BE a ee rg P- ae En * EL Hat LEHRE vos HAAREN IN DER GESAMMTEN ORGANISCHEN NATUR. Vollständig bearbeitet = von Dr, Burkaıarvy Eble, k. k. Ober - Feldarzte, Prosector der medicinisch - chirurgischen Josephs- Akademie, und Mitglied der kaiserlich - Leopoldinisch - Carolinischen Akademie u der Naturforscher. Bi ; Lweyter Band. Haare dies Menschen: Mit 44 Abbildungen. Wi ıen, 1831 N err.la g von:I9@G Heubnei eutus; ultra enim, quo prog Kal, quam ut veri habeo, ® Inhalt des zweyten Bandes. Dritte Abtheilung. Von den Haaren des Menschen. A. Naturhistorisch-anatomischer Theil. Seite Desniios des Menschenhaars - - - - - 3 Organisation desselben = - - - - - 7 1. Der Balg - - - - - - - —_ 2. Die Wurzel oder Zwiebel - - - - - 10 3. Der Haarcylinder - = - - a - 19 a) Die Rindensubstanz - - - - - - 22 b) Die Marksubstanz - - - - - - 26 Figur des Haars - » - - - - - 32 Vorkommen, Länge, Eintheilung und Benennung der Haare - 34 Weichheit, Härte, Biegsamkeit und Sprödigkeit, Glätte, Glanz Rauhigkeit, Dicke, Stärke und Kräuselung der Haare N.n 48 Menge der Haare - - - - - - - 54 Farbe der Haare - - - - - - - 57 Chemische Eigenschaften der Haare - - - - 61 Verschiedenheit der Haare nach dem Alter und der Entwicklung 7 - - - - - Geschlechte - - 79 - - - E - Temperament und der Con- ’ stitution - - 82 - - - - der Lebensart - - S 84 Klimatische und nationale Verschiedenheit der Menschenhaare - 86 B. Physiologischer Theil. Einleitung | a = = B R = ; 96 Erstes Hauptstück. Ueber die verschiedenen Ursachen der organischen Eigenschaften der Menschenhaare. Von der Entstehung und Materie des Haars - - - 99 Lebensprocess der Haare - - - - - - 115 Wachsthum = - e = > = - - 123 Gerade und krause Haare - - = - - = Ursache der Weichheit, Härte, Biegsamkeit, Sprüäigkei, nr Stärke, Glätie - . - - 1355 Ueber das färbende Princip ın den Haaren = - - 156 . IV I”"n Ba I, Zweytes Hauptstück. Von den eigentlichen Verrichtungen der Haare. Seite I. Von ihren allgemeinen oder Hauptverrich- tungen - - - - - - 148 Von der Einsaugung gewisser Stoffe durch die Haare - - Si Von der Ausdünstung durch die Haare - - e N 155 Von der electrischen Spannung in den Haaren - 4 2 165 11. Von den speciellen ua der Men- schenhaare - - - - - 166 Sie dienen zur Bedeckung und zum Schutze der Theile - — Sie sind eine Zierde des Körpers - - - 3 A 169 Haarmoden bey verschiedenen Völkern - = - - 181 Sie sind Leiter für das Gefühl - = - Y - 190 III. Von den besondern Zwecken, welche durch die Haare einzelner Gegenden des Kör- pers erfüllt werden - - - - lg; Drittes Hauptstück. Ueber die physiognomische Be- deutung der Haare - - - - 196 Nachträgliche vermischte Bemerkungen = - = - 209 Schlussbemerkungen - E : - E - 214 C. Pathologischer Theil, oder von den Krank- heiten der Haare. Einleitung 2 E R M : R 8 - 217 Von der diagnostischen Würde der Haare = - E 219 Erste Abtheilung. Von den dynamischen Krank- heiten, und zwar I. Von den Krankheiten der organischen Bildung in den Haaren. A, Abweichung des Bildungsprocesses - - 229 a) Ueppigkeit des Bildungsprocesses —- Von der Ueberzahl an Haaren, Hypertrichosis, und ihrer zu frühen Entwicklung E B E = - — Heilung dieser Fehler . 2 £ D £ h 237 b) Mangelhafter Bildungstrieb - - 244 Von der Dürftigkeit und dem Mangel an Haaren, und von der verspäteten Entwicklung derselben, Oligotrichia und Atrıchia 2 £ s Ä c) Qualitativ-abnormer Bildungstrieh 248 Von der Federnkrankheit, Ptilogenesis - - 2 = B. Von der Entzündung der Haarzwiebel und des Haarbalges, Tricho-bolbitis und Tricho-cystitis - - = : 5 249 a Era C. Von der Atrophie der Haarzwiebel, er bulbı - - B a) Von dem AE en der RO, MW nacen Defluvium pilorum - - - = Aetiologie dieser Krankheit - - - - - - Vorhersage - - - - - - - e Heilverfahren - - & - - - - Mittel dagegen - - - - - - Fortsetzung - = - - - - - Fortsetzung. Heilmittel der ältern Aerzte - - b) Von dem Abflallen der Cilien und Augen- braunen, Lapsus ciliorum etsupercilio- rum, Ptilablephara s. Ptilosis - = D. Regelwidrige Ab- und Aussonderungen der Haare - - - - - 1. Abnorme ee des Pigments oder krankhafte Farbe der Haare a) Von der Leucopathie oder dem Albinoismus - S b) Von dem krankhaften Ergrauen der Haare, Ganities s. Poliosis - - - - - - Actiologie dieser Krankheit : - Prognose - - e - - - - a Behandlung & - - = 2 2 2 ce) Von dem Ueberschuss des Pigmentes in den Haaren d) Von der qualitativ-abnormen Beschaffenheit des Pigments - e) Von dem Farbenwechsel der Haare - = - 2. Zu starkeund zu schwache Aussonderung der Haarschmiere, Liparotrichia und Xero- trıchia e = s = R fr 3. Vondem Weichselzopfe, Plica polonica, mor- bus sui generis “ - = Einleitung - = a : : & hi . Bestimmung der Krankheit - 2 = x = Benennungen derselben - R a 4 Vaterland und Ausbreitung des Weichselzopfs - Ursprüngliches Aufıreten desselben - E Eintheilung ın einen wahren und falschen - - Beschreibung des wahren - - 2 2 R Veränderungen in den erkrankten Haaren - Sitz der Krankheit - = e = Beschaffenheit der Nägel ın dieser Krankheit - Stadien des Weichselzopfes - - & E 2 Verhältniss der Vorboten zur ausgebrochenen Krankheit Schwierigkeit der Diagnose - - - - - Complicationen 2 e : k Aetiologis R ä e V Seite 251 252 257 270 273 211 279 290 VI BR. mi Ba Akt. Vorhersage - - - - = E 4 N Behandlung - . : 3 B 3 N 2 Ueber das Abschneiden der trıchomatösen Haarmassen - Prophylaxis dieser Krankheit - e - % N Weichselzopf der Thiere - > - i { 3 Ühemische und microscopische Untersuchung der Haare in die- ser Krankheit = - E 5 E I. Von der abnormen organischen Bewegung der Haare = - - - - - - Zweyte Abtheilung. Von den Organisation Fehiern der Haare. — Von den Verletzungen ihres organischen Zusammen- hanges a = 8 m = % = A. Von dem Gespaltenseyn der Haare, Fissura capillorum, s. Schizotrichia, s. Setruncatio pılorum - B. Von der Milbenkrankheit, Tinea pılorum - - II. Von der regelwidrigen Grösse, Gestalt und Rich- tung der Haare - e a a ä & A. Von der zu starken Dicke der Haare, oder der Borstenkrank- heit, Chaitosis, und der abnormen Dünnheit derselben, Leptotrichiıa = - - _ - B. Von den krankhaften Auswüchsen, Knoten u. dgl. - = C. Von der zu starken Kräuselung und Schlaffheit der Haare D. Von der fehlerhaften Richtung der Haare - II. Von der regelwidrigen Verbindung der Haare unter sich, oder von dem Verwirrtseyn dersel- ben, Trichoma = & N 2 3 D AU BE A a aha I. Ueber das Abschneiden der Haupi- und Barihaare ım gesun- den und kranken Zustande des Menschen E - II. Ueber regelwidrige Haarbildung an den verschiedenen Thei- len des menschlichen Körpers e 5 = 1. An der allgemeinen Decke - - 2. An den Schleimhäuten : - - - 5. An den serösen Häuten 4. An den fibrösen Häuten - - - - 5. In Bälgen - 2 - - - II. Ueber die nachtheiligen Folgen, welche durch den Gebrauch fremder Haare für die Gesundheit entsiehen können - Literatur der Menschenhaare - - - Erklärung der Abbildungen 571 © u Dritte Abtheilung. Menschenhaare. ar , IT 6.75 © ER = LIBRARY 157 A. Naturhistorisch - anatomischer Theil. $. 108. Definition des Menschenhaars. Win ich bey der Bestimmung des Begriffs eines Thierhaars einigermassen verlegen war, so lag diess in der ungeheuern Manichfaltigkeit aller jener Gebilde, die man mit dem angeführten Namen belegen kann. Diese unange- nehme Beschränkung fällt jetzt hinweg, wo wir es mit einem Individuum, noch mehr, wo wir es mit dem Meisterstücke der organischen Schöpfung, dem Menschen, zu thun ha- ben. Desshalb schreite ich ohne Zaudern zu der Erörterung des Begriffs eines Menschenhaars. Man versteht unter den Haaren des Menschen mehr oder wenigerlange, im Verhältniss zu die- ser Länge sehr dünne, meist cylindrische und glatte, an ihrem einen, untern, etwas diekern und weichern Ende festsitzende, andemandern, freyen und harten Ende zugespitzte, verhältnissmässig starke, harte, elastische, biegsame, unempfind- liche, hygrometrische, idioelektrische und un- verwesliche, hornartige Fäden, dieim Normalzu- stand nur auf der äussern Haut vorkommen, wel- che sie, mit Ausnahme desobern Augenliedes, der hohlen Hand, der Rückenfläche der letzten Pha- langen, der Fusssohle, so wie auch der innern Flöä- er his A Definition des Menschenhaars. che der Vorhaut, und der Eichel und Glitoris, durchaus bekleiden. Anmerkung 1. Um älle wesentlichen Eigenschaften, wodurch sich ein Menschenhaar auszeichnet, zusammenzustellen, musste die De- finition etwas breit ausfallen. Dennoch glaube ich damit besser gethan zu haben, als wenn ich die Haare bloss eylindrische Körper genannt hätte, die mit einem Knötchen in der Haut festsitzen ; weil ich eine Monographie der Haare, und kei- nen Artikel für ein Handbuch schreibe. Anmerkung 2. Nach Plater *) ist nicht einmal die flache Hand frey von Haaren, sondern diese erscheint nur so glatt, weil die Haare sehr klein sind, und immer abgerieben werden. Anmerkung 3. Die Härte des Haars zeigt sich hinlänglich , wenn man mit einem längern Haar einen Finger umwickelt, und es dann anzieht, oder wenn man mit kurzen Haaren (z. B. einem kurzen Barte) sticht oder kratzt. Anmerkung 4. Dass das Iaar diejenige Lage und Richtung, welche es durch Natur oder Kunst erhalten hat, immer wieder annimmt, sobald die sie verändernde Kraft zu wirken aufhört, beweiset seine Elasticität. Diess sieht man augenscheinlich beym Lockenwinden und bey den Versuchen, die zur Stirne herabhangenden Scheitel- haare hinaufzustreichen. Anmerkung 5. An der Biegsamkeit der Haare kann wohl Nie- mand zweifeln. Auch hat der Mensch vor vielen Thieren das Eigene, dass er lauter sehr biegsame, also weder Borsten- noch weniger Stachelhaare hat. Anmerkung 6, Dass die Haare idioelektrisch sind, zeigt sich auffallend beym Streichen derselben im Finstern, wo man einen leuchtenden Schein wahrnnimmt. Man findet in den ältern Schrif- ten eine Menge Beyspiele aufgezeichnet, dass unier dem Kämmen gleichsam feurige Funken aus den Haaren gefahren sind. Mehrere Beobachtungen von Menschen, aus deren Haaren beym Reiben Funken hervordrangen, haben auch Bartholın *) und Kopp ***) gesammelt. Treviranus kannte ebenfalls einen an der Epilepsie leidenden jungen Mann, dessen Haare beym Käm- men Funken sprühten. Nebstbey findet man solche Beobachtun- gen bey Cardon ****), Scaliger }), Bartholin j}), Pet. *) Observat. 1, 3. p. m, 575. **) De luce animalium p. 54, 57, 110 und 121. **#) Ausführliche Darstellung und Untersuchung der Selbstverbrennung des menschlichen Körpers p. 73. *##**) De rerum varietat. I. VIII. c. 43. ‚ }) Esercitationes 174. 44) Centur. III. hist. 37. Definition des Menschenhaars. 5 Joan. Faber *), Nieremberg **); ferner bey Petrus ä Castro **) und Sachsıus ****); und in den Ephemerid, nat. Curiosor.t). — Alle die hier aufgezeichneten Fälle von leuchtenden Haaren gehören jedoch zu den Seltenheiten, und so- mit zu den Ausnahmen; dagegen hat wohl jedermann dieselbe Be- obachtung schon öfters bey manchen Thieren, und namentlich den Katzen gemacht. — In Bezug auf den galvanischen Reitz zählt Humboldtjf) die Haare mit allen jenen Theilen, welche ihren Mischungszustand nach der Trennung vom Ganzen wenig oder gar nicht ändern, zu den isolirenden Körpern, und setzt sie in die Scale der unwirksamen Zwischenglieder. oder der isolirenden,, störenden Substanzen für das galvanische Fluidum. Anmerkung 7. Wenn die Haare nicht hygrometrisch wären, d. h. wenn sie nicht die Feuchtigkeit der Atmosphäre anzögen, hätte sich Herr v. Saussure +}f) zu seinem Hygrometer nicht eines weichen, schlichten, wo möglich blonden Haares, (welches aber erst wegen der anklebenden Fettigkeit in einer Aul- lösung von 73 Scrupl. Soda und 30 Unzen Wasser 30 Minuten lang gekocht, im kalten abgespült, und an der Luft getrocknet werden muss) bedienen können. Ein solches Haar dehnt sich dann von der grössten Trockenheit bis zur grössten Feuchtigkeit um 0,024 bis 0,025 seiner ganzen Länge aus. Uebrigens war schon Aristoteles der Meinung, dass die Haare hygrometrisch seyen, und dass sie nicht allein Feuchtigkeit aus derLuft, sondern auch aus dem eigenen Körper anzögen. — So wie sie sich also durch die Feuchtigkeit verlängern, indem sie anschwellen, so ver- kürzen sie sich dann umgekehrt bey trockener Wärme, und diese Ausdehnbarkeit im trockenen Haar verhält sich zu jener des feuch- ten Haars nach Haller wie 5:35. — Aeusserst merkwürdig ist es aber, dass diese Eigenschaft selbst noch die Haare derMnmien besitzen, wie uns Pictet}jff) ausGenf berichtet, welcher das Haar einer Mumie, die man daselbst aufbewahrt, neben einem andern frisch zubereiteten, in ein Hygrometergestell einspannte, das so entstandene Doppelhygrometer mehrere Mal die ganze Scale durch- *) In Pallad. Spagyr. cap. 14. **) Histor. natur. lib, 1. c. 7. ***) De igne lambente. *#**) Ampelograph. curios. lib. 11. $, 7. ce. 2. p. 492. +) Ann. 1. Obs. 123. Schol. +}) Versuche über die gereitzte Muskel- und Nervenfaser I. Bd. p. 162, 133. Ir) Essais sur l’hygrometrie. 1765. Deutsch Leipzig 1784. 8. fir) Bibliotheque universelle Dec. 1824 und Baumgärtner’ und r. Ettingshausen’s Zeitschrift für Physik und Mathematik Bd. 1, 1526, p. 46". 6 Definition des Menschenhaars. gehen liess, und keinen andern Unterschied bemerkte, als dass sich das Mumienhaar etwas später ins Gleichgewicht setzte, viel- leicht bloss darum, weil es nicht durch Lauge vorher gereinigt worden war, Anmerkung8. Wer endlich je schon einmal ein altes Grab besucht, und die darin vermoderten Leichen betrachtet hat, wird gewiss die Haare beynahe noch ganz unversehrt gefunden haben. Denn frey vom Zutritte der atmosphärischen Luft lassen sie Jahrhun- derte an sich vorübergehen, ohne im Geringsten verändert zu erscheinen. Auch faulen sie weder an der Luft noch im Wasser. Daher darf man die Angabe nicht für übertrieben halten, dass z. B. ein über 180 Jahre in einern Gewölbe gestandener Sarg bey der Eröffnung nur noch ein Büschel Haare und ein Paar Sporen ausser der Asche enthielt. — Doch gilt die Unverweslich- keit nicht von allen Haaren, und es finden auch Grade der- selben Statt. Die sogenannten Hauthaare oder die Wolle, gehen so wie auch die langen und weichen bald in Fäulung über. Die biegsamen und doch harten Haare, z. B. am Haupte und Barte erhalten sich ebenfalls länger als die Nasen-, Ohren-, Achsel- und Schamhaare. Auch die blonden gehen früher in Fäulniss über als die dunkelgefärbten ; dasselbe gilt von den Haaren der Kinder, im Vergleich zu denen des mittleren und hohen Alters. Eines der merkwürdigsten Beyspiele der Unverweslichkeit der Haare gibt folgende Geschichte von dem Leichnam der Tochter Cicero’s, wie selbe Gabriel de Zerbis*) beschreibt: „Nos „vidimus et tetegimus Romae cadaver mulieris in via Appia ex op- „P0sito viae, ubi erat sepultura Ciceronis, et’ideo existimatum „fuit apluribus, illud esse tum cadaver Tulliolae, Ciceronis filiae- „tilectissimae, sicut per inscriptionem potuit intelligi: quod ca- „daver de tumulo extractum, in quo maxima parte myrrhae et de- „mum mumiae praeservatum ereditur a corruptione a temporibus „Ciceronis usque ad Sixtum IV. Pontificem maximum ; quod tem- „pus subsequenter fuit usque prope annum 15tum, cujus cadaveris „inerantcapilliconservati et ornati in infula aurea, ut mo- „Tis erat eo tempore. Quod quidem cadaver, quod etiam a tota com- „munitate curialium visum fuit, remotum a loco illo, et Romamı „delatum, in tribus diebus remoto conservante putruit, et ad demix- „tionem elementorum divenit.“ Es blieben also diesem gemäss die Haare von Cicero’s Tochter bis zu den Zeiten des Papstes Sixtus, ja nach Andern **) sogar bis zu denen des Papstes Paul IIl., also volle 1500 Jahre unversehrtim Grabe. — Eine ähnliche Beobachtung soll auchAnd. Gryphius ***) an einer Mumie zu Bresslau gemacht *) Liber anatomicus corp. hum, sub titulo: Anatomia capıllorum fol»15. **) Fortunat. Licet. de Lucern. antiquitat. hib. I. c. 2. p. B et lıb. IV, c. 4. p. 267. — Alexander ab Alex. Diero Genual, lib. 111. c. 2. ***) In Mumiis Vratislav. p. 40, Organisation des Menschenhaars. 7 haben. Tertullian *) schrieb wahrscheinlich von Carthago, dass nach 500 Jahren die Knochen noch feucht und die Haare noch rıechend (olentes) gefunden wurden. Im Jahre 1827 wurden auch in Amerika und zwar am Fusse eines Berges unfern Arica in Peru die Körper einer Frau und eines Kindes in einem mumienartigen Zu- stande gefunden, und vomDr,Hamett nach England geschickt, Die Haut des Körpers hatte das Ansehen von trockenem Leder; das schwarze Haar war wohl erhalten und in lange Zöpfegeflochten, wel- che über der Brust zusammengedreht waren. Ein anderer Kopf ei- ner Indianerinn,, der ebendaselbst gefunden wurde, und der gleich dem vorigen nach dem besonderen Bau des Schädels einem Urein- wohner von Südamerika angehören musste, hatte noch glänzendes, wohlerhaltenes, ungemein schwarzes, schlichtes, grob und fest zu- sammengeflochtenes Haar **). Auch ich hatte durch die Güte desHrn. Directors von Steinbüchel Gelegenheit, die Haare von ei- nem 3000 Jahre alten Mumienkinde aus Aegypten zu untersuchen. Sie waren durch die harzige Masse, womit der Körper einbalsa- mirt worden, ganz an die Haut wie angeleimt, und nur durch die grösste Sorgfalt gelang es mir, einige vor ihnen mit der Wurzel auszureissen. Um sie sodann unter dem Microscope näher unter- suchen zu können, löste ich den harzigen Ueberzug zuerst in Weingeist auf, wodurch die Haare alsbald ihre Sprödigkeit ver- loren, und, wie ganz frische, biegsam wurden. (Was also Herrn Dr. Fricke in Hamburg nicht gelang, gelang mir durch Auf- lösung der Harzmasse in Weingeist.) Sie zeigten auch unter dem Microscope ganz denselben Bau noch, und ihre roihe Farbe scheint nur von der Balsamirmasse herzurühren, oder sollte die- ses Kind zu jenen in Aegypten damals für unglücklich gehalte- nen Geschöpfen mit angebornen roihen Haaren gehört haben? — CGuvier berichtet auch, dass man in neuern Zeiten am Eismeer unter dem Eise elephantenartige Thiere mit Haut und Haare ge- funden habe, wobey vorzüglich letztere gut erhalten waren. Tab. X. Fig. 123, 124 gibt eine genaue und getreue Ansicht von dem Mumienhaar. $. 100- O’nsanısatııon, Die Eintheilung des Haars ist hier dieselbe, wie beym Thierhaar,, nämlich a) in den Balg, und b) in das eigentliche Haar, welches dann wieder in seine Wurzel oder Zwiebel und den Haarschaft zerfällt. Der Balg oder die Kapsel (Sacculus s. *) L. de resurrectione carn. de p. 65. "*) The New Monihly and London Magazine Nr, CXYII, Sept.1. 1830. B Organisation des Menschenhaars. “ Capsula buldi) bildet hier bloss ein feines häutiges Säckchen, das so dünn ist, dass es das enthaltene Haar sammt der Zwie- bel deutlich durchscheinen lässt, wenn man es von den um- gebenden Theilen gehörig isolirt hat. Die Lage dieses Säck- chens gegen die umgebenden Theile ist ganz dieselbe, wie ich früher von den Tasthaaren des Ochsens angegeben habe, obwohl sehr feine Haare sich nicht selten nur bis zur Leder- haut, also nicht in die Fetthaut erstrecken. — Die Figur des Säckchens ist länglichrund, wesshalb es von andern auch ein cylindrischer Canal genannt wird. Seine Länge ist nach den Theilen, aus welchen das Haar entspringt, verschieden, ungefähr von 4, 2—35 Linien. Bey dicken Personen, oder an sehr fetten Gegenden des Körpers hat es oft einen Längen- durchschnitt von 4 — 5 Linien. Bey den Gilien ist es kürzer, als bey den übrigen Haaren. Meine Versuche, über die Na- tur dieses Balgs genauere Resultate zu erhalten, scheiterten fast ganz an der Zartheit und Kleinheit des Gegenstandes. Es eignen sich hierzu zwar am besten die Bälge der Augen- wimpern, Bart- und Schamhaare; allein man ist schon gar nicht im Stande, den ganzen Balg rein, d. i. ohne das um- gebende Zellgewebe der Fett- und Lederhaut herauszubrin- gen, und desshalb erscheint er isolirt nie gleichartig rund, sondern von ungleichem Dickedurchmesser an verschiedenen Gegenden. Auch seine äussere Seite fand ich jederzeit ziem- lich glatt und glänzend, obwohl ich nicht zweifle, dass diess an seiner innern, dem Haar zugekehrten Fläche in höherm Grade der Fall seyn werde. Ich gab mir sehr viele Mühe, den fleischigen Körper, oder so etwas Aehnliches zu entde- cken, muss aber der Wahrheit gemäss bekennen, dass es mir nie nach Wunsche gelang, die innere Fläche des Balgs bloss zu legen. Ich kann daher nicht entscheiden, ob wirklich ein ähnlicher Körper in der von dem Balge ge- bildeten Höhle enthalten ist, wie wir es bey den Tasthaaren gesehen haben; denn der Balg erschien mir immer gegen Vermuthen dicker, und ganz an das Haar anliegend, so dass ich oft auf den Gedanken kam: es sey gar keine Höhle vor- handen. Dagegen streitet jedoch die Erfahrung, indem man das Haar ganz rein und leicht aus dem Balge herausziehen kann, ohne diesen an der Seite zu verletzen. Es ist mir also wahrscheinlich, dass der Balg an und für sich ein sehr dün- nes Häutchen, und nach innen mit einem etwas festern Ge- Organisation des Menschenhaars, 9 webe (ähnlich dem fleischigen Körper der Tasthaare) in der genauesten Verbindung sey; welches Gewebe wieder nur durch ausserordentlich feines Zellgewebe (oder vielleicht mittelst eines eigenen Häutchens, das den Haarcylinder scheidenartig umgibt?) mit dem Haar selbst in Verbindung tritt. Diese Verbindung ist jedoch so fein und locker, dass sie nur ver- muthet, nicht aber dargestellt werden kann; denn so viel ich auch in dieser Absicht Haare herausriss, so sah ich doch stets den in der Kapsel steckenden Schafiheil ganz unver- sehrt, und ohne alle Anhängsel mit Ausnahme der Zwiebel, welche an ihrem untern abgerundeten Ende fast jederzeit deutliche Spuren von gewaltsamer Trennung, d. h. melır oder weniger sichtbare Eindrücke und hervorstehende Fäd- chen — an sich trug. Ich kann daher auch von einer wirk- lichen und nachweisbaren Verbindung der Kapsel mit dem Haar nur an dem benannten Orte — dem Anfang der Zwie- bel nämlich sprechen. Von diesem Endpunkte an ist das Haar entweder nur scheidenartig umgeben, oder nur durch so zarte Fäden mit dem Balge verbunden, dass sie sich nicht darstellen lassen. Selbst da, wo der Sack in die Oberhaut übergeht, also am Austritt des Haars aus dem Balge, schliesst sich dieser zwar an letzteres an, ohne jedoch mit ihm zusanı- menzuhärgen. Es ist daher eine viel zu wenig bestimmte An- gabe, wenn man von Bändern spricht, welche die Zwiebel der Menschenhaare mit der Kapsel verbinden, und bey dem Ausreissen des Haars von der Kapsel abgerissen, und gröss- tentheils an der Zwiebel hängen sollen*) Ganz übertrieben ist es aber, wenn man sogar die Zahl dieser Bänder auf 4—6 bestimmt, und ihren Lauf so beschreibt, dass die kleinsten in gerader, die längern aber in einer geschlängelten Linie gehen, und auf den verschiedenen Seiten der Zwiebel in ungleicher Entfernung stelien sollen. Man sieht der ganzen Sache wohl an, dass sie ihren Ursprung grösstentheils der vermutheten Analogie, die zwischen Menschen- und Tasthaaren besteht, dankt. Eben so schwer als Bichat war es auch mir trotz wie- derholter Versuche, eine Flüssigkeit zwischen der Kapsel und Zwiebel nachzuweisen, wie sie der schon genannte Dr. Jahn**) und so viele seiner Vorgänger so ohne alles Bedeuken *) Dr. Jahn’s Haararzı. 1 Bd. Prag 1828. p. 9. FEAR AO. p. 10. 10 Organisalion des Menschenhaars. hinstellten, dass man versucht wird, selbe in beträchtlicher Menge zu vermuthen, da ihr Daseyn doch kaum aus dem schlüpfrigen und glänzenden Ueberzug der herausgerissenen Zwiebel und der innern Fläche des Balgs vermuthet werden kann. — $. 