhielt, denselben als Propheten anzusehen. Moham- mad hat daher in mehreren Stellen des Korans das Verdammungs- urtheil gegen ihn ausgesprochen, besonders aber in folgenden Versen, welche auf mich den Eindruck machen, als wäre sein Groll aus ge- scheiterten Unterhandlungen entstanden :

. 74, 11. „Lafst mich allein mit dem, welchen ich einzig erschaffen (d. h. vor andern Menschen ausgezeichnet) habe ').

12. leb habe ihm grofse Reichthümer

13. und Söhne gegeben, die nicht in die Fremde zu gehen nö- thig haben,

14. ich habe ihm das Leben recht bequem gemacht,

15. dennoch wünscht er mehr Segen.

16. Aber er soll ihn nicht haben, denn er ist ein Widersacher unserer Zeichen [Offenbarungen].

17. Ich will ihn eine Anhöhe hinauftreiben (d. h. Schwierigkei- ten in den Weg legen)*);

18. denn er hat gesponnen und gesonnen [wie er unsere Zei- chen lächerlich machen soll].

19. Zum Henker! was hat er ersonnen?

20. Noch einmal: Zum Henker! was hat er ersonnen?

21. Er hat [die Zeichen oder Offenbarung] angesehen,

22. die Stirn gerunzelt und ein saures Gesicht gemacht,

23. dann hat er aus Hochmuth den Rücken gewendet

24. und gesagt: Dies ist nichts als ein auswendig gelernter Zauber ^)

') Walyd wurde Wahyd, der „Einzige" oder „Ausgezeichnete" geheifsen; darauf bezieht sich dieser Vers.

*) Dieser Koränvers hat zu einem Mythus Aulafs gegeben, der uns an die Mythologie der Griechen erinnert. Kalby sagt, diese Anhöhe ist ein Fels in der Hölle, auf den er hinaufklimmen niufs, und man läfst ihm nicht Zeit Athem zu holen. Er wird mit eisernen Ketten %'orwärts gezogen' und von rückwärts mit ei- » sernen Hacken geschlagen. In vierzig Jahren erreicht er die Spitze, gleitet hier- auf wieder hinunter und mufs dann wieder beginnen, ihn zu besteigen.

^) Zauberei, Sihr, wird hier mit Poesie erklärt. Sihr haläl ..erlaubte Zau- berei" bedeutet allerdings Poesie, aber ich zweifle, ob der Ausdruck so alt ist. Hier heilst Sihr wohl so viel als Betrug, Taschenspielerei. Der Betrug bestand, wie bereits erwähnt, darin, dafs Mohammad's Erzählung, welche ihm heimlich mit-

113

25. und Menschenwort.

26. Aber ich will ihn in das Sakar stürzen.

27. Weifst du was das Sakar ist? ')

28. Was darin ist dauert nicht und bleibt nicht unberührt,

29. es frifst die Haut

30. und Neunzehn (Wächter) haben die Aufsicht.

Die Makkaner machten sich lustig über die kleine Anzahl von Wächtern der Hölle. Der Gomahite Abü-1- Aschadd (Osayd oder Asad b. Kalda b. Chalaf) erklärte, er wolle allein mit siebzehn von ihnen fertig werden und hoffe, dafs es doch Jemand mit den übri- gen beiden aufnehmen werde. Auch Abu Gahl glaubte, dafs neun- zehn Wächter gegen die muthigen Korayschiten nichts ausrichten könnten. Mohammad versichert seine Gegner in folgender würde- vollen Antwort, dafs seine Angabe auch in den Büchern der Schrift- besitzer vorkomme, und erhebt seine Kenntnifs derselben zum Be- weis seiner Mission. Er legt ihnen zugleich an's Herz, dafs die Wächter Engel seien, mit welchen nicht so leicht zu kämpfen ist.

74, 31. Die Wächter der Hölle sind alle p]ngel. Wir haben ihre Zahl so festgesetzt, auf dafs sie ein Aergernifs sei für die Ungläu- bigen und andererseits, um den Schriftbesitzern Vertrauen einzuflö- fsen [auf die Wahrheit des Prophetenthums des Mohammad, denn diese Zahl wird auch in ihren Büchern angegeben] und um die Ue- berzeugung der Gläubigen zu stärken,

32. und auf dafs [indem diese Wahrheit wieder geoffenbart wird]

getheilt worden war, für Ofienbarung ausgab; dalier „auswendig gelernter Zauber." Mehr über diesen Gegenstand in Kap. 13.

' ) Sakar kompit wahrscheinlich vom Lateinischen Sacrum. Es kommt aufser- dera noch in dem bereits erwähnten Vers 54, 48 und auch in folgender Inspira- tion vor:

74, 41. Jede Seele haftet für das, was sie gethan hat, aufser die Genossen der Rechten [d. h., nach der Erklärung des Mokätil, diejenigen, welche für die Seeligkeit bestimmt sind].

42. Sie werden in Gärten wohnen und die Bösen fragen:

43. Was hat euch in das Sakar gebracht?

44. Diese antworten: Wir haben nicht gebetet

45. und die Armen nicht gespeist;

46. wir grübelten mit den Grüblern

47. und wir läugneten den Tag des Gerichtes,

48. bis es zu spät war (wörtlich: bis uns die Gewifsheit d. h. der Tod kam).

49. Fürsprache wird ilinen nichts fruchten.

Die Ideen, die Ausdrücke (wie: die Genossen der Rechten) und auch die Darstellung dieser Inspiration stimmen mit Süra 54, 80 und 90 überein. Da nun die zwei erstgenannten Inspirationen im Jahre 62 1 geoftenbart worden sind, 80 versetze ich auch Süra 74 in das Jahr 620 621.

II. 8

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den Schriftbesitzern und den Gläubigen durchaus kein Zweifel übrig bliebe [dafs wirklich Neunzehn sind] ').

Abü-1-Asohadd b. Kalda wird für die Prahlerei mit seiner kör- perlichen Kraft und Freigebigkeit in folgender Offenbarung zurecht- gewiesen: 90,1. Ich brauche nicht bei diesem Orte (Makka) zu schwören,

2. du bist vogelfrei (schutzlos) in diesem Orte

3. noch beim Erzeuger (Adam) und denen, die er erzeugt hat,

4. dafs W'ir den Menschen zu Mühseligkeiten erschaffen haben.

5. Glaubt er dennoch. Niemand könne seiner Herr werden?

6. Er sagt: Ich habe viel Geld verschwendet (als Almosen ausgegeben).

7. Glaubt er denn, Niemand hat ihn gesehen (und weifs, dafs er nur prahlt)?

8. Haben wir ihm nicht zwei Augen gegeben,

9. und eine Zunge und zwei Lippen?

10. Haben wir ihn nicht zu den zwei Anhöhen gefuhrt? *)

11. Er hat sich aber nicht an die Ecke (den steilen Weg der hinaufführt) gemacht.

12. Weifst du auch, was die Ecke sei?

13. Das Befreien eines Gefangenen,

14. 15. oder zur Zeit der Noth eine anverwandte Waise zu nähren,

16. oder einen nothleidenden Mann.

17. [Wenn er diese Höhe erklimmt] sei er auch einer von de- nen, die glauben, die sich einander Geduld und Milde empfehlen:

18. dies sind Genossen der Rechten;

19. diejenigen aber, welche an unsere Zeichen nicht glauben, sind Genossen der Linken.

20. Ueber die schlägt das Feuer zusammen.

Derselben Familie gehörten zwei Brüder, Härith und Abu Gahl, Söhne des Hischäm b. Moghyra, an. Sie waren von sehr verschie-

') Ich glaube, dafs ursprünglich die Offenbarung hier endete. Wie es scheint, haben nachgehends auch Schriftbesitzer (Juden?), „in deren Herzen eine Krank- heit nistete", die Thatsache in Abrede gestellt, und Mohammad fand sich veran- lafst, sie in folgenden Versen als ein Gleichnifs oder, wie Swedenborg gesagt haben würde, als eine Entsprechung zu erklären:

33. Und auf dafs diejenigen, in deren Herzen eine Krankheit nistet, und die Heiden sagen: Was will Gott mit diesem Gleichnisse?

34. Auf diese Art führt Gott irre, wen er will und leitet den rechten Weg, wen er will. Niemand kennt die Heerschaaren deines Herrn, als er selbst. Das Gesagte ist blofs zur Ermahnung für die Menschheit bestimmt.

^) Es wird durch Scheideweg zwischen dem Guten und Bösen erklärt. Mir kommt es vor, dafs der Vers bedeutet: Wir haben ihm Gelegenheit gegeben, die zwei Cardinal -Tugenden: Freigebigkeit und Gastfreundschaft, zu üben.

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dener Geniüthsart. Abu Gahl zeichnete sich durch seine Unwissen- lieit (daher sein Spitzname Abu Gabi, d. h. Vater der Thorheit) und Leidenschaftlichkeit aus. Er benutzte jede Gelegenheit, den Prophe- ten und seine Anhänger zu beschimpfen und rächte seine Wuth an Sklaven und schwachen Weibern. Dieser Haynau war es, der die Somayya auf die schimpflichste Weise tödtete, indem er ihr durch die Schaamtheile eine Lanze in den Leib stiefs. Die Legende erzählt von ihm:

^Einst sagte er zu den Korayschiten : Soll ich das Gesicht des Mohammad niederdrücken und es besudeln? Sie antworteten: Thue es. Er sprach: Wenn er wieder betet und sich prosternirt, packe ich ihn bei dem Genick und reibe sein Angesicht in den Staub. Als Mohammad zur Ka'ba kam, um seine Andachtsübungen zu verrich- ten, wollte jener sein Vorhaben ausführen, aber eine übernatürliche Macht hinderte ihn" '). Darauf bezieht sich:

96, 9. Was hältst du von jenem Menschen, welcher hindert

10. einen Diener Gottes, wenn er betet?

11. was hältst du von ihm, wenn es sich herausstellt, dafs die- ser (der Diener Gottes) geleitet wird

12. und die Frömmigkeit empfiehlt?

13. was hältst du von ihm, wenn er ihn als Lügner verschreit und sich wegwendet?

14. Weifs er denn nicht, dafs Gott auch sieht.

15. Allein, wenn er nicht aufhört, so packen wir ihn bei sei- nen Locken ^).

16. bei seinen lügenhaften, sündlichen Locken.

17. Dann mag er seine Freunde anflehen,

18. wir aber werden die Zabäny (Schergen) herbeirufen.

19. Hingegen du mufst ihm nicht folgen, sondern dich pro- sterniren und Gottes Gunst erwerben.

Solche Rohheit mufste einen höchst nachtheiligen Eindruck ma- chen und dem Mohammad eher nützen als schaden. Wir finden da- her, dafs Abu Gahl's Ansehen bei der Familie Machzüra so gering war, dafs diese dem Mohammad Schutz gewährte.

') Baghawj', Tafsyr 96, 9, von Na'ym b. Aby Hind, von Abu Häzim, von Abu Horayra. Ibn Ishäk S. 190 erzählt diese Geschichte nach seiner Art mit Uebertreibungen.

') Wörtlich : den Locken (näfiya) über der Stime. Wenn ein Mann ge- fangen und begnadigt wurde, so schnitt ihm der Sieger diese Locken ab, um den bleibenden Beweis zu liefein, dafs er ganz in seiner Macht war. Es war die gröfste Entehrung Jemanden auch nur bei den Locken oder dem Schopf zu packen. Die Legende ist aus dieser Koränstelle hervorgegangen; was hier ge- droht wird, stellt sie als geschehen dar.

8*

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Auch sein Bruder Härith war ein grofser Held und lief bei der Schlacht von Badr davon. Aber er war milder und besafs mehr Bildung. Als sich Mohammad zu Madyna aufhielt, stand Harith mit dem Juden Ka'b b. Aschraf in einem engen Verhältnisse, und dieser schrieb Lobgedichte auf ihn. Es ist gewifs, dafs die Korayschiten schon vor der Higra sich mit den Juden in Verbindung gesetzt hat- ten, um mit ihrem Beistande die Grundlosigkeit der Lehren des Mo- hammad nachzuweisen, und es ist sehr wahrscheinlich, dafs Härith der Gründer dieser Verbindung war und dafs sein freundschaftliches Verhältnifs zu Ka'b von dieser Zeit datirte ').

Mit dieser Familie standen die Banü Gomah in Verbindung. Sie zeichneten sich ebenfalls durch ihre Feindschaft gegen Neuerun- gen aus. Unter ihren Häuptern ist Omayya b. Chalaf b. Wahb b. Hodzäfa b. Gomah zu nennen. Er verwaltete eine wichtige Stelle in der Ka'ba, welche ein Vorrecht seiner Familie war. Es waren ihm nämlich die Pfeile anvertraut, wodurch die Korayschiten die Geheimnisse des Schicksals erforschen zu können glaubten. Er fiel in der Schlacht von Badr, und sein Sohn Cafwan folgte ihm in der Verwaltung der Pfeile. Die Frau des (J^'afwän war eine Tochter des Walyd b. Moghyra. Auch Obayy, ein Bruder des Omayya, war ein bitterer Widersacher des Propheten -). Dieser rohe, aber gar nicht dumme Geselle scheint sich mehr auf das argumentum baculi, als auf theologische Spitzfindigkeiten verstanden zu haben. Dennoch wagte er sich, im Wahne, dafs in der Theologie auch der gesunde Menschenverstand etwas gelte, auf dieses Gebiet. Eines Tages kam er mit einem morschen Knochen zum Propheten und sagte: Glaubst du wirklich, dafs dieses Gebein wieder belebt und einst auferstehen werde? Dabei warf er ihn gegen den Gottgesandten. Ja, antwor- tete dieser, er wird auferstehen, und auch du wirst nach dem Tode wieder in's Leben gerufen und in die Hölle verstofsen werden. Dar- auf wurde geoffenbart: ^)

36,77. Hat der Mensch nicht beobachtet, dafs wir ihn aus Saa- men erschaffen haben? Und sieh, nun ist er ein offener Wider- sacher !

78. Ja, er hat uns sogar ein Problem vorgehalten verges- send, wie er erschaffen worden ist und gefragt: Wer wird diese Knochen wieder beleben, da sie doch vermodert sind?

') Zu dieser Familie gehörten auch 'Abel Allah b. Aby Omayva b. Moghyra b. 'Abd Allah b. 'Omar b. Machzüm, Zohayr b. Aby Omayya und Abu Kays b. Fäkih b. Moghyra.

^) Aufserdem ist aus dieser Familie auch Sohayl b.'Amr Gomahy unter den Feinden des Islams zu erwähnen.

3) Wähidy, Asbäb 36,77, von den ,,Exegeten"; und von Hoschajnn, von Ho9ayn, von Abu Mälik. Vergl. auch Ibu Ishäk S. "238.

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79. Antworte: Jener, welcher sie das erste Mal in's Leben ge- rufen hat. Er kennt die ganze Schöpfung.

80. Jener, welcher auch aus dem grünen Holze Funken hervor- lockt '), womit ihr das Feuer anzündet.

81. Soll Er, welcher die Himmel und die Erde erschaffen hat, nicht im Stande sein, Wesen, wie ihr seid, hervorzubringen? Frei- lich ist er es im Stande, denn er ist der Schöpfer, der Wissende.

82. Es verhält sich so mit Ihm: Wenn er will, dafs etwas ent- stehe, so sagt er: Etwas sei! und es ist.

83. Glorie Ihm, in dessen Hand die Herrschaft (malaküt) aller Dinge ist. Zu Ihm werdet ihr zurückgebracht werden.

Ueber die Auferstehung hat Mohammad viel nachgebrütet und er hat sich alle mögliche Mühe gegeben, die Wahrheit derselben den Heiden begreiflich zu machen. Es kommen daher viele darauf be- zügliche Stellen im Koran vor, in denen er sich nicht selten wie- derholt, so wird auch V. 77 in Süra 16, 4 wiederholt und mit V. 82 ist 16, 42 parallel. Ich führe hier eine Inspiration an, welche Vieles mit dieser Stelle gemein hat und sich wohl ebenfalls auf Obayy be- zieht: 75, 31. Er hat weder geglaubt noch gebetet,

32. sondern [die Offenbarung] als Lüge verschrieen und sich davon weggewendet;

33. dann ist er zu den Seinen zurückgekehrt und im Hohn ver- harret.

34. Aber wehe dir! ja wehe!

35. Noch ein Mal: wehe dir! ja wehe!

36. Glaubt etwa der Mensch, dafs man ihn so gehen lasse?

37. Ist er nicht ein Tropfen Saaraen gewesen, der ergossen wird?

38. Dann ist er ein Klumpen geworden und [der Herr] hat ihn gebildet und gestaltet

39. und er hat ihm ein Geschlecht gegeben Mann oder Weib

40. Soll nicht derselbe [Herr] im Stande sein, die Todten in's Leben zurückzurufen?

In die Süra 96 hat sich ein Fragment verloren, welches den- selben Reim hat, wie diese Offenbarung, und eine Fortsetzung der- selben sein mag: 96, 6. Aber der Mensch überschreitet Maafs und Ziel

7. und hält sich für unabhängig;

8. aber wahrlich zu deinem Herrn führt der Weg (er kann ihm nicht entgehen).

') Die Araber machten Feuer, indem sie zwei Stücke Holz gegen einander rieben.

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Ich habe noch zwei Familien zu nennen die Banü Sahm und Banü 'Adyy welche mit einander eng verbunden waren '). Unter den Sahmiten genofs Chälid b. Kays das gröfste Anse- hen. Er besafs so viel Einflufs, dafs Mohammad selbst, nach- dem er Makka erobert hatte, es der Mühe werth hielt, ihn durch Geschenke zu gewinnen. Auch der rohe Schmäher Härith b. Kays b. 'Adyy b. Sa'd b. Sahm gehörte derselben Familie an. So auch Nobayh und Monabbih, Söhne des Haggäg b. Ho^ayQ b. So'ayd b. Sahm, und 'A9 b. Wäyil b. Häschim b. So'ayd b. Sahm, welche sämmtlich dem Islam gehässig waren, aber ihre Feindschaft auf ver- schiedene Art an den Tag legten. Gegen 'A9 schleuderte Moham- mad Süra 108 (vergl. S. 3).

Unter den Banü Adyy waren einige Feinde des Islams, aber die Familie war schwach, wenig angesehen und gehörte nicht zur Aristokratie. Der Islam fand daher auch schon früh viele Anhän- ger unter ihnen. Wir haben aufser den genannten noch folgende Namen von verschiedenen Familien beizufügen:

Howaytib b.'Abd al-'Ozzä b. Aby Kays b. 'Abd Wodd b. Nadhr b. Mälik b. Ilisl b. "Amir. Ein reicher Mann, welcher an den Moham- mad nach der Einnahme von Makka ein freiwilliges Anlehen von 40,000 Dirham machte und später sein Haus in Makka für ebenso viele Dynar (Dukaten) an den Chalyfen Mo'awiya verkaufte. Er widerstand der Annahme des Islams so lange er konnte, scheint sich aber nie durch Feindseligkeit ausgezeichnet zu haben.

Aswad b.'Abd Yäghüth b. Wahb b. 'Abd Manäf b. Zohra.

Säyib b. Qayfy b. 'Äyidz.

Härith b. Tolätila b. Omar b. Härith b. 'Abd Amr b. Rowayy b. Malakün, ein Chozä'ite. Dieser Stamm war übrigens dem Mo- hammad wohl geneigt und leistete ihm später viele wesentliche Dienste.

'Okba b. Mo'ayt, ein roher Schmäher; so waren auch Ibn al- Acady Hodzaly, Adyy b. Hamrä Thakafy, 'Ac b. Sa'yd b. 'A9 und Mot'im b. 'Adyy b. Nawfal b. 'Abd Manäf b. Ko9ayy. Einige von diesen rohen Menschen scheinen nicht zu den Aristokraten gehört zu haben, aber von ihnen ermuthigt worden zu sein, die Moslime zu verfolgen.

') Bochary S. 545.

Zehntes Kapitel.

Fernere Verfolgungen. Achterkläning. Zweite Flucht nach Abessynien.

JJie Aristokraten liefsen sich die Angriffe des Mohammad und das Gebahren seiner Anhänger nicht lange gefallen und vereinigten sich, die neue Religion mit Gewalt zu un- terdrücken. Zuerst hatten Sklaven, Insassen und Leute ohne Schutz ihren Zorn zu fühlen. Sie wurden ergriffen, um die Mittagszeit in den heifsen Sand hingestreckt und festgebunden. Aufser der Tortur, gebraten zu werden, mufsten sie auch den fürchterlichsten Durst ertragen. Sie waren genöthigt, ihren Glauben zu verläugnen, Viele jedoch kehrten zu ihrem Meister zurück und haben grofse Aus- dauer und wahren Heldenmuth bewiesen "). Abii Bakr hat

') Yazyd b. Rümän, von 'Orwa, bei Ibn Sa'd, fol. 227 r.:

„'Ammär b.Yäsir war einer der Mostadh'afün, welche in Makka gequält wurden, auf dafs sie von ihrem Glauben abstehen. Wäkidy bemerkt: Mostadh'afün wurden jene Leute genannt, welche zu Makka keine Verwandten hatten und ohne Schutz und Macht waren. Die Korayschiten peinigten sie in der Mittagssonne." Mostadh'afün be- deutet eigentlich nicht die Schwachen, sondern die für schwach Ge- haltenen und wurde ursprünglich auf die Israeliten in Egypten ange- wendet (K. 7, i3s). Wenn aber die Moslirae so geheifsen werden, ist es eine Anspielung auf die Bibel.

Ibn Sa'd, fol. 227 r., von Wäkidy, von 'Otbmän b. Mohammad, von 'Abd al-Hakym b. Qohayb, von 'Omar b. Hakam:

„'Ammär b. Yäsir wurde gepeinigt, bis er nicht wufste, was er sagte (d. h. bis er seinen Glauben verläugnete), Abu Fokayha wurde

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mehrere Sklaven der Verfulgiinii; entrissen, indem er sie kaufte und iliiien später ihre Freiheit J^ab, wodurch sie

gepeinigt, bis er nicht wufste, was er sagte, (^ohayb wurde gepei- nigt, bis er nicht wufste, was er sagte. Auch Biläl, "Amir b. Fo- hayra, und eine Anzahl Moslime hatten dasselbe Loos. Auf sie be- zieht sich der Koränvers: „Diejenigen, welche in Gott ausgewandert sind, nachdem sie gepeinigt worden sind''. Wie der Vers hier an- geführt wird, kommt er im Koran nicht vor. Ein Abschreiber, wel- cher nicht ganz koränfest war und dennoch seinem Gedächtnisse traute, hat Kor. 16, ii und 16, iii mit einander gemischt. Die Tra- dition bezieht sich aber auf Kor. 16, iii.

Ihn Sa'd, ful. 224, und bei I(;aba unter Somayya, von Garyr b. 'Abd Hamyd, von Manyür, von Mogahid;

„Sieben Personen bekannten Anfangs den Islam offen: Der Prophet, Abu Bakr, Biläl, Chobbäb, Qohayb, 'Ammär und So- mayya, die Mutter des 'Ammär. Der Prophet wurde von seinem Onkel geschützt und Abu Bakr von seiner Familie, die übrigen aber wurden ergriffen, in eiserne Kuirasse gesteckt, der heifsen Mittags- sonne ausgesetzt und dort gelassen, bis sie fast verschmachteten; dann reichten sie ihnen Alles, was sie verlangten. Endlich brachte jede Familie einen grofsen Schlauch (anta') von Leder mit Wasser gefüllt, warf den ihnen angehörigen Gläubigen hinein und trugen ihn herum. Nur dem Biläl geschah dies nicht. Am Abend kam Abu Gahl, beschimpfte die Somayya und rannte ihr den Speer durch den Leib. Sie ist die erste Person, welche im Islam den Märtyrer- tod starb. Nur Biläl machte eine Ausnahme [wohl von der Aposta- sie; der Satz „die Andern fielen a-b", ist ausgelassen worden], denn aus Liebe zu Gott achtete er sein Leben gering. Die Heiden fuh- ren fort ihn zu quälen und rösteten ihn, dann banden sie ihm einen Strick um den Hals und liefsen ihn durch Knaben im Thale von Makka herumführen. Er aber rief beständig: Es gibt nur einen, nur einen (Gott)! "

Wähidy, von Ihn 'Abbäs:

„Dieser Vers bezieht sich auf 'Ammär b. Yäsir. Die Heiden ergriffen ihn und seinen Vater und seine Mutter Somayya und Qo- hayb und Biläl und Chobbäb und Sälim und folterten sie. Die So- mayya banden sie zwischen zwei Kameele und stachen ihr einen Spiefs in die Schaamtheile mit den Worten: Du hast der Männer wegen den Islära angenommen. Sie und ihr Mann Yäsir wurden getödtet, und sie waren die ersten Märtyrer des Islams. 'Ammär gab vor, den Glauben abzuschwören. Es wurde dem Mohammad

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seine und seiner Faniilie dienten und Schützlinge wur- den').

(Jegen freie Männer konnten die Familien -Häupter ebenso viel und ebenso weniü' Z\>ani'- üben als bei uns. Es wäre allerdings möglich gewesen, dals ein Moslim von seinen Angehörigen erschlagen oder geächtet worden wäre. Dagegen aber war ein einlaches IMittel, welches 'Omar an- wendete. Er stellte sich unter den Schutz eines einer an- dern Familie angehörigen, angesehenen Mannes. Dadurch wurde seine eigene Familie genölhigt, ihn wieder aufzu- nehmen und sein Leben zu schützen, wenn sie nicht an Ansehen verlieren wollte. Hätte eine Familie eines ihrer Mitglieder ohne vorhergegangene förmliche Achterklärung preisgegeben, so hätte sie einen unauslöschlichen Schand- flecken auf sich geladen. Indessen wenn auch das Leben der Moslime geschützt war, so waren sie doch den gröfs- ten LTnannehmlichkeiten ausgesetzt-). Ihre Verwandten über- häuften sie mit Schinipf und Schande, und schwache bidi- viduen liefsen sich wohl gar körperliche Züchtigungen ge-

gesagt: Ammär ist abtrünnig geworden. Er aber erwiderte: Nim- mermehr, denn er ist voll von Glauben vom Scheitel bis zur Fufs- sohle, und der Glaube ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. 'Ammär kam dann weinend zum Propheten. Er trocknete seine Thränen und sagte: Wenn sie dich wieder foltern, wiederhole ihnen meine Worte. Darauf wurde Kor. 16, lOS geoffenbart. "

') Die Namen dieser Sklaven und Sklavinnen sind: 1) Biläl, 2) 'Amir b. Fohayra, 3) Zonnayr, 4) 0mm Obays 5) Nahdyya, 6) ihre Tochter, 7) eine Sklavin, die der Familie 'Adyy, nach An- dern der Familie Moämmal oder dem'Amr b. Moämmal angehörte.

*) Es kommt der Ausdruck habasu fuläna „sie haben diesen oder jenen Moslim gefangen gehalten" vor, man mufs sich aber hü- ten, ihn raifszuverstehen und zu glauben, es habe Gefängnisse ge- geben. Der Chalyfe Omar kam einst zu spät zum Gottesdienst, weil gerade sein Kleid geflickt wurde und er kein anderes besafs; er entschuldigte sich bei der auf ihn wartenden Versammlung, de- ren Vorbeter er war, mit den Worten: habasany kamy(,\y „mein Kleid hat mich aufgehalten". Habasa hat ungefähr die Bedeutung des eng- lischen „to detain, detention".

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fallen. Unter Völkern, welche patriarchalische Institutionen haben, ist es nichts Geringes, mit der Familie (dieses Wort ist im weitesten Sinne zu nehmen; denn eine böse Frau schicken die Araber weg) in Zwiespalt zu leben. Sociale Stellung, Wirkungskreis, gesellige Vergnügen, kurz alles, was dem Menschen theuer ist, mufs er im Schoofse der Familie suchen. Wenn er unzufrieden ist, kann er sich als ßundesgrenosse mit einer andern Familie verschmelzen. Dieser Ausweg stand aber, wenigstens zu der Zeit, von der wir sprechen, den Moslimen nicht offen. Die bestän- digen Neckereien, denen die Gläubigen ausgesetzt waren, mochten manchen Makkaner bewogen haben, seine LJeber- zeusuna: rücksichtlich der Mission des Mohammad zu ver- läugnen ^). Der Umgang mit Glaubensgenossen konnte dem Moslim wohl Trost und Kraft gewähren, aber nicht vollen Ersatz für das, was er entbehrte.

Des Mohammad selbst wollten sie sich um jeden Preis entlediiren. Um seine Stelluns: zu seinen Feinden zu zei- gen, schalte ich einige darauf bezügliche Offenbarungen ein und gehe in das Jahr 616 zurück.

Geraume Zeit war verflossen, seit die Makkaner in Folffe der Zurücknahme seines Zusreständnisses wieder von ihm abgefallen waren, und täglich forderten sie ihn heraus, das gedrohte Strafgericht oder die Stunde eintreten zu las- sen. Er konnte nur antworten: Es wird schon kommen. Am Ende gelang es ihm, einen Grund für das Ausbleiben, zu finden das Strafgericht konnte nicht eintreten, weil er und viele von seinen Anhängern unter den Ungerech- ten weilten. Er läfst sie daher merken, was die Folge sein würde, wenn er sich auch nur eine Weile entfernte, und es ist ziemlich klar, dafs er ihnen auch drohte, Makka zu verlassen:

37, 167. Sie pflegten zwar zu sagen:

i) Vergl. Kor. 16, 108 und iii.

123 ^

168. Wenn wir im Besitz einer Ermabnun^^ (Offen- barung) von ilen Vorvätern ^vären '),

169. Aviirden ^vir ausscbliefslicli dem Allab dienen.

17(1. [Aber was Mohammad gepredigt, ist ja eine Of- fenbarung], und doch verläugnen sie es. Sie werden bald sehen!

171. Schon in der Vorzeit ist das Versprechen an un- sere als Boten gesandten Diener ergangen,

172. nämhch dafs sie ganz gewifs Beistand finden werden

173. und dafs unsere Heerschaaren ihre Feinde über- winden werden.

174. Geh' daher von ihnen auf eine Weile hinweg 17.5. und sieh' ihnen zu. Sie werden bald sehen fd. h.

vertilgt werden).

176. Wollen sie unsere Strafe beschleunigen?

177. Wenn einmal die Heerschaaren ihre Hofraithe besetzt haben, dann geht ein böser Morgen auf für die Gewarnten.

178. Geh' wes; von ihneu auf eine Weile

179. und sieh' zu, sie werden bald sehen!

18<t. Gepriesen sei dein Herr, der Erhabene. Er sei ferne von dem, wie sie ihm zuschreiben. 181. Heil sei den Gottesgesandten iKi. und alles Lob dem Herrn der Welten. [Ein Fragment:] 43, 88. Und seine Worte: Herr, sie sind ein ungläubiges Volk, [hat Gott vernommen, und er hat geantwortet:]

89. Entferne dich von ihnen und sage: lebet wohl, ihr werdet bald sehen.

') Den Commentatoren zufolge: Eine Schrift, wie sie den al- ten Völkern (Juden und Christen) zu Theil wurde. Ich denke aber Awwalün bedeutet hier wie in Kor. 37, i? (vergl. auch 23, 83) die Vorväter der Araber, und der Satz heifst: Wenn wir eine Schrift von unsern Vätern ererbt hätten.

124

Nach dem Lehrplane, welchen Mohammad damals be- folo^te, sollte man erwarten, dafs er seine Behauptung durch das Beispiel einer Stadt, welche so lange als der Bote (lottes darin weilte verschont wurde, beweisen werde. Ob- schon er das schöne Zwiegespräch zwischen Abraham und den Engeln über Lot nicht gekannt zu haben scheint, so uufste er doch die Thatsache, dafs Sodoma nicht vertilgt wurde, so lange sich Lot darin aul hielt, und er erzählt sie auch in diesem Sinne in Siira 29. Er wiederholt die Re- daction der Geschichte von Süra 15, läfst aber den Abra- ham die Engel an den Lot erinnern und schaltet den Pas- sus ein: »Bring das Strafgericht sagten die L^ngläubi- gen zu Lot wenn du die Wahrheit sprichst.«

29, -27. Auch den Lot sandten wir. Er sprach zu sei- nem Volke : llir verübet Schändlichkeiten wie bisher Nie- mand unter den JMenschen verübt hat.

28. Wie, ihr macht euch wirklich an die Männer? lauert ihnen auf den Landstrafsen auf und thut Unerlaub- tes in euren \ ersammlun£:en? Die Antwort seines Volkes aber war keine andere, als dafs es sagte: Bring das Straf- gericht Allahs, wenn du die Wahrheit sprichst.

29. Er sprach: Herr, stehe mir bei gegen diese ver- worfene Menschen! [und sende die Strafe]

30. Nachdem unsere Boten dem Abraham die Freu- denbotschaft überbracht hatten, sprachen sie: Wir wollen die Einwohner dieser Stadt vertilgen, denn sie waren un- gerecht.

31. Er versetzte: Es wohnt aber Lot darin. Sie antworteten: Wir wissen recht gut, wer darin ist, und wir werden ihn und die Seinen retten, mit Ausnahme seiner Frau, welche zu den üebertretern gehört.

32. Als unsere Boten zu Lot kamen, war ihm übel zu Muth und er war ihres Erscheinens wessen rathlos. Sie aber sprachen: Fürchte dich nicht und sei nicht traurig, wir u ollen dich und die Deinen retten, mit Ausnahme dei- ner Frau, denn sie gehört zu den üebertretern (Ghäbiryn).

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33. Aber auf die Einwohner dieser Stadt Avollen wir etwas Schreckliches vom Himmel herabsenden ob ihrer Gräuelthaten.

34. Wir haben von diesem Strafgerichte ein olTenba- res Zeichen (das todte Meer) hinterlassen für verständige Menschen.

Man begreift wohl, dafs sich die frevelhaften Makka- ner nicht zwei Mal sagen liefsen, dafs sie nur seinetwegen verschont werden. Sie forderten ihn daher auf zu gehen, und er machte Miene, Makka zu verlassen. Am Ende aber zog: er es doch vor zu bleiben und erinnert sie noch ein Mal, was die Folgen sein würden, wenn er fortginge. Die Anspielungen auf seine Anerkennung der Nationalgötter be- stimmen die Zeit dieser Inspiration ungefähr im Winter 616 617.

]7,1t». Ihren Versuchungen wäre es beinahe gelungen, dich von dem abzubringen, was wir dir geotfenbart haben, auf dafs du uns statt dessen etwas Anderes andichtest; in diesem Falle würden sie dich freilich als Freund behan- delt haben ').

76. Hätten wir dich nicht bestärkt, so hättest du auch nachgegeben, denn du warst nahe daran, dich ihnen in ei- nigen Dingen zuzuneigen.

77. \n diesem Falle hätten wir dich das doppelte Maafs [der Strafe] des Lebens und das doppelte Maafs

' ) Sa yd b. Gobayr (wurde von Haggäg hingerichtet im J. 95) erzählt : „Der Prophet wollte als gottesdienstliche Handlung den schwar- zen Stein berühren, die Korayschiten aber sagten : Wir erlauben nicht, dafs du dies thust, wenn du nicht auch unsere Götzen berührst. Er dachte bei sich selbst: da ich gezwungen werde, und nur unter die- ser Bedingung den schwarzen Stein berühren kann, wird es mir Gott nicht als Sünde anrechnen." „Andere behaupten, sagt Baghawy sie verlangten, dafs er ihre Götzen berühren soll und dafür, verspra- chen sie, wollten sie ihn anerkennen."

Wenn das gegründet ist, so erblicken wir darin immerhin nur eine nach seiner Anerkennung der Lät, 'Ozzä und Manäh gestei- gerte Forderung der Makkaner.

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[der Strafe] des Sterbens empfinden lassen ^), und du könntest [unter den Abgöttern] keinen Helfer gegen uns aultreiben.

78. Und es wäre ihnen beinahe gelungen, dich aus dem Lande zu verscheuchen, um deiner loszuwerden. In diesem Falle würden sie

79. in Folge der Satzung, die wir in Bezug auf die Boten, die wir vor dir gesandt haben und unsere Satzungen erleiden keine Abände- rung — nur noch kurze Zeit nach deinem Schei- den geblieben sein.

In einer andern Stelle spricht er nicht von der Ab- sicht, Makka zu verlassen, sondern von seinem Tode:

67, 28. Sprich: Gesetzt Allah läfst mich und meine An- hänger untergehen oder er erbarmt sich unser (d. h. er läfst uns eines natürlichen Todes sterben, noch ehe ihr euch bekehrt habt), wer wird dann nach eurer Ansicht den Ungläubigen gegen eine peinliche Strafe Schutz ge- währen ?

Die Makkaner verloren endlich die Geduld; sie woll- ten nicht mehr zuwarten, bis er selbst fortgehe oder sterbe, sie wollten ihn vertreiben oder morden ; mochte die Folge ihres Frevels sein, welche sie wolle. Sie unterhandelten mit Abu Tälib, aber ohne Erfolgt). Sie machten kein

■) Auch in andern Koränstellen wird Verführern das doppelte Maafs der Strafe gedroht, z. B. K. 7, 36.

*) Ihn Sad, fol. 40, von Wäkidy, von al-Mondzir b. 'Abd Allah und Anderen, von einem seiner Schayche, von Hakym b. Hizäm. Auch (Wäkidy) von Mohammad b. 'Abd Allah, von seinem Vater, von Abd Allah b. Tha'laba b. (^oskyr.

„Die Nachrichten, welche die Gesandten von Abessynien brach- ten , bewogen die Korayschiten den dritten und letzten Versuch zu machen, den Abu Tälib zu bestimmen , dafs er seinem Neffen den Schutz kündige. (Ich setze diesen Versuch in das Jahr 617.) Dies- mal nahm Walyd b. Moghyra seinen Sohn 'Omära und bot ihn dem Abu Tälib statt des Mohammad. Er war ein hübscher, muthiger Junge von edler Geburt; diesen sollte er an Sohnes Statt annehmen,

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Geheimnifs aus ihrem Vorhaben. Die Verwandten des Mo- hammad fühlten sich zu schwach, im offenen Kample sei- nen Tod zu rächen, und ihn unj^erächt zu lassen, wäre so schändlich gewesen, dals sie den Untergang vorgezogen hätten. List und Entschlossenheit war das einzige Mittel, ihre Khre zu retten, t^ines Tages fehlte Mohammad. Man glaubte, er sei ermordet worden, und seine Verwandten, die Waffen unter den Kleidern, begaben sich zur Ka'ba, um die dort versammelten Aristokraten unversehens zu überfallen, wenn er todt sein sollte, und um eine Demon- stration zu machen, wenn er noch am Leben wäre. Glückli- cher Weise wurde er noch zur rechten Zeit gefunden, und es blieb bei der Demonstration.

Auf diese Mord - und Vertreibungspläne bezieht sich folgendes Fragment:

8, 30. Und wenn die Ungläubigen Ränke schmieden, dich fest zu halten, oder dich zu tödten, oder dich zu vertrei- ben, so lafs sie Ränke schmieden. Auch Allah schmiedet Ränke, und er ist der gewandteste Ränkeschmieder.

31. Wenn ihnen unsere Zeichen vorgetragen werden, so sagen sie: Wir haben das schon gehört, und wenn wir wollen, können wir, was diesem gleichkommt, aufsagen: Dies sind die Asatyr der Alten.

32. Sie sagen: 0 Allah, wenn dies (die Drohung) die

um dadurch seine Familie und seine Streitkräfte zu vergröfsern. Abu Tälib antwortete: Ich weifs nicht, was ihr mir zumuthet. Ich soll euren Sohn ernähren, euch meinen nächsten Verwandten und Schütz- ling überliefern, damit ihr ihn tödtet. Wahrlich einen solchen Tausch werde ich nimmermehr eingehen. Mot'im b.'Adyy fiel ihm in's Wort: Um die Sache kurz zu erledigen, hat dir dein Stamm alle möglichen Zugeständnisse gemacht und dir eine hinreichende Vergütigung an- geboten; du aber weisest jeden Vorschlag zurück. Abu Tälib sagte: Ihr handelt höchst unbillig gegen mich. Du legst es darauf an, mich des Schutzes meiner Stammgenossen zu berauben und sie gegen mich zu vereinigen. Wohlan, ich lasse es darauf ankommen! Führe deine Absichten durch, entflamme den Krieg und wir wollen einander ver- nichten.**

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von dir aiisgeliende Wahrheit ist, so lafs Steine vom Him- mel auf uns herabregnen oder verhänge eine peinliche Strafe über uns!

:3.J. Aber Allah ist nicht geneigt, sie zu strafen, so lani^e du unter ihnen bist, noch ist Allah sie zu strafen eeneijrt, so lantj-e sie möglicher Weise um Verzeihung fle- hen könnten.

Ich versetze die Abfassung der Hauptbestandtheile von Sura 40 und 11 in diese Zeit und schreibe den herausfor- dernden Ton, welcher in einigen Stellen herrscht, der ge- hobenen Stimmung zu, mit welcher die Haltung der Hä- schimiten den Propheten erlüllte. \n Süra 40 ist es Mo- ses, welcher ern)ordet werden soll und die Situation, in der sich Mohanmiad befand, repräsentirt.

Der Trotz des Mohanunad und der Widerstand sei- ner Familie hatten zur Folge, dafs diese in die Acht er- klärt wurde. Der Anfang und die Dauer der Acht lälst sich nicht mit Gewifsheit bestimmen. Wahrscheinhch fing sie im Herbste 617 an und dauerte bis zum Herbste 619. Die Traditionisten haben übertriebene Nachrichten darüber hinterlassen, und die (leschichtschreiber haben sie mit Un- wissenheit der Verhältnisse verarbeitet. Die ganze Acht- erklärung scheint aber darin bestanden zu haben, dafs sich die übrigen Korayschiten durch ein schriftliches Dokument unter einander verjinicliteten, mit den Häschimiten, d. h. der Familie des Mohammad, keine Ehen zu schliefsen, mit ihnen keine Handelsgeschäfte einzugehen und ihnen keinen Schutz zu gewähren.

Jede Familie in Makka hatte ihr eigenes Quartier, in welchem die meisten Mitglieder derselben wohnten. Es kam aber vor, dafs einige in den Stadtquartieren anderer Familien sich aufhielten; so lebte z. B. Mohammad im Hause seiner Frau, im Quartier der Asaditen und nicht in dem seiner Familie, der Häschimiten. Drei oder vier Quar- tiere im östlichen Theile von Makka, dem Fufse des Ber- ges Abu Kobays entlang, wurden schon dazumal Schi'b

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eeheifsen. Sie haben noch diesen Namen, und Burckhardt hat wahrscheinlich nicht genau gehört, da er Schab schreibt. Jetzt heilst das nördlichste dieser Quartiere Schi'b 'Amir ^), weiter südlich ist die Schi'b al-niawled d.h. die Schi'b, in welcher 3I(ihammad geboren wurde, und am südlichsten ist die Schi'b 'AIvn. Zur Zeit des l\b)haiumad wurden die zwei letztgenannten die Schieb der Häschimiten und Mot- talibiten, oder auch blos die Schi'b genannt. Dies nun war der Stammsitz dieser zwei Familien, obwohl nicht alle Mitfflieder daselbst wohnten ^). In diesen ijefahrvollen Zei- ten jedoch zogen sie sich alle dahin zurück, um stets zum wechselseitigen Schutz bei der Hand zu sein.

wSchi'b beifst eine Kevine oder ein Weg, der zwischen zwei Bergen hindurchluhrt. Die genannten Stadtquartiere haben ihren Namen wahrscheinlich daher, weil sie in Buch- ten des Berges Abu Kobajs liegen. Die Bedeutung des Wortes hat nun schon früh unkritische Redacteure von Tra- ditionen irre geführt. Sie bildeten sich ein, dafs sich die Geächteten in eine Schi'b (Bergschlucht), entfernt von der Stadt, zurückgezogen haben, und weil sie übertriebene Be- schreibungen von ihren Drangsalen vorfanden, stellten sie so ihren Zustand als eine förmliche Blokade dar^). Wenn man bedenkt, dafs der Handelsverkehr mit ihren Brüdern abgeschnitten war, dafs sie sich keiner korayschitiscben Karawane anschliefsen konnten und selbst nicht mächtig genug waren, eine solche auszurüsten und zu vertheidigen, und dafs folglich ihr Erwerb vernichtet war, wird man sich einen Begriff machen können, wie viel sie zu dulden hat- ten. Eine Belagerung jedoch hat nicht stattgefunden, und

') Ibn Färidh erwähnt sie in einem Gedichte: „Ist auch nach mir die Schi'b 'Amir noch bewohnt?" (Vgl. Jones, Poes. As. p. 94.)

') Nur alnibräs S. 419.

') Die bezüglichen Traditionen sind unter überwiegendem Hä- schimitischen respective Abbapidischen Einflufs ausgebildet worden und haben den Zweck, die Verdienste der Haschimilen für den Is- lam anschaulich zu machen.

n. 9

ISO

es ist kein Zweifel, dafs sie frei umhergehen durften, im- mer jedoch der Gefahr ausgesetzt, von dem ersten besten mutlnvilligen Kerl mifshandelt zu werden, ohne Hoffnung auf Ivt'diesse.

Der Versuch, das Volk von seinen Führern zu tren- nen, war gescheitert, und die Verfolgung hatte eine Höhe erreicht, dafs die neue Sekte in Gefahr war, sich aufzu- lösen. Unter diesen Verhältnissen predigte Mohammad die Flucht nach Abessynien und versprach den Abtrünnigen Wiederaufnahme in die Gnade Gottes, wenn sie auswan- derten '):

16,108. Auf Denjenigen, welche Allah verläugnen, nach- dem sie an ihn geglaubt haben es sei denn, dafs sie dazu gezwungen worden und ihr Herz noch fest geblie- ben im Glauben, denn es sind nur Diejenigen, deren Inne- res mit Unglaube erfüllt ist, gemeuit ruhet der Zorn Allah's und es erwartet sie eine grofse Strafe;

109. denn sie ziehen das Erdenleben dem jenseitigen Leben vor, und Allah leitet nicht das frevelhafte Volk.

111. Hingegen ist dein Herr gegen Jene vergebend und milde, welche auswandern, nachdem sie weggepeiniget worden sind [vom Glauben] -) und sich darauf zusammen eenommen und ausgedauert haben.

») Wir haben oben gesehen, dafs die sogenannte zweite Aus- wanderung nicht lange nach der Rückkehr von der ersten begon- nen hatte. Der Aufruf hatte den Zweck, die lauen Moslime und solche, welche den Islam verläugnet hatten, zu bewegen, Arabien zu verlassen. Folgender Vers bestätiget die bereits ausgesprochene Verrauthung, dafs dafür gesorgt war, dafs die Moslime eine günstige Aufnahme in Abessynien fanden:

16, 43. Denjenigen, welche in Allah auswandern, nachdem sie grau- sam behandelt worden sind , weisen wir schon in dieser Welt eine schöne Heimath an.

^) Im Original: fotina, welches versucht oder gepeinigt werden heifst; man sagt aber im Arabischen: fotina 'an aldyn, er ist vom Glauben weggepeiniget, d. h. durch Qualen abtrünnig gemach worden. Es ist hier also 'an aldyn ausgelassen aber zu suppleiren.

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Es ist ein giofser \ orthcil, wenn allgemeine Angaben durch specieile Fälle ansclianlich gemacht werden. Ich schalte dalier einen Ausnantlernngsversnch des x\bü Uakr nach dem Berichte des Ihn Ishak ein '):

«IMein Vater, erzählte 'Äyischa, hatte viel zu dulden und Makka wnrde ihm unerträglich, weil er sah wie viel sich die Korayschiten gegen Mohannuad und seine Anhän- ger herausnahmen. Er bat daher den Propheten um Er- laubnifs, die Flucht antreten zu diirlen. Diese wurde ihm gegeben und er verliels seine Heimat. Als er eine oder zwei Tagereisen von der Stadt entfernt ^^ar, bej.jeffnete er dem Ihn Doghonna, welcher damals Häuptling der Ahäbysch war. Die Ahäbysch bildeten einen gemischten Stamm in der Nachbarschaft von '^lakka, welcher mit den Einwohnern, den Korayschiten, in Biindnils stand. Als Ibn Doghonna ihn erblickte, fragte er ihn, wo er hinwolle. Er antwor- tete: Mein Stamm hat mich schlecht behandelt und sie haben mich vertrieben. Wie ist es möglich? fiel ihm Ibn Doghonna ins Wort, du bist die Zierde der Gesellschaft und der Helfer der Nothleidenden; kehre mit mir zurück ich will dich beschützen. Abu Bakr nahm seinen Vor- sclilaü; an, imd als sie nach IMakka kamen, verkündete der Schaych öffentlich:' Der Sohn des Abu Kohäfa (d. h. Abu Bakr) ist unter meinem Schutz; Jedermann hüte sich, ihm irgend etwas Unangenehmes anzuthun.

Abu Bakr wohnte in dem Stadtviertel der Banü Go- mah und hatte vor der Thüre seines Hauses einen Platz eingerichtet, wo er die Gebete zu verrichten pflegte. Er war so weichen Gemülhes, dafs er vor Rührung Thränen vergofs, so oft er den Koran las, und die Kinder, Skla- ven und Frauen blieben stehen, denn sie nahmen Interesse an ihm und es gefiel ihnen, was er that. Einige Koray- schiten begaben sich daher zu Ihn Doghonna und sprachen:

') Von Zohry, von 'Orwa, von Ayischa.

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Du verleibst diesem Manne doch nicht deinen Schutz, auf dafs er sich uns durch seinen Skandal lästig mache. Wenn er betet und das, was Mohammad gelehrt bat, recitirt, so tbut er dies mit so \iel Rübrung, dafs er durch sein Be- nehmen die Aufmerksamkeit der Frauen, der jungen und unbescbützten Leute auf sich ziebt. Wir fiircbten, dafs er sie von ibrer Religion abwendig macben wird. Sag ibm er soll den öffentlicben Skandal vermeiden und in sein Haus gehen, dort kann er tbun was er will. Ihn Doghonna ging zu Abu Bakr und sagte zu ihm: leb babe dicb nicht des- wegen in Scbutz genommen, dafs du deine Stammgenos- sen kränken sollst. Sie mifsbilligen, dafs du dicb gerade auf diesen Platz stellst, und sie fühlen sich gekränkt, wenn du nicht in das hmere deines Hauses gebest, wo du tbun kannst, was dir gefällt. x\bü Bakr antwortete: Wenn du willst, so verzicbte icb auf deinen Scbutz und verlasse mich auf den Schutz (loltes. Ibn Doghonna war damit zufrie- den, und er rief mit lauter Stimme aus: Der Sohn des Abu Kobäfa verzichtet auf meinen Scbutz; ibr könnt nun mei- netwegen tbun mit ibm, was ibr wollt

Diese Erzäblung zeigt, dafs sicb's die Moslime selbst in ibren Dranojsalen anij-elesren sein liefsen, ihre Reliurion mit einer gewissen Ostentation auszuüben. Dieser Geist belebt die Anbänger des Propbeten bis auf den heutigen Tag-, wenn sie unter Andersglaubenden leben, suchen sie stets Plätze, die von allen Seiten gesehen werden können, um die närriscben Genuflexionen, Inclinationen und Prosternatio- nen, welcbe ibre Andacbtsübungen constituiren, zu verricbten.

In Folge der Aufmunteruns: des jMobammad und der günstigen Aussiebten, welcbe die Gläubigen erwarteten, flücbteten nährend der folgenden Jabre (616 620) eine Anzahl von Moslimen nach Abessynien.

Mohammad bat uns in Süra 29, deren Verölfentlicbung ich ins Jabr 617—618 setze'), ein ziemhcb deutlicbes

•) Weil die „Flucht" in dieser Siira erwähnt wird, so hat sie schon Scha by als eine madynische Offenbarung angesehen. Er be-

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Bild der damaligrn Verhältnisse liinterlassen Ich theile sie daher last i;anz mit. Es geht daraus hervor, dals inehrere Gläubige der ^ erlolgungen wegen von dem Proplieten ab- fielen (Vers 9). Er ermuntert sie standhaft zu sein, denn auch die Anhänger früherer Projdieten seien verfolgt wor- den (Vers 1 2), und er versichert sie, da.fs sie für ihre Drangsale belohnt werden würden (V. 4). In V. 7 spielt er auf das Beispiel eines heldenmüthigen Jünglings an, wel- cher sich durch die Thränen seiner Mutter nicht bewegen Hefs, den Islam zu verläugnen, und er rechtfertigt sein Be- nehmen.

29, 1. A. L. M. Denken die Menschen, sie können sa- gen: »Wir glauben!« ohne sich Prüfungen (Verfolgungen) auszusetzen?

2, Wir haben Prüfungen über die, welche vor ihnen waren, verhängt. Allah wird dann [nach der Prüfung] die, welchen es ernst ist und auch die, welche lügen, kennen.

merkt nämlich zum ersten Verse, dafs er sich auf die Gläubigen beziehe, welche nach der Flucht des Propheten in Makka zurückblieben. Nach Mokätil aber bezieht er sich auf Mahga', den Clienten des 'Omar. Er fiel bei Badr und seine Verwandten beweinten seinen Tod. Mo- hammad sagte ihnen darauf in diesem Verse, dafs es ohne Trübsale nicht abgeht.

Nach Wahidy wäre V. 60 ein madynischer Vers. Er erzählt nämlich von Ihn 'Omar, dafs er mit Mohammad aufserhalb Madyna umherging und der Prophet dort einige Datteln pflückte, wobei er die Bemerkung machte, dafs er drei Tage nichts gegessen habe; dann fuhr er fort zu sagen: Wenn ich wollte, könnte ich Gott um so grofse Schätze bitten als der Chosroes und Kaiser besitzen. Aber möchtest du unter einem Volke leben, das im Ueberflufs schwelgt und in der Erkenntnifs Gottes zurück ist?" Er hatte dies Worte kaum ausgesprochen als Kor. 29, 6o geoffenbart wurde.

Ich halte dafür, dafs in der Süra von der Flucht nach Abessy- nien die Rede sei; denn sie wird sonst allgemein für eine makka- nische gehalten. Die Geschichten der Veranlassung, auf welche der erste Vers geoffenbart sein soll, stehen mit sich selbst in Wider- spruch. Wähidy's Bemerkungen zum V. 60 sind unwahrscheinlich; endlich spricht V. 45 klar dafür, dafs es sich um die Auswanderung nach Abessynien handle.

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■.i. Andrerseils wenn <liejeni«fen, welche Böses thun (die Verrol«:;er), denken, dafs sie nns entgehen können, so trügt sie ihr Urtlieil.

4. Wer das Zusammentreffen mit Allah (d. h. eine Vergeltunj^ oder Strafgericht) zu erwarten pflegte, der wisse, dafs der Ternnn Allali's gewifs kommen wird. Kr ist der Hörende, der Wissende.

5. Und der, welcher sich nicht geschont hat, der wisse, dafs er die Mühseligkeiten seiner selbst willen trage; denn Allah bedarf jNieniandes in der ganzen Welt.

6. Denen, welche glauben und Gutes thun, werden wir ihre Missethaten vergessen , und wir werden ihnen bei der Vegeltung nur ihre schönsten Handlungen in Rechnung bringen.

7. Wir haben es dem Menschen zur Pflicht gemacht, sich schön gegen seine Eltern zu benehmen. W enn sie dir aber Gewalt anthun, mir Wesen beizugesellen, wovon du nichts weifst, so gehorche ihnen nicht ^); denn vor meinem Richterstuhle müfst ihr erscheinen, und ich werde euch dann sagen, was ihr gethan habt.

') Moslira Bd. 2 S. 472, von Abu Chaythama; und Wähidy, Asbäb 29, 7, von den „Exegeten" und von Simäk b. Harb, von Mo- Qa'b b. Sa'd b. Aby Wakkäij, von seinem Vater; und Wähidy, ebend., von Moslima b. 'Aikama, von Dawüd b. Aby Hind, von Abu 'Oth- raän Nahdy:

„Sa'd b. Aby Wakkä^ Mälik sagte: Der Koränvers 29, 7 bezieht sich auf mich. Ich hatte nämlich meine Mutter sehr lieb. Als ich mich zum Islam bekehrte, sagte sie: O Sa'd, was hast du angefan- gen? Verlasse diese Religion oder ich versage mir Speise und Trank bis ich sterbe, und du sollst Muttermörder geheifsen werden. Ich beschwor sie, dies nicht zu thun, weil ich den Islam unter keiner Bedingung verlassen würde. Sie afs und trank einen Tag nichts und dann noch einen Tag. Da sie viel duldete, so sagte ich zu ihr: Lafs ab von deinem Vorhaben; es ist unnütz, denn wenn du hundert Leben hättest und eines nach dem andern hingäbest, um mich abwendig zu machen, so würde ich meine Ueberzeugung doch nicht verläugnen. Dadurch liefs sie sich bewegen, wieder Nahrung zu sich zu nehmen."

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8. und die Gläubic^en und Guten werden wir dann unter die Gottsoligcn 'j einfüliren.

9. Es giebt Menschen, welche sagen: Wir glauben an Allah! und wenn sie wegen Allah gepeinigt werden, ist ihnen die Verfolgung der Menschen ebenso schreck- lich wie die Strafe Allahs. Wenn dir dein Herr einmal Sieg verleiht [und die Ungläubigen vertilgt werden], so würden diese Gleifsner gewifs sagen: Wir gehören zu euch. Aber weifs Gott etwa nicht, was in den Herzen der Men- schen ist?

10. Allah Avird dann die Gläubigen und die Heuch- ler kennen [weil er sie geprüft hat].

11. Die Ungläubigen haben zu den Gläubigen gesagt: Schlaget unsern Pfad ein, und wir ^vollen eure Sünden auf uns nehmen. Sie können nichts von euren Sünden auf sich nehmen. Sie sind l.Ü2;ner.

12. Sie werden ihre eigene Last zu tragen haben und aufser ihrer eigenen noch eine andere, und sie wer- den am Tage der Auferstehung über ihre Lügen zur Re- chenschaft gezogen werden.

Um den Koran richtig zu benutzen, ist es wichtig, nicht zu vergessen, dafs Mohammad darin absichtlich nur

') Qälih „gottselig" heifst ursprünglich: rechtschaffen, unbe- scholten (24, 32), und daher al - (J!!älihät gute Werke; nur bildet sich der Orientale einen rechtschaffenen Lebenswandel anders ein als wir, wenigstens drückt er sich anders aus. Wir sagen : ein Mann hat viele gute Werke gethan; der Orientale sagt aber gewöhn lieh: ein Mann hat die guten Werke gethan, d. h. er hat consequent das Gute ge- wählt. In K. 4, 71 zählt Mohammad die vier Klassen von Heiligen im Himmel auf nach christlichen Begriften und die ^älihün neh- men die vierte Stufe ein. Hier entspricht es also dem katholischen „Seelig" (beatus). Diese technische Bedeutung hat das Wort auch in Kor. 16, 123. 29, 2ü. 12,102. 26,83. Es werden nun auch die Moslime den Heiden gegenüber die Qäliliün, gleichsam „the latter days' Saints" (Kor. 9,76) genannt. Da aber das Wort im gemeinen Leben gang und gäbe war, so wird es neben dieser technischen Bedeutung selbst in den spätem Suren auch in der ursprünglichen gebraucht.

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Andeutuiiiien niederi'elegt hat. Er enthält gleichsam die Texte, über Avelche er predigte, und nach seinem eigenen Vorffeben, sind sie manchesmal so dunkel, dafs er sie nur, nachdem ihm der Engel Erklärungen mitgetheilt hatte, ver- stehen konnte. Gewöhnlich sind die ersten Andeutungen am dunkelsten, allmählig spricht er sich deutlicher und deutlicher aus, und wir sind somit durch Hinzuziehung von Parallelstellen in den Stand gesetzt, den Sinn und die Ten- denz festzustellen. Wenn es aber an Parallelstellen fehlt, wie 'u\ der folgenden OtTenbarung, so wird man mich hof- fentlich nicht tadeln, wenn ich mich an den Ideengang halte. 29, 13. Ehedem sandten wir den Noah zu seinen Zeitge- nossen und er blieb tausend Jahre w eniger fünfzig [ehe seine Drohung in Erlüllung ging]; endlich aber ergriff sie die Flulh, denn sie waren ungerecht.

14. Und wir retteten ihn und diejenigen, welche in der Arche waren und machten sie (die Arche) zum Zei- chen für die Menschheit.

Oben S. 24 (Kor. 22, 46) hat er gesagt, dafs der Ver- schub der Strafe von einigen Tagen nichts zu sagen habe, denn ein Tag Gottes daure tausend Jahre; hier erwähnt er einen concreten Fall, in welchem ein Warner 950 Jahre alt wird, ehe die Strafe eintritt'); jedoch wenn sie Gott auch lange verschoben hat, so hatte jener doch noch die Genugthuung, die Vertilgung der Sünder mitanzusehen, und die Freufle, mit seinen Anhängern gerettet zu aa erden. An diese Thatsache liefs sich eine erbauliche Predigt knüpfen.

In dieser Süra wird wohl zum ersten Male etwas Nä- heres über Abraham berichtet und zwar im Geiste der Straflegenden, wenn auch auf seine Predigten keine Strafe gefolgt ist. In dieser Süra kommt Mohammad auf die Dro- hungen eines Strafgerichtes zurück, obschon sie damals be- reits veraltet waren, weil dieselbe zum Theil an Abtrünnige

') Bekanntlich belief sich, der Bibel zufolge, seine ganze Le- bensdauer auf 950 Jahre.

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gericlitet ist, welche in Folge dieser Drohungen den Glau- ben angenommen hatten.

ir>. Und den Abraham [sandten wir] und er sprach zu seinem Volke: Betet Allah an und iürchtet ihn, [ihr werdet finden, dafs] dies am besten für eudi ist, wenn ihr zur Einsicht kommt.

ii;. Ihr verehret aufser Allah Abgötter und erdichtet Lügen. Wahrlich die Wesen, welche ihr aufser Allah ver- ehret, sind nicht im Stande euch zu nähren, heischet da- her eure Nahrung von Allah und betet ihn an und danket ihm. Vor ihm werdet ihr einst erscheinen müssen [um Rechenschaft zu geben]

17. Wenn ihr ausruft: Lug und Trug! so haben dies auch die \ ölker vor euch gethan, mir aber als Bote liegt keine andere Pflicht ob, als die Botschaft Gottes öffent- lich zu überbringen. [Hier enden die Worte des Abra- ham. Jetzt spricht Gott zu Mohammad].

18. Haben sie denn nicht gesehen, wie Allah die Menschheit zum Dasein ruft. Einst wird er sie wieder [aus dem Grabe] zurückführen. Dies ist ein Leichtes für Allah.

19. Sprich: Geht auf der Erde herum und sehet, wie er die Menschheit zum Leben gerufen hat. Feinst wird Allah sie zum zweiten Male zum Leben erwecken, denn Allah kann alles thun.

20. Er, der Allmächtige quält, wen er will, und ist gnädig, gegen wen er will, aber ihr Averdet einst alle vor ihm erscheinen müssen [und dann werden die Heiden, die euch jetzt verfolgen, gegen die aber Gott jetzt gnädig ist, bestraft und ihr belohnt werden].

21 Ihr könnt ihm nicht widerstehen weder auf Er- den noch im Himmel '), denn aufser Allah habt ihr kei neu Beschützer und keinen Retter.

') Vergl. Psalm 139,7 8. Bemerkenswerth ist, dafs Moham- mad hier nicht wie in andern ähnlichen Stellen Himmeln sagt, ob- wohl in der Bibel der Plural steht.

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'22. Diejenigen, welche die Zeichen Allah's und die V»'io;ehinii? |iin nächsten Leben] läugnen, verzweifehi an meiner l>arnilierzii'keit [wenn sie verfolgt und gefoltert werden], und eine (|ualvolle Strafe erwartet sie.

li. Auch die Antwort des Volkes des Abraham [als er ihnen die Einheit Gottes predigte] war keine andere, als dafs sie sagten: Tödtet ihn oder verbrennet ihn! Gott errettete ihn aus dem Feuer. Wahrlich, hierin sind Zeichen für Leute, die glauben.

24. Auch er sagte zu seinem Volke: Ihr erkennt au- fser Allah [die Ginn] als Abgötter an aus wechselseitiger Freundschaft zwischen euch; diese dauert in diesem Leben, aber am Tage der Auferstehung werdet ihr sie, und sie wer- den euch verläugnen, und ihr werdet einander fluchen. Die Hölle wird euer Aufenthaltsort sein und ihr werdet keinen Retter finden [obwohl ihr jetzt von ihnen Beistand er- wartet].

25. Lot glaubte an ihn und sprach: Ich wan- dere aus zu meinem Herrn. Er ist der Erhabene, der Weise.

26. Wir schenkten ihm (dem Abraham) den Ishaak und Jakob und bestimmten für seine Nachkommen das Prophetenthum und das Buch. Wir gaben ihm schon in dieser Welt seinen Lohn, und in jener Welt wird er un- ter den Gottseligen sein.

Hier folgt die Erzählung der Vertilgung von Sodoma und anderer Straflegenden, die wir schon kennen. Wich- tig ist V^ers 25, der deshalb mit gesperrter Schrift gedruckt ist. Um seiner Aufforderung zur Auswanderung nach Abes- synien Nachdruck zu geben, hält er den Gläubigen das Beispiel des Lot vor. In der Fortsetzung der Süra 29 stellt er den Gläubigen vor, dafs die Erde weit sei (V. 56), dafs Gott selbst für den Unterhalt der Thiere sorge (V. 60) und ermuntert sie, dem Beispiele des Lot zu folgen und auszuwandern. Wenn sie aber in Abessynien angekom- men sein würden, sollen sie sich in keine Streilij-keiten

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mit den Christen einlassen, sondern sie voinliinein ver- sichern, dals sie an «He Bibel ijlanben. Kr setzt anch das \ erhältnils des Korans zur Bibel auseinander: beide sind ein Abglanz des im Himmel aufbewahrten Buches, enthal- ten im Wesentlichen dasselbe und sind gleich berechtigt. Mehrere Verse dieser Inspiration sind Anklänge an die zweite Drohungsperiode'), ^vährend welcher sie verlafst w urden :

29, 44. Trage vor, was dir von dem Buche [welches im Himmel aufbewahrt wird] geoffenbart worden ist, und verrichte das Gebet, denn dieses hält von Aussehe eilun- gen und Sünden zurück. Den Namen Allahs zu erwäh- nen ist das Allerwichtigste. Allah weifs, was ihr thut.

4.i. Und streitet nicht mit den Schril'tbesitzern aufser zu Gunsten') einer Sache, die besser ist, und widersetzet euch nur den Ungerechten von ihnen [die euch von eu- rer Religion abwendig zu machen suchen]. Saget [zu den Schriltbesitzern]: Wir glauben an das, was an uns und an das, was an euch [vom Himmel] herabgesandt worden ist, und unser Gott und euer Gott ist ein und derselbe, und ihm sind wir unterwürfig.

46. Und [wie wir früher an die Propheten, so ha- ben wir auch an dich das im Himmel aufbeuahrte] Buch hinabgesandt. Diejenigen, welchen wir das Buch schon früher mitgetheilt haben, glauben daran (d. h. an das Buch im Himmel), und unter ihnen giebt es Einige, welche daran [dafs wir es auch an dich hinabgesandt haben] glauben, und in der Ihat läugnen nur die Frevler [die AechtheitJ unse- rer Zeichen (d. h. Offenbarungen an dich).

') Die hier erzählten Straf legenden beurkunden denselben Geist: so sagen die Sodomiten zu Lot, V. 28, bringe das Strafgericht Al- lah's, wenn du die Wahrheit sprichst!

*) Ueber die Bedeutung von bi nach gädal vergl. Kor. 40, 5. Es ist sehr wahrscheinlich, dafs dieser Vers einen madynischen Zu- satz enthält und ursprünglich lautete: Und streitet nicht mit den Schriftbesitzern, sondern saget: Wir glauben an das, was etc.

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IT. Dil liatd'sl nie ein Buch gelesen, noch eins mit ileiiMM- ll;iii(l ncscliiiohen vor diesem (dem Koran). Wäre dem niclit so, bürden deine Opponenten Ursache haben zu zneifeln.

48. Aber er (der Koran) besteht aus einleuchtenden Zeichen, welche in den Herzen derjenigen leben'), die mit dem Wissen begabt sind, denn nur die Ungerechten läuürnen unsere Zeichen.

49. Sie sagen: Warum wurde ihm nicht die Macht ein Zeichen zu wirken gegeben? Antworte: Zeichen zu wirken steht in der Hand Allah's. Ich aber bin offenbar ein Warner.

.50. Genügt es ihnen denn nicht, dafs Avir auf dich das Buch hinabgesandt haben, Avelches ihnen vorgelesen wird? Darin erblicken L'eute, die glauben, einen Akt der [göttlichen] Barmherzigkeit und eine f]rmahnung.

51. Sprich: Allah genügt als Zeuge im Streite zwi- schen mir und euch,

5'2. denn er w eifs, was in den Himmeln und auf Erden ist. Jene aber, welche an nichtige Wesen glauben und Allah verläugnen, sind im Nachtheile.

53. Sie fordern, dafs du die [ihnen gedrohte] Strafe beschleunigst. Wäre der Termin nicht bestimmt, so würde die Strafe schon gekommen sein. iVber sie wird sie plötzlich überraschen, ehe sie es gewahr werden ^).

.=>5. An einem Tage wird sie die Strafe von oben und unten bedecken, und er (Gott) wird ihnen zurufen: Geniefset nun [die Früchte dessen], was ihr gethan habt.

') Wir finden hier ganz deutlich die Lehre der Clementinen über die Aufbewahrung der Offenbarung im Gewissen der Gläubigen. Vergl. Bd. I S. 26. Wir verstehen nun was im Koran „das Wissen" bedeutet.

^) Folgenden Vers halte ich für eine Einschiebung aus der drit- ten Strafperiode:

54. Sie fordern, dafs du die Strafe beschleunigest. Wahrlich die Hölle umzüngelt die üugläubigen [und sie können ihr, wenn auch die irdische Strafe nicht eingetreten ist, nicht entgehen].

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56. 0 meine gläubigen Diener, die Erde ist weit, und mir, mir müfst ihr dienen!

57. Jedes lebende Wesen kostet den Tod und dar- nach werdet ihr zu mir zurückgebracht (vor mir erschei- nen n)üssen).

58. Den Gläubigen, welche tugendhaft waren, weisen \^ir einen hohen Platz im Paradiese an, das von Bächen durchschnitten ist und worin sie ewig bleiben werden. V^or- trertlich ist der Lohn der Handelnden,

59. welche in Geduld ausharren und auf ihren Herrn ihr Vertrauen setzen.

60. Wie viele Thiere giebt es, welche nicht im Stande sind, ihre Nahrung zu sammeln. Allah nährt sie, so wie er euch nährt, denn er ist der Hörende, der Allwissende.

61. Wenn du sie (die Heiden) fragst: Wer hat die Himmel und die Erde erschaifen und wer befiehlt der Sonne und dem Monde ihre Dienste zu thun? so antworten [selbst] sie: »Allah«. Wozu dann Fictionen (andere Götter)?

62. Ja, Allah gewährt üeberflufs an IMitteln wem er will von seinen Dienern und mifst ihm zu; denn Allah weifs alle Dinge.

63. Wenn du sie fragst: Wer sendet das Wasser vom Himmel und belebt die Erde, nachdem sie todt ge- Avesen? so antworten sie: »Allah«. Sprich: Das Lob sei dem Allah! Aber die Meisten verstehen dies nicht.

64. Dieses irdische Leben ist nur Tand und vSpiel. Die nächste Welt ist das wirkliche Leben. 0 wenn es die Menschen doch wüfsten!

65. Als sie auf dem Schilfe fuhren, riefen sie Allah an und hielten sich ausschliefslich an seinen Cultus; jetzt aber, nachdem er sie ans Land gerettet hat, gesellen sie ihm andere Wesen bei:

66. um mit Undank zu vergelten das, was wir ihnen bescheert haben und \ ortheile zu geniefsen. Aber bald werden sie zur Vernunft gebracht werden.

67. Sehen sie (die Einwohner von Makka) nicht ein,

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tlafs wir ihr Land zur heilif^en, sichern Stätte gemacht ha- ben, wälirend die 3ienschen rings umher im Kampfe sind [sie würden also, auch wenn sie den Götzendienst aufge- ben, Vortheile geniefsen]; und dessen ungeachtet glauben sie an nichtige [Wesen] und sind undankbar gegen Allah.

68. Wer aber ist unjjerechter als der, welcher auf Gott eine Lüge erdichtet, oder die Wahrheit, nachdem sie ihm mitgelheilt worden, als Lug und Trug erklärt? Ver- dienen diese Gottlosen nicht die Hölle?

69. Diejenigen, welche sich unsertwegen anstrengen, wollen wir unsere Wege führen, denn Allah ist mit den Guten.

Unter diesen Verhältnissen und Aufmunterungen ver- mehrte sich die Anzahl jener, welche nach Abessynien auszuwandern Lust hatten. Es werden 83 Männer und 18 Frauen genannt, welche sich nach und nach dorthin flüchteten. Die Liste nach Ibn Ishäk mit kurzen biogra- phischen Notizen steht im Anhange. Wenn wir sie mit der Liste der Gläubigen, welche sich nach Madyna flüch- teten, oder mit der Musterrolle der Badrhelden verglei- chen, so stellt sich heraus, dals ungefähr um's Jahr 618 kaum über ein Dutzend erklärter Moslime bei Mohammad in Makka weilten.

Wähidy bemerkt auf die Auktorität des JSoddy, dafs der Koränvers 6, i()8 in Folge von Vorstellungen geoffen- bart worden sei, welche die Korayschiten dem Oheim des Mohammad machten. Ich glaube: dies ist richtig. Die Ueberlieierer alter Traditionen sind aber oft durch den Wunsch, zu vollständig zu sein irre geführt worden. So ist es auch in diesem Falle £res;an2:en. Es wird in dieser Tradition die Geschichte des Besuches, welchen die Ko- rayschiten dem Abu Tälib abstatteten, fast in denselben Worten wie in andern Traditionen erzählt, nur wird er auf das Todesbett des ehrwürdigen Patriarchen verlegt. Der Hergang der Sache war wohl dieser. Die Acht war für die Haschimiten sehr drückend und auch für die Feinde

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des Mohammad war die Spaltun«; im Stamme schmerzlich. Die Häschimiten eiTüllten eine IMlicht, indem sie ihren An- verAvandten schützten, ohne dessen Freiheit zu schmälern; die Gegner aber erklärten, dafs die Freiheit ihre Grenzen habe, und wollten dem Mohammad und seinen Anhängern nicht das Recht zugestehen, von ihren (Jöttern mit Verach- tuns; zu reden. Abu Tälib sah die Billiijkeit dieser For- derung ein und knüpfte seinen Schutz an die Bedingung, dafs dieser Unfug aufhöre '). Gott oiFenbarte daher:

6, 106. Folge was dir geoffenbart wird und von deinem Herrn ausgeht, nämlich: Es giebt keinen Gott als Ihn. Und ziehe dich von den \ ielgötterern zurück;

107. denn wenn es Allah so wollte, so würden sie nicht Vielgötterer sein. Wir haben dich nicht als ihren Wächter oder Anwalt bestellt.

108. [0 Gläubige] lästert nicht die Wesen, welche sie aufser Allah anbeten, denn sonst werden sie in ihrer Unwissenheit aus Feindschaft auch Allah lästern. So haben wir jeder Religionsgemeinde ihre Thaten als schän vorge- spiegelt. Allein sie müssen zu ihrem Herrn zurück, und er wird ihnen sagen, was sie gethan haben.

Diese Wendung war vortheilhalter für Mohammad als man glauben sollte. Da die Makkaner so frevelhaft waren, ihm nicht auf sein Wort zu glauben, ja seine Widersprü- che und seinen Betrug aufzudecken, so hatte er kaum eine andere Wahl als ein für alle Mal das Anathem über sie auszusprechen und zu ihrem Hohne zu schweigen. Weis- lich schwieg er nur da, wo er keine Antwort geben konnte, benutzte aber jede Gelegenheit, sich zu rechtfertigen.

Ich führe sogleich einen Fall an. Steinregen war keiner auf Makka gefallen, noch war die Stadt von der Erde ver-

') Bei Ibn Ishjik, welcher S. 278 bei Gelegenheit des Todes des Abu Tälib die Geschichte wieder erzählt, sagen die Koray- schiten : Wenn er uns in Ruhe läfst, lassen wir auch ihn in Ruhe, und wenn er unsere Religion nicht angreift, greifen wir auch seine Religion nicht an.

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schlungen worden. Kr begnügt sich nun zu sagen, dafs es in der Macht Gottes stünde, das eine oder das andere gescliehen zu lassen, zugleich macht er seine Feinde auf die politische Lage seiner Vaterstadt, auf die Entzweiung der Familien aufmerksam und droht ein neues Strafgericht, dafs sie sich einander vernichten.

6, 6\ Sprich; Gott besitzt die Macht, eine Strafe von oben oder von unter euren Füfsen über euch zu senden, oder ertheilt (wörtlich: verwirrt) euch in Parteien, so dafs Ei- ner die Wuth des Andern fühlet^). vSieh, wie wir unsere (Olfenbarungen) drehen, auf dafs ihr zur Vernunft kommt. Cfi. Dein Stamm hat es (das Strafgericht) geläugnet. Es ist jedoch eine Thatsache. Sprich: Ich bin nicht euer Anwalt. Jede Weissagung hat eine bestimmte Zeit [zu der sie eintreffen wird]; ihr werdet es bald wissen.

67. Und wenn du Diejenigen siehst, welche über un- sere Zeichen grübeln'^), so ziehe dich von ihnen zurück, bis sie sich mit einem andern Gespräche beschäftigen.

Enero:ische Leute unter seinen Anhäno:ern, welche von seiner Sendung besser überzeugt waren als er selbst, moch- ten denken: Si Dens nobiscum, quis contra nos? und ih- ren Wortkampf mit den Heiden fortsetzen. Für diese wird geoffenbart :

16, 126. Rufe [die Menschen] zum Wege deines Herrn

') Soyufy, Irschäd, in einer Glosse zu Wähidy's Asbäb, von Ibn Aby Hätim, von Zayd b. Aslam:

„Als Gott K. 6,65 geoffenbart hatte, sprach der Prophet: Verharret nicht länger im Unglauben, Gott wird euch entzweien und Einer wird dem Andern mit dem Schwert den Kopf abhauen. Sie sagten dar- auf: "Wir bezeugen, dafs es keinen Gott giebt aufser Allah und dafs du der Bote AUah's bist. Einige von ihnen sagten: Das wird nie geschehen, dafs wir einander erschlagen, denn wir sind jetzt Mos- llrae. Darauf wurde geoffenbart: Sieh wie wir unsere Zeichen wen- den etc. bis: Ihr werdet es erfahren."

Die Tendenz dieser Tradition liegt auf der Hand.

^) Er meint die Männer, welche ich in Kap. 14 erwähnen werde, wo der Leser auch diese Stelle ganz finden wird.

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mit Klugheit und anziehender Unterweisung, und wenn du dich in Streit mit ihnen einläfst, so geschehe es auf die mihleste Art; denn dein Herr kennt den am besten, der sich von seinem (des Herrn) Weg verirrt, und er kennt am besten die Geleiteten ').

]is. Daure aus! Deine Ausdauer ist aber nur durch Allah möo-Iich. Detriibe dich nicht über sie und lafs «lieh durch ihre Ränke nicht in die Enge treiben; denn Allah ist mit den (iotteslürchtigen und den Guten.

Auch an den Propheten vor Mohammad ^^ird von nun an die Geduld als die Kardinaltugend gepriesen, und wäh- rend z. B. Noah bisher zu Gott gefleht hatte, die Sünder zu vertilgen, bittet er ihn, nachsichtig gegen sie zu sein. Gott sagt zu ihm:

39, 11. Sprich mir nicht mehr zu Gunsten der Unge- rechten; denn sie sind bestimmt zu ertrinken.

Diese neue Wendunjj schliefst die Angriffe auf die Ari- stokratie, die schon früher selten geworden waren, vollends ab ^) und hatte den Vortheil, eine Aussöhnung zwischen den Häschimiten und übrigen Korayschiten möglich zu ma- chen, Avelche auch im J. 619 erfolgte, nachdem die Acht zwei, nach andern drei Jahre gedauert hatte. Das Wun- der, welches als der Grund für die Aufhebung der Acht erzählt wird, beurtheilen wir im Anhange.

Es wird berichtet, dafs dreiunddreifsig Auswanderer aus Abessynien nach Makka zurückkehrten^). Obschon die

') Vers 127 entliält eine moralische Lehre, welche wohl bei einer andern Gelegenheit geoffenbart, aber wegen der Gleichheit des Inhaltes hier eingeschoben worden ist. Er lautet:

127. Wenn ihr euch rächt, so fügt eine eben so grofse Beleidi- gung zu als ihr erduldet, wenn ihr aber geduldig seid, so ist es am besten für den Duldenden.

') Später scheint er seine Satyren gegen Individuen gerichtet zu haben.

3) Ihn Ishak hat uns die Namen derselben aufbewahrt:

1. 'Othmän b. 'Affän (vergl. No. 2 in der im Anhang einge- schalteten Liste) und seine Frau Rokayya; 2. Abu Hodzayfa (vergl. u. 10

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Zeit ihrer Rückkehr nicht angegeben wird, so nehme ich «h)ch keinen Anstand, selbe in das Jahr 619 zu versetzen.

No. 9 in der Liste im Anhang) und seine Frau Sahla; 3. Abd Allah b. Gahsch (No. 5); 4. 'Otba (No. 11); 5. Zobayr (No. 12); 6. Mo- 9"ab (No. 17); 7. Sowaybit (No. 18); 8. Tolayb (No. 16); 9. 'Abd al-Rahman (No. 22); 10. Mikdäd (No. 27); 11. 'Abd Allah b. Ma- s'ud (No. 25),- 12. Abu Salama (No. 30) und seine Frau; 13. Scham- mäs(No.31); 14. Salama b. Hischäm (No. 35); lö.'Ayyäsch (No. 36); 16. 'Ammär (No. 83); 17. Mo'atdb (No. 37); 18. 'Othmän b. Matz'ün (No. 38); 19. dessen Sohn Säyib (No. 39); 20. Kodäma (No. 40); 21. 'Abd Allah (No. 41); 22. Chonays (No. 49); 23. Hischam b.'Ä? (No. 51); 24. 'Amir (No. 66); 25. 'Abd Allah b. Machrama (No. 68); 26. 'Abd Allah b. Sohayl (No. 69); 27. Abu Sabra (No. 67); 28- Sikrän (No. 71); 29. Sa'd b. Chawla (No. 74); 30. Abu 'Obayda (No.75); 31. 'Amr b. Harith (No.79); 32. Sohayl (No. 76); 33. 'Amr b. Aby Sarh (No. 77).

Ibn Ishäk, aus dessen Werk diese Liste entlehnt ist, berichtet, dafs No. 14, 23 und 26 dem Propheten nicht sogleich nach Madyna folgten. No. 15 wanderte zwar dahin aus, wurde aber von seinen beiden mütterlichen Brüdern, Abu Gähl und Harith b. Hischäm, nach Makka zurückgebracht. No. 28 starb vor der Flucht nach Madyna.

Die Tradition sagt, dafs die Gläubigen, welche dem Mohammad nicht gleich nach Madyna folgten , von den Heiden in Makka fest- gehalten wurden (hobisu vgl. oben S. 121 Note). Mit dem Festhalten war es wahrscheinlich nicht so arg. In einer Tradition des Ibn 'Ab- bäs (bei Baghawy, Tafsyr 29, 1) und in einer andern des Abd al-Razzäk ... von Abd al-Malik b. Aby Bakr b. al-Härith b. Hi- schäm (bei Icäba, unter Salama), welche durch eine Tradition des Abu Horayra (bei Bochäry und Moslim) bestätiget wird, werden 'Ayyäsch b. Raby'a, Salama b. Hischam, und 'Ammär b. Yasir in dieselbe Kategorie gestellt mit Walyd b. Walyd, dieser aber focht gegen Mohammad bei Badr, wurde gefangen und trat erst, nach- dem er seine Freiheit erhalten hatte, wieder zu Mohammad über. Die Wiederbekehrung dieser drei Leute (des 'Ayyäsch, Salama und Walyd) war nun freilich durch die Fürbitte des Propheten bewirkt, denn er betete für sie, dafs Gott sie aus den Händen der Ungläu- bigen erlösen soll, als er hörte, dafs sie gegen ihn zu Felde zögen; aber es ist doch ganz klar, dafs sie mehr durch moralischen als physischen Zwang in Makka zurückgehalten worden, denn sonst hätte Walyd nicht gegen ihn gefochten.

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Alle Parteien sahen die ISothwendigkeit der Versöhnlich- keit und Duldsamkeit ein.

Im Jahre (519 '), nachdem die Acht aufgehoben war, verlor IMohammad kurz nach einander seine Frau Chadyga und seinen Oheim Abu Tälib. Ich schalte die Worte des Ihn SaM über das, was darauf folgte, im Anhange ein.

Ich mufs nun noch einmal auf die abessynische Aus- wanderung zurückkommen. Den Korayschiten mufste noch das V erhältnifs des Königs 'Othmän zu den Byzantinern im Gedächtnisse sein, sie konnten es also nicht mit Gleich- gültigkeit ansehen, dafs ihr Stamm seiner besten Kräfte be- raubt wurde und diese sich im Auslande sammelten, um vielleicht einst mit fremder Hülfe als Sieger in das Vater- land zurückzukehren. Hatten doch dieselben Abessynier früher auf die Vorstellungen eines mifsvergnügten Prinzen Yaman erobert. Sie schickten also eine Gesandtschaft an den König von i\bessynien, um ihn über die neue Lehre des Mohammad aufzuklären und zu bitten, seine Gäste nach Arabien zurückzuschicken. Wir haben zwar einen alten Bericht über diese Gesandtschaft, aber man sieht es ihm an, dafs er von den Geschichtenerzählern herstamme und dafs die Einzelheiten wenig Glauben verdienen. Wir müs- sen ihn einmal hinnehmen, wie er ist, und ich schalte ihn hier ein. Unter den verschiedenen V ersionen desselben wähle icli zwei, welche noch nicht gedruckt worden sind, und stelle sie zusammen'^):

') Die späteren Biographen haben seinen Tod auf den Tag be- rechnet. Mohammad war als Abu Tiilib verschied 49 Jahre, 8 Monate und 11 Tage alt, heifst es in dem Mawähib S. 29. Nach dieser be- rechnung fiele sein Tod auf den 7. Juli 619.

^) Ibn Aby Schayba, S. 51, von 'Obayd Allah b. Müsä, von Is- räyl, von [seinem Grofsvater] Abu Ishäk, von Abu Müsä und Wahidy, Asbäb 3, 61, von Kalby, von Abu ^'alih, von Ibn 'Abbäs; und (Wähidy) von 'Abd al-Rahmän b. Ghanm [fTS], von den Ge- fährten des Propheten; und (Wähidy) von Ibn Ishäk. Ich berück-

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»Die Korayschiten versammelten sich im Rathbause und beschlossen, zwei einsichtsvolle IMänner als Gesandte an den Naggäschy zu schicken mit der Bitte, die Flücht- linge anszuliefern. Sie schössen Geld zusammen, um für den Naggäschy Geschenke, besonders Leder (Adym), an- zukaufen. 'Amr b. Ac und Mo'a^t wurden als Abg-eord- nete gewählt. Sie schitlten sich auf dem Rothen JMeere ein und erreichten nicht ohne kleine Abenteuer ihre Be- stimmung. Beim Naggäschy vorgelassen, warfen sie sich auf ihr Angesicht nieder und sprachen: Unser Stamm hegt die freundschaftlichsten Gesinnungen und die Gefühle der tiefsten Dankbarkeit o-eoen dich, und er bewundert alle deine Verfügungen. Er hat uns zu dir gesandt, um dich vor jenen Leuten zu warnen, welche bei dir Zuflucht ge- nommen haben. Sie sind die Anhänger eines Lügners, der unter uns aufgestanden ist und glaubt, dafs er ein Bote Got- tes sei. ?viemand folsft ihm, als Thoren. Wir haben sie in die Enn^e »betrieben und sie o-enöthio^t, in einer Schi'b in unserm Lande Zuflucht zu suchen, wo sie Niemand besucht und Niemand von ihnen es wagt herauszukommen. Hun- ger und Durst reiben sie beinahe auf). In dieser Be-

sichtige den Bericht des Ihn Ishäk (S. 217) nicht, weil er dem Publi- kum durch die Uebersetzunor des Hrn. Wüstenfeld bekannt «recnacht

o o

werden wird.

Die Biographen wissen nicht, in welche Zeit sie diese Gesandt- schaft verlegen sollen. Einige sagen, dafs sie unmittelbar nach der ersten Auswanderung stattfand. Aber die Zeit des Aufenthaltes der Flüchtlinge in Abessynien war zu kurz, und in der Erzählung spielt Gafar eine wichtige Rolle, welcher damals in Makka war. Wenn sie aber andere erst nach der Aufhebung der Acht, ja nach der Schlacht von Badr (623) stattfinden lassen, so sind sie doch gewifs in noch gröfserem Irrthume. Nach Ihn Sad waren die Gesandten schon nach Makka zurückgekommen, als die Häschimiten in die Acht erklärt wurden.

') Wähidy setzt die Gesandtschaft nach der Schlacht von Badr (A. D. 624) und gebraucht daher in diesem Satze das Perfektuni. Nach Ibn Aby Schayba hingegen kam sie sobald in Abessynien an,

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drängnifs sandte er seinen Vetter zu dir, damit er deine Religion, dein Königreich und deine Untertlianen verderbe. Hüte dich vor ihnen und treibe sie zu uns zurück, wir wollen schon mit ihnen fertis: werden. Es diene dir als Zeichen ihrer Halsstarrigkeit, dafs, wenn sie vor dich tre- ten, sie sich nicht vor dir niederwerfen und dich nicht mit demselben Grufse begrüfsen wie andere Leute. Die Ur- sache davon ist, dafs sie von deiner Religion und von dei- nen Gebräuchen abweichen.

Der Naggäschy liefs sie rufen. Als sie ankamen, rief Ga'far bei der Pforte: die Schaar Gottes wünscht vor2:e- lassen zu werden. Der Naggäschy befahl, ihnen zu bedeu- ten, dafs Ga'far seinen Ruf wiederholen soll und, als er es gethan hatte, antwortete jener: Ja, lafst sie herein unter dem Schutze und dem Geleite Gottes. 'Amr b. al-'Äg sah sei- nen Gefährten an und sprach : Hörst du nicht, dafs sie den arabischen Ausdruck »Schaar Gottes« ') gebrauchen und was ihnen der Naggäschy geantwortet hat? Beiden mifsfiel dies. Sie traten vor den Könis:, ohne sich auf die Erde zu werfen. 'Amr sagte zum Naggäschy: Sie sind zu stolz, sich vor dir zu verbeugen. Er sprach zu ihnen: Warum werft ihr euch vor mir nicht nieder und grüfset mich nicht auf die Weise, wie mich Leute, die von allen Weltgegenden her- kommen, grüfsen? Sie antworten: Wir prosterniren uns nur vor Gott, der dich und dein Königreich erschaffen hat. Wir pflegten auf dieselbe Weise zu grüfsen wie andere, als wir noch Götzen anbeteten. Aber Gott hat unter uns einen Propheten aufstehen lassen, den schon Jesus vorhergesagt hat in den Worten: Nach mir kommt ein Bote, dessen Name

dafs der König noch gar nichts von der Anwesenheit von Flücht- lingen in seinem Lande wufste. Auch in Wähidy kommt ein Pas- sus vor, demzufolge er sie noch nicht kennt, obschon sie acht Jahre im Lande gewesen wären. Auf die Chronologie achteten diese Herren nicht. Es lag ihnen nur daran, die Erzählung recht erbaulich und vortheilhaft für den Islam zu machen.

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Ahmad ist. Dieser hat auf Gottes Befehl den Grufs der Be- wohner des Paradieses unter uns eingeführt, und dieser ist: Saläni! Der König wufste, dafs dies richtig sei, denn es steht in der Thora und im KvangeHum geschrieben. Er fraf»-te: Wer von euch hat ausgerufen: Die Schaar Gottes wünscht vorgelassen zu werden? GaTar antwortete: Ich! Der Naggäschy befahl ihm nun das Wort zu nehmen. Ga - far sprach: Du bist einer der Könige der Erde und einer der Schriftbesitzer. Viele Worte sind nutzlos vor dir und Unserechtisrkeit unmöolich. Ich will im ?Samen meiner Ge- fährten sprechen. Lafs auch einen von diesen zwei Män- nern reden und befiehl dem andern zu schweigen. 'Amr sagte zu Ga'far: Es sei so; sprich!

GaTar wandte sich an den König mit den Worten: Frasre sie, ob wir Sklaven oder freie Männer sind. Wenn wir Sklaven sind, so sende luis zu unseren Herren zurück. Der König fragte: Sind sie Sklaven oder Freie? 'Amr antwortete: Sie sind freie Mannen von edler Abkunft. Ga- far sagte: Frage sie, ob wir mit Blutschuld belastet sind? Wenn es der Fall ist, so soll das Blut an uns gerächt wer- den. 'Amr antwortete: Durchaus nicht. Ga far fragte: Habt ihr fremdes Eigenthum von uns zu fordern? Wir wollen es zurückstellen. 'Amr antwortete: Nicht einen Kyrät. Der IN^aggäschy sprach: Was ist denn die Schuld dieser Leute? 'Amr antwortete: Wir hatten alle dieselbe Religion und bildeten ein Gemeinwesen. Es war die Religion unserer Väter. Sie haben sie verlassen und eine neue gestiftet, wir aber hängen noch der alten an. Unser Stamm hat uns zu dir geschickt, damit wir dich bitten, uns die Ab- trünnigen auszuliefern. Der Naggäschy fragte den GaTar: Worin besteht euer früherer Glauben, den ihr verlassen habt, und der neue Glauben, dem ihr anhängt. Ga'far ant- wortete: Die Religion, welche wir verlassen haben, ist die Religion des Satans: wir verläugneten den wahren Gott und beteten Steine an. Unsere neue Religion aber ist die Religion Gottes und der Islam. Gott hat einen Bo-

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ten zu uns gesandt, der sie uns predigte und ein Buch offenbarte, \vie das IhicIi des Sohnes der Maria. Der Nag- gäschy erwiederte: Was du sagst, ist richtig, aber nur gemach!

Er liels die (docken läuten und es versammelten sich die Priester und Mönclie. Der Naggäschy sprach zu ihnen: Ich beschwüre euch bei jenem CJott, der Christo das Evan- gelium geoffenbart hat, sagt mir: Findet ihr zwischen dem Erlöser und dem Tag der Auferstehung einen Propheten, der mit einer Botschaft an die Menschheit geschickt wird? Sie antworteten: Ja, Jesus hat ihn vorhergesagt, mit dem Beisatz: Wer an iiin glaubt, der glaubt an mich, und wer ihn verläugnet, der verläugnet mich. Der König fragte den (ja'far: Was lehrt euch dieser Mann? Ga'far antwortete: Er trägt uns ein -Buch vor, in welchem was recht und billig ist befohlen, und was unrecht ist, verboten wird. Er befiehlt uns gute INachbaren zu sein. Verwandte zu un- terstützen, 3Jildthätigkeit gegen Waisen zu üben, Allah allein anzubeten und kein anderes Wesen ^). Dem Nag- gäschy gefielen seine Worte. Als 'Amr dies bemerkte, sprach er: Heil dem Könige! Sie weichen aber von dei- ner Meinung ab in Bezug auf den Sohn der Maria. Der Naggäschy fragte darauf den üafar, was der Prophet in Bezus: auf Jesus lehre? »Er lehrt in Bezusr auf ihn das Wort Gottes, nämlich dafs er der Geist des Allah sei, und sein Wort, dafs er ihn aus der reinen Jungfrau hervorge- bracht habe, welche kein Mann berührt hatte.« Darauf las Gafar die Süra Maryam (d. h. die 19 te) vor. Der Nag- gäschy nahm ein Stückchen Holz von der Erde und sprach: 0 Priester und Mönche, der l^nterschied zwischen dem was er lehrt und was ihr lehrt beläuft sich nicht auf das

' ) Soweit folgte ich besonders dem Wähidy, von hier aber dem Ibn Aby Schayba. Dieser Traditionist vergifst jedoch zu sa- gen, dafs Ga'far die 19te Süra vortrug. Es wird aber von Ibn Is- hiik. uud "Wähidy berichtet.

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Clewiclit dieses Hölzchens. Dann wandte er sich zu den Flüchtlingen und fuhr fort: Seid mir willkommen, und wohl dem, von welchem ihr kommt. Ich bezeuge, dafs er ein Bote Allah's und derjenige sei, den Jesus verheifsen hat. Hielten niich nicht meine Regierungsgeschäfte zurück, so würde ich zu ihm gehen, um ihm die Schuhe nachzutragen. Bleibet in meinem Lande so lange ihr w ollt. Darauf befahl er, ihnen Speisen zu reichen und Kleider zu geben; dem 'Amr und Omära aber stellte er ihre Geschenke zurück und entliefs sie.

'Amr war klein und 'Omära war ein schöner Mann. Auf der Reise nach Abessynien tranken sie auf dem Schiffe. 'Amr hatte seine Frau bei sich und Omära sa^te zu ihm, als sie betrunken waren: Erlaube deiner Frau, mir einen lüifs zu geben. 'Amr antwortete: Wie, schämst du dich nicht? 'Omära ergriff ihn darauf und warf ihn in's jMeer, rettete ihn aber auf dessen Bitten vom Tode. 'Amr, wel- cher dies nicht verzeihen konnte, sagte zum ISaggaschy: Behalte den Omära unter deinen Leuten, wenn ich das Land verlasse. Der jXaggäschy blies ihn an, er wurde wahnsinnig und lebte mit den wilden Thieren« i).

Der Naggäschy ist für uns von so grofser Wichtig- keit, dafs ich eine Nachricht über ihn aus Ibn Ishäk S. 223, von Ga'far b. Mohammad, vom Vater, einschalte:

»Die^Abessynier v^versammelten sich und sagten zum PSaggäschy: Du hast unsere Religion verlassen! und sie em- pörten sich gegen ihn. Er liefs den Gafar zu sich kom- men, bereitete Schiffe für ihn und die übrigen Moslime und sprach zu ihm: Besteiget diese Schiffe und lebet dar- auf nach eurer Weise. Wenn ich im Kampfe unterliege, so segelt hin, avo es euch gefällt; wenn ich aber siegreich bin, so bleibet hier. Dann schrieb er wie folüt: Ich be-

^) Die Geschichte des Wahnsinns des 'Omiira wird ausführli- cher im Kitäb alaghäniy berichtet, wie es scheint wurde sie früh poetisch bearbeitet.

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zeuge, es giebt keinen Gott aufser Gott, und IMohamniad ist sein Knecht und Bote. Ferner bezeuge ich, dafs Jesus sein Knecht und Bote, und sein Geist und sein der Maria ein^ellöfstes Wort ist. Diese Schrift verbara; er in seinem Kleide bei der rechten Achsel. Dann begab er sich zu den Abessyniern, welche sich in Schlachtor/lnung gestellt hat- ten. Er sagte zu ihnen: Denket ihr nicht, dafs ich unter allen Menschen am berechtigsten bin, euch zu regieren? Sie antworteten: Ja. Er fragte: Und was denket ihr von mei- nem Wandel? Sie erwiderten: Er ist sehr gut. Er fragte weiter: Was wollt ihr dann? Du hast unsere Religion ver- lassen und behauptest, Jesus sei ein Knecht. Er fragte sie: was saget ihr von ihm? Wir behaupten, dafs er Got- tes vSohn sei. Der Naggäschy legte nun die Hand auf die Brust, nämlich auf das Kleid und sas-te: Ich bezeu2:e, dafs Jesus der Sohn der Maria sei. Er fügte sonst nichts hinzu und zeigte zugleich auf die verborgene Schrift, wel- che sein Glaubensbekenntnifs enthielt. Die Abessynier wa- ren nun zufrieden und kehrten ruhig nach Hause zurück. Der Prophet hörte dies und verrichtete nach seinem Tode die Leichengebete für dessen Seele.«

Auch andere Traditionen ^) bestätigen, dafs, als Mo- hammad Kunde von dem Tode des Naggäschy erhielt, er Gebete für ihn verrichtete. Man folgert daraus, dafs er ihn für einen orthodoxen Moslimen hielt und zwar zu ei- ner Zeit, wo er mit den Schriftbesitzern gebrochen hatte, denn er starb im October 630 (Ragab A. H. 9).

Die oben ausgesprochene Vermuthung, dafs die By- zantiner dem Islam ihren moralischen Beistand angedeihen liefsen, findet einige Bestätigun"- im Koran. Die betref- fende Stelle beweist, dafs die Araber an der Politik der anarrenzenden Länder danials ebenso viel Antheil nahmen als jetzt noch, und auch ebenso gut unterrichtet waren. Für die persische und byzantinische Politik war die kampf-

') Vergl. Bochäry S. 547 und I(;aba Bd. 1 S. 219.

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lustige Bevölkerung der Wüste von grofsem Interesse, denn sie enlscliied oft ihre Kriege. Den Ciriechen uar es gelun- gen, nielirere Stiinime der mesopotamisclien und syrischen Araber zum Cliristenthum zu bekehren, die Perser hinge- gen beschenkten ihre Bundesgenossen mit Ländereien im IVnclil baren Delta des Tio-ris, und die Lehre des Zoroaster machte einige, wenn auch unbedeutende Fortschritte an der Westküste des Rothen Meeres.

Um die hierhergehörige Koränstelle zu würdigen, ist es nöthig, einen Rückblick auf die Geschichte des Königs der Könige, Anuschyrwän des Gerechten, und auf die glor- reiche Laufbahn des Heraclius zu werfen. \m Jahre 603 fielen die Perser in das römische Gebiet ein, eroberten das feste Dara, unterwarfen sich das blühende Maradyn und das wasserreiche Orla. Sie setzten über den Euphrat, belagerten und nahmen die Burg von Aleppo und erober- ten im Jahre 611 die umliegende Landschaft. Der Enkel des weisen und o-eiechten Perserköni2:s unterwarf sich im Jahre 614 Jerusalem und dehnte in demselben Jahre, in welchem die Moslime in Abessynien zuerst eine Zufluchts- stätte fanden (616), seine Siege nach Egypten und Klein- Asien aus, im Jahre 621 endhch bedrohte er Constanti- nopel.

Im Jahre 622 landete Heraclius im Golf von Iskande- rün und drang siegreich bis an das Taurusgebirge und den Halysflufs vor. Dieser Fortschritt der christlichen Waf- fen erfüllte den Propheten mit Muth gegen seine heid- nischen Gegner, deren Sympathie auf Seite der Perser war, und er sprach seine Erwartungen in folgender Inspi- ration aus:

30, 1. Alyf, Läm, Mym. Die Byzantiner sind besiegt worden

2. in dem [uns am] nächsten Lande. Aber gewifs werden sie nach ihrer Niederlage siegen

3. in wenigen Jahren; denn Allah hat zu befehlen, vor wie nach. Dann werden sich die Gläubigen freuen

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4. ob des Beistandes Allah's, Er steht bei (verleiht den Sieg), Avem er will, denn er ist der Erhabene, der Barmherzige.

Die Exegeten versetzen diese Weissagung in eine hii- here Zeit, indem sie behaupten, Mohammad habe sie ge- macht, als der persische (Jeneral Schahryräz in der Ge- gend von Bogrä und Adraät einen Sieg über die Grie- chen erfocht. Ferner schreiben sie die ersten Vortheile der Byzantiner Verrath und nicht Wundern zu.

Anhang zum zehnten Kapitel.

I. Belege.

Ibn Sad fol. 39 v., von Wäkidy, von Abu Bakr b. 'Abd Allah b. Aby Sabra, von Ishäk b. 'Abd Allah, von Abu Salma Hadhramy, von Ibn'Abbäs; auch [Wäkidy] von Mo'ädz b. Mohammad An^äry, von 'A^im b. Omar b. Katäda; auch [Wäkidy], von Mohammad b. 'Abd Allah, von Zohry, von Abu Bakr b. 'Abd al-Rahman b. al- Härith b. Hischäm; auch [Wäkidy], von 'Abd Allah b. 'Othmän b. Aby Solaymän b. Gobayr b. Mot'im, von seinem Vater. Die ver- schiedenen Angaben sind in Eine Erzählung verwoben:

„Als die Korayschiten hörten wie der Naggäschy den Ga'far und seine Begleiter behandelte, und wie ehrenvoll er sie aufgenom- men habe, schmerzte es sie, und sie waren über den Propheten und seine Anhänger erbittert. Sie kamen daher zum Einverständnifs, dafs sie ihn morden wollen, und sie fertigten eine Schrift gegen die Häschimiten [welche den Mohammad beschützten] aus: Dafs sie mit ihnen keine Ehe eingehen, mit ihnen keinen Handel treiben und keine Gemeinschaft (Umgang) haben wol- len. Das Dokument wurde von Mangür b. 'Ikrima 'Abdäry ge- schrieben und seine Hand wurde gelähmt •). Sie hingen das Schrift- stück im Innern der Kaba auf. Einige aber sagen, dafs es der

') Das Dokument wurde von Baghydh b. 'Ämir b. Häschim b.'Abd Manäf b. Abd aldär gesehrieben. Man9Ür b. 'Ämir b. Häschim war ein Bruder des Dich- ters'Ikrima und Besitzer des Rathhauses. Es kaufte ihm dasselbe aber zur Zeit des Heidenthums Hakym b. Hizäm ab. So sagt Zobayr [b. Bakkär]. Nach Ibn Kalby aber war es 'Ikrima b. 'Ämir, welcher das Rathhaus an den Mo'äwiya um 100000 Dirham verkaufte. (Glosse zu Ibn Sa'd von Dimyäty.)

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0mm al-Goläs, einer Tochter des Mocliarriba Hantzalyya, welche eine Tante des Abu Gahl war, zur Aufbewahrung übergeben wurde. Am ersten Moharram des siebenten Jahres, nachdem Mohammad zum Propheten erkoren worden war, schlössen sie die Hiischimiten in der Schi'b des Abu Tälib ein. Die Banü Mottalib b. 'Abd Ma- näf begaben sich zu den Häschimiten in die Schi'b des Abu Tälib. Abu Lahab aber [obwohl er ein Häschimite war] ging zu den Ko- rayschiten und unterstützte sie in ihrem Unternehmen gegen die Hä- schimiten und Mottalibiten.

Sie schnitten ihnen die Zufuhr an Lebensmitteln ab und die Blo- kirten kamen nur zur Zeit der Mawsim (des Pilgerfestes) aus der Schi'b heraus. Sie hatten grofse Drangsale zu erdulden, und man hörte die Stimmen der Kinder auf der anderen Seite der Schi'b. Einige Korayschiten freuten sich darüber, anderen aber mifsfiel es und sie sagten: Seht, was den Mancjür b. Ikrima befallen bat. Sie blieben drei Jahre in der Schi'b; dann machte Gott dem Propheten den Zustand des Dokumentes bekannt, nämlich dafs die Würmer alles zerfressen hätten, was von Unterdrückung und Ungerechtigkeit darin stand, und dafs nur die Erwähnung Allah's unversehrt geblie- ben war.

Der Prophet erzählte dies dem Abu Tälib, welcher es seinen Brüdern mittheilte. Sie gingen darauf zum Tempel [wo sich die Korayschiten gewöhnlich versammelten] und Abu Tälib sagte zu den ungläubigen Korayschiten: Mein Neffe, der mich noch nie belo- gen, hat mir gesagt, dafs die Würmer euer Dokument zernagt ha- ben. Die Ungerechtigkeit, Unterdrückung und schlechte Behand- lung der Verwandten, die darin erwähnt wird, haben sie zerstört, und alle Stellen, in denen Gott genannt wird, haben sie verschont. Wenn mein Neffe die Wahrheit spricht, so gebt eure bösen Ent- schlüsse auf, wenn er aber nicht die Wahrheit spricht, so will ich euch denselben ausliefern und ihr könnt ihn tödten oder am Leben lassen, wie es euch gefällt. Sie antworteten: Dein Vorschlag ist billig. Sie schickten nach dem Dokument, öffneten es, und siehe da, es war wie der Prophet gesagt hatte. Sie waren sehr betrübt darüber. Abu Talib sprach : Warum sollen wir eingesperrt und blo- kirt werden, da sich doch die Sachlage so herausgestellt hat, wie wir sagten. Darauf begab er sich mit seinen Leuten in den Raum zwischen der Ka'ba und der sie umgebenden Mauer und sprach: Allahomm! stehe uns bei gegen die, welche ungerecht gegen uns sind und ihre Verwandten unterdrücken, und erlöse uns von dem In- terdikt, mit dem sie uns belegt haben; dann kehrten sie in die Schi'b zurück.

Mehrere Korayschiten, darunter Mot'im b. Adyy, Adyy b. Kays,

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Zama'a b. Aswad, Zohayr b. Aby Omayya und Abu Bochtary b. Hä- schim, tadelten die andern wegen der Behandlung der Häschimiten und griffen zn den Waffen; sie begaben sich zu den Häschimiten und Mottalibiten und sagten ihnen, sie mögen die Schi'b verlassen und in ihre Wohnungen zurückkehren. Als die Korayschiten dies sahen, grämten sie sich, namentlich als sie bemerkten, dafs jene Leute sie (die Häschimiten) nicht verlassen würden. Sie verliefsen die Schi'b im zehnten Jahre nach der Sendung."

Bemerk. Es ist zu bedauern, dafs Wäkidy durch das Zusamraen- füofen von verschiedenen Traditionen uns eine kritische Untersuchung fast unmöglich gemacht hat. Wir linden in seiner Erzählung zwei einander widersprechende Nachrichten über die zwei Hauptpunkte; nach einer bestand die Verfolgung in einem Vertrage, mit den Hä- schimiten keine Ehen zu schliefsen und überhaupt sie mit dem Inter- dikt zu belegen; nach der andern in einer förmlichen Blokade; ferner verdanken die Häschimiten nach einer Version dem Einschreiten des Mot'im b. 'Adyy und anderer patriotischer Männer, nach der an- dern aber einem Wunder ihre Befreiung. Ibn Sa'd führt aufser den obigen noch zwei Traditionen an, um zu zeigen, dafs das Dokument von Würmern zerfressen worden sei. Für die eine ist Gäbir, von Mohammad b. 'Alyy und von'Ikrima (f 107), für die andere der- selbe Gäbir [b. Yazyd? f 127], von einem Korayschiten aus Makka, von seinem Grofsvater, welcher das Dokument in Verwahrung hatte (!), Bürge.

Nach einer Glosse oder Variante wurde das Dokument in „Chayf Banü Kinäna" ausgefertigt. Diese Glosse mag aus folgender Tradition des Abu Horayra, die Bochäry S. 548 erzählt, entstan- den sein:

„Als der Prophet nach Honayn ziehen wollte, sagte er: So Gott will, ist morgen unser Lager in Chayf Banü Kinäna, wo sie (die Ungläubigen) sich zum Unglauben verschworen ha- ben."

Man nimmt an, dafs unter dieser Verschwörung das Schreiben dieses Dokuments zu verstehen sei. Das Chayf Banü Kinäna wird auch Mohacgab geheifsen, und ist eine Gegend zwischen Makka und Minä, doch näher bei Minä. Es fängt nämlich von al-Hagün an und erstreckt sich bis Minä.

Ibn Sad, fol. 38, von Wäkidy, von Mohammad b. Lüt Naw- faly, von 'Awn b. 'Abd Allah b. al-Härith b. Nawfal , auch [Wä- kidy] von 'Ayidz b. Yahyä, von Abu Howayrith; auch [Wäkidy] von Mohammad b. 'Abd b. Achy Zohry, von seinem Vater, von 'Abd Al- lah b. Tha'laba b. Qo'ayr 'Odzry (f 87 oder 89). Die Angaben der drei Auktoritäten sind in ein Ganzes zusammengestellt:

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„Als die Korayschiten sahen, dafs der Islam Aufsehen machte, und die Moslime sich um die Kaba henmisetzten, ärgerten sie sich sehr. Sic gingen daher zu Abu Tjilib und sprachen zu ihm: Du bist unser Sayyid (Herr) und der ausgezeichnetste Mann unter uns. Du hast gesehen, was jene Thoren angefangen haben in Verbindung mit deinem Neffen: sie haben unsere Götter verlassen, sie lästern dieselben und erklären uns für Thoren. Sie brachten zugleich den Omära b. al-Walyd b. Moghyra zu Abu Tälib und sprachen: Wir bringen dir einen Korayscliiten -Jüngling, der sich durch Schönheit, Abstammung, kräftigen Körperbau und poetische Talente auszeich- net. Wir wollen dir ihn geben, er soll dir beistehen im Kampfe gegen deine Feinde, und du sollst ihn erben; du aber giebst uns deinen Neffen, auf dafs wir ihn tödten. Auf diese Art werden die Stammesverpflichtungen am besten aufrecht erhalten und die Schwie- rigkeit auf's Befriedigendste beendet.

Abu Talib antwortete: Ihr seid wahrlich nicht billig gegen mich. Ihr gebt mir euren Sohn, damit ich ihn nähre, und ich soll euch meinen Neffen dafür geben, auf dafs ihr ihn tödtet. Das ist nicht Recht. Ihr benehmt euch gegen mich, wie sich der Niedrige gegen den Edlen benimmt.

Darauf sprachen sie: Rufe ihn, und wir wollen uns mit ihm verständigen. Der Prophet wurde gerufen, und Abu Tälib sprach zu ihm: Neffe, hier sind deine Verwandten und die Vornehmen dei- nes Stammes, sie kommen, um sich mit dir zu verständigen. Der Prophet sagte: Sprecht, was ihr wollt, und ich will es thun. Sie antworteten: Schweige von unsern Göttern (lästere sie nicht), und wir wollen von deinem Gott schweigen. Abu Tälib bemerkte: Die- ser Vorschlag ist wirklich sehr billig, nimm ihn an. Mohammad er- wiederte: Glaubt ihr wohl, ich werde euch das zugestehen? Wohlan, sprecht mir ein Wort nach, und ihr werdet die Araber beherrschen, und das Ausland wird sich euch unterwerfen. Abu Gahl sagte dar- auf: Ich schwöre bei deinem Vater, wenn dieses Wort zu solchem Ziele führt, wollen wir es annehmen und noch zehn dazu; sprich, welches Wort ist es? Es lautet, erwiderte Mohammad: Es giebt keinen Gott aufser Allah. Sie verzogen die Gesichter, wurden dem Islam noch mehr abgeneigt und zürnten auf ihn. Dann standen sie auf und sprachen: Bleibet euren Göttern getreu, es ist klar, wq man hinaus will (oder es steckt eine Absicht dahinter, vergl. Koran 38, 5). Nach einigen Erzählern wurden diese Worte von 'Okba b. Aby Mo'ayt gesprochen.

Die Korayschiten sagten: Wir wollen ihm keine weiteren Vor- schläge machen es ist am besten, ihn zu meucheln. An demselben Abende wurde er vermifst. Abu Tälib und seine andern Onkel ka-

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mcn in sein Haus und suchten ihn, fanden ihn aber nicht. Abu Tä- lib versammelte einige junge Helden der Familie des Häschira und jil-Mottalib und sprach: Es nehme jeder ein scharfes Schwert und fol^e mir, wenn ich in den Tempel gehe; dann lese sich jeder von cucli irgend einen der vornehmen Männer aus und setze sich ne- ben ihn. Auch Abu Gabi war unter denen, die auf diese Art hätten bedroht werden sollen, denn obwohl er ein naher Verwandter des Mohammad war, so war doch vorauszusetzen, dafs er dabei gewesen wäre, wenn man den Mohammad gemeuchelt hätte.

Die jungen Leute waren alle einverstanden, so zu handeln. Un- terdessen aber kam Zayd b. Häritha. Abu Tälib fragte ihn, ob er seinen Neffen gesehen habe. Er begleitete den Zayd und fand den Propheten mit seinen Anhängern in einem Hause beim Qafä (d. h. in dem Hause des Arkam). Er erzählte ihm, welche Vorbereitungen er ge- troffen hatte, und fragte ihn, ob ihm nichts geschehen sei. Mohammad antwortete, dafs ihm nichts geschehen. Abu Tälib sagte: Gehe ohne Furcht in dein Haus. Am nächsten Tage kam er zu Mohammad, nahm ihn bei der Hand und führte ihn, gefolgt von den jungen Leuten, in die Versammlung der Korayschiten und sprach: 0 Korayschiten, wifst ihr, was ich gestern vor hatte? Sie sagten: Nein. Er rief den jungen Leuten zu : Entblöfset eure Waffen. Jeder zeigte seineu blitzenden Säbel. Abu Tälib fuhr fort: Hättet ihr den Mohammad gemeuchelt, so wäre keiner von euch am Leben geblieben. Unser Stamm hätte sich aufgerieben. Alle waren entsetzt, besonders Abu Gahl."

Tabary, S. 121, von Ahmad b. Mofadhdhal, von Asbät, von Soddyy. (Abgekürzt übersetzt:)

„Es versammelten sich mehrere Korayschiten, darunter Abu Gabi b. Hischäm, 'A9 b. Wäyil, Aswäd b. al-Mottalib, Aswad b. 'Abd Yaghüth '), und sprachen: Lafst uns zu Abu Tälib gehen, um ihn zu bewegen, dafs er seinem Neffen verbiete, unsere Götter zu lästern und wir wollen ihm seinen Gott, den er anbetet, lassen. Der alte Mann (Abu Tälib) könnte sterben und die Araber würden uns nach- sagen, dafs wir ihn gewähren liefsen bis sein Onkel todt war und dann erst den Muth hatten, ihm entgegen zu treten oder ihn zu tödten. Abu Tälib sagte zu Mohammad: Sie machen mir einen bil- ligen Vorschlag, nämlich dafs du aufhörst, ihre Götter zu lästern und sie wollen dich in Ruhe und deinen Gott verehren lassen. Er antwortete: O Oheim, predige ich ihnen nicht etwas Besseres? Und was ist das? Wenn sie mir ein Wort nachsprechen, werden

') Wähidy nennt Abu Sofyän, Abu Gabi, al Nadhr, Omayya und Obayy, die Söhne des Chalaf, 'Okba b. Äby Mo'ayt,'Amr b. al-Ä? und Aswad b. Boch- tary. Es scheint, dafs die Namen erst von den Ueberliefereru in diese und an- dere Traditionen gesetzt oder wenigstens nach Belieben verändert worden sind.

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sie die Araber beherrschen und das Ausland wird sich ihnen erge- ben. Abu Gahl sagte darauf: Was ist dieses? wir wollen dir zehn solche Worte nachsagen. Es lautet: Es giebt keinen Gott aufser Allah. Sie waren unzufrieden und sagten: Verlange etwas Anderes. Mohammad aber erwiederte: Wenn ihr die Sonne in meine Hand legt, so werde ich kein anderes sagen. Sie verliefsen ihn zornig und sagten: Bleibet euren Göttern treu etc. (Kor. 38, 5).

Er wandte sich dann zu Abu Talib und sagte: Sprich mir nach: Es giebt keinen Gott aufser Allah, und ich will am Tage der Auf- erstehung dein Zeuge sein. Dieser aber weigerte sich. Darauf wurde Kor. 28, 26 geoffenbart. "

Bemerk. Wähidy, Asbäbß, 108, erzählt diese Tradition ebenfalls, verlegt sie aber schon auf die Zeit des Todes des Abu Tälib, wie es auch in folgender Version geschieht. Nach meiner Ansicht sind die Makkaner einige Wochen oder Monate vor dem Tode des ritterlichen Mannes in ihn gedrungen, dafs er seinem Neffen untersage, ihre Göt- ter zu lästern.

Tabary, S. 123, von 'Amasch, von 'Abbäd, von Sa'yd b. Go- bayr, von Ibn'Abbäs:

„Als Abu Tälib krank wurde, besuchten ihn mehrere Koray- schiten, darunter Abu Gahl. Er sagte: Dein Neffe lästert unsere Götter und thut Dies und Jenes und sagt Dies und Jenes. Lafs ihn kommen und verbiete es ihm. Als Mohammad kam nahm Abu Gahl den Sitz zunächst bei Abu Tälib ein, und er mufste an der Thure bleiben. Abu Tälib sagte: Dein Stamm beklagt sich über dich, dafs du die Götter lästerst. Mohammad antwortete: Wenn sie mir ein Wort nachsprechen, gehorchen ihnen die Araber und das Ausland zahlt ihnen Tribut. Die Anwesenden antworteten: Wir wollen dir zehn solche nachsagen wie lautet es? Mohammad antwortete: Es giebt keinen Gott aufser Allah. Sie waren voll Aerger und spra- chen: Er macht nur Einen Gott aus den Göttern etc. Kor. 38, 4.

Bemerk. Eine ähnliche Tradition erzählt Wähidy, Asbäb 38, 4, mit etwas verschiedener Isnäd, nämlich von 'Amasch, von Yahyä b. 'Omära, von Sa'yd b. Gobayr, von Ibn 'Abbäs. Vergl. auch Ihn Ishäk S. 278. Ich will nur bemerken, dafs der Koranvers 38, 4 auf den sie sich alle beziehen, spätestens 617 geoflfenbart worden ist.

Baghawy jedoch, welcher den Exegeten folgt, verlegt die Ge- schichte um fast zwei Jahre früher, indem er erzählt:

„Die Bekehrung des 'Omar schmerzte die Korayschiten , wäh- rend die Gläubigen darüber frohlockten. Walyd b. Moghyra sprach daher zu der Mala, d. h. den Tapfern (^.anadyd) und Edeln (aschräf) der Korayschiten, welche in Allem aus fünf und zwanzig Mann be- standen, unter denen Walyd b. Moghyra der älteste (akbar, ange-

II. 11

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sehenste?) war: Lafst uns zu Abu Tälib geben. Sie begaben sich zu diesem und sagten zu ihm: Du bist unser Schaych und unser Aeltester; du weifst, was jene Thoren angefangen haben. Wir kommen zu dir, damit du zwischen uns und deinem Neffen die Sache zu ei- ner Krise führest. Abu Tiilib sandte nach Mohammad und sagte zu ihm: Dein Volk erwartet Billigkeit von dir; du mufst ihrem Anerbieten nicht auf jede Weise ausweichen. Mohammad fragte, was sie wünsch- ten, worauf sie erwiederten: Erwähne uns und unsere Götter nicht wieder, und wir wollen auch dich und deinen Gott in Ruhe lassen. Mohammad sprach: Wollt ihr mir ein Wort zugestehen? ich verspre- che euch, ihr sollt dadurch alle Araber beherrschen, und die übrigen Nationen werden sich zu euch bekehren. Abii Gahl antwortete: Zehn, nicht nur eins; heraus damit! Dieses Wort ist, sagte Mo- hammad feierlich: Es giebt keinen Gott aufser Allah! Sie standen auf und zerstreuten sich; denn wie, sagten sie, könnte Ein Gott die ganze Schöpfung umfassen."

II. Liste der Auswanderer.

Die bereits erwähnte Liste des Ibn Isbäk, S. 209 215, ent- hält die Namen aller Moslime, welche von 616 622 nach Abes- synien auswanderten, in so weit sie sich zu seiner Zeit ermitteln liefsen. Dies ist das zweite Verzeichnifs, welches die Biographen aufbewahrt haben und das hier mit kurzen biographischen Nach- richten mitgetheilt wird. Das erste steht im Anhange zu Kap. 5 Bd. I S. 395, und ich verweise darauf, wenn ein Name darin schon vor- gekommen ist.

a) Häschimiten.

1. Ga'far I, 32.

Seine Frau (1) Asmä I, 33. Sie gebar in Abessynien ei- nen Sohn Namens Mohammad ').

M 'Abd Allah b. Gafar war das erste mosliniische Kind, welches in Abes- synien geboren worden ist, auch sein Bruder Mohammad und 'Awn erblickten da- selbst das Licht des Tages, und zwar nach Ibn'Okba A. H. 2. 'Abd Allah war zehn Jahre alt als der Prophet starb. In der Schlacht von Cyffyn kommandirte er einen Theil des Heeres. Als ein Zug seiner Redlichkeit und Freigiebigkeit wird erzählt, dafs ein Dihkän (Landeigenthümer) von Sawäd ihn ersuchte, mit 'Ahy über eine Angelegenheit zu sprechen. Er that es, und die Angelegenheit wurde zur Zufriedenheit des Dihkän entschieden. Aus Dankbarkeit schickte er ihm 4000 Dirham. Gafar gab sie mit dem Bedeuten zurück, dafs er zu den Mit- gliedern der Familie des Propheten gehöre, welche Recht und Billigkeit nicht verschachere. Einst hörte er, dafs ein Kaufmann eine Quantität Zucker nach Madjna gebracht und daselbst einen schlechten Markt gefunden habe; er gab

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b) 'Omayyiden.

2. 'Othmän b. Affän I, 5.

Seine Frau (2) Rokayya, Bd. I S. 202.

3. 'Amr [Abu 'Okba], ein Sohn des Abu Ohayha. Er bekehrte sich nach seinem Bruder Chälid. Ibn 'Okba meldet, dafs er mit sei- ner Frau, einer Tochter des Qafwän, nach Abessynien floh. 0mm Chälid, die Tochter seines Bruders Chälid, erzählte: Unser Onkel 'Amr kam zwei Jahre nach uns in Abessynien an und nach einem Aufenthalte von zwei Jahren kehrte er wieder nach Makka zurück. Mohammad ernannte ihn zum Statthalter über Wädiy alkorä, und sein Gebiet dehnte sich allmählig über Taymä und Chaybar aus. Sein Bruder Chälid war Statthalter in Yaman und sein anderer Bru- der Abän in Bahrayn. Auf die Nachricht vom Tode des Prophe- ten kamen sie alle drei nach Madyna. Abu Bakr wollte sie in ih- ren Aemtern bestätigen, sie aber zogen es vor, sich der nach Sy- rien abgehenden Armee anzuschliefsen; sie fielen im Kampfe für den Glauben, und zwar 'Amr in der Schlacht von Agnädayn.

Seine Frau (3) Fätima, eine Tochter des Qafwän.

4. Sein Bruder Chälid b. Sa'yd I, 44.

Seine Frau (4) Omayna, eine Tochter des Chalaf.

Verbündete der Omayyiden.

5. "Abd Allah b. Gahsch I, 30.

6. 'Obayd Allah b. Gahsch I, 80.

Seine Frau (5) 0mm Halyba bint Aby Sofyän.

7. Kays (Rokaysch) b. 'Abd Allah Asady. Ibn 'Okba nennt ihn unter den Flüchtlingen nach Abessynien, Ibn Sa'd sagt bestimm-

sogleich seinem Kahratnän den Befehl, den Zucker zu kaufen und unter das Volk zu vertheilen. Einst machte er dem Chalyfen Yazj'd seine Aufwartung und die- ser machte ihm ein Geschenk von zwei Millionen Dirham. In einer andern Tra- dition wird ges^agt, dafs ihm Yazyd ein sehr reichliches Geschenk an Geld machte, er aber dasselbe, ohne es in sein Haus bringen zu lassen, unter die Armen vertheilte. Der Dichter 'Abd Allah b. Kays al-Rakyyät spielt in den Worten darauf an: „Du bist nicht verschieden von dem edlen Sohne des Ga'far, welcher sah, dafs Geld keine Dauer habe, weswegen sein Ruhm auch nie verstummen wird."

Er starb A. H. 80.

Sein Bruder Mohammad, welcher ebenfalls in Abessynien geboren wurde, soll nach einigen Berichten der erste gewesen sein , welcher nach dem Prophe- ten Mohammad genannt wurde. Er war jünger als 'Abd Allah und wurde also nach der Flucht geboren, lieber seinen Tod weichen die Berichte von einander ab. Wahrscheinlich war Mo'äwiya noch am Leben als er starb.

'Awn war jünger als sein Bruder 'Abd Allah; es ist aber nicht bestimmt, ob er jünger oder älter war als Mohammad. Er iiel unter "Othmän bei Tostor.

11*

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ter, dafs er an der zweiten Flucht Theil nahm und dafs ihn seine Frau (,6) Baraka bint Yasär begleitete.

8. Mo'aykib oder Mo'aykyb b. Aby Fätima soll aus dem Stamme Dzü A(;bah oder Daws entsprossen sein. Er war ein Verbündeter der 'Abd-Schamsiten, bekehrte sich schon in Makka und soll sich nach Abessynien geflüchtet haben. Omar ernannte ihn zu seinem Schatzmeister und 'Othmän zum Siegelbewahrer. Er starb unter der Regierung des letztern oder erst nach dem Jahre 40.

c) Banü 'Abd Schams

9. Abu Hodzayfa I, 47.

Seine Frau (7) Sahla bint Sohayl bekehrte sich früh und gebar in Abessynien den Mohammad. Später heirathete sie den So- lamiten Schammäch b. Sa yd und gebar ihm den 'Amir; dann hei- rathete sie den'Abd Allah b. Aswad b. 'Amr aus dem Stamme Mä- lik b. Hanbai und gebar ihm den Salyt; dann heirathete sie den 'Abd al-Rahmän b. 'Awf und gebar ihm den Sälim.