110. Das Haar selbst aber beginnt mit einer kleinen knollen- artigen Anschwellung, welche Wurzel oder Zwiebel (Radix s. Bulbus, nach Andern auch Bulbus interior, Corpus ovale, Radix bulbosa crinis, Membrana glandulosa) genannt wird. Es ist leicht einzusehen, dass diess wohl der wichtigste Theil des Haars ist, und diess mag Ursache seyn, warum diejeni- gen, die sich mit der Anatomie der Haare beschäftigten, ıhr hauptsächliches Angenmerk stets auf dieZwiebel richteten. — Im Ganzen ist die Consistenz der Haarzwiebel fleischig, ihre Farbe bald röthlich, bald graulich, bald auch schwärz- lich, und zieht immer etwas von der des Haares selbst an. Die Form ist im Allgemeinen oval, keulenförmig, weil sich das obere Ende in das eigentliche Haar verlängert, oder sich in dasselbe gleichsam verliert; doch findet man auch hier nach der Verschiedenheit der Körpergegend, in welcher die Zwiebel steckt, mancherley Abweichungen, wovon sich ein Jeder durch aufmerksame Vergleichung der Figuren 4145 — 455 überzeugen kann. Ich fand sie wirklich keulenförmig am Haupt- haar, an den Augbraunen, an den Brust- und Achselhaaren. Noch mehr in die Länge gezogen sind die Wurzeln der Backenbart -, Ohren- und vorzüglich der Fingerhaare, kugel- artig sah ich sie bey dem Gilien, den Nasen -, Barthaaren aus dem Kinne, und den Schamhaaren. — Die der kleinern Kör- perbaare sind alle länglich, und mit dem Haarschaft fast gleich dick. Am Milchbart) sind sie nach Withof*) schlank; eben so zeichnet sie auch Ludwig**). Bey dieser Bestim- mung muss ich auf einen Umstand aufmerksam machen, der hier entscheidend ist. Ich setze voraus, dass jeder, der die wahre Figur einer Haarzwiebel erkennen will, dass Haar sammt der Zwiebel ganz genau isolirt. Diess kann ganz wohl durch *) Anat. pili hum. p. 371. **), Hum, cut. inune ii. 72 E27 Organisation des Menschenhaars Al ein kunstgemässes Ausreissen geschehen. Man darf jedoch nach diesem Acte nicht einen Augenblick Zeit verliereu, sondern muss die isolirte Zwiebel auf der Stelle unter das Microscop bringen, weil sie alsbald ihre ganze Figur dadurch ändert, dass sie wahrscheinlich durch Verdünstung der in ihr ent- haltenen Flüssigkeit, oder durch Einwirkung der atmosphäri- schen Luft einschrumpft, und sich gewöhnlich nach einer Seite umbiegt. Wer also diesen Moment übersieht, der be- kommt eine falsche Ansicht von der Figur der Zwiebel; und ich werde wohl nicht irren, wenn ich glaube, dass manche Naturforscher auf diese Art hiniergangen worden sind. — Die so ausgerissene Zwiebel erscheint Anfangs glänzend und schlüpfrig, welches wohl von einem serösen Dunste her- rühren mag, der sie in der Kapselscheide umgab. Wenige Augenblicke der Luft ausgesetzt verdunstet oder vertrocknet dieser die Oberfläche nur überziehende , tropfbar flüssig ge- wordene Dunst, und der Glanz der Zwiebei verschwindet mit ıhm. — Ich komme nun auf die genauere Beschreibung der Zwiebel selbst. — Schon gegen Ende des 47. Jahrhunderts beschrieb Chirac*) zwey Häute des Bulbus, nämlich 4. eine äussere festere, aus tendinösen Fasern zusammengesetzte, die sich mit dem untern Ende der Zwiebel zu einem Bündel ver- einigt, und die er als die Wurzel des Haars betrachtet; und 2. eine innere, weichere, der Rindensubstanz des Hıirns ähn- liche, drüsige Membran, die Malpighi Corpus ovale, W it- hof Corpus molle, pultaceum, und Winslow Espece de glu ou la matiere medullaire nannte. Nach Gaultier **) besteht die Zwiebel aus drey T'heilen : 4) aus einer äussern, ovalen, undurchsichtigen, perlenmut- terartigen Kapsel, die gegen die Haare zu immer enger wird, sich mitsihr fortsetzt, nach oben das Haar durch- treten lässt, und an der entgegengesetzten Seite zwey bis drey Fäden bildet, die sich ım Zellgewebe unter der Haut ausbreiten, und kein blutiges oder Jymphatisches Flui- dum zulassen (?). *) Lettre ecrite a Mr. Regis sur la structure des cheveux. a Monitpel- lier 1688. 12 Disseriation sur le systeme £utane de ’homme (Collections des The- ses in 4. Parıs 1811). — x.\ J 12 Organisation des Menschenhaars. 2) Aus einer häutigen, innern Scheide, die die Wurzel des Haars unmittelbar von der Oberfläche der Haut bis zum Grunde der Kapsel, an deren zwey Enden sie befestiget ist, umgibt, und die von mehrern concentrischen Lagen gebildet wird, wovon die innerste weisslicht, die zweyte bräunlich, und die äusserste roh und fleischig ist. 3) Aus einem kleinen, conischen,, röthlichen Körper, der sich vom Grunde der Kapsel erhebt, gelatinös und flei- schig scheint, hinlänglich roth ist, wenn die Haare weiss, aber rothbraun, wenn sie schwarz sind, und der sich in die Wurzel oder den Anfang des Haars endigt. — Den Angaben dieser zwey Autoren huldigten beynahe alle ihre Nachfolger, und daher finden wir denn diese Crambe cen- ties cocia fast in allen anatomischen Handküchern der letzten zwey Jahrhunderte, nur mit mehr oder weniger, aber immer sehr unbedeutenden Abweichungen wieder. Ganz klein ist die Anzahl derjenigen Männer, die selbst Hand ans Werk legend, nur das niederschrieben, wovon sie durch ihre Sinne über- zeugt wurden, — Selbst der grosse Mayer*) unterscheidet an der Zwiebel nach Chirac’s Vorgange ein Involucrum ten- dineum et glandulosum, und unbegreiflich ist es mir, wie sich sogar unser berühmter Meckel**) verleiten liess, den alten Irrthum in sein sonst so vortreflliches Werk aufzunehmen. Wenn solche Männer ohne Ueberzeugung über einen Gegen- stand das wieder schreiben, was sie von der leichtgläubigen Vorzeit übernommen haben, was können wir von jenen armen Nachzüglern erwarten, von denen die anatomische Welt wim- melt? Daher wie gesagt, dieselbe Lehre von den Haaren in beynahe allen Werken der letzten Jahrhunderte! Bichat***), dieser unsterbliche Mann, schämte sich nicht zu bekennen, dass er nicht so glücklich gewesen sey, diese verschiedenen Häute an der Zwiebel wahrzunehmen, und dass ihm die mittlere Substanz derselben das sogenannte Mark in Bezug auf seine innere Natur gänzlich unbekannt sey, end- lich dass man sich hierüber nur Wahrscheinlichkeiten und Ver- muthungen erlauben dürfe. — Sein Nachfolger Beclar d****) *) Beschreibung des menschlichen Körpers 1. B. S. 192. **) Handbuch der menschlichen Anatomie. 1. Bd. p: 596. ***) Anatomie generale, tom, 4, *#%%) Vebersicht der neuern Entdeckungen in der Anat. und Phvsiolog. A. d. Fr. v. Cerutti. Leipzig 1823. p. 327. Organisation des Menschenhaars. 13 klärt uns jene wunderbaren Angaben dadurch auf, dass er ge- radezu sagt: „Chirac und Gaultier hätten die Zwiebel, weil sie beym Menschen so wenig sichtbar ist, nach der Be- schaflenheit der Barthaare gewisser Thiere, wo sie grösser, und ihre Structur deutlicher ist, beschrieben.“ Uebrigens sucht auch er, und gewiss zu unbeschränkt, die T’extur der Thier- haare auf die menschlichen zu übertragen, obgleich er eben- falls bekennt, dass die innere Ordnung ihrer Substanz schwer anzugeben sey. Weil aber die Haarbälge und Zwiebeln auch bey den Thieren, wie wir gesehen haben, nicht ganz gleich gebildet sind, so sind auch die Beschreibungen, mit denen uns so viele Neierurscher in Bezug auf die Menschenhaare, beschenkten, eben so verschieden ausgefallen, je nachdem die Beobachter die eine oder die andere Thierart untersucht hat- ten. — Es freute mich daher recht innig, in dem schon oft angeführten Werk von Heusinger dieselbe Klage zu finden: dass er nämlich mit keinem seiner Vorgänger in der Beschrei- bung des Gewebes der Haare übereinstimme; und wohl ganz mit Recht verweist er die Naturforscher zu treuen Beobachtun- gen, die sie dann überzeugen werden, dass das Meiste, was seit jenen Zeiten über die innere Structur der Menschenhaare geschrieben worden, ins Reich der Fabeln gehöre. — Die gewagtesten Behauptungen. hat sicher Withof*) in seinen so berühmt gewordenen zwey Dissertationen über das menschliche Haar ausgesprochen; und unter seinen vielen Nachbethern schliesst Dr. Jahn**) in seiner Toiletten-Lec- türe für Herrn und Damen die würdige Reihe auf eine Art, dass man wirklich staunen muss, wie weit es mancher Arzt bringen kann! Denn während Bichat, Beclard, Heusin- ger und auch ich trotz aller erdenklichen Mühe kaum die zweyerley Substanzen an den Zwiebeln der menschlichen Haare nachzuweisen im Stande sind, schabt, sticht und schnei- det dieser ausserordentliche Mann an einem, oft kaum be- merkbaren punktgrossen Knötchen, nämlich der Zwiebel her- um, gerade als wenn er eine ächte Pflanzenzwiebel in den Händen hätte. Wir Anatomen sind froh, wenn es uns gelingt, *) J. H. Lam. Withof Diss. I. (resp. H. A. Hartweck) de pilo humano. Duisburg. 1750. 4. — Ejusdem Diss. II, (resp. T. Ruys) de pilo human, ib. 1752. 4. NERRNO: 14 Organisation des Menschenhaars. die Zwiebel mit einer feinen Staarlanze ın der Mitte zu durch- schneiden; Dr. Jahn aber hat darın eine so ausserordentliche Fertigkeit, dass er seine flockige Haut (so nennt er die äusserste Haut der Zwiebel), schichtweise spaltet und ablöst, um so auf die Mitte der Zwiebel zu kommen, wo er denn abermals auf unglaubliche Dinge stösst. Hier gibt es nämlich: kreuzweise und feine Fäden, die ein Netz bilden, ferner ein durchlöcher- tes Knötchen, und ein aus diesem emporsteigendes Häutchen, eine aus Fäden gebildete Röhre, die einen Saft enthält, end- lich quere und kreisförmige Fasern u. dgl. Zur Bekräftigung dieser Resultate seiner eigenen mühsamen Untersuchung führt er unter andern Gewährsmännern auch Ledermüllern?) an, dessen Haarabbildungen ich aber wohl in einem recht grossen Massstabe, aber leider gar nicht naturgetreu finde. Und so bin ich denn hinsichtlich dieses neuesten Haarzergliede- rers wahrlich in grossem Zweifel, ob ich einerseits seine ausser- ordentliche Kunstfertigkeit und seine höchst geübten Sinne be- wundern, oder aber das ganze Ding für eine reine Erdichtung halten soll!!— Was ich nun selbst zufolge fleissiger Untersuchungen vie- ler Haarzwiebeln aus allen Gegenden des Körpers als wahr und nachweisbar über ihren innern Bau angeben kann, ist Folgendes: Die Zwiebel besteht, so wie dass Haar selbst nur aus zwey Substanzen, einer Rinden- oder äussern, und einer in- nern, oder sogenannten Marksubstanz. Erstere hat hier das Eigenthümliche, dass sie glänzend, schlüpfrig, meist weiss, und minder fest als die Hornsubstanz des Haarschaftes ist. Nie sah ich übrigens Erhabenheiten oder Verlängerungen an der- selben, wenn ich jene ausnehme, die ich an dem untersten abgerundeten Ende der Zwiebel häufig beobachtete, und de- rer ich bereits früher erwähnte. In den dunkeln, vorzüglich in den schwarzen Haaren fand ich besonders jenes abgerundete Ende, oder wenn man lieber will, den eigentlichen Anfang der Zwiebel ebenfalls dunkel gefärbt, so zwar, dass es schien, als läge in der Tiefe oder in der Mitte der Zwiebel ein schwar. zes Knötchen. — Der Längedurchschnitt gab dieselben Resul- tate. Denn man erblickte nur eine länglichrunde Höhle, die sich von unten nach aufwärts allmählig verengerte, und mit *) Microscopisehe Ergötzungen, 1, Fünfzig. tab, 5. Organisation des Menschenhaars. 15 einer pulpösen Substanz von conischer (zestalt ausgefüllt war, deren nähere Natur zu ergründen mir jedoch unmöglich blieb. Das angeführte schwarze Knötchen wurde durch den Schnitt ebenfalls der Länge nach getheilt. Nach oben verlor sich die genannte pulpöse Masse in die sogenannte Marksubstanz des Haarschafts; aussen aber war sie durch eine weiche Hornschichte von verhältnissmässig starker Dicke umgränzt, welche eben- falls nach oben mit der entsprechenden Rindensubstanz des Haarschafts zusammenstiess. Vergebens bemühte ich mich oft und lange, theils durch Zerdrückung der unversehrt gebliebe- nen und vorher der Länge nach zerschnittenen Zwiebel jene öhlartige Flüssigkeit zu entdecken, von der fast alle frühern Autoren mit einer unbegreiflichen Gewissheit sprechen; ich fand nicht eine Spur derselben, mein Nagel blieb stets ganz und gar trocken, und selbst der conische Körper, der dem Haarkern der Taasthaare entspricht, und dem ersten Anscheine nach halbflüssig zu seyn scheint, glich bey genauerer Betrach- tung mehr einer pulpösen Haut, als einer Flüssigkeit. Bey dem Querdurchschnitt konnte ich abermals den äussern Ring der Hornsubstanz und die von ihm eingeschlossene pulpöse - oder Marksubstanz wahrnehmen. — Rücksichtlich einer oder mehre- rer Oefinungen auf dem Boden der Zwiebel wage ich kein ent- scheidendes Urtheil zu fällen; denn in Wahrheit gesagt, habe ich ebenfalls keine gesehen, obschon ich keineswegs zweifle, dass deren mehrere vorhanden sind und seyn müssen, um Ge- fässe und vielleicht auch Nerven durchzulassen, — Nach diesen Angaben, die wenigstens nicht übertrieben sind, halte ich es für ganz überflüssig, nebst der Zwiebel noch von einer andern Wurzel des Haars zu sprechen, und diese selbst ins Innere der Zwiebel zu verlegen. Es ist ein Un- sinn und ein Verrath an der Natur, da etwas hinzulegen oder sehen zu wollen, wo doch nichts ist; und eben so unsinnig ist es, eine Wurzel der Zwiebel aufzustellen, als es lächerlich wäre, und offenbar zu Verwirrungen Anlass gäbe, wenn man von einer Wurzel der Wurzel sprechen wollte. — Das Haar hat nur eine Wurzel, diese ist knollenartig, und daher hat sie den Namen Zwiebel erhalten., Mehr weiss ich von der Structur der Zwiebel der Men- schenhaare mit gutem Gewissen nicht zu sagen, und ich lade jeden vorurtheilsfreyen Beobachter ein, sich über diesen viel besprochenen, und noch immer nicht ganz ins Reine gekom- 16 Organisation des Menschenhaars. menen Gegenstand bey der Natur selbst, d. i. durch emsige und genaue Untersuchungen Raths zu erholen. Ich meinerseits bin überzeugt, dass alle jene Schichten, Fäden, Fasern, Röhren und Flüssigkeiten, mit denen uns die überspannte Phantasie, oder das leichtgläubige, vielleicht auch durch op- tische Täuschungen irre geführte Auge der genannten Aerzte und Naturforscher, unter denen Leuwenhoek, Leder- müller, Rowland, Withofund Chirac, vor allen aber der Haararzt Dr. Jahn oben an stehen, wenn auch nicht geradezu in das Reich der Fabeln, doch zu jenen Be- kauptungen gehören, von denen man Niemand zu überzeugen im Stande ist. Denn ich läugne keineswegs die Möglichkeit, ja nicht einmal die Wahrscheinlichkeit, dass die Zwiebel des menschlichen Haares sammt ihrem Balge in Bezug auf die in- nere Textur im Ganzen wohl mit den Tasthaaren der Thiere Analogie besitzen mögen; nie aber kann ich zugeben, dass sie einander vollkommen gleich sind. Diess müsste aber seyn, wenn die Angaben der obigen Männer richtig wären, also muss ich diese für falsch halten; und zwar um so mehr, je weniger sie sich in der Erfahrung nachweisen, durch unsre Sinne nicht darstellen, und sonach auch nicht unumstösslich behaupten lassen. Mit gültigerer Freymüthigkeit haben die meisten Anato- men und Naturforscher nicht den mindesten Anstand genom- men,derKapsel oderdem Haarbalge Gefässe und Nerven zu- zuschreiben. Nach Mayer schlingt sich ein Netz von Blutge- fässen und Nerven um die ganze Zwiebel herum. Ledermül- ler will solche in die häutige Wandung der Zwiebel eingehen gesehen haben. Auch soll man nach Winslow’s und Le- dermüller’s Beobachtungen einen Nervenfaden an der äussern Fläche der Zwiebelwand bemerken. Aber Hildenbrandt spricht den Haaren sowohl Blutgefässe als Nerven gänzlich ab, indem nach seiner Meinung auch die wohlgerathenste Ein- spritzung der Haut keine Blutgefässe in den Haaren gezeigt hat. Er erklärt sich die Erscheinung der mit Blut gefüllten Haare im Weichselzopfe dadurch, dass er annimmt: dieses Blut sey aus den die Wurzel umgebenden Gefässen in diese eingetreten, und in der Höhle des Haars fortgedrungen. Der Schmerz, den man beym Ausreissen der Haare fühlt, wird seiner Meinung zufolge nicht im Haare selbst, sondern in den Nervenfädchen der Haut, welche des Haares Wurzel umgeben, Organisation des Menschenhaars. 17 und hierbey gespannt werden, empfunden. Winslow, Kaauw, Withof, Boerhaave und Ludwig haben aber geglaubt, dass in die Haarzwiebel Gefässe „und Nerven hinein- gingen. Dagegen sprechen Mayer und Meckel den Haaren ebenfalls alle Nerven ab. Gefässe will letzterer höchstens, und auch diess nur selten an ihrem untern angeschwollenen Ende — der Zwiebel— bemerken, die mit einer oder mehreren Oeffnun- gen versehen ist, wodurch sowohl Gefässe, als auch höchst wahrscheinlich feine Nervenzweige in sie eintreten. Doch er- strecken sich selbe seiner Meinung zufolge nur in die Zwie- bel. — Nach Rosenmüller*) treten in den Haarbalg wahr- scheinlich Gefässe und Nerven, zum Haarcylinder selbst aber nicht. Bichat sah wohl Verlängerungen nach der äussern Oberfläche des eylindrischen Sackes, besonders an dem von der Haut abgewandten Ende sich begeben; indessen lehrte ihm das Scalpell nichts Näheres über die Natur dieser Verlän- gerungen. Er wenigstens konnte sie nie bis in benachbarte Nerven oder Gefässe verfolgen, vermuthet jedoch, dass sie Gefässe sind. Richard endlich lässt den Haarzwiebeln eben- falls Gefässe und Nerven zukommen, indem er sagt: die Ner- ven bilden grösstentheils an ihrer äussern Fläche die Verlän- gerungen, und vorzüglich an ihrem der Haut entgegengesetz- ten Ende, und geben ihm eine Art von Stiel. Verschiedene Anatomen verfolgten diese Nerven bey Thieren, aber man sieht auch beym Menschen in dieZwiebeln der Augenwimper, und der Haare in den Nasenlöchern Nervenfäden gehen. Die Gefässe liegen nach ihm ebenfalls in der Substanz der Verlän- gerungen, die am Grunde der Zwiebeln sitzen. Gaultier sah sie aber von dem obern Ende eindringen, indem sie von der Dermis der Haut kamen, und zwischen dem Blättchen der Dermis, der Zwiebel und dem Schleimblätichen lagen. — Villerm&**) glaubt, dass die Nervenfäden nicht darzustel- len sind. Endlich stellen die berühmten anatomischen 'Tabel- len von Mascagni***) die Zwiebel eines Haars von einem menschlichen Fötus mit einem feinen Netz von Iymphatischen und Blutgefässen umgeben dar. *) Handbuch der Anatomie /te Autlage pag. 38. **) Dictionn. des sciences med. art. Poils, ***) Opera posthuma publicata da Franc, Antomarchi. Firenze 1818 tab.413 2: Eble’s Lehre von d. Haaren II, Bd. 2 u 18 Organisation des Menschenhaars. Was nun wieder meine Beobachtungen, und zwar zuerst rücksichtlich der Blutgefässe betriflt, so habe ich selbe deut- lich bis in die Kapseln verfolgt, und gefunden, dass die grös- sern Hautarterien ihre Aeste so abschicken, dass diese meist an den Einpflanzungsstellen der Haare vorbeystreichen, und so dann die Kapsel selbst theils gleich, und hauptsächlich vom Grunde und der Austrittsstelle aus, theils auch selbst von den Seiten mit vielen kleinen Reiserchen versehen, wie ich dieses in Fig. 126 Tab. XII der Natur nachbilden liess. Bey derselben Gelegenheit versuchte ich auch die Bälge einiger Barthaare zu öffnen, um zu sehen, ob sie auch an ihrer innern Seite einge- spritzt seyen; allein ich entdeckte nur sehr wenige, und zwar ausserordentlich feine Gefässchen daselbst. Die Injection war übrigens in dem gegebenen Falle so gut gelungen, dass die allgemeine Barthaut ganz geröthet war. — Obgleich ich nun die angeführten Gefässchen in den Haarbälgen nicht wei- ter verfolgen konnte, so bin ich doch vollkommen überzeugt, dass bey ganz glücklichen Umständen der ganze Haarbalg, ja vielleicht die Zwiebel selbst, eben so mit gefärbter Masse ge- füllt werden können, wie ich diess an einem andern Präparate (vergleiche Tab. XI Fig. 1149 — 122), nämlich bey den Tasthaa- ren einer Katze augenscheinlich nachgewiesen habe. Hier sieht man nämlich nicht allein die äussere Hülle des Balgs, sondern auch den sogenannten conischen fleischigen Körper vollkom- ınen injicirt, dessen innere dem Haare zusehende Fläche noch ungleich zahlreichere Haargefässe als die äussere Seite zeigt. Ungemein gross war aber meine Freude, als ich statt des Haar- kerns, die ganze Höhle der Haarwurzel mit Masse strotzend gefüllt sah, und so den unwiderleglichen Beweis vor mir hatte, dass die Zwiebel mit den Gefässen der Kapsel wirklich in Ver- bindung stehe, und dass der sogenannte conische Körper und der Haarkeim ebenfalls nichts anderes als ein Secretum der ex- halirenden Haargetässe, die sich sowchlan der innern Wand des Balgs, als auch an dem Boden der Zwiebel befinden, sey. — An den eingespritzten Augbraunen eines Ebers bemerkte ich über- diess ganz deutlich, dass da, wo derHaarbalg in dem Corion der Hant steckt, ziemlich starke und viele Reiserchen aus letzterm an ersteren gingen, den Balg durchbohrten, und als rothe, faden- arüge Verlängerungen zum conischen Körper drangen. 50 viel von den Gefässen. Rücksichtlich der Nerven ist die Sache noch dunkler; Organisation des Menschenhaars. 149 denn wer will die Nerven bis in das Haar verfolgen? Ich we- nigstens bekenne ganz aufrichtig, bey den menschlichen Haa- ren, welcher Gegend immer, (bey den Cilien- und Nasenhaa- ren möchte die Sache noch am leichtesten möglich seyn), nie so glücklich gewesen zu seyn. Die Analogie bringt mich aber wieder auf die Vermuthung, dass wenigstens die Haarbälge Nerven erhalten. Bey den Tasthaaren des Ochsens (Tab. V. Fig. 37) habe ich sie wirklich bis dahin verfolgt; denn die dort gezeichneten fadenförmigen Wurzeln sind wohl ganz gewiss uichts anderes, als Gefässe und Nerven, die an das abgerun- dete Ende der Kapsel treten. Ungleich schöner und zugleich überzeugender fand ich die Sache in der eingespritzten Schnau- ze einer Katze. Hier gelang es mir, nicht allein die feinsten Zerästlungen der Art. infraorbitalis an dem Anfang des Balgs von drey Tasthaaren nachzuweisen, sondern auch die eben so zarten Nervenfädchen darzustellen, welche der die Arterie be- gleitende Nervus infraorbitalis in Gemeinschaft mit jenen Haar- gefässen an den Boden des Balges schickt. Vergleiche Tab. XI. Fig. 119. Da ich die Mühe, und man kann wohl auch sagen, die glücklichen Umstände, welche zum Gelingen solcher Präparate gehören, aus eigener. Erfahrung wohl kenne, so habe ich beyde Präparate aufbewahrt, unr jeden, der etwa daran zwei- feln sollte, auf der Stelle überweisen zu können. — Rudol- phi und Andral, der Sohn, haben die Nerven ebenfalls bis zu den Zwiebeln der Tasthaare bey der Phoca verfolgt. Anmerkung. Nach Gaultier’s Beobachtungen bey Thieren, drin- gen die Gefässe, nachdem sie unter die Hautpapillen gekro- chen sind, in den Hals der Kapsel nahe an ihrem Hautende durch eine, manchmal auch zwey kleine Oeffnungen neben jener, welche das Haar selbst durchdringt, ein; zerästeln sich dann zwischen der Kapsel und Scheide, und verlieren sich endlich in den conischen Körper. 44H Ich komme nun zur Beschreibung des Haarschaftes oder Haarcylinders (Filamentum s. Truncus pili). Dieser beginnt da, wo die Wurzel aufwärts endigt. Die Uebergangs- stelle zeichnet sich gewöhnlich dadurch aus, dass das Haar dünner erscheint, also einen sogenannten Hals bildet, der nach Verschiedenheit der Haare mit der Wurzel selbst eine eigen- 9 * - 20 Organisation des Menschenhaars. thümliche Stellung einnimmt, bald stätig und in gerader Linie fortlauft, bald, und zwar sehr häufig auf die eine oder andere Seite geneigt ist, mitunter selbst einen stumpfen Winkel mit der Zwiebel bildet. — Indem sich also das Haar aus seiner Zwiebel erhebt, geht es in dem angegebenen länglichten Canal, der von dem Balge gebildet wird, ohne mit ihm ver- wachsen zu seyn, durch die schief gerichtete Oeflnung der Haut, verlässt ihn bey der Oberhaut, und begibt sich dann nach Aussen, indem es sich, je weiter es hervordringt, all- mählig mehr verschmälert, und in eine Spitze endigt. In der Gegend, wo sich der Balg auf der Oberhaut öffnet, befinden sich gewöhnlich dicht um diese Oeflnung einige runde Zellen, dem Anschein nach mit Fett gefüllt; vielleicht sind diess auch 'Talgdrüsen. — Häufig wurde über das Verhalten der Oberhaut zum Haar gestritten. Viele Schriftsteller, worunter Ruysch *), Kaauw **, Haller***) undWithof ****) be- haupten, dass die Haare; da, wo sie durch die Oberhaut durchgehen, dieselbe eigentlich nicht durchbohren, sondern bloss in die Höhe heben, und sich eine Scheide davon bilden, die sie dann bis an ihr Ende begleitet. Kaauw gesteht zwar, dass diese Fortsetzung der Oberhaut so fein sey, dass man sie nicht sehen könne, und dass die Haare, wenn man die behaarte Oberhaut von der Lederhaut trennt, ganz locker mit ihren Cy- lindern in den Oeflnungen der Oberhaut liegen, und meint, dass dieses von dem festern Zusammenhang des Haars mit dem Balge herrühre. Bichat gibt vier Gründe gegen die oben auf- gestellte Behauptung an, indem er sagt, dass 1. das Haar in seinem Ursprungscanale eben so dick als aussen ist; 2. man, wenn dieser Canal an seinem von der Haut abgewandten Erde geöffnet wird, das ganze Haar mit der grössten Leichtigkeit, und ohne den geringsten Widerstand zu erfahren, herausziehen könne, der doch erfolgen müsste, wenn die Falte der Ober- haut zerrissen würde; 3. das Haar, wenn sich die Oberhaut erhöbe, um es einzuhüllen, eine auffallend grössere Dicke, als im Hautcanal erhalten müsste, wenn anders nicht die Ober- *) Thesaur. anat. V. N. II. **) Perspiratio etc. p- 148. ***) Elementa physiologiae Vol, V. p. 35. “**r) A. a, O, Er bestimmt aber die Länge dieser Scheide nur auf zwey Linien. Organisation des Menschenhaars. 21 haut sich ausserordentlich über demselben verdünnte; endlich 4. man beym Herausziehen des Haars nichts von dieser vorgeb- lichen Erhebung sehe, sondern dass im Gegentheil eine Ein- drückung an der Stelle sey, wo das Haar seinen Ausgang nimmt. — Nach meiner Einsicht wird die obige Behauptung am besten dadurch widerlegt, dass sich die Oberhaut, wenn sie sich inFolge einer Abbrühung mit heissem Wasser von dem Corion gelöst hat, ganz leicht, und ohne irgend eine Ver- letzung über die in und unter der Lederhaut steckenden Haare geradezu wegziehen, und also für jedes Haar ein eigenes Loch zum Durchgang übrig lasse. Wer dennoch der erst neuerdings in der Versammlung der Naturforscher zu Heidelberg von Dr. Lauth aus Strass- burg ausgesprochenen Behauptung: „Dass die Oberhaut deut- lich in die Zwiebel trete, und sich in den Grund des Haares fortsetze, und die Haare demnach wirklich ein unversehr- licher, aber stark entwickelter Theil der Oberhaut seyen“ Beyfall schenken möchte, der nehme sich nur die kleine Mühe, und präparire sich den Balg eines Tasıhaars aus der Schnauze des Ochsen, schneide dann den Balg behutsam der Länge nach auf, ziehe das Haar an seinem obern Ende etwas sanft gegen sich, und er wird da, wo dasselbe die Oberhaut durchbohrt, ja selbst noch in einem Theil der Lederhaut eine ganz glatte, die Schichten der Haut genau nachweisende, abge- rundete Vertiefung finden, in welcher der Haarschaft ganz lose liegt. Denn die eigentliche Befestigung des letztern geschieht erst innerhalb des Balges, (in diesem gegebenen Fall ungefähr '/, Linie unter der Stelle, wo die Oberhaut ein Loch übrig lässt). Wenn man nun das Haar mit einer Lupe untersucht, so sieht man nach aussen, so zu sagen an den beyden Seitenrän- dern eine Art durchsichtiger Rinde, und im Mittelpunkte der ganzen Länge nach eine mehr oder weniger gefärbte Linie, die olfenbar von einer andern Substanz gebildet ist. So kommen wir jetzt auf die zwey verschiedenen Theile, aus denen der Haarschaft besteht. Der äussere bildet so zu sagen eine Röh- re, die sich von der Zwiebel bis zur äussersien Spitze er- streckt, der andere mittlere ist das ın dieser Röhre enthaltene Mark. 22 Organisation des Menschenhaars. 4) Die äussere Umhüllung der Haare, die Horn- oder Rindensubstanz (Inoolucrum crinis, Vagina pili, Sub- stantia corlicalis, s. cornea etc.). Bringt marf ein etwas feines, lichtfarbiges, z. B. ein blon- des Haar unter das Microscop, so sieht man in der Mitte einen ° breiten, durchsichtigen Streifen, der von zwey feinen, aber undurchsichtigen Linien auf beyden Seiten begränzt wird. Diese Ansicht verändert sich jedoch zum Tbeil nach Verschiedenheit der Art, wie man das Ganze beleuchtet, ein Umstand, der häufig übersehen wurde, und daher die Ursache der auffal- lendsten Abweichungen in einer und derselben Sache war. Denn geschieht die Beleuchtung von unten mittelst eines Spie- gels, dann zeigt sich das Ganze auf die beschriebene Art ; wird aber das Licht von oben, sey es nun geradezu, oder mittelst eines Brennspiegels darauf geleitet, dann ist die Färbung ge- rade umgekehrt, die Rindensubstanz wird jetzt durchsichtig, und der vorher durchsichtige Streifen wird undurchsichtig. Desshalb ist es auch nothwendig, bey allen derley Operatio- nen und Beschreibungen immer die Art der Beleuchtung anzu- geben, wenn Unerfahrne nicht irre geführt werden sollen. — Aus dem Angeführten geht schon hervor, dass eigentlich auch die Rindensubstanz durchsichtig sey, wenn nur die rechte Be- leuchtung angewandt wird; denn sie ist ja nichts anderes, als eine feine Hornschichte, welche das Haar rings umgibt, und die nachher zu beschreibende Marksnbstanz zwischen sich schliesst. Die Dicke dieser Hornschichte ist sehr verschieden, und richtet sich im Allgemeinen wohl nach der Feinheit des Haars überhaupt, ist also in der Regel bey den feinsten Haa- ren am schwächsten, und z. B. an den starken Backenbart- und Schamhaaren am grössten. Doch gibt es hiervon mancherley Ausnahmen, wie wir schon bey den Thierhaaren gesehen ha- ben. Mit der Dicke der Rindensubstanz steht aber auch ihre Durchsichtigkeit im umgekehrten Verhältnis, und daher kommt es, dass wir in sehr feinen, mit wenig Rinde umge- benen Haaren, jene fast gar nicht bemerken, und auf die Idee kommen, das ganze Haar bestünde bloss aus Marksub- stanz, was aber durchaus falsch ist. — Ich bin der Meinung, dass die Rindensubstanz mit der Oberhaut sehr viel Aehnlich- keit in Bezug auf die Bestandtheile habe, denn sie ist am Ende nichis anderes, als eine hornartig verdickte Epidermis. We- 1‘ Organisation des Menschenhaars 23 nigstens kann ich hierin dem sonst so verdienten Heusinger durchaus nicht beypflichten, wenn er behauptet, die Rinden- substanz der Menschenhaare bestünde gleich jener der Rehhaare aus Zellen. Ich behaupte vielmehr, und werde mich wohl schwerlich irren, dass die Rindensubstanz ihrer Natur nach nie zellig seyn könne, und auch bey keinem Thiere, noch weni- ger aber beym Menschen es wirklich sey. Der Igelstachel muss uns hierin den Ausschlag geben, denn hier sieht man schon fast mit blossem Auge die aufeinander geschichteten Zellen von aussen. Allein Heusinger irrt gewiss, wenn er glaubt, diese Zellen seyen in der Rindensubstanz; sie gehören der Marksub- stanz zu, die hier aus doppelten und nebeneinander liegenden, auch ganz verschieden gebauten Zellen besteht; die eigentliche Rindensubstanz aber ist auch hier, so wie in allen andern Haa- ren, bloss der äusserste Ueberzug, der sich ohnehin beym Längeschnitt nur als eine feine Randlinie darstellt. Bey den Rehhaaren, welche Heusinger den Menschenhaaren so nahe stellt, ist die Rinde ebenfalls so fein, dass sie die eckigen Zel- len durchscheinen lässt, und daher wieder auf die Vermuthung bringt: diese lägen in der Rindensubstanz selbst. — Ich halte demnach die besagte äussere Umhüllung der Haare für eine Schichte des Horngewebes, welche mit der Epidermis in allen übrigen Eigenschaften, nur in der Festigkeit, Dicke und Un- zerstörbarkeit durch Maceration, Kochen, chemische Kräfte etc. nicht übereinkommt. Hierüber hat sich schon Bichat aus- führlich geäussert, und die Attributte angegeben, welche beyde Theile mitsammen gemein haben. Er sagt: „1. Die Haare brennen so, wie die Oberhaut; 2. das Wasser durchdringt die Haare eben so leicht, wie die Oberhaut, und die zur Zeit ei- nes Nebels feuchten Haare verhalten sich in dieser Hinsicht auf eine ganz ähnliche Art, wie die durch einen Breyumschlag er- weichte, gerunzelte, und weiss gewordene Oberhaut: 3. die Haare sind unempfindlich, und werden nie der Sitz weder ei- ner chronischen noch hitzigen Affection; 4. diese Umhüllung ist immer weiss, wie die Epidermis *); 5. gerade diese Um- hüllung gibt den Haaren dasselbe Vermögen, das auch dem Oberhäutchen zukommt, nämlich sich so lange unverletzt zu erhalten.“ — Es ist ferner nicht weniger der Wahrheit entge- gen, wenn man glaubt, die Rinde sey in allen dunkeln Haa- *) Darüber wird bey der Farbe der Haare gesprochen werden, 24 Organisation des Menschenhaars. ren dicker, als in den blassen. In so fern nämlich die blonden oder überhaupt lichten Haare in der Regel feiner organisirt sind, als die dunkelgefärbten, ist die Sache wohl richtig; nichts desto weniger gibt es sehr feine dunkle Haare, die gleich- wohl die Marksubstanz nicht durchscheinen lassen, weil sie zu stark gefärbt sind, nicht aber weil ihre Rinde zu dick ist. — Anmerkung 1. Ich habe oben gesagt, dass die Rindensubstanz stets weiss sey; und so fand ich sie auch wirklich bey allen Menschenhaaren. Anders verhält es sich aber bey den Haaren mancher Thiere, So fand ich sie in den Tasıhaaren des Och- sen, in den schwarzen Rosshaaren, ın den Haaren des Puters, und ın den Stacheln des Igels und Sıachelschweins theils ganz, theil stellenweise stark, oft ganz schwarz gefärbi. — Anmerkung 2. Mit der Dicke der Rindensubstanz steht die Ela- sticität, und die Fähigkeit, gekräuselt zu seyn, im geraden Ver- hältniss. Desshalb sind die Bart- und Schamhaare elastischer und zum Kräuseln geschickter. Nach Bichat soll die eigenthümli- che Beschaffenheit der Rinde den Negerhaaren ihren unterschei- denden Charakter geben. Eine andere Streitfrage ist die über die Verlängerun- gen und Ungleichheiten der Menschenhaare, also eigentlich der äussern Substanz. — Die schon genannten Naturforscher, Le u- wenhoek, Rowland, Ledermüller u. v. a. bilden ihre Haare mit solchen Aesten ab. Mayer behauptet, die ganze äussere Oberfläche des Haars sey hier und da mit klei- nen Fasern oder zarter Wolle bedeckt, und hält diese für Dunströhren, wodurch das Haar zur Seite ausdünstet. Bichat läugnet die Wahrnehmbarkeit solcher kleiner ästartiger Ver- längerungen, hält aber für wahrscheinlich, dass dergleichen unmerkliche Verlängerungen von den Seiten des Haars abge- hen, die zu der Adhaerenz der Haare an einander viel beytra- gen können, welche bekanntlich in Krankheiten, wo man die Haare lange nicht gekämmt hat, oft einen hohen Grad er- reicht. — Nach Andern soll die äussere Oberfläche des Haars Schuppen besitzen, welche beym Streichen des Haars von der Wurzel zur Spitze nicht merklich, ın umgekehrter Richtung aber deutlich bemerkbar sind. Monge*) glaubt sogar, dass hierauf der Mechanismus des Hutfilzens beruhe. — Dem ist aber nicht so, denn die vor dem Walken bestehenden Schup- *) Annal. de Ghymie T, VI. p. 300. Organisation des Menschenhaars. 95 pen sind als schon längst abgelöste Theile spröde und mürbe, und können wegen ihrer leichten Zerreiblichkeit nicht zum Binden oder Verschlingen dienen. Ausserdem lösen sie sich, wenn sie in kaltes Wasser gebracht werden, zu einem grossen Theile, und wenn sie in heisses kommen, gänzlich von der Oberhaut ab, und sie könnten also, wenn sie auch Haltbarkeit und Biegsamkeit besässen, doch nicht im Wasser zum Filzen benützt werden. Dennoch dienen sie einigermassen zum Fil- zen; denn, wenn die alten Schuppen weggespült sind, so wer- den im heissen Wasser bloss durch dieses, und im kalten durch das Kneten und Stampfen, neue Trennungen von der Oberhaut bewirkt, und diese an ihr hängen bleibenden zähen und elasti- schen Fäden verschlingen sich nun bey dem fortdauernden Kneten und Stampfen zu einem festen Filz *). Wahr ist es, dass sich die Oberfläche des Haars rauh an- fühlt, wenn es von der Spitze gegen die Zwiebel zu gestrichen wird. Ich bin geneigt, diese Thatsache bey den Menschenhaa- ren den hier wirklich vorhandenen, aber äusserst feinen Schüpp- chen zuzuschreiben, die ich auch an der Oberfläche aller je- ner Thierhaare gefunden habe, welche mit den unsrigen die meiste Äehnlichkeit haben. Diese Schüppchen scheinen sich von Zeit zu Zeit an der Oberfläche der Rindensubstanz abzulö- sen, und wie Dr. Jahn richtig bemerkt, gleich dem erstarr- ten Schleim der Oberhaut eben so fortdauernd weggeschaflt zu werden, wie sie sich fortwährend, namentlich bey manchen Menschen erzeugen, die denn auch der Reinlichkeit halber ge- nöthiget sind, ihre Haare durch ein lauwarmes Bad von diesem Unrath zu reinigen, und sie wieder glatt zu machen. Würde das Bad sehr heiss genommen, so soll schon in demselben wie- der eine neue Rauhheit der Haare dadurch entstehen, dass sich durch die Einwirkung des heissen Wassers sogleich wieder frische Schuppen bilden, weil das heisse Wasser eine Tren- nung der Oberhaut in Fäden und Blättchen veranlasst. In sie- dend heissem Wasser soll sogar eine Ablösung des ganzen Oberhäutchens erfolgen. — Weil ferner die Abstossung der Schuppen von der Oberhaut immer von oben gegen unten be- ginnt, so kann man sich den Umstand leicht erklären, dass die Haare zwischen den Fingern rauher erscheinen, wenn sie von der Spitze gegen die Zwiebel zu gestrichen werden, als *) Haararzt v. Dr. Jahn p. 29. I. Theil. 26 Organisation des Menschenhaars. wenn der Strich nach entgegengesetzter Richtung geschieht. — Uebrigens stelle man sich unter den genannten Schuppen nicht immer abgerundete Blättchen vor; denn einmal abgestossen, scheinen sie sich zusammen zu ziehen, und gleichsam aufzu- rollen — fadenförmig zu werden; daher ıhr Name: Aeste des Haares — Nebst diesen sind die Haare an ıhrer äussern Oberfläche mehr oder weniger fetiig, und desshalb schlüpfrig und glän- zend, so dass wässerige Feuchtigkeiten sich nicht immer so leicht an sie anhängen. Diess mag zum Theil von dem unter der Haut liegenden Fett, welches, wie schon gesagt wurde, an den Stellen, wo Haare hervorkommen, mit durchdringt, theils von der Hautschmiere herrühren, die in den Zwischen- räumen der Haare von den Fettbälgen abgesondert wird. Denn ich wage nicht, mit Mayer anzunehmen, dass aus feinen Oellnungen der Haare seitwärts eine fette Feuchtigkeit aus- dünste, welche sodann dem Haar nebstbey seinen Glanz gebe, der bey schwarzen Haaren immer am stärksten ist. Man hat diese fettartige Materie auch Haarsalbe genannt. — Anmerkung. Bloss in Bezug auf die Rindensubstanz sind also die Haare dem Horngewebe einzuverleiben, ın allen übrigen Theilen nicht ; — und somit könnte man sie, in ihrer Totalität betrach- tet, da sie mit keinen andern Organen ganz übereinkommen, unter dem Titel des Haargebildes, als eigenthümliche Theile des Organismus hinstellen. $. 112. 9) Die innere Substanz, Marksubstanz, das Mark des Haars. (Substantia interna, medullaris, s. Medulla pili.) Wenn schon über die Textur der Rindensubstanz so he- terogene Meinungen obwalten, so darf es uns gar nicht wun- dern, dass diess noch mehr beym Mark statt haben werde, des- sen nähere Natur uns nach Bichat's Ausspruch gänzlich un- bekannt ist. — Die meisten Anatomen sind der Meinung, dass die innere Substanz des Haars aus eıwa 5 — 10 Fäden, welche die Haarwurzel abschickt, entstehe, eine längs des Haars ver- laufende Röhre bilde, deren Wände wahrscheinlich selbst Röhren sind, und eine öhlige, theils in der Höhle dieses Rohrs, iheils in seinen Wandunsen selbst befindliche Flüssigkeit ent- o : halte, welche mit der innern Substanz zusammen das Mark Örganısation des Menschenhaars. 97 des Haars ausmacht. Bichat aber glaubt höchstens mit Wahr- scheinlichkeit vermuthen zu können, dass sie aus äusserst zar- ten, in die gemeinschaftliche Umhüllung der Haare eingeschlos- senen Gefässen bestehe, welche die färbende Substanz enthal- ten, die in diesen Gefässen stockt, oder wenigstens einer äus- serst langsamen Ernährungsbewegung unterworfen ist. — Nach Withof sind die Haare hohl. Denn die Medulla ist theils feucht oder flüssig, theils fest. Erstere ist zäh, lässt sich ın Fäden ziehen, und es sind ihr auch viele feine Kügelchen oder Bläschen beygemischt. Sie gibt dem Haar die Farbe. Die an- dere feste besteht aus den feinsten und glänzenden Fibern, die aus dem Innersten der Zwiebel entstehen, sich netzartig durch- kreuzen, und nicht allein das Mark zum Theil bilden, son- dern auch die einzelnen Röhren des Haars durch Fäden ver- binden. — Nach Chirac besteht das Mark bey den Thierhaa- ren aus einer Reihe von kleinen Blasen, die eine Art von Stroh- halm (Fetu) bilden, ähnlich dem der Federn. Er sah diesen Halm bis auf einen Zoll von der Haut ausgedehnt. Gaultier hält den dünnen Streifen, der sich in der Mitte der Haare zeigt, und bey grossen Barthaaren der Vierfüsser oft aus kleinen, ne- ben und aufeinander gelagerten Körpern besteht, für die Reste des röthlichen conischen Körpers. Aa hie :*) hat das Mark in den Barthaaren eines Ochsen nur in der Nlitte des Haars, nahe an der Wurzel gesehen, auch war die Farbe des Marks viel dunkler, als jene der äussern Substanz. Bey den Nenschenhaaren sah er sie gar nicht. — Einige Naturforscher betrachten die innere Substanz als ein schwammiges Gewebe, analog dem, welches die Stengeln der Federn anfüllt; andere halten sie für Fäden, die von einer färbenden Substanz be- feuchtet sind, und Mascagni sieht in ihnen nur absorbirende Gefässe, die flüssige Substanzen einsaugen können sollen, da- gegen die der Rinde nur lufiförmige einzusaugen vermögen (!) — Olivier**) glaubt, dass die innere gefärbte Substanz von dem Schleimkörper (Corps muqueus), der Haut gebildet sey, und führt zur Bekräftigung dieser Meinung die genaue Be- ziehung an, in welcher die Haut mit den Haaren in Bezug auf dıe Farbe steht. In gleicher Beziehung haben Andere die Natur dieser innern Substanz ganz der des Malpigh’schen *) Dietionnaire des sciences med. Article Poils. **) Diction. de Medicine Art, Poils, 28 Organisation des Menschenhaars. Schleimes gleich gesetzt, und wurden in dieser Meinung um so mehr bestärkt, als die Farbe beyder: der Haut und der Haare gewöhnlich übereinstimmt. Meckel nimmt ebenfalls an, dass die innere Substanz 4. aus einer aus mehreren, un- gefähr 10 Fasern, wahrscheinlich Gefässen gebildeten Sub- stanz, welche die Gestalt des ganzen Haars wiederholt, aber weit dünner als die äussere Hülle ist; und 2. aus einer flüs- sigen, theils innerhalb des durch diese Fasern gebildeten Roh- ves, theils zwischen ihnen und der äussern Hülle enthaltenen, und sie zusammenheftenden Substanz bestehe; diese beyden bilden nach ihm zusammen das Mark der Haare. — So viel- artig nun auch diese Angaben über die Textur der Marksub- stanz sind, so kann ich doch der Wahrheit gemäss versichern, dass keine einzige derselben der Natur ganz getreu sey. Damit will ich jedoch nicht sagen, dass ich im Stande sey, die in- nere Natur dieses Gegenstandes vollkommen aufzuklären, welche bey allen sonst so trefllichen Hülfsmitteln vielleicht noch lange unsern fleissigsten Forschungen unenthüllt bleiben wird. — Einstweilen aber sollte sich doch jeder wohl hüten, eines Theils das, was er etwa an einem grossen Tasthaare sah, gerade so, wie er es sah, auf die Menschenhaare über- zutragen, andrerseits aber sogar überspannte Meinungen über einen Gegenstand vorzutragen, der doch nicht ganz un- srer Autopsie entzogen ist. — Was mich betrifft, so habe ich von der innern Substanz des Haars folgende Ansicht: Betrachtet man ein Haar, z. B. ein kastanienbraunes, unter einem guten Microscop, so sieht man an dem Zwiebel- ende die schon oben beschriebenen, ganz kurzen Fädchen, welche nichts anders, als abgerissene Gefässe und Nerven zu seyn scheinen; ferner erscheint die Zwiebel fast bis zur Hälfte mit einem schwarzen Pigmente gefärbt, und daher undurch- sichtig; oberhalb dieser Hälfte aber ist sie durchsichtig, und zeigt deutlich die ebenfalls schon früher beschriebenen zwey Substanzen, von denen eine jede unmittelbar in die gleich- nahmige des Haarschaftes übergeht. Was nun zunächst die innere anbetrifft, so sieht .nan sie (in diesem Haar) als einen die Hälfte des Dickedurchmessers einnehmenden Jlichtbrau- nen Streifen aus dem Boden der Zwiebel, oder vielmehr aus dem schwarzgefärbten untersten Segmente derselben entsprin- gen. Auch glaube ich beobachtet zu haben, dass sie an ihrer Ursprungsstelle durch ganz kurze dunkler gefärbte Einschnitte Organisation des Menschenhaars. 29 in einige, etwa 5 — 4 ungleiche Theile abgetheilt war, so dass es mir nicht unwahrscheinlich ist, dass sie aus dem Bo- den der Zwiebel mit 5 — 4 röhrenartigen Wurzeln entsprin- ge, welche sich sodann gleich oberhalb der Zwiebel, oder am Anfange des Haarschafts zu einem einfachen lichtbraunen Streifen vereinigten, und als solcher die Mitte des ganzen Haarschaftes bis fast ın die äusserste Spitze ausfüllten. Doch scheint die Rindensubstanz in Bezug auf die innere Substanz in dem Verhältniss an Breite auf jeder Seite zuzunehmen, je näher die Parthie der Spitze des Haars ist. Nach Verschie- denheit der Gegenden, aus denen das Haar genommen war, fand ich die Textur dieses Streifens ebenfalls verschieden, und ich war bemüht, dieses in den Abbildungen (Fig. 127 — 444) der einzelnen Haare des Menschen, wo möglich naturge- treu, nachzubilden. Nur die allerfeinsten Haare, z.B. von klei- nen Kindern, oder von zarten Frauen können uns für den ersten Augenblick auf die Idee bringen, dieser beschriebene innere braune Streifen bilde eine hohle Röhre, in welcher etwa die färbende Substanz, wie ein feines Oehl auf und ab steige, oder überhaupt enthalten sey. Bey näherer Betrach- tung fand ich die Textur immer und bey allen Haaren so, dass der Längestreifen durch Querlamellen abgetheilt war. Die Distanz dieser Blätter, oder ihre Dicke, sind nicht allein so verschieden, als die Haare überhaupt, sondern selbst in jedem einzelnen Haar von ungleicher Beschaffenheit; wovon uns die genannten Abbildungen zum Theil überzeugen kön- nen. Sehr häufig, doch nicht in allen Haaren, und nicht in jedem Theil des Haarschaftes sieht man in diesen, beym ober- flächlichen Anblick gleichartigen, also nicht durch Querwände unterbrochen scheinenden Streifen da und dort dunkelgefärbte Stellen von ungleicher Länge und Breite, so dass es ganz das Ansehen hat, als sey eine halbflüssige Materie in den Zwischen- räumen der treppenartig aufeinander liegenden Querlamellen gleichsam ganz gestockt und hängen geblieben. Da ich diese dunkeln Stellen nicht allein in frisch ausgerissenen, sondern auch in veralteten Haaren häufig gefunden habe, so kann man nicht annehmen, dass sie von einer noch flüssigen Masse herrühren. Auch müsste man sie in diesem Falle beym Durch- schneiden der Haare herausdrücken können, was aber nicht der Fall ist, da ich im Gegentheil nie im Stande war, auch nur die geringste Menge einer öhlartigen oder sonstigen Flüs- 30 Organisation des Menschenhaars. sigkeit auf diese Art selbst bey ganz frischen Haaren zu erhal- ten. Sehr merkwürdig ist es übrigens, dass diese dunklen Fle- cken und Streifen stets nur in der Mitte des ganzen Haars an- getroffen werden; ich wenigstens fand sie nie an den Seiten des Markcanals. — Ich bin also mit Bichat über die Natur der innern Substanz ebenfalls nicht im Reinen, und kann durch- aus nicht mit jenen Schriftstellern (und hierher gehören doch wohl fast alle, die diese Materie behandelt haben) übereinstim- men, die da behaupten, dass im Innern des Haars eine öhlar- tige Flüssigkeit cirkulire, oder auch nur enthalten sey; denn ich war nie so glücklich, etwas der Art sinnlich darstel- len zu können. Doch muss ich bekennen, dass mich die ange- führten dunkeln Streifen in dem Mittelpunkt der innern Sub- stanz der Zwiebel sehr geneigt machen, sie mit Gaultier für dem Haarkern analoge Verlängerungen zu halten. Denn wenn man ein Haar von der Zwiebel aus der Länge nach zu spalten das Glück hat, so sieht man, wie der pulpöse Körper, der die Höhle der Zwiebel ausfüllt, in dem innersten Mittelpunkt aufwärts steigt, und sich auf diese Art offenbar ın diejenige Substanz des Haarschafts verlängert, welche man die innere oder Marksubstanz nennt. — Für ganz irrig halte ich übrigens jene Ansicht, nach welcher das ganze Haar aus lauter Röhren besteht, und ein einziger Blick auf die Abbildungen der Igel- stacheln (Fig. 108 Tab. X.), die doch schon von aussen das Ansehen haben, als seyen sie aus lauter Röhren zusammenge- setzt, überzeugt uns zur Genüge, dass das Innere des ganzen Stachel: aus lauter aufeinandergeschichteten Zellen bee So ungefähr denke ich mir auch das Menschenhaar construirt, und finde selbst in den beyden Zwiebeln dieser doch sonst so verschiedenen Gebilden eine sehr grosse Analogie, die sich selbst in das kleinste Detail verfolgen lässt. Nur darin weicht die Textur des Schaftes in beyden ab, dass die innere Substanz, des Igelstachels zweyerley ganz verschiedene Zellen, das menschliche Haar aber nur Zellen von einer Art besitzt. Uebri- gens scheint jene Ansicht über den röhrenartigen Bau der Menschenhaare von einer übelangebrachten Uebertragung aus der vergleichenden Anatomie herzurühren, wo wir ihn nämlich ın den Haaren der meisten Pachydermen, namentlich aber der Schweine wirklich nachgewiesen finden. — Diess ist nun, was mich eine oft wiederholte Beobachtung und Vergleichung in Bezug auf die Textur der innern oder Marksuhstanz gelehrt Organisation des Menschenhaars. 