10. Abu Müsä Asch'ary. Seine Mutter war Tayyiba bint Wahb vom Stamme Akk; sie bekehrte sich in Madyna, wo sie auch starb. Abu Müsä lebte zu Makka und trat in ein Schutzbündnifs mit Sayd b. 'A9; später bekehrte er sich zum Islam und floh nach Abessy- nien, wo er bis nach der Einnahme von Chaybar blieb. Dann be- gab er sich nach Madyna. Einige behaupten, dafs er in seine Hei- math zurückgekehrt war und dafs, als er nach Madyna übersiedeln wollte, sein Schiff und das des Ga'far zusammentrafen und sie mit einander beim Propheten anlangten. Er wird daher , wie in der I^äba gesagt wird, weder von Müsä b. 'Okba, noch von Wäkidy, noch von Ibn Ishäk (?) unter den Auswanderern nach Abessynien genannt. Mohammad ernannte ihn zum Statthalter über das Küsten- land von Yaman, welches Zabyd und 'Adan in sich begriff; der Cha- lyf 'Omar sandte ihn nach Moghyra als Gouverneur nach Bapra und unter seinem Kommando eroberten die moslimischen Truppen Ahwäz und Ispahän. 'Othmän ernannte ihn zum Statthalter von Kufa, und bei Qiffyn war er einer der Schiedsrichter zwischen 'Alyy und den Omayyiden. Er hatte eine sehr schöne Stimme, und weder eine Qang (g--^"^), noch ein Barbat (Barbitus), noch ein Näy (Flöte) klangen schöner als sein Ton wenn er den Koran vorlas. Als Gouverneur zeich- nete er sich durch seine Gerechtigkeitsliebe und seine Administrativ- Talente so sehr aus, dafs Omar sagte: Ich lasse einen Statthalter nur ein Jahr an seiner Stelle, aber den Abu Müsä vier Jahre. Von ihm lernten die Einwohner von Ba^ra den Koran richtig lesen und ' die Kunde des Gesetzes. Er war einer der sechs Männer, welche sich durch ihre Kenntnisse des Islams auszeichneten. Er starb im

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J. 42 oder 44, 66 Jahre alt; er konnte also erst 14 Jahre alt ge- wesen sein, als Mohammad die erste Offenbarung erhielt, und wahr- scheinlich ist sein Aufenthalt in Makka und seine frühe Bekehrung, sowie seine Auswanderung nach Abessynien zu seiner Verherrli- chung erfunden worden. Unter seinen Kindern werden genannt: Müsä, Ibrähym, Abu Borda und Abu Bakr.

d) Banü Nawfal.

11. 'Otbä b. Ghazwän aus dem Mäzin- Stamme. Ueber die Zeit seiner Bekehrung wissen wir nur, dafs er einer der frühen war. Zur Zeit der Flucht nach Madyna HUr er 40 Jahre alt. Er zeichnete sich unter den Leuten des Propheten als sicherer Bogen- schütze aus. Während der Eroberungskriege diente er in der ge- gen Osten ziehenden Armee des Sad b. Aby Wakkäij. 'Omar er- nannte ihn brieflich zum Kommandanten der in der Nähe der Tigris- mündung stationirten Heeresabtheilung, und er gründete Bacra; früher war Obolla die Hauptstadt jener Gegend. Nachdem er diese hohe Stelle sechs Monate verwaltet hatte, begab er sich nach Madyna. 'Omar sandte ihn auf sein Amt zurück, und er starb auf dem Wege dahin zu Ma'dan Banü Solaym A. H. 17 in einem Alter von 57 Jahren. Bei Moslim sagt er: Es war eine Zeit, zu der ich der siebente von sieben Anhängern des Propheten war und zu der sie nichts zu essen hatten als Baumblätter.

e) Asaditen.

12. Zobayr b. 'Awwäm I, 6.

13. Aswad b. Nawfal. Sein Vater war ein heftiger Widersa- cher des Islams. Aswad war ein Neffe der Chadyga, und seine Mutter Fary'a bint 'Adyy b. Nawfal b.'Abd Manäf war mit Moham- mad verwandt. Er kam nach dem Propheten in Madyna an. Un- ter seinen Nachkommen wurde Abü-1-Aswad Mohammad b.'Abd al-Rahmän b. 'Aswad unter dem Namen Yatym Orwa berühmt.

14. Yazyd b. Zam'a. Seine Mutter hiefs Karyba und war eine Tochter des Abu Oma}'ya und eine Schwester der 0mm Salama. Er war einer der Häuptlinge der Korayschiten und soll sich erst in Folge der Einnahme von Makka bekehrt haben; Andere behaupten, dafs er einer der ersten Gläubigen war und sich nach Abessynien flüchtete. Um nun die Verschiedenheit der Ansichten auszusöhnen, erzählt man, dafs er einen Bruder Namens Zayd hatte, welcher sich früh bekehrte. Ibn 'Okba und Ihn Ishäk sagen, er sei bei Honayn gefallen, während er nach Zobayr b. Bakkär vor Täyif sein Leben verlor.

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15. 'Anir b. Omayya bekehrte sich früh znm Islam und war nach Wäkidy und Tabary einer der Flüchtlinge nach Abessynien, wo er auch starb.

f) Banü 'Abd.

16. Tolayb Abu 'Adyy b. 'Omayr ('Amr). Seine Mutter war Arwä bint "Abd al-Mottalib '). Er bekehrte sich im Hause des Ar- kam, dann ging er zu seiner Mutter und sagte: Ich folge dem Mo- hammad. Sie antwortete: Es ist deiner würdig, dafs du deinem Vet- ter beistehen willst; wären wir Frauen, wie die Männer im Stande, Jemandem Schutz zu gewähren, so würden wir ihn unter unsere Aegide nehmen. Er s^pch darauf: Was hindert dich, liebes Müt- terchen, an ihn zu glauoen, da doch dein Bruder Hamza seiner Re- ligion beigetreten ist? Sie sagte, ich will sehen, was meine Schwe- stern thun und ich werde ihrem Beispiele folgen. Er stellte ihr vor, dafs ihr Seelenheil davon abhinge, und sie legte das Glaubens- bekenntnifs ab; sie war seiner Sache mit ihrer Zunge nützlich und ermunterte ihren Sohn, ihm seinen Arm zu leihen. Er that es auch, indem er einen Ungläubigen beim Bart nahm und blutig schlug. Musä b. 'Okba, Abu Ma schar, Wäkidy und Ibn Ishäk zählen ihn unter jene, welche an der zweiten abessynischen Flucht Theil nahmen. Unter denen, welche bei Badr fochten, wird er nur von Wäkidy, nicht aber von den andern dreien genannt. Er wurde in der Schlacht von Agnädayn, im Gomädä I. 13, 35 Jahre alt, getödtet.

g) 'Abdariten.

17. Mopab al-chayr. Seine Mutter war die 'Amiritin Chonäs bint Mälik. Er zeugte mit Hamna bint Gahsch eine Tochter Zay- nab, welche an 'Abd Allah b. 'Abd Allah b. Aby Omayya b. Mo- ghyra verheirathet wurde und ihm die Karyba gebar.

Mo9'ab war ein junger, schöner Mann und wurde von seinen Eltern sehr geliebt. Seine Mutter war sehr reich und gab ihm die schönsten und feinsten Kleider. Er trug Sandalen von Hadhramawt an seinen Füfsen, und Niemand duftete von so köstlichem Parfüm wie er. Als er hörte, dafs der Prophet im Hause des Arkam den Islam predige, ging er zu ihm hin und legte das Glaubensbekennt- nifs ab, er verbarg aber seinen Glauben aus Furcht vor seiner Mut-

') Arwa war nach Einigen eine Tochter des 'Abd al-Mottalib, also eine Tante des Propheten ; nach Andern eine Tochter des Abu 'Ä9 b. Ömayva b. 'Abd S Chams, folglich eine Schwester des Hakam, die Mutter des Marwdn und die Tante des'Othmän b. 'AfFän. Zuerst war sie an den 'Abditen 'Omayr verhei- rathet, dem sie den Tolayb gebar, dann an den 'Abdariten Kaiada b.'Abd Ma- näf, dem sie die Arwa gebar. Sie floh auch nach Madyna.

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ter und den Mitgliedern seiner Familie und besuchte den Prophe- ten heimlich. 'Othmän b. Talha sah ihn einmal beten und hinter- brachte es seinen Leuten. Sie hielten ihn gefangen , bis die erste Flucht ') nach Abessynien stattfand. An dieser nahm er Theil und kam auch mit den Moslimen, als sie wieder nach Arabien gingen, zurück. Wie verändert war jetzt sein Aussehen! er war ganz ver- wildert und seine Mutter nahm sich seiner nicht an *). Er schmach- tete auch in der gröfsten Armuth bis zu seinem Tode. Einst kam er [in Madyna] zum Propheten und hatte nichts am Leibe als einen Fetzen von einer weifs und schwarz gestreiften wollenen Decke oder eines Mantels '), welcher mit einem Stücke ungegerbter Haut so grofs wie ein Trommelfell zusammengenäht war. Auch die übrigen Mos- linie waren damals noch in so grofser Noth,* dafs sie ihm nicht hel- fen konnten. Mohammad sprach bei diesem Anblick: Alles Lob sei Gott, welcher solche Veränderungen in der Welt herbeiführt. Mocj'ab schwelgte im üeberflusse, so lange er bei seinen Eltern war, und seine Liebe zum Guten (al-chayr, daher wird er Mo^'ab al-chayr geheifsen) und zu Gott hat ihn zu diesem Opfer fähig gemacht.

Im Jahre 621 schickten die Gläubigen von Madyna einen Bo- ten an Mohammad mit einem Briefe folgenden Inhalts: Schicke uns einen Mann, der uns in der Religion unterrichten und den Koran recitiren lehren kann. Der Prophet sandte den Mo^ab, Er lebte im Hause des As'ad b. Zorära, besuchte die Leute in ihren Häu- sern und trug ihnen den Koran vor. Es gelang ihm auch, bald ei- nen bald zwei Männer zu bekehren, bis der Islam fast allgemein wurde, nur einige Familien der Awsiten, wie die Familien Chatma, Wabil und Wäkif blieben dem Heidenthum treu. Mo9'ab schrieb dann an den Propheten und bat ihn um die Erlaubnifs, einmal wö- chentlich die Gemeinde versammeln zu dürfen; er ertheilte ihm diese

') 'Ämir b. Raby'a erklärt, er sei stets der Freund und Geführte des Mo- 9 ab gewesen und sie seien auch beide Ätal [nach AbessjTiien und Madynaj mit einander geflohen.

^) Ibn Sa'd fol. 201 r. , von Wäkldy, von Ibrdhym b. Mohammad ^adry von seinem Vater.

3) Namra oder Namira. JKä wird erklärt als eine yamanische Decke (^ .OLp?-J oder Mantel xL«.^ in welchem weifse und schwarze Streifen sind, oder eine wollene Decke, dergleichen die Bedouinen tragen. Es heifst daher in einer Tra- diton des Sa'd: Ein Nabatäer in seiner Hibwa (soll wohl heifsen Hibra) und ein Bedouine in seiner Namra sind wie ein Löwe in seiner Höhle. Die Be- douinen tragen noch diese Art Mäntel. Sie sehen aus, wie ein langer Ueber- rock und dienen zum Zudecken bei Nacht. Deswegen wird auch von der Namra des Mo9'ab gesagt, dafs sie nicht lang genug war, um die Füfse und den Kopf zugleich zu bedecken; sie wird nämlich zu diesem Zwecke schräg genommen. Nach einer Tradition hatte er eine Borda.

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Erlaubnifs und schrieb an ihn: Am Tage, an welchem die Juden ihres Sabbaths wegen in Bewegung sind, verehre Gott, indem du nach Sonnenuntergang zwei Inklinationen verrichtest. Diesem Be- fehle treniäfs hielt Mo^'ab eine Versammlung im Hause des Sa'd b. Chothayma, welcher zwölf Männer beiwohnten. Es wurde für alle nur ein Schaf geschlachtet. Dies war der erste Gemeinde -Gottes- dienst im Ishlm. Einige Madynenser behaupten aber, dafs As'ad b. Zorara schon früher Gottesdienst zu halten pflegte und dafs Moc'ab nur zwölf Tage vor Mohammad in Madyna ankam. Da er ein Mit- orlied der Familie der Abdariten war, welche in der Republik von Makka das Recht genossen, im Kriege die Fahne tragen zu dürfen, vertraute ihm auch der Prophet in der Schlacht von Ohod das Liwä an. Man erzählt mit offenbarer Uebertreibung, dafs, als ihm die rechte Hand abo^ehauen wurde, er es mit der Linken ergriff, und als ihm auch diese abgehauen war, er es mit den beiden Armen gegen den Leib drückte, bis er getödtet wurde. Nach ihm nahmen es nacheinan- der die beiden 'Abdariten Sowaybit und Abu Rum , wovon es der letztere nach der Schlacht zurück in die Stadt brachte. M09 ab war 40 Jahre alt oder etwas mehr, als er in der Schlacht von Ohod fiel.

18. Sowaybit b. Sa'd aus dem Chozä'a- Stamme. Er wird auch von Ibn'Okba und 'Orwa unter den Flüchtlingen nach Abessynien genannt; es wird aber nicht genauer bestimmt, an welcher Flucht er Theil nahm.

19. Gahra (oder Gohaym) b. Kays hatte dieselbe Mutter wie Gahm b. Q'alt. Von seinem Leben ist nichts bekannt. Abu Hind Däry erzählt, dafs der Prophet zu seinem Gunsten ein Dokument ausfer- tigen liefs, welches 'Abbäs, Gahm b. Kays und Schorahbyl b. Ha- san als Zeugen unterzeichneten. Es ist zweifelhaft, ob er mit die- sem Gahm identisch ist.

Seine Frau (8) Oram Harmala und sein Sohn 'Amr und seine Tochter Chozayma oder Chozäma (nach einigen war Chozayma ein Knabe) flohen ebenfalls nach Abessynien.

20. Abu Rum b. 'Omayr. Wäkidy sagt, seine Flucht nach Abes- synien wird von Ihn 'Adyy und Andern in Abrede gestellt. Er soll nach Madyna gekommen sein, ehe Mohammad gegen Chaybar zog, und dort gefochten haben.

21. Firäs b. Nadhr wird [nur?] von Ihn Ishäk unter den Flücht- lingen genannt. Er fiel bei Yarmük. Sein Vater fiel bei Badr auf der Seite der Feinde des Islams.

h) Zohriten.

22. 'Abd al-Rahmän b. *Awf I, 7.

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23. 'Amir b. Aby Wakkacj, ein Bruder des Sa'd (1,8) war dem Wäkidy zufolge der zehnte, der sich bekehrte. Seine Mutter Hamna, eine Tochter des Abu Sofyän, soll geschworen haben, sie wolle nicht unter Dach gehen, ehe ihr Sohn den Islam abgeschwo- ren habe. Die Verwandten drangen in ihn, ihr nachzugeben, aber Gott offenbarte (Kor. 29, 7 und 31, 14): Wenn sich aber deine El- tern anstrengen, dich zu bewegen, mir etwas, wovon du nichts weifst, beizugesellen, so gehorche ihnen nicht. Amir starb in Syrien wäh- rend des Chalyfates des Omar. Auch Balädzory zählte ihn unter die zweiten abessynischen Flüchtlinge.

24. Mottalib b. Azhar. Auch Wäkidy nennt ihn in der zwei- ten Flucht nach Abessynien, wo 'ihm 'Abd Allah geboren wurde; nach Ibn Kalby flüchtete sich auch "Abd Allah mit seinem Vater und sie starben beide in Abessynien. Vergl. I, 40.

Seine Frau (9) Rarala bint Aby 'Awf. Sie bekehrte sich dem Ibn Sa'd zufolge ehe Mohammad im Hause des Arkam Zuflucht nahm. (Vergl. I, 41.)

Verbündete der Zohriten.

25. "Abd AUah b. Masüd I, 23.

26. 'Otba b. Masüd kehrte erst mit Ga'far oder etwas früher von Abessynien zurück. 'Omar verwendete ihn mit Säyib b. Yazyd den Zehent einzutreiben. Er starb während der Regierung des Omar.

27. Mikdäd der Kindite. Er wurde Ibn Aswad geheifsen, sein Vater war aber Amr b. Tha'laba b. Mälik. Ibn Kalby erzählt: 'Amr b. Tha'laba kam nach Hadhramawt und wurde dort ein Ver- bündeter der Kinditen; er heirathete auch eine Frau jenes Landes, welche ihm den Mikdäd gebar. Als dieser aufgewachsen war, hatte sein Vater einen Zank mit dem Kinditen Abu Schimr b. Hogr und verwundete ihn mit dem Schwert am Fufse. Der Thäter floh da- her nach Makka und wurde der Verbündete des Zohriten Aswad b. Abd Yäghüth. Er schrieb dann seinem Sohne und auf seine Einla- dung kam auch dieser nach Makka und wurde von Aswad als Sohn adoptirt, wefswegen Mikdäd der Sohn des Aswad genannt wurde. Er soll unter den ersten sieben Gläubigen gewesen sein. Nach Wä- kidy und Ibn Ishäk hat Mikdäd die zweite Flucht nach Abessynien mitgemacht, er wird aber von Abu Ma'schar und Ibn Okba nicht genannt. Mikdäd war ein guter Bogenschütze, ein begeisterter Krieger für den Glauben und der erste, welcher zu Pferde focht; er ritt näm- lich in der Schlacht von Eadr seine Stute Sabha. Obwohl er ein Frem- der war, gab ihm Mohammad doch die Dhobäa, eine Tochter des Zobayr b. 'Abd Mottalib, zur Frau. Eine Dattelplantage (at'ima,

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wörtlich: Lebensmittel), welche ihm der Prophet zu Chaybar ge- schenkt hatte und die aus 15 Wisk bestand, kaufte Moäwiya dessen Nachkommen für 100000 Dirham ab. Er starb zu Gorf, drei Mei- len von Madyna, nachdem er eine Dosis Ricinusöl genommen hatte, im Jahre 33 (43?), ungefähr 70 Jahre alt. Nach einer andern Nach- richt hatte er einen Griechen zum Sklaven. Dieser rieth ihm, um seinen ungeheuren Wanst zu vertreiben, sich operiren zu lassen, wo- durch dem Fette Abflufs verschafft würde. Er liefs ihn gewähren und der Sklave schnitt ihm den Bauch auf und floh.

i) Taymiten.

28. Härith b. Chälid. Sein Enkel Mohammad b. Ibrähym b. Härith berichtete, dafs sich Härith nach Abessynien geflüchtet habe und zwar, wie Ikrima behauptet, mit Ga'far. Nach Bochäry war ihm sein Sohn Ibrähym in Makka geboren worden, welchen er mit nach Abessynien nahm. Als er nach Madyna kam, verheirathete der Prophet die Tochter des 'Abd Yazyd b. Häschira an ihn.

Seine Frau (10) Rayta bint Härith; sie gebar in Abessynien den Müsä, die 'Ayischa, Zaynab und Fätima. Sie soll auf dem Wege von Abessynien nach Madyna alle ihre Kinder (mit Ausnahme des Ibrähym) in Folge des Trinkens von einem tödtlichen Wasser verloren haben.

29. 'Amr b. 'Othmän, welcher nach Balädzory in der Schlacht von Kädisiya fiel.

k) Machzümiten.

30. Abu Salama b. 'Abd Asad I, 11, und seine Frau (12).

31. Schammäs b. 'Othmän. Seine Mutter war Qafyya bint Ra- by'a b. Abd Schams. Schammäs zeugte mit 0mm Habyb bint Sa'yd b. Yarbu b. Ankatha b. Amir b. Machzüm den Abd Allah. Dem Ibn Ishok und Wäkidy zufolge floh er das zweite Mal nach Abes- synien , Ibn 'Okba und Abu Ma'schar nennen ihn nicht. In der Schlacht von Ohod war er überall, wo dem Propheten Gefahr drohte, und dieser verglich ihn daher mit einem Schilde; er fiel aber als Opfer seines Eifers. Verwundet wurde er vom Schlachtfelde getra- gen und starb in dem Hause der 0mm Salama in einem Alter von 34 Jahren.

32. Habbär b. Sofyän. Ibn 'Okba, auf die Auktotität des Zohry, Abü-1-Aswad, auf die des 'Orwa, sowie auch Ibn Ishäk nennen ihn unter den Flüchtlingen nach Abessynien. Einige sagen, er fiel zu Agnädayn, andere zu Yarmük und noch andere zu Müta.

33. 'Abd Allah b. Sofyän, ein Bruder des Vorhergehenden. Seine Mutter war die 'Ä.miritin, eine Tochter des 'Obayd b. Aby

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Kays b. 'Obayd. Ibn "Okba sagt: Er floh nach Abessynien und fiel bei Yarmük. So erzählt auch Abii-l-Aswad auf die Auktorität des 'Orwa. Zobayr behauptet, dafs nicht er, sondern sein Bruder Obayd zu Yarmük fiel. Ibn Sa d sagt: Er bekehrte sich früh und floh das zweite Mal nach Abessynien.

34. Hischäm b. Aby Hodzayfa wird auch von Zobayr b. Bak- kär unter den Flüchtlingen genannt, aber weder von Ibn 'Okba, noch von Abu Ma'schar. Wäkidy nennt ihn Häschim.

35. Salama b. Hischäm, ein Bruder des Abu Gahl und Hä- rith. Er soll einer der ersten Gläubigen gewesen sein, als aber Mohammad nach Madyna geflohen war, hielten ihn die Ungläubigen mit Gewalt in Makka zurück, wofür sie der Prophet formell ver- fluchte. Wahrscheinlich ist, dafs er den Salama seiner Abtrünnig- keit wegen verfluchte. Nach einer Tradition bestand das gewalt- same Zurückhalten nur darin, dafs sie ihm, so oft er Makka ver- lassen wollte, zuriefen: Du bist ein Ausreifser! Endlich kam er doch nach Madyna, wie es scheint nach der Schlacht von Müta. Er siedelte sich später in Syrien an und fiel in der Schlacht von Marg al^afr oder in der Schlacht von Agnädayn.

36. 'Ayyäsch b. Abu Raby'a I, 26.

Verbündete der Maehzümiten.

37. Mo'attab (Mo'attib, auch 'Ayhäma genannt) b, 'Awf von dem Stamme Chozaa. Er wird Mo'attab Ibn al-Homra und Abu 'Awf genannt und war ein Verbündeter der Maehzümiten. Dem Ibn Ishäk und Wäkidy zufolge, flüchtete er sich das zweite Mal nach Abessynien. Ibn 'Okba und Abu Ma'schar nennen ihn aber nicht unter denen, welche nach Abessynien auswanderten. Er focht bei Badr und starb im J. 57, 78 Jahre alt.

I) Gomahiten.

38. 'Othmän b. Matz'ün. Vergl. Bd. I S. 387.

39. Sein Sohn Säyib. Er bekehrte sich früh (vergl. I, 39) und focht bei Badr. Nach Ibn Kalby war es sein Onkel, welcher auch Säyib hiefs, der zu Badr focht. Er starb an einer Wunde, die er in Yamäraa erhalten, in einem Alter von etwas über 30 Jahren.

40. Kodäma b. Matz'ün I, 14.

41. H;-tib b. Harith I, 34.

Seine Frau (13) Fatima bint Mogallil. Sein Sohn Mo- hammad wurde in Abessynien geboren. Der Vater starb daselbst und die Mutter brachte den Sohn auf einem der zwei Schilfe, welche auch den Ga'far A. H. 7 nach Madyna führten, ebendahin. Es ist schon früh behauptet worden, defs er das erste Kind war, das im

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Islam Mohammad genannt wurde. Wenn er auch, wie anzunehmen ist, nach dem Propheten so benannt wurde, so widerlegt diese That- sache doch nicht die oben S. 155 S. ausgesprochene Vermuthung; denn wenn es wahr ist, dafs er ein Milcbbruder des 'Abd Allah b. Ga'far war, so wäre er um die Zeit der Higra geboren worden; 'Abd Allah war nämlich zehn Jahre alt als der Prophet starb, er mag aber 2 oder 3 Jahre nach der Higra geboren sein; jedenfalls verdient es keinen Glauben, wenn man ihn selbst sagen läfst, er sei auf der Ueberfahrt nach Abessynien geboren. Er starb während Bischr Statthalter von 'Irak war, nach Andern A. H. 74.

Hätib hinterliefs noch einen andern Sohn Namens Härith. Auch er wurde, dem Zohry zufolge, in Abessynien geboren. Die Behaup- tung des M09 ab Zobayry, er habe sich nach Abessynien geflüchtet, beruht auf einer Verwechselung. Marwän (t65) gab dem Härith eine Anstellung (über die Masä'y?) in Madyna und dessen Sohn 'Abd al-Mälik (f 86) versetzte ihn nach Makka; er mufs ziemlich lange nach der Higra geboren sein, wenu er unter Yazyd noch am Lebon war.

43. Hattäb b. Härith I, 36.

Seine Frau (14) Fokayha bint Yasär I, 37.

44. Sofyän b. Ma mar ward auch von Müsa b. 'Okba auf die Auktorität des Zohry unter den Flüchtlingen nach Abessynien ge- nannt. Er und seine zwei Söhne Gäbir und Gonäda kamen erst A. H. 7 von Afrika nach Makka, und sie starben alle drei während des Chalyfates des 'Omar. Nach einigen Genealogen war Sofyän aus der madynischen Familie Zorayk. Er war schon vor dem Is- lam nach Makka gekommen und hatte sich mit Ma'mar verbündet.

45 u. 46. Seine Söhne Gäbir und Gonäda. Ihre Mutter (15) Hasana.

47. Ihr Sohn Schorahbyl. Sein Vater soll 'Abd Allah b. al- Mota' Kindy gewesen sein. Andere sagen, er sei ein Tamymite gewesen und leite seinen Ursprung von Ghawth b. Morr, einem Bru- der des Tamym ab; sie behaupten, dafs er deswegen Tamymite ge- heifsen werde. Seine Mutter Hasana war eine Clientin (freigelas- sene Sklavin) des Ma'mar und sein Sohn Sofyän zeugte mit ihr den Gäbir und Gonäda, welche also Halbbrüder des Schorahbyl waren. Nach Andern war Sofyän nicht ein Sohn des Ma'mar, sondern ein Madynenser, an welchen er die Hasana verheirathete und welchen er an Sohnes Statt angenommen hatte. Schorahbyl gelangte später zu grofser Berühmtheit, und da sein Ursprung nicht bekannt war, hatte die Phantasie der Genealogen freien Spielraum. Er soll sich früh bekehrt haben und nach Abessynien geflohen sein. Abu Bakr

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gab ihm ein Kommando im Heere und unter 'Omar hatte er den Oberbefehl über ein Viertel von Syrien. Schorahbyl soll an dem- selben Tage wie sein Waffengefährte Abu 'Obayda b. Garräh an der Pest gestorben sein. Er ist der Eroberer von Tiberias.

48. 'Othmän b. Raby'. Von seinem Leben ist nichts bekannt.

m) Sahmiten.

49. Chonays b. Hodzäfa I, 28.

50. 'Abd Allah b. Härith b. Kays wird von Ihn Ishak und andern unter den Flüchtlingen nach Abessynien genannt. Ibn Kalby, welcher den Namen des So'ayd in seiner Genealogie ausläfst, führt ein Gedicht von ihm an, in welchem er die Moslime auffordert, nach Abessynien zu fliehen und ihnen die Vortheile, welche sie dort er- warten, beschreibt. Folgende Zeilen sind aus diesem Gedichte [und erinnern an damals geoffenbarte Koränverse]:

0 Reitender, ein Sendschreiben gelangt von mir an den, wel- cher einst vor Gott zu erscheinen hofft und ein "Weltgericht erwartet.

Wir haben gefunden, dafs die Erde Gottes weit sei (K. 29, se) und eine Zufluchtsstätte vor Erniedrigung, Schmach und Verfolgung biete.

Ertraget nicht ein erniedrigendes Leben und schmachvollen Tod und Tadel und Verachtung 1

Wir sind Jünger des Gottgesandten, werfet daher seine Worte in die Wagschale und sie wird gewichtig.

Er soll bei Täyif oder in Yamäma gefallen sein. Einige las- sen ihn eines natürlichen Todes sterben.

51. Hischäm b. 'A9 Sahmy, ein Bruder des grofsen Feldherrn 'Amr. Seine Mutter war Harmala bint Hischäm b. Moghyra. In der l9äba wird gesagt, dafs er früh den Islam annahm und nach Abessynien floh. Zur Zeit der Flucht nach Madyna hatte er mit 'Omar und 'Ayyäsch b. Aby Raby'a eine Verabredung getroffen, mit ihnen Makka zu verlassen; er wurde aber von dem Stelldichein zu- rückgehalten, blieb in Makka und liefs sich endlich bewegen, den Glauben abzuschwören. Er kam jedoch schon vor der Einnahme von Makka zum Propheten und fiel in der Schlacht von Agnädayn. Als er nämlich bemerkte, dafs einigen Moslimen der Muth fehlte und sie zurückwichen, nahm er das Visier vom Gesicht, begab sicli vor die Linie gegen den Feind und rief: Zu mir! zu mir, Moslime! ich bin Hischäm, der Sohn des 'A9. Wie, ihr fliehet vom Paradies? Er blieb in dieser Position, bis er fiel.

52. Kays b. Hodzäfa. Wäkidy sagt: Er blieb nicht in Abe.'^- synien, sondern kam nach Makka und machte dann die Higra nach Madyna.

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53. Sein Bruder Abu Kays wird auch von Ibn 'Okba unter den Flüchtlingen genannt. Er focht bei Ohod und soll in Yamäma gefallen sein,

54. 'Abd Allah b. Hodzäfa Sahniy bekehrte sich früh und soll bei Badr gefochten haben. Er wird aber von keinem der Verfasser der Prophetengeschichte unter den Kriegern, welche an jener Schlacht betheiligt waren, genannt. Er focht in den Eroberungskriegen in Egypten, wo er auch unter Othmän starb.

55. Härith b. Härith, ein Mitglied derselben Familie, soll bei Agnädayn oder Yarmük gefallen sein. Seine Flucht nach Abessy- nien, sagt Balädzory, ist nicht erwiesen.

56. Ma mar b. Härith I, 38.

57. Bischr b. Härith ist wahrscheinlich identisch mit Tamym, dem Halbbruder des Folgenden ').

58. Sa'yd b. 'Amr, ein Tamyraite und Verbündeter der Sah- miten. Abu Ma'schar heifst ihn Ma'bad. Auch Ibn 'Okba zählt ihn unter die Flüchtlinge und sagt, er und sein Halbbruder Tamym b. Härith b. Kays seien bei Agnädayn gefallen.

Auch dieser Tamym, welchen Wakidy Nomayr nennt, floh dem Abu Aswad zufolge, welcher den 'Orwa als seine Auktorität anführt, nach Abessynien.

59. Sa'yd b. Härith wird auch von Ibn 'Okba unter die Flücht- linge gezählt. Er fiel bei Agnädayn oder Yarmük.

60. Säyib b. Härith Sahmy, ein Bruder des Abd Allah, ge- hörte, dem Ibn Ishäk und auch dem Ibn 'Okba zufolge, ebenfalls zu denen, welche nach Abessynien auswanderten. Er soll bei Täyif gefallen sein, aber Zohry behauptet, dafs er im Jahre 13 am Jordan in der Schlacht von Js.^ getödtet wurde. Seine Mutter hiefs 0mm

61. 'Omayr b. Riyäb. Es ist ungewifs, ob er auch von an- dern Quellen unter den frühen Flüchtlingen genannt wird. Er fiel zu Ayn Tamr unter Abu Bakr.

62. Mahmiya (Magmiya) b. Gaza, ein Verbündeter. Dem Ibn Kalby zufolge soll er bei Badr gefochten haben , Wakidy aber be- hauptet, dafs der Feldzug gegen Moraysy' der erste war, den er mitmachte; später kämpfte er in Egypten. Er stand in grofser Gunst bei dem Propheten und erhielt von diesem eine Sklavin, welche ihm (dein Propheten) geschenkt worden war. Einst ersuchten den Mo- hammad seine nächsten zwei Verwandten Fadhl, ein Sohn des'Ab- bäs, und 'Abd al-Mottalib b. Raby' b. Härith b. 'Abd al-Mottalib,

') Vergl. I9äba, Bd. 1 S. 373. Sohayly, S. 34, unterscheidet zwischen Bischr und Tamym.

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um Anstellungen als Zehenteinnehmer. Er schlug ihnen dieselben ab mit der Bemerkung, dafs dies ein schmutziges Geschäft sei, den Mahmiya aber ernannte er zum Commissarius im Erheben des Fünf- tels, welches von der Beute und andern, den Feinden abgenomme- nen Contributionen ihm zufiel; um seinen Neffen Fadhl zu entschä- digen, befahl er dem Mahmiya, ihm seine Tochter Qafyya zur Frau zu geben und bezahlte die Aussteuer der Töchter dieser beiden Ver- wandten.

n) Banü 'Adyy.

63. Ma'mar b.' Abd Allah hat sich nach Ibn Sa d zwar schon früh bekehrt, aber ( -j^) er floh nach Abessynien, von wo er nach Makka zurückkehrte und daselbst blieb, bis er sich nach Madyna begab. Diese Nachricht scheint anzudeuten, dafs er selbst nach der Flucht des Propheten in Makka lebte , und wahrscheinlich in gutem Ein- verständnisse mit den Korayschiten. Ma'mar mufs lange gelebt ha- ben, denn Sa'yd b. Mosayyib hat Traditionen von ihm gehört, z. B. die Leute pflegten Getreide einzukaufen und aufzuspeichern, um es in unfruchtbaren Jahren für Wucherpreise zu verkaufen. Der Prophet sagte daher: Speichert zu solchen Zwecken das Getreide nicht auf.

64. 'Orwa b. Othätha (oder Abu Othätha), ein Halbbruder des Amr b. 'A9. In der Icäba wird gesagt: Er war einer der frühsten Gläubigen und gehörte zu Denen, welche nach Abessynien flo- hen: so berichten Ibn Okba und Andere, mit Ausnahme des Ibn Ishäk;. Dieser nennt ihn 'Orwa b.'Abd 'Ozza.

65. Adyy b. Nadhla (oder Nodhayla). Er floh, dem Ibn Ishäk zufolge, nach Abessynien. Ibn Okba nennt ihn 'Adyy b. Asad und sagt, dafs er in Abessynien starb und der erste Moslim war, welcher beerbt wurde, nämlich von seinem Sohn No'män. Ibn Ishäk behauptet dies von Mottalib b. Azhar, welchen sein Sohn 'Abd Allah beerbte. Zobayr b. Bakkär stimmt mit Ibn 'Okba überein.

'Omar ernannte No'män, den Sohn des Adyy, zum Statthalter von Maysän.

66. 'Amir b. Raby a I, 29.

Seine Frau (16) Laylä, eine Tochter des Chaytharaa (sie) b. Hodzayfa, eine Schwester des Solayraän (sie). Ibn Sa'd erzählt: sie bekehrte sich früh, huldigte dem Propheten und machte beide Auswanderungen nach Abessynien mit. Sie flüchtete sich dann nach Madyna, und soll die erste gläubige Frau gewesen sein, welche da- selbst ankam, nach Andern jedoch war 0mm Salaraa schon vor ihr eingetroffen.

Ibn Ishäk erzählt im Texte des Yünos b. Bokayr, von 'Abd Allah b. 'Abd al-Raiimän b. Härith b. 'Abd al-'Azyz b. 'Abd

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Allah b. 'Amir b. Raby'a, von seiner Mutter (sie) Laylä: 'Omar war sehr heftig gegen uns ob unseres Glaubens. Als wir uns zur Ab- reise nach Abessynien fertig gemacht hatten und ich schon auf mei- nem Kameele safs, kam er zu mir und sagte: O 0mm 'Abd Allah, wohin? Ich antwortete: Ihr verfolgt uns wegen unserer Religion und wir ziehen daher in das Land Gottes hin. Er sagte: Möge euch Gott geleiten, und ging seines Weges. Darauf kam mein Mann, dem erzählte ich die Geschichte, und er sagte: Glaubst du, dafs 'Omar sich bekehren wird?"

o) Banü 'Amir b. Lowayy.

67. Abu Sabra b. Aby Rohm. Seine Mutter war Barra bint 'Abd al-Mottalib. Er zeugte mit 0mm Kolthüm bint Sohayl b. 'Amr b.'Abd Schams b.'Abd Wodd 'Amiry den Mohammad, 'Abd Allah und Sa d. Er floh beide Mal nach Abessynien und das zweite Mal begleitete ihn seine Frau. So berichten Ibn Ibn Ishäk und Wäkidy, aber Ibn 'Okba und Abu Ma' schar erwähnen ihn nicht unter den Flüchtlingen. Er focht in allen Schlachten, in welchen der Prophet kommandirte und kehrte nach dem Tode desselben nach Makka zu- rück. Die Moslime nahmen es ihm sehr übel, dafs er, nachdem er doch die Higra gemacht hatte, sich wieder in Makka ansiedelte. Er starb in Makka unter der Regierung des Othmän.

Seine Frau (17) 0mm Kolthüm bint Sohayl.

68. Abd Allah b. Machrama. Er hiuterliefs einen Sohn Mo- sähik, welcher den Abu Nawfal zeugte, so hat Wäkidy von 'Abd Allah b. Aby 'Obayda vernommen. Nach Wäkidy floh er beide Mal nach Abess3'nien, nach Ibn Ishäk nur das zweite Mal, und nach Ibn "Okba und Abu Ma schar gar nicht. Er war 30 Jahre alt als er bei Badr focht, und fiel im Krieg in Yamäma.

69. 'Abd Allah b. Sohayl. Seine Mutter war Fächita bint 'Amir b. Nawfal b. 'Abd Manäf. Dem Ibn Ishäk und Wäkidy ') zufolge, floh er das zweite Mal nach Abessynien ; er wird aber von Ibn 'Okba und Abu Ma schar nicht genannt. Er kehrte von Abes- synien nach Makka zurück, wo ihn sein Vater in Banden legte und bewog, den Islam abzuschwören. Als in Makka das Aufgebot er- ging, gegen die Moslime zu ziehen, ergriff auch 'Abd Allah die Waf- fen und begleitete seinen Vater, welcher glaubte, er habe mit Ueber- zeugung der Religion des Mohammad entsagt; ehe es jedoch bei Badr zu einer Schlacht kam, entfloh er und kämpfte auf der Seite

') So behauptet auch Ibn'Ayidz und fuhrt die Auktorität des Ibn 'Ab- bäs an.

177

der Moslime. Er war damals 27 Jahre alt. Im Kriege gegen Yamäma fiel er in der Sclilaclit von Gowäthiy [in Bahrayn], 38 Jahre alt. Später bekehrte sich auch sein Vater. Dieser war während des Heideuthums der Wortführer und ein Mann von grofser Bedeutung unter den Korayschiten. Er war einer von denen, welche auf Sei- ten der Heiden bei Hodaybiya die Friedensunterhandlungen leitete. Nach der Eroberung von Makka legte er das Glaubensbekenntnifs ab und versicherte den Mohammad, dafs die Einwohner in ihrer neuen Lage ganz zufrieden seien ; Mohammad aber schenkte ihm, um ihn ganz für seine Partei zu gewinnen, hundert Kameele. "Wie es mit der Aufrichtigkeit seines Glaubens stand, geht aus einer Ge- schichte hervor, womit er die frommen Moslime erbaute. In der Schlacht bei Badr, sagte er, habe ich weifse Männer auf Pferden zwischen Himmel und Erde schweben und für Mohammad kämpfen gesehen. Nach dem Tode des Propheten trat er wieder als Redner auf und sprach: Wer dem Mohammad gedient hat, der wisse dafs er todt ist, wer aber Allah dient, wisse dafs er lebe. Während der Regierung des Abu Bakr wohnte er noch in Makka und wurde vom Chalyfen, als dieser zum Pilgerfest dahin kam, seines Sohnes we- gen mit grofser PVeundlichkeit empfangen. Später begab er sich nach dem Sitz der Regierung, Madyna, und endlich focht er in den Eroberungskriegen und siedelte nach Syrien über, wo er A. H. 18 an der Pest starb. Nach einer andern Nachricht fiel er in der Schlacht von Yarmük oder von Marg alcafr.

70. Salyt b. ' Amr I, 25.

71. Sikrän b, 'Amr, ein Bruder des Sohayl. Ibn 'Okba sagt blos, dafs er sich nach Abessynien flüchtete. Ibn Ishäk fügt hinzu, dafs er nach Makka zurück kam und dort starb. Abu 'Obayda glaubt, dafs er noch einmal nach Abessynien auswanderte und dort zum Christenthum überging und starb.

Seine Frau (18) Sawdä bint Zama'a. Es heirathete sie später Mohammad.

72. Mälik b. Zama a, ein Bruder der Frau des Propheten Sawdä. Müsä b. 'Okba und nach ihm \;>ä.11 im Buche al-Dorar nennt ihn Mäli'k b. Raby'a. Indessen Zobayr b. Bakkär, wdcher alle anderen Gelehrten in der Kunde der Genealogie der Korayschiten übertrifft, berichtet in der Genealogie der Banü 'Amir wie folgt: „Und Sawdä, die Tochter des Zama'a b. Kays b. 'Abd Schams b. 'Abd Wodd, war an Sikrän b. 'Amr verheirathet. Er starb als Flüchtling in Abes- synien und es heirathete sie der Prophet." Weiter unter sagt er: „und Mälik b. Zama'a flüchtete sich nach Abessynien"; und noch weiter unten: „und Wafdän b. Abd Schams zeugte den Abd."

II. 12

178

Es scheint, dafs die Aelinlichkeit von \s.a\ mit sx^. Veranlas- sung zu diesem Fehler gegeben habe.

Seine Frau (19) 'Amra oder Omayra bint Sady.

73. ['Abd] Hatib b.'Amr 1,46.

74. Sa'd b. Chawla gehörte zu den yamanischen Stämmen, war aber persischen Ursprungs und ein Verbündeter der Arairiten oder ein Client des Abu Rohm. Dem Wakidy und Ibn Ishäk zufolge floh er das zweite Mal nach Abessynien ; er wird aber weder von Ibn'Okba, noch Abu Ma'schar erwähnt. Als er bei Badr focht, soll er 25 Jahre alt gewesen sein. Er kämpfte auch in den späteren Feldzügen und war zugegen bei Hodaybiya, später aber kehrte er nach Makka zurück, obschon es der Prophet selbst nach der Ein- nahme von Makka sehr mifsbilligte , dafs die Flüchtlinge ihre Va- terstadt wieder zum Aufentlialtsort wählen sollten, und starb da- selbst vor Mohammad. Seine Wittwe, die Aslamitin Sobay'a bint Härith, gebar vierzehn Tage nach seinem Tode ein Kind, und hei- rathete unmittelbar nach ihrer Niederkunft, mit Genehmigung des Propheten, einen jungen Mann, Abu Sanabil b. Ba'kak b. Härith b. 'Amla b. al-8äk b. 'Abd aldär, welcher sich erst nach der Erobe- rung von Makka zum Glauben bekehrt hatte.

p) Balhärith.

75. Abu 'Obayda b. Garräh I, 10.

76. Sohayl [Abu Müsä], der Sohn der Baydha; sein Vater hiefs Wahb b. Raby'a b. Hiläl b. Mälik b. Dhabba b. Härith. Baydhä, die Weifse, war nur ein Spitzname , sie hiefs Da'd bint Gahdam b. 'Amr b. 'Ayisch b. Tzarib b. Härith. Dem Wakidy und Ibn Ishäk; zufolge, floh er beide Mal nach Abessynien. Er war 34 Jahre alt als er bei Badr focht, und starb im Jahre 9, bald nach der Rück- kehr der Armee von Tabük, 40 Jahre alt.

77. 'Amr b. Abu Sarh. Ibn Sa'd berichtet: Ibn Ishäk, Ibn 'Okba und Ibn Kalby geben ihm den Namen 'Amr, hingegen Wa- kidy und Abu schar nennen ihn Maraar. Seine Mutter hiefs Zaynab bint Raby'a. Er ist einer der Badr-Helden und starb A. H. 30.

78. 'lyädh b. Zohayr. Seine Mutter war Salmä, eine Tochter des'Amir b. Raby'a b. Hiläl b. Mälik b. Dhabba. Auch Ibn 'Okba nennt ihn unter den Flüchtlingen nach Abessynien und unter den Badr-Helden. Chalyfa b. Chayyät nennt ihn 'lyädh b. Tamym b. Zo- hayr und sagt, er habe sich in den Kriegen in Syrien ausgezeich- net. So wird er auch von Zobavr und seinem Onkel Moo'ab se- nannt. Er starb zu Madyna im Jahre 30. Dem Zobavr b. Bakkär zufolge, hiefs sein Vater Ghanm und der Grofsvater Zobavr.

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79. 'Amr b. Hdrith. Ibn Sa'd fol. 2G2 sagt: 'Amr b. Aby 'Amr von der Familie Dhobba focht, dem Abu Ma'schar und Wäkidy zu- folge, bei Badr. Ibn 'Okba nennt ihn 'Amr b. Haiith. Wir schlie- fsen daraus, dafs Tiririth der Name des Abu 'Amr war. Auch die- ser Biograph zählt den Amr b. Hiirith unter die Badr Helden. Ibn Ishäk nennt ihn in seinem Buche, aber wir finden seinen Namen nicht in demjenigen, welches wir von Ibn Kalby abgeschrieben ha- ben. Dem Wäkidy zufolge war er 32 Jahre alt als er bei Badr focht und starb A. H. 36.

80. 'Othmän b. Aby Ghanm b. Zohayr kehrte, dem Balädzory zufolge, erst mit Ga'far aus Abessynien zurück. Vielleicht ist er ein Bruder des Amir, von welchem Ibn Kalby behauptet, er sei nach Abessynien geflohen. Abii Amr glaubt, dafs dies von Oth- män gelte.

81. Sa'd oder Sa yd b. 'Abd Kays.

Auch Ibn Kalby berichtet, dafs er sich nach Abessynien ge- flüchtet und vor Ga'far nach Arabien zurückgekehrt sei. Näfi' b. 'Abd Kays soll sein Bruder gewesen sein. Die Mutter des Nafi' hat auch den 'A9 b. Wäyil geboren. Ibn 'Abd al-Hakam erzählt in den Eroberungen, dafs ihn 'Amr (b. al-'A9? oder Omar?) nach Barka schickte. Er lebte bis zur Regierung des Othniän.

82. Härith b. 'Abd Kays wird auch von Ibn Däb unter die Flüchtlinge nach Abessynien gezählt, aber, wie Balädzory berichtet, nicht von Wäkidy.

83. Ammär b. Yäsir I, 53. Sohayly S. 34 trägt nach:

84. 'Abd Allah (ursprünglich Abd al-Gann) b. Schihäb Zohry. Er kam von Abessynien nach Makka zurück, wo er vor der Higra starb. Der Icäba zufolge, hatte er einen Bruder, welcher ebenfalls 'Abd Allah b. Schihäb b. 'Abd Allah b. Härith b. Zohra hiefs. Er focht bei Ohod gegen den Propheten, und soll derjenige sein, wel- cher den Mohammad eine Contusion im Gefechte beibrachte. Spä- ter bekehrte er sich und starb während des Chalyfates des 'Oth- män. Von diesem 'Abd Allah soll der Vater und von seinem Bru- der die Mutter des berühmten Traditionisten Zohry abgestammt haben.

85. Tolayb, welcher mit seinem Bruder Mottalib b. 'Abd 'Awf nach Abessynien auswanderte, wo beide starben.

Aus einer Tradition bei Bochüry geht hervor, dafs auch Abu Müsä sich einige Zeit in Abessynien aufgehalten habe.

12'

Eilftes Kapite

Christlicher Einflufs auf Mohammad. (Herbst 616 bis 619.)

Unwiderstehlich, sa^t man, ist flie Macht der Wahrheit, und glühende Beredsamiveit hat oft Wunder gethan, aber noch niächtiser als Wahrheit und Beredsamkeit wirkt Für- stengunst aut die Ueberzeugung der Menschen. Es ist unrichtig, wenn man behauptet, Eigennutz mache den Men- schen stets zum Heuchler: er wird unter seinem Einflüsse eben so oft zum Fanatiker. Was Wind und Ballast in der Navigation, sind edle Gefühle und Selbstsucht in der Ent- wicklung der Menschheit. Sie sind nothwendig, nur soll das Steuerruder der Vernunft anvertraut werden. Ohne die Gunst des Königs von Abessynien wäre es den Korayschi- ten gelungen, den Islam im Keime zu ersticken. Es mulste also dem V erkünder desselben unendlich viel daran gele- gen sein, sie zu erhalten, und es war ein menschliches Ge- fühl, wenn er Dankbarkeit, ja Bewunderung für den König und seine Religion fühlte; er läfst auch in Süra 56, 13 und 38 die Christen haufenweise in das Paradies eingehen. Wie bereits im vorigen Kapitel gesagt worden ist, sandte er durch GaTar einige Koränstücke an den Naggäschy, welche er speciell zu dessen Erbauung verfafst hatte. Ich schalte sie hier ein, mufs aber vorausschicken, dafs wir darin dreier-

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lei Faktoren unterscheiden müssen: den abessynisch- christ- lichen Einfluls, die Quelle, dnrch die er das Christenthum hatte kennen lernen, und seine eigene Auffassung.

Da er zu jener Zeit sowohl das Judenthum als das Christenthum liir geoffenbarte Religionen hielt und die Un- terschiede ungefähr so auffalste, Wie Avir die bistitutionen gleichberechtigter Staaten, so trug er kein Bedenken, sich den Glaubenslormen seines Gönners die Miisbräuche ab- gerechnet — zu nähern. Es ist aber klar: er lernte sie durch eine V ermittlung kennen, welche nicht nur eine ganz eiirenthümliche Färbmii»- hatte, sondern einerseits mit seiner eiüenen Gesinnunürsart übereinstimmte, andererseits aber von absichtlichen Fälschungen nicht frei war. In Forschun- gen über das Alterthum stellen wir uns die Menschen ge- wöhnlich sehr wifsbegierig und gelehrig vor, und nehmen an, dals sie dasjenige, was sie von fremden Völkern wissen konnten, auch wirklich wufsten. Dies ist der tädichen Er- fahrung zuwider. Wir kommen häufig in Berührung mit den Juden und Avissen doch blutwenig von ihren Glaubens- grundsätzen, und obschon der Islam in so vielen Büchern beschrieben worden ist, haben es doch selbst «-ebildete Leute nicht viel weiter in ihrer Kenntnifs desselben gebracht, als dafs sie wissen, dafs bei den Türken Polygamie erlaub! ist. Geistliche, welche gegen die Ketzer predigen, geben sich eben so wenig Mühe, deren Lehre kennen zu lernen als ihre gläubige Heerde. Wenn man auch erweisen könnte, dafs jMohammad Gelegenheit gehabt hatte, das Christenthum kennen zu lernen, so folgte doch noch nicht, dafs er es wirklich kannte. Für einen Träumer, wie er, giebt es nichts L^ngeniefsbareres als Thatsachen; man glaube daher nicht, dafs seine Wifsbe2;ierde ihn in dieser Beziehuna; über den Rest der Menschheit erhoben habe. Geleitet durch die Eindrücke, w eiche die in dieser Periode geoffenbarten Ko- ränstellen auf mich machen, bin ich zu folgender Vorstel- lung des Entstehens der hier angeführten Inspirationen ge- konmien. Seine aus Abessynicn zurückgekehrten Jünger,

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welche gewils viele Besprechungen über Religion mit Chri- sten gehabt hatten, und auch die nach Makka gekomme- nen Christen legten ihm allerlei Fragen bezüglich der Lehre Christi vor, und er wurde dadurch in einen neuen Ideenkreis hineins:ezo£rcn; sie hatten ihn mit Worten und Hes:riffen bereichert, welche wir in diesem und in den folgenden Ka- piteln werden kennen lernen. Sein judenchristlicher Men- tor stand ihm bei, aber nach seiner eigenen Art. Dem Mohammad war es besonders darum zu thun, den Naggäschy zu überzeugen, dafs ihm Gott thatsächliche Aufschlüsse über das Christenthum gebe und er wagte sich daher auf den Jjoden der Geschichte; in einigen Einzelheiten, die er er- zählt, erblicken wir nicht eine willkührliche Entstellung, son- dern Fragmente eines alten Systems. Diese Fragmente brin- gen uns zur Ueberzeugung, dafs er manches unverändert von seinem Lehrer übernommen habe; denn sie passen nicht in den Islam und sind auch dem Christenthume, wie es in Abessynien bekannt wurde, fremd. Die erhaltenen Inspirationen sind fragmentarisch und wir haben dokumen- tarische Beweise, dafs Mohammad manche derselben unter- drückt habe; es ist daher denkbar, dafs Mohammad dem Christenthume gröfsere Zugeständnisse gemacht hat, sie aber später zurücknahm. Sei dem wie ihm wolle, was noch übrig ist, bietet Stoff für interessante psychologische Studien über den Propheten. Die neunzehnte Süra, welche die für den i\aggäschv verfafsten Stücke enthält, lautet:

1. J. N. R. J. (d. h. Jesus Nazarenus Rex Judaeo- rum) ^). Erzählung der Gnade deines Herrn gegen seinen Diener Zacharias.

' ) Ich schreibe die mystischen Buchstaben ^oä^ in V. 1 wie folgt : 8 d<

^^ t und lese sie wie arabische Siegel gelesen w'erden: von unten nach oben. Ferner nehme ich an, dafs wie in der Abkürzung ;^\ oder

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2. Er riel zu seinem Herrn mit leiser Stimme:

3. Herr, die Gebeine in mir sind schwach und die Haare meines Hauptes sind gebleicht.

4. Unterdessen war ich in meinen Bitten zu dir, o Herr, nicht erfolglos.

5. Ich fürchte nur meine Angehörigen nach mir (d. h. sie werden das Amt, welches sie von mir ererben, mifs- brauchen). Da aber meine Frau unfruchtbar war, so schenke mir durch besondere Gnade einen Vertreter^),

6. der mein Amt erben soll und auch [das Priester- thum] im Stamme des Jakob erben soll, und mache ihn dir gefällig.

7. 0 Zacharias, wir verkünden dir einen Sohn, des- sen Namen Johannes (Yahyä) sein soll.

8. Keinem haben wir bisher diesen Namen gege- ben 2).

9. Er erwiederte: Herr, \\\e kann mir noch ein Sohn werden? mein Weib hat sich unfruchtbar erwiesen und ich bin alt und abgelebt.

10. Die Stimme sprach: So wird es sein! Dein Herr sagt: Das ist mir ein Leichtes. Habe ich dich doch frü- her aus ISichts erschaffen.

11. Zacharias sprach: Mein Herr, gieb mir ein Zei-

,»jiJLo u. dgl. m. nicht der erste, sondern ein oder zwei der hervor- ragendsten Buchstaben der abgekürzten Worte als Symbol gewählt worden seien, und ich lese:

d. h. Jesus Nazarenus Rex Judaeorum.

*) Er bittet nicht um einen Sohn.

') „Hier verräth Mohammad wieder seine Unkunde der Bibel. Den Namen Johannes führten auch schon früher Mehrere. Vergl. 2. Buch der Könige 25, 23; 1. Chronik 3, ic; Esra 8, 12; Jerem. 40, s. Vergl. auch Geiger a. a. O. Seite 26." [üUmann.] Wörtlich heifst der Vers: „Wir haben bisher keinen ihm Gleichbenannten gesetzt.'" Wahrscheinlich sagte der Informant des Mohammad: „Dieses war der erste Johannes", um ihn von Johannes dem Apostel zu unter- scheiden, Mohammad aber legte zuviel Nachdruck auf „erste".

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clien. Er antwortete: Dein Zeichen sei, dals du, obschon gesund, drei JSächte mit Niemanden sprichst,

1-2. Darauf ging er aus dem Heiligthume zum \ olke und bedeutete ihm, Gott des Morgens und Abends zu preisen.

13. j)U Johannes, empfange das Buch *) mit Kraft!« Wir haben ihm schon als Knabe-) die geistliche Macht (d. h. das Frophetenthum) gegeben

14. und auf übernatürlichem Wesre Milde und Rein- heit [des Herzens] ^). Er war gottesfürchtig, ehrfurchts- voll gegen seine Eltern und weder gewaltthätig, noch hoch- müthiff.

J5, Friede ihm am Tage, an deuj er geboren Avurde,

') Die Stelle ist parallel mit K. 7, 142, wo Gott dem Moses die Tafeln mit denselbeo Worten übergiebt. Auch Jesus hat nach 19, 31 das Buch empfangen. Johannes steht also, auch bei Mohammad, den Stiftern der zwei Hauptreligionen, als der angebliche Gründer des Qabismus, gleich.

^) Da die Vokale, und darunter auch das Alif, erst später im

-Koran angezeigt worden sind, so fragt es sich, ob nicht Lo'w>o als Täufer oder Qäbier die rechte Lesart ist, statt La>o. Da im Syri- schen die Cäbier .■^■- genannt werden, konnte auch L-oo diese Bedeutung haben.

^) Zacharias sagte bei der Geburt seines Sohnes Luc. 1, 75—7«: Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heifsen durch die Eingeweide der Barmherzigkeit Gottes. In der syr. Uebersetzung werden die Eingeweide der Barmherzigkeit durch | 1 1 .., |'o ..; wie- dergegeben, und im Arabischen weniger richtig durch ...^Ji . x^' Beide Worte kommen von der Wurzel hnn und so auch der hier im Koran gebrauchte Ausdruck hanän. Im Syrischen kommt diese Wurzel häufig in der Bedeutung von Barmherzigkeit, Gnade vor, das arabische Wort hanän aber wird vor Soyuty, Itkän S. 275, unter die ungewöhnlichen Wörter gerechnet. Im Koran finden wir es wei- ter nicht, aber es kommt in einer Bd. I S. 120 erwähnten Stelle vor. Ich glaube, dafs die judenchristliche Tradition die Weissagung in eine Thatsache verwandelt hat und das ungewöhnliche Hanän auf dem

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am Tage, an dem er einst stirbt, und am Tage, an dem er wieder zum Leben erweckt wird,

16. Erwähne auch in dem Buche (Koran) der Maria, wie sie sich von ihrer Familie nach einem Orte zurück- zog, der gegen Osten lag,

17. und zwischen sich und ihnen eine Scheidewand setzte (sich von ihnen absonderte). Wir sandten unsern Geist zu ihr, und er erschien ihr als ein strammer Mann.

18. Sie sprach: Ich nehme meine Zuflucht zum Rah- män, den doch auch du fürchtest.

19. Er erwiederte: Ich bin ein Bote deines Herrn, um dir einen reinen Sohn zu schenken.

20. Sie antwortete: Wie wird mir ein Sohn werden? Kein Mann hat mich berührt und ich war doch nie eine Sünderin!

21. Er sagte: So wird es sein! Dein Herr spricht: Das ist mir ein Leichtes, Wir machen ihn (diesen Sohn) zu einem Zeichen für die Menschen und zu einem Beweis unserer Barmherzigkeit. So war die Sache abgethan,

22. Sie war schwanger mit ihm, und zog sich an einen entlegenen Ort zurück.

23. Es befielen sie die Wehen der Geburt an dem Stamme eines Dattelbaumes, da sagte sie: 0 wäre ich doch längst gestorben, vergessen und verschollen.

24. Da rief er (d, h, Jesus) ^) unter ihr: Sei nicht be- trübt, dein Herr hat zu deinen Füfsen ein Bächlein flie- fsen lassen,

Wege ^äbischer üeberlieferacg in den Koran gekommen ist. Die Bd, I S. 125 übersetzte Stelle lautet bei Sohayly: >5!^j ^J-^x^ r>^^i'Xi ^^o

;\.^Ji ..L;r^L. Hier aber kann Hanän nicht statt Rahma, Barm- herzigkeit, stehen, sondern statt KcLäui, Fürsprache, und es scheint, dafs ihm allmälig eine technische Bedeutung gegeben worden ist. •) Auch im Evang. Infant, tröstet das Kind die Maria.

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25. schüttele den Stamm des DatteU)aumes und es werden frisclie Datteln in Fülle auf dich herabfallen.

26. Ils und trinke und sei guten Muthes. Und Avenn du einen Menschen sehen solltest [der dich des Kindes wegen belragtj,

27. so sage: Ich habe dem Rahmän ein Fasten ge- gelobt, und ich werde daher heute mit Niemanden sprechen.

•IS. Sie kam nun mit dem Kinde in den Armen zu ihrem Volke; diese sagten: 0 Maria, du hast eine sonder- bare That beoano;enI

29. 0 Schwester Aarons, dein Vater war wahrlich kein schlechter JMann, und auch deine Mutter war keine Sünderin.

30. Sie verwies sie auf das Kind. Jene aber sagten: Wie sollen wir mit einem Knaben reden, der noch in der Wiese lieait?

31. Der Knabe sprach: Ich bin ein Knecht AUah's, er hat mir das Buch ffe2:eben und hat mich zum Pro- pheten auserkoren.

32. Er hat gewollt, dafs ich gesegnet sei, wo ich auch immer sein mag, und er hat mir das Gebet zu ver- richten und das Almosen zu geben befohlen, so lange ich lebe,

33. auch Ehrfurcht gegen meine Zeugerin hat er mir geboten, und er hat mich weder gewaltthätig noch erbärm- lich gemacht.

34. Friede mir an dem Tage, an dem ich geboren wurde, an dem Tage, an dem ich sterbe, und an dem Tage, an dem ich Avieder zum Leben erweckt werde.

Bemerkung. Die nächsten sieben Verse haben ei- nen andern Reim und sind Avahrscheinlich ein späteres Ein- schiebsel, dessen Verfasser jedoch Mohammad ist. In Vers 42 kehrt der frühere Reim zurück.

') Man darf kawl alhakk nicht etwa mit einigen Comraenta- toren durch „er ist das Wort der Wahrheit" übersetzen, und auch

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35. Das ist Jesus, der Sohn der Maria, der wahren Lehre gemäfs, woran sie zweifeln (d. h. dies ist die rich- tige Erklärung der iSatur und Geschichte Jesu) ').

36. Es ist Allah's nicht würdig, dafs er irgend ein Kind habe. Gelobt sei er (es sei ferne von ihm)! Wenn er eine Sache [zu erschaffen] beschlossen hat, so spricht er: Sie sei! und sie ist [aber er zeugt nicht],

37. Allah ist mein Herr und euer Herr: betet ihn an! Dies ist die gerade Strafse.

38. Die Ethnoi Avaren uneinig unter sich [über die Natur Christi]. Weh den Ungläubigen [welche neben Gott Jesum anbeten] ob des Erscheinens jenes ernsten Tages.

39. Wie scharf wird das Gehör und Gesicht dieser Stumpfsinnigen an jenem Tage sein, an dem sie vor uns erscheinen! Aber diejenigen, die jetzt ungerecht sind, wan- deln offenbar im Irrthume.

40. Warne sie ob des Tages der Verzweiflung, wenn die Sache abgethan ist (wenn es zu spät ist); denn sie sind sorglos und glauben nicht ^).

nicht an das „am Anfang war das "Wort" denken. Das hiefse: kaleuiat alhakk. Vergl. Koran 4, i69. Kavvl hat hier die Bedeutung wie alkawl kawlak, d. h. du hast Recht.

>) Bochary S. 691, von al-A'masch [Solayman b. Mehrän], von Abu Qalih [Dzakwän, f 101], von Abu Sayd Chodry, vom Propheten :

Am Gerichtstage wird der Tod in Gestalt eines Widders vor- geführt werden, und ein Herold ruft aus: O Bewohner des Para- dieses, erhebet euch und sehet; kennt ihr diesen? Sie antworten: Ja, es ist der Tod , wir haben ihn alle schon gesehen. Dann ruft der Herold: O Bewohner des Feuers, erhebt euch und sehet; kennt ihr diesen? Sie antworten: Ja, es ist der Tod; wir haben ihn alle schon gesehen. Darauf wird er geschlachtet und der Herold sagt: O Einwohner des Paradieses, es ist das ewige Leben, es giebt keinen Tod mehr! Auch zu den EinAvohnern der Hölle wird er diese Worte sagen. Dann liest der Prophet die Worte vor: „Warne sie an dem Tage der Verzweiflung etc." Man sieht daraus, dafs der Vers anders aufgefafst worden ist als in meiner Uebersetzung.

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41. Wir aber erben einst die Erde und Alles, was darauf" ist, und vor uns müssen sie alle erscheinen.

42. Und erwähne im Buche des Abraham, denn er war ein (yiddyk und ein Prophet.

43. Er sprach ja zu seinem Vater: Väterchen, warum betest du ein Wesen an, welches nicht hört und nicht sieht und das dir von keinem Nutzen sein kann?

44. Väterchen, mir ist eine Kenntnifs zu Theil ge- worden, die <lir nicht zu Theil geworden ist; folge mir, ich Avill dich eine gerade Strafse führen.

45. Väterchen, bete nicht den Satan an, denn der Satan war gegen den Rahmän rebellisch.

46. Väterchen, ich fürchte, dafs dich eine Strafe vom Rahmän befalle *njd dafs du zum Gefährten des Satans werdest.

47. Er antwortete: 0 Abraham, bist du abtrünnig von meinen Göttern? Wenn du nicht aufhörst, mifshandle ich dich, und du sollst mich auf lange verlassen.

48. Er sprach: Heil dir! ich will meinen Herrn um Vergebung deiner Sünden bitten, denn er nimmt sich meiner an.

49. Ich trenne mich von euch und von den Wesen, die ihr neben Allah anbetet, und ich flehe zu meinem Herrn in der Hoffnung, dafs ich in meinem Flehen nie ge- täuscht werde.

.50. Und nachdem er sich von ihnen und ihren Götzen entfernt hatte, schenkten wir ihm den Ishaak und Jakob, und alle machten wir zu Propheten.

51. Wir schenkten ihnen Gnade und machten ihr An- denken hoch geehrt.

52. Erwähne in der Schrift (dem Koran) des Moses. Er Avar nur Gott ergeben, ein Bote und Prophet.

53. Wir riefen ihm zu von der rechten Seite des Berges Sinai und wir brachten ihn uns bis zum Zwiege- spräch nahe.

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54. Uml wir sclienkten ihm in unserer narmlierzii? keit seinen Hrnder Aaron, der ancli ein Prophet war.

55. Und erwähne in der Schrift des Ismael; er war seinem Versprechen treu, ein Bote und Prophet.

.56. Er hefahl den Seinigen, das (.Jebet zu halten und das Almosen zu geben und war woiilgefälHu: vor seinem Herrn.

57. Und erwähne in der Schrift des Idrvs (Enoch): er war ein (^'iddyk und Prophet,

58. und wir haben ihn zu einem hohen Platz erhoben. .59. Die Genannten sind es unter rlen 1^-opheten aus

dem Saamen des Adam und aus der Zahl derer, die wir mit Noah [in der Arche] retteten ^), und aus dem Saa- men des Abraham und Ismael und aus der Zahl derer, welche wir geleitet und auserwählt haben, gegen welche Allah [besonders] gnädig war. Wenn man ihnen Zei- chen des Rahmän vorlas, beugten sie sich und warfen sich zu Boden.

60. Es folgte ihnen eine Nachkommenschaft, Avelche das Gebet verloren gehen liefs und ihren Gelüsten foljjte. Sie werden gewifs bald ihren Irrthum entdecken,

61. mit Ausnahme derer, die sich bessern, glauben und Gutes thun: diese werden in das Paradies einijehen und nicht im Mindesten ungerecht behandelt werden.

62. b) die Gärten Edens werden sie eingehen, wel- che der Rahmän seinen Dienern geheim (d. h. bei sich selbst) versprochen hat; denn seine Verheifsung Avird sich bewähren.

63. Dort werden sie kein eitles Geschwätz hören, sondern nur: Heil! Heil! Und Morgens und Abends wird ihnen ihr Unterhalt verabreicht.

64. Jenes ist der Garten (das Paradies), welchen wir jenen unserer Diener, die gottesfürchtig waren, zimi Erbe geben.

' ) Vergl. Kor. 1 J , 42.

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[Kin Fragment.]

65. Wir steigen nur auf das Geheifs deines Herrn liinunter; denn ilim gehört, \vas vor uns, hinter uns und zwischen diesen zwei Extremen ist. Dein Herr war nie vergefshch *).

66. Denn er ist der Herr der Himmel und der Erde und dessen, was dazwischen ist; diene ihm daher und sei ausdauernd in seinem Dienste. Weifst du ein gleichnami- ges Wesen (d. h. ein Wesen derselben Art)?

[Auferstehung und Vergeltung.]

67. Der Mensch sagt: Wie, wenn ich erstorben bin, werde ich Avirklich [aus dem Grabe] hervorgerufen werden?

68. Will der Mensch nicht bedenken, dafs wir ihn früher aus Nichts erschaffen haben?

69. Und bei deinem Herrn [schwöre ich], wir wer- den sie wahrlich versammeln und auch die Satane [welche sie anbeten]; dann wollen wir sie um die Hölle (gehan- nam) herumknieen machen,

70. dann wollen wir von jeder Sekte diejenigen aus- wählen, welche o;eo;en den Rahmän am feindselio:sten waren.

71. Wir kennen diejenigen, welche am meisten darin zu braten verdienen.

') Raghawy, Tafsyr 19, 65, Bochäry S. 691 und Wäliidy, As- bäb 19, 65, aUe drei durch verschiedene Isnäd von Arar b. Dzarr [Hamdäny], von Sa'yd b. Gobayr, von Ibn Abbäs:

Der Prophet sagte zu Gabriel: Warum besuchst du mich nicht öfter? Darauf wurde 29, 65 geoffenbart.

Später hat man diese zwecklose Tradition auf einen bestimm- ten Fall angepafst, den wir weiter unten erwähnen werden. Ich glaube, dafs „Gott war nie vergefshch" so viel bedeutet als: „er ist allwissend und achtet auf Alles", und ein Epithet Gottes ist, welches hier des Reimes wegen statt chabyr gebraucht wird. Der Vers würde sich demnach auf die Ginn- oder Engelan1)etung beziehen. Mohammad erlaubte ihre Verehrung als Lenker des Schicksals und Fürsprecher bei Gott. Sie versichern ihn nun, dafs Gott auf Alles selbst achte und dafs sie nur seine Roten seien.

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72. Samnit und sonders müfst ihr zugej^en sein. So bat es dein Herr bestimmt und beschlossen.

73. Aber die Ciottesfürchtioen werden wir dann er- lösen, die Clottlosen aber lassen wir auf den Knien.

[Mohammad's ursprüngllehe Ansicht über flnadenwahl].

74. Wenn ihnen unsere überzeugenden Zeichen vor- gelesen werden, sai>:en die Lno-läubiijen zu den Ciläulti2;en: Welche Partei ist besser daran und hat eine höhere, so- ciale Position [wir oder ihr]?

75. Aber wie viele Geschlechter haben wir vor ih- nen vertilgt, welche schöner eingerichtet waren und mehr imponirten.

76. Sprich: Denen, welche im Irrthum sind, mag der Rahmän die Frist verlängern,

77. bis sie, Avas ihnen gedroht worden, mit Augen sehen, nämlich entweder die Strafe oder die Stunde; dann werden sie wissen, wer die schlechteste Position inne hat und wessen Armee am schwächsten ist.

78. Allah vermehrt die Leitung (Gnade) dessen, der geleitet wird (die Gnade genielst),

79. und die unvergänglichen, guten Handlungen si- chern bei deinem Herrn den besten Lohn und den be- sten Platz.

[Gegen 'Äg b. Wäyil i).]

80. Was denkst du von dem, welcher unsere Zei-

') Bochäry, S. 691, und Andere, von A'raasch, von Abu-1- Dhohä [Moslira], von Masrük [b. al-AQda], von Chabbäb:

Ich ging zu al-'Ac b. al-Wäyil Sahmy, um eine Schuld von ihm einzutreiben. Er sagte zu mir: Ich werde dich nicht eher bezahlen als bis du den Mohammad verläugnet hast. Ich antwortete: Du wirst eher sterben und wieder auferstehen als ich dies thue. Er sagte: "Wie, ich werde wieder auferweckt werden, wenn ich einmal todt bin? Ich antwortete: Ja. Er sagte darauf: Ich habe dort Vermö- gen und Kinder; ich werde dich dort bezahlen.

In einer andern Version erzählt Chabbäb, dafs er Schmied in Makka war und dafs ihm al-'Ao das Geld für einen Säbel schuldig war.

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<'lien läiigiH't und sagte: Mir ^virtl jenseits Reichthum unfl Ivinder bescbeert Averden.

81. Hat er etwa einen Blick in das Verborgene ge- than, oder hat er mit dem Rahmän ein Bündnifs abge- schlossen?

82. Ha! uir schreiben seine Rede auf und be- scheeren ihm eine Zugabe in der Strafe.

83. Wir werden was er genannt hat (d. h. Reich- thum und Kinder) erben, und er wird von Allem entblöfst zu uns kommen.

[Gegen die Anbetung der Engel.]

84. Sie erkennen neben Allah Götter an, damit sie durch sie erhöht werden,

85. aber sie werden die ihnen gezollte Anbetung ver- läugnen und als ihre Feinde auftreten.

86. Siehst du denn nicht, dafs wir die Satane aus- geschickt haben, um sie [zur Abgötterei] anzufeuern?

87. Sei daher in keiner Eile gegen sie Avir zäh- len ihre Tage.

88. An jenem Tage, an dem wir die Gottesfürchti- gen vor dem Rahmän versammeln zur x\udienz

89. und die Frevler in das Gehannam treiben, wie Vieh zum Wasser getrieben wird,

90. werden die Enijel nicht im Stande sein, Fürbitte einzulegen, es sei denn, dafs sie ein Bündnifs mit Rahmän einsreganffen sind.

91. Sie sa2:en: Der Rahmän hat sich Kinder ange- schafft. Ihr habt ein fürchterliches Wort gesprochen!

92. Fast zerreifsen sich die Himmel, spaltet sich die Erde und stürzen die Berge in Trümmer zusammen

In der Version des Kalby und Mokätil, bei Wähidy 19, 80, und Tbn Isbäk, S. 234, drückt al-'A9 kein Erstaunen darüber aus, dafs Mohammad die Auferstehungslehre predige, sondern er macht ihn lächerlich, indem er sagt: Ihr glaubt ja, dafs im Paradiese Gold, Silber und Seide sei. Nun, so warte: ich will dich im Paradiese be- zahlen.

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93. (larob «lafs sie dem Rahmän Kinder zuschreiben. Es pafst nicht für den Rahmän, dafs er sich ein Kind an- schaffe,

94. da doch alle [Wesen], die in den Himmeln und auf der Erde sind, sich ihm als Knechte unterwerfen Er umfafst Alles und zählt Alles.

9.^. Alle werden am Tage der Auferstehung entblöfst vor ihm erscheinen.

96. Diejenigen, welche glauben und Gutes thun, wird (]er Rahmän mit Liebe umfassen.

Ich habe das Wort Ciddyk absichtlich unübersetzt ge- lassen, um die Aufmerksamkeit des Lesers anzuregen. Es kommt zwei Mal in dieser Süra und sonst noch vier Mal im Koran vor. \ on arabischen Autoren wird es verschie- dentlich erklärt; Abii-1-Bakä ^) sagt: )>(,>iddyk Avird der srenannt, welcher die höchste Stufe der Heili2:keit erreicht hat, und diese kommt unter allen Stufen dem Propheten- thum am nächsten. Es giebt keinen Grad zwischen dem ('iddjkthum und dem Prophetenthum, folglich, wer jenes überschreitet, tritt in dieses ein«. Diese Erklärung stinimt mit dem Koran iiberein. Es heifst in Süra 4:

71. Diejenigen, welche Allah und seinem Propheten (Mohammad) gehorchen, werden mit denen wohnen, ge- gen welche Allah gnädig war, als: Propheten, Ciddyken, Märtyrern und Gottseligen. Dies ist eine vortreffliche Ge- sellschaft!«

In Süra 57 werden zwei von diesen vier Graden von Heili2:en genannt:

16. Wisset, dafs Allah die Erde belebt, nachdem sie erstorben; wir haben euch bereits die Zeichen [Gottes in der Natur] erklärt, damit ihr zu Vernunft kommen möget'-).

18. Wahrlich, diejenigen, welche an Allah und seine

') Im Dict. of techn. terms of the Arab. lang. p. 850. ^) Die Verse 16 und 18 halte ich für makkanisch, dazwischen aber befindet sieb ein madynischer Vers.

II. 13

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Boten glauben, sie sind die ^iddyke und Märtyrer vor ihrem Herrn; sie werden ihren Lohn und ihr Licht er- halten etc.

Das Licht ist der Heiligen - Schein, welchen die christ- lichen Künstler im Mittelalter bildlich darstellten, während viele von ihren moslimischen Zeitgenossen ihn in ein Licht der Erkenntiiifs vergeistiget haben. Als Mohammad das Wort Martyr (Schahyd) ') von der christlichen Termino- logie entlehnte, hat er es einige Zeit wörtlich genommen und auf Männer angewendet, welche Zeugnifs für ihn ab- legten, zugleich aber über den gewöhnlichen Grad der Hei- ligkeit hinaus Avaren. Nach einer bekannten Tradition (Tirmidzy S. 624) soll er zum lierg Hirä, als er unter sei- nen Füfsen bebte, gesagt haben: »Sei ruhig, denn es steht ein Prophet oder ein ^'iddyk oder Martyr (Zeugen) auf dir«; es waren nämlich Abu Bakr -), 'Omar und 'Othmän bei ihm. Später hat Mohammad Martyr richtiger ange- wendet und meistens auf (iläiibige beschränkt, welche im Kampfe für den Glauben fielen.

Auch dem »Qiddyk«, obwohl er dies Wort als tech- nischen Ausdruck gebraucht, schiebt er die der arabischen Etymologie entsprechende Bedeutung »für wahr erklärend«, »bestätigend" unter ^). Und es scheint daher, dafs, wenn er den Ausdruck auch von den Christen entlehnte, ihm

') Das arabische wie das griechische Wort bedeutet Zeuge.

*) Dem Abu Bakr wird allgemein der Titel „der Qiddyk" zu- erkannt, weil er die zweit wichtigste Persönlichkeit im Islam ist. Ob ihn schon der Prophet so genannt habe, läfst sich nicht mit Ge- wifsheit bestimmen; jedenfalls aber ist der Titel sehr alt. Wahr- scheinlich hat ihn sein Feldherr 'Amr b. al-'A9 zuerst vorgeschlagen, wenigstens geht dies aus einer Tradition des Ihn Sa'd, fol. 211, von Ihn Syryn, von 'Okba b. Aws, von 'Abd Allah b. 'Amr b. al-'Ai; hervor.

^) Solche Mifsverständnisse kommen in allen Sprachen häufig vor. Bei uns hat sich die technische Bedeutung von Martyr so sehr fest- gesetzt, dafs die ursprüngliche „Zeuge" ganz in Vergessenheit ge- rathen und „martern", „Marter" daraus gebildet worden ist.

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doch die biblische Wortbedeutung- »der Gerechte«, weil diese ihn technisch gebrauchten, unbekannt blieb '). Auch

') Im Arabischen bat die Wurzel 9dk die Bedeutung „wabr", dann auch „treu" (Kor. 19,55), „ehrlich" (Kor. 12, 82), und wohl auch „gerecht" (Kor. 46, 15. 6, 115), ja sogar „wohlwollend" (Kor. 17, 82. In dieser Stelle mag Mohammad ^idk unter ausländischem Einflufs gebraucht und den Sinn gestreckt haben; denn es steckt ein hergebrachter theologischer, dem Heidenthum fremder Begriff darin). Im Hebräischen hat sie alle diese Bedeutungen; man gebraucht sie aber auch in Fällen, wo man im Arabischen hakk „das was sich geziemt und worauf man Anspruch hat", „Recht", und in späterer Zeit als man an eine Justizverwaltung gewöhnt war adl „Gerech- tigkeit" (ursprünglich die Gleichstellung der Last auf beiden Seiten des Rückens des Kameeies oder Esels) gesagt haben würde. Ge- senius hält „Recht", „richtig" für die Urbedeutung der Wurzel.

Die nicht-nomadischen Nationen des Orients haben stets un- ter grofsem Druck gelebt, und während wir nach Selfgovernment streben, war ihnen ein gerechter Herrscher und Gerechtigkeit das höchste Ziel der Sehnsucht (vergl. Ibn Chaldün Bd. 1 S. 65). Bei den Juden wurde lange vor Christus Qedek, Gerechtigkeit, nicht nur als das Ideal politischer, sondern auch moralischer Vollkommen- heit und höchstes ethisches Princip, und Ungerechtigkeit als die Wur- zel alles Üebels angesehen. Auch im Koran hat Ungerechtigkeit diese Bedeutung. So kommt es, dafs im Neutestamentlich -Syrischen (und die Verfasser sprachen eine dieser ähnliche Sprache und dachten darin, und die technischen Ausdrücke haben sich im Syrischen von ihrer Zeit bis zur Bibelübersetzung gewifs unverändert erhalten) die ursprüngliche Bedeutung „Wahrheit" der Wurzel ^dk ganz in den Hintergrund tritt, dafür aber die abgeleitete Bedeutung bis zum Be- griff der Heiligkeit gesteigert wird (Rom. 16, 2), wie dies denn auch in Qiddyk der Fall ist, welches unter den arabischen Christen end- lich gleichbedeutend mit Kissys, Priester, gebraucht wurde. Ferner wird ^edaka im Aramäischen, weil Wohlthätigkeit im Orient die Haupttugend der Gottesfürchtigen ist, auch für Almosen gebraucht. Wenn (jadaka in dieser Bedeutung auch im Koran vorkommt, so ist es als ein fremdes Wort anzusehen ; denn es werden nur ge- wisse von der Religion vorgeschriebene, dem Heidenthume fremde Entrichtungen so genannt, und es fehlen im Arabischen der Bedoui- nen, indem diese nie veranlafst waren Gerechtigkeit höher zu stel- len als Tapferkeit, die Mittelglieder, welche zu dieser Bedeutung führten, und wie gesagt, als sich später die Lebensansicht der Städte

13*

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in den ersten Jahrhunderten wurde die Wortbedeutung nach dem Vorbilde des Meisters mifsdeutet ').

xVufser dem Abraham und Idrys, welche oben (Süra 19,42 und 57) mit dem Titel Ciddjk ausgezeichnet wer- den-), wird im Koran 5, 79 auch der Jungfrau Maria zuerkannt; auch tituHrt der Mundschenk den Joseph da- mit (Koran 12, 46). Sonst kommt dies Wort im Koran nicht vor.

Dafs (^/iddyk aus der christlichen Terminologie genom- men sei, wird iSiemand bezweifehi. Die Klassifikation der Heiligen war immer die werthvollste Wissenschaft, der \ er- kauf von Anweisungen auf den Himmel das einträglichste Geschäft, und die Schlüssel vorgeblich die einzige Waffe der Hierarchie von Konstantinopel und Rom. Noch jetzt ist die Taxe einer Seeligs[)rechung bedeutend geringer als die einer Heiligsprechung.

bewohnenden Araber änderte, gebrauchten sie 'adl, um das wohl- thuendste Princip der Moral zu bezeichnen, und nicht cidk.

Im Koran 37, 29 wird die Stelle aus den Psalmen angeführt: „Die Gerechten erben das Land." Im Urtexte steht (;addük für Gerechte. Man hätte erwarten sollen, dafs, da das arabische gid- dyk aus dem hebräischen ^addük entstanden ist, „Gerechte" auch durch ciddyk wiedergegeben werden würde; dies ist aber nicht der Fall: es wird durch cälih, rechtschaffen, tugendhaft, ausgedrückt. Man sieht daraus, dafs ^iddyk nur technisch für die Heiligen der zweiten Stufe gebraucht wurde , von diesen aber ist in dem Psalm nicht die Rede. Der Uebersetzer konnte auch, dem Gesagten ge- mäfs, keine andere Form der Wurzel 9dk brauchen.

') Diese Erklärung ist sehr alt. Abu Maschar (bei Ihn Sa'd fol. 221) berichtet auf die Auktorität des Abu Wahb, eines Clienten des Abu Horayra: „Der Prophet erzählte: In der Nacht, in der ich auf wunderbare Weise nach Jerusalem und wieder zurück nach Makka gebracht wurde, sprach ich zu Gabriel: Niemand wird mir dies glauben. Er antwortete: Abu Bakr wird es bewahrheiten (9ad- dak), denn er ist der Qiddyk."

*) Auch im Test. Dan. c. 5 bei Fabricius Cod. pseud. vet. Test. Bd. I S. 163 heifst Idrys 'Evcox 6 dixaiog. In der Hist. Jos. Lignarii wird Joseph Qiddyk und die Maria Qiddyka genannt.

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Das Entstellen der vier im Koran genannten Stufen der Heiligen können ^vir mit Sicherheit verfolgen. Die de- rechten (jddyke haben schon in Matth. 10, 41 ihren IMatz unmittelbar nach den Propheten, und wie es scheint waren dies damals die einzigen zwei Klassen von heiligen Männern '). Später kanien die Martyre hinzu, und da fromme Menschen, welche im Bette sterben, auch zum Himmel Zu- tritt haben mufsten, aber doch nicht denen, die sich schin- den und verbrennen lassen, gleichgestellt werden konnten, so ist eine vierte Klasse von Heiligen, die ^'älihe (Glott- seligen) nothwendig geworden. Es leuchtet aber ein, dafs nicht alle, welche im alten Testament Taddüke genannt werden, in die zweite Klasse versetzt werden konnten, und so mufste dieses Wort manchesmal mit Cälih wiedergege- ben werden ^).

') Vergl. den Weisheitsspruch Lokmän's Bd. I S. 98.

^) Die Form von Ciddyk ist nicht ohne Interesse. Sie kommt allerdings in arabischen Wörtern vor, wie fichchyr (wofür im Koran fachür steht), Prahlhans; hiddyth, Neuigkeitskrämer; sittj^r, scham- haft; hibbyb, Liebling; 'irrydh widerspenstig, chirryt u.a.m. Arabi- sche Grammatiker behaupten, dafs sie eine Intensivform sei, aber sie behaupten auch, dafs sifr ein grofses Buch bedeute, was rein aus der Luft gegriffen ist. Ich glaube, dafs sie ursprünglich jenem Dialekte eigen war, welchen Soyüty und in neuerer Zeit Dr. Levy den Nabatäischen nennen, welcher wahrscheinlich von dem Arabischen nicht weiter entfernt war als vom Hebräischen und von den Chri- sten jener Gegenden, vielleicht auch von einigen, deren Muttersprache Arabisch war, als Schriftsprache benutzt wurde. Allmählig ging dann diese Form auch in die Sprache der benachbarten arabischen Stämme über, und als die Philologen die Wörter und Formen al- ler Stämme sammelten, erhielt sie in der moslimisch- arabischen Sprache das Bürgerrecht. Wortformen sind bisweilen Modesache und der Gebrauch ist lokal. So gebraucht man jetzt in Egypten die Di- minutivformen für Adjektive, wie 9oghayr etc. , und wir im Süden Deutschlands sagen Häuslein, während man Häuschen sagen müfste. Bezeichnend für den Ursprung scheinen mir Wörter wie Mirrych, der Planet Mars. Diese Benennung läfst sich durch das Aramäische, wo sie kühn bedeutet, nicht aber durch das Arabische erklären. Oder wie Kissys Priester, Kiddys heilig (Hist. Jos. Lign. c. 1 ) und Mis-

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Auch Rahmän habe ich umibersetzt gelassen. Man hat dieses Wort, wie Rah) ni ^), welches von derselben Wur- zel herkommt und »Milde« bedeutet, für ein Epithet Gottes gehalten. Diese AulTassuno; unterliefet aber Heschränkun- gen. Arabische Lexicographen sagen, dafs Rahmän nur auf Gott anwendbar sei, während man auch, ohne sich ei- ner. Blasphemie schuldig zu machen, von einem Menschen sagren darf, dafs er Rahym »milde« sei. Auch alle an- deren Epithete Gottes, welche im Koran vorkommen, wie weise, mächtig (es giebt kein Wort für allmächtig, es mufs umschrieben werden), sind auf Älenschen anwendbar, nur Allah »Gott«, al-Rabb »der Herr« und Rahmän und noch ein oder zwei andere nicht. Es steht also in derselben Kategorie mit diesen zwei JXamen der Gottheit, und ist dem Sprachgebrauche zufolge wie ein Nomen proprium an- anzusehen '). ]\Ian wird auch im Koran nicht viele Fälle fmden, in welchen Mohammad ein anderes Epithet Gottes auf eine absolute Art gebraucht, wie in obigen Stellen (Koran 19, 18. 27. 45. 4S etc.) Rahmän.

In Bezug auf den Ursprung ist zu bemerken, dafs Rah- män, dem Soyüty zufolge, dem Dialekte, in welchem Mo-

syh Messias; man sagt nämlich für Antichrist häufiger al-Missyh aldaggäl als al-Masyh aldaggäl. Es kommen Personennamen die- ser Form vor, besonders in Stämmen, welche zwischen Fayd und Ba^ra oder im nördlichen Arabien wohnten, wie Ribb}'! von Godzäm- stamme (ein anderer Ribbyl, nämlich der Sohn des Mälik b. Ham- mäd, war ein Asadite), Schichchyr von Hawäzinstamme, Zibbyra u. d. m. Endlich finden wir auch Substantive dieser Form, wie Sik- kyna Messer. Wahrscheinlich haben die Nabatäer die Benennung mit der Waare unter die Bedouinen eingeführt.

') Im Scharh almawäkif ed. Sörensen, Leipz. 1848 S. 163 wer- den diese zwei Worte in Bezug auf Form mit Nadym und Nadmän verglichen.

„Einige behaupten Rahmän und Rahym seien gleichbedeutend, wie Nadmän und Nadym, Salmän und Salym, Labfän und Lahyf. Andere betrachten Rahmän als eine Intensivform, wie ghadhbün voll Zorn, sakrän voll Wein« (Thalaby, Tafs. S. 21).

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hammad sprach, fremd ist. Kr hält es für Hebräisch und sagt, dafs es in dieser Sprache Rachmän ausgesprochen wird. Es kommt im Clialdäischen vor und auch in himya- ritischen Inschriften , und zwar in diesen als ein Epithet heidnischer Götter ^j. Da in dem Dialekt des Mohammad Rahym und Rähim für milde, barmherzig vorhanden wa- ren, und da die erstere Form und unter gewissen Verhält- nissen auch die zweite von ihm auf Gott angewendet w urde, ianire ehe er Rahmän einführte, so kann ihn nicht Armuth dazu genöthigt haben, Rahmän aus einem fremden Dialekte zu borgen; sondern er mufs andere Gründe gehabt haben. Es ist noch zu bemerken, dafs der Rahmän vor dem Jahre 616 im Koran nicht genannt wird ^).

Die Gegner des Propheten haben sich über keins der Epithete Gottes aufgelehnt als über Rahmän, welches sie wohl nicht als einfaches Epithet ansahen:

25, 61. Als man ihnen sagte: Betet den Rahmän an, ant- worteten sie: Was ist der Rahmän? Sollen wir anbeten, was du uns befiehlst? Dieser Befehl hat ihren Widerwillen [gegen die neue Lehre] vermehrt.

Diese Stelle ist so deutlich, dafs die muslimischen Theologen es für nöthig hielten, Erklärungen zu geben. Ibn 'Abbäs [bei Wähidy] sagt:

') Oslander, in der Zeitschr. d. morg. Gesellsch. Bd. 10 S. 61.

^) Adjektive mit der Endsylbe an kommen zwar in der ara- bischen Schriftsprache vor, wie 'atschän durstig, sakrän berauscht, ghadbän zornig, aber sie sind besonders im modernen Arabisch (nach meiner Beobachtung am meisten zu Aleppo) beliebt, man sagt z.B. gawäu oder gay'än hungrig, ta'bän müde, za län mifsmuthig, bardän kalt, farhän freudig. Man sieht, dafs sie alle nur vorüber- gehende Affekte bezeichnen, denn anä bardän heifst: es ist mir kalt, ich fühle die Kälte, während anä bärid bedeutet: ich bin kalt, von kaltem Temperament. Daher sagte 'Ikrima: Gott ist der Rahmän durch einen Akt der Barmherzigkeit, und der Rahym durch hundert, ■i:^) iö.U ^.^^-'^^ »^^'^ ^y o^Jp' ^' -^^ Yaman und im Ara- mäischen scheint aber diese Adjektivform auch in andern Fällen und zwar ziemlich häufig gebraucht worden zu sein. Diese Form hat auch der Eigennamen Salraän.

2üO

»Der l^•ophet brachte ein Mal die Nacht bei der Ka ba im Gebete zu, und so oft er sich auf die Erde warf, rief er aus: 0 Rahvm, o Rahmän. Die Ungläubigen sagten: Mohammad hat sonst blofs einen Gott angerufen und jetzt ruft er zwei an, nämhch Allah und Rahmän. Wir wissen von keinem Rahmän aufser dem Rahmän von Yamäma Sie meinten unter diesem Namen den Mosaylima.« *)

Die Traditionisten trauen dem Leser einen gröfsern Antheil von Dummheit zu als billig ist, indem sie ihm zu- mutheten, so etwas zu glauben; sie wollten aber zwei Vö- gel mit einem Steine tödten. Auch über dem ursprüng- lichen \ erhältnifs des Mohammad zu Mosaylima hängt ein Geheimnifs, auf welches wir später zu sprechen kommen werden. Mosaylima (d. h. der kleine Moslim) war, als Mo- hammad den Rahmän predigte, warscheinlich noch nicht als Nebenprophet aufgestanden, und wenn er, als er auf- trat, den Namen Rahmän annahm, so mag es wohl des-

') Auch Ibn Ishäk S. 189 erzählt: „Die Ungläubigen sagten zum Propheten: Wir wollen das, was du uns vorträgst, nicht an- nehmen. Wir haben gehört, dafs dich jener Mann von Yanaäma unterrichte, welcher Rahmän heifst; wir werden aber nun und nim- mermehr an den Rahmän glauben." Sohayly (Ms. der As. Soc. Beng. S. 226) fugt zu dieser Stelle hinzu: „Mosaylima, welcher zu dem Stamme Dül, einem Zweige des Stammes Hanyfa gehörte, wurde im Heidenthume Rahmän genannt. Er war einer derjenigen, welche ein erstaunlich hohes Alter erreichten. Walhyma b. Müsä versichert uns, dafs er, ehe noch der Vater des Mohammad geboren wurde, schon den Namen Rahmän hatte."

Tha'laby, Tals. 26, von Schorayk, von Sälim Aftas, von Sayd b. Gobayr, von Ibn'Abbäs:

„Der Prophet pflegte die Worte bismillah al-Rahmän al-rahym laut auszusprechen und zu dehnen. Die Ungläubigen verlachten ihn, pfiffen ihn aus, klatschten und sagten: Er nennt den Gott von Ya- mäma; sie meinten den Mosaylima, den sie al-Rahmän nannten. Darauf offenbarte Gott: Sprich nicht zu laut im Gottesdienste, denn sonst hören es die Ungläubigen; sprich auch nicht zu still und un- terdrücke die Stimme nicht zu sehr, sonst bist du unhörbar für deine Gefährten: wähle den mittleren Weg."

201

wegen geschehen seni, weil er ihn liir gleichbedeutend mit Messias und mit Mohammad hielt.

Der Prophet mufste am Ende den Gegnern nachgeben und drei oder vier Jahre, nachdem er den Rahmän zum ersten Male erwähnt hatte, erklärte er in Suia 17 (A. D. 621):

HO. Sag' ihnen: Heifset ihn Allah oder heifset ihn Rahmän; Avie ihr ihn auch heifsen möget, thut ihr Recht; denn auf ihn passen alle schönen Namen ^). Sprich nicht zu laut in deinen Gebeten noch zu still, sondern wähle ei- nen Mittelweg.

In den wenigen^) Stellen, in welchen nach oder kurz vor dieser Offenbarung Rahmän vorkommt, ist es ein Epi- thet, in den Irühern aber ist es in allen Fällen unverkenn- bar ein Eigenname.

Aber warum sollen die Heiden gegen die Anbetung des Rahmän protestirt haben? Ich glaube, dafs das Wort

') Vergl. Kor. 7, 179 und was Bd. I S. 79 über Omayya gesagt worden ist.

*) Rahruän kommt nur zwei Mal in madynischen Suren vor, nämlich in Kor. 2, i58 (vergl. oben S. 35), welchen ich für makkaniscb halte, und in Kor. 59, 22, welcher eine Rechtfertigung des Gebrau- ches des Wortes enthält, auch makkanisch und eine Ausarbeitung der im obigen Verse (17, iio) ausgesprochenen Idee zu sein scheint. Das ganze Fragment lautet:

59, 22. Er ist Allah, aufser welchem es keinen Gott giebt, er ist der Wisser des Entfernten und Vorliegenden, er ist der milde Rah- män,

23. er ist Allah, aufser welchem es keinen Gott giebt, der Kö- nig, der Heilige, das Heil, der Gläubige, der Amensagende, der Er- habene, der Gewaltige, der Hochmüthige. Ferne sei von Allah, was sie ihm beigesellen!

24. Er ist Allah der Schöpfer, der Hervorbringer, der Bildner. Ihm gebühren alle schönen Namen; ihn lobpreiset, was in den Him- meln und was auf der Erde ist. Er ist der Erhabene, der Weise.

Auch blieb Rahmän in der Formel: „Im Namen Allah's, des milden Rahmän".

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von einer christlichen Sekte in Hinbhck auf Bibelstellen, wie Hebr. 2, 17 auf den Gottessohn angewendet wurde, dafs Mo- hammad es aber für die Benennuns: des Gottes der Chri- sten ansah. Die letztere x\nsicht gründet sich auf den Ko- ran 25, 64. Er spricht von frommen Christen (Rahmäni- sten), welche glaubten, dafs er wirklich inspirirt sei, und nennt sie »Anbeter des Rahmän«. Wenn er aber den von den Christen angebeteten Rahmän predigte, so verstand er keinen National- oder Sektengott, sondern setzte voraus, dafs die Christen dieselben Begriffe von der Gottheit haben wie er, und vielleicht that er es mehr aus Gefälligkeit als aus üeber- zeugung, wenn er ihre Benennung für Gott adoptirte; je- denfalls fällt es auf, dafs sie so oft in der an den christ- lichen König von Abessynien gerichteten Süra vorkommt ^). Nach Kor. 20, 92 sagt schon Aaron zu den Israeliten: Ruer Herr ist der Rahmän. Wie der Islam schon von den Pa- triarchen bekannt wurde, so wurde auch der Rahmän schon von ihnen angebetet.

Dafs aber unter Rhamän ursprünglich der Menschen Sohn verstanden wurde, scheint mir zwar nicht aus dem Geist, aber aus den unverdauten Brocken der Koränstellen, in denen der Rahmän genannt wird, hervorzugehen; denn diese sind christlich.

Jesus verkündete den Gerichtstag in Worten wie diese: Es erschallt die Posaune und kommt die Stunde, in wel- cher alle, die in den Gräbern sind, seine (Jesu) Stimme hören werden. Wie der Vater die Todten erwecket und sie lebendig macht, also macht auch der Sohn leben- dig wen er will, denn der Vater richtet Niemand, sondern alles Gericht hat er dem Sohne gegeben (Joh. 5, 21 22); und hat ihm Macht gegeben, das Gericht zu halten (Jo- hannes 5, 27).

Dem Koran zufolge ist es zwar Jesus, der bevorzugte

') In Allem kommt Rahmän 56 Mal im Koran vor, darunter 16 Mal in dieser Süra.

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Prophet, ^\elcher in das Gelieimnifs, wann das Gericht ge- halten wird, eini^eweiht ist. Aber die göttlichen Funk- tionen bein) Weltgericht werden alle dem Rahmän zuge- theilt\): auch die Ankündigung des kommenden Weltge- richtes bewirkt der Ilahmän durch den Mund der Propheten: 36, 51. Ks ist in die Posaune gestolsen worden und siehe, sie eilen aus den (Jräbern hervor ihrem Herrn zu.

52. Sie sagen: Weh uns, wer hat uns aus unsern Ruheplätzen auferweckt? Das ist es, was der Rahmän verheifsen hat, und die Boten haben die Wahrheit gespro- chen,

53. denn nur Ein Ruf ist ergangen und sie standen alle vor uns.

Es heilst in Süra 25, 28: Die Macht (mulk) ist an je- nem Tage die Wahrheit, und es führt sie der Rahmän.

Der Ausdruck: »die Macht ist die Wahrheit« bedeutet so viel als: es herrschet die Wahrheit und nicht Willkür (vergl. Kor. 38, 2i)"^), oder, wie es bei Johannes 5, 28 heifst: »Ich kann nichts von mir selbst thun, wie ich höre, so richte ich und mein Gericht ist recht.«

') In der Tradition erscheint wieder Jesus, den die Moslirae für einen Menschen halten, als ein Richter, welcher vor dem jüngsten Tage erscheint. Da Mohammad um's J. 619 620 den Rahmän auf- gegeben hat, ist es möglich, dafs er später solche Traditionen selbst gelehrt hat. Jesus ist aber nicht der Richter des Weltgerichtes, son- dern nur der Gründer einer Art von Millenium. Er reiniget das Christenthum von Mifsbräuchen, indem er die Kreuze zerbricht und die Schweine ausrottet, sich verheirathet und Kinder zeugt; er bringt so viel Ueberflufs, dafs Geld gar keinen Werth mehr hat; er lebt 54 Jahre, dann stirbt er und wird neben Mohammad begraben (Misch- kät S. 471 engl. Uebers. 2, S. 580). Die Hauptaufgabe Jesu ist mit dem Antichrist oder Daggäl zu kämpfen, mit diesem aber ist Mo- hammad erst in Madyna bekannt geworden, wo er mit ganz an- dern Menschen zusammenkam und andere Quellen als in Makka gehabt hat.

^) Nasafy erklärt den Vers: Die wahre (dauernde) Herrschaft ist an jenem Tage in den Händen des Rahmän.

204

In der ersten Süra des Korans wird der Rahmän »Herrscher des Taj^es des lierichtes« t^enannt.

19, 88. Die Gottesfürcbtigen versammeln sich vor den Rahmän.

20, 107. An jenem Tage werden sie dem Rufenden fol- gen, ohne rechts oder hnks zu gehen und alle werden ihre Stimme vor dem Rahmän [aus Ehrerbietigkeit] dämpfen, und man wird nur leise Laute hören.

108. An jenem Tage wird keine Fürbitte nützen, au- fser wenn der Rahmän .Jemanden fürzusprechen erlaubt, und an einem Satze [des (daubensbekenntnisses] des Be- fürworteten Wohlgefallen hat \).

In Süra 21, 29 3(» spricht Mohammad wieder von dem Rahmän und führt die Idee, welche in dieser Stelle nur angedeutet worden ist, weiter aus. Im Hinblick auf die Irrlehre (Koran 43, 16): »Sie machen die Engel, welche Knechte des Rahmän sind, zu Mädchen (d. h. Töchter Al- lah's)« und auf den Wahn, dafs die Engel beim Weltge- richt Fürsprache für ihre Verehrer einlegen, ja sogar ihre Stimme gegen den Rahmän (den Sohn Gottes und ihren Bruder oder Vater) erheben würden, prediget er, dafs »kein Wesen vor dem Rahmän das Wort er2;reifen dürfe « und dafs sie (wohl die Engel) nur »geehrte Diener des Rah-

') Diese Verse schliefsen sich an die Frage der Heiden über das Wegwannen der Berge (siehe Bi I S. 545 flf.) an. Die Fort- setzung derselben lautet:

109. Er weifs was vor ihnen und hinter ihnen ist, und sie kön- nen ihn nicht mit ihrer Kenntnifs erfassen.

110. Die Gesichter demüthigen sich vor dem Lebendigen, dem Beständigen, und getäuscht ist der mit Ungerechtigkeit Beladene.

111. Der, welcher einiges Gute thut, vorausgesetzt, dafs er gläu- big sei, hat weder Ungerechtigkeit, noch einen Abzug zu erwarten.

112. So haben wir dir das Buch in der Form eines arabischen Koran geoffenbart etc. (Parallel mit K. 43, i 4.)

Der arabische Ausdruck für den Beständigen ist al-Kayyüm; ich glaube nicht, dafs diese Form mit verdoppeltem y arabisch sei, sondern halte sie wie kaddüs für Aramäisch.

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man« seien. In der soeben angeführten Süra, Verse 88 98 wird dieselbe Idee mit geringen Al)^veichungen nieder aus- gesprochen und in Süra 78 kommt sie das vierte Mal vor:

"38. Eines Tages werden der [heilige] Geist und die Engel [ehrfurchtsvoll] in einer Reihe stehen und sie dür- fen nicht sjuechen, aufser wenn es der Rahmän einem erlaubt.

Man übersehe nicht, dafs hier auch der heihse Geist dem Rahmän untergeordnet ist.

Wollte man Rahmän übersetzen, so müfste man es durch »Quell der Gnade« wiedergeben; denn zur Zeit, während welcher Mohammad den Rahmän predigte, brütete er auch über die Idee, dafs Glaube und Seeligkeit Folgen der Gnade Gottes seien. Die Lehre von der Rahma, Gnade, und dem Rahmän sind wohl gleichen Ursprungs. Die Re- griffe, welche die reinen Semiten von dem Wesen der Gott- heit hatten, machten ihnen das Verständnifs der Erlösungs- theorie unmöglich. Christus blieb aber der Quell der Gnade Rahmän und wurde auch zum Vorherbestimmer des Schicksals.

Wenn die Verse, welche Bd. I S. 84 dem Zayd in den Mund gelegt werden, echt sind, hatte zwar auch die- ser Hanyf den Ausdruck Rahmän gebraucht, allein die In- vocationsformel: Hismillah al- Rahmän alrahjm, im Namen Allah's, des milden Rahmän! ist von einem Schüler des Mohammad, mit aus Abessynien gebracht worden ^). Mo- hammad führte sie eventuel ein und sie wird bis auf den heutigen Tag von den Moslimen, ^vie einst von guten Chri- sten das »in nomine Domini clementissimi«, am Anfang von jedem Buch und Aktenstück, jeder öffentlichen Rede und einer jeden Arbeit gebraucht. Ehe ein Schüler in der Ma-

') Ipäba Bd. 1 S. 835, aus Ibn Abu Dawüd's Ma^ähif, von Ibrähym b. 'Okba, von 0mm Chälid, welche eine Tochter des Chä- lid b. Sa'yd b. 'A^ war:

„Mein Vater war der erste, welcher die Formel bismillab al- Rahmän al rahyra im Schreiben gebrauchte."

206

drasa seine Aufgabe hersagt, spricht er: Bismillah al-Rah- niän ahahym, und selbst wenn der Moshm ein Verbrechen beifeht, schickt er ein Bismillah voraus. Mohammad wen- det sie zum ersten Mal im Koran 27, 30 an, und zwar läfst er einen Brief des vSalomon an die Königin von Seba da- mit anfangen. Beim Erölfnen desselben erkennt die Köni- gin daraus, dafs er von Salüujon sei. S|)äter, als der Pro- phet den Koran in Kapitel eintheilte, setzte er die Formel an den Anfang jedes Kapitels, und in dem ersten bildet sie einen integrirenden Theil desselben, was bei den übrigen nicht der Fall ist '). Vielleicht lautete anfangs die Formel blofs: »Im Namen des milden Rahn)än<', und schaltete Mo- hammad das Wort Allah erst ein, als er Rahmän als ein Epithet von Allal) angesehen haben wollte.

Es giebt keine Stelle im Koran, welche zur Vermu- thuns: führen könnte, dafs Mohamn)ad etwas Anderes als den einen Gott unter Rahman verstand. Sein Rahmän ist unser Herr, den wir um Beistand (seine Gnade) anrufen (Kor. 21, 112 und 1, 4); er ist der Schöpfer des Himmels und der Erde (Kor. 67, 3), und nachdem er in sechs Ta- gen das Schöpfungswerk vollendet hatte, ist er aufgestie-

') „Es ist ein Streit unter den Moslimen, ob „Im Namen Allah's des gnädigen Rahmän" ein Vers der ersten Süra des Korans sei oder nur eine Invocation. Die meisten Gelehrten entscheiden sich für die erste Ansicht. Hosayn b. al-Fadhl sagt: „Ich finde, dafs die Leute ein- stimmig erklären, diese Invocation gehöre in Süra 27 zum Text. Es stellt sich heraus, dafs im Koran Sätze, welche dem Wortlaute wie auch dem Sinne nach vollkommen gleichlautend sind, zum wiederholten Male vorkommen, z. B. ^^j.jlX^' *io. ^1 ^Li und lX.*/Ojj J^j^ . . ._j.jÄX.«.11 , und es ist kein Zweifel, dafs, wenn diese Sätze in einer Stelle zum Koran gehören, sie auch in allen dazu gehören. So auch in Bezug auf bismillah al- Rahmän al rahym. Ich habe ge- hört, dafs der Prophet am Anfange, wie die Korayschiten , bismik Allähomm zu schreiben pflegte, bis K. 11,43 geoffenbart wurde; dann schrieb er bismillah und fuhr so fort bis K. 10, iio geoffenbart wurde; dann schrieb er bismillah al- Rahmän. Als endlich K. 27, 3o geof- fenbart wurde, schrieb er bismillah al-Rahmän al-rahym." Tha'laby.

207

gen auf den Thron (Kor. 25. 60). Auch in einer andern Stelle hebt Mohammad hervor, dafs er sich auf den Thron gesetzt liabe, sagt aber nicht, nie die Christen, zur Rech- ten des Vaters vielleicht war der Vater nicht blos von Mohammad, sondern selbst von den Rahmänisten schon versessen. Die Stelle lautet:

20,1. Tahi. Wir haben den Koran nicht auf dich her- abgesandt, auf dafs du unglücklich seiest,

2. sondern als eine Ermahnung für Diejenigen, wel- che [Gott] fürchten,

3. als eine Mittheilung von Dem, welcher die Erde und die erhaltenen Himmel erschaffen hat,

4. dem Rahmän '), der auf den Thron gestiegen ist.

5. Ihm gehört, was auf Erden und in den Himmeln, was zwischen beiden und was unter der Erde ist.

6. Wenn du laut sprichst [beim Beten, so weifst du wohl], dafs Ihm die Geheimnisse [des Herzens] bekannt sind, und auch etwas Verborgenes (nämlich Gedanken, die dir erst einfallen werden).

7. Es giebt keinen Gott aufser Ihm, auf Ihn (den Rahmän) sind die schönsten jSamen (Epithete) anwend- bar* 2).

Ebenso deutlich spricht er sich in andern Offenbarun- gen aus, z. B. Koran 13, 29: »Wir haben dich zu einem Volke gesandt, dem andere Völker vorausgegangen sind, auf dafs du ihm das, was wir dir offenbaren, vorlesest; denn sie glauben nicht an den Rahmän. »Sprich: Er ist

') Ich weiche von Flügels Lesart ab im Rückblick auf Ko- ran 41, 1.

') Mit den Versen 6 7 ist der bereits oben S. 201 angeführte Koränvers 17, iio parallel, wo ebenfalls der Rahmän genannt und Mohammad von ihm wegen des lauten Betens einen Verweis erhält. Wir haben gesehen, dafs auch am Gerichtstage der Rahmän gute Ordnung und alles still hält, und die, welchen er zu sprechen er- laubt, müssen leise reden. Die Rahmänisten eiferten also gegen das laute Sprechen.

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mein Herr; es giebt keinen Gott aufser Ihm, auf Ihn setze ich mein Vertrauen und zu Ihm ziehe ich mich zurück.« Wir wollen nun versuchen uns deuthch zu machen, wie die Lehrer des Mohammad zum Rahman kamen und uie sie ihn bewogen ha])en, diese Benennung einzufüh- ren. Wenn im Koran 78, 38 gesagt wird, dafs auch der heilige Geist sich am Gerichtstage ruhig verhalten müsse, so erblicke ich in diesen Worten nicht eine Idee des Mo- hammad, sondern seiner Lehrer: denn seinen Zuhörern galt der heilige Geist gar nichts und für ihn selbst war er im- mer nur ein Bote Gottes, ohne selbstständige Macht gewesen. Diese Worte konnten nur von Leuten herrüh- ren, welche gegen die Göttlichkeit des heiligen Geistes pro- testirten. Der Rahman scheint durch die Ausbildung der Lehre des Elxai im monoj)hysitischen Sinne entstanden zu sein. Bei ihm Avar Christus ein Demiurg, und der hei- lige Geist von seiner Grofse und, dem Ursprünge nach, seines Gleichen. Christus aber wurde Mensch in Adam und in Jesus. Auch dem Koran zufolge müssen zwar die Engel den Adam anbeten, und obschon kein Demiurg in ihm ist, enthält somit die Lehre der Rahmänisten doch eine Erinnerung an die Christusnatur des Adam. Jesus Avurde ih- nen als Gottmensch gepredigt, und weil sie dieses Geheimnifs nicht verstehen konnten, sonderten sie die zwei Naturen und begnügten sich damit, auf Gott das Epithet Rahman, welches ursprünglich wohl Christo beigelegt wurde, als Eigenname zu übertragen, und auf den Namen kommt am Ende den Leuten doch alles an. Es ist übrigens wohl leicht möglich, dafs bei dieser Sekte der Rahman und Allah noch aus einander gehalten wurden ') und dafs sie erst von

') Ich hatte erwartet, dafs der Rahman auch in der Geschichte des Sturzes der Engel vorkommen würde; dies ist aber nicht der Fall. Gott wird Allah oder Herr genannt. Es ist nicht wahrschein- lich, dafs Mohammad hier die Terminologie geändert habe, und ich vermuthe daher, dafs, wenn auch wenigstens bei Mohammad Gott -Vater im Rahman vollkommen aufging, und vielleicht zum Theil

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Mohammad vollends vereint ^vol•den sind ; denn die Ko- ränstellen, in denen er von der Gottheit spricht, sind doch Inspirationen seines ei*]^enen Geistes, wenn auch der Stoff von aulsen kam.

Ich höre, dafs die Juden in ihren Gebeten beständig den Rahmän anrufen. Man könnte daraus foli^ern, der Rah- män habe nicht in dem Evane^ehum seine Wurzel und sei nicht im Judenchristenthum, sondern im reinen Judenthum entstanden, denn die orthodoxen Juden werden sich doch gehütet haben , von ihren ketzerischen Brüdern etwas zu entlehnen. Die Ketzer hingegen können recht wohl den Kahmän bei ihrer Secession von der rechtgläubigen Ge- meinde mitgenommen haben. Die Entwicklungsgeschichte moslimischer Dogmen hat mich zur Ueberzeugung gebracht, dafs es sehr wahrscheinlich ist, dafs die orthodoxen Juden den Rahmän und viele andere Lehren von ihren häreti- schen Brüdern entlehnt haben. Die Ansichten mancher Sek- ten von ^üfies sind radikal verschieden von denen der or- thodoxen Moslime: Galäl aldyn weifs etwas zu Gunsten der Dreieinigkeitslehre zu sagen, Sanäy findet den Parsis-, mus gar nicht verwerflich, Darä Schiköh vertheidigt das in- dische Heidenthum und Sahrawardy Maktijl rief sich selbst als Gott aus. Alle waren Pantheisten und dennoch sind ge- rade diese Leute die geachtetsten moslimischen Heilis-en, die einzigen, deren Biographien mit Erbauung gelesen wer- den. Umsonst haben sich die Theologen bemüht, die auf den Koran gegründete Lehre durch Dialektik zu verschan- zen. Die Ansichten der Tüfies sind in das Volk gedrun- gen und ungeachtet der Mahnungen strenger Dogmatiker haben sie, soweit sie dem Volke verständlich sind, ein wil- liges Ohr gefunden. Durch diese Leute ist der Islam so verändert worden, dafs derjenige, welcher den Koran stu-

auch bei seinen Lehrern, dennoch in Fällen, die nach der älteren Ansicht in den Wirkungskreis des Vaters gehörten, wie die Verdam- mung der Engel, Gott vorzugsweise Allah genannt wurde. II. 14

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dirt bat und dann glaubt, er kenne die Glaubensansicbt der jetzigen MosHmo, fast ebenso weit von der Wahrbeit entfernt ist, als wenn Jemand den Geist der römiscben Cu- rie im Evangelium finden wollte. Ascetiker baben überall einen unwidersteblicben Einflufs auf das Volk, und einen sok-ben Einflufs baben ganz gewifs die jüdiseben ^'üfies, ieb meine die Ebioniten und Genossen, auf ibre ortbo- doxen Brüder geübt.

Zum Scblufs führe icb nocb eine Koränstelle an, aus welcber deutbeb bervori^eht, dafs die Rabmänisten eine Sekte von Asceten und jene cbristliche vSekte oder Brü- derscbaft sei, von der Mohammad die Vigilien entnommen bat und zwar scbon zu Anfang seiner Laufbahn. Dieser Sekte gehörte Bahyra, der Lehrer des Propheten, an. Den Rahmän, welcber gar nicht in den Islam pafst, anzuerken- nen, mag er sich lange geweigert haben, er wurde aber aller Wabrscheinbchkeit nach durcb den Einflufs, den der König von Abessynien auf ihn übte, dazu bewogen, denn Bahyra behauptete, dafs er der Gott der Christen, ja aller Schriitbesitzer sei ; es beten ihn ja auch die Juden an.

Dem V^erse, in welchem er die Gläubigen zuerst auf- fordert, den Rahmän anzubeten, fügt er hinzu:

25, 62. Gesegnet sei Er (der Rahmän), welcher das Fir- mament zu Burgen (die zwölf Zeichen des Thierkreises) eingerichtet hat und der darin eine Leuchte und den er- bellenden Mond gesetzt hat!

63. Er ist es, welcber das Alterniren von Tag und Nacht [als Zeichen] angeordnet bat für solche, welche in sich gehen oder Dank fühlen wollen.

64. Die Anbeter des Rahmän, welche demüthig auf Erden wandeln und, wenn sie von den Unwissenden an- geredet werden: Friede! antworten,

65. und welche die Nacht in Wachen und Beten zu- bringen

66. und welche sagen: Herr, wende von uns ab die

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Qual der Hölle; denn die Qual der Hölle ist anhaltend und sie ist ein böser Aufenthalts- und Wohnort!

fiT. und ^velche, wenn sie Ausgaben machen, Aveder verschwenderisch noch geizig sind, sondern die Mittelstra- Ise innehalten

m. und welche aufser Allah keinen andern Gott an- rulen und keinen Menschen tödten, welchen zu tödten Gott verboten hat, aulser wenn er den Tod verdient hat, und welche nicht Unkeuschheit treiben; denn wer dieses thut, dem geht es schlimm,

72. und welche lür die Irrlehre (Vielgötterei) nicht Zeugnifs ablegen und, wenn ihnen Gemeinheiten vorkom- men, mit Selbstachtung vorübergehen,

73. und welche, wenn man ihnen die Zeichen ihres Herrn zu Gemiithe führt, nicht wie Taube und Blinde nie- derlallen,

74. und welche sagen: Herr, lafs uns an unsern Frauen und Kindern Freude erleben, und mache uns zum Vor- bild für die Gottesfürchtigen,

Ib. solche Anbeter des Rahman erhalten als Lohn für ihre Ausdauer die obern Regionen und werden dort mit dem Zuruf: »Langes Leben« und »Heil!« begrüfst;

76. und dort werden sie ewig bleiben. Das ist ein schöner Aufenthalts- und Wohnort!

Die Orientalen haben wie Kinder die Eigenthümlich- keit, indem sie einen Gedanken verfolgen, alles Andere dar- über zu vergessen. Diese Gedankenlosigkeit tritt beson- ders an den la«:, wenn sie ältere Quellen benutzen. Sie ändern sie ohne Bedenken, aber nur so weit es eben für ihren Zweck pafst; andere Verbesserungen vorzunehmen, sind sie zu apathisch. Mohammad machte keine Aus- nahme von dieser Regel; während er in den Straf legen- den den Beherrscher von Egypten immer Pharao und nie König nennt, heifst er ihn in der Geschichte des Joseph, Süra 12, stets K^inio; und nie Pharao. Ich bin überzeusft,

dafs er hier seinen Quellen blindÜngs folgte, er erzählte

14»

212

nach, Avie ihm vorerzähU worden war, yjafste aber die Ge- schichten seiner Lage an. Auf gleiche Weise erkläre ich mir, dafs in gewissen Stellen der Rahmän genannt wird. jNicht nur Mohammad, sondern auch die Sekten vor ihm scheinen Gott bei manchen Gelegenheiten, wie z. B. der Schöpfungsgeschichte, mit Vorliebe Rahmän genannt zu ha- ben, weil es vor ihnen geschehen war und sie sich daran gewöhnt hatten, bei andern Gelegenheiten aber Rabb oder Allah. Auch wir benehmen uns auf ähnliche Art; es fällt uns nicht ein, den heiligen Geist um Vergebung der Sün- den anzuflehen, noch Gott den Sohn in Erzählungen des alten Testamentes zu erwähnen, obschon es als eine Vor- bereitung zum Erlösungswerk angesehen wird.

Anhang zum eilften Kapitel.

I. Koränstellen aus der Rahmänperiode.

Nachdem ich über die Bedeutung und den Ursprung des Rah- män meine Vermuthungen ausgesprochen habe, will ich die vor- züglichsten Koränstellen , in denen er genannt wird, ausheben. Sie bilden eine abgeschlossene Gruppe, in der Lehren betont werden, welche in den Offenbarungen anderer Perioden gar nicht oder nur im Vorübergehen erwähnt werden. Da Mohammad den Rahmän nur eine beschränkte Zeit (vom Herbst 616 bis gegen Ende 620) predigte, dienen die betreffenden Stellen als Faden, der uns in dem Labyrinthe der Koränerklärung leitet und durch dessen Hülfe wir die Entwicklung neuer Ideen und Lehren verfolgen können.

78, 37. Der Herr der Himmel und der Erde und was dazwischen ist, ist der Rahmän ') [und nicht die Engel]. Sie (die Engel) dürfen ihn nicht einmal anreden.

38. Eines Tages werden der [heilige] Geist und die Engel in einer Reihe stehen, und sie dürfen nicht sprechen (keine Fürsprache für ihre Anbeter einlegen), aufser wenn es der Rahmän erlaubt und wenn sie das Richtige sagen ^).

39. Jener Tag .ist eine Thatsache (d. h. er wird kommen) und wer will, nimmt zu seinem Herrn seine Zuflucht [und nicht zu Für- sprechern].

') Ich lese mit den higäzischen Gemeinden rabbo und al-Rahmäno, und halte dafiir, dafs mit diesem Vers eine neue Inspiration anfange.

*) Dies ist eine der Inspirationen, in welchen die Engel und Ginn und s-elbst der heilige Geist als einem und dem:<elben Geschlechte angehörig betrach- tet werden.

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40. Wir haben euch in der That vor einem nahen Strafgericht gewarnt; [denn]

41. ein Tag wird kommen, an dem jeder Mensch seine Werke sehen und an dem der Ungläubige sagen wird: 0 dafs ich Staub gewesen wäre (nie gelebt hätte)!

25,24. Eines Tages werden sie die Engel sehen, dann aber ffiebt es keine frohe Botschaft für die Bösewichter: denn sie werden das Scblachtgeschrei erheben: Hinweg! fort mit euch!

25. Die guten Werke, die sie etwa gethan, haben wir gesich- tet und wie Sonnenstäubchen zerstreut.

26. Die Genossen des Paradieses haben dann [wenn einmal die Engel erscheinen] den besten Aufenthalt und die schönste Ru- hestätte.

27. Eines Tages nämlich wird das Firmament durch Wolken gespalten werden '), und wir werden [in den Wolken, welche durch das Firmament durchbrechen] die Engel in Schaaren hinabsenden.

28. Die Herrschaft (das Richterarat) ist an jenem Tage die Wahrheit (Gerechtigkeit, d. h. es wird mit Gerechtigkeit gerichtet), es führt sie der Rahmän. Für die Ungläubigen wird es ein harter Tag sein.

29. Eines Tages wird der Ungerechte ^) sich in die Finger beifsen und sagen: Hätte ich mich doch dem Boten angeschlossen!

30. Hätte ich doch diesen oder jenen nicht zum Freunde er- koren !

31. Er hat mich von der Ermahnung hinweg in den Irrthum geführt, nachdem sie an mich ergangen war. Der Satan hat sich wahrlich als Betrüger des Menschen erwiesen!

32. Der Bote (d. h. Mohammad) sprach: Herr, mein Volk hat eine Abneigung gegen diesen Koran.

33. Auf diese Art haben wir jedem Propheten einen Feind er- weckt unter den Bösewichtern, allein dein Herr genüge [dir] als Wegweiser und Helfer.

' ) Vergl. Kor. 2, 2O6.

^) Wähidy, 25, 29, von 'Atä Choräsäny, von Ibn'Abbäs:

„Obay b. Chalaf pflegte den Propheten anzuhören, nahm aber den Glauben nicht an, weil ihn'Okba b. Aby Mo'ayt davon zurückhielt. Auf ihn bezieht sich Kor. 25, 29.

Wähidy, ebend. , von Scha'by:

„'Okba war ein Freund des Oraayya. Jener nahm den Islam an, dieser aber erklärte, dafs er ihn nie mehr als Freund betrachten könne, und ihm zu Liebe wurde 'Okba abtrünnig. Auf diesen Vorfall bezieht sich Kor. 25, 29."

Andere erzählen eine lange Geschichte, welcher zufolge 'Okba zum Islam übertrat und dem Obayy zu Liebe abtrünnig wurde.

215

43, 1. Hara. Beim unverkennbaren Buche [schwören wir, dafs]

2. wir es wahrlich zum arabischen Koran gemacht haben auf dafs ihr es verstehen sollt,

3. und dafs es im Urtext bei uns aufbewahrt wird und erha- ben und weise ist.

4. Sollen wir euch etwa die Ermahnung vorenthalten und uns von euch abwenden, weil ihr ein frevelhaftes Volk seid?

5. Wie viele Propheten haben wir nicht zu den Alten gesandt!

6. Und es kam kein Prophet zu ihnen , den sie nicht verspot- tet hätten.

7. Wir haben Völker vertilgt, welche heftiger waren im An- greifen und so liegt ihnen das Beispiel der Alten vor.

8. Wenn du sie fragst: Wer hat die Himmel und die Erde er- schaffen? antworten sie: Es hat sie der Erhabene, der Wissende er- schaffen .

9. [Ja, er ist es] welcher euch die Erde zur Wohnstätte erschaf- fen und darauf Wege gebahnt hat, auf dafs ihr euch leiten lasset;

lü. welcher von dem Firmamente Wasser herabsendet in gehö- riger Menge und damit belebten wir ein erstorbenes Land so werdet auch ihr wieder erweckt werden

11. welcher alle Paare (alles Lebende und Zeugende) erschaf- fen hat und euch das Schiff und die Lastthiere gegeben hat, die ihr besteiget.

12. Auf dafs ihr euch auf ihren Rücken setzet und beim Bestei- gen der Wohlthaten eures Herrn eingedenk, sprechet: „Lob sei ihm, der sie uns dienstbar gemacht hat. Wir wären nicht im Stande gewesen, sie zu unterwerfen;

13. dieses Leben ist eine Reise zurück zu unserm Herrn."

14. Statt dessen erklären sie Wesen, welche seine Diener sind, für einen Theil von ihm der Mensch ist doch recht undankbar!

15. Soll er wirklich aus seinen Geschöpfen für sich selbst Töch- ter, für euch aber Söhne auserlesen haben?

16. Wenn man einem von ihnen verkündet, was er dem Rah- män zuschreibt (nämlich die Geburt einer Tochter), wird sein Ge- sicht dunkel und finster und er ist voll Betrübnifs.

17. Wesen, welche im Putz aufwachsen und sich in Streit ein- lassen, ohne dafs ihnen die Gründe klar wären, [sollen die Kinder des Rahmän seii^!]

18. Sie machen nämlich die Engel, welche Diener des Rahmän sind, zu Mädchen! Kennen sie ihre Natur aus eigener Anschauung? Ihr Zeugnifs wird aufgezeichnet werden , und man wird sie dar- über zur Rede stellen.

216

19. Sie sagen: Wenn es des Rahraäns Wille wäre, würden wir sie nicht anbeten. Sie haben durchaus kein Wissen in dieser Sache, sondern blofse Dichtung.

20. Oder haben wir ihnen vor dieser Offenbarung [die du, o Mohammad, überbringst] ein Buch mitgetheilt, an das sie sich halten?

21. Nein; sie sagen aber: Wir haben unsere Väter über gewisse Ansichten einstimmig gefunden und wir folgen ihren Fufstapfen.

22. So war es auch vor Alters. Wir haben nie einen Warner in eine Stadt gesandt, ohne dafs die Wohlhabenden ') gesagt hät- ten: Wir haben unsere Väter über gewisse Ansichten einstimmig ge- funden und wir folgen ihren Fufstapfen.

23. [Gott sagte zu den Warnern:] Sprechet: Wenn ich euch aber eine Lehre überbringe, die euch besser leitet als die, welche ihr bei euren Vätern gefunden habt, was dann ? Die Ungläubigen antwor- teten: Wir verwerfen die Lehre, mit der ihr gesandt worden seid.

24. Wir haben uns an ihnen gerächt und siehe, welches das Ende der Läugner war!

25. Es hat ja schon Abraham zu seinem Vater und seinem Volke gesagt: Ich sage mich los von dem, was ihr anbetet,

26. mit Ausnahme dessen, welcher mich erschaffen hat; denn er wird mich gewifs leiten.

27. Diese Worte hat er für seine Nachkommen als bleibenden Wahlspruch hinterlassen. Möchten sie (die Araber) doch umkehren!

28. Ich habe sie und ihre Väter ungestört gehen lassen, bis die Wahrheit und ein unverkennbarer Bote zu ihnen kam.

29. Da nun die Wahrheit zu ihnen gekommen ist, sagen sie: Dies ist eine Zauberei (Betrug), wir verwerfen sie.

30. Sie sagten ferner: Warum wird dieser Koran nicht irgend einem Manne von Ansehen in den zwei Städten (Makka oder Täyif) geoffenbart? etc.

67, 1. Gesegnet sei der, in dessen Händen die Herrschaft ist; er ist allmächtig;

2. welcher den Tod und das Leben erschaffen hat, auf dafs er euch prüfe und sehe, wer die besten Werke gelhan hat er ist der Erhabene, der Vergebende;

3. welcher sieben Himmel in Schichten [concentrischen Sphä- ren] erschaffen hat du entdeckst in der Schöpfung des Rah man keine Disharmonie. Sieh dich noch einmal um, ob du einen Fehler entdecken kannst.

') Man übersehe die Anspielung auf die Aristokraten nicht, denn sie ist be- zeichnend für die Zeit der Offenbarung August A. D. 617. Auch das Eifern gegen die Engelanbetung fällt in jene Zeit.