31 haben, und wovon ich jeden unparteyischen Beobachter auf der Stelle überzeugen kann. — Von einer öhlartigen Flüssigkeit, oder was immer für einem Safte, so wie von Gefässen ver- schiedener Art, habe ich nie eine Spur im Innern des Haars wahrgenommen; wenn ich anders das ausnehme, was ich oben bey der Zwiebel zugegeben habe. — Dass der sonst so verläss- liche Heusinger seine Menschenhaare fast ohne allen Mark- canal, in so fern er nämlich deutlich in der Mitte abgegränzt ist, und nur mit feinen in die Quere liegenden Schüppchen (Zellen) abgebildet hat, scheint ‚von einer Täuschung herzu- rühren. Denn ich glaube ganz gewiss, dass er die Haare von oben, oder wenigstens von unten und oben zugleich beleuch- tet hat, als er sie untersuchte, und da hielt er dann die aller- dings an der Oberfläche der Rindensubstanz vorfindigen feinen Schüppchen für die innern Zellen, oder was noch wahrschein- licher ist, er vermischte beyde mit einander. Anders kann ich mir eine solche auffallende Abweichung nicht erklären. — Anmerkung 1. Nach allen diesen, durch vielfältige und ebenfalls längsı nach der doppelten Methode E,.N. Weber’s*) angestellte Unter- suchungen gesamrelten Beobachtungen muss es mich daher sehr wundern, dass Herr Prof. Weber den menschlichen Haaren das zellige Gefüge ganz und gar abspricht, und die Angabe R u- dolph’s bestätigt, dass dieselben aus einer sehr gleichförmigen Haarmasse gebildet sind, an der man keine Zellen unterscheiden kann. Denn abgesehen, dass die Analogie fast aller Thierhaare für das Daseyn einer doppelten Substanz spricht, überzeugt uns gerade der quere, noch mehr aber der schiefe Durchschnitt un- srer Haare auf’s Augenscheinlichste davon. Wer daran noch zwei- feln, und die Unterscheidung der Rind- und Marksubstanz über- haupt für eine blosse optische Täuschung haltensollie, den verweise ich auf die aufmerksame Zergliederung der Rehhaare, Schweins- borsten, besonders aber der Stachelhaare,, ja selbst auf jene der Hornhaare, denen wohl unter allen das innere blätterige und zellige Gefüge am wenigsten zukommt; wie ich diess im 1. Bande weitläufig erklärt, und durch naturgetreue Abbildungen erläu- tert habe. Armerkung 2. Nur an den Haaren aus der Brusi eines Mannes fand ich die Querzellen des Canals (so nennt man auch die in- nere Substanz, weil sie meist heller und theilweise leer erscheint) so zu sagen eckig und abgerundet. Anmerkung 3. An der Stelle, wo das Haar aus der Haut hervor- *) Siehe Meckel’s Archiv, Jahrgang 1827. p. 210 — 226. W 32 Farbe des Menschenhaars. ! tritt, ist eine kleine Vertiefung in derselben. Kniphof *)nahm sogar ringförmige Muskeln am Umfang dieser Grübchen, aber ganz gewiss nur willkührlich an. Wahr ist es aber, dass sich in diesem Grübchen ein Zirkel der feinsten Gelässe befindet, welcher das Haar rings umgibt, wie uns schon Mascagni **) gelehrt und abgezeichnet hat. Anmerkung 4. Bisweilen spalten sich die Haare an ihrem obern Ende, doch scheint mir diess schon eine krankhafte Beschaffen- heit zu seyn, wovon in der Pathologie die Rede seyn wird; un- ter den Thieren fanden wir diese Spaltung bey den Schweinen-, manchmal auch bey den Rosshaaren. — Anmerkung 5. Die Beschreibung, welche uns Fontana ***) von der Structur der Haare gibt, ist zu sehr von der Natur abweichend, als dass ich ihrer weiter gedenken sollte. Anmerkung 6. Wer wundert sich nicht, wenn man in Gar- mann’sBuch **) vonLeuwenhoekpr) liest, dass der ocula- tissimus minutiorum naturalium contemplator gar keıne Haarwurzeln sah ? Anmerkung 7. Nicht weniger befremdend ist die Behauptung von Fabrı }t) dass die Haare venöse Plexus haben. el: FI es um. are sc Hrawasrıs Schon Malpighi+trf) nennt die Figur des Haares sub- rotunda, aliquibus eliam quadrata. Diemerbroeck+f++Fr) hält die Haare für porös, bald viereckig, bald dreyeckig, bald rund. Dass sie gespalten sind, sagt Aristoteles'); Spi- *) Abhandlung von denHaaren, deren Beschreibung, Nutzen, Zufällen und Mitteln dagegen. Rotenburg a. d. Fulda 1777. 8. **) Vasorum Iymphat. histor. et ichnographia tab. II, fig. 15. aa. »Portio cutis ex parte capıllata avulsa, Hac in parte vasa san- guinea copiosiora quemvis capillum, ubi ex cute exit, veluti eir- culo elevato cireumeunt ac comprehendunt.« ***) Sur le venin de la Vipere tom. II. p. 252. ****) De miraculis mortuorum, }) P. 2. Anat. et contempl. p. 32, 33. {HD P. 3. de plantis propos. 11. p. 100. ‘}r}) Opera posthuma, De pilis observat. p. 95. +) Opera omnia med, et anat. Genevae 1687, 1) Lib. 3. hist, animal, c. 11. Farbe des Menschenhaars. 33 gelius *) sah die Haare durch das Microscop viereckig; Robert Hook**) fast alle rund; Anton v. Leuwen- hoek***) sagt: Quot crinis, tot figura. Andreas Caesal- pin ***) sah sogar das Haupthaar durchbohrt. Eben so hält sie AthanasiusKircher+r) für hohle, durchstossene und durchbohrte Canäle. Heut zu Tag schenkt man diesem Ge- genstande weniger Aufmerksamkeit, und zwar mit Recht, weil es sich immer nur um eine kleine Modification der runden, theils eylindrischen,, theils conischen Figur handelt. Dennoch hat Herr Professor Ernst Heinrich Weber sich in der neuesten Zeit wieder mit diesem Gegenstande beschäftigt, und bey seinen Messungen gefunden, dass der Durchmesser der Menschenhaare meist eine Ellipse darstelle, sie also bedeutend platt, nämlich '/,, breit und '/;; dick seyen; und dass die plattgedrückte Form ihre Kräuselung begünstige; dass Scham- und Barthaare, wenn sie, wie gewöhnlich lockig sind, auch bey denjenigen Menschen platt seyen, deren Kopfhaare nicht platt sind u.s.w. +). Aehnlicher Meinung ist auchRosenmül- ler Fr), indemer sagt: dass sich bey krausen Haaren die Dicke zur Breite wie 9:20, bey nicht krausen aber wie 5:7 verhalte. Ich bin ebenfalls mit Leuwen- hoek der Meinung, dass fast jedes Haar von verschiedener Figur sey, wenigstens gilt diess gewiss von den Haaren der verschiedenen Körpergegenden. Auch darf nicht übersehen werden, dass ein und dasselbe Haar nicht an allen Thei- len von gleicher Figur sey, dass z. B. die Spitze oft eine sehr abweichende Figur von der Mitte, noch mehr aber von der Zwiebel habe. *) De hum. corp. fabric. e.1. 10. c. 1. p. 911. **) Micrograph. curios. in Ephemerid. Erudit. T. 2. n. 42. p. 185. ZeA..a. 0, pP: 35: ***%) L. 5. Controvers. Peripath. 9 u. 3. f. 120. 6. +) Art. magn. lux. et umbr. p, 2. c. 8. $. 5. +p) Meckel’s Archiv 1827. N. 11. S. 198. Tip) Siehe dessen Handbuch der Anatomie. 4. Auflage p. 38, Eble’s Lehre von d, Haaren II, Bd, 6) 34 Vorkommen , Länge, Eintheilung_ etc. $. 114. Vorkommen, Länge, Eintheilung und Be- nennung der Haare. Ich habe oben angegeben, dass die Haare, mit Ausnahme “des obern Augenliedes, der hohlen Hand, der Rückenfläche der letzten Finger- und Zehenphalangen, der Fusssohle, der in- nern Fläche der Vorhaut, der Clitoris und Eichel, den ganzen menschlichen Körper durchaus bekleiden, und habe bemerkt, dass nach Plater nicht einmal die hohle Hand davon aus- zunehmen sey, indem auch sie mit, aber freylich sehr kleinen Haaren, die zudem immer abgerieben werden, besetzt seyn soll, wovon ich mich übrigens nicht überzeugen konnte. Nun lese ich bey Felix Plater *), dass auch die Clunes s. Nates, und bey Lorry **), dass auch die Pars abdominis prominula unter die haarlosen Theile zu zählen seyen. — Nur sehr we- nige, manchmal wirklich gar keine Haare zeigen sich auf den Augenliedern bis an ihre Ränder, am vordern Theil des Pe- nis, am untern und vordern 'Theile des Halses, an den Seiten der Brust, an der Beugseite des Vorderarmes, besonders nach der Hand zu, an dem obern, innern, dicht an der Scham lie- genden T'heil des Oberschenkels, an dem untern Theil der Wade u. s. w. Ueberhaupt sind auf dem Rücken weniger Haare, als an der Vorderseite des Körpers, wie uns schon Aristoteles bemerkt hat. Dieser Umstand spricht gewiss nicht wenig dafür, dass der Mensch zum aufrechten Gang be- stimmt sey, indem bey den Thieren gerade der umgekehrte Fall eintritt. Endlich ist es eine bemerkenswerthe Sache, dass fast alle Oeffnungen (Atria) des Körpers: Augen, Nase, Mund, Ohren, After, Schamgegend und Brustwarzen, durch stärker ausgebildete Haare geschützt sind. Die Länge der Haare ist ebenfalls sehr verschieden; denn an einigen Gegenden des Körpers ragen sie weit über die Oberfläche des Körpers hervor, an andern sind sie dage- gen nur von mittlerer Länge, und endlich, nicht so selten, auch sehr kurz. Am längsten sind in der Regel die Haupt- *) De corp. human. structura et usu, Basileae 1583. p- 138. x* oO e ) Tractat, de morbis cutaneis. Vorkommen , Länge, Eintheilung_ ete. 35 haare, und unter diesen übertreffen wieder die Haare des Hinterhaupts jene des Vorderhauptes. Darauf folgen die Haare am Kinn bey Mannspersonen, die oft, wie wir nachher se- hen werden, eine ganz ausserordentliche Länge annehmen, und bis ans Knie, ja selbst bis auf den Boden reichen. Von mittlerer Länge, etwa 41—2 Zoll sind sie an der Scham beym Manne am After, und unter den Achseln bey beyden Geschlechtern. Jetzt kommen bey manchen Männern die Haa- re auf der Brust, und zwar sowohl in der Mitte, als auch an den Seitengegenden, d. i. unter den Brüsten. Diesen zunächst stehen die Haare an den Füssen und Armen. Vorne am Schen- kel, auf dem Rücken des Fusses, am Vorderarm und auf den Rücken der Hand, namentlich auch des ersten Gliedes der vier Finger, sind sie von der Länge eines °/, Zolles und darüber. Kürzer als diese, etwa '/, bis ’/, Zoll lang sind die Augenbraunen, Augenwimpern und Nasenhaare, welchen sich dann die Haare im äussern Gehörgang anschliessen. Die kürzesten Haare finden sich an den übrigen Stellen des Kör- pers unter dem Namen der Wollhaare, z. B. an der vordern Fläche der Lenden, oben an den Waden u. s. w. Hievon gibt es jedoch nicht sogar selten merkwürdige Aus- nahmen, die immer noch in den Bereich einer relativen Gesundheit gezogen werden müssen. — So bewunderte man zu Neapel einen jungen aus der Berberey gebürtigen Mann von 28 Jahren, dessen Haar in einer Länge von vier Fuss und von borstenartiger CGonsistenz vom Kopfe herabhing *). — Der Tänzerinn Negrini sind die Haare nach einer acuten Krankheit bis auf eine Länge von vier Ellen gewachsen **), Dr. Jahn ***) gibt an, dass man ein langes Haupthaar habe, wenn es die Länge einer Brabanterelle betrage. Er selbst sah jedoch noch längere (zu 4/, Brabanterellen) und Kreutz erwähnt eines Beamten in Minden, der ein Haar von zwey Ellen Länge hatte. Dass Frauen längere Haare bekommen als die Männer, ist bekannt, so wie über- haupt die lichten Haare schneller zu wachsen und länger zu werden pflegen, als dunkle. Es gibt auch merkwürdige Bey- *) Frorfiep’s Notitzen für Natur- u. Heilkunde 14. Bd. p. 310, **) Archiv für med. Erfahrung von Horn. Neue Folge 1811, 2, Ba. E77 1. Heft. ‚ A... 0. 36 Vorkommen, Länge, Eintheilung etc. spiele von sehr langenBärten. So glich der Kanzler der Uni- versität von Tübingen Dr. Joh. Ulrich Pragizzer dem Aaron, und Turenne, als er dort mit seinen Franzosen überwinterte, sagte: Foila il y a homme plus de barbe, que tous les hommes de France*). Auf dem Prinzenhofe zu Eidam ist ein Zimmer- meister in Lebensgrösse gemahlt, der seinen Bart bey der Ar- beit in einem Säckchen trug; denn wenn er ihn herabfallen liess, so reichte er zuerst bis an die Erde, und dann wieder zurück bis zur Mitte seines Körpers, und mass 9 Fuss. — Im Türkenkriege hatte ein ungarischer Soldat einen so starken Bart, dass er sich damit ganz umgürten und bedecken konn- te. Er liebte ıhn so, dass er lieber sein Leben verlieren, als dem Befehl gemäss, seinen Bart abrasiren wollte. So wurde er ihm dann weiter zu tragen erlaubt **). Bartholin ***) erzählt auch die Geschichte eines herumziehenden Mönches, dessen Bart bis auf die Füsse reichte, und in Braunau sieht man das Grabmal des Bürgermeisters Hans Steininger, dessen Bart selbst bis unter dieFüsse auf die Erde hing, und ihn, da er beym Besteigen der Stiege des Rathhauses ihn aufzuschür- zen vergass, zum Fallen und dadurch um’s Leben brachte (An- no 1572). Jahn ****) berichtet von dem Bart des starken Rie- sen Rauber, eines deutschen Ritters und Kriegsrathes Kaiser Maximilian I., dass er viel länger war, als sein Haupthaar würde geworden seyn, wäre es ungeschoren geblieben. Er ging nämlich bis zu den Füssen, und von da wieder herauf zum Gürtel. Er schlang ihn gewöhnlich im Gehen um einen grossen Stock, und liess ihn den Winden zum Spiel. Alva- rus Semedus Lusitanus, ein Jesuit, kam aus Japan und China mit einem bis auf die Füsse reichenden Barte nach Rom zurück. Er band sich denselben der Bequemlichkeit halber zu- sammen. — Bey den übrigen Haaren im Gesichte trifft man sehr selten eine so auffallende Länge an, doch sah ich Augenbraun- haare von 4'/, Zoll Länge. — Manchmal sind es nur gewisse Haare des Bartes, die zu einer so ausserordentlichen Länge anwachsen; so war der bis auf die Knie reichende Bart eines meiner Freunde grösstentheils nur von jenen Haaren gebildet, *) Tob. Wagner Memorab. p- 11: **) v. Tob. Wagner. ***) Histor. rarior, Anat, == . . . = . **) A. a. O. Aus dem Diction. hist. crit. artic, Rauber. Vorkommen, Länge, Eintheilung etc. 57 die aus der Gegend zwischen Kinn und Zungenbein hervor- wuchsen. Grosse Verschiedenheiten treffen wir bey denHaaren der Brust, so dass manche Männer glatt wie die Weiber, andere wieder ganz und lang behaart sind. Nach Frys travels p. 102 wachsen die Brusthaare an den Fakirs auf vier Ellen lang. Die Priester in Mexiko hatten ehedem das längste und schwerste Brusthaar *). Einer meiner Freunde kannte ein Freudenmäd- chen, die auf der Areola ihrer Brustwarzen zolllange und sehr dicht stehende Haare hatte. Zu gleicher Zeit war sie auch vom Nabel abwärts, und vorzüglich an der Scham stark behaart. — Paulini kannte eine Frau beym Militär, derenSchamhaare bis an die Knie reichten, und von einem armen Mädchen abge- schnitten, und zu Perrücken gebraucht wurden **). Jahn ent- band eine Frau, deren Schamhaare um einige Zoll länger wa- ren, als ihre Haupthaare. — Ich selbst sah hier die Scham- haare eines der Sage nach sehr geilen Weibes von einer Länge von vier Zoll; und in Ofen soll sich ein wallachisches Mädchen von 20 Jahren aufgehalten haben, deren Schamhaare ebenfalls bis auf die Knie reichten. Nach Bartholin ***) hatte die Frau eines dänischen Soldaten so lange Schamhaare, ut pone tergum poluerint complicari, d. i. dass man sie auf dem Rücken flechten konnte. — Selbst die Nasen- und Ohrenhaare sind manchmal um mehr als die Hälfte grösser, als bey andern Menschen. Dass endlich auch die feinen Körperhaare der an- dern Gegenden zu einer enormen Länge anwachsen können, davon gibt uns schon das alte Testament Bericht, indem Esau sich von dem zarten Jacob durch seine rauhen Hände unter- schied ****). Noch mehr aber überweisen uns die häufig aufge- zeichneten Geschichten der sogenannten behaarten Men- schen (Homines pilosi), deren wir schon in den ältern Schriften gedacht finden. So beschreibt Hildanus +) einen ganz rau- *#) A Gosta hist. nat.’]..5. c. 26. **) Fried. Garmann de miraculis mortuorum, Dresd. et Lipsiae 1709 7. 7IIE *##) A, a. OÖ. Centur, 1. hist. 43. ***%) Genesis XXV. 25. wo es heisst: „quod rufus totus, et villosi centonisinstar fuerit,“ F) Epistol, med, 38 Vorkommen, Länge, Eintheilung etc. hen Knaben, Thoresby*) ein haariges Mädchen, W elsch **) und Bartholin ***) einen Mann mit haarigem Gesichte, Za- chias *”**), Wolf+) und Zacutus +f) Menschen mit haarigen Ohren. Andere Beyspiele liefern Lehmann, Blan- card, Lentil ++) und Schulze +rr}). Riolan') er- zählt einen Fall, wo ein rauher, bärtiger Mensch für einen Bären gehalten wurde. Vandenbröck ’) schreibt ebenfalls von einem dergleichen rauhen Satyr, der nicht reden konnte. Digby aKenelmo °) berichtet, dass in Polen und Russ- land ganz haarige Knaben unter den Bären gefunden worden seyen, was auch Bernhard Connor, des Sobiesky’s Leib- arzt bestätiget. Schulze und Glisson reden gleichfalls von verschiedenen in Wäldern erzogenen, rauhen Menschen. Za- chias ‘) erwähnt einer rauhen, bärtigen Frau, C. Bartho- lin °) zweyer junger, bärtiger Mädchen. Degner °) erzählt von einem Mädchen, die vom dritten Jahre an am Rücken, Bauch, an den Armen und Beinen mit Haaren bewachsen war ?). Aehnliche Beyspiele von bärtigen Frauenspersonen findet man bey Lehmann), Lanzon), Spindler '*), nn a *) Topograph. of Leeds p. 601. **) Episagm. obs 96. ***) Anatom. p 452. Cent. I. hist. 42. ****) Ephemerid. Natur. cur. Vol. VI. Obs. XI. 1) Ephemerid. Nat. cur. Vol. VI. Obs. XX. tr) Prax. observ. 95 nnd Opusec. scient, philol. T. XIII. p. 407. 717) Jatromnem. p. 196. trrit) Haarkrankheiten p. 105, 114, 118. 1) De monstris p. 9. 2) Voyag. 426. h 3) Tractat. de natura corporis ce. 23. n. 7. p. 315. 4) Med. leg. p. 603. 5) Anat. p. 452. 6) Acta nat. curios. VI. Obs. 71, . 7) Da diese Geschichte in mehr als einer Hinsicht merkwürdig ist, und auf jeden Fall abnormer Art war, so werde ich sie in der Patho- logie ausführlicher citiren. 8) Chronic. p. 67. 9) Animal. 49. 10) Observ. 97. Vorkommen, Länge, Eintheilung etc. 39 Helwig *, Parsons**), Linden **), Ulmus *"**), Fa- ber +), in den Breslauer Sammlungen 1724, Jul., und selbst bey Aristoteles 'rFr). Ich werde auf diesen Gegenstand bey der Verschiedenheit der Haare nach dem Geschlechte ausführ- licher zurückkommen. — In Bonnet'’s Sepulchretum las ich folgende interessante Beobachtung von vanHorne aufgezeich- net. Dieser secirte nämlich einen gewissen Martinez del Slaper, der sich in einem Fieberanfall selbst aufgehängt hatte. Seine ganze Brust, der Bauch, der Rücken und die obern Extremitäten waren stark behaart, die Haare am Rücken hat- ten aber überdiess das Besondere an sich, dass sie sich nicht, wie gewöhnlich ab-, sondern aufwärts bogen. Auf der Schul- terhöhe war er wie ein Bär behaart. — Auch Columbus sah einen Spanier, der am ganzen Körper voll Haare war, Gesicht und Hände ausgenommen. Demselben Arzte kam auch eine Vestalinn zu Gesichte, die gleichfalls ganz behaart war. — Inältern Zeiten, und namentlich bey den Griechen nannte man derley behaarte Menschen: Satyrnr. So spricht schon Plutarch +FrF) von solchen Satyrn. Helmont rrrf) spricht von einem in Salz eingemachten Satyrn, der durch Aegypten, Phrygien und Griechenland getragen, und um Geld gezeigt wurde Pomponius Mela') beschreibt die Völker in Caramanien ganz behaaft. Eben so beschreiben Diodorus und Arrianus haariıge Völker, und Fricke *) will auf der Insel St. Gall rauhe Menschen gefunden haben. So sagt man auch von den maldivischen Männern, dass sie am gan- zen Körper haarig sind ‘). Haller hält es für eine Fabel, ‘dass es ganze behaarte Völkerschaften gebe. Die Wahrkeit *) Observ. 3. **) Hermaphrod. p- 23. ***) Physiolog. p.:553. #***) P, 307. +) Ad Hernandez p. 763. ++) Hist. animal. 3. c. XI. +++) In Sylla p. m. 143. +rtr) Tr. venet. scient.”n. 35. p. 21. 1) . 3. de situ orbis c. 8. 2) Reisebeschreibungen p. 194 53) Allgemeine Historie der Reisen 8. Bd, p. 199 40 Vorkommen, Länge, Eintheilung_ etc. wird sich aus den unten folgenden Nationalverschiedenheiten ergeben. — In unsern Zeiten finden sich derley behaarte Menschen weit seltener, und diess bringt mich auf die Ver- muthung, dass Manches hierin übertrieben worden sey. Den- noch las ich im österreichischen Wanderer vom 2. Januar 1829 folgende Geschichte: „Der letzten brittischen Gesandt- schaft in Birmanien wurde zu Ava ein Mann vorgestellt, der vom Kopf bis zu den Füssen mit langen Haaren besetzt war. Im Gesicht, selbst an den Ohren und an der Nase war das Haar sehr dick, und nicht weniger als 8 Zoll lang; auf der Brust und an den Schultern war die Länge der Haare nicht über 4—5 Zoll. Er hat durchaus keine Backenzähne, ist von Lao, dem Schneelande am obern Theile des Martaban-Flus- ses gebürtig. Er erzeugte schon zwey Töchter, wovon die er-. ste ihrer hübschen Mutter, die zweyte ganz dem Vater gleicht; nur ist ihr Haar weiss und blond, das seinige braun und schwarz. In seiner Jugend hatte es jedoch dieselbe Farbe, wie das der Tochter; sonst sind beyde wohlgebaut.“ — Auch Ruggieri*) theilt die Geschichte eines 27jährigen Mädchens mit, welche von den Brüsten bis zu den Knien, und von den Schulterblättern bis in die Kniekehle mit schwarzen, weichen Wollhaaren, wie ein Pudel besetzt war. Auch die Haut war an den genannten Stellen so weit sehwarz, und von den übri- gen weissen scharf begränzt — Auch Bodard **) beschreibt ein Kind mit einem angebornen Haarpalatin. — Endlich ist auch in der Zeitschrift für die organische Physik von Heu- singer (5tes Heft, Nov. XIV) die Beobachtung eines ganz mit Haaren bewachsenen Mannes aufgezeichnet. $. 445. Die Haare erhalten von den Gegenden, an denen sie sich befinden, besondere Benennungen. Ich werde sie da- her einzeln durchgehen, und zugleich ihre Richtung angeben. 4) Kopf- oder Haupthaare (Capilli, Coma, Caesa- ries) ***), Diese nehmen den, daher auch benannten, behaar- *) Allgemeine med. Annalen 1817. Nov. p. 1522. Storia ragionata di una donna avente gran parte del corpo coperta di pelle e pelo nero. Venet. 1815. 8. **) Recueil periodique Juny 1806. T. 26, ***) Gapilli = yogoy von zeigw incido nach Aeschylus. Bey den Männern heissen sie nach Homer „lliad Il. und Odyss. Il, Ese:px Vorkommen, Länge, Eintheilung etc. 41 ien Theil des Kopfes ein, und sind in der Regel die längsten Haare des Körpers. Doch werden sie an Stärke und Härte von den Schamhaaren übertroffen. Sie wachsen strahlenweise vom Scheitel aus, bilden in ihrem Mittelpunkt den sogenann- ten Wirbel *), und verbreiten sich dann nach allen Seiten hin nach abwärts. Man nennt diess das Scheiteln der Haare. Die mittlern und die vordern , ;welche sich gegen die Stirne am meisten herabneigen, heisst man auch das Schopfhaar oder den Schopf, Antiae; die auf dem Stirnbein überhaupt Capilli, und den hintern Theil, der sich nach dem Hinter- haupt oder in den Nacken herunterschlägt, beym Manne Cae- saries, beym Weibe Crines. Capronae sind nach Kniphof die Schläfenhaare, und Cincinni jene, welche den untern Theil der Schläfe, zwischen Wangen und Ohr einnehmen, und mit dem Barte zusammentliessen. Andere nennen diese letztern auch Hapwrıöeg, oder weil sie sich bey vielen Men- schen von selbst in Locken legen, gekräuselte oder L o- ckenhaare. Uebrigens haben Knaben, Weiber und Ver- schnittene die meisten Kopfhaare; und die am Hinterhaupt herabhängenden sind gewöhnlich die längsten. — Velpeau gibt die Richtung der Haupthaare noch genauer an. Er sagt: In der Stirngegend wird die Haut von den Haaren ge- wöhnlich schief von vorne und nach aussen durchbohrt, wo- her die Neigung derselben kommt, in der einen oder andern dieser Richtungen auf der Stirn herabzuhängen. Die Haare der Schläfengegend pflanzen sich alle schief ein, so dass die mittlern nach dem Öhre zu, die vordern auf die Stirne, und die hintern nach dem Halse zu herabsteigen. In der Hinterhauptsgegend sind sie ganz oben fast senkrecht caesaries ab £sepew a frequenti caesione;« bey den Weibern aber »xoRy von xokeon curo i.e, ab ornatu et curiosiore cultu. Avowp« und Auvrooıg nach Aristoteles i. e discrimen ut aquamentum. Letzteres galt vorzüglich von jenen Haaren, die von dem Scheitel nach der Stirne hingen. Sonst heissen auch die am Vorderhaupte Gapilli, und die am Hinterhaupte crines, die der Schläfen aber cincinei. *) Bey den Griechen, und zwar zuerst bey Aristoteles xowug% s. zoygy locus calvarıae, quod crinibus densioribus ac reliquaecapiti partes tegı videatur. Bey den Römern Vertex, quia circaeum capilli vertantur. 42 Vorkommen, Länge, Eintheilung etc. eingepflanzt, während sie die Haut immer schiefer durchboh- ren, je weiter sie nach unten herabsteigt *). Anmerkung. Die neuern Naturforscher, und unter diesen besonders Bichat haben die ausgezeichnete Länge der Kopfhaare beym Menschen ebenfalls als Beweis für seine ursprüngliche Bestimmung zum aufrechten Gang angeführt, indem sie mit Grund sagen, dass der auf allen Vieren gehende Mensch durch eben diese lan- gen Haupthaare in seinen Bewegungen bedeutend gehindert wer- den müsste. 2) Die Augenbraunen (Superciia), auch Au- genbrauen, Augenbrauwen, von den alten griechischen Aerzten nach dem Zeugniss des Pollux ITuro, genannt, Man versteht darunter zwey haarige Bogen am untern Theile der Stirne auf dem Augenbraunenbogen des Stirnbeines. Von der Nase verschmälert sich dieser Bogen allmählig gegen die Schläfe hin, und läuft in eine mehr oder weniger scharf be- gränzte Linie aus. Die ältern Zergliederer bezeichneten daher das gegen die Nase zu gekehrte Ende der Augenbraunen als deren Kopf (opgvav xeyary, 1. €. caput superciliorum), das an- dere Ende als deren Schwanz (oPpuav ougx, i. e. cauda superci- liorum). Die Augenbraunen sind übrigens entweder. gerade, oder in einer Arcade, lang oder kurz, klein, dicht, glatt oder uneben, rauh. Sie sind ferner entweder beyde einander mehr oder weniger genähert, oder auch ganz vereinigt (Intercilia). Gewöhnlich ist jedoch die Zwischenstelle haarlos, und heisst bey Ruffus und Pollux pesoggvov *). Die einzelnen Haare der Augenbraunen sind kegelförmig, steif, kurz, stark glän- zend und dick, und laufen schnell in eine dünne Spitze aus. Nur bey Greisen krümmen sie sich manchmal auffallend; und vollkommen kraus sollen sie sich bey den Negern finden. Die untern stehen aufwärts, die obern abwärts, und meistens sınd die Spitzen gegen die Schläfen gerichtet. So verschieden übrigens die Form der Augenbraunen auch seyn mag, so hängt sie doch grösstentheils von der Form des Augenbrau- nenbogens des Stirnbeines ab. Je nachdem nun dieser mehr oder weniger hervorragt, fallen auch die Augenbraunen mehr in die Augen. Je sanfter der ganze Bogen gegen die Schläfe hin geneigt ist, desto angenehmer ist seine Form. Ihre Ver- *) Abhandlung der chirurgischen Anatomie etc. E\ Strato setzte hieher das Principatum anımı, Vorkommen, Länge, Eintheilung etc. 43 schiedenheit nach dem Alter, Geschlechte und den Nationen, so wie auch ihre physiognomische Bedeutung sollen weiter unten am geeigneten Orte zur Sprache kommen. 3) Die Augenwimpern (Cila) *) liegen reihenweise einzeln nebeneinander an den Rändern der Augenlieder. Sie sind meist etwas dicker und elastischer als die Kopfhaare, und einige Linien lang. Ihre Biegung ist verschieden. Die am obern Augenlied sind aufwärts, die am untern auswärts gebogen. Nach Sömmering gehen sie von den Rändern der Augenlieder und der Mitte gerade nach vorne, an den Seiten aber seitwärts fort, und im Schlafe, oder wenn das Auge geschlossen ist, durchkreuzen sie sich, lassen jedoch, den Rändern der Augenlieder zunächst, und nach der ganzen Länge derselben einen dreyeckigen Canal übrig, den Söm- mering in seinen Jconibus oculi humani darzustellen versucht hat. — Dass die Reihen der Cilien nicht einfach, sondern doppelt, dreyfach, und auch ungleich sind, hat schon Wins- low**) dargethan. Albin***) und Quadri fanden sogar vier Reihen im obern Augenlied. — Reisst man die Haare heraus, so zeigen die Löcher in der Haut die Richtung, Zahl und Dicke der Cilien an. — Uebrigens sind sie am obern Augenlied nicht allein häufiger, sondern besonders in der Mitte auch länger und dicker ****), Ueberhaupt zeichnen sich sowohl die Cilien als die Augenbraunenhaare vor allen übrigen Haaren 4. durch den bestimmten Grad ıhres Wachsthums; 2. durch ihre äus- serst träge Reproduction, wenn sie abgeschnitten worden (denn ‚sie sollen nach Langguth zwey volle Jahre brauchen, um ihre vorige Länge wieder zu erreichen) ; und 3. durch ihr sel- tenes Grauwerden aus. — 4) Die Haare des äussern Gehörganges. (Tra- gi), Bockshaare. Da, wo sich die äussere Haut in den Ge- hörgang hineinschlägt, trifft man gewöhnlich feine oder kurze *) BAeyapicesnach Hippocrates Coac. aphorism. 218. etAristote- les Hist. animal. 9. 2. Part. animal. 15. Palpebrae nach Pli- nius a frequenti palpitatione. Cilia nach Galen, Ve- sal, Celumbusu. s, w. darum, quod oculos celent et tueantur, **) Exposit. anat. Traitd de la tete $. 278. ER) Annot.' acad. lib. LIT. ce. VII. **%*) Siche Albin: annot, academ, lib. IL cap. VI: p. 31. de Ciliis. mil einer Abbildung 44 Vorkommen, Länge, Eintheilung_ etc. Härchen von meist heller Farbe an. Sie sind steif, in die Höhe stehend, oben convex umgebogen, einige Linien lang, und ste- hen unter mancherley Richtungen aus dem Gehörgang hervor. Sonst pflegt man sie auch Yibdrissae zu nennen. 5) Die Nasenhaare. (Vibrissae*). Es befindet sich da, wo die allgemeine Decke mit der Schleimhaut der Nase zusam- mentrifft, an der innern Fläche der Nasenflügel eine Anzahl kurzer, aber ziemlich starker, und gewöhnlich schwarzer Haa- re. Sie sind jedoch in der Regel nur bey Männern anzutreffen. — 6) Die Barthaare. (Barba**) Barbitium). Unter dem Munde, am Kinn, an dem obern und vordern Theil des Hal- ses, an den Wangen und über der Oberlippe erwachsener Mannspersonen befinden sich dickere, längere und zahlreichere Haare, die sich von allen übrigen durch grössere Stärke und . festere Insertion auszeichnen, und die man den Bart nennt. In der Regel treten sie erst zur Zeit der Pubertät hervor. Auch diese Haare haben wieder verschiedene Benennungen erhalten. So heissen die Haare auf der Oberlippe Knebelbart (My- stax) (die Wansen). Die zwischen der Unterlippe und dem Kinn befindlichen nennt man Spitzbart (Pappus), und jene, welche die Gegend der Ohrspeicheldrüse, des Kaumuskels und die eigentlichen Backen bedecken, Backenbart (Julus). Rufus nennt die ersten Spuren des Knebelbarts Ngorayavıov (Probarba), und die des Backenbarts /ovXAog ***). Spigel nennt das erste Wollhaar des eigentlichen Bartes xvoug ****). — Die Barthaare haben auch eine verschiedene Richtung; im Allgemeinen geht diese abwärts, an der Oberlippe aber schräg ab- und auswärts. Sie richtet sich jedoch ganz besonders nach der sorgfältigen täglichen Cultur, und nach dem Zuge des Messers, womit der Bart abgenommen wird. Häufig sind die Barthaare gekräuselt, bey den meisten Männern aber schlicht. — Uebrigens zeichnen sie sich im Allgemeinen durch ansehnliche Länge und Dicke aus. Doch sind sie sowohl in diesen Beziehun- gen, als auch an Farbe und Anzahl sehr verschieden. welche *) Nach Bauhinus (Theatrum anatom.lib. III. p. 862) darum, „quod iis, dum vi evelluntur, caput vibretur.« **) Wahrscheinlich aus der celtischen Sprache, in welcher Bar einen Mann, Barb aber den Bart bedeutet. ”*) Stephani Dict. med. 1564. 8. p. 531. ****) Spigel. de hum. corp. fabr. 1. 1. c. 1. Vorkommen, Länge, Eintheilung etc. 45 Verschiedenheit vom Alter, Temperament, Clima, Zustand der Lebenskräfte und der Nahrungsmittel abzuhängen pflegt. Sie scheinen zwar im Durchschnitt mit den Kopfhaaren in den meisten der angegebenen Eigenschaften gleichen Schritt zu hal- ten, und mit ihnen übereinzustimmen, doch sind Ausnahmen nicht so gar seiten. So findet man sie ebenfalls schwarz, tro- cken, hart, nicht dicht bey cholerischem Temperamente, im reifern Alter und in warmen trocknen Ländern, z.B. in Ara- bien, Aethiopien, Indien, Italien, Spanien u. s. w. Eine lym- phatische Constitution, jugendliches Alter, kalte, feuchte Ge- genden: Holland, England, Schweden, bringen blonde, dicke, fast gerade und sanftere Barthaare hervor, und je nachdem diese einzelnen Umstände verschieden zusammentreflen, kommt auch eine ausserordentliche Verschiedenheit des Bartes heraus. Hiervon soll jedoch später umständlicher gehandelt werden. Anmerkung. Aristoteles bemerkt schon, dass manche Männer einen stärkern Bart unter den Wangen, als am Kinn und den Lippen haben. 7) Die Achselhaare. (Hirci. Glandebalae s. Grande- balae s. Pili subalares). So werden die in der Achselhöhle be- findlichen, gewöhnlich krausen, 4 — bis 1'/, Zoll langen Haare genannt. Sie gehen strahlenförmig auseinander, und kräuseln sich sowohl nach vorne als nach hinten in die Höhe. Uebri- gens kommen sie an Dicke, Straffheit und Härte den Scham- haaren nahe, doch sind sie weniger zahlreich und weniger dicht, und kommen erst nach dem Anfang der Mannbarkeit zum Vorschein. 8) Die Schamhaare. (Pubes, Puberale *) Hebe **). Diese erscheinen gleichfalls erst zur Zeit der Pubertät bey bey- den Geschlechtern, und zwar am meisten auf dem Theil der Haut, welcher an der Vereinigung der Schambeine dicht dar- über und daneben liegt. Bey Mannspersonen erstrecken sie sich auch nach oben, gegen die weisse Bauchlinie hin, und stehen durch einen längs dieser herablaufenden schmalen Streif mit den Brusthaaren in Verbindung; ferner zum hintersten Theil des männlichen Glieds, und zum obern und hintern Theil des Hodensacks. Bey Frauenspersonen sind sie an den grossen *) Glossarium graeco-latinum spnoauov. **) 4 Galen, Comm. ad Hippocratis aphorismos I, 5. aph. 27, 28. 1. 3. aphor. 7. 46 Vorkommen, Länge, Eintheilung ete. Schamlefzen und auf dem Venusberg ausgebreitet; bey bey- den Geschlechtern nehmen sie nebstdem noch die Gegend des Dammes, und beym männlichen auch den Ausgang des Afters ein. Sie sind 4, 2— 3 Zoll lang, ziemlich stark , gewöhnlich, und zwar aufwärts gekräuselt, meist viel härter, straffer, und nach Villerme auch dunkler, als die Kopfhaare. Bey eini- gen Menschen sind sie in grösserer Menge, und dicht vorhan- dann so dass sie die Haut an den genannten Theilen ganz be- decken; bey andern findet man nur wenige, mehr zerstreute. — Die aane um den After brechen später hervor, gehen aus- und dann abwärts, und werden von vielen Anatomen Afterhaare genannt, und solchergestalt den an der obern Oeffaung des Speisecanals sitzenden Barthaaren polarisch ent- gegengestellt. — Ueber die genauere Beziehung der Scham- haare zu den Geschlechtsverrichtungen werde ich später das Nöthige anführen. — 9) Die übrigen, sogenannten Hauthaare (Pili, Lanugo) sind nur kurze, dünne Härchen, die meist nur zerstreut stehen, und an manchen Stellen, feruer bey weisshaarigen Menschen mit blossem , sonst aber nur mit bewalfnetem Au- ge sichtbar sind; so dass die ganze übrige Haut dennoch mehr oder weniger nackt erscheint. Doch haben, wie zum Theil schon oben gesagt wurde, die meisten erwachsenen Mannspersonen auch an der vordern Fläche des Oberschen- kels, am obern Theil des Unterschenkels, an der äussern Seite des Arms, um die Brustwarzen herum, manche auch auf der Gegend des Brustbeins, und längs der weissen Bauchlinie her- ab (wo sie dann meist pyramidalisch mit den Schamhaaren zu- sammenstossen) mehr oder weniger lange und dicke Haare (Pi), die jedoch selten einen Zoll lang werden, und nie so dicht aneinander stehen, dass sie die Haut völlig bedecken. — Uebrigens sind die Haare an den Gliedmassen gewöhnlich lich- ter, und gehen in der Regel von oben abwärts. Eben so ver- laufen auch die Brust- und Rückenhaare. Manchmal sieht man jedoch einige Haare von der Brust bis an den Hals hinaufstei- gen. Die Haare am Halse haben ihre Richtung nach demselben. In der Nähe des Nabels pflegen sie zu convergiren. Ich sah ei- nen jungen Mann, wo diese Haare am vordern Theil des Stam- mes so zu sagen ein grosses Kreuz bildeten, dessen eine Linie vom Halsgrübchen bis an den Schamberg reichte, und von einer auf beyden Seiten um die Brüste sanft herumgebogenen Vorkommen, Länge, Eintheilung etc. 47 Linie durchschnitten wurde. — Wie wir in dem ersten Band von den Thierhaaren gehört haben, gab Tysson als ein Kennzeichen, das dem Menschen und einigen Aflengattungen besonders eigen sey, an, dass die Haare beyder auf den Schultern abwärts, und an den Armen aufwärts gerichtet seyen. Ich mag es nicht zum abnormen Zustande rechnen, wenn viele Menschen an ihren Gliedmassen ziemlich stark be- haart sind; das aber verdient besonders bemerkt zu werden, dass es auch Männer gibt, deren obere Gliedmassen ganz be- haart, die untern aber fast ganz haarlos sind, und umgekehrt. Die innere Fläche des Arms, die vordere des Vorderarnis, die Gegend der Rotula, der Rücken des Fusses und der ersten Finger - und Zehenglieder haben gewöhnlich wenige und nur kurze, dieHand- und Fussfläche, die Seitenfläche der Finger, und überhaupt Theile, wo der Tastsınn vorwaltet, haben gar keine Haare*). Wenn nun alle diese Haare sehr fein und kurz sind, wie an weiblichen und kindlichen Körpern, so heissen sie Wollhaare (Lanugo). Sind sie aber sehr lang oder sehr dicht, so heisst man solcheMenschen vorzugsweise behaarte, (Homines pilosi), von welchen bereits oben die Rede war. Anmerkung 1. Bey manchen Menschen trifft man nach Jahn aul den Waden einen eben so starken Haarwuchs , als bey andern auf den Schienbeinen. Doch fand er diess nur bey solchen, die sehr arm an Haupthaaren waren, Auch hat sich mir das häufig bestätigt, dass Männer, die arm an Barthaaren sind, meistens stark bewachsene Schienbeine haben. Anmerkung 2. Rücksichtlich der Texturverschiedenheit dieser ver- schiedenen Haararten eines und desselben Menschen verweise ich auf die Erklärung der 127-—144sten Figur, auf welcher die Haare aller Körpergegenden in ihrer normalen Grösse und Lage ge- zeichnet, sodann aber auch in Bezug auf ihre innere Textur mi- eroscopisch dargestellt sind. ”) Siehe Morgagnı Advers. I. $.12. p. 1i und p, 9, Ferner Advers, IV. Anımadvers. XXII. p. 57. 48 Von der Weichheit, Härte, Biegsamkeit etc. $. 115. Weichheit, Härte, Biegsamkeit und Sprö- digkeit, Glätte, Glanz, Rauhigkeit, Dicke, Stärke und Kräuselung der Haare. Manche dieser Begriffe sind häufig mit einander verwech- selt worden, so z. B. die Rauheit mit Härte, und die Glätte mit Weichheit. Ich will sie daher einzeln genau bestimmen, und durch Beyspiele erläutern. Hart nenne ich dasjenige Haar, welches einen verhältnissmässig grossen Widerstand lei- stet, wenn man es mechanisch, sey es nun nach der Länge oder Breite, trennen will. Es ist leicht einzusehen, dass dem- nach die Härte bloss von dem grössern Verhältniss der festen zu den flüssigen, oder wenigstens weichen Theilen abhängt. Dieser Eigenschaft steht nun die Weichheit gerade entge- gen, und mit dieser letztern ist auch die Biegsamkeit in so fern in nächster Beziehung, als wohl nur jenes Haar bieg- sam genannt werden kann, in welchem die Menge der flüssı- gen oder weichen jene der festen Bestandtheile übertrifit. Hier- aus ist nun ersichtlich, dass ein rauhes Haar (welches also an seiner Oberfläche uneben ist) , im Grunde doch auch weich und biegsam, und umgekehrt, ein glattes Haar recht wohl hart seyn könne; ferner dass die Elasticität in dem oben an- gegebenen Sinne mit der Härte durchaus nicht identisch sey, im Gegentheil sogar ein sehr hartes Haar wenig Rlasticität be- sitze, — Spröde endlich heisse ich jenes Haar, das in man- cher Hinsicht mit dem harten übereinkommt, und sich nur dadurch von ihm unterscheidet, dass es bey fortgesetzter oder stärkerer Gewalt (Druck u. s. w.) von aussen in mehrere Theile zerspringt. Sprödigkeit setzt jedoch immer Härte voraus, ob- gleich nicht jedes harte Haar spröd zu nennen ist. — End- lich zeichnet sich das dicke Haar dadurch vor dem dünnen aus, dass seine Massentheile einen grössern Raum nach allen drey Richtungen einnehmen. Es kann übrigens, wie leicht ein- zusehen ist, hart oder weich, biegsam oder spröde, glatt oder rauh seyn, je nachdem die oben angegebenen Verhältnisse bey ihm Statt haben, oder nicht. — Die härtesten, und zugleich unbiegsamsten Haare sind die in der Nase, und zwar hauptsächlich die längern unter ıh- Von der Weichheit, Härte, Biegsamkeit etc. 49 nen. Die feinen Haare des Gesichts, mit Ausnahme des Barts, zeichnen sich wohl vor allen durch vorzügliche Weichheit. aus. Biegsam sind die Bart-, Augenbraunen-, Augenlieder-, Haupt-, und vor allen die Wollhaare. Weniger biegsam sind die Haare des äussern Gehörgangs, der Achseln, der Scham, und des Afters. — An den härtesten Haupthaaren treffen wir auch in der Regel eine rauhe Oberfläche. Diess rührt gewiss nur daher, weil sich das äusserste Hornblättchen der Rinden- substanz hier häufiger in Form kleiner Schuppen ablöst, als bey den weichern Haaren. — Am dicksten werden gewöhnlich die Schamhaare angegeben; ich fand jedoch häufig die Backen- barıhaare noch dicker. Auf sie folgen sodann die Achsel-, die dickern Nasen-, die Kopf-, Augenbraunen - und Wimpern- haare; und die dünnsten von allen sind die Wollhaare, Hier- von gibt es jedoch wieder mancherley Ausnahmen. So findet man wohl Menschen, deren Schamhaare viel dünner als die Haupthaare sind, und ich selbst sah zwey, deren Augenbrau- nen — dicker, als die Haupthaare waren. So ist es auch nicht so gar selten mit den Nasenhaaren ganz anders. Doch kamen mir keine Schienbeinhaare vor, welche die Haupthaare an Länge und Dicke übertrafen; dagegen fand ich die Angabe Jahn’s bestätigt, dass an stark behaarten Stellen die Haare in der Mitte dicker, die am Rande aber dünner seyen. Im Allgemeinen gibt Muschenbroek die Dicke der Menschenhaare von '/,, bis '/,,, eines Zolls an. Rosenmül- ler*) bestimmt den grössten Durchmesser des Kopfhaars bey Erwachsenen auf '/,,, bis '/,;,, eines Par. Zolls, den eines Bart- haars auf '/,;, bis '/,,,; den der Kopfhaare kleiner Kinder etwa auf '/.,, bis '/,.., und den eines Wollhaars vom Körper eines Fötus auf '/,, Par. Zoll. — Robinson **) nimmt /aı, bis '/;;, eines Zolls an. — Leuwenhoek ***) bestimm- te sie schon früher auf '/,,, eines engl. Zolls, und diess scheint auch nach Weber’s neuesten Messungen die annehmbare Mit- telzahl für den Durchmesser eines Haares zu seyn. Denn die- ser fand ein Kopfhaar eines Neugebornen nahe an der Haut /sı, Paris. Zoll breit, und '/,;,, P. Z. dick; ein anderes von *”)A. a0. p. 39. **) Essays of nat. oeconom. p. 320. ***) Arcana naturae detecta, Delphis 1695. p- 72. Eble’s Lehre von d, Haaren II, Bd. 4 50 Von der Weichheit, Härte, Biegsamkeit etc. demselben '/,,.. P. Z. breit, und '/.;,, P. Z. dick. Ein Kopf- haar von Prof. Weber selbst, das sich nicht kräuselte, war 3,0 P. Z. breit und '/;;; P. Z. dick; ein Kopfhaar eines Mu- latten, das lockig, aber nicht wollig war, '/,.,; P. Z. breit und '/;s. P. Z. dick; ein Kopfhaar eines Negers aus Senegam- bien, das wollig war, '/,; P. Z. breit und '/,,, P. Z. dick. Das Kopfhaar eines Negers von der Gränze von Nubien, des- sen Haar so kraus war, dass es nicht spiralförmig gedreht, sondern wellenförmig gebogen war, so dass die Aus- und Ein- beugungen in einer und derselben Ebene lagen, war '/,,,P.Z. breit und '/;,; P. Z. dick. Ein Haar von W eber’s Backenbart fand er '/,,, P. Z. breit und '/,,; P. Z. dick *). Die Stärke der Haare hängt von ihrer Länge, Dicke und Biegsamkeit ab. Doch kann man sich kein starkes Haar denken, ohne dass es zugleich einen gewissen, wenn auch nur mässigen Grad von Härte besitze. Man bestimmt aber die Stärke nach dem grössern oder geringern Grade von Wider- stand, welchen ein Haar dem angehängten Gewichte entgegen stellt, und in dieser Hinsicht fällt die Stärke mit der Zerreiss- barkeit des Haars zusammen. Nach Muschenbroeck’s Ver- suchen über die Cohärenz fester Körper verhält sich die Stär- ke der Haare so, dass ein einziges Menschenhaar, welches um 57mal dicker als ein Seidenfaden war, 2009 Gran, ein 7mal di- ckeres Pferdehaar über 7970 Gran tragen kann. Nach Robiın- son **) trug ein einzelnes llaar aus dem Haupte eines 22jähri- gen Jünglings 14285, das eines 8jährigen Knaben 7812, das eines 57jährigen Mannes 22222 Theile. In einem andern Falle waren die Zahlen bey gleichen Jahresverhältnissen 40309 , 412967 und 25000 ***). Eben so gibt er ****) auch das Ver- hältniss der Ausdehnungsfähigkeit zwischen einem trockenen und feuchten Haare so an, das er für das erstere 5, für das zweyte 35 annımmt. Withof bestimmt im Allgemeinen zwey Unzen als das Maximum, was ein menschliches Haar tragen kann. Ein 5 Zoll %) Siehe Ernst Heinr. Weber’s Beobachtungen über die Oberhaut, dieHautbälge und über die Haare des Menschen. In Meckel’s Ar- chiv f. Physiol. 1827. p. 222. **) A. a. O. p. 320. ***) A. a. O. p. 319. “*) A. 2.0. p. 296. Von der Weichheit, Härte, Biegsamkeit etc. 51 langes Haupthaar zerriss erst bey 5°/,;, Loth, ein 8 Zoll langes bey 4%y,Loth, 11 » ” ” 4/; ” 12 ” ” ”„ 4'/, ” 14 ”„ ” 4'/; „ folglich trägt jedes Haar leicht 4 Lorht Dr. Jahn fand bey den Haaren von 24jährigen Frauen, die dünne und licht waren, ziemlich abweichende Resultate. . Es zerriss nämlich ein Haar von 5 Zoll Länge bey 4°/, Loth, 8» „ „ 4 — ” 11 „ ” ” 3/ı6 ” 42 ” ” ” 3. 16 9» 14 „ „ „ RR ”„ Die dickern schwarzen Haare zerrissen dagegen erst bey 5 Zoll Länge von 5° /.s Loth, 8 „ » ” 5 16 ”„ 11 ” „ „ Y/ıs „ 12 ” ” ”„ 4); ” 14 „ „ „ 4 ı6 „ Haller führt an, dass die Stärke der Haare von dem gten Jahre bis zu dem 22sten von 10309 bis zu 12967 Theilen, und bis ins 57ste Jahr bis zu 25000 Theilen, also beynahe um 1'/, Theile zunehme. — Prof. E. H. Weber *) fand die Men- schenhaare elastisch wie Gummi elasticum. Doch bleiben sie nach der Ausdehnung immer etwas verlängert. Er fand die Haare einer 35jährigen Frau um '/, ihrer Länge ausdehnbar; auch Rosshaare fand er sehr ausdehnbar, Auch sah er, dass, wenn ein Menscherhaar nur um '/, ausgedehnt war, es sich so vollkommen wieder zusammenzog, dass es nur um '/,, ausge- dehnt blieb. Es gibt übrigens von der oft staunenswerthen Stärke der Haare schon in denältesten Schriften Belege. So hing Absolon an seinen Haaren **), und es heisst über seinen ausserordentlich reichen Haarwuchs: „Quando tondebat capillum (semel in anno, quia gravabat eum caesaries) ponderabat capillos capitis sui du- centis siclis pondere publico. (Siclus ist bey den Hebräern unge- fähr eine Unze.) — Als Byzanz belagert wurde, machten die "A. a Oume2ar **) Textus sacer, 2, Regum cap. 14 V. 26. 