217

4. Sieh dich noch zweimal um , und dein Auge wird umsonst gesucht haben, obschon es sich erschöpft hat.

5. Den untersten Himmel haben wir mit Leuchten geziert. Wir verwenden sie zur Steinigung der Satane, für welche wir die Qual des Sa'yr ') vorbereitet haben.

6. Jene, welche undankbar waren gegen ihren Herrn, er- wartet die Strafe des Gahannam. Das ist ein schlimmer Auf- enthalt!

7. Wenn sie hineingeworfen werden, hören sie ein Brüllen, und es lodert die Flamme auf.

8. So oft eine Schaar hineingeworfen wird, zerspringt es fast vor Eifer, und die Wächter fragen sie: Ist kein Warner zu euch gekommen?

9. Sie antworten: Allerdings ist ein Warner zu uns gekom- men, wir aber beschuldigten ihn der Lüge und behaupteten: Al- lah hat nichts geoffenbart, ihr [o Warner] seid in grofsem Irr- thume.

10. Ferner sagen sie: Wenn wir zugehorcht hätten oder ver- nünftig gewesen wären, würden wir nicht unter den Genossen des Sa'yr sein.

') Ich lasse Sa'yr uniibersetzt , weil mir der Gebrauch ziemlich technisch vorkommt. Zu bemerken ist, dals Anfangs von dem Sa'yr, in späteren Offen- barungen aber der Ausdruck verallgemeinert und von einem Sa'j'r (mit dem un- bestimmten Artikel) gesprochen wird. Die Moslime sagen, es bedeute Feuer und gebrauchen auch das Verbum für entzünden. Das Sa'yr (mit dem bestimmten Artikel) ist in allen Koränstellen ein Eigenname für die Hölle oder vielleicht die Vorhölle. Es mag ein fremdes Wort sein, mit dem hebr. "i;."iü zusammen- hängen und ursprünglich horrendum, horribile bedeutet haben. Diese Bedeutung jedoch war dem Mohammad nicht ganz genau bekannt, sonst hätte er wohl ,xcO dafür gesetzt, welches ebenfalls horrendum heifst. Im Kor. 54, 24, wo die Ungläubigen sagen: Wenn wir dem Propheten { Cälih) folgten, würden wir auf einem Abwege und in So' er sein, erklärt es Farrä durch gonün und sagt, dafs ein leichtköpfiges Kameel mit betrübtem Gesicht Mas'üra genannt wird. Er fafst es als nomen verbale auf und nicht wie andere als Plural. Insofern hat er Recht, aber die Bedeutung, die er angiebt, pafst nicht auf die Koränstellen 4, ss. 76, 4. 17, 99. In letzterer Stelle heifst es: So oft das Feuer des Gahannam verlischt, vermehren wir das Sa'yr der Verdammten. In dieser und auch in den andern beiden Stellen bedeutet es wohl Pein oder das Schreckliche. Den Kommentato- ren zufolge bedeuten die Koränverse 81, 12-13: Wenn das Gahym (Hölle) ent- flammt und wenn das Paradies nahe gebracht worden ist. Ozlifat heifst aller- dings nahebringen, aber mit dem Nebeubegriff angenehm darstellen, denn tazaUuf

heifst sich einschmeicheln, sich angenehm machen, und 0-*a« so"irat mufs eine diesem entsprechende Bedeutung haben, also: unangenehm, abstofsend machen, und nicht „entflammen". Wenn das Wort Arabisch wäre, so hätten die Exege- ten nicht so viele Schwierigkeiten gehabt, die Grundbedeutung oder die Form von So'or zu erklären. Ich halte So'or und so"irat für von Mohammed aus Sa'yr gebildete Wörter.

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11. Sie erkennen nun ihre Schuld. Also hinweg mit den Ge- nossen des Sa'yr!

12. Diejenigen, welche ihren Herrn im Geheimen fürchten, er- wartet Vergebung und ein grofser Lohn ').

13. Verheimlicht eure üeberzeugung oder veröflfentlicht sie; Er weifs den Inhalt eurer Herzen.

14. Oder soll er die nicht kennen, welche er erschaffen hat? Er ist der Feine, der Kundige.

15. Er hat die Erde nachgiebig gegen euch gemacht (euch un- terworfen); gehet auf ihren Schultern und esset von ihrer Nahrung. Aber zu Ihm führt die Auferstehung ■^).

19. Haben sie nie die Vögel über sich betrachtet, wie sie ihre Flügel ausspannen und wieder an sich ziehen? Niemand erhält sie schwebend als der Rahmän. Er hat auf Alles Acht.

20 Wer ist jener, der selbst, wenn sein Name Legion wäre, euch gegen den Rahmän beistehen könnte ? Die Ungläubigen sind in Illusionen versunken.

21. Wer ist jener, der euch nähren könnte, wenn Er euch den Unterhalt vorenthielte? Aber sie bleiben verstockt in Uebermuth und Abneigung [gegen die Wahrheit].

22. Ist etwa der besser geleitet, welcher auf die Nase fällt, oder der stracks dahin w'andelt auf einer geraden Strafse?

23. Sprich: Er ist es, der euch emporwachsen liefs und euch Gehör und Gesicht und Verstand gegeben hat. Ihr seid wenig dankbar.

24. Sprich: Er ist es, der euch in die Erde aussäet und zu ihm werdet ihr versammelt werden.

25. Sie sagen: Wann wird diese Drohung erfüllt werden? Berichtet uns, wenn ihr wahrhaftig seid.

26. Antworte: Die Kenntnifs ist bei Allah; ich bin blofs ein unverkennbarer Warner.

27. Wenn sie sie heranrücken sehen, werden die Mienen der

*) Wahrscheinlich sind dieser und die folgenden zwei Verse geoflfenbart

worden, um Jene zu trösten, welche den Glauben nicht offen bekennen durften.

^) Hier folgt ein Fragment aus der ersten Strafperiode (wir sind jetzt in

der zweiten) , welches den Sinn unterbricht und von den Sammlern des Korans

der Gleichheit des Reimes und Stiles wegen hieher gesetzt worden ist:

16. Seid ihr sicher vor Dem, der im Himmel ist, dafs er euch nicht von der Erde verschlungen werden läfst? Sieh, sie wogt schon!

IT. Und seid ihr sicher vor Dem, der im Himmel ist, dafs er nicht einen Stein- regen über euch sendet? dann werdet ihr wissen wie mein Warnen ist.

18. Auch ihre Vorgänger haben meine Boten der Lüge beschuldiget, aber wie war meine Mifsbilligung!

219

Ungläubigen düster, und es wird ihnen zugerufen: Das ist es, was ihr herbeigerufen habet.

28. Sprich: Gesetzt Allah läfst mich und meine Anhänger un- tergehen, oder er erbarmet sich unser (läfst uns eines natürlichen Todes sterben), wer wird dann nach eurer Meinung den Ungläubigen gegen eine peinliche Strafe Schutz gewähren?

29. Sprich: Er (unser Gott) ist der Rahmän. An ihn glauben wir und auf ihn setzen wir unser Vertrauen. Ihr werdet sehen, wer im offenbaren Irrthum ist.

30. Sprich: Gesetzt, dafs morgen eure Quellen versiegen, wer wird euch nach eurer Ansicht Trinkwasser geben?

Folgende Inspiration soll Mohammad die Braut unter den Suren des Korans geheifsen haben. Er verfafste sie in der Absicht, unter den Heiden Effekt zu machen und sie für die Anbetung des Rah- män zu gewinnen. Ihn Masüd unternahm es, sie den Korayschiten vorzutragen. Er begab sich zu diesem Zwecke zur Ka'ba und re- citirte einen Theil davon, wurde aber tüchtig durchgebläut '). r>5, 1. Der Rahmän lehrte den Koran,

2. erschuf Weib und Mann

3. und lehrte den Menschen, wie er sich aussprechen kann.

4. Sonne und Mond, folgen seiner Berechnung in ihrer Bahn,

5. Pflanzen und Bäume beten ihn an.

6. Er ist es, der das Firmament wölbte und die Waage ersann,

7. auf dafs ihr euch haltet daran

8. Wäget mit Gerechtigkeit ^ ); denn wehe dem, der durch schlechtes Wägen gewann!

9. Die Erde hat er bestimmt für Thier und Mann,

10. darauf wächst Obst und Palmenbäume mit Datteln daran

11. und Getreid' mit Hülsen und Thymian.

12. Wollt ihr noch läugnen, dafs euch euer Herr überall wohl- gethan?

13. Er hat den Menschen erschaffen aus Lehm, trocken wie Porzellan,

14. und aus lichterloher Flamme den Gän (Vater der Ginn).

15. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

') Von dieser Tradition ist noch eine Version vorhanden, welcher zufolge Ibn Mas'üd der erste war, welcher den Korayschiten ein Koränstück votrug.

^) Im Original bil-kist. Kist oder Käst oder Kistäs ist eigentlich der Name eines Maafses und kommt vom lateinischen Sextarius ( Pocock. Porta Mo- sis p. 404). Figürlich wird es dann für Gerechtigkeit gebraucht. Dies ist einer der Ausdrücke, welche die römische Civilisation lange vor Mohammad in Ara- bien zurückgelassen hat.

220

16. Die beiden Oriente erkennen ihn als Herrn an,

17. die beiden Occidente erkennen ihn als Herrn an.

18. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

19. Er hat die beiden Meere ') ausgegossen in dieselbe Wann',

20. doch ist eine Scheidewand zwischen beiden, über die kei- nes kann.

21. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

22. Beide erzeugen Perlen und Margän (Korallen).

23. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

24. Ihm verdankt ihr das Schiff, hoch wie ein schwimmender Berg, und den Kahn.

25. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

26. Das Erdenleben ist ein Traum und ein Wahn,

27. aber ewiglich wird das Angesicht deines Herrn in Glorie bleiben und Verehrung empfahn.

28. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

29. Wer in den Himmeln und auf der Erde ist, ruft ihn an; und er ist jeden Tag schön angethan ').

') Das heifst das süfse und das salzige Wasser; vergl. Kor. 25, 55 und Kap. 14.

'^) Vielleicht wäre es besser gewesen zu übersetzen: Für Gott ist jeder Tag ein Festtag. Im Original heifst es: Er ist jeden Tag in einem Schän. Man sagt j»».>J! LiLiC^i isiXi ,.,S dir ist heute ein Schän, d. h. du treibst es grofsartig, und ,..Lw (AJk.Ji diesem Kinde steht ein Schän bevor, d. h. es ist zu etwas Gro- fsem bestimmt. Spätere Commentatoren haben ihre alberne Metaphysik in die- sem Verse gefunden; die Alten aber haben sich bemüht, durch Dichtungen das Schän (Grofsartigkeit) Gottes anschaulich zu machen. Einer erzählt: Der Prophet las uns diese Worte vor und wir fragten ihn, worin das Schän bestehe? Er antwortete: Er verzeiht täglich unsere Sünden, zerstreut unsern Schmerz, er- hebt ein Volk und drückt ein anderes nieder. Ihn 'Abbäs sagt: Er blickt jeden Tag 360 Mal in die Tafel des Schicksals und erschaft't, ernährt, giebt Leben und Tod, erhebt und erniedriget, spricht und thut was ihm gefällt. Im Geiste der persischen Legende ist folgende Erzählung : Ein Fürst fragte seinen Wazyr um den Sinn dieser Worte. Dieser wufste nicht was er antworten sollte und bat um Bedenkzeit bis auf den folgenden Tag. Er kehrte mit sorgenvollem Ange- sicht in seinen Palast zurück. Einer seiner schwarzen Sklaven trat vor ihn und sagt: Herr, was hat dich betroffen, dafs du so traurig bist? Erzähle es mir, vielleicht lenkt es Gott, dafs ich dir Trost gewähren kann. Er erklärte ihm die Ursache. Der Sklave sagte: Kehre zum Fürsten zurück und sage ihm: Ich habe einen Sklaven, welcher, wenn du ihn vorlassen willst, dir diesen Vers erklären wird. Der Fürst liefs den Sklaven rufen und dieser sprach : das Schän Gottes besteht darin, dafs er den Tag in die Nacht und diese wieder in den Tag über- gehen läfst (K. 57, fi). Dem was lebt Tod und Dem was todt ist Leben giebt, den Kranken gesund und den Gesunden krank macht, dem Sorgenfreien Kummer und dem Bekümmerten Freude bescheert, den Niedrigen erhöht und den Hohen er- niedriget, den Armen reich und den Reichen arm macht. Du hast Recht, sprach der Fürst, und er machte den Sklaven zum WazjT und dem Wazyr gab er seine Entlassung.

221

30. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

31. Einst werden wir uns bemüfsigt finden, euch zu hören an (euch richten), o Kinder des Adam und des Gän.

32. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

33. 0 Menschen- und Ginngeschlecht, wenn ihr im Stande seid, uns über die Grenzen der Himmel und der Erde zu entweichen, so thut es. Allein ohne unsere Vollmacht mifslingt ein solcher Plan.

34. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

35. Wir lassen Feuer und geschmolzenes Kupfer auf beide Ge- schlechter regnen, und keines von euch Beistand finden kann.

36. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Plerr überall wohlgethan?

37. Das Firmament wird gespalten und roth sein wie Dihän ').

38. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

39. An jenem Tage wird weder ein Menschenkind vernommen noch ein Sohn des Gän.

40. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

41. Denn die Bösewichter werden an ihren Zeichen erkannt werden und man packt sie beim Schopf und den Beinen an.

42. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

43. Dieses ist das Gahannam, welches die Bösewichter hielten für Wahn.

44. Bald werden sie sich diesem (dem Gahannam), bald stin- kendem Eiter ') nali'n.

45. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

46. Wer die hohe Stellung seines Herrn fürchtet, wird zwei Paradiese empfahn.

47. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

48. In beiden ist gröfsere Mannigfaltigkeit, als die Augen je sah'n.

49. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

50. Und zwei sprudelnde Quellen.

51. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

52. Jeder Obstart schliefst sich eine ähnliche an.

53. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

•) Die Bedeutung ist nngewifs; vielleicht rothes Leder.

^) Ka'b al-'Ahhär, welcher die Hölle so genau kennt, dafs Pater Kochein bei ihm in die Schule gehen könnte, berichtet: In einem der Thäler der Hölle sammelt sich der Eiter der Verdammten. Die Sünder werden in Kelten zu die- sem Thal geführt und in den Eiter versenkt bis sich die Glieder ablösen, dann werden sie herausgenommen und Gott erschafft sie neu, und nun werden sie in's Feuer geworfen.

Nach Einigen jedoch lieifst 9adyd nicht Eiter, sondern siedendes stinkendes Wasser.

222

54. Die Seligen ruhen auf Matrazzen mit Atlas gefüttert, und die Früchte hängen ihnen in den Mund und berühren den Zahn.

55. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

56. Es wandeln daselbst Frauen mit niedergeschlagenen Augen, die unberührt von Mann und Gän.

57. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

58. So schön wie Rubin und Korall und so weifs wie ein Schwan.

59. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

60. Soll auch das Gute Anderes als Gutes zur Vergeltung em- pfahn ?

61. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

62. An diese stofsen zwei andere Gärten an.

63. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

64. Sie sind dunkelgrün.

65. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

66. Es sprudeln zwei Quellen hervor.

67. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr fiberall wohlgethan?

68. Darin wächst Obst, Datteln und Granatäpfel.

69. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

70. Es wandeln auserwählte liebliche Frauen umher.

71. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

72. Keusche Hüries ') in Zelten.

73. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

74. Unberührt von Mann und Gän.

75. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

76. Die Seligen sitzen auf grünen Polstern und schönen 'Abka- rischen '') [Teppichen].

'j Alle Comnientatoren stimmen darin überein, dafs die Hüries über alle Begriffe schön sind, lieber die Etymologie und Wortbedeutung herrscht einige Meinungsverschiedenheit. Hawwära heifst in SjTien, wo bei Ma'raba, in der Nähe von Damascus, schöne Kreide gefunden wird, Kreide, und hat dort wohl schon vor Einführung der arabischen Sprache so geheil'sen. Das Wort ist Ara- mäisch ; ich glaube aber, ich habe es im Arabischen in der Bedeutung von Mehl gelesen. Hawrä ist der Name eines 'äditischen (nabathäischen ?) Seehafens am Eothen Meere, der von den Griechen Leucceome, das weifse Dorf, genannt wurde. Hur ist der Plural von Ahwar, fem. hawrä, und bedeutet weifs. Es wird aber meines Wissens nicht wie abj-adh, welches das gewöhnliche arabische Wort für weifs ist, adjektivisch gebraucht, sondern nur zur Bezeichnung dieser Paradiesnymphen, und wenn auch die arabischen Lexicographen der Wurzel hwr, welche zurückkehren bedeutet, die Bedeutung von weifs geben, so glaube ich doch , dafs die Benennung und vielleicht auch der Begriff der Hüries aus dem nördlichen Arabien, von den Nabathäern nach Makka gekommen, woher auch die Benennung der Hawwärj'vün, Weifswäscher (die Jünger Christi ) dahin verpflanzt worden ist.

*) 'Abkar ist eine Stadt in Mesopotamien, wo vielfarbige Teppiche und andere Stoffe verfertigt wurden.

223

77. Wollt ihr noch läugnen, dafs euer Herr überall wohlgethan?

78. Gesegnet sei der Name deines Herrn voll Glorie, er soll stets Verehning empfah'n.

Wie geschmacklos diese Süra sich in meiner Uebersetzung auch ausnehmen mag, so würde mir der Leser doch sehr Unrecht thun, wenn er mir die ganze Schuld zuschriebe. Es ist ein schlechtes Verdienst, den Gedanken in der Uebertragung zu veredeln. Wir wünschen den Geist des Mohammad und seiner Zeit kennen zu ler- nen, und diese Inspiration, ob man sie im Original oder in Ueber- setzung liest, stellt ihn uns in einem nicht sehr günstigen Lichte dar. Allraähhch wurden des Propheten Beschreibungen des Paradieses et- was geistiger und geistreicher, und zwar wie es scheint, unter äufse- ren Einflüssen ; aber längere Kompositionen sind ihm nie gelungen, seine poetische Kraft zeigte sich in kurzen abgerissenen Stücken, aber auch hier kann man ihm vorwerfen, dafs er denselben Gedan- ken dutzendmale wiederholt und somit ein Zeugnifs seiner Armuth des Geistes ablegt.

41,1. Ham. [Dies ist] ein Erlafs von dem milden Rahmän, 2. eine Bibel, deren Zeichen (Verse) der Deutlichkeit wegen in einem arabischen Psalter bestehen für unterrichtete Leute,

3. zur frohen Botschaft und Warnung. Doch die meisten von ihnen wenden sich davon weg; sie hören nicht.

4. Sie haben gesagt: Unsere Herzen sind verschlossen gegen das, was du uns predigest; in unseren Ohren ist ein Gewicht und zwischen uns und dir ist eine Scheidewand: handle [nach deiner Ueber- zeugung], auch wir wollen [nach unserer Ueberzeugung] handeln.

5. Antworte: Ich bin ein Mensch wie ihr; es ist mir geofFen- bart worden, dafs euer Gott nur ein Gott ist; macht euch auf, ihm entgegen und bittet ihn um Verzeihung. Denn wehe den Götzen- dienern,

6. welche das [vorgeschriebene] Almosen nicht entrichten. Sie sind es, die das Jenseits läugnen.

7. Wahrlich, denjenigen, so da glauben und rechtschaffen han- deln, wird Belohnung ohne Kargheit bescheert.

8. Sprich: Wie, ihr verkennt wirklich Den, welcher die Erde in zwei Tagen erschaffen hat, und nehmet Wesen seines Gleichen an ? Dieser ist der Herr der Welten.

9. Er hat hohe Berge obendrauf gesetzt, hat sie gesegnet und hat in vier Tagen ihre Erzeugnisse für die Bittenden gleichmäfsig geordnet.

10. Dann erhob er sich zum Himmel, der noch Rauch war, und sagte zu ihm und der Erde: Kommet, ob ihr wollet oder nicht, Sie antworteten: Wir kommen freiwillig.

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11. Und er bildete jenen in zwei Tagen zu sieben Himmeln und offenbarte in jedem Himmel seinen Befehl. Den untersten Himmel haben wir mit Leuchten versehen zur Zierde und Vorsicht (vergl. Kor. 67, .5: oben S. 216). So ist die Anordnung des Erhabenen und Weisen.

18. Eines Tages werden die Feinde Allah's in Reih' und Glied gegen das Hüllenfeuer getrieben.

19. Dort angelangt, legen selbst ihr Gehör, ihr Gesicht und ihre Haut Zeugnifs ab über ihre Werke.

20. Sie sagen zur Haut: Warum zeugst du gegen uns? Sie antwortet: „Allah, welcher andern Wesen Sprache verliehen, hat sie auch mir gegeben." Er hat euch das erste Mal erschaffen und vor ihm müfst ihr erscheinen.

21. Ihr habet vergessen, euch so zu verbergen, dafs euer Ge- hör, euer Gesicht und eure Haut nicht Zeugen sein sollen. Ihr glaub- tet, dafs Allah Vieles von dem, was ihr thatet, nicht wisse.

22. Dies ist die Vorstellung, die ihr euch von eurem Herrn machtet, und sie hat euch in's Verderben gestürzt; jetzt seid ihr im Nachtheile.

23. Wenn sie trotzen, so ist das Feuer ihr Wohnort, und wenn sie bettelnd an unsere Schwelle kommen, finden sie kein Gehör.

24. Wir haben es so gefügt, dafs sich ihnen Gefährten anschlös- sen, und diese haben ihnen die Gegenwart und was vor ihnen war (das Jenseits) als schön vorgespiegelt. Sie haben also den ürtheil- spruch verdient wie andere Völker von Menschen und Ginn, welche vor ihnen waren sie alle sind verloren ').

Einige der in diesen Inspirationen enthaltenen Momente verdie- nen hervorgehoben zu werden. Sein Eifern gegen die Engelvereh- rung fing, wie wir im folgenden Kapitel zeigen werden, nach Wi- derrufung seines Zugeständnisses (6i6) an und dauerte nur kurze Zeit. Der Umstand, dafs die Anbetung des Rahmän gerade um diese Zeit und unter diesen Verhältnissen anfing, ist einer der Gründe, welche mich bewogen haben, sein Zurückkommen von der Anerken- nung heidnischer Götzen christlichem Einflüsse zuzuschreiben.

Da er in Abrede stellt, dafs die Engel Kinder Allah's seien oder dafs Gott überhaupt gezeugt habe, wurde es ihm zur Aufgabe,

') Dieselbe Idee wird in 43,35 ausgesprochen: „Wenn Jemand gegen die Erwähnung des Kahmän blind ist, fügen wir es so, dafs sich ihm ein Satan an- schliefst, welcher sein Gefährte ist.'- Obwohl oben Gott Allah genannt wird, gehört also die Stelle doch in die Rahmänperiode.

Im Original ist Oniam, Völker, das Wort für Heide. Auch im christlichen Sprachgebrauch hat es diese engere Bedeutung (vergl. Evang. de Inf. c. 6), da- her ummy gentilis.

225

reinere Begriffe über das Wesen Gottes zu predigen. In dieser Pe- riode weist er Gottes Gröfse in seinen Werken nach. Er stellt seine Anschauungen, die einige Zeit sein ganzes Gemüth in An- spruch genommen zu haben scheinen, in so mannigfaltiger Form dar, als ihm möglich war; später als er den Rahmän schon zu ver- gessen angefangen hatte, benutzte er den Juden entlehnte Legenden von Abraham (siehe das folgende Kapitel), um den Gegenstand recht anschaulich zu machen.

Wenn der Rahmän als der Schöpfer der Himmel und der Erde bezeichnet wird, so würden wir darin nur einen Versuch erblicken, seine Gröfse und Macht recht anschaulich zu machen; indem aber Mohammad in die Schöpfungsgeschichte eingeht (vergl. K. 41, 8 ii mit 67, 3), läfst er uns äufsere Einflüsse auf seine Inspirationen ver- muthen, und wir erkennen im Rahmän den Demiurg (Christus) der Judenchristen.

Es fällt uns auf, dafs er unter allen Eigenschaften Gottes um diese Zeit am meisten seine Allwissenheit hervorhebt. Es erhellt aus der Tradition, dafs die Rohheit der Begriffe seiner Widersacher die Veranlassung dazu war ').

Ein anderes Moment bildet das allmälige Verstummen der Dro- hungen einer zeitlichen Strafe. Es ist kein Zweifel, dafs seine Feinde fortfuhren, ihn wegen der Nichterfüllung seiner Weissagungen zu necken, besonders da, wie wir sehen werden, gerade ungewönlich

') Bochäry, S. 712, von al-Calt b. Mohammad, von Yazyd b. Zoray', von Rawh b. Käsim , von Man9Ür [b. Mo'atimir], von Mogähid, von Abu Ma'mar [Abd 'Allah b. Sachbara], von Ibn Mas'üd:

„Es waren zwei Korayschiten mit einem Thakyfiten, der durch Heirath mit ihnen verwandt war, oder zwei Thakyfiten mit einem Korayschiten, der durch Heirath mit ihnen verwandt war, beisammen in einem Hause und es bemerkte einer: Glaubt ihr, Allah hört was wir reden? Der andere antwortete: Einiges mag er hören. Der andere versetzte: Wenn er Einiges hört, so hört er Alles. Dies veranlafste die Offenbarung des Verses 41, 21."

Die Commentatoren des Bochäry behaupten, dafs der Thakyfite 'Abd Yälül b.'Amr oder Habyb b.'Amr oder Achnas b. Scharyk gewesen sei.

Von derselben Geschichte hat uns Bochäry, S.713, auch eine andere, wahr- scheinlichere Version aufbewahrt, welche Homaydy ['Abd Allah b. al-Zobayr], von Sofyän [b. 'Oyayna], von demselben Man9Ür erhalten hatte:

„Beim Tempel safsen zwei Korayschiten und ein Thakyfite, oder zwei Tha- kyfiten und ein Korayschite beisammen. Sie waren sehr fett, hatten aber nicht viel Verstand in ihrem Herzen. Einer von ihnen sagte: Glaubt ihr, Allah hört was wir reden? Ein anderer antwortete: Erhört was wir laut sagen, aber nicht was wir heimlich sprechen. Darauf sagte der erstere : "Wenn er hört, was wir laut sagen, so hört er alles. Dies veranlafste die Offenbarung von K. 41. ai."

In der vorhergehenden Version sind sie in einem Hause versammelt, um anzudeuten, dafs sie sich recht geheim hielten. Es ist aber möglich, dafs fy baytin „in einem Hause" aus 'ind albayti „beim Tempel" entstanden ist.

II. 15

226

gesegnete Jahre eintraten. Er aber beschränkte sich darauf zu sa- gen : Wenn es Gott wollte, so wäre es in seiner Macht euch zu stra- fen, und geht dann gleich auf sein neues Thema, den Gerichtstag, über und macht die Hölle so heifs, als er mit seiner Beredsamkeit es vermag. Wir befinden uns also schon in der dritten Strafperiode. Die Nachklänge der ersten beiden sind verklungen. Wie wir sehen werden, haben die Beschreibungen des jüngsten Tages ihre volle Ausbildung erst nach der Rahmänperiode erhalten, und sie bilden eine eigene Gruppe von Ispirationen. Ich schalte noch eine Offen- barung ein , welche diese Gruppe mit der im letzten Kapitel des vorigen Bandes befindlichen verbindet. Auf den Gegenstand, der uns hier beschäftiget, kommt er erst in Vers 36. In den vorher- gehenden Versen spricht er Ideen aus, wovon wir die meisten schon aus mehreren Darstellungen kennen:

21, 16. Wir haben den Himmel und die Erde und was dazwi- schen ist nicht im Scherze erschaffen.

Bemerk. Himmel im Singular bedeutet sonst im Koran das Firmament, in dieser oft wiederkehrenden Phrase aber wird stets die Himmel, d. h. die sieben himmlischen Sphären, gesagt. Die Ab- weichung vom gewöhnlichen Sprachgebrauch findet im Kor. 41, lo ii ihre Erklärung. Die dort gegebene Schöpfungsgeschichte hat er aber, als unstatthaft, bald wieder aufgegeben, und deswegen läfst er spä- ter Gott wieder die Himmel erschaffen.

17. Wenn wir uns mit einem Spiel ergötzen wollten, so wür- den wir es bei uns selbst finden, vorausgesetzt, wir wären dazu fähig.

18. Wir schleudern vielmehr das Wahre auf die Nichtigkeit; sie wird zermalmt und ist im Verschwinden (d. h. wir zerstören den Götzendienst, vergl. K. 17,83). Aber wehe euch ob dem, was ihr von Gott behauptet.

19. Alle Wesen, die in den Himmeln und auf der Erde woh- nen und die, welche in seiner Nähe sind (die Cherubim), stehen in seiner Gewalt. Sie sind aber nicht zu stolz. Ihm zu dienen, noch macht es sie unglücklich.

20. Sie lobpreisen Ihn Tag und Nacht ohne Unterlafe [und sind daher nicht Gott gleich].

21. Oder haben sie irdische Götter anerkannt [und nicht die Engel]? Können diese auch zum Leben erwecken?

22. Gäbe es aufser Allah Götter im Himmel [oder auf der Erde], so würde die Weltordnung zerstört werden. Fern sei von Allah, dem Herrn des Thrones, was sie von ihm sagen.

23. Er wird nicht zu Rede gestellt über Seine Handlungen; sie (die Ginn und Engel) aber werden zu Rede gestellt.

227

24. Erkennen sie dennoch aufser Ihm Götter an? Sprich: Her- aus mit euren Beweisen ! Dies ist die Lehre derer, die es mit mir halten und die Lehre meiner Vorgänger. Aber die Meisten von ih- nen (den Makkanern) kennen die Wahrheit nicht, weil sie sich da- von abwenden.

25. Es ist kein Bote vor dir gesandt worden, dem nicht geof- fenbart worden wäre: „Es giebt keinen Gott aufser Mir; betet mich also an!**

26. Sie sagten: „Der Rahmän hat Kinder", das sei fern von ihm. Nein! diese (die Engel, vergl. K. 43, is) sind seine ge- ehrten Diener.

27. Sie wagen es nicht vor Ihm das Wort zu nehmen und han- deln nach seinem Befehl.

28. Er weifs was vor und hinter ihnen ist, und sie können nicht fürsprechen bei Ihm.

Bemerk. Fürsprache besteht darin, dafs man Jemand auf die Verdienste des Schützlings aufmerksam macht. Mohammad zeigt in diesem Verse, wie lächerlich es ist zu glauben, dafs man bei dem Allwissenden Fürsprache einlegen könne. Wie vernünftig diese Lehre auch ist, so unpassend ist sie doch für einen Theokraten. Was wäre die katholische Geistlichkeit ohne die Macht zu binden und zu lösen? Weil sie so unpraktisch ist, hat sie Mohammad auch in fol- gendem Verse beschränkt und später faktisch widerrufen:

29. Aufser für Jemanden, an dem er Wohlgefallen hat. Sie sind mit Ehrfurcht erfüllt für seine Gröfse.

30. Sollte einer von ihnen (den Engeln) sagen, ich bin ein Gott neben Allah, so vergelten wir es ihm mit der Hölle. So be- strafen wir die Frevler.

31. Wissen die Ungläubigen nicht, dafs die Himmel und die Erde ein Chaos waren? Wir haben sie geschieden und aus dem Wasser alles Lebendige erschaffen. Wollen sie denn nicht glauben?

32. Und wir haben in die Erde Berge gesetzt, damit sie nicht wanke, und die Berge haben wir mit Thälern durchschnitten, wel- che als Strafsen dienen, damit sie den Weg finden,

33. und das Firmament haben wir zum wohlverwahrten Dach gemacht dennoch wenden sie sich ab von unseren Zeichen.

34. Er ist es, der die Nacht, den Tag, die Sonne und den Mond, wovon jedes in seiner eigenen Himmelssphäre schwimmt, erschaf- fen hat.

35. Auch vor dir haben wir keinem Menschen Unsterblichkeit gewährt. Wenn du also stirbst, werden sie übrig bleiben?

36. Jeder Mensch kostet den Tod. Wir lassen ihnen, um sie

15*

228

zu versuchen, Glück und Unglück widerfahren ; sie müssen uns aber doch kommen.

Bemerk. Diese drei Verse sind eine so milde Wiederholung der Drohung, Makka würde untergehen, wenn er die Stadt verliefse oder stürbe, dafs sie einem Widerrufe gleichkommt. Es scheint, dafs sie ihn auch wegen ihrer Wohlfahrt und der Bedrängnisse, welche er und die Seinen in der Schi'b zu dulden hatten, verlachten.

37. Wenn dich die Ungläubigen sehen, machen sie dich nur zum Spott [und sagen]: „Ist er es, welcher sich über eure Götter ausspricht? " Sie sind es, welche die Lehre vom Rahmän mit Un- dank von sich weisen.

38. Der Mensch ist aus Uebereilung zusammengesetzt (d. h. du hast dich in der Weissagung übereilt). Ich werde euch meine Zei- chen schon zeigen, seid nur nicht in zu grofser Hast (d. h. das Straf- gericht wird schon eintreten, ihr braucht mich nicht herauszufordern).

39. Sie sagen nämlich : Wann wird diese Drohung in Erfüllung gehen? Sagt es uns, wenn ihr die Wahrheit sprecht.

40. Wenn nur die Ungläubigen die Zeit wüfsten, zu der sie das Feuer weder von ihrem Gesicht noch von ihrem Rücken abzuhal- ten vermögen und wenn sie keinen Beistand finden [dann würden sie nicht so frevelhaft reden].

41. Sie kommt plötzlich und überrascht sie, und sie werden nicht im Stande sein, das Uebel abzuwenden; es wird ihnen kein Verschub gestattet.

42. Schon vor dir wurden die Boten verlacht; allein das, worü- ber sie gespottet hatten, hat die Frevler umzüngelt.

43. Sprich: „Wer kann euch bei Tag und Nacht gegen den Rahmän schützen? Dennoch kehren sie, wenn ihr Herr erwähnt wird, den Rücken.

44. Haben sie vielleicht Götter, welche sie gegen uns schützen können? Nein, diese können sich selbst nicht helfen, noch werden sie bei uns Beistand finden.

45. Allein, wir haben ihnen und ihren Vätern ungestörten Ge- nufs gewährt und sogar lange Lebensdauer gegeben. Aber sehen sie nicht, dafs wir gegen das Land anrücken und seine Endpunkte ver- engen? Werden sie siegreich sein?

46. Sprich: Ich warne euch in Folge von Inspirationen. Allein der Taube hört den Ruf nicht, wenn er auch gewarnt wird.

47. Wenn sie aber dereinst nur ein Hauch der Strafe deines Herrn berührt, werden sie sagen: O weh, wir sind wahrlich unge- recht gewesen.

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48. Wir werden uns am Tage der Auferstehung genauer Waa- gen bedienen und Niemandem wird Unrecht geschehen, wenn er nur das Gewicht eines Senfkörnchens guter Werke aufzuweisen hat. Wir sind hinlänglich gute Rechner.

IL Der heilige Geist.

Im Koran kommt einige Mal der Ausdruck Ruh alkodos, „der Geist der Heiligkeit" vor. In der christlichen Terminologie, aus der ihn Mohammad entlehnt hat, ist er gleichbedeutend mit heilif^er Geist", und es fragt sich, was er darunter verstanden habe. Soyutv, Itkän S. 330, giebt nicht weniger als acht Bedeutungen für al-Rüh, fast für jede Koränstelle, in der es vorkommt, eine andere. Er geht zu weit, aber es unterliegt keinem Zweifel, dafs Mohammad seine Ansicht in Bezug auf den heiligen Geist geändert habe.

Nach Kor. 97, 4 und 70, 4 steigen die Engel und der Ruh (Geist) in der Nacht des Fatums, in der Gott seine Rathschlüsse fafst, zwi- schen Himmel und Erde auf und nieder, und nach 78, :i8 steht der Ruh und die Engel am Gerichtstage in einer Reihe, und sie dürfen nicht sprechen, aufser wenn es der Rahm an erlaubt.

In diesen Stellen besitzt der Geist Individualität und Persön- lichkeit. In demselben Sinne ist das Wort in Kor. 16, io3 io4 auf- zufassen: „Wenn wir einen Koränvers statt eines andern setzen und Gott weifs doch am besten, was er offenbaren will sagen sie: Er ist ein Lügner. Sprich: Der heilige Geist hat die Offen- barung herabkommen machen (herabgebracht) von deinem Herrn, und sie ist lautere Wahrheit", und in Kor. 26, 193: „Der treue Geist ist mit der Offenbarung herabgestiegen auf dein Herz."

Die üeberzeugung, dafs der heilige Geist des Mohammad ein persönliches Wesen, aber doch nicht ein Engel sei, hat zu extrava- ganten Dichtungen, wie folgende, Anlafs gegeben :

„Das gröfste Geschöpf, welches Gott erschaffen hat, ist, mit Ausnahme des Thrones, der Ruh; er könnte die sieben Himmel und sieben Erden mit einem Schluck verschlingen. Seine Gestalt ist die eines Engels, aber er hat ein menschliches Gesicht. Am Gerichts- tage wird er zur Rechten des Thrones stehen. Er steht gegenwär- tig unter allen Geschöpfen Gott am nächsten, denn sein Platz ist ganz nahe an den 70 Vorhängen. Auch am Gerichtstage wird er Gott am nächsten stehen und Fürbitte einlegen für die, welche an den alleinigen Gott glaubten. Er wird durch einen Vorhang von den Engeln getrennt. Diese Vorkehrung ist nothwendig, denn sonst würde sein Licht die Bewohner der Himmel in Asche verwandeln."

230

Dem Alyy wird eine Tradition zugeschrieben, der zufolge der Ruh ein Engel mit 70000 Zungen ist, die alle beständig Gott loben. Mogähid glaubt, dafs der Ruh menschliche Gestalt habe (denn nach seiner Ansicht steht der Mensch höher als die Engel) und der Speise bedürfe, aber doch weder Mensch noch Engel sei. Die späteren Com- mentatoren glaubten, dafs unter Ruh der Koran oder Christus oder die Thierseele oder das Blut oder der Aether (d. h. der schaffende Demiurg) zu verstehen sei ').

Gegenwärtig behaupten die Moslime allgemein, dafs der heilige Geist des Korans ein anderer Name für den Engel Gabriel sei. Diese Ansicht wurde schon im zweiten Jahrhundert vertheidigt ^). Von dem Standpunkt der moslimischen Theologie, welcher zufolge der Prophet vom Anfange bis zum Ende seiner Laufbahn dieselbe Lehre vortrug, haben sie auch ganz Recht. Uns aber treibt die Ue- berzeugung, dafs seine Ansichten Veränderungen unterworfen gewe- sen, zur Forschung.

Da Mohammad in Süra 16 behauptet, dafs der heilige Geist ihm die Befehle Gottes hinterbracht habe, müssen wir diese Frage et- was näher betrachten. Wir lesen schon im Buche Samuel 16, i4, der Geist (Ruh) des Herrn habe den Saul verlassen und ein böser Geist habe ihn geplagt. Die Juden verstanden gewifs sowohl un- ter dem guten als unter dem bösen Geist etwas Persönliches, eine Art Ginn. Die Begriffe von einem guten Geist sind im Verlaufe der Zeit unter dem Einflüsse jener orientalischen Philosophie, wo- von WMr Spuren unter den Ebioniten und selbst im Koran finden und welche noch unter den Moslimen in voller Blüthe ist, ausgebil- det worden. Nach dieser Philosophie konnte Gott die Welt nicht erschaffen, noch regieren; er rief zu diesem Zweck einen Demiurg in's Dasein. Die Ebioniten wendeten auf diesen Demiurg die Be- nennung Christus an, stellten ihm aber, damit die Theorie von einer Schöpfung in Paaren vollständig sei, den heiligen Geist als weibli- ches Wesen zur Seite. Ich glaube nun, dafs so lange Mohammad

') Baghawy, Tafsyr 17, 87, von Sayd b. GobajT.

Den Juden -Christen zufolge war Christus 96 Meilen hoch, gröfser als die höchsten Berge: denn da er diese aufgebaut hat, mufste er doch höher sein, und der heilige Geist ist eben so grofs. Ibn Mas'üd, bei Baghawy, Taf- syr 78, 38, sagt: Der Geist ist ein Engel, gröfser als die Berge und die Hirn mel (vielleicht soll es heifsen der Himmel, d.h. das Firmament), er hat seinen Wohnsitz im vierten Himmel [bei den Astrologen und bei Pseudo- Apollonius un d diese Sekten haben allerlei Aberglauben zusammengemischt ist dies der Himmel der Sonne, d. h. der schöpferischen Kraft]. Er ruft täglich 12000 Mal Subjtiän Allah, und bei jedem Ausruf entsteht ein Engel.

*) Von Katada und Hasan Ba9ry, bei Ibn Sa'd fol. 37 recto.

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seine Offenbarungen durch die Vermittlung eines „Treuen" (81, 21)'), „Eines von grofser Macht" (53,5), „des treuen Geistes" (26, 193) empfing, er irgend eine populäre Metamorphose dieses Demiurgs im Auge hatte. Wenn er dann im Kor. 16, 104 von dem „heiligen Geist" inspirirt wird und in K. 19,i7 die Jungfrau Maria von dem „heili- gen Geist" Jesum empfangen läfst, so identificirt er diesen Demiurg mit der dritten Person der christlichen Dreieinigkeit. Vielleicht that er es aus Gefälligkeit gegen die Christen, welche ihm arg zugesetzt zu haben scheinen (vergl. Kor. 13, 26 27) und von der Bereitwillig- keit des Propheten, Concessionen zu machen, haben wir Beispiele genug. Wie dem immer sein mag, die Anerkennung des heiligen Geistes der Christen brachte ihm Schwierigkeit. Er predigte einen strengen Monotheismus, verwarf die Menschwerdung und die Drei- einigkeitslehre, und nun sprach er doch von der dritten Person Got- tes. Seine Gegner fanden es um's Jahr 619 auf den Rath der Ju- den passend, ihn darüber zu Rede zu stellen'). Sie fragten ihn (Kor. 17, 87): „Was ist der Ruh (Geist)?" Er antwortete: „Der Ruh ist [ein Ausflufs] von dem Amr meines Herrn; und das Wis- sen, welches ihr besitzet, ist gar gering."

Ehe ich auf die Erklärung dieser Antwort eingehe, will ich blofs bemerken, dafs, wenn Mohammad damals schon vom Engel Gabriel gewufst hätte, seine Antwort ganz anders gelautet hätte.

Das Ungenügende dieser orakulösen Antwort ist schon den mos- limischen Exegeten aufgefallen. Sie fabeln daher: „Die Koray- schiten befragten die Juden über die Ansprüche, welche Moham- mad mache. Sie antworteten: Um ihn zu prüfen legt ihm drei Fra- gen vor; wenn er sie alle drei beantwortet, so ist er kein Prophet, wenn er aber einige beantwortet und andern ausweicht, so ist er

') Man könnte einwenden, dafs wenn Mohammad den Demiurg meinte, er gesagt haben würde der Treue, mit dem bestimmten Artikel. Indessen die bei uns für kindisch geachtete Ausdruckweise, von Jemandem, den man auszeichnen will, unbestimmt zu reden, ist im Arabischen, und besonders im Koran sehr be- liebt. So z. B. statt zu seiner Geliebten zu sagen; Ich habe dich gestern ge- sehen, würde Einer sagen : Ich habe Jemanden gesehen mit blauen Augen und schwarzen Haaren.

*) Ueber die Zeit dieser Offenbarung hat uns A'masch (tl47) eine Tra- dition überliefert (beiMoslim Bd. 2 S. 641 und Bochäry, und bei Baghawj', Taf- syr 17, 89), welcher zufolge diese Frage erst in Madyna an den Propheten ge- stellt worden wäre. Obwohl A'masch diese Tradition durch Ibrähym (f 96), von 'Alkama (|62), von Ibn Mas'üd, und auch von 'Abd Allah b. Morra, von Mas- rük, gehört haben will, so verdient sie doch durchaus keinen Glauben.

Ich pflichte vielmehr dem Wähidy (Asbäb 17, 87, von 'Ikrima, von Ibn "Abbäs) bei, welcher sagt: Die Korayschiten baten die Juden um eine verfäng- liche Frage, und diese sagten: Fraget ihn, was der Geist sei? Den Vorfall setze ich in das Jahr 619.

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ein Prophet. Die drei Fragen sind: Wer waren die jungen Leute (Siebenschläfer), welche in alten Zeiten vermifst wurden? Wer ist der Mann, welcher den Osten der Erde erreicht hat und den We- sten? und was ist der Geist? Die ersten beiden sind in Süra 18 beantwortet, die dritte in Kor. 17, 87 [aber ausweichend und unge- nügend]."

Der Sinn der Erklärung von Ruh hängt von der Bedeutung von ^Amr" ab. Es ist schwer, im Deutschen einen entsprechenden Aus- druck zu finden. Am nächsten kommt ihm wohl unser Schaffen oder Walten, denn auch Amr bedeutet Walten, Befehl, Geschäft (affaire) und Sache (d. i. etwas Geschaffenes ' ) ; so z.B. im Koran 2, in: „Wenn Gott ein Amr beschlossen hat, so spricht er: Sei! und es ist." Sowohl in dieser als auch in obiger Inspiration würde Geschäft am besten die Idee des Originals ausdrücken.

Die Antwort des Mohammad bedeutet also so viel als: Der [heilige] Geist besteht in einem Walten Gottes, er ist eine seiner Kraftäufserungen. In der Voraussetzung, dafs er diese Ansicht sei- nen christlichen Lehrern verdanke, fragte ich den Herrn v. Bunsen, wie sich unitarische christliche Sekten vor Mohammad den heiligen Geist vorstellten , und er verwies mich auf sein Christianity and Mankind Vol. I, p. 193, wo er die Ansichten des Hermas darüber erörtert. Ihm zufolge „kommt der Geist von Gott und hat Macht". Dies pafst vollkommen auf die bisher angeführten und noch anzu- führenden Koränstellen. Von Anfang an hat ihn Mohammad den Mächtigen vor dem Throne Gottes genannt. Noch enger ist der heilige Geist des Korans mit dem Logos des Philo verwandt. Die- ser ist einerseits die Idee Gottes, deren objektiver Ausdruck die sichtbare Welt ist, andererseits aber besitzt er persönliche Existenz und ist der Sohn Gottes, aber der Gottheit untergeordnet. Er ist der Demiurg, welcher die Welt erschaffen hat, sie regiert, den Men- schen inspirirt und leitet und ein Vermittler zwischen der Gottheit und den Menschen ist. Philo war kein sehr klarer Kopf und daher hat sein Logos bald Persönlichkeit, bald aber nicht. Obwohl wir auch bei Elxai eine solche Begriffsverwirrung finden, so ist doch ziem- lich klar, dafs „der Geist" des Mohammad nicht ein solcher Zwitter ist, er ist nicht zu gleicher Zeit ein blofser Begriff und ein persön- liches Wesen, sondern im Jahre 619 hat er seine Persönlichkeit auf immer ausgezogen, die er bis dahin stets behauptet, weil sie An- stofs gegeben hatte. Ich schalte noch andere Stellen ein, um den Wechsel der Ansichten deutlicher zu machen.

*") Auch Schay bedeutet Sache; es ist aber allgemeiner als Amr; Gott ist ein Schay, aber nicht ein Amr.

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In der im Jahre ßlß 617 verfafsten Süra 19, i? wird gesagt: „Wir sandten zu der Maria unsern Geist, welcher die Gestalt eines schönen Mannes annahm". Hier ist nicht von einem Geiste, son- dern von dem Geiste Gottes die Rede. In der madynischen (d. h. viel spätem) Süra 66, 12 aber sagte er: „Wir hauchten Etwas von unserm Geist in die Maria" '), und in Süra 4, i69, welche ebenfalls madynisch ist, heifst es: „Gott liefs etwas von seinem Geiste in sie eindringen". Diese zwei Stellen sind also analog mit den auf .die Belebungsgeschichte Adams bezüglichen Stellen Kor. 38, 72. 15,' 29. 32, 8, welchen zufolge Gott der Form von Thon etwas von seinem Geiste eingeblasen hat. Iq Kor. 16, 1 2 heifst es:

„Das Amr (Walten) Gottes wird augenblicklich eintreten (d. h. die Strafe wird bald kommen), beschleunigt es nicht I Erhaben ist er und weit entfernt ist er [über die Wesen], die sie ihm zugesel- len. Er sendet seine Engel mit dem Ruh von seinem Amr (d. h. welcher eine von seinen Kraftäufserungen ist) zu wem er will von seinen Dienern, auf dafs sie (die auf diese Art Inspirirten) die Men- schen darauf aufmerksam machen, dafs es keinen Gott gebe aufser Ihm."

Hier kann der Geist nichts anderes sein als eine Inspiration, welche durch den Einflufs der Engel wie Wahnsinn durch den Ein- flufs der Ginn vermittelt wird ; die Vorstellung unterscheidet sich da- her von der ursprünglichen, welcher zufolge er den treuen Geist gesehen hatte.

Auch in der folgenden Stelle (K. 40, 15) bedeutet Ruh eine In spiration; denn der Ausdruck „einflöfsen" wird nur von einer In- spiration gebraucht:

40,15. „Allah, der Herr der Stufen (der Hochstehende) und Be- sitzer des Thrones flöfst den Geist (Ruh) [welcher eine Manifesta- tion) von seinem Walten (Amr) ist, wem er will von seinen Die- nern ein, auf dafs er (der inspirirte Diener) die Menschen auf den Tag des Zusammentreffens (der Auferstehung) aufmerksam mache."

In demselben Sinne, aber noch deutlicher, spricht sich Moham- mad in K. 42, 50 aus: „Ein menschliches Wesen kann nicht erwar- ten, dafs Gott mit ihm auf andere Weise rede, als durch Inspiration oder hinter einem Schleier (ungesehen), oder indem er einen Boten zu ihm sendet, welcher ihm eingiebt was Gott gefällt. Auf diese Art haben wir dir einen Ruh von unserem Walten (Amr) eingege- ben, zu einer Zeit als du noch nicht wufstest, was das Buch (wel-

') Auch im K. 21, 91 kommt dieser Ausdruclt vor. Wir müssen entweder annehmen, dafs „Etwas von" erst später eingeschoben, oder diese Stelle erst spät geoffenbart worden sei.

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ches im Himmel aufbewahrt wird) und der Glaube (Ymän) sei." Hier ist der Bote, den er mit Augen gesehen hat, ganz verschie- den von dem Geiste ( Walten Gottes), welcher ihn beseelte.

Man kann nicht umhin die Geschicklichkeit zu bewundern, mit welcher Mohammad seine Meinungsänderung über den heiligen Geist ausdrückt.

Nachdem nun der Unterschied zwischen einem Geist und dem Geist, den Mohammad früher festgehalten hatte, durch die Verflüch- tigung des heiligen Geistes verschwunden war, konnte er sich, wo er von Christus spricht, ohne sich zu kompromittiren, des christli- chen Ausdruckes bedienen und K. 2, 8i. 254; 5,iu9 sagen, Jesus sei vom heiligen Geist ') gestärkt worden. Und so wird auch in den madynischen Suren der Geist eine blofse Phrase. Er läfst seine Stär- kung irgend Jemandem zu Theil werden, z. B. K. 58, 22: „Gott un- terstützt die Frommen durch einen Geist und führt sie in's Paradies ein." In der Tradition (im Kitäb alaghäniy) behauptete er sogar, Gott stärke den Dichter Hassan in seinen poetischen Arbeiten durch den heiligen Geist.

Nachdem der Geist seine Persönlichkeit verloren hatte, war Mo- hammad ohne sichtbares Dämonion. In Madyna vermehrten sich seine Anhänger; die meisten besafsen viel mehr Glauben als Ver- nunft, und diese wollten betrogen sein. Es hätte diesen Leuten wenig Befriedigung gewährt, wenn ihr Prophet blofse Inspiratio- nen erhalten hätte. Ehrliche Erklärungen, wie die so eben an- geführten (Koran 40, 15 und 42, 52), waren an solchen Menschen verloren. Er kam also auf den „Geist ausgerüstet mit Macht" zu- rück, den er so oft es ihm beliebte zu sich beschied und ihn mit dem Engel Gabriel (d. h. die Kraft Gottes) identificirte, dessen Na- men er von den orthodoxen Juden in Madyna gehört hatte. In ma- dynischen Offenbarungen kommt auch der Name des Gabriel vor, aber nicht in makkanischen.

Auf diese Art erhielt die Frage über den Geist eine vollends befriedigende Lösung. Der psychologische Procefs, der allen diesen Metamorphosen des Geistes zu Grunde liegt, können wir mit Si- cherheit verlolgen und er zeigt von bedeutender Tiefe. Untersucht man die Saohe näher, so sind der ebionitische Demiurg, der heilige Geist der Christen und der Engel Gabriel verwandte Wesen. Mo- hammad reducirte sie alle nach einander zu demselben Begriff, be-

') Hier kam dem Mohammad die Unbestimmtheit der arabischen Sprache zu Statten; denn Ruh alkodos „Geist der Heiligkeit", welches die christliche Benen- nung für den heiligen Geist ist, kann bedeuten ein oder der Geist der Hei- ligkeit.

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harrte aber am Ende bei der jüdischen Ausstattung dieses Begriffes, weil für sein System die ebionitische zu phantastisch und die christ- liche zu heidnisch war. Ein Oberengel aber, der wie Millionen an- dere dazu erschaffen ist, dafs er Gott preise, pafste für seinen nüch- ternen Monotheismus.

Die moslimischen Philosophen gehen etwas tiefer in die Frage über den heiligen Geist und die im Koran 17, 87 enthaltene Detini- tion ein, freilich nach ihrer eigenen Weise. Der Imäm Fachr aldyn Räzy sagt (im Mawähib S. 63):

„Sie fragten ihn über den Geist, welcher die Ursache des Le- bens ist. Die Antwort auf ihre Frage konnte nicht besser sein. Aus der Erklärung geht hervor, dafs sich die Frage blofs auf das Wesen des Geistes bezog, aber nicht auf Propositionen, wie: ob er räumlich sei oder nicht? ob er in dem Räumlichen weile oder nicht? ob er von Ewigkeit her existire oder zeitlich sei? ob er nach seiner Trennung vom Körper fortdaure oder in's Nichts zurückkehre? ob und in wiefern er der Belohnung und Bestrafung unterworfen sei? und auf ähnliche mit dem Geiste in Verbindung stehende Proposi- tionen. Auf keine von diesen wurde in der Antwort eingegangen. Es ist daher klar, dafs sie ihn blos über die Wesenheit des Geistes befragten und ob er von Ewigkeit her oder zeitlich sei? Die Ant- wort zeigt, dafs er ein mit Existenz begabtes Wesen (schay maw- gud) sei, welches aber [in der Erscheinung] verschieden ist, je nach den Naturen und Mischungsverhältnissen [der Körper die es belebt] und ihrer Organisation. Er ist also eine einfache absolute Materie, welche einen Schöpfer voraussetzt. Darum beifst es im Koran: „Sei! und er war". Er verdankt sein Dasein dem Walten (Arar) und der Schöpfung (Takwyn) Gottes. Er äufsert sich als der Quell des Lebens der Körper. Wenn wir keine nähere Kenntnifs seiner Beschaffenheit besitzen, so ist doch kein Grund vorhanden, seine Existenz zu läug- nen. Es ist anzunehmen, dafs Amr im Koränverse dieselbe Bedeu- tung habe wie fa'l (thun, handeln). Es hat diese Bedeutung auch im K. 11,99: „Das Amr des Pharao ist nicht geleitet (gerecht)", d. h. sein Handeln. Aus dem Koran geht also hervor, dafs der Geist zeitlich (nicht von Ewigkeit) sei. Die Alten haben diese Frage nicht untersucht."

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III. Der Thron Gottes.

Der Thron Gottes spielt eine grofse Rolle im Koran; das ara- bische Wort dafür ist 'arsch. Es wird auch von einem irdischen Thron oder Ehrensitz gebraucht (Kor. 12, loi; 27, 23. 38. 4i. 42). Die Form eines orientalischen Thrones ist die eines einen Fufs hohen Tisches, etwa sechs Fufs lang und fünf breit, mit einem niedrigen Geländer auf drei Seiten. Darauf liegt eine mit Sammet oder Atlas überzogene und reichlich mit Gold verzierte Matratze und mehrere grofse Polster. Er steht fast in der Mitte des Zimmers, an dessen Wänden Diwane sind. Wahrscheinlich schwebte über dem Throne grofser Fürsten ein prachtvoller Baldachin.

Wenn auch im Koran 'arsch auf einen irdischen Thron ange- wendet wird, so wird der Thron der Chalyfen doch gewöhnlich sa- ryr genannt und 'arsch zur Benennung des Thrones Gottes reservirt.

Schon in dem arabischen Buch des Enoch, welches aus dem Griechischen übersetzt und wahrscheinlich ein christliches Fabrikat ist, wird Gott der Besitzer oder König der Throne genannt. Aber das Wort für Throne ist saräyir (Plur. von saryr). In der Apoka- lypse kommt der Thron Gottes oft vor. Auch den Juden war er bekannt, und nach dem Buche Hiob 26, 9 hält Gott den Thron auf den Wolken.

Es scheint auch die Idee der heidnischen Araber gewesen zu sein, dafs Allah als König der himmlischen Heerschaaren im Him- mel auf einem Thron sitze. Im Koran 23, 88 heifst es: „Frage die Heiden: Wer ist der Herr der sieben Himmel und der Herr des erhabenen Thrones? und sie werden antworten: Diese Dinge sind in Allah's Macht." Gott wird daher in vielen Stellen der Herr des erhabenen Thrones geheifsen (Kor. 81, 20. 85, is. 43, 82. 40, 15. 27, 26. 23, 117. 21, 22. 17, 44). Der Thron wird von Engeln getragen und sie umgeben ihn lobpreisend (Kor. 40, 7. 39, 75. 69, 17). Vor der Schöpfung schwebte der Thron Gottes (nicht der Geist Gottes, wie Gen. 1, 2) auf dem Wasser (Kor. 11, 9), und nachdem Gott in sechs Tagen die Schöpfung vollendet hatte, schwang er sich auf den Thron (Kor. 7, 52. 10, 3. 25, 60. 32, 3. 57, 4). Während der kurzen Zeit, in welcher Mohammad den Rahmän predigte, safs der Rah- män auf dem Thron. Unter den Theologen sind fabelhafte Beschrei- bungen des Thrones entstanden, und viele haben ihn als ein ver- nünftiges Wesen dargestellt. Ich zweifle, dafs Mohammad je an so etwas dachte.

Ich glaube, dafs ein Unterschied ist zwischen 'Arsch und Saryr und dafs letzteres blofs Thron, ersteres aber Thron mit Einschlufs

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des Baldachins bedeute, denn 'Arysch wird jetzt noch gebraucht fiär Reben, welche an einem Geländer emporgezogen werden und gleich- sam einen Baldachin bilden. Der Baldachin und selbst der Sonnen- schirm, in Indien Tschattar genannt, spielen im ganzen Orient eine grofse Rolle im Hofceremoniel. Im Hofraume und selbst in der Nähe eines königlichen Palastes darf Niemand anders als königliche Prinzen einen Chhattar über dem Kopfe tragen. Auch in persischen Gemälden sind Fürsten immer durch den Clihattar ausgezeichnet, ja schon in den Denkmälern von Niniveh erkennen wir am Sonnen- schirm den König (vergl. Vaux, Ninive and Pers. London 1850. S. 274). Von den Persern scheint er auf die Griechen und dann auf den katholischen Gottesdienst bei Processionen überge- gangen zu sein.

Zwölftes Kapitel.

Periode fremder Einflüsse.

JJie Zeit von 616 bis 619 war sehr stürmisch und Mo- hammad hatte nicht nur gegen seine Feinde zu kämpfen, sondern auch se^en die wohlijemeinten Zumuthungen von

DO O O

Leuten, welche die Kunde von seinem Auftreten aus der Ferne herbeigezogen hatte und die nun erwarteten, dafs er, der Seher, gerade das verkünde, was sie als wahr und ausgemacht anzusehen gewohnt waren. Er hat sich wirk- lich verleiten lassen, Dinge zu lehren, die nicht in seinem Geiste waren , und lief Gefahr, seinen Inspirationen untreu zu werden. Wir wollen nun in diesem Kapitel in Erman- gelung von Berichten über diese Gegenstände den Ent- wicklungsgang einiger im Koran ausgesprochenen Ideen verfolgen, im vierzehnten Kapitel aber wollen wir in die Controversen eingehen, zu welchen seine Lehren Anlafs gaben.

I. Die Ginn und Engel.

Mohammad verwahrte sich in mehreren Koränstellen gegen die Imputation, dafs er von Ginn besessen sei, und der Tradition zufolge war ihm der Gedanke, dafs die Ginn ihr Spiel mit ihm treiben, so schrecklich, dafs er einen Selbstmord begehen wollte. Die Ginn standen also zu An-

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fang seiner Mission nicht hoch in seiner Meinung. Es ist ungewifs, ob er damals die Engel dem Ginngeschlechte beizählte. Der Umstand, dafs ihn die Erscheinung des We- sens von grofser Macht von dem peinhchen Gedanken, er sei von Ginn besessen, befreite, Avürde uns zum Schlufs führen, dafs er einen grofsen Unterschied zwischen Engel und Ginn machte, wenn es nur auch feststünde, dafs er darunter einen Engel meinte. In Madyna sprach er aller- dings von dem Engel Gabriel, aber in Makka war es der heilise Geist, welcher die Offenbarun<i:en seinem Herzen überbrachte, und dieser heilige Geist war, so lange er Kör- perlichkeit besafs, wahrscheinlich ein Demiurg, wie der Christus des Elxai, und nicht ein Engel. Es läfst sich also nicht ermitteln, was Mohammad anfangs von den Engeln hielt.

Im Jahre 616 erkannte er drei heidnische Penaten als Fürsprecher vor Allah an, und es unterliegt keinem Zwei- fel, dafs er dies unter der Voraussetzung that, dafs sie Re- präsentanten von Engeln, biblischen Geistern, seien. Er identificirte somit die Ginn und Engel, und es ist wahr- scheinlich, dafs auch die Heiden keinen Unterschied mach- ten; von den Banü Molayh Avird geradezu behauptet, dafs sie die Engel anbeteten, und wenn das üd. I S. 130 an- geführte Dokument echt ist, war auch den Korayschiten die Engelanbetung nicht fremd. Die Heiden mochten Ave- nig Gewicht auf diese Identität legen, aber für ihn, den Propheten Gottes, konnte es keinen andern Vorwand für die Götzenverehrung geben, als dafs in den Götzen Engel und Töchter Gottes angebetet werden und dafs es auch schriftbesitzende (jäbische Sekten gebe, welche an eine Engelhierarchie glaubten. Wir haben keine Aussprüche, in denen er die Engelanbetuno: erlaubte, aber die Koran- stellen, welche er veröffentlichte, nachdem er von seinem Irrwege zurückgekommen war, zeigen deutlich, worin seine den Heiden gefällige Lehre über Lät und 'Ozza, die er nun verdammte, bestanden habe:

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53,28. Diejenigen, welche nicht an das Jenseits glau- ben, geben den Engeln Frauennamen (vergl. Kor. 12, 40. 7, 69).

43,18. Sie machen aus den Engeln, Avelche Knechte des Rahmän sind, weibliche Wesen.

19. Sie sagen: Wenn es des Rahmän Wille wäre, würden wir sie nicht anbeten.

17,42. Euer Herr soll euch bevorzugt haben, indem er euch Söhne giebt, für sich selbst aber aus den Engein Mädchen anijeschafft hat.

37,149. Frage sie: Hat dein Herr Töchter und sie Söhne?

150. Haben wir etwa die Engel als Mädchen er- schaffen? und wäret ihr zugegen [dafs ihr es wisset]?

Er ging nun immer weiter in der Verdammung der Engelanbetung, und um die Ungereimtheit derselben recht anschaulich zu machen , erzählte er im Sommer oder Herbst 617 folgenden Mythus:

38,65. Sprich: Ich bin ein Warner und es giebt kei- nen Gott aufser Allah, dem Einigen, dem Mächtigen,

66. dem Herrn der Himmel und der Erde und des- sen, was dazwischen ist, dem Erhabenen, dem Erbarmer.

67. Sprich: [Dieses] ist eine wichtige Mittheilung *):

71. Dein Herr sprach bekanntlich zu den Engeln: Ich will einen Menschen aus Lehm erschaffen,

72. und wenn ich ihn gestaltet und etwas von mei- nem Geist in ihn gehaucht habe, so werfet euch anbetend nieder vor ihm.

73. Alle Engel warfen sich nieder,

74. Ausgenommen Iblys. Er war zu hochmüthig und gehörte zu den Frevlern

I) Die Verse 68, 69 und 70, welche den Sinn unterbrechen, halte ich für ein späteres Einschiebsel, welches Mohammad wahr- scheinlich erst dann machte, als der Informant (vorausgesetzt dafs die Erzählung nicht von seinem Mentor kam) verschwunden war. Sie finden im folgenden Kapitel einen Platz.

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75. Gott sprach: 0 Iblys, warum fällst du nicht nieder vor dem, Avas ich mit meinen Händen erschaffen habe,

76. bist du zu hochmüthig oder zu hochgestellt?

77. Er antwortete: Ich bin besser als er: Du hast mich aus Feuer erschaffen und ihn aus Lehm.

78. Gott sprach: Hinaus mit dir von hinnen, denn du bist verdammt.

79. Mein Fluch ruht auf dir bis auf den Gerichtstag*). 8(». Iblys sagte: Herr, gewähre mir Aufschub bis an

den Tag, an dem sie auferweckt werden.

81. Gott antwortete: Es soll dir Aufschub gewährt werden

82. bis auf den Tag des gewissen Zeitpunktes (den Tag der Auferstehung).

8J. Ibljs versetzte: [Ich schwöre] l>ei deiner Gröfse, ich werde sie (die Menschen) alle irre führen,

84. aufser jenen von ihnen, so deine auserwählten Die- ner sind.

85. Gott antwortete: Was sich geziemt, soll gesche- hen und ich spreche es aus, ich will die Hölle füllen mit dir und mit denen von ihnen, welche dir folgen, insgesammt.

iblys hätte sogleich in die Hölle geworfen werden sollen, aber der Zweck des Mvthus ist, den Ursprung des üebels auf Erden zu erklären und den Iblys zum Sünden- bock zu machen. Nicht zu übersehen ist, dafs Iblys hier ein gefallener Engel und nicht dem Ginngeschlechte entsprossen ist. Mohammad hat wohl wie in den soeben anüreführten Offenbarungen keinen Unterschied gemacht zwischen En- geln und Ginn. Weil es aber doch zu viel gefordert wäre, wenn Iblys allein alles Unheil anstiften müfste, so werden ihm in Kor. 26, 95 Legionen beigegeben.

Der L^nterschied des koränischen Mythus von der bi-

') Das hier gebrauchte Wort für Gerichtstag yawm aldyn ist, wie wir gesehen haben, aus der christlichen Terminologie ent- nommen. Vers 84 enthält eine Anspielung auf die Gnadenlehre, u. 16

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blischen Erzählung bestellt darin, dafs die Engel aufgefor- dert werden, sich vor Adam zu prosterniren. Es ist nicht schwer, aus dieser Abweichung die Moral herauszulesen: Adam, der Vater des Menschengeschlechtes, steht viel hö- her als die Engel, es ist also sehr thöricht, wenn die Men- schen dieselben anbeten. Bis auf den heutigen Tag stellen die Moslime die Menschheit über die Engel, weil Moham- mad ihr angehörte.

Schon Geiger hat S. 100 die üeberzeugung ausge- sprochen, dafs diese Erzählung christlichen Ursprungs sei; er zeigt, dafs Iblys aus üiabolos entstanden ist^), wovon es nicht weiter entlernt ist als unser Teufel, der densel- ben Ursprung hat. Die Erzählung des Engelfalles wird sechs Mal im Koran wiederholt, und in echt orientalischem Geist behält der Verfasser den Ausdruck Iblys immer bei, der aulserdem nur noch zwei Mal (Kor. 34, 19. 26, 95) und zwar in christlichen hispirationen vorkommt. In allen an- dern siebenundachtzig Stellen, in denen der J'eufel im Ko- ran genannt wird, hat er den echt semitischen Titel Schay- tän (Satan)-). Man mufs nicht etwa denken, dafs Moham- mad neben dem semitischen Satan seine Religion mit noch einem Teufel, dem Iblys, bereichert hat. Ein Vergleich zwischen Kor. 20, 115 und 2, 118 beweist, dafs beide Na- men dieselbe Persönlichkeit bezeichnen.

') Die Form von Iblys ist im Arabischen sehr selten. Sie kommt in Idrys d. h. Enoch, Iklym Clima, Iklyl Krone, Iklyd (pers. Kilyd, griech. xXeii;, xXttSog) Schlüssel, Iksyr Elixir. Alle diese Wör- ter scheinen fremd und mittelbar durch einen andern Dialekt in die arabische Schriftsprache übergegangen zu sein.

') Arabische Philologen behaupten, dafs Schaytän ursprünglich Schlange bedeute und dann auf alle verworfenen Wesen, Menschen, Ginn und Thiere, angewendet werde. Das Verbum y^X, welches im Hebräischen „widerstreben" bedeutet, wäre demnach von dem Substantif abgeleitet. Die Verwandtschaft der Begriffe „verflucht" und „Schlange" geht daraus hervor, dafs die Schlange auch Tho'ban „die Verfluchte" genannt wird. Im Koran und in der Hadyth wer- den auch Menschen Schaytän genannt, aber man heifst sie nicht Iblys,

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Es ist, wie Geiger bemerkt, besonders beweisend für den christlichen Ursprung der (leschichte des Falles der Engel, dals in Siira. 20, 114 127, wo ihr die Erzählung der Sünde der ersten Eitern angehängt wird, der Teufel in Vers 115, welcher den Engelsturz enthält, Iblys, in den folgenden Versen aber, w eiche Adams Sündenfall enthalten, Schaytän ') heilst. Die Legende von der ersten Sünde ist nämlich durch jüdische Ueberlieferung aufbewahrt worden, die des Ungehorsams der Engel aber kennzeichnet sich als die Erfindung einer altern Sekte.

Der Mythus ist also nicht von Mohammad erdacht wor- den, sondern von einer judenchristlichen Sekte, welche ge- gen den Glauben an eine Engelhierarchie verwandter Sek- ten eiferte, oder was noch wahrscheinlicher ist, von Re- formern, welche die unter ihren Mitbrüdern übliche Engel- anbetung verdammten. So lange der Prophet gegen die Engelanbetung predigte, wie in obigen Versen, pafste er ganz für seine Zwecke; er kam aber bald von der Ansicht, dafs in den Götzen Engel verehrt werden, zurück, behaup- tete, dafs (linn unter diesen Symbolen Anbetung empfin- gen und nun machte er den Iblys zu einem Ginn und zum Vater einer zahlreichen Brut von Geistern der Verführung, und wie es scheint, verdammte er einige Zeit das Ginngeschlecht sammt und sonders.

18, 48. Wir sagten ja zu den Engeln: Werft euch nie- der vor Adam. Sie Avarfen sich nieder, ausgenommen Iblys; er war einer der Ginn und widerstrebte dem Befehle Gottes. Wollt ihr also ihn und seine Brut als eure Götter anerkennen statt meiner? Sie sind eure Feinde und die Ungerechten machen einen schlechten Tausch.

15, 26. Wir haben den Menschen aus abgestandenem, hartem Lehm gebildet, welcher gegossen Avorden war.

') Auch in Kor. 2, 32 und 17,66, in einem zum Theil originel- len Zusätze, gebraucht Mohammad Schaytän, iu den vorhergehenden und folgenden Versen aber Iblys.

16*

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27. Den Gän (Vater der Ginn) aber hatten wir schon früher aus verzehrendem Feuer erschaffen.

28. Es sprach ja dein Herr zu den Engehi: Ich er- schaffe nun einen Menschen aus abgestandenem, harten Lehm, welcher gegossen worden war.

29. Und sobald ich ihn zurecht gemacht und etwas von meinem Geiste hineingehaucht habe, werfet euch an- betend vor ihm nieder.

30. Die Engel warfen sich insgesammt nieder,

.31. mit Ausnahme des Iblys; er weigerte sich, den sich Niederwerfenden anzugehören etc.

Ich führe nun eine Stelle an, in welcher die Ginn von den Engeln getrennt, diese zu Ehren gebracht und jene verdammt werden. Während er früher die Engelanbetung sanctionirte und dann dagegen eiferte, stellt er jetzt die Möglichkeit derselben in Abrede und erklärt, dafs alles nur Ginnanbetung sei:

34, 39. Eines Tages wird sie Gott Alle (Menschen, En- gel und Ginn) versammeln; dann wird er die Engel fragen: Haben diese (die Menschen) euch angebetet?

40. Sie antworten: Bewahre, du bist unser Verbün- deter und nicht sie. Nein, sie beteten die Ginn an und die meisten von ihnen glaubten an sie.

Es kam dem Mohammad gar nicht in den Sinn, den Kabinen eine Art von hispiration abzusprechen. Er behaup- tete aber, dafs diese von den Ginn, welche sie anbeteten und mit denen sie daher auf vertrautem Fufse standen, bis- weilen in den Geheimnissen des Himmels unterrichtet wer- den. Die Ginn aber erlauschen die Geheimnisse an den Thoren des Himmels, und weil sie selbe Aveder deutlich vernehmen, noch ihren Verehrern deutlich mittheilen, so sind die Orakelsprüche der Kähine immer verwirrt und nur theilweise richtig. Um nun den Verdacht zu beseitigen, dafs er seine Lehre wohl die Prophetengeschichten von den Ginn erhalte, sagte er, dafs Gott diesem Lauschen ein Ende gemacht habe, indem er, wenn sich ein Ginn oder

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Satan den Thoren des Himmels nähert, einen Stern auf ihn schleudere, l ns erscheinen diese Sterne als Sternschnup- pen, und die Tradition erzählt, dafs während der Leb- zeiten des Propheten die Sternschnuppen aufserordentlich häufig waren. Die moslimischen Philosophen hingegen su- chen die Sternschnuppen auf natürliche Weise, als entzün- dete Gase, zu erklären. Folgende Inspiration, in welcher der Beruf der Engel näher erläutert wird, bezieht sich auf diesen Gegenstand:

37, 1. [Ich schwöre] bei den Engeln, welche in Reihen [anbetend sich niederwerfen],

2. deren Geschäft es ist, den erschreckenden Straf- ruf ergehen zu lassen [über die Ungläubigen] ')

.3. und [dem Propheten] die Erinnerung (Olfenbarun- gen) vorzutragen,

4. dafs eure Götter nur ein Gott seien:

5. nämlich der Herr der Himmel und der Erde und was dazwischen ist, und der Herr der Oriente.

6. Wir haben den untersten Himmel mit Sternen ge- schmückt zur Zierde

7. und zum Schutze gegen die widerspenstigen Satane.

8. Sie können die Gespräche der höchsten Mala (himmlischen Aristokratie) nicht hören, indem von allen Seiten auf sie geworfen wird (d. h. die Engel nehmen die Sterne und werfen sie auf die Satane), .

9. um sie zu vertreiben; und es harrt für sie eine dauernde Strafe.

10. Einige jedoch erhaschen einige Worte, während eine durchdringende Sternschnuppe auf sie zufliegt [die von den Engeln auf die Teufel geschleuderten Sterne er- scheinen uns als Sternschnuppen].

11. Frage nun die Ingläubigen, ob sie stärker gebaut sind oder die Wesen (Ginn), welche Avir erschaffen haben. Jene haben wir blofs aus zähem Lehm gemacht.

•) Vergl. V. 19 dieser Süra.

246

Auch die Juden geben diese Erklärung von dem Er- scheinen der Sternschnuppen. Die Theorie hängt aber so eng mit dem arabischen Götzendienst zusammen, dafs ich glaube, sie sei ursprünghch um ihn zu widerlegen erfun- den worden.

Später hat er die Ginn ebenfalls wieder in Gnaden auf- genommen und nun behauptete er, dafs es nicht ihrer Verfüh- rung:, sondern der Thorheit und Unwissenheit der Menschen zuzuschreiben sei, wenn sie selbe anbeten. Dieses gelinde Urtheil war wohl eine Folge des Druckes von Aufsen. Die Acht war, wie wir gesehen haben, so drückend für seinen Beschützer, dafs er eine verträglichere Sprache gegen die Heiden und ihre Religion führen mufste als früher, um eine Aussöhnung zu ermöglichen. Folgende Offenbarung fiele demnach in das Jahr 619. Später hat er einen Unterschied zwischen guten und bösen Ginn gemacht:

25, 18. Eines Tages werden wir sie und die Wesen, welche sie aufser Allah anbeteten, versammeln und diese fragen: Habt ihr jene unsere Diener irre geführt oder ha- ben sie selbst den Wes: verloren?

19. Sie werden antworten: Deine Glorie! Wir durf- ten mit Niemandem in Wechselverhältnifs treten aufser dir. Aber du hast ihnen und ihren Vätern so viel Genufs ver- schafft, dafs sie das Andenken an dich verloren haben und verworfene Menschen wurden [dieses ist die Ursache, wa- rum sie uns anbeteten und nicht dich].

2(». Ihr seht, o Menschen, dafs eure Abgötter eure Be- hauptungen als Lügen erklären, auch ist ihnen weder eine Diversion^) zu euren Gunsten, noch offene Hülfe möglich.

•21. Folglich, wer von euch ungerecht ist, den wol- len wir eine grofse Strafe kosten lassen.

Nach Aufhebung der Acht hat er noch im Jahre 619 eine Reise nach Täyif unternommen. Auf der Rückkehr von Täyif nach Makka, als er zu Nachla übernachtete, hatte

') Carf, wörtlich wenden, wird auch mit Hyla, Kriegslist er- klärt.

247

er einen trefflichen Einfall: Die bösen Ginn, welche sich allenfalls doch anbeten lassen, gehen nach wie vor mit ih- ren Verehrern in die Hölle, die guten aber erkennen ihn als Propheten an und bekehren sich zum Islam! Jetzt hät- ten die Ginn -anbetenden Makkaner ihn doch auch aner- kennen sollen '). Da Schaytän, Teufel, ein sehr allgemei- ner Begriff und auch auf Menschen anwendbar ist, konnte er immer noch die bösen Ginn Schaytäne heifsen.

72, 1, Sage: Es ist mir geoffenbart worden, dafs einige Ginn [dem \^ortrage des Korans] zugehört und erklärt ha- ben: Wir haben einen wunderbaren Psalter vernommen^),

' ) In einer Tradition bei Bochäry, S. 687, wird sehr naiv ge- sagt, dafs, obschon die Menschen gewisse Persönhchkeiten aus dem Ginngeschlechte anbeteten, sie dennoch ihrem Beispiele nicht folg- ten. Tabary, welcher dieselbe Tradition anführt, setzt hinzu, dafs die Menschen es nicht wufsten, dafs die Ginn, welche sie anbeteten, Moslime geworden seien.

') Die Wahrheit dieser Geschichte ist später für die Gläubigen aufser allem Zweifel gesetzt worden. ^Als ich nach Tarsus kam, er- zählt'Abd Allah b. Hosayn b. Gäbir MaQyijy, hörte ich, dafs sich eine Frau daselbst befinde, welcher dieselben Ginn, die dem Pro- pheten ihre Aufwartung gemacht hatten, erschienen sind. Ich be- suchte sie. Sie lag auf dem Rücken, und es waren viele Menschen bei ihr. Ich fragte: Wie heifst du? Sie antwortete: Manüsa. Ich fragte weiter: Hast du wirklich die Ginn gesehen, welche den Pro- pheten besucht haben? Sie erwiderte: Ja, und es spricht mit mir Samhag, dessen Name 'Abd Allah ist. Ja, sagte ich, der Prophet hat ihn so genannt. Sag' mir, wo war der Herr, ehe er die Him- mel erschaffen hat. Sie antwortete: Auf einem Fische von Licht, welcher im Lichte schwamm."

Dieser Samhag (auch Samhag) spielt in Zauberbüchern eine grofse Rolle und wird, wenn mich das Gedächtnifs nicht trügt, auch in des Doctor Faust Taschenbuche, welches in Dresden aufbewahrt wird und wovon sich vor zwanzig Jahren auch ein Exemplar bei einem Raritätenhändler in Prag befand, genannt. Sein Ursprung ist folgender: In Makka wurde das Gerücht ausgesprengt, dafs ein Hä- tif die Einwohner von der Höhe eines benachbarten Berges zum Kampf gegen die neue Sekte ermuntert habe. Als Mohammad dies hörte, sagte er: Es war ein Teufel (ein böser Ginn), es hat ihn aber bereits ein Ifryt vom Ginngesehlechte getödtet, welcher Samhag heifst

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2. er führt zur Leituns^ und wir glauben daran; wir wollen kein Wesen unserra Herrn gleichstellen,

3. und, fuhren sie fort, er, der Allerhöchste, hat wahr- lich keine Gefährtin noch hat er ein Kind,

4. unsere Thoren sasren Dino^e von Allah, die seiner nicht würdig sind.

5. Bisher sind wir der Meinung gewesen, dafs we- der die Menschen noch die Ginn in Bezug auf Gott Lügen sagen werden [und deswegen haben wir geglaubt, dafs Gott Töchter habe].

6. Es hat Menschenkinder gegeben, die zu Ginn ihre Zuflucht nahmen, aber sie sind dadurch nur noch schlech- ter geworden,

7. denn sie theilten eure Ansicht (o Makkaner), dafs Gott Niemand nach dem Tode auferwecke *).

8. Wir haben den Himmel ausgekundschaftet und ge- funden, dafs er mit starken Wachen und Sternschnuppen gefüllt ist.

9. Früher pflegten wir uns dort in einen Winkel zu setzen, um zu horchen. Aber wenn jetzt einer horcht, so wird ihm eine Sternschnuppe auf den Kopf geschleudert.

10. Wir wissen in der That nicht, ob Gott Böses oder Gutes mit der Erde vorhat.

11. Unter uns giebt es Gute und Böse, denn wir wan- deln auf verschiedenen Wegen.

und welchen ich 'Abd Allah nenne. Es ist wohl ein späterer Zusatz, wenn behauptet wird, dafs darauf ein Hätif rief:

Wir haben den Mos'ar getödtet, welcher sündhaft und übermü- thig war, die Wahrheit verkleinerte und den Trug erhob, indem er über unsern siegreichen Propheten schimpfte.

Mosar, d. h. der Verbrannte, soll der Name des bösen Ginn gewesen sein, welchen Samhag tödtete.

' ) Nach Baghawy gehört dieser Vers nicht zur Rede der Ginn, sondern ist eine Parenthese. Ich glaube, dafs Mohammad, wie es ihm auch sonst begegnete, aus seiner Rolle gefallen ist, und ich schliefse den Vers in die erbauliche Predigt der Ginn ein, welche ganz an die Makkaner gerichtet ist.

J

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12. Wir wissen wohl, dafs wir dem Allah auf Erden nicht zu widerstehen im Stande sind, noch uns von ihm durch die Flucht entziehen können,

13. und daher, seitdem wir die Leitung (den Koran) gehört haben, glauben wir daran und der, welcher an sei- nen Herrn glaubt, braucht sich weder vor Schaden noch vor Unheil zu fürchten.

14. Es giebt Moslime und Irrende unter uns. Die er- stem wählen das Rechte,

15. Die Irrenden aber sind Brennmaterial für die Hölle. Wenn man nachliest, was Bd. 1 S. 216 über den Ragl

gesagt worden ist, wird man finden, dafs es zum Vortheil des JMohammad ist, dafs er diese Vision auf der Reise hatte *). Allein wenn dieser Inspiration wirklich eine Illu- sion zu Grunde gelegen hätte, so würde er sie besser ab- gefafst haben.

Er bezieht sich in einer andern Offenbarung auf die vorgebliche Vision.

[Ein Fragment.] 46, 28. Wir wendeten dir ja einige Individuen von den Ginn zu, damit sie dem Koran zuhorchten und als sie zu- gegen waren, sagten sie zu einander: Still! und nachdem

') Die Tradition hat es nöthig erachtet für die Bekehrung der Ginn einen Zeugen zu schaffen, und so läfst sie den 'Abd Allah b. Masüd erzählen, dafs er vor der Higra mit dem Propheten in der Umgebung von Makka umherwanderte und bei dieser Gelegen- heit beobachtet hat, wie sich die Ginn in der Gestalt von Männern des schwarzen, aber kräftigen Volkes der Zott um den Propheten drängten. Interessant ist in den Traditionen des Ihn Mas'üd, dafs Mohammad, wie die Teufelsbeschwörer im Mittelalter, einen Kreis um ihn zieht, welchen er nicht überschreiten darf; denn sonst wur- sie (der Prophet und Ihn Mas'üd) einander nicht mehr sehen bis an den Tag der Auferstehung.

Dafs diese Tradition neu ist, beweist eine ältere bei Bochäry, wo die Frage: wie wufste Mohammad dafs Ginn ihm zuhören? be- antwortet wird: Ein Baum meldete ihm ihren Besuch. Dem Ko- ran zufolge wurde es ihm erst später geoffenbart.

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der Vortras vorüber war, kehrten sie zu ihrem Volke zu- rück, um es zu warnen.

28. Sie sagten; 0 unser Volk, wir haben ein Buch gehört, welches nach Moses vom Himmel herabgesandt worden ist und, indem es die frühern Offenbarungen be- stätigt, führt es zum Wahren und zu einem geraden Weg.

30. 0 unser Volk, schliefst euch dem Prediger Al- lahs an und glaubet an ihn (den Allah), er wird euch ei- nige Sünden verzeihen und von peinlicher Strafe wegführen,

31. Wer sich an den zu Allah Rufenden nicht an- schlielst, der wird nicht im Stande sein, die Pläne Gottes auf Erden zu vereiteln, und wird gegen Ihn keine Bun- desgenosssen finden. Solche Wesen sind offenbar im Irrthum.

üeber die Verwandtschaft der Teufel und Ginn giebt uns der Koran aufser den beiden erwähnten Stellen keinen ferneren Aufschlufs. Es scheint, dafs Mohammad von die- ser Anschauung zurückgekommen sei, denn in Madyna sagte er wie Anfangs, dafs alle Engel mit Ausnahme des Iblys (welcher also wieder zum gefallenen Engel wurde) sich vor Adam niederwarfen (Kor. 2, 32 34). Die Ginn, wie wir gesehen haben, sind halb physische Wesen, welche sich fortpflanzen. Von den Engeln lehren die Moslime: »Es giebt Diener Gottes, welche Engel genannt Averden. Sie sind frei von Sünde und stehen in Gnade bei Gott, gehorchen seinen Befehlen, ohne sich ihm je zu widersetzen. Sie haben feine, reine Körper, sind aus Licht erschaffen, bedürfen weder Speise noch Trank noch Schlaf, sind we- der weiblich noch männlich, ohne fleischliche ßeaierden und weder Vater noch Mutter, haben aber verschiedene Gestalten und verschiedene Obliea^enheiten: einio-e verrich- ten die Ceremonien des Gebetes, andere rufen beständig aus: Lob sei Gott! Gott ist der gröfste! verzeihe unsere Sünden u. dergl. m. (d. h. sie beschäftigen sich mit dem Dzikr); andere schreiben, andere schützen, andere tragen den Thron und andere gehen um denselben herum (wie

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man um die Ka'ba herumgeht). Aufserdem haben sie auch andere Beschäftigungen, die ihnen Gott auferlegt.« ')

II. Die Propheten und das Prophetenthura.

Es gab eine Periode in dem Leben des Mohammad (ungefähr A. D. 617), während welcher ihn in Folge äufse- rer Anregung besonders die Theorie des Prophetenthums beschäftigte, und sie bildet auch einen der wichtigsten Punkte nicht blofs in der Geschichte seiner Entwickluno- sondern auch in seiner Rehgion. Vor dem Jahre 616 er- wähnt er eine sehr beschränkte Serie von Männern Gottes, die wir bereits kennen, gebraucht aber niemals den Aus- druck Nabyy^), Prophet, sondern nennt sie Boten. Er ging nämlich von der Ansicht aus, dafs, ehe eine Nation vertilgt werde, Gott einen Boten erwecke, welcher sie warne.

Das Wort Prophet (Nabyy) wird vielleicht das erste Mal, jedenfalls mit Vorliebe, in der 19. Süra gebraucht ^). In derselben Süra erscheint auch zum ersten Male eine ganz neue Serie von Gottgesandten und jedem wird sein Titel beigelegt wie folgt:

Zakariyä (Zacharias), ein Knecht Gottes.

Yahyä, der erste dieses Namens (d. h. Johannes der Täufer, zum Unterschied von dem Apostel). Sein Titel wird nicht erwähnt, wahrscheinlich ist ein Vers verloren gegangen; in Kor. 3, 34 wird er aber ein Prophet genannt.

') Reland, Rel. Moh. 2. Ausg. Utrecht 1717. S. 13.

') Wenn auch das Verbum in der Bedeutung von „benachrich- tigen" im Arabischen vorkommt, so war doch Nabvy den Makkanern nicht bekannt; es ist Hebräisch.

») Nabyy, Prophet, und Nobüwa, Prophetenthum, kommen in Sura 19 achtmal und in allen übrigen makkanischen Suren zehnmal vor. In madyniscben Offenbarungen aber erscheinen beide Wörter sehr oft.

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Maryam (Maria), welche in einer andern Stelle Qid- dyka, die Gerechte, genannt wird. Ihr Bruder Harun.

Ysä (Jesus), welcher Prophet genannt wird. Ibrähym (Abraham), ein ('iddyk , Gerechter und Prophet.

Ishäk (Isaak) und Yaküb (Jakob), ebenfalls Prophe- ten. Ueberhaupt wird die Familie (äl) oder die Nachkom- men des Jakob hier zum ersten Male wegen ihres ho- hen Berufes hervorgehoben.

Müsa (Moses), ein Prophet und Bote Gottes an die Menschheit.

Harun (Aaron) sein Bruder, ein Prophet Idrys (Enoch). Er war wie Abraham ein Gerechter und ein Prophet.

Ismayl (Ismael), ein Bote Gottes und Prophet. Nach dieser Aufzählung folgt ein Vers, der schwül- i stig und absichtlich dunkel ist, denn Mohammad, welcher den Gegenstand gern hätte erschöpfen mögen, besafs nicht die nöthige Sachkenntnifs, und da Unwissenheit als Mangel an ÜtTenbarung angesehen wurde, wollte er sie verbergen. Der Vers lautet:

19, 59. Die Genannten sind es unter den Propheten aus den Nachkommen^) des Adam und aus der Zahl derer, die

') Das Wort für Nachkommen ist Dzarryya (es kommt auch der Plur. Dzarryyät im Koran vor). Ich glaube, dafs es aus dem hebräischen Zar'iyot, ursprünglich Semina, entstanden sei. Wie die Jaden, so spricht auch Mohammad im Koran von dem Saamen des Abraham etc. (üeber den Gebrauch von Zar'iyot im Hebr. vergl. Geiger, Zeitschr. d. d. m. Ges. Bd. 12 S. 307.) Zara (ynT c^j) bedeutet in allen semitischen Sprachen fäen, ausstreuen. Die Ara- ber scheinen das 'Ayn sehr schwach ausgesprochen zu haben und deswegen kommt im Koran wohl nur aus Unwissenheit oder vielmehr Inkonsequenz der Sammler des Korans neben zara c .• auch dzara..

\j6 in der Bedeutung von säen vor. Im Kor. 16, 12— 13 erinnert Gott die Menschen an seine Wohlthaten gegen sie und sagt, dafs er ihnen

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wir mit Noah [in der Arche] retteten und aus dem Saamen des Abraham und Israel und aus der Zahl derer, welche wir geleitet und auserwählt haben, gegen welche Allah [besonders] gnädig war. Wenn man ihnen Zeichen des Rah- män vorlas, beugten sie sich und warfen .sich zu Boden, Wenn wir die Koränstelien, welche dem Mohammad während dieser Periode über das Prophetenthum geoffen- bart wurden, für sich betrachten, so kommen wir zur Ue- berzeugung, dafs sie unvollständig verdaute Bruchstücke

Sonne und Mond und „was er für sie in die Erde säet (Lo dzara..)" unterthänig gemacht bat. Im Kor. 6,137 heifst es: „Sie setzen für

Allah von dem was er von Saaten und Thieren säet (LJ> dzara..) einen Antheil fest." Schon in dieser Stelle hat dzara.. viel mehr den Begriff von hervorbringen, wachsen lassen, als von ausstreuen, und dieser Begriff tritt in Kor. 7, i78 noch deutlicher hervor. Indes- sen hat auch c .-. zara' in Kor. 56, 64 diese Bedeutung, so dafs

c . und \.6 nur verschiedene Orthographien für ein und dasselbe Wort sind. Da sie beide durch den Koran sanctionirt werden, gin- gen sie auch beide in die Wörterbücher über. Es kommt noch eine andere Form derselben Wurzel im Arabischen vor, nämlich dzara i.O ohne Hamza; dieser wohnt der Begriff von zerstreuen, nicht aber von säen inne.

Man könnte sagen dzoryyät kann ja ursprünglich Arabisch sein, da doch die genannten arabischen Wurzeln säen bedeuten. Allein dzoryyät raufs auf die Wurzel dzara zurückgeführt werden, während ein anderer Plural desselben Wortes, nämlich dzaräriy, von der Wur- zel dzarr herkommt. Dzarra heifst der allerkleinste Gegenstand, die ursprüngliche Bedeutung ist aber Sonnenstäubchen. Den Lexico- graphen zufolge hat das Verbum Dzarr allerdings die Bedeutung zerstreuen, aber wie dzara nicht die von säen. Dem Araber kann also keine von den zwei Wurzeln vorgeschwebt haben, als er dzo- ryyät oder dzaräriy gebrauchte. Aufserdem kann der Umstand, dafs man das Wort auf zwei Wurzeln zurückführen kann als Beweis sei- nes fremden Ursprunges angesehen werden. Auch in der Aussprache herrscht nach Tha'laby 2,118 Verschiedenheit, die man auch dem fremden Ursprünge zuschreiben mufs. Man spricht, sagt er, dzir- rya, dzorryya und dzarryya. Das Ayn von Zar'iyöt wurde wie in

\.0 abgeschwächt und hat sich endlich mit dem ihm verwandten R verbunden, welches dadurch verdoppelt wurde.

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einer Theorie sind, welche er von den Rahmänisten erhorcht hatte. Der l^ophet ist dieser Theorie zufolge eine Per- sönlichkeit, welche die Gnade Gottes in einem höhern Grade besitzt als die übrigen Menschen und die höchste Stelle in der himmlischen Rangordnung einnimmt '). Er ist jedoch nicht wie bei den Ebioniten (vergl. Bd. I S. 29) eine In- karnation Christi, sondern es besteht sein Privilegium, in- dem nicht länger ein lebendiger Geist, sondern ein im Him- mel aufbewahrtes Ruch als der Urquell der Wahrheit an- gesehen wird, darin, dafs ihm der Inhalt dieses Buches durch göttliche Erleuchtung bekannt ist. Dafs die Erfin- der dieser Theorie der jüdischen Nationalität angehörten, geht daraus hervor, dafs das Prophetenthum ein in der Fa- milie Noah- Abraham erblicher Adel ist ^). Die arabischen Boten ^Vliih, Hüd und Scho'ayb werden im Koran nirgends unter die Propheten gezählt. Dafs sich aber die Bekenner dieser Ansicht dem Christenthume zuneigten, beweist der Umstand, dafs sie Jesu eine ganz besondere Auszeichnuna; zuerkannten. Durch ein Wunder verlieh ihm Gott bald nach seiner Geburt Sprache und er rief aus: Ich habe das Buch erhalten und bin zum Propheten ernannt worden! (Kor. 19, 30— il.)

Nicht zu übersehen ist, dafs Kor. 19, 59 die Prophe- ten alle den Rahmän anbeteten. Auch in K. 43, 44 sagt Gott zu Mohammad: Frage die Boten, welche wir vor dir ge- sandt haben, ob wir ihnen aufser dem Rahmän einen Gott zur Anbetung bestimmt haben. Die Rahmänisten, welche diese Theorien lehrten, waren also wohl Nachkommen je- ner Abart von Ebioniten, welche ich Bd. I S. 29 die christ- lichen Ebioniten nannte. Wie es scheint, wurden sie von den Arabern, und wohl auch von sich selbst, zu den Na-

') Selbst die Propheten stehen nicht alle auf derselben Stufe, sondern Gott hat einige vor andern ausgezeichnet Kor. 2, 254.

*) Siehe aufser den angeführten Stellen auch Kor. 29, 26 und Kor. 45, 15.

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^'ärä'), Christen, gezählt, nährend die andern, welche Je- sum für den Sohn des Joseph hielten, zu den Juden ge- rechnet uerden mochten und sich mit den durch Elxai re- Ibrmirten Kssäern vermischten. Ks bleibt noch übrig zu zeigen, dals sie identisch oder wenigstens verwandt waren mit den Kaküsiern. Von dieser Sekte wissen wir blofs, dafs sie ein Mittelding zwischen dem Christenthum und dem ^'äbismus war. Als Stifter des Qäbismus, d. h. der Täu- lerei, wurde Johannes der Täufer verehrt. Dieser geniefst in Mohanmiad's Prophetenlehre nach Jesus die gröfste Aus- zeichnung, denn auch ihm wurde (ias Buch in der ]\ind- heit gegeben (Kor. 19, lij.

Um die Lehre von einem erblichen Prophetenthume seinem Zwecke anzujtassen, hätte Mohammad in <lie Reli- «?ions"eschichte eingehen und zeis^en sollen, wie die Juden

') Schon zu Zeit des Epiphanius Latten die Nazaräer, unter welchen wir wohl die in Arabien lebenden christlich -ebionitischen Sekten zu verstehen haben, ähnliche Ansichten über die Propheten. Er sagt: „Sie erkennen den Abraham, Isaak, Jakob, Moses und Aaron, wie auch Jesum, als Propheten an. Den letztern halten sie nur für den Nachfolger des Moses und nichts weiter. Diese zwei sind die Propheten der Wahrheit, dXtj&eiug, die übrigen die der In- telligenz, öwtotoo:,'. Die andern Propheten, nämlich den David, Sa- lomon, Jesaias, Jereniias, Daniel und Ezechiel, wie auch den Isaias und Elisaeus, läugnen und proscribiren sie."

Diese Prophetenliste weicht von der obigen, den Rahmänisten entnommenen nicht wesentlich ab. Mohammad war jedoch während dieser Periode zugleich unter andern Einflüssen , und wenn er spä- ter den Elisaeus, David etc. nennt, mag es diesen Einflüssen zuzu- schreiben sein.

Ueber das Prophetenthum des David scheint sich später, etwa im J. 620, ein Streit entsponnen zu haben. Wir lesen im Kor.17, 57: „Gott [der aus Mohammad spricht] kennt am besten diejenigen, welche in den Himmeln und auf der Erde sind. Wir haben in der That einige Propheten vor andern ausgezeichnet, und dem David haben wir Zabüre (Psalmen) gegeben." Mir scheint, dafs dies eine Ant- wort auf den Vorwurf sei, er habe den David von der Prophetcn- liste ausgeschlossen. Er spricht ihm hier nicht die Kenntnifs des Buches zu, es wurden ihm blos Zabüre, Bruchstucke, geoffenbart.

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dieses Privilegiums verlustig und die Heiden berufen wor- den sind'), oder er hätte sogleich auf seiner vermeintlichen Abkunft von Ismael bestehen sollen. In Madyna that er beides; er verdammte die Juden und behauptete, Abraham und Ismael haben das Pilgerfest eingesetzt. Aber zur Zeit als er die Prophetentheorie vorzutragen anfing, scheint er auf die Folgerungen wenig reflektirt und in grofser Abhän- ffio-keit von seinem Lehrer, welcher der jüdischen Natio- naiität angehörte, gestanden zu haben. Entweder wufste er nicht dafs die Christen die Juden verdammen, oder er wagte es nicht, ihnen das Verdamnmngsurtheil nachzuspre- chen; jedenfalls drückt er sich auf eine Weise aus, in wel- cher selbst ein häretischer Jude sprechen konnte:

19, 60. Es folgte nach ihnen eine Nachkommenschaft, welche das Gebet verloren gehen liefs und ihren Gelüsten folgte. Sie werden gewifs bald ihren Irrthum entdecken,

61. mit Ausnahme derer, die sich bessern, glauben und Gutes thun; diese werden in das Paradies eingehen und nicht im Mindesten ungerecht behandelt werden ^).

Es erscheint zwar auch Ismael, der angebliche Stamm- vater der Araber, unter den Propheten, dennoch hat Mo- hammad sich selbst nicht in die Famihe Noah- Abraham eingeschlossen, sondern er fährt fort, seine Ehrfurcht für die Kinder Israel auszusprechen, und wenn er auch die Lehre von Ismael ausbildete, so geschah dies erst später in einem andern Sinne und zu einem andern Zwecke. Wir müssen daher auch die Behauptung, dafs Ismael ein Pro- phet war, für von aufsen her gekommen ansehen.

Mohammad verliefs übrigens die ursprüngliche Idee dieser Prophetentheorie gar bald und, seinem eigenen Ge-

') In diesem Sinne ist unter den makkanischen Offenbarungen am stärksten Kor. 6, 88 9o.

') In dem später geoffenbarten Duplikat dieser zwei Verse, nämlich in Kor. 6, 89, neigt sich Mohammad vielmehr zu der christ- lichen Anschauung hin.

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nius folgend, Avandte er einerseits die Lehre von der Be- vorzugung der Propheten auf seine eigene Lage an und bewies seinen Feinden, dafs, obschon er nicht zum hohen Adel von Makka gehöre, er doch höher stehe als alle seine Stammgenossen; andrerseits aber drückte er sich heftiger gegen die Juden aus und nahm mit Vorliebe jene Prophe- tenlegenden in den Koran auf, welche die Erkenntnifs des wahren Gottes fördern konnten, wie in folgender Offenba- rung, aus welcher nächst der vorhergehenden die Prophe- tenlehre am deutlichsten hervorleuchtet'). Man findet darin al)er eher ein Bemühen, mit seinen Kenntnissen zu über- raschen, als an einer Theorie festzuhalten.

6, 74. Es hat ja schon Abraham zu seinem Vater Azar gesagt: Wie, du erkennst Götzen als Götter an? Meines Erachtens bist du und deine Stammsrenossen im handsreif- liehen Irrthum.

75. Aus dieser Ursache und damit er zu fester üe- berzeugung gelange, zeigten wir ihm die Regierung^) der Himmel und der Erde.

76. Als nämlich die Nacht über ihn hereingebrochen war, erblickte er einen Stern, und er rief aus: Dies ist mein Herr! Als er aber unterging, sagte er: Ich liebe die Untergehenden nicht.

77. Als er den sich erhebenden Mond erblickte, rief

') Man wird sehen, dafs Kor. 6, 87 mit dem so eben angeführ- ten Kor. 19, 59 parallel ist.

') Im Arabischen Malaküt. Aehnliche Form haben Näsüt die Menschheit (Christi), Lähüt die Gottheit (Christi), Rahraüt die Barm- herzigkeit, Gabrüt Allmacht, Herrlichkeit, Rahbüt das Mönchthura(?), Täbüt Kasten. Auch Tj^ghüt mag hieher gehören.

Geiger sagt, dafs „Regierung der Himmel" auch im Rabbini- schen oft vorkomme. Im Koran finden wir diesen Ausdruck zwei Mal, und ebenso oft den gleichbedeutenden: „die Regierung von al- len Dingen". Sonst gebraucht Mohammad den Ausdruck Malaküt nicht; selbst in der Phrase: „ihm gehört die Regierung der Himmel and der Erde" gebraucht er das arabische Wort mulk, z. B. K. 7, i58. n. 17

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er aus: Dies ist mein Herr! Da er aber unterging, sagte er: Wenn mich mein Herr nicht leitet, gehöre ich wahr- lich zum Volke der Irrenden.

78. Als er die hervorbrechende Sonne erbhckte, rief er aus: Dies ist mein Herr! sie übertrifft ja die andern an Gröfse. Da sie aber unterging, sagte er: 0 mein Volk, ich halte mich rein von dem, was ihr neben Gott anbetet.

79. Ich meinerseits wende mich als Hanyf Dem zu, welcher die Himmel und die Erde erschaffen hat, und will nicht zu denen gehören, die andere Wesen neben ihm ver- ehren.

80. Seine Stammgenossen disputirten mit ihm, er aber sprach: Wie, ihr wollt mich von Allah abwendig machen, nachdem er mich auf den rechten Weg geleitet hat? Ich fürchte mich nicht vor euren Abgöttern. [Sie können mir nichts anhaben], es sei denn, dafs mein Herr es will; denn das Wissen meines Herrn umfafst alle Dinge. Nehmet ihr dies denn nicht zu Herzen?

81. Wie soll ich eure Abgötter fürchten, da doch ihr ohne Furcht seid, ungeachtet eurer Sündhaftigkeit, dem Al- lah Abgötter gleichzustellen, ohne dafs er euch dazu er- mächtigt hätte. Welche von beiden Parteien kann auf grö- fsere Sicherheit rechnen? Beantwortet diese Frage, wenn ihr unterrichtet seid.

82. Diejenigen, welche glauben und ihren Glauben nicht mit Ungerechtigkeit (Abgötterei) beflecken, sie woh- nen in Sicherheit und sie werden s-eleitet.

83. Dies sind die Beweise, mit welchen wir den Abra- ham gegen sein Volk ausgerüstet haben. Du siehst, wir erhöhen, wen wir wollen um viele Stufen, denn dein Herr (o Mohammad) ist weise und allwissend.

84. Und wir schenkten dem Abraham den Isaak und den Jakob und beide haben wir geleitet, und den Noah haben wir schon früher geleitet und unter seinem Saamen den David (Dawüd), Salomo (Solaymän), Job (Ayyüb),

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Joseph (Yüsof), Moses und Aaron so belohnen wir die Guten

85. und den Zacharias, Johannes und Jesus, Alle gehören in die Zahl der Gottselijren

86. und den Ismael, Elisa' (al-Yasa') ^), Jonas (Yünos) und Lot: wir haben sie vor dem Rest der Menschheit bevorzugt;

87. auch einige von ihren Vätern, Saamen und Brü- dern [leiteten wir]. Wir haben sie auserwählt und ihnen die Leitung auf die gerade Strafse angedeihen lassen.

88. Dies ist die Leitung (Gnade) Allah's; er läfst sie angedeihen, wem er will von seinen Dienern. Wenn sie Abgötter anerkannt hätten, wären ihre guten Werke frucht- los gewesen.

89. Die Genannten sind es, denen wir das Buch, die [geistliche] Herrschaft und das Prophetenthum verliehen ha- ben; und wenn diese (d. h. die Makkaner) undankbar sind (das Prophetenthum läugnen), nun so haben wir ja Leute berufen, welche nicht undankbar sind.

90. Die Genannten sind es, welche Allah geleitet hat, und dieser ihrer Leitung folge du [o Mohammad]! Sage: Ich verlange keinen Lohn dafür, denn dies ist nichts An- deres als eine Ermahnunnr für die Menschheit.

Diese den Juden entlehnte -) Legende ist uns schon aus Herder's Werken bekannt.

In Vers 89 und in vielen anderen Koränstellen spricht Mohammad von der geistlichen Herrschaft der Propheten,

') Die festen Theile dieses Namens sind dieselben wie im Hebräischen, Die kurzen Vokale sind im Koran erst spät hinzuge- fügt worden. Es ist daher wohl der Unwissenheit und dem Dün- kel der Vokalisatoren zuzuschreiben, dafs sie nicht, wie die Juden, Elysa' lesen, sondern die erste Sylbe für den arabischen Artikel an- sehen und auch den Rest des Namens zu einem arabischen Wort machen, denn yasa heifst „er wird erweitern", oder ^lErweiterer".

') Vergl. Beer's „Leben Abraham's". Leipz. 1859. S. 3.

IT*

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auch dem Volke Israel wird sie zugesprochen (Kor. 45, 15). Die Wörter im Original dafür sind Hokm und das gleich bedeutende aber aramäische Sultan. Manches Mal müssen sie im Deutschen durch Vollmacht wiedergegeben werden. Den Clementinen zufolge bedarf die Offenbarung keiner äufsern Beweise. Sie mufs sich dadurch bewähren, dafs sie mit dem Gottesbewufstsein der (iläubigen übereinstimmt und ihren Bedürfnissen entspricht. In Einzelheiten mufsten diese verschiedener Meinung sein. Um solche Streitigkei- ten zu schlichten, mufsten die Lehren der Propheten als Machtsprüche angesehen und diesen die geisthche Herr- schaft zugesprochen werden. Im folgenden Kapitel werden wir einen Fall finden, in welchem Mohammad, als Träger des geistlichen Schiedsrichteramtes, durch einen Machtspruch den Streit zwischen den Schriftbesitzern über gewisse Punkte seiner Lehre entschied. Die betreftende Koränstelle (13, 3?) ist auch diejenige, aus welcher der Begriff, den er mit der geistlichen Herrschaft verband, am deutlichsten hervor- leuchtet ^).

') Die Identität der Bedeutung von Hokm und Sultan ergiebt sich aus der Vergleichung von Kor. 1 1 , 99. 23 , 47. 28 , 35. 40 , 24. 44, 18. 51, 38 mit Kor. 26, 20. 28, 13. In Act. Apost. 8, 19, wo von der durch Handauflegung mitgetheilten Exusia die Rede ist, wird dieses Wort im Syrischen und Arabischen durch Sultan übersetzt, und es kommen auch Koränstellen vor, in denen es die mit Exu- sia verwandte Bedeutung, „amtliche Befugnifs" hat, z. B. Kor. 37, 29. Die Macht kommt nur Gott zu, während seine Gesandten nur eine Macht (einen Theil derselben) besitzen. Vor Sultan steht in dieser Anwendung „ein", vor Hokm nur in wenigen Fällen der be- stimmte Artikel wie 19, 13. 6,89. 45,i.i. 3,73. Begreiflicher Weise sind die Heiden ohne alle Befugnifs, wie K. 12, 40. 7, 69. 10, 69. 53, 23. 18,14. 52, 38. 6, 81, und Mohammad hält es daher für höchst un- bescheiden, dafs sie dennoch mit ihm disputiren, K. 40, 37. Wenn er in K. 37, 157 eine Schrift verlangt als Beweis ihrer Befugnifs, so ist nicht ein Beglaubigungsschreiben, sondern eine Offenbarung zu verstehen, vergl. K, 13,37. Auch hier nehmen wir die psychologi-

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In Süra 37 bearbeitet er <]ie l^ophetentheorie noch einmal. Kr betont mehr die aus «1er CJnade Gottes llie- fsende hohe Würde, als den angeborenen Adel derselben und entfernt sieh somit von der ursprünglichen Lehre zum Behufe der Nutzanwendung auf seine eigenen Ver- hältnisse. 37, 67. Wahrlich, irrend folgen sie ihren Vätern

68. und eilig treten sie in ihre Fufstapfen.

69. Es sind aber vor ihnen die meisten unter den Alten irre gegangen,

70. und \vir haben Warner zu ihnen gesandt,

71. und sieh , was die Gewarnten für ein Ende nahmen,

11. mit Ausnahme der ausschliefslich dem Allah er- gebenen Diener.

73. Schon Noah hat uns angerufen wir sind auch die besten Erhörer,

74. und wir retteten ihn und die Seinen aus dem schweren Drangsal ^)

sehe Erscheinung wahr, dafs Mohammad und die judenchristlichen Schwärmer vor ihm alle Attribute des Prophetenthums, wie Forkän Erlösung, Sultan Exusia, weil sie ihrem Ideale desselben, insofern es auch Wundergabe mit inbegriff, nicht ganz ansprechen konnten, in der inneren Erleuchtung, d. h. Schwärmerei, fanden. Die Ju- den, wie es scheint, sagten es den Makkanern, dafs die Exusia sich auch in der Wundergabe äufsere, wie dies Mohammad in Be- zug auf Moses, dem sie besonders zugesprochen wurde, selbst an- erkannt hatte. Er legt seine Antwort dem Moses in den Mund, und dieser sagt iu Koran 14, 1—20 zu den Juden, dnfs auch Pro- pheten vor ihm diese Exusia nicht besafsen , sondern nur die Kenntnifs des wahren Gottes. Weil er dieser Anforderung nicht entsprechen konnte, sprach er in Zukunft wenig von der Exusia. Es ist dies ein Glück für seine Religion, denn sonst wäre ein geweihtes Priesterthum entstanden wie dies bei den Schy'iten in einem gewissen Sinne der Fall war und noch ist, ') Vergl. Kor. 21, 76.

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75. und fügten es, dafs sie, seine Nachkommen (wört- lich sein Saame), noch Uebrige seien,

76. und wir bewahrten bei der Nachwelt den Se- gensruf:

77. Heil dem Noah vor den übrigen Menschen!

78. So belohnen wir die Guten

79. denn er war einer unserer gläubigen Diener.

80. Dann ertränkten wir die Uebrigen.

81. \^on seiner Sekte war in der That Abraham;

82. bekanntlich brachte er seinem Herrn ein reines Herz dar

83. und sagte zu seinem Vater und zu seinem Volke: Was betet ihr denn an?

84. Wie, eine P^iktion, [nämlich] Götter aufser Allah wählet ihr!

85. Was ist eure Vorstellung vom Herrn der Welten!

86. Er warf einen Blick zu den Sternen

87. und sprach: Mir wird übel (d. h. der Sterndienst ist mir unerträglich)-).

88. Sie Avendeten ihm den Rücken und gingen fort.

89. Er schhch zu ihren Göttern und sprach: Esset ihr nicht?

90. was ist euch, dafs ihr nicht sprechet?

91. Darauf schlich er an sie heran, mit seiner Rech- ten einen Schlag führend.

92. Eilend kamen die Leute auf ihn zu.

93. Er aber sprach: Wie, ihr betet an, was ihr ge- schnitzt habet?

94. während es doch Allah ist, der euch und das Werk eurer Hände (die Götzen) erschaffen hat.

') Bei Suidas in der lateinischen Uebersetzung sagt Abraham: molestia afficior animo dubitans. Aus einer wohlverbürgten Tradition bei Muslim , Bd. 2 S. 445 , geht hervor, dafs Abu Horayra die Korän- stelle so verstand, als hätte Abraham vorgegeben, dafs er kranii sei.

263

95. Sie sagten: Erncl)tot einen Tburm für ihn und werfet ihn in die f'lamme.

96. So schmiedeten sie Pläne gegen ihn, wir aber liefsen sie zu Schanden werden.

97. Abraham sprach: Ich ziehe zu meinem Herrn hin, er wird mich leiten.

98. Herr, schenke mir einen frommen [Sohn]!

99. Wir verkündeten ihm auch einen vernünftis:en Knaben.

KK). Als er alt genug war, mit ihm zu schaffen,

101. sprach er: 0 mein Söhnchen, in einem Traum- gesicht habe ich gesehen, dafs ich dich schlachten soll, überlege, was zu thun ist?

102. Er antwortete: 0 mein Vater, thue, was dir be- fohlen wird, und so Gott will, wirst du mich geduldig finden.

103. Nachdem sie sich beide [dem Willen Gottes] un- terworfen und er ihn auf das Angesicht gelegt hatte,

104. riefen wir ihm zu: 0 Abraham,

105. du hast schon bewiesen, dafs du das Traumge- sicht für wahr hieltest. So belohnen wir die Guten.

106. Dies war offenbar nur eine Prüfung.

107. Wir kauften ihn durch ein edles Opfer los

108. und bewahrten bei der Nachwelt den Segensruf:

109. Heil dem Abraham!^)

HO. So belohnen wir die Guten.

111. Er war einer unserer gläubigen Diener.

112. Dem Abraham haben wir den Isaak, einen Pro- pheten von den Gottsehgen verheifsen.

113. Wir haben ihn und den Isaak gesegnet, und un- ter seinem Saamen giebt es einen Guten und einen, wel- cher offenbar zu seinem Nachtheil ungerecht ist.

') So oft die Moslime den Namen des Mohammad oder eines andern Propheten aussprechen fügen sie hinzu „welchem Heil sei!" Aus dieser Süra scheint hervorzugehen, dafs sie diese Sitte ihren Vorgängern entlehnt haben.

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114. Auch haben wir uns schon gegen den Moses und Aaron guäihg bewiesen,

115. und haben sie und ihr Volk von dem grofsen Drangsal gerettet,

116. ihnen unsern Beistand angedeihen lassen sie sind es nämlich, ^velche siegreich waren

117. ihnen das deutliche Buch gegeben,

118. sie auf die gerade Strafse geleitet

119. und in der Nachwelt den Segensruf bewahrt.

120. Heil dem Moses und Aaron!

121. So belohnen wir die Guten

122. denn sie gehörten zu unsern gläubigen Dienern.

123. Auch Elias gehörte in der That zu den Ge- sandten.

124. Er sprach ja zu seinem Volke: Seid ihr nicht mit Furcht erfüllt?

125. Wie, ihr ruft Baal an und verläfst den besten unter den Schöpfern.

126. Allah ist euer Gott und der Gott eurer Voreltern.

127. Sie erklärten, er sei ein Lügner; sie sollen aber [vor Gottes Richterstuhl] zu erscheinen haben,

128. ausgenommen die ausschliefslich dem Allah er- gebenen Diener.

129. Wir haben in der Nachwelt den Segensruf be- wahrt:

130. Heil den Eliasen!

131. So belohnen wir die Guten

132. denn er war wahrlich einer unserer gläubigen Diener.

133. Lot war einer der Gesandten.

134. Wir retteten ihn und alle die Seinen,

135. ausgenommen eine alte Frau, eine der Ghäbiryn (Uebertreter des Gesetzes);

136. dann vertiljjten wir die LTebriffen.

137. Ihr [o Korayschiten] zieht ja bei der Stätte vor- über am Morgen

265 138. oder in der Naelit; kommt ihr denn nicht zur

Besinnun<j;i*

Hier folgt die Geschichte des Jonas, die wir bereits kemien (oben S. 30). Auch diese Stelle und die daran anü;ekniij)rten I^emerkungen miifs man nachlesen, um die Tendenz der bispiration ganz zu begreifen. Sie ist zum Theii die letzte Redaktion der Straflegenden. Der Ver- fasser läfst den ('älih, Hüd und Scho'ayb, weil sie keine Propheten waren, fallen und nimmt blofs dasjenige auf, was sich in dem Controverse mit den Christen als richtig er- wiesen hatte, fügt die Namen und Geschichten von Fro- j>heten hinzu, welche ihm unterdessen bekannt gewor- den waren und zieht eine neue Moral aus der Erzäh- lung. Die Thatsache, dafs frühere Generationen wegen ihres Unglaubens vertilgt und die Gläubigen gerettet wor- den waren, steht fest, aber er droht den Makkanern nicht länger ein ähnliches Schicksal '), sondern zeigt, wie hoch die Gottgesandten stehen, und zwar als Belohnung für ih- ren Glauben und in Folge göttlicher Gnade. Des Erbadels der Familie Noah- Abraham wird nicht mehr erwähnt, denn Mohammad steht wieder auf seinem eigenen Boden, und wenn er auch den Stoff als bekannt voraussetzt und gew issermafsen zugiebt, dafs er ihn von aufsen erhalten habe, so hält er doch die Auffassung desselben für eine Offenbarung.

Um die Macht des Geistes würdigen zu können, der den Mohammad beseelte, mufs man sich in seine Lage versetzen. Er war umgeben von Feinden, die ihn verach- teten; die aus fernen Landen herbeigeeilten Freunde setz- ten ihm zu, um ihn, den Wundermann, zu ihrer üeber- zeugung zu bringen, und seinen Anhängern durfte er das, was seine Seele am meisten bewegte, nicht mittheilen. Er

') Ein Grund, warum er gerade die Geschichte des Jonas weit- läufiger als die der übrigen Propheten erzählt, ist bereits hervorge- hoben worden; der andere ist wohl der, dafs die Stadt Ninive nach Vers 148 dennoch nicht unterging, also hatte auch Makka nicht län- ger zu fürchten.

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stand also ganz allein, nnd sein einziger Trost war, dafs auch seine Vorgänger grofsen Drangsalen ausgesetzt wa- ren, dafs sie aber Gott daraus gerettet hat. Der Gedanke an die hohe Würde des Prophetenthums gab ihm Kraft, sich selbst zu genügen; wenn wir aber seine Lage betrachten, kommt uns dieser Gedanke Avie eine Monomanie vor. Allein so grofs ist die Verblendung dieser Leute aber kann man Erwartungen, die sich am Ende doch verwirklicht ha- ben, Verblendung heifsen? dafs Swedenborg bis auf den letzten Augenblick seines Lebens an die Wahrheit und den endlichen Sieg seiner Träumereien glaubte. Ich wiederhole es: auch die Vision, Narrheit, Verblendung und Lüge (wer- den doch hl unserer Zeit grofse Ereignisse von Diplomaten geleitet) haben ihre Bestimmung in der Weltgeschichte, denn sie ist einmal eine Geschichte der Menschheit.

Folgende Offenbarung schliefst sich an die vorige an. Während jene mit der Geschichte eines reumüthigen Pro- pheten, der wieder zu Ehren kommt, aufhört, fängt diese damit an, und sie mag daher sogar älter sein; denn das »er bekehrte sich zu Gott» oder «er war reumüthig«, Avel- ches in einem Theile der Inspiration den Refrain bildet (selbst wo er nicht an seinem Orte ist), scheint anzudeuten, dafs sie Mohammad nicht lange nach seinem Vergehen, also etwa gegen Ende 616, vorgetragen habe. Er zeigt den Aristokraten, dafs Gott seinen Propheten auch irdische Ga- ben zu Theil werden lasse, denn der reumüthige Prophet ist ein König, wie wenn er geahnt hätte, welche Höhe ihm und seiner Schöpfung bevorstehe:

38, T6. Ertrage geduldig, was sie sagen und erwähne unsern Diener David, dem wir Macht verliehen, weil er war ein Sich -Bekehrender ^).

') Dies ist die Bedeutung von Awwäb den meisten Commen- tatoren zufolge; Sa yd b. Gobayr hingegen behauptet, es sei ein abes- synisches Wort und bedeute Subliän- Rufer (Lobpreiser des Herrn). Diese Bezeichnung würde auf den Psalmisten gut passen.

267

17. Wir znangen die Berge, mit ihm das Subhän Abends und Morgens anzustimmen.

18. Auch die V^ögel, welche wir um ihn versammel- ten: beide (Berge und Vögel) waren durch ihn Sich-Be- kehrende.

19. Wir befestigten seine Herrschaft und gaben ihm Weisheit und Geschick, Streitigkeiten zu entscheiden.

20. Hast du nicht [durch äufsere Mittheilung] die Ge- schichte des Streites vernommen? Wie sie über die Mauer in das Geraach stiegen

•21. und vor David traten. Er erschrak, sie aber spra- chen: Fürchte dich nicht, wir haben einen Streit, einer hat sich gegen den andern vergangen. Entscheide zwischen uns mit Gerechtigkeit, sei nicht unbillig und führe uns auf die gerade Strafse.

22. Hier ist mein Bruder; er hat neunundneunzig Läm- mer und ich habe ein einziges Lamm. Er sprach zu mir; Ueberlafs es mir [zur Pflege]! und er besiegte mich im Wortstreit.

23. David sprach: Er war ungerecht gegen dich, indem er dein Lamm zu seinen Lämmern verlangte. Unternehmer vergehen sich gar oft gegen Andere '). David merkte.

•) Hier ist eingeschaltet: „ausgenommen diejenigen, welche glauben und das Gute thun; diese sind aber selten." Ich halte dies für einen madynischen, durch die Aengstlichkeit der Gläubigen her- vorgerufenen Zusatz. Das Wort, welches ich durch Unternehmer übersetze, bedeutet wörtlich Mischer, d. h. Leute, welche Geld von Pflegekindern oder von Kapitalisten nehmen, es mit dem ihrigen mischen, damit Geschäfte treiben und dann den Eigenthümern ei- nen Theil des Profites geben. Auf diesen Gegenstand bezügliche Rechtsfragen kamen in Madyna, wie wir sehen werden, zur Sprache. Mohammad gab ein sehr einseitiges Gutachten ab und verdammte Vormünder [und Unternehmer] saramt und sonders, mufste aber bald darauf den bis dahin beobachteten Usus bestätigen. Die Gläubigen mochten nun in obiger Stelle einen Widerspruch mit dem bestätig- ten Usus finden; um ihre Skrupel zu beseitigen, schaltete er die in Madyna beliebte Phrase „ausgenommen diejenigen etc." ein.

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dafs wir ihn versuchten; er bat seinen Herrn um Verzei- hunir, warf sich anbetend auf die Erde und bekehrte sich.

24. Wir verziehen ihm. Er stand bei uns in Gna- den und es erwartet ihn [jenseits] eine schöne Zukunft.

25. [Wir sprachen zu ihm :] 0 David, wir haben dich zum Statthalter auf Erden eingesetzt; entscheide zwischen den Menschen mit Gerechtigkeit und folge nicht deiner Lust, sonst wird sie dich von dem Wege Allahs in den Irrthum führen; und Jener, welche sich von dem Wege Allah's entfernen, wartet eine arge Strafe, weil sie den Tag der Abrechnung vergessen.

26. Wir haben den Himmel und die Erde und was dazwischen ist, nicht zum eiteln Spiel bestimmt, wie die ungläubigen meinen; aber weh den Ungläubigen ob des Höllen feuers!

27. Werden wir also die Gläubigen und Gutesthuen- den den Missethätern oder die Gottesfürchtigen den Aus- schweifenden gleichstellen? ^)

2(S. Ein gewisses Buch, welches wir dir geoffenbart haben, ist gesegnet, auf dafs sie seine Zeichen überlegen und auf dafs die Vernünftigen diese zu Herzen nehmen-).

29. Dem David haben wir den Salomo geschenkt. Er war ein vortrefflicher Diener, denn er war ein Sich- ßekehrender.

30. Bekannthch wurden ihm eines Abends die schnell- laufenden edlen Pferde vorgeführt,

31. und er sprach: Bisher habe ich mich durch die

•) Vergl. Kor. 68, 35.

^) Digressionen wie diese sind sehr charakteristisch. "Wir se- hen, dafs, als Mohammad die Geschichte erzählte, er von dem Ernste des Lebens und unserer Verantwortlichkeit ganz erfüllt war, und dafs er die Ueberzeugung hegte, seine Offenbarungen würden auch Andern dieselben Gefühle einflöfsen. Die geringste Veranlassung genügte daher, ihn zu bewegen, den Gegenstand zu unterbrechen und seinen frommen Gefühlen Luft zu machen.

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Leidenschaft für diesen Luxus von dem Gedanken an mei- nen Herrn hinwegziehen lassen ^). Indessen ging die Sonne unter.

32. [Kr sprach:] Führt die Pferde nieder vor! und er bestrich ihre Schenkel und Nacken ^).

33. Früher aber hatten wir den Salomo auch geprüft und auf seinen Thron einen Körper gesetzt. Darauf be- kehrte er sich ^).

34. Er sprach: Herr, vergieb mir und schenke mir ein solches Reich, dafs keiner nach mir mich errei- chen kann.

3.=>. Wir unterwarfen ihm nun [seiner Reue wegen] den Wind, welcher auf seinen Befehl sanft hinwehte, avo er wollte

36. und die vSatane, sowohl die aufbauenden als auch die untertauchenden [um Perlen zu fischen].

37. Auch andere, die in Banden geschlagen sind [un- terwarfen wir ihm mit den Worten:]

.38. «Dies sind unsere Geschenke, du kannst gewäh- ren oder vorenthalten, ohne Rechnung: zu ffeben.«

39. Er stand bei uns in Gnaden und es erwartete ihn eine schöne Zukunft.

40. Erwähne auch unseres Dieners Job. Er rief zu

') Der Pferdeluxus des Salomon findet sich auch 1. Buch der Könige 5,6 und 10,26, und hierdurch übertrat er das Verbot im 5. Buch Mosis 16, le. Er liefs daher, als er Bufse that, seine Pferde untauglich machen. Vergl. auch Tr. Sanhedrin fol. 21 b und Geiger a. a. 0. S. 188. [Ullmann.]

') Nach einigen heifst es, dafs er mit dem Schwert die Schen- kel und den Nacken bestrich, d. h. sie abhieb; nach Andern, dafs er sie mit der Hand aus Liebe bestrich.

^) Er wurde nämlich durch seine Sünden gezwungen, seinen Thron zu verlassen, welchen bis zu seiner Bekehrung ein Geist in seiner Gestalt einnahm. Vergl. Tr. Sanhedrin fol. 29 b, und Midr. Jalkut zu 1. Buch der Könige, Kap. 6 §. 182, und Geiger a. a. O.

[Ulimann.]

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seinem Herrn: Der Satan hat Elend und Pein über mich gebracht.

41. »Stampfe mit deinem Fufse! Hier hast du ein kaltes Bad und Trank.« [Auf das Stampfen kam nämlich Wasser hervor.]

42. Und w'w gaben ihm seine Leute zurück und noch einmal so viel dazu. Wir thaten dies aus Barmherzigkeit und zur Beherzigung der Einsichtsvollen.

43. »Ferner nimm eine Ruthe, schlage [dein Weib] damit und verletze deinen Eid nicht« [er hatte nämlich ge- schworen, sie zu züchtigen]. Wir handelten so an ihm, denn er hatte sich o^eduldia: erwiesen.

44. Ein vortrefflicher Diener Avar Job; denn er war ein Sich - Bekehrender.

45. Erwähne auch unserer Diener Abraham, Isaak und Jakob Leute mit Händen und Aussen.

46. Wir haben sie ausschliefsHch auserkoren. Dies ist die [Folge der] Beherzigung des Jenseits!

47. Wir zählen sie unter die Auserwählten und Besten.

48. Erwähne auch des Ismael, Elisa, Dzü-lkifl i). Alle gehörten zu den Besten.

') Die Namen, welche mit Dzii anfangen, gehören meistens dem Dialekte von Yaman an. Dieses Land war, als Mohammad auftrat, in Grafschaften getheüt, und die Besitzer wurden darnach genannt, z. B. Dzü Ro'ayn d. h. der Herr der Grafschaft Ro'ayn. Wie wir von ^ Baron von Habenichts" sprechen, so wurde Dzü (wört- lich: Eigenthümer) auch häufig in Fällen gebraucht, wo von keinem Landbesitz die Rede war, wie Dzü-lschanätyr, der Herr der Ohr- ringe, ein Spitzname des Lachny a, Dzü-Iaktäf, Herr der Schultern und dgl. m. In dem Dialecte von Makka würde man solche Spitz- namen durch Abu, Vater, gebildet haben; so nannte man z. B. den 'Alyy, weil er ein Mal ganz mit Staub bedeckt war, Abü-ltoräb. Wenn man solche yamanische Namen wörtlich in's Koran -Arabische übersetzt hätte, so würde man (obwohl Dzü in Makka bekannt war) (^ähib gesagt haben. So kommt im Koran neben Dzü-lnün, Herr von Fisch, auch Cähib alhüt, Fischmann, als Benennung von Jonas vor. Der Gebrauch von Dzü war in solchen Fällen nicht auf die

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In Süra 21 nennt er wieder die Propheten und Boten Gottes und trägt einige Legenden nach. Am Ende setzt er hinzu, dals sie alle zu einer Kirche gehörten und den- selben Gott predigten (V. 92ff.). Der gesunde Menschen- verstand hat somit über die Theorie des Erbadels der Pro- pheten den Sieg davongetragen. Indessen Abraham blieb ihm auch später noch eine wichtige Persönlichkeit. Die Idee der Einheit der geoffenbarten Religionen hat er zwar schon seinen nach Abessynien auswandernden Schülern, un- gefähr im Winter 617 618 eingeprägt, diese Inspiration ist jedoch viel spätem Datums; der Geist Gottes erscheint darin schon als eine Kraftäufserung, und die Lehre von den Propheten ist vollständig verarbeitet:

21, 49. Wir haben schon dem Moses und Aaron den Forkän (Erlösung), ein Licht und eine Ermahnung gegeben für die Gotteslürchtigen,

50. welche ihren Herrn fürchten, obschon sie ihn nicht sehen. Diese sind es, welche vor der Stunde zittern.

51. Auch dies ist eine Ermahnuns^; sie ist jj-eseonet und kommt von uns. Wollt ihr sie flennoch verläugnen?

52. Und wir haben schon vorher dem Abraham seine Leitung gegeben, denn wir kannten ihn.

53. Er sprach ja zu seinem Vater önd zu seinem Volke: Was sind dies für Bilder, die ihr anbetet?

54. Sie antworteten: Wir landen, dafs unsere Väter ihnen dienten.

55. Er sprach: Ihr und eure Väter seid offenbar im Irrthum gewesen.

56. Sie sagten: Verkündest du uns die Wahrheit oder scherzest du?

Landschaft von Yaman beschränkt, sondern es war wohl auch un- ter den im Norden wohnenden yamanischen Stämmen, also in dem von Dr. Blau kodhä'isch genannten Dialekt üblich. Im Aramäischen bildet man damit den Genetiv. Dzü-lkifl scheint eine populäre Be- nennung eines Propheten zu sein ; es läfst sich aber nicht mit Si- cherheit ermitteln, welcher darunter geraeint sei.

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57. Er antwortete: Euer Herr ist der Herr der Him- mel und der Erde, derjenige, welcher sie erschaffen hat, und ich bin einer derjenigen, die dafür Zeugnifs ablegen.

5S. Bei Gott, ich will euren Götzen nachstellen, so- bald ihr ihnen den Rücken wendet und fort seid.

59. Er zertrümmerte sie, mit Ausnahme eines ihrer grofsen Götzen, damit sie sich an denselben wenden sollten,

(jo. Einige fragten: Wer hat dies unsern Göttern ge- than? Er gehört wahrlich in die Zahl der Ungerechten.

61. Andere antworteten: Wir hörten einen jungen Mann Namens Abraham über die Götter disputiren.

62. Sie sagten: Bringt ihn vor die Augen der Leute, damit sie Zeugen seien [von dem, was geschieht].

63. Dann frasrten sie ihn: Hast du das unsern Göt- teru gethan, o Abraham?

64. Er antwortete: Nein, dieser Grofse da hat es ge- than; fragt sie, wenn sie sprechen können.

65. Sie kamen zur Besinnung und sagten: Wahrlich ihr, ihr seid die Ungerechten.

66. Bald darauf aber stellten sie sich wieder auf ihre Köpfe ^) [und sagten]: Du weifst, dafs sie nicht reden.

67. Er sprach: Ihr betet also neben Allah etwas an, was euch nichU nützt und nichts schadet? Schande euch und dem, was ihr aufser Allah anbetet! Kommt ihr nicht zur Vernunft? '^)

68. Sie sagten: Verbrennet ihn und steht euren Göt- tern bei! Thut es ja!

69. Wir sprachen: 0 Feuer, sei Kühlung und Heil für Abraham!

') Man sagt nokisa alraarydh, der Kranke hatte einen Rück- fall; der Satz bedeutet also: sie kehrten zu ihrer früheren Verstockt- heit zurück.

^) Eine viel weniger poetische Version dieser Geschichte ist in Beer's „Leben Abraham's" S. 12.

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70. Sie wollten ihm Böses anthun; wir fügten es, dafs den gröfsten Schaden sie erhtten.

71. Ihn aber und den Lot retteten wir in das Land, über das wir unsern Segen ergossen haben, zum Heil der Menschheit.

72. Und wir schenkten ihm den Isaak und obendrein den Jakob und wir machten sie alle rechtschaffen.

73. Wir stellten sie als Vorbilder auf, welche [die Menschen] auf unsern Befehl leiten, und wir offenbarten ihnen, das Gute zu thun, das Gebet zu verrichten und das [vorgeschriebene] Almosen zu geben. Und sie waren uns unterthänig.

74. Lnd Lot. Wir rüsteten ihn mit Vollmacht und Wissen aus und retteten ihn von der Stadt, welche Schänd- lichkeiten zu verüben pflegte, denn die Einwohner waren ein böses verdorbenes Volk ;

75. und wir führten ihn in unsere Gnade (rahma) ein, weil er zu den Rechtschaffenen gehörte.

76. Und Noah. Er hat uns ja schon vor den Genann- ten angerufen und Avir haben ihn erhört und ihn und die Seinen aus dem grofsen Drangsal gerettet,

77. und wir standen ihm bei gegen das Volk, wel- ches unsere Zeichen als Trug erklärte, weil es ein böses Volk war, und wir ersäuften es sammt und sonders.

78. Und David und Salomo. Sie sprachen ja (d. h. wie bekannt ist) ein Urtheil aus über den Acker, weil Nachts die Schaafe der Nachbarn hineingerathen waren. Wir waren zugegen bei der Schlichtung

79. und gaben dem Salomo Einsicht in den Streit und beiden verliehen wir Vollmacht und Kenntnifs. Und wir zwangen die Berge, mit David unser Lob anzustim- men, und auch die Vögel. Ja, wir haben es gethan.

SO. Wir haben ihm die Ivnnst, ein gewisses Kleid (Panzer) für euch zu machen gelehrt, damit es euch ge- gen eure Angriffe schütze. Seid ihr auch dankbar? 11. 18

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81. Dem Salomo haben Avir den Wind unterworfen mit seiner Schnelligkeit, welcher auf seinen Befehl hineilte in das Land, über das Avir unsern Segen ergossen haben. Wir waren über alles unterrichtet..

82. Auch einige Satane unterwarfen wir ihm, welche für ihn tauchten und andere Geschäfte verrichteten und wir bewachten sie.

83. Und Job. Bekanntlich rief er zu seinem Herrn: Das Elend hat mich betroffen, aber du bist der Gnädigste der Gnädigen!

84. Wir erhörten ihn und wandten das Elend, das auf ihm lastete, von ihm ab und gaben ihm seine Leute zurück und noch einmal so viel dazu. Wir thaten dies aus Barmherzigkeit und zur Beherzigung derer, die uns dienen.

8.5. LTnd Ismael, Idrys und Dzü-lkifl alle gehörten sie zu den Ausdauernden

86. und wir führten sie in unsere Gnade ein, denn sie gehörten zu den Rechtschaffenen.

87. Und Dzü-Inün (Jonas). Bekanntlich ging er zor- nig davon; denn er glaubte, wir können ihn nicht errei- chen. Dann rief er aus den Finsternissen: Es giebt kei- nen Gott aufser dir. Lob sei dir! Ich gehörte wahrlich zu den Ungerechten.

88. Wir erhörten ihn und retteten ihn aus der Be- trübnifs. So retten wir die Gläubigen.

89. Und Zacharias. Er rief ja zu seinem Herrn: Herr, lafs mich nicht allein (d. h. ohne Sohn) jedoch du bist der beste Erbe.

90. Wir erhörten ihn und schenkten ihm den Johan- nes und machten sein Weib fruchtbar. Sie (die ge- nannten Propheten) pflegten im Guten zu wetteifern und uns voll Eifer anzurufen und sich uns demüthig zu unter- werfen.

91. Und das Weib (Maria), Avelche ihre Keuschheit bewahrte. Wir hauchten etwas von unserm Ruh (Odem)

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in sie ^) und machten sie und ihren Sohn zu einem Zei- chen für die Menschheit.

92. Seht, dies ist eure Kirche; es ist nur eine Kirche, und ich bin euer Herr. Betet mich an!

93. Sie haben die Glaubenseinheit unter sich aufge- löst (sich in Sekten getrennt). Aber alle müssen ein.st vor uns erscheinen.

94. Das Streben desjenigen, welcher gute Werke ge- than hat, wird, vorausgesetzt dafs er ein Gläubiger sei, nicht verkannt w erden ; wir schreiben es ihm zu Gute [w el- chem Propheten er auch folgte].

Wir haben nun alle im Koran erwähnten Propheten und, mit wenigen Ausnahmen, ihre Geschichte, soweit sie dem Mohammad in Makka bekannt wurde, aufgeführt. In Madyna, wo er unter Juden lebte und Christen unter sei- nen ünterthanen zählte, standen ihm ganz andere Quellen offen ; aber gerade deswegen befafste er sich nicht mit diesem Gegenstand, aufser insofern es die Polemik unaus- weichbar machte, und dann hielt er sich begreiflicher Weise so weit es mög-lich war an seine früheren Offenbaiuniren. Wir finden nur in Einer madynischen Inspiration, welche er bald nach seiner Ankunft daselbst an die .luden gerichtet hat, einen neuen Kamen, nämlich Asbät, den er aber, weil er damals nicht wufste was er bedeute, besser ausgelassen hätte:

4, 161. Wir haben dir Offenbarungen mitgethoilt, wie wir Offenbaruno'en mitjjetheilt haben dem JNoah und den Pro- pheten nach ihm. Dem Abraham haben wir Olfenbarungen mitgetheilt und dem Ismael, und Isaak, und Jakob, und Asbät, und Jesu, und Job und Jonas, und Aaron, und Sa- lomo; und dem David haben wir Zobüre gegeben.

') Nach Baghawy läfst, dieser Satz eine andere Auffassung zu, nämlich: Wir bliesen in sie durch die Vermittelung unseres Ruh, Geistes.

18*

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162. Es giebt Gottgesandte, von denen wir dir schon früher erzahlt haben, und solche, von denen wir dir nicht erzählt haben. Und mit Moses hat Allah sprechend ge- sprochen!

Hafs Asbat hier von Mohammad für den Namen ei- nes Propheten gehalten wurde, geht aus dem Context her- vor. Diese Auffassung ist auch die Ursache, dafs frühe Moslime Asbät als Eigennamen benutzten. So trug ein berühmter Ascet und Traditionist den iSamen Asbät. Es ist ein jüdisches Wort, und in einer andern Koränstelle kommt es in seiner richtigen Bedeutung »Stämme Israel« vor; Mohammad hat sie also erst später erfahren.

Es ist bereits Bd. I S. 490 (vergl. Kor. 37, 81 und 42,ii) gesagt worden, dafs Mohammad einige Zeit den Noah als den Gründer der Einheitslehre ansah und sich mit ihm identiticirte (z. B. Kor. 21,77 und 37, 7i). Nach- dem er aber durch die Verdammung der Engelanbetung mit dem Heidenthume ganz gebrochen hatte, fand er die schönen Parabeln, durch welche die Sage den i\braham die Einheit Gottes deutlich machen läfst, sehr tauglich für seine Zwecke; aufserdem machten es die Zeitverhältnisse gerade Avünschenswerth, dafs er eine gröfsere Kenntnifs der Prophetengeschichte zeigen sollte, gleichviel ob sie durch beständige Wiederholung zur eigenen Inspiration ge- Avorden sind oder nicht, und so bearbeitete er viele Le- genden, Avelche er durch Vermittlung seines Lehrers erhalten hatte. In diesen Legenden, weil sie von abr ah amiti- schen ('äbiern herrühren, spielt Abraham eine grofse Rolle. Er ist der Stifter des Islam, jener ürreligion i), welche

') Wenn Mohammad von der Religion des Abraham spricht, so gebraucht er gewöhnlich nicht Dyu für Religion, sondern Milla (K. 2, 124. 129; 3,89; 4,124; 6, i62; 12,37—38; 16,124; 22,32). Aufser- dem kommt Milla nur noch sechs Mal im Koran vor. Die arabi- schen Philologen haben es versucht, das "Wort aus ihrer Mutter- sprache zu erklären. Malla bedeutet Feuer oder heifse Asche im

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auch Hanyferei genannt wurde. Mohammad ])ekennt sich ofl'en dazu (Kor, 6,79; 10,105), indem er behauptet, Gott habe ihm befohlen, sich ihr anzuschUefsen:

16,121. Abraham bildete für sich selbst eine dem Allah ergebene ') hanyfische (Gott sich zuwendende) Religions- gemeinde und war nicht ein Vielgötterer,

122. sondern dankbar für Gottes Wohlthaten. Er hat ihn daher auserkoren und auf die gerade Strafse geleitet

123. und in dieser Welt mit Wohlthaten überhäuft, in jener aber unter die Gottseligen versetzt.

124. Und dann haben wir dir geoffenbart, der Reli- gion (Milla) des Abraham als Hanyf zu folgen, er ge- hörte nämlich nicht zu den Vielgötterern.

Das Wesen dieser Urreligion ist schön ausgedrückt in Kor. 30, 29:

»Sie ist die Religion in Folge der Schöpfung (Rath- schlüsse) Allahs. Er hat die Menschen dazu erschaffen, und in der Schöpfung (den Rathschlüssen) Allahs giebt es keine Abänderung. Folglich ist sie die unwandelbare Religion.«

Arabischen, und Zaggäg sagt (bei Tha'laby 2, 114), dafs man die Religion Milla hiefs wegen des Eindruckes, den sie mache und wel- cher mit demjenigen zu vergleichen sei, den das Feuer auf in der Asche gebackenes Brod mache. Da die Araber keine bessere Er- klärung zu geben im Stande sind, müssen wir annehmen, dafs Milla ein fremdes, aramäisches Wort und mit den Lehrern der Milla des Abraham in den Higäz eingewandert sei.

Schon Philo betrachtet den Abraham als den Hauptträger der Einheitslehre, und gewifs hatte der jüdische Geist auch vor Philo dadurch, dafs er das Wesen der wahren Religion nicht erst dem Moses, sondern dem Stammvater des Volkes offenbaren liefs, sich von der Unerläfslichkeit der Formen des Gesetzes emancipirt und somit dem Essäismus und Christenthume vorgearbeitet.

') Im Original känit. Tha'laby 2, 110 sagt, dafs die Grund- bedeutung von konüt stehen sei und dafs känit betend heifse; die Moslirae stehen nämlich beim Gebete.

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Auch in andern Stellen wird die IMilla des Abraham die unwandelbare Religion (dyn) geheifsen (Kor. 6, 162. 30, 40. 12, 40. 98, 4. 9, 36).

Weder die bisher erzähhen Abrahamlegenden, noch diese Tlieorie enthalten etwas Originelles. Im Frühling 622 aber trug er den Madynensern, welche das makkanische Piluerlest besuchten und ihn bei dieser Gelegenheit einlu- den, zu ihnen zu kommen und mit ihm ein förmliches Bünd- nifs abschlössen, eine Offenbarung vor, welche einen merk- wiirdiuen Passus enthält:

22, iT. Wir wiesen ja dem Abraham den Platz des Tem- pels [von Makka] zum Aufenthaltsort an [mit dem Zusätze]: Geselle mir kein Wesen zu und halte meinen Tempel rein für die, so darum herumgehen [während sie ihre Andachts- übungen verrichten], so stehen (im Gebete), so sich bücken und so sich auf die Erde niederwerfen.

28. Ferner predige den Menschen das Pilgerfest: Sie sollen zu dir kommen zu Fufs oder auf jenen schlanken Kameelen. Sie kommen von verschiedenen weiten Wegen

29. ihrer eigenen \ ortheile wegen [denn es wurde auch ein Jahrmarkt abgehalten] und damit sie an bestimm- ten Tagen den Namen Allahs anrufen über das Vieh, \vel- ches wir ihnen beschert haben. Esset davon und theilt auch den nothleidenden Armen mit;

30. ferner damit sie ihren Körper reinigen [d. h. im Thale Minä sich die Nägel, den Bart und das Haupthaar schneiden lassen], ihre Gelübde vollbringen und um den alten Tempel herumgehen.

31. So [steht es]: Wenn jemand die Heiligthümer AI- lah's in Ehren hält, so wird es ihm vor seinem Herrn zu Gute kommen. Das Fleisch derThiere ist euch erlaubt, ausgenom- men das der bereits genannten, aber vermeidet die Scheufs- lichkeit des Götzendienstes und vermeidet Irrlehren,

32. euch als Hanyfe gegen Allah erweisend, ohne ihm etwas beizugesellen. Wer dem Allah ein Wesen beigesellt,

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ist wie einer, der vom Himmel herahlällt und den die Vö- gel aufschnappen oder der Wind in einen wildlremden Ort hin verweht.

Die Bedeutung, welche Mohammad in dieser Stelle dem Abraham giebt, indem er ihn zum Gründer des heid- nischen (jüttes(henstes zu 3Iakka macht, halte ich für seine eigene Erfindung, und ich glaube, dafs vor ihm keine Tra- dition dieser Art vorhanden gewesen sei. Diese Erfindung ist von grofser Wichtigkeit. Sie ist Menschenwerk, und das Kind der Willkür, während die meisten andern Lehren des Islams aus dem Zeitgeiste hervorgegangen und somit die Schöpfung Gottes sind. Wie der Sonnenstrahl, der sich im l*risma bricht, in mannichfachen Farben sichtbar wird; wie der Sturmwind durch den Baum, welcher ihm Widerstand leistet, Stimme erhalt, so ist zu allen Zeiten das Götdiche durch den Zusammenstofs mit dem Menschlichen in die zahllosen Farben einer üppigen Mythologie zersplittert und auch für rohere Naturen vernehmbar geworden. Die bibli- schen Geschichten , welche das einzige Körperliche sind, was die Lehre des Mohammad bis zu dieser Erfindung be- safs, hätten allein den Islam nimmer vor dem Schicksale von Philosophemen retten können. Aber durch diese Lüge hat IMohammad dem Islam alles gegeben, was der jMensch bedarf und was Religion von Philosophie sondert: Natio- nalität, C'eremonien, geschichtliche Erinnerungen, Mysterien, Mittel, den Himmel mit Gewalt zu erringen und sein eigenes Gewissen und das Anderer zu betrügen. Durch diese Erfin- dung hat Mohammad dem Deismus sein eigenes, menschliches Sietrel aufi^edrückt und zum Mohammadanismus gemacht.

Es liegt uns ob, so weit es möglich ist, den Beweis zu führen, dafs die Gründung des makkanischen Pilgerfestes durch Abraham eine Erfindung des Mohammad sei.

Der moslimischen Legende zufolge hat Abraham den jungen Ismael mit seiner Mutter Hagar auf Befehl Gottes in Makka angesiedelt, damit er und seine Nachkommen

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dort die Helli^tbiimer pflegen sollen. Nicht in der ersten, wohl aber in spätem Offenbarungen über diesen Gegen- stand wird Isniael auch mit Namen genannt:

14,38. Abraham sprach ja: Herr, mache diesen Ort sicher und entferne mich und meine Söhne von dem Götzendienst,

:}9. denn wahrlich, o niein Herr, verleiten sie (die Götzen oder Ginn) viele Menschen: wer aber mir folgt, der gehört zu mir, und wenn sich Jemand mir widersetzt, so bist du verzeihend und barmherzig ^).

10 Unser Herr, ich habe einige von meinem Saamen in einem Thale ohne Felder ansäfsig gemacht bei deinem geheiligten Tempel, Herr, auf dafs sie den Gottesdienst aufrecht erhalten; mache daher die Herzen einiger Men- schen ffenei2;t o^eo-en sie, und beschere ihnen etwas von den Früchten der Erde, auf dafs sie dankbar seien.

41. Herr, du weifst was wir verheimlichen und was wir eröffnen, denn vor Allah ist nichts auf Erden und nichts im Himmel verborgen. Lob sei Gott, welcher mir unge- achtet meines hohen Alters den Ismael und Isaak geschenkt hat. Mein Herr erhört wahrlich die Bitten.

42. Herr, gieb dafs ich den Gottesdienst aufrecht er- halte und so auch einige meiner Nachkommen, und o Herr, erhöre meine Bitte. Herr, vergieb mir und meinen Eltern und den Gläubigen an dem Tage, an welchem Gericht ge- halten wird.

In Madyna wiederholte er diese Offenbarung, aber im Geiste fanatischer Ausschliefslichkeit:

2, 119. Wir bestimmten ja den Tempel zu einem Ver- sammlungsplatz für die Menschen und zu einem Ort der Sicherheit. Betrachtet den Makäm Ibrahvm (den Stand des Abraham, eine Stelle vor der Ka ba) als Retplatz. Wir haben dem Abraham und Ismael die Verpflichtung aufer-

') Dieser Geist der Versöhnlichkeit beweist, dafs die Offenba- rung in oder kurz nach 619 fällt.

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legt, iinsern Tempel zu reinigen für die, welche um den- selben herumgehen, sich dahei aulhalten, sich verbeugen und aut das Angesicht uerfen.

1-20. Abraham sprach ja: Herr, lafs dies ein sicherer Ort sein und beschere seinen Einwohnern etwas von den Früchten, nämlich denjenigen von ihnen, welche an Allah und den jüngsten Tag glauben. Gott antwortete: Gut, aber die l ngläubigen lasse ich ein Wenig geniefsen, dann werfe ich sie in die Qual des Feuers. Dies ist ein böser Weg!

121. Als Abraham damit beschäftigt war, die Grund- vesten des Tempels zu errichten und auch Ismael, [spra- chen sie:] Herr, nimm was wir thun von uns an, denn du hörst und weifst Alles,

\2-2. und o Herr, mache uns dir unterwürfig (zu Mos- lime) und rufe unter unseren Saamen eine dir unterwür- fige (moslimische) Gemeinde hervor, zeige uns unsere Ce- remonien [die beim Pilgerfeste zu verrichten sind] und vergieb uns, denn du bist der \ ergebende, der Barm- herzige.

123. Und o Herr, schicke aus ihrer Mitte einen Bo- ten zu ihnen, welcher ihnen deine Zeichen vorlese, das Buch und die Weisheit lehre und sie reinige, denn du bist der Erhabene, der Weise.

3,89. Folget der Lehre (Milla) des Abraham insofern er Hanyf war und nicht zu den Vielgötterern gehörte.

9(1. Wahrlich, der erste Tempel, welcher für die Men- schen bestimmt wurde, war der zu üakka (iMakka). Er ist gesegnet und eine Leitung für die Menschen.

Da die mvthische Begründung des makkanischen Pil- gerfestes mit dem Namen des Ismael verknüpft ist, wollen wir, um unterscheiden zu können, wie viel davon Moham- mad durch Tradition empfangen und wie viel er selbst er- dichtet, hat die Entwicklung der koränischen Nachrichten über Ismael verfolgen.

Es ist \\ahrscheinlich, läfst sich aber nicht streng be- weisen, dals Mohammad einige Zeit den Jakob für einen

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Sohn des Abraham hielt. In Süra 6,84 und 19,50 wird gesagt: Wir schenkten dem Abraham den Isaak und den Jakob, hl Sura 21,72: Wir schenkten ihm [unserm V^er- sprechen geniäfs] den Isaak und obendrein den Jakob. »Obendrein« scheint sich auf das Versprechen der En- oel zu beziehen, welche dem Abraham die Geburt nur eines Sohnes des Isaak verkündet hatten. Er will also sagen : Gott hat ihm mehr gegeben als er ihm ver- sprochen. In Süra 11,74 heifst es: Wir schenkten ihm den Isaak und hinter diesem den Jakob. Es ist zwei- felhaft, was Mohammad mit »hinter diesem« sagen will. Vielleicht ist es eine Anspielung auf Jakob's Namen, denn ya'kob bedeutet auch im Arabischen hinterdrein kommen, auf die Ferse folgen. In Süra 12, 6 beweist er endlich, dafs er, als er jene Stelle verfafste, mit der Genealogie besser vertraut war. Wie es scheint, wollte er aber sei- nen frühern Irrthum weder bekennen noch wiederholen, denn im Kor. 37, 112 läfst er den Namen des Jakob ganz aus und sagt: Wir haben dem Abraham den Isaak verheifsen. Diese Auslassung mag jedoch zufällig sein; später neunter beständig den Ismael und nicht wie früher den Jakob als den Bruder des Isaak; ja Ismael wird nirgends vergessen, wo von den Söhnen des Abraham gesprochen wird, luid sein Name steht immer vor dem des Isaak. Jakob wird dabei auf eine Art erwähnt, welche den früheren Stellen nicht widerspricht, aber doch richtig ist, z. B.:

2, 126. Abraham vermachte seine Lehre seinen [zwei] Söhnen und dem Jakob.

Der Name des Ismael kommt im Koran auch zu jener Zeit vor^), wo Mohammad den Jakob für den leiblichen Sohn des Abraham hielt, aber in gar keinem Zusammen-

') Kor. 6,86: 38,48; 21,85. Diese Stellen sind bereits oben S. 258, 269, 272 angeführt worden.

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hang; mit seinem Vater Abraham, sondern unter andern Män- nern (jlottes. Besonders wichti«^ ist die Art wie er in der unter christlichem (rahmänistischem) Einflüsse verlalsten Stira 19 erwähnt wird:

19,55. und erwähne in der Schrift des Ismael: er war seinem Verbrechen getreu und war ein Bote und Prophet.

56. Er befahl den Seinigen den Gottesdienst aufrecht zu erhalten und das Almosen zu geben, und war wohlge- fällig vor seinem Herrn.

Ich glaube, dafs diese Inspiration von den Rahmäni- sten herrührt. Diese Sekte war auch unter Arabern ver- breitet, und es war ihnen darum zu thun, den auf ihre Abkunft so stolzen Juden in Ismael den angeblichen Stamm- vater der Araber ein Gegengewicht entgegenzustellen. Sie liefsen ihm daher das Verdienst der Treue und der Beob- achtung der Gebote Gottes, was im Koran nur noch dem Abraham selbst und Jesu zukommt. Während aber Moham- mad so viel von den Rahmänisten, etwa bei Gelegenheit von Besprechungen über seine eigene Abstammung er- lauscht hatte, uufste er noch immer nicht, dafs Ismael ein Sohn Abrahams war. Er hörte dieses erst später.

Wir haben in der so eben erwähnten wStelle aus Sura 14 gesehen, dafs dem Abraham in Hinblick auf die Hei- ligthümer von IMakka die Worte in den Mund gelegt wer- den: »Herr, ich habe einige von meinen Nachkommen in einem Thal ohne Felder (d. h. in Makka) ansäfsig gemacht bei deinem heiligen Tempel (d. h. der Ka'ba).« Es ist sehr aulfallend, dafs in derselben Offenbarung das erste Mal deutlich gesagt wird, dafs Ismael der Bruder des Isaak war, indem dem Abraham die Worte in den Mund gelegt wer- den: »Lob sei Gott, welcher mir in meinem hohen Alter den Ismael und Isaak geschenkt hat ^).« Ismael wird von

') Der Ausdruck „geschenkt" ist stereotyp im Koran, wo er von den Söhnen des Abraham spricht. Es scheint, dafs Mohammad

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min an immer genannt, \vo von der Einführung der ürre- ligion, welche wieder herzustellen Mohammad sich zur Auf- gabe machte, die Rede ist, z. B.:

2, 127. Wart ihr [o Juden von Madyna] Zeugen als dem Jakob der Tod nahte und er zu seinen Söhnen sprach: Was Averdet ihr nach mir anbeten? Sie antworteten: Wir be- ten deinen Gott, den Gott deiner Väter, des Abraham, Is- raael und Isaak , an: den Einen Gott, und wir sind Moslime.

Hier hätte der Name des Ismael füdich we2:bleiben können. Es wäre damit den Exegeten einige Mühe erspart gewesen; denn da er nicht zu den Vätern der Söhne des Jakob gehörte, so fanden sich Einige ^) veranlafst, den Text zu emendiren und Vater im Singular zu lesen, während Andere behaupten, dafs die Araber auch den Onkel Va- ter nennen.

Ist es denkbar, dafs, wenn die Tradition von der Grün- dung der Ka'ba und des Pils:erfestes durch Abraham und Ismael schon vor Mohammad bestanden, er noch im Jahre 617 nicht gewufst haben soll, dafs Ismael der Sohn des Abraham war? Dafs die Geschichte des Abraham und Is- mael erst um die Zeit des Mohammad in Makka und Tä- yif unter den Heiden bekannt Avurde, ist selbst in den er- sten drei Jahrhunderten nach der Flucht von den Mosli- men anerkannt worden. Es Avird daher im Kitäb alaghäny Bd. 1 lol. 199 als etwas Aufserordentliches herA^orgehoben, dafs Omayya b Aby-l-Talt »einer von Jenen Avar, welche von Abraham und Ismael zu sprechen pflegten.« Moham- mad berief sich also nicht auf eine makkanische Lokaltra- dition, noch war es der Einlall eines Missionärs, sondern

einige Zeit auch den Ismael für den Sohn der Sara hielt; denn warum soll sonst Abraham in Bezug auf ihn von seinem hohen Al- ter sprechen.

') Yahyä b. Ya'mor und Gahdary, bei Thalaby.

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es war seine eigene Erfindung ^), wenn er, um seine Ver ehrung für die Kaba und das Pilgerl'est zu rechtfertigen, den Abraham und Ismael zu Stiltern derselben macht. Diese Thatsache ist von grofser Wichtigkeit für die Beurtheilung des Charakters des Mohammad.

Es ist jedoch zu seinen Gunsten, w enn sich die Ver- muthung, dafs das Pilgerfest, welches man wie das Oster- fest unmittelbar vor dem Frühlingsaequinox beging, schon von den Heiden zu Ehren Allah's, d. h. desjenigen Gottes, welcher Himmel und Erde erschaffen hat, gefeiert wurde.

m. Das Buch.

An die Prophetenlegenden knüpfen sich ganz natür- lich Bemerkungen über Mohammad's Kenntnifs der geof- fenbarten Schriften. Ich habe zum wiederholten Male be- merkt, dafs er sich in Madyna in einer ganz andern Lage befand als in Makka. Dort war er im täglichen \'erkehr mit den .luden, welche wahrscheinlich den ganzen Canon des alten Bundes und wohl auch andere Schriften besafsen oder wenigstens mit Glaubensgenossen in Verbindung standen, die mit der Bibel bekannt waren. In Makka hingegen lebte er unter Heiden und war ziemlich isolirt. Wir müssen da- her die in Makka geoffenbarten, auf die heilige Schrift be- züglichen Stellen von den madynischen sorgfältig sondern.

In Madvna erwähnt Mohammad mehrere Male derThora (Pentateuchj, des Evangeliums und auch der Psalmen, wo- von die erstere von Moses, das Evangelium aber nach sei- ner Ansicht von Jesu selbst herrührt. In Makka aber

') Katäda und Mokätil, bei Thalaby, Tafs. 2,57, behaupten zwar, dafs die Cabier das Angesicht im Gebete gegen den Tempel von Makka richteten. Ich glaube aber nicht, dafs ein Titelchen Wah- res in dieser Behauptung ist.

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wurde keine der canonischen Schriften mit Namen ge- nannt aufser den Psalmen des David (Kor. 17, 5?), und aus diesen führt er Kor. 21,105 sogar einen Vers (Ps. 37, 2y) an, und zwar höchst wahrscheinHch nach einer Mittheihing der arabischen Christen (Rahmänisten), welche wohl, wie wir, Stellen aus den Psalmen in ihren Gebeten anwende- ten. In den zahlreichen Stellen, in denen er sonst von den heiligen Schriften spricht, werden sie al-Kitäb, das Buch, die Bibel genannt. Herr W. Muir hat eine Mono-

s:ra

phie: »The Testimony born by the Coran to the Jeuish ; [ Christians Scriptures. Agra 1856« herausgegeben, in '

and Christians Scripti..v,^. --q'" - - ■— "©--o'

der er unter al-Kitäb, wo es immer im Koran vorkom- men mag, den Canon des alten und neuen Testamentes versteht, ich glaube aber, dafs wir in den meisten Stellen, wo von dem Buche die Rede ist, das auf »der Tafel (Lüh)« verzeichnete und im Himmel aufbewahrte Schriftstück ge- meint sei; so in folgenden Inspirationen:

10,38. Dieser Koran ist nicht der Art, dafs er ohne Allah's Beistand erfunden werden könnte, denn er ist eine Bestätigung der früheren Offenbarungen und eine Gliederung ^) des Buches, über dessen Existenz kein

') Im Arabischen tafQyl, wörtlich Gliederung, von facl Glied, auch Trennung, daher fa^yl die Stadtmauer. In der Umgangs- und Schriftsprache heifst taf^yl in das Detail eingehen, die Einzelheiten aufzählen, analysiren. Im Koran scheint es aber einen etwas ver- schiedenen Sinn zu haben, dies geht am klarsten aus Kor. 41,44 her- vor: Die Makkaner machten es dem Mohammad auf Anstiften der Juden zum Vorwurf, dafs der Koran nicht in einer heiligen Sprache geoflfenbart worden sei. Gott antwortet: Hätten wir ihn welsch ge- macht, so würden sie sagen: Warum sind die darin enthaltenen Zei- chen (Offenbarungen) nicht in taf^yl dargestellt. Es kann hier nicht „weitläufig, detaillirt" bedeuten, sondern „begreiflich, verständlich." Der Ausdruck wird im Koran nicht blos auf die Rede angewendet, sondern in Kor. 30, 27. 17, 13 u. a. ra. werden auch die Wunder der Natur verständlich genannt, weil, wer sie ansieht, das Walten Got- tes nicht verkennen kann, und in Kor. 7, 130 werden die egyptischen Landplagen verständliche Zeichen genannt. Man hat schon in sehr früher Zeit eine Gruppe Koränverse versländliche genannt, vielleicht

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Zweifel obwaltet^), und geht von dem Herrn der Wel- ten aus.

Zwei makkanische Offenbarungen (Süra 45 u. 46) ha- ben die Aufschrift:

»Herabsendung des Buches von Allah, dem Erha- benen, dem Wissenden.« Als Mohammad nach Madjna kam, verfafste er fol- gende Ueberschrift für die mitgebrachten Offenbarungen, welche, das im offiziellen Texte vorausgeschickte Gebet ab- gerechnet, noch jetzt den Anfang des Korans bildet:

2, J. »Hier ^) ist das Buch, über dessen Vorhandensein kein Zweifel obwaltet, zur Leitung der Frommen« ^).

weil darin die Hauptpunkte des Islams deutlich ausgesprochen wer- den, namentlich die Einheits- und Auferstehungslehre.

Der Sinn des Verses ist also: Dieser Koran ist eine für euch verständliche Version des himmlischen Buches.

') Wörtlich: „worüber kein Zweifel". Dieser Ausdruck kommt im Koran öfter vor und zwar am häufigsten in Bezug auf den jüng- sten Tag und bedeutet dann, dafs ein solcher Tag ganz gewifs kom- men wird.

^) Es wäre wortgetreuer „dort" zu übersetzen; es spricht näm- lich Gott, und er weist auf das hin, was sich bei Mohammad zur Zeit vorfand.

^) Dieser Vers läfst auch eine andere Auffassung zu:

1. Jenes Buch, über dessen Vorhandensein kein Zweifel ob- waltet, ist eine Leitung für die Frommen,

2. welche an das Unsichtbare glauben etc.

Diese Auffassung ist richtig, wenn der zweite Vers zum ersten gehört. Ich glaube aber, dafs er unabhängig und der Sinn des Satzes, welcher unmittelbar nach der Aufschrift folgt, dieser sei:

2, 2. Diejenigen, welche an das Verborgene glauben, den Gottes- dienst aufrecht erhalten und von dem ihnen Bescherten Almosen spenden,

3. und Diejenigen, welche an das auf dich Herabgesandte glau- ben, wie auch an das, was vor dir herabgesandt worden ist, und an das Jenseits, sie sie gehen sicher in ihrer üeberzeugung,

4. sie wandeln an der leitenden Hand ihres Herrn und sie sind die Glückseligen.

5. Diejenigen hingegen, welche ungläubig sind etc.

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Besonders deutlich ist folgende Stelle: 43,1. Beim ofl'enbaien Buche [schwören wir],

•2. dafs wir einen arabischen Koran (oder eine ara- bische Leetüre) daraus gemacht haben, auf dafs ihr es ver- stehen könnt.

.3. Der bei uns aufbewahrte Urtext ist wahrlich er- haben und weise.

Hier wird das himmlische Buch in Bezug auf die für die Menschen geoffenbarten Schriften der Urtext (wörtlich: die jMutter des Buches) geheifsen. In einem andern Verse, der zu einer Stelle gehört, in welcher Mohammad Einwür- fen über Aenderungen in seinen Oifenbarungen und die Anpassung derselben auf seine Lage begegnet, erklärt er das Verhältnifs des Urtextes zu den irdischen Copien näher:

13,38. für jeden Zweck (für jeden einzelnen

Fall) besteht eine Schrift^).

39. Allah streicht was er will und läfst stehen was er will; bei Ihm ist der Urtext.

Weil die irdischen Schriften den Zeitumständen ange- pafste Auszüge aus dem Buche sind, so konnte er behaup- ten, dafs die Bücher der Juden und Christen-) und auch der Koran aus demselben L^rtexte flössen:

') Es scheint, dafs sich Mohammad einige Zeit einbildete, die- ses Buch enthalte auch die Rathschlüsse Gottes über die Schick- sale der Menschen. Vorstellungen über solche Gegenstände fin- den nur in unklaren Köpfen Raum und sind daher so überschweng- lich und unbestimmt, dafs die Leute nicht angeben können, was sie meinen. Ein Versuch, mit Hülfe der widersprechenden Angaben im Koran Mohammad's Begriffe über die himmlischen Archive zu prä- cisiren, hiefse die Finsternifs bei Lichte besehen wollen.

^) Die Juden, Christen und Qabier werden im Koran zusam- mengenommen als Ahl al-Kitäb, Leute des Buches, bezeichnet. Es kommt mir vor, dafs dieser Ausdruck von den Judenchristen ent- lehnt und dafs ursprünglich das himmlische Buch gemeint sei. Der Ausdruck will also andeuten, dafs sie etwas mehr oder weniger

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6, 156. Wir olTenbarten dem Mohammad ein Buch,

157. damit ihr nicht sagen könnt: »Das Buch wurde vor uns für zwei Parteien (die .luden und Christen) herabge- sandt, wir aber sind mit ihrer Scholastik ^) nicht vertraut«,

158. noch: »Wenn das Buch für uns herabgesandt worden wäre, so würden wir uns besser leiten lassen als sie.« Es ist euch nun eine Erleuchtung zugekommen, welche ausgeht von eurem Herrn und zu eurer Leitung bestimmt und ein Akt der Gnade ist. Wer ist ungerechter als der- jenige, welcher die Zeichen Aiiah's läugnet und sich da- von abwendet. Wir werden aber über diejenigen, welche sich von unseren Zeichen abwenden, eine böse Strafe ver- hängen ob ihrer Widerspenstigkeit.

vom Buche wissen, unter den Koränstellen, welche diese Vermuthung rechtfertigen , ist 29 , 45 —46 wichtig. Gott sagt zu den Auswande- rern nach Abessynien: „Disputiret nicht mit den Ahl al-Kitäb", und dann fährt er fort: „So haben wir auch auf dich [o Mohammad] das Buch hinabgesandt, und die, auf welche wir es [schon früher] hinabgesandt haben, glauben daran (d.h. an deine Offenbarungen)." Es ist anzunehmen, dafs Mohammad in dieser Stelle jedes Mal mit al-Kitäb, das Buch, denselben Begriff verband.

Später scheint allerdings unter al-Kitäb in dieser Verbindung die Bibel verstanden worden zu sein. Nach Mohammad hat man den Sinn noch mehr erweitert, und als sich z. B. die Frage auf- warf, ob die Magier zu den Ahl al-Kitäb gehören, sagte man: Ja, sie besitzen Schriften, die sie für Offenbarungen halten. Man fafste den Sinn auf als hiefse es: Ahl Kitäbin, Leute eines Buches.

') Im Original: Diräsa, von der Wurzel drs. Geiger hat ge- zeigt, dafs es ein hebräisches "Wort sei. Im Arabischen bedeutet die Wurzel: dreschen, reiben, abnützen, fadenscheinig machen, im He- bräischen: suchen, dann auch lesen, studiren. Wie bei uns das fremde Wort studiren nur für höheres wissenschaftliches Streben benutzt wird, so auch werden im Arabischen von drs abgeleitete Wörter für edler betrachtet als einheimische. Modarris entspricht unserem Pro- fessor, Mo'allim unserem Lehrer, Madrasa bedeutet Hochschule, wäh- rend eine Lehranstalt für Knaben Maktab genannt wird. Auch bei den Nabathäern finden wir drs in dieser Bedeutung: daher Idrys der Name des Propheten Enoch, wörtlich: der Lehrer. u. 19

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Wir beo-rfifen mm was es bedeuten soll, wenn Jesus unmittelbar nach seiner Geburt in der Wiege ausruft:

19,31. leb bin ein Knecht Allah's, erbat mir das Buch gegeben und mich zum Propheten gemacht.

Die Erleuchtung, in Folge deren ihm, dem auf aufser- natürbche Weise Gezeugten, der bihalt des I^uches vor- schwebte, ist mit ihm geboren. Es ist dies eine etwas freie Auffassung der Gottheit Christi.

Weil .bdianiies der Täufer von der Sekte, welche diese phantastischen Theorien ersann, als ihr Stifter angesehen wurde, wird in demselben Sinne von ihm gesagt:

19, 13. 0 Johannes, ergreife das Buch mit Kraft, und wir verliehen ihm die [geistliche] Vollmacht schon als Knaben.

Wir lesen in Sma 35:

28. Das was wir dir aus dem Buche eingegeben ha- ben, ist die Wahrheit und bestätiget die früheren Offenba- rungen. AI -Allah kennt und sieht seine Diener.

Darauf folgt ein Vers, der gar nicht dahin pafst; an einem andern Orte aber können wir ihn recht gut brauchen: 32, 22. Wer ist ungerechter als derjenige, welchem die Zeichen seines Herrn (Offenbarungen) zu Herzen geführt worden sind, und der sich dann davon weggewendet aber wir werden uns an den Frevlern rächen!

23. Ja, wir haben dem Aloses das Buch s^egeben. Sei nicht in Zweifel darüber, dafs er es erhalten hat. Und wir bestimmten es zur Leitung für die Kinder Israel,

24. und wir bestellten einige von ihnen zu buäme (Führer, Vorbilder), welche auf unsern Befehl [die Men- schen] leiten, weil sie (die Bestellten) ausgeharrt und an unsere Zeichen fest geglaubt haben.

25. Wahrlich, dein Herr wird unter ihnen in l>ezug auf die Fragen, worüber sie getheilter Meinung waren, am Tage der Auferstehung entscheiden.

35, 35. Dann liefsen wir das Buch jene von unsern Die- nern erben, welche wir auserwählt haben (d. h. das aus-

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erwählte Volk oder die Juden). Unter ihnen giebt es ei- nen, welcher gegen sich selbst ungerecht ist, einen Lauen und einen, der durch (Jottes Heistand in allem (niten der Erste ist er geniefst wahrlich einen grofsen Vorzug (Gnade).

Ich glaube, dafs unter dem gegen sich selbst Unge- rechten, Lauen und Ersten im (luten, Persönlichkeiten, ja Zeitgenossen des Mohammad und nicht Sekten zu verste- hen seien, und dafs eine der Fragen, worüber die Juden getheiher Meinung Ovaren, gerade die Theorie über das himmlische Buch war. Ich hebe andere Stellen aus, worin die Behau|)tung, dafs (Jott dem Moses das Inich gegeben habe, emphatisch wiederholt wird. Wir ersehen daraus, dafs sie direkt an die Israeliten s-erichtet sind, dafs einijre von ihnen den Propheten umsonst zu beeinflussen suchten, dafs er aber die Behauptung, Moses habe das Buch em- pfangen, gleichsam als Machtspruch zwischen die sich be- kämpfenden Parteien hinstellte, und dafs die Lehre über das Buch mit der Theorie der Erblichkeit des Prophetenthums im auserwählten Volke eng zusammenhängt. Wenn wir al- les dieses zusammenfassen und zugleich den Umschwung in andern Ansichten des Mohammad berücksichtigen, so gelangen wir zur Vermuthung, wenn nicht zur Ueberzeu- ffung:, dafs unter dem Ersten im (niten der Mentor des Pro- pheten, von welchem mehr im nächsten Kapitel die Rede sein wird, und unter dem gegen sich selbst Ungerechten, von welchem gesagt Avird, dafs ihm die Zeichen Gottes zu Herzen geführt worden sind, er aber sich davon weggewendet hat, ein orthodoxer Jude zu verstehen sei, welcher gegen Mo- hammad polemisirte und den Gegnern des Islams (K. 45,18) Beistand leistete, wie diese ihm beistanden. Der ursprüng- liche Angrift" des polemisirenden Juden war gewifs gegen die Rollen des Abraham und Moses gerichtet. J^ie liefsen sich nicht vertheidigen. Aber dafs Gott dem Moses das Gesetz geolfenbart hatte, koiinte nicht widerlegt werden,

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und auf seinem Rückzuge nahm Mohammad auf diesem Punkte eine feste SteHung ein gegen seinen Gegner.

Es ist unmöglich, dafs dem Mohammad der schroffe Gegensatz zwischen den Juden und Christen ganz unbe- kannt hätte sein sollen, sie standen ja im nördlichen Ara- bien einander feindselig gegenüber und verdammten ein- ander. Hätte er seine Ansichten über die geoffenbarten Schriften nach seinen eigenen Wahrnehmungen gebildet, so wären sie ganz anders ausgefallen. In der That hat ihn die Gewalt der Thatsachen, wie wir sehen werden, in Ma- dyna genöthiget, sie wesentlich zu niodificiren. Die Lehre, die wir so eben vernommen haben, ist eine fremde und in ihrem Ursprünge nicht wesentlich von der des juden- christlichen Verfassers der Clementinen verschieden.

Schon in Philo und im neuen Testamente nehmen wir dieselbe Mischung von Verehrung und Vernachlässigung des Gesetzes wahr, welche (in Bezug auf die Bibel überhaupt) in unserer Zeit einen Theil der protestantischen Theologie charakterisirt. Das Gesetz hatte sich überlebt und die er- starkte Vernunft konnte die närrischen Ceremonial -Vor- schriften und die unmoralische Ausschliefslichkeit desselben nicht länger anerkennen, und doch wollte man etwas Po- sitives haben. Die neue, zum Theil ausländische Gesittung und die Verehrung der Thora konnten nur unter einer der drei Bedingungen neben einander bestehen: wenn das Gesetz allegorisch erklärt, wenn der vorhandene Text desselben für interpolirt und verdorben gehalten, oder wenn das- selbe so sehr verehrt wurde, dafs man es gar nicht mehr las. Bis auf einen gewissen Grad traten alle drei Bedin- gungen ein. Gelehrte, wie Philo, erbauten sich und an- dere, indem sie hie und da ein Stück herausnahmen und darüber philosophirten oder vielmehr witzelten. Die grofse Masse des vorliegenden Stoffes liefsen sie unbeachtet. Die Ossener, Ebioniten und andere Sekten alter ('üfies ver- fuhren viel einfacher. Sie beo'nüo:ten sich mit den we-

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nigen biblischen l^hrasen, n eiche im Volke lebten, stiidir- ten (las Gesetz nicht, bildeten sich aber solche idealische l^ej^ritVe davon, dafs ihm nichts Vorhandenes entsprechen konnte. Man versetze sich in die abgelegene Südküste des Rothen IMeeres unter überspannte Menschen, uelche in ihrer \ errücktheit so weit gingen, dafs sie sich zur Ehre Gottes selbst entmannten und ganz dem contempla- tiven Leben hingaben. Wenn man einem solchen Asceten, der sein jj-auzes lieben für die Heilin^keit des Gesetzes geschwärmt hatte, das Buch Deuterononium vorsehalten und er darüber nachgedacht hätte, so würde er ebenso ent- täuscht gewesen sein, wie ein Auswanderer, welcher, nach- dem er reich geworden, die Geliebte seiner Jugend, die er vierzig .Jahre nicht gesehen hatte, aufsucht, um sie zur Frau zu machen. Fälle dieser xVrt sind aber wahrschein- lich nicht häufio; voro-ekommen; denn Asceten sind Trau- mer und beschäftie:en sich nicht mit Lektüre.

Wir haben gesehen, dafs in den Clementinen aus der Ewigkeit und Unveränderlichkeit der Wahrheit überra- sehende Schlüsse gezogen werden. Die orientalischen Phi- losophen haben ihr sogar Substanz zugeschrieben und sie die ürvernunft, aTakl alawwal, genannt. Einige von ihnen finden diese Substanz im Aether, welcher um die F^rde kreist und durch die Reibung das Leben erzeugt, nach Andern ist sie verschieden vom Aether. Es ist wohl kein ZAveifel, dafs das himmlische Buch, in welchem die Wahrheit auf- gezeichnet steht, eine Verbindung der Theorie eines ewigen Logos mit der historischen Vergötterung der Thora ist. Die Theorie über das Buch ist also weder in dem Kopfe des Mohammad, noch des »Ersten im Guten« entsprungen. Die ältesten Rollen, welche Mohammad bisher als Offen- barungen angesehen hatte, waren ein darauf begründeter Betrug. Den Betrug liefs er, als er aufgedeckt worden war, fallen, an der Theorie aber hielt er fest, weil sie zu seinen Zwecken diente. Er sagt seinen Opponenten: Es

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ist nicht ualir, dafs es kein himmlisches Buch giebt, und er trägt ihnen die bereits oben S. 256 übersetzte Prophe- tengeschichte vor und lügt am Knde hinzu:

6, 91. Sie (die Juden) schätzten Allah nicht nach sei- nem Werthe, indem sie sagten, Gott hat auf keinen Men- schen etwas herabgesandt. Frage sie: Wer hat das Buch, welches Moses gebracht hat, als ein Licht und eine Lei- tung für die Menschheit, geoffenbart? ^) Antwort: Allah! Dann lafs sie, sie mögen mit ihren Spitzfindigkeiten spielen').

') Hier ist folgendes madynische Einschiebsel:

„Eure Exemplare bestehen aus einzelnen Blättern, wovon ihr ei- nige zeiget, aber viele verberget. Ihr seid nun [durch Mohammad] über Manches belehrt worden, wovon weder ihr noch eure Väter Kenntnifs hatten."

-) Baghäwy Tafs. 6, 91 : „Sa'yd b. Gobayr berichtet: „Ein Jude Namens Mälik b. Dhayf kam nach Makka, um mit dem Propheten zu disputiren; dieser sagte zu ihm: Ich beschwöre dich bei Dem, welcher dem Moses die Thora gegeben hat, sag' mir, findest du nicht in der Thora geschrieben, dafs einige Rabbiner feist sind? Mälik, welcher sehr corpulent war, gerieth in Zorn und antwortete: Gott hat dem Menschen nichts geoffenbart. Soddy berichtet: Dieser Ko- ränvers bezieht sich auf Finehä^ b. 'Azürä, welcher die Behauptung aussprach: Gott hat dem Menschen nichts geoffenbart. Es wird auch erzählt, dafs, nachdem die Juden die Worte des Mälik ver- nommen hatten, sie ihn tadelten und sagten: Wie, hat Gott nicht dem Moses die Thora geoffenbart? Wie konntest du so etwas sa- gen? Er antwortete: Mohammad hat mich aufgebracht und in mei- ner Wutb sprach ich diese Worte. Die Juden sagten : Wenn du im Zorn solche Dinge sprichst, bist du nicht würdig Rabbiner zu sein. Sie setzten ihn ab und ernannten an seiner Stelle den Ka'b b. Aschraf. Ihn 'Abbäs berichtet: Die Juden fragten den Propheten: Hat Gott auf dich vom Himmel ein Buch herabgesandt? Er antwortete: Ja! Sie sagten: Gott sendet kein Buch vom Himmel [sondern inspirirt die Propheten]."

Wenn die Erklärung des Ihn 'Abbäs, welche die Wahrschein- lichkeit für sich hat, gegründet ist, so wäre die Veranlassung zu die- ser Offenbarung ein Streit gewesen über die Frage, ob je ein Pro- phet eine schriftliche Mittheilung von Gott erhalten habe. Da Mo- hammad, indem er die Frage bejaht, seine Behauptung durch den

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92. Auch dieses (der Koran) ist ein geofFenbartes ge- segnetes Buch, welches die früheren (Bücher) lür wahr anerkennt und dazu bestimmt ist, dafs du die HauptstacH und Umgebung warnest. Diejenigen, welche von dem Jen- seits überzeugt sind, glauben daran, und sie sind es, welche Sorgfalt auf ihr Gebet verwenden.

6,155. Darauf [nach den Zehngeboten, welche nur ein Auszug aus dem Buche sind] haben wir dem Moses, um ihn vor dem, der sich verdient gemacht, zu bevorzugen ^), das Buch vollständig mitgetheilt. Es wurde dadurch zur Erklärung aller Dinge, zur Leitung und zum Gnadenaus- fluls. Wir haben es mitgetheilt, auf dafs sie an das Zu- sammentreifen mit ihrem Herrn (ihre V'^erantwortlichkeit) glauben sollten.

15G. Dieses ist ein geotfenbartes, gesegnetes Buch; folget ihm und fürchtet Gott, auf dafs ihr Gnade findet.

Während er selbst nur ein Buch erhalten hat, ist dem Moses, dieser Erklärung zufolge und auch nach Kor. 41, 45. 25, 37. 11, 112. 28, 43. 23, 51. 37, iiv, das (ganze) Buch zu Theil geworden. Ich glaube, dafs unter »dem, der sich verdient gemacht hat« nicht alle Propheten, sondern vor- zugsweise Noah oder Mohammad zu verstehen sei.

45,15. Ja wir haben den Israeliten das Buch gegeben und die [geistliche] Herrschaft und das Prophetenthum. Wir bescherten ihnen vieles Gute und bevorzugten sie vor der Menschheit,

Fall des Moses zu begründen sucht, so kann sich der Streit nur über die im ersten Kapitel (vergl. Bd. I S. 57— 58) besprochene apokryphische Literatur entsponnen haben.

') Dieser Mittelsatz ist sehr dunkel und wird mannichfaltig ge- deutet; den Ausschlag giebt die Lesart im Codex des Ibn Mas'üd, nämlich: alladzyna ahsanü. Der Satz bedeutet also dem Abü'Obayda zufolge, dafs Gott dem Moses durch die vollständige Mittheilung des Buches vor anderen Propheten, welche nur Theile erhalten ha- ben, auszeichnete. Nach Andern steht alladziy statt mä, und ist der Sinn: weil Moses von den Zehngeboten guten Gebrauch gemacht hatte.

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16. unrl wir gaben ihnen Erleuchtungen über den Plan (d. h. wir klärten sie über unser Walten auf) und sie waren nicht getrennter Meinung ehe ihnen das Wissen zu Theil geworden. Sie trennten sich aus wechselseitisrer Rechthaberei, aber dein Herr wird über die Fragen, worü- ber sie verschiedener Meinung waren, am Tage der Auf- erstehung zwischen ihnen entscheiden.

17. Darauf haben wir dich auf die Spur des Planes gebracht. Verfolge sie und befolge nicht die Wünsche je- ner, welche nichts wissen.

18. Sie werden es nicht vermögen, dich gegen Allah zu schützen. Die Ungerechten leisten sich zwar wechsel- seitig Beistand, aber der Beistand der Gottesfürchtigen ist Allah.

19. Dies (deine Offenbarungen) ist eine Aufklärung für die Menschen und eine Leitung und ein Akt der Gnade für Leute, welche fest sind im Glauben.

20. Denken etwa die, welche Böses üben, dafs wir sie denen, welche glauben und das Gute thun, gleich- stellen oder dafs ihr Leben und Sterben gleich ist? Es trügt sie ihr ürtheil.

40,56. Wir haben dem Moses die Leitung beschert und haben den Israeliten das Buch zum Erbe sregeben als eine Leitung und Erinnerung für die Vernünftigen.

So lange Mohammad die Worte seines Mentors nach- sprach, hatte Moses eine getreue Abschrift vom Buche er- halten, und es kommen daher Stellen vor, wo zwischen der Thora und dem Urtexte o;ar kein Unterschied gemacht wird. Dem Mohammad waren während dieser Periode nur Erleuchtungen über den Inhalt des Buches zugekom- men. Die Ansicht über das Verhältnifs des Buches zum Koran ging durch verschiedene Stadien. Endlich wurde er zur treuen Kopie des Buches ^), und weil es sich her-

') Im Koran 85, 22 heifst es: ^Nein, dies ist ein glorreicher Psal- ter, geschrieben auf einer wohlbewahrten Tafel." Die Moslirae nah-

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ausstellte, dafs er mit der dem Moses gegebenen Abschrift nicht ganz übereinstimme, behauptete er, Moses habe nur Einiges aus dem Ruche erhalten und die vorhandenen Ab- schriften der Thora seien gefälscht. Während der Regie- rung der Chalyfen aus dem Hause Abbäs erhob sich ein blutiger Streit, ob der Koran von Ewigkeit her in der Essenz Gottes liesre oder ob er erschaffen sei. Begrreif- lieber Weise abstrahirte man von der Entwicklungsge- schichte der Ideen des Mohammad und verlegte die Frage auf das Gebiet der Dialektik.

Aufser dem Buche ist auch von Büchern die Rede; darunter sind sinnlich wahrnehmbare, geoffenbarte Schriften zu verstehen, welche gleichsam Theile und Appendixe zum Buche bilden:

34, 43. Wir haben ihnen (den Heiden) keine Bücher ge- geben, mit deren Studium sie sich befassen, noch haben wir vor dir einen Ermahner an sie gesandt.

Da nun der Begriff des Buches aus dem des Ge- setzes hervorgegangen ist, so scheint es, dafs hier unter den Büchern ursprünglich alle Schriften aufser der Thora verstanden wurden. Schon der Name Zobor, womit sie im Koran bezeichnet werden, scheint darauf hinzudeuten; denn Zobar ^) heifst »Stück«, »Fragment« (K. 18, 9.=>. 23, .'>■^).

men daher an, dafs der Urtext auf einer Tafel, bestehend aus einer weifsen Perle und so grofs, wie die Enfernungen vorn Himmel zur Erde und vom Orient bis zum Occident, geschrieben stehe. Der Rand ist mit Perlen und Edelsteinen eingelegt, der Einband ist von Ru- bin und die Feder, mit der geschrieben wurde, besteht aus Licht. In der Mitte steht: Es giebt keinen Gott aufser Allah, Mohammad ist sein Knecht und Bote. Wer an Allah glaubt und seine Verhei- fsungen für wahr hält und dem Propheten folgt, geht in das Para- dies ein. Damit die Tafel von Veränderungen frei bleibe, ist sie zur Rechten des Thrones Gottes aufgestellt.

') In Süra 54 werden die himmlischen Bücher, in denen die Thaten und Schicksale der Menschen aufgezeichnet werden, Zobor genannt. Im Kor. 81, lo heifsen dieselben Schriften Qohof, Rollen, und an anderen Stellen Kotob, Bücher. Mohammad's Absicht war

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Die Psalmen des David, die wiclitii^ste dieser Rhapsodien, weiden Zabür Däwiid o-enannt. Folgende ZAvei Stellen be- stätigen, dals Zobor die genannte (Bedeutung habe:

35, 22. Wir haben dich die Wahrheit zu lehren gesandt als Verkünder und Warner. Hat es je ein Volk gegeben, zu dem nicht ein Warner gekommen wäre?

23. Wenn sie dich der Lüge zeihen, so bedenke, dafs die Völker vor ihnen dasselbe gethan haben. Es kamen ihre Boten zu ihnen mit den Erleuchtungen und mit den Zobor und mit dem lich'iverbreitenden Buche.

24. Darauf habe ich die Ungläubigen hergenommen, und wie war meine jMifsbilligung?! [Vergl. 3, ihi.]

16, J5. Wir haben vor dir nur Menschen [und niemals Engel] gesandt, denen wir uns offenbarten, fraget die Be- sitzer der Unterweisung, wenn ihr es selbst nicht wifst. [Vergl. 21,-.]

16. Wir sandten sie mit den Erleuchtungen und den Zobor. Auf dich aber haben wir die Unterweisung (Dzikr) hinabgesandt, auf dafs du den Menschen erklärest was für sie geoffenbart worden ist, und damit sie zur Ueberlegung gebracht werden mögen.

Dzikr, Erinnerung, hat aufser der bereits Bd. I S. 318 bezeichneten Bedeutung eine andere, welche ebenfalls tech- nisch Avurde. Es steht nämlich statt tadzkyr, zur Erinne- rung bringen, auf etwas aufmerksam machen, und heifst daher auch Lehre, Unterweisung. Ich glaube, dafs Mo- hammad, indem er es auf diese Weise anwandte, den Sprach- gebrauch verletzte; denn ich finde, dafs yadzkoroho, sich seiner erinneren, seiner erwähnen, nicht aber ihn auf et- was aufmerksam machen, bedeute. Diese falsche*) An-

wohl nur: Mannichfaltigkeit im Ausdrucke und Berücksichtigung des Reimes, indem er sie durch verschiedene Namen bezeichnete.

') Da der Sprachgebrauch der folgenden Geschlechter und vor allem die wissenschaftliche Philologie den Koran auch in sprachlicher Beziehung für unfehlbar hielt, so sind solche Fehler schwer zu be- weisen. Weil wir uns leicht irren können, so müssen wir, um psy-

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Wendung des Wortes gewährt uns einen Blick in seine Idiosynkrasie: dunkle Einfälle oder Erinnerungen erstarkten zur Ueberzeugung, und er sah sie als etwas an, worauf er von einem andern, nämlich von CJott, aufmerksam gemacht worden war, also als eine Lehre, Unterweisimg. Dies ist einer der zahlreichen Fälle, welche beweisen, dafs Moham- mad einer jener Menschen A\ar, welche grofse Leichtigkeit besitzen, BegrilTe zu generalisiren, denen es aber sehr schwer fällt, sie streng geschieden fest zu halten ein Träumer.

Am deutlichsten hat Dzikr die Bedeutung von Lehre im Kor. 21, 24: »Die Einheit Gottes ist die Lehre meiner Gefährten und die Lehre meiner Vorgänger.« In andern Stellen übersetzt man es am besten mit Unterweisung. Es kommt häufig der Ausdruck vor: »dies (was ich lehre) ist eine Lnterweisung für die Menschheit (Kor. 81, 27. 12,104. 21, .51. 38, 49. 87 etc.); und in Kor. 36, 69 heifst es: Dies ist eine Unterweisung und ein unverkennbarer Koran (Psal- ter oder Bibel). Da überall von einer göttlichen Unter- weisung die Rede ist, könnte man es allerdino;s durch Of- fenbarung wiedergeben; dadurch aber würden die Spuren des Ideenganges des Mohammad verwischt.

Später wurde der Ausdruck technisch und Mohammad sprach von der Unterweisung (in ihrem ganzen L^mfange), wie in der Stelle, welche zu diesen Erörterungen Veran- lassung giebt. In jener Stelle sind die Besitzer der Er- mahnung wohl dieselben Leute, welche in Kor. 17, 108 als »Diejenigen, welchen vor dir die [ganze] Kenntnifs gege- ben worden ist« bezeichnet werden. Anfangs sprach er

chologische Thatsachen auf diese Art zu begründen, uns an die cum- mulative Beweisführung halten, damit, wenn auch einige der dafür angeführten Gründe sich als unhaltbar erweisen, der Schlufs durch die stehen gebliebenen getragen werde. Der Leser wird daher nach- sichtig sein, wenn ich an mehreren Orten Vermuthungen dieser Art aasspreebe.

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auch nur von einer Kenntnifs oder einem Wissen, und dann von der Kenntnifs ( in ihrem ganzen Umfange). So hat er auch einige Zeit von dem Besitze einer Erleuch- tung, d. h. Aufklärung über gewisse Sachen, und später von dem Besitze der Erleuchtungen gesprochen. Es ist klar, dafs in Mohammads Ansichten über den Umfang sei- nes eigenen Gottesbewufstseins und in denen seiner Vor- ganger ein Umschwung stattfand, während dessen auch der Koran von einem Buch zu dem Buch erhoben wurde. Er hängt zusammen mit der Behauptung, dafs Gott ihm das Buch wirklich gegeben. (Kor. 6, 114.)

IV. Prädestinationslehre.

Die meisten Moslime sind, wie bekannt, Fatalisten ^). Hier ist der geeignete Ort zu zeigen, wie diese peinliche und geisttödtende Verwirrung in ihre Religion eingedrun- gen ist.

') Für die Geschichte der Lehre vom Fatum ist folgende Tradi tion wichtig, welche Tha laby, Tafs. 2,2, erzählt auf die Auktorität des Abu Ishäk Ibrahyra b Mohammad b. Sofyän, welcher sie A. H. 308 lehrte und welcher sie erhalten hatte von Abü-1-Hasan Moslim b. Haggäg Koschayry, von Abu Chaythama Zohayr b. Harb, von Waky', von Kahmas, von 'Abd Allah b. Borayda, von Yahyä b. Ya'mar:

„Der erste, welcher zu Ba^ra die Lehre von der Vorbestimmung vortrug, war Ma'bad der Gohanite. Ich und Hamyd b. Abd al- Rahmän Himyary unternahmen die Pilgerfahrt; wir sagten, wenn wir einen der Männer treffen, welche den Propheten gekannt haben, wollen wir ihn über diese Ansichten befragen und zusehen, was sie von der Vorbestimmung halten. Im Bethofe (zu Makka) trafen wir 'Abd Allah, den Sohn des Chalyfen 'Omar. Ich machte mich zu seiner Rechten und mein Freund zu seiner Linken. Ich sagte zu ihm: Es giebt Leute unter uns, welche den Koran lesen und be- müht sind, sich zu unterrichten, und dennoch glauben sie, dafs es keine Vorbestimmung gebe und dafs das was geschieht neu sei. Ihn Omar versetzte: Wenn du diese Leute triffst, sage ihnen, dafs ich nichts von ihnen wissen will etc." Um die Lehre von der Vor-

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Der Glaube an den göttlichen Ursprung des Korans macht Gott zu einer belvannten Gröfse, die Welt zum Sün- denthai. Nicht nur der Philosoph, sondern jeder Gläubige, wie schwach auch seine geistigen Fähigkeiten sein mögen, ist von Kindheit auf daran gewöhnt, so oft sich seine Ge- danken über das gewöhnliche Treiben erheben, sie auf das Uebersinnliche zu lenken. Eine Fol2:e dieser geistioren Er- Ziehung ist, dals selbst der Forscher die Wahrheit nur dann schätzt, wenn sie mit den vorgefafsten Gefühlen von Fröm- migkeit übereinstimmt. vStillschweigend oder offen nimmt er seine bereits fertigen Begriffe von Gott zum Ausgangs- punkte seiner Weltanschauung, und alle seine »Spekulatio- nen sind im Grunde nichts als Religionsphilosophie; denn selbst wenn er vorgäbe, den Koran nicht zu berücksichti- gen und a- priorisches Wissen verdammte, so würde er es doch immer wie der Verfasser der Natural Theology zum Ziel seiner Bestrebungen machen: Bestätigung seiner von Kindesjahren gehegten Ideen über das Göttliche zu beweisen und nur jene Thatsachen berücksichtigen, die damit im Ein- klänge sind. Der Moslim ist und bleibt ein Supernaturalist.

Wären wir fähig Gott zu erkennen, so würde uns diese analytische 3Iethode gewifs auf dem kürzesten Wege zur Erkenntnifs führen. Allein die Menschen müssen sich da- mit bejiuüffen zu sagen: er ist das vollkonnnenste Wesen; worin seine Vollkommenheit bestehe, ist unmöglich zu be- stimmen und zu begreifen. Mohammad stand auf dem poe- tisch-contemplativen Standpunkte und fand die \ ollkom- menheit Gottes darin, dafs «alle schönen Epitheta auf ihn anwendbar sind«, es kommen auch gegen hundert im Ko- ran vor, darunter: der Kundige, der Feine, der Schlaue,

bestiramung zu beweisen, erzählte er, dafs der Engel Gabriel in der Gestalt eines Reisenden zum Propheten gekommen und mit ihm darüber gesprochen habe. Diese Lüge ist gewifs nicht von Ihn 'Omar, sondern wohl von Yahya b. Ya'mar erfunden worden; sie beweist aber, dafs schon in der ersten Hälfte des ersten Jahrhun- derts über diese Lehre zu Bapra viel gestritten wurde.

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der Milde u. s. w. Der Gott von Leuten, welche sich über diese Stufe nicht erheben, bleibt, wenn man es näher be- sieht, immer nur ein Mensch, und dennoch sind sie, wenn sie die Schöpfung erklären wollen, besser daran als die Philosophen, welche über solche anthropomorphischen An- schauungen hinauss:ehen. Den ersteren o-eht wenio-stens ihr Gott, während sie ihn suchen, nicht verloren, wohl aber letzteren. Die moslimischen Metaphysiker sind in frühester Zeit zur Einsicht gekommen, dafs diese Epithete auf das höchste Wesen nicht anwendbar sein können, ja schon Mo- hammad hat seine Begriffe durch fortgesetztes Nachdenken geläutert und seinen Anhängern den Weg zur Abstraction gezeigt. Sie stützen sich auf den Begriff des Unendlichen und suchen es zu ergründen. Es greht ihnen aber nicht besser als dem Darwysch, welcher, um sich in das Wesen Allah's zu versenken, sich im Kreise herumdreht, bis er be- sinnungslos zu Boden stürzt. Das Unendliche ist ein negativer Begriff, und diejenigen, welche mit dessen Hülfe die Natur Gottes ermessen wollen, machen ihn, wie viele unserer Den- ker, zum Nichts, oder, da einmal die Existenz der Schöpfung unläugbar ist, zum All. Der Gott der Pantheisten ist eine Gröfse ohne Grenze, welche Alles, auch miserlch, verschlingt. Der Pantheismus, wie er von Ibn'Araby gelehrt wurde, ist der Höhepunkt, zu welcher sich der Supernaturalismus der Araber verstieg. Aber bei ihnen, wie bei uns, ist er auch in anderen Systemen verarbeitet worden, welche alle das gemein haben, dafs sie die Schöpfung nicht zu verste- hen vermögen. Wie wäre dies auch möglich, da sie mit dem verkehrten Ende anfangen und durch quia und ergo die bekannte aus der unbekannten Gröfse deduciren wol- len. Ihr Gott ist die Geburt ihrer Phantasie und er kann also unmöo-hch weiser sein als sie selbst. Sie stellen ihm jedoch die Aufgabe, die Welt zu ordnen, oder vielmehr sie versetzen sich in die Lage eines allmächtigen Wesens und mit wenig Rücksicht auf die Wirklichkeit entwerfen sie einen Schöpfungsplan, in welchem sie begreiflicher Weise

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der Mittelpunkt sind. Wenn sich der fromme Abu Horayra (Vater des Kiitzcliens, so «^enimnt, weil er, wo er immer hinaino-, seine Liehlino-skatze mitnahm) einmal in die La^^e der Maus, deren Fleisch die Vorsehung zur Speise und de- ren Affonien zum Zeitvertreib seiner Beuleiterin bestimmt hat, versetzt und dabei bedacht hätte, dafs Tausende von l'hieren ebenso auf Mord und Raub angewiesen sind, so wäre es ihm wohl nicht eingefallen, dem Schöpfer Milde, in dem Sinne, in welchem sie eine Pflicht des Menschen ist, zuzuschreiben. Gott ist, wie im Koran steht, ein We- sen sui generis oder, wie die Cüfies sagen: Er ist Er (hü hü). Weil diese frommen Denker weder die Weisheit des Schöpfers besitzen, noch sich auf seine Stelle erschwingen können, so lallt ihr Weltbau immer jämmerlich schlecht aus und ist ganz verschieden von der Wirklichkeit. Sie sind sich dessen wohl bewufst und defswegen ist selbst in un- sern Tagen die Naturwissenschaft in manchen Theilen von Deutschland in den Schulen verpönt; denn sie ist es, die den frommen Schwindel unserer Supernaturalisten in seiner Nacktheit darstellt.

Die Moslime sind sammt und sonders in dieser su- pernaturalistisclien Weltanschauung befangen und sie haben daher in den Erfahrungswissenschalten so zu sagen nichts geleistet; es giebt nur wenige Fälle, wo der gesunde Men- schenverstand, ungeachtet ihrer falschen Richtung, seine Rechte behauptet hat. Neben der strengen Theorie machte sicli aber die Mvstik geltend, welche ohne sich um Folge- richtigkeit zu kümmern, die verschiedenen Eindrücke, wo- durch das religiöse Gefühl erstarkt, mit den vorgefafsten Ideen verarbeitet und ein buntes (temisch von Aberglau- ben und erhabenen Anschauungen schuf. Das bekannteste Werk über diesen Gegenstand sind die »Abhandlungen der Rrüder der Reinigkeit« '); daneben verdienen die Falakyyat

') Prof. Dieterici hat jüngst eine Monographie über diese» Werk geschrieben , und sowohl er als auch Prof. Flügel haben in der Zeit-

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jj;enannten Werke Berücksichtigung, sie behandeln die orien- talische Schöpliingstheorie, und indem sie in den Sphä- ren der Planeten eine Reihe von Demiurgen erkennen, lie- fern sie den Beweis iür die Wahrheit der Astrologie '). Die philosophischen Bestrebungen der Moslime haben schon in Ghazzäly's Wiederbelebung der Wissenschaften des Is- lams ihren Abschlufs gefunden. Durchdrungen von der Wahrheit des Korans, versunken in die Tiefen der My- stik und dabei gewandt in der Dialektik, ist es ihm besser gelungen, als je einem Philosophen, die Wahrheit einer po- sitiven Ixeligion mit der Vernunft zu versöhnen. Ghazzäly starb zu Anfang des zwölften Jahrhunderts und war also ein Zeitgenosse des Abaelard und anderer Denker, welche ähnliche Zwecke verfolgten. Nach ihm wurden einzelne Theile der Philosophie, besonders die Mystik, zu gröfserer Vollendung gebracht; dennoch darf man behaupten, dafs sich seitdem die Moslime im Kreise herumdrehten und keine Fortschritte machten.

Weil der Supernaturalismus unmöglich unsere irdischen Zustände erklären und zu befriedigenden Resultaten führen kann, haben die meisten V ertreter desselben in der Ascese und dem unbedingten Glauben an das Positive Befriedigung gesucht. Diese Welt, weil sie nicht nach ihrem Programm erschaffen, ist verpfuscht, sie ist durch die Sündhaftigkeit der Menschen verdorben, sie ist nur ein Ort der Prüfung, der Läuterung und Vorbereitung für das Jenseits; es ist also am besten , man giebt sich der Ascese hin, um dann stracks in jene Welt einzugehen, wo unsere Ideale zur Wirk- lichkeit werden. Der ausgebildete Supernaturalismus ist die Weltanschauung der Entnervung, des Sittenverderbnisses

Schrift d. d. m. G. darüber berichtet. Vergl. auch meinen Aufsatz im Journ. As. Soc. B.

') Das bekannteste, wenn auch nicht das beste Buch über die- sen Gegenstand ist: Maybodzy; es wird in allen Hochschulen des Orients gelehrt und verdiente übersetzt zu werden.

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und des Gottesgnadenthums, daher der Verfall der Völker des Orients.

Leider haben wir auch Leistungen auf diesem Gebiete von deutschen Philosophen, wodurch die Metaphysik zur Kunst wurde, Unsinn ohne Erröthen zu sagen und ohne Lächeln zu hören.

Bei uns hat die unter dem Einflüsse der Naturfor- schung erwachsene Naturphilosophie die Bahn zur Induk- tion und zu einer neuen Aera eröffnet, und nur Heuchler und Dunkelmänner weilen noch im Gebiete des Superna- turalismus. Es stammen, wie schon Locke behauptet hat, alle unsere klaren Begriflfe aus sinnlicher Wahrnehmung. Der Religionsinstinkt ist, wie alle menschlichen Instinkte, ohne Inhalt und äufsert sich blofs als Bedürfnifs. Es sei mir erlaubt, eine \ ergleichung zu wiederholen, um seine Beziehung zu dem durch Beobachtung errungenen Wissen zu beleuchten. Auch das Verhältnifs der Geschlechter zu einander äufsert sich ursprünglich nur als ein unbestimm- tes Verlangen. Die Liebe wird erst durch die Bekannt- schaft mit dem geeigneten Gegenstande erweckt. Der Re- lig-ionsinstinkt ist der Trieb, welcher uns das Göttliche in der Schöplung zu suchen veranlafst, und wenn wir es ge- funden haben, geniefsen wir eine glücklicher Liebe ähnliche Befriedigung; daher die Aufopferung gelehrter Älänner für die Wissenschaft. So lange wir es nur ahnen, äufsert sich dieser Instinkt als Glaube, welcher, da die Folgerungen weit über den Inhalt der Prämissen hinausgehen, in)mer trügerisch ist, aber er ist ein Führer zum Wahren, nur dür- fen wir den Sinn für Wahrheit nicht durch Abstumpfung jener Seite des Religionsinstinktes schwächen, welche wir Gewissen nennen. Gewissenlosigkeit versperrt den A\ eg zur Weisheit. Die Religion der Griechen gründete sich auf eine poetische Naturanschauung, die des Forschers auf eine wissenschaftliche. Da in unserm Kosmos überall die- selben Gesetze walten, sind wir nicht in Gefahr, in die Viel- götterei zurückzufallen; dennoch würde ich einen Phanta- n. ZO

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sten, welcher annähme, es könne aufser unserm Kosmos einen andern flehen, der nach ganz andern Gesetzen orga- nisirt ist mul in dem ein anderer, mit dem unsrigen in IViedHchem Einvernehmen lebender Gott regiert, für ver- nünltiger und ehrlicher halten, als einen Supernaturalisten. Die Muslime scheuen sich selten, die Konsequenzen ih- rer Prämissen auszusprechen, und deswegen schreiben auch die meisten von ihnen die Sünde Gott zu. Wenn wir dem Wege der Induktion folgen und den gesunden Menschenver- stand nicht systematisch unterdrücken, so wissen wir, dafs der menschliche Wille frei sei, Avorin diese Freiheit bestehe und wie weit sie sich erstrecke, aber wir finden es schwer, über unsere Bestimmung Auskunft zu geben und unabänder- hche Gesetze in der Entwicklung der Menschheit nachzuw ei- sen. Dennoch ist dies ein unabweisbares Bedürfnifs des Glaubens und eine vernünftige Forderung an die Wissen- schaft. Auch die Naturforschung, obwohl sie so weit fortge- schritten ist, hat noch ähnliche Räthsel zu lösen, wie die An- thropologie. Die Gesetze, von denen die Witterung abhängt, die Ursache verheerender Seuchen, und viele andere Dinge, die auf das engste mit unserm Wohlsein zusammenhängen, sind noch unbekannt. Die Schwierigkeiten dienen als Stimu- lus für thätige Geister, zu beobachten, zu vergleichen und zu forschen, und es mufs gelingen, diese Räthsel zu lösen, da es uns doch gelungen ist, Planeten durch Berechnung zu entdecken und den Händen des Jupiter den Blitz zu ent- Avinden. Möge diese Arbeit dazu beitragen, die Forschun- gen des Rin Chaldün, des einzigen induktiven Geschichts- philosophen, zu erweitern und zu berichtigen. Nur dann wird sie den Zweck erreichen, zu dem sie unternommen worden ist: nämhch für die Lösung der anthropologischen Räthsel Thatsachen zu hefern. L nüeachtet der emsigen Beob- achtungen der Pfleger der Statistik, Nationalökonomie, Eth- nographie, Geschichtsforschung, vergleichenden Sprachkunde und anderer anthropologischen Wissenschaften mögen Jahr- hunderte dahinfliefsen, ehe Avir begründeten Aufschlufs auch

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nur über die brennendsten Fragen unserer Bestimmung er- halten; wir müssen uns also einstAveilen in Bezug auf sol- che Fragen mit dem Glauben im angedeuteten Sinne be- gnügen.

Der heilige Augustin hat seine Prädestinationstheorie unter ähnlichen Umständen ausgebildet wie Mohammad. Er sah viele Menschen von hoher Intelligenz, welche sich un- geachtet ihrer geistigen Vorzüge und ihres tadellosen Le- benswandels doch der alleinseligmachenden Kirche Christi nicht anschlössen. Er selbst hatte lange auf den Wogen des Lebens hernmgetrieben, ehe er durch die Fürbitte seiner Mutter Monica in den sichern Hafen des Glaubens eingeführt wnrde. Der natürliche Schlufs war, dafs die Men- schen schlecht sind und nur durch die besondere Gnade Gottes auf den Weg des Heils geleitet werden können. Wenn auch allem Anscheine nach dem Mohammad die Gnadentheorie von Andern gelehrt wurde, so war es doch auch bei ihm die Verstocktheit der Menschen, welche ihn dafür empfänglich machte.

Ist einmal die Gnadenlehre festgestellt, so ergiebt sich alles üebrige von selbst. Da die der Gnade Theilhaftigen (Gläubigen) oft viel schlechter sind in ihrem Wandel als die Ungläubigen, kann sie nicht Folge von Verdiensten sein; Gott ertheilt sie also willkürlich, wem er will. Die Ewig- keit und Unveränderlichkeit Gottes und seiner Rathschlüsse endlich führen zur Lehre der Gnaden wähl (Electio), welcher zufolge die zum Heil Bestimmten vor aller Ewigkeit aus- erkoren worden sind, während auch die Ungläubigen mit dem Verdammungsurtheil geboren werden. So ist die Gna- den- und Prädestinationslehre fertig, und sie ist so einfach und einleuchtend, dafs ich selbst Frauen und unwissende Menschen gekannt habe, welche sie so gut zu beweisen wufsten als Calvin.

Wir finden schon früh Spuren des Prädestinationsglau- bens im Koran. Das Schicksal jedes Menschen ist nicht nur vorher bestimmt, sondern es ist auch schriftlich vor-

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banden; und das Leben verhält sieb zu dieser Schrift wie ein Schauspiel zum Text des Dichters. Allein diese Lehre erscheint in Mohammad's bispirationen als etwas Unorga- nisches, Aeufseres, und es wird daher ebenso oft behaup- tet, dafs Engel die Thaten des Menschen aufzeichnen, aber erst nachdem sie geschehen sind '). Wo immer Moham- mad seine eigenen Empfindungen ausdrückt, erkennt er be- sonders in der frühesten Periode die Freiheit des mensch- lichen Willens an.

Die Prädestinationslehre mufs sich, Avenn sie organisch sein soll, auf die Gnadenlehre stützen. Diese ist dem Mo- hammad von den Christen (Rahmänisten) mitgetheilt Avor- den und er hat sie auch benutzt; aber wer da glaubt, er habe sich in dialektische Spekulationen vertieft und sie con- sequent durchgeführt, müfste so verkehrte Begriffe von dem Genius eines Religionsstifters und Volkslehrers haben, dafs ich ihm auch zutraute, er würde einen aus dürrem Holze geschnitzten Baum in die Erde setzen und erwarten, dafs er Wurzel schlage und Früchte trage. Mohammad war kein Dialektiker, sondern ein [natürlicher] Prophet und dabei bisweilen ein recht praktischer Mann. Die Gnadenlehre in Verbindung mit den Ereignissen, welche er dadurch erklä- ren oder beherrschen konnte, war einisre Zeit ein Gearen- stand seiner Contemplation, und in Madyna, als seine An- hänger zögerten, in die Schlacht zu gehen, beutete er die Prädestinationslehre aus, indem er ihnen zurief: Der Le- benstermin eines jeden Sterblichen ist festgesetzt; wenn er gekommen ist, ereilt euch der Tod, ob ihr dem Feinde gegenübersteht oder unter euren Freunden verweilt. Aber von einer consequenten Durchführung einer so dürren, geist-

') Auch in der Hist. Jos. Lign. c. 26 kommt der Ausdruck vor: »LjL^~> v_jLä5 (J^jp-5 Er hat das Buch seiner Sünden zerrissen (im gedruckten Text steht ^^j^\ verbrannt). Im Comm. dazu wird eine Stelle aus Pirke Ab. c. 2 angeführt: „Alle deine Werke sind in ei- nem Buche verzeichnet." Die himmlische Kanzlei ist also ein Einfall der Juden, mit dem aber auch die Christen vertraut wurden.

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töHtenden Theorie ist nielit die Rede. Er behauptete eben so oll, (lafs die Cüiade die Folge des (daubens sei, als das L^mgekehrte.

Da die Gnadenlehre im Koran keine Theorie, sondern ein poetischer Gedanke ist, so kommt auch kein technischer Ausdruck für Gnade vor. Sie \vird gewöhnlich rahma ') genannt: daher Rahmän, welches ursprünglich wohl Ver- theiler der Gnade bedeutete. Wenn dies der Sinn von Rah- män ^var, so ist er dem Mohammad wahrscheinlich nicht bekannt gewesen. Dennoch nennt er den prädestinirenden Gott in den ältesten, unter christlichem Eiuflufs verfafsten Ivoränstellen Rahmän. So in Kor. 19, 62, wo der Rahmän den Frommen bei sich selbst in ihrer Abwesenheit, d. h. ohne ihr Wissen, das Paradies verheifsen hat, und in Kor. 19, 7'S wo der Rahmän die Gnade der Gläubigen vermehrt. Vor Allem aber in der schönen Stira 1, deren Veranlassuno- in die Zeit fällt, in welcher ihn der Gedanke an die Güte Gottes in aller seiner Erhabenheit erfüllte und welche der Hauptausdruck seiner Empfindungen über diesen Geoen- stand ist:

1, 1. Das Lob dem Allah, dem Herrn der Welten,

2. dem barmherziijen Rahmän,

3. dem Herrscher am Tage des Gerichtes!-)

•) Rihm (hebr. Rehem) heifst der Mutterleib, und Rahma die Sympathie, welche zwischen Verwandten besteht; so in Kor. 30, 20. Das Wort war daher gar nicht geeignet, den starren Begriff von „Gnade" in seiner technischen Bedeutung auszudrücken.

') Die gewöhnliche Lesart ist Mälik mit langem a, welches Besitzer bedeutet; es erhellt aber aus Tha'laby, dafs Viele für die Les- art Malik (sprich Melik), König, stimmten. Mohammad soll bei einer Gelegenheit das Wort fast wie Malk ausgesprochen haben. Gott wird auch in andern Stellen Melik, König, genannt, und in Kor. 40, 16 heifst es: „Wem gehört heute (d. h. am Gerichtstage) das Mulk (das Königthum, die Herrschaft)?" es heifst aber nicht „das Milk" = Be- sitzthum. Gott wird nur einmal Malik, Besitzer, genannt, nämlich im Kor. 3, 25, wo er der Besitzer der Herrschaft (Mulk) geheifsen wird. Im Kor. 43, 77 rufen die Verdammten: „0 Mälik, möge dein

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4. Dir dienen wir und dich rufen wir um Beistand an,

5. führe uns auf die gerade Strafse,

6. die .Strafse Jener, g^egen die du wohhhätig warst'),

7. auf denen nicht dein Zorn lastet und die nicht irre gehen. Amen!

Wenn IMohammad die Bücher des Moses (Kor. 46, ll. 11, 2o) und den Koran (Kor. 12, lll) Ausflüsse der Gnade nennt, so ist dies, wie überhaupt alles gelegentüch über diesen Gegenstand Gesagte so natürhch, dafs es rein zu- fällig sein mag, und nicht nothwendig eine Theorie dahin- ter zu suchen ist.

Anders ist es mit der Gnadenw ahl. Mohammad be- nutzt diese Lehre gerade so, wie sie zur Erklärung seiner Lage pafst, widerspricht ihr aber in andern Fällen. Wenn man die Aeufserungen, welche er unter verschiedenen Ver- hältnissen gemacht hat, zusammenstellt, so kommt man un- gefähr zum Resultate, dafs er, so lange er mit Frische pre- digte, die Erkenntnifs des wahren Gottes dem Synergis- mus zuschrieb, die Anerkennung seiner Mission aber der Gnade. Wir haben gesehen, dafs die meisten Männer, wel-

Herr ein Ende machen", und er antwortet: „Ihr mufst ausharren." Die Commentatoren sagen, dafs Mälik der Name des Engels sei, welcher die Verwaltung über die HöUe hat. Mir kommt es un- wahrscheinlich vor, dafs hier Mälik ein Eigenname sei, und ich würde es lieber mit Machthaber übersetzen. Vorausgesetzt, dafs in K. 1, 3 Mälik die richtige Lesart ist, wäre es möglich, dafs eine Tradition vorhanden war, welcher zufolge der Rahmän als ein dem Herrn untergeordneter Mälik, Machthaber oder Dränger, am Gerichtstage erscheint, und dafs in dieser Stelle diese Tradition unverdaut wie- dergegeben wird.

') Wen hatte Mohammad im Auge, als er Gott bat, ihn und seine Anhänger so zu leiten, wie die, gegen welche Gott wohlthätig gewesen? Ihn 'Abbäs sagt: Die Juden und Christen vor der Verfäl- schung der Schrift. Genauer ist die Frage im Kor. 19, 59 beantwor- tet (vergl. oben S. 251), wo derselbe Ausdruck gebraucht wird: er meinte die Hierarchie der Rahmänisten. Kor. 19, 60 nennt die, auf welchen Gottes Zorn lastet; noch deutlicher werden sie in Kor. 5,65 beschrieben.

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che an Einen Ciott glaubten, sogleich nach seinem Auftre- ten einige Zeit lang seine Inspirationen als echt anerkann- ten. Der Glaube an einen Gott und das Ge(ül)l der Ver- antwortlichkeit erzeugte in ihnen das Bedürfnifs nach einer OlTenbarung und nach einem Führer, und sein Rrscheinen, sowie seine Orakel entsprachen diesem Bedürfnisse. Vom Standpunkte der Religion ist dieses Bedürfnifs und diese warme Anerkennung eine Folge der Gnade Gottes, welche das Herz für die Offenbarungen erleuchtet; denn es gab ja auch einige Monotheisten, wie Omayya b. Abv (^alt, welche von den Inspirationen des Propheten nicht befrie- digt waren, also die Gnade nicht besafsen. Von tugendhaften Menschen, welche ihn nicht anerkannten, sagte Moham- mad, dafs sie ihres Unglaubens wegen unberücksichtigt blie- ben. Hier wie in manchen andern Fällen dreht er sich im Kreise herum.

Weil die Gnade die Ursache des Glaubens an Mohammad und zugleich der Adel des Menschen ist, bildet sie noch heute die Seele des kirchlichen und politischen Bandes unter den Muslimen. Ohne sich der Theorie deutlich bewufst zu sein, verachten sie aus Gewohnheit und Herkommen Jeden, der ihnen nicht angehört, und sind unter einander eng verbrü- dert. Wir haben Andersdenkende (besonders Ketzer) sy- stematischer und grausamer verfolgt als die Moslime, aber nie mit jenem Selbstbewufstsein unserer Würde so sehr verachtet.

Da die gedrohte Strafe ungeachtet des Unglaubens und der Herausforderungen der Heiden, welche sagten: »vertilge uns, wenn du im Stande bist«, doch nicht eintrat, so kam ihm die Lehre von der Gnadenwahl vortrefflich zu Statten, wie man aus folgenden Koräuversen ersieht:

11, 1!. Da wir ihnen die Strafe verschieben, um sie [nicht über alle, sondern] über eine beschränkte Gemeinde (von Heiden) zu verhängen, fragen sie: Was hält sie auf?

42, H. Wenn es Gott gefiele, würde er sie alle in eine Religionsgemeinde (den Islam) vereinigen; allein er führt,

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wen er will, in seine Gnade ein. Die Ungerechten aber werden weder einen Vertreter noch einen Beschützer finden.

Um die solchen Offenbarungen zu Grunde liegende Idee vollends zu verstehen, mufs man jene Verse derselben Süra berücksichtigen, in welchen sie historisch beleuchtet wird :

11, 38, Dem Noah wurde nun geoffenbart: Niemand von deinem Volke wird, wenn er den Glauben nicht be- reits angenommen hat, ihn mehr annehmen. Retrübe dich nicht über ihr Benehmen!

.39. Baue also ein Schiff unter unsern Aus-en und nach unserer Eingebung und wende dich nicht mehr an uns zu Gunsten der Ungerechten; denn sie sind bestimmt, ersäuft zu werden.

40. Er beschäftigte sich mit dem Bau des Schiffes, und so oft einer von der Mala (Aristokratie) seines Vol- kes vorüberging, machte er sich über Noah lustig. Er aber antwortete: Macht euch nur lustig; wir werden uns einst über euch lustig machen, wie ihr jetzt über uns. Ihr werdet bald sehen,

41. wen eine Strafe trifft, welche seine Verffeltuns: sein wird; und eine bleibende Strafe wird auf ihnen lasten !

Mohammad will also sagen, dafs die Strafe verscho- ben werde, bis sich alle, die zum Glauben bestimmt sind, bekehrt haben, damit nicht eine zu grofse Anzahl von Men- schen vertilgt werde. Wir haben nun keine Schwierigkeit, folgende Offenbarung zu verstehen, welche, dem Inhalte nach zu schliefsen, älter ist als die vorigen:

10, 94. Wenn du je im Zweifel warst über das, was wir dir geoffenbart, frage diejenigen, welche das Buch vor dir lasen. Du hast bereits die Wahrheit von deinem Herrn erhalten; sei daher nicht einer von den Zweiflern.

95. Sei auch nicht einer von jenen, welche die Zei- chen Allah's läugnen, sonst wirst auch du Verlust erleiden.

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9(j. Diejenigen, welche den Uitheilspruch deines Herrn verdient haben, werden nicht glauben,

97. selbst wenn ihnen alle Zeichen gezeigt würden, bis sie die peinliche Strafe sehen.

98. Oder hat es vielleicht je eine Stadt gegeben, ^vel- che geglaubt und deren Glauben ihr gelioUen hätte? Die einzige Ausnahme ist das Volk des Jonas. Naclidem dies den Glauben erklärt hatte, nahmen wir die Strafe der Er- niedrigung im Erdenleben von ihm und liefsen es noch eine Weile das Leben geniefsen.

99. Wenn es dein Herr wollte, so würde Jedermann auf Erden glauben ohne Ausnahme, aber willst du etwa die Menschen zum Glauben zwingen?

100. Es steht nicht in der Macht des Menschen zu glauben, es sei denn, dafs es Allah gewähre. Er verdammt Jene zum Unflath ^), die ohne Vernunft sind.

101. Sprich: Sehet, was in den Himmeln und auf Er- den ist (d.h. die Wunder der Schöpfung), aber was helfen die Zeichen und Warner bei Menschen, die nicht glauben?

102. Erwartet ihr etwas Anderes als [Schlacht-] Tage, ähnlich denjenigen, welche über die Völker vor euch er- gangen sind? Sprich: Wartet nur und ich warte mit euch.

103. Wir pflegen dann unsere Boten und die Gläubi- gen zu retten. So werden wir auch unserer Pflicht ge- mäfs [den Mohammad und] die Gläubigen retten.

104. Sprich: 0 Menschen, wenn ihr im Zweifel seid über meine Religion, [so wisset,] dafs ich diejenigen We- sen nicht anbete, welche ihr aufser Allah anbetet. Ich bete Allah an, welcher euch einst sterben lassen wird: und ich habe den Befehl erhalten, einer der («läul>igen zu sein,

') Im Original Rigs oder Rogz. Die Commentatoren glauben, es bedeute hier Strafe. DievS ist nicht richtig. Mohammad will sa- gen: Gott hält sie im Schlamme der Abgötterei, um sie in das Ver- derben hineinzureifsen. Vergl. R. I S. 293 Note 1.

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105. und als Hanyf mich dem Dyn ') zuzuwenden und mich nicht der Vielgötterei anzuschliefsen,

106. aufser Allah keine Wesen anzurufen, die weder zu nützen noch zu schaden die Macht haben. Wenn ich dies thäte, gehörte ich zn den Ungerechten.

107. Wenn Allah dir Böses widerfahren läfst, so kann es Niemand von dir wegnehmen als er, und wenn er dir Gutes zugedacht hat, so kann Niemand seine Gnade verei- teln ; er läfst sie wem er w ill von seinen Dienern wider- fahren, denn er ist der Verzeihende, der Barmherzige.

108. Sprich: 0 Menschen, die Wahrheit von eurem Herrn ist zu euch gekommen; wer sich leiten läfst, läfst sich zu seinem eigenen Vortheil leiten, wer irrt, irrt zu seinem eigenen Verderben. Ich bin nicht euer Anwalt.

109. Folge dem, was dir geoffenbart wird und harre geduldig, bis Allah das l rtel [zwischen dir und deinen Widersachern] ausspricht. Er ist der beste aller Schieds- richter.

Diese Inspiration ist wegen der darin enthaltenen Wi- dersprüche ein psychologisches Dokument von Interesse. Wer nach Lesung derselben den Mohammad für einen ge- sunden Denker hält, dessen Kopf mufs so unklar und un- logisch sein, als der des Propheten war. Man kann aber der Composition, wenigstens im Original, poetischen Werth nicht absprechen.

Mohammad will also in den obigen Versen sagen, dafs die Strafe verschoben sei, bis alle zum Heil Bestimmten sich bekehrt haben, damit nicht eine zu grofse Anzahl von Menschen vertilgt werde. Später sprach er sich in so kräf- tigen Ausflrücken dahin aus, dafs seine Feinde nicht glau- ben können, weil sie nach Gottes Rathschliisse zur Ver- dammung geboren worden seien, dafs das Lesen des Korans

') Der wahren Religion. Vergl. Bd. I S. 566.

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peinlich wird. Statt solche Stellen zu sammeln'), aus wel- chen doch stets der Versuch, einen Flindruck auf die Heiden zu machen und die Gläubigen zu beruhigen, nicht aber eine starre Verstandestheorie durchleuchtet, will ich Fälle zusam- menstellen, in denen er die Lehren von der Gnade und Gna- denwahl auf eine geistreiche Art benutzte, um sich aus Schwierigkeiten zu ziehen, und welche daher Licht auf sein Leben und Wirken werfen.

Schon früh machten ihm die Heiden den Vorwurf, dafs seine Anhänger meistens Leute ohne sociale Position seien, ja dafs sich darunter sündhafte Menschen und schlechtes Gesindel befinden; imd im Jahre 615 wufste er ihnen keine andere Antwort zu geben, als dafs man auch gegen Noah, mit dem er sich damals am liebsten verglich, diese Anklage erhoben habe:

26,111. Wie, wir sollen dir glauben, während schlechtes Gesindel deine Anhänger sind?

112. Noah antwortete: Ich habe keine Kenntnifs des- sen (d. h. es geht mich nichts an), was sie zu thun pflegten; li:i. sie sind Niemandem verantwortlich als meinem Herrn.

Um's Jahr 617—618 setzte ihn die Lehre von der Gnade in den Stand, eine viel bessere Antwort zu geben:

6, 50. Sprich: Ich folge nur dem, was mir ge- offenbart wird. Sprich ferner: Ist etwa der Blinde [wie ihr seid] und der Sehende [wie ich bin] gleich? denkt ihr denn nicht nach?

hl. und warne mit der Offenbarung diejenigen, wel- che fürchten, dafs sie vor dem Hichterstuhl ihres Herrn versammelt werden, wo es aufser Ihm keinen \ erlreter oder Fürsprecher für sie giebt auf dafs sie gottes- fürchtig werden.

') Ich will nur auf die oben S. 36 angeführten Verse 71, 30 und 31 verweisen.

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5-2. und treibe diejenigen, welche ihren Herrn Mor- gens und Abends anrufen, aus Verlangen nach seinem Wohlwollen, nicht von dir. Du bist durchaus nicht für sie verantwortlich. Solltest du sie von dir verstofsen, so gehörst du zu den Ungerechten.

53. [Durch diese Fügung, dafs sich schlechtes Gesin- del unter deinen Anhängern befindet] setzen wir die Ei- nen durch die Andern auf die Probe, und wir haben sie dahin gebracht, dafs sie sagen: Sind dies die Leute, wel- che Allah vor uns durch seine Gnade ausgezeichnet hat? [Antworte:] Allah weifs doch am besten, wer sich dank- bar zeigen wird.

54. Wenn die, welche an unsere Zeichen (Offenba- rungen) glauben, zu dir kommen, so sprich: Friede sei mit euch! Euer Herr hat sich Barmherzigkeit vorgeschrieben und folglich, wenn einer von Euch aus Unwissenheit Bö- ses gethan, dann es aber bereut und sich gebessert hat, so ist Er verzeihungsvoll und barmherzig.

55. So setzen wir die Zeichen (Otfenbarungen) aus- einander, um den Weg der Bösewichter zu beleuchten.

In Süra 11 legt er dieselben Ansichten dem Noah in den Mund:

29. Die Mala (Aristokratie), welche unter seinem Volke ungläubig war, sagte zu Noah: Wir erblicken in dir einen Menschen wie wir, und wir sehen, dafs dir nur Leute folgen, welche das schlechteste Gesindel unter uns bilden und ohne LTeberlegung sind. Wir erkennen nicht an, dafs ihr vor uns einen Vorzug habet und halten euch für Lügner.

30. Er antwortete: 0 V olk, sagt mir, was däucht euch, wenn ich eine von meinem Herrn ausgehende Erleuchtung besitze und er mir einen Strahl seiner Gnade zulliefsen liefs, ihr aber gegen denselben blind seid; soll ich ihn euch etwa aufzwingen, selbst gegen euern Willen.

31. 0 Volk, ich verlange ja von euch keine Schätze dafür. Allah haftet für meinen Lohn. Ich werde aber die-

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jenigen, welche [an mich] i^lauben , nimmermehr von mir verstofsen. Sie werden mit ihrem Herrn zusammentreÜen '). Euch al)er halte ich für unwissende Mensclien.

32. 0 Volk, wer wird mir vor Allah beistehen, wenn ich sie verstofse. Kommt ihr denn nicht zur Ueberle- ifuns:?

Im Vorbeigehen sei es mir erlaubt, einen Fall zu er- wähnen, in welchem IMohammad von seinem l'rinzipe ab- wich, es aber bitter bereute:

Der blinde Ibn Omm Maktüm, ein Verwandter der Frau fies Propheten, kam zu diesem, während er dem 'Otba b. Rabya, Abu (iiahl, ^Abbäs b. 'Abd al - Mottalib, Obayy b. Chalat" und dessen Bruder Omayya den Islam vortrug und die Hoffnung hegte, dafs es ihm gelingen würde, sie zu bekehren. Der Blinde rief ihm zu: Lafs mich die Lehre hören, die Gott dir mittheilt. Und da ihm Mohammad kein Gehör gab, wiederholte er seine Bitte. Mohammad ärgerte sich darüber, denn, dachte er, diese vornehmen Korayschiten werden denken, dafs nur schwache Leute und Sklaven mir zuströmen, und er drückte seinen Unwillen gegen den Bhnden aus. Darüber gab ihm Gott folgenden Verweis:

80, 1. Er (Mohammad) hat die Stirn gerunzelt und sich weggewendet,

2. weil der Blinde zu ihm kam.

3. Wie kannst du wissen , ob er sich nicht reinigen (bekehren)

4. oder sich ermahnen lassen wird und ihm die Er- mahnung fruchtet.

5. 6. Einerseits verkehrst du mit dem Uebermüthigen

') Den Coramentatoren zufolge will Noah sagen: Sie werden mich vor dem Richterstuhle Gottes verklagen. Wenn im Koran von Zusammentreffen mit Gott die Rede ist, so deutet es gewöhnlich auf die Verantwortlichkeit des Vorgeladenen, ich glaube daher, er will sagen, für ihre Missethaten werden sie dort IJechenschaft ablegen müssen.

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7. freilich ist es nicht deine Schuld, dafs er sich nicht reiniget

8 K'. andererseits läfst du dich abhalten von dem, welcher voll Eifer zu dir kommt und Gott fürchtet.

Da Mohammad nicht zur Aristokratie gehörte, wurde auch er selbst seiner socialen Stellung wegen angegriffen ; man dachte, dafs, wenn Gott einen Boten habe senden wol- len, er einen Mann von Ansehen gewählt haben würde. In seiner Antwort tritt die Gnadenlehre deutlicher als in den vorhergehenden Stücken hervor:

43, 30. Sie sagten: Warum ist dieser Koran nicht auf einen grofsen Mann von den zwei Städten (Makka und Täyif) herabgesandt worden?

-31. [Antwort:] Sind sie es, welche die Gnade deines Herrn vertheilen? Nein, wir haben ihren Unterhalt im Erdenleben unter sie vertheilt und einen um mehrere Grade über den Andern gestellt, so dafs einer den Andern als Tagelöhner hält. Die Gnade deines Herrn aber ist besser als die Reichthümer, welche sie sammeln.

32. Wenn die Menschen nicht alle eine Genossen- schaft bildeten ') [und die Gläubigen nicht so wenig zahl- reich wären, dafs die ganze Stadt vertilgt werden müfste], so würden wir Jenen, welche den Rahmän verläugnen, sil- berne Dächer auf ihre Häuser setzen und Treppen geben, auf denen sie hinaufsteigen könnten,

33. und wir würden ihre Häuser mit Pforten und Ru- hebetten versehen, auf die sie sich niederlegen könnten,

34. und goldene Geräthe; dieses ist alles Tand des Erdenlebens. Die jenseitige Glückseligkeit bewahrt dein Herr für die Gottesfürchtigen.

.35. Demjenigen, welcher gegen die Erwähnung des Rahmän blind ist, dem geben wir einen Satan (Verfüh- rer) ^), welcher sein Genosse ist.

') Vergl. K. 11,11.

') Ich glaube, dafs unter Satan hier böse Menschen gemeint sind.

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36. Sic (flie Verführer) versperren ihnen (den Men- schen) den Pfad, dennoch glauben diese, sie seien geleitet.

•J7. Wenn sie dann vor uns erscheinen, sagt der Ver- führte: 0 dafs zwischen mir und dir die Entfernung des Ostens vom Westen gewesen \väre welch' ein heillo- ser Genosse!

.•>8. Aber dann hilft dies Geschwätz nichts mehr; denn ihr wäret ungerecht und müfst mit einander die Strafe dulden.

39. Bist du es etwa, o Mohammad, welcher im Stande ist, den Tauben hören zu machen und dem Blinden und dem, welcher auf otfenbarem Irrwege ist, den Weg zu zeigen?

40. [Da sie unverbesserlich sind], werden wir dich entweder wegnehmen und dann zur Rache schreiten,

41. oder dich mit Augen die Strafe sehen lassen, welche wir ihnen verheifsen haben; sie sind ja in unserer Macht.

42. Halte daher, was dir geoflFenbart worden ist, fest; denn du bist Avahrlich auf gerader Strafse.

43. Es ist eine Ermahnung für dich und dein Volk, welches bald zur Rechenschaft gezogen werden soll.

44. Stelle ISachfragen an in Bezug auf die Boten, welche wir vor dir gesandt haben, ob wir ihnen aufser dem Rahmän Götter zu verehren aufgetragen haben?

45. Ehedem haben wir den Moses zu Pharao und seiner Mala (.Aristokratie) gesandt

50. Pharao rief seinem Volke zu: Besitze ich nicht Egypten und diese Flüsse, welche es durchströmen? Se- het ihr denn nicht?

51. Bin ich daher nicht besser als dieser erbärmli- che Wicht,

52. der sich nicht einmal ordentlich auszudrücken versteht?

53. Wenn ihm nicht goldene Armbänder zugeworfen werden oder die Engel in V^crbindung mit ihm erscheinen, [so ist es nichts mit ihm]

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54. Er machte sein Volk leichtsinnig, und sie ge- horchten ihm; denn es uar ein boshaftes Volk.

55. Nachdem sie aber unsern Zorn entflammt hat- ten, schritten wir zur Rache und ersäuften sie alle,

56. und machten sie zum warnenden Vorbilde für die Nachwelt.

Mohammad erklärte seinen Widersachern ganz ehrlich, dafs die Oflfenbarungen, welche er erhalte, in einem Lichte bestehe, welches in .seinem Innern aufgegangen. Walyd b. Moghvra, einer der mächtigsten Männer in den »zwei Städ- ten«, erklärte, er wolle nicht glauben, bis Gott nicht auch in seinem Innern ein Licht angezündet.

6, 1-2. lind ist wohl Derjenige (d. h. Mohammad), wel- cher todt war') und welchem wir Leben und ein Licht gegeben, womit er unter den Menschen einhergeht, wie Derjenige, welcher gleichsam in Finsternifs wandelt und nicht aus ihr heraus will. So wird den Gottvergessenen, was sie zu thun gewöhnt, als schon vorgespiegelt.

123. Wie hier, so haben wir in jeder Stadt einige Grofse zu Verbrechern gegen dieselbe gemacht, auf dafs sie darin ihre Ränke üben, aber ihre Ränke treffen Nie- manden als sie selbst doch sie verstehen es nicht.

124. Nachdem ihnen ein Zeichen (d. h. durch Mo hammad eine Offenbarung) zugekommen ist, sagen sie: Wir werden nicht glauben, ehe uns nicht Aehnliches (eine ähnliche Erleuchtung durch die Gnade) wie den Boten Got- tes zu Theil geworden. Allah weifs am besten wem er seine Botschaft anvertrauen soll. Die Stolzen, welche so sprechen und handeln, werden gedemüthigt werden vor Allah und es erwartet sie eine heftisre Strafe solcher Ranke

o"

wesen.

125. Wen Allah leiten will, dem öffnet er die Brust

') Weil die Moslime nicht zugeben wollen, dafs ihr Prophet todt war, so beziehen sie diesen Vers auf die Bekehrung des Hamza.

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für den Islam {(]. h. die L^nterwürfigkeit), und wen er ver- lühren will, dem beengt und verschliefst er die Brust [und es wird ilnu so schwer, gläubig und demüthig zu sein] als müfste er zum Himmel enjporsteigen. So hat Allah Ver- worfenheit über die Ung-läubifi-en verhängt.

1-26. Dieses (was in dir lebendig geworden) ist die Strafse deines Herrn, die gerade. Wir haben die Zei- chen gegliedert für empfängliche Leute.

127. Sie erwartet ein Aufenthalt des Friedens bei ihrem Herrn. Er ist ihr Beschützer ihrer Werke \\e'ren.

Die Idee, dafs Gott so tückisch sei, die Menschen durch Reichthum absichtlich zu verführen, hat wenigstens etwas poetisches, während der Einfall, dafs er den gröfseren Theil der 31enschheit von Ewigkeit her dazu bestimmt habe, in der Hölle zu winseln, ebenso gotteslästerlich als dem ge- sunden Menschenverstand zuwider ist und aller Poesie ent- behrt ^). Dem Mohammad kam seine poetische Ansicht, die wir im Kor. 19, 74 79 finden, häufig recht gut zu stat- ten. So oft er einen Mifsgriff machte, sagte er, Gott liefs dies geschehen, um euch auf die Probe zu stellen und den Weg des Heiles zu versperren. Sie ist denn auch durch folgende Verhältnisse in ihm lebendig geworden.

Einige Zeit nach seinem ersten Auftreten (wahrschein- lich im Jahre 613) litt Makka an einer Hungersnoth; dies veranlafste folgende Inspiration, deren Erzählung sich auf eine Volkslegende gründen mag:

68, 17. Wir haben sie (die selbstsüchtigen Makkaner) heimgesucht, wie wir einst die Eigenthümer des Gartens heimgesucht haben, als sie schworen: Morgen früh wollen wir einernten.

>) Sehr vernünftig lautet Mohammad's Lehre in folgendem Verse :

42,19. Wer nach der Ernte des Jenseits strebt, dem geben wir Zuwachs in seiner Ernte, wer aber nach der Ernte dieser Welt strebt, dem geben wir etwas, davor aber hat er am Jenseits kei- nen Antheil.

II. 21

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18. Sie vergafsen aber das »Wenn« ');

19. und es befiel den Garten ein von deinem Herrn aiisaehendes Unheil während sie schHefen,

20. und am Morgen war er wie wenn die Ernte ein- geheimst worden wäre.

21 22. Sie aber riefen sich einander Morgens zu: Auf in euer Feld hinaus, wenn ihr ernten wollt!

23. Sie machten sich auf den Weg und besprachen sich leise:

24. Heute soll uns kein Armer hineinkommen!

25. Als sie aufstanden, waren sie entschlossen, ihr selbstsüchtigen Vorhaben auszuführen.

26. Als sie den Garten sahen sagten sie: Wir haben uns verirrt.

27. Nein, man hat uns beraubt!

28. Der Vernünftigste unter ihnen bemerkte: Habe ich euch nicht gesagt: Warum stimmt ihr nicht das Sub- hän an?

29. Sie schrien: Subhän (Glorie) unserm Herrn, wir waren wirklich ungerecht!

20. Sie machten einander Vorwürfe

31. und sagten: 0 weh, wir sind wahrlich Frevler!

32. Doch vielleicht giebt uns Gott etwas Besseres dafür, denn wir haben ein Verlangen nach unserm Herrn.

33. So ist die Strafe; aber die Strafe des anderen Lebens ist gröfser, Wenn es die Menschen doch einsähen!

Süra 42 ist eine von jenen, welche schon zu des Pro- pheten Zeiten häufig in Gebeten recitirt wurden, und sie

') In der Voraussetzung, dafs die Bedeutung, welche Istithnä in der philosophischen Sprache hat (vergl. meine „Logic of the Ära- bians" p. 30), aus dem Sprachbewufstsein der Nation geschöpft sei, weiche ich von den Commentatoren ab, welche behaupten, der Sinn des Verses sei: sie sagten nicht, wenn es Gottes Wille ist, oder sie priesen Gott nicht. Vers 28 ist zwar zu Gunsten der Commentato- ren, aber doch nicht beweisend.

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scheint aus erbaulichen Krgüssen und aus Fragmenten ver- schiedener IVrioden zu diesem ZAvecke zusammengestellt \vorden zu sein. Folgende \ erse mögen sich aul" die Hun- gersnoth beziehen:

26. Wenn GJott den Unterhalt seinen Knechten reich- lich zumifst, so u erden sie übermüthig auf Erden; allein er sendet ihn herab nach einem beliebigen Maafse; denn er kennt und sieht seine Knechte.

27. Er ist es, Avelcher den Regen schickt, nachdem die Menschen schon verzweifelten, und welcher seinen Se- gen austheilt; er ist der Verwalter, der Gepriesene.

47. Wenn sie sich von dir wegwenden, so wisse, dafs wir dich nicht als ihren Wächter bestellt haben. Du hast keine andere Aufgabe als die Botschaft zu überbrin- gen. Wenn wir den iMenschen Segen geniefsen lassen, freut er sich darüber, wenn ihn aber seiner Werke \vegen Un- glück befällt, so ach der Mensch ist undankbar.

In einem der folgenden Jahre prophezeihte Mohammad eine zeitliche Strafe, und obwohl wir keine deutliche Ko- ränstelle haben, so ist doch kein Zweifel, dafs er jetzt die Hungersnoth für einen V^orboten von ferneren Prüfungen dar- stellte; aber anstatt dafs das Elend nahte, folgten frucht- bare Jahre und Uebertlufs. Begreiflicher Weise veranlafste dieses eine Polemik gegen den Propheten, welche bis 617 geführt wurde. Einige Verse von Süra 7 beziehen sich auf die Hungersnoth. Aus V. 128, in Avelchem Pharao den Moses und Aaron Unglücksvogel heifst, geht hervor, dafs die Aristokraten das abergläubische \ olk überzeugen woll- ten, die Hungersnoth von 613 sei eine Strafe der Götter wegen der Neuerungen des Mohammad und seiner Anhän- ger. Folgende Stelle, welche mit den Worten parallel ist, die Mohammad in Kor. 7, 92 dem Scho ayb in den Mund lest, bezielit sich auf dieses Thema.

6, 42. Wir haben schon zu frühern Religionsgemeinden unsere Boten gesandt und die Gemeinden mit Noth und Mangel heimgesucht, damit sie sich demüthigen möchten.

2i*

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43. 0 dafs sie sicli, als sie unsere Strenge fühlten, gedeniiithigt hätten, aber ihre Herzen verhärteten sich und der Satan spiegelte ihnen ihr Treiben als schon vor.

44. INachdem sie das zur Beherzigung gesandte Un- o-liick vergessen hatten, öffneten wir für sie die Thore des Ueberflusses. Als sie sich dann über unsere Gaben freu- ten, nahmen >\ir sie plötzlich her, und sie Ovaren in Ver- zweiflung.

10, 2]. Sie sagen: Warum wird ihm kein Zeichen (Wun- der) zu Theil von seinem Herrn? Antworte: Die Geheim- nisse weifs nur Allah. Wartet daher, auch ich Avill mit euch warten.

22. Wir liefsen sie unsern Segen (üeberflufs) genie- fsen nach dem Mangel, den sie gelitten. Sie benutzten dies als eine Waffe, unsere Zeichen (Offenbarungen) an- zugreifen. Sag' ihnen: Gott ist am gewandtesten im Ma- növriren. Wahrlich unsere Boten (Engel) schreiben eure Angriffe auf [Ihr werdet dafür schon bestraft werden] ').

Der Streit dauerte noch fort, selbst nachdem Äloham- mad angefangen hatte, statt oder neben einer zeitlichen eine ewige vStrafe zu drohen.

41, 49. Der Mensch wird nicht müde, um Segen zu bitten, und wenn ihm Böses widerfährt, ist er aufser sich und in Verzweiflung.

50. Wenn wir ihn unsere Gnade geniefsen lassen nach einem Älangel (Unglück), welcher ihn berührt hatte, so sagt er: Das ist mein (d. h. ich verdiene dies), und ich glaube nicht, dafs die Stunde herannaht. Wenn ich aber auch zu

') Wörtliche Uebertragung dieses Verses: Wenn die Menschen eine Gnade geniefsen nach einem Mangel, der sie betroffen hatte, dann dient es für sie als Manöver gegen unsere Zeichen. Sprich: Allah ist am behendesten im Manöveriren. Wahrlich unsere Boten schreiben auf, was ihr manövriret.

Makr, Manöver, bedeutet Kriegslist, Ränke. Mohammad be- zeichnet hier und in anderen Stellen die Einwürfe seiner Gegner damit.

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meinem Herrn zurückgebracht werde, so werde ich bei ihm Gutes i^eniefsen. Allein wir werden den Ungläubi- gen ihre Werke vorzählen nnd über sie eine harte Strafe verhängen.

51. Wenn wir es dem Menschen wohl ergehen las- sen, wendet er sich [vom Glauben] weg und geht auf die Seite; wenn ihm aber Böses widerfährt, so ist er uner- schöpflich im Bitten.

52. Sprich: Was däucht euch; wenn meine Lehre wirklich von Allah kommt und ihr verwerfet sie, wer ist dann mehr verwirrt als ein Mensch, der damit in weitem Zwiespalt ist?

53. Wir wollen ihnen Zeichen zeigen in der Natur und in ihrer Mitte, bis es ihnen klar wird, dafs sie die Wahrheit ist. Aber soll ihnen dein Herr nicht «[enüifen [und soll seine Versicherung noch eines Beweises bedür- fen?], da er doch von allen Dingen Zeuge ist?

.)4. Sind sie nicht im Zweifel über das Zusammen- treflfen mit ihrem Herrn (d. h. über die Lnsterblichkeit) und umfafst er nicht Alles?

Folgende Verse über denselben Gegenstand sind nicht an die Widersacher, sondern an die Anhänger gerichtet: 11, 12. Wenn wir den Menschen eine Gnade (Segen) geniefsen lassen und sie dann von ihm w egnehmen , ver- zweifelt er und wird zum Gottesläugner.

13. Wenn wir ihn aber Wohlstand geniefsen lassen nach dem Mangel, der ihn berührt hat, sagt er: Das Ue- bel hat mich verlassen, und er freut sich und ist voll Ue- berrauth.

14. Ausgenommen diejenigen, welche ausharren und das Gute thun; ihnen verzeiht Gott und sie erwartet ein grofser Lohn.

Hier dürfte eine Episode an ihrem Platze sein, welche die Veranlassung zu mehreren Offenbarungen war und dazu beitrug, dafs Mohammad einige Zeit lang zugab, er habe auf die Vertheilung der Gnade keinen Einflufs. Diese Be-

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scheidenheit war gegen das Handwerk, und so hat er spä- ter, wie die l'äbste, seine Scliulden mit Anweisungen an das Paradies bezahlt.

Der älteste Sohn des Abu Bakr hiefs ursprünglich 'Abd al-Ka'ba, d. h. Knecht der Ka'ba, später aber wurde sein Name in 'Abd al-Rahmän umgewandelt. Obwohl seine Schwester 'Äyischa viel jünger war, hatten sie doch nicht nur denselben Vater, sondern auch dieselbe Mutter 0mm Rümän. Seine frommen Eltern predigten ihm umsonst den Islam. Er blieb verstockt und war einer von jenen Mak- kanern, welche den Propheten verlachten und für einen Betrüger hielten. iMohammad richtete eine Inspiration an ihn, in welcher er die Hauptgründe für seine Lehre dar- legt und ihn mit den Worten des alten Weisen, Lokmän, an die Einheitslehre erinnert. Er legt ihm ferner die Pflich- ten o-e^en seine Eltern an's Herz.

31, 1. A. L. M. Jenes sind Zeichen aus dem weisen Buche,

2. zur Leitung und Gnadenbescherung für die Guten,

3. welche [wie Abu Bakr] das Gebet verrichten und das Almosen geben; diese sind es, welche vom Jenseits vollends überzeugt sind;

4. sie sind auf der Spur einer von ihrem Herrn aus- gehenden Leitung, und sie, sie werden gedeihen.

5. Es giebt Leute, welche zum Vergnügen [eitle] Ge- schichten ankaufen, damit er (den ich meine) in seiner Un- wissenheit Andere vom Pfade AUah's, mit dem sie Spott treiben, abwendig mache. Solche erwartet eine erniedri- gende Strafe.

6. Wenn man ihm unsere Zeichen vorliest, so dreht er sich hochmüthig um, wie wenn er sie nicht hörte und wie wenn ein Gewicht (Schwerhörigkeit) in seinen Ohren wäre. Verkünde ihm eine peinliche Strafe.

7. Denjenigen, welche glauben und Gutes thun, ste- hen genufsreiche Gärten in Aussicht,

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8. in welchen sie ewig leben werden. Die Verhei- fsungen Allah's sintI Avalir; denn er ist der Erhabene, der Weise.

9. Kr hat die Himmel ohne Stütze erschaffen, wie ihr sehen könnt, und er hat Berge in die Erde gesteckt, denn sonst würde sie mit euch wanken. Auch hat er Thiere von jeder Gattung daraus hervorgerufen. Ferner haben wir Wasser vom Himmel herabgesandt und dadurch Pflanzen jeder Art hervorwachsen lassen.

10. Dieses ist die Schöpfung Allah's. Zeiget mir nun was die andern Gölter erschaffen haben. Das Uichtife ist, dafs die Ungerechten in offenbarem Irrthume sind [in- dem sie andere Götter anerkennen].

11. Ehedem haben wir den Lokmän mit der Weis- heit ausgestattet und befohlen: Sei dankbar gegen Allah. Wer dankbar ist, ist es zu seinem Heil und wer undank- bar ist (d. h. ihn verläugnet), der bedenke, dafs Allah ge- priesen ist und Niemandes bedarf.

12. Lokmän sprach zu seinem Sohne, um ihn zu un- terweisen: 0 Söhnchen, erkenne aufser Allah keine Götter an, denn Vielgötterei ist eine grofse Ungerechtigkeit.

13. Ferner: Wir haben dem Menschen seine Eltern an's Herz gelegt. Seine Mutter hat ihn getragen unter Schwächen, nach Schwächen und erst nach zwei Jahren von der Brust abgewöhnt. Sei daher uns und deinen El- tern dankbar! Zu mir führt dein Weg (d. h. vor mei- nem Richterstuhl mufst du erscheinen) *).

') Kor. 29, 7: Wir haben dem Menschen gutes Benehmen ge- gen seine beiden Eltern zur Pflicht gemacht, wenn sie dich aber nöthigen wollen, neben mir Etwas anzubeten, von dem du nichts weifst, so gehorche ihnen nicht. Zu mir müfst ihr zurückkehren, und ich werde euch dann verkünden was ihr gethan.

Dieser Vers ist zur Weisung des Sa d b. Aby Wakkä^ geofFen- bart worden. Als seine Mutter erfuhr, dafs er den Glauben seiner Väter verlassen habe, schwor sie, sie wolle weder Speise noch Trank

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15. 0 Söhnchen, Avenn sich auch nur das Gewicht eines Senfköinchens [guter oder böser Werke] heraus- stellt, und seien sie in einem Felsen verborgen oder im Himmel aufgehoben, oder über der Erde zerstreut, so wird sie Allah zum Vorschein bringen, denn er ist fein und kundig.

16. 0 Söhnchen, verrichte das Gebet, befiehl, was billig ist, verhindere das Verwerfliche und gedulde dich unter den Bedrängnissen, die dich befallen mögen; denn sie gehören zu den Plänen der Vorsehung.

17. Verziehe dein Gesicht nicht gegen die Leute und nimm keinen übermüthigen Gang an, denn Allah liebt sol- che stolze Prahler nicht.

18. Lafs deinen Gans; anständig und deine Stimme

zu sich nehmen und Hunger sterben, wenn er nicht zum Heiden- thume zurückkehre. Mohammad predigt ihm nun die ünterthänig- keit gegen die Eltern in den Worten des Lokmän. Wenn er iden- tisch ist mit Elxai, so hatte er ein Recht, sie den Weisen zu ent- lehnen, den Elxai 's Worte galten bei den Hanyfen als Offenbarun- gen, und in Mohammad's Mund waren sie eine WiederofiFenbarung. Er fügt aber hinzu, dafs der Gehorsam aufhöre, wenn die Eltern ihre Kinder zur Vielgötterei anhalten wollen.

Auch dem Sohne des Abu Bakr ruft er mit demselben Rechte die Worte des Lokmän als Wiederoffenbarung zu. Die Koränsamm- 1er haben sich aber verleiten lassen, auch den Nachsatz hier zu wie- derholen, obschon er hieher gar nicht pafst:

31, 14. Wenn sie dich aber nöthigen wollen, neben mir Etwas anzubeten, von dem du nichts weifst, so gehorche ihnen nicht.

Sei ein nachgiebiger Gefährte für sie auf Erden and folge dem Pfad derer, die sich zu mir wenden. Endlich müfst ihr zu mir zurückkehren und ich werde euch ver- künden was ihr gethan.

Die mit gesperrter Schrift gedruckten Zeilen sind wieder die Worte des Lokmän; wie auch jene, welche in Süra 29 vorkommen.

Die Aengstlichkeit der Gläubigen, für welche die geschichtliche Erinnerung an die Veranlassung der Inspirationen keinen Werth hatte, welche hingegen grofses Gewicht auf die darin enthaltene Moral und Gesetze legten, hat viele solche Wiederholungen verursacht und die Kritik des Korans sehr erschwert.

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gemäfsigt sein; denn die widerlichste Stimme ist das CJe- plärre des Esels ').

Diese Ermahnuiij^ fruchtete nichts. Mohammad sucht ihn nun durch die Hölle zu erschrecken, richtet aber Worte des Trostes an seinen \ ater Abu Hakr, auf welchen sich, den Exegeten zufolge, die ersten vier Verse der folgenden Stelle beziehen ^):

46, 12. Diejenigen, welche sagen: Unser Herr ist Allah und geraden Sinnes sind, haben sich nicht zu fürchten und werden nie trauern.

13. Ihnen gehört das Paradies, worin sie ewig leben werden, als Lohn für ihre Werke.

14. Auch haben wir dem Menschen gutes Benehmen gegen seine beiden Eltern zur Pflicht gemacht. Seine Mut- ter hat ihn unter Schmerz getragen und unter Schmerz ge- boren. Die Schwaniyerschaft und das Stillen dauert drei- fsig Monate. Wenn seine Kräfte vollends entwickelt sind, und er vierzig Jahre erreicht hat, sagt er: Herr, treibe mich an, auf dafs ich dir dankbar sei für deine Wohltha- ten, die du mir und meinen Eltern erwiesen hast und auf

') Der Geist und Styl dieser Sittensprüche ist derselbe wie in den Bd. I S. 96 erwähnten. Er unterscheidet sich wesentlich von dem Geiste des Mohammad. Dieser bewegte sich zu irgend einer gegebenen Zeit in einem engeren Ideenkreise, er zeigt wenig ruhige Beobachtung, dafür aber ein ungezügeltes Genie. Diese Weisheits- regeln sind voll kluger Wahrnehmung und zeigen von einem klaren vorzüglich mit Moral beschäftigten praktischen Verstand. Es ist also jede Ursache zur Annahme vorhanden, dafs sie Mohammad ohne we- sentliche Veränderung aus der Megilla des alten Weisen entnom- men habe.

') Wähidy, Asbäb 41, 30, von 'Ata, von Ibn'Abbäs: „Dieser Vers bezieht sich auf Abu Bakr. Die Götzendiener pflegten zu sagen: Unser Herr ist Allah und die Engel sind seine Töchter und unsere Fürsprecher vor ihm. Sie waren also nicht kon- sequent. Die Juden sagten: Unser Herr ist Allah und 'Ozayr (Ezra) ist sein Sohn, Mohammad ist kein Prophet. Auch sie waren nicht konsequent. Abu Bakr aber sagte: Unser Herr ist Allah, der Ei- nige, ohne Genossen. Er war konsequent."

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dafs ich Gutes thiie, >rie dir wohlgefällig ist '). Verbes- j sere für mich einen Gewissen unter meinen Kindern; denn ich habe mich zu dir gewendet und bin einer der MosHme.

15. Solche Menschen sind es, denen Gott ihre besten \ Handlunsren berücksichtis^et und über ihre bösen hinaus- geht; ihnen gehört das Paradies, dem wohlwollenden Ver- sprechen gemäfs, das ihnen gemacht worden ist,

16. Dort ist einer, welcher zu seinen Eltern säst: Packt euch! Wie, ihr versprechet mir, dafs ich auferweckt werde, da doch die frühern Geschlechter verschwunden . sind? Sie tlehen zu Allah und sagen: Glaube doch, denn 1 die Verheifsung Gottes ist wahr. Er aber antwortet: Dies ! sind die Asätyr (Märchen) der Alten.

Man kann sich denken, dafs sich der bestürzte Vater | an den Propheten wandte mit der Bitte, er möge doch für ] seinen verstockten Sohn die Gnade Gottes erflehen, ohne die der Mensch sich nicht bekehren kann. Da Mohammad's Gebet nicht erhört wurde und er doch auch in seinem Ein- flufs auf die Rathschlüsse Gottes hinter den frühern Got- tesgesandten nicht zurückstehen wollte, erzählte er die Ge- schichte der Sündfluth und sagte:

11,42. Endlich trat unser Walten ein; und der Feuer- ofen loderte [die Gewässer den Sündfluth waren nämlich den Rabbinern zufolge heifs]. Wir sprachen: Nimm von jeder Gattung ein Paar in die Arche und deine Familie, mit Ausnahme des Mitgliedes, über welches das Urtheil er- gangen ist. Nimm auch die Gläubigen. Es gab aber nur wenige, die mit ihm glaubten.

4:3. Noah sprach: Steiget ein! unter dem Ruf: im Na- men Allahs, wird sie laufen, und unter diesem Ruf wird sie anlanden; denn mein Herr ist verzeihend und barm- herzig.

44. Sie schwamm dahin auf Wogen so hoch wie

') Aufser dem obigen Vers 31, 13 ist auch 27, 19 mit diesem parallel, wo Salomon für seine Eltern fürbittet.

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Berge. Noah rief seinem Soliiie, welcher auf einem ent- fernten Orte stand, zu: 0 Söbnchen steig ein mit uns und gehöre nicht zu den Undankbaren!

45. Er antwortete: Ich lasse mich auf einen Berg nieder, der wird mich vor dem Wasser schützen. Noah versetzte: Niemand ist heute gegen Allah's Walten (Straf- gericht) geschützt als Derjenige, über welchen er sich erbarmet. Eine Woge trennte sie, und er w ar unter den Ertrunkenen.

46. Es ertönte die Stimme: 0 Erde, verschlinge^) deine Fluthen, o Himmel halte deine Wasser ein; die Flu- then ebbeten und das Strafgericht war vollzogen. Die Arche stand auf dem Berge Güdy still. Und es ertönte die Stimme: Hinwes: mit den Ungerechten!

47. Noah rief seinen Herrn an und sprach: Herr, mein Sohn gehörte ja zu meiner Familie! Deine Verspre- chen sind wahr und du bist der beste aller Richter.

48. Er antwortete: 0 Noah, er gehört nicht zu dei- ner Familie; denn sein Thun war nicht gut. Stelle mich nicht über vSachen zu Rede, von denen du nichts weifst. Ich rathe dir, nicht zu den Unwissenden zu gehören.

49. Noah antwortete: Herr, behüte mich, dafs ich dich ja nicht zu Rede stelle über Dinge, von denen ich nichts weifs. Wenn du mir nicht verzeihst und barmherzig bist gegen mich, bin ich verloren.

50. Es erging ein Ruf: 0 Noah, steige aus mit Heil von uns und mit Segnungen über dich und über einige Ge- meinden, welche mit dir sind. Es wird Gemeinden geben, denen wir Gunst bescheren werden; dann aber soll sie eine peinhche von uns ausgehende Strafe treffen.

Mit Ausnahme des letzten Verses finden wir keine Andeutung auf die Gnadenlehre; aber die kurz vorher (S. 312) angeführten Verse, wo diese Lehre so deutlich aus- gesprochen wird, gehören ebenfalls zu dieser Inspiration.

•) Iblay, verschlinge, ist ein aramäisches Wort.

332

Geiger denkt, dafs diese Episode in der Sündfluth eine Verdrehung der Gescliicbte des Cham sei. Es folgt aber ein Zusatz welcher, da die Geschichte der Sündfluth i'ür Abu Bakr nichts Neues war, sich auf diese Episode beziehen mufs und mich mit der Ueberzeugung erfüllt, dafs sie Mohammad rein erdichtet habe, um der Zudringlich- keit seines Freundes los zu werden.

11, 51. Dies ist eine der verborgenen Geschichten, wel- che wir dir offenbaren. Ehedem wufstest weder du, noch dein Volk dieselbigen. Harre daher geduldig aus, denn am Ende siegen die Gottesfürchtigen.

Auf die dem Noah in den Mund gelegten Vorstellun- gen mufste sich Abu Bakr in sein Schicksal fügen; 'Abd | al-Rahmän aber achtete nicht auf die schreckliche Drohung, welche das Beispiel des Sohnes des Noah enthält, dafs ihn am Ende, selbst wenn er wollte, nichts mehr retten kann. Sein Vater flüchtete sich nach Madyna, er aber blieb mit den Heiden in Makka. Erst als diese Stadt erobert wurde und die Verstocktesten es vorzogen, lieber das Glaubens- bekenntnifs abzulegen als sich hinrichten zu lassen, bekehrte er sich. Nach Einigen begab er sich zu diesem Zwecke in Begleitung von andern jungen Männern einige Zeit vor der Eroberung der Stadt nach Madyna. Er zeichnete sich als Bogenschütz aus, und im Feldzug gegen die Abtrünni- gen von Yamama soll er sieben Häuptlinge erschossen ha- ben, unter ihnen den Vorgesetzten (Mohakkam) von Ya- mama. Dieser vertheidigte eine Bresche und Avurde von'Abd al-Rahmän getödtet, darauf drangen die Moslime durch diese Bresche in die Stadt. In der Schlacht des Kamee- ies focht er auf der Seite der 'Äyischa, sein Bruder Mo- hammad aber auf der Seite des 'Alyy. Es Avird auch ein Liebesabenteuer von ihm erzählt. Er begab sich in kauf- männischen Geschäften nach Damascus; dort erblickte er die von ihren Zofen umgebene Laylä, Tochter des al-Güdy, eines arabischen Häuptlings aus dem Stanuue Ghassän, von welchem gesagt wird, dafs er der Amyr von Damascus Avar.

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Wahrscheinlich ist es, dafs eine Garnison von Arabern dort stationirt uar, inid dafs sie al-Güdy befehliote. 'Abd al- Rahmän verliebte sich in das Mädclien imd verfafste (Je- dichte auf sie. Als die niosliniischen Armeen in Svrien vordrangen, belahl 'Omar dem Feldherrn, dafs, Avenn es ihm gelingen sollte, Damascus von den Griechen zu erobern und der Layla habhaft zu Averden, er diese für 'Abd al- Rahmän behalten soll. Nach der Einnahme der Stadt kam sie auch in 'Abd al-Rahmän's Harem.

Als Marwän von Moäwija zum Gouverneur von Hi- gäz ernannt Avorden Avar, hielt er eines Tages eine Rede an das Volk und forderte es auf, Yazyd, den Sohn des MoaAviya, als den Nachfolger seines Vaters im Chalyfat, Avelches bis dahin ein Wahlreich gCAvesen, anzuerkennen. Es Avidersetzten sich dieser Zumuthung mehrere Männer von Ansehen, Avie Hosayn, der Sohn des 'Alyy, und Ibn Zobayr. Unter diesen Avar auch 'x\bd al-Rahmän. Mar- wän erklärte, dafs diese Wahl ganz hu Geiste (sunna) der ersten zwei Chalyfen Aväre, Avorauf ihm jener in's Wort fiel: Nein, das ist chosroisch oder heracleisch, so oft ein Kai- ser stirbt, folgt ein Kaiser; Avir Averden das nimmer zuge- ben. Der Gouverneur rief aus: Ergreift ihn! Er aber be- gab sich in das Haus seiner SchAvester 'Ayischa, Avelches ein Heilijjthuu) Avar, und MarAvän rief ihm nach: Dies ist der Held, auf den sich die Worte des Korans »Packt euch! etc.« (44,16) beziehen. Diesem LTmstand verdan- ken Avir die Kunde von der Veranlassung zu obigen Of- fenbarungen ^). Äyischa stellte diese Beschuldigungen in

') Die Geschichte steht im Kitäb alaghäniy, No. 1178, und ausführlicher in Bochäry, S. 715. Auch die Exegeten haben das Re- sultat aufgenommen, so sagt BaghaAA'y 46, 16:

„Nach Ibn Abbas, Soddy und Mogähid bezieht sich dieser Vers auf 'Abd Allah oder auf 'Abd al-Rahmän, den Sohn des Chalyfen Abu Bakr. Seine Eltern forderten ihn auf, den Islam anzunehmen, er aber weigerte sich und sprach, ich will den Abd Allah b. Go'- däu, den Amir b. Ka'b und die Schayche der Korayschiten fragen.

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Abrede und erbot sich die Person zu nennen, welche durch diesen Koränvers verdammt wird, sie hat es aber nicht ge- than; und da sie als er geoffenbart wurde, höchstens vier oder fünf Jahre alt war, wäre ihr Zeugnifs auch nicht von grofsem (gewicht gewesen. Einige Zeit nach diesem Vor- fall sandte ihm der Chalyf hunderttausend Dirham, 'Abd al-Rahmän aber schickte sie mit den Worten zurück, dafs er seinen Glauben und seine Ueberzeugung nicht verkau- fen wolle. Er starb, noch ehe die Huldigung des Yazyd vollendet war, zehn Meilen von Makka, A. H. 53 58. 'Ayischa eilte auf die Nachricht seines Todes zu ihm und sang über seinen Leichnam die Elegie, welche Ibn No- wayra auf den Tod seines Bruders Mähk verfafst hatte. Sie starb bald darauf.

'Äyischa läugnete, dafs der Vers sich auf ihren Bruder 'Abd al- Rahmän beziehe."

Anhang zum zwölften Kapitel.

I. Die Form biblischer Namen dieser Periode.

In zwei alttestamentlichen Namen, welche in obigen Korän- stücken genannt werden, erkennen wir die griechische Form: Ilyäs ist gewifs zunächst aus HXiag und nicht aus dem hebräischen Eliyäh und Yünos aus Joii/ag (vergl. Bd. I S. 32) entstanden. Auch Solay- män ist durch das Syrische vom neutestamentlichen Solomon und nicht unmittelbar vom hebräischen Salomo abzuleiten. Da Solomon Aehnlichkeit mit der arabischen Deminutivform hat, so ist es dazu ausgebildet worden. Hätten die Araber „Salomo" gehört, so wür- den sie es, da Salama, Salima und Saloma in ihrer Sprache als Ei- gennamen vorhanden waren, mit einem derselben identificirt haben. Der Name Solaymän soll übrigens auch unter den Juden von Ma- dyna gebräuchlich gewesen sein. Unter den neutestamentlichen Na- men kommt Zakariyä und Yahyä auch in dem ^äbischen Liber Adami vor und wenn dieses auch ein modernes Machwerk ist, so ist doch möglich, dafs die älteren c^äbischen Benennungen darin beibehalten seien '). Die Etymologie würde fordern, dafs man im Arabischen Zakariyä mit ö = dz schreibe.

Wie bereits gesagt, stammen Dzü-lnün (Jonas), Dzü-lkifl und Dzü-Ikarnayn aus dem Dialekt von Yaman. Dieser aber wurde

') Die sich dem Christenthume nähernden Sekten von Ebioniten und Kon- sorten scheinen ihre Kenntnifs grofsentheils aus dem Griechischen entnommen zu haben. Epiphanias sagt, dafs diejenigen Nazaräer, welche alle Bücher des alten Testaments anerkannten, sehr gut hebräisch verstanden und das Evangelium des Matthäus ganz vollständig in dieser Sprache besafsen. Von den Ebioniten aber sagt er, dafs sie ebenfalls das Evangelium in hebräischer Sprache hatten, aber verstümmelt und verändert, und er führt einen Fall an, welcher zeigt, dafs ihr Evangelium aus dem Griechischen stammte; statt ay.QiSa?, Heuschrecke, hatte nämlich der Uebersetzer iyxqiSas, Honigkuchen, gelesen.

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nicht nur in Sudarabien, sondern auch an der syrischen Grenze und in Madyna gesprochen; so ist Dzü-lfikär, der Name eines Säbels, eine in Madyna entstandene Benennung. Ja, wir haben keinen Be- weis dafür, dafs Zusammensetzungen mit Dzü nicht auch in Makka üblich waren.

Mehrere biblische Namen haben die Form des Futurums und fangen mit dem Konsonanten J (ich schreibe Y) an. Auch im Ara- bischen kommt diese Form in Substantiven vor mit zweiter langer Silbe, wie Yahmüm (Kor. 56, 42), Yarbü' (Name eines Stammes im Nagd), Yanbu , Quell (dafür im Neuarabischen Nah'), und mit zwei- ter kurzer Silbe, wie Yanbo', Name des Seehafens bei Makka, Yasch- kor, Yaschgob und andere Namen in yamanischen Genealogien. In seltenen Fällen ist diese Futurform feminin und der erste Buchstabe ist T, wie in Taghlib, Togyb (Namen von Stämmen). Da nun diese Formen von Eigennamen auch im Arabischen gebräuchlich sind, so hätte man erwarten sollen, dafs Mohammad dabingehörige biblische Benennungen ohne Veränderung wiedergegeben hätte; wir bemerken aber, dafs das initiale J (Y) nur wo es im Griechischen steht, auch im Koran vorkomme, wo es aber im Griechischen fehlt, ausgelassen werde. So schreibt Mohammad nicht Yisma'yl, sondern Isma'yl und nicht Yishak, sondern Ishak, M'ährend er Yüsof, Ya'küb spricht. In letzterni Worte fällt auf, dafs weder nach higäzisch- arabischer, noch nach hebräischer Orthographie der zweite Vokal lang ist; es ist also durch einen Dialekt nach Makka gekommen, in welchem man ihn dehnte. Zur Charakterisirung dieses Dialekts kann auch Yahyä (Jo- hannes), im cäbischen Dialekte NTIX"*, berücksichtigt werden, vor- ausgesetzt dafs beide Formen auf dieselbe Wurzel reduzirt wurden ').

Sonderbar ist die Form von Idrys. Wir finden sie allerdings in einigen wenigen arabischen Wörtern, wie ^^j:o\ ^^ , oj^! aber viele Wörter dieser Form stammen aus andern Sprachen (s oben S. 24! Note). Idrys, der Name des Enoch, steht wahrscheinlich statt Yadrys und bedeutet: er wird lernen, Gelehrter. Auf gleiche Weise kommt auch Iralyk statt Yamlik (Jamblichus) vor. Idrys ist auch ein arabisches Wort; man gebraucht nämlich Abu Idrys, Vater des Reibens oder Fegeus (der Begriff wird deutlicher, wenn man das Frequen- tativum setzt) als Euphemismus statt Ayr. Ich glaube, dafs die Er- finder dieser Benennung einen Witz machen wollten und an den

') AViner findet Johannes im Hebräischen "ijm"^ und glaubt, dafs die Wur- zel hnn dem Xameu zu Grunde liege. Norberg leitet es von why. offenbaren ab, nach arabischer Et_\Tnologie kommt es von hyy, leben, her und bedeutet: er wird leben. Wir finden schon im alten Testament einen Fall, dafs die Leute Eigennamen nicht immer aus derselben Wurzel erklärten. So lesen wir in den Psalmen pHlU^, während in der Genesis pu^I'' steht. Yergl. 'Ysä und Yesu.

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Propheten Idrys dachten, aber der Wurzel drs die arabische statt der hebräischen Bedeutung unterlegten.

Aus dem Gesagten würde hervorgehen, dafs mehrere biblische Na- men, ehe sie zu den Arabern kamen, durch ein griechisches Medium gingen. Nimmt man griechisch für christlich, so kommt man zum Schlufs, dafs sie Mohammad oder seine Vorgänger von Christen er- lauscht haben. Namen wie Miryam (welches auch im Hebräischen und Syrischen für unser Maria steht) stammen ursprünglich gewifs aus christlicher Quelle. Allein gerade dieses Wort sprachen die arabischen Christen Maria (es trug diesen Namen eine Königin der Ghassäni- den) aus und es kam also nicht unmittelbar von diesen nach Makka. Ferner kommen Buchstaben, welche dem griechischen Alphabete feh- len, wie'Ayn und He, wieder zum Vorschein, und es wird zwischen andern, für welche die Griechen nur ein Symbol haben, wie q und k, s und 9, unterschieden. Es folgt daraus, dafs, wenn auch der griechische Sprachgebrauch, weil selbst in Palmyra griechische Kul- tur war, einigen Einflufs übte, die Namen doch stets auch durch se- mitischen Mund fortgepflanzt worden sind, und wenn in den LXX Ismael und nicht Jismael geschrieben wird, so liegt der Grund darin, dafs schon damals das Wort so ausgesprochen wurde. Nimmt man aufser dem genannten auch Namen wie Ysä, wofür nicht nur die Syrer, sondern auch die arabischen Christen Yeschü' (das 'Ayn am Ende statt am Anfange) schreiben, in Betracht'), so wird das schon oft ausgesprochene Resultat bestätigt, dafs Mohammad seine Kunde der Bibel von Leuten erhalten habe, welche einen Dialekt sprachen, aus dem auch sonst mehrere Wörter und Formen in das Arabische übergingen und den man den yäbischen oder nabathäischen nennt. Die im Norden gesprochenen arabischen Mundarten waren von die- ser Sprache wahrscheinlich nicht mehr verschieden , als das in der Schweiz von dem in Sachsen gesprochenen Deutsch.

II. Forkän, Heil.

(Zu S. 271.)

Forkän *) ist, wie Geiger bemerkt, ein aramäisches Wort und bedeutet Erlösung, Heil (salvatio). Mohammad gebraucht es als einen theologischen Terminus technicus für einen mysteriösen Begriff, und da

') Auch Wörter -wie Dzorrhya, mutafika, ^iddyk, 'äbiryn etc. müssen be- rücksichtigt werden.

') Ueber die Form des Wortes siehe Bd. I S. 108.

II. 22

338

er keine Idee von unserer Erlösungstheorie hatte'), so fragt es sieb, worin er das Heil der Menschheit erblickte. Wie er in obiger Stelle sagt, dafs dem Moses der Forkän von Gott raitgetheilt worden sei, behauptet er in einer andern, dafs er ihn selbst erhalten habe:

25,1. Gesegnet sei Derjenige, welcher den Forkän auf seinen Knecht (Mohammad) herabgesandt hat, auf dafs er ein Warner sei für die Menschheit.

Gestützt auf diesen Vers behaupten die Moslime, dafs der Ko- ran und der Forkän synonyme Ausdrücke seien. Hierin gehen sie jedenfalls zu weit, ja ich zweifle, ob nach der Vorstellung des Mo- hammad der Forkän, das Heil, einzig und allein in der Offenbarung bestand, denn in Kor. 2, so sagt Gott zu den Juden:

„Wir gaben dem Moses das Buch und den Forkän, auf dafs ihr geleitet werdet" *); und in Kor. 2, isi heifst es:

„Der Monat Ramadhän ist es, in dem der Koran hinabgesaiidt wurde den Menschen zur Leitung und als offenbares Zeichen der Leitung und des Heiles (Forkän)."

In Süra 8, 42 spricht Mohammad von der Vertheilung der bei Badr gewonnenen Beute, dann fährt er fort:

„Wenn ihr an Gott glaubet und an die Offenbarung, die wir auf unsern Knecht (Mohammad) am Tage des Forkän, am Tage, an dem sich die beiden Heere [bei Badr] begegneten, herabsandten, so etc."

Diese Stelle würde sehr lehrreich sein, wenn die Commentato- ren nicht verschiedener Meinung wären über „den Tag des Forkän". Einige glauben, es bedeute den Siegestag ^) und Andere (so auch Ibn lahäk S. 155) den Tag der Offenbarung des Korans. Beide Erklärungen sind zulässig, denn die Schlacht von Badr wurde am 1 7. Ramadhän gefochten und in diesem Monat wurde, wie wir soeben gehört haben, auch der Koran geoffenbart. Wenn in diesem Verse

') Auch in den Clementinen ist keine Rede davon. Schliehmann, die Cle mentinen S. 210, sagt: „Fragen wir, wozu Christus erschien, so müssen wir im Sinne der Clementinen antworten : Er hat die Wahrheit, ohne deren Erkenntnifs Niemand recht handeln und zur Seligkeit gelangen kann , welche früher als Ge- heimlehre existirte, öffentlich verbreitet und zum Gemeingut Aller gemacht. Ist die Eintheilung in das Munus Christi propheticum, sacerdotale und regium eine wohlbegründete, so müssen wir von den Clementinen behaupten, dafs sie nur das erste hervorheben.

In einer Note fügt der Verfasser hinzu: Auf einseitige Weise freilich auch das Munus regium: Christus ist der König des künftigen ewigen Reiches im Ge- gensatz zum jetzigen, worüber der Teufel herrscht.

Im Koran tritt der Rahmdn als König des Gerichtstages auf.

2) Vergl. auch Kor. 21, 49.

ä) Ibn 'Abbäs bei Tha'laby, Tafs. 2, 50, sagt: Forkän bedeutet Beistand, Sieg, und er bezieht sich auf diese Stelle. Da der Forkän zuerst dem Moses gegeben worden ist, so glaubt er, dafs er in der Theilung (infiräk) des Meeres bestand.

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auf die Schlacht angespielt wird, könnte man zwar Forkän nicht durch Erlösung wiedergeben, denn die Moslime waren die angrei- fende Partei, aber wohl durch Heil, Entscheidung oder gar göttli- chen Beistand. Im andern Fall aber würde es so viel als Offenba- rung bedeuten.

Da wir diese Stelle nicht benutzen können, wenden wir uns zu einer andern:

8, 29. O Gläubige, wenn ihr Gott fürchtet, gewähret er euch ei- nen Forkän und vergiebt euch eure Missethaten.

In dieser Stelle besteht der Forkän gewifs nicht in einer Of- fenberung. Wir wollen hören, was die ältesten Exegeten dazu be- merken.

Nach Mogähid bedeutet es einen Ausweg (machrag) in dieser und in jener Welt; nach Mokätil b. Hayyän einen Ausweg im Glau- ben aus Skrupeln zur Klarheit; nach Ikrima Zuflucht, denn der For- kän scheidet (yafrok) zwischen dem Gläubigen und dem, was er fürchtet; nach Dhahhäk Erläuterung (bayän) und nach Ihn Ishäk Unterscheidung (fa^l) zwischen Wahr und Unwahr.

Ich führe nun die noch einzige übrige Koränstelle an, in der es vorkommt. Kor. 3, 2:

„Gott hat auf dich das Buch voll Wahrheit herabgesandt zur Bestätigung dessen, was früher geoffenbart worden und er hat ehe- dem die Thora und das Evangelium den Menschen zur Leitung ge- schickt und er hat den Forkän herabgesandt."

Ans dem Context der Koränstellen sowohl, als auch aus den Commentatoren geht hervor, dafs Forkän Heil (salvatio) bedeute und dafs es vorzüglich in der Erleuchtung des Verstandes bestehe, und durch die Offenbarung bewirkt werde. Es ist klar, dafs es Mo- hammad einem direkten göttlichen Beistande zuschrieb, welcher durch die Propheten der Menschheit in vollem Maafse gewährt wird, aber tropfenweise auch sonst den Gläubigen zuträufelt, und welcher uns zur geistigen (und, wenn Kor. 8, isi sich auf die Schlacht bezieht, auch zur leiblichen) Wohlfahrt führt. Es ist ziemlich klar, dafs die Leute, von denen der Prophet diesen Ausdruck gehört hatte, eine Theorie damit verbanden. Er aber hat nur das Wort, nicht aber die Theorie aufgegriffen. Vielleicht hing sie mit unserer Lehre von der Erlösung zusammen und ist diese eine Ausbildung derselben oder jene eine Abschwächung dieser.

Wenn Mohammad Forkän auch aus dem Aramäischen entnom- men hat, so schwebte ihm doch die arabische Etymologie vor. Die Wurzel frk, von der es abgeleitet wird, heifst im Arabischen so- wohl, als in den verwandten Dialekten, trennen, entscheiden. Da tapfere Männer in Schlachten den Ausschlag geben, werden sie nicht

22*

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selten Entscheidung genannt. Heutzutage jedoch gebraucht man fay- (jal, welches dieselbe Bedeutung hat, in solchen Fällen '). In meh- reren der obigen Stellen schimmert die Bedeutung des Verbums deut- lich durch, und so wurde dieser theologische Ausdruck auch von den Schülern des Propheten aufgefafst. Wie dem Abu Bakr, der dem Pro- pheten am nächsten stand, der Titel (^'iddyk beigelegt wurde, so wollte man den 'Omar ebenfalls mit einem theokratischen Titel auszeichnen, und seiner Thatkraft und Entschlossenheit wegen hiefs man ihn Fä- ruk*). Dies ist eine aramäische Form '), die entsprechende arabische ist Farük mit kurzem a. Die fremde Form wurde absichtlich beibe- halten. Eigentlich bedeutet nun Färük Heiland, allein den Arabern schwebte, als sie den Omar so nannten, der Begriff vor: in Schlacli- ten entscheiden und Schwierigkeiten lösen.

III. Die Ea'ba.

(Zu S. 278.)

Burckhardt, Travels in Arabia, London 1829 S. 136, giebt fol- gende Beschreibung dieses Tempels:

Ungefähr in der Mitte des Bethofes (Moschee) steht die Ka'ba. Sie ist 115 Schritte von der nördlichen und 88 von der südlichen Co- lonnade entfernt. Es ist ein massives längliches Gebäude, 18 Schritte lang, 14 breit und .35 40 Fufs hoch *). Ich fand mit dem Compafs, dafs die Richtung der längsten Seite gegen NNW. ^ W. laufe. Das

') Der gegenwärtige Schavch der Rawalla -Stämme hat diesen Titel.

^) Zohry sagt bei Ibn Sa'd fol. 232: „Ich habe gehört, dafs die Schrift- besitzer die ersten waren, welche den 'Omar Färük nannten, und dafs die Mos- lime die Benennung von ihnen nahmen , dafs ihm aber dieser Titel nicht vom Propheten gegeben wurde."

Kach zwei andern Traditionen hat Mohammad dem 'Omar diesen Titel zu- erkannt und zwar nach einer Tradition , weil er die Wahrheit liebte und zwi- schen "wahr und falsch unterschied, faraka.

3) Dieselbe Form finden wir in Ba'üth oder Baut, Ostern der Christen, von bo'ith auferstehen, Härün Aaron, Yägug wa Mägüg Yog und Magog, Härüt, Märüt, Xamen zweier Engel, Tälüt Saul, Gälüt Golia, sähür der Mond und auch die Scheide, in welche der Mond gesteckt wird während einer Eklipse. Wäre dieses Wort arabischen Ursprungs, so müfste es schähür geschrieben werden, denn arabisch heifst schahr der Mond, der Monat. In Sj-rien aber werden bis auf den heutigen Tag s und seh oft verwechselt, und das geschah auch in alten J | Zeiten; der Mond heifst im S_vrischen Sahro. Es giebt auch einige andere Wör- ter dieser Form wie bäsür Hämorrhoiden, bäkür Rindvieh, im Dialekt von Ta- man Rind. Ferner hiefs ein Zeitgenosse des Mohammad al-Gärüd.

*) Burton Bd. 2 S. 154 Note: 22 Schritt = ob engl. Fufs lang und 18 Schritt = 45 engl. Fufs breit. Ali Bey: östliche Seite 37 franz. Fufs 2 Zoll 6 Linien, die westliche 38 F. 4 Z. 6 L., die nördliche 29 F., die südliche 31 F. 6 Z.; Höhe 34 F. 4 Z.

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gegenwärtige Gebäude ist von grofsen, sehr unregelmäfsigen Makka- steinen von verschiedener Gröfse gebaut, welche auf eine rohe Art mit schlechtem Ceraent mit einander verbunden sind. Die Ka'ba wurde A. D. 1627 ganz neu aufgebaut, denn im vorhergehenden Jahre hatte der Wildbach drei Seiten weggerissen. Sie steht auf einer Basis von ungefähr zwei Fufs Höhe. Das Dach ist flach und deswegen hat sie von der Entfernung das Aussehen eines regelmä- fsigen Kubus. Sie hat nur eine Thür, nämlich an der Nordseite, und die Schwelle ist sieben Fufs über der Erde.

An der nordöstlichen Ecke nahe bei der Thür ist der berühmte schwarze Stein. Er ist vier oder fünf Fufs über der Erde in die Mauer eingelassen und bildet einen Theil der scharfen Ecke des Ge- bäudes. Die Gestalt des Steines ist unregelmäfsig oval, etwa sieben Zoll im Durchmesser. Er besteht aus einem Dutzend Fragmenten von verschiedener Gröfse, welche durch Kitt gut zusammengefügt sind. Es ist schwer zu bestimmen, von welcher Steinart er sei, weil die Oberfläche durch die Millionen von Küssen und Berührungen mit der Hand abgenutzt ist. Mir kam er wie Lava vor, die weifs- liche und gelbliche fremde Theilchen enthält. Er sieht jetzt dunkel- roth, braun und fast schwarz aus.

In der nordöstlichen Ecke der Ka'ba ist der sogenannte Rokn Yamäny, ein Stein wie die der Gebirge um Makka, fünf Fufs über dem Boden eingemauert. Er steht aufrecht und ist anderthalb Fufs lang und zwei Zoll breit. Dieser wird von den Gläubigen mit der rechten Hand berührt, aber nicht geküfst.

An die Westseite der Ka'ba schliefst sich eine halbkreisförmige Mauer an, deren längster Durchmesser gerade so lang ist als die Seite der Ka'ba und die sich bis auf vier Fufs von der Ka'ba ent- fernt. Man heifst sie Hatym und den Raum, den sie einschliefst, nennt man Higr; die letztere Benennung begreift manchesmal auch die Mauer, während Hatym von Geschichtschreibern der von ihm eingeschlossene Raum genannt wird. In den Higr fällt auch das Wasser von dem Myzäb oder der Traufrinne. "

Wenn die jetzige Ka'ba auch erst im Jahre 1627 gebaut wor- den ist, so hat man doch gewissenhaft die früheren Dimensionen beibehalten. Zur Zeit des Fäsy (f A.D. 1429) waren diese wie folgt in Dzirä', Ellen, berechnet;

Länge der Westmauer von Innen 18|, von Aufsen 21 f Ostmauer lÖ^, 21 i

Südmauer 14^, 18^

Nordmauer 13||, » 17|.

Die Höhe inwendig bis zur Decke ist durchschnittlich 17 Dzirä', aber auch nicht gleich: Ost- und Nordmauer 17, Westmauer 17|

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und Südrnauer 17^^ Dzirä'. Die Höhe auswendig bis zum Dach ist durchschnittlich 23 Dzira.

Ihn Chordädbe, welcher zu Anfang des zehnten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung starb, giebt die Länge zu 24 Dzirä' und eine Spanne und die Breite zu 23 Dzirä' an. Der Unterschied der An- gaben erklärt sich aus der Verschiedenheit der Dzirä' oder Ellen. Wenn ein Araber Tuch mifst, so hält er das Ende mit dem Vorfin- ger auf dem ausgestreckten Daumen und mifst bis an's Schultergelenk. Dies ist die Dzirä' „der Hand" in unsern Tagen. Dem Kamüs zufolge aber war sie früher etwas länger, nämlich vom Schultergelenk bis zur Spitze des Mittelfingers, und es giebt auch eine Dzirä' vom ersten Giiede des Daumens bis zum Schultergelenk.

Man hat die Dzirä' schon früh auf andere Art bestimmt. Azraky sagt: Eine Dzirä' hat 24 Zoll und ein Zoll ist gleich der Breite von sechs Gerstenkörnern. Ich habe gefunden, dafs 72 syrische Gersten- körner oder die halbe Dzirä' des Azraky lOf engl Zoll ausmachen, die ganze Dzirä' beliefe sich demnach auf 21 y engl. Zoll. Ihn Go- mä'a gebrauchte den Koraasch oder die Tuchdzirä' und Fäsy das ei- serne Normalmaafs (Dzirä" alhadyd), welches in 24 Kyrät eingetheilt wurde. So haben auch gewifs Azraky und Ibu Chordädbe das in ihren Tagen gewöhnliche Maafs benutzt. Ich gehe auf diese Einzel- heiten ein, um auf die alten Längenmaafse Licht zu werfen.

Die Nachrichten sind ziemlich einstimmig über die Gestalt der Ka'ba um die Zeit der Geburt des Mohammad. Sie bestand aus vier Mauern von unbehauenen Steinen ohne Mörtel, so hoch wie ein Mann. Der Umfang belief sich höchstens auf 200 Fufs, wahrschein- lich war er viel geringer. Sie hatte kein Dach und ursprünglich auch keine Thür. Wenn auch der Penat Hobal und vielleicht auch andere Götzen sich darin befanden , so war doch der Hauptzweck des Gebäudes, dem schwarzen Stein einen prominenten Platz geben zu können'); denn es unterliegt wohl keinem Zweifel, dafs dieselbe Steinanbetung, welche wir schon im hohen Alterthume in vielen Theilen von Arabien finden , auch hier einen Theil des Kultus bil- dete »).

') Ihn Mas'üd soll dem Bocbäry, S. 686, zufolge gesagt haben, dafs, als Mohammad Makka eroberte, 360 Götzen um die Ka'ba herum waren. Wenn et- was Wahres daran ist, so darf man nicht etwa an eine ausgebildete Mythologie denken, sondern wahrscheinlich war hier eine Piktographie an der Mauer, dort ein Bildchen oder Steinchen aufgestellt, oder ein Fetzen aufgehängt, wie in den Wallfahrtsorten der Hidus, Buddhisten und Katholiken.

'^ ] Auch die moslimischen Theologen nahmen zur Symbolik ihre Zuflucht, um Aberglauben zu vertheidigen. Ihn "Oyayna sagt bei Baydhawy 1"J, 38: Die Ismaeliten haben nie Götzendienst getrieben. Sie hatten nur Steine, mn welche

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In dieser eitlen Welt wird der Werth einer Sache nach dem Aeufsern beiirthcilt, luid wi-iin die Kirche Christi auch auf Fels ge- baut und sein Reich ewig ist, so behaupten doch seine Nachfolger, dafs die Religion in Gefahr sei, wenn die Gläubigen lau sind in der Entrichtung des Peterspfennigs oder gar die weltliche Macht des römischen Stuhles angetastet wird. Jede Religion, welche nicht wie der rationale Protestantismus, die Gläubigen zum Nachdenken auffordert, ist ein iSurrogat für die individuelle Entwicklung unserer moralischen Anlagen; Prunk und Ceremonien machen daher das We- sen derselben aus, denn sie mufs auf die Phantasie wirken, um die Vernunft zu übertäuben. Wir haben Beweise genug, dafs das ara- bische Heidenthum so wenig zur Veredlung des Menschen berech- net war als der Katbolicismus, und wir sind daher gerechtfertigt, die Erbärmlichkeit des Tempels von Makka nicht einem erhabenen Sinn für Einfachheit, sondern seinem Mangel an Wichtigkeit zuzuschrei- ben, und wenn daher nicht nur Orientalisten, die es sich zur Auf- gabe machen, die Quellen unverändert wiederzugeben, sondern auch Geschichtsforscher ohne Weiteres von dem Alter und der hohen Be- deutung der Ka'ba sprechen '), so sieht man, wie sehr unsere Kennt- nifs des Orients noch im Argen liegt. Die Wahrheit ist: es besuch- ten nur wenige, durch politisches Interesse verbundene, von Griechen und Persern vollends unabhängige Stämme das Pilgerfest und die darauf folgenden Jahrmärkte, und das Berühren und Küssen des schwarzen Steines war die unbedeutendste der Ceremonien dieses Festes. Wäre der Islam nicht siegreich geworden, so wären die Heiligthüraer von Makka und seiner Umgebung von ebenso wenig Bedeutung für die Geschichte des alten Arabien geschweige denn für die Weltgeschichte geblieben, als die von Paderborn für die Geschichte von Deutschland.

Die Korayschiten bauten die Ka'ba während der Lebzeiten des Mohammad neu auf. Die meisten Nachrichten geben sein 35stes Lebensjahr (A. D. 605) als die Zeit dieses Baues an, da es ihnen aber darum zu thun war, ihm eine wichtige Rolle dabei zuzutheilen (vgl. Bd. I S. 154), so verdient die vereinzelte Nachricht, welcher zufolge

sie herumgingen und Dowär hiefsen. Sie sagten: Das Heiligtlium in Makka ist ein Stein, und wenn wir irgendwo einen Stein zur Verehrung aufstellen, so ist er als Repräsentant des Heiligthums anzusehen.

') Katäda und Mokätil, bei Thalaby 2, 57, berichten, dafs die Cäbier das Angesicht im Gebete gegen die Ka'ba wandten. Entweder ist dies eine reine Dichtung oder es bezieht sich nur auf die Hanyfe von Makka und Umgebung, zu dtnen ursprünglich auch Mohammad gehörte. Wenn andere Autoren berich- ten, dafs auch die Perser Wallfahrten nach Makka verrichteten, so ist dies eine handgreifliche Unwahrheit.

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er ungefähr um's Jahr 576 stattgefunden hat '), Berücksichtigung. Als Veranlassung wird erzählt-): Eine Frau ging mit einem Koh- lenbecken um die Ka'ba, um zu räuchern, da flog ein Funke in die Umhänge des Heiligthumes, so dafs sie ganz aufbrannten und die Steine mürbe wurden. In unserer Zeit würde eine solche Feuers- brunst nicht einmal Steinkohlen schaden, denn mit Ausnahme der Thür war kein Holz am Gebäude, es müssen also die Steine in der heiligen Stadt ganz anders beschaffen gewesen sein, als in unserm rauhen Norden. Ob die Ka'ba damals schon Vorhänge hatte, kommt mir übrigens sehr zweifelhaft vor. Die Moslime haben allerdings schon seit frühster Zeit die Gewohnheit, sie mit einer prachtvollen Decke zu behängen ; wenn aber behauptet wird, ein König von Yaman habe schon im Heidenthum den Makkanern solche Umhänge verehrt, so ist dies wohl eine Dichtung.

Ibn 'Okba ^) erwähnt den Brand der Vorhänge nicht, und ob- schon auch sein Bericht nicht vollen Glauben verdient, schalte ich ihn doch ein:

„Die Korayschiten vereinigten sich, die Ka'ba wieder aufzu- bauen wegen des Wildbaches, der über den von ihnen erbauten Damm flofs und ihn zerstörte. Sie fürchteten, dafs das Wasser in die Ka'ba eindringen würde. Auch hatte ein Mann Namens Molayh die Schätze (tyb) der Ka'ba gestohlen. Sie entschlossen sich daher, das Gebäude festzumachen und die Thür über die Erde zu erheben, damit sie ausschliefsen oder zulassen könnten, wen sie wollten. Sie sorgten für die nöthigen Ausgaben und Arbeitsleute und dann fin- gen sie an, den alten Bau abzutragen, aber mit Behutsamkeit und zusehend, ob sie Gott nicht verhindere."

Wäkidy (bei Ibn Sa'd, fol. 47) erzählt: „Es kam ein Schiff auf dem Meere, auf welchem Leute von Rum waren. Der Kapitän Bä- küm war zugleich Architekt. Der Wind trieb das Schiff nach Scho- ayba (d. h. der Zwischenraum zwischen den Hörnern des Ochsen, daher Keutos bei Ptoleme), welches, ehe Godda stand, ein Seeha- fen war, und es litt Schiffbruch. Walyd b. Moghyra begab sich mit andern Korayschiten zum Wrack, sie kauften das Holz und bewogen auch den Kapitän, mit ihnen nach Makka zu gehen. Sie

') Wenn Azraky (bei Wüstenfeld, Chron. von Makka Bd. 1 S. 107) sagt, dafs Mohammad damals ein Knabe war, so mag er diese Angabe der alten Tra- dition entnommen liaben. Der Ansdruck ist Gholäm. F.äsy, Schifä alghoram fol. 8.5, bemerkt dazu, dafs Gholäm einen Jungen bedeute, der noch nicht die Mannbarkeit erreicht hat.

Müsa b.'Okba sagt bei Fäsy, Mohammad sei 25 Jahre alt gewesen (A.D. 596) als die Ka'ba wiedergebaut wurde.

*) Wüstenfeld, Obren.' v. Makka, Bd. 4 S. 84.

') Angeführt im Kitab aliktifä, Brit. Museum add. Ms. 18864 fol. 4 6.

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sprachen: "Wie wäre es, wenn wir das Haus unsers Herrn neu auf- bauten etc."

Nach einem andern Berichte ') trugen die Makkaner dem Bä- ]s.um auf, die Ka'ba nach der Bauart christlicher Kirchen zu errich- ten. Wenn also behauptet wird, dafs der abrahamitische, ja göttliche Ursprung der Ka'ba den Heiden so lebhaft vorschwebte, dafs sie genau die alte Form beibehielten und das frühere Gebäude nicht ab- getragen haben würden, wenn sie nicht genöthigt gewesen wären, so sieht man deutlich, dafs die Moslime ihre eigenen Empfindungen auf ihre heidnischen Vorväter übertrugen '). Die grofse Herzens- angst der Korayschiten wird in folgendem Mythus ausgedrückt:

„Die Leute zitterten bei der Idee, das heilige Gebäude abzu- brechen. Walyd b. Moghyra sprach: Ich will anfangen, sie abzu- tragen. Er nahm einen Pickel, stand auf der Mauer und rief: 0 Gott, seid ohne Angst, o Gott, wir wollen nur das Beste. Darauf fing er an, die Südseite abzubrechen. Die Leute bebten vor Besorg- nifs und sprachen: Wir wollen jetzt zusehen, und wenn sich etwas ereignet, wollen wir sie nicht zerstören. Am nächsten Morgen fuhr Walyd mit seiner Arbeit fort, ohne dafs sich etwas ereignet hätte. Die Einwohner von Makka machten sich nun rüstig an die Arbeit des, Abtragens. Als sie auf die von Abraham gelegten Grundvesten kamen, fanden sie eine Inschrift, welche von einem Juden gelesen

') l9äba Bd. 1 S. 277. Die Tradition ist alt und beruht auf guter Aukto- ritiit. Der Name Bäkum ist aber wahrscheinlich erst später durch Verwechse- lung in die auf den Bau der Ka'ba bezüglichen Traditionen gekommen.

Dem Mawähib S. 50 zufolge war Bäküm Nabty, d. h. der Nabathäer, ein Client oder freigelassener Sklave des Sa'vd b. al-'Ä^iy und derselbe, welcher später für Mohammad die Minbar (Kanzel) verfertigte.

Ibn Ishäk dachte wohl an den Schreiner, der die Minbar verfertigte, wenn er sagt: Es befand sich zu Makka ein koptischer Zimmermann, und dieser un- ternahm den Bau der Ka'ba. Folgende Tradition beruht auf der besten Aukto- rität, und wenn man den Namen des Bäkum ausläfst, kann man auch nichts ge- gen den Inhalt einwenden.

'Othmän b. Säg, bei I^äba Bd. 1 S. "277, von Ibn Gorayg:

„Es war ein Rümer Namens Bäküm, welcher mit Mandab handelte und bei Scho'ayba Schiffbruch litt. Er sandte zu den Korayschiten, um sie zu fra- gen, ob sie mit ihm in Handelsverbindungen treten wollten und bot ihnen Holz und einen Zimmermann an. In Folge dessen bauten sie das Haus des Abraham."

Arabien, und besonders Makka, ist so arm an Bauholz, dafs es ihnen schwer gefallen wäre die neue Ka'ba mit einem Dache zu versehen, wenn sie nicht durch diesen Zufall zu Holz gekommen wären.

*) Mokaddasy beschreibt die Furcht der Moslime als Ibn Zobayr die Ka'ba niederreifsen liefs wie folgt :

„F.r gab den Befehl, sie abzutragen. Die Bevölkerung widersetzte sich, er aber bestand darauf. Sie entfernten sich eine Farsange weit von Makka, aus Furcht, dafs Feuer oder ein anderes Strafgericht vom Himmel kommen würde. Es lief aber alles gut ab und Ibn Zobayr erbaute die Ka'ba nach den Angaben der'Äyischa, worauf die Leute in die Stadt zurückkehrten."

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wurde und lautete: Ich bin der Herr von Makka, ich habe es er- schaffen an dem Tage, an d.'m ich Himmel und Erde erschaflfen und die Sonne und den Mond gebildet habe, und ich habe es mit sieben Besitzthümern umgeben, und es soll so lange wie seine Berge dauern. Gesegnet sei es in Milch und Wasser!"

Wenn man den historischen Kern von den Dichtungen und Ver- wechslungen sondert, so kommt man zur Ueberzeugung, dafs die Korayschiten den alten Bau durch einen neuen ersetzten, in der Ab- sicht ihren Tempel zu vergröfsern und zu verschönern ') und so viel als möglich einer Kirche ähnlich zu machen. Die Legenden von der Feuersbrunst u. a. m. wurden wohl nur deswegen ersonnen, um zu zeigen, wie heilig auch den Heiden das alte Gebäude seiner histo- rischen Erinnerungen wegen war. Auch der Neubau war elend ge- nug, besonders da, wie 'Ayischa erzählt, ihnen die Mittel fehlten, ihren Plan ganz auszuführen. Es war aber schon eine grofse Ver- besserung, dafs die Ka'ba jetzt ein Dach erhalten hatte. Geben wir in der Geschichte des Tempels weiter zurück, so finden wir nur Mythen, die gröfstentheils auf der Aiiktorität des Lügners Wahb b. Monabbih und des Theologen Ibn 'AbbAs und seiner Schüler beru- hen. Diese Mythen waren eine Noth wendigkeit, denn die Vereh- rung des schwarzen Steines steht in so grellem Widerspruche mit den sonst reinen Begriffen der Moslime über Gott, dafs eine Aus- söhnung nur durch die abenteuerlichsten Theorien, und durch diese nur annäherungsweise erreicht werden konnte. Wenn in der altern Geschichte irgend ein Datum wahr ist, so ist die Stadt und die Ka'ba zuerst von Ko^ayy am Anfange des fünften Jahrhunderts unserer Zeitrechnung erbaut worden. Lehrreich für das Alter der Heilig- thümer von Makka ist die Geschichte des Brunnens Zamzam. Er wurde vom Grofsvater des Mohammad gegraben, weil er aber von den Moslimen mit Ehrfurcht angesehen wird, so läfst man ihn von Abraham gemauerte Ringe und Schätze -) finden. Für einen aus- führlichen Bericht dieser Geschichte, wie auch der Fabeln, welche über den himmlischen Ursprung und die alttestamentliche Geschichte der Ka'ba erzählt werden, verweise ich auf Wüstenfeld's gewigsen-

') Ibn I»häk, S. 68, und deutlicher bei Tabary S. 122, sagt: „Die Koray- schiten hatten die Absicht, die Ka'ba höher zu bauen und ein Dach auf selbe zu setzen."

^) In Ermangelung eines direkten Beweises gegen das Vorhandensein vou Schätzen in der Ka'ba und gegen das Auffinden von grofsen Werthsachen bei der Grabung des Brunnens Zamzam, erwähne ich eine ähnliche Dichtung aus dem- selben Legenden -Kreise. Der Götze Hobal war eine Statue von Achat, und weil sie eine Hand verloren hatte, noch ehe sie in den Besitz der Korayschiten kam, wurde dieselbe durch eine goldene ersetzt. So erzählt Yakut; hingegen ist hi- storisch, dafs die Statue verbrannt, und also von Holz war.

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hafte Bearbeitung der Chroniken von Makka Bd. 4 '). Es ist nur zu bedauern, dafs der gelehrte Verfasser sich damit begnügte, die moslimischen Sagen, ohne ihre Entstehungsweise zu beleuchten, in seiner deutschen Bearbeitung zu wiederholen. Eine Legende ge- winnt doch nur dadurch Werth, dafs man ihren Ursprung und ihre Ausbildung verfolgt.

') Ich mache bei dieser Gelegenheit auf eine Stelle Wüstenfeld's (Bd. 4 S. 55) aufmerksam, durch welche die Bd. I S. 89 gegebene Nachricht über Kö- nig 'Othniän ergänzt wird. Die Intriguen sind wohl nicht vom Kaiser selbst, sondern von dem ghassänischen König, um Makka gegen die siegreichen Perser zu gewinnen, ausgegangen.

Dreizehntes KapiteL

Lehrer des Mohammad.

Wir erwarten von einem Propheten, dafs er über die Zu- kunft Äufscblufs geben könne. Auch die Makkaner hat- ten diese gemeinen Begriffe. Mohammad war Kaufmann und man dachte, dafs er auf dem Markte seine Prophe- tengabe so gut benutzen würde, wie die Höfhnge des Na- poleon die ihrige auf der Börse: er soll Artikel einkaufen, von denen er weifs, dafs sie aufschlagen, und soll verkau- fen, ehe der Markt flau wird. Er gab zu, dafs ihm Gott diese Kenntnifs vorenthalte '). Man fragte ihn in Betreff der Witterung; aber auch dies war ein Geheimnifs Gottes. Man führte schwangere Frauen zu ihm und wollte w issen , ob sie einen Knaben oder ein Mädchen gebären würden, aber auch hier reichte seine Prognosis nicht aus ^). Da er nun

') Kalby sagt: „Die Makkaner sprachen zu Mohammad: Theilt Dir dein Herr denn nicht mit, wann die Preise sinken und steigen werden, auf dafs du in deinem Handel gewinnest? oder wie es mit dem Wachsthuni in verschiedenen Orten steht, damit du dorthin ge- hest, wo alles gut gerathen ist? Darauf offenbarte Gott Kor. 7,188."

') Bochäry S. 666 zu Süra 6, sy, von Zohry, von Sälim b. 'Abd Allah, von seinem Vater:

„Der Prophet sagte: Die Schlüssel der Geheimnisse [welche in Süra 6, 59 erwähnt werden] sind fünf: Gott allein weifs, wenn „die

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das Zukünftige nicht nufste, so behauptete er, dafs ihm Gott das Vergangene geoffenbart habe, und erhob seine Kenntnils der bibhschen Legenden zu einem Beweis für seine Mission.

Die (jirundanlagen der Menschen sind überall diesel- I)en. Wenn in unsern Tagen ein Schüler des Mesmer mit einem wunderbaren Mädchen auftritt, drängen sich zwei Klassen von Menschen um ihn: eine, welche be- trogen werden will, und welche, wie aufserordentlich auch die Erscheinungen sein mögen, entschlossen ist, etwas noch viel wunderbareres zu finden und es auch wirklich findet. Die andere will auch das läugnen, was daran Wah- res sein mag. Beide Parteien wollen ihre vorgefafsten An- sichten durch Thatsachen begründen, und während die letz- teren zuviel verlano-en, beo^nüß-en sich die erstem mit zu wenig oder gar nur mit dem Scheine, und schhefsen auf zu viel. Beide haben das mit einander gemein, dafs sie nicht belehrt sein, sondere Andere zu ihrer üeberzeugung bekehren wollen. Das war nun auch bei den Zeitgenos- sen des JMohammad der Fall. Er hatte Eis-enthümlichkei- ten an sich. Aber die Leichto;läubi2:en oder die Kinder der Gnade, wie Schwachköpfe in religiöser Sprache ge- heifsen werden, überschätzten ihn, die Kinder des Fluches aber schlössen auch gegen seine Verdienste die Augen, und wenn er zum Betrüger wurde, so theilen beide Par- teien mit ihm die Schuld; denn sie Avollten nicht sehen.

Im sechsten Kapitel habe ich mich bemüht, den Pro- pheten auf seinem Wege zur Üeberzeugung, dafs er Wie- deroffenbarungen erhalte, zu begleiten; hier ist es meine Aufirabe, seine Schritte zum unverschämten Betrug zu verfolgen.

Stunde" (der Tag der Auferstehung) kommt und wann es regnen und was das Weib gebäbren wird. Auch weifs Niemand, was er morgen schafifen oder in welchem Lande er sterben wird." Vergl. Bocbäry S. 704 und Wähidy zu 31, 34.

350

Es ist schon oben S. 331 gezeigt worden, dafs Mo- haniina<l eine von ihm selbst erfundene Geschichte für eine Ofl'enbarung ausgab. Auch eine ihm vorerzählte Legende behandelte er auf diese Art: 38,67. Sprich: dies ist eine wichtige Nachricht;

68. Ihr aber wendet euch weg davon.

(jy. Ich wufste nichts von der allerhöchsten Mala (Aristokratie, d. h. \ ersammlung der Engel) wie sie sich stritten,

70. und würde mir wohl solches geoffenbart, wenn ich nicht ein unverkennbarer Warner wäre?

Hier folgt die Geschichte des Falles der Engel. Dies ist also die wichtige Nachricht, zu deren Kenntnifs er durch Offenbarunj? orekommen ist.

in Sürä 12 wird die Geschichte des Joseph in Egyp- ten weitläufiger erzählt als irgend eine andere im Koran. Folgendes ist die Aufschrift und Einleitung:

J. A. L. R. Dies sind Zeichen (Verse) aus dem un- bezweifelten Buche,

2. welches wir als einen arabischen Koran (d. h als eine arabische Original- Offenbarung) herabgesandt haben, auf dafs ihr zur Einsicht kommt.

3. Wir erzählen dir nun die schönste Geschichte, indem wir dir dieses Koränstück ') offenbaren. Früher wufstest du nichts davon.

4. Einst sagte Joseph etc.

Am Schlüsse läfst er Gott sagen: 103. Dies ist eine unbekannte Erzählung; von etwas Ent- ferntem, welche wir dir offenbaren [sonst könntest du sie nicht wissen], denn du warst ja nicht dabei als sie sich vereinigten und Ränke [gegen Joseph] schmiedeten. In- dessen die meisten Menschen, wie sehr du dich auch ab-

') In der Tradition kommen Ausdrucke vor wie 'Alima ko- ränau kathyran, er wufste viel Koran, d. h. viele Koränstücke.

351

[►lägest, glauben [ungeachtet dieses BeAveises] doch nicht.

104. Du verlangst von ihnen gar keinen Lohn dafür, denn es ist nichts anderes als eine Ermahnung für die Welten.

lo.'j. Wie viele Zeichen sind in den Himmeln und auf der Erde, hei denen sie vorübergehen. Aber sie wen- den sich davon ab.

l(!6. Die meisten von ihnen, wenn sie auch an Allah glauben, sind zugleich Aboötterer.

107. Sind sie vielleicht sicher, dafs nicht eine Ghä- schiya (Ueberfall) von der Strafe ') Allah's über sie komme oder dafs sie die Stunde plötzhch überrumpele, ohne dafs sie sich's versehen?

108. Sprich: Dies ist meine Bahn: ich predige Allah nach Grundsätzen der Vernunft (d. h. ohne Beimischung von Aberglauben und Mysticismus). Ja, ich und die, welche mir folgen [sind dieser Ansicht]. Gepriesen sei Aliah! Ich gehöre nicht zu den Vielgötterern.

109. Auch vor dir haben wir nur Menschen gesandt, die inspirirt waren. Auch sie waren Städtebewohner [und nicht Bedouinen]. Gehen sie denn nicht in der Welt umher? Sie sehen doch, welch' Ende die [Ungläubigen] vor ihnen genommen haben? Begreifen sie denn nicht, dafs das künf- tige Leben besser ist für die Frommen als dieses?

110. [Auch frühere Völker trieben ihren LInfug] bis die Gottgesandten der Verzweiflung nahe waren und selbst glaubten, sie hätten [indem sie ein Strafgericht verkünde- ten] die Unwahrheit gesagt, Dann aber wurde ihnen un- sere Hülfe zu Theil, und [während wir die Ungläubigen vertilgten] retteten wir wen wir wollten; von den (! ottlo- sen aber kann unsere Strenge (Strafe) nicht weggewen- det werden.

') Eine andere Deutung dieser Drohung wird in Sura 88 ge- geben.

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111. Die Geschichte vertilt^ter Völker enthält ein Avar- nendes Beispiel für die Vernünltigen. Diese OtTenbaruna; ist kein erdichtetes Märchen, sondern eine Bestätigung des- sen, was früher geoffenbart worden ist [denn es werden ja dieselben Thatsachen erzählt], eine Erklärung aller Dinge, eine Leitung und ein Gnadenausflufs für gläubige Leute.

Ich schalte zunächst eine der Erzählungen ein, wel- che er in der Absicht mittheilt, um durch die Kenntnifs derselben zu beweisen, dafs er Offenbarungen erhalte:

28,1. Tasm 0: Dies sind Zeichen (\ erse) aus dem un- bezweifelten Buche -) [welches im Himmel aufbewahrt wird].

2. Wir lesen dir daraus der Wahrheit gemäfs etwas von der Geschichte des Moses und Pharao vor zum Nutzen der Gläubigen.

:}. Stolz erhob sich Pharao im Lande und theilte die Einwohner in Parteien: eine Partei (die Israeliten) wur- den zum Elend verdammt, ihre Söhne geschlaclitet und ihre Mädchen am Leben erhalten. Er war ein Bösewicht!

4. Wir aber erwiesen uns gnädig gegen die, welche im Lande in Elend schmachteten , und wollten sie zu Imämen (geistlichen Oberen und Vorbildern) und zu den Erben [des Landes] machen;

5. wir wollten sie im Lande mächtig machen und dem Pharao und Hämän und ihren Heerschaaren das wi- derfahren lassen, was sie zu vermeiden gesucht hatten.

6. Wir offenbarten daher der Mutter des Moses:

') Einige sprechen Tism aus, und die Madynenser Tesm, auch wird Tasmon gelesen. Dieselbe Verschiedenheit der Aussprache waltet in Ham, Yas und Tas ob.

*) Im Arabischen: mobyn „offenbar", „unterscheidbar". Mo- hammad sagt oft, dafs er ein offenbarer Bote Gottes sei, d. h. einer, n man leicht als solchen erkennen kann, über dessen Berat kein Zweifel obwaltet. Hier hat mobyn eine ähnliche Bedeutung: „Es ist kein Zweifel über die Existenz des Buches vorhanden" (vergl. K. 2, i), es heifst aber nicht: Das deutliche Buch.

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Säuge ihn, und wenn du seinetwegen in Furcht bist, wirf ihn in das Yamm (der hebräische Ausdruck für Meer und den Nil). Sei ohne Furcht und Gram; wir werden ihn dir zurückstellen und ihn zu unserem Boten auserkiesen.

7. Die Familie des Pharao mufste ihn [den Plänen der Vorsehung gemäfsj finden, auf dafs er ihr ein Feind und eine Ursache des Schmerzes sei; denn Pharao und Hä- män und ihre Heerschaaren waren Sünder.

8. Die Frau des Pharao sprach [als ^\e ihn aus dem Binsenkörbchen herausnahm]: Er wird mir und dir Freude machen. Tödtet ihn nicht, vielleicht bringt er uns Glück in's Haus oder nehmen wir ihn an Kindesstatt an! Sie wufs- ten [die Absichten der Vorsehung] nicht.

9. Am nächsten Morgen war das Gemüth der Mut- ter des Moses öde ') und sie hätte ihn am Ende verra- then, wenn wir ihr Herz nicht gestärkt hätten, damit sie glaube [und vertraue].

IC. Sie sagte daher zu ihrer Schwester: Folge dem Kinde. Diese beobachtete dasselbe von der Seite, ohne dafs sie es bemerkten.

11. Wir haben ihm schon von vornherein verboten, die Brust der Amme zu trinken ^). Da kam die Schwe-

') Färigh albäl „freien oder leeren Herzens" ist eine Redens- art die nicht nur im Arabischen, sondern auch im Persischen oft vorkommt, und so viel bedeutet als ohne Sorgen. Im Original ist ein ähnlicher Ausdrnck und Abu 'Obayda giebt ihm dieselbe Bedeu- tung; Andere aber, welche sich vom Zusammenhang leiten lassen-, sagen, es heifse hier verzweifeln. Die Idee des Verfassers scheint die gewesen zu sein : So lange sie das Kind hatte, war ihre ganze Seele damit beschäftigt, es zu verbergen. Jetzt war das Kind bei Pharao; ihr Gemüth war nun nicht länger mit den zärtlichen Sor- gen beschäftigt, es war leer; es entbehrte etwas.

^) „Die Worte der Schrift, 2. M. 2, 7: „Ich will dir eine Säuge-

anime von den Hebräerinnen rufen", gaben den Rabbinern zu der

Fabel Veranlassung: „Warum gerade von den Hebräerinnen? Dies

zeigt an, dafs man ihn allen Egypterinnen reichte, er aber nicht sog,

u. 23

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ster und sprach: Soll ich euch eine Familie zeigen, wel- che ihn für euch aufnimmt und ihn pflegt?

12. So stellten wir ihn der Mutter zurück, dafs sie sich erfreue und nicht traure, und dafs sie die Richtigkeit der Verheifsungen AUah's erkenne; aber die Meisten sind unwissend.

13. Als er zum Mannesalter herangewachsen und zur Reife gekommen war, gaben wir ihm Vollmacht und Kennt- nifs. So belohnen Avir die Guten.

14. Er nahm den Augenblick wahr, den die Einwoh- ner nicht auf der Hut waren und ging in die Stadt, wo er zwei Männer einen von seiner Sekte, den andern von den Feinden im Kampf begriffen fand. Der Mann von seiner Partei rief ihn gegen den Mann der Gegenpartei um Hülfe an. Moses gab diesem einen Faustschlag und machte ihm ein Ende, dann sagte er: Dies (der Mord) ist eins der Werke des Satans; er ist wahrlich ein otfenbarer V^erführer.

15. Herr, ich war ungerecht gegen mich selbst, ver- zeih' mir. Er verzieh ihm, denn er ist gnädig und barm- herzig.

16. Herr, ich schwöre es bei deinen Wohlthaten ge- gen mich, ich will nie wieder Verbrechern beistehen.

17. Am nächsten Morgen fürchtete er sich in der Stadt und sah sich ängstlich um, und siehe, der, welchem er am vorigen Tage beigestanden, flehte ihn wieder um Hülfe an. Moses antwortete: Du bist offenbar ein hö- render.

18. Als er den gemeinschaftlichen Feind anpacken wollte, sagte er: 0 Moses, willst du mich tödten, wie du gestern einen Menschen getödtet hast? Du willst nichts

denn Gott sprach: Der Mund, der einst mit mir reden soll, sollte der Unreines einsaugen? (Sotah, 22, 2.) " Geiger S. 1 57. Auch die Moslime erkennen es als den grofsen Vorzug des Moses an, dafs er mit Gott gesprochen, und geben ihm daher den Titel: Kalym Allah „der mit Gott gesprochen hat".

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Anderes als ein Mann der Gewalt auf Erden sein; deine Absicht ist nicht Heil zu stiften.

19. Ein JMann kam vom Ende der Stadt daherselau- fen und sprach: Die Fürsten (die Mala) berathschlagen sich über deinen Tod. Fliehe! ich meine es gut mit dir ').

20. Er verliefs die Stadt, sah sich furchtsam um und sprach: Herr, rette mich von dem ungerechten Volke.

21. Auf dem Wege gegen Madyan sagte er: Mein Herr wird mich Avohl den geraden Pfad führen.

22. Als er bei dem Wasser (Brunnen) von Madyan ankam, fand er einen Haufen Menschen, welche [die Heer- den] tränkten.

23. Aufser dem Kreise standen zwei Frauen, die ihr Vieh zurückhielten. Er fragte: Was macht ihr? Sie ant- Avorteten: Wir können erst tränken, wenn die Hirten sich entfernt haben, denn unser Vater ist alt [und kann uns nicht beschützen].

24. Er tränkte ihnen [die Schafe], dann zog er sich in den Schatten zurück und sprach: Herr, ich bedarf nun des Guten, welches du auf mich herabgesandt hast.

25. Unterdessen kam eins von den beiden Mädchen und näherte sich ihm schamhaft und sprach: Mein \ ater ladet dich ein, um dir das Tränken zu vergelten. Als er zu ihm gekommen und ihm seine Geschichte erzählt hatte, sagte er: Fürchte dich nicht, du bist errettet von dem un- gerechten Volke.

26. Eins von den Mädchen sagte: Lieber \'ater, dinge ihn, denn der Kräftige und Zuverlässige ist der beste Mann, den du miethen kannst.

27. Der Alte sprach: Ich wünsche dir eine von mei- nen zwei Töchtern zur Frau zu geben unter der Bedin- gung, dafs du dich auf acht Jahre bei mir verdingest. Es

'; Die Ideen des Mohammad gingen über Makka nicht hin- aus, wo es keine Obrigkeit gab und wo in einem solchen Falle die Häupter der Familien Rath gepflogen haben wurden.

23

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stehe aber bei dir, zehn Jahre zu vollenden. Ich will dir nicht weh thun und so Gott will, wirst du einen recht- schaffenen Mann an mir finden.

28. Moses antwortete: Dies ist abgemacht zwischen uns. Aber es stehe mir frei, den längern oder kürzern Zeitraum bei dir zu bleiben. Allah sei der Zeuge unsers Uebereinkommens.

29. Als Moses den Termin vollendet hatte und mit den Seinigen dahinzog, bemerkte er an der Seite des Tür (des Berges Sinai) ein Feuer. Er sprach zu den Seinigen: Wartet, ich habe ein Feuer bemerkt; ich will euch ent- weder Nachricht oder einen Brand davon bringen, dafs ihr euch wärmen könnt.

30. Als er demselben nahe kam, vernahm er eine Stimme von der rechten Seite des Thaies. Sie erschallte in der gesegneten Stätte und kam von dem Baum (Dorn- busch) und lautete: 0 Moses, ich bin Allah, der Herr der Welten,

31. wirf deinen Stab hin. Da er bemerkte, dafs er sich bewege wie eine Schlange, lief er davon und kam nicht zurück. 0 Moses, sprach nun die Stimme, gehe dar- auf zu und fürchte dich nicht, du bist sicher.

32. Stecke die Hand in deine Tasche (Busen?) und sie wird ohne Schaden weifs herauskommen und drücke aus Ehrfurcht deinen Flügel an dich ^). Dieses seien dir zwei Beweise von deinem Herrn, vor Pharao und seinen Grofsen (Mala); denn sie haben sich wahrlich als ein gott- loses Volk bewiesen.

') In Kor. 20, 23 sagt Gott: „Drücke deine Hand an deinen Flügel und sie wird ohne Schaden weifs heraus kommen." Hier mufs Flügel „Seite", im Texte aber so viel als „Arm" bedeuten. Es ist also ein unverkennbarer Widerspruch zwischen beiden Stellen. Ob der Text verdorben sei oder Mohammad selbst nicht wufste was er sagte, läfst sich nicht entscheiden. In K. 27, 12 erscheint der Flü- gel nicht.

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33. Er sprach: Herr, ich habe Jemanden von ihnen getödtet und fürchte, sie werden mich hinrichten.

34. Mein Hriider Harun (Aaron) hat eine beredtere Zunge als ich; sende ihn mit mir als Mantel. Er soll be- stätigen, dafs ich die Wahrheit rede, denn ich fürchte, sie werden mich der Lüi>e beschuldis^en.

3.5. Gott sprach: Wohlan, wir sollen deinen Arm durch deinen Bruder Aaron stärken und wollen euch Macht geben. Unserer Zeichen Avegen werden sie euch nicht zu Leibe kommen können, und ihr und eure Anhänger wer- den siegreich sein.

36. Als Moses unsere beweiskräftigen Zeichen vor ihnen wirkte, sprachen sie: Dies ist nichts als trügerischer Zauber (Taschenspielerei); wir haben von nichts Aehnli- chem unter unseren Vorvätern gehört.

37. jMoses antwortete: Mein Herr kennt den Träger seiner Leitung und den, welcher das Feld behauptet, am besten^); denn die Ungerechten läfst er wahrlich nicht ge- deihen.

.38. Pharao sprach: 0 Fürsten (Mala), ich habe nicht gewufst, dafs ihr einen Gott habt aufser mir. Brenne Ton

') Im Original steht hier ein Idiom (lahu'äkibatu-ldär), wel- ches dem Baghawy zufolge bedeutet: ^er wird ein löbliches Ende haben in der andern Welt." In diesem Sinne wird es allerdings un- ter den Moslimen und auch im Koran gebraucht, aber ich vermuthe, dafs es älter ist als der Islam und auch in einem weitern Sinne vorkommt. Dar heifst Aufenthaltsort und aldär scheint im Koran 59, 9 fast gleichbedeutend zu sein mit Heiniath, der Ort, wo man ansäfsig ist. Es kommt im Koran vor: lahu süü-ldär „ihm wird das Böse des Aufenthaltes, d. h. ein peinlicher Aufenthalt = die Hölle zu Theil." Wenn 'äkiba gut hiefse, würde lahu'äkibatu-l- där bedeuten: ihm wird der Himmel zu Theil, aber 'äkiba heifst der Ausgang, das Ende, gleichviel ob gut oder schlecht. Lahu al- 'äkiba «ihm gehört das Ende" will so viel sagen als: er hat den Sieg davon getragen, und an diese Redensart scheint sich die obige anzuschliefsen.

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(Ziegel), o Hämän, und baue mir einen Thurni, vielleicht steige ich zu dem Gott des Moses, den ich für einen Lüg- ner halte, hinauf.

39. Er und seine Heerschaaren '} waren übermüthig

') Der hier im Original gebrauchte Ausdruck gund, Plur. go- nüd oder agnäd , ist ein fremder. Im Arabischen heifst güda das schnelle Laufen des Pferdes, und gawäd, Plur. agyäd, Rennpferd. Wie chayl, welches ursprünglich auch Pferd heifst, aber schon im He- bräischen für Armee, und später im Persischen für Menge gebraucht wird , so kommt auch agyäd für Truppe vor. Für viele Araber ist nur der Reiter ein Krieger, und da das Pferd nur zum Kampfe gebraucht wird, berechnet man die Stärke eines Stammes oder ei- ner Truppe häufig nach der Anzahl von Pferden. Im Syrischen heifst daher güda und im Qäbischen günda Truppe , Armee. Dar- aus ist dann neben agyäd, welches seine alte Bedeutung behielt, gund, agnäd in's Arabische übergegangen, und zwar mit ausschliefs- licher Anwendung auf eine Legion im Sinne, den es unter den Rö- mern hatte. Wir finden es zuerst unter den am Tigris lebenden Ara- bern, welche wohl schon vor Mohammad ein Quartier von Ctesiphon Gündy-Chosra, d.h. Legio Chosroes, und eine Stadt von Susiana Gundy-Sabur, d. h. Legio Saporis nannten. Die Zusammensetzung dieser zwei Namen ist persisch und es scheint, dafs auch den Per- sern das aramäische Wort gunda geläufig war. In einer Tradition sagt Walyd b. Hischäm b. Moghyra zu Omar u>oj-S (»LiJ' «,i>^A> L\.Ä> Lo\wO>» Li[4j>3 [^^^ I^SjXa „Ich war in Syrien und habe beobachtet, dafs die Könige Kanzleien eingerichtet und gunde ge- bildet hatten." Die Stelle ist interessant, weil gund, im Gegensatz zum arabischen Heerwesen, stehende Armee bedeutet. Auch im Ko- ran bedeutet gund legio. Man mufs aber nicht glauben, dafs Moham- mad den auserwählten Ausdruck gund auf jede Armee anwendete. Gewöhnliche Heere bezeichnete er mit arabischen Wörtern. Zu- nächst wendet er gund (im Plural in Kor. 85, i7. 20,8i.-28, 5.7. 39. 40. 51,40 und im Singular in Kor. 44,23) auf die Heerschaaren des Pharao an, dann auf die des Goliat Kor. 2, 250; auch nennt er 80 die Heerschaaren des Teufels, Kor. 26, 95 (vergl. Evang. Luc. 8,30) und die Armeen des Salomon, welche aus Ginn bestanden. Kor. 27, 17. 18. 37. In allen diesen Fällen hat er den Ausdruck, der ihm vorgesagt wurde, nachgesagt. Wenn er aber sagt (Kor. 9, 26. 33, 9), dafs den Gläubigen in der Badr- Schlacht goniid (Ar- meen) von Engeln beistanden, sehen wir, dafs er das Wort selbst anzuwenden gelernt hat, und zwar ganz richtig, wie es von den

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auf Erden auf ungeziemende Art, und .sie glaubten, sie würden niclit vor uns erscheinen müssen.

40. Wir haben dalier ihn und seine Heerscliaaren hergenommen und sie in das Meer (alyamm) geworlen. Siehe, was das Ende der Bösewichter war!

41. Wir machten sie zu Vorbihlern (im Frevel], wel- che die Menschen zur Hölle einladen, und am Tage der Auferstehung werden sie keinen Beistand finden.

42. In dieser Welt schon haben wir ihnen den Fluch als Gefolge gegeben ^), und am Tage der Auferstehung wer- den sie zu Schanden werden.

43. Dem Moses hingegen haben wir das Buch mit- getheilt, nachdem wir die frühern Geschlechter vertilgt hatten, als Leuchte für die Menschen und als Wegweiser und Gnadenausfluls: in der Erwartung, dafs sie zur Besin- nung kommen würden.

44. Du, o Mohammad, warst nicht an der Westseite (in Egypten), als wir dem Moses das Geschäft übertrugen, noch warst du einer der Zeugen (Zeitgenossen),

45. sondern Avir haben seitdem viele Geschlechter von

Schriftbesitzern gebraucht wurde (vergl. Ev. Matth. 26, 53). Er spricht auch von den Heerschaaren Gottes und den Heerschaaren (Zabaot) des Himmels und der Erde, Kor. 74, 34. 48, 4. 7 (vergl. Psalm. 148, 2 elc). Endlich wird dieser biblische Ausdruck auch in den Beschreibungen des jüngsten Tages, wo Mohammad alle mysteriö- sen Wörter zusammenfügt, in Anwendung gebracht, und in einigen Fällen (wie Kor, 19,7?) kann es mit „Hülfe" übersetzt werden.

Die Nachfolger des Mohammad beschränkten den Gebrauch von gund niclit auf biblische und überirdische Armeen. Nachdem sie Syrien erobert hatten, wo früher römische Legionen gestanden, lern- ten sie diesen Ausdruck auch auf ihre dortigen fünf Militärstationen anwenden, während im 'Irak (von wo er doch herkam) 'askar für denselben Zweck gebraucht wurde, wie z. B. Askar Mokarram, 'As- kar Aby Ga'far etc. Die egyptische Heerstation wurde Fostät, gleich- sam Hauptquartier, genannt, und die von Afrika Provincia: Kayra- wän, d. h. das Karawanenlager.

') Wahrscheinlich setzten die Juden, so oft sie das Wort Pha- rao aussprachen, hinzu: Der Fluch Gottes ruhe auf ihm!

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lanser Lebensdauer erweckt; du hieltest dich auch nicht unter den JMad\anitern auf und konntest daher von ihnen unsere Zeichen nicht vernehmen, sondern wir haben dich als Boten gesandt.

46. Du warst auch nicht an der Seite des Berges [Sinai], als wir ihm zuriefen; sondern es ist dir durch die (inade deines Herrn [die Kenntnifs dieser Thatsachen zu Theil geworden], auf dafs du ein Volk ermahnest, zu wel- chem vor dir kein Warner gekommen A\ar, es zur Ueber- legung zu bringen;

47. sonst, wenn sie ob ihres Frevels ein Unheil be- trifft, würden sie sagen: Herr, warum hast du nicht einen Boten zu uns gesandt; wir würden deinen Zeichen gefolgt sein und zu den Gläubigen gehört haben.

4y. Nachdem aber jetzt die Wahrheit von uns zu ihnen gekommen ist, haben sie gesagt: Warum erhält der Bote nicht etwas Aehnliches wie Moses [d. h. ein geschrie- benes Buch vom Himmel]. Aber haben sie (die Makka- ner) nicht auch dasjenige [Buch] geläugnet, welches dem Moses in alten Zeiten gegeben worden ist und gesagt: Sie sind beide Betrügereien, die sich einander unterstützen; fer- ner haben sie gesagt: Wir glauben nichts von Allemdem.

49. x\ntworte ihnen: Weiset ein von Allah kommen- des Buch, welches ein besserer Wegweiser ist als diese zwei. Ich will ihm folgen, wenn ihr Recht habt.

50. Wenn sie diesem Verlangen nicht entsprechen, so wisse, dafs sie sich von ihrer Leidenschaft leiten las- sen. Lud wer ist mehr im Irrthum als der, welcher sei- ner Leidenschaft statt der Leitung Allah's folgt? Wahrlich Allah leitet das Volk der Ungerechten nicht.

.51. Wir haben nun den Aufruf an sie er":ehen las- sen, auf dafs sie zur Ueberlegung kommen.

.Vi. Diejenigen, welchen wir das Buch schon früher gegeben haben, glauben daran (d. h. an diese neue OlTen- barung desselben).

361

Ich glaube, dafs Mohammad diese Inspiration in dem Hause des Arkam verölTentlicht habe, noch ehe er gegen die Aristokraten kämpfte, denn die Fürsten des Pharao werden in dieser Version als Gläubige dargestellt.

Die Korayschiten waren Heiden und hatten keine Li- teratur. Sie waren also nicht im Stande zu entscheiden, ob das, was Mohammad als Wiederoftenbarung ausgab, nicht reine Dichtung sei. Um sie zu überzeugen war ein Zeuge nöthiff, welcher die heili2:en Bücher der Schrittbesitzer kannte und erklärte, dafs seine Inspirationen wirklich mit dem Inhalte derselben übereinstimmen '). Mohammad hatte einen solchen Gewährsmann und er beruft sich in mehre- ren Stellen auf sein Zeugnifs:

6, 114. Allah ist es, welcher an euch [durch mich] das Buch erläutert herabgesandt hat, und Diejenigen, welchen wir das Buch [schon früher] gegeben haben, wissen, dafs es von deinem Herrn, gefüllt mit Wahrheit, herabgesandt worden ist. Sei daher nicht einer der Zweifler.

10, 94. Wenn du im Zweifel bist über das, was wir dir hinabgesandt haben, so frage Diejenigen, welche das Buch schon vor dir gelesen haben. Es ist dir wirklich die von deinem Herrn ausgehende Wahrheit zugekommen; sei da- her nicht einer der Zweifler!

95. Sei auch nicht einer von Jenen, welche die Zei- chen AUah's (d. h. deine übernatürlichen Inspirationen) für unwahr erklären, sonst bist du einer von den Verlorenen. In dieser Stelle macht er keinen Unterschied zwischen

') Begreiflicherweise wurde er dazu aufgefordert. Kalby sagt bei Wähidy, Asbäb 6, 19:

„Die vornehmen Makkaner sprachen zu Mohammad: Wir se- hen, es hält Niemand dafür, dafs du die Wahrheit redest, indem du behauptest, du seist ein Prophet. Wir haben die Juden und Christen über dich befragt, und sie sagen, dafs du in ihren Büchern nicht erwähnt, noch beschrieben wirst. Zeige uns Jemanden, der für dich Zeugnifs ablegt, dafs du ein Bote Gottes seist."

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«lern Koran, den früheren Offenbarungen und dem himmli- schen Prototyp; sie sind alle Exemplare ein und desselben Buches. Diese kindliche Unschuld wäre kaum möglich, wenn er nicht geglaubt hätte, dafs die Rollen (und Asätyr?) so vollkommen mit den Schriften der Juden und Christen über- einstimmen, wie der Koran mit diesen Machwerken,

Das Zeugnifs ist hier allerdings so allgemein, dafs es uns nicht zu dem Schlüsse berechtigt, dafs ein Complot zwischen Mohammad und den Zeugen bestanden habe. Viel bestimmter hingegen ist die Bd. I wS. 482 angeführte Ko- ranstelle. Nach Erzählung von Prophetenlegenden betheuert er, dafs er sie durch die Inspiration des heiligen Geistes wisse, dann sagt er, dafs sie in den Schriften der Alten enthalten seien, wie gelehrte Israeliten bezeugen; damit man aber nicht glaube, er habe sie daraus abgeschrieben, er- wähnt er, dafs seine Erzählung rein arabisch sei, während die Schriften, auf die er hinweist, schlecht arabisch oder aramäisch waren.

Nun begreifen wir den Sinn der Worte in dem so eben angeführten Verse 28, 4s: »Sie (der Koran und das Buch Moses) sind beide Betrügereien, welche sich einan- der unterstützen.« Es sind hier die vom Mentor fabrizir- ten Rollen des Moses gemeint; denn die Thora war damals für Mohammad noch ein unbekanntes ideelles Buch. Im nächsten Kapitel werden wir Dispute finden, welche eine Fortsetzung dieses Streites sind. Unter Anleitung eines Juden warfen ihm die Heiden vor, dafs er von dem ech- ten Buche des Moses nichts wisse und nicht einmal die darin verbotenen Speisen kenne; um sich zu rechtfertigen, sagt er ihnen die zehn Gebote, freilich nicht wie sie im Pen- tateuch stehen, als Beweis seiner Bibelkenntnifs vor.

Man müfste es in der Kunst, sich selbst zu blenden, so weit gebracht haben als Mohammad, wenn man in die- sen Aeufserungen nicht ein Complot finden wollte. Sein Lehrer erzählte ihm eine Legende, er bearbeitete sie pro- phetisch und trug sie den Leuten vor, dann legte der Leh-

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rer Zeugnifs dafür ab, dafs die Legende wirklich wahr und in den früher geoffenbarten Büchern enthalten sei. Es erinnert uns an das abgedroschene Sprüchwort: qui s'excuse, s'accuse, wenn Mohammad in demselben Athem- zuge, in welchem er sich eines so groben Betruges schul- dig macht, sagt:

6, 93. Wer ist ungerechter als Derjenige, welcher auf Allah eine Lüge erdichtet oder behauptet, es Averde ihm geoffenbart, wenn ihm nichts geoffenbart worden ist?

Es liegt uns nun ob zu ermitteln, wer die Person sei» die mit ihm im Complot stand. Wir haben hier keinen andern Führer als den Koran, und die Aussprüche dessel- ben sind so orakulös, dafs das, was ich hier sage, nur als \ ermuthung gelten kann. Ich habe bereits früher erklärt, dafs ich den Asceten Bahyrä für den Mitschuldigen halte. In der ältesten schon vor dem Sommer 616 ge- offenbarten Stelle (Kor. 26, 197, Bd. I S. 482) beruft er sich auf israelitische Gelehrte. Seine Zuversicht ist naiv, und er konnte eine solche Versicherung wohl nur zu ei- ner Zeit aussprechen, als er mit der bösen Welt noch we- nig in Berührung gekommen, die C^ohof, Rollen, für das echte »Buch des Moses«, seinen Mentor für den unter- richtetsten Mann in der Welt hielt und voraussetzte, dafs alle Juden gerade so denken wie dieser (sein Mentor). In einer spätem Stelle beruft er sich blofs auf Einen Is- raeliten:

46, 9. Sag' zu den Heiden: Was müfst ihr von euch selbst denken, da es sich herausstellt, dafs meine Lehre von Allah ausgeht, ihr aber nicht daran glaubet, obschon ein Bürge unter den Kindern Israel für ein ähnliches Buch Zeugnifs ablegt und an dieselbe glaubt? Ihr seid zu über- müthig sie anzunehmen, denn Gott leitet ein ungerechtes Volk nicht. (Vergl. K. 13, 43 und 25, 6o.)

10. Die Ungläubigen in Bezug auf die Gläubigen sag- ten: »Wenn die Lehre gut Aväre, würden uns diese Leute in der Annahme derselben nicht zuvorgekommen sein.« Da

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sie sich durch dieselbe nicht leiten lassen, [feinden sie den Glauben an] und gewifs werden sie noch sagen: Dies ist eine alte Dichtung.

11. Und vor dem Koran wurde das Buch des Moses geoffenbart als Vorbild und ein Gnadenausflufs. Dies ist ein Buch, welches jenes bestätigt (damit übereinstimmt) in arabischer Sprache, damit es [auch den Heiden verständ- lich und] eine Warnung für die Frevler und eine frohe Botschaft für die Guten sei. (Vergl. Kor. 6, 155).

Wenn Mohammad sagt, dafs sein Zeuge ein Israelit (wörtlich einer der Banü Isrävl) war, so bezieht sich dies auf seine Abkunft. Wie man von den Baoü (d. h. Söh- nen des) Kinäna, zu welchen Mohammad gehörte, von den Banü Asad, Banü Koraytza, welches alles Stämme wa- ren, sprach, so sprach man auch von den Banü Isräyl, mit Rücksicht auf Abkunft und nicht auf Religion. In Hin- blick auf den Glauben ^verden die Juden im Koran Yahüd genannt.

Die 3Iakkaner waren so verstockt, den Propheten ei- nen »abgerichteten Visionär« zu nennen, was ihnen, dem Koran 44, 13 zufolge, auch billiger Weise in der Hölle noch vorgeworfen wird. Er findet es nun nothwendig, sich da- gegen, dafs er abgerichtet sei, zu verwahren:

16, 105. Wir wissen wohl, dafs sie sagen: Es unterrich- tet ihn ein Mensch. Allein die Sprache dessen, auf den sie hindeuten, ist kauderwelsch, dieses aber ist unverkenn- bares Arabisch.

Bahyrä war, wie Avir im Anhange zeigen nerden, von Taymä, einem von Juden bew ohnten Städtchen, wo einst der Avegen seiner Treue sprüchwörtlich gewordene Jude Sa- muel ein Schlofs besafs (vgl. Bd. I S.14 Note 2). Es Hegt an der Grenze zwischen Syrien und Arabien, und die Sprache der Juden war wohl ein Gemisch von Nabathäisch und Ara- bisch. Da diese Leute ohne alle Gelehrsamkeit waren, so schrieben sie auch in der Umgangssprache, mischten aber

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gewifs so viele hebräische Brocken ein als sie wufsten, Mohammad hat viele Ausdrücke seines Lehrers im Koran beibehalten.

Den Umstand, dafs seine Offenbarungen in arabischer Sprache seien, betont Mohammad in vielen Koränstellen, so drückt er in Süra 12, 2 die Erwartung aus, es werde der Umstand, dafs die Erzählung der Geschichte des Jo- seph arabisch ist, die Leute zur Vernunft bringen, dafs dies eine Originalmittheilung aus dem Buche sei. In Süra 43, 1 2 betheuert Gott bei dem Buche, dafs er es als ara- bische Original -Offenbarung hinabgesandt habe um die Menschen zur Einsicht der Richtigkeit der Thatsache zu bringen.

Es kam aber eine Zeit, wo er sich gegen den Ein- wurf, dafs ihm der Koran nicht in einer lingua sancta ge- offenbart worden sei, vertheidigen mufste (vergl. K. 41, u). .: Auf die Sekte des Mentors müssen wir aus jenen Koränstücken schHefsen, w eiche unverkennbar von ihm kom- men. Hieher gehören besonders die oben S. 290 ff. in die Bemerkungen über das Buch eingeflochtenen Stellen. Es spricht sich darin eine Verehrung für das jüdische Volk aus, welche dem Selbstgefühl eines Arabers widerstreben mufste, und es werden theologische x\nsichten betont, wel- che durchaus nicht in das System des Mohammad pafsten. In jenen Stellen also vernehmen wir am deutlichsten die Worte des Soufleurs. Mit der Lehre über das Buch hängt die Prophetentheorie zusammen ; diese aber bildet einen mitwirkenden Theil der 19ten Süra, in welcher der Rah- män gepredigt wird. Auch einige Erzählungen, besoders die vom keuschen Joseph, scheint Mohammad ohne grofse Veränderungen wiedergegeben zu haben, wie sie ihm vor- gesagt worden war. Man sollte also annehmen, dafs der Mentor ein Rahmänist war, und wenn er auch im ge- wöhnlichen Sinne des Wortes nicht ein Christ genannt werden konnte, er sich doch dafür ausgab. Er gehörte

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wohl zu jener Juden - christlichen Sekte, welche sich Nagärä nannte.

Dieser Annahme stellen sich jedoch grofse Schwierig- keiten entffesen. Auch am Schlüsse von Süra 26 (s. Rd. 1 S. 482) beruft sich Mohammad auf einen Gewährsmann, der bezeugen soll, dafs die in dieser Süra erzählten Straf le- genden mit dem Inhalte der ^ohof (Rollen) übereinstim- men. Demnach waren die ^'ohof ein hanyfisches und nicht ein rahmänistisches Buch. Der Gewährsmann wäre also ein Hanyf gew esen, w ährend er, nach anderen Koränstellen zu schliefsen, ein Rahmänist war. Dafs Mohammad nach ein- ander mit zwei Männern in Complot gestanden habe, zu- erst mit einem Hanyfen und dann mit einem Rahmänisten, ist nicht anzunehmen.

Auf der Bühne steht Mohammad, ein Mann von aus- geprägter Individualität, und mit ihm haben Avir es eigent- lich zu thun. Dafs wenigstens auch noch eine Person hinter den Coulissen thätig war, unterliegt keinem Zwei- fel, denn die Geschichte Joseph's ist weder eine Oifenba- rung, noch eine Erfindung des Actors. Aber auf die Fra- gen, ob mehrere Personen oder nur eine betheiligt war, wie sie hiefs und wefs Glaubens sie Avar und wie weit sich ihre Thätigkeit erstreckte, können wir nur \ ermuthun- gen zur Antwort geben, und wenn ich hier eine Hypo- these verfechte, so geschieht es mehr, um die auf diesen Gegenstand bezüglichen Thatsachen zu erörtern, als in der Absicht, meine Ansichten dem Leser aufzudringen. Ich habe alle möglichen Combinationen überdacht und keine gefunden, die mich ganz befriedigte; selbst seitdem das erste Kapitel zum Druck gegangen, haben meine Ansichten manche wesentliche Veränderungen erlitten, und ich kann da- her nicht erwarten, dafs ich jetzt das Richtige getroflfen habe.

Sehr grofses Gewicht lege ich auf folgende Ko- ränstelle :

11, 20. Ist nicht Derjenige, welcher im Besitze einer

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von seinem Herrn ausgehenden Bayyina (Erleuchtung) war und ihn (den Koran) liest, ein Zeuge für dessen Wahrheit? Und vor dem Koran wurde das Buch des Moses geoffen- bart als ein Vorbild und Gnadenausflufs [auch die Ueber- einstimmung mit diesem Vorbilde ist ein Zeugnifs für die Wahrheit des Korans]. Diejenigen, für welche das Buch Mosis geoffenbart worden ist, glauben an den Koran. Die- jenigen aber von den Ethnoi, welche nicht daran glauben, werden sich in der Hölle treffen. Sei daher nicht im Zwei- fel darüber; er enthält die von deinem Herrn ausgehende Wahrheit, aber die meisten Menschen glauben nicht [an Gott, und daher auch nicht an deine Offenbarungen].

Dieser Stelle zufolge hätte Mohammad auch seinen Gewährsmann für inspirirt gehalten! Ich stelle mir den Hergang folgendermafsen vor: Bahyrä, der Mentor und Gewährsmann des Mohammad, war ein Schwärmer und ur- sprünglich ein Rahmänist. Er schrieb die ^'ohof, welche so weit wir sie kennen, eben sowohl ein Zeugnifs seines bhnden Eifers, als seiner Unwissenheit sind, und suchte im Higäz unter den Heiden Bekehrungen zu machen. Viel- leicht wandte er sich anfangs an den Dichter Omayya, wel- cher die neue Lehre, so weit er damit übereinstimmte, in Versen verkündete. Die Sage erzählt daher von Omayya, dafs er zum Propheten auserkoren zu werden hoffte, und Mohammad giebt zu (siehe Bd. I S. 80), dafs ihm Gott seine Zeichen mitgetheilt habe. Später fand Bahyrä in Mo- hammad ein tauffhcheres Werkzeug. Die neue Lehre wirkte Wunder in ihm und verwandelte den Besessenen in einen Propheten. Er lehrte den Inhalt der Rollen und war so vollkommen von dessen Wahrheit und seiner eigenen Mis- sion überzeugt, und derselbe wurde in ihm so lebendig, dafs er zu sagen wagte, der heilige Geist sei damit auf sein Herz herabgestiegen (siehe Bd. I S. 482). So weit, glaube ich, war er strafbaren Selbstbetrug ausgenommen ganz ehrlich, und er predigte keine Lehre, von der er

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nicht vollkommen durchdrungen war. Es kommt daher in jener Periode kein Wort vom Rahmän, noch jene ex- travagante l^rophetentheorie vor, und wenn von den Juden mit Aclitung gesprochen wird, so geschieht dies etwa in einer Krzähhmg, aber nie auf eine Weise, die seinen ei- genen Gelühlen hätte widerstreben können. Jedenfalls blieb IMohammad selbstständig, und da die Rollen für die Hei- den berechnet waren, enthielten sie wahrscheinlich auch keine von diesen Theorien.

Im Jahre 616 aber, nachdem er das den Heiden ge- machte Zugeständnifs zurückgenommen hatte, trafen ihn schwere Prüfungen und seine kleine Gemeinde drohte sich aufzulösen. Die Flüchtlinge kamen von Abessynien zurück und mit ihnen, oder wenigstens um dieselbe Zeit, trafen auch Christen in Makka ein. Es stand in der Macht die- ser IMänner, für seine Anhänger ein Asyl in Abessynien zu bereiten und ihr Zeugnifs für ihn konnte nicht verfeh- len, in Makka den günstigsten Eindruck zu machen. Ihre Anerkennung mufste um jeden Preis gewonnen werden. Was war zu thun? Wir haben bereits S. 276 gesehen und werden w eiter unten ferner erörtern, dafs, als es sich darum handelte, die Einwohner von Madyna zu gewinnen, Moham- mad erbaulich von den Heiligthümern des Higaz sprach. Hätte er eine solche Lehre christlichen Zuhörern vorge- tragen, so würde wenig gewonnen gewesen sein. Für sie verfafste er Süra 19, sprach vom auserwählten Volke, ging in die Prophetentheorie ein und mit einem Worte er sprach jetzt blindlings alle Theorien nach, die ihm sein israeliti- scher Mentor vorschwatzte, ja den Abessyniern zu Liebe war er viel christlicher, viel biblischer als dieser selbst. Wie der zum Dienst geprefste Matrose mehr Anhänglich- keit an sein Schitf hat als der Freiwillige, so fand sich auch Mohammad einige Zeit lang in seine Rolle. Indes- sen die Erwähnung Christi und die Anerkennung der Jung- frauenschaft der Maria mochten ihm ebenso sehr die Gunst der Christen erwerben, wie die Anklänge an die christliche

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Lehre dem vor einigen Jahren in China aufgestandenen Mordbrenner und Rebellenhäuptling die Gunst der horn- nien Seelen in England erworben haben, aber er mufste sich als Prophet legitimiren. Wunder konnte er nicht wirken; Betrug mufste ersetzen, was ihm fehlte, und wie erstaunt mufsten die einfältigen Menschen sein, wenn er, der un- wissende Araber, ihnen eines Morgens die Geschichte des Joseph von Egypten sei es auch noch so ungetreu; wir begnügen uns ja auch, wenn magnetisirte Personen unter hundert Antworten eine geben, die beiläufig richtig ist, und diese Menschen waren damals so leichtgläubig als jetzt erzählte und hinzusetzte: Das ist mir geoffenbart Avorden. Sein Kunststück ist ihm auch vollständig gelun- gen. Er meint diese einfältigen Christen , w enn er den nach Abessynien ziehenden Flüchthngen zuruft, mit den Schriftbesitzern nicht zu zanken, und dann hinzusetzt:

29,46. [Wie einst auf die Propheten], so haben wir auch auf dich das Buch hinabgesandt. Diejenigen, welchen wir das Buch schon früher mitgetheilt haben, glauben an das- selbe (d. h. das im Himmel aufbewahrte Buch) und unter ihnen giebt es einige, welche auch daran glauben, [dafs wir es auf dich hinabgesandt haben] und in der That läug- nen nur die Frevler [die Echtheit] unserer Zeichen.

47. Du hattest vor diesem nie ein Buch gelesen, noch eins mit deiner Hand abgeschrieben. Wäre dem nicht so, so würden deine Opponenten Ursache haben zu zweifeln [und zu sagen, diese Geschichten hat er nicht durch Of- fenbarungen, sondern aus Büchern gelernt].

Wenn die moslimischen Gelehrten behaupten, dafs ihr Prophet weder lesen noch schreiben konnte, so ist es nur eine Fortbildung der im letzten Verse ausgesprochenen Be- hauptung ihres Propheten.

Als Mohammad diesen Vers verfafste, glaubte er wahr- scheinlich, dafs ganz Abessynien ihn als Propheten aner- kennen würde; darin hat er sich getäuscht, aber mehrere Christen, welche nach Makka gekommen waren, hielten u. 24

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seine Lehre für gottlicli, wie wir aus folgender Inspiration ersehen. Einige jedoch, auf welche der letzte Vers der- selben anspielt, erkannten ihn nicht an.

28,52. Diejenigen, welchen Avir das Buch schon früher gegeben haben, glauben daran (d. h. an diese neue Offen- barung desselben).

53. Und wenn es ihnen vorgetragen wird, so sagen sie: Wir glauben daran, denn es enthält die von unserm Herrn ausgehende Wahrheit. Wir waren ja vor seiner Of- fenbarung Moslime (d. h. unserm Herrn unterworfen).

54. Diesen wird ein doppelter Lohn zu Theil Aver- den ob dem, was sie zu erdulden hatten, und weil sie in ihren Prüfungen Roses mit Gutem vergalten und Almosen gaben von dem, Avas wir ihnen beschert haben.

55. So oft sie unsinniges Geschwätz (die Polemik der Feinde des Mohammad) gehört haben, haben sie sich da- von weggewendet und gesagt: Wir sind für unsere Hand- lungen verantwortlich und ihr seid für eure Handlungen verantwortlich. Adieu! wir wollen nichts mit unwissenden Leuten zu thun haben.

.56. Du kannst nicht leiten, wen du gern leiten möch- test, aber Allah kann leiten, wen er will, und er kennt die- jenigen am besten, die auf dem rechten Wege sind.

Um sich vollends zu überzeugen, dafs in dieser Stelle Nagärä (Christen?) gemeint sind, mufs man sie mit Kor. 5, 85 im Anhange vergleichen, wo die Juden ihres Hochmu- thes wegen verdammt, die Nagärä aber, wie hier, ihrer Demuth wegen gepriesen werden.

Ein englischer Bischof reiste nach Indien. In Alexan- drien stieg er im Hotel d'Europe ab und das italienische Zimmermädchen küfste ihm ehrerbietig die Hand. Als aber die Frau Bischöfin und die jungen Bischöfchen in's Zimmer traten, rieb sie sich mit Erstaunen und Unwillen die ver- unreinigten Lippen. So scheint es auch einigen von den Christen ergangen zu sein, n eiche nach Makka kamen, um den Propheten zu sehen, und nun auch die Bekanntschaft

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(1er Frau Prophetin und seiner hübschen Tochter machten; sie hatten niimlich «gehofft, einen Asceten zu finden. Auch in andern Dingen stimmten sie nicht mit ihm überein, die Harmonie des Korans mit den ihnen bekannten Schrif- ten war so gering, dafs er behau[>ten mufste, im Himmel sei eine grofse Bibliothek, welche für jede Gelegenheit ein Ruch enthalte. Ferner glaubten sie nicht an ein zeitliches Strafgericht, sondern erwarteten jenseits die Vergeltung. Mohammad antwortet ihnen:

13, 36. Diejenigen, denen wir das Buch gegeben haben, freuen sich über das, was wir dir geoffenbart haben. Es giebt aber Leute von den Ethnoi ^), welche einiges davon mifsbilligen. Sprich: Ich habe den Auftrag, Allah zu die- nen und ihm kein Wesen zuzugesellen (d. h. Jesus nicht als Ciott anzubeten). Allah rufe ich an und er ist meine Zuflucht.

37. So haben wir die Offenbanmg herabgesandt als einen arabischen Machtspruch, und Avenn du ihren Wün- schen folgest nach dem Wissen, welches dir zu Theil ge- worden, so wirst du gegen Allah keinen Vertreter oder Beschützer finden.

38. Wir haben früher Boten gesandt. Auch sie hat- ten Frauen und Kinder. Noch kann ein Bote ein Zeichen thun ohne den Willen Allahs, und für jeden Zweck be- steht eine Schrift,

:39. Allah streicht davon, so viel ihm gefällt und läfst stehen, [so viel ihm gefällt]. Bei ihm ist der Urtext.

40. Entweder lassen wir dich einen Theil dessen, was wir ihnen gedroht haben, sehen, oder wir lassen dich schon

') Auch in andern Koränstellen wird dieser Ausdruck nicht auf die Heiden beschränkt, sondern vorzugsweise auf die Juden und Christen angewendet, welche, sich nicht mit dem Glauben an den Einen Gott begnügend, über unwesentliche Dogmen stritten, und in Ethnoi, Sekten, tbeilten. Später als Mohamraad's Lehre consolidirt war, gehörten alle Menschen, die diese nicht anerkannten, zu den Ethnoi.

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IHilier sterben. Deine Pdiclit ist es, die Botschaft zu über- bringen, die unsere, sie zur Rechnung zu ziehen.

Die Strenggläubigen scheinen Makka verlassen zu ha- ben, als sie sahen, dafs der vermeintliche Seher die Gott- heit Jesu läugne und seine Prophetengeschichten sich weit von der biblischen entfernen. Diejenigen aber, welche an ihn glaubten, waren wohl keine orthodoxen Christen, son (lern Rahmanisten. Sie l)lieben einige Zeit in Makka, und er beruft sich auf ihr Zeugnifs in einem Streite mit sei- neu Gegnern. Diese sagten: Wenn es Gott gefiele, einen Boten zu senden, so würde er einen Engel und nicht ei- nen Menschen wählen '). lerner erwarteteu sie, dafs er das Buch auf einmal erhalte und dafs er Wunder wirke (Kor. 17, 95). Diese Einwürfe, welche er beständig hören mufste, hat er oft und verschiedentlich beantwortet. Am l'lnde von Süra 17 beruft er sich zu seiner \ ertheidigunu- auf das Zeugnifs der Rahmanisten:

17, 106. Mit dem Wahren (d. h. das Wahre enthaltend) haben wir sie (die Leitung oder Oifenbarung) herabgesandt und mit dem Wahren (ohne \ eränderung) ist sie herab- gekommen. Dich aber haben wir nur als Verkünder [fro- her Botschaft] und als Warner [vor der Strafe] gesandt [und zu diesem Zweck senden wir keinen Engel].

107. Sie besteht in einem Koran , den wir getheilt haben (stückweise offenbaren), auf dafs du ihn den Men- schen nach und nach vortragest; und wir sandten ihn hinab in der Form von Erlassen, [wie es die Gelegenheit erfor- derte].

los. Sprich: Ihr möget daran glauben oder nicht, [so viel ist gewifs,] dafs diejenigen, denen die Kenntnifs schon vor seiner Offenbarung geworden ist, wenn er ihnen vor- getragen wird, ehrfurchtsvoll auf das Angesicht niederfal-

0 17,96. Nichts hinderte das Volk am Glauben, nachdem ihnen die Leitung zugekommen war, als dafs sie (die Aristokraten) sag- ten: Wie, Allah hat einen Menschen als Boten gesandt?

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len und sagen: Welt erhaben ist unser Herr über die Nicbt- errüllun«^' seiner DrolMingen; sie sind so gewifs, als wären sie schon in ErfüHung gegangen.

i(»9. Sie fallen nieder und weinen, denn er vermehrt ihre Demnth.

110. Sag' ihnen (den Heiden): Heifset ihn Allah oder heifset ihn Kahmän, wie ihr ihn auch heifsen möget, thut ihr Recht, denn auf ihn passen alle schönen Namen. Rede nicht zu laut in deinem Gebete noch zu still, sondern wähle einen Mittelweg.

111. Sprich: Alles Lob sei dem Allah, welcher sich keinen Sohn ^) angeschafft hat und der nie einen faenossen hatte in der Herrschaft, noch einen Beschützer gegen Er- niedrigung, und rufe: IJott ist am gröfsten!

Auch in einigen andern Koränstellen brüstet sich Mo- hammad mit dem Zeugnifs, welches die Schriftbesitzer für ihn ablegten. In den meisten uiöo-en die rahmänistischen Convertiten zu verstehen sein.

34, 6. Diejenigen, denen die Kenntnifs [des Buches] zu Theil geworden ist, sind der Ueberzeugung, dafs das, Avas dir von deinem Herrn geoffenbart worden ist, die Wahr- heit sei, und es führt auf die erhabene, gepriesene Strafse. 13, 42. Schon die vor ihnen waren, haben sich der List bedient (d. h. sie haben Einwürfe gegen die Offenbarungen erhoben). Aber Allah ist im Besitze aller List

43. Die Unjjläubisiren sat:;en : Du bist kein Gesandter. Antworte: Allah genügt als Zeuge im Streite zwischen mir und euch; dazu kommt das Zeugnifs derer, welche die Kenntnifs des Buches besitzen.

Auch im Streite über die Anzahl von Engeln, welche

') Im Original steht Kind; ich übersetze „Sohn", weil ich glaube, Mohammad will die Gottheit Jesu in Abrede stellen. Dafs er Sohn und nicht Tochter meinte, geht daraus hervor, dafs er sagt, Gott habe keine Beschützer gegen Erniedrigung nöthig. Ein Sohn, nicht aber eine Tochter, ist ein Schutz für die Familie. Weil die Araber neben Allah Göttinnen anbeteten, kann nur Jesus gemeint sein.

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als Wächter der Hölle aufgestellt sind, beruft er sich auf das Zeugnifs der Schriftbesitzer und sa^t:

74,32. Diejenigen, welchen das Ruch gegeben worden ist, und die Gläubigen zweifeln nicht daran.

Folgende Inspiration, in der er bei Gelegenheit eines Streites behauptet, dafs die Schriftbesitzer ihn so gut ken- nen, wie ihre Kinder, mag ein madynisches Einschiebsel enthalten, denn diese Behauptung kommt auch in Kor. 2, 141 vor. Wenn die Stelle madjnisch ist, so enthält* sie eine unverschämte Lüge; wenn sie aber makkanisch ist, so be- harrte er in dem madynischen Verse 2, I4i bei seiner frü- heren Behauptung, obschon er damals wufste, dafs sie un- gegründet sei;

6, 19. Frage: Was ist das kräftigste Zeugnifs? Ant- vyorte: Allah ist Zeuge zwischen mir und euch. Dieser Koran ist mir geoffenbart worden, auf dafs ich euch da- mit warne und Diejenigen, welchen er zukommmt. Wie, ihr behauptet, dafs es neben Allah andere Götter o-ebe? Sprich: Ich behaupte das nicht. Sprich ferner: Er ist ein einziger Gott; ich will nichts mit den Wesen zu thun ha- ben, die ihr ihm beigesellet.

■20. Diejenigen, welchen wir das Buch gegeben ha- ben, kennen ihn (den Koran oder Propheten.?} To gut als sie ihre Söhne kennen. Nur Diejenigen, welche ihr See- lenheil verloren haben, sind ungläubig.

2S. Aber wer handelt ungerechter als der, welcher auf Allah eine Lüge erdichtet oder seine Zeichen (Offen- barungen) läugnet. Die Ungerechten werden gewifs nicht gedeihen! (Vergl. 61, 93.)

Eine hieher gehörige Stelle (6, iu) wird im nächsten Kapitel angeführt werden.

Mohammad beutet, wie wir sehen, die Anerkennung gehörig aus, welche ihm Seitens dieser frommen schrift^ gelehrten Herren zu Theil wurde, und sie that auch o-rofse Wirkung. Ich bin überzeugt, dafs die Bekehrnno-en in dem Hause des Arkam, welche zu einer Zeit stattfanden, zu der

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Mohammad \vegen der nichterfüllten Drohungen allgemein verlacht wurde, einzig dem Zeugnifs dieser Leute zuzu- schreiben sind.

Der rahmanistische Geist weht im Koran vom Ende des Jahres 616 bis 618 619, dann verschwindet er all- mälig. Wahrscheinlich haben Bahyrä und die übrigen Kah- mänisten Makka verlassen. In Bezug auf die Juden und auch in mancher andern Hinsicht ging Mohammad später auf das entgegengesetzte Extrem über, und indem Bahyrä und andere Israeliten den Mohammad als Propheten ausrie- fen, bereiteten sie ihrer Nation das Schicksal einer Henne die Falkeneier ausbrütet. Nicht einmal die Anhänsrer der Religion der Nächstenliebe sind grausamer gegen das auser- wählte Volk gewesen als Mohammad und seine Nachfolger. Wenn Bahyrä lange genug lebte, um das Schicksal, welches die jüdischen Stämme Koraytza und Nadhyr traf, mitanzu- sehen, so konnte er mit dem arabischen Dichter ausrufen:

»Ich habe noch nie Einen im Bogenschiefsen unter- richtet, der mich nicht am Ende zum Ziele gemacht hätte.«

Aber warum soll Mohammad in dem so eben an- geführten Verse 11,20 seinem Lehrer Bayyina, Inspira- tion ^), zusprechen? Wir haben gesehen, dafs Bayyina

') Die Wichtigkeit des Gegenstandes sei meine Entschuldigung, wenn ich wieder auf die Bedeutung von bayyina zurückkomme. Der ganze Ausdruck: „Er war schon früher im Besitz einer von seinem Herrn ausgehenden Erleuchtung" kommt aufserdem noch sechsmal im Koran vor, und zwar wird in derselben Sura 11 dem Noah (V. 30), dem ^älih (V. 66) and dem Scho'ayb (V. 90) eine von dem Herrn ausgehende Erleuchtung zuerkannt. In Kor. 6, 57 macht Mohammad selbst darauf Anspruch. In Süra 35, 38 sagt Gott:

„Sage: Was däucht euch von den Genossen (Abgöttern), welche ihr aufser Allah anrufet? Zeigt mir einen Theil der Erde, den sie erschaffen haben! Oder haben sie etwa Verbindungen im Himmel? oder haben wir ihnen ein Buch geoffenbart, so dafs sie eine Er- leuchtung [des Inhalts] desselben besitzen? Nein, sondern die Un- gerechten (die Ginn und Menschen) machen sich einander nur solche Versprechen, welche eitel sind."

Er will hier sagen : Wenn Gott die Ginn zum wahren Glauben

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ganz besonders den übernatürlichen Procefs andeutet, wo- durch in dem Auserwählten die Wiederoffenbarung vermit- telt uird. Die nach Makka gekommenen Schriftbesitzer deckten Bahvrä's Betrug mit den Rollen des Abraham und Moses auf. Es blieb also kein anderer Ausweg als zu sa- gen: Es ist wahr, diese Rollen hat Bahyrä verfafst, aber ihr gebt zu, dafs Moses das Buch empfangen und Abra- ham die Einheit Gottes gelehrt hat. Diese Rollen sind zwar weder von Abraham noch von Moses geschrieben, aber Bahyrä ist durch Bayyina zu ihrer Kenntnifs gekom- men. Sie erweisen sich göttlich durch ihren Inhalt und dadurch, dafs sie auch mir geoffenbart worden sind. Eine solche Beweisführung wäre ganz im Geiste der Clementi- nen, auch würde sie in unseren Tagen von den Frommen anerkannt werden; denn der Glaube ächtet nur die Ver- nunft.

Dafs in einer kleinen Stadt ein solcher Betrug, wie das Komplot zwischen Mohammad und Bahyrä verborgen bleiben konnte, ist nicht zu erwarten. Zuerst rief der un- gerathene Sohn des Abu Bakr, der die beste Gelegenheit hatte, in das Geheimnifs einzudringen: Was du lehrst, ist nicht eine Offenbarung, sondern aus den Asätyr der Alten

berufen und ihnen ein Buch gegeben hätte, so wurde es durch Er- leuchtung unter ihnen fortbestehen. Die Idee, dafs das Buch durch Erleuchtung fortgepflanzt wird, war so tief eingewurzelt, dafs er in dieser Stelle nicht nach einem Exemplar desselben fragt.

In der madynischen Sura 47 folgt nach nicht dahin gehörigen makkanischen Bruchstücken der isolirte Vers :

47, 15. Und soll etwa Derjenige , welcher im Besitze einer von seinem Herrn ausgehenden Erleuchtung ist, Demjenigen gleich sein, welchem seine böse Handlungsweise als gut vorgespiegelt wird [oder Jenen], welche ihrer Leidenschaft folgen.

Es unterliegt kaum einem Zweifel, dafs sich dieser Vers auf eine Person beziehe, es läfst sich aber nicht bestimmen auf wen. Vielleicht gar auf Bahyrä. So viel aber scheint klar zu sein , dafs göttliche, übernatürliche Erleuchtung in diesem Verse der vom Teu- fel ausgehenden Verblendung gegenüber steht.

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entnommen und sogleich fielen alle seine Feinde in den Chorus ein, \velcher dem Koran zufolge lautete:

25, 5. Er (Mohammad) lehrt nur eine Lüge, die er er- funden hat und wobei ihm andere Freute halfen, welche schon früher Ungerechtigkeit und Irrlehren hier eingeführt hatten.

6. Sie (die Heiden) sagen ferner: Es sind die Asä- tyr der Alten [was er lehrt], er schreibt sie nieder ^) und sie werden ihm Morgens und Abends diktirt.

Diese wichtige Stelle ist von den Commentatoren auf die elendeste Weise verdreht worden. Ehe ich weitergehe, ist es nöthig, meine Auffassung gegen sie zu begründen. Sie schlagen folgende Deutung vor: »Er lehrt nur eine Lüge, die er erfunden hat und wobei ihm andere Leute halfen. Welche Ungerechtigkeit und Lüge hatten sie (die Makkaner) hierhergebracht [indem sie eine solche Behaup- tung machten].« Bei einer solchen Auslegung möchte man wohl ausrufen: »Welchen Unsinn haben die Exegeten hier- hergebracht, indem sie eine solche Erklärung zu geben wagten.« Das Plusquamperfectum »hatten sie hierherge bracht« taugt gar nicht für den Sinn, welchen sie der Stelle aufzwingen; aufserdem bedeutet Zur im Koran nicht Lüge oder Verläumdung, sondern h'rlehre, wie ich es er- kläre'^). Das Wort »Ungerechtigkeit« scheint die Erklä-

') Der Ausdruck des Originals ist u^Äi'L Es bedeutet „ab- schreiben" oder nach dictando schreiben, so in folgender Stelle des Kitäb alaghäniy No. 1178: q^jÄÜ Üb KäjuXI! ^^ '^^ij qJ <-\v^^ ^^^

„Labyd, der Sohn des Raby'a, erhob sich in Madyna, betete den Koran und zeichnete nach ihrem Dictando die Sura auf, welche an- fängt „al-Rahmän" und nahm sie mit sich fort."

') Vergl. besonders Kor. 22, 3i. 58, 2. 25, 72. Daher tazwyr Interpolation in einem Buche, oder auch Veränderung des Textes zum Behufe einer falschen Lehre, also eigentlich „Irrlehren begrün- den". Ich schreibe eine Stelle aus Tha'laby, Tafsyr2,100, ab, in

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rung der Exegeten zu begünstigen; denn nach unserm Sprachgebrauch küiuite man nicht sagen: Ein Irrlehrer be- ueht eine Unfferechtifi-keit; dies ist aber nach koränischem Sprachgebrauch zulässig. Es nird oft gesagt, dals die Un- gläubigen ungerecht sind, und dafs der Teufel, welcher die Menschen verführt, ungerecht ist^). Aliein ich glaube, dafs das Wort in der ursprünglichen Anwendung hier einen recht guten Sinn gäbe. Durch die Einführung der Hanyferei, d. h. der von Bahyrä ausgebrüteten Lehre, in Makka sind Familienzwiste so bedeutender Art entstanden, dafs Zayd aus der Stadt verbannt werden mufste, und endlich erhob sich Othmän, einer der Bekehrten, zum König; wenn es auch den Korayschiten gelang, ihn zu vertreiben, so litt doch ihr Handel mit Syrien darunter. Sie hatten also wohl Grund, sich über tzulm, welches Ungerechtigkeit, Grausam- keit, Unterdrückung, Schadenzufügung bedeutet, in jedem Sinne des Wortes zu beklagen.

welcher sowohl l-^joi^I als .»; in der Bedeutung vorkommen, die ich ihnen hier gebe: pL,-v/.J! ^\ lXjuoj' (J^.iaL^l vi:aj1^ ^_5iA.*Jl Jb'^

JCjiAi' ^.j_j.xxA« \^ ^ J, \j*\*) IJk^ [^Äfw L^ ^jUl:^. '2fJ^\

') Ganz dieselbe Anwendung des Wortes finden wir in Kor. 29, 45, wo die, welche die Muslimen von ihrem Glauben abwendig machen wollen, ungerecht genannt werden. Ueber die koränische Bedeutung von tzulm siehe auch Baydhäwy zu K. 6, 82.

Anhang zum dreizehnten Kapitel.

I. Wie hiefs der Lehrer?

Die Seite 359 mitgetheilte Koränstelle 28, 44 53 hat die Com- mentatoren veranlafst, Nachrichten über die Christen (?), welche mit Mohammad in Berührung kamen und seiner Lehre günstig wa- ren, zu sammeln.

Baghäwy, Tafs. 28, 52, von Ibn'Abbäs:

„Dieser Koränvers bezieht sich auf achtzig Männer ') von den Schriftbesitzern, wovon vierzig von Nagrän, zweiunddreifsig von Abes- synien und acht von Schäm waren. In Vers 53 werden sie näher beschrieben."

Baghäwy, Tafs. 28, 52, von Sa'yd b. Gobayr:

„Es kamen vierzig Männer mit Ga'far zum Propheten [nach Madyna], und als sie den Zwist sahen, dem die Moslime ausgesetzt waren, sagten sie: O Prophet, wir besitzen Vermögen, wenn du es erlaubst, so kehren wir zurück, bringen dasselbe mit und ste- hen damit den Moslimen bei. Der Prophet gab ihnen die Erlaub- nifs, und sie kehrten zurück, brachten ihr Vermögen und standen damit den Moslimen bei. Auf sie bezieht sich Koran 28, 52."

Katäda (f 117) sagt, dafs die in Süra 28 angedeuteten Christen acht Syrer waren, welche sammt zweiundfunfzig Abessyniern mit Abu Ga'far nach Madyna kamen, um dem Propheten ihre Aufwar- tung zu machen. Mokätil (f vor 150) theilt die Namen dieser acht Männer mit. Sie heifsen: Abraha, Idrys (Darys?), Aschraf, Ayman, Bahyrä, Thomäm, Tamym und Näfi'. Nach Sa'yd b. Gobayr (f 95) aber sind in dieser Stelle die Abessynier zu verstehen, welche den Islam annahmen. Sie waren Unterthanen des Naggäschy und spra-

') Bei Tha'laby, Tafsyr2, 115, lautet diese Tradition etwas verschieden: Ibn'Abbäs sagt, diese Worte beziehen sich auf die Männer, welche mit Ga'far zur See zu dem Propheten kamen. Es waren ihrer vierzig, nämlich zwei und dreifsig Abessynier und acht syrische Asceten (Rahib), darunter BahjTä.

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chen zu diesem: „Erlaube uns, zu diesem Propheten zu gehen, den wir in unserm Buch (Bibel) erwähnt finden. Sie gingen zu ihm und fochten mit ihm bei Ohod."

Die Exegeten beziehen einstimmig diese Koränstelle auf einen Vorfall, welcher sich mehrere Jahre später in Madyna ereignet hat und betrachten somit die Stelle selbst als madynisch. Allein sie steht in einer makkanischen Süra und erweist sich auch durch den Inhalt als makkanisch: die Bekehrten werden wegen ihrer Ausdauer unter Verfolgungen und Drangsalen als Beispiel zur Nachahmung für die übrigen Moslirae hervorgehoben. In Makka hatten die Mos- lime allerdings schwere Prüfungen zu ertragen, in Madyna aber sind sie nicht verfolgt worden, sondern haben Andere, namentlich die Juden, verfolgt.

An eine andere Koränstelle, welche ich hier mittheile, knüpften die Exegeten fernere Nachrichten über diesen Gegenstand:

5, 85. Du findest keine gröfsern Feinde der Rechtgläubigen als die Juden und Heiden. Am geneigtesten und liebevollsten gegen sie scheinen diejenigen zu sein, welche sagen: Wir sind Na^ärä (Chri- sten)'). Die Ursache davon ist, dafs sich unter ihnen Priester und Asceten (Mönche?) befinden und sie nicht hochmüthig sind.

86. Wenn sie hören, was dem Gottgesandten geoffenbart wor- den ist, so siehst du ihre Augen in Thränen schwimmen, weil sie einen Begriff von der Wahrheit haben. Sie rufen aus: Herr, wir glauben; verzeichne unsere Namen unter diejenigen, welche Zeug- nifs [für diese Lehre] ablegen.

87. Warum sollen wir nicht an Allah und an das, was uns von der Wahrheit mitgetheilt worden ist, glauben? Wir wünschen, dafs unser Herr uns in die Reihen der Gottseligen einführe.

88. Allah hat sie auch für das, was sie gesagt haben, mit dem Paradiese belohnt, das von Flüssen durchschnitten wird und in dem sie ewig wohnen werden. Dieses ist der Lohn der Guten. Die Ungläubigen aber, welche unsere Zeichen als Trug erklären, fallen der Hölle anheim,

Wähidy, Asbäb 5, 86:

„Einige erzählen: Ga'far kam von Abessynien zurück und war von siebzig Männern begleitet, welche der Naggäschy zum Prophe- ten sandte, um ihn zu beehren. Sie waren in Wolle gekleidet und zweiundsechzig waren von Abessynien und acht von Syrien. Die letz- tern sind der Rähib Bahyrä, Ibrähym, Idrys (Darys?), Aschraf, Tho-

') Der Ausdruck ^welche sagen wir sind Na9ära" kommt zwar in K. 5, i7 in einem Verdammungsurtheil vor, dennoch ist es möglich, dafs Mohammad damit eine Sekte von Büfsem meint, welche eigentlich nicht zu den Christen gehörte.

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mäm, Kothani (in einem andern Codex Kasym), Dorayd •) und al- Ayman. Der Prophet las ihnen die Süra Yäsyn vor. Sie weinten vor Rührung und erklärten, dafs Nichts den Offenbarungen, die Je- sus erhalten hat, ähnlicher sein könne."

Wahidy, Asbäb 5,86, von 'Alyy b. Gady, von Schorayk, von Sälim, von Sa yd b. Gobayr:

„Der Naggäschy sandte die ausgezeichnetsten seiner Leute an den Propheten, nämlich dreifsig Männer; und der Prophet las ihnen die Siira Yäsyn vor, Sie weinten vor Rührung. Darauf wurde in Bezug auf sie Kor. 5, s6 geoifenbart. "

Die Koränstelle mag um das Jahr 624 geoffenbart worden sein. Aus Vers 88 möchte man fast schliefsen, dafs einige von den Chri- sten, auf deren Zeugnifs Mohammad sich bezieht, schon todt waren. Der Gebrauch der Tempora im Koran ist jedoch zu unbestimmt, als dafs wir in diesem Falle einen Schlufs darauf bauen dürften. Die Tradition des Sa yd b. Gobayr, welche ich zuletzt angeführt habe, bezieht sich deutlich auf einen in Makka stattgehabten Besuch, und wenn sie auch hier zur Erklärung eines madynischen Verses angewendet wird, so citirt sie doch Baghawy, siehe S. 378 oben, freilich in einer verdorbenen Form zu einer makkanischen Sura.

Ihn Ishak, S. 359, giebt uns Nachricht von ungefähr zwanzig Christen, welche, als sie gehört hatten , dafs in Makka ein Prophet aufgestanden sei, ihn daselbst besuchten. Er berichtet, einige Ge- lehrte hielten dafür, dafs sie nicht von Abessynien, sondern von der arabischen Stadt Nagräu kamen. Auch er bezieht auf ihren Besuch die madynische Koränstelle 5,85 88, und man sieht, wie früh die Verse des heiligen Buches ohne Rücksicht auf Chronologie erklärt und als Beweise benutzt wurden.

Mit gröfserer Bestimmtheit spricht Bochäry, S. 511 (von 'Abd al-'Azyz b. (^ohayb, von Anas), von einem christlichen Renegaten:

„Es war ein Christ, welcher sich zum Islam bekehrt hatte und Süra 2 und 3 las und für den Propheten zu schreiben pflegte und zum Christenthum zurückkehrte. Dieser sagte: Mohammad weifs Nichts, als was ich für ihn geschrieben habe. Er starb; man be- grub ihn und die Erde warf ihn aus."

Vielleicht war dies ein Judenchrist, welcher den Mohammad deswegen verlassen hat, weil dieser in der zweiten und dritten Süra

') lXj.O ist wohl ein Schreibfehler für _j.- Zorayr. Unter diesen acht Männern sind vier, welche wir aus der Bah3-rä - Legende kennen (vergl. Bd. I S. 187), nämlich Bahyrä, Darys, Thomäm und ZorajT. Dort werden aber nicht alle Namen aufgezählt, denn nach Tradit. 5 in Anhang 3 zu Kapitel 2 Bd. I S. 182 waren dort aufser BahjTä sieben Männer, welche Mohammad anerkannten.

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seine judenchristlichen Ansichten widerrief. Wenn er aber erklärt, dafs Mohammad nur so viel wisse, als er für ihn geschrieben habe, so können unter dem Geschriebenen unmöglich blofs die Offenba- rungen zu verstehen sein, denn dies wäre ja kein Vorwurf, weil Mohammad selbst sagte, dafs er nur so viel wisse, als ihm geoffen- bart werde.

Isma'yl b. Ahmad Dharyr (bei I^äba Bd. 1 S. 24) sagt in sei- nem Koräncommentar, dafs einer von den Christen, welche in Ko- ran 5, 85 88 angedeutet werden, Abraha der Abessynier sei.

Er ist ganz gewifs identisch mit dem Abraha, welchen Fäkihy in seiner Geschichte von Makka nennt mit den Worten: „Unter de- nen, welche zu Makka lebten, ist Abraha b. al-Qabäh zu nennen. Man sagt, er sei ein Himyarite oder Abessynier gewesen. Er be- kehrte sich zum Islam und nahm keine Gefälligkeiten an, um nicht dadurch Verbindlichkeiten auf sich zu bürden ')."

Auch Ibn Kalby nennt ihn und sagt, dafs er ein Fürst von Ti- häraa (der arabischen Küste) war und dafs seine Mutter eine Toch- ter des Abraha al -Aschram gewesen sei, welcher [A. D. 570] einen Kriegszug gegen die Ka'ba unternommen hatte.

Rischäty (f 542) endlich, welcher meistens den Ibn Sa'd ab- schreibt, giebt in seiner Genealogie der Begleiter des Propheten fol- genden Stammbaum von ihm (der wohl erlogen ist): „Abraha b. Scha- rahyl b. Abraha Ibn al-Gabäh b. Scharahyl b. Lahy a b. Muryd al- chayr b. Nakyf b. Scharahyl b. Ma'dykarib b. Mo^bih b. Amr b. Dzy Asbah *) Acbahy Himyary. Und er setzt hinzu: „Er machte dem Propheten seine Aufwartung und breitete seinen Mantel vor ihn aus. Er war in Syrien gewesen und wird unter die Weisen (oder Schieds- richter) gezählt."

Die Geschichte von der Ausbreitung des Mantels vor Moham- mad wird in denselben Worten von vielen arabischen Häuptlingen erzählt. Sie mag sich also einmal oder mehreremal oder nie zuge- tragen haben. Rischäty berichtet auch von Abraha's Sohn, Abu Schimr, dafs er dem Propheten seine Aufwartung gemacht habe, wir müssen es also auch dahin gestellt sein lassen, ob einer, ob beide oder keiner seine Aufwartung gemacht habe. Das sind solche Gemein- plätze, die von jedem bedeutenden Mann jener Zeit, von dem man

') l9äba Bd. 1 S. 24. Es ist ein Druckfehler in dieser Stelle. Der Name des Abraha soll nämlich zwischen „Makka" und „yokäl" stehen.

*) Wenn der Verfasser der Icäba vier Abraha aus Einem macht, so ist dies einer zu grofsen Aengstlichkeit zuzuschreiben. Dafs No. 14 und 15 iden- tisch sind, läfst sich aus seinem Artikel „Abu Schimr" beweisen; denn er sagt dort, dafs auch Abu Schimr's Genealogie, den er Bd. 1 S. 24 zum Sohne Abraha's No. 15 macht, von Dzu A9bah abgeleitet wird, wie die des Abraha No. 14.

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nichts anderes zu sagen hat, erzählt werden. Das Uebrige, was er über ihn mittheilt, hat mehr Individualität .und wird mehr oder we- niger durch die früher erwähnten Stellen bestätigt.

Abraha's Name wäre wahrscheinlich ganz in Vergessenheit ge- rathen, oder wie der seines Kollegen Bahyra in die Legendenge- schichte verwiesen worden, wenn er nicht einen Sohn hinterlassen hätte, der sich während der Eroberungs- und Bürgerkriege auszeich- nete. Er hiefs Abu Schimr, heirathete eine Tochter des Abu Musä Asch'ary, nahm A. H. 31 an den Feldzug gegen die Perser Theil und verlor ein Auge; dann begab er sich mit Ibn Aby Hodzayfa zu Mo äwiya als Geifsel und wurde eingekerkert, liefs sich aber nicht festhalten. Er fiel endlich in der Schlacht bei Qiffyn, in welcher er auf der Seite des Alyy focht.

Es wird noch ein anderer Sohn des Abraha erwähnt, Namens Karyb. In der l9äba heifst er Karyb b. Abraha b. Qabäh b. Marthad b. Moknif Abu Rischdyn, ein Abkömmling des Dzu-A^bah. Nach Ibn Kalby soll er unter Mo'awiya der Chef der in Syrien lebenden Himyariten gewesen sein und bei Qiflyn gefochten haben. Nach Ibn Yünos hat er an der Eroberung von Egypten Theil genommen und es ist ihm in Hyra ein Theil der Stadt als Eigenthum angewiesen wor- den, in welchem sein Schlofs noch nach A. H. 300 stand. Unter 'Abd al-'Azyz b. Marwän und dessen Sohne (?) commandirte er die Grenz - Garnison von Freiwilligen (Ribät) zu Alexandrien. Einst machte er dem Abd al-'Azyz seine Aufwartung und es begleitete ihn eine Truppe von 500 Reitern, darunter 70 Himyariten. Er starb A. H. 75 oder 78.

Auch im Tadzhyb, B. 3, und in dem Takryb, S. 309, wird er Karyb b. Aby Moslim Abu Rischdyn genannt, und es wird gesagt, dafs er aus Madyna und ein Client des Ibn 'Abbäs war und deswe- gen Häschimite genannt wurde. Er war vor 'OthmänsTod geboren worden und starb zu Madyna im J. 98. Zohayr b. Mo äwiya (geb. im J. 100, tl73) erzählt: „'Okba b. Müsä hat gesagt, dafs Karyb bei ihm eine Kameellast (nach einer andern Angabe eine halbe Ka- mellast) Schriften des Ibn 'Abbäs (fGS) hinterlegt habe. So oft 'Alyy (tll3), der Sohn des Ibn 'Abbäs, ein Buch bedurfte, schrieb er an Karyb: Schicke mir diese oder jene Rolle. Er schrieb sie dann ab und sandte ihm entweder das Original oder die Abschrift.**

Die Jahreszahlen dieser Stelle, welche vollkommen authentisch ist, beweisen, dafs Karyb nicht im J. 78, sondern im J. 98 (A. D. 716—717) gestorben sei. ij_-:X>Mi ist ein Schreibfehler für (jyt**o". Wenn man nun bedenkt, dafs Abraha schon im J. 618 blühte, so kann Karyb nicht der Sohn des Abraha gewesen sein, und wenn er von ihm abstammte, so mag sein Vater Abu Moslim ein Sohn des Abraha gewesen sein, er aber war sein Enkel. Die Vergleichung

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der Data ergiebt ferner, dafs die Tbaten des Vaters und Sohnes in eine Biographie verschmolzen wurden, wenn nicht gar von ganz verschiedenen Individuen die Rede ist.

In der IrAba kommt noch ein Karyb Ihn Qabäh Himyary vor, welcher bei (^"itfyn auf der Seite des Mo'awiya kämpfte und im Zweikampfe gegen Alyy fiel, nachdem er zwei Männer erlegt hatte.

Schon oben erscheint „Ibn (^abäh" als Familienname des Abraha Wenn man nun annimmt, dafs dieser Karyb b. Cabäh ein Sohn des Abraha war und auch Abu Moslim (Vater des Moslim) geheifsen wurde, und dafs der im J. 98 verstorbene Karyb sein Sohn war, also Karyb b. Karyb [Aby Moslim] b. Abraha Ibn Cabäh hiefs, so wäre die Verwechselung aufgeklärt und alle Schwierigkeit gelöst.

Diese hochgestellten Nachkommen des Abraha haben das Ge- dächtnifs an die Verdienste ihres Stammvaters für den Islam leben- dig erhalten bis zum Anbruch der historischen Zeit.

Wenn wir nun zugleich mit dieser Nachricht über Abraha und seine Gefährten auch das berücksichtigen, was über den christlichen Einflufs gesagt worden ist, so kommen wir zu dem Schlufs, dafs sich kürzere oder längere Zeit Christen in Makka aufhielten, welche in einem engen Verhältnifs zu Mohammad standen, dafs sie sich, als die Verfolgungen sehr heftig wurden, nach Abessynien zurückzogen, aber später von dort aus den Propheten besuchten. Sie mochten Moham- mad zu ihren eigenen Zwecken zu benutzen gesucht, und da es ihnen nicht gelang, ihn verlassen haben. Indessen ist es wenigstens von Einigen unter ihnen von Abraha kann man es mit Bestimmtheit annehmen gewifs, dafs sie dessen Anhänger blieben. Ueberhaupt aber waren die Christen bis 629 den Neuerungen des Mohammad hold und beschützten die Gläubigen. Welcher Sekte Abraha ange- hörte, läfst sich nicht ermitteln, vielleicht hätte er, wenn er ein Qä- bier gewesen wäre, Ibrähym geheifsen. Der Name Abraha kommt in Yaman unter den Abessyniern vor.

Der andere von den Exegeten genannte Name, der auch sonst noch erwähnt wird, ist der des Bahyrä '). Mas'üdy, eng!. Uebers. S. 149, sagt: „Bahyrä war ein Christ und derselbe, welcher in christ-

I

') Bahyr ist ein Personennamen, -welcher im Arabischen nicht selten vor- kommt. Der Verfasser des Kamüs sagt, dafs vier Begleiter des Propheten und ebenso viele Täbier ihn trugen ; aufserdem gab es noch Traditionisten dieses Na- mens. Bahyrä ist die nabathäische (emphatische) Form desselben Namens. Wir finden diese Form auch in Zalychä und Ibn Kamyta, ersteres ist der Name der Geliebten des Joseph von Egypten und letzteres der eines 9äbischen Astronomen, welcher der Lehrer des Thäbit b. Korra war. Bahyrä bedeutet im Arabischen eine Kameeistute, welche von der Arbeit des Lebens befreit ist. Vielleicht nannte man BahjTä (wie im Pers. Äzäd) einen Mann, der die Sorgen des Lebens von sich weist, ein Ascet und frei ist.

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liehen Schriften Sergius genannt wird '). Er gehörte dem Stamme Abd al-Kays an." Die christh'chen (byzantinischen) Geschicht- schreiber geben eine stereotype Nachricht über Mohammad, welche zuerst in den Annalen eines Zeitgenossen Karl des Grofsen enthalten ist und in folgenden Worten von Cedrenus (Bas. 1566, S. 347) nach- erzählt wird: .„Da aber Mohammad von bösen Geistern geplagt wurde nnd an der fallenden Sucht litt, beruhigte er seine Frau, welche, da sie, eine vornehme Dame, sich mit einem armen, beses- senen Manne ehelich verbunden sah, überaus betrübt war, indem er ihr vorredete, er falle beim Anblick des Engels Gabriel, welcher sich ihm zeigte, nieder. Ein Mönch, welcher wegen Schlechtgläubig- keit verwiesen worden war und dort lebte, war ein Freund der Frau. Sie erzählte ihm die ganze Geschichte und nannte auch den Namen des Engels. Dieser Mönch befestigte die Frau in ihrem Glauben und sagte, Mohammad spreche die Wahrheit und jener Engel werde zu allen Propheten geschickt. Die Frau schenkte den Worten dieses betrügerischen Mönches Glauben und theilte die Neuigkeit auch an- dern Frauen ihres Stammes mit, von welchen sie die Männer er- fuhren."

Ich habe meine im vierten Kapitel niedergelegten Forschungen in Ländern angestellt, wo mir die Byzantiner nicht zugänglich wa- ren , und bin zu den daselbst ausgesprochenen Resultaten gelangt, ohne ihren Bericht zu kennen; es gewährt mir daher grofse Befrie- digung, dafs ich fast ganz mit ihnen übereinstimme. Ich zweifle nicht, dafs ihre Nachricht diejenigen Anschauungen enthält, welche allgemein unter den orientalischen Christen anerkannt waren, und dafs sich Masüdy's Worte auf selbe beziehen. Den Christen zu- folge ist Bahyra, zwar ein Mönch *), aber der Prophet findet ihn nicht zu Ba^ra, sondern in Makka. Auch moslimische Quellen be- stätigen diese Angabe.

') Unter den Zeitgenossen des Propheten finden wir keinen Sargis (Sergiu»), wohl ader einen 'Abd Allah b. Sargis, welcher sein Sohn gewesen sein mag. In der l9äba wird gesagt, er war ein Mazanite und ein Verbündeter der Familie Machzüm. Dem Bochäry zufolge liefs 'Abd Allah sich in Ba^ra nieder und hatte den Propheten gekannt. Nach 'Ä^im al-Ahwal hatte er den Propheten wohl gesehen, war aber zu jung, als dafs man ihn unter dessen Gefährten zäli- len könnte; Andere widersprechen dieser Behauptung und zählen ihn unter die Gefährten. Er hat Traditionen überliefert, wovon Moslim einige in seine Samm- lung aufgenommen hat.

^) Bei uns hat Mönch eine sehr beschränkte Bedeutung, und diese Be- zeichnung wäre auf einen judenchristlichen Asceten nicht anwendbar. Unter- dessen etymologisch heifst es Einsiedler und nicht Coenobit, Klösterer, und es mag bei den Byzantinern in einem weitern und der Etymologie entsprechendem Sinne gebraucht worden sein als bei uns.

II. 25

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Sohayly (vergl. Zeitschr. d. d. m. Gesellsch. Bd. 7 S. 414) sagt:

^Chadyga, die Tochter des Chowaylid, wurde, wie erzählt wird, im Heidenthum wie im Islam die Reine genannt. In der Prophe- tenbiographie des Taymy ') steht, dafs man sie die Herrin der Kn- rayschiten -Frauen nannte, und ebendaselbst wird Folgendes erzählt: Als ihr der gesegnete Prophet von Gabriel Kunde gab, dessen Name sie früher nie gehcirt hatte, ritt sie auf einem Kameel zu BaliyrA, dem Rahib, und fragte ihn über Gabriel an."

Dies ist nicht etwa eine vereinzelte Angabe, die auf einer Ver- wechselung oder einem andern Versehen beruhen könnte. Wir fin- den sie auch in der Icäba (unter Addäs), und dort wird die Bürg- schaft des Ibn Manda, des Ihn Ayidz, welcher sie in seinem Ma- ghaziy vs^eitläufig erzählt-), und des Müsä b. 'Okba angeführt. Lei- der hat uns der Verfasser der Icäba nur den unvollständigsten Text, den des Ibn Manda, aufbewahrt. Er lautet:

„Als Mohammad erschrocken von Hirä zurückkam, sagte Cha- dyga zu ihm: Sei frohen Muthes; du bist der Prophet dieser Na- tion, dies habe ich schon, ehe ich dich heirathete , von meinem Sklaven Nä^ih und von Bahyrä, dem Rähib, gehört. Darauf ging sie zum Rähib und dieser sagte zu ihr: Gabriel ist der Vertraute Got- tes und der Bote, den er an die Propheten schickt, und von ihm begab sie sich zu einem christlichen Sklaven, Namens 'Addäs, wel- cher den Söhnen des Raby a angehörte, und dann besuchte sie den Waraka etc."

Im Rawdhat al-ahbäb, S. 95, ist eine Stelle, in welcher ein Bahyrä als der Vater des 'Addäs genannt wird.

In allen bisher angefühten Quellen wird Bahyrä Christ und Mönch genannt. Die Ursache ist wohl, dafs sein Titel Rähib, wel- cher gewöhnlich Mönch bedeutet, aber im Sinne von Ascet hätte auf- gefafst werden sollen '), schon früh mifsverstanden worden ist.

Zohry •*) jedoch, welcher A. H. 125 = 743 starb, berichtet, dafs

') Solaymän Taj-my starb A. H. 146 = A. D. 763. Er hinterliefs eine Bio- graphie des Propheten, von welcher ein Fragment erhalten und von A. v. Krenier in Calcutta veröffentlicht worden ist.

^) Er giebt auch die Isnäd an: von 'Othniän b. 'Ata, von seinem Vater, von 'Ikrima, von Ibn'Abbäs.

3) Vergl. die Note Bd. I S. 178.

*) I^äba Bd. 1 S. 357; „Es wird in einigen Sammlungen von Traditio- nen auf die Auktorität des Zohry erzählt." Sohayly, Bibl. Spreng. No. 102 S. 23, und Cod. der Asiat. Ges. von Bengalen No. 284 und Nur alnibräs S. 145 : «Es steht in der Prophetenbiographie des Zohry geschrieben." Auch im'Oyiin al-athar (vergl. Journ. As. Soc. B. 20 S. 395 und Hägiy Chalyfa, unter Siyar) wird behauptet, dafs Zohry eine Prophetenbiographie hinterlassen habe. Ich be- zweifle es und glaube, dafs der Gelehrte Sohayly sich auf einen Mosnad des Zohry, d. h. auf eine später gemachte Sammlung der Traditionen des Zohry berufe, wo-

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Bahyrä ein Jude aus Taymä war. Da er ein Qäbier oder Juden- christ war, ist beides richtig '); aber es ist ganz im Geiste der spä- tem Kritik, wenn neuere Quellen den Widerspruch auszugleichen suchen, indem sie sagen: er war ein zum Christcnthum bekehrter Jude. Tayma, wie auch die Städte südlich davon bis Madyna, wa- ren wohl grofsentheils von Juden bewohnt, von denen viele der ju- denchristlichen Sekte angehören mochten. Aus Taymä war auch der Bd. I S. 457 in der Bekehrungsgeschichte des 'Anbasa erwähnte Rahib ').

Der Glaube (im Gegensatz zur Wissenschaft) besitzt eine un- glaubliche Verdauungs- und Assimilationskraft. Was haben die Lanas in Tibet, die Brahmanen in Benares und die Päbste und Kardinäle nicht alles verzehrt und verdaut! und welche heterogene Elemente hat der Glaube nicht assimilirt, um sich daran zu erbauen! Für ihn sind Wunder und Fabeln woher sie auch immer kommen mö- gen — was Zuckerbäckereien für Kinder sind. Um dieses anschau- lich zu machen, beschränke ich mich auf ein bekanntes Beispiel: Hufs wurde verbrannt, aber sein Name lebte im Munde des böhmi- schen Volkes fort. Obwohl er ein Ketzer war, wurde doch seine Standhaftigkeit und seine Tugend von der gottlosen Nachwelt be- wundert. Was war nun zu thun, um diese Erinnerungen los zu werden? Sie werden alle einem neuen Heiligen zugeschrieben. Aus

von ein Buch die Aufschrift Siyar „Propheteubiographie" hatte. Der Verfasser der I^äba, welcher wahrscheinlich diesen Mosnad, den Andere benutzten, niclit kannte, fand diese Tradition in andern Sammlungen ; wir haben somit eine dop- pelte Garantie, dafs die Tradition von Zohry herrühre.

') Auf ähnliche Art wird von Abu Fokayha Yasär (welchen eventuell Abu Bakr aus der Sklaverei loskaufte, um ihn von den Qualen, die er des Glaubens wegen zu dulden hatte, zu befreien) gesagt, dafs er ein Christ war, und den Pentateuch und das Evangelium zu lesen pflegte. Einer andern Nachricht zu- folge aber war er ein Jude (Baghawy zu 41,44). Bezüglich seines Ursprungs wird behauptet, dafs er ein Azdite oder Asch'arier gewesen sei, also aus dem südlichen Arabien kam. Nasafy, Tafs. 25, 5, jedoch hält ihn für einen Rümer.

Auch Waraka hat sich nach einigeu Angaben nicht zum Christenthume, sondern zum Judenthume bekehrt.

^) In Ibn Aby Schayba's Version der Bekehrungsgeschiclite des Salmän kommt auch Taymä vor. Salmän , ein schlauer Perser , hatte das Unglück in Madjaia als Sklave zu schmachten als Mohammad als Prophet dahin kam. Er benutzte diese Gelegenheit, um seine Freiheit zu erlangen und ein grofser Mann zu werden; er erfand zu diesem Zwecke eine sehr erbauliche Autobiographie, die am vollständigsten bei Ibn Ishäk zu lesen ist. Salmän suchte schon früh die wahre Religion und wurde von Peter an Paul gewiesen; ein heiliger Mann in Jerusalem sagte ihm, dafs im Lande von Taymä ein Mann aufgestanden sei, der die wahre Religion lehre.

Wie im Text steht, ist Mohammad unter diesem Mann von Taymä zu ver- stehen, aber es ist gar kein Grund vorhanden, warum er so genannt werden soll. Vielleicht hiefs es in einer älteren Version, Salmän habe den Mann von Taymä aufgesucht und sei von diesem an Mol^ammad gewiesen worden.

25*

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den Thaten und dem Ruhme des Haeresiarchen verfertigte man den Heiligenschein für .Johannes von Nepomuk; Rom canonisirte ihn und die Präger bauten ihm ein Denkmal auf der Moldau -Brücke und das Volk war durch die Erinnerungen an die Vergangenheit nicht län- ger skandalisirt, sondern erbaut.

Die Geschichte des Lehrers des Mohammad mag ein ähnliches Schicksal gehabt haben. Wir haben gesehen, dafs sich im ersten Jahrhundert aus einem Bedürfnisse des Glaubens eine Legende ent- wickelte, welcher zufolge ein Rähib (Ascet) in Mohammad den künf- tigen Gesandten Gottes erkannte. Der Name dieses frommen Man- nes wird nicht genannt. Die eine Legende löste sich im Verlaufe der Zeit in zwei auf, wovon eine in der Jugend, die andere im Man- nesalter des Propheten spielt, und nun erhält der Ascet, welcher bis- her anonym gewesen war, einen Namen. In der Jugendlegende heifst er Bahyrä, in der andern Nestor. Es ist Bd. I S. 189 be- merkt worden, dafs Bahyrä erst nach Nestor in die Legende kam. Die Ursache liegt auf der Hand: sein jüdischer Ursprung mufste zuerst vergessen werden und er mufste allgemein für einen ortho- doxen Christen gelten. Als er aber einmal Christ war, wurde er von den Exegeten bei jeder Gelegenheit, wo von Christen, welche an Mohammad glaubten, die Rede war, in die Liste der Gläubigen aufgenommen.

Ehe ich die Bemerkungen über die Lehrer des Mohammad schliefse, will ich noch ein paar Notizen über andere Männer, wel- che genannt werden, einschalten.

Baghawy bemerkt zu Kor. 16, los , wo gesagt wird, dafs die Feinde dem Mohammad vorwerfen, er lasse sich von einem Manne unterrichten: „Die Exegeten stimmen über den Mann, welcher ge- meint ist, nicht überein; Ibn 'Abbäs berichtet, dafs ein junger Mensch, ein Christ Namens Bileäm, zu Makka war, welchen der Prophet oft besuchte. 'Ikrima behauptet, dafs der Gottgesandte sich von einem den Banü Moghyra angehörigen Sklaven, welcher die Bücher zu lesen pflegte, dieselben vorlesen liefs, weswegen die Korayschiten ihm den Vorwurf machten, er lasse sich von dem Sklaven unterrichten. Farrä sagt: die Ungläubigen gaben vor, dafs ihn der dem Howaytib b. 'Abd al-'Ozzä angehörige Sklave 'Asch (bei Baydhawy ' Ayischa) unterrichtete ; dieser Sklave hatte sich zum Islam bekehrt und war ein guter Moslim. Ibn Ishäk theilt uns mit, dafs Mohammad oft am Hügel Marwa bei Gabr safs. Dieser war ein christlicher Sklave aus Rum, welcher einem der Söhne des Ha- dhramy angehörte und die Bücher zu lesen pflegte. 'Abd Allah b. Moslim Hadhraray erzählt: Wir hatten zwei Sklaven aus 'Ayn Thamr, der eine hiefs Abu Fokayha Yasär und der andere Gabr. Sie fa-

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brizirten Säbel in Makka und lasen den Pentateucb und das Evan- gelium. Der Prophet ging nuanchesnial, wenn sie den Pentateucb lasen, bei ihnen vorüber und blieb stehen, um zuzuhören. Dhühhak lügt hinzu: Wenn die Ungläubigen den Propheten quälten, setzte er sich zu diesen zwei Männern, um an ihren Worten Ruhe zu finden. Seine Widersacher sagten daher, er läfst sich von ihnen unterrich- ten." Nach Wäkidj, S. 68, hiefs der Lehrer Ihn Kanimata.

Baghawy zu 25, 5. „Mogähid sagt, dafs man glaubte, es hel- fen dem Propheten in der Verfassung des Korans die Juden; Ha- san [Ba^ry] nennt den Abessynier "Obayd al-Chidhr, welcher ein Kclhin war, Andere sagen: Die Ungläubigen waren der Meinung, er sei von Gabr, Yasär und 'Addäs, welche den Schriftbesitzern ange- hörten und Sklaven zu Makka waren, unterrichtet worden."

Nach Baghawy 25, 6 glaubten die Makkaner auch, dafs die drei Letztgenannten für Mohammad die Asätyr abschrieben

Unter den hier genannten Namen mögen einige von Exegeten, welche die Wahrheit nicht sagen wollten , erfunden worden sein, andere jedoch sind gewifs historisch. Unter den letztern ist der des 'Addäs von einigem Interesse. Ihn 'Okba (in seiner Biographie des Muhammad, angeführt in der I(jäba) läfst jenen zu Chadyga, als sie zu ihm kam, um seine Ansicht über das Gesicht ihres Mannes zu vernehmen, sagen: Was er gesehen hat, ist der Betraute zwischen Gott und seinem Propheten und Mohammad ist der Genosse des Moses und Jesus.

Es sind aber nicht die direkten Zeugnisse, welche uns den 'Ad- däs wichtig erscheinen lassen, sondern eine recht plumpe Mystifika- tion, welche wir bei Ibn Ishäk (S. 281) und etwas vollständiger bei Sohayly (aus Taymy) finden:

„'Addäs überreichte dem Propheten Trauben. Als Mohammad zu essen anfing, sprach er: im Namen Gottes. 'Addäs sah ihm in's Gesicht und sagte: die Worte, welche du gesprochen, sind unter den Leuten hier nicht gebräuchlich. Mohammad fragte ihn: Woher bist du und welche Religion hast du? 'Addäs antwortete: Ich bin von Ninive und Christ. Du bist also von der Stadt des frommen Man- nes Jonas, des Sohnes des Mattä. Wie, fiel ihm 'Addäs in's Wort, du weifst von Mattä? als ich Ninive verliefs, gab es nicht zehn Leute daselbst, welche seinen Namen wufsten. Wie hast du von ihm ge- hört, da du doch ein ummy (Heide) bist und unter einer heidnischen Gemeinde (umma ummyya) lebst? ^Mohammad antwortete: Er ist mein Bruder; denn auch ich bin ein Prophet, Darauf küfste ihm 'Addäs den Kopf, die Hände und die Füfse."

Diese Scene hat sich im Juli 010, nachdem Mohammad schon sieben Jahre durch seine neue Lehre die Stadt in Aufregung erhal-

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teil hatte, zugetragen und doch hatte 'Addäs noch nichts von ihm gehörti Diese Geschichte ist nicht ohne Grund erfunden.

II. Asätyr alawwalyn, d. h. die Märchen der Alten.

Der Ausdruck, welcher die Aufschrift dieses Excursus bildet, konjint neun Mal im Koran vor. Ich glaube, dafs es der Titel des Buches sei, aus dem Mohammad die Erzählungen, die er als Offen- barungen ausgab, entnommen hat, oder überhaupt Apokrypha be- deute. Um den Leser in den Stand zu setzen, ein Urtheil über diese Frage zu bilden, gebe ich nicht nur meine Gründe an, sondern stelle vorerst die wenigen darauf bezüglichen Koränstellen, welche wir nicht schon kennen, zusammen.

Ich wiederhole eine Stelle von S. 127 oben, welche sich durch ihre Deutlichkeit auszeichnet und von der wir ungefähr wissen, wann sie geoffenbart worden ist. Sie fällt noch in die zweite Strafperiode, während die nächsten zwei in den Uebergang zur dritten und die letztere tief in die dritte zu versetzen sind.

8, 31. Wenn ihnen unsere Zeichen ( Koran verse) vorgelesen wer- den, so sagen sie: Wir haben dies schon gehört und wenn wir wol- len, so können wir etwas Aehnliches sagen, denn dies ist nichts als die Asätyr der Alten (alawwalyn).

Nach Erzählung der Geschichte des Salomo und der Königin von Scheba nach jüdischen Quellen wiederholt er einige Straflegenden, wovon die letzte im vorigen Bande S. 494 einen Platz gefunden hat, dann fügt er noch hinzu:

27, 60. Sprich : Alles Lob dem Allah und Heil seinen Dienern, die er auserwählt hat! [Frage die Heiden:] Ist Allah besser oder die Wesen, welche ihr ihm beigesellt?

61. Jener Allah nämlich, welcher die Himmel und die Erde erschaffen hat und euch vom Firmamente Wasser herabsendet, wo- durch wir ergötzliche Gärten wachsen lassen, deren Bäume ihr nicht wachsen machen könntet. Giebt es wohl einen GottTneben Allah? Allein sie sind Leute, welche davon abgehen.

62 Jener Allah, welcher die Erde zum Festland gebildet, dar- auf Bäche fliefsen läfst und Berge gesetzt hat und die beiden Meere (d. h. den Behälter des süfsen und salzigen"; Wassers) durch eine Scheidewand getrennt hält. Giebt es wohPeinen Gott neben Allah? Allein die meisten von ihnen wissen nichts

63. Jener Allah, welcher den Bedrückten, wenn er ihn anruft, erhört und das Uebel von ihm wegnimmt und euch zu Erben der

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Erde macht. Giebt es wohl einen Gott neben Allah? Ihr den- ket wenig nach!

64. Jener Allah, welcher euch in den Finsternissen des Fest- landes und Meeres leitet und welcher den Wind sendet als Boten der Gnade (des Regens), der er vorangeht, Giebt es wohl einen Gott neben Allah? Erhaben ist er über das, was sie ihm beige- sellen !

63. Jener Allah, welcher die Schöpfung hervorruft und dann wieder zurückkehren macht, und welcher euch nähret durch die Ga- ben des Himmels und der Erde. Giebt es wohl einen Gott neben Allah? Sage: Her mit euren Beweisen, wenn ihr Recht habt!

66. Sprich: Niemand in den Himmeln und auf Erden weifs, was geheim ist, ausgenommen Allah. Sie wissen nicht,

67. wann sie [vom Tode] auferweckt werden.

68. Aber erstreckt sich ihr Wissen auch auf das Jenseits? Nein, sie sind im Zweifel darüber, nein, sie schliefsen die Augen dagegen.

69. Die Ungläubigen sagen daher: Wie, wenn wir Staub sind wie auch unsere Väter, werden wir hervoi'gerufen werden [aus den Gräbern]?

70. Dieses ist unsern Vätern schon gedroht worden. Das ist nichts Anderes als die Asatyr der Alten.

In Sura 1 6 steht eine andere Bearbeitung dieser Inspiration ; er zählt die Wunder der Schöpfung auf, um die Einheit Gottes zu be- weisen, und fährt dann fort:

16,20. Die Wesen, welche ihr neben Allah anbetet, erschaffen nichts, sondern sie werden erschaffen;

21. sie sind todt und nicht lebendig und sie (die Menschen oder die Götzen?) wissen nicht,

22. wann sie auferweckt werden.

23. Euer Gott ist Ein Gott; aber die Herzen derjenigen, wel- che nicht an das Jenseits glauben, sind verstockt und sie sind über- müthig [deswegen erkennen sie diese Wahrheit nicht].

25. Aber er liebt die Uebermüthigen nicht.

26. Als man ihnen vortrug, was euer Herr geoffenbart hat, sag- ten sie: Die Asatyr der Alten!

27. Sie haben dafür am Tage der Auferstehung ihr eigenes Ge- wicht vollständig zu tragen und einen Theil des Gewichtes derer, die sie in ihrer Unwissenheit irreführen Ist es nicht etwas Schlim- mes, was sie auf sich laden?

23, 82. Er ist es, der Leben und Tod giebt und von ihm geht der Wechsel zwischen Tag und Nacht aus. Seht ihr es denn nicht ein?

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83. Nein, sie sagen dasselbe, was die Alten (Awwalün) sagten.

84. Sie satten nämlich: Wie, wenn wir gestorben und Staub und Knochen sind, werden wir auferweckt werden?

85. Dieses ist uns und unsern Vätern schon früher gedroht wor- den. Dies ist nichts als die Asätyr der Alten.

6, 25. Es giebt einen von ihnen, der dir zuhört. Aber wir haben auf ihre Herzen einen Deckel gesetzt, dafs sie es (was sie von dir hören) nicht verstehen können, und ihre Ohren haben wir verstopft, und wenn sie alle Wunder [die sie verlangen] sähen, so würden sie doch nicht daran glauben '). Ja, sie gehen so weit, dafs sie zu dir kommen und mit dir disputiren! Die Ungläubigen sagen nämlich: Dies ist nichts als die Astityr der Alten.

2H. Sie halten andere davon (von deiner Lehre) zurück und entfernen sich selbst davon. Sie bringen sich aber nur selbst in's Verderben. Aber sie wissen es nicht.

27. Wenn du sie sehen könntest, wenn nur sie über das Höl- lenfeuer gestellt werden etc.

83,12. Nur jener Widersacher, Sünder und Verunglirapfer ver- schreit ihn (den Gerichtstag) für eine Dichtung.

13. Wenn man ihm unsere Zeichen vorliest, so sagt er: Die Asatyr der Alten!

Wir sehen, dafs der Ausdruck, wo er vorkommt, immer von den Feinden des Mohammad als Vorwurf gebraucht wird. Die erste Frage ist, wer machte ihm diesen Vorwurf?

') Sa'vd b. Gobayr, von Ibn'Abbäs:

„Dieser Vers (6, 26) bezieht sieh auf Abu Tälib , welcher die ungläubigen von dem Propheten zurückhielt (ihn beschützte), sich aber selbst von seiner Lehre entfernte. Diese Ansicht theilt auch 'Anir b. Dynär und Käsim b. Mo- chaymira (jlOO). Mokätil sagt: Der Hergang war folgender: Der Prophet war bei Abu Tälib und predigte ihm den Islam. Die Korayschiten vereinigten sich dem Propheten Böses zuzufügen; Abu T.älib aber sprach: (Verse)

„Alle mit einander sollen dir nichts anhaben können, bis ich in die Gruft hinabgestiegen bin.

Veröffentliche deine Lehre, es soll dir kein Leid geschehen, und sei guten Muthes und heitern Sinnes;

du predigst eine Religion, welche gewifs die beste aller Religonen für die Menschen ist.

Wenn ich nicht den Tadel und den Schimpf scheute , so -würdest du mich unter ihren erklärten Anhängern sehen.''

Ihn Abbäs in der Version des Wäliby aber und Mohammed b. Hanafyya, Soddy und Dhahhäk behaupten, dafs sich dieser Vers auf die Ungläubigen von Makka beziehe, welche die Menschen von der Religion des Propheten zurück- hielten. Obwohl Mohammad b. Hanafyya, ein Xachkomme des Abu Tälib, ein verdächtiger Zeuge ist, so stimme ich doch der letztern Meinung bei und halte die erstere für eine omayyidische Fabrikation des Sa yd b. Gobayr. Ich betrachte daher diesen Vers als eine Fortsetzung des vorhergehenden.

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In den frühern Stellen machen ihn die Ungläubigen, in K. 16, 26 27 aber nur eine Partei derselben, welche das Volk verführt und dafür eine doppelte Strafe zu erdulden hat für ihren eigenen Un- glauben und für den der Irregeleiteten verantwortlich. In den drt-i übrigen Inspirationen wird nur eine Person dieses Frevels bezüchtigt. Die letzte Stelle ist parallel mit den S. 37 dieses Bandes angeführ- ten Versen 68, 12. 15 und hier ist wohl derselbe Sünder und Verun- glimpfer zu verstehen wie dort. Auch Kor. 17, 48. 18, 55 und 31, 6 mögen sich auf ihn beziehen. Die Exegeten und Ibn Ishak, S. 235, nennen nicht wie bei andern Gelegenheiten den Walyd b. Moghyra, sondern den Nadhr als den Frevler. Gleichviel ob sie in dieser Be- ziehung Recht haben oder nicht, so sind ihre Worte doch immerhin lehrreich, weil wir daraus die älteste Deutung der Wörter Asätyr alawwalyn kennen lernen. Baghawy, Tafs. 16, 8, sagt:

yjNadhr b. Härith von den Banü 'Abd aldär, welcher die in Kor. 8, 31 erwähnten Worte sagte, pflegte als Kaufmann Färs und Hyra zu besuchen , wo er die Geschichte des Rostam und Isfendiär und die Erzählungen der Perser hörte. Auch besuchte er die Ju- den und Christen und sah sie in ihrem Gebete Verbeugungen ma- chen, sich auf die Erde werfen, sowie die Thora und das Evange- lium recitiren. Als er nach Makka zurückkam und den Propheten den Koran vortragen hörte, sagte er diese Worte."

Wähidy, Asbäb 31, 5, von Kalby und von Mokätil:

„Dieser Vers bezieht sich auf al- Nadhr b. Härith. Er pflegte in Handelsgeschäften nach Färs zu reisen und kaufte dort die Ge- schichten (achbär) der Perser '). Dann erzählte er sie den Koray- schiten und sagte: Mohammad erzählt euch die Geschichten der Aditen und Thamüdäer, ich aber erzähle euch die Geschichte des Rostäm und Isfendiär und der Chosroen. Seine Erzählungen gefie- len ihnen und sie hörten nicht mehr den Vortrag des Korans an."

Zu einem andern Verse (Kor. 6, 25) bemerkt Wähidy ebenfalls auf die Bürgschaft des Ibn Kalby:

„Abu Sofyän, Abu Gahl b. Hischäm, Walyd b. Moghyra, Nadhr b. Härith, Otba und Schayba, die Söhne des Raby'a, ümayya und Obayy, die Söhne des Chalaf, und Harb b. "Amir versammelten

') Es liefsen sich auch andere Stellen anführen, ans denen hervorgeht, dafs im ersten und zweiten Jahrliiindert die Meinung vorherrschte, Nadhr habe die Erzählungen, welche er dein Koran an die Seite setzen wollte, schriftlich ge- habt. Dadurch erhält eine Stelle des Ibn Ishäk S. 235 Wichtigkeit. Auf Kor. 25,6 anspielend .sagt Nadhr bei ihm: Mohammad schreibt die Asätyr der Al- ten ab, wie ich die Geschichten [wclclie ich erzähle] abschreibe. Wir ersehen daraus, dafs Ibn Ishäk und seine Vorgänger den Koränvers 25, b ebenso auf- fafsten wie ich ; in der That läfst er keine andere Auffassung zu.

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sich, um den Koran zu hören. Dann sagten sie zu Nadhr: Was spricht Mohammad. Er antwortete: Ich sehe ihn seine Zunge be- wegen, und er erzählt die Asatyr der Alten, wie ich euch von ver- gangenen Geschlechtern zu erzählen pflege. Nadhr wufste nämlich viele Geschichten früherer Generationen. Abu Sofyän bemerkte: Manches von dem, was er sagt, kommt mir wahr vor. Abu Gahl setzte hinzu: Er erzählt kein Wort von allem dem, und wenn er den Tod beschreibt, so ist seine Beschreibung viel schauderhafter." Nadhr war einer von denjenigen, die die Lehre des Mohammad widerlegten, seine Widersprüche und Lug und Trug aufdeckten. Er war daher auch einer von den beiden, welche Mohammad nach der Schlacht bei Badr enthaupten liefs, während er den andern Gefan- genen gegen Lösegeld ihre Freiheit schenkte. Aber gerade weil Nadhr seinen Frevel büfste, ist er bei den Traditionisten zum Sün- denbock geworden, welchem auch die Vergehen derer aufgebürdet wurden, die eventuel sich bekehrten. Wenn wir auch wenig Grund haben, die Angaben der Exegeten zu bezweifeln, so wäre es doch möglich, dafs Mohammad nicht immer denselben Mann im Auge hatte. Der in Süra 68 bezeichnete war reich und hatte viele Söhne; so weit wir die Verhältnisse des Nadhr kennen, pafst dies nicht auf ihn. Ferner unterliegt es keinem Zweifel, dafs der böse Sohn des Abu Bakr einer von diesen Frevlern war, denn Kor. 46, i6 enthält seine Einwürfe gegen den Islam. Und wenn die Worte (Kor. 31, s): „Es giebt Leute, welche die Unterhaltung des Erzählens einkaufen, um die Menschen vom Pfade Allah's hinweg in den Irrthum zu lei- ten" in dem Sinne zu nehmen sind, als habe ein Gegner wirklich Märchen gekauft , um sie den Makkanern vorzulesen und diese da- mit zu unterhalten, so beziehen sie sich wahrscheinlich auf den Sohn des Abu Bakr und nicht, Avie Kalby meint, auf Nadhr. Der Sach- verhalt mag der sein : Nadhr und der Sohn des Abu Bakr wurden des Schriftstückes, aus welchem Mohammad die Erzählungen schöpfte, die er als Offenbarungen ausgab und womit er die Leichtgläubigen so sehr überraschte, habhaft und deckten seinen Betrug auf. Die Disputanten, von denen im nächsten Kapitel die Rede sein wird, beuteten diesen Fund gehörig aus und erinnerten daran, dafs Irrleh- rer schon früher Aehnliches vorgetragen haben. Mohammad suchte Anfangs die Thatsache in Abrede zu stellen , allmählig aber nahm er zu einer neuen Lehrmethode seine Zufliucht und machte seine Zu- hörer, da er selbst keine Wunder thun konnte, auf die Wunder in der Natur aufmerksam, um sie in eine religiöse Stimmung zu versetzen. Am nachdrücklichsten geschieht dies in Süra 16 (die Stelle findet im nächsten Kapitel einen Platz) und in der soeben angeführten

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Stelle Kor. 27, eo— 70. Aufserdem verwendete er alle seine Bered- samkeit darauf, ihnen die Hölle recht heifs zu machen.

Ueber die Bedeutung von Asätyr sagt Safäkisy, 'Iräb alkorän, 6,25:

„Asätyr ist der Plural von Istära, welches, dem'Obayda zufolge, so viel als torrahät „Albernheiten" bedeutet. Einige sagen, der Sin- gular von asätyr ist ostüra oder ostür oder istyr oder istyra, wäh- rend Andere behaupten, dafs es keinen Singular habe. Einige sa- gen, es ist der Plural des Plurals astär, für dessen Singular sie satar halten. Auch Zaggäg glaubt, dafs es der Plural eines Plu- rals sei."

Bochäry (S. 666) stimmt der Meinung des Abu 'Obayda bei und erklärt es durch torrahät. Dieser Sinn ist aber durch die Etymo- logie des Wortes nicht begründet und beruht einzig auf der Auffas- sung der betreffenden Koränstellen.

Satar kommt im Koran auch in der Bedeutung von „schreiben" vor, aber nur fünf Mal und stets in Bezug auf das Buch des Schick- sals, welches im Himmel von den Engeln geschrieben wird, so dafs es ein edlerer Ausdruck zu sein scheint als katab, von dem es noch mehr als unser „verzeichnen" von „schreiben" verschieden sein mag. Ibn 'Abbäs erklärte, dem Gowäybir (Coram. zum K. 17, 60, bei Soyty [tkän S. 311) zufolge, dafs satar in der Bedeutung von „schreiben" ein himyaritisches Wort sei, und dafs ostüra im Himyaritischen Buch, Schrift bedeute. Demnach hiefse asätyr alawwalyn die Bücher oder Schriften der Alten.

Aus den so eben angeführten auch von Ibn Ishäk bestätigten Bemerkungen der Exegeten über Nadhr geht hervor, dafs man asä- tyr in ältesten Zeiten in der Bedeutung von Geschichten auffafste. Für diese Erklärung ist ein Grund vorhanden, der ihnen nicht be- kannt war. Asätyr ist nämlich ein Plural jener Form, welche be- sonders in vierbuchstabigen und in fremden Wörtern vorkommt, wie Komi9 Graf von Comes, Plur. Kamämi9; Gallik Gallicier, Plur Galälik; Askof Bischof, Plur. Asäkif; tärych (ein Wort persischen Ursprungs), tawärych. Ja, selbst aus dem englischen Worte draw- back bilden die Araber den Plur. daräbyk. Asätyr könnte demnach ein aus dem griechischen Wort Igtoqiu gebildeter Plural sein.

Wenn es auch höchst wahrscheinlich ist, dafs Asätyr ein grie- chisches Wort sei '), so folgt noch nicht, dafs es die Araber in den

^) In Bezug auf die Ableitung von str sind zwei Fälle denkbar. Diese Wurzel kann die Bedeutung von „schreiben" (im Hebräischen heifst sie hüten, beobachten) erst nach Einführung von Ostüra in's Arabische erhalten haben. Das Wort wünic

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selben Fällen anwendeten, wie es im Griechischen gebraucht wurde. Mohammad erzählte gerne Geschichten der alten Völker und sprach oft davon; er bedient sich aber nie des Ausdruckes Asätyr, son- dern Ka«,^a9, Achbär, Anbä, Hadyth etc. Ferner riefen ihm die Feinde gerade wenn er von der Auferstehung, nicht aber wenn er Legen- den erzählte, zu: Die Asätyr der Alten! Die Comraentatoren haben daher geglaubt, dafs es „widersinniges Geschwätz", also etwa so viel als „alte Märchen*^ bedeute. Aber es bleibt immer sonderbar, dafs die Feinde des Mohammad, um dieses auszudrücken, ein frem- des Wort, welches sonst nirgends vorkommt, gebrauchen und dafs es in derselben Verbindung immer mit al-awwalyn „der Alten" steht. Es drängt sich uns daher die üeberzeugung auf, dafs in Asätyr der Al- ten etwas Technisches stecke. Berücksichtigen wir Kor. 25, 6, wo gesagt wird, dafs dem Mohammad die Asätyr Morgens und Abends vorgelesen werden und er sie aufschreibe, so können wir nicht zwei- feln, dafs die Asätyr alawwalyn eine Schrift waren ; es fragt sich nur, ob dies der Titel oder eine von Christen oder Juden entlehnte all- gemeine Benennung sei, welche etwa unsern Apocrypha ') entspräche. Es ist ganz gewifs, dafs weder Mohammad, noch sein Lehrer eine grofse Bibliothek besafsen, und selbst wenn die letztere Vermuthung richtig sein sollte, so würde unter der allgemeinen Bezeichnung im- mer nur eine Schrift zu verstehen sein.

Aus den angeführten Koränstellen ergiebt sich, dafs die Asätyr sich ganz besonders um die Auferstehunglehre drehten, und gerade in Bezug auf diese erklärten die Korayschiten, dafs sie und ihre Väter dieselben schon früher vernommen haben (Kor. 8, 3i. 27, 7o. 23, 82).

dann gerade deswegen edler sein als kataba, weil es fremd ist. Oder, wenn str schon früher „schreiben" hiefs, hat man fälschlich Ostüra darauf zurückgeführt, wie die Engländer in Indien im persischen Afser ihr Officer und im hindustani- schen Bahra ihr Bearer zu finden glaubten.

') Als Grund für diese Auffassung läfst sich eine andere Koränstelle hie- her ziehen. In Kor. 26, i37 sagen die'Aditen zu ihrem Propheten: Es ist einer- lei, ob du uns predigst oder nicht. Dies ist nichs Anderes als die / iJL5> der Alten. Dieses Wort wird von Vielen cholk, Sitte, ausgesprochen. Wenn dies die rechte Lesart ist, so wirft die Stelle kein Lic^t auf unsern Gegenstand, denn der Satz heifst: so zu sprechen, wie die 'Äditen, ist die Manier der Alten. Andere lesen aber chalk, Gebilde. In diesem Falle gehört der Satz zu den Worten der 'Aditen und heifst: dieses was du lehrst ist nur ein Gebilde der Alten. In Kor. 29, 16 heifst es: LXs! !«Jiil^ ihr bildet eine Lüge [systematisch] aus. Ge- bilde könnte also hier so viel als ]\Iachwerk bedeuten. Weil Mohammad den alten Propheten Reden in den Mund legt, welche ohne Rücksicht auf Chronologie seine eigene Situation beleuchten sollen, so wäre es ganz seiner Lehrmethode ange- messen, wenn er die'Aditen dieselben Einwürfe gegen Hüd erheben läfst, womit die Makkaner ihn quälten. Aber diese OlRnibarung fällt in eine Zeit, zu der von den Asätyr noch nicht die Rede war.

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Wenn nicht die einzigen, doch die letzten Verkünder derselben waren die Lehrer des Mohammad und die Zeugen für ihn (K. 5, s). Aus 27. 70 und 23,83 geht ziemlich deutlich hervor, dafs diese Prediger, wie vor ihnen die Apostel und nach ihnen Mohammad, behaupteten, das Weltgericht werde bald, sehr bald eintreffen; denn die Heiden wi- derlegten diese „alte Lüge" (Kor. 46,io) dadurch, dafs sie sagen: obschon dies bereits unsern Vätern gedroht worden, so ist es doch noch nicht eingetreten. Uebrigens beschränkten sich die Asatyr nicht darauf, vor dem Gerichte zu warnen, sondern, wie aus dem Zeug nisse der Exegeten, wo sie von Nadhr sprechen, hervorgeht, ent- hielten sie auch biblische Geschichten, und die Disputanten behaup- teten (K. 8, 3i), dafs sie den Koran daraus zusammensetzen könnten.

Da wir keine Nachrichten über diesen Gegenstand besitzen, so müssen wir uns mit Vermuthungen begnügen. Auf die von Ba- hyrä verfafsten Rollen des Abraham und Moses hat Mohammad of- fen verwiesen. Diese Schrift ist also verschieden von den heimlich benutzten Asatyr. Da jenes Machwerk wahrscheinlich nur in einem Exemplare vorhanden war, und Mohammad selbst den neuen Ur- sprung desselben zugeben mufste und es ihm also wünschenswerth war, dafs es vergessen werde, so war es auch wohl schon vertilgt, als die Heiden von den Asatyr zu sprechen anfingen.

Ich glaube, dafs die später von Ahmad übersetzten abrahamiti- schen Rollen identisch seien mit dem Buche, welches die Dispu- tanten Asatyr nannten. Vieleicht ist dies eine den orthodoxen Chri- sten, welche sich nicht bekehren liefsen, abgelauschte beschimpfende Benennung. Wir finden ja auch andere Beweise, dafs alle diese Herren ebenso gerne mit gelehrten Brocken aus fremden Sprachen um sich warfen , als der Kapuziner in Wallensteins Lager. Was mich vorzüglich bestimmt, die Asatyr für die später von Ahmad übersetzten abrahamitischen Rollen zu halten, ist der Umstand, dafs Mohammad um die Zeit als die Asatyr zur Sprache kamen, sich offen erklärte, Gott habe ihm befohlen als Hanyf der Religion des Abraham zu folgen. Nach der Enthüllung war es auch der einzige Weg, der ihm offen stand, zu erklären, er habe diese Richtung auf Befehl Gottes eingeschlagen.

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III. Konnte Muhammad lesen?

Die Frage, ob Mohammad lesen und schreiben konnte, hat die moslimischen ') und auch die christlichen Gelehrten vielfach beschäf- tigt. Er selbst läfst Gott sagen Kor. 29, 46^ 47: „Wir haben dir das [im Himmel aufbewahrte] Buch (d. h, den Koran) hinabgesandt ehedem pflegtest du keinerlei [geoffenbartes] Buch zu lesen, noch eines mit deiner rechten Hand zu schreiben." Die bos- haften Makkaner stellten dies in Abrede und behaupteten, dafs, wenn er auch vor der Offenbarung der frühesten Inspirationen keine bibli- schen Schriften las, er doch Tag und Nacht damit beschäftigt sei, die Asätyr der Alten, welche ihm diktirt werden, aufzuschreiben (Kor. 25, 5— g). Er läugnete dieses, antwortet aber nicht darauf, dafs er ja nicht schreiben könne. Seine Nachfolger haben seine Läugnung fortgebildet und behauptet, dafs er des Schreibens unkun- dig war. Ich besitze nicht die Materialien, die Geschichte dieser Streitfrage verfolgen zu können, aber so viel ist gewifs, dafs sie schon in den ersten Zeiten des Islams viel zur Sprache kam und die Mei- nungen getheilt waren. Kostoläny hat uns die Geschichte einer Dispu- tation aufbewahrt, welche in Spanien stattfand und in welcher der Philosoph Ihn al-Walyd Bagy (Avejipäce) behauptete, dafs der Pro- phet lesen und schreiben konnte, aber weder deutlich noch fertig. Die Theologen griffen ihn ob dieser Irrlehre an und nannten ihn einen Ketzer und Atheisten. Ein Dichter sagte:

„Ich will nichts mit einem Menschen zu thun haben, der das ewige Leben um diese Welt verkauft und behauptet, dafs der Pro- phet geschrieben habe."

Um dem Streit ein Ende zu machen, versammelte der Landes- fürst die Gelehrten zu einer Disputation, in welcher Bägy durch seine Gelehrsamkeit den Sieg davon trug. Er sagte nämlich: „Meiner An- sicht wird vom Koran nicht widersprochen, sondern sie beruht auf ei- nem richtigen Verständnifs desselben. Sein Nichtschreibenkönnen wird darin auf die Zeit, ehe ihm der Koran geoffenbart wurde, beschränkt, denn es wird gesagt: „Du lasest kein Buch, noch schriebest du ei- nes mit deiner Hand vor diesem." Da nun einerseits feststeht, dafs er ein Ummy war, andererseits aber durch diese Stelle bewiesen wird, dafs ein Wunder an ihm gewirkt wurde, und da kein Grund eines Zweifels gegen seine Sendung vorhanden ist, so steht nichts der Annahme entgegen , dafs er nach der Offenbarung des Korans

') Der sogenannte Schaych mofyd, d. h. Mohammad b. Mohammad b. No"- män (f413) schrieb eine Monographie über diesen Gegenstand.

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durch übernatürlichen Einflufs schreiben gelernt habe. Dies wäre also ein zweites Wunder gewesen."

So weit Bagy. Es ist klar, dafs er den Koränvers in demsel- ben natürlichen Sinne auffafste, wie wir. Ibn Dihyä bemerkt, dafs die meisten Gelehrten ihm beistimmten, darunter sein Schaych Abu Dzarr Hirawy, Abü-1-Fath Nayschäpüry und andere ifrykische Theologen.

Ich mufs nur noch bemerken, dafs der arabische Ausdruck für „lesen" talä ist, und ganz gewifs „lesen" in unserem Sinne, nicht blofs vortragen bedeutet. Wenn nun die Worte: „Lies den Ungläubigen dies vor*" wieder und wieder vorkommt und stets dasselbe Wort ge- braucht wird, so sehe ich nicht ein, warum wir nicht annehmen sol- len, dafs er in vielen Fällen seine Offenbarungen wirklich geschrie- ben vor sich hatte und nicht blos aus dem Gedächtnisse vortrug.

Der Kädhiy lyädh führt eine Tradition an, in welcher Moham- mad zu Moäwiya sagt: „Lege das Tintenfafs nieder, schneide den Kalara, theile die Striche des Syn und verschlinge das Myra nicht zu sehr"; daraus schliefst er, dafs Mohammad nicht nur schreiben konnte, sondern etwas von Kalligraphie verstand.

Mir kommt vor, dafs er den versiegelten Brief, welchen er dem 'Abd Allah b. Gahsch gab '), selbst geschrieben habe. Aufser den bereits genannten Koranstellen beweisen, nach meiner Ansicht, die einzelnen mystischen Buchstaben, welche am Anfange von mehreren Suren des Korans stehen, am besten, dafs er schreiben konnte und dafs er schon sehr früh seine OflFenbarungen aufzeichnete oder auf- zeichnen liefs. Gewifs würde es keinem Menschen, der die Buch- staben nicht kennt, einfallen, am Anfange der lijten Süra z. B. das Monogramm J. N. R. J. (Jesus Nazarenus Rex Judaeorum) zu setzen.

Der unzweideutigste Fall, in dem Mohammad zeigte, dafs er schreiben konnte, hätte sich bei Hodaybiya zugetragen, wenn nur die Nachrichten darüber einstimmig wären. Er diktirte dem Alyy einen Friedensvertrag mit den Korayschiten, und darin kommen die Worte vor: „Mohammad der Bote Gottes"; die Heiden protestirten gegen diesen Titel und sagten, wenn wir glaubten, dafs du ein Ge- sandter Gottes bist, würden wir uns dir unterwerfen. Du bist Mo- hammad, der Sohn des 'Abd Allah. Er befahl nun dem 'Alyy die anstöfsigen Worte auszustreichen und dafür zu schreiben: Moham- mad b. 'Abd Allah. 'Alyy weigerte sich. „Der Prophet nahm nun das Dokument, und obwohl er nicht gut schreiben konnte, schrieb

') Siehe Kap. 18.

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er wie folgt: Dieses ist es, wozu sich Mohammad, der Sohn des 'Abd AUah, verstanden hat: Er will keine Waffen mit nach Makka nehmen etc." Diese Fassung der Tradition rührt von Abu Ishäk her (f 120) '). Indessen Taymy (f 143) erzählt sie anders (Bd. I S. B87), nämlich: der korayschitische Bevollmächtigte hielt den Arm des Schreibers und liefs ihn die anstöfsigen Worte gar nicht schrei- ben. Diese beiden Gelehrten scheinen also in der Ansicht, ob Mo- hammad schreiben konnte, getheilt gewesen zu sein, und Abu Ishjik scheint diesen Fall zur Bestätigung der seinigen vorgebracht zu ha- ben. Dal's schon damals eine Meinungsverschiedenheit über diese Frage obwaltete, geht aus folgender Tradition hervor. Ibn Aby Schayba, von Mogälid b. 'Awf b. 'Abd Allah: „Der Prophet starb nicht ohne schreiben zu können. Ich fragte über diesen Punkt den Scha by und er sagte: die Ansicht ist richtig, ich habe Leute gekannt, die sie ausgesprochen haben." Es waren also schon die Lehrer des Scha'by, welcher A. H. lOTt starb, uneinig über diesen Punkt.

Die Scene die sich am Donnerstag, den 4. Juni 632, drei Tage vor Mohammad's Tode an dessen Krankenlager zutrug, läfst keinen Zweifel übrig, dafs er schreiben konnte, denn hier verlangte er vor einer grofsen Anzahl von Zeugen, wovon einige erst nach der Mitte des ersten Jahrhunderts starben, ein Schreibzeug und eine Rolle, um darauf zu schreiben. Dieses wird uns von vier Augenzeu- gen berichtet, deren Aussage in verschiedenen Städten von verschie- denen Männern und Parteien aufbewahrt worden ist; und es giebt keine Version dieser Tradition, in der Mohammad nicht den Wunsch ausdrückt selbst darauf zu schreiben -).

') Bei Bochärj' S. GIO und bei Nasäy fol. 503.

^) Ibn Sa'd fol. 149 verso giebt folgende Auktoritäten an, welche alle mit einander übereinstimmen :

1. Yahya b. Haramad, von Abü'Owäna, von Solaymän, d. i. A'masch, von 'Abd Allah b.'Abd Allah, von Sa' yd b. Gobayr, von Ibn'Abbäs, welcher selbst zugegen war.

2. Sofyän b. 'Oya^ma, von Solayniän b. Aby Moslim , dem Olieim (chäl) des Ihn Aby Nagyh, ebenfalls von Sa' yd b. Gobaj-r, von Ibn 'Abbäs (vergl. Bo- chäry- S. 638).

3. Haggäg b. Na9yr, von Mälik b. Mighwal , von Talha b. Mo9rif , ebenfalls von Sa'3'd b. Gobayr, von Ibn 'Abbäs.

4. Wäkidy, von Osama b. Zayd Layth}' imd Ma'mar b. Raschid, von Zohry, von'Obayd Allah b.'Abd Allah b. 'Otba, ebenfalls von Ibn'Abbäs (vergl. auch Bochäry S. 638).

5. Wäkidy, von Ibrähym b. Isma'yl, von Ihn Aby Habyba, von Dawiid b. al-Ho9ajTi, von 'Ikrima, ebenfalls von Ibn 'Abbäs.

6. Mohammad b. 'Abd Allah An9äry, von Korra , von b. Chälid Abu Zo- bayr, von Gabir b. 'Abd Allah An9äry, welcher den Mohammad auf neunzehn Kriegszügen begleitete und nach A. H. 70 in einem Alter von 94 Jahren starb.

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Mohatnmad's vermeintliche Unkunde des Schreibens wurde schon früh ausgebeutet. "Wir lesen im Kitab alaghäniy Bd. 1 fol. 369, von Hasan b. 'Alyy, von Mohammad b. Zakariyä Ghallaby (GhaUäyiy), von Abu Bakr Hodzaly, von 'Ikriraa, von Ibn 'Abbäs:

^'Abbäs und Abu Sofyan trafen in Yaman einen Rabbiner, wel- cher sie in Bezug auf den Propheten fragte. Unter den Fragen war auch die: Kann er schreiben? ^»AjwJ \^:>iS^ ^S> Abbäs sagt: Anfangs wollte ich eine Unwahrheit sagen, denkend, es würde meinen Nef- fen in den Augen des Rabbiners erheben, wenn ich sagte, dafs er schreiben könne; aber es fiel mir ein, Abu Sofyan würde mich der Lüge strafen und zurechtweisen; ich antwortete daher: Er kann nicht schreiben. Als der Rabbiner dies hörte, war er aufser sich und rief: Die Juden sind verloren, die Juden sind verloren!"

Diejenigen, welche behaupten, Mohammad sei des Schreibens unkundig gewesen, stützen sich auf die falsche Deutung des Wortes Ummy, weil er sagt, er sei ein Prophet der Ummier und selbst ein Ummier. Sie sagen, es bedeute einen Menschen, der nicht le- sen und schreiben kann, während damit im Koran Jedermann be- zeichnet wird, der nicht Schriftbesitzer ist. Ummy ist von umraat, Volk abgeleitet und heifst soviel als das lateinische gentilis '). In diesem Sinne sagt Wähidy, Asbäb 30, 1: „Es that dem Propheten leid, dafs die Ummier, nämlich die Magier (Perser), über die Schrift- besitzer, nämlich die Griechen, den Sieg davon getragen haben sollten " ' ). Hier steht Ummy überhaupt den Schriftbesitzern ge- genüber.

Es wird behauptet, dafs Ummy einen Menschen bezeichne, der zwar lesen, aber nicht schreiben könne. Diese Ansicht gründet sich auf eine falsch verstandene Stelle des Korans, 2, 73: „Un-

7. Wäkidy, von Ibrähym b. Yazyd, ebenfalls von Abu Zobayr, von Gäbir.

8. Haf9 b. 'Omar Gawdhy (Hawdhy), von 'Omar b. Fadhl Abdy, von No- *aym b. Tazyd, von 'Alyy b. Aby Tälib.

9. Wäkidy, von Hischäm b. Sa'd, von Zayd b. Aslam , von seinem Vater, von 'Omar b. Chattäb.

10. Ibn Sa'd, fol. 213, und Moslim, Bd. 2, 457, theilen noch fernere Tra- ditionen über diesen Gegenstand mit, welche auf der Auktorität des 'Orwk, von 'Äyischa, und Ibn Aby Molayka, von 'Äyischa, beruhen. Diesen zufolge sagte Mohammad, er wolle ein Dokument zu Gunsten des Abu Bakr schreiben. Der äufsem Evidenz nach hat 'Äyischa diesen unwahren Zusatz eingeschaltet. Dies würde von dem Alter der ursprünglichen Tradition zeugen.

') Geiger, S. 27, giebt dem Worte eine der Wahrheit sehr nahe kommende Bedeutung und leitet es richtig von umma, gens, ab. Dennoch hat er, wie es manchesmal dem Scharfsinnigsten begegnet, das Richtige nicht getroffen. Wie mich Herr Kay versichert, heifst ummy auch im Rabbinischen gentilis. Im christ- lich-arabischen sagt man ummawy.

*) Andere Beweise habe ich in meinem ,Life of Mohammad", S. 100, ge- geben.

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ter ihnen (den Juden) giebt es auch ümmier, welche nicht das Buch (die Bibel), sondern nur Spekulationen (Araänij) kennen: ihr Wis- sen beläuft sich also [nicht auf eine Kenntnifs der göttlichen Offen- barung, sondern] nur auf Verrauthungen. Aber wehe Jenen, welche das Buch (die Bibel) mit ihren Händen schreiben und [von solchen Spekulationen] sagen: Dieses geht von Gott aus." Diese Stelle ist auf jede mögliche Weise verdreht worden. So sagt Ihn Ishäk, dafs das Wort, welches ich durch Spekulationen übersetze und welches auch in andern Stellen des Korans in diesem Sinne vorkommt, „Le- ser" heifse. Der Sinn der Stelle wäre demnach, da al-Kitäb auch „Schreiben" heifst: „Es giebt Ummier unter ihnen, welche nicht schreiben können, sondern nur Leser sind." Der Sinn der Stelle hängt, wie man sieht, von der Bedeutung von Amäniy (Sing, om- nyya) ab. Ich habe das Wort schon oben S. 25 erklärt. Farrä, f 207, giebt bei Baghawy eine ähnliche Erklärung wie ich von amäniy, indem er es für gleichbedeutend mit '\\jüisLA ^i>wjJ)L.=>i „er- fundene Sagen" hält. Etwas weiter entfernt sich die Erklärung des Abü'Obayda: „etwas auswendig, ohne Buch Vorgetragenes." Uraray wird von dem erstgenannten Philologen erklärt: >«jjiii ^ ..j^.^'ii \^\JiS ^ -w^ ^ .-Y-^v^' „Ummier werden die Araber genannt, weil sie keine [geoffenbarte] Schrift besafsen,

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Vierzehntes Kapitel.

Theologische Streite in Makka.

JJie neuern Geschichtschreiber, welche sich mit Mohammad beschäftigt haben, sind viel zu sehr an dem vorurtheilsvol- len Standpunkte der Gläubigen kleben geblieben, und ob- wohl sie ihm das Prophetenthum absprechen, so hat er doch auch nach ihrer Darstellung üebermenschliches ge- leistet. Wie ein Herr Professor mit seinen Collegienheften, fertig ausgearbeitet, auf das Katheder steigt, so auch, glau- ben sie, sei er mit einem wohl durchdachten Plane, den sittlichen Zustand seiner Kation zu verbessern, aufgetreten und habe ihn durch die Macht seines Genies durchgeführt. In unserer Zeit müssen selbst Autokraten ihr Programm von Zeit zu Zeit den Umständen gemäfs abändern; Männer des Volkes fühlten schon von Alters her, dafs das Führen in den meisten Fällen darin bestehe, dafs man dem Strome vorauseile und etwaige Hindernisse aus dem Wege räume, nicht aber dafs man auf die Seite gehe und ihn vorüber- fliefsen lasse. Hätte sich Mohammad mit strenger Conse- quenz an ein starres System gehalten, so wäre er so weit gekommen, als die Weisen in der Paulskirche; wäre er aber damit durchgedrungen, so müfsten wir anerkennen, dafs er wirklich ein Werkzeug Gottes gewesen und das gröfste Wunder vollbracht habe. Die unsrläubis'en Zeitge- nossen des Propheten kommen bei einer solchen Auffas- suns: der Geschichte schlecht we«: und sind nicht einen Deut besser, als die hartnäckigen Juden, wie sie in der

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Bibel geschildert werden; auch die Araber wollten aus pu- rer Dummheit und Schlechtigkeit die wohlgemeinten Rath- schläse des Reformators nicht annehmen und liefsen es bei rohen Sclimiihunsien bewenden, konnten sich aber nie zu jener Höhe erschwingen, seine Orakel zu begreifen, ge- schweige denn sie zu widerlegen.

Das Genie, den Eifer und die Ausdauer des Moham- mad wird Niemand lüugnen; aber auch unter seinen Geg- nern gab es Männer, welche, wie der Dichter Omayya b. Aby-1-^'alt, ungewöhnliche Talente besafsen, die Wahrheit eifriii' suchten und auf weiten Reisen Erfahruno^en und selbst eini":e Bilduna: g^ewonnen hatten. Aufserdem durften sie sich nicht scheuen, bei Juden oder Christen Rath zu su- chen ^), und sie besafsen die JMittel, sich -solchen zu erkau- fen, während der Prophet sich des Beistandes der Schrift- besitzer nur mit der gröfsten Vorsicht bedienen konnte. Sie waren also jedenfalls gerechtfertigt, wenn sie sich ihm gegenüber, wie es in Kor. 40, 83 heifst, viel auf ihre Kennt- nisse einbildeten.

Bisher haben wir vorzüglich die äufsern Mittel be- trachtet, welche die Aristokraten anwendeten, um den jun- gen Islam zu ersticken. Der Polizeistock und ihm ana- loge Beweisgründe sind bei entarteten Nationen in der Po- litik A\ie in religiösen Dingen nicht nur genügend, um die Ueberzeugung des Volkes umzugestalten, sondern sogar um einen Enthusiasmus für die Ansichten des Dräntjers zu erwecken. So ist denn auch der Deutschkatholicismus dem Pietismus gewichen. Bei rechtschaffenen Männern und gesunden Völkern haben sie oft den entgegengesetzten Ein- flufs. Die Aristokraten von Makka sahen daher die Noth- wendigkeit ein, Vernunftgründe gegen Mohammad anzu-

') Wir haben Traditionen, in denen gesagt wird, auf die Ein- ladung der Korayschiten kamen Juden von Madyna, um den Mo- hammad zu widerlegen. Die Thatsache wird aber am sicliersten durch Kor. 27, 7s. 93 festgestellt.

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wenden, und es bildete sich allmählig unter ihnen eine Sektion von l*olemikern, welcher sich geistreiche Männer, wenn sie auch nicht zu ihrer Kaste "ehörten, beijresellten und wek;lie bemüht war, den Mohanni/ad zu widerlegen und ihn mit seinen eigenen Waflen schlagen. Diese Partei übte, wie er K. 25, 35 selbst zugiebt, einen sehr grofsen Einflufs auf die Entwicklung seiner Lehre. Das Gesetz der Schwere nöthiget den Flufs von der Höhe der Alpen dem Meere zuzueilen; aber hier ein Fels und dort ein Baum ha- ben ihn aus der geraden Bahn gebracht, und er macht hun- derte von Windungen und Umwege, ehe er sein Ziel er- reicht. So ging es auch der Lehre des 3Iohammad, und so geht es jeder Idee, wenn sie in die Erscheinung, in das Reich des Zufalls tritt. Die Hauptgrundsätze des Is- lams waren ein Bedürfnifs der Zeit, etwas Gegebenes Göttliches. i\ber Einwürfe der Gegner und erbärmliche Rücksichten des Stifters haben den Gang ihrer Entwick- lung krumm und windend, das Göttliche menschlich ge- macht, und ein grofser Theil des Korans beschäftiget sich mit Antworten auf die Fragen der Widersacher und mit der Lösung von Complicationen, die aus den eigenen Ver- irrungen des Gottgesandten und seiner Rückkehr zum ge- raden Weg hervorgegangen sind.

In der Verfolgung dieser Episoden besteht auch das Interesse der Geschichte des Entstehens des Islams. Wer sich mit dem Endresultate allein begnügt, gleicht den al- ten Geographen, welche Berge und Flüsse, Meeresufer und Thäler durch gerade Linien darstellten. Es ist nicht das Denouement sondern die Verwicklungen, was den Reiz des Romans und der Komödie bildet, und was in der Ge- schichte dem Planne der That einen Wirkungskreis bietet. Im die Windungen im Laufe des jungen Islams beurthei- len zu können, ist es also vor Allem nöthig, die Hinder- nisse zu kennen, welche sie verursachten.

Der vorzüglichste Gönner der polemischen Partei war der reiche Walyd b. Moghyra. Auch viele von den übri-

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gen Aristokraten ermunterten sie und nahmen an ihren Käm- pfen einen lebhaften Antheil.

Unter den Kämpfern wird uns Nadhr b. Härith, ein Bruder der Banü 'Abd al-Där, als der bedeutendste ge- schildert. Aufser ihm werden genannt: Abu Bachtary b Hischäm, Ibn Zi'bary Sahmy, Aswad b. 'Abd Yäghüth, Za- ma'a b. Aswad, 'Adyy b. Raby'a Zohry, Achnas b. Scha- ryk/Abd al-Rahmän, der Sohn des Abu Bakr, und 'Äg b. Wäyil b. Hischäm b. So'ayd b. Sahm.

Der wichtigste aber war Omayya b. Aby-l-(^alt. Wir haben bereits im ersten Kapitel eine Koränstelle angeführt, welche gegen ihn gerichtet ist.

Diese Männer haben schon früh die Anmafsungen des Propheten lächerlich gemacht und widerlegt, aber erst um das Jahr 617 scheinen sie mit Ernst eine systematische Polemik angefangen zu haben, und sie dauerte fast bis zur Flucht fort. Anfangs, wie wir aus folgender Koränstelle ersehen, begnügten sie sich damit, in allgemeinen Aus- drücken in Abrede zu stellen, dafs er ein Bote Gottes sei. Allmählig fanden sie es zweckmässig , in Einzelheiten ein- zugehen.

23, 32. Nach ihnen Hefsen wir ein anderes Geschlecht erwachsen 1

33. und sandten zu ihnen einen Boten aus ihrer Mitte I mit dem Auftrage: Dienet Allah, denn ihr habt keinen Gott aufser ihm, fürchtet ihr euch nicht?

34. Die Mala seines Volkes, nämlich diejenigen, wel- che ungläubig waren und das jenseitige Zusammentreffen mit Gott in Abrede stellten, und diejenigen, welchen wir in diesem Erdenleben Wohlstand verliehen haben, sagten:

1-1.. ' o

Er ist nichts Anderes als ein Mensch wie ihr, und er ifst, was ihr esset,

35. und trinkt, was ihr trinket.

36. Wenn ihr einem Menschen, wie ihr selbst seid, folget, so macht ihr ein schlechtes Geschäft.

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37. Wie, er sagt euch gar voraus, dafs, wenn ihr todt, Staub und Cerippe seid, wieder auferweckt werdet'

38. Ei, ei, was man euch vorschwatzt!

39. Es giebt kein Leben als dieses Erdenleben, Wir sterben, wir leben, aber wir werden nicht auferweckt werden.

40. Er ist nichts weiter als ein Mann, welcher auf Allah Lügen erfindet, und wir glauben nicht an ihn.

41. Der Bote schrie: Herr, stehe mir bei in der An- gelegenheit, in der sie mich Lügen strafen!

42. Der Herr antwortete: Bald werden sie es eines Morgens bereuen.

4i. L nd es ergriff sie der Ruf voll Wirklichkeit und wie weggeschwemmte Spreu lagen sie da. Fort mit dem Volke der Ungerechten!

44. Nach ihnen liefsen wir ein anderes Geschlecht erwachsen.

45. Kein Volk läuft seinem Ziele vor, noch bleibt es dahinter zurück.

46. Dann sandten Avir eine Reihe von Boten, aber so oft ein Bote zu seinem Volke kam, hiefsen sie ihn ei- nen Lü"ner. Wir liefsen ein Volk dem andern fols:en. Wir liefsen ihre Geschichte zur Volkssage (d. h. zum abschrek- kenden Beispiel) werden. Fort mit einem ungläubigen Volke!

47. Dann sandten wir den Moses mit seinem Bruder Aaron etc.

L^nffefähr um das Jahr 620 vermehrten sich die Kräfte der Disputanten durch den Beitritt des 'Abd Allah b. Aby Sarh. Ich übersetze seine Geschichte aus Wahidy^):

') 'Abd Allah b. Sad b. Aby Sarh b. al-Harith b. Hobayb b. Hodzäfa [b. Na9r] b. Malik b. Hisl b. 'Ämir b Lowayy wurde von seiner Mutter Molliäna bint Gäbir in der Poesie unterrichtet. Al- Häkim von Soddyy, von Mo^'ab b. Sad, von seinem Vater: Als der Prophet Makka eroberte, gab er im Allgemeinen Amnestie, von der jedoch vier Personen ausgenommen waren: 'Ikrima, Ibn Chatal, Mikyas b. (^obäba und Ibn Aby Sarh. Der letztere wurde von 'Oth-

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»'Abd Allah, sagt er, bekannte den Islam, Eines Ta- ti-e& liefs ihn der Prophet zu sich rufen und diktirte ihm eine Offenbarung, welche er eben erhalten hatte. Sie steht in Süra 23 und fängt an:

12. Zuerst haben wir den Menschen aus Thonessenz gebildet,

13. dann haben wir sie in der Form von Saamen in ein geschütztes Lager (den Mutterleib) gelegt;

14. dann haben wir den Saamen in einen Blutklum- pen umgestaltet und den Hlutklumpen haben v,\v in eine fleischige blasse und die fleischige Masse in Knochen ver- wandelt, und die Knochen haben wir mit Fleisch beklei- det. Darauf (nach Vollendung des Foetus- Lebens) haben wir ihn in einer andern Gestalt erwachsen lassen. Geseg- net sei Allah, der beste der Schöpfer!

1^. Dann Averdet ihr dereinst sterben,

16. und dann werdet ihr am Tage der Auferstehung auferweckt werden.

Dem 'Abd Allah o-efiel diese Beschreibuns^ der Ent- stehungsgeschichte des Menschen, und als Mohammad den V ers 14 diktirte [und um einen Reim verlegen war], setzte

man verborgen, dann kam er zu dem Propheten als dieser den Hul- digungseid von den Makkanern empfing, legte seine Hand in die des Propheten zur Huldigung, welcher sie auch annahm, nachdem er die Huldigung von drei Personen empfangen hatte. Indessen Mohammad blickte noch erst vorher um sich, ob nicht einer seiner Gefährten aufstehen und ihn erschlagen würde.

Yazyd Nahawy, von Ikrima, von Ibn 'Abbäs:

„Ibn Aby Sarh pflegte für den Propheten zu schreiben, aber der Teufel liefs ihn ausglitschen und er begab sich zu den Ungläu- bigen: der Prophet nahm ihn von der Amnestie aus."

Ibn Sa d, von Ibn Mosayj-ab :

„Einer der Anpär (nämlich 'Abbad b. Bischr) hatte ein Gelübde gethan, den Ibn Aby Sarh zu tödten, wenn er ihn sehen sollte."

Im egyplischen Eroberungskriege kommandirte Ibn Aby Sarh den rechten Flügel. 'Othmän machte ihn zum Gouverneur von Egypten. In dem Bürgerkriege blieb er ruhig zu 'Askalän ohne Partei zu er- greifen und starb daselbst A. H. 30.

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jener die Worte hinzu: Cesegnet sei Allah, der beste der Scliöpfer! Der Proj)het versetzte: Dies sind gerade die Worte, welche mir tiott geotVenbart hat. Dieses erregte Zweifel in 'Abd Allah gegen Mohammads Inspirationen und er sagte: »Wenn Mohammad die Wahrheit spricht, so habe auch ich eine Offenbarung erhalten so gut wie er, und wenn er lügt, so habe ich so gut gesprochen als er«, und er fiel vom Islam ab.

Wir haben andere Versionen dieser Tradition '), wel- chen zufolge 'Abd Allah absichtliche Veränderungen machte, um den Propheten zu probiren. Es unterliegt also keinem Zweifel, dafs .schon früh geringfügige üngenauigkeiten in der Redaktion der Offenbarungen als Grund des Abfalles dieses Mannes angegeben wurden; weiter unten aber wer- den wir sehen, dafs die Zweifel in Abd Allah durch die gelehrten Juden angeregt wurden, welche nach Makka ka- men, um die Korayschiten in ihrer Controverse zu unter- stützen.

') Ibn Garyr, von "Ikrima, in einer Randglosse zu Wähidy, aus der Irschäd:

„'Abd Allah b. Sa'd b. Aby Sarh pflegte für den Propheten zu schreiben. Dieser diktirte ihm: Er ist erhaben und weise. Abd Allah aber schrieb nieder: Er ist vergebend und barmherzig. Dann las er dem Propheten vor, was er geschrieben hatte, und er sagte: Ja, das ist ganz richtig. 'Abd Allah verliefs darauf den Islam und begab sich zu den Korayschiten (der Erzähler bildet sich ein, dafs dies zu Madyna geschehen sei!) und sprach: Wenn Mohammad eine Offen- barung erhalten hat, habe ich auch eine Offenbarung erhalten etc." Aus den Bemerkungen des Baghawy zu Kor. 6, 93 geht hervor, dafs 'Abd Allah den Propheten bei dieser, bei der im Text erwähnten und auch bei andern Gelegenheiten versucht habe. Seine Zweifel scheinen aber durch den Streit über die verbotenen Speisen ange- regt worden zu sein; deswegen richtet sich auch Mohammad in zwei auf diesen Streit bezüglichen Offenbarungen an seine wankenden An- hänger.

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I. Muhammad wird als Besessener verschrien.

Vor allem suchten die Gegner, indem sie von allge- meinen Beschimpfungen zu Einzelheiten fortschritten, dem Volke einen richtigen Begriff von Mohanimad's Krankheits- zustand zu geben. Da er sich selbst für einen Magnün gehalten hatte, wendeten auch sie diese Benennung auf ihn an. Es ist schon zu wiederholten Malen gesagt wor- den, dafs dieser Ausdruck so viel bedeute als von einem oder mehreren Ginn besessen, und es kommt auch statt dessen im Koran (34, 8. 23, 74. vergl. 23, 25) vor: Es ist ein Ginn in ihm; ich habe daher magnün mit beginnt über- setzt. Es entspricht dem lateinischen Daemoniacus, nur unterscheiden sich die Vorstellungen in dem Maafse, in dem sich die Araber ihre Ginn anders vorstellten, als die latei- nischen Völker ihre Dämone. lieber diese Gebilde der Phan- tasie hat jedes Volk seine eigenen Begriffe und jede Re- ligion, sobald sie siegreich wird, degradirt die Genien ih- rer Vorgängerin zu Teufeln und setzt ihre eigenen guten Geister an ihre Stelle.

Einige Ginn standen nun allerdings sehr hoch in der Meinung der Araber, allein wenn ein Wahnsinniger raste und tobte, konnte man doch nicht das Wirken eines gu- ten Geistes in ihm erbhcken. Es gab unter ihnen wie bei uns Entzückte und Besessene. Wenn auch jedes Volk her- gebrachte Ansichten über die Geisterwelt hat, so entwickelt sich doch in jedem Orte, in welchem sich ein Gemüths- kranker bemerkbar macht, erst nach seinem Auftreten eine bestimmte Theorie über seinen Zustand. Es giebt aber einige allgemeine Regeln: das Wunderbare tritt in dem Maafse zurück, in dem die Leute mit der betreffenden Person bekannt werden, die höheren Klassen beurtheilen solche Excentricitäten (ausgenommen wenn sie eine Krank- heit darin erblicken) liebloser als der Pöbel und finden auch den bei Schwärmern selten fehlenden Betrug heraus,

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ja sie schreiben weit mehr dem Betrüge zu, als billig ist. Die Makkaner machten keine Ausnahme von diesen Regeln und stellten jeden Tag eine neue Theorie auf. Anfangs behaupteten sie, dafs er besessen und ein Käbin sei (Ko- ran 52, 29), aber nicht einer von der guten Sorte, sondern dafs die Teufel aus ihm sprächen (Kor. 26, 221). Er be- rief sich auf den Inhalt des Korans, sie aber antworteten ihm: Du bist ein abgerichteter Narr (Kor. 44, 13), der die Lehren Anderer nachplappert. Darauf erwiderte er, dafs seine vorgeblichen Lehrer nicht arabisch genug wüfsten, um für die Verfasser des Korans gelten zu können (K. 16, 10.5). Sie gaben zu, dafs die Form allerdings sein eigenes Werk sei, das Ganze aber hielten sie für eine überspannte Poesie und die Schöpfung eines wahnwitzigen Menschen (Kor. 37, 35. 44, 13. 26, 221). Die Antwort, welche er dar- auf gab, ist sehr matt. Er läfst Gott durch einen Schwur betheuern:

69, 38. Ich brauche nicht zu schwören bei dem, was ihr sehet,

39. noch bei dem, was ihr nicht sehet:

40. Dieses sind wahrlich die Worte eines edlen Pro- pheten

41. und nicht die Worte eines Poeten es fehlt euch an des Glaubens Regung;

42. auch nicht die Worte eines Kähin ihr habt wenig Ueberlegung!

43. Ein Erlafs ist es vom Herrn der Welten.

44. Und wenn unser Bote uns irgend welches Ge- schwätz andichtete,

45. Avürden wir ihn bei der Rechten nehmen

46. und die Herzader durchschneiden

47. und Niemand von euch könnte ihn schützen.

48. Nein, [dies ist nicht Geschwätz, sondern] eine Warnung für die Frommen.

49. Wir wissen wohl, dafs es Leute unter euch giebt, welche sie für eine Lüge erklären.

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50. Die Läugner sind deshalb nur zu bedauern,

51. denn diese OtFenbaiung ist die gewisse Wahrheit. 5'2. Lobpreise daher den Namen deines Herrn, des

Grofsen !

Während einige ihn für einen Betrüger und Charlatan (Sahir) zu verschreien fortfuhren (Kor. 51, 52), gaben an- dere dem Worte magnün die schrecküche Bedeutung, die bei uns toll, wahnsinnig hat (Kor. 54, 9) und beantragten, dafs er unter Aufsicht gestellt werde. Er antwortete, dafs man dem Moses und Noah dasselbe nachgesagt habe:

23, 24. Die Mala, welche unter seinem Volke ungläu- big war, sagte: Der dort ist weiter nichts als ein Mensch wie ihr. Er will vor euch bevorzugt sein. Wenn es Gott gefiele, so würde er Engel (als Boten) schicken. Wir ha- ben von nichts der Art unter unsern \'^orvätern orehört.

25. Er ist weiter nichts als ein Mensch, in dem ein (linn ist. Beobachtet ihn einige Zeit.

26. Er sprach: Herr, mache mich siegreich ihrer Be- schuldigung wegen;

27. und wir offenbarten ihm: Baue die Arche (vergl. Kor. 54, 9. 51, 52).

Mohammad befand sich damals in einer Las:e, die, wenn sie nicht gerade trostlos war, doch für einen nüch- ternen Beobachter keine schöne Zukunft versprach. Die äufsern Verhältnisse konnten daher nur einen deprimiren- den Eindruck auf sein Gemüth machen. Aufserdem bedenke man bei der Beurtheilung das Peinliche, welches solche Vorwürfe für ihn haben mufsten, und dafs im unaufhörlichen Ebben und Fluthen des Gemüthes hysterischer Personen die gehobene Stimmung nur kurze Zeit dauert, im Ver- gleiche zu den Paroxismen der an Verzweiflung streifen- den Kleinmüthigkeit. Häufig bezweifelte er auch selbst seine Mission, und wenn er sich dann von seiner gedrück- ten Stimmung erholte, liefs er sich von Gott zurufen: Du bist wirklich ein Prophet, sei nicht einer der Zweifler! und er liefs sich zum Gebet ermuntern. Der Vor\'\ urf der Beses-

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senbeit fiel glücklicher Weise in eine Zeit, wo er es wa- gen durfte zu trotzen; dalier ergriff er, statt sich auf die Vertheidigung zu beschränken, die Offensive und brand- markte einen seiner Feinde als besessen:

26, 221. Soll ich berichten, auf wen die Teufel sich nie- derlassen ?

22-2. Sie lassen sich nieder auf jenen Verläumder und Sünder,

223. sie geben ihm das Erhorchte ein, doch die mei- sten sind Lügner.

224. Die Poeten aber sind Leute, welchen die Irren- den folgen.

225. Siehst du nicht, dafs sie in jedem Thale (Fache) herumirren

226. und dafs sie Dinge sagen, die sie nicht thun? Ich glaube, dafs diese Stelle gegen den Dichter Omayya

b. Aby-1-^alt gerichtet ist.

IL Wunder.

Ganz für das Wohl der Menschheit zu leben, ist eine hohe Bestimmung und dabei ein erträghches Gewerbe. Anfangs jedoch haben Diejenigen, welche Beruf dazu füh- len, vorausgesetzt, dafs sie nicht von Gottes Gnaden dazu geboren sind, gegen manche gemeine Vorurtheile zu käm- pfen. Mohammad fühlte dieses, und obschon seine Ab- sichten so lauter waren wie die anderer Reformatoren und Demagogen , so fand er es doch mehrere Male noth- wendig zu betheuern, dafs er keinen Lohn für sein Pre- digen erwarte. iMit jener Bescheidenheit, welche in jeder Religion von wahrer Gottesfurcht untrennbar ist, fügte er zwar bisweilen hinzu, dafs ihm seine Stauimgenossen ge- horchen sollen. Dieses kleine Opfer erwarte er aber nicht umsonst, sondern er wolle es auf das Freigiebigste mit An- weisungen auf die Genüsse des Paradieses bezahlen. Nur

iU

heidnische Unempfänglichkeit für götthche Ideen konnte die Makkaner veranlassen, äufsere Beweise für eine Lehre zu fordern, die, wie Mohammad glaubte, keiner bedarf und an und für sich ein Wunder ist.

Wir wissen, dafs, wie das Bekenntnifs auch immer heifsen mag, der wahre seehgmachende Glaube darin be- stehe, dafs man sich des Forschens und Klügeins enthalte, und wir können daher die Haltung der Makkaner unmög- lich für fromm erklären. Aber es läfst sich doch auch Vieles zu ihrer Vertheidis;uno; saoren. Mohammad erzählte ihnen gern von den alten Propheten und den Wundern, die sie gewirkt haben, und betheuerte darauf, dafs auch er ein Pro- phet sei; Avas war natürhcher, als dafs sie auch von ihm Wunder erwarteten. Am liebsten hätten sie es gesehen, wenn er das Thal von Makka durch die Versetzung der Berge weiter gemacht, aus dem Boden Quellen hervorge- rufen und es mit Feldern und Obstbäumen bedeckt hätte. Sollte aber dieser Wunsch zu selbstsüchtig erscheinen, so wollten sie sich zufriedenstellen, wenn Gott bei hellem Taare durch zwei Engel das Buch auf seinen Boten herabsandte^). Nach Mohammad's Begritfen von Gott und OlFenbaruns: wa- ren diese Forderungen ganz gerechtfertigt, und wenn wir die Wunder, die schon vor ihm geschehen sind, berück- sichtigen, so können wir sie auch nicht trivial heifsen. Was man mir auch immer von der Macht religiöser Be- geisterung, edlem Enthusiasmus und unverschuldeter Selbst- täuschung sagen mag und dem Mohammad fehlte es gewifs nicht an diesen Eigenschaften so glaube ich doch dafs eine eherne Stirne dazu gehörte, ohne diesen Bedin- dingungen genügen zu können, das Prophetenamt fortzu- setzen ^).

') Aus Kor. 35, 21 geht hervor, dafs eines der "Wunder, welche sie gerne gesehen hätten, war, dafs er mit den Todten spräche. Eine ausführliche Antwort auf dieses Verlangen steht in Süra 34.

*) Folgende Inspiration, welche seine Verzweiflung über seine

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»Die Korayscliitei), berichtet die Tradition '), spra- chen mit dem Propheten und sagten: Du erzählst uns, dafs Moses einen Stab hatte, mit dem er aut den Felsen schlu«»;, und es sprudelten zwölf Quellen hervor, dafs Jesus die Todten erweckt und dafs für die Thamüdäer eine Kamee- lin hervorf^ebracht wurde. Wirke ein solches Wunder und wir wollen dir glauben. Er sprach: Was für ein Wunder wünscht ihr? Sie antworteten: Verwandle den Hügel von ^afä in Gold. Er sagte: Sehr gut, ich will es thun. Dar- auf rief er den Gabriel. Dieser aber sprach: Wenn du willst, so soll der Qafä zu Gold werden. Aber warum soll

Ohnmacht, Wunder zu thun, und zugleich seinen Glauben und seine Verblendung ausspricht, ist von psychologischem Interesse:

6, 32. Dieses Erdenleben ist weiter nichts als Tand und Spiel, das jenseitige Leben ist besser für Diejenigen, welche Gott fürchten. Sehen sie das nicht ein?

33. Wir wissen wohl, dafs das, was sie sagen, dich betrübet. Aber sie strafen nicht dich der Lüge, sondern die Ungerechten läug- nen die Zeichen Allah's [die er in dir wirkt].

34. Schon vor dir sind manche Boten als Lügner verschrien worden, sie aber haben es ertragen mit Geduld wie sie auch immer der Lüge beschuldigt und gequält wurden, bis endlich unsere Hülfe kam. Gottes Worte (Weissagungen) sind keiner Veränderung unter- worfen [und auch du wirst Beistand finden]. Wir haben dir ja schon die Geschichte der Gottgesandten erzählt.

35. Wenn dir ihr Sichfernhalten von dir unerträglich ist, nun wohlan I wenn es dir möglich ist, ein Loch in die Erde oder eine Leiter zum Himmel zu finden und sie durch ein solches Wunder zu bekehren, so thue es. Allein wenn es Gott so wollte, so würde er sie [auch ohne Wunder] alle auf den rechten Weg versammeln. Sei also nicht auch du einer der Unwissenden!

36. Die Hörenden folgen deinem Rufe; die Todten (Ungläubi- gen) aber wird Allah auferwecken und dann müssen sie vor seinem Richterstuhl erscheinen.

37. Sie sagten: Warum erhält er keine Zeichen von seinem Herrn? Antworte: Allah ist im Stande ein Zeichen herabzusenden. Doch die meisten von ihnen wissen dies nicht.

') Wähidy, 6, iü9, von Abu Maschar, von Mohammad b. Ka b Koratzy.

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ein Zeichen gewirkt werden? sie glauben doch nicht daran, lind dann folgt [augenblicklieb] die Strafe (die Vertilgung- aller Einwohner). Es ist besser, du wartest ab, bis sich Diejenigen, welche sich bekehren wollen, bekehrt haben. Mohammad erwiderte: Ich will abwarten, und darauf offen- barte Gott Kor. 6, i(»9.«

6, 124. So oft ihnen ein Zeichen (eine Offenbarung) ge- bracht wird, sagen sie: Wir werden nie und nimmer glau- ben, ^venn dir nicht etwas Aehnliches gegeben wird, wie den Boten Gottes gegeben wurde.

Unter dieser Bedingung aber versprachen sie feierhch zu glauben ^}:

') Die Tradition stellt den Hergang sehr anschaulich dar, so Wähidy, Asbäb 17, 92, von Ikrima, von Ihn 'Abbäs:

„Otba, Scbayba, Abu Sofyän, Nadhr, Abü-1-Bachtary, al-Wa- 1yd b. al-Moghyra, Abu Gahl, 'Abd Allah b. Aby Omayya, Omayya b. Chalaf und andere korayschitische Häuptlinge versammelten sich eines Tages hinter der Kaba und sagten zu einander: Sendet Je- mand zu Mohammad, dafs er zu uns komme, wir wollen mit ihm disputiren, damit wir einmal mit ihm in's Klare kommen. Er eilte bereitwillig zu ihnen , von dem lang gehegten Wunsche beseelt, dafs sie endlich die Wahrheit einsehen würden. Sie sprachen zu ihm : Wir haben von keinem Araber gehört, dafs er solches unter seinem Stamme eingeführt hat wie du. Du tadelst unsere Väter, lästerst unsern Glauben, erklärst uns für Thoren, verhöhnst unsere Götter und stiftest Zwietracht unter uns. Es giebt kein Uebel, das du nicht verursacht hast. Wenn der Zweck deiner Neuerungen der ist, Reich- thümer zu erwerben , wollen wir sie dir geben und du sollst der reichste Mann unter uns sein. Wenn du durch deine Neuerungen nach Rang strebst, so wollen wir dich zu unserm Sayyid machen. Wenn du Herrschaft bezweckst, wollen wir dich als König ausru- fen. Wenn dich aber ein Ginn (Dämon) plagt, so wollen wir Geld- ausgaben nicht scheuen und Mittel zu finden streben, welche dir Hei- lung verschaffen, und wenn nichts hilft, so wollen wir dein Gebre- chen entschuldigen. Der Prophet antwortete : Ich bezwecke nichts von dem, was ihr nennet, weder Reichthum, noch Rang, noch Herr- schaft, sondern Allah hat mich zu euch als Boten gesandt, er hat mir ein Buch geoffenbart und befohlen, dafs ich euch ermuntern und warnen soll. Ich habe euch die Botschaft meines Herrn überbracht

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6, 109. Sie haben den stärksten ihrer Eide, nämlich hei Allah, «geschworen, dals, wenn ihnen ein Zeichen würde, sie glauben wollen.

Die Mosliine haben eine Eintheiinng und technische Henennuni^en für Wunder aufgestellt, welche dem Moham-

und meinen Rath gegeben. Wenn ihr meine Lehre annehmet, so ist es zu eurer Seligkeit in dieser und in der nächsten Welt; wenn ihr sie aber von eucli stofset, so erwarte ich geduldig den Befehl Gottes. Er wird zwischen mir und euch richten. Sie erwiderten: Wenn du unsere Anerbieten nicht annimmst, so machen wir einen andern Vorschlag: Du siehst, unser Thal ist eng, wir sind arm und leiden grofsen Wassermangel: wir führen ein hartes Leben. Bitte deinen Herrn, der dich gesandt hat, dafs er diesen Bergen, welche uns beengen, wegzugehen befehle, dafs er unser Land weit mache und von Flüssen durchströmt werden lasse, wie 'Irak und Syrien. Bitte ihn, dafs er unsere Väter, besonders aber den Ko9ayy, wieder erwecke, und wir wollen uns bei ihnen Rath holen über deine Lehre. Wenn du das thust, so glauben wir an dich. Der Prophet antwortete: Das was ihr verlangt, ist nicht meine Mission. Ich habe euch be- reits die Botschaft, mit der ich beauftragt bin, ausgerichtet. Wenn ihr sie annehmet, so ist es zu eurem Heil in dieser Welt und in der nächsten. Sie fuhren fort: Wohlan denn, wenn du das nicht thun willst, so bitte deinen Herrn, dafs er einen Engel sende, welcher Zeugnifs für dich ablege, dafs er dir Gärten und Schätze gebe und ein Schlofs von Gold und Silber, damit du nicht mehr auf die Märkte zu ziehen brauchst, um deinen Unterhalt zu erwerben. Mohammad antwortete: Ich werde niemals meinen Herrn um Solches bitten, noch ist dieses meine Mission. Ich bin als Prediger und Warner zu euch gesandt worden. Sie fielen ihm in das Wort: Wenn du ein Warner bist, so lasse den Himmel auf uns herabstürzen, wie du glaubst, dafs dein Herr thun wird, wenn es ihm gefällt. Er antwortete: Das steht bei Gott, wenn es ihm gefällt, so wird er es thun. Einer von ihnen sagte: Wir glauben nicht an dich bis du Allah und die Engel zu uns herabbringst. 'Abd Allah b. Aby Omayya Machzümy und der Sohn der Tante des Propheten, der'Atika, einer Tochter des 'Abd al- Mottalib, sagte: Wir glauben dir nicht, bis du vor unsern Augen auf einer Leiter zum Himmel empor steigst und uns ein offenes Exemplar [den Koran] mitbringst, begleitet von einigen Engeln, welche Zeugnifs für dich ablegen. Der Prophet kehrte darauf be- trübt, ihres Unglaubens wegen, zu den Seinen zurück, und Gott of- fenbarte ihm Süra 17, 92."

u. 27

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mad unbekannt waren. »Karäma (Verherrlichung) bedeu- tet eine Ersclieinung, welche nicht im Laufe der Dinge liegt und zu Gunsten einer Person gewirkt wird, welche keinen Anspruch auf das Prophetenthum hat. Wenn ein solches Ereignifs nicht in Folge des Glaubens und guter Werke geschieht, so heifst man es etwas Unerklärliches '), wenn aber dadurch der Anspruch auf das Prophetenthum begründet wird, nennt man es Mu'giza (das Unerreichbare).« Der Verfasser will sagen: Die Wunder der Propheten wer- den Mu'giza und die Wunder, die Gott zu Gunsten der Heiligen wirkt, werden Karäma genannt, andere aufseror- dentliche Erscheinungen sind keine Wunder, sondern blofs unerklärliche Dinge.

Im Koran stehen Bayyina, Erleuchtung, und Ayah für Wunder. Letzteres Wort bedeutet ursprünglich Zeichen. Es heifst in Kor. 26, 128: »Die 'Aditen bauten ein Zeichen auf jedem erhabenen Ort.« Diese Zeichen waren zur Lei- tung der Karawane in der Wüste bestimmt, wie unsere Leuchtthürme für die Seefahrer ^). Ich glaube nicht, dafs Ayah unter den heidnischen Arabern vor Mohammad in einer andern Bedeutung üblich war: Wunder sind erst von ihm Zeichen genannt worden, und er ist hierin dem Sprach-

') Im Original: Istidräg. Es wird in den Wörterbüchern mit Täuschung übersetzt. Eigentlich bedeutet es den Feind in einen Hinterhalt locken (Kor. 7, i8i); wenn ihm aber die Bedeutung von „Täuschung" gegeben wird, so schwebte dem Sprachbewufstsein darg, madraga als Stammwort vor. Diese zwei Wörter bedeuten: auf dickem Papier geschriebene Proben von Kalligraphie oder Zeich- nungen, welche wie auf Leinwand aufgezogene Land- oder Muster- karten zusammengelegt werden, so dafs sie gleichsam Stufen, dar- gat, bilden, also so: WW- Wenn das Darg geschlossen ist, sieht man nicht, was darin ist, daher fy darg alkitäb, ungefähr so viel als: unter dem Couvert des Briefes. Istidräg bedeutet also: etwas dem Auge entziehen, und wohl auch: hinter's Licht führen.

*) Wenn in Gen. 1 , u gesagt wird: Lafst die Sonne und den Mond Zeichen sein, so scheint auch hier der Sinn zu sein für Rei- sende, denn die Karawanen richten sich besonders nach der Sonne und dem Monde.

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jgebrauch und Ideengang der Juden gefolgt. Wie dieses Wort zu seiner neuen Bedeutung kam, lernen wir aus Stel- len nie diese: Zacharias bat Gott um ein Zeichen, und Gott antwortete: Dein Zeichen sei, dafs du drei Tage stumm seiest '). Aehnliche Fälle kommen in der Bibel häufig vor. Ein Wunder ist also ein Zeichen, wodurch Gott sein Walten kund giebt; daher werden auch im Ko- ran zunächst der Auf- und Untergang der Sonne, der Re- gen und das Wachsen der Pflanzen und Thiere Zeichen Gottes genannt (Kor. 7, 144)^).

Jetzt bedeutet Ajah Koränvers; in diesem Sinne sagt man, dafs die erste Süra sieben Ajah, d. h. Verse enthalte. Schon Mohammad gebrauchte es häufig für Inspiration; denn er erbhckte in seiner übersprudelnden Begeisterung das Walten Gottes in seinem Innern. Ja er geht weiter und wendet (Kor. 7, 175; vergl. Bd. I S. 80) den Ausdruck so- gar auf die begeisterten Verse des Dichters Omayya an. In einem oder zwei Fällen steigerte sich Mohammad's ei-

') Kor. 19, 11. Lucas 1, 18 19. Der neutestamentliche Ausdruck iät GtjixEiov. Auch die Wunder, welche Moses wirkte und nach neuer Terminologie Mu'gizät genannt werden sollen, heifsen im Koran 26, u. 28, 35. 36 Ayät.

*) Die Etymologie ist etwas dunkel. Das hebr. Wort für Zei- chen ist öt, das syr. oto und das arab. ayah oder ayat. Das arabische mufs auf die Wurzel awä umkehren, ankommen, das syr. auf ata, und das hebr. auf awt r'"S< welches die Lexicographen für verwandt mit atah halten, zurückgeführt werden. Es scheint festzustehen, dafs der Grundbegriff von aya, 6t und oto veniens ist. Es ist aber klar, dafs im Semitischen ursprünglich ä kommen bedeutete (so auch im Hindustanischen ä-nä und im Pers. ä-ma-dan, Imperat. äy). Um die Wurzel zu erweitern, wurde schon früh ein T beigefügt, und so entstanden owt, awat (statt aat), ata als neue Wurzeln. Es wurden aber auch andere Versuche gemacht, die ursprüngliche Wurzel a zu erweitern, und wir haben im Arabischen awa (statt aa); vielleicht gehören auch bawa und awab hieher. Das Wort, welches jetzt Zei- chen heifst, scheint gebildet worden zu sein, als die Wurzel zu ät erweitert war, und es mag aat oder aut gelautet haben; daher ayat, 6t.

27*

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gene Aufregung zur Vision, welche er das gröfste Zeichen, Ayat alkobrä, nennt.

In flem Gebrauche von Aya erblicken wir also ein Beispiel, dafs Mohammad eine subjective Wahrnehmung durch ein Wort bezeichnet, womit eigenthch ein objekti- ver Gegenstand benannt wird. Auch Bavyina, welches, wie Bd. I S. 474 gezeigt worden ist, Erleuchtung bedeutet, wird in Kor. 7, 103, wie Ayah für die Wunder des Moses vor IMiarao gebraucht. Auch dieses Wort ist also von Mo- hammad zur Bezeichnung einer subjektiven und objektiven Wahrnehmimg benutzt worden.

Dieselbe Unfähigkeit, zwischen Vorgängen im Innern und den äufseren Wahrnehmungen zu unterscheiden, zeigt sich auch in Mohammad's Antworten auf die Forderung, Wunder zu thun. Eine zu klare Auffassung des Gegenstan- des wäre auch sehr unbequem gewesen, und es liegt da- her in der Begriffsverwirrung ebenso viel Absicht als na- türhcher Hang.

Als ihn die Gnadenlehre besonders beschäftigte, pre- digte er:

13, 27. Die Lno^läubiijen sasren: Warum wird ihm von seinem Herrn kein Zeichen gewährt? Antworte: Der Herr leitet irre, wen er will, und den Bekehrten führt er zu sich,

28. nämlich die Gläubigen, welche ihre Herzen durch das Dzikr Allah's ^) stärken und werden die Herzen durch das Dzikr Allah's nicht kräftig? Heil und eine schöne Zukunft den Gläubigen und Rechtschaffenen!

29. Auf diese Weise (d. h. ohne äufsere Zeichen, son- dern dadurch dafs du den Bedürfnissen der »Bekehrten« ent- sprechest) haben wir dich zu einem Volke gesandt, welchem andere Völker vorausgegangen sind, auf dafs du ihm das, was wir dir eingegeben haben, vorlesest. Sie (die Nicht- bekehrten) aber glauben nicht an den Rahmän. Sprich:

') Beständig die Ejaculation: Allah! Allah! im Munde fuhren und an Gott denken.

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Er ist mein Herr! Es giebt keinen Gott aufser ihm. Auf ihn vertraue icli, er ist es, zu dem ich mich bekehrt habe.

30. CJiibe es auch einen Koran (CJebetformel) '), durcli welchen Berge zum CJehen gebracht o<ler die Erde zer- niahnt oder den Todten Sprache gegeben werden könnte [so würden sie doch nicht glauben]. Allein Allah waltet in allen Dingen. Haben dessenungeachtet nicht auch die Gläubigen daran verzweifelt, dafs, wenn es Allah wollte, er alle Menschen leiten würde?

Obschon Älohammad in dieser Offenbarung wie Swe- denborg den Glauben als eine aus dem binern strömende Kraft ansieht und äufsere Mittel ihn aufzunöthigen für un- zweckmäfsig hält, so verschmäht er es doch nicht, sich in folgender Inspiration auf das Zeugnifs der Schriftbesitzer zu berufen, \velches ihm auch, wie Avir im vorigen Kapi- tel gesehen haben, von gröfstem Nutzen war:

6,109. Sie haben den stärksten ihrer Eide, nämlich bei Allah, geschworen^), dafs sie dann, wenn ihnen ein Zeichen würde, glauben wollen. Antworte: »die Zei- chen stehen bei Gott.<< Wifst ihr auch, o Gläubige, dafs wenn ihnen auch eins gezeigt würde, sie doch nicht glaubten?

110. Wir wenden ihre Herzen und ihre Augen von der Wahrheit hinweg. Sie würden also selbst einem Wun- der nicht glauben, wie sie vom Anfange nicht glaubten. Wir werden sie auch ferner in ihren Sünden verblüfft herum- irren lassen.

' ) Unter Koran ist hier nicht das ganze Buch, welches wir so nennen, zu verstehen. Man sagt: gama'atu koränan kathyran, ich habe viel [vom] Koran gesammelt. In dieser Phrase wie auch im Text bedeutet Koräu ein geoffenbartes Stück oder ein Psalm, und dieser Stelle liegt eine Idee zu Grunde, welche die Juden mit dem grofsen Namen Gottes und andere Nationen mit Zauberformeln ver- banden.

*) Ich folge der Auffassung des Kalby und Mogähid, welche sagen: Wenn ein Mann bei Allah schwor, so war dies der feier- lichste Eid.

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111. Wenn wir auch die Engel zu ihnen hinabsen- den , wenn auch die Todten mit ihnen sprechen und wir auch Alles als Bürgschaft versammeln, so sind sie doch nicht fiihig zu glauben, aufser wenn Allah es will. Sie können dies nicht begreifen.

112. [Wenn du von Walyd und Andern verfolgt und um Wunder gefragt wirst,] so haben wir für jeden Pro- pheten einen Feind aufstehen lassen, nämlich die Satane unter den Menschen und Ginn. Diese flüstern jenen schöne Phrasen voll Irrthum zu. Wenn es dein Herr anders wollte, würden sie dies nicht thun. Kümmere dich daher nicht um sie und ihre Yerläumdungen.

113. Mögen die Herzen der Leute, Avelche nicht an das Jenseits glauben, sich zu diesen Scheingründen hin- neigen, mögen sie sich damit gefallen und mögen sie sich somit in Schuld und Sünde verstricken.

114. Soll ich mir deshalb aufser Allah einen Schieds- richter wünschen? Er ist es, welcher zu euch das [im Himmel aufbewahrte] Buch in deutlicher Fassung herab- gesandt hat, und jene, welchen das Buch [ehedem] gegeben worden war, wissen, dafs deine Lehre eine Mittheilung von dem Herrn und voll Wahr- heit ist, sei daher nicht einer der Zweifler.

Deutlicher als in den bisheriaren Stellen wendet er die Gnadenlehre zu seinem Zwecke in folgender Inspira- tion an:

25, 8. Sie sagen: Was ist dies für ein Gottgesandter? Er ifst Speisen und zieht auf den Märkten umher [um sei- nen Unterhalt durch Handel zu erwerben].

[Wir werden nimmer glauben,] wenn nicht ein En- gel zu ihm gesandt wird und mit ihm als Warner thä- tig ist,

9. oder wenn ihm nicht ein Schatz gegeben wird, oder für ihn Gärten erschaffen werden, von denen er es- sen kann. Die Ungerechten sagten [zu den Gläubigen]:

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Ist der, dem ihr folget, etwas Anderes als eia betliorter

^lensch?

10. Sieh doch, womit sie dich in dieselbe Kategorie stellen! Sie irren und können keinen Ausweg finden.

11. Gesegnet sei der, welcher, wenn er gewollt, dir elNvas Besseres gegeben hätte als alles dieses, nämlich Pa- radiese, welche von Bächen durchschnitten sind, und er würde noch Schlösser hineinstellen.

12. xVber sie halten die Stunde (das Weltgericht) für eine Lüge [und dieses ist die Ursache ihres Unglaubens und nicht der Mangel an Wundern], und für den, der die Stunde läugnet, haben wir das Höllenfeuer vorbereitet [und ihm die Fähigkeit, an dich zu glauben und sich dadurch zu retten, benommen].

Bemerk. Hier folgt eine Beschreibung der Hölle.

Die Idee, dafs Gott die Menschen verblende und so- gar äufsere Mittel anwende, um sie vom Glauben abwen- dig zu machen, bildet eine Phase in Mohammad's Ausbil- dimg der Gnaden- und Prädestinationslehre, und er fand sie "besonders bequem, wo er sich compromittirt hatte (vergl. Ivor. 22, 52 und den A. D. 621 geoffenbarten Vers 17,62) oder, wie im gegenwärtigen Falle, nicht leisten konnte, was man von ihm erwartete. Er will sagen: Gott enthält mir deswegen die Wundergabe vor, um die Men- schen zu erproben, denn ein Mensch, dessen Herz nicht von Gottesfurcht und dem Glauben an die Unsterbhchkeit erfüllt ist, verdient nicht, durch den Eintritt in die selig- niachende Kirche sjerettet zu werden.

Die Tradition ^st hierin viel erhabener als der Koran. Schade, dafs dem Mohammad nicht folgende schöne Idee in den Sinn gekommen ist^):

»Als die Ungläubigen dem Propheten seine Armuth

t) Wähidy, Asbäb 25,11, von Gowaybir, von Dhahhäk, von Ibn Abbäs.

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vorwarfen, indem sie sagten: Was ist dies für ein Bote? er ifst Speisen etc., wurde er sehr traurig. Da kam Ga- briel zu ihm und sagte, dafs auch die frühem Propheten afsen und ihren Lebensunterhalt erwerben mufsten. Wäh- rend sie sprachen, wurde Gabriel so klein wie eine Erbse. Mohammad fragte ihn, warum er so klein geworden sei, und er antwortete: Ich sehe ein Thor des Himmels offen, das bisher immer geschlossen war. Ich fürchte, die Strafe wird jetzt über dein Volk hereinbrechen, weil sie dir deine Armuth vorwarfen. Mohammad weinte und auch Gabriel. Dieser aber nahm bald darauf seine frühere Gestalt wieder an und sprach: Freue dich Mohammad, hier kommt Ridh- wän, der Schatzmeister des Paradieses, er bringt dir et- was Erfreuliches von deinem Herrn. Ridhwän trat näher und sprach: Saläm, o Mohammad, Gott sendet dir seinen (irufs und die Schlüssel der Schätze der Welt. Es soll durch deren Genufs dein Lohn in der andern Welt nicht um das Gewicht eines Mückenflügels vermindert w-erden. Mohammad sah den Gabriel an, dieser schlug mit der Hand auf die Erde und sprach: Sei demüthig vor Gott, o Mo- hammad! Der Prophet sprach: Ich will die Schlüssel nicht, ich ziehe es vor, arm und ein geduldiger, aber dankbarer Diener Gottes zu sein. Ridhwän sagte darauf: Du hast das Rechte getroffen. Zugleich kam eine Stimme vom Himmel; Gabriel erhob sein Haupt und siehe, die Thore des Himmels waren offen bis zum Throne Gottes. Mo- hammad sah die Plätze der Propheten und sein Platz war über den ihrigen. Die Stimme rief: 0 Älohammad, ich bin zufrieden mit dir. Der Prophet antwortete: Gieb mir, was du willst, o Herr; mein Schatz sei, dafs ich am Tage der Auferstehung fürsprechen darf für die Menschheit ^).

' ) Wir haben gesehen, dafs Fürsprache bei Gott gegen die An- sicht des Propheten und seiner Lehrer war; allein Priester zu sein, wäre ein schlechtes Geschäft ohne dieses Privilegium, auch würden ihn seine Anhänger, von denen sich nur wenige zu einem höheren

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Die Fortsetzung der letzten OITenbaning enthält die Antwort auf eine bestimmte Fcrderung, dafs nämlich En- gel vom Hinmiel kommen sollen. Sie ist schon viel schalk- hafter als die Inspirationen, die wir soeben kennen gelernt haben, und bezieht sich auf seine Drohungen einer zeitli- chen Strafe:

25, 23. Diejenigen, Avelche keine Vergeltung erwarten, sa"-en: Warum werden nicht die Engel zu uns herabge- sandt, oder warum sehen Avir unsern Herrn nicht? Sie sind übermüthig in ihrer Seele und im höchsten Grade vermessen.

Bemerk. Die Antwort auf diese Forderung steht

oben S. 114.

Derselbe Gegenstand wird auch in andern Suren be- handelt:

6, 8. Sie sagen: Warum wird nicht ein Engel zu ihm I herabgesandt? Wenn wir einmal einen Engel hinabge- I sandt haben, so ist die Sache entschieden, dann wird keine Rücksicht mehr auf sie genommen.

9. Hätten wir auch einen Engel zum Boten gewählt, so würden Avir ihm doch menschliche Gestalt gegeben haben [und folglich würde er ihnen unkenntlich sein, indem er wie sie aussähe.]

17 9-2. Sie sao-en: Wir werden nimmer an dich glau- ben, ehe du nicht für uns eine Quelle aus der Erde her- vorsprudeln läfst,

9:3. oder ehe du nicht einen Garten erhalten hast voll Palmen und Reben, durchschnitten von nuu'melnden Bächen,

Gottesbewufstsein erheben konnten, wenig geachtet haben, wenn er nicht mit Gott auf dem vertrautesten Fufse gestanden hätte. Die rohen Ansichten, dafs sich der Ewige und Unveränderliche beein- flussen läfst, sind unter allen Völkern verbreitet, und ich hatte Ge- legenheit, selbst den Heiligendienst verdammende Wahhabiten zu beobachten, wie sie in Gefahr o Mohammad! o Mohammad! (und nicht o Gott! oGott!) ausrufen, statt die Schultern gegen das Rad zu stemmen.

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94. oder ehe du nicht, wie du dir einbildest [dafs es •geschehen uerde], einen Wolkenbruch auf uns herabfallen läfst, oder ehe du niclit Allah und die Engel als Zeugen bringst,

95. oder ehe du nicht ein Haus von Gold hast oder zum Himmel emporsteigst. Aber selbst deinem Emporstei- gen werden wir keinen Glauben schenken, ehe du nicht ein Ouch auf uns herabkommen machst, das wir lesen kön- nen. Sprich: Gepriesen sei mein Herr (d. h. es sei fern, dafs so etwas geschehe); bist du etwas Anders als ein 3Iensch, der als Bote gesandt wurde?

96. Nichts hat die Menschen, nachdem die Leitung zu ihnen gekommen war, vom Glauben zurückgehalten, als dafs sie sagten: Wie, x\llah soll einen Menschen als Boten gesandt haben?

97. Antworte: Wenn Engel auf Erden wandelten und sie bewohnten, würden wir zu ihnen einen Engel als Bo- ten gesandt haben.

98. Sprich : Allah genügt als Zeuge zwischen euch und mir; denn er kennt und beobachtet seine Diener.

Auch in manchen andern Stellen beruft er sich auf die Bürgschaft Gottes, d. h. die Lebendigkeit seiner eige- nen Ueberzeugung; so sagt er z. B. in:

6, 19. Frage: Was gewährt die beste Bürgschaft? Ant- worte: Allah ist der Zeuge im Streite zwischen mir und euch, er hat mir diesen Koran geoifenbart, auf dafs ich euch damit warne und alle, welche er erreichen mag. Wie, ihr wollt bezeugen, dafs es neben Allah andere Götter giebt? Sprich: Ich bezeuge das nicht. Sprich ferner: Er ist der einzige Gott; ich sage mich los von dem, was ihr ihm beigesellt.

Der göttliche Ursprung und die Macht dieser Ueber- zeugung gaben ihm selbst, nachdem seine Schwanke auf- gedeckt worden waren, den Muth, Glauben zu erwarten, obschon er für den Augenblick Gott sagen lassen mufste:

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6,50. sprich: Ich sage ja nicht, dafs die Schätze Al- lah's in meiner Gewalt stehen, noch dafs ich das Verbor- gene wisse, noch sage ich, dafs ich ein Engel sei. Ich folge nur dem, was mir eingegeben wird. Sprich ferner: Stehen der Blinde und der Sehende (d. h. ihr und ich) auf gleicher Höhe? Denkt ihr nicht ein wenig nach?

Schon am Anfanije seiner Mission waren die Wunder Gottes in der Schöpfung diejenigen Zeichen, auf die er seine Hörer aufmerksam machte. Gedrängt von Freund und Feind hat er es später versucht, Beweise seiner Sen- dung aufzutreiben. So oft seine Blöfsen aufgedeckt wur- den, kehrte er zu seiner frühern Beweisführung zurück und fand, dafs es das sicherste Mittel, seinen Lehren Eingang zu verschaffen, sei: die Zuhörer in eine religiöse Stimmung zu versetzen und dann die Hölle recht heifs zu machen. Als ihm seine Feinde vorwarfen, er trage die Asätyr der Alten- vor, sagte er:

16, 1, Das Walten Allah's ist im Eintreten, beschleu- niget es nicht! Erhaben und weit entfernt ist er von dem, was ihr ihm zugesellt.

2. Er sendet die Engel als üeberbringer des [heiligen] Geistes, welcher eine seiner Machtäufserungen ist, auf wen er will von seinen Dienern herab, mit dem Auftrage: Lehret, »es giebt keinen Gott aufser mir; also fürchtet mich.«

3. Er hat die Himmel und die Erde nach einem Plane erschaffen; erhaben sei er über das, was sie ihm zuge- sellen.

4. Er hat den Menschen aus Saamen erschaffen, und jetzt ist er ein frecher Disputant.

."). Auch die Hausthiere hat er erschaffen; sie gewäh- ren euch Kleidung und andere Vortheile, und versehen euch mit Nahrung.

6. Und wenn ihr sie heimtreibt und auf die Weide führt, verleihen sie euch Glanz.

7. Sie tragen eure Lasten in Länder, welche ihr nicht

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erreichen könntet oline grofse persönliche Beschwerden. Euer Herr ist wahrlicli i>nä(ru>^ und barmherzig.

f^. Auch das Pferd, das Maultliier und den Esel [hat er euch gegeben] zum Reiten und zum Staat. Er hat Dinge erschafTen, die ihr gar niclit kennt.

y. Ihm liegt die Wegweisung ob. Es giebt zwar Leute, welche vom Weg verirrt sind; allein Avenn er es wollte, würde er euch insgesammt leiten.

10. Er ist es, welcher Wasser vom Himmel herab- schickt, das zum Trank dient und durch welches Pflanzen wachsen, worauf ihr eure Heerden weidet.

11. Auch Saaten läfst er durch dasselbe emporschie- Isen, und den Oelbaum, und die Palme, und die Rebe und Früchte aller Art. Darin liegt wahrlich ein Zeichen für nachdenkende iMenschen.

1-2. Er hat euch die Nacht und den Tag, die Sonne und den Mond und die Sterne dienstbar gemacht, indem sie seinem Befehle gehorchen. Darin liegen wahrlich Zeichen für vernünftige Menschen.

13. Auch verschiedenartige Pflanzen hat er zu eurem Nutzen auf der Erde ausaresäet! Darin sind wahrlich Zeichen für überlegende Menschen.

14. Er ist es, welcher euch das Meer dienstbar ge- macht hat, auf dafs ihr schmackhaftes Fleisch zu essen be- kommet; -— auch gewinnt ihr daraus Schmuck zum An- ziehen, und du siehst wie die Schiffe seine Wogen durch- schneiden ~- und auf dafs ihr euch seiner tiaben theilhaftig macht und ihm dankbar seid.

15. Fr hat in die Erde Berge eingesetzt, auf dafs sie unter euren Füfsen nicht wanke, und hat Wege gebahnt, auf dafs ihr geleitet werdet.

16. [Auch hat er Hügel, Felsen etc.] als Wegweiser [für Seeleute und Karawanen] errichtet, ferner leiten euch auch die Gestirne.

17. Ist Derjenige, welcher erschafft, wie Derjenige, welcher nicht erschafft? Denkt ihr denn nicht nach?

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18. Wolltet ihr die Wohlthaten Gottes zahlen, so >vür- det ihr niclit an's Ende kommen, denn er ist gnädig und barmherzig.

19. Er weifs, was ihr verheimlichet und was ihr zur Schau traget.

20. Die Wesen, welche ihr neben Allah anbetet, er- schaffen nichts, sondern sie Averden erschaffen.

21. Sie sind todt und leben nicht u. s. w. (s. oben S. 391.)

28. Ihre Vorgänger haben ähnliche Kunstgriffe geübt, aber Allah hat die Grundfesten ihres Gebäudes anjjesrriffen und das Dach ist auf sie gefallen (die vStrafe ist von einer Seite gekommen, von wo aus sie es nicht vermuthet hatten).

29. Dann kommt der Tag der Auferstehung da werden sie zu Schanden werden etc.

Eine ähnliche bei demselben Anlafs geoffenbarte Stelle steht oben S. 390. Es fehlte dem guten Manne an Ta- lent für beschreibende Poesie, und deswegen sind die bi- spirationen dieser Art Avenig zahlreich, einförmig, und wenn man sie genauer besieht, entdeckt man dafs sie mühsam zusammengesetzt sind; so sind meines Erachtens die in Vers 14 zwischen den Gedankenstrichen stehenden Worte ein späterer Einfall, den er hier einschaltete.

Ich führe noch zwei Kompositionen dieser Art an'): 88, 17. Betrachten sie nicht das Kameel, wie es gebil- det ist?

18. und den Himmel (das Firmament) wie er gewölbt?

19. und die Berge wie sie aufgestellt?

20. und die Erde Avie sie ausgebreitet?

21. Bringe sie doch zum Nachdenken, denn du bist ein Ermahner;

22. du bist aber nicht ihr Zuchtmeister.

23. Wer sich abwendet und ungläubig ist,

•) Wer mehr Erbauung wünscht, lese Kor. 30, i? ff. 30, 45 fF. 39, 7 ff. 25,43-60. 15, 19 ff. 13, iff.

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'24. den ^vil•f] Allah mit der schwersten Strafe heim- suchen;

25. denn zu uns müssen sie zurückkehren,

26. und dann wird es unsere Sache sein mit ihnen abzurechnen.

78, 6. Haben wir nicht die Erde wie ein Bett ausgestreckt

7. und die Berge darein gesteckt,

8. und euch in Paaren hervorgebracht

9. und für euch den Schlaf zum Sabbatiren ') gemacht

10. und zur Hülle die Nacht

11. und zum Erwerb den Tag, wenn ihr wacht?

12. Ueber euch haben wir sieben V^esten erbaut ^)

13. und eine flammende Lampe angezündet, die auf euch hinunterschaut,

14. und von den Seihenden (d. h. den Wolken) wird Wasser hinabgethaut,

') Im Arabischen Sobät. Es ist von Sabbat abgeleitet und klingt mir ganz so barbarisch wie sabbatiren.

*) Im Original schidäd, welches unserem „Firmament" ent- spricht, denn schadyd bedeutet fest. Die sieben Planeten konnten alle Nationen beobachten, aber die Idee, dafs die Erde der Mittel- punkt sei von sieben dicken concentrischen Sphären, bestehend aus Aether, ist eine so unnatürliche Verirrung des Geistes, dafs sie, wo wir sie immer finden mögen, aus ein und derselben Quelle kom- men mufs. Es liegt ihr aber ein System der Philosophie zu Grunde, welches dem Mohammad in seinem Zusammenhange nicht bekannt war, von welchem wir aber im Koran auch sonst noch Bruchstücke finden. Der Vertreter dieses Systems ist Pseudo-Apollonius. Der Presbyter Sagius, welcher der Uebersetzer desselben zu sein vor- giebt, ist wahrscheinlich der Verfasser und lebte wohl unmittelbar vor Mohammad. Wir kennen das Buch nur durch eine arabische Uebertragung, und der Uebersetzer, ein Moslim, hat sich so viele Freiheiten erlaubt, dafs wir nicht im Stande sind, seine Zugaben vom Ursprünglichen zu unterscheiden. So viel kann jedoch mit Be- stimmtheit gesagt werden, dafs es die Weltansicht enthält, welche zur Zeit des Mohammad im Orient sich geltend gemacht hatte und wovon einzelne Ideen in das Volk, ja selbst in die Wüste gedrun- gen waren.

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15. womit wir Getreide und Pflanzen hervorrufen

16. und Gärten mit versclilungenen Aesten schufen. Ein Gott olme Hölle hat keine Schrecken, und ein

Paradies ohne Hüries hat keine Anziehung für rohe Ge- miither; da aber die Leute anschauliche Begriffe über ewige Strafe und Belohnung haben wollten, so wäre die ITnsterb- lichkeitslehre ohne die Versicherung, dafs wir auferstehen werden, eindruckslos verschallt. So kommt es, dafs wo immer im Koran von Gottes AVirken in der Natur die Rede ist, die stereotypen Beweise für die Auferstehung wieder- kehren. Wer von dieser auch nur halb überzeugt war, den konnte man auch alles l ebrige glauben machen. Folgende Offenbarung, welche die Einwendungen eines Widersachers zu widerlegen bestimmt ist, enthält daher keinen anderen haltbaren Gedanken als die abgenützten Auferstehungsbe- weise. Vergl. Koran 50, l ii und 50, 14 17.

45, 1. Ham. Erlafs aus dem Buche von Allah, dem Er- habenen, dem Weisen.

2. Wahrlich in den Himmeln und auf der Erde giebt es Zeichen für die Gläubigen;

3. auch im Bau eures Körpers und in den Thieren, welche er verbreitet, sind Zeichen für Menschen starken Glaubens ;

4. auch im Alterniren von Tag und Nacht, in den Wohlthaten, welche Gott vom Himmel schickt und womit er die Erde belebt, nachdem sie erstorben gewesen, und in der Wendung der Winde sind Zeichen für vernünftige Menschen.

5. Jenes sind die Zeichen Ailah's; wir lesen sie dir vor und sie sind voll Wahrheit. Welche Lehre wird euch nach der Ailah's und seiner Zeichen noch überzeugen?

6. Wehe jenem V^erläumder und Sünder!

7. er hört die Zeichen Ailah's an, wenn man sie ihm vorliest, verharrt aber dennoch aus Üebermuth im Unglau- ben, wie wenn er sie nicht vernommen hätte. Verkünde ihm eine peinliche Strafe.

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8. Wenn er etwas von unsern Zeichen gelernt hat, macht er sie zum Spott. Solche Leute erwartet eine er- nietlriijende Strafe.

9. Hinter ihnen gälint der Rachen der Hölle und was sie erworben haben wird ihnen nichts nützen, noch werden ih- nen die Wesen, welche sie aufser Allah als Beschützer erwählt haben, von Nutzen sein. Es erwartet sie eine grofse vStrafe.

10. Dieses ist eine Leitung, und Diejenigen, welche an die Zeichen ihres Herrn nicht glauben, erwartet eine ])einliche Strafe der Erniedrigung.

11. Allah ist es, welcher euch das Meer unterwor- fen hat, so dafs das Schiff auf seinen Befehl darauf schwimmt uml ihr euch seiner Wohlthaten theilhaftig machet, damit ihr dankbar sreoren ihn seid.

1-2. Er hat euch aus Wohlwollen alles unterworfen, was in den Himmeln und was auf Erden ist. In diesen Dingen sind Zeichen für ein nachdenkliches Volk.

13. Sag' zu den Gläubigen, sie sollen Jenen verge- ben, welche nicht an die Tage der Vergeltung Allah's glau- ben, an denen er ein Volk nach seinen Werken behandelt.

14. Wer Gutes thut, thut es für sich selbst, wer Bö- ses übt, der hat dafür zu leiden. Am Ende müfst ihr vor eurem Herrn erscheinen.

Hier wäre der Ort, die Wunder, welche die Tradition dem Äloharamad zuschreibt, zu prüfen. Allein weil wir nicht als Moslime erzogen worden sind, so verwerfen sie gewifs alle Leser, für welche dieses Buch zunächst geschrieben ist, ohne Skrupel oder Gewissensbisse, wenn sie auch andere Wunder, welche ebenso wenig historische Begründung ha- ben, glauben. Ich werde bei verschiedenen andern Gele- genheiten darüber sprechen, um zu zeigen, durch wen zu- erst Mythen über Mohammad erdichtet worden sind, und um die Tendenz verschiedener früher moshmischer Theo- logen zu beleuchten. Der Leser wird daher mit den dem Mohammad zugeschriebenen Wundern sattsam bekannt wer- den, wenn wir sie auch bei dieser Gelegenheit nicht erzählen.

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III. Die zweite Drohuiigsperiode.

Den reichlichsten Stoff iür Spott boten Mohammad's Weissagungen eines in icürzester Frist eintretenden Strafge- richtes. Ungeachtet des Frevels und der Herausforderun- gen der Ungläubigen, wollte es doch nicht kommen, und Gott selbst konnte seinem Boten keinen bessern Rath ge- ben, als geduldig zu sein (Kor. 38, 15. 16. V^ergl. oben S.95 und 27). Wir haben zwar schon einige Inspirationen ken- nen gelernt, aus denen die Verlegenheit des Propheten her- vorleuchtet ; um seine fatale Lage anschaulicher zu machen, trage ich hier noch einige nach:

86, 11. Ich schwöre bei dem Firmament mit retrograder Bewegung,

12. und bei der Erde mit fruchtbarer Regung,

13. dafs es (das Gedrohte) ein Urtel ^) ist, ein ent- scheidendes,

14. und keinen Scherz leidendes;

15. sie benutzen es zu ihrer List,

16. aber auch ich gebrauche List;

17. lafs daher den Frevlern Zeit, und gewähre ih- nen Frist.

Die Ränke und List der Ungläubigen bestanden in diesem Falle darin, dafs sie die Nichterfüllung der Andro- hung des Mohammad als Waffe gegen diesen gebrauchten, und die List Gottes, dafs er ihnen Zeit gewährte, sich mehr und mehr in ihren Sünden zu verstricken, oder wie die Engländer sagen würden: he gave them rope enough. 11,1. Alre. Dieses ist ein Buch, dessen Zeichen [im Urtexte] festgemacht und dann deutlich auseinandergesetzt worden sind^); ein Geschenk von einemWeisen, Allwissenden,

2. auf dafs ihr kein Wesen anbetet aufser Allah;

») Diese Bedeutung hat kawl auch in Kor. 11,42. ») Parallel mit 41, i. 44. n. 28

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wahrlich ich bin für euch ein Warner und üeberbringer froher Botschaft von ihm

3. und auf dafs ihr ihn um \'^erzeihunf^ bittet und euch bekehret. Wenn ihr das thut, so wird er euch bis auf einen bestimmten Termin (bis zum Tode) einen schö- nen I-ebensgenufs gestatten, und jeder der sich auszeich- net, wird die Früchte seiner Auszeichnung ernten. Wenn ihr euch aber nicht bekehret, so fürchte ich für euch die Strafe eines ernsten Tages.

4. Zu Allah führt euer Weg (ihr seid in seiner Hand und könnt ihm nicht entrinnen); denn er ist allmächtig.

10,47. Entweder wollen wir dich selbst Einiges von dem was wir gedroht haben, erleben lassen, oder wir lassen dich früher dahinscheiden. Jedenfalls zu uns führt ihr Weg. Fer- ner: Allah ist Zeuge dessen, was sie thun (d. h. wir wis- sen was sie thun, und sie können uns nicht entgehen).

48. Zu jeder Gemeinde wird ein Bote gesandt, und sobald er gekommen ist, wird zwischen ihm und ihr mit Gerechtigkeit entschieden und es geschieht kein Unrecht.

49. Sie sagen: Wenn ihr die Wahrheit sprecht, so berichtet uns, wann diese Drohung in Erfüllung gehen wird?

50. Antworte: Es ist nicht einmal in meiner Gewalt, mir selbst zu nützen oder zu schaden, aufser insofern es Gott gefällt [und so habe ich auch nichts mit der \^ollzie- hung der Strafe zu thun]. Aber für jedes Volk ist ein Termin fests^esetzt, und wenn sein Termin 2:ekommen ist, so ist es nicht im wStande, ihn auch nur um eine Stunde hinauszuschieben, noch ihn [durch Frevel] vorzurücken.

51. Sprich: Wie viel von der Strafe glaubt ihr wohl werden die Bösewichter zu beschleunigen wünschen, wenn sie einmal von ihr bei Tage oder des Nachts überrascht werden?

52. Nicht wahr, wenn sie eintrifft, werdet ihr wohl daran glauben? Früher aber habt ihr o:esa£:t: Beschleu- nige sie!

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Hier endet die Inspiration ; der folgende Vers ist wahr- scheinlich ein etwas späterer Zusatz:

53. Dann (wenn sie vertilgt sind) wird den Unge- rechten zugerufen: Kostet die ewige vStrafe! Wird euch anderes vergolten als wie ihr es verdient habt? ^).

Die darauf folijenden Verse beziehen sich auf densel- ben Gegenstand. Wähidy erzählt in Bezug auf die Ver- anlassuns: zur Offenbarung derselben:

»Der Jude Hoyayy b. Achtab kam nach Makka und fräste den Mohammad, ob seine Drohuns:en wahr seien?« 10, .54. Sie fragen dich, ob die Drohung war sei? Ant- worte: Ei, bei meinem Herrn! sie ist wahr, und ihr wer- det nicht im Stande sein, die Erfüllung zu verhindern,

ü5. und wenn jeder, der Unrecht gethan, alles be- säfse, was auf der Erde ist, würde er es hingeben, um sich loszukaufen ; denn wenn sie das Strafgericht er- blicken, verbergen sie ihre Reue nicht. x\ber es geschieht ihnen Recht und sie können nicht über Ungerechtigkeit klagen.

50. Gehört dem Allah nicht, was im Himmel und auf der Erde ist? Soll also Allah's Drohung nicht wahr sein? Aber die meisten von ihnen wissen es nicht.

57. Er eiebt Leben und Tod, zu ihm müfst ihr zu- rückkehren.

40, 77. Harre geduldig, denn die Drohung Allah's ist wahr, und entweder werden wir dich die Erfüllung eines Theiles dessen, was wir ihnen gedroht haben, erleben lassen, oder

') Mohammad kam erst als er die Beschreibungen des Welt- gerichtes, der Hölle und des Paradieses ausgearbeitet hatte, zur Ue- berzeugung, dafs die zeitliche vorübergehende Strafe ohne alle Be- deutung und ganz unwesentlich sei. Um dieses recht anschaulich zu machen, läfst er den gröfsten aller Frevler, den Pharao, der bis dahin im Rothen Meere ertrunken war, gerettet werden, aber an der Spitze seiner Heerschaaren in die Hölle einmarschiren.

28*

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wir lassen dich früher dahinscheiden. Jedenfalls zu uns müssen sie zurückkehren.

78. Wir haben vor dir Boten gesandt. Die Geschichte von einigen haben wir dir erzählt und die Geschichte von andern haben wir dir nicht erzählt. Kein Bote hatte die Macht Zeichen zu wirken, aufser mit AUah's Zustimmung. Wenn aber das Walten Allah's einmal eintrat, so wurde dem Thatbestand gemäfs entschieden, und die, welche die Offenbarung zu vereiteln gestrebt hatten, waren im Nachtheii.

79. Allah ist es, welcher euch die Hausthiere gege- ben hat, einige zum Reiten und einige zum Essen;

80. sie gewähren euch verschiedenen Nutzen: durch sie könnt ihr Bedürfnisse, die ihr im Herzen fühlet, be- friedigen, und auf ihnen, wie auch auf Schilfen reiset ihr.

81. Allah zeigt euch doch seine Zeichen; welches von ihnen leugnet ihr?

82. Sind sie nicht in der Welt herumgekommen und haben sie nicht gesehen was das Ende ihrer Vorgänger war? vSie waren zahlreicher, stärker und haben grofsartige Denkmale auf Erden errichtet. Aber was haben ihnen alle ihre Errungenschaften genützt?

8?. Als unsere Boten mit Erleuchtunjjen zu ihnen ka- men, thaten sie sich viel auf das Wissen, welches sie be- safsen, zu Gute. Aber das Strafgericht, worüber sie ge- gespottet hatten, umringte sie.

84. Als sie die Heftigkeit unseres Angriffes erbhck- ten, riefen sie: Wir glauben an Allah allein und verläug- nen die Abgötter, die wir ihm beigesellten.

85. Aber wenn einmal die Frevler unsern Angriff gesehen, war ihr Glaube immer fruchtlos, in Folge einer Satzung, welche bezüglich seiner früheren Knechte beob- achtet worden ist. Die Ungläubigen sind dann verloren.

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13,40. Entweder werden wir dich die Erfüllung eines Theiles dessen, was wir ihnen gedroht haben, erleben las- sen, oder wir lassen dich früher dahinscheiden. Deine Auf- gabe ist blos die Botschaft zu überbringen. Die Rechnung abzuschliefsen liegt uns ob.

41. Sehen sie nicht, dafs wir dem Lande näher rücken und es von allen Seiten beengen? Allah richtet und Nie- mand kann sich seinem ürtel widersetzen. Er ist schnell im Rechnen.

42. Auch ihre Vorgänger haben Ränke geschmiedet, aber Allah ist mit allen Ränken vertraut und weifs was Jedermann thut. Die Ungläubigen werden schon sehen, wer Herr des Terrains bleibt.

15, 1. Alre. Jenes sind Zeichen (Verse) aus dem Buche, und [seitdem sie geojffenbart] bilden sie einen unverkenn- baren Psalter.

2. Die Ungläubigen mögen manchmal noch wünschen gläubig gewesen zu sein.

3. Lafs sie daher gewähren; mögen sie essen, das Leben geniefsen und sich von der Hoffnung täuschen las- sen, es wird ihnen bald ein Licht aufgehen.

4. Zu Gunsten einer jeden Stadt, die wir bisher zer- stört haben, bestand ein ausführliches Dokument [im Buche des Schicksals, und folglich konnte durch ihre Sünden der Untergang nicht beschleuniget werden. Das Vorhandensein eines solchen Dokumentes ist die L^rsache, warum das Straf- gericht über die Makkaner, obschon sie damit freveln, noch nicht hereingebrochen ist.]

5. Allein, wenn auch keine Gemeinde ihrem Ter- min vorausgelaufen ist, so ist er auch für keine verschoben worden.

6. Sie sagen: 0 du, der du mit der Ankündigung beauftragt bist, du bist wahrlich magnun (besessen oder wahnsinnig).

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7. Warum bringst du nicht die Engel mit, wenn du die Wahrheit sprichst?

8. Wir senden die Engel nur dann hinab, wenn wir die Vollziehung ') [der Strafe] befehlen. Dann werden sie, die Frevler, nicht mehr berücksichtiget.

') Al-Hakk, welches ich durch Vollziehung übersetze, heifst eigentlich das Wahre (verum), der Thatbestand, die Wirklichkeit, im Gegensatz von Bätil „das Nichtige", daher wird auch die Gottheit al-IIakk geheifsen (Kor. 31, 29. 10, 33). Wenn zwei widersprechende Erzählungen einer Thatsache vorliegen, wovon eine richtig ist, so wird sie al-Hakk geheifsen, und in diesen und in ähnlichen Fällen kann es allerdings mit „Wahrheit" übersetzt werden, aber es ist nicht ganz zulässig al-Hakk und W^abrheit als gleichbedeutend an- zusehen. Wenn im Koran gesagt wird: Gott hat die Himmel und die Erde „bi-lhakk erschaffen", so wollte Mohammad nicht sagen: „es ist gewifs, dafs er sie erschaffen hat", sondern „er hat sie dem Wahren gemäfs", d.h. nach einem Plane, der nicht eitel ist, er- schaffen (vergl. Kor. 23, 117). Es werden daher die Ungläubigen ge- tadelt, dafs sie das Leben als ein Spiel ansehen und den Schöpfungs- plan verkennen. Weil die Gerechtigkeit im Festhalten des Wahren, des Thatbestandes, besteht, so sagen die zwei Männer, welche zu David kamen, damit er ihren Streit schlichte: „entscheide zwischen uns bi-lhakk dem Wahren gemäfs" (Kor. 38, 21), auch hier würde „in Wahrheitt" keinen Sinn geben. Wenn wir Kor. 6, .■) übersetzen: „Sie haben die Wahrheit verläugnet, nachdem sie ihnen zu Theil ge- worden", so huldigen wir unserer unrichtigen Anschauungs- und Denkungsweise, indem wir einen abstrakten Begriff setzen, wo wir uns einen concreten denken : wir meinen das Wahre. Wenn Mo- hammad in Kor. 6, 114 und in vielen andern Stellen versichert, dafs der Koran bi-lhakk; von seinem Herrn gesandt wurde, so bedeutet es nach Einigen so viel als bi-l^idk in Wahrheit, d. h. es ist wahr, dafs er von Gott hinabgesandt worden ist; nach Andern heifst es: mit dem Wahren, d. h. Gott hat den Koran hinabgesandt, um dem Menschen das Wahre zu lehren. Wenn man die Idee ausdrücken wollte : es ist wahr, dafs Gott den Koran geoffenbart hat, so müfste man nach der modernen Ausdrucksweise sagen: fyl-hakykat (haky- kat ist das Abstractum von Hakk), nach der Koransprache aber: rayba fyhi. Es ist jedoch möglich, dafs Mohammad sich undeut- lich ausgedrückt habe und die erstgenannte Auffassung die richtige

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9. Wir haben die Ankündigung ergehen lassen und werden auch den Termin beobachten.

10. Schon vor dir, o Mohainnjad, haben wir zu den Völkern der Vorwelt Boten gesandt;

11. so oft aber ein Bote zu ihnen kam, machten sie ihn lächerlich.

12. Einen solchen Geist flöfsen wir den Herzen der Frevler ein;

13. sie glauben der Ankündigung nicht, obwohl sie das warnende Beispiel der Vorwelt vor sich haben.

14. Wenn wir auch über ihnen ein Thor des Him- mels öflfueten und die Engel stiegen fortwährend auf und nieder,

15. würden sie noch sasren, unsere Augen sind be- trunken, nein, wir sind unter dem Einflufs eines Zau- bers (Täuschung).

Viele vernünftige Menschen behaupten, Enthusiasmus und Schlauheit schliefsen sich einander aus und erblicken in der Ueberspannung eines Religionsstifters etwas üeber- natürliches. Ich theile diese üeberzeugung nicht und halte es für einen Theil meiner Aufgabe, nachzuweisen, wie menschlich der Mann war, welcher Gröfseres geleistet hat als alle andern Propheten zusammen (mit Ausnahme viel- leicht des Gautama), denn der Islam hatte bei Mohammad's Tod schon eine Vollendung und eine Macht, welche das Christenthum erst durch Constantin erreichte. Um den Be-

sei. Ich füge die Bemerkungen alter Exegeten zu K. 2,ii3 hinzu:

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weis meiner Behauptung zu führen, lasse ich mir es an- gelegen sein, den Propheten in seinen Verlegenheiten zu verfolgen. Es sei mir gegönnt zu diesem Zwecke einen S. 144 bereits erwähnten Gegenstand einläfslicher zu be- sprechen und die darauf bezügliche Koränstelle vollständig anzuführen.

Einer der Beweise für die mehrmals ausgesprochene Vermuthung, Mohammad habe die Zeit des Strafgerichtes mit zu grofser Bestimmtheit angegeben, ist in Süra 6 ent- halten. Aus Vers 57 und 58 dieser Süra geht hervor, dafs ihn die Frevler aufforderten, die Strafe zu beschleu- nigen. Kalby (bei Wähidy) bemerkt: »Diese Worte be- ziehen sich auf Nadhr und die Häuptlinge der Korayschi- ten, welche sagten: Lafs das Strafgericht, Avelches dudrohst, eintreten.«

Er beantwortet diese Frage in folgender Offenbarung dahin, dafs er weder die Macht besitze, dieses zu thun, noch die Zukunft wisse, und daher auch nicht die Zeit be- stimmen könne; er besitze zwar eine göttliche Erleuchtun» aber über diese gehe sein Wissen nicht hinaus. Er läfst sie dann fühlen, dafs die Vergeltung erst nach dem Tode stattfinde und dafür gesorgt sei, dafs nichts vergessen werde, stellt aber doch die Möghchkeit in Aussicht, dafs sie schon in diesem Leben ihren Frevel büfsen müssen. Die durch sein Auftreten veranlafsten Fehden drohten nämlich zu ei- nem Parteikampl zn führen, der mit dem Untergang des Stammes hätte enden können. Auf diese Lage bezieht sich V. 65. In V. 67 giebt ihm Gott den Auftrag, sich nicht wieder der Gefahr auszusetzen, vom Satan irre geführt zu werden, und wenn Leute beisammen sitzen und sich ihr Gespräch um seine Offenbarungen, welche gläubig aufge- nommen und nicht untersucht werden sollen, dreht sich von ihnen fern zu halten, weil es ihm gleichgültig sein könne, ob sie glauben oder nicht. Wenn man den Ideeneans: des ganzen Stückes zusammen nimmt, so kommt man zur Ue- berzeugung, dafs er bei einer früheren Gelegenheit, in der

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wohlmeinenden Absicht, die Frevler zu bekehren, eine vor- bedachte Lüge (denn nur dieses kann der Sinn der Worte sein: »der vSatan bringt dich aus der Fassung«) gesagt, und das Strafgericht, um welches es sich in der ganzen Stelle handelt, zu bestimmt vorausgesagt habe.

6, 56. Sprich : Es ist mir verboten, die Wesen anzube- ten , welche ihr aufser Allah anrufet. Sprich : Ich werde euren Gelüsten nicht folgen, denn in diesem Falle würde ich auf Irrwegen sein und nicht zu den Geleiteten gehören.

57. Sprich: Ich besitze eine von meinem Herrn aus- gehende Erleuchtung, ihr aber läugnet sie. Das [Straf- gericht], welches ihr beschleunigt wissen wollt, steht nicht in meiner Macht; die Herrschaft ist aus- schHefslich in Allah's Hand: er beschhefst was Recht ist und ist der beste Entscheider.

58. Sprich: Wenn das [Strafgericht], welches ihr be- schleunigt haben wollt, in meiner Hand stünde, wäre der Streit zwischen mir und euch schon lange entschieden. Allein Allah kennt die Ungerechten am besten [und wird sie schon züchtigen].

59. Er besitzt die Schlüssel der Geheimnisse, die Nie- mand weifs als er. Er weifs was auf dem Lande und im Meere ist; kein Blatt fällt vom Baume ohne sein Wissen und es liegt kein Saamenkörnchen im dunkeln Schoofs der Erde, und es giebt nichts Trocknes noch Feuchtes das nicht in einem unbezweifelten Buche aufgezeichnet stünde.

60. Er ist es, der euch des Nachts Schlaf giebt und weifs was ihr während des Tages gethan, der euch dar- auf am Tage aufweckt, auf dafs der bestimmte Termin voll- endet werde (d. h. Schlafen und Wachen dauert fort bis zu eurem vorherbestimmten Ende); dann müfst ihr vor ihm erscheinen und er wird euch sagen was ihr gethan habt.

61. Er hat unbeschränkte Macht über seine Diener, und sendet Wächter über euch. Wenn dann einen von euch der Tod überrascht, so nehmen ihn unsere Roten hinweg. Diese aber übertreten nicht das Maafs und Ziel.

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62. Dann werden sie (die Menschen) zu Allah ihrem Herrn, dem Gerechten, zurückgebracht. Uebt nicht er das Richteramt? Er ist auch der schnellste Abrechner.

ö3. Sprich: Wer rettet euch aus den Gefahren des Landes und des Meeres? Ihr ruft ihn, eure Demuth an den Tag legend, heimlich an [und saget:] Wenn du uns dieses Mal rettest, werden Avir gewifs dankbar sein.

64. Sprich: Allah rettet euch daraus und aus jeder Betrübnifs, und darauf gesellt ihr ihm andere Wesen bei.

65. Sprich: In seiner Macht steht es, eine von oben oder von unten kommende Strafe über euch zu verhängen, oder er theilt euch in Parteien und läfst den einen die Ge- waUthütigkeit des andern fühlen. Sieh doch, wie wir un- sere Zeichen (Offenbarungen) drehen (auf mannichfaltige Art darstellen), auf dafs sie zur Einsicht kommen sollen.

66. Dein Volk hat es (das Strafgericht) geläugnet. Es ist jedoch eine Thatsache. Sprich: Ich bin nicht Sachwal- ter über euch. Jede Prophezeihung hat ihre Zeit. Ihr werdet bald sehen.

67. Wenn du Diejenigen siehst, welche über unsere Zeichen grübeln, so ziehe dich von ihnen zurück bis sie sich mit einem andern Gegenstand befassen, und so oft dich der Satan vergessen macht (d. h. dich aus der Fas- sung bringt), bleibe, nachdem du sie daran (an Gottes Of- fenbarungen) erinnert hast ^), nicht mit dem Volke der Un- gerechten sitzen;

6«. denn den Gottesfürchtigen liegt es nicht ob, Rech- nung für sie abzulegen, sondern blos sie daran zu erinnern, auf dafs sie auch gottesfürchtig werden.

69. Lafs Diejenigen allein, welchen ihre Rehgion ein Spiel und Scherz ist und welche vom Erdenleben geblendet

') Dieser Satz ist von den meisten Commentatoren mifsver- standen worden. Was unter dzikrä zu verstehen ist, geht K. 6, 69 hervor, wo es heifst dzakkir bihi.

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sind; aber erinnere sie an die Offenbarung (d. h. predige die Offenbarungen, ohne dich in weitere Dispute ein- zulassen) etc.

Auch seine Anhänger drangen in ihn, dafs er doch die Strafe auf die Ungläubigen vom Himmel herabrufen möge. Einer von ihnen erzählt ^j:

»Ich kam zum Propheten als er im Schatten der Ka'ba lag mit seinem Kleide unter dem Haupte. Wir hatten von den Ungläubigen grofse Drangsale erlitten, und ich sagte: Warum rufst du nicht die Strafe Gottes auf sie herab? Er safs auf und sein Gesicht war roth; er antwortete: Es hat vor euch Menschen gegeben, denen mit eisernen Kämmen das Fleisch bis auf die Knochen abgekämmt worden ist, und sie haben ihren Glauben nicht verläugnet; es ist ihnen eine Säge auf den Scheitel gesetzt und sie sind entzwei geschnitten worden, dennoch haben sie ihren Glau- ben nicht verläugnet. Gott wird meinem Unternehmen bei- stehen bis es so weit gediehen ist, dafs ein Mann auf sei- nem Kameel von Qan ä bis Hadhramawt reisen kann ohne Jemand anders zu fürchten als Gott.«

41, 33. Wessen Benehmen ist schöner, als wer den wah- ren Gott prediget, Gutes thut und sagt: Ich bin einer der Moslime.

34. Das Gute und Böse sind nicht gleich. [Was dir immer widerfahren mag] erwiedere etwas Besseres, und dann wird Derjenige, mit dem du in Feindschaft lebst, wie dein wärmster Freund werden.

35. Diese Vollkommenheit aber werden nur die Ge- duldigen erreichen, es werden sie nur die erreichen, die das Glück begünstiget.

36. Wenn dich ein vom Satan ausgehender Impuls bewegt, nimm zu Allah deine Zuflucht, denn er ist der Hörende, der Wissende.

') Bochäry, S. 543, von Homaydy, von Sofyän, von Bayän und auch von Ismayl, beide von Kays, von Chabbäb b. Aratt.

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Die bedrängte Lage in der Schi'b sowohl, als die un- bequemen Fragen seiner Gegner machten ein zuwartendes j Verhalten nöthig. Er läfst sich daher auch in andern Of- fenbarungen auftragen, sich passiv zu verhalten.

7, 198. Wähle Versöhnlichkeit, befiehl das Bilhge, und entferne dich von den Unwissenden.

199. So oft dich ein vom Satan ausgehender Impuls bewegt, nimm zu Allah deine Zuflucht, denn er ist hörend und wissend.

200. Wenn die Frommen ein vom Satan gesandter Herumschleicher berührt, so erinnern sie sich Gottes und sind sich wieder klar.

201. Auch ihre Brüder kommen ihnen auf ihrem Irr- Avege zu Hülfe, dann unterliegen sie nicht ').

202. Wenn du ihnen kein Zeichen (Offenbarung, Ant- wort auf ihre Fragen) bringst, sagen sie: Hast du noch nicht deine Wahl getroffen [was du antworten sollst]? Ant- worte ihnen: Ich folge dem was mir von meinem Herrn geoffenbart wird; dieses (meine Inspirationen) sind von eurem Herrn ausgehende Aufschlüsse und eine Leitung und ein Gnadenakt für Gläubige.

203. Folglich wenn euch der Ivorän vorgetragen wird, so horchet und schweiget, vielleicht wird euch die Gnade zu Theil.

204. Verrichte das Dzikr deines Herrn in deinem In- nern, demüthig und ehrfurchtsvoll, spreche es aber nicht in Worten aus. Thue dies des Morgens und des Abends ' und sei nicht einer der Nachlässigen ^).

') Wenn man die gewöhnliche Lesart annimmt und diesen Vers mit Kor. 2, 14 vergleicht, mufs man übersetzen: „Ihre Freunde stei- fen sie in ihrem Irrthum." Die richtige Lesart ist aber wohl yomid- dünahom, welches, allen Koränstellen zufolge, in denen diese Form vorkommt, zu Hülfe kommen, bereichern (eigentlich lang machen) bedeutet. Wörtlich heifst die Stelle: Ihre Brüder werden sie im Irr- wege lang genug machen, und dann werden sie nicht zu kurz sein.

^) Später hat Mohammad diesen Befehl zurückgenommen und hinzugefügt:

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Gott sagt in Bezug auf die in Egypten unterdrückten Kinder Israel:

28, 4. Es ist unser Rathschlufs gegen Diejenigen, welche unterdrückt sind auf Erdien, wohlthätig zu sein, sie zu Tmäme zu machen und als Erben einzusetzen,

5. und ihnen das Land (d. h. Egypten) zur Woh- nung anzuweisen.

Nach Kor. 7, 125. 133. 26, 59 und 44, 27 haben auch die Kinder Israel wirklich das Land Egypten und die Schätze des Pharao nach seinem und seiner Heerschaaren Untergang geerbt. Als er jedoch Süra 10 verfafste, war er über diesen Irrthum aufgeklärt worden. Bis dahin sah es Mohammad als eine in allen Fällen wiederkehrende That- sache an, dafs nach der Vertilgung der Frevler Gott (Kor. 19,41) und die Gläubigen (Kor. 39, 74. 7,98) das Land erben. Da er nun mit seinen Drohungen und dieser Theo- rie allenthalben zu Schanden geworden war, kam ihm Vers 29 des Psalm 37 zur Kenntnifs, welcher lautet: »Die Ge- rechten erben das Land und bleiben ewiglich darinnen.« Er wufste ihn auch auf das Geistreichste als Beleg seiner Lehre zu deuten. Es wäre jedoch möglich, dafs diese Theo- rie älter war und aus diesem Verse erwachsen ist.

21, 104. Ein Tag wird kommen, an welchem wir den Himmel zusammenfalten werden, wie zum Behuf des Sie- geins ein Brief gefaltet wird, und wie wir die Menschen ursprünglich erschaffen haben, so werden wir sie dann wieder zurückbringen, in Folge unseres bindenden Ver- sprechens; denn es lag in unserm Rathschlusse.

105. Schon früher [ehe wir dir diese Wahrheit offen- barten] haben wir in den Psalmen geschrieben, nachdem wir es im Dzikr ^) erwähnt hatten: »Meine gerechten Diener erben das Land.«

205. Diejenigen Wesen, welche bei deinem Herrn sind, sind nicht zu stolz ihm zu dienen: sie lobpreisen ihn [indem sie Subhä- nak, deine Glorie 1 rufen) und werfen sich auf das Angesicht nieder.

') Dzikr, Erinnerung, bedeutet hier ächte und unächte alt-

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106. Wahrlich diese Worte enthalten eine Botschaft [welche deutlich genug ist] für ein gottesfürchtiges Volk.

107. Wir haben dich einzig und allein aus Mitleid gegen die Menschheit gesandt.

108. Sprich: Es ist mir geoffenbart worden, dafs eure Götter ein Gott sind: Wollt ihr ihm huldigen?

109. Wenn sie sich weigern, so sprich: Ich habe an euch die V erkündigung so vollständig ergehen lassen, dafs wir gleich viel wissen, und es ist mir gänzhch unbekannt, ob das, was euch gedroht wird, nah oder fern ist.

110. Gott weifs eure geheimen Reden und die öffent- lichen,

111. wie kann aber ich wissen, ob die Verzögerung nicht eine Versuchung und nur ein Genufs ist, der blofs bis zu einer bestimmten Zeit dauert.

112. Sprich: Herr, entscheide [zwischen mir und mei- nen Gegnern] dem Wahren gemäfs. Unser Herr ist der Rahmän, den wir um Hülfe anrufen gegen ihre Verläum- dungen.

Die Verheifsung Gottes, dafs die Frommen das Land erben werden, ging am Ende doch schon Avährend der Leb- zeiten des Propheten in Erfüllung freilich nicht wegen der Versöhnlichkeit der Moslime. Nach einer gewon- nenen Schlacht ruft Gott den Gläubigen zu:

33, 27. Gott hat euch ihr Land, ihre Wohnsitze und ihre Reichthümer zum Erbe gegeben und auch ein Land, das ihr nie betreten habt. Allah hat sich über alle Dinge mächtig erwiesen.

Der Wahlspruch der frühen Moslime: »Gott gehört

testamentliche Schriften, in denen die so eben erwähnte, von Gott den Juden gemachte Verheifsung, der Behauptung des Mohammad zufolge, vorkommt. Er hatte den Psalmvers wahrscheinlich aus den Qohof des Abraham und Moses genommen , diese wagte er aber nicht mehr anzuführen; er wählte daher den allgemeinsten Ausdruck, den er finden konnte. Auch in andern Offenbarungen dieser Pe- riode kommt Dzikr in dieser Bedeutung vor, wie K. 21,7. 16, 45.

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die Welt und er giebt sie dem Mutbigen zum Erbe« ist ewig wahr und wird auf jeder Seite der Geschichte be- wiesen. Möchten sich die Deutschen doch Friedrich IL zum Muster nehmen und bedenken, dafs That und Ent- schlossenheit, ja Verwegenheit eine Nation grofs machen und nicht die Träume ihrer Philosophen und noch viel we- niger die Orthodoxie und Frömmigkeit ihrer Theologen.

IV. Die Natur Jesu.

Eines Tages safs der Prophet mit Walyd b. Moghyra bei der Ka'ba. Es kam auch jN'adhr und allmählig sam- melte sich eine ziemHche Anzahl von Korayschiten. Nadhr benutzte diese Gelegenheit und Hefs sich mit dem Prophe- ten in einen Disput ein. Er wurde aber zum Schweigen gebracht. Darauf erschien die Offenbarung:

21, 98. Ihr und die Götzen, welchen ihr neben Allah dient, sind Brennstoff für das Gehannam; dort werdet ihr euch einstellen.

99. Wenn sie Götter wären, würden sie sich nicht einstellen; aber ihr und sie werden ewig darin bleiben.

100. Da wird ein Winseln sein ! aber es wird kein Gehör finden.

Walyd, welcher bei solchen Gelegenheiten den Vor- sitz führte, wandte sich an den eben hereintretenden Ibn Zi'bary, erzählte ihm, was vorgefallen und sprach: Nadhr war zwar nicht im Stande zu antworten, hat sich aber auch nicht ergeben. Ibn Zi'bary versetzte: Bei Gott, wenn ich ihn sähe Mohammad hatte sich nämlich schon entfernt so würde ich ihm auf sein Verdammungsurtheil über unsere Götter eine Antwort geben. Frao^t ihn: Meinst du blofs unsere Götter oder alle Wesen, die aufser Allah an- gebetet werden? Bei der nächsten Gelegenheit wurde Mo- hammad gefragt, und er antwortete: Alle. Du hast dich selbst verfangen, riefen seine Gegner, du glaubst doch, dafs die Engel Diener Gottes seien, dafs Jesus ein from-

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mer Diener Gottes und dafs Ozayr (d. i. Ezra) ein from- mer Diener Gottes sei. Die Engel aber werden von den Banü Molayh angebetet, Jesus von den Christen und Ezra von den Juden. Die Korayschiten waren höchlich erfreut über diese Disputation. Darauf wurde geoffenbart ^):

21, 101. Diejenigen Wesen, die wir schon von vorn- herein der Gnade theilhaft gemacht haben, werden ferne davon sein

102. und nicht einmal das Prasseln des Höllenfeuers hören, sondern ewig geniefsen, was ihr Herz gewünscht hat.

103. Jener grofse Schreckenstag wird sie nicht be- trüben, denn die Engel werden ihnen entgegenrufen: Dieses ist euer Ehrentag, der euch versprochen worden ist.

üeber die Natur Jesu spricht er sich deutlicher aus: 43, 57. Und da dir der Sohn der Maria als Problem vorgelegt worden ist, unter dem Beifallsrufe deines Vol- kes 2),

58. und da sie fragten: Sind unsere Götter besser oder Jesus? [so wisse] dafs sie dir diese Frage nur aus Zanksucht vorgelegt haben, denn sie sind wahdich ein rechthaberisches Volk.

59. Er ist nichts als ein Knecht, dem wir unsere Gnade ertheilt (zum Propheten auserkoren) und für die Söhne Israel zum Problem gemacht haben [sie wissen da- her nicht, was sie aus ihm machen sollen: einige halten ihn für Gottes Sohn und andere für einen Betrüger].

60. Wenn wir wollen, können wir ja auch von euch Engel geboren werden lassen, welche auf Erden eure Nach- folger sein werden [seid daher nicht über die Geburt und Bestimmung Christi erstaunt].

61. Jesus wufste von der Stunde (wann sie eintref-

») Ibn Ishäl:, S. 236, und Wahidy, Asbäb 21,101, von Ihn 'Abbäs.

') Nach einer andern Lesart: Obschon dein Volk ihn nicht anerkennt.

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fen werde ^); bezweifelt sie daher nicht, sondern folget mir; dies ist die gerade Strafse (fides catholica).

62. Lasset euch durch den Satan nicht davon abwen- dig machen; denn er ist offenbar euer Feind.

63. Als Jesus den Menschen die Erleuchtungen über- bracht hatte, sagte er: Ich habe euch die Weisheit über bracht und bin gekommen, um euch über einige Punkte, über welche ihr in Zwiespalt seid, aufzuklären; seid daher gottesfürchtig und gehorchet mir.

64. Wahrlich, Allah ist mein Herr und euer Herr, dienet ihm also; dieses ist die gerade Strafse.

6.1. Aber die Ethnoi geriethen in Zwiespalt unter sich [in Bezug auf seine Natur]. Wehe den Ungerechten ob der Strafe eines peinlichen Tages!

Jede Idee, welche während jener Periode des Dran- ges in Mohammad angeregt wurde, bewegte einige Zeit seine Brust und fand unter verschiedenen Gesichtspunkten einen Ausdruck im Koran, ehe sie eine neue verdrängte und in Vergessenheit brachte, oder bis ein Ausdruck der- selben stereotyp wurde. Verkannt und verachtet von der Welt, lebte der Prophet in seiner Subjectivität. Weil diese Bemerkung für die Beurtheilung des Charakters die- ses Schwärmers wichtig ist, theile ich noch zwei Inspira- tionen aus der Drangperiode über das Wesen Jesu und

') Die Vokale wurden Anfangs im Koran nicht geschrieben, und auch das Auf als Dehnungszeichen ist erst später eingeführt worden, darum wird hier Jiäj auf zweierlei Art gelesen. Ich lese la'älim oder laalläm. Wenn diese Lesart von den Moslimen nicht vorgeschlagen wird, müssen wir bedenken, dafs Mohammad bekannte, er wisse die Stunde [der Auferstehung] nicht. Sie wollten doch dem Religionsstifter der Christen nicht zuerkennen, dafs er in Ge- heimnisse eingeweiht war, welche depo ihrigen vorenthalten wurden; und so waren sie veranlafst, diese Koränstelle anders aufzufassen. Es ist wohl Jesus zu verstehen, wenn Mohammad in Kor. 72, 26 sagt, es habe Propheten gegeben, denen die Stunde bekannt war. II. 29

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fler Eno-el mit, die sich um denselben Mittelpunkt drehen wie die soeben vernommene.

21,26. Sie sagen: Der Rahman hat Kinder. Das sei ferne von ihm. Ehrenwerthe Diener hat er.

27. Sie wagen es nicht, vor ihm das Wort zu neh- men und sie handeln seinen Befehlen gemäfs.

•28. Er weils, was vor ihnen und hinter ihnen ist, und sie dürfen nicht Fürbitte einlegen,

29. aufser für wen es Ihm gefällt, und sie sind mit tiefster Ehrfurcht gegen ihn erfüllt.

:3(). Sollte einer von ihnen sagen: Ich bin ein Gott neben ihm, so würden wir es ihm mit der Hölle vergel- ten; denn so belohnen wir die Ungerechten. [Ein Fragment.]

(Zu ergänzen aus der Inspiration S. 30 oben.)

43,79. Oder haben sie vielleicht eine gewisse Sache fest- gemacht -^ auch wir wollen Etwas festmachen

80. oder glauben sie, dafs wir ihre Geheimnisse und ihr Geflüster nicht hören? Allerdings hören wir es, denn unsere Boten sind um sie, welche alles aufschreiben.

81. Sprich: Wenn der Rahman ein Kind hätte, so wäre ich der erste, der es anbetete.

82. Weit erhaben ist er, der Herr der Himmel und der Erde, der Herr des Thrones, über das, was sie ihm andichten!

8:3. Lafs sie allein in ihrem Grübeln und in ihrem Leichtsinn, bis sie den ihnen gedrohten Tag erreichen.

84. Er ist der Gott im Himmel, er ist der Gott auf Erden, er ist der Weise, der Wissende.

8.^. Gesegnet sei der, welchem die Herrschaft der Himmel und der Erde und was dazwischen ist, angehört. Er besitzt die Kenntnifs der Stunde, und vor ihm müfst ihr erscheinen.

86. Jene Wesen, welche die Menschen neben ihm anrufen, sind nicht im Stande, Fürbitte einzulegen, ausge- nommen solche [wie Jesus und die Engel], welche für

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die Walirbeit Zeugnifs ablegen '), und diese sind aufge- klärt [über diese Dinge].

ST. Wenn du die Ungläubigen fragst: Wer bat eucb ersehatfen? sagen sie unfelilbar: Allab! Warum lassen sie sieb betbören?

Aus diesem Disput siebt man Mobammad's damalige Stelluns: zum Cbristentbum und Judenfbun). Hätte er sclion damals die Absicht gebabt, eine diesen zwei Religionen widersprechende Glaubenslehre zu gründen, so hätte er dem Zi'bary einfach geantwortet: Die Christen haben Un- recht, indem sie Jesum verehren.

V. Der Koran.

Es ist bereits angedeutet worden, dafs die Makkaner erwarteten, das im Himmel aufbewahrte Buch, oder wenig- stens irgend ein Beglaubigungsschreiben, werde dem Mo- hammad schriftlich durch Engel herabgesandt worden-). Hier will ich die betrelTenden Koränstellen und Äloham- mad's Erklärung, waruni ihr Wunsch nicht erfüllt werde, mittheilen:

') Die Intercessionstheorie ist in dieser Periode schon ziem- lich ausgebildet, in der vorigen Inspiration (K. 21, 27; vergl. 20, los) hängt es von der der Fürsprache bedürftigen Person ab, ob sie dem Rahmän vorgetragen werden darf, nach dieser aber auch von dem Fürsprecher. Wenn für unwürdige Menschen die Fürspra- che nicht einmal vorgetragen werden darf, so hängt dies mit dem orientalischen Glauben, dafs die Bitte und der Fluch heiliger Män- ner immer erhört werden, zusammen.

') „Die Heiden von Makka sagten zu Mohammad: Bei Allah! wir glauben dir nicht, wenn du nicht von Allah selbst ein Buch erhälst und vier Engel es begleiten und bezeugen, dafs es wirklich von Allah ist und du sein Bote bist."— Kalby bei Wähidy, As- bäb 6,7. Tha'laby bemerkt zu Kor. 2, 102: ,,Dieser Vers wurde in Bezug auf die Juden geoffenbart, weil sie sagten: o Mohammad, bring uns das Buch auf einmal vom Himmel, wie Moses die Thora gebracht hat."

29*

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25, 34. Die Ungläubigen haben gesagt: Warum wurde aul ihn der Koran niclit als ein abgeschlossenes Ganze herabgesandt? ^)

Kr antwortete, dafs ihm die Offenbarungen der Zweck-

•) Ich gebe hier die Stelle im Zusammenhang wieder, weil sie die damalige Taktik des Mohammad zeigt: 25,32. Der Bote (Mohammad) sprach zu Gott: Herr, mein Volk hat sich von diesem Koran (Psalter) entfernt.

33. [Gott antwortete:] Auf dieselbe Art haben wir gegen je- den Propheten Widersacher unter den Bösewichtern erweckt. Aber dein Herr genüge dir als Leiter und Helfer.

34. [Der Bote fuhr fort:] Die Ungläubigen haben gesagt: Warum wurde auf ihn der Koran nicht als ein abgeschlossenes Ganze her- abgesandt? [Gott antwortete:] Wir offenbaren ihm dies auf solche Art (d. h. nicht in der Form eines Buches, sondern als eine Reihe von Eingebungen), auf dafs wir fortwährend dein Herz damit stär- ken , und wir singen ihn dir feierlich vor.

35. So oft sie dir nämlich ein Problem vorlegen, theilen wir dir die Wahrheit und die beste Lösung mit.

36. Diejenigen, welche mit dem Gesichte vorwärts in die Hölle gestürzt werden (d. h. zum Unglauben prädestinirt sind), haben ei- nen schlechten Ort und sind auf dem gröfsten Irrwege.

37. Dem Moses haben wir das Buch [auf einmal] gegeben, und für ihn seinen Bruder als Wazyr bestellt [die Art, wie dies ge- schah, wird in Süra 7, dann in Süra 2 beschrieben].

38. Dann sagten wir: Gehet zum Volke, welches unsere Zei- chen für Trug hält. Aber wir haben es auch verheert und vertilgt.

39. So auch das Volk des Noah. Als es die Boten als Lüg- ner erklärte, haben wir es ertränkt und den Menschen zum [ab- schreckenden] Zeichen gemacht, und für die Ungerechten haben wir eine peinliche Strafe bereitet.

40. So auch [erging es] den 'Aditen, Thamüdäern, den Leuten des Rass und vielen Geschlechtern zwischen ihnen.

41. Jedem haben wir die Probleme (die unwahrscheinlichen Leh- ren, die wir jetzt dir offenbaren) vorgelegt, und jedes haben wir gänzlich vertilgt.

42. Die Makkaner sind doch bei der Stadt Sodoma vorüberge- gangen, auf welche der Regen der Zerstörung gefallen ist; haben sie dieselbe denn nicht angesehen? Aber sie erwarteten nicht, dafs sie auferstehen werden [und deswegen nahmen sie das Beispiel nicht zu Herzen].

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mäfsigkeit Avegen IVagmentarisch niitgetheilt werden ') und dafs, wenn sie ihm Gott auch nicht schrifthch zustellt, sie doch im Himmel geschrieheu aufbewahrt seien, und dies, dachte er, sollte den Makkanern genügen.

74, 50. Was Ist ihnen denn, dafs sie von der Ermahnung weglaufen,

5J. wie wilde Esel, welche vor dem Löwen fliehen?

52. Freilich verlangt jeder, dafs die Olfenharung in offenen Rollen üherbracht werde.

53. [Die Ursache ihres Unglaubens ist nicht Mangel an Beweis der Wahrheit der Offenbarung,] sondern dafs sie das künftiije Leben nicht fürchten,

54. Allein dies (dieser Koran) ist eine Ermahnung ") und wer will, nimmt ihn zu Herzen;

55. sie werden ihn aber nicht zu Herzen nehmen, aufser dafs Allah es wolle; Er ist der Gott der Versöhn- lichkeit ^) und der Gott des Verzeihens.

') Kor. 17, 107.

*) Dieser Vers kommt auch in Süra 80, ii vor und bildet auch dort einen essenciellen Bestandtheil der Inspiration. Die Wieder- holung desselben hat aber die Sammler veranlafst, dort Verse ein- zuschalten, die hieher gehören.

^) Wir wissen, dafs virtus bei den Römern und Tugend bei den alten Deutschen in etwas ganz Anderm bestand als bei den Mönchen. Es ist wahrscheinlich, dafs auch takwä Frömmigkeit, Got- tesfurcht, wenn der Ausdruck den heidnischen Arabern vor Moham- mad bekannt war, einem andern Begriffe entsprach als bei den Dar- wyschen. Die Frage, worin die takwä bestehe, ist schon von den Moslimen untersucht worden. Der Chalyfe'Omar fragte Kab, den Schriftgelehrten: Was ist die takwä? Dieser antwortete: Bist du je einen dornigen Pfad gegangen? Ja! Was hast du da ge- than? Ich habe mich in Acht genommen und aufgepafst. Kab erwiderte: Das nennt man takwä. Im Kor. 2, 22 kommt der Aus- druck vor: fa-ttakü alnär, vermeidet die Hölle, und daher hat man, wohl mit Recht, die takwä für eine negative Eigenschaft erklärt: sich von der Sünde enthalten. Es entspricht unserer Gewissenhaftig- keit oder Scrupulosistät. Die Raubsucht der ersten Moslime und die Grausamkeiten des Haggäg haben unter den frommen Männern

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Mit diesen Worten endet die Sura; daran schliefst sich: 80, 11. Allein dies (dieser Koran) ist eine Ermahnung, 12. und AVer Avill, nimmt ihn zu Herzen.

eine Reaktion hervorgerufen, deren Repräsentant der Chalyfe 'Omar b. 'Abd al-'Azyz war, und die takwä galt unter ihnen als das höchste Princip der Moralität. Sie besteht, sagte dieser ('halyfe, nicht darin, dafs du bei Tage fastest und und bei Nacht betest, sondern darin, dafs du das vermeidest, was Gott verboten hat, und wenn du aufser- dem noch Almosen giebst von deinem Vermögen, so fügst du Gu- tes zu Gutem. Mit unerreichter Reinheit hat Mohäsiby dieses Prin- cip in seinem Dawäo däi-lkolüb entwickelt. Andere Moralisten sind jedoch schon zu weit gegangen. Sofyän Thawry und Fodhayl sa- gen: Gewissenhaft (mottakiy) ist ein Mann, der für andere anstrebt, was er für sich selbst wünscht. Gonayd b. Mohammad ist je- doch mit dieser Lehre nicht zufrieden und sagte, der Mensch mufs für den andern mehr erstreben als für sich selbst. Weist du, sagte er, was mein Lehrer gethan hat? Eines Tages grüfste ihn ein Freund. Er erwiderte den Grufs, sah dabei aber mürrisch aus. Ich fragte ihn um die Ursache. Er antwortete: Ich habe gehört, dafs wenn ein Bruder den andern grüfst und dieser erwidert den Grufs, so ge- währt ihnen Gott hundert Gnaden, wovon neunzig dem zukommen, welcher von beiden eine freundliche Miene macht: ich wünsche nun dafs ihm und nicht mir die neunzig Gnaden zu Theil werden. Für uns ist es interessant zu wissen , welche Begriffe Mohammad von takwä hatte, und wenn er sie nicht selbst entwickelt hat, wo er sie hernahm. In die letztere Frage einzugehen habe ich nicht die Mit- tel, und in Bezug auf die erste müssen wir uns an den Koran hal- ten. Der Ausdruck ittaku Alläha, fürchtet Gott, kommt so häufig im Koran vor, dafs kein Zweifel sein kann, takwä bedeute Gottes- furcht. Diese Furcht scheint sich aber Mohammad nicht als Gefühl der Angst gedacht zu haben, sondern er fand sie in einem behut- samen, rücksichtsvollen Betragen, und deswegen äufsert sie sich zu- nächst als Schamgefühl (Kor. 91, 8. 7, 25) und Reinheit der Sitten; er nennt daher in K. 9, 109 sein Bethaus die Moschee der takwä „in welcher Männer sind, die sich rein halten." Die Auffassung der Aufsenwelt ist bei hysterischen Menschen so ganz subjektiv, dafs die ganze Schöpfung in ihnen ihren Mittelpunkt hat und um sie kreist, und wenn man diese Stelle und die Veranlassung zur Offenbarung derselben genauer besieht, so überzeugt man sich, dafs Sittenrein- heit nach seiner Ansicht in der unbedingten Ergebenheit gegen „Gott und seine Boten" bestand. Dies geht noch deutlicher aus K. 58, 10

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13 14. [Im IlimmelJ wird er geschrieben auf elir- wijrdige, erhabene, reine Kollen,

15. von den Händen edler, rechtschaffener Schreiber.

Auch in Süra 85 ist ein Fragment ohne Vorsatz. Der Sinn aber bedingt einen, ähnhch dem im zweitvorherge- henden Stück. 85, 21. Vielmehr ist dies ein glorreicher Psalter (Koran),

22. geschrieben auf einer aid'beuahrten Tafel.

Mit diesen Worten endet die Süra. Die in diesen Fragmenten vorgetragene Lehre, dafs der Koran im Him- mel schriftlich vorhanden sei, ist bereits erörtert worden.

In der im Jaln-e 615 geoffenbarten Stelle (Kor. 28, 48 .59) sagt er, dafs Gott dem Moses das Buch allerdings auf einmal wunderbarerweise gegeben, dafs es aber nichts gefruchtet habe, denn die Juden verharrten doch im Un- glauben; Gott wolle daher das Experiment nicht wieder- holen. Ja hätte Gott den Juden nicht das Wort ffes-eben, sie nicht \\\e die Frevler unter den Heiden zu vertilgen, so würde er sie der Schismen wegen, Avelche die wunder- bare Herabsendung des Gesetzes zur Folge hatte, ausgerot- tet haben. PJs ist daher ein unvernünftiges Verlangen, dafs der Koran auf dieselbe Weise geoffenbart werden soll.

Der Gründer der Sekte der Mormonen fand es nö- thig vorzugeben, dafs sein Buch eine Uebersetzung aus einer fremden Sprache sei. Auch die Makkaner scheinen Einwendungen gegen eine Offenbarung in der Jedermann

hervor, wo es füglich mit Unterwürfigkeit übersetzt werden kann. In K. 48, 26 sagt er, dafs sich die Ugläubigen von blinder Wuth hin- reifsen lassen, welche charakteristisch sei für ihre Unwissenheit (Un- göttlichkeit), dafs aber Gott auf die Herzen des Propheten und der Gläubigen die Sakyna (Ruhe) herabgesandt und ihnen das Wort takwH zur Lposung gemacht habe. Die Commentatoren verstehen zwar alle unter dem Wort „takwä" das Glaubensbekenntnifs: „es giebt nur einen Gott"; ich bin aber überzeugt, dafs Mohammad Nach- giebigkeit, Versöhnlichkeit, darunter meinte. Dieses ist auch die Bedeutung der Stelle, welche uns hier beschäftiget.

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verständlichen Landessj3raclie erhoben zu haben. Moham- mad fertigt diesen und den vorigen Einwurf in einer Stelle ab:

41, 40. Diejenigen, welche unsere Zeichen (Offenba- rungen) angreifen, sind uns wahrlich nicht verborgen. Ist etwa der, welcher in's Feuer geworfen wird, besser daran oder der, welcher am Auferstehungstage geborgen auftritt? Thut, was ihr wollt, Gott sieht, was ihr thut.

41. [Ich meine] diejenigen, welche sich undankbar ge- gen die Ermahnung (Offenbarung) erweisen, nachdem die- selbe an sie ergangen ist; denn sie ist eine erhabene Bibel.

42. Das Nichtige findet weder von vorn noch von hinten Zutritt zu ihr; sie ist ein Erlafs von jenem Weisen, Gepriesenen.

43. Keiner der Einwürfe gegen dich ist neu; sie sind schon gegen die Propheten vor dir erhoben worden; aber während dein Herr nachsichtig ist [gegen die Propheten], straft er auch peinlich [ihre Feinde].

44. Hätten wir sie [ihrem \^erlangen gemäfs] in aus- ländischer Sprache abgefafst, so würden sie sagen: Warum sind ihre Zeichen (Verse) nicht verständlich gemacht wor- den? pafst ein Avelsches Buch für einen Araber? Antworte: Sie ist für die Gläubigen eine Leitung und Heilung. Die Ungläubigen sind schwerhörig und schwachsichtig, es ist, wie wenn man ihnen von weiter Entfernung zuriefe.

45. Wir haben es gethan [was sie verlangen]; wir haben dem Moses die Bibel übergeben. Es entstanden aber Meinungsverschiedenheiten darüber, und hätte dein Herr nicht bereits ein Wort gesprochen gehabt, so wäre zwischen ihnen entschieden worden. Sie sind wahrlich selbst jetzt noch in rathloser Ungewifsheit darüber '). [oh

') Das heifst: Hätte Gott nicht bereits den Termin für ihre Strafe festgesetzt gehabt, würden sie ihres Zweifels wegen schon vertilgt worden sein. In denselben Worten, aber deutlicher, ist die Idee in K. 20, 129 ausgedrückt. Meine Aufifassung der ganzen Stelle

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die Thora oder blofs die zehn Gebote schriftlich ofeoflFen- hart worden sind].

Der Schlufs dieser Inspiration bezieht sich auf eine andere Schwierigkeit. Seine Gegner haften, wie es scheint, in Erfahrung gebraciit, «lafs die Rollen des Moses unächt und dafs ihm nur die zehn Gebote, nicht aber die Thora auf Tafeln von Gott mitgetheilt worden seien. Auch die fojorenden Verse haben auf diesen Streit Bezus;:

32, 23. Wir haben dem Moses das Buch gegeben bezweifle nicht, dafs er es erhalten hat und wir be- stimmten es für die Kinder Israel zur Leitung.

24. Einige von ihnen haben wir, weil sie ausharrten und von nnsern Zeichen fest überzeugt waren, zu Imämen (Vorbildern, geistlichen Obern) bestellt, welche das Volk leiten sollen.

25. Wahrlich, dein Herr ist es, welcher am Tage der Auferstehuns: zwischen ihnen über die Geo^enstände ihrer Streitigkeiten entscheiden wird.

Wenn ihm auch gesagt wurde, dafs die Thora dem Moses nicht schriftlich mitgetheilt worden sei, so konnte er doch seine Behauptung nicht zurücknehmen. Einige Zeit nach dieser Offenbarung dachte er, da seine Gegner bei ihrer Forderung beharrten, auf eine bessere Antwort: 98, 1. Die Ungläubigen, sowohl die unter den Schrift- besitzern, als auch die unter den Heiden, Avollen )iicht nach- geben, bis nicht der [verlangte] Beweis zu ihnen kommt: 2. nämlich ein Bote (Engel) von Allah, der da reine Rollen vorliest, welche unwandelbare ') Schriften ent- halten.

wird gerechtfertigt durch Kor. 42,ia. Das Wort (schakk), welches ich mit Ungewifsheit wiedergebe, bedeutet eigentlich Zweifel, aber auch Unwissenheit (K. 4, ise).

') Mohammad hat manche seiner Offenbarungen abgeändert und widerrufen, wodurch er den Glauben der Zuhörer erschütterte. Sie wünschten sich daher eine Offenbarung, die keiner Veränderung unterworfen sei.

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3. Aber diejenigen, welchen die [im Himmel aufbe- wahrte] Schrift [auf diese Weise] mitgetheilt worden ist, trennten sich erst in Sekten, als ihnen dieser Beweis vorlag.

4. Es wurde ihnen jedoch kein anderes Glebot ge- geben, als Allah ausschlielslich als Hanyfe anerkennend zu dienen, das voigeschriebene Gebet zu verrichten und das gesetzliche Almosen zu geben. Darin besteht die unwan- delbaie (ewige) Religion [<lie Abänderungen im Koran be- ziehen sich also nur auf Zufälligkeiten].

Hält man diese bispiration und die vorige zusammen, so findet nian eine Bestätigung der oben S. 291 ausgespro- chenen \ermuthug, dafs er die Hanyfe wohl vorzugSAveise seine Lehrer die Imäme (Führer, Vorbilder) nennt*).

Ziemlich schwach ist folgende Ausflucht: 6, 7. Hätten wir auf dich ein Buch auf Pergament her- abgeschickt, und sie hätten es mit ihren Händen befühlt, so würden sie (die Gottlosen) doch sagen: Dies ist deut- lich eine Zauberei (Betrug).

Als er diesen \^ers verfertigte, hatte er wahrschein- lich schon darüber gesonnen, was die Folgen sein würden, wenn er vorgäbe, »das Buch« gesehen zu haben. Er spricht seine Befürchtung, dafs man ihm nicht glauben würde, of- fen aus und stand auch einige Zeit davon ab. Allein die Hoffnung, es könnte einen guten Eindruck auf seine An- hänger machen, bewog ihn am Ende, »die bestmögliche Lösung des ihm vorgelegten Problems zu geben«: 44, i. Ham^). Beim unverkennbaren Buche schwören wir.

') Die Orientalen haben von Zeit zu Zeit ihren Asceten die pompösesten Titel gegeben, wie Schaych der Aelteste, Schah Kö- nig, Abu Vater, Murschid Führer, Ghawth der Hülferuf. Es ist wahr- scheinlich, dafs auch die Juden von Zeit zu Zeit neue Benennungen für ihre Schwärmer erfanden, und dafs Imam (oder ein Wort, wo- von Imam die arabische üebersetzung ist) eine davon war. Vielleicht kann uns ein jüdischer Gelehrter darüber Aufschlufs geben.

^) Einige sprechen diese mysteriösen Buchstaben Hemm aus. üeber die Bedeutung herrscht Meinungsverschiedenheit.

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2. (lafs, da Avir die Menschen zu eirnalinen ent- schlossen uaren, Avir es hinabgesandt haben in einer ge- segneten Naclit,

3. in Avelcher alle weisen Dinge erledigt werden.

4. Wir haben es gesandt in Folge eines von uns ausgehenden Kathschlusses '); denn uir wollten einen Bo- ten senden,

5. aus Cinade Seitens deines Herrn; denn er ist der Hörende, der Wissende.

Gott hat also endlich doch alle Bedenken überwun- den und seinem Boten das Buch ülTersandt. Diese Lüge wurde dann ferner ausgebildet:

97, 1. Wir haben ihn (den Koran) hinabgesandt in der Nacht des Fatunis.

2. Aber weifst du auch, was die Nacht des Fatunjs ist? 2).

3. Die Nacht des Fatums ist besser als tausend Monate;

4. denn in jener Nacht steigen die Engel und der Ruh (heilige Geist) auf Befehl ihres Herrn hinab in Be- zug auf alle Dinge (um alle Dinge zu ordnen).

5. In jener Nacht herrscht Heil bis zum Aulgang des Morgenroths.

Zu bemerken ist noch, dafs diese Inspiration (97, l— ^) und das vorhers^ehende Frasrment 80,12—15 und die isr- sprüngliche Forderung der Heiden (74, 50 54) denselben (nicht häufig vorkommenden) Reim haben und in demsel- ben Stil geschrieben sind. Vielleicht war es Mohammad's Absicht, dafs alle diese Inspirationen nur ein Stück bil- den sollen, obschon sie nicht auf einmal geolfenbart wor- den sind. Sie würden dann in folgender Reihenfolge stehen:

') Meines Dafürhaltens ist Amran von anzalnä abhängig. *) Sie ist den Moslimen das, was den Juden der Neujahrs- tag ist.

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74, 50 54 (Vers 55 ist ein späterer Zusatz),

80, 12—15,

97, 1—5.

Was mich in dieser Ansicht bestärkt, ist, dafs in Süra 80 das Femininum plötzHch in das Masculinum übergeht, wo- durch sie mit Süra 74, 54 in Einklang kommt.

Halaby, fol. 371, sagt, dafs die Nacht des Fatums dem Pahnsonntag v^*«-L^l j.j.j der Christen entspricht. Sie kommt im Koran noch einmal vor (Süra 2, 181 183) und dort wird sresagt, dafs sie in den arabischen Monat Ramadhän falle. Den Tag des Monats wissen die Moslime nicht mit Be- stimmtheit anzugeben. Der Palmsontag fiel in den Jahren 621, 622 und 623 in den Ramadhän. Der Koran miifste also dem Mohammad in einem dieser drei Jahre srezeist wor- den sein. Im Jahre 623, in welchem der Palmsonntag auf den 12 Ramadhän (20. März) fiel, war Mohammad schon in iMadyna und im J. 624 beobachtete er die Fasten der Christen; es liegt daher die Vermuthung nahe, dafs 623 das Datum der zwei letzten Inspirationen sei. Im Koran werden sie jedoch als makkanische Suren überschrieben. Wenn sie schon in Älakka geoffenbart wurden, wie anzu- nehmen ist, so kann man sich die Sache so erklären, dafs die MosHme im J. 623 das damals zufällige Zusammen- treffen ihres Festes mit dem Palmsonntag bemerkten und dafs die Tradition, welcher zufolge die Jsacht des Fatums mit dem christlichen Feste übereinstimmt, sich von diesem Jahre datirt.

Die Sage hat dieses Wunder erweitert. Es wird be hauptet, dafs Gabriel alle Jahre den Koran vom Himmel brachte und ihn dem ^lohammad zeigte, und dafs der Prophet diese Gelegenheit benutzte, um das, was er be- reits besafs, mit dem himmlischen Original zu verglei- chen. Ibn Ishäk o;laubt, dafs Mohammad im Ramadhän die erste Offenbarung erhalten und das Buch gelesen habe; er lälst daher den Engel, der ihm auf dem Berge Hirä er-

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schien, mit einem in Brokat eingewickelten Buche verse- hen sein. Wahrscheinlich hat des Engels Ansprache an Mohammad »lies!« zu dieser Tradition Veranlassung ge- geben. Es ist aber möglich, dafs der Prophet die Ge- schichte der Vision nachträglich selbst erweitert und das Buch bei dieser Gelegenheit gesehen zu haben behaup- tet habe. Eine andere Lehre trägt Tha'laby, Tafs. 2, 181, vor.

Wir haben gesehen, dafs die Widersacher nicht nur forderten, dafs das Buch bei hellem Tage von Engeln dem Propheten zugestellt werde, sondern dafs sie sich auch darüber aufhielten, dafs er die Oifenbarungen allmählig er- halte, und nicht nnt einem vollständigen Vorrathe, wie er diesen auch immer erhalten haben mochte, auftrete. Es ist nicht unwahrscheinlich, dafs er dieser Forderung schon im Jahre 614 15 zu entsprechen bestrebt war, und erst später die Zweckmäfsigkeit der gelegentlichen Inspiration vertheidigte. Um jene Zeit war er mit Hülfe seines Men- tors eifrigst beschäftigt, die Prophetenlegenden poetisch zu bearbeiten, und um durch die Schwierigkeit der Form im Fortgange nicht gehindert zu sein, änderte er plötzlich den Stil. Früher waren die Verse kurz, die Sprache wohl- klingend und der Reim gesucht. Jetzt werden die Verse lang, der Ausdruck prosaisch und er wählt gewöhnlich den Reim in yn, welcher so leicht ist, dafs man darin spre- chen könnte. Er nahm sich nicht Zeit, die Offenbarung so sorgfältig zu stilisiren wie früher.

Wenn diese Vernmthung begründet ist, so drücken die Worte Gottes (Kor. 15, S7): »Wir haben dir bereits sie- ben Wiederoffenbarungen und den glorreichen Koran ge- geben« die Befriedigung aus über das Zustandekommen so vieler Offenbarungen in kurzer Frist.

Um zu zeigen wie früh die über den Koran vorhan- denen Mythen entstanden sind, wollen wir der Sage nach- spüren, dafs Gabriel jährlich im Monat Ramadhän mit dem

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Proplieten Repetitionen j^elialten und den ganzen Koran (liuclii»egangen sei.

liodiary, S.748, von Zohry, von'Obayd Allah b/Abd Allah, von ihn Abbäs (-{-A.H.68):

»Der Prophet war immer sehr wohlthätig, aber am meisten im Rainadhän, denn der Engel Gabriel pflegte ihn jede Nacht bis zu Ende des Monats zu besuchen, damit der I^'ophet ihm den Koran zur Vergleichung vortrage (yo'ridh alayhi Rasülullah alkoräna).«

I)0chäry, S. 784, von [Othmän h. Ägim] Abu Hagyn, von Abu C'älih [Dzakwän] , von Abu Horayra (-j- A. H. 58 oder 59).

»Der Koran wurde dem Propheten jährlich einmal zur Vergleichung vorgetragen ( käna yo'radh alajhi) und in dem Jahre, in dem er starb, geschah dies zwei Mal. Der Prophet pflegte jährlich zelin Tage sich Andachtsübungen zu widmen, und im Jahre, in dem er starb, widmete er sich ihnen zwanzig Tage.«

Das Wort, Avelches ich mit »vorgetragen« übersetze, heifst technisch eine Abschrift mit dem Original collatio- niren. Ob es aber schon zur Zeit als diese zwei Tradi- tionen redigirt wurden, diese Bedeutung hatte, ist schwer zu bestimmen.

Hier haben wir zu ei von einander ifanz unabhäno-ioe Isnäds (Ketten von Zeugen), die bis in die Mitte des er- sten Jahrhunderts hinauheichen, als Bürgschaft für eine handgreifliche Lüge. Dafs sie alt sei, ist also gewifs. Aber wer hat sie erfunden? Folgende Tradition scheint die ursprüngliche Dichtung zu enthalten:

Bochary, S. 512, von Scha'by, von Masrük, von Ayischa:

»Fätima kam daher spaziert und hatte gerade densel- ben Gang wie der Prophet. Er (Mohammad) grüfste sie, machte sie an seiner Seite niedersitzen und vertraute ihr ein Geheimnifs an. Als sie es vernommen liatte, weinte

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sie. Dann erzählte er ihr ein anderes Gebeimnifs iinrl sie lachte. Ich sagte zu ihr: Ich habe nie Freude so nahe beim Schmerz gesehen, als heule; was hat dir der Pro- phet erzählt? Sie weigerte sich, das Gebeimnifs zu ver- öffenthclien. Als der Prophet todt nar, fragte ich sie um das (leheimnifs, welches er ihr bei der erwähnten Gele- genheit erzählt habe. Sie antwortete: Er vertraute mir an: Gabriel vergleicht mit mir den Koran (käna yoäri- dhony alkoräna) jährlich einmal; dieses Jalir aber hat er ihn zweimal mit mir verliehen. Ich schliefse daraus, dafs mein Ende nahe sei, und du wirst das erste .Mitglied mei- ner Familie sein, das mir in's l^aradies folgen wird. Dar- auf weinte ich. Er aber setzte hinzu: f)ist du nicht da- mit zufrieden, dafs du die Königin der Frauen des Para- dieses und der rechtgläubigen Frauen sein wirst? darauf lachte ich.«

Da keiner von den Freunden des Mohammad von die- ser Collation etwas aus seinem Munde gehört hatte, so mufste sie der Erzähler ein Gebeimnifs sein lassen, wel- ches erst nach seinem Tode herauskam. Einerseits möch- ten wir aus dem Geiste der Tradition schUefsen, dafs sie nicht von 'Ayischa erfunden worden ist, noch ist es wahr- scheinlich, dafs sie zu ihren Lebzeiten bekannt gemacht wurde, denn man hätte sie ja fragen können. Sie starb aber A. H. 57. Andererseits ist es klar, dafs sie A. H. 58 oder 59, dem Todesjahre des Abu Horayra, schon be- kannt war. Wir können die Erfindun«: also dem «jewand.- ten Theologen Masiük (-j-A.H. 62) zuschreiben und sie in das Todesjahr der 'Äyischa A. H. 57 oder 58 versetzen. AVenn aber um's Jahr 57 58 eine solche Mythe nöthig war, so müssen damals grofse Zweifel unter den (ielehr- ten geherrscht haben über die Integrität des Korans, und es mufs noch bekannt gewesen sein, dafs der Prophet manche Oflenbarung später änderte o<ler gar wegwarf. iSicht umsonst wird daher ü-esai^t:

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13, 39. Allah streicht [vom Koran] was er will und be- stätiget was er will; bei uns ist der Urtext (wörtlich; die jVIuttcr des Buches).

VI. Alexander der Grofse.

Eine interessante Veranlassung zu einer theologischen Disputation bot den Feinden des Mohammad die Sage von Dzü-lkarnayn (Alexander). Er hefs sich nämlich den Irr- thum zu Scluilden kommen, eine Episode aus dem Leben dieses Helden in verdorbener Gestalt dem Moses zuzu- schreiben, indem er sagt:

18,59. Moses sprach ja zu seinem Burschen: Ich mache nicht Kehrt, ehe ich die Ineinandermündung der beiden Meere erreicht oder jahrelang marschirt bin.

60. iSachdem sie mit einander zu der Ineinandermün- dung gekommen waren, vergafsen sie ihren Fisch und er nahm frei seinen Weg in das Meer.

61. Als sie dabei vorüber waren, sagte er zu seinem Burschen: Trag unser Frühstück auf; diese Reise hat uns erschöpft.

62. Dieser antwortete: Weifst du was vorgefallen ist, als wir beim Felsen ruhten? Ich habe den Fisch verses- sen nur der Teufel konnte mich vergessen machen, dafs ich dich nicht daran erinnerte und er nahm auf wunderbare Weise den Weg nach dem Meere.

63. Jener versetzte: Dies ist es ijerade was wir ae- wünscht hatten. Darauf kehrten sie mit einander densel- ben Weg zurück.

64. Und sie begegneten einem unserer Diener, Avel- chem wir unsere Gnade beschert und übernatürliche Kennt- nifs gegeben hatten.

65. Moses sprach: soll ich dir folgen, auf dafs du mich unterweisest in dem, was dir bekannt ist im Gebiete der Weisuns?

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66. Er antwortete: Es wird dir unmöglich werden, bei mir geduldig auszudauern.

67. Wie könntest du auch Geduld in Dingen haben, von denen du keine Kunde besitzest?

68. Moses sagte: Du wirst mich geduldig finden, und ich werde dir in Nichts widerstreben,

69. Er antwortete: Wohlan, wenn du mir folgen willst, darfst du mich über Nichts zu Rede stellen, bis ich den Gegenstand selbst berühre.

70. vSie gingen mit einander weiter, bestiegen ein Schiff und er machte es leck. Moses sagte: Hast du es verdorben, um die Leute zu ertränken? Bedenke was du thust!

71. Er versetzte: Habe ich dir nicht gesagt, es wird dir nicht möglich sein bei mir geduldig auszudauern?

72. Moses sagte: Lafs mich es nicht entgelten, dafs ich es vergessen habe; du mufst mir aber in meiner Lehr- zeit nicht zu vSchweres aufbiirden.

73. Sie gingen weiter und begegneten einem Kna- ben; er tödtete diesen. Moses sagte: Wie du tödtest einen unschuldigen Menschen , an dem du kein Blut zu rächen hast? Du hast ein Verbrechen begangen.

74. Er versetzte: Habe ich dir nicht gesagt, es wird dir unmöglich sein, bei mir geduldig auszudauern.

Ib. Moses sagte: Wenn ich dich noch einmal über etwas zu Rede stelle, so schliefse mich von deiner Gesell- schaft aus; ich erkläre, dafs ich mich nicht beklagen werde.

76. Sie srino-en weiter und kamen in eine Stadt. Hier baten sie die Bewohner um etwas Essen, es wurde ihnen aber keine Gastfreundschaft zu Theil. Sie fanden daselbst eine Mauer, welche einstürzen wollte, er aber stützte sie. Moses sprach: Wenn du gewollt hättest, hät- test du dabei was verdienen können.

77. Er fiel ihm in's Wort: Nun trennen wir uns; ich will dir aber die Dinge erklären, deren Ausgang zu er- warten du nicht die Geduld besafsest.

n. 30

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78. Das Schiff gehörte armen Leuten, welche ihr Brod auf dem Meere verdienen. Es lag mir daran, es zu be- schädigen, denn hinter ihnen kam ein König, welcher je- des vSchifF gewaltsam wegnimmt.

79. Der Knabe hatte gläubige Eltern. Wir fürchte- ten, dafs er sie in Sünde und Unglauben versenken werde,

80. und wir wünschten, dafs ihnen Gott statt seiner ein besseres Kind gebe, welches rein und liebevoller sei.

81. Die Mauer ist das Eigenthum zweier Waisen- knaben in der Stadt. Unter der Mauer liegt ein Schatz begraben, welcher ihnen gehört. Ihr Vater war ein recht- schaffener Mann. Dein Herr wollte nun, dafs sie zum rei- fen Alter uelano'en und dann erst ihren Schatz finden sol- len. All dies ist aus Gnade deines Herrn geschehen; ich habe es nicht auf eigene Verantwortlichkeit gethan. Dies ist die Erklärung dessen, was du nicht mit Geduld anzu- sehen vermochtest.

Geiger, S. 171, sagt in Bezug auf diese Koränstelle: »Von der Reise des Moses, welche darin erzählt wird, konnte ich keine Spur in jüdischen Schriften finden.« Das beweist nun freilich noch nicht, dafs diese Reise eine Epi- sode aus der Geschichte des Dzu-lkarnayn sei. Um die- ses darzuthun müssen wir weiter ausholen.

Der ungenannte Wundermann, welcher in diesem Stücke vorkommt, heifst nach dem einstimmigen Zeugnifs der Exe- geten Chidhr^). Dies ist eine sonderbare, unbiblische, ja

' ) „Iba ' Abbäs und Horr b. Kays Fazäry waren nicht ganz ge- wifs, wer der Mann gewesen, welchen Moses getroffen hat; Ibn 'Abbäs behauptete, dafs es Chidhr (man schreibt auch Chadir) war. Während sie sprachen, ging Obayy b. Ka'b (ein bekehrter Jude und Freund des Mohammad) vorüber. Ibn 'Abbäs rief ihn und befragte ihn darüber. Er antwortete: Ich habe den Propheten erzählen hö- ren : Moses befand sich einst unter mehreren vornehmen Israeliten und es fragte ihn Jemand: Weifst du Einen, der mehr Kenntnisse besäfse als du. Er antwortete: Nein. Gott offenbarte ihm, dafs Chidhr ihn übertreffe. Er bat Gott, ihm den Weg zu Chidhr zu zeigen und es wurde ihm der Fisch als Zeichen gegeben mit den

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unsemitische Persönlichkeit, die aber allerdings von den Muslimen auch mit biblischen Sagen verherrlicht Avurde. Die Nachrichten darüber fangen mit der Genealogie an. Er war ein Sohn des Königs Malkän, eines Sohnes Phaleg b. Eber b. Schalech b. Arfachschad b. Sera b. Noah. Chidhr be- deutet grün und ist ursprünglich ein Titel und nicht ein Name. Der Träger hiefs Balyä. Mohammad sagte, er wurde Chidhr geheifsen, we\\ er sich auf einen dürren, kräuterlosen Platz setzte und dieser hinter ihm sogleich grün wurde'). Nawawy, Biogr. Dict. S. 229, sagt: Die meisten Gelehrten sind der Ansicht, dafs Chidhr noch am Leben und vorhanden [aber unsichtbar] sei. Sehr viele ^üfies und fromme Männer erzählen, dafs er ihnen erschie- nen, sie ihn gesehen und mit ihm gesprochen haben. Er hält sich in heiligen Orten auf und hat sich unzählige Male gezeigt. Einige Traditionen jedoch behaupten, dafs Chidhr ein Prophet sei, während andere ihn zum Heiligen machen; darin stimmen sie doch alle überein, dafs er unsichtbar ist und erst am Ende der Zeiten sterben Averde. Dem zu- folge wäre er eine Art Kotb oder Abdäl, welcher seinen Verehrern, wenn sie mit Zweifeln ringen oder in grofser Bedrängnifs sind , unversehens zu Hülfe kommt. Die er- wähnten Attribute sind moslimischen Ursprungs und ent- hüllen uns nicht das Wesen des Chidhr. Zum Menschen ist er Avohl erst nach Mohammad geworden; ja es giebt selbst einige Moslirae, welche ihn für einen Schutzgeist halten,

Worten: "Wenn du den Fisch vermissest, so kehre um und du wirst den Chidhr treifen. Er folgte nun dem Fisch etc." Bochäry, S. 481 und S. 17, von Zohry, von 'Obayd Allah b. 'Abd Allah. - Es ist noch eine andere Version dieser Erzählung im Bochäry, von Sofyän b. 'Oyayna, von 'Amr b. Dynär, von Sa'yd b. Gobayr, von Ihn 'Abbäs, von Obayy, und man sieht es ihr recht deutlich an, dafs Ihn 'Abbäs die Absicht hatte, diese ganze Koränstelle zu erklären und wohl auch so weit als tbunlich sie zu verdrehen.

') Bochäry, S. 483, von Mamar, von Hammäm b. Monabbih, von Abu Horayra.

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und Kamäl aklyn Abü-lghanäyun findet in ihm gar den heiligen Geist, den höchsten Demiiiro-. In der Leorende hält er sich ffern bei Quellen auf und, ^\ie sein Name anzeigt, steht die Vegetation, -welche durch die Feuchtig- keit hervorgerufen wird, unter seinem Schutze.

Unter der Ineinanderniündung der beiden Meere haben wir nicht etwa mit den Commentatoren die JMeerenge von Gibralter zu verstehen. Wir lesen im Koran:

25, 55. Gott ist es, welcher die zwei Meere in Verbin- dung setzte: Dieses ist süfs und ein Euphrates, jenes ist salzig und brackisch, er aber hat zwischen sie eine Schei- dewand und Absonderung gesetzt.

Das AVunder, welches Mohammad anstaunt, ist: wie es kommt, dafs die Quellen und Flüsse siifses Wasser lie- fern, da sie doch, wie er glaubt, aus dem Meere kommen. Moses, oder richtiger Dzu -Ikarnayn, hatte, indem er die Ineinanderniündung der zwei Gewässer besuchen wollte, die Absicht, das Wunder mit Augen anzusehen, und dort traf er Chidhr, den Schutzgeist der Gewässer.

Der Bursche des iMoses weifs nicht, wozu er den Fisch mitgenommen habe, sein Herr aber sagte, als ihm gemel- det wurde, dafs er entkommen sei, er hätte dies gerade gewünscht. Von den Commentatoren, welche dem Ibn 'Ab- bäs folgen, wird der Zweck, zu welchem er den Fisch mitgenommen habe, auf eine sehr ungenügende Weise er- klärt. Wir finden aber Aufschlufs darüber in der Alexander- Sage: Der Fisch sollte durch die unterirdische Verbindung von dem salzigen in das süfse Wasser schwimmen und so- mit die Verbindung beider constatiren und zeigen, dafs es einem Wunder zuzuschreiben sei, wenn dennoch nicht al- les Wasser der Erde salzis,- Avird.

Aehnliche Ideen über den Ursprung und den unter- irdischen Lauf der Flüsse kommen in den spätesten Büchern der Parsis vor, und sind von ihnen zu den Moslimen über- gegangen. Gähitz, welcher Egypten besucht und in Bac^'ra gelebt hat, also doch einige Begriffe vom jXil, dem Persi-

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sehen Golf und dem Indischen Ocean haben mufste, Avar dessenungeachtet fest überzeugt, dafs der Nil und der In- dus ein und derselbe Fluls sei. Kr umfste sich also ein- bilden, dafs der Indus unter dem Meere nach Afrika fliefse. Und Mas'tidy sagt (vergl. Uebers. S. 231): »Die Gelehrten sind verschiedener Ansichten über den Ursprung der Flüsse und Quellen. Einige glauben, dafs sie alle denselben Ur- sprung haben, nämlich das grofse Meer. Darunter hat man das süfse Meer (albahr al'adzb) und nicht den Ocean zu verstehen.« Unter der Ineinandermüiiduno^ der zwei Meere Aväre demnach die Verbindung zwischen dem süfsen Meer, von welchem unsere Quellen kommen, und dem Ocean zu verstehen '). Und bei dieser \ erbindung hielt sich Chidhr, der Schutzgeist der Wasser, der Bäume und Kräuter, auf. Dzü-Ikarnayn war, wie Avir sehen werden, nicht nur Eroberer und Prophet, sondern auch Philosoph; er er- forschte alle Geheimnisse der Natur, und es war in der That seine Wifsbegierde, was ihn seine abenteuerlichen Kriegszüge zu unternehmen bewog. In dieser Absicht begab er sich, nach Wahb b. Monabbih (zu Kor. 50, l), auch zu dem die Erde umschliefsenden Gebirge Käf -).

') Unter dem segensreichen Einflüsse des Christenthumes ha- ben geistreiche Ansichten dieser Art die sündhaften Vorstellungen des Pythagoras, Aristoteles, Ptolemaeus und anderer Heiden ver- drängt und sich auch unter den Völkern griechischer (byzantinischer) und lateinischer Civilisation geltend gemacht, wie wir aus Cosmas und dem Geographen von Ravenna lernen. Nach dem letzteren flie- fsen die Paradiesflüsse durch den Ocean, und dann unter der Erde fort bis sie ihre Quelle erreichen, und endlich setzen sie ihren Lauf über die Oberfläche der Erde nach dem Meere fort, mit dem sie sich vereinen. Ocean und Meer sind, wie man sieht, bei dem frommen Ravennaten nicht gleichbedeutend. (Vergl. Parthey, Mo- natsbericht d. K. Akad. d. Wiss. Berlin 1859. S. 631.)

*) Borayda, 'Ikrima und Dhahhäk sagen bei Tha'laby: Käf ist der Name eines Gebirgszuges, welcher die Erde umringt und aus einem Stück grünen Smaragd (zomorroda hadhrä), von dessen Farbe der Himmel sein Grün hat, besteht. Darauf ruhen die beiden Seiten

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Er fand daselbst mehrere kleinere Berge. Er fragte das Hauptgebirge: Wer bist du? Dieses antwortete: Ich bin Käf. Er fuhr ("ort zu fragen: Was sind diese kleinen Berge um dich herum? Es erwiderte: Dies sind meine Sehnen ('orük). Es «riebt keine Stadt, nach der sich nicht eine von die- sen Sehnen hinzöge. Wenn Gott ein Land mit Erbeben heimsuchen will, so befiehlt er mir die betreffende Sehne zu bewegen. Ich gehorche dem Befehle und es ensteht das Erbeben. Dzü-lkarnayn bat nun den Käf, ihm eine Idee von der Gröfse Gottes zu geben. Er sagte: Keine Beschreibung reicht hin, ihn zu schildern und die kühnste Einbildung ist ungenügend, ihn zu begreifen. So theile mir doch eine ungenügende Beschreibung mit. Aufser der Erde, sagte Käf, ist ein Raum von 500 Jahren Länge und Breite, und es bedecken ihn Schneeberge. Wären diese nicht, so würde die Erde von der Hitze der Hölle verbrannt werden.

Diese Legende und die von der Reise nach der In- einandermündung der zwei Meere sind Zwillinge. Ich er- zähle noch eine dritte, in welcher Chidhr vorkommt und welche desselben Geistes Kind ist. Es ist möghch, dafs Alexanders Marsch zum Jupiter Ammon einen Anknüpfuns- punkt dafür gewährt hat, jedoch phantastische Ideen die- ser Art sind so eng mit der Lüge verwandt, dafs auch ohne äufsere Veranlassung Dichtungen wie Pilze aus der Fäulnifs daraus hervorspringen.

Dzü-lkarnayn, berichtet Thalaby (Proph. Gesch. fol.195) hatte einen Freund unter den Engeln, dessen JName Rafael war. Dieser erzählte ihm, dafs die Engel und der Ruh (heilige Geist) sich im Himmel ohne ünterlafs mit der An- betung Gottes beschäftigen. Dzü-lkarnayn sagte: Ich wün- sche [ewig] zu leben und Gott zu dienen Avie man ihm dienen soll. Wohlan, erwiderte der Engel, wenn du das

des Himmels. Der Smaragd, den die Menschen besitzen, kommt von diesem Gebirge. So erzählt anch Abü-1-Gawza von Ibn 'Abbäs.

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^villst, so wisse, dafs es einen Quell auf Erden giebt, wel- chen man den Quell des Lebens nennt, und CJott hat es so bestimmt, dafs wer einmal daraus trinkt, nicht eher stirbt, bis er seinen Herrn um den Tod bittet. Und wisset ihr Engel, fragte Dzü - Ikarnajn, wo jener Quell ist? Nein, antwortete Rafael, aber wir erzählen uns im Himmel, dafs Gott auf Erden eine Finsternifs hat, in welche weder Mensch noch (jiän eintritt, und wir vermuthen, dafs der Quell sich in dieser Finsternifs befinde ').

Dzü-lkarnayn versammelte die Weisen dieser Erde und die Schriftgelehrten und diejenigen, welche die Zei- chen des Prophetenthums kennen, und sprach: Findet ihr in den Büchern, die ihr leset und in den Traditionen, Avel- che von den Propheten und früheren Weisen überliefert Avorden sind, dafs Gott einen Quell auf die Erde gesetzt hat, den man den Quell des Lebens nennt? Alle antwor- teten: Nein; nur einer sagte: Ich habe im Testament des Adam gelesen, dafs Gott eine Finsternifs in die Welt ge- setzt hat, welche weder Mensch noch Gän betritt, und in dieser Finsternifs ist der Quell der Unsterblichkeit. Wo werde ich die Finsternifs finden? fragte er. Der Weise ant- wortete im Hörn (Karn) der Sonne. Er sandte Boten, um die Weisen, Edeln und Könige zu ihm zu rufen; dann machte er sich auf und ging dem Aufgang der Sonne zu. Nach einem Marsche von zwölf Jahren erreichte er den Rand der Finsternifs. Dies war nicht die Finsternifs der Nacht, sondern es qualmte wie Rauch. Er schlug dort sein Lager auf, liefs die Gelehrten seines Hoflagers ^) zu sich rufen und sprach: Ich gedenke in diese Finsternifs einzutreten. Sie riethen ihm alle, von seinem Vorhaben

') Es ist ein Sprichwort in Persien: tscheschraei' zindegy dar täryky ast, d. h. der Quell des Lebens ist in der Finsternifs. Ist das Sprichwort aus dieser Sage oder diese Sage aus dem Sprich- worte entstanden?

') 'Askar mufs hier in der Bedeutung des im Persischen übli- lichen tartarischen Wortes Urdu aufgefafst werden.

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abzustehen, er aber bestand darauf, und nachdem er aus- findig gemacht hatte, dafs junge Stuten unter allen Last- thieren bei Nacht am besten sehen, iiefs er sechstausend kommen und Avählte in seiner Armee eben so viele Krie- «»•er aus, welche sich durch Entschlossenheit und Intelli- cenz auszeichneten, und ernannte den Chidhr zum Kom- mandanten des Vortrabes, Avelcher aus zweitausend Reitern bestand ; er selbst folgte mit den übrigen viertausend.

Beim Abmarsch befahl er seinem zurückgelassenen Hoflajrer, zwölf Jahre auf ihn zu warten, werde er innerhalb dieser nicht zurückkommen, so mögen sie das Lager ab- brechen und in ihre Heimath zurückkehren. Chidhr sagte: 0 König! im Dunkeln wissen wir nicht wie weit wir ge- o-anffen sind, noch kann einer den andern sehen; was sol- len Avir thun, wenn sich einige unserer Leute verirren? Wirf diese iMuschel auf die Erde und w enn sie einen Laut von sich giebt, gehen die Irrenden darauf zu. Chidhr mar- schirte voraus und rückte vorwärts, während Dzti-lkarnayn sich lagerte. Chidhr stiefs auf ein Wädiv und vermuthete, dafs der Quell im Wädiy sei. Es kam ihm dies in den Sinn als er am Rande des Wädiy stand. Er befahl seinen Leuten Halt zu machen und keiner solle seinen Platz verlassen. Er Avarf die Muschel in's Wädiv. Es dauerte lange ehe der Schall von der Muschel zurückkam. Er ging dem Laute nach und fand, dafs sie am Rande des Quells sei. Er zog seine Kleider aus und ging in den Quell hinein. Dieser war Aveifser als IMilch und süfser als Honig. Er trank, badete sich, machte die vorgeschriebe- nen Ablutionen und wusch seine Kleider; darauf Avarf er die Muschel gegen seine Krieger; sie fiel auf und er ging dem Schalle nach. Bei seinen Leuten ano^ekonnuen, befahl er ihnen, sich marschbereit zu halten und sprach: Vorwärts im Namen Gottes!

Dzü-lkarnayn ging vorüber und verfehlte das Wädiy. Sie gingen vierzig Tage und vierzig Nächte lang, endlich kamen sie zu einem Lichte, welches aber weder das Licht

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der Sonne, noch das des Mondes war. Die Erde Avar roth und mit Sand bedeckt. Sie sahen ein Schlofs, \velclies eine Farsange lang und ebenso breit war. Dzü-lkarnajn ffins allein hinein etc.«

In diesen Alexandersagen weht derselbe Geist wie in der Legende, welche Mohammad von Moses erzählt, und in allen kommt derselbe mysteriöse Chidhr vor; es un- terliesrt also wohl keinem Zweifel, dafs sich Mohammad einer Verwechseluns: schuldisr «remacht habe. Seine Gec;- ner stellen ihn darüber zu Rede, und die Tradition aiebt zu, dafs er in grofse Verlegenheit gerieth und es lange verschob, eine Antwort zu geben '). Endlich gelang es ihm Nachrichten über den Dzü -Ikarnayn ^^3 zu erhalten, und die Kenntnifs derselben sollte als Beweis seiner In- spiration, und die Inspiration als Beweis, dafs er sich nicht geirrt habe, gelten.

18,82. Sie fragen dich beständig über Dzü - Ikarnayn. Antworte: Ich will euch eine Nachricht über ihn vorlesen:

83. Wir bescherten ihm Macht auf Erden und ga- ben ihm in allen Dingen die Erkenntnifs des rechten Mit- tels ^). Er verfolgte ein Mittel

') 'Ikrima, Dhahhäk, Katäda, Mokätil und Kalby erzälen:

„Gabriel wurde nicht sogleich zum Propheten gesandt als ihn die Leute in Bezug auf die Höhlen -Bewohner (Siebenschläfer), Dzü- Ikarnayn (Alexander) und den [heiligen] Geist Fragen vorlegten. Er sagte bei dieser Gelegenheit: Ich will sie morgen beantworten, aber vernachläfsigte „wenn es Gott gefällt" hinzuzusetzen. Gabriel kam nicht und der Prophet war sehr betrübt. Als er endlich kam sagte er: Warum bist du nicht gekommen? ich war sehr betrübt. Gabriel antwortete: Ich wünschte zu dir zu kommen, aber ich bin nur ein Diener und kann nur kommen, wenn ich gesandt werde. Darauf wurde Kor. 19, 65 geoflfenbart."

*) Dzü -Ikarnayn, Zwiehorn, war, wie Redslob glaubt, ein Ti- tel, welchen die Juden dem Cyrus in Hinblick auf Daniel 8, 2 ga- ben, weil er Medien und Persien beherrschte, und welcher auch auf Alexander überging. Einfacher wird der Name von Winer erklärt. Auch ein König von Hyra legte sich ihn bei.

') Wenn Jemand einen Zweck zu erreichen, z. B. Reichthümer

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84. und es gelang ihm bis zu dem Untergang der Sonne vorzudringen, und er fand, dafs sie in einen trüben Quell hineinsinke, in dessen iSähe er Leute fand.

85. Wir sprachen: 0 Dzü-lkarnayn entweder züch- tige sie oder verpflichte sie zum Dank.

86. Er sprach: Den, welcher ungerecht war, wollen wir genifs züchtigen; dann wird er vor seinem Herrn er- scheinen müssen und er wird ihm eine gräfsliche Strafe auferlegen.

87. Aber der, welcher geglaubt und Gutes gethan, hat Gutes als Belohnung zu erwarten, und wir werden an ihn in unserer Machtausübung ermuthigende Worte richten.

88. Dann verfolgte er ein anderes Mittel (einen an- dern Weg),

89. und es gelang ihm den Aufgang der vSonne zu erreichen; er fand, dafs sie über einem \^olke aufging, dem wir keinen Schutz dagegen gegeben haben.

90. Dies ist der Sachverhalt. Wir hatten schon lano-e volle Kenntnifs seiner Hilfsquellen.

91. Dann verfolgte er ein anderes Mittel,

92. und es gelang ihm bis zwischen die zwei Wälle vorzudringen, hinter welchen er ein Volk fand, das durch- aus kein Wort verstand (ganz wild Avar und seine Vor- stellungen weder verstehen noch begreifen konnte).

93. Seine Unterthanen sagten: 0 Dzü-lkarnayn, Yä- güg und Magüg (Gog und Magog) sind Unheilstifter auf Erden. Sollen wir einen Tribut festsetzen, den wir entrich- ten, auf dafs du einen Wall bauest zwischen uns und ihnen?

zu erwerben, wünscht, so giebt es verschiedene Mittel und Wege dazu zu gelangen, es ist nur schwierig eines zu finden und zu ver- folgen, und deswegen gelingt es auch Wenigen. Dem Dzü-lkar- nayn hat nun Gott stets eines der Mittel an die Hand gegeben. Im Original steht aber nicht Mittel, sondern Ursache. Wenn wir z. B. frieren, so halten wir Feuer, oder Bewegung, oder Speise und Trank für Mittel, uns zu erwärmen; der Araber erblickt darin verschiedene Ursachen der Wärme.

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94. Er antu ortete: Das was mir der Herr beschert hat, ist besser als ein Tribut. Stehet mir mit Eifer bei, und ich avüI zwischen euch und ihnen eine Mauer er- bauen.

95. Gebet mir Stücke Eisen, so lange bis der Raum zwischen den beiden Rergabhängen ausgefüllt ist. Er sprach ferner: Blaset bis die Masse Funken sprühet; dann sagte er: Lafst mich gegossenes Erz ^) über die Mauer giefsen.

96. Gog und Magog waren nun weder im Stande darüber zu kommen, noch sie zu durchbohren.

97. Er sprach: Dieser Bau ist eine Wohlthat von meinem Herrn.

VU. Verbotene Speisen und Sabbathfeier.

Wir kommen nun zu einem Disput, welcher nicht so anziehend, aber für die Geschichte der Ausbilduns- der Lehre des Mohammad viel wichtiger ist als irgend ein an- derer. Bisher hatte er sich dem Wahne hinjjeijeben, dafs die verschiedenen Sekten von Schriftbesitzern die Urreli- gion nicht ganz verloren haben, und er war allen möglich äufseren Einflüssen offen. Dieser Disput überzeugte ihn zum ersten Mal von der Noth wendigkeit, sich ausschliefs- Hch auf seine eigenen Inspirationen zu berufen. Dies war der erste Schritt, seine Religion feindlich gegen andere zu machen. Er ging aber in dieser Richtung langsam, und nur in Folge nöthigender Verhältnisse, vorwärts und vollendete das System der Ausschliefsung erst wenige Jahre vor seinem Tode.

') Im Original kitr. Dem Bocbary, S. 472, zufolge kann es Blei, oder Eisen, oder Messing bedeuten. Ibn 'Abbäs erklärt es durch '] Kupfer. Katrän (von HtÖQia?) bedeutet Kolophonium, vielleicht hat kitr dieselbe Bedeutung, oder heifst es Asphalt?

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Wir haben Bd. I S. 119 gesehen, dafs der Hanyfe Zayd den Mohammad, ehe er noch sein Amt angetreten, hatte, auf die Undankbarkeit der Menschen aufmerksam machte, welche das Fleisch von Thieren essen, ohne beim Schlachten den Namen dessen, der sie erschaffen und dem Menschen dienstbar gemacht hat, anzurufen. Im Koran kommen mehrere Stellen vor, wie diese: 40, 79. Allah ist es, welcher euch die Hausthiere gege- ben hat, damit ihr auf ihnen reiten und sie essen könnt.

Es ist kein Zweifel, dafs Mohammad und seine Anhän- ger in Bezug auf verbotene Speisen die Gesetze der Ha- nyfe befolgten. Diese Sekte verdammte manche Gebräuche der heidnischen Araber, wovon einige zwar närrisch, aber recht unschuldig waren, wie die Privilegien, welche sie gewissen Kameelen einräumten, andere Avaren ekelhaft, wie der Genufs des Fleisches krepirter Thiere, und andere verbrecherisch, wie der Mord neugeborener Mädchen. Wir haben bereits erwähnt, dafs, weil man es für ein Unglück hielt, wenn einer Familie ein Mädchen geboren ward, diese in seltenen Fällen lebendig begraben wurden. Auch ge- gen diese Sitte hat der Hanyfe Zayd geeifert.

Zur Erläuterung dessen, was folgt, ist es nöthig, in einige der albernen Gebräuche der Araber einzugehen. Wenn eine Kameelin zehn Mal hinter einander weibliche Junge, Avelche viel höher geschätzt wurden als männliche, geworfen hatte, so wurde sie von aller Arbeit befreit, und deswegen Säyiba, Freie, geheifsen. Sie wurde weder belastet, noch geritten, ihre Haare durfte man nicht ab- schneiden und die Milch durfte nur von ihren Juno:en und von Gästen getrunken werden, und wenn sie starb, wurde das Fleisch sowohl von Männern als Frauen geoessen. Eine Kameelin wurde auch frei und einem Götzen geAveilit in Folge eines Gelübdes, oder wenn sie aus einem Gefecht auf eine wunderbare Weise mit dem Reiter entkam. Ein männliches Kameel, welchem ähnliche Privilegien zugestan- den wurden, nannte man Hämiv. Wenn eine Säyiba noch

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ein weibliches Junge hatte, so wurde das Junge Bahyra genannt, es wurden ihm die Ohren aufgeschlitzt und es erfreute sich derselben Exemptionen wie die Mutter. Auch unter andern Umständen konnte eine Ivameelin oder Ewe zur Bahyra werden. In manchen Fällen durfte das Fleisch der krepirten Bahyra nur von den Männern, in andern von beiden Geschlechtern verzehrt werden. Es gab auch Schaafe, welche Wa(;yla genannt wurden und unter Um- ständen einem Götzen geweiht werden mufsten. Auch in Bezug auf Saaten scheinen ähnliche Satzungen bestanden zu haben.

Mohammad verdammte diese und ähnliche Gebräuche der Heiden und erregte dadurch ihren Widerwillen; er führte neue diätische Gebote ein, welche in Fällen, in de- nen Moslime und Heiden noch mit einander lebten, recht lästig gewesen sein mufsten. Dies war ein Grund, warum Mohammad's Gesetze über verbotene Speisen angefochten wurden.

Die Stelle, welche die formellen Satzungen über den Genufs des Fleisches von Thieren enthält, fällt uns durch ihren Stil auf. Er ist so schwerfällig, wie der eines eng- lischen Juristen, und bildet einen grofsen Kontrast mit der Ausdrucksweise der Offenbarungen, die wir bisher haben kennen lernen, ist aber der Stil der meisten madynischen Suren. Vielleicht war er unter den Arabern in Urteln und überhaupt, wenn sie von Rechtsachen sprachen, üblich. Man verwerfe eine solche \ ermuthung nicht etwa deshalb, ueil die xVraber kein Schriltthum hatten. Streitigkeiten fiber Mein und Dein giebt es überall und die feierUchen Gebräuche bei solchen Gelegenheiten datiren sich aus den Zeiten der Barbarei und Freiheit, und sie verschwinden unter Despotismus, wo Gewalt die Stelle des durch solche Gewohnheiten gestärkten Rechtsgefühles einnimmt. Die Bedouinen beobachten in Rechtssachen eine Solennität, welche Avahrhaft theatralisch ist, sie haben hergebrachte Redensarten und sind überaus umsichtig in ihrer Sprache.

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[Ein Fragment.] 6, 137. Und sie bestimmen für Allah von den Saaten und Hausthieren, welche er herv^orgebracht hat, einen Theil und sagen: Dies ist für Allah welcher Wahn! und dies für unsere Penaten. Was für ihre Penaten bestimmt ist, kommt nicht zu dem Antheil Allah's, was aber für Allah bestimmt ist, kommt zu dem Antheil der Penaten. Dies ist eine schlechte Beurtheilung.

1-58. Auf ähnliche Art haben ihre Penaten (d. h. die Ginn oder Teufel) vielen von den Vielgötterern den Mord ihrer eigenen Kinder als recht und schuldlos vorgespiegelt, um sie zu verderben und um sie von ihrer Pflicht abwen- dig zu machen. Wenn es Allah's Wille wäre, würden sie (die Ginn) dies nicht thun. Verlasse sie und ihre Lügen.

139. Sie sa<?en: Diese Hausthiere und Saaten sind abmarkirt; Niemand soll davon essen, aufser wem wir's erlauben welcher Wahn! Es giebt auch Thiere, wel- chen man nichts aufladen darf, und, weil sie Lügen von Allah sagen, giebt es Thiere, über die sie nicht den Na- men Allah's sprechen ^). Er wird ihnen aber ihre Lügen vergelten.

140. vSie sagen auch: Die Jungen, welche diese Thiere tragen, sind nur den Männern, aber nicht unseren Frauen erlaubt, wenn aber das Junge krepirt, so verzehren es beide Geschlechter. Ein Weiser (Gott) wird ihnen diese Aus- legung seines Willens vergelten.

141. Diejenigen, welche ihre Kinder aus Dummheit und weil sie keine Kenntnifs besitzen, tödten, und dieje- nigen, welche das, was ihnen Allah zur Nahrung gegeben hat, verbieten, indem sie von ihm Lügen sagen (d. h. Götzen

') Die Lügen oder Verläumdungen gegen Allah bestehen darin, dafs sie ihm andere Wesen gleichstellen. Die Namen dieser Götzen wurden also bei dem Schlachten der ihnen geweihten Thiere ausge- sprochen. Es scheint, dafs sie in gewöhnlichen Fällen doch den Na- men Allah's beim Schlachten anriefen.

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ihm gleichstellen), machen ein schlechtes Geschäft; sie sind auf Irnvegen und nicht geleitet.

142. Er ist es, nelcher Weingärten, in denen die Re- ben in die Höhe steigen, und solche, in denen sie nicht in die Höhe steigen, Dattelhaine und Feldfriichte von ver- schiedenem Geschmack, wie auch Oelbäume und Granaten, gewöhnlicher und ungewöhnlicher Sorte, erschaffen hat. Esset die Früchte, wenn sie im Reifen sind und am Tage des Herbstes gebet Gott seinen Antheil. Seid nicht ver- schwenderisch, denn er liebt nicht die Verschwender.

143. [Er ist es, welcher] einige von den Thieren zum Lasttragen, andere zum Hausgebrauch bestimmt hat. Esset was euch Allah zur Nahrung gegeben hat, und folget [in euren Satzungen über diesen Gegenstand] nicht den Schrit- ten des Satans, denn er ist offenbar euer Feind.

144. Es giebt vier Paare [von Hausthieren, deren Fleisch euch zur Nahrung bestimmt ist], nämlich: Ewe und Widder und Bock und Gais. Frage sie: Hat Gott von diesen zwei Paaren die Weibchen verboten, oder die Männ-

' chen, oder was die Weibchen werfen? Gebet einen Grund an, wenn ihr Recht habt!

14.=>. Ferner: Kameelin und Kameel, Kuh und Stier. . Frage sie: Hat Gott von diesen zwei Paaren die Weibchen , verboten, oder die Männchen, oder was die Weibchen w er- ' fen? War es in eurer Gegenwart, dafs Allah diese Auf- ; träge gegeben hat? Wer ist ungerechter als der, welcher dem Allah eine Lüge andichtet, um, ohne Kenntnifs zu ha- ben, die Menschen irre zu führen. Wahrlich Allah leitet das Volk der Ungerechten nicht.

Die Aristokraten beriethen sich mit den Juden von Madyna, damit sie ihnen in ihren Disputen mit Mohanunad an die Hand gehen sollten; und da Mohammad vorgab, dafs er dasselbe lehre, was Moses vorgetragen hatte, so grif- fen sie die von den Gesetzen des Moses abweichenden Bestimmungen über die verbotenen Speisen an, als den

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positivsten Beweis, dafs seine Behauptung falsch sei. Auf diesen Streit bezieht sich nun folgende Koränstelle. Sie enthält einen von Gott ausgehenden, besonders für die An- hänger der neuen Lehre berechneten Machtspruch, welcher, wie es scheint, nach langem Warten, d. h. Nachdenken und Nachfragen erschienen ist:

6, 115. Die Aussprüche deines Herrn sind erfolgt und sie sind voll Wohlwollen und Billigkeit. Niemand kann sie abändern; denn er ist der Hörende, der Wissende.

116. Wenn du der Mehrzahl der Erdbewohner folgst, so werden sie dich von dem Pfad des Herrn wegführen, denn sie lassen sich einzig durch Vermuthungen leiten und dichten blos. J

117. Wahrlich, dein Herr kennt am besten diejeni- gen, welche er von seinem Pfade wegführt, und er kennt am besten die Geleiteten.

118. Und daher esset von dem, worüber der Name Allah's gesprochen worden ist, wenn ihr an seine Zeichen (Mohammad's Inspirationen) glaubt.

119. Es ist kein Grund vorhanden, warum ihr von dem, worüber der Name Allah's gesprochen worden ist, nicht essen sollt. Er hat euch ja auseinander gesetzt, was euch, aufser im Falle des Zwanges, verboten ist. Viele führen euch allerdings irre wegen ihrer Leidenschaften und weil sie ohne Wissen sind. Aber dein Herr kennt am i besten die Uebertreter.

120. Verlasset das Aeufsere und das Innere der Sünde, denn denen, welche Sünden begehen, wird nach ihren Wer- ken vergolten werden.

121. Und esset nicht von dem, worüber nicht der der Name Allah's gesprochen worden ist; denn es ist un- heilig ^). Die Satane (Juden) geben ihren Clienten ein,

') "Wähidy, Asbäb, bemerkt zu diesem Verse:

„Die Heiden sprachen zum Propheten: Sag' uns, Mohammad,

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mit euch zu disputiren. Wenn ihr ihnen folgt, so gehört ihr zu (Jen Vielgötterern.

122. Ist etwa derjenige (Mohammad), welcher todt war, den wir aber belebt und dem wir ein Licht gege- ben, womit er unter den jMenschen wandelt, mit jenem (MohanniKurs Antagonist) zu vergleichen, welcher gleich- sam in der Finsternifs ist, aus der ihn Niemand heraus- zieht? So spiegeln wir den Ungläubigen ihre AVerke als gut vor (und deswegen bleiben sie in der Finsternifs).

Weil die christliche Lehre in diesem Punkte der sei- nen nahe kommt ^), beruft er sich nicht nur auf den Ge- setzgeber der Juden, sondern auch auf den der Christen, und besteht auf seiner Theorie, dafs alle Offenbarunjren übereinstimmen, und verdammt beide religiösen Genossen- schaften ihres Zwiespaltes wegen

23,51. Ehedem haben \\ir dem Kloses das Buch mit- getheilt, auf dafs sie (die Juden) geleitet werden sollen.

52. Und wir machten die Maria und ihren Sohn zum Zeichen und liefsen beide am Hügel wohnin, dem fest- begründeten und mit Wasser versehenen.

53. [Wir riefen allen Propheten zu:] 0 Boten, esset von Allem, was gut ist, und führet einen gottseligen Wan- del, denn ich weifs was ihr thut.

54. Alle eure Iveligionsgemeinden sind ein und die- selbe Religionsgemeinde, und ich bin euer aller Herr; fürchtet mich!

55. Sie aber (die Juden und Christen) lösten die Ein- helligkeit (wörtlich ihr Geschält) in Sekten auf, und jeder

wer nimmt dem Schaf das Leben, wenn es stirbt? Er antwortete: Gott. Sie versetzten: Du glaubst also, dafs das Fleisch von Thie- ren, welche du oder der Geier oder der Hund tödtet, erlaubt sei, wenn sie aber Gott tödtet (wenn die Schafe krepiren) unerlaubt? Darauf wurde Kor. 6, 121 geoffenbart. "

') Die orientalischen Christen essen kein Kameelfleisch, halten aber, wie wir, das Schweinefleisch für erlaubt.

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Ethnos (Sekte) hob das, was er [ausschliefslich] besafs,

hervor.

56. Lafs sie in ihrer Unwissenheit einige Zeit (d. h.

so lang es geht).

In der früheren Offenbarung wendete er sich beson- ders an die Gläubigen und erklärt, dafs er nicht Jeder- mann sefallen könne; hier verdammt er den Sektengeist. Der nächste Schritt war: mit voller Selbstständigkeit auf- zutreten und an die ihm mitgetheilten Eingebungen zu ap- pelliren, ohne Rücksicht auf die vorhandenen geschrie- benen Offenbarungen, welche man gegen ihn zu gebrau- chen anfing. An seine Ideen über eine Uroffenbarung hält er fest, und um zu beweisen, dafs ihn Gott in den alten Satzungen unterrichte, zähh er die Zehngebote auf, freilich mufs er die, welche er nicht weifs, durch andere er- setzen 1). Er giebt zu, dafs die Juden sich auch des Fleisches anderer Thiere enthalten müssen als deren, w eiche er verboten hat, sagt aber, dafs ihnen Gott dieses Gebot als Strafe auferlegt habe. Am Ende behauptet er, dafs er die Lehre des Abraham vortrage, und wenn meine Ver-

•) Dafs Mohammad seine Fassung des Dekalogs bei Gelegen- heit eines Disputes mit den Juden als Beweis seiner Sendung vor- getragen habe, wird auch von der Tradition anerkannt; aber die Thatsache wird sehr entstellt. Ibn Aby Schayba S. 9, von 'Abd Allah b. Salama, von Qafwän b. Ghassäl:

„Ein Jude sagte zu seinem Freund: Komm, wir wollen diesen Propheten besuchen. Der Freund antwortete: Sage ja nicht Pro- phet, er könnte dich leicht hören, denn er hat vier Augen. Sie gin- gen hin und befragten ihn über neun klare Ayah «-»*sj' ..^c s^5Lv cjUaj ob!. Er sagte: Ihr sollt neben Allah kein anderes Wesen anbeten etc. (die in dieser Tradition erwähnten Gebote sind nicht ganz identisch mit der betreflfenden Koränstelle; das letzte heifst: Ihr sollt den Sabbath heiligen). Als sie seine Worte vernommen hatten, küfsten sie seine Hände und FGfse und sagten: Wir bezeu- gen, dafs du ein Prophet bist. Er versetzte: Warum folget ihr mir nicht? Sie antworteten: David hat zu Gott gebeten, dafs stets ein Prophet unter seinen Nachkommen sein möge. Wir fürchten, die Juden werden uns tödten [wenn wir dich oflFen anerkennen].

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muthungen über die abrahamitischen Hanyfen gegründet sind, so müssen ^vir annehmen, dafs er die diätischen Ge- bote von ihnen entlehnt hat; denn sonst hätte er ihnen gegenüber diese Behauptung nicht aufstellen können,

6,146. Sprich: Ich finde in den OlFenbarungen, welche mir gemacht worden sind, nichts Verbotenes zu essen, aus- genommen krepirte Thiere, freies Blut und Schweinefleisch, denn dies ist unrein; auch Unheiliges ist verboten, d. h. wenn der Name eines andern Wesens als der Allah's beim Schlachten darüber gesprochen worden ist. Wer dieses Gebot nicht freiwillig, sondern gezwungen übertritt, sün- digt nicht, denn dein Herr ist nachsichtig und milde.

147. Den Juden haben wir das Fleisch aller Thiere mit Krallen verboten, wie auch das Fett des Rindes und Schafes, mit Ausnahme des Fettes am Rücken und Gekröse und an den Knochen. Wir gaben ihnen dieses \ erbot ob ihrer Abtrünnigkeit; denn wir halten Wort.

148. Wenn sie dich als Lügner verschreien, so sprich; Allerdings hat dein Herr umfassendes Mitleid, aUein seine Strenge wird vom Volke der Ungerechten nicht abgewen- det (d. h. ihr werdet doch noch bestraft werden).

149. Die Vielgötterer Averden sagen : Wenn Allah es so gewollt hätte, würden weder wir, noch unsere Väter ihm Abgötter beigesellt haben, noch würden Avir irgend eine Speise verboten haben. So haben die vor ihnen geläugnet bis sie unsere Strenge fühlten. Sprich: Besitzt ihr irgend eine [positive] Kenntnifs? Wohlan, weiset siel Ihr folget nur Vermuthungen und erfindet Gebote.

150. Sprich: In Allah's Hand ist der ausreichende Be- weis [für seine Lehre] und wenn er so wollte würde er euch alle leiten.

151. Sprich: Bringt eure Zeugen, welche attestiren, dafs Allah dies verboten habe. Aber auch wenn sie es bezeugen, so bezeuge du [o Mohammad] es nicht und folge nicht den Wünschen jener, welche unsere Offen- barungen leugnen , nicht an das Jenseits glauben und

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ihrem Herrn ein Gleichgewicht (andere Götter) entge- genstellen.

152. Sprich: Nähert euch, ich will euch vorlesen Avas euch Allah verboten hat: [1] Ihr sollt ihm kein anderes Wesen beigesellen; [2] ihr sollt Vater und Mutter ehren; [3] ihr sollt eure Kinder nicht aus Furcht vor Armuth tödten; denn Avir nähren euch und sie; [4] ihr sollt nicht Unkeuschheit treiben, weder öffentlich, noch heimlich; [5] ihr sollt nicht ein Wesen tödten, dessen Leben Allah heilig zu halten befohlen hat, aufser wenn ihr berechtigt seid. Diese Gebote hat euch Allah gegeben, auf dafs ihr zur Vernunft kommen sollt.

153. Ferner: [6] ihr sollt eure Hand nicht nach der Habe der Waisen ausstrecken es sei denn, dafs es zu ihrem Besten geschehe bis sie mündig sind; [7] ihr sollt gutes IMaafs und Gewicht geben; [8] ihr sollt Nie- mandem (keinem Sklaven) mehr auferlegen ') als er zu lei- sten im Stande ist; [9] wenn ihr euch aussprecht, beob- achtet Gerechtigkeit, selbst wenn der betreffende ein Ver- wandter ist, und [10] beobachtet das Bündnifs Gottes. Diese Gebote hat euch Allah gegeben, auf dafs ihr zu euch selbst kommen sollt.

154. Dies ist meine Strafse; sie ist gerade; folget ihr also und geht nicht verschiedene Pfade; denn sie füh- ren euch weg von seinem Pfade. Diese Gebote hat euch Allah gegeben, auf dafs ihr gottesfürchtig sein sollt.

155. Darauf (nach dem Dekalog) haben wir dem Mo- ses das Buch complet mitgetheilt etc.

ISach einer Digression sagt er: ^

162. Sprich: Mein Herr hat euch auf eine gerade Strafse geführt, zu einer unwandelbaren Religion, der Lehre

') Ich lese tokallifü und würde so lesen, wenn ich ein Konin- exemplar von Mohammad's eigener Hand mit nokallifo vor mir hätte.

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des Abraham, welcher Han^l war er gehörte nicht zu den Vielgötterern.

163. Sprich: Mein Gebet, meine Andachtsübimgen, welche beim Pilgerfeste beobachtet werden, mein Leben und mein Sterben, alles ist Allah, dem Herrn der Welten, geweiht. Kr hat keinen Genossen. Dies ist der Befehl, den ich erhalten habe, und ich bin der erste der Moslime.

164. Sprich: Wie, aufser Allah soll ich nach einem Herrn verlangen, da er doch der Herr aller Dinge ist, kein Mensch etwas thut, wofür er nicht selbst verantwortlich Aväre, und Niemand das Gewicht eines andern zu tragen hat? Endlich werdet ihr vor eurem Herrn erscheinen müs- sen und er wird euch aufklären über das, worüber ihr in Zwiespalt seid.

165. Er ist es, welcher mich zu seinem Statthalter auf Erden gemacht und welcher Einen über den An- dern um mehrere Stufen erhoben hat, auf dafs er euch versuche in dem was er euch gegeben. Dein Herr ist schnell im Strafen , aber er ist auch nachsichtig und gnädig.

Mohammad siebt ein kurzes Resume der vorisren Of- fenbarung. Für das Koränstudium ist es von Interesse, weil wir in diesem Falle mit Bestimmtheit sagen können, dafs die ausführliche Bearbeitung der kürzern vorausging. Die- ses Resume dient als Einleitung zu einem andern Thema, der Sabbathfeier. In seinen Bemerkungen über dieselbe beobachtet er die gröfste Behutsamkeit. [Ein Fragment.] 16, 115. Esset daher was euch Allah zur Nahrung giebt; insofern es erlaubt und gut ist; danket dabei für Allah's Wohlthaten, wenn ihr ihn anbetet.

llfi. Es sind euch verboten krepirte Thiere, das Blut, Schweinefleisch und das Fleisch von Thieren, über Avelche beim Schlachten der Name eines andern Wesens als Allah's gesprochen worden ist. Wer dieses Gebot nicht freiwillig,

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sondern gezwungen übertritt, sündigt nicht; denn Allah ist nachsichtig und milde.

117. Macht euch nicht einer Lüge schuldig, indem ihr sasret: Dies ist erlaubt und dies ist verboten, um [in- dem ihr so etwas für göttliche Satzung ausgebt^ Gott eine Lüge anzudichten; denn Diejenigen, welche Unwahrheiten auf Allah erfinden, gedeihen nicht.

118. [Die Lüge] gewährt einen kurzen Genufs und es erwartet sie eine peinhche Strafe.

119. Denjenigen [Schriftbesitzern], welche sich dem Judenthume anschlössen [und nicht Hanyfe sind], haben wir verboten, Avas wir dir früher erzählt haben. [Indem sie strengere Gesetze befolgen als euch gegeben wordenj sind nicht wir gegen sie ungerecht, sondern sie waren ge- o-en sich selbst ungerecht.

1-20. üebrigens ist dein Herr gegen Diejenigen, wel- che aus Unwissenheit Böses gethan, und darauf sich be- kehrt und gebessert haben, nachsichtig und milde.

121. Abraham bildete als Hanyf für sich selbst eine dem Allah unterthänige Religionsgemeinde und gehörte nicht zu den Vielgötterern.

122. Er war für dessen Wohlthaten dankbar. Gott erwählte ihn aus und leitete ihn auf die gerade Strafse,

123. und wir gewährten ihm Wohlfahrt auf Erden, und in jenem Leben gehört er zu den Gottseligen.

124. Darauf haben wir dir geoffenbart [o Moham- mad^, als Hanvf der Lehre des Abraham, welcher nicht zu den Vielgötterern gehörte, zu folgen.

125. Der Sabbath ist jenen aufgebürdet worden, wel- che darüber verschiedener Meinung sind. Ihren Zwist wird der Herr am Tage der Auferstehung entscheiden *).

') Die Frage scheint gewesen zusein: Erfüllen die Juden das Gebot Gottes, indem sie den Samstag feiern? Und: Was halst du von der Feier eines Tages in der Woche? Er antwortete: Den

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128. Sei also geduldig, deine Geduld aber ist nur durch deinen Herrn möglich. Lafs dich von ihnen nicht betrüben, noch durch ihre Ränke (d. h. Einwürfe gegen deine Lehre) in die Enge treiben; denn Allah ist mit den Gottesfürchtigen und Guten.

Während Mohammad in dem versöhnlichen Geiste, wel- cher auch in den Clementinen weht, bisher alle Schriftbe- sitzer für geleitet hält, bekennt er sich jetzt, weil man ihn durch das jüdische Ceremonialgesetz in die Enge trieb, of- fen zur abrahamitischen Hanyferei. Er spricht jedoch noch immer nicht das Verdammungsurtheil über die Juden und Christen blos weil sie Juden oder Christen sind, sodern ta- delt nur ihre Zwiste. Da die Anerkennung der abrahami- tischen Hanyferei sonst nicht sehr häufig im Koran aus- gesprochen wird, so setzen uns diese Stellen in den Stand, die Zeit und die Veranlassung mit ziemlicher Gewifsheit zu bestimmen.

Streit der Juden und Christen wird Gott entscheiden. In Bezug auf die zweite Frage glaubt er, dafs es sich nicht um Ceremonien, son- dern um die Erkenntnifs Gottes und reine Moral handle und dafs der Sabbath, wie das Verbot gewisser Speisen, den Juden zur Strafe auferlegt worden sei.

Fünfzehntes Eapitel.

Ausbildung des Schreckensapparates.

JJie Dünste, welche früh Morgens den See, die Au und den Hügel bedeckt haben, sammelten sich in Nebelgrup- pen, schlichen dann langsam an den Abhängen der Berge empor; bald darauf wurden sie zu unstäten Wolken und endlich krystallisirten sie sich und fielen als Schnee auf die Erde herab. Gerade so gestalten sich bei den meisten Alenschen dedanken und Entschlüsse. Auf dem einsamen Spaziergange in dem Halbdunkel des Haines nach den Be- schwerden des Tages bemächtiget sich unser eine weh- müthige Stimmung. Sie ist unbestimmt, wir wissen nicht woher sie kommt und fragen: Herz, mein Herz, warum so traurig? Es kostet uns einige Mühe, der Stimmung ent- sprechende \ orstellungen zu finden. In solchen »gemüth- lichen« Augenblicken beschwören wir die Erinnerung an die ferne Heimath, an die verflossene Jugend und die da- hingeschiedenen Freunde herauf. Diese Bilder sind anfangs allgemein und nebelhaft; allmälich werden sie deutlicher; die Umrisse gewinnen an Schärfe, verlieren aber an Umfang; die Phantasie concentrirt sich und wählt einzelne Scenen aus der Welt, die ihr so eben vorschwebte. Endlich ge- winnt die Vernunft ihre Herrschaft über die Stimmung und die Vorstellungen krystallisiren sich zu Gedanken und Ent- schlüssen.

Ich will nicht behaupten, dafs jeder Gedanke sich auf eine Stimmung zurückführen lasse, aber dieses ist der Ent- wicklungsgang des menschlichen Geistes, und nur bei dem

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gebildeten, geistig und physisch kräftigen M<M)schen uird der Gedanke mehr oder weniger unabhängig von der Stim- mung und Gewohnheit.

Behadichkeit versetzt uns in eine ansrenelnue und Wi- der^värtigkeiten in eine verdriefsliche Stimmung; allein wie in jeder Gegend gewisse Winde vorherrschen, so auch ist bei jedem Menschen ein gewisser Humor mehr oder weniger habituell. Die Wahl hängt von der Konstitution des Kör- pers, aber ganz vorzüglich von der Erziehung ab, \velche auch auf die physische Entwicklung eine grofse Macht übt. Es besteht nämlich eine Wechselwirkuni? zwischen den Bil- dem der Phantasie und der Stimmung, und vor dem Er- wachen des Geschlechtstriebes erhalten wir fast alle Bilder der Phantasie von Aufsen. Kinder äffen in ihren Spielen das sie umgebende Leben und Treiben imd entwickeln sich physisch und geistig im Sinne desselben. Ein sehr be- deutender Faktor der habituellen Stimmuno; sind somit die Einllüsse, welche auf das kindliche Gemüth wirkten und die Bilder, welche es erfüllten. Streng im Katholicismus erzogene Menschen unterscheiden sich auch, nachdem sie sich emancipirt haben, durch die Lebhaftigkeit und die su- pernaturalistische an AI)erglauben streifende Tendenz ihrer Gefühle und Anschauungen von den nüchternen Protestan- ten. Der Nationalcharakter beruht zum geringsten Theil auf der Abstamnuing und der damit zusammenhängenden Organisation des Körpers: er hängt fast lediglich von der Erziehung ab, d. h. den Bildern, mit denen das kindliche Gemüth gelullt worden ist.

Wie gehoben auch die Stimmung sein mag, so ist es doch so schwer neue, würdige Bilder herbeizuzaubern, dafs es nur genialen Menschen gelingt, und es bieten uns die Kunst, besonders die Poesie, und die Religion ihren Bei- stand an. Wenn ein Hindu an einem Baum in seinem Gar- ten besonderes biteresse nimmt, so legt er alle seine Ge- fühle und Bedürfnisse in denselben hinein und bemüht sich vor Allem für ihn eine passende Frau zu w erben, und hat

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er in der Nähe einen andern Baum gefunden, der sich nach sachkundiger Prüfung als Braut eignet, so wird der Brahmane gerufen, um die Einseonuni»; der Ehe zu celebriren und es wird ein Familienfest gehalten. Harmlose poetische Spiele dieser Art charakterisiren die Kinderjahre des Individuums und ganzer Völker; wir finden sie in der Poesie der Grie- chen und in unsern Volkssagen.

Kicht so harmlos sind die Einflüsse der Religion auf unsere Erziehung, Stimmungen und Gefühle. Sie bedient sich der mächtigsten Mittel, den Menschen in Bewegung zu setzen: der Furcht und Hoffnung. Um die Vernunft ihrer Herrschaft zu berauben, legt sie ihr das Problem der Unendlichkeit vor; die Zeit wird zur zeitlosen Ewigkeit, der Raum verliert seine Grenzen und Gott wird, wenn man die Sache genau untersucht, zum Nichts. Diesem System der Sophisterei, welches wir zuerst im Buddhaismus er- blicken, ist es Jahrhunderte lang gelungen, die kräftigsten Geister mit den unlösbaren Räthseln zu beschäftigen, aus Negationen concrete Vorstellungen zusammenzusetzen.

Da einmal Furcht den gröfsten Eindruck auf die Mas- sen macht, so hängt die Wirkung einer Religion von der Vollendung ihres Schreckensapparates ab. Eine Religion mit einem gehörigen Contingent von Teufeln, aber ohne Himmel würde gewifs weit mehr Glück machen, als eine ohne Hölle, wenn auch ihr Himmel noch so wonneyoU wäre, und nicht nur geglaubt, sondern gesehen werden könnte; deshalb verdunstet auch der aufgeklärte Protestantismus mehr und mehr, während Verweigerung der Absolution, und selbst der Bannstrahl, ungeachtet des Fortschrittes der Aufklärung doch noch immer einige Wirkung hat. Der gottlose Heide hat nicht ganz unrecht, wenn er sagt: Pri- mos in orbe deos timor fecit. Den Mohammad kosteten die Freuden des Paradieses, wie luxuriös er es auch aus- stattete, nicht mehr als die Qualen der Verdammten, und er hat daher seine Religion mit Himmel und Hölle ver- sehen, doch hat er auf letztere viel mehr Mühe verwandt

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als auf erstem und zwar mit dem klaren ßewufstsein, dafs Furcht das sicherste Mittel zur Erreichung seiner Zwecke sei. »Bei der Anhörung der Mathäniy, sagt er, überläuft Diejenigen, welche ihren Herrn fürchten, eine Gänsehaut vor Schrecken; dann werden ihre Herzen weich und empfäng- lich für Gottes Wort.« Die letzten fünf Jahre seines Auf- enthaltes in IMakka hat er sich daher vorzüglich mit der Ausbildung seines Schreckensapparates, daneben aber wohl auch mit der Eschatologie überhaupt beschäftiget, und da er grofse Mühe auf sein Inferno und seine Beschreibunff der Auferstehung verwendet hat, müssen wir unser Ürtheil über seine poetischen Talente besonders auf die darauf bezüg- lichen Oft'enbarungen gründen, und es wäre sehr wün- schenswerth, wenn sie ein Dichter im Geiste des Origi- nals, aber ohne sie zu veredeln, übersetzte.

Sein Thema zerfällt in vier Haupttheile: Beweise für die Auferstehung, Beschreibung des Gerichtstages, die Qua- len der Hölle und die Freuden des Paradieses; dazu kommt noch die Angst der sterbenden Ungläubigen, mit die- sem Gegenstand jedoch hat er sich wenig beschäftiget ' ).

') Es sind nur drei oder vier Inspirationen dieser Art im Ko- ran. Als Beispiel diene folgendes Fragment :

23, 101. Bis sich Einem von ihnen der Tod naht, dann ruft er: ^Herr, bring mich zurück,

102. auf dafs ich Gutes thue und die vernachläfsigten Pflich- ten einhole." Keineswegs! was ihr zu erwarten habt, ist, dafs er einen Urtheilsspruch fälle : deswegen steht hinter ihnen eine Scheide- wand [und sie können nicht zurück].

103. Wenn dann in die Posaune gestofsen wird u. s. w.

Ich übersetze Urtheilsspruch, wo es nach den Exegeten heifsen sollte, er (der Sterbende) spricht ein leeres Wort, weil Kalima auch in andern Koränstellen diese Bedeutung hat.

Das Wort für Scheidewand ist im Original Barzach. Auch im Islam ist eine Kabbale entstanden und aus Barzach ist alles Mög- liche gemacht worden. Man wollte eine sichtbare Scheidewand ha- ben und behauptete, Barzach bedeute das Grab, oder eine Vorhölle, in der die Seele den Tag der Auferstehung erwartet, oder eine Li- nie zwischen der Hölle und dem Paradiese. In der Transcendental-

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Anfangs durfte er es nicht wagen, in diesen Schilderungen ganz seiner Phantasie zu folgen, sondern er niufste die be- reits unter den Schriftbesitzern vorhandenen Vorstellungen berücksichtigen; so hat er, nach Geiger, den Einfall, dafs die Glieder des Menschen Zeugnifs gegen ihn ablegen, von den Juden entlehnt ^). Ferner mufsten die früheren Dro- hungen einer zeitlichen Strafe, so weit als mögUch, in neuer Gestalt darin aufgenommen werden; deswegen erscheint auch der Ruf, Qajha, neben der biblischen Posaune. Allein sehr hoch dürfen wir diese Hindernisse gegen eine freie ungezügelte Ausbildung des Schreckensapparates nicht an- schlagen; denn wenn er sich durch Behutsamkeit hätte be- schränken lassen, so w ürde er sich vor Widersprüchen ge- hütet haben, diese sind aber so grofs, dafs es den Mosli-

philosophie (bikmat alischräk) nennt man den Körper Barzach, weil er den endlichen vom unendlichen Geiste trennt. Bei den Qufies wird die ganze sichtbare Welt und auch der gröfste Geist (rüh-i-a'tzam) d. h. die Weltseele, und die sichtbare Welt ('älam-i-mithäl) so ge- nannt. Andere finden in Barzach nicht den Begriff von Trennen, sondern von Mittelglied. Die Schattärier sagen daher: Barzach ist die sinnlich wahrnehmbare Gestalt des Meisters oder geistlichen Füh- rers. Er ist das Mittelglied zwischen seinen Jüngern und dem Wah- ren (Gott). Es ist daher nöthig, dafs diese, während sie das Dzikr verrichten, beständig den Meister vor den Augen des Geistes fest- halten, damit sie durch seinen Segen sich dem Wahren nähern und damit sie selbst und die ganze Welt im Gedanken auf ihn ver- schwinden. Die (J^üfies sprechen auch von einem Barzach der Bar- zache, von einem umfassenden Barzach (Barzachi gämi') und vom gröfsten Barzach. Sie verstehen darunter jenen Standpunkt der Con- templation, auf dem uns Gott als das einzige Wesen, das Sein hat, erscheint. Dies ist die höchste der [unreinen] Auffassungen der Gott- heit und die Wurzel von allen niedrigen Barzachen. Man nennt die- sen Standpunkt auch das mohammadische Licht und die moham- madische Wesenheit.

') Im Hinblick auf diese Idee haben die mosHmischen Mora- listen die Glieder gawärih Erwerber, Fänger genannt; nicht etwa, deswegen, weil wir mit den Händen unsern Unterhalt erwerben, sondern weil im Koran sehr oft der Ausdruck vorkommt: Dem Menschen wird vergolten für das was sie erworben, d. h. gethan haben.

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men nidit f^elingt, ein einheitliches Bihl der Dinge nach dem 1 ode zu ent\veifen. Im Ganzen beurkundet er gro- fsen Mangel an Erlindungsgabe, und hierin steht er unsern katholischen Predigern nach; er ist aber nicht so roh wie diese. Die wenigen I^ilder, die er schon in Makka hatte, stellte er maimichliiltig dar, bald werden sie von Gott be- schrieben, bald erzählend und bald dramatisch geschildert; aber überall zeiurt er mehr Schlauheit als Kunstsinn, und er ist unerschöpflich in den Mitteln, die Eindrücke nicht erfüllter Weissagunu-en zu verwischen. Am meisten müs- sen wir die Kraft des Ausdruckes bewundern; hierin über- trifft er selbst unsern Luther. Es wäre interessant die all- mählige Entwicklung des Schreckensapparates zu verfolgen, weil er aber nicht selten frühere Compositionen durch Ein- schiebungen ergänzt hat, so ist dies nicht leicht möglich; indessen dürfen wir aiuiehmen, dafs die in den Rahmän- Stücken (s. Anhang zu Kap. 12) enthaltenen Beschreibun- gen zu den ältesten gehören.

Mit seiner I ebersiedlung nach Madyna begann Mo- hammad ein neues Leben. Göthe hat uns die Umwand- lung eines Metaphysikers zum genufsliebenden Weltmanne im zweiten Theile seines psychologischen Dramas anschau- lich gemacht. Der Prophet wurde zum unumschränkten Herrscher und Feldherrn, und die vierzig Frauen, welche er besafs, freite oder verstiefs, gaben ihm auch zu thun. Unter diesen \ erhältnissen haben ihn Bilder des Lebens nach dem Tode viel weniger beschäftioet als seine be- thörten Anhänger, und da ohnedies seine poetische Periode vorüber war, begnügte er sich stereotyp gewordene Phra- sen am Schlüsse seiner Tagesbefehle Inspirationen hatte er in Madyna nur sehr selten zu wiederholen. Seine Jün- ger hingegen erfanden Qualscenen, welche, wenn sie auch selten originell sind und häufig an unsere Hölle, ja sogar an den Orcus erinnern, doch bedeutenden poetischen Werth haben und selbst in unsern Tagen von moslimischen Dich- tern nicht ohne Erfolg bearbeitet worden sind. Er winkte

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Beifall, bearbeitete sie aber nicht, und deswegen stehen sie in der Hadjth und nicht im Koran. Die eschatologi- schen Lispirationen, welche die grofste Frische bekunden, können wir etwa in das Jahr 618 619 versetzen, die vollständigsten hingegen fallen ohne Zweifel in die Jahre 621 622. Es ist kaum nothwendig zu erwähnen, dafs dieser Theil des Korans einen sehr grofsen Einflufs auf die Ausbildung des Islams übte, und lange Zeil galt selbst unter den Theologen die Furcht, chawf, für das Haupt- motiv der Sittlichkeit ').

Der Erfolg, welchen je das neue Schreckensmittel hatte, verleitete ihn zu demselben h'rthum, den er früher in sei- nen Drohungen eines zeitlichen Strafgerichtes begangen

') Zu Anfang des zweiten Jahrhunderts war Hasan Bagry (f 113, beinahe 90 Jahre alt) der Repräsentant des religiös -geisti- gen Lebens einer der drei Hauptstädte des Islams, und er erhob „die Furcht" zum höchsten Princip der Moral. Es war dies eine Frucht der Schreckenssüren des Korans. Hawschab erzählt daher: Ich hörte den Hasan sagen: Ein Menschenkind, welches den Koran liest und daran glaubt, wird in der Welt meistens mit Schrecken erfüllt sein, es wird in der Welt heftige Furcht empfinden, und häufig weinen. Ibrähym b.'Ysä Yaschkory sagt: Ich habe nie Jemanden gesehen, der betrübter aussah als Hasan, so oft ich ihn sah, kam er mir vor, wie wenn ihn gerade ein grofses Unglück betroffen ge- habt hätte.

Hasan Bacjry wurde einer der Gründer der moslimischen Ascese und der damit zusammenhängenden pantheistischen Religionsphilo- sophie. Obwohl er für die rein historische Theologie und Rechts- gelehrsamkeit als ein Kirchenvater gilt, so erzählt doch 'Imrän der Kurze: Ich befragte den Hasan über Etwas, und auf seine Antwort machte ich die Bemerkung: die Theologen (fakyhe) aber sagen so und so. Er erwiderte: Weifst du auch welcher Theologe dir nützt? Es nützt dir der Theologe, welcher sich von der Welt enthält, kla- res Bewufstsein hat in seiner Religion und beständig mit der An- betung seines Herrn beschäftigt ist.

Die Moslime haben sich lange von Extrem zu Extrem, Furcht und Liebe, herumgetrieben, bis sie die Vervollkommnung der Seele, takmyl alnafs, als das höchste ethische Princip gelten liefsen.

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hatte, und er gab die Zeit der Auferstehung mit zu gro- fser liestiriimtlieit an. Die Veranlassung wird in der Tradi- tion lialb erzühlt und hall) verschwiegen.

Der Zohrite Adyy war mit dem rechthaberischen Ach- nas verschwägert, und es fehUe auch ihm der erhabene (JJeist, himmlische Dinge zu verstehen. Eines Tages be- gab er sich zum Gesandten Gottes und fragte ihn, wann die Auferstehung stattfinden und wie es dann aussehen werde. Für seinen stumpien Alltagsverstand war es be- sonders unbegreiflich, wie Gott die nach allen vier Win- den zerstreuten Knochen zusammenzuklauben im Stande sein werde. Mohammad unterrichtete ihn über diesen Gegen- stand, und obschon es die Tradition nicht zugiebt, scheint er ihm doch auch über die Zeit die gewünschte x\uskunft gegeben zu haben. Die Eindrücke der Unterredung rie- fen eine Inspiration in ihm hervor, wovon folgende Verse ein Hruchstück sind:

75, 1. Ich brauche nicht zu schworen bei dem Aufer- stehungstag,

2. noch bei der Seele, die sich selbst anklag'.

3. Wie, glaubt der Mensch, dafs Gott seine Knochen nicht zu sammeln vermag?

4. Ja, er ist im Stand die Finger zusammenzusetzen nach jetziger Lag'.

5. Aber der Mensch läugnet, damit er auch hinfort in seiner Sündhaftigkeit nicht verzag'.

6. Er fragt dich: Wann ist der Auferstehungstag? Nach diesen Versen kommt plötzlich ein anderer Reim,

der frühere kehrt aber in folgendem Stücke wieder:

75,16. Setze bei der Inspiration deine Zunge nicht in IJeuesrung:, um damit zu eilen;

17. denn uns liegt das Sammeln derselben ob und der Vortrag,

18. und wenn wir sie vorgetragen (in Worte ge- kleidet haben), so folge dem Vortrag;

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19. und dann liegt uns ob die Erklärung dessen, was darin dunkel ist oder vag ^).

Diese auch in psychologischer Beziehung wichtige Stelle enthält ein Bekenntnifs, dafs Mohammad sich über- eilt und eine halb fertige Inspiration mit menschlichen Zu- gaben und in menschlicher Fassung^ verkündet habe. Be- sreillicher Weise wurde sie o:estrichen und vorsichtshalber behält sich Gott in Zukunft das Recht vor, nicht nur die Redaktion der Orakel selbst zu besorgen, sondern auch selbe nachträglich zu deuten. Um die Zweckmäfsigkeit einer solchen Anordnung zu begreifen, versetze man sich in die Lage des Propheten, wenn er mitten unter seinen Feinden safs und diese ihn mit Fragen bestürmten, die er unmöglich beantworten konnte, oder ihm Widersprüche in seinen Offenbarungen vorhielten. Was war vernünftiger als zu antworten: Ich mufs warten bis mir Gott darüber Aufschi ufs giebt oder den scheinbaren Widerspruch löst.

Dem Vorwurfe ob der Uebereilung geht die Frage des'Adyv voraus: »Wann ist der Auferstehungstag?« Aehn- liche Fragen kommen oft im Koran vor, und darauf folgt fast allemal eine Antwort, welche mit kol «sprich« an- fängt'^). Hier fehlt sie. Wahrscheinlich war sie so unbe- hutsam ausgedrückt, dafs sie unterdrückt werden mufste und zu diesem \ erweise Anlafs gab. Sie mag gelautet haben: Sprich: die Stunde wird eintreten, ehe ein Jahr vorüber ist,

') Hier folgen zwei Verse, deren Einschaltung bezeichnend ist für die Geistlosigkeit, mit der die zum Theil fragmentarisch erhal- tenen Inspirationen zusammengereiht wurden:

20. Aber ihr liebet das Vergängliche,

21. und vernachlässiget das Jenseits.

Das Vergängliche heifst im Original 'Agila (wörtlich: das Ei- lende; über die Bedeutung vergl. Kor. 17, 19. 76, 27), und weil nun vorher Gott das Eilen tadelt, so hielten es die Sammler für pas- send, diesem Fragment hier einen Platz anzuweisen, in welchem er die Liebe zum Eilenden mifsbilliget.

*) Z. B. Kor. 2, 185. 211. 2u. 216; 5, e; 8, 1 etc.

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Vielleicht bat er aiicli nach (Jiiterdrückiing dieser Weissaji^uni^ das Bekenntnifs seines Irrthumes deutlicher ausgesprochen und obige Erklärung, welche, \vie wir an einem andern Orte zeigen Averden, sein Gemüth so lange beschäftiget hat, bis die Lüge zur Selbsttäuschung wurde, erst später in die Stelle desselben gesetzt. Es mag ur- sprünglich geheifsen haben:

»Wir haben dir in keiner Offenbarunor die Zeit des jüngsten Tages bestimmt«,

■ÖJ' iüj (j'-jOÜ' ij. ''-^0>» IJ^CaJLe LäJ;J1 Lc

Die \ ermuthuns:, dafs Mohammad so unvorsichtis: war, das Eintreten des Gerichtstages mit zu grofser Bestimmt- heit als ganz nahe bevorstehend vorauszusagen, stützt sich auf folgende Gründe: Erstens fuhr er auch später fort, aber weislich ohne genaue Zeitbestimmung, zu behaup- ten, das Gericht Averde bald eintreten: Kor. 16, 79 «Es kommt in einem Augenblick oder noch bälder« (vergl. Kor. 47, 20. 17, 53). Zweitens: wenn man in ihn drang, Tajr und Jahr anzug-eben, so antwortete er, dafs ihm Gott diese Kenntnifs vorenthalten habe. In einer früheren Offen- baruns: hatte er zusreseben, dafs Jesus die Zeit wufste. Ein solches Bekenntnifs, mufste ihn, da er doch sonst mit Gott auf dem vertrautesten Fufse stand, in den Augen seiner An- hänger, dem Religionsstifter der Christen gegenüber, herun- tersetzen , und er würde es kaum ausgesprochen haben, wenn er sich nicht durch seine Voreiligkeit so compromittirt gehabt hätte, dafs er dazu gezwungen wurde. Wie einfach wäre es sonst gewesen, eine Zeit zu nennen, zu der er, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht mehr am Leben sein würde. In der That hat er der Zudringlichkeit der Gläubigen gegen Ende seines Lebens auch nachgegeben und in Gegenwart eines Jüno;lin«:s erklärt, dafs ehe derselbe das Greisenalter erreiche, das Zeitliche sein Ende haben Averde; doch hat er es nie wieder gewagt, die Zeit genau zu bestimmen. L"m seine Würde andern Religionsstiltern gegenüber zu wah- ren, erklärte er (Kor. 20,15), dafs auch Moses, obschon er II. ' 32

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mit Gott von Angesicht zu Angesicht gesprochen hatte, »die Stunde« doch nicht gewufst habe. Drittens endUch finden wir in Suva 79 ein ziemUch deutliches Bekenntnifs, dafs er sich compromittirt habe:

79, 4>. Sie befragen dich über die Stunde: Wann wird sie tagen?

43. Wie kommst du dazu, dies zu sagen?

44. da doch nur dein Herr solches darf wagen.

45. Wahrlich, dein Geschäft ist, denen, die sie fürch- ten, die Warnung vorzutragen;

46. [gleichviel, ob sie nahe oder fern ist] eines Ta- ges, wenn sie selbe sehen, wird es ihnen vorkommen, dafs sie nur einen Abend oder Mittag im Todesschlafe lagen.

Wie in andern Fällen, in denen er eine Offenbarung unterdrückte, nahm er auch hier ein Stück aus seinem Schreckensapparate, dessen gute Wirkungen ihn die Er- fahrung schätzen gelehrt hatte, und setzte es an Stelle der grestrichenen Verse: 75, 7. Wenn es einem vor den Augen funkelt

8. und der Mond sich verdunkelt

9. und die Sonne und der Mond sich verbinden;

10. an jenem Tage wird der Mensch bestrebt sein, eine Zuflucht zu finden.

11. Aber es giebt keinen Zufluchtsort;

12. dein Herr ist an jenem Tage der einzige Hort.

13. An jenem Tage wird dem Menschen gesagt Aver- den, was er gethan und unterlassen.

14. Nein, er ist gegen sich selbst Zeuge seiner Werke '),

15. selbst wenn er Entschuldis^ungen vorbringt. Wahrscheinlich gehören auch folgende Verse, welche

denselben Reim haben, zu dieser Inspiration:

22. Einige Antütze sind an jenem Tage blühend

') Seine Augen, Ohren und Haut werden Zeugnifs gegen ihn ablegen. Kor. 41, 21.

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23. und zu ihrem Herrn emporblickend.

24. Andere Antlitze sind an jenem Tage düster

25. und sie ahnen, dafs ihnen etwas Schreckliches bevorstehe.

Dieses Stück ist nicht in der Absicht verfafst wor- den, um das Gestrichene zu ersetzen, denn sonst würde es denselben Reim haben, wie die vorhergehenden Verse und mit Worten schlielsen wie: sobald dieses eintritt, wer- det ihr schon wissen, wann der Gerichtstag gehalten wird. Er hat, als er die Offenbarungen in Kapitel eintheilte, eine fertige Inspiration genommen und die Lücke ausgefüllt.

Der Gesichtspunkt, von dem wir die hier zu untersu- chenden Inspirationen ansehen, macht es uns zunächst zur Aufgabe, die Art der Verfassung derselben näher zu be- leuchten. JNur unwissende Leute huldigen noch dem Vor- urtheile, dafs gediegene Kunstwerke aus den Köpfen der Dichter in ihrer ganzen Vollendung hervorsprudeln. Schon Horaz hat uns eines Bessern belehrt: Der Dichter, sagt er, mufs die Feile anwenden. Dem Mohammad scheint es, wie allen Schwärmern, ganz besonders schwer gefallen zu sein, die heifs empfundenen Gefühle mit jener Fülle und Mannigfaltigkeit der Form auszustatten, ohne welche sie wirkungsloses Rasen geblieben wären. Die häufigen Wie- derholungen im Koran sind zum Theil die Fol2;e dieser Unfähigkeit. Wochen, ja Monate lang sann er über eine bereits bearbeitete Idee nach, es fielen ihm neue Bilder ein, und dieser Fund erschien ihm so wichtig, dafs er wieder zur Bearbeitung schritt. Hier ist eins der schla- gendsten Beispiele zum Beweise dieser Behauptung: Erster unvollendeter Versuch. 84, 1. Wenn der Himmel gespalten worden

2. und seinem Herrn folgt, und dazu befähigt worden, .3. und Avenn die Erde gedehnt worden, 4. und was in ihr war ausgeworfen hat, und dessen losgeworden,

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5. und ebenfalls ihrem Herrn folgt und dazu befähigt ^vorden.

Bemerk. Ohne Nachsatz.

Zweiter V^ersuch. 82, l. Wenn der Himmel gekloben worden,

2. wenn die Sterne zerstreut worden,

3. wenn die Meere ausgegossen worden,

4. Wenn die Gräber aufgethan worden,

5. dann* weifs jede Seele was von ihr gethan und unterlassen worden.

Dritter Versuch. 81, 1. Wenn die Sonne zusammengerollt worden '),

2. wenn die Gestirne getrübet worden,

3. wenn die Berge von der Stelle bewegt worden,

4. wenn [die Verwirrung so grofs ist, dafs selbst] der Geburt nahe Ivameele vernachlässiget worden,

5. wenn die wilden Thiere versammelt worden,

6. wenn die Meere übergeschüttet worden,

7. wenn die Seelen gepaart geworden,

8. wenn lebendig begrabene Mädchen gefragt ge- worden:

9. wegen welcher Schuld sie getödtet worden?

10. wenn die Rollen [welche die Rechnung der Men- schen — ihre Sünden und Verdienste enthalten] aus- gebreitet worden,

11. wenn der Himmel abgeschält (d. h. weggenommen, entfernt) worden,

12. wenn die Hölle geheizt worden,

1.3. und wenn das Paradies nahe gerückt worden, 14. dann weifs jede Seele, was ihr bevorsteht. Der zweite Versuch hat im Original schon viel mehr

') Um eine grofse Fackel (masch'al) zu machen, benetzt man Fetzen von Baumwollenzeug mit Oel, und man löscht sie aus, in- dem man sie zusammenwickelt: daher dieses Bild.

Wohlklang- als der erste, der dritte aber gilt als die voll- endetste Coinposition im ganzen Koran und Älohaniinad er- klärte selbst, wer den Tag der Auferstehung zu sehen wünsche, soll diese Beschreibung desselben lesen. Alle drei Versuche haben denselben Reim, und man könnte "-lau- ben, die Sammler haben aus Versehen dieselbe Otfenba- rung mit mehr oder weniger Vollständigkeit wiederholt. Ein solches Versehen war aber unmöglich, denn die Verse von Süra 81 mufsten noch in ihren Ohren aeklunffen ha- ben als sie Süra 82 niederschrieben; ^vir haben es also wirklich mit drei Versuchen zu thun, wovon sie dem voll- endetsten den ersten, und dem mangelhaftesten den letz- ten Platz anweisen.

Es würde den Leser ermüden, wenn ich meiner ur- sprünglichen Absicht nachkäme, und hier alle auf die letzten Dinge bezüglichen Inspirationen zusammenstellen wollte. Ich gehe daher sogleich auf die dritte Strafperiode über; die bei diesen und andern Gelejfenheiten anijeführ- ten Koränstellen sind mehr als genügend, dem Zwecke zu entsprechen und dem Leser die Mittel, mit welcher er die Sünder erschreckte, anschaulich zu machen.

Der Bd. I S. 548 auü^eführten Stelle über das Wea:- wannen der Berge hat Mohammad ungelahr im Jahre 621 Folgende Inspiration angehängt: 77,8. Und wenn die Sterne ausgebrannt,

9. und wenn zerrissen ist das Himmelsgewand,

10. und wenn die Berge weggewannt

11. und zum Stell -dich -ein vorgeladen werden die Männer, welche einst Gott gesandt

12. Aber auf welchen Tag ist der Termin anberaumt? L3. DerTag wird Tag der En tscheidu ng genannt ^).

') Die Inspirationen, in welchen der jüngste Tag „der Tag der Entscheidung" geheifsen wird, bilden eine eigene Gruppe und zeichnen sich durch Schwung aus.

502

J4. Ist dir auch der Sinn von »Tag der Entschei- dung« bekannt?

15. Wehe an jenem Tage denen, die die Wahrheit verkannt !

16. Haben wir nicht die Alten vertilgt und ver- brannt?

17. Dann werden ihnen die Neuern nachgesandt:

18. so machen wir Bösewichter zu Schand'.

19. Wehe an jenem Tage Jenen, die die Wahrheit verkannt! u. s. w. bis Ende der Süra.

Mohammad drolite den Ungläubigen eine Käri'a »Ka- tastrophe«, ähnlich der, welche die 'Äditen und Thamü- däer befallen hatte (vergl. Bd. I S. 472). Folgende dar- auf bezügliche Offenbarung gehört in die erste oder zweite Drohungsperiode:

13,31. Es ist eine Regel, dafs die Ungläubigen, wegen ihrer Handlungen, von Zeit zu Zeit eine Katastrophe trifft, oder dafs sie ihre Nachbarländer befällt, bis die Dro- hung Allah's in Erfüllung geht, denn Allah handelt seiner Verheifsuns; nicht zuwider.

32. Auch die Propheten vor dir wurden verlacht. Ich gewährte den Ungläubigen eine Frist, dann aber nahm ich sie her, und wie war meine Strafe?

33. Ist etwa Er, welcher jede Seele und ihr Thun und Lassen überwacht [wie die Götzen]? Dennoch neh- men sie an, dafs Allah Gefährten habe! Sprich: nennt sie! Wollen sie Ihn vielleicht über etwas belehren, Avovon Er auf der ganzen Erde (durchaus nichts) weifs? oder sind es blofse Worte (wenn sie die Götzen Götter nennen)? Nein, den Ungläubigen sind vielmehr ihre Manöver [gegen Mohammad vom Teufel] als gut vorgespiegelt worden und sie werden von dem [rechten] Pfad verdrängt, denn wen Allah irre führt, der findet keinen Wegweiser.

Da die Katastrophe nicht kommen wollte, deutete er die Drohung auf den jüngsten Tag und die Hölle. Um

503

den Uebergang einzuleiten, fügte er der ursprünglidien Dro- hung folgenden Vers hinzu:

•34. Es wird sie eine Strafe in diesem Leben treffen, aber die Strafe des Jenseits ist viel tiefer gehend; und sie werden gegen Allah keinen Beschützer finden.

Darauf sagt er in Stira 101:

1. Die Katastrophe Avas ist die Katastrophe?

2. Wie weifst du, Avas die Katastrophe sei?

3. An einem gewissen Tage Averden die Menschen wie zerstreute Motten herumflattern,

4. die Berge Averden Avie bunte gezupfte Wolle sein.

5. Derjenige, dessen Wagschale schwer ist, Avird sich im Wohlleben befinden,

6. die Mutter desjenigen aber, dessen Wagschale leicht ist, wird die HäAviya *) sein.

7. Weifst du auch, Avas das bedeutet?

8. Ein loderndes Feuer.

hl K. 12, 107 heifst es: Sind sie vielleicht sicher, dafs nicht eine Ghäschiya (Zudeckende) vom Strafgerichte Allah's oder die Stunde sie plötzlich überrumpele, ohne dafs sie sich's versehen?

In den darauf folgenden Versen ist eine kurze Anspie- lung auf die vertilgten Städte. Es ist Avohl kein ZAveifel, dafs hier unter Ghäschiya eine zeitliche Strafe zu verste- hen sei. Für den Araber hatte der Ausdruck Ghäschiva, Bedeckerin, viel Poetisches. Der Nomade sucht, Avenn er in Gefahr ist, sein Heil nicht hinter Gräben und Mauern, sondern, Avie die Gazelle der Wüste, im Weiten. Daher bedeutet auch umzüngelt Averden so viel als auf eine Un- möglichkeit stofsen (K. 12, 66). Eine noch schlimmere Be-

*) Häwiya heifst die fallende, sturzende, dann auch eine ih- rer Kinder beraubte Mutter. Man sagt: hawat ommoho, wörtlich: seine Mutter ist gestürzt oder kinderlos geworden, d. h. ihr Sohn ist in der Schlacht gefallen. Die Commentatoren glauben, dafs Här wiya hier Hölle bedeute.

504

(leutuna: hat bedeckt werden. Bei einem nüchtiichen l eber- fall sfliueidet der Feind die Stricke der Zelte ab und die Schlalenden werden von den Zelten bedeckt, wie Vögel vom iSelze. Auch die JNacht, welche dem Menschen die Möglichkeit sicherer, freier Bewegung benimmt, »bedeckt« ihn; Schwermuth und Wahnsinn »bedecken« das Gemüth, unil während einer Ohnmacht werden die J^ebenskräfte des Kranken »bedeckt«. »Gedeckt werden« hat also in den meisten Fällen einen peinlichen Sinn für den Araber.

Gerade weil Ghäschiya ein poetischer Ausdruck ist, war es leicht für Mohammad, als das Strafgericht nicht ein- trat, sie in eine Scene des jüngsten Tages zu verwandeln.

88, 1. Hast du das Nähere über die Ghäschiya ver- nommen?

2. Einige Gesichter (d. h. Menschen) sind an jenem Tage demüthig,

"3. strebend und bebend,

4. sie steigen hinab in ein loderndes Feuer

5. und werden von einem kochenden Quell getränkt (5. und ihre Nahrung wird die Dhary'- Pflanze (d. h.

Kameelfutter) sein;

7. sie wird sie weder fett machen, noch ihnen den Hunger stillen.

8. Andere Gesichter sind an jenem Tage blühend,

9. mit ihrem Streben zufrieden,

Jü. [sie wohnen] in einem erhabenen Garten,

11. und hören kein eitles Geschwätz;

12. dort ist ein fliefsender Quell,

13. dort sind hohe Ruhebetten

14. und Becher ausgelegt,

15. und Polster ') reihenweise hingestellt

16. und Teppiche ausgebreitet.

ObschoiT Mohammad »die Strafe, welche im Anzüge

') Im arab. Namärik; es wird durch Wasäyid, Polster, erklärt, aber im bekannten Lied: „Wir sind die Töchter des Tärik und wan- deln auf Namärik:«, mufs es so viel bedeuten als das englische Rüg.

605

ist« , in den B(]. I S. 548 ff. angeführten Versen ziemlich j^enau beschrieben und als eine zeitiiclie bezeichnet hat, Hndet er es jetzt doch passen«!, dieses Attribut deni (»e- richtstaj^e zu geben. Nach einer dnrch das abschreck(^nde Beispiel vertilgter Völker belegten Weissagung einer zeit- lichen Strafe (Bd. 1 S. 472) ist eingeschoben: 69, 13. Wenn einmal in die Posanne gestofsen wird

14. und die Erde und Berge gehoben und durch ei- nen Stofs zermalmt werden,

15. an jenem Tage ist das im Anzüge befindliche Strafgericht eingetroffen,

16. und die Feste des Himmels ist gespalten und an jenem Tage ist sie voll Risse,

17. und die Engel sind am Rande und über ihnen wird an jenem Tage der Thron deines Herrn von acht Engeln getragen ') u. s. w. bis Vers 37.

Auch in einer der ausführlichsten Beschreibungen des jüngsten Tages wird das im Anzüge befindliche Strafge- richt genannt:

56, 1. Wenn einmal eingetroffen das im Anzug befind- liche Strafgericht,

2. so sagt keine Seele mehr: »sein Heranziehen ist erlogen, es kommet nicht!«

3. Es wird [die Bösen] drücken, [die Guten] heben.

4. W^enn dann die Erde zittern wird und beben,

5. die Berge zermalmet sich heben

6. und als Samenstäubchen schweben,

7. wird es vor euch drei Klassen geben,

H. nämlich die Genossen der Rechten was sind dies für Genossen der Rechten!

Vielleicht sind es gar die persischen Filzteppiche, welche jetzt libd, Plur. lübüd, genannt werden, und auf denen man weich schläft.

') Die Tradition sagt, dafs gewöhnlich nur vier Engel den Thron Gottes tragen, wovon einer ein Menschen-, einer ein Löwen-, einer ein Stier- und einer ein Adlergesicht hat. Am Gerichtstage wird die Anzahl verdoppelt.

506

9. und die Genossen der Linken was sind dies für Genossen der Linken!

U). und die Flinken! die Flinken! *)

11. Dies sind die, welche in Gunst stehen^).

12. Sie werden in Lustgärten umhergehen.

13. Zahlreich sind die Alten unter ihnen vertreten,

14. aber nur wenige von den Neueren werden un- ter sie eintreten.

1.5. Dort auf geflochtenen Ruhebetten,

16. an Polster gelehnt sitzen sie einander gegenüber, sich zu laben

17. und es warten ihnen auf ewig junge ^) Knaben

18. mit Becken und Giefskannen und Bechern "*), gefüllt mit Ma'yn,

') D.h. welche im Glauben Andern vorauseilen.

') Al-Mokarrab, wörtlich: „der in die Nähe Gebrachte" (K. 51,27), bedeutet gewöhnlich „der Günstling eines Fürsten", und weil im Orient, wie in Deutschland, das Regieren eine Unterhaltung für den Fürsten und seine Günstlinge ist, so schliefst der Begriff den Besitz von Macht und der höchsten Würde ein (K. 7, iii. 26, 4i). Das hebräische Cherubim ist von derselben Wurzel abgeleitet und wird auch im Arabischen durch Maläyika Mokarrabün wiedergege- ben (Kor. 4, i7o). Indessen hat Mohammad die phantastischen Ideen der Juden über die Cherubim nicht in den Islam wenigstens nicht in den Koran übertragen, und Mokarrab bedeutet bei ihm blos diejenigen Engel, die Gott seiner Majestät am nächsten gestellt hat; weil aber nach seiner echt semitischen Idee der Mensch ebenso hoch oder höher steht, als die Engel, werden auch die vollkommensten der Gläubigen Mokarrab genannt (K. 83, 28. 21; in diesen zwei Stel- len können nämlich sowohl Engel als Menschen darunter zu ver- stehen sein). Wenn es nun im Kor. 56, n heifst, dafs die Alten zahlreicher vertreten sind unter dieser Schaar von Auserwählten als die Zeitgenossen des Mohammad, so ist kein Zweifel, dafs die Chri- sten gemeint werden, deren Oberhaupt, Jesus, Kor. 3, 4o einer der Mokarrabün genannt wird.

0 Dem Sa yd b. Gobayr zufolge bedeutet L\Jli> auch Ohrring (kort) und mochallad kann daher auch „mit Ohrringen geschmückt" heifsen.

*) Ibryk: Giefskanne mit einem Schnabel, ist ein persisches

507

19. der weder Betäubuni^ noch Kopfweh nach sich wird zieh'n,

20. und mit Obst, wovon sie auslesen können nach Beheben,

21. und mit gebratenem GeHügel, das sie am mei- sten lieben,

22. und die grofsäugigen Hüries, wie Perlen so weifs und rein!

23. Dies soll der Lohn ihrer Werke sein.

24. Dort hören sie nicht das Schwatzen und Schimpfen der Schlechten,

25. sondern nur: Heil! Heil euch Gerechten!

26. 0 die Genossen der Rechten was sind dies für [glückliche] Genossen der Rechten!

27. Sie sitzen in dornlosen Zizyphus- (Pflaumen-) Hainen ^)

und akwäb: Becher, rund und ohne Schnabel, ein nabathäisches Wort. Beide mögen schon vor Mohammad im Higäz eingebürgert gewesen sein.

') Nach andern Koränstücken wohnen die Seligen in den Gär- ten von Eden oder nach arabischer Aussprache Adn. Ich glaube, dafs dieses Wort aus dem Arabischen erklärt werden müsse. Man sagt von Kameelen, welche lange in ein und derselben Gegend wei- den ta'din und der Ort wird madin genannt. In diesem Sinne sind Eigennamen, wie Ma'din albyr, Ma'din alhasan, Ma dan alborm, Ma'- din Bany Solaym u. s. w. , zu verstehen. Zunächst liegt in der Wur- zel der BegriflF der Zeit, daher die noch jetzt im Libanon übliche Phrase al'adn tayyib „il fait beau temps"; aber ganz vorzüglich der des Weilen s, daher 'Adn, d. h. Weiler, Ville, der Name einer südarabischen Stadt (die, beiläufig gesagt, gar keine paradiesische Lage hat, denn es wächst auf der ganzen Halbinsel kein Strauch und kein Grashalm). Die Exegeten erklären demgeraäfs „Gärten Edens" durch Gärten des Aufenthaltes, d. h. Landsitze, Villas (al- mäwä). Auch Mohammad scheint es ursprünglich in diesem Sinne genommen zu haben (vergl. Kor. 32, 19), und in Kor. 98, 7 kann der später stereotyp gewordene Zusatz „sie werden ewig darin weilen" als Erklärung angesehen werden. Am meisten wird der Begriff des Weilens in der spätem Bedeutung von Ma'din gestreckt, es bedeu-

508

28. und fruchtbeladeiien Plantainen

20. in ununterbioclieiien Schatten,

:n\ an lliefsenflem Wasser auf grünen Matten.

31. Es ^vird ihnen viel Obst beschert,

32. das nie aufhört und das ihnen niemand verwehrt,

33. und sie strecken sich auf schwellende Unterbetten,

34. welche wir unmittelbar (d. h. ohne Zeugung) zum Dasein gerufen

35. und als Jungfrauen erschufen,

31^ wie ihre Männer sind diese in der Jugendpracht

und voll Liebesmacht ^).

37. Dies für die Genossen der Rechten;

38. unter ihnen sind viele von unsern frühem Knechten

39. und auch viele von den Neuern.

tet das babitat von Pflanzen, den Fundort von Perlen und ganz be- sonders die Minen von Mineralien, daber dann ma'diuyya Mineral.

Weil aber die Kameele nur jn vvasserreicben Gegenden, mit üppiger Vegetation lange weilen, und sich Wohlbefinden, so liegt in der Wurzel 'Adn auch der Begriff von üeppigkeit. Alle Landschaf- ten, deren Eigenname mit Ma'din anfängt, sind Oasen, üppige was- serreiche Orte, in denen ein Theil des Stammes ansäfsig ist, und der dem nomadischen Theile zum Hauptquartier dient. Madin Bany Solaym bedeutet daher die fruchtbare Oase oder das Hauptquartier des Solaym -Stammes. In der Bibel glaube ich nun sei 'Eden in diesem Sinne zu verstehen; es bedeutet eine wasserreiche Gegend, und deswegen fügt Mohammad, welcher im Geiste der Erfinder der Paradieslegende dachte, fast immer den Beisatz hinzu „welches von Bächen durchschnitten wird.^ Als die Paradiesmythe einmal unter den Juden lebte, wurde die Wurzel auch für „im Genüsse schwel- gen", gleichsam 'edenisiren, gebraucht, so z.B. von Nehemias. Auch Mohammad hat später, weil er mit Juden verkehrte, „Gärten'Edens" in dieser Bedeutung aufgefafst und sie „Gärten des Wohllebens" (na'ym) genannt. Weil vor 'Adn der bestimmte Artikel nicht ge- braucht wird (das Paradies ist der Garten eines 'Eden, deren es viele gab), setzte er Anfangs vor na'ym auch keinen Artikel, end- lich aber gab er dem Genius der Sprache nach und sagte alna'ym.

') Im Original 'orob. Dieses Wort wird verschieden gedeutet und läfst sich besser durch das Hebräische als durch das Arabische erklären.

509

40. Aber die Genossen der Linken was sind dies für [unglückliche] (Genossen der Linken!

41. Sie scliniacliten im Sirocco und heifsen Wassern, welche stinken,

42. und der Schatten schwarzer Rauchwolken wird auf sie sinken

43. und weder Kühlung noch Erfrischung wird ihnen winken,

44. denn sie haben geschwelgt im frühern Leben

45. und sich geflissentlich dem grofsen Verbrechen (dem Unglauben) hingegeben,

16. und gesagt, um dich zu necken:

47. Wie, wenn wir todt und Staub und Gerippe sind, wird man uns auf erwecken?

48. und auch unsere Vorfahren?

49. Antworte: In der That die Alten werden sich zu den Neuern schaaren

50. und werden versammelt w erden zum Stell-dich-ein eines Tages, auf den wir harren.

51. Dann werdet ihr Irrenden, die ihr jetzt läugnet vermessen,

52. von dem Baume Zakküm essen.

.>3. Mit seiner bitten) Frucht füllt ihr den Bauch

54. und trinkt siedendes Wasser darauf,

55. aus dem Magen verpesteter Kameele die Jauch'. .56. So wartet man ihnen am Gerichtstage auf Mohammad hatte den Ungläubigen gedroht, dafs sie

in Hunde oder Schweine verwandelt werden, wenn sie ihm nicht glauben wollen (vergl. Bd. I S. 568). Kr kommt auch in dieser Offenbarung, welche, wie die ursprüngliche Weissagung zunächst von der »Strafe, die im Anzüge ist« handelt, auf die gedrohte Verwandlung zu sprechen ') und ffeht dann auf die Allmacht und Güte Gottes über:

') Hasan bemerkt bei Bagbawy zu Vers 62: „Das heifst Gott än- dert eure Beschaffenheit und verwandelt euch in Affen und Schweine,

510

57. Wir sind es, die euch erschaffen; warum also er- kennet ihr [die Verkündigung dieser Wahrheiten] nicht an?

58. Habet ihr je den Saamenerguls (d. h. die Zeu- gung) betrachtet?

59. Erschafft ihr [die Frucht im Mutterleibe] oder sind nir die Schöpfer?

60. Wir sind es, welche unter euch das Sterben ein- gesetzt haben; und nichts kann uns hindern

61. euren Typus zu verändern und euch in einer Ge- stalt wieder erwachsen zu lassen, von der ihr keine Ah- nung habt ').

wenn es ihm so gefällt, wie er es einst mit Menschen vor euch ge- macht hat."

') Adverbien und Präpositionen waren ursprünglich fast durch- gehends Substantive , und der Sprechende verband damit einen selbstständigen Begriff. Mathalan bedeutet jetzt „wie", Moham- mad aber verband damit den Begriff von „Typus" und weil die Commentatoren dies nicht begriffen, so haben sie diese Stelle nicht verstanden. So sagt Baghawy j^^ix^ "^Jo *jCLoa / äL^. ^L> „wir euzeugen Geschöpfe wie ihr statt eurer." Nasafy und die zwei Galäle geben eine ähnliche Erklärung; nach ihnen bedeutet *Ji]UUi so viel als jJ^lSi^ „an eurer Stelle", nur nach Baydhawy, wel- cher dem Hasan folgt, ohne ihn zu nennen, kann man JJi/s in der Bedeutung von Isixs „Beschaffenheit" auffassen. Jetzt sagt man wA.KJ^ ij-iOo \^^\ „du bist wie ein Hund." Im Koran -Arabischen aber würde man sagen ^^K}\ ^iitS ti^Jii^ „dein Typus ist wie der Typus des Hundes" (Kor. 7, 175). So heifst es auch Kor. 6, 122: Ist einer der im Lichte wandelt, wie einer dessen Vorbild (oder Typus) im Dunkel wandelt. Für uns sind in diesen Fällen „Vor- bild", „Typus" überflüssig, weil wir keines vermittelnden selbst- ständigen Begriffes beim Vergleich bedürfen. Es kommen aber schon im Koran Ellipsen vor. So soll es in K. 11, 26, der Analogie mit waJxJ! J.iUi^ tiS^JcU zufolge, heifsen: „das Vorbild der beiden Par- teien ist wie das Vorbild des Blinden und Sehenden, sind sie wohl was den Typus anbetrifft gleich?" Dafür aber heifst es: „das Vor- bild der beiden Parteien ist wie der Blinde etc."

Manchesmal müssen wir J^iL^, wo es denselben Begriff hat wie oben, um den deutschen Lesern verständlich zu sein, mit Problem

(gleichsam iiJuAvw«) wiedergeben, so z.B. in Kor. 36,78. Und weil

511

62. Es ist euch doch euer erstes Erwachsen bekannt. Warum denkt ihr denn nicht nacli?

63. Sehet ilu" den Saamen, den ihr aussäet?

64. machet ihr ihn keimen oder sind wir es, die ihn keimen machen?

6.5. Wenn wir wollten, liefsen wir ihn vertrocknen. Ihr würdet die Hände zusammenschlagen [und ausrufen]:

66. Wir gerathen in Schulden! ja wir werden verhungern !

67. Seht ihr das Wasser, Avelches ihr trinket?

68. Lasset ihr es von den Wolken fallen oder sind wir es, die es herabsenden?

69. Wenn wir wollten, würden wir es salzig machen. 0 dafs ihr doch dankbar wäret!

70. Sehet ihr das Feuer, welches ihr durch Reibung erhaltet?

71. Lafst ihr das Holz, welches man gegen einander reibt ^), wachsen oder sind wir es, die es wachsen machen?

die Ausbildung der Ideen unter den Arabern denselben Verlauf nahm wie bei uns, haben auch die Juristen fingirte Rechtsfälle, womit schwierige Fragen erläutert werden, J.iU geheifsen, und jetzt wen- det man dieses Wort im Persischen auf jeden Rechtsfall an, selbst das Protokoll heifst yjj) (spr. Misl).

Wie es scheint, hat sich aus diesem Koran vers die Sage ent- wickelt, dafs die Seeleu der Bösen in den Kröpfen schwarzer Vö- gel in das Barahüt getragen werden. Barahüt ist wohl eine ara- mäische Form für Barathrum. Man nennt so den Sand in Yaman (Föns Stygis bei Ptolemaeus), in welchen Menschen und Thiere, welche hineingerathen, untergehen. Der Anknüpfungspunkt für die- sen Glauben ist eine falsche Erklärung der Worte, welche ich mit „von der ihr keine Ahnung habt" übersetze, denn wörtlich bedeu- ten sie „in Etwas, was ihr nicht wifst": dieses „Etwas" wären also die Kröpfe der schwarzen Vögel.

') Die Araber hatten dieselbe Art Feuer zu machen wie die Indianer in Amerika. Sie wird von Ida Pfeifer beschrieben: Er spitzt ein Stückchen Holz fein und macht in ein zweites eine schmale seichte Rinne , worin er mit dem zugespitzten Holze so lange reibt, bis die feinen Späne, die sich dabei ablösen, zu rauchen beginnen.

51^

72. Wir lassen es wachsen euch zur Beherzigung und zum Gebrauch für Reisende (welche sonst nirgends Feuer fänden).

73. Lobpreise daher den Namen deines Herrn, des Grofsen !

\n einigen andern Fällen begnügt er sich damit, die ursprünglichen Weissagungen zu verstümmeln und eine Be- schreibung des jüngsten Tages an die Stelle der unter- drückten Verse zu setzen.

[Kin Fragment aus der ersten Drohungsperiode:] 44, 36. wSind sie besser als das Volk des Tcbba'?

37. Ihre Vorgänger aber haben wir vertilgt, weil sie Bösewichter waren [und weil sie nicht besser sind, wird ihnen dasselbe geschehen].

[Aus der dritten Drohungsperiode:]

S>^. Die Himmel und die Erde und was dazwischen ist, haben wir nicht zum Zeitvertreib erschaffen,

;39. sondern dem Wahren gemäfs (nach einem ewi- gen Plan) aber die meisten wissen es nicht.

40. Wahrhch der Tas; der Entscheidung- ist für euch insgesammt ein Stell-dich-ein,

41. ein Tag, an dem Beschützer und Beschützter ein- ander nicht helfen können und an dem Niemand Beistand finden wird,

42. aufser dessen sich Allah erbarmet; denn er ist der Erhabene, der Erbarmer.

43. Wahrlich der Baum Zakküm

44. ist die Nahrung des Bösewichts,

45. sie schmeckt wie Oelhefen, und brennt im Bauch,

46. wie siedendes Wasser.

Zuvor bereitet er dürres Gras und Laub, in dieses wirft er die rauchenden Späne, nimmt es dann in die Hand und schwingt es mehrmals in der Luft, worauf es alsbald lichterloh brennt. Die ganze Operation währt kaum zwei Minuten. Frauenfahrt um die Welt. Wien 1850 B. 1 S. 175.

513

79, 1. [Ich schwöre] hei den mit Gewalt Herauszie- henden,

2. hei den heiter die Banden Lösenden,

3. bei den Lohpreisenden,

4. bei den um die Wette Eilenden

5. und bei den irgend einem Geschäfte Vorstehen- den ').

Diesem Schwur folgt kein Nachsatz, statt dessen ist eine Beschreibung des jüngsten Tages eingeschaltet. Ich halte dafür, dafs fast alle solche Schwüre aus einer frühen Periode, alle Beschreibungen der Auferstehung aus einer späten seien. Wahrscheinlich knüpfte sich an diesen Schwur eine Weissagung über das baldige Eintreten »des Rufes«. 79,6. Eines Tages wird die liebende (Erde) erbeben

7. und die hinter ihr Sitzende [Veste des Him- mels] ihr folgen.

8. An jenem Tage werden die Herzen voll Angst

9. und die Augen niedergeschlagen sein.

10. Sie sagen oft: Wir werden in die frühere Bahn zurückgebracht?

11. selbst nachdem wir zu morschem Gerippe ge- worden?

12. Und sie haben hinzugesetzt: Das wäre eine un- heilsvolle Rückkunft.

13. In der That nur ein Ruf [wird ergehen].

') Ich weiche in meiner Auffassung bedeutend von den Com- mentatoren ab. Es sind in diesen fünf Versen verschiedene Arten von Engeln zu verstehen. Im ersten die Todesengel, welche die Seele aus dem Körper ziehen. Im zweiten Vers sind die Schutzengel ge- meint. Nach Farrä bedeutet die "Wurzel nscht auch den Halter am Fufse des Kameeis lösen, und es werden für diese Behauptung Bei- spiele angeführt. Im dritten Vers scheint mir Säbihät statt Mosab- bihät zu stehen. Im vierten werden die Engel, welche Boten Got- tes sind, genannt. Die im fünften Verse erwähnten Geschäftsführer sollen den Commentatoren zu Folge die Erzengel sein. II. 33

514

14. und sie sind schon in der Sähira ^).

In einieen der vorhero:ehenden Stücke wird der Zak- küm erwähnt. Er ist ein Baum, welcher bittere Früchte trägt, in Yaman vorkommt und auch dem Ihn Baytar (Sontheimers lebers. Bd. I S. 535) bekannt war. Im Koran blühte er nur kurze Zeit. Da Zakküm in Makka auch ein Gericht aus Rahm und Brod bedeutete ^), machten sie den Propheten lächerlich und sagten : Sie wollten sich's recht schmecken lassen ^). Er fand es daher zweckmäfsig, zur Stelle, in der er den Zakküm zuerst genannt hatte, folgen- den Zusatz zu machen:

37, 61. Wir haben ihn (den Zakkümbaum) zur Prüfung für die Ungerechten (Gottlosen) gemacht (d. h. wir nann- ten ihn so, um sie in ihrem Unglauben zu bestärken).

62. Er ist aber ein Baum, welcher sich aus dem Grunde der Hölle erhebt.

63. Seine Früchte sehen aus wie Satansköpfe ^).

64. Wahrlich davon werden sie essen und ihre Bäu- che füllen.

65. Dann erhalten sie darauf statt Brühe siedendes Wasser.

66. Kurz, die Hölle ist ihr Ort [es kann auch hei- fsen: wenn sie getränkt sind, werden sie in das Feuer zu- rückgetrieben].

Dieselbe Idee spricht Mohammad auch in dem im No- vember 621 geoffenbarten Vers 17, 62 aus. Auch obige Stelle mag in dieselbe Zeit fallen.

') ßet hasohar bedeutet im Hebräischen Gefängnifs. Daraus scheint Sähira für Hölle entstanden zu sein. Aus dem Arabischen läfst es sich nicht erklären.

*) Das Wort soll der Sprache der Berbern an der Ostküste Afrika's angehören.

3) Wähidy, Asbäb 17, 62.

*) Satansköpfe ist auch der Name eines Baumes und seiner Früchte, der in Bädiya vorkommt und sehr übel riecht.

Sechszehntes Kapitel.

Die letzten drei Jahre vor der Higra und die Flucht nach Madyna.

Ibn Sa'd erzählt: »Durch den Tod des Abu Tälib und der Chadvga sie verschieden nur einen Monat und fünf Tage von einander (vergl. oben S. 147) befielen den Propheten zwei Unglücksfälle auf einmal. Er blieb zu Hause und ging nur selten aus; denn er war jetzt vollständiger in der Gewalt der Korayschiten als je zuvor, ja mehr als sie zu hoffen gewagt hatten. Als sein Onkel und Erzfeind Abii Lahab von seiner bedrängten Lage hörte, ging er zu ihm und sprach: 0 Mohammad, gehe wohin du willst und thue wie du zu Lebzeiten meines Bruders Abu Tälib ge- than hast; ich schwöre bei der (Jöttin Lät, so lange ich lebe soll dir nichts Böses widerfahren. Abu Gahl be- schimpfte den Propheten. Abu Lahab stellte ihn zu Rede und erhielt Satisfaction. Abu Gahl entfernte sich nun und rief: 0 Korayschiten, Abu Lahab ist zum Qäbier geworden. Viele Menschen begaben sich darauf zu Abu Lahab; er aber erklärte: Ich habe die Religion meines Vaters nicht verlassen ; aber ich thue meine Pflicht gegen meinen Nef- fen und beschütze ihn, dafs er, ohne sich Unbilden auszu- setzen, gehen kann, wohin er will. Die Gegenwärtigen antworteten: Du thust Recht daran, deine Handlungs- weise ist edel, denn du erfüllst deine Pflichten gegen Ver- wandte.«

»Das dauerte einige Tage, Mohammad hatte Schutz und seine Feinde wagten es nicht, ihn zu beleidigen, weil

33*

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sie (\en Abu Labab fürchteten. Dann aber kamen 'Okba b. Aby Mo'ayt und Abu Gahl zu Abu Laliab und fragten ihn: Hat dir dein Neffe auch gesagt, wo sich dein Vater befindet? Abu Labab fragte den Mohammad: Sag mir, wo ist mein Vater 'Abd al-MottaHb? Er antwortete: Bei sei- nem Volke. Abu Labab begab sich zu den genannten zwei Freunden und erzählte ihnen: Ich habe ihn gefragt, wo mein Vater sei, und er antwortete: Bei seinem Volke; das ist doch ganz in der Ordnung. Ja, versetzten sie, er meint in der Hölle. Abu Lahab srins; nun zu Mohammad zurück und fragte: Wie, du glaubst, dafs mein Vater in der Hölle sei? Ja, antwortete er, alle, welche in einem Glauben starben, wie der, in Avelchem er dahingeschieden ist, ge- hen in die Hölle. Abu Lahab fiel ihm in's Wort: Nun aber, Mohammad, werde ich nie aufhören dein Feind zu sein. Dieses Verdammungsurtheil des Propheten that dem Abu Lahab und den Korayschiten sehr weh.«

Der Prophet war in Makka so vielen Unbilden aus- gesetzt, dafs er sich im Juli 619 entschlofs, mit seinem Adoptivsöhne Zayd nach der dritthalb Tagereisen von Makka gelegenen Stadt Täyif zu gehen. Er hielt sich daselbst zehn Tage auf und besuchte jeden Mann von Bedeutung, aber es gelang ihm nicht einen einzigen zu bekehren '). Sie fürchteten, er möchte Anhang unter den jungen Leu- ten finden. P]s wurde ihm daher bedeutet, er solle sich entfernen und nach einem Orte gehen, welcher für seine Umtriebe besser geeignet sein möchte. Zugleich wurden die Gassenbuben ermuthiget, ihn zu verfolgen. Sie bilde-

) Dem Ibn Ishäk, S. 279, zufolge hat sich Mohammad ganz be- sonders an drei Brüder gewendet: 'Abd Yälyl, Mas'üd und Habyb, Söhne des 'Amr b. 'Omayr b. 'Awf b. 'Okda b. Ghiyara b. 'Awf b. Thakyf. Einer von ihnen hatte eine Makkanerin zur Frau, nämlich die Qafyya, eine Tochter des Ma mar b. Habyb b. Wahb b. Hodzäfa b. Gomah. Nach Bochäry's Angabe war 'Abd Yalyl ein Sohn des 'Abd Koläl.

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ten zwei Reihen, durch die er passiien mufste, und war- fen Steine auf ihn, dafs seine Fiifse bluteten. Zayd be- schützte ihn mit seinem Körper und erhielt einige Stofse. Zwei Makkaner, die Söhne des Raby a, besafsen einen Gar- ten und ein Sommerhaus aufserhaib der Stadt. Hier flüch- tete sich der Prophet in den Schatten eines Weinstockes und die Verfolger zogen sich zurück. Die Eigenthümer schickten ihm Trauben zur Labung durch ihren Sklaven 'Addäs, welcher ein Christ und dem Mohammad zuge- than war.

Es hätte den Glauben selbst der aufrichtigsten Mos- iime erschüttern müssen , wenn Gott seinen Boten gegen so rohe Verfolgungen nicht geschützt hätte. Er sandte da- her den Engel der Berge zu ihm. Dieser grüfste ihn und sprach: Ich bin zu dir gesandt, auf dafs ich thue was du befiehlst; soll ich diese zwei Berge er zeigte auf das Achschab- Gebirge ^) auf die Frevler werfen? IXein, er- widerte der Prophet sanftmüthig, vielleicht werden ihre Kinder den wahren Gott anbeten ^).

Mit betrübtem Herzen trat Mohammad den Rückweg nach seiner Vaterstadt an. Es war ihm nicht gelungen, die verstockten Menschen zu bekehren, aber zu J^achla, wo er sich einige Tage aufhielt, hörten ihn die Ginn Ko- ränstücke vortragen und viele bekehrten sich (vergl. oben S. 245).

»Zayd sprach zu ihm in Nachla: Wie kannst du es wagen, zu den Korayschiten zurückzukehren, nachdem sie dich doch vertrieben haben? Er antwortete: 0 Zayd, (iott wird Mittel und Wege schaffen; er unterstützt seine Reli- gion und hilft seinem Propheten. Als er bis Hirä vorge-

') Dies ereignete sich zu Karn altha'älib, welches auch Karn almanäzil genannt wird. Der eine dieser zwei Berge ist der Abu Kobays und der andere Ko'aykaän.

^) Bochäry, von 'Ayischa.

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rückt war, sandte er einen Choza iten zu Mot'im b. 'Adyy mit der Bitte, ihm Schutz zu o•e^^ähren ^). Er verstand sich dazu, rief seine Söhne und Verwandten zu sich und belahl ihnen, sich zu bewaffnen. Sie erwarteten ihn bei der Ka'ba, und als er zu ihnen kam sprach er: Ich habe dem Mohammad Schutz gewährt. Unterdessen langte der Prophet n)it Zayd an. Mot'im rief aus: 0 Korayschiten, ich beschütze den Mohammad; nehmet euch in Acht, ihn nicht zu beleidigen. Mohammad näherte sich der Kaba, küfste den schwarzen Stein und ging nach Hause. Mot'im mit seinen Söhnen und V^erwandten aber verrichteten den Umgang um die Kaba.«

»Eines Tages begab sich Mohammad zur Ka'ba und Abti üahl rief: Hier ist euer Prophet, o Banü 'Abd Manäf! Dem 'Otba b. Raby a, obschon er nicht zu den Gläubigen gehörte, raifsfiel dieser Spott, und er sagte: Nun, Avarura soll aus unserer Mitte nicht ein Prophet oder gar ein En- jrel hervorgehen. Mohammad fiel ihm in's Wort und sagte: Du, o'Otba, vertheidigest nicht Gott und seinen Boten, son- dern deine eigene Nase, indem du für mich Partei nimmst, du aber Abu Gahl mufst dich auf ein grofses Unglück vor- bereiten und für kurzen Scherz sollst du lange weinen. Euch, o Häuptlinge der Korayschiten, wird auch grofses Leiden befallen und ihr werdet in eine peinliche Lage kom- men.« (Tabary S. 154.)

Das Pilgerfest und die darauf folgenden Jahrmärkte boten dem Propheten eine günstige Gelegenheit, seine Lehre auch aufserhalb Makkas bekannt zu machen. »Der Gott- gesandte, erzählt Ibn Sa'd, fand sich jährlich beim Pilger- feste ein und forderte die Leute auf, ihn zu schützen und

') Zuerst wandte er sich an den Achnäs b. Scharyk. Dieser antwortete: Ich bin ein Bundesgenosse (halyf) und ein Budesgenosse hat tticht das Recht, einen ^aryh zu schützen ; dann wandte er sich an Sohayl b. 'Amr. Dieser antwortete: Die Banü 'Äinir b. Lowayy gewähren den Banü Kab keinen Schutz.

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ihn dadurch in den Stand zu setzen, die Botschaft Gottes auszurichteil, deren Annahme sie in das Paradies einführen würde. Aber er land jNiemanden, der ihm Gehör ji;eben wollte und beizustehen geneij^t war«.

Endhch erkundigte er sich nach den Stämmen und ihren Lagerplätzen '). Er besuchte jeden einzeln und sagte: ü Menschen, sprecht mir die Worte nach: »Es giebt kei- nen Gott aufser Allah«, und ihr werdet gedeihen, und durch dieses Glaubensbekenntnifs werdet ihr über die Araber herr- schen und die Ausländer demüthigen. Wenn ihr glaubt, seid ihr Könige im Paradiese. Sein Onkel Abu Lahab ging hinter ihm her und sagte: Glaubet ihm nicht, denn er ist ein (^äbier und ein Lügner. Sie wiesen ihn auf die schimpf- lichste Weise ab, quälten ihn und sagten: Deine Verwand- ten kennen dich doch am besten. Er liefs sich durch ihre Einwürfe nicht irre machen und predigte ihnen und rief aus: 0 Gott, wenn es nicht dein Wille wäre würden sie nicht so verstockt sein.

Verse, wie die folgenden zwei, scheint er speziell für die Erbauung der Wanderstämme verfafst zu haben:

16, JS'2. Allah hat euch Gezelte zur Wohnung gegeben und Thierhäute, Gezelte zu machen. Ihr findet sie leicht,

' ) Einige Biographen sind der Ansicht, Mohammad sei in der Wüste herumgereist und habe die Bedouinenlager besucht. Dieses ist nicht richtig. Aus Ibn Ishäk und auch aus Ibn Sa'd, fol. 41, geht hervor, dafs Zohry und Yazyd b. Rümän gelehrt haben, Mo- hammad habe die Lagerplätze der Fremden in Minä beim Pilgerfeste und in den vorhergehenden Märkten in 'Okatz, Maganna und Dzü- Magäz besucht. Jeder Stamm bildete in diesen Orten ein eigenes Lager, wie sich jetzt noch die Pilgrime in Mina, in Landsmann- schaften theilen.

Tärik Mohäriby erzählt bei Ibn Aby Schayba, S. 17, dafs er den Mohammad auf der Messe in Dzü-Magäz, in eine rothe Gobba gekleidet, habe herumgehen sehen und rufen hören: O Menschen, sprechet mir nach: „Es giebt keinen Gott aufser Allah." Abu Lahab, fügt er hinzu, ging hinter ihm her und sagte: Er ist ein Lügner, und warf Steine auf ihn.

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wenn ihr aufbrechet und wenn ihr sie aufschlaget. Und er hat euch Wolle und Kameelhaare zum eigenen Gebrauch und als Handelsartikel beschert. Diese Genüsse dauern einige Zeit.

83. Allah hat für euch Schattenplätze erschaffen und Berge zum Unterschluf. Er hat euch Kleider gegeben, um euch gegen die Hitze zu schützen, und Kleider, welche euch im Kampfe bedecken. Er hat seine Wohlthaten ge- gen euch vollständig gemacht, auf dafs ihr Moslime werdet.

Wenn es ihm auch nicht gelang, einen ganzen Be- douinenstamm zu gewinnen, so machte seine Lehre doch auf einzelne Personen einen bedeutenden Eindruck.

»Ich und Abu Bakr, welcher, wo es das Gute galt, immer voraus war, erzählt Alyy, begleiteten einst den Pro- pheten auf einem solchen Ausfluge. Wir kamen zu den Banü Schavbän b. Tha'laba, und Abu Bakr sagte, un- ter den Anwesenden befinden sich die vornehmsten Män- ner ihres Stammes. Mafrük, welcher dem Abu Bakr am nächsten safs, übte grofsen Einflufs auf seine Stammge- nossen und zeichnete sich durch Schönheit und Anstand aus. Abu Bakr fragte ihn: Wie zahlreich seid ihr? Er antwortete: Wir sind nicht über tausend Streiter und tau- send Mann sind unüberwindlich, so weit es auf die Zahl ankommt. Abu Bakr: Wie steht es mit eurer Wehrkraft? Mafrük: Unsere Aufgabe ist es, unser Bestes zu thun, und jeder Stamm hat seine glänzenden Tage. Abu Bakr: Wie fahrt ihr im Kriege gegen eure Feinde? Mafrük: Beim Angriff sind wir am wüthendsten und unser Angriff ist am heftigsten, wenn wir wüthend sind. Die Menschen fühlen unsere Cavallerie und die Kameele unsere Waffen. Den Sieg aber wendet Gott bald für, bald gegen uns. Du bist wohl ein Bruder der Korayschiten? Abu Bakr: Habt ihr gehört, dafs ein Bote Gottes unter uns ist und was er sei? Mafrük: Wir haben gehört, dafs er einer zu sein behauptet. Was lehrt er? Während dieses Gespräches näherte sich der Prophet und sprach: Ich lehre, dafs es

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keinen Gott giebt als Allah. Er hat keinen Genossen, und ich bin sein Bote. Ich fordere euch auf, mich aufzuneh- men und mir beizustehen; denn die Koravschiten sind ge- gen die Herrschaft Allah's, heifsen seinen Boten einen Lüg- ner und ziehen das Unwahre dem Wahren vor. Doch Gott bedarf ihrer nicht und ist der Gepriesene. Mafrük: Was ist deine Lehre, Bruder der Korayschiten? Mohammad: Kommt, ich will euch vorlesen, was Gott euch verboten hat: Ihr sollt ihm kein anderes Wesen beigeseilen (etc.; der Dekalog, wie in Koran 6, 152—153). Masrük: Du lehrst edle Sitten und schöne Thaten. Dein Volk thut Un- recht, wenn es dich der Lüge beschuldigt und sich dir wi- dersetzt.

Es war, als wünschte er, dafs ihm Häniv b. Kabyga beipflichte und er fuhr deswegen fort: Dies ist Häniy, un- ser Schaych und unser Haupt in Religionssachen. Häniy ergritf das Wort und sagte: Ich habe deine Worte ver- nommen, o Korayschite. Es kommt mir aber vor, dafs wir uns des Leichtsinns und Mangels an Ueberlegung schuldig machen würden, wenn wir auf einen einzigen Vortrag hin, den du unter uns hieltest und der w eder Anfang noch Ende hatte, unsere Religion verliefsen und dir folgten.

Mafrük stellte ihm nun den Motlianna vor mit den Worten: Dies ist unser Haupt im Kriege. Mothannä wie- derholte die Worte des Häniy und fügte hinzu: Wir leben zwischen den zwei Qary, dem von Yamäma und dem von Saraäma. Mohammad: Was sind diese zwei Qary? Mo- thannä: Kanäle des Chosroes und Wasserplätze der Be- douinen. Innerhalb des Distriktes an den Kanälen des Chosroes hat der Besitzer für einen Fehltritt keine Ver- gebung zu erwarten und seine Entschuldigung findet kein Gehör. Im Distrikte der Wasserplätze der Bedouinen ist es anders, da sind wir frei. Wir haben den Besitz des erstem in Folge eines Bündnisses erhalten, welches der Chosroes uns abgenommen hat, dafs wir keine Neuerun- gen vornehmen und keinen Neuerer unter uns dulden

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und mir kommt vor, dafs die Lehre, welche du predigest, VOM den Königen nicht gebilligt werden würde. Wenn du jedoch willst, dafs wir dich im Distrikte der Wasserplätze der Bedoiiinen autnehnien und dir beistehen, so sind wir dazu bereit. Mohammad: Wenn es euch ganz ernst wäre, so wäre es euch unmöglich, mein Anerbieten zurückzuwei- sen. Niemand vertheidigt die Religion Gottes, welcher sie nicht von allen Seiten zu beschützen bereit ist. Glaubt mir, es würde nicht lange dauern, bis euch die Länder, die Schätze und die Weiber der Perser zufielen. Der Pro- phet verliefs sie und begab sich zu den Einwohnern von Yathrib (Madyna)« ^).

Es war für die Einwohner von Madyna vorbehalten, den Islam siegreich zu machen. Sowayd, angebhch ein Verwandter ^) des Mohammad, aus einer angesehenen ma- dynischen Familie gebürtig, ein Mann von ritterlichem Sinn und bedeutendem poetischen Talent, stand in hohem An- sehen unter seinen Mitbürgern. Er kam einst nach Makka um die Heiligthümer zu besuchen und machte die Bekannt- schaft des Mohammad. Dieser trug ihm seine Lehre vor, und Sowayd zeigte ihm die Weisheitsspriiche des Lokmän. Wenn Lokmän identisch ist mit EIxai, so Avar sein Buch ein Annäherungspunkt zwischen dem Madyner und dem hanyfischen Propheten. Sowayd entfernte sich jedoch von -Uakka, ohne sich mit Bestimmtheit für oder gegen den Boten Gottes zu entscheiden, und fiel in der Schlacht von Bo'äth, noch ehe dieser nach Madyna kam.

Auch ein anderer Madyner war geraume Zeit vor der Flucht halb geneigt, dem Islam beizutreten. Abu Haysar kam mit mehreren jungen Männern aus dem Stamme Abd

') Ein Hamdänite hat dem Mohammad versprochen, sich zu be- mühen, seinen Stamm für den Islam zu gewinnen. Die Einzelhei- ten werden verschieden erzählt. Vergl. Ihn Aby Schayba S. 25 und Ibn Sad fol. 66.

') Sowayd's Mutter soll eine Tante des 'Abd-al -Mottalib ge- wesen sein. Dies ist chronologisch unmöglich.

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Aschhai nach Makka, in der Absicht mit den Korayschiten ein Biindnifs zu schHefsen J^egen die Chazragiten, denn es herrschte bittere Fehde in seiner Vaterstadt, welche zur Schlacht von Bo'ath führte. Mohammad besuchte die An- kömmlinge und predigte ihnen seine Religion. lyäs, wel- cher noch in der Blüthe der Jugend war, nahm warmes In- teresse daran. Abu Haysar jedoch warf ihm scherzhaft eine Hand voll Sand in's Gesicht mit den Worten: Wir haben dies Mal ein anderes Geschäft zu verrichten. Sie kehrten nach Madyna zurück. Die Lehre des Mohammad hatte ei- nen so tiefen Eindruck gemacht auf das Gemüth des lyäs, dafs er vor seinem Tode, welcher nicht lange darauf er- folgte, in Einem fort Gott pries und um Verzeihung seiner Sünden bat.

Auf dem Pilgerfeste 621 waren des Propheten Be- mühungen mit Erfolg von grofser Tragweite gekrönt ^).

Wenn man von Makka nach Minä geht, kommt man zu einer Gegend, welche Gamra heifst; der Weg wird eng und steigt eine Ecke (arab. 'Akaba) hinan; links öffnet sich eine Schlucht, in der jetzt auf einer kleinen Anhöhe eine IMoschee steht. In diesem öden, unheimlichen Orte wur- den die ersten Madyner bekehrt und die Moschee ist zum Andenken an dieses wichtige Ereignifs erbaut worden. Man nennt es die erste Bekehrung der 'Akaba oder vielmehr ein- fach die erste 'Akaba. (Wir werden bald von einer zwei- ten hören.)

»Der Prophet benutzte seiner Gewohnheit gemäfs das Pilgerfest, um seine Lehre zu predigen. Bei der 'Akaba begegnete er sechs Madvnern. Er fragte sie, wessen Stammes sie seien? Sie antworteten: Wir sind Chazragi- ten. Er fuhr fort: Also Verbündete der Juden? Sie er- widerten: Ja. Setzt euch ein wenig, ich möchte gern mit

') 'Ä^im setzt dieses Ereignifs in das Jahr 620 und berichtet, dafs auch im Jahre 621 und wieder 622 ähnliche Zusammenkünfte stattfanden oder in andern Worten: er nimmt drei 'Akaba an.

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euch sprechen, sagte er. Sie waren damit zufrieden, und er erklärte ihnen, was der Islam sei und trug ihnen Stücke seiner Olren barungen vor.«

»Sie waren durch eine besondere Fügung Gottes für den Glauben vorbereitet norden. In ihrer Stadt wohnten nämlich auch Juden, welche eine geoifenbarte Schrift und Kenntnisse besafsen, während sie, die Chazragiten, Heiden waren. Bisweilen plagten ^) sie die Juden und wenn es dann zu Händeln kam, sagten diese: Die Zeit ist gekom- men, zu der ein Messias aufstehen wird '^). Wir werden ihm folgen und mit seinem Beistande euch todt schlagen, wie wir einst die 'Aditen und Iramäer todt g-eschlao^en ha- ben. Als nun Mohammad von seiner götthchen Mission sprach, sagten sie zu einander: Es ist kein Zweifel, dafs dies der JMessias ist, mit dem uns die Juden drohen. Sie sollen uns aber nicht zuvorkommen! vSie willigten also sogleich ein, ihn als ihren Propheten anzuerkennen und an seine Lehre zu glauben. Dann sagten sie: \n dem Volke, welchem wir angehören, herrscht mehr Zwietracht, als unter irgend einem andern auf Gottes Erdboden; durch dich ist vielleicht die Eintracht geboten. Wir wollen heim- gehen, ihm die Religion verkünden, zu der wir uns soeben bekehrt haben; und wenn es gelingt, durch dich Einheit zu stiften, so bist du der gröfste Mann« ^).

') Im Original 'azza. Thalaba, Tafs. 2, 124 sagt: ^ »jjiJI ^\ tXÄ.i:)_5 / ixi (^1 jj.£ JLäj^ (AäuüS \6\ xiUi! *:^ ;jjü" JLäj äiA^'S äaU! jj^. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch hatte also das Wort dieselbe Bedeutung wie im Hebräischen. Im Text steht 'azzuhom statt 'azzü 'alayhom.

*) Dafs die Juden von Madyna den Arabern mit dem Messias drohten, geht auch aus Koran 2, 83 hervor. Vergl. Bd. I S. 160,

') Ich folge der Erzählung des Ibn Ishäk, S.286, welcher den A9im b. 'Omar b. Katäda als seine Quelle citirt, weiche aber der Ein- fachheit wegen von der Auffassung dieses Biographen ab, obschon sich gegen die Ansicht der spätem Auktoren, denen ich folge, viel einwenden läfst. Ibn Ishäk sagt, dafs sich bei der ersten Zusammen- kunft (also beim Pilgerfeste 620) sechs Männer, bei der zweiten, wel-

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che wieder beim Pilgerfeste stattfand (also im Jahre 621), zwölf be- kehrten und dann 622 folgte die dritte Aqaba. Wakidj, welcher die Ueberlieferungen des 'A^im mit fünf andern verglich (darunter wird die des Gäbir und des Näfiy Abu Mohammad genannt), sagt in Be- zug auf die Verschiedenheit der Nachrichten: „Einige behaupten, dafs sich zuerst ein Madyner bekehrt habe, den sie auch mit Namen nennen; Andere sagen zwei, auch ihre Namen werden angegeben, und wieder Andere behaupten, es seien zuerst sechs Männer auf ein- mal dem Islam beigetreten; statt sechs nennen andere acht Männer. Wir haben alle diese Nachrichten aufgezeichnet und geben sie hier wieder. As'ad b. Zorära und Dzakwän b. 'Abd Kays sollen mit 'Otba b. Raby'a sich über die Vorzüge ihrer betreffenden Stämme gestritten haben. 'Otba sagte bei dieser Gelegenheit: Dieser Bet- bruder, welcher sich in den Kopf gesetzt hat, dafs er ein Bote Got- tes sei, macht mir so viel zu schaffen, dafs ich an nichts Anderes denken kann. As'ad hatte sich schon früher mit Abu Haytham b. Tayyahän oft über die Einheit Gottes unterhalten. Dzakwän flü- sterte ihm daher zu: Gieb Acht, dies ist deine Religion! Sie be- gaben sich darauf zu Mohammad, und nachdem sie die Grundzüge seiner Religion vernommen hatten, legten sie das Glaubensbekennt- nifs ab. Nach ihrer Rückkunft nach Madyna erzählte As'ad, was er gehört und gethan dem Abu Haytham und auch dieser erklärte seinen Glauben an Mohammad.

Andere erzählen, dafs der Zorakite Räfi.' b. Mälik und Mo'ädz b. 'Afrä, um die Heiligthümer zu besuchen nach Makka kamen und dort vom Propheten hörten, ihn aufsuchten und sich bekehrten. Man behauptet daher, dafs Räfi' der erste Gläubige und das Bethaus der Banü Zorayk die erste Moschee in Madyna war, in der der Koran gebetet wurde.

Nach einer andern Nachricht traf der Prophet acht Madyner zu Minä, nämlich: Mo'ädz b. 'Afrä, As'ad b. Zorära, Räfi' b. Mälik, Dzakwän b. 'Abd Kays, Obäda b. Qämit, Yazyd b. Tha'laba, Abu Haytham b. Tayyahän und 'Owaym b. Saida; diese bewog er, ihn als Propheten anzuerkennen. Er fragte sie dann, ob sie ihm Schutz gewähren wollten, auf dafs er die ihm von Gott auferlegte Botschaft verkünden könne. Sie antworteten: Wisse, dafs wir bereit sind, uns für die Sache Gottes und seines Boten anzustrengen. Allein gerade jetzt ist unser Gemeindewesen durch innere Fehden zerrüttet. Erst voriges Jahr haben wir die Schlacht von Bo'äth geschlagen und Verwandte haben gegen Verwandte gekämpft. Wenn du jetzt zu uns kommst, so, fürchten wir, werden sich unsere Mitbürger nicht ver- eint für dich erklären. Bleibe einstweilen in Makka; wir wollen zu den ünsrigen zurückkehren, vielleicht fügt es Gott, dafs sich unsere

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Einer von den Anwesenden überliefert '), dafs sie dem Propheten folo-endes Gelöbnifs nachsprachen: Wir wollen dem Allah kein Wesen gleichstellen, wir wollen nicht steh- len, wir wollen nicht Unkenschheit treiben, wir wollen un- sere Kinder nicht tödten, wir wollen auf Niemanden einen Verdacht werfen, den wir willkürlich erdichtet haben und wir wollen deinen Befehlen in billigen Dingen nicht zuwi- der handeln. Mohammad sprach dann: Wenn ihr diesem Gelöbnisse nachkommt, so gehet ihr in das Paradies ein, wenn ihr es übertretet, habt ihr die festgesetzten Strafen zu erdulden und durch diese werdet ihr gesühnet, Avenn ihr aber die Üebertretung bis auf den jüngsten Tag verheim- licht, so steht euer Schicksal in der Hand Gottes; wenn er will, bestraft er euch und wenn er will, verzeiht er euch.

Weil in diesem Gelöbnifs die Pflicht für den Glauben zu kämpfen nicht erwähnt wird, heifst man es »das Frauen- gelöbnifs«. Es enthält die Hauptbestimmungen der in SiiraG vorsetragenen Bearbeitune; des Dekalos:s mit dem wichti- gen Beisatz, dafs die Gläubigen dem Propheten gehorchen müssen. Später hat er auch eine Offenbarung (Kor. 60, 12) veröffentlicht, in welcher den Frauen aufgetragen wird, diese Punkte zu geloben.

innern Verhältnisse ordnen. Im nächsten Jahre treffen wir uns wie- der beim Pilgerfeste.

Darauf theilt Wäkidy in abgekürzter Form die Nachricht des A^im mit und fügt hinzu, dafs er diese für richtig halte, weil die meisten Quellen darüber einstimmig sind.

Ich halte diese Tradition, die vorhergehende von der Bekehrung von acht Männern und die von der Bekehrung von zwölf Männern (welche technisch die erste 'Aqaba genannt wird) für verschiedene Versionen ein und derselben Geschichte. Es hat übrisrens schon 'A<;im, dessen Zeugnifs Wäkidy beide Mal anführt, zwei Ereignisse aus dem einen gemacht.

') 'Obäda b. Qämit; von ihm haben sie zwei Schüler fast gleich- lautend überliefert, nämlich Conäbihy und Abu Idrys Ayidz Allah. Vergl. Ibn Ishäk, S. 289 und Bochäry, S. 550.

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Einige Zeit nach ihrer Rückkehr in die Heimath schrie- ben die Neubekehrten an den Propheten, er möchte ihnen einen seiner Jünger schicken, der sie im Koran unterrichte und in der Verbreitung des Glaubens unterstütze. Er sandte den Mog'ab (s. oben S. 166) an sie und der Koran wirkte Wunder. Hahl gab es nur wenige Häuser, in denen nicht einige Gläubige waren. Nur der talentvolle und einfluls- reiche Ahü Kays b. Asiat widerstand noch mehrere Jahre der Neuerunü: und hielt auch die IMitojIieder seiner Familie vom Islam zurück. Moc^'ab soll sich, als seine Mission so weit gelungen war, wieder nach IMakka begeben haben.

Am 10. October 621 trua; Mohammad folgenden Ko- ränvers vor:

17,1. Das Lob sei Ihm, Avelcher seinen Knecht des Nachts in nächtlicher Reise von dem Tempel al-Haräm (von Makka) zum entferntesten Tempel brachte, dessen Um- gebung wir gesegnet, um ihm einige von unsern Wundern zu zeigen. Wahrlich, Gott ist der Hörende, der Sehende.

Zugleich erzählte er, dafs er auf wunderbare Weise während der Nacht von IMakka nach dem Tempel von Je- rusalem — denn dies ist die Bedeutung des entferntesten Tempels und dann Avieder zurück in seine Heimath ge- bracht worden sei. Die Heiden fanden den Einfall lächer- lich und selbst die Gläubigen bezweifelten das Wunder, ja einige sollen in seiner Behauptung eine Lüge erblickt ha- ben und von ihm abgefallen sein. Er sah sich daher ge- nöthigt, Gott sagen zu lassen:

17, 62. »Das Traumgesicht, welches wir dir gezeigt ha- ben, liefsen wir nur deswegen stattfinden, auf dafs es eine Versuchung sei für die Menschen.«

Es Avar also blofs ein Traum gewesen. Einige Jahre später, als der Glaube fest gewurzelt war, wurde diese Wi- derrufung von den Moslimen übersehen; Mohammad kam auf seine ursprüngliche Angabe zurück und erzälte ihnen neue Einzelheiten über seine nächtliche Reise. Die Tradition hat sie aufbewahrt und Anas A. H. 80 daraus seine Ge-

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schichte des Mir'äg (der Himmelfahrt) des Propheten ge- bildet. Man sieht es ihr an, dafs sie als Gegenstück zur Verkläruno; Christi zu dienen bestimmt Avar, und sie gilt i'ür die Moslinie als das gröfste Wunder, welches Gott an ihrem Propheten gewirkt hat. Da ihre Entstehung Licht auf die Ausbildung der moslimischen Traditionen wirft, so gedenke ich sie eingehend im Buche über die Quellen der Prophetenbiographie zu behandeln.

Es wirft sich uns die Frage auf: Hat Mohammad wirk- lich einige Zeit einen Traum für Wirklichkeit gehalten oder hat er es versucht, seine Zuhörer zu betrügen? Es sind Gründe vorhanden, das Letztere zu vermuthen. Seine Geg- ner, bemerken die Exegeten, sagten zu Mohammad: Die Propheten werden in Syrien erweckt. Wenn du wirklich ein Prophet bist, so gehe dahin und wir wollen an dich glauben. Syrien ist das Land der Propheten und dort wer- den die Menschen zum Gerichte versammelt. Die Exege- ten setzen hinzu, dafs Mohammad halb entschlossen war, sich nach Syrien zu begeben ^). Wenn diese Nachricht be- gründet ist, so wurde er dazu gedrängt vorzugeben, er sei in Jerusalem gewesen, habe im Tempel gebetet und die Bekanntschaft der alten Propheten gemacht.

Wenn Mohammad diese Lüge absichtlich erdacht hat, so ist vorauszusetzen, dafs er sich auch mit Beweisen vor-

' ) Die Exegeten verlegen diese Forderung nach Madyna in der Voraussetzung, dafs nur die Juden, nicht die Heiden sie an den Propheten stellen konnten. Dieser Grund ist unzureichend, denn es unterliegt keinem Zweifel, dafs die Makkaner in ihren Disputen von Juden unterstützt wurden. Der Prophet soll sich der Tradition, zufolge, als man zuerst die Erwartung aussprach, dafs er im Tem- pel von Jerusalem geheiligt werden soll, zu einer Reise nach Syrien angeschickt haben und bis nach Dzü Holayfa vorgedrungen sein. Dzü Holayfa liegt zwischen Makka und Madyna, und also von letz- terer Stadt nicht auf dem Wege von Jerusalem. Ferner erzählen alle Exegeten diese Geschichte als Einleitung zu Kor. 17, i und hal- ten sie für den Grund der wunderbaren Nachtreise nach Jerusalem. Diese aber fand vor der Flucht statt.

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gesehen habe. Der überzeugendste Beweis Aväre eine Be- schreibung von Jerusalem gewesen. Vielleicht hat er von seinem Mentor oder sonst irgend woher einige Einzelhei- ten erfahren und sie zu diesem Zwecke benutzt. Weni«-- stens behaupten mehrere seiner Zeitgenossen, er habe die- sen Beweis geliefert ').

Im Frühling 622 war der Bürgerkrieg der Madyner beendigt^). Friede und Eintracht war in die palmenreiche Stadt zurückgekehrt und die Gläubigen konnten nun ihrem Versprechen gemäfs dem Propheten ihre Huldigung dar- bringen. Es erschienen zu diesem Zwecke zweiundsieb- zig von ihnen bei dem Pilgerfeste.

Die Zusammenkunft hatte nicht blofs einen relio-iösen

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sondern zugleich einen politischen Charakter; sie \vurde daher heimlich im Dunkel der Nacht gehalten und Moham- mad war von seinem Onkel 'Abbäs begleitet, obschon die- ser nicht an ihn glaubte. Das Stelldichein war wieder die Schlucht bei der 'Akaba, Avohin sich die Madyner nach Voll- endung der Ceremonien in j\Iina einzeln oder in kleinen Gruppen begaben. Mohammad und sein Onkel traten zu-

') Bochäiy, S. 684, von Gabir b. 'Abd Allah:

Ich hörte den Propheten erzählen: Als mich die Korayschiten der Lüge beschuldigten , stand ich auf einmal im Higr und Gott enthüllte vor meinem Auge den Tempel von Jerusalem ; ich fing an, ihnen ohne Unterlafs von seinen Zeichen (Schönheiten) zu er- zählen, denn ich konnte ihn sehen. .

In einer andern Version ist folgende Einleitung: Als die Koray- schiten meine Nachtreise nach Jerusalem für eine Lüge erklärten etc.

*) Ich nehme an, dafs das Pilgerfest immer im Frühling ge- feiert wurde, die Moslime hingegen, dafs es stets in der elften Lu- nation des Mondenjahres stattfand. Es sind jedoch auch abweichende Berichte vorhanden; so wurde dem Mostadrik und dem Daläyil des Bayhaky (Nur alnibras S. 502) zufolge das Pilgerfest im Jahre 621 im Ragab (siebente Lunation) gefeiert. Nach Gabir b. 'Abd Allah (bei Ibn Aby Schayba, S. 2ö) fand Mohammad's erste Zusammen- kunft mit den Madynern im Ragab statt. Es ist wohl der Ragab des Sonnenjahres d. h. der Nisän (März) zu verstehen. Mehr davon im dritten Bande.

u. 34

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erst ein. Der Verabredung gemäfs soll »der Schlafende nicht geweckt und auf den Abwesenden nicht gewartet werden.« Die Madyner folgten daher rasch auf einander, als die Zeit der Zusammenkunft gekommen war. 'Abbäs eröffnete die Unterhandlung mit den Worten: 0 Chazragi- ten, ihr habt an Mohammad die bewufste Einladung erge- hen lassen. Er gehört zu einer der besten Familien sei- nes Stammes, und obschon einige von uns nicht an ihn glauben, so sind wir doch alle darüber einig, dafs wir ihn schützen; wir gewähren ihm unsern Schutz wegen seiner Geburt und Verwandtschaft. Mohammad hat alle Einladun- gen dieser Art verschnjäht, die eurige hat er angenommen, denn ihr seid Leute, die Macht, Tapferkeit und Einsicht im Kriege besitzen und die sich vor allen Arabern sammt und sonders nicht zu fürchten brauchen, üeberleget wohl eure Pläne und berathet euch, und wenn ihr zu einem Ent- schlufs gekommen, so trennt euch nicht von euren Füh- rern, noch von der Majorität, denn das wahrste Wort ist auch das beste.

Darauf nahm Barä b. Ma'rür das Wort und sprach: Wir haben deine Rede vernommen. Bei Allah! führten wir etwas Anderes im Schihle, als wir ausgesprochen haben, so würden wir es sagen. Es ist aber unser Entschlufs, Treue und Anhänglichkeit oreeren Mohammad zu bewahren und un- ser Leben zu seinem Schutze zu opfern.

Der Prophet trug nun Koränstücke vor. In Süra 22 befindet sich eine bispiration ^), welche er, dem Inhalte nach zu schliefsen, für diese Gelegenheit vorbereitet hatte. Er fängt mit den Schrecknissen »der Stunde« an, bringt die abgenutzten Beweise für die Auferstehung vor, beschreibt

*) Die Süra ist sehr gemischt; so ist z. B. V. 57 ganz gewifs madynisch und wahrscheinlich auch V. 40, während einige andere Stellen, wieV. 43 47 (vgl. oben S. 24), mehrere Jahre vor der Zu- sammenkunft bei der 'Akaba geoffenbart worden sind. Auch kom- men viele Wiederholungen darin vor. Diese mögen durch Verschie- denheit der Ueberlieferung entstanden sein, denn es ist anzunehmen, dafs sie bis zur Flucht in Makka und Madyna aufbewahrt worden ist.

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die Qualen der Hölle und dringt ausführlicher als in irgend einer andern Offenbarung auf die Nothwendigkeit, Allah al- lein anzubeten. Die Vielgötterei ist das Werk des Satans, welchem es zur Pflicht gemacht worden ist, seine Anhän- ger in den Irrthum und in die ewige Verdammnifs zu füh- ren (V. 4). Ks giebt zwar, sagt er in V. 16, Gläubige, Ju- den, ^'äbier, Christen, Magier und Vielgötterei Alle ha- ben verschiedene Ansichten und es liegt Gott ob, ihre Strei- tigkeiten am Gerichtstage zu schlichten; so viel ist aber gewifs (V. 8 13 und 20 ff., am deutlichsten 31 ff.), dafs diejenigen, welche aufser Allah noch andere Wesen anbe- ten, verdammt werden. Jede von den moslimischen (d. h. monotheistischen) Religionsgemeinden hat ihren eigenen Cultus (V. 25 u. G6). Der Hauptcultus der Gläubigen ist das von Abraham eingesetzte Pilgerfest (vgl. oben S. 276), doch dieses sind nur Aeufserlichkeiten; das Wesentliche ist, dafs man sich Gott unterwerfe, ihn fürchte, im Unglück ausdaure, das Gebet verrichte und wohlthätig gegen die Armen sei.

Nach Vollenduno; seines Vortrasres lud er die Anwe- senden ein, das Glaubensbekenntnifs abzulegen. Barä war der erste, welcher ihm Folge leistete und sagte: W^ir ha- ben ein hohes Ehrgefühl von unsern Vätern ererbt und geloben dir nun Treue, o Bote Gottes! Alle riefen; Wir nehmen den Propheten auf und sind bereit, Gut und Blut für ihn zu opfern! Sie wurden lärmend; daher sagte 'Ab- bäs, indem er die Hand des Mohammad ergriff: Sprechet leise, denn wir sind von Spionen umgeben. Lasset eure Aeltesten reden, sie sollen das Wort für euch führen. Wenn ihr den Eid der Treue geschworen habt, so zerstreut euch und begebet euch zu euren Lagerplätzen. Baiä sprach: Oeffne deine Rechte, o Gottgesandter! und schlug mit sei- ner Hand darauf. Auf dieselbe Weise legten die Uebri- sen den Eid der Treue ab M.

') Ibn Ishäk behauptet, in der zweiten Zusammenkunft bei 'Al^aba haben die An^är auch für Mohammad zu kJimpfen gelobt.

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Der Prophet sagte, nachdem die Ceremonie vorüber uar: Jesus hat zwölf Apostel und Moses hat Aelteste ge- wählt (Kor. 5, l.i). Auch ich will zwölf Nakybe (wörtlich Patrouillenführer) auserkiesen. Es darf sich aber Niemand von euch grämen, wenn er übergangen wird, denn nicht ich, sondern (Jabriel trifft die Wahl. Nachdem er die zwölf Nakybe bezeichnet hatte, sagte er: Ihr seid die Vorsteher über die Glaubensgenossen eures Stammes und ich bin der Vorsteher der ganzen Gemeinde. Darauf zerstreute sich die Versammluns;. Die Madvner waren nun die Be- Schützer des Propheten und des Glaubens, und deswegen werden sie Angar, Gehülfen, genannt ').

Er macht sich einer kleinen BegrifFsverwechselung schuldig. Sobald Mohammad in Madyna lebte, waren sie nach allgemeinem arabi- schen Rechte verpflichtet, sein Leben zu vertheidigen; aber das Ge- bot, offensive Kriege für den Glauben zu führen, hat Mohammad erst später gegeben.

') An^är ist ein Plural und bedeutet Gehülfen. Nawawj glaubt, der Singular sei Nacyr, und er führt aschräf, Sing, scharyf als ein Beispiel dieser Pluralbildung an. Sohayly hingegen leitet es von Nä- (jir her und sagt: Auch ^ähib und sbähid haben diese unregelmäfsige Pluralbildung. Beides ist zulässig, doch ist die Behauptung des Na- wawy vorzuziehen, weil von Nägir im Koran der Plural Nä(;irün vorkommt, während Na9yr im Koran keinen andern Plural als An- 9är hat. Wenn Ancär technisch gebraucht wird, so hat es weder Nä9ir noch Na^yr im Singular, sondern An^äry. Dies ist ein Pa- tronyraicum und bedeutet der An9ärite. An^äry bedeutet auch einen Nachkommen eines der An^ärer, und in diesem Sinne bildet man dann wieder den Plural An^äryyün daraus.

Es giebt ein anderes Wort, welches dieselben Erscheinungen bietet. A^häb (eigentlich der Plural von Qahib) werden technisch die Begleiter des Propheten genannt. Man sagt auch Qahäba, die Gefährtenschaft, in dieser technischen Bedeutung statt Aghäb, und aus diesem Worte hat man dann den Singular Qahuby, Gefährten- schäftler gebildet, weil (J.'ähib in der technischen Anwendung nicht als Singular gebraucht wird.

Es ist eine allgemeine Regel, dafs sich unter Völkern, die sich in einem engen Ideenkreis bewegen, in kurzer Zeit Stichwörter bil- den. In dem Studium des Korans und der Geschichte einer Reli-

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Am iiHchsten Tage kam eine Anzalil von Korayschi- ten in das Tlial, in welcliem die Anc;är ihr Lager bauen, Sie sagten: 0 Cliazragiten, wW halten vernommen, dafs ihr gestern iSachfs eine Ziisanimenkunft hattet mit unserem Stammgenüssen und dafs ihr ihm bei dieser Gelegenheit unter Anderm uns zu bekriegen versprochen habet. Bei Gott, es giebt keinen Stamm in ganz Arabien, mit dem wir unlieber in Unfrieden lebten, als mit euch. Diejenigen Ma- dyner, welche noch Heiden und bei der Versamn)lung nicht zugegen gewesen waren, sprangen anf und schworen bei Allem, was ihnen heilig war, dafs die Beschuldigung unbe- gründet sei und sie nichts von Allem dem wüfsten. So- bald sich die -Korayschiten entfernt hatten, machte sich Barä auf und begab sich nach Batn Mähig; die übrigen Moslime folgten ihm. Die Korayschiten entschlossen sich mittlerweile, sie zu verfolgen, und einzelne Parteien von ihnen besetzten die Wege von Madyna. Es gelang ihnen auch, bei Adzächir den Sa'd b. 'Obäda und Mondzir b. 'Amr einzuholen. Der letztere kämpfte sich durch, der er- stere aber fiel in ihre Gewalt. Sie banden ihm mit den Riemen seines Kameelsattels die Hände auf den Nacken

gion oder Wissenschaft überhaupt ist es von grofser Wichtigkeit, diese Thatsache im Auge zu halten. Auch Nakybe, obschon der phantastische Gedanke, zwölf Apostel zu wählen, von keinem prak- tischen Nutzen war, wird von spätem Autoren im Hinblick auf dieses Ereignifs mit Vorliebe technisch gebraucht, besonders von solchen, welche das Heiligenhandwerk trieben. Bei ihnen bedeutet Nakyb so viel als Erzheiliger.

Schon im Koran kommt An^är als ein Titel der gläubigen Ma- dyner vor. Warum hat ihn Mohammad gewählt? Die Antwort dar- auf ist in Kor. 61, is (vergl. Kor. 3, 45) enthalten:

O Gläubige, seid An^ärer Gottes! wie einst Jesus den Jüngern zugerufen hat: Seid meine An(järer! und die Jünger antworteten: Wir sind die An^ärer Gottes [so auch etc.].

Es ist sehr wahrscheinlich, dafs Mohammad, welcher kein gro- fser Phih)log war, glaubte, dafs Na(;arji, Christen, ursprünglich Ge- hülfenschaft bedeute und deswegen die Jünger Jesu und auch seine eigene n so nannte.

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und schleppten ihn bei seinen langen Haaren unter Schla- cken fort. Glücklicher Weise begegnete ihm auf dem Wege Abu Bachtary und er fragte ihn, ob er einen Gastfreund und Verbündeten in Makka habe. Ja, antwortete der Unglück- liche, ich beschütze die Waaren des Gobayr b. Mot'im und die des Härith b. Härith b. Omayya auf dem Wege durch un- ser Gebiet. Abu Bachtary eilte zu diesen zwei Männern und unterrichtete sie über die Lage, in der sich ihr Verbün- deter befinde, und sie kamen und erlösten ihn.

Die zweite Zusammenkunft bei der 'Akaba fand um die Zeit der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche statt, und die Flucht des Propheten im September. Die Zwischen- zeit benutzten die Muslime, um die Auswanderung zu or- ganisiren. Es unterstützten sie vier begeisterte An^ärer, %velche zu diesem Zweck von Madvna herbei2:eeilt ^yaren. Wahrscheinlich hatten sie Gastfreunde unter den Koray- schiten, Avelche sie beschützen mufsten.

Den Makkanern konnte es nicht o^leiche-ültioj sein, dafs die Zeloten, welche sie bisher verachten konnten, nun ei- nen so mächtigen Anhaltepunkt gewonnen hatten und zu einer politischen Macht in Arabien geworden waren, von welcher vorauszusehen war, dafs sie der heiligen Stadt feindlich entgegentreten würde ^). Dennoch wagten sie es noch nicht, den Älohammad aus dem We2:e zu räumen und die Neuerung im Bürgerblute zu ersticken. Ungeachtet der grofsen Erbitterung waren die Familienbande unter den

') Hischäm b. 'Orwa, bei Tabary S. 178, sagt, dafs die Mos- lime zwei Verfolgungen zu erdulden hatten. Die eine nöthigte viele von ihnen, nach Abessynien auszuwandern. Sie liefs nach und meh- rere der Auswanderer kehrten nach Makka zurück. Mohammad war von einer bedeutenden Zahl von Anhängern umgeben und zudem fingen die Bekehrungen in Madyna an. Die Neubekehrten dieser Stadt machten ihm Besuche und dies schürte den Geist der Verfol- gung aufs Neue. Er war am heftigsten nach der letzten Zusam- menkunft bei der 'Akaba, und endlich befahl Gott dem Propheten in Kor. 2, isa gegen die Feinde zu kämpfen.

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Heiden noch immer viel mächtiger als die religiösen. Wäh- rend die Moslime für den l'ropheten gefochten hätten, wenn es zum offenen Kampf gekommen wäre, würden die mei- sten heidnischen Familien es für ihre Pflicht gehalten ha- ben, ihre Angehörigen ohne Rücksicht auf Glauben zu be- schützen. Die sogenannten patriarchalischen Institutionen, welche eigentlich in einem Zustande vollständiger Gesetz- losigkeit bestehen, erwecken Tugenden im menschlichen Herzen, von denen wir gar keinen Begriff haben. Nur derjenige, welcher die Freiheit seiner Brüder achtet und sich ganz für andere zu opfern bereit ist, kommt in einer Gesellschaft, wo Besitz äufserst prekär und von untergeord- netem Werthe ist, zu 'Macht und Ansehen, und deswegen entwickelt sich in den edlern Individuen eine zwar derbe, aber opferbereite iMännlichkeit, welche sie zu den höch- sten Höhen der Menschheit erhebt. Es dürfte hier ein Sit- tengemälde in den Worten einer Frau an seinem Platze sein. 0mm Salama , welche der Prophet später zu seiner Frau machte, erzählt: iMein Mann hatte alles zur Auswan- derung nach Madyna vorbereitet. Er sattelte für mich ein Kameel, setzte mich darauf und gab mir unser Kind Sa- lama in den Schoofs; dann nahm er den Zügel des Ka- meeies und trat die Reise an. Die Banü Moghyra, jene Abtheilung der Familie Machzüm, welcher ich angehörte, bemerkten dieses, traten an ihn heran und sprachen: Glaubst du, dafs wir, da wir doch deine Absichten kennen, dir ge- statten, mit deinem Weibe, welches uns angehört, frei in der Welt herumzuziehen? Sie rissen ihm das Leitseil aus der Hand und warfen mich vom Sattel. Die Banü 'Abd Asad, ebenfalls iMachzümiten, zu denen mein Gatte ge- hörte'), waren aufgebracht über dieses Benehmen und sag- ten: Das Kind gehört uns und wenn ihr euch der Mutter

') Abu Salama war ein Sohn des 'Abd Asad b. Hiläl b. 'Abd Allah b. 'Omar b. Machzüm. Seine Frau war eine Tochter des Abu Oraayya b. Moghyra b. 'Abd Allah b. 'Omar b. Machzüm.

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Ijeinächtio-t, so tlürft ihr uns doch' den Knaben nicht ent- reifsen. Sie zankten sich und zerrten mein Söhnchen Sa- laina hin inid l)er, bis sie ihm die Hand verrenkten. End- lich tiiii^en es die Banü'i\bd Asad fort, mich behielten die Hanü ]M()i;l)via und mein Mann setzte seinen Weg nach Madyna lort.

Ich war nun von meinem IMann und Kind o^etrennt und lebte in grofser Betrübnifs. Ein ganzes Jahr hindurch') ging ich täglich am jMorgen auf den Sand vor der Stadt hinaus und weinte dort bis zum Abend. Eines Tages ging einer meitier Vettern vorüber und von jMitleid gerührt, sprach er zu den Banti Moghyra: Seid ihr denn ohne al- les menscidiche (Jefühl, dafs ihr dit^ses Weib getrennt von ihrem Mann und Kind dahinwelken lasset? Sie sagten nun zu mir: Wenn du willst, kannst du dich zu deinem Manne begeben. Die Banü 'Abd Asad gaben mir meinen Sohn, ich bestieg mein Kameel, nahm ihn in den Schoofs und trat ganz allein die Reise an, entschlossen mich irgend ei- nem Reisegefährten anzuschliefsen, den ich auf dem Wege treffen möchte.

') Tabary, S. 182, sagt: Der erste Moslim, der nach Madyna auswanderte, war Abu Salama; er verliefs Makka ein Jahr vor dem bei Akaba geschlossenen Vertrag. Er kam nämlich von Abessynien nach Makka, weil er aber von den Korayschiten geraifshandelt wurde und von den Bekehrungen in Madyna vernahm , wanderte er dort- hin aus. Der nächste nach ihm war 'Amir b. Raby'a und seine Frau Laylä, dann folgte 'Abd Allah b. Gahsch. Er war blind, wufste aber jeden Weg und Steg in ganz Makka. Nach ihm flüchteten sich die Moslime haufenweis, so dafs nur der Prophet, Abu Bakr und Alyy in Makka waren.

Ibn Sad, fol. 45 r., von Scho'ba, von Abu Ishak, von Ban\: „Zuerst kam Mo^'ab und Ibn 0mm Maktüm zu uns und unter- richteten uns im Koran; dann kamen Ammar, Biläl und Sa'd, dann Omar und mit ihm zwanzig Gläubige und endlich langte der Prophet, an. Ich habe nie solchen Jubel gesehen, wie seine Ankunft in Madyna verursachte. Die Kinder riefen einander zu: Sieh, dies ist der Gott- gesandte, da kommt er! Als er in unsere Mitte kam, wufste ich schon Süra 87 und einige Mofa(;cal- Suren auswendig.'^

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Zu Tan yni ') begegnete ich dem 'Othmän b. Talha^). Er war Heide und ein angesehener Mann; denn sein Va- ter hatte von seinen Vorfahren die Sclilüssel der Ka'ba er- erbt. Er fragte mich: AVohin, o Tochter des Abu Omayya? Ich antwortete: Ich will zu meinem Mann in Madyna. Und du bist ganz allein? Ja, nur Gott und mein Kind ist bei mir. Er nahm die Leitschnur meines Kameeies, führte es und behandelte mich mit der gröfsten Zartheit; bei Ciottl ich bin nie mit einem Araber «ereist, der sich edler benommen hätte als er. So oft wir bei einem Hal- teplatze ankamen, liefs er das Kameel niederhocken, dann entfernte er sich, dafs ich ohne Scheu absteiijen konnte. Darauf kehrte er zurück, führte das Kameel unter einen Baum, nahm ihm die Last ab, band es an und begab sich unter einen Busch zur Ruhe. Am Abend, wenn es Zeit war aufzubrechen, lud er das Kameel, führte es vor, liefs es niederknien und entfernte sich, bis ich aufgestiegen war. Wenn ich meine Sachen aufgepackt und mir's im Sattel bequem gemacht hatte, kam er wieder und führte mein Thier weiter. Auf dieselbe Art benahm er sich auf dem ganzen Wege, zehn Tagereisen, bis Avir zu Kobä, einem

') Tan'ym ist drei oder vier arabische Meilen von Makka. Rechts (südlich) davon erhebt sich ein Berg, welcher Na'jni heifst und links davon steht einer Namens Nä'im , das Thal dazwischen heifst No'män und daher die Gegend Tan'ym. Aehnliche etymolo- gische Spielereien sind in den Benennungen der Araber nicht selten.

^) 'Othmän b. Talha b. Aby Tallia 'Abd Allah b. *Abd al-'Ozzä b. 'Othmän b. 'Abd aldär. Seine Mutter 0mm Sa'yd war eine Ma- dynerin. Sein Vater und sein Onkel, welcher auch 'Othmän hiefs, fielen nebst anderen Verwandten in der Schlacht von Ohod im Kampfe gegen den Propheten. 'Othmän bekehrte sich während des Waffen- stillstandes von Hodaybyya und begab sich mit Chälid b. Walyd nach Madyna. Bei der Eroberung von Makka kämpfte er auf Seiten der Moslime und liefs sich dann wieder in Makka nieder, wo er A. H. 42 starb. Es ist nicht ganz sicher, ob er bei seinem Tode noch im Besitze der Schlüssel der Ka'ba war; einige behaupten nämlich, Mohammad habe sie seinem Cousin Schayba b. 'Othmän übergeben.

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Dorfe aufserhalb Madyna, ankamen. Er führte mich in die Gasse, in welcher mein Mann wohnte und sagte: Hier lebt dein Gatte, gehe zu ihm, Gott segne dich! Dann ent- fernte er sich imd trat die Rückreise nach Makka an.

Dieser Mann hielt es so wenig wie 'Omar für eine Schande, eine ungezogene Frau zu züchtigen; und den- nodi wie hoch steht er über unsern Frauenverehrern, wel- che mit den ekelhaftesten Fratzen im Hallsaale die schwa- chen Köpfe junger Gänschen vollends zu verdrehen stre- ben, vi'enn sie aber ein Weib in Bedrängnifs sehen, ihr feig den Kücken Avenden. Wenn auch nicht jeder Araber von dem ritterlichen Sinn eines Olhman beseelt ist, so be- steht dennoch bis auf den heutigen Tag die Sitte unter den Bedouinen, dafs, wenn sie Frauen ausrauben und ih- nen den wSchmuck und die bessern Kleidungsstücke ab- nehmen, keiner von ihnen so vermessen ist, selbst Hand anzulegen; sie befehlen ihnen, diese Gegenstände abzule- gen, und während dies geschieht, entfernen sie sich und warten mit abgewandtem Gesicht, um ihr Schaamgefühl nicht zu verletzen. Diese Art Frauenachtuno: «-ab der 0mm Salama den Muth, sich auf eine so weite Reise zu wagen, obschon es ihr sciiwer geworden wäre, ihr Kamee! selbst zu bedienen. Sie war gewifs, dafs jeder Mann, dem sie begegnete, ihr Beistand zu leisten bereit sein würde. Wie würden sich unsere Weinsberghelden bei einer solchen Ge- leijenheit benehmen?

Unter den Ersten, welche Makka verliefsen, war die zahlreiche Familie des Gahsch. Die meisten Mitglieder der- selben lebten in demselben Dar. Unter Dar mufs man sich einen Hof vorstellen, der von allen Seiten von niedrigen Gebäuden umgeben ist und nur eine Thüre nach aufsen hat. Die Gebäude enthalten Stuben und andere Räumlich- keiten, welche sich sämmtlich in den Hof öffnen, unter sich aber keine Communication haben. Jedes dieser Ge- mächer konnte bei den wenigen Bedürfnissen der Orien- talen als Wohnung für ein Ehepaar mit seinen Kindern

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dienen. Bei ihrem Abzug von Makka schlössen die Gah- schiten ihr Dar und Hefsen es ohne Wächter. Einem vor- übergehenden Makkaner ging es zu Herzen, dafs sich das (iemeindewesen auflöse, und er recitirte den Vers eines altern Dichters:

Jedes Dar, Avenn es auch lange Segen genossen hat, wird einst die Beute der Winde und des Schmerzes.

Psafi' (f 117) erzählte seinem Sohne 'Abd Allah (f 154)*): Als der Prophet die Gläubigen zur Auswande- rung nach Madyna ermunterte, verliefsen sie Makka in kleinen Gruppen; jeder suchte sich Reisegefährten und so machten sie sich auf den Weg. 'Abd Allah unterbrach hier seinen Vater und fragte, ob sie zu Fufs oder auf Kamee- len die Reise machten? Er antwortete: Beides. Die Wohl- habenden ritten; manchesmal safsen auch zwei auf einem Kameele; diejenigen, welche sich kein Thier verschaffen konnten, gingen zu Fufs. Folgende Erzählung des 'Omar habe ich von seinem Sohne vernommen. Ich, sagte er, 'Ayyäsch und der Sahmite Hischäm b, 'Aq trafen alle Vor- bereitungen zur Reise und dann versprachen wir einander, weil wir heimlich die Stadt verliefsen, uns zu Tanädhob zu treffen; Avir sagten: Avenn sich einer nicht einfindet, so setzen wir voraus, dafs er festgehalten werde und die übri- gen zwei treten ohne zu warten die Reise an. 'Ay^äsch und ich fanden uns am Morgen in Tanädhob ein, Hischäm aber fehlte. Es war ihm unmöglich zu entkommen und er war einer von denen, welche sich bewegen liefsen, vom Glau- ben abtrünnig zu werden. Ich und 'Ayyäsch lenkten zu

'Akyk von dem Wege ab nach Wqya (iy^A^^ Ogaba?) und erreichten glücklich Kobä, wo wir bei Rofä'a b. 'Abd Mon- dzir unser Absteigequartier nahmen.

') Ibn Sa'd, fol. 232, von Wäkidy, welcher die Erzählung von 'Anir ('Omar?) b. Aby 'Atika und 'Abd Allah b. Näfi' gehört hatte. Auch Ibn Ishäk , S. 310. Nach Ibn Aby Schayba, S. 40 und Bo- chäry, S. 552, verliefs Omar seine Heiraath mit zwanzig Gläubigen.

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II

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Abu Gabi und sein Bruder Häritb folgten uns eilig nach und kamen bis in unsere neue Wohnung zu Kobä. Sie sagten zu ihrem Halbbruder 'Ayyäscb: Deine Mutter hat o'esch\Aoren, kein Oel soll ihre Haare befeuchten und kein Dach soll ihr Haupt beschatten, ehe sie dich wieder- sieht. Der Schmerz der Mutter ging dem 'x\Y}äsch zu Herzen, ich aber sagte zu ihm: Diese Leute haben keine andere Absicht, als dich vom Glauben abwendig zu ma- chen. Wenn deine Mutter das Bedürfnifs fühlt, wird sie sich das Kopfhaar kämmen und wenn sie die Hitze nicht länger ertragen kann, wird sie in den Schatten gehen. Er antwortete: Ich will den Schwur meiner i\bitter lösen, fer- ner habe ich \^ermögen in Makka und es liegt mir daran, auch dieses in Sicherheit zu bringen. Mein Zureden war vergebens. Ich grab ihm also mein Kameel und sas-te: AVenn du findest, dafs dir deine Leute zusetzen und dich mit Ge- walt vom Islam abwendig machen wollen, besteige dieses Kameel, welches alle andern an Schnelligkeit übertriift, eile davon und sie werden nicht im Stande sein, dich einzuho- len. Er bestieg es und trat die Reise an. Auf dem Wege klagte Abu Gahl über sein Kameel und bat den 'Ayyäsch, ihn hinter sich auf das seinige zu nehmen. Ayyäsch wil- ligte ein, und alle drei stiegen ab. Abu Gahl und sein Gefährte fielen über ihn her, banden ihn und brachten ihn im Triumpf nach Makka, wo er sich bewegen liefs, den Glauben abzuschwören. Dies ereignete sich, noch ehe der Prophet seine Vaterstadt verlassen hatte. Später bereute 'Ayyäsch seinen Abfall und kam wieder nach Madyna ^).

') Ibn Ishäk erzählt zwei widersprechende Berichte über die Wiederbekehrung des Hischäm und 'Ayyäsch, von denen weder der eine, noch der andere wahrscheinlich ist.

Auch andere Moslime blieben in Makka und fielen von Moham- mad ab. So Nahhäm aus dem Stamme 'Adyv. Er war der eilfte oder nach Ibn Aby Chaythama der neununddreifsigste, welcher sich be- kehrte, folgte aber dessen ungeachtet dem Propheten nicht nach Ma- dyna. Ibn Ishäk, S. 455, zählt fünf Männer auf, welche von ihren Ver-

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Abu Bakr, Alyy "n<3 Mohammad waren noch in ih- rer Vaterstadt, als alle andern Moslime, die auswandern konnten und wollten, schon nach ihrer neuen Heimath ab- »^ereist waren. Die Korayschiten beriefen eine V ersamm- lung der Familienhäiipter in das Rathhaus, bei der auch Repräsentanten einiger verwandten Stämme erschienen, ja sogar der Teufel hat sich, einer frommen Legende zufolge, in der Gestalt eines ehrwürdigen Schaychs aus dem Nagd, in einen langen Mantel (bathth) gehüllt, dabei eingefunden. Doch die V erwandten des Mohammad, wie auch die Hanü Zohra, von denen er mütterlicherseits entsprossen war, wur- den vermifst. Einer der Anwesenden eröffnete die Ver- handlung mit den Worten: Ihr sehet, wie weit die Sache gekommen ist. Wahrscheinlich Avird uns Mohammad mit seinem Anhange aus fremden Stämmen in nicht ferner Zeit angreifen, berathet euch daher und bestimmet Mittel, sol- chen Eventualitäten vorzubeugen.

Ein anderer stellte den Antrag: Leget ihn in Eisen und sperrt ihn ein hinter Thor und Riegel und dann war- tet, bis ihn betrifft, was andere überspannte Dichter, wie Zohayr und Näbigha betroffen hat, d. h. bis er stirbt.

Nein, rief der Nagdite aus, dies ist ein schlechter V^orschlag. Schlofs und Thür werden die Verbreitung sei- ner Lehre nicht hindern, seine Worte werden zu seinen Anhängern dringen, und diese werden sich beeilen, euch zu überfallen und ihn zu befreien. Solche V ersuche wer- den wiederholt werden, bis es ihnen gelingt, euch zu be- siegen und eure Republik zu zerstören. Ihr müfst etwas Zweckmäfsigeres beschliefsen.

Das beste ist, liefs sich eine andere Stimme verneh- men, wir vertreiben ihn aus unserm Lande. Was küm- mern wir uns um ihn, wenn er einmal fort ist. Lasset ihn

wandten vom Glauben abwendig gemacht wurden, in der Schlacht von Badr gegen Mohammad kämpften und fielen, vergl. die Exe- geten zu Kor. 4, 99.

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Abu Galil und sein Bruder Härith folgten uns eilig nach und kaujen bis in unsere neue Wohnung zu Kobä. Sie sagten zu ihrem Halbbruder 'Ayyäsch: Deine Mutter hat seschworen, kein Oel soll ihre Haare befeuchten und kein Dach soll ihr Hanpt beschatten, ehe sie dich wieder- sieht. Der Schmerz der Mutter ging dem 'Ayyäsch zu Herzen, ich aber sagte zu ihm: Diese Leute haben keine andere Absicht, als dich vom Glauben abwendig zu ma- chen. Wenn deine Mutter das Bedürfnifs fühlt, wird sie sich das Kopfhaar kämmen und wenn sie die Hitze nicht länger ertragen kann, wird sie in den Schatten gehen. Er antwortete: Ich will den Schwur meiner Mutter lösen, fer- jier habe ich V^ermögen in Makka und es liegt mir daran, auch dieses in Sicherheit zu bringen. Mein Zureden war vergebens. Ich gab ihm also mein Kameel und sagte: Wenn du findest, dafs dir deine Leute zusetzen und dich mit Ge- w^alt vom Islam abwendig machen wollen, besteige dieses Kameel, welches alle andern an Schnelligkeit übertriflft, eile davon und sie werden nicht im Stande sein, dich einzuho- len. Er bestieg es und trat die Reise an. Auf dem Wege klagte Abu Gahl über sein Kameel und bat den 'Ajyäsch, ihn hinter sich auf das seinige zu nehmen. Ayyäsch wil- ligte ein, und alle drei stiegen ab. Abu Gahl und sein Gefährte fielen über ihn her, banden ihn und brachten ihn im Triumpf nach Makka, wo er sich bewegen liefs, den Glauben abzuschwören. Dies ereignete sich, noch ehe der Prophet seine Vaterstadt verlassen hatte. Später bereute 'Ayyäsch seinen Abfall und kam wieder nach Madyna ^).

') Ibn Ishäk erzählt zwei widersprechende Berichte über die Wiederbekehrung des Hischäm und 'Ayyäsch, von denen weder der eine, noch der andere wahrscheinlich ist.

Auch andere Moslime blieben in Makka und fielen von Moham- mad ab. So Nahhäm aus dem Stamme 'Adyy. Er war der eilfte oder nach Ibn Aby Chaytharaa der neununddreifsigste, welcher sich be- kehrte, folgte aber dessen ungeachtet dem Propheten nicht nach Ma- dyna. Ibn Ishäk, S. 455, zählt fünf Männer auf, welche von ihren Ver-

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Abu Bakr, Alyy und Mohammad waren noch in ih- rer Vaterstadt, als alle andern Moslime, die auswandern konnten und wollten, schon nach ihrer neuen Heimath ab- gereist w aren. Die Korayschiten beriefen eine V ersamm- lung der Familienhäupter in das Rathhaus, bei der auch Repräsentanten einiger verwandten Stämme erschienen, ja sogar der Teufel hat sich, einer frommen Legende zufolge, in der Gestalt eines ehrwürdigen Schaychs aus dem Nagd, in einen langen Mantel (bathth) gehüllt, dabei eingefunden. Doch die \ erwandten des Mohammad, wie auch die Hanü Zohra, von denen er mütterlicherseits entsprossen war, wur- den vermifst. Einer der Anwesenden eröffnete die Ver- handlung mit den Worten: Ihr sehet, Avie weit die Sache gekommen ist. Wahrscheinlich wird uns Mohammad mit seinem Anhange aus fremden Stämmen in nicht ferner Zeit angreifen, berathet euch daher und bestimmet Mittel, sol- chen Eventualitäten vorzubeugen.

Ein anderer stellte den Antrag: Leget ihn in Eisen und sperrt ihn ein hinter Thor und Riegel und dann war- tet, bis ihn betrifft, was andere überspannte Dichter, wie Zohayr und Näbigha betroffen hat, d. h. bis er stirbt.

Nein, rief der Nagdite aus, dies ist ein schlechter V^orschlag;. Schlofs und Thür werden die Verbreituns; sei- ner Lehre nicht hindern, seine Worte werden zu seinen Anhängern dringen, und diese werden sich beeilen, euch zu überfallen und ihn zu befreien. Solche Versuche wer- den wiederholt werden, bis es ihnen gelingt, euch zu be- siegen und eure Republik zu zerstören. Ihr müfst etwas Zweckmäfsigeres beschliefsen.

Das beste ist, liefs sich eine andere Stimme verneh- men, wir vertreiben ihn aus unserm Lande. Was küm- mern wir uns um ihn, wenn er einmal fort ist. Lasset ihn

wandten vom Glauben abwendig gemacht wurden, in der Schlacht von Badr gegen Mohammad kämpften und fielen, vergl. die Exe- geten zu Kor. 4, 99.

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laufen, sobald er in der Ferne ist, kehren wir zu jenem Zustand der Einigkeit und Kraft zurück, der früher unter uns zu Hause Avar.

ISein, unterbrach ihn der Nagdite, das geht durchaus nicht. Sehet ihr nicht, dafs er durch seine Beredsamkeit und süfse Sprache die Herzen der Menschen für sich und seine Neuerungen gewinnt? Wenn ilir dies thut, schliefst er sich einem Bedouinenstamme an, gewinnt ihn für sich und wenn er mächtig genug ist, führt er Krieg gegen euch, besiegt euch und thut, was ihm gefällt. Ihr müfst ener- gischere Maafsregeln ergreifen, als die soeben in Vorschlag gebrachten.

Abu Gahl sagte darauf: Ich wüfste schon Rath, aber ich sehe voraus, dafs ihr ihn nicht annehmen werdet.

Ein allgemeiner Zuruf: Sprich, was ist dein Antrag!

Abu Gahl: Wählet aus jedem Stamm einen entschlos- senen, jungen Mann von guter Abkunft und hoher socialer Stellung; Jeder von den Ausgeschossenen bewaffne sich mit einem scharfen Säbel und alle dringen gleichzeitig auf ihn ein und tödten ihn^); dann haben wir Ruhe vor ihm. Die Blutschuld wird auf diese Art unter alle Familien ver- theilt und seine Beschützer, die Banü 'Abd Manäf, unfä- hig, sein Leben an allen zu rächen, werden sich mit der Sühne begnügen müssen, das Blutgeld aber bezahlen wir ganz gern.

Das ist ein weiser Rath, rief der Nagdite, so müfst ihr verfahren.

Der Vorschlag des Abu Gahl wurde einstimmig an- genommen und die Versammlung löste sich auf.

Mohammad's Lao-e war voll Gefahr. Aufser Abu Bakr und A\yy befand sich kein Moslim mehr in Makka als sol-

') Ibn Sa'd nennt den Ausschufs: Abu Gahl, Hakam b. Aby 'A9, 'Okba b. Aby Mo'ayt, Nadhr b. Härith, Omayya b. Chalaf, Ibn al-Ghayzala, Zam'a b. Aswad, To'ayraa b. 'Adyy, Abu Labab, No- bayh und Monabbib, die Söhne des Haggäg.

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che, die sich durch Jntimidation hatten bewegen lassen, den Glauben zu verläugnen. Er war ohne Schutz, nur List konnte ihn retten.

Der Legende zufolge hat ihm der Engel Gabriel den im Rathhause gefafsten Entschlufs niitgetheilt und mit Rath beigestanden. Er mag auch aufser Gabriel andere Freunde gehabt haben. Es war vorauszusehen, dafs die blutige That im Dunkel der Nacht vollbracht werden würde, um so viel als möglich das Aufsehen zu vermeiden. In drei Tagen erwartete man den Neumond, die Nächte waren dunkel und die Zeit war daher günstig für die Mörder, aber auch für JMohammad. Nachdem Jene Gewifsheit er- langt hatten, dafs er sich in seiner Wohnung befinde, be- wachten sie das Haus, damit er es ohne ihr Wissen nicht verlassen könne. iMohammad aber gab bei Einbruch der Nacht dem Alyy seine grüne Borda und sagte, er soll sich auf sein (Mohammad's) Bett legen und schlafen. Er selbst verbarg sich. Die Mörder, sagt die Legende, wa- ren vor dem Hause versammelt und sahen durch eine Spalte in der J hür hinein. Sie glaubten, dafs sich Mohammad wirklich zu Bette gelegt habe. Er aber nahm eine Hand voll Staub und warf ihn auf ihre Köpfe. Sie verloren ihre Sinne und waren wie Automaten, mit denen Mohammad thun konnte, was er wollte. Während sie sich in diesem Zustande befanden, entfernte er sich aus dem Hause ^).

Wenn die Mörder schon vor dem Hause versammelt gewesen \>ären, so hätte die unverweilte Ausführung ihrer blutio-en Arbeit wenisrer Aufsehen Seemacht als der Ver- Schub. Ich stelle mir den Herorans: anders vor. Während der Sommernächte schläft man auf den Terrassen der Häu- ser unter freiem Himmel, und es konnte daher die Lager- stätte des Mohammad schwerlich durch eine Ritze der Haus- thür gesehen werden, wohl aber von den Dächern der be-

') Diese Legende lehnt sich an die viel früher geoffenbarte Koränstelle 36, 8.

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nachbarten Häuser, wenigstens wenn man sich einige Mühe gab. Ich glaube nun, dafs die Mörder heimlich und unbe- merkt die Bewegungen des Mohammad ausspioniiten, und weil sie glaubten, dafs er sich schlafen gelegt habe, sich dem Wahne hingaben, ihre Pläne seien ihm unbekannt und er werde ihnen nicht entgehen.

Im \ erlaufe der Nacht begaben sie sich zu seiner Wohnuno^ und wollten eindringen. Aber es schallte ihnen der Hülferuf eines Weibes entgegen. Wenn wir vordrin- gen, sagte einer von ihnen, wird man sich in ganz Ara- bien erzählen, dafs wir jene Helden sind, welche bei nächt- licher Weile über die Mauern ihrer Nachbarn steigen, die Töchter ihrer nächsten Verwandten im Schlafe stören und die ünantastbarkeit des Frauengemaches entheilis:en. Sie zogen sich daher zurück und entschlossen sich, den Mord zu verschieben, bis Mohammad aus dem Hause kommen würde. Weil sie den A\yy noch immer für Mohammad hielten, glaubten sie ihres Opfers ganz sicher zu sein ^).

Die Flucht des Propheten scheint ein Liebhngsthema der moslimischen Geschichtenerzähler gewesen zu sein, und die Hoftraditionisten der Herrscher im grünen Palaste zu üamascus haben es sich angelegen sein lassen, seine Ret- tung dem Abti Bakr und seiner Familie zuzuschreiben. Selbst der ungerathene 'Abd al-Rahmän, den wir bereits kennen (s. oben S. 326), hat mit Aufopferung und Lebens- gefahr während des Tages die Pläne der Heiden ausge- kundschaftet und sie Nachts dem Propheten überbracht ^). Weil sich mehrere Legenden eingeschlichen haben, müssen wir ziemlich willkürlich zwischen den verschiedenen Ver- sionen wählen.

') Wüstenfeld zu Ibn Ishäk, S. 101. Es ist aber sawwarnä alhaytän und hataknä zu lesen.

^) Die Tradition rührt von Orwa, einem Verwandten des Abu Bakr her und er citirt die Ayischa als seine Autorität. Den Mos- limen gilt dies als eine sehr gute, mir als eine schlechte Tradition.

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Die nothnendigen Vorkehrungen für die Flucht wa- ren schon früher von Abu Bakr getroifen worden: seit vier Monaten ^) hielt er zwei gute Kameele in Bereitchaft und hatte einen zuverläfsigen Führer im Auge. Die letzten Verabredungen zwischen ihm und dem Propheten fanden ungefähr um dieselbe Zeit statt, zu der die Korayschiten im Kathhause deliberirten. iSach einer Version begab sich Mohammad von seinem Hause zu Abu Bakr. Dort ent- wichen sie mit einander durch ein hinteres Fenster und verbaro-en sich in der Höhle des Beri^res Thawr. Nach einer andern Version ging der Prophet geraden Weges nach der Hohle und übersendete durch 'Alyv eine Bot- schalt an Abu Bakr, ihm dahin zu folgen ^).

Mohammad und Abu Bakr ueilten drei Tage in der Höhle. Asmä, die Tochter des letzteren, brachte ihnen jeden Abend Lebensmittel ^), und damit sie ja nichts ent- behren sollten, Aveidete 'Ämir b. Fohayra seines Herrn (des x\bü Bakr) Heerden in der Umgebung und versah sie am Abende mit Milch. Die Korayschiten setzten einen Preis von 100 Kameelen ^) auf den Kopf des Propheten, aber alle Nachforschungen waren vergebens. Der bestellte Weg- weiser hiefs 'Abd Allah b. Arkat aus dem Stamme Doyal b. Bakr. Er war ein Heide, aber treu und zuverlässig. Beim Anbruch der Nacht, nach dem dritten Tage, brachte er drei Kameele, wovon der Gottgesandte das eine, dessen

•) Bocliäry S. 553.

') Tabary S. 187 u. 189.

') Das Wasser trägt man im Orient in einem Schlauch, und das Essen in einem Leder, das man zusammenschnüren kann wie einen Beutel. Asmä hatte keine Schnur, den Schlauch und das Le- der, welches die Speisen enthält, zu verbinden, und sie nahm ihren Gürtel, rifs ihn entzwei und bediente sich der Stücke zu diesen Zwecken; deshalb wird sie Dzät alnitak;ayn „die Frau mit den zwei Gürteln" genannt.

*) Nach Ibn Aby Schayba: vierzig Unzen [Goldes] = 172^ Napoleon.

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Freund iiTid 'Amir das andere und der Führer das dritte besti eg.

Die Höhle, in der sie sich aufgehalten hatten, liegt nicht auf dem Wege nach Madyna, sondern in der entge- o-eno-esetzten Kichlunor, anderthalb Stunden südlich von der Ka'ba, zu orberst auf dem hohen Berge Tha^vr. Sie gin-

o-en auf ihrer Heise das Thal hinunter und der Meeres-

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küste zu, Avelche sie unter 'Oslän erreichten, dann setzten sie ihren Weg durch Einöden nach Madyna fort ^).

Auf dem Wege fehlte es Aveder an Abenteuern noch an Wundern ^). Kaum waren vierundzwanzig Stunden ver-

') Der Weg wird von Ibn Ishäk, S. 332, Ibn Sad, fol. 44, Tabary, S. 193, und Ibn Chordädbeh, Geographie, Ms. Oxford, S. 131, beschrieben.

Seine Familie liefs Mohammad zurück. „Als er sich zu Ma- dyna in dem Hause des Abu Ayyub aufhielt, in welchem er sieben Monate verweilte, schickte er den Häritha und Abu Räfi' mit 500 Dirham zu den Makkanern und sie brachten ihm seine zwei unver- heiratheten Töchter, Fätima und 0mm Kolthüm, und seine Frau Sawda bint Zam'a nach Madyna. Seine an Othmän verehelichte Tochter Rokaya war mit ihrem Manne nach Madyna gekommen, und Zaynab wurde von ihrem Manne gewaltsam in Makka zurück- gehalten. Häritha nahm bei dieser Gelengeheit auch seine eigene Frau 0mm Ayman und seinen Stiefsohn Osama b. Zayd nach Ma- dyna." Ibn Sa'd fol. 46 r.

^) Die Wunder sind albern. Obschon Abu Bakr für einen Füh- rer gesorgt hatte, wurde die Reisegesellschaft doch auch von einem Ginn begleitet, der den Weg zeigte. Später als die Moslime den Wundern Christi noch bessere entgegenstellten, liefsen sie ihrem Propheten einen Stern vorleuchten. 'Oyün alathar S. 57.

Es wird auch erzählt: Mohammad melkte auf dem Wege eine gälte Ziege oder Ewe und erhielt soviel Milch als er und seine Be- gleiter bedurften. Ibn Aby Schayba S. 37 theilt eine Geschichte mit, aus welcher dieses Wunder entstanden zu sein scheint: Abu Bakr bereitete für den Gottgesandten nach dem ersten Ritt ein sanftes, schattiges Lager, dann lief er zu einem Schäfer, erhielt Schaafmilch von ihm und brachte sie dem Mohammad. Nachdem sie sich ge- stärkt hatten, machte er ihn auf die Gefahr eines zu langen Auf- enthaltes aufmerksam, worauf sie weiter ritten.

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flössen , seitdem der Gottgesandte und Abu Bakr ihren Schlupfwinkel verlassen hatten, als letzterer einen Mann zu Pferde ihnen nacheilen sah. Er machte den Moham- mad darauf aufmerksam und dieser sagte: Wir werden ver- folgt! o Gott, lafs den Frevler vom Pferde stürzen. Das Rofs stellte sich wiehernd auf die Hinterfüfse und der Rei- ter lag auf dem Sande. Soräka, so hiefs dieser, rief: 0 Prophet Gottes, ich bin bereit zu thun, was du befiehlst. Mohammad antwortete: Bleibe hier und sorge dafür, dafs uns Niemand einhole. Soräka war somit am Morien ein Widersacher und am Abend eine Burg für den Pro- pheten ^).

Diese Erzählung ist später ausgeschmückt und zum Wunder erhoben Avorden. Da Mohammad selbviert und Soräka allein war, so kann man dem Erfinder des Wun- ders nicht den Vorwurf machen, dafs er dem Propheten und seinen Beerleitern wegen ihres Muthes schmeicheln wollte.

Bei Chirrär begegnete dem Mohammad sein Jünger Talha, welcher soeben von einer Handelsreise aus Syrien zurückkam. Dieser grab ihm und dem Abu Bakr syrische

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Kleiderstoffe 'i^^ v'rv^' zum Geschenk und benachrichtigte sie von der Sehnsucht, mit der sie in Madyna erwartet würden ^).

Endlich Avird von Abu Bakr noch ein Witz erzählt: Da er öfter in Geschäften nach wSyrien gereist war, kann- ten ihn die Leute auf dem Wege und fragten ihn, wer sein Reisejjefährte sei? denn Mohammad war den Leuten nicht bekannt. Abu Bakr antwortete: Er ist mein Führer, der mich auf den richtigen Weg leitet. Selbstverständlich

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meinte er sein geistlicher Führer.

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') So lautet die Erzählung des Ihn Sa'd, fol. 45, von Anas b. Mälik.

=) Ibn Aby Schayba, S. 43, und Ibn Sa'd, fol. 220. Nach Bochäry, S. 554, war es nicht Talha, sondern Zobayr.

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Der Prophet erreichte Koba, ein Dorf ganz nahe bei Madyna, während der Mittagszeit am 14. Sept. 622, und nahm daselbst für einige Tage sein Absteigequartier. Die Gläubigen waren ihm jeden Morgen entgegengegangen, begaben sich aber, wenn die Hitze zunahm, in ihre Woh- nunii^en zurück, denn sie erwarteten, dafs er früh Mor- gens ankommen würde. An dem Tage, an welchem er Kobä erreichte, hatten sie sich schon zurückgezogen, und es war ein Jude, welcher ihn von einem Thurme zu- erst erblickte und sein Herannahen verkündete ^). Die Gläubigen ergriffen sogleich ihre Waffen, um ihn würdig zu empfangen.

') Dies ist die gewöhnliche Erzählung. Dem Moslini Bd. 2, S. 536, dem Abu Ma' schar und dem Ibn Barky (bei Nur alnibräs) zufolge erreichte Mohammad Koba in der Nacht. Seine Ankunft ist wohl nur deswegen auf Mittag versetzt worden, auf dafs ihn ein Jude zuerst sehe und die Koränstelle gerechtfertigt werde: ^Die Juden kennen ihn besser als sie ihre Kinder kennen".

Das Datum der Ankunft wird im folgenden Bande weiter be- sprochen werden.

Ende des zweiten Bandes.

Gedruckt bei Ä. W. Schade in Berlin, Stallschreiberstr. 47.

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Das Leben und die Lehre des Mohammed

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