52 Von der Weichheit, Härte, Biegsamkeit etc. Bürger nach dem Zeugniss des Joh. Xiphilinus *) Stricke aus den Haaren ihrer Frauen. Das gleiche thaten die Weiber der Aquilejenser, und sie bedienten sich dieser Stricke zum Pfeilschiessen, wie uns Julius Capitolinus berichtet. Lac- tantius erzählt, dass, als Rom durch die Gallier aufs härteste gedrängt wurde, die Weiber Stricke aus ihren Haa- ren gemacht hätten, um die Wurfgeschütze gehörig zu be- dienen. So kam es, dass der römische Senat den 'T’empel WFe- neris calvae zu Ehren dieser Matronen errichten liess. Auch erzählt Pausanias, dass die Alten aus den Haaren Stricke machten, womit sie die schwersten Kriegsinstrumente befestig- ten, und die Schiffe zogen, und Plutarch sagt dasselbe von den Weibern der Carthaginenser. — Paullini sah im Worm- ser Gebiet einen Bauernknaben von 45 Jahren, der dicke, starke und schwarze Haare hatte. Derselbe konnte mit den Haaren seines Hinterhauptes eine zinnerne Flasche mit 42 Mass Bier eine halbe Meile weit tragen. Ein ähnliches Beyspiel führt auch Schenk **) von einem 48jährigen Jüngling an. Bekannt ist die von Bartholin***) erzählte Geschichte, dass ein Mann mit seinen Haaren einen 400 Pfund schweren Amboss in die Höhe zog. Alle die genannten Eigenschaften der Haare stehen mit ih- rer Farbe in einem merkwürdigen Verhältniss. So sind z. B. die dunkeln und ganz weissen Haare im Durchschnitte weniger bieg- sam, als die, welche dieMittelfarbe halten ; schwarze Haare sind härter als blonde; helle Haare an der Scham und in der Ge- gend des Afters sind dennoch weicher und biegsamer, als dun- kelfarbige Haupthaare. — Auch das Alter und Geschlecht äussert hierauf seinen unverkennbaren Einfluss. So findet man bey Erwachsenen überhaupt härtere Haare, als bey Jüngern, eben so auch härtere bey Männern als bey Weibern. Im um- gekehrten Verhältniss gilt dasselbe von der Biegsamkeit. Die feinsten, weichsten und biegsamsten Haare findet man stets bey Kindern. Von der Stärke wurde schon oben das Nöthige angeführt. Was endlich noch den Glanz betrifft, so scheint er mit der Weichheit und Biegsamkeit mehr oder weniger ver- *, In Sever. p. m. 589. *®) Lib, I. Anat. exercitat. Sect. 2. cap. 8. ***) Epistol, 67, 34, p. 629. Von der Weichheit, Härte, Biegsamkeit etc. 53 bunden zu seyn, was sich auch leicht erklären lässt, . indem auch er gleich jenen von der vorherrschenden Menge flüssi- ger Bestandtheile abhängt. Am wenigsten glänzen desshalb in der Regel die ganz weissen und die sehr dunklen Haa- re, obschon man hierin ebenfalls auf Ausnahmen stösst. — Eben so glänzen auch die Haare der Frauen und Kinder mehr, als die der Männer und Erwachsenen. Ueberhaupt aber hängt der Glanz von der fettartigen Materie ab, welche beym Strei- chen mit den Fingern an der Oberfläche der Haare wahrge- nommen wird, und welche Dr. Jahn nicht unpassend die Haarsalbe nennt. — Ich habe oben gesagt, dass die Sprö- digkeit der Haare meist mit ihrer Härte zusammenkon- me, ich muss jedoch die Nasen-, Ohren-, Achsel-, Scham- und Afterhaare von grosser Sprödigkeit freysprechen, obgleich sie unter die harten zu zählen sind. Dagegen trifft man die Sprödigkeit an dunkeln und ganz weissen Augenbraunen, an den Bart- und vorzüglich den Haupthaaren auffallend an. In Bezug auf die Kräuselung der Haare habe ich zuerst zu bemerken, dass man jenes Haar kraus nennt, wel- ches, statt in gerader Richtung zu laufen, kleinere oder grös- sere Bogen, oder Umbiegungen nach der Seite macht, und auch in der Nässe so bleibt; denn wo letzteres fehlt, ist das Haar nur ein schlichtes, gerades. Die Haare kräuseln sich ge- meiniglich auf dreyerley Art, entweder legen sie sich nur in einen einzigen Ring, oder in Locken, die wie Schnecken oft um sich selbst laufen, oder sie gehen schlangenweise, und machen verschiedene Bogen. — Die Achsel- und Schamhaare fand ich immer gekräuselt, nicht so die Nasen-, Ohren- und Afterhaare, die es gleichwohl zuweilen auch sind. Auch die Barthaare findet man meistens krause; seltener, aber dann desto auffallender die Haupthaare, die es oft nur an ıhrem freyen Ende sind, wahrscheinlich weil ihre grosse Länge und Schwere der Biegung widersteht. Dicke, harte oder gar bor- stige Haupthaare können sich nicht kräuseln, eben so wenig als jene, die dünn, dicht und weich zugleich sind. Gewöhn- lich findet man nur an den dünnen und harten Haupthaaren Kräuselung. Höchst selten trifft man sie bey den Haaren auf der Brust und an den Gliedmassen;, die der Augbraunen und vorzüglich die Cilien sind immer nur einmal nach der Seite gebogen, können also nicht wohl für krause Haare genommen werden. Im Allgemeinen findet Kräuselung um so leichter 54. Von der Menge id Haare. Statt, je länger dieHaare sind. Auch die Farbe, dasAlter, und selbst das Geschlecht haben ihren Einfluss auf die Kräu- selung der Haare. So sind im Durchschnitte dunkle Haare und die der Kinder geneigter dazu, als lichte und als die der Erwachsenen. Frauenhaare sind meist schlicht, und diese Eigenschaft ist so auffallend, dass selbst ihre Schamhaare im reifen Alter wieder schlicht werden, da sie hingegen in dem Mittelalter der Frau, d. i. vom 30sten bis 40sten Lebensjahre viel krauser sind, als selbst bey Jungfrauen. — Ueber die Ur- sachen der Kräuselung werde ich in dem physiologischen Theil weiter unten das Wichtigste anführen. Anmerkung. Nach Osiander *) haben die Haare von ihrem Ent- stehen an am ganzen Körper eine ganz bestimmte und merkwür- dige Ordnung; sic divergiren und convergiren in der Mitie des Körpers, und nehmen hkesonders schon am 7Tmonatlichen Fötus eine strahlenförmige Richtung, die er genau beschreibt, und de- ren Ursache er in eine electrische Strömung setzt, wodurch auch der Mensch genau in zwey Hälften geformt wird, und woraus man nach seiner Meinung so viele Erscheinungen des getheilten Menschen, und solche , die bald auf der rechten, bald linken Seite vorkonmamen, erklären kann. 8.487. Miencie, der Hanıre Es ist ausgemacht und richtig, dass nicht auf allen Stel- len des Körpers gleich viel Haare hervorkommen, und dess- halb hat man sich schon vor langer Zeit Mühe gegeben, die Anzahl derselben an gewissen Stellen des Körpers zu bestim- men. Auch hierin gibt uns der fleissige Withof erwünschte Aufklärung, indem er bey einem mittelmässig behaarten Manne eine derartige Zählung unternahm. Er fand auf einer Fläche von '/, eines Quadratzolls rhein. Fuss. auf dem Kopfwirbel 293, am Hinterbaupt 225, am Vorderhaupt 244, am Kinn 39, an der Scham 34, an dem untern (Vorder)Arm 23, auf dem zum kleinen Finger gehörenden Knochen der Mittelhand 19, *) „De homine, quomodo formetur, continuatae observationes, spectan- tes imprimis epidermidem, cutem et pilos foetuum.“ Vorgelesen in der Versammlung der königl. Societät der Wissenschaften zu Göttin- gen. Im Auszug ın der Salzburg. med.chir. Zeitung 1818. 4. p. #7. Von der Menge der Haare. 55 und auf der vordern Seite des Schenkels 15 Haare. — Bey nähe- rer Betrachtung der Sache stossen wir abermals auf beträcht- liche Verschiedenheiten der Menge, in so fern wir auf das Al- ter des Menschen und die Farbe derHaare Rücksicht nehmen. In der ersten Beziehung gibt uns Jahn folgende interessante Beobachtungen an: Er zählte nämlich auf einem stark behaar- ten Manne von 28 Jahren die gleichen Flächen ab, und fand auf dem Wirbel 324, auf dem Hinterhaupte 242, auf dem Vor- derhaupt 238, an dem Kinne 52, an der Scham 45, auf dem untern Arm 31, auf dem zum kleinen Finger gehörenden Kno- chen der Mittelhand 20, und auf der vordern Seite des Schen- kels 91 Haare. Vier Jahre darauf, nachdem der Mann drey Jahre verheirathet war, stellte sich an denselben Stellen fol- gendes Verhältniss: 292, 230, 210, 59, 50, 50, 17 und 12. Was die Farbe betrifit, so scheint es, dass, da die schwärze- sten die dicksten, und die blonden die dünnsten sind, auf ei- ner und derselben Stelle verhältnissmässig mehr lichte als dunkle Haare stehen können. Diess hat sich auch in sofern be- stätigt, als Withof auf einem Stückchen Haut von '/, Qua- dratzoll 447 schwarze, 162 braune, und 182 blonde Haare, und in einem andern Fall auf der Länge eines Zolls 572 schwar- ze, 608 braune und 790 blonde fand, so dass also der mittlere Durchmesser — '/,,. des vierten Theils eines rheinländischen Zolls gleich kam. Es versteht sich übrigens von selbst, dass, da man zu solchen Untersuchungen wenigstens zwey Indivi- duen bedarf, auf Geschlecht, Alter, Lebensart, Temperament und Gesundheit die nöthige Rücksicht genommen werden muss. Wirklich kommt man nicht selten auf Ausnahmen von der angeführten Regel, ja sogar auf ganz entgegengesetzte Re- sultate. Jahn zählte auf '/, Zoll des Vorderhaupts dreyer Menschen von ungleichem Alter also: bey dem 24jährigen ganz schwarzen Kopfe 238, beym 40jährigen schwarzbraunen 197, und beym 4gjährigen blonden 156 Haare. Bey gleichem Alter von 45 Jahren fand er 204 ganz schwarze, 210 schwarz- braune, und 452 lichtgelbe; dagegen bey gleichem Alter von 22 Jahren 242 ganz schwarze, 251 schwarzbraune und 287 lichtgelbe. Alle waren stark behaart. — Ich zählte einmal auf einem '/, Zoll seitwärts von dem Wirbel eines schwarz und stark behaarten jungen Mannes 250 Haare, und an dem obern Augenliede eines gesunden Erwachsenen 250 Gilien. = In der Regel ist wohl bey einem Jeden das Haupt am 56 Von der Menge der Haare. stärksten behaart *), und man wird selten auf Ausnahmen stos- sen. Desto grösser sind die Verschiederheiten an andern Ge- genden des Körpers. Wer ist im Stande, die mancherley Bärte zu beschreiben, deren Unterschied doch wohl hauptsächlich von der Menge der Haare abhängt? Wir leben gerade in ei- ner Zeit, wo man in Europa hierüber die besten Beobach- tungen machen kann. Man darf sich nur die Mühe nehmen, in einer sehr volkreichen Hauptstadt einen Spaziergang an den besuchten Orten in der Absicht zu machen, um sich von den vielen Varietäten der Backen-, Schnauz- und anderer Bärte zu überzeugen. Kaum haben wir z. B. den ganz ge- schlossenen, und bis auf die Unterlippe herabreichenden Schnurrbart eines echten Russen oder eines tüchtigen Hussa- ren betrachtet, so nimmt der abschreckende Backenbart ei- nes modernen Stutzers, der das schüchterne Gesicht des städtischen Schwächlings bald ganz zu bedecken droht, unsre Aufmerksamkeit auf sich; und haben wir uns von ‚diesem weggewendet, so begegnet unserm Blicke ein blühend schö- ner, aber leider zu weiblicher Mann; denn sein ganzes Ge- sicht ist so glatt und weiss, dass man die Haare mit dem Vergrösserungsglas suchen muss. Zwischen diesen Extremen stehen eben so viele Mittelglieder, als es Individuen gibt. Sehr selten fand ich den mittelsten Theil der Oberlippe we- nig oder gar nicht behaart bey gleichzeitig bestehendem wohlausgebildetem Knebelbart. Nicht geringer sind die Ver- schiedenheiten der Menschen in Bezug auf die Menge der Haare auf der Brust, Scham, und den Extremitäten; denn der eine gleicht auf der Brust einem Bären, der andere ist daselbst glatt, wie der Busen des Weibes. — Merkwürdig ist es jedoch, dass man zwar beym männlichen Geschlechte wie in allen Sachen, so auch in Bezug auf die Menge der Schamhaare mancherley Abarten, dagegen nie jene auffallende Leere und Haarlosigkeit findet, die uns Europäer bey man- chen Frauen so widerlich und unnatürlich anspricht; obgleich es auf der andern Seite wieder Beyspiele von Weibern in Menge gibt, deren Scham dem untersuchenden Arzte so unzugängig ist, dass er sich mit der Scheere Platz machen muss. Nicht an- *) Busbequius sah auf seiner Reise nach Constantinopel einen Mann, der einen so reich behaarten Kopf halte, „ut selopeti Iictum capite suo eluderet.“ ” Von der Farbe der Haare. 57 ders verhält es sich auch an den Extremitäten; denn während der eine wie Esau behaart ist, findet man bey dem andern kaum eine Spur von Haaren u. s. w. — Im Allgemeinen sind die meisten Haare an jenen Theilen, welche die Organe des sensiblen Lebens einschliessen ; also beym Menschen auf dem Haupte, und bey den Thieren zugleich auch noch auf dem Rückgrath. Eine mässige Menge Fett ist dem Haare sehr ge- deihlich. Ferner pflegen die Haare auch vorzüglich da zu wachsen, wo die Hautausdünstung stärker als an andern Orten ist; und endlich ist es eine besondere Eigenheit,, dass alle so- genannten Alria corporis auf eine ausgezeichnete Weise mit Hlaaren versehen und beschützt sind. — Von der Menge, Dicke und Länge hängt das Gewicht der Haare ab. Nach Jahn gehört es unter die Seltenheiten, wenn die Haupthaare zusammengenommen mehr als 24 Loth wiegen, obgleich er zwey Beyspiele von 23, und sogar eines von 33 Loth erhalten haben will. Absolons Haar wog nach der obigen Angabe 200 Unzen, wenn es nach Jahresfrist abgeschnit- ten wurde!! — $. 118: Farbe der Haare. Die Farbe der Haare ist sehr verschieden, von dem glän- zendsten Silberweiss bis in das völlig sogenannte Rabenschwarze. Die Hauptabänderungen der normalen Haarfarbe sind: weiss, blond, roth, braun und schwarz, wovon jedoch jede wieder ihre Abstufungen hat, z. B. weisslich, weisslichgelb, flachsgelb, röthlichgelb, braungelb, hellbraun, schwarzbraun und schwarz. Andere, z. B. Samuel G. Vogel nehmen vier Hauptfarben an: roth, weiss, braun und schwarz; noch andere nur drey: schwarz, blond und roth. Glisson*) nimmt als Mittelfarben zwischen weiss und schwarz nur drey an: gelb, roth und blau; wogegen Tardinus**) vier derselben, bleich, braun, gelb und roth aufzählte. Ersterer sagt ferner, dass die von Natur weissen Haare keineswegs schneeweiss, ja nicht ein- mal durchscheinend seyen, sondern stets etwas in das Braune, DEAL a0, *%) De pilis, c. 31. 58 Von der Farbe der Haare. auch in das Gelbe hinneigten. Auf die weissen Haare folgen in der Ordnung die blassen, und diese spielen, wie Glisson sagt, wieder etwas mehr entweder ins Gelbliche oder Braune. Die gelben Haare sind gewöhnlich etwas bräunlich, die rothen scheinen gelb, mit etwas röthlich brauner Farbe gemischt zu seyn. Das kastanienbraune Haar steht dem braunen näher als dem rothen, und hält zwischen weiss und schwarz die Mlitte. Selten ist die Farbe der Haare lauter, rein oder einfach, son- dern stets der Hauptfarbe von der einen oder der andern Varie- tät etwas beygegeben. Nach Glisson’s Meinung haben alle Haare etwas schwarz zugemischt, weil die Haarsubstanz stets einem Verbrennungsprocess unterliegt.! — Iın gewöhnlichen Leben theilt man die Haare in Bezug auf ihre Farbe in lichte und dunkle, und zählt zu jenen alle vom Schneeweiss bis zum Dunkelgelb und Hellrothen; zu diesem. aber die dunkel - oder kupferrothen, braunen und schwarzen. — Es ist von grosser Bedeutung, und darf daher nicht übersehen werden, dass die Farbe der Haare auch beym Menschen mit jener der Haut mehr oder weniger übereinstimme „oder wenigstens im nahen Verhältnisse stehe. Beyde sind, wie wir weiter unten sehen werden, um so schwärzer, je heisser der Himmelsstrich ist; role Haare treffen meist mit Rostflecken zusammen. Bey Menschen mit bräunlicher , dunkelgefärbter Haut findet sich auch meistens dunkles Haar; so haben die schwarzen und schwarzbraunen Afrikaner so schwarzes Haar, dass es noch die Schwärze der Haut weit übertrifft. Als Ausnahme trifft man jedoch auch nicht selten bey ganz schwarzem Haar eine blendend weisse Haut. — Auch zwischen den verschiedenen mit Haaren besetzten Theilen der Haut besteht ein gewisses Verhältniss zur Farbe ihrer Haare. So ist bey rotlıen Haaren der Bart gewöhnlich auch roth, Augenbraunen und Wimpern aber mehr weisslich, und die Haupthaare weiss und fein. Bey schwarzen Kopfhaaren sind die übrigen Haare des Körpers auch dunkler, und der Haarwuchs ist überhaupt reichlicher. Selbst die Haare des Mohren sind an manchen Stellen lich- ter, als an andern. — Die Schamhaare sind bey blond- und braunhaarigen gewöhnlich etwas dunkler als die Kopfhaare. — Bekanntlich rechnet man es unter die Zeichen einer vorzüg- lichen Schönheit, wenn bey schön blonden Haupthaaren die Augenbraunen sehr schwarz sind. In solchem Falle sollen denn auch die Schamhaare entweder ganz schwarz, oder doch Von der Farbe der Haare. 50 kastanienbraun seyn, wovon ich mich jedoch nicht zu überzeu- gen Gelegenheit hatte. Nicht selten trifft man den umgekehr- ten Fall, und noch häufiger steht ein lichter Bart neben einem dunkeln Haupthaar ; namentlich sieht man diess bey Schwarz- köpfen, die einen lichtrothen Bart haben. Wo die Haare dich- ter stehen, also auch in der Mitte eines behaarten 'Theils, sind sie gewöhnlich etwas dunkler gefärbt, als an den Gränzen, und wo sie mehr einzeln hervorwachsen. Wenn übrigens die Farbe der Haare gemischt ist, so dass unter dunkeln lichte verschiedener Art hervorwachsen, so scheint diess entweder vom beginnenden Alter, oder von einem krankhaften Verhältnisse herzurühren. — Doch gibt es merk- würdige Fälle solcher Haarverschiedenheiten an einem und demselben Körper, wo wenigstens die übrige Gesundheit nicht im Mindesten gestört schien. So liest man in den Abhandlun- gen der Londoner medizinischen Gesellschaft folgende interes- sante Beyspiele: „Ein gjähriges Mädchen hatte langes schwar- zes Haar auf der einen Seite, auf der andern krauses und etwas helleres Haar. Dabey war die eine Hälfte des Gesichts und des Körpers von einer dunkeln, die andere von einer hellen Farbe. Der Vater dieses Mädchens hatte eine braune Gesichtsfarbe. Die Mutter, wie auch die übrigen vier Geschwister des Mäd- chens waren weiss. — Ein anderes 43jähriges Mädchen von ganz schwarzem Haar und schwärzlicher Gesichtsfarbe bekam ohne oflenbare Ursache Büschel von weissen Haaren, so dass nach sieben Jahren ihr Haar ganz weiss geworden war. Die Augenbraunen blieben jedoch schwarz, die Wimpern wurden weiss. Die Farbe ihrer schwarzen Augen hatte keine Verände- rung erlitten; doch war ihre Gesundheit im Ganzen etwas schwächlicher geworden. — Ich selbst kannte zwey Knaben, wovon jeder einen wallnussgrossen Fleck am Kopf mit ganz weissen Haaren besetzt hatte, während der übrige Kopf schwarz behaart war und blieb. — Dolaeus sah in London einen Mann, dessen Haare alle Farben spielten, so zu sagen irisirten. Pritlin spricht von einem Knaben mit geflecktem Kopfe; Schart von einer Frau, die am ganzen Körper schwarze, an der Scham aber einen Wald von ganz rothen Haaren hatte. — Vogel sah eine 24jährige Frau, deren Schamhaare ganz weiss waren, während die des Kopfes schwarz blieben. — Ein Bauer, den sie desshalb Wittgehlnannten, hatte auf der rechten Seite des Kopfes gelbe, auf der linken und am Barte weisse Haare. 60 Von der Farbe der Haare. Mr Dass übrigens Alter, Temperament, Constitn- tion, Geschlecht, Klima und Lebensart auch auf die Farbe einen unverkennbaren Einfluss äussern, wird weiter unten näher auseinander gesetzt werden. Anmerkung. Bekanntlich schreibt man diegrüne und blaue Farbe der Haare den metallischen Ausdünstungen in Bergwerken u. s. w. zu; und es wird im Allgemeinen geläugnet, dass es natürlich d. i. normale grüne oder blaue Haare gebe. Da hier nur die Beobach- tung entscheiden kann, so führe ich dasjenige an, was ich in den Schriften aufgeführt fand, und was dafür sprechen soll, dass man wirklich solche Haare gesehen habe, indem ich es einem Jeden selbst überlassen muss, die Sache nach seinem Belieben zu deuten, weil ich selbst nie so glücklich war, grüne oder blaue Haare zu sehen. — Dr. Rommmel*) fand, als er in Italien studierte, bey Padua am Flusse Brenta einen starken und gesunden Bauern von 30 Jahren , welcher viele natürlich grüne Haare auf dem Kopfe hatte. Denn er wusste nichts von einer Schminke, und seine Haare hingen wie seine Kleider frey und ungezwungen herab. Auch war er nie in Bergwerken gewesen, Diess sollen aucb Dr. Liebentanz und Dr. Ekoldt gesehen haben. — Eben so beob- achtete Rommel in dem herzoglichen Stall zu Parma ein Pferd, welches ganz grüne Haare hatte, und desswegen „la Speranza“ genannt wurde. Der Stallmeister versicherte gleichfalls, dass diese Haare natürlichseyen. —PetrusBorellus**) berichtet: er habe einen Jüngling mit grünen Haaren gesehen, dessen Schweiss eben- falls grün war, Ein Engländer ***) versichert, dass im Jahr 1130 zwey ganz grüne Kinder geboren wurden. Aehnliche Beyspiele führenauchAthanas.Kircher ***, Blancard,VanDüren und Hannaaeusant). Bartholin will zu Kopenhagen grüre Haare geschen haben, und Marcus Donatus sagt von dem Antonius Maria Catabenus, dass er nicht allein eine goldgelbe Farbe, sondern auch weisse ins grünliche spielende Haare gehabt habe — Von dem Färben der Haare durch metalli- sche Ausdüustungen wird später die Rede seyn. *) Act. Acad. n. c. 16. pars. dann auch Miscell. Acad. n. c. Dec. 1. A. 1 1670. p. 281. **) Observat. phys. med. Centur. 2. Obs. 56. p. m. 156 und in den Ephemer. Acad. n. c. Centur. 2, Obs. 56. ***) Scripta rerum anglicar. Nabrissiensis etc. *#*%) De hum. corp, fabriearlib.. 4, e. 11. fol. 22. j) Miscell, Acad. n, e. Dec, UI, a, 6. 1687. p. 475. Von den chemischen Eigenschaften der Haare. 61 $. 119. Chemische Eigenschaften der Haare. Da ich weder Zeit noch Gelegenheit hatte, chemische Untersuchungen über die Bestandtheile der menschli- chen Haare anzustellen, so darf man auch hier durchaus nichts Neues, sondern nur das erwarten, was uns glaubwürdige Män- ner über diesen Gegenstand in ihren Schriften hinterlassen haben. Die älteste Analyse der Haare rührt wahrscheinlich von Neumann *) her. Er erhielt von einem Pf. Menschenhaaren 5 Unzen, 6 Drachmen urinösen Spiritus, 2 Unzen 4 Dr. flüch- ges Salz, 5 Unzen 6 Dr. Oel, 4 Unzen 3 Dr. Rückstand, der ausgeglüht nur 5 Unzen wog, und 21 Gran fixes Salz. — Auf ihn folgte Berthollet**), und erhielt von zwey Un- zen Haaren (oder 1152 Theilen) als er sie destillirte: 18 Gr. kohlensaures Ammoniak (= 90); 2 Dr. 36 Gr. Wasser (= 179), 4 Dr. Oel (=288), welches von dem aus andern thierischen Theilen gewonnenen sehr verschieden war, und 4 Dr. 36 Gr. Kohle (= 324), welche vom Magnet anziehbares Eisen ent- hielt, endlich noch 271 Theile Gasarten. Ferner gab er an, dass das Oel eine braune Farbe gehabt habe, erst bey einer Temperatur von 73° Fahrenheit flüssig geworden sey, sich leicht in Alcohol habe auflösen lassen, und mit lebhaftem Glanze und mit Funkenwerfen gebrannt habe. Auch glaubte er die Anzeige erhalten zu haben, dass die Haare Schwefel ent- hielten. Achard ***) gibt an, dass sich das Kochen der Haare mit Wasser unter dem Zutritt der Luft unwirksam bewiesen, dass aber die Haare, als das Kochen durch eine Stunde ım *) Chymia medica. Tom. III. 1755. 4. p. 760. Daselbst führt er auch eine Analyse der Küh- und Pferdhaare, Schweinsborsten, der Schafwolle, der Hühnerfedern und anderer thierischer Theile an. **) Observat. sur la physique, P’histoire naturelle et les arts T.XX VII; ferner im Diction, des arts et des metiers. Yverdın 1767. T. Ill und ın den Memoires de l’acad. royale 1786. T. J. — Annales de Chi- mie Vol. XXXIV. p- 70, und Berthollet sur la natura des sub- stances animales; Mem, de l’Acad. des Sciences 1784. p. 120. ***) Sammlung physikalisch - chemischer Abhandlungen. B. I. p. 166. fl. 62 Von den chemischen Eigenschaften der Haare. papinianischen Topfe vorgenommen wurde, eine Substanz an das Wasser abgegeben hätten, durch welche dasselbe gelb oder braun gefärbt worden sey. Den Rückstand nach der Verdunstung des Wassers habe er für thierischen Leim ange- sehen. Auch waren die Haare durch das Kochen so erweicht worden, dass sie durch Ziehen merklich in die Länge hätten ausgedehnt, und durch Drücken mit den Fingern zu einem Brey gemacht werden können. — Bey der Verbrennung von 4 Pf. Menschenhaare erhielt er 1 Dr., von Zaegenhaaren 4 Dr. 30'/, Gr., von Schafwolle 4 Dr. 32 Gr., von Schweinsbor- sten 4 Dr. 55 Gr., von Kälberhaaren 2 Dr. 40 Gr., von Hunds- haaren 2 Dr. 55 Gr, und von Pferdehaaren 5 Dr. 12 Gr. Asche von meist gelber Farbe, mit Ausnahme der von den Pferdhaa- ren, welche röthlich war. Merkwürdig ist, dass die Asche von den Schweinsborsten kochsalzhaltig war, während dem die von Menschen-, Pferd- und Hundshaaren unschmackhaft blieb. Mit diesen Resultaten stimmen im Ganzen auch jene überein, welche Hatschett bey seinen Versuchen erhielt. Er brachte Gärbestoff in die Auflösung, der einen Stoff fällte, welchen er ebenfalls für Gallerte hielt. Die beste und genaueste Analyse der Haare haben wir von Vauquelin*). Er fand, dass Haare, die er durch mehrere Tage unter Zutritt der Luft im Wasser sieden liess, dadurch nicht aufgelöst wurden, obgleich das Wasser eine kleine Menge thierischer Substanz aufgenommen hatte, welche durch Gall- äpfeltinctur und andere Reagentien angezeigt wurde, und Fäul- niss im Wasser erregt hatte. Im papinianischen Topfe sind die Haare schon bey mässiger Hitze aufgelöst, bey zu starker aber ganz oder zum Theil zersetzt worden, welches man aus dem in der Auflösung befindlichen Ammonium, der Kohlensäure und dem brenzlichen Oele schliessen konnte. In beyden entwickelte sich eine grosse Menge schwefelhaltiges Wasserstoflgas. — Er unternahm nun die Versuche mit verschiedenfarbigen Haaren. Bey den schwarzen blieb, wenn die Hitze bis auf den Zerse- *) Die Resultate dieser Untersuchung wurden am 3. März 1806 im Na- tionalinstitute vorgelesen, und in den Annal. de Chimie T. LVII, 1806. Avril p. 41— 53 niedergelegt. Uebersetzt findet man sie un- 1er andern Zeitschriften auch in Gehlen’s Journal für Chemie und Physik, 3, B. 2. Heft. Nr, 7. Von den chemischen Eigenschaften der Haare. 63 tzungsgrad der Haarsubstanz getrieben wurde, eine schwarze Substanz zurück , welche sich jedoch’ nur sehr langsam abge- setzt hatte. Sie bestand aus einem schwarzen Oele, das so dick wie Bitumen war, und von Alcohol und Alcalien nur sehr wenig aufgelöst wurde. Nebstdem enthielt sie Eisen und Schwefel, welche mit einander verbunden zu seyn schienen. — Rothe Haare liessen einen gelblichrothen Rückstand, der viel Oel, Schwefel und wenig Eisen enthielt. — Nach dem Filtriren besassen die Auflösungen fast keine Farbe. Concen- trirte Säuren trübten sie, schwache nicht. Ein Uebermass von Säure gab der Flüssigkeit ihre erste Klarheit wieder. Silber wurde in den Auflösungen gefärbt, essigsaures Bley braun gefärbt. Galläpfeltinetur und oxydirte Salzsäure verursachten reichliche Niederschläge. Niemals zerrannen diese Auflösungen, selbst wenn sie mit der grössten Sorgfalt abgedampft worden, zu einer Gallerte, sondern gaben nur eine klebrige, bindige Substanz, woraus Vauquelin schloss, dass die Substanz kein thierischer Leim sey. — Bey der Verbrennung von schwar- zen Haaren fand er in der braungelben Asche Eisen und Man- ganoxyd, dann phosphorsaure und schwefelsaure Kalkerde, salzsaures Natrum, und eine Menge Kieselerde. Wurden rothe Haare verbrannt, so war die Asche weniger gefärbt, und enthielt weniger Eisen und Braunstein. Noch geringer war der Antheil dieser beyden Metalle in der Asche weisser Haare, dagegen zeigte sich hier eine relativ grosse Menge Talkerde. — Mit Alcohol digerirt entstanden aus den schwarzen Haaren zwey Arten von Oel; das eine von geringerer Menge hatte eine weisse Farbe, und setzte sich in Gestalt kleiner, weisser und glänzender Schuppen ab. Das andere schied sich in reichlicher Menge von grünlich grauer Farbe in dem Masse aus, als der Alcohol ver- dampfte, und wurde nach und nach fest. — Auch aus den ro- then Haaren zog der Alcohol ein festes, weisses Oel aus, wel- ches dem Wallrathe ähnelte. Beym Verdünsten des Alcohols aber zeigte sich kein graues, sondern ein blutrothes Oel. — Die weissen Haare gaben bloss ein ungefärbtes Oehl. Auf diese Art fand Vauquelin!in den schwarzen Haaren folgende zehn verschiedene Substanzen: 1. eine thierische Substanz, welche den grössten Theil derselben ausmachte; 2. ein weisses concretes Oel; 3. eine grössere Menge eines grünlich grauen Oels; 4. Eisen, 5. etwas Manganoxyd; 6. phosphorsaure Kalkerde; 7. wenig schwefelsaure Kalkerde; 8. salzsaures Natrum,, eben- 64 Von den chemischen Eigenschaften der Haare. falls in geringer Menge; 9. Kieselerde, ziemlich viel; eben so 40. eine beträchtliche Quantität Schwefel. Die rothen Haare unterscheiden sich nach Vauque- lin rücksichtlich der Bestandtheile dadurch von den schwar- zen, dass sie weniger Eisen und Braunstein, und kein grünlich graues Oel, sondern ein blutrothes enthalten. Die normal weissen Haare dagegen haben noch weniger Eisen und Braunstein, und nur ein ungefärbtes Oehl; doch enthalten sie viel phosphorsaure Talkerde, die man sonst in keinen andern Haaren findet. — Die fette Substanz, welche ın den verschieden gefärbten Haaren verschieden ist, während die thierische Substanz, als Grundlage der Haare, dieselbe ın allen bleibt, sieht Vauquelin als die Ursache der Weich- heit, Elasticität und Schnellverbrennlichkeit der Haare, so wie der aus den Haaren und Alkalien entstehenden Seifenbildung an, auch leitet er von jener die Farbe der Haare gröss- tentheils ab. — Die thierische Substanz ist weder der Gallerte noch dem Eyweissstoff gleich zu halten, sondern kommt am meisten mit dem thierischen Schleime überein. John*) fand bey seiner noch nicht ganz vollendeten Ana- Iyse der Haare: thierische, unauflösliche Substanz, etwas Gal- lerte, fettige Theile, Schwefel, Eisenoxyd, vielleicht mit Phos- phorsäure verbunden, phosphorsauren Kalk und viel Ammo- niumsalz. Auch sah er zwischen den Federn des Puters aus den langen Büscheln vor der Brust, und denen des Kasuars, und zwischen Pferdehaaren hinsichtlich der chemischen Zusammen- setzung keinen Unterschied **). Hildebrandt ***) fand in der Asche der Haare etwas Kieselerde und Manganoxyd, und schreibt dem in sen Haaren enthaltenen Oel den übeln Geruch zu, der beym Auflösen der Haare in heisser Kalilauge entsteht, In der neuesten Zeit endlich scheint Dr. Jahn****) die Sache noch sorgfältiger untersucht zu haben, als selbst der berühmte französische Chemist Vauquelin. Wenigstens ha- ben seine Versuche vor den angeführten den Vorzug, dass sie nicht nur auf die Farbe, sondern auch auf das Alter der Haare Rücksicht nahmen, Mit Vergnügen nehme ich also auch die *) Chemische Tabellen des Thierreichs, Tab, 1. A. P. 13. **) John’s Handwörterbuch der allgemeinen Chemie, 2. Bd. S. 15. **%) Lehrbuch der Chemie, $. 931. ") A. a. 0.p 30. Von den chemischen Eigenschaften der Haarc. 65 Resultate dieses Mannes auf, aus dessen Schrift ich schon so Manches gelernt habe. In der Asche von dunkeln und blonden Haaren von Frauen und Mädchen zu 14—55 Jahren fand er weit mehr Eisen, als in gleichfarbigen von jüngern oder ältern Kö- pfen. Braune Haare enthielten davon um so weniger, je lichter sie waren. In ergrauten Haaren, die Vauquelin ganz fallen liess, fand sich gar keine Spur davon. Dagegen enthielt ihre Asche immer mehr Erde, als die von farbigen Haaren; ferner eine Spur von phosphorsaurer 'Talkerde, und in den meisten auch von schwefelsaurer Thonerde, die in keinem farbigen Haar erschien. Die Menge der Kalk- und Kieselerde war auch in gleichfärbigen Haaren niemals dieselbe. Bey dertro- ckenenDestillationgaben die Kinderhaare (von 4 — 5jäh- rigen Knaben oder Mädchen, selten von 7—8jährigen) viel mehr kohlensaures Ammonium und viel mehr Wasser, dagegen blieb weniger Kohle zurück. Die ergrauten Haare lieferten mehr Kohle, als die dunkelschwarzen von mittleren Jahren, und diese wieder mehr als die blonden von gleichem Alter. An Oel und Gasarten gaben die grauen Haare die geringste Menge. — Es ist sehr interessant, dass durch Ausziehen mit Alcoholdas dunkle Oel bloss von jungen und alten schwarzen Haaren grün- lich grau, das aber von Nienschen von 15— 40 Jahren grünlich schwarz, aus braunen Haaren desselben Alters röthlich grau, von jüngern gelblich grau, und von ältern grünlich grau er- schien. Das rothe Oel aus den gelben Haaren war doch nicht so dunkelroth, als das von rothen Haaren. In ergrauten Haaren fand sich gar kein farbiges Oel, dagegen desto mehr farbelo- ses. — Bey dem Kochen der Haare mit Wasser ergab sich Fol- gendes: Die blonden Haare von Kindern kochten noch keine ganze Stunde, als sich schon Schwefelwasserstoligas entwickel- te. Nach dem Verhältniss des steigenden Alters entwickelt sich dieser Geruch später, dauert aber dafür länger. Ergraute Haare liessen nur eine Spur dieses Geruches bemerken. Bey den Kin- derhaaren erhob sich gleich zu Anfang des Siedens ein gerin- ger Schaum, der bey blonden früher als bey dunkeln, bey den Haaren älterer Menschen aber gar nicht erschien. Unter die- sem Schaum entdeckte Jahn viele Oeltropfen, die sich übri- gens nur in jenen Haaren zeigten, wo der Schaum sich erho- ben hatte. — Die Flüssigkeit wurde nun mit Reagentien unter- sucht, und zwar zuerst mit Galläpfeltinctur. Darauf entstand bloss in dem Absud der Kinderhaare eine Fällung, in dem der Eble’s Lehre von d, Haaren II, Bd, a 66 Von den chemischen Eigenschaften der Haare. andern nicht. Ferner zeigte sich in jedem Wasser Seife, und nur in dem, auf dessen Oberfläche schon vor der Eintröpfe- lung der Weinsteinsäure Oel erschienen war, auch ungebun- denes Oel. Bey dem zweyten Sude ergab sich bey keinem Haare eine Spur von Oel oder Seife mehr. Erst durch das vierte Kochen wurde aus den blonden Haaren von 45 — 40 Jahren etwas abgesondert, das keinen Schaum bildete, sondern bloss durch die Reagentien gefällt wurde. Diess dauerte bis zum gten Kochen fort. Die dunkeln Haare gleichen Alters, die blonden und dunkeln von alten Köpfen, und die grauen Haare erforderten ebenfalls das 5, 7 bis 10mal wiederhohlte Kochen, bis sich etwas gallertartiges niederschlug. Bloss die Flüssigkeit von den dunkeln Haaren von Menschen über 40 Jahren gab, als sie sehr weit verdunstet und dann erkaltet war, eine Sulze, die sich dann zur hornartigen Gallerte vertrocknen liess. — Durch dieses obgleich ofi wiederhohlte Kochen waren die Haare zwar sehr erweicht, aber weder aufgelöst noch auch nurihrer Rlastieität beraubt worden. Sie wurden nun in den Pa- pinianischen Topf gebracht, und dieser mässig erhitzt. Die blonden Kinderhaare waren schon nach einer Stunde ganz zer- setzt. Aus den dunkeln Kinderhaaren setzte sich eine bräunli- che, harzartige Substanz ab, die ein verdichtetes Oel zu seyn schien. Sowohl die blonden als dunkeln Haare von 45 — 40 Jahren zeigten nach 4'/, stündigem Verweilen im Topfe das- selbe, nur setzten die dunkeln eine schwarze, harzartige Sub- stanz, die blonden aber eine röthliche ab. Bey noch ältern Haaren nahm die Menge der harzartigen Substanz ab, diese ‘ wurde aber zäher. Am allergeringsten war sie in den grauen Haaren, aber dafür war die Substanz nicht zähe, sondern hart. Alcohol und ätherisches Oel lösten von diesem Harze nur sehr wenig auf, doch gerade von den härtesten aus den grauen Haa- ren am meisten. Salpeter und Schwefelsäure lösten das Harz sehr leicht auf, und die Auflösungen bewiesen sich als Gärbe- stoff. Auch reines und kohlensaures Kali bewirkten eine Auf- lösung, und verbanden sich dabey mit dem Harze zu einer sei- fenartigen Mischung, welche im Wasser und Weingeist auf- löslich war. Durch diese Versuche wird also bewiesen, dass Vau- quelin mit Grund widersprochen habe, wenn Achard und Hatschett behaupteten, dass durch das Kochen der Haa- re mit Wasser unter Zutritt der Luft nichts aus ihnen ge- Von den chemischen Eigenschaften der Haare. 67 schieden werden könne; ferner dass die Bestandtheile, welche Vauquelin in denlaaren gefunden, allerdings in manchen zugegen, dass aber auch durch jenes Kochen noch mehr aus den Haaren geschieden werden könne, als er angegeben hat, endlich, dass die Bestandtheile, die er bey seinen Untersu- chungen gefunden, nicht in allen Haaren, dagegen aber man- che andere zu finden waren, die ihm entgingen. Jahn zieht aus seinen Untersuchungen in Bezug auf den Bau der Haare folgende Schlüsse: Es wird ihm wahr- scheinlich 1) Dass die ihm erschienene Seife durch eine Auflösung der Haarsalbe entstanden sey. 2) Dass der reine Schleim, welchen er in allen Haaren fand, in den meisten bloss durch Auflösung des Oberhäut- chens hervorgekommen; 5) Dass die weitere Haut der Haare und die Fasern in den- selben, so wie es auch die Fasern und Häute der Mus- keln thun, nach dem Alter sich bald mehr dem Eyweiss- stoff, bald mehr der Gallerte, bald mehr dem Schleime nähern. 4) Dass das ungefärbte Oel, welches der Alcohol auszieht, aus der farbelosen Flüssigkeit komme, welche zwischen der Haut und der innern Röhre der Haare gefunden wird. 5) Dass das gefärbte Oel, welches der Alcohol aufnimmt, das gefärbte Oel sey, welches in der Röhre der Haare sich befindet, obschon es, wenn es vom Alcohol ausgezo- gen worden, viel blässer erscheint, als in den Haaren selbst. 6) Dass wenigstens der grösste Theil des Eisens, des Schwe- fels und der Talkerde, welche in den Haaren gefunden werden, mit dem gefärbten Oel in Verbindung seyen. 2) Dass das bey dem Kochen im Papinianischen Topfe sich entwickelnde Harz wohl nicht allein aus den Oelen der Haare, sondern auch zum Theil aus andern festern Thei- len derselben gebildet werde. Die bisher angegebenen chemischen Untersuchungen der Haare bestanden meist in dem Kochen derselben in Wasser bey und ohne Zutritt der atmosphärischen Luft, und in der Anwendung verschiedener Reagentien auf die dadurch erhal- tene Auflösung; ferner in der Analyse der durch das Ver- A 68 Von den chemischen Eigenschaften der Haare. brennen der Haare erhaltenen Asche. Es erübrigt jetzt noch, dass ich auch die Erscheinungen aufzähle, welche auf die unmittelbare Einwirkung der Säuren, Alcalien und anderer Substanzen erfolgen. Die Salz- und Schwefelsäure färben die Haare an- fangs rosenroth, lösen sie dann auf, und geben der Flüssig- keit eine rothbraune Farbe. Die Salpetersäure macht die Haare sogleich gelb, und löst sie bey gelinder Hitze und hin- länglicher Stärke ebenfalls auf; sodann scheidet sich nach der Farbe des Haars entweder ein gelbes oder schwarzes Oel aus; endlich werden die Haare ganz zersetzt, und zu einer gelben Flüssigkeit aufgelöst, welche Kleesäure, Sch we- felsäure, Weltersches Bitter und Eisen enthält, Von den Negern sagt man, dass die Säuren stärker auf ihre Haare als auf die Farbe der Haut wirken, und dass die Salz- säure jene Haare erst weiss mache, die sodann beym Trock- nen gelb werden; dass hingegen die Schwefelsäure sie unver- ändert lasse, die Salpetersäure aber sie gelb färbe. — Das Chlor nimmt den Haaren alle Farbe, erweicht sie zuletzt, und ändert sie in eine markige, schmierige, durchsichtige , terbenthinartige, bittere, in Wasser und Alcohol zum Theil auflösbare Masse um. — Siedender Alcohol löst die Haa- re zum Theil auf, und liefert erkaltet eine weisse, ölige, dem Fettwachs ähnliche Masse am Grunde des Gefässes, Die übri- ge Flüssigkeit verdunstet, und gibt eine Menge mehr oder weniger grünlich graues, oder aschgraulich schwarzes, bey rothen Haaren aber fast blutfarbenes Oel. Die sehr brennend vothen Haare werden auf diese Weise in braune umgewan- delt; aus weissen aber zieht der Alcohol bloss ein ungefärb- tes Oel aus. — Durch Aetzlaugen werden die Haare un- ter Entwickelung von schwefelwasserstoffsaurem Ammoniak zu einer seifenartigen Verbindung aufgelöst, daher kann die Auflösung der Haare im Papinianischen Topfe durch Bey- mischung von Alcalien bedeutend befördert werden. Die er- haltene Flüssigkeit riecht dann nach Seife, und schäumt beym Umdrehen (gleicht überhaupt der Chaptal’schen Seife, die aus einer Auflösung wollener Lumpen in alkalischer Lauge besteht). Die kohlensaurenAlcalien äussern durchaus selbst bey der Siedhitze keine Wirkung auf die Haare, und der ätzende Kalk verändert sie nur schwach. — In verschlossenen Gefäs- sen dem Feuer ausgesetzt, geben die Haare ausser einer vor- Von den chemischen Eigenschaften der Haare. 69 waltenden Menge Schwefel, Salzen und verhältnissmässig we- nigem Wasser, die gewöhnlichen thierischen Bestandtheile. Uebrigens entzünden sich die Haare leicht beym Zutritt der atmosphärischen Luft. Diess gilt vorzüglich von den feinern weichern und ölreichen, und namentlich von den Menschen- haaren. Sie werden dann zuerst etwas flüssig, verbreiten einen brenzlichen Geruch um sich, und verbrennen dann schnell zu einer braungelben Asche, deren Bestandtheile wir schon {früher angegeben haben. — Trocken destillirt geben die Haa- re die gewöhnlichen Producte thierischer Substanzen, und hin- terlassen 0,28 bis 0,50 Kohle. Anmerkung. Wegen des grossen Antheils von Schwefel werden die Oxyde oder Salze des Quecksilbers, Silbers, Bleyes und Wismu- thes in Berührung mit den Haaren schwarz, indem sich Metall- sulphuride bilden, ‘die auch gewöhnlich zum Schwarzfärben der zu lichten Haare darum gebraucht werden, weil sie ihre dunkle Farbe den Haaren mittheilen. Aus allen nun aufgezählten Resultaten der verschiedenen chemischen Untersuchungen der Haare ergibt sich also die nahe Verwandtschaft derselben mit der Oberhaut, den Nägeln und Hörnern, mit einem Wort mit dem Horngebilde der Thiere, Erstere scheint zwar nur aus einem erhärteten Schlet- me zu bestehen, bey den Nägeln und Hörnern aber, so wie auch bey den Haaren, kommt noch eine gehörige Menge ei- nes fetten Oels hinzu, die ihnen Weichheit und Biegsamkeit gibt. Dass jedoch die Haare auch sonst von der Kpidermis noch wesentlich verschieden seyen, leuchtet daraus hervor, dass sie der Fäulniss viel länger widerstehen , die Oberhaut schon in der Maceration leicht zerreisst, und von Säuren viel leichter angegrifien wird. Auch nimmt sie färbende Substan- zen viel leichter auf, als die Haare. — Das Oel, welches wir in den Haaren finden, scheint die Ursache zu seyn, war- um sie so leicht verbrennen, und mit Alcalien abgekocht, seifenartige Substanzen geben, aus denen man wieder durch Zugiessen einer Säure das Oel frey machen kann. Es ist ganz natürlich, dass ihm Vauquelin die Feinheit, Klastieität und Unveränderlichkeit (?) der Haare zuschreibt, obgleich es je- doch nach Jahn zunächst das Harz ist, dem das Haar diese Eigenschaft zu danken hat. Anmerkung, Dass die Haare von Leucaeihiopen zum Theil 70 Von der Verschiedenheit der Haare etc. abweichende chemische Resuliate geben, hat uns L. Sachs *) von sich selbst bestätigt, wie ich weiter unten in der Pathologie anliihren werde. $. 120. Verschiedenheit der Haare nach demAlter und der Entwickelung. In den ersten Monaten des Fötus, sagt Bichat, finden sich auf der noch gallertartigen Haut keine Haare. Erst zu Ende des fünften Monats brechen mit der Bildung der Frucht- schmiere die Wollhaare (Lanugo) an der ganzen Oberfläche des Körpers hervor. Diese weichen, seidenartigen, weissgelbli- chen Härchen scheinen jedoch noch keine sichtbare Zwiebein zu haben, und fallen auch schon zu Ende des zehnten Mo- nats meist wieder aus. Ebenso fängt in dem Zeitraume, wo sich die Fasern der Lederhaut bilden (nach meinen Untersu- churgen erst im sechsten Monate) ein leichter Flaum sich auf dem Kopfe zu zeigen an. Er ist von weisslichter Far- be, und von jener fetten schmierigen Substanz bedeckt, welche sich dazumal auf der Haut des Fötus absetzt. — Bald fängt dieser Flaum an sich schwarz oder blond zu färben, doch bleibt die Farbe bis nach der Geburt blass. Zu gleicher Zeit zeigen sich auch die übrigen bleibenden Haare der Augbraunen und Gilien an ihren bestimmten schon früher durch kleine Erhö- hungen mit Löchern bezeichneten Stellen, und auf dem übri- gen Körper ist, wenigstens stellenweise, bloss ein noch zarte- rer Flaum als Vorbothe der später erscheinenden Haare zu bemerken, und zwar besonders im Gesichte. Die Länge die- ser Haare ist sehr verschieden; ich fand an einem sechsmonallı- chen Fötus die Kopfhaare von ungefähr 3 Linien, die der Aug- braunen von2 Linien, und die der Wimpern von 4'/, Linien Län- ge. Unter dem Microscope sah ich die Textur des Haars ganz deutlich, denn die ausserordentliche Zartheit machte die Ge- genstände ganz durchsichtig. Die Zwiebel war von dem anfan- genden Haarschaft fast gar nicht zu unterscheiden, und mit ihm in eine Hülle, die ziemlich fest anlag, gekleidet. Runder und *) Historia duorum Leucaethiopum, auctoris Ipsius et sororis pP » ejus: Sulzbach. 1812. ‚Von der Verschiedenheit der Haare etc. 71 deutlicher stellte sich die Wurzel des Augenbraunenhaars und der Wimper dar. Der Haarschaft selbst aber liess die beyden Substanzen, die Rinde und das sogenannte Mark wohl er- kennen, und es zeigte sich letzteres auf das allerfeinste ge- blättert, d. h. mit ungleich von einander entfernten Querla- mellen getheilt. Diese Quertreppen scheinen dagegen in den Cilien fast in ganz gleichen Entfernungen von einander zu stehen. Dadurch ist also Bichats Ausspruch widerlegt, welcher die Lanugo überhaupt aus blosser Rindensubstanz bestehen lässt, und es erhellt zur Genüge, dass Bichat auch ganz Unrecht hatte, diesen Flaum für die blosse äussere Hülle der Haare zu halten. Nach Villerme& scheint derselbe in den ersten Tagen nach der Geburt übermässig zu wachsen; dass man aber die Zwiebel, gegen seine ausdrückliche Mei- nung, nicht allein sehen, sondern wirklich darstellen könne, habe ich durch die Figuren 456 — 165 Taf. XIV. so viel mög- lich zu versinnlichen gesucht. — Man pflegt wohl auch diesen Flaum das Wollhaar der Kinder (Lanugo infantum) zu nennen; andere geben ihm auch den Namen Milchhaar, und noch andere unter- scheiden zwischen dem Flaum der bleibenden Haare, und dem der Körperhaare, indem sie nur diese letztern W oll- haare heissen. Diese sind es nun auch, welche bald nach, manchmal schon vor der Geburt mit dem sich abschuppen- den Oberhäutchen an den meisten Stellen der Haut ausfal- len, so dass selten in der sechsten Woche nach der Geburt noch eine Spur davon zu sehen ist. Sie sollen um so leichter vergehen, , je öfter die Kinder mit kaltem Wasser gewaschen werden Nach Olivier *) sind diese Haare im Fötus so zu sa- gen fast überall gleich lang, jedoch im Gesichte länger als die bleibenden Haare, welche man hier später sieht. Bey der Geburt sind aber immer die Haupthaare am längsten; auch sollen sie in den ersten Tagen nach der Geburt etwas in die Länge wachsen. Eben weil diese seidenartigen Haare zum Theil schon vor der Geburt ausfallen, findet man sie auch im Liquor amnü und im Meconium. Daher sagt Osian- der **) ganz richtig: „Je näher die Frucht der Zeitigung *) Dietionnair de medicine art, Poils, ad) I: RE WER 6) 72 Von der Verschiedenheit der Haare etc. kommt, desto mehr fallen von den über den Körper verbrei- teten Haaren aus, kommen ins Fruchtwasser, und werden von der Frucht verschluckt.“ Was die einzelnen Theile des Haars in dieser Pe- riode betrifit, so ist es gewiss, dass die äussere Hülle der Haarzwiebel zuerst gebildet wird, und dass das aus dieser hervorwachsende Haar dann diese Hülle, wie ein hervortre- tender Zahn sein Säckchen durchbricht. Der oben angegebene Umstand, dass nämlich die Neu- gebornen nicht alle Haare mit auf die Welt bringen, hatte schon in frühen Zeiten die Abtheilung der Haare im Allgemei- nen in ursprüngliche oder angeborne (Pili congeniti, auyyeuic”), und später erzeugte (Pili postgeniti vse- coysveis **) zur Folge. Unter die erstern zählt man die Kopf- haare, die Augenbraunen, Augenwimpern, und die weichen Körperhaare; zu den letztern, die erst nach der Geburt er- scheinen, gehören alle übrigen Haare des Körpers. — Nach Aristoteles hat nur der Mensch Pilos posigenitos, was ich aber früher schon widerlegt habe. Nach der Geburt wachsen die Kopfhaare viel schneller, als zuvor; die die Stelle der Milchhaare einnehmenden Haare des Körpers werden erst zur Zeit der Mannbarkeit recht deut- lich. Während der ganzen Jugendzeit ist dasHaar seidenar- tig, die Farbe (noch manchmal dreymal) heller, als sie in der Folge seyn wird, Doch sollen die Neger ihre schwarzen Haare mit auf die Welt bringen, und letztere sollen sogar noch schwärzer als ihre Haut seyn. Oft hat das Haar, welches spä- ter blond seyn soll, eine weiss- oder goldgelbe Farbe, welches nach Bichat bloss von der besondern Natur .der innern Sub- stanz, und nicht von ihrer Abwesenheit, wie beym Greise her- *) guvyevixal, qui in utero materno existentibus nascuntur (quibus generatio est non qualis herkis, sed qualis stirpibus prima ra- tione a natura conditis, non temperamentum ex necessitale se- quentibus). a7») "Varspoyeveis, qui, postquam summa cutis rara evasit, nascuntur; 1a- lis autem evadit simul ac genitale semen oritur in puero, et men- sibis un virgine via patet, pubis primum, mox alarım, postremo menti. Aristoteles 3. hist. an. Jl.— Hippocrates de natura pueri. Galen. 2. temp. 5. YaX, Von der Verschiedenheff@der Haare etc. 73 rührt. In der Regel erhalten Kinder, welche mit weissen Haa- ren geboren werden, in der Folge gelbliche; die aber, welche solche schon zur Welt bringen, hellbraune Haare, und diese werden dann grösstentheils dunkelbraun, rothe Haare manch- mal schwarz. Eine solche Veränderung geschieht besonders leicht in den Jahren der Manrbarkeit. — Nach Lorry*) sieht man bey ganz jungen, besonders weisshaarigen Kindern nach einem guten Schlaf auf ihrem glänzenden Angesicht die Haut anschwellen, und gleichsam eine sehr schwache, sammtartige (oillosam), und kaum über die Haut erhobene Haarblüthe, welche einen lichten Thau enthält, ähnlich dem Thau frisch vom Baum gepflückter Früchte. (Efflorescentiam pilorum, quae vaporem tenuem, rorı fruclus recentes ab arbore decoranti aemu- lum). Zur Zeit der Mannbarkeit tritt eine sehr merkwürdige Veränderung, ja man kann wohl mit Bichat sagen, eine wahre Revolution in dem ganzen Haarsystem ein, wodurch es beynahe um das Doppelte zunimmt. — Das Milchaar “wurde schon früher durch das sogenannte Wollhaar.. (Federhaar, Staubhaar, Gauchhaar) Lanugo puberum ersetzt. Die Haare der Geschlechtstheile, der Achselhöhle und des Bartes entwi- ckeln sich jetzt, und zwar entstehen beym Jünglinge zuerst flaumartige Haare über den Mundwinkeln, dann an der Ober- lippe, hierauf an Kinn und Wange, und endlich unter dem Kinne; daher Helmonts Spruch: a testibus barba nascitur. Einige Zeit vor dem Ausbruch dieser Haare bemerkt man auf der Haut eine Menge Knötchen, welche letzterer das Ansehen einer Gänsehaut geben. Unter diesen sieht man die Zwiebeln und das hervorbrechende Haar, das bald darauf an jedem Knötchen heraustritt, worauf sich diese wieder ebnen, flächer werden, und endlich ganz verschwinden. Vor dem Ausbruch des Barts beobachtet man ebenfalls schon unter der Haut den Sack, welcher den Ursprung des Haars enthält. Er ist deut- lich gebildet, und lässt den Anfang des Organes sehen, wel- ches er enthalten soll. Zu gleicher Zeit wachsen auch die Haare der Achselgrube und der Brust; die des Rumpfes und der Gliedmassen werden deutlicher und zahlreicher, und erhalten eine bestimmte Farbe. Alles diess erfordert jedoch einige Zeit, bis es seine Vollendung erreicht; so braucht namentlich *) De morbis cutaneis traclat p. 13. 74 Von der Vendhiedenkeit der Haare etc. der Bart wenigstens 2 — 3 Jahre zur vollkommenen Ausbil- dung. — Bey mannbar werdenden Jungfrauen sprossen über den Mundwinkeln nur feine, kaum merkliche Härchen her- vor, die in der Regel unentwickelt bleiben. — Nunmehr bleiben alle Haare, da sie ihren höchsten Grad von Ausbildung erreicht haben, so zu sagen, eine geraume Zeit hindurch stehen, wach- sen in dem Masse, als man sie abschneidet, und die übrigen Verhältnisse der allgemeinen Reproduction auch ihrer Fırnäh- rung mehr oder weniger günstig sind. Bey Weibern entste- hen in der Periode, wo die Reinigung aufhört, um den Mund, an Kinn und Lippen in dem kurzen, weichen, farblosen Flaum, den beynahe jede Jungfrau schon hat, einzelne längere, stei- fere, etwas dunkler gefärbte Haare, gleichwie nach Blumen- bach*) bey manchen Vögeln die ältern Weibchen nach und nach männliches Gefieder bekommen. In seltnern Fällen tritt dieser weibliche Bart nicht allein schon lange vor der genann- ien Periode ein, sondern die Haare färben sich auch mehr und mehr dunkel, und bilden so einen, freylich immer nur schwa- chen, weiblichen Knebelbart; wie ich denn selbst viele Mädchen und Jungfern, geschweige denn erwachsene, vorzüg- lich braunhaarige oder überhaupt dunkelgefärbte Weiber ge- sehen habe, welche ein ganz artiges Schnauzbärtchen, beson- ders gegen die beyden Mundwinkeln zu hatten. — Gegen dasEnde desLebens nimmt auch das Haarsy- stem an der allgemeinen rückschreitenden Metamorphose, und nach und nach auch an dem Erlöschen Antheil, das beynahe alle peripherischen Gefässende trifft, Die färbende Substanz, die in dem Innern der Haare enthalten war, stirbt ab, daher er- scheinen die Haare nach und nach zusehends weisser, sie blei- chen sich. Ex coroeis mutamur in cygnos. Meckel setzt den Anfang dieser Erscheinung schon in das dritte Jahrzehend, und nach ihm wird etwas später auch der Zusammenhang des llaars mit dem Balg zerstört, und die Haare fallen aus. Ari- stoteles sagt daher eben so wahr als schön: Der Winter raubt der Pflanze ihre Blätter, die aber das nächste Jahr wie- der kommen; dem Menschen raubt sein Winter die Haare, ohne dass er sie jedoch wieder bekommt, weil seine Jahrszei- *) Handb. d. vergl. Anatomie 2. Aufl. Gött. 1815. $- 157, und in des- sen Gommentatio de anomalis et vitiosis quibusdamı nisus formativı observationibus. Göti. 1813. 4. p: ©. Von der Verschiedenheit der Haare etc. 15 ten nicht wechseln. Und O wen schrieb an einen Kahlen: Arboribus redeunt crines, et gramina campis; At capiti frondes non rediere tuo. Nach meiner Meinung ist der Zeitpunkt, wo die Haare in der Regel zu bleichen anfangen, hier etwas zu früh ange- nommen, und ich möchte wenigstens das 40te Jahr als die An- fangszeit des Ergrauens der Haare bezeichnen. Die Haupt-, be- sonders aber die Schläfenhaare, die zuerst entwickelt waren, sterben auch zuerst ab, dann folgen die Bart-, Nasen-, Ach- sel- und Schamhaare *), die Augenbraunen, welche schon früher sparsamer und schlicht geworden waren, und zuletzt die übrigen Körperhaare und die Cilien. Da jedoch, wie wir in der Physiologie hören werden, das Wachsthum und die Ernährung, somit al$o auch die normale Färbung der Haare von einer Menge Ursachen, namentlich aber auch von überstandenen Krankheiten, von der Nahrungs- und Le- bensart, ja selbst von Leidenschaften abhängen, so ergibt es sich von selbst, dass die so gefürchtete Periode des Grau- wer.Jens bald früher, bald später, überhaupt ganz verschie- den eintreten könne. Im Allgemeinen werden schwarze Haare früher grau, als helle; so wie auch die dunkelsten Haare am weissesten werden. So entstehen z. B. aus den schwärzesten Haaren im Alter die glänzend agathweissen, und wie Glas durch- sichtigen, aus andern die gewöhnlichen glanzlosen grauen Haa- re. Krause Haare werden später grau, als glatte. — Immer sind graue Haare trockner, steifer, platter, rauher, und oft auch dicker und gerader, als die andern. Uebrigens werden die Haare nicht auf einmal in ihrer ganzen Länge bleich, son- dern das Bleichwerden beginnt immer von der Spitze gegen die Wurzel. Ich beobachtete sogar den untersten Rand der Wurzel im letzten Stadio des Erbleichens noch schwarz ge- säumt. Häufig trifft man das theilweise Ergrauen der Haare mit ganz weissen Haaren gemischt. Ueberall, wo das aus der Haut getretene Haar noch gefärbt war, hatte auch die Haarwurzel gleiche Farbe, und das bereits ganz erbleichte Haar hatte stets auch eine weisse Wurzel. — Uebrigens fand ich rücksichtlich der Textur zwischen bleichen und gefärbten Haaren gar keinen *) Dass die Schamhaare zuletzt grau werden, lesen wir schon bey Arıstotieles histor. an. I, 3. c. 20, 6 Von der Verschiedenheit der Haare etc. Unterschied. Die kürzere oder längere Zeit weiss gebliebene Haare fallen endlich ab, indem sich anfangs der Haarschaft, nachdem er noch einige Male vegetirt hatte, von der Zwiebel trennt, und diese letztere alsdann auch zusammensinkt und verschwindet. — Ich hatte öfters Gelegenheit, bey unsern alten Invaliden solche Kahlköpfe zu untersuchen, wo ich denn immer fand, dass das Kahlwerden vom Scheitel aus beginne, und gegen die Stirne und Schläfe zu weiter schreite, das Hinterhaupt aber am längsten verschone. Als ich einst ein Stück Haut von dem Scheitel gegen die Schläfe zu durch einen senk- rechten Schnitt trennte, so zeigten sich anfangs (d. i. in der “ Scheitelhaut) weder Haare noch Bälge; je mehr ich aber die angegebene Linie verfolgte, kamen da und dort noch einige eingeschrumpfte Bälge in der Haut zum Vorschein, dann zeig- ten sich kleinere und kürzere Haare mit noch deutlichen Bäl- gen, darauf kamen grössere und längere Haare, und endlich standen sie in voller Menge auf der silberweissen Schläfe. Ich glaube demnach, dass in dieser Periode, nachdem die grauen Haare ausgefallen sind, die Productionskraft im Balge erlischt, und dieser selbst der Resorption Preis gegeben, verschwindet. Man würde sich sehr irren, wenn man der Meinung wäre, dass die Menge des Fettes in der Haut hierauf einen bedeutenden Einfluss hätte; im Gegentheil habe ich gefunden, dass bey allen den Invaliden, deren Kopfhaut ich diessfalls untersuch- te, eine mehr als gewöhnliche Menge Fett unter der kahlen Stelle aufgehäuft war. Bichat fand bey den Kahlköpfen, welche er untersuchte, die innere Fläche der Haut ganz glatt, ohne eine Spur jener Verlängerungen, welche bey behaarten Köpfen auf die oben angegebene Weise deutlich dargestellt werden können; und er ist der Meinung, dass beym Greise, dem die Haare abfallen, die Gefässe, die zur Haarwurzel ge- hen, keine Flüssigkeit mehr zuführen. Dass aber das Ausfallen der Haare gerade auf dem Scheitel beginnt, eine Sache, über deren Ursache man ehedem ebenfalls stritt, hat nach meiner Meinung seinen Grund darin, dass 4. dieser höchste Theil des Kopfes den äussern Einflüssen in der Regel am meisten, und namentlich dem Druck der Kopfbedeckungen vorzugsweise ausgesetzt ist; und 2. dass hier verhältnissmässig die wenigsien und kleinsten Gefässe und Nerven anzutrellen sind. indessen gibt es doch auch Fälle, wo die bereits ergrau- Von der Verschiedenheit der Haare etc. 77 ten Haare neu zu leben anfangen. Nach Withof*) erwähnt Donatus eines Patriciers, dessen bereits durch Greisenalter grau gewordenes Haar zuletzt von freyen Stücken wieder seine alte gelblichgrüne (?) Farbe bekam. — Schurig erzählt von einem Greise, der Nägel, Haare und Bart verloren hatte, und sie alle wieder wachsen sah. Dieser Greis lebte noch 24 Jahre. — Bekanntlich lebte Hupazoli Franz in drey Jahrhun- derten, von 4587 bis 4702, also 415 Jahre lang zu Casale in Sardinien; in seinem 400ten Jahre wurde sein graues Haar wieder schwarz, 109 Jahre alt verlor er seine Haare; vier Jahre darauf erhielt er wieder zwey grosse neue Zähne. — CGonradi erzählt von einem $ojährigen Weibe, dass ihr wieder neue Haare wuchsen. — Dr. Slave aus Belford soll in seinem 80sten Jahre wieder dunkelbraune Haare be- kommen, und sie bis an seinen Tod (20 Jahre nachher) be- halten haben **) — In Wien bekam ein Mann in seinem 405ten Jahre wieder schwarze Haare. — Die Haare der Engländerinn SusanneEdmond wurden im O5sten Jahre wieder schwarz, und im 105ten, d. i. kurz vor ihrem Tode, wieder weiss ***), — Ursin erinnert sich eines sehr alten Schweden, dessen eis- graue Haare sich wieder schwärzten, und Melzel versichert, dass er in Gleve einen 448jährigen Greis kannte, welcher noch Zähne und Haare bekam. — In Theodosia in der Krimm lebte im Jahre 4823 noch ein Armenier, Namens Soas Oglu, welcher im Jahre 1702 in Erzerum geboren wurde. Sein eis- grauer Bart schwärzte sich von Neuem. Auch bekam er, als er 100 Jahre alt war, zwey neue Backenzähne, und (1823) noch einen dritten, gerade an der Stelle wo ein alter war, gerade so, wiesie bey Kindern beym zweyten Zahnen vorkommen ****). — John Weks bekam einige Jahre vor seinem Tode, der in seinem 414ten Lebensjahre erfolgte, wieder braune; und ein im 4140ten Jahre verstorbener Schotte erhielt mehrere Jahre vor seinem Tode wieder blonde Haare +). Aehnliche Beyspiele fin- ),l.e..p. 381. **) Dictionn. des sciences med. Tom. IV. Cas rares p. 176. ***) A. a. O. des Dict. des scienc. med... *+7*) Meckels Archiv für Physiologie. 8. Band. 5. Heft. p. 451, und im Wegweiser im Gebiete der Künste und Wissenschaften Nr. 20, März 1823 zu Nr. 58 der Abendzeitung vom Jahre 1823. 7) John Sinclair Essai sur la longevite, 78 Von der Verschiedenheit der Haare etc. den sich auchinHufelandsMacrobiotik. Pierer sagt daher ganz richtig: »Derley Individuen realisiren die Fabel von der Verjüngungsquelle. Im hohen Grade alt geworden, legen sie die Zeichen des Alters ab, und scheinen durch einen retrogra- den Gang der Dinge wieder jung zu werden.« Merkwürdig bleibt es immer, dass auch bereits bleich gewordene Haare noch wachsen, wie wir diess an den Bart- und am längsten aber an den Augenbraunen, Wimpern, Nasen-- und Fusshaaren, alle Tage sehen können. Daher hat man das Bleichwer- den der Haare mit Unrecht dem Tode derselben zugeschrieben, denn was todt ist, kann doch wohl nicht mehr wachsen? Und warum verändert der frühere und vorzeitige Tod nicht auch die Farbe der Haare, warum macht überhaupt nicht jeder allge- meine Tod sogleich bleiche Haare ? Anmerkung 1. Es wurde schon oben, als von der Farbe der Haare überhaupt die Rede war, angedeutet, dass sie auch mit dem Al- ter im genauesten Verhältnisse siehe. Wirklich haben wir gese- hen, dass die Haupthaare in der Periode der Kindheit durchaus weit heller sind, als sie in spätern Jahren werden, obgleich aus- nahmsweise manche auch von einer dunkeln Farbe in eine lich- tere übergehen. Alle übrigen Haare verdunkeln sich gleichfalls im höhern Alter, bis sie dann wieder heller werden, erbleichen., Bloss die Augenwimpern behalten auch in der Folge diejenige Farbe, welche sie gleich nach der Geburt hatten, und da die Haupihaare meistens in der spätern Zeit mit den Augenwimpern, was die Farbe betrifft, übereinstimmen, so kann man nach Jahn schon gleich nach der Geburt die künftige Farbe jener mit gros- ser Wahrscheinlichkeit voraussagen. Anmerkung 2. Kastarienbraune Haare sollen im Alter zuweilen perlweiss werden. Anmerkung 3. Frauen verlieren zwar im Alter auch die blei- chen Haare, allein sie pflegen doch nie so kahl zu werden als Mannspersonen. Die Meinung einiger Autoren *) dass die Wei- ber gar nicht kahl werden, hat schon Sömmerring widerlegt in Baldinger’s Journal St. 2. p. 88. — llebrigens ist es ge- wiss sehr merkwürdig, dass am Kinn der Matrone neue Haare wachsen , da sie an allen übrigen Theilen ausfallen; doch davon später. *) Buffon hist. nat, Tom. II. p. 388. Agrippa de nobilitate et prae- cellentia etc., Lottich de praestantia sexus feminei, im Gothaer Hofkalender 1771. Verschiedenheit der Haare nach dem Geschlechte. 79 $. 121. Verschiedenheit der Haare nach dem Geschlechte. ? Als Geschlechtsverschiedenheit kann man vor Allem die grössere Feinheit der weiblichen Haare, so wie auch die grössere Länge des Haupthaares gegen jene des übrigen Körpers betrachten. Mit der grössern Feinheit steht dann auch die Weichheit, Biegsamkeit und Glätte dersel- ben im geraden Verhältniss. Auch sind die Haare des Mannes stärker und straffer als jene des Weibes. — Was die Menge betrifit, so ist doch im Ganzen das Weib weniger behaart als der Mann, obgleich an keiner von jenen Stellen, wo sich Haare beim Manne finden, selbe beym Weibe ganz fehlen, sondern sogar rücksichtlich der Stärke, Menge und Länge an den ein- zelnen Stellen ganz mit den Haaren des Mannes in gleicher Proportion stehen, so zwar, dass die beym Manne stärker be- haarten Stellen auch beym Weibe mehr Haare besitzen als die andern, und selbst da, wo der Mann einen Bart hat, das Weib, so wie auch die Unbärtigen oder Verschnittenen mehr und längere Haare als anderswo besitzen. Letzteres findet um so ausgezeichneter Statt, wenn Unvollkommenbeit der Geschlechts- function und des Geschlechtsunterschiedes überhaupt zusammen- trifit, wie sich diess bey den Mannsweibern und Hermaphrodi- ten häufig gezeigt hat. In dem Verhältniss nämlich, als sich die Zweydeutigkeit des Geschlechts mehr zum männlichen neig- te, waren auch jene Stellen behaarter, die es gewöhnlich beym Manne sind. Dass es bärtige Frauenspersonen von ver- schiedenem Alter gegeben habe und noch gebe, kann nicht be- zweifelt werden. So wird schon in der Naturgeschichte des Ari- stoteles von den Priesterinnen in Carien erzählt, dass sie einen Bart am Kinn bekamen, und dass man diess für ein Zeichen der Weissagungsgabe halte. Nach dem Zeugniss des Fabricius ab Aquapendente war zu seiner Zeit bey den Buchhändlern das Bild einer Frau ausgehängt, deren gan- zes Gesicht voll Haare war, so dass sie vielmehr einem Manne als einem Weibe gleich sah. Die Insulanerinnen von For- mosa sollen ebenfalls einen Bart wie die Männer haben. — 80 Verschiedenheit der Haare nach dem Geschlechte. Dr. Samuel Ledel *) sah eine Edelfrau mit einem Barte. Eine andere gemeine Weibsperson hatte einen weissen Bart, noch eine andere, aber geile Dirne einen schwarzen Knebel- bart. Im Museo Aldrovandi ıst das Bild einer Frau, die dem sehr bärtigen Helvetus ganz ähnlich ist, und im Gynecaeo des Erzherzogs von Oesterreich war nach Bartholin’s Angabe eine 50jährige Jungfer, die schon von Jugend auf vor ihrer Menstruation einen Bart und Schnurrbart hatte. Am merkwür- digsten unter allen dürfte jedoch die Geschichte der bärtigen Dresdner Jungfer seyn, welche Michaälis**) umständ- lich angibt,‘ und die ich hier durch eine getreue und colo- rirte Abbildung der Vergessenheit entreissen will. Vergleiche Tab. XIV. Fig. 166. Dieser behaarten Jungfer wuchs noch an beyden Seiten des Kinnes ein so starkes Wollhaar, dass man es abschneiden musste. Damals that sie diess jeden Monat zweymal, als sie äl- ter wurde, wöchentlich einmal, endlich auch zweymal. Sie suchte diesen Bart lange zu verbergen; als sie aber krank ins Spital nach Dresden kam, wuchs der Bart zu einer solchen Grösse, dass es allgemeines Aufsehen erregte. Damals war sie 64 Jahre alt, und zwey Wochen lang nicht rasirt worden. Sonst bewiess sie sich sehr unerschrocken, ihre Summe war kräftig, und ihr Geist ebenfalls stark. Manchmal schien sie et- was traurig, mürrisch; übrigens ass sie gern rohen Speck und Fett. Auch das gekochte Gekröse und die Eingeweide desKal- bes liebte sie, und trank immer Wein darauf. Obgleich sie so gefrässig, ja unersättlich war, hatte sie doch einen ruhigen Schlaf, und eine regelmässige monatliche Periode. Im Spital zeigte sie sogar Neigung zu den neben ihr liegenden Männern, und noch krank schlug sie mit beyden Händen auf ihren Bauch wie auf eine Trommel. Ihre Schamhaare waren nicht sehr lang, aber dicht; Brust- und Nabelgegend glatt; keine Spur ir- gend einer Zwitterbildung. Besonders merkwürdig aber ist es, dass der Bart nur auf den beyden Seiten des Kinns hervor- wuchs, in der Mitte aber, und am vordern Theile desselben, so wie auch am obern Theil des Unterkiefers kein Haar zum Vorschein kam. Auf derOberlippe waren dieHaare kaum einen halben Zoll lang, und schwärzlich, auf der Seite des Kinnes *) Observ, 48. Act. acad. nat. cur. pars 15ta. **) In den Actis Acad. n, e, Vol. III. Observ. 127. Verschiedenheit der Haare nach dem Geschlechte. 84 massen sie drey Zoll, und waren schneeweiss.. Am untern En- de des Kinnes standen beyderseits kurze Haare, an Farbe und Länge denen unter der Nase gleich. Ueber dem Kinn war sie ganz glatt. Das Bild ist genommen nach dem Originalgemälde das in der Gallerie des Königs von Pohlen und Churfürsten von Sachsen vom Jahre 1732 hing. — Ausser diesen finden sich noch andere Beyspiele bärtiger Frauen bey Rhodius*), und ın den Acten der kaiserl. Academie der Naturforscher **). Eben daselbst, nämlich im 4ten Bande p. 378 erwähnt Dr. Hoyer einer würdigen Natrone mit einem schwarzen Männerharte, Mystax und Pappus, der so wuchs, dass sie sich jede Woche zweymal rasiren lassen musste, „quo in delicüs et amoribus con- jugalibus marito haberetur.“ Dabey war ihre Stimme rauh, stark und männlich ; das Gesicht und der ganze Körper zeigten Ue- berfluss an Hitze; die monatliche Reinigung hatte sie nicht, genoss den Beyschlaf, ohne jedoch Kinder zu bekommen, und starb 50 Jahre alt. — Merkwürdig ist auch der starke Bart der Margaretha von Oesterreich und der Anna Sophia, welche der Septemvir Georg Wilhelm mit sich führte. ***) — Endlich soll unter der Regierung der Kaiserinn Maria The- resia ein Weib viele Jahre lang unter den Hussaren gedient ha- ben, und sogar wegen ihrer ausserordentlichen Tapferkeit zum Rittmeister vorgerückt seyn. Sie trug einen gewaltigen Schnauz- bart, und liess sich rasiren. Zuletzt wurde ihr Geschlecht ent- deckt, sie mit 600 Gulden pensionirt, musste jedoch angelo- ben, stets eine weibliche Kleidung zu tragen. Mit Recht sagt also Dr. Philites von diesen Weibern, dass sie gleich den weiblichen Vögeln den Schmuck des männlichen Geschlechts anlegen, wenn sie einmal ihren weiblichen Charakter verloren haben. Von dem genauen Wechselverhältniss zwischen der Men- struation und dem Erscheinen gewisser aussergewöhnlicher Haare wird später gehandelt werden. Auch die Haare der Augenlieder unterscheiden sich in beyden Geschlechtern. Schon die äussere Hervorragung der Haut in der Gegend der Augenbraunen ist im Einklang mit den stärkern Augenbraunenbogen bey Männern dicker, *) Centur. III, Obs. 403. **) Acta physica. tom, 3. obs. 127. ***) Kunz Dissertat. de semine muliebri. Lugd. Batav. 1772. Eble’s Lehre von d, Haaren II. Bd. 6 32 Von der Verschiedenheit der Haare etc. stärker und winklicher; die Augenbraunen selbst aber sind breiter, und doch mehr zusammengedrängt, die Haare stärker, rauher und länger; bey den Weibern hingegen ist jene Her- vorragung, so wie auch der Augenbraunenbogen ebener und runder, die Braunen selbst enger, dünner, und die Haare kür- zer. Auch stehen die Augenbraunen von der Augenlieder- spalte bey dem männlichen Geschlechte mehr ab, als beym weiblichen. Die Augenwimpern aber sind bey Männern dich- ter, und einzeln betrachtet, dicker als bey Weibern. — End- lich fehlen auch den Weibern die stärkern Haare in der Na- se, auf den Seitengegenden der Brust *) und am Alter. $. 122. Verschiedenheit der Haare nach dem Tem- perament und der Constitution. Galen, der die Haare aus dem Ueberfluss der Säfte ent- stehen lässt, und glaubt, dass in einer trockenen Haut keine Haare entstehen können, schliesst daraus, dass alle kalten Tem- peramente dem Haarwuchs nicht günstig seyen: Nuda pilis suni frigida umnia lemperamenta, sive ea mediocriler se habeant in humiditate, sive immodice. Ad summum glabra est frigida tem- peries**). An einem andern Orte ***) sagt er: dass schwarze, dicke und häufige Haare ein Zeichen boni in cerebro tempera- menti seyen. Vom melancholischen Temperamente ist in die- ser Beziehung folgende Stelle merkwürdig ****): Cave igitur, si quem pilosum admodum videas, hunc statim melancholicum pu- tes, sed si quidem floret adhuc aelas, nondum esse talem, sin jam declinat, melancholicum existima, si senex est, non item. — Hal- ler +) sagt: „Man glaubt, dass phlegmatische und rohe Säf- *) Ausnahmsweise habe ich schon oben eines Freudermädchens ge- dacht, welche rings um die Brustwarzen stark behaart war; und in Augsburg sah ich ein 32jähriges Weib, die zwischen den Brüsten zolllange und dichtstehende Haare trug. **) De temperamentis, et quidem de dignoscendis temperamentis ex pi- losis et glabris. Cap. 5. Sect. 1ma, p. 36 — 38. ***) Lib. 2. de temp. p. 40, xre#) Lococit. p. UT. +) Elementa phys, l. c. $. 19. Von der Verschiedenheit der Haare etc. 83 te weisse Haare machen; dass ein cholerisches Tempera- ment rothe, und ein hitziges und blutreiches schwarze Haare hervorbringe. — Gewöhnlich schreibt man dem phlegma- tischen Temperament weiche, lange, weisse, oder wenig- stens blonde, dicke, fast gerade herabhängende, nicht sehr häufige; dem sanguinischen in der Jugend blonde, später- hin meistens braune, und zwar vorzüglich kastanienbraune; ‚dem cholerischen schwarze oder dunkelbraune , kurze, straffe, trockene, und oft auch krause; dem melancho- lischen endlich weichere, schwarze, hie und da auch lichtere Haare zu. Die Franzosen geben dem lymphati- schen Temperamente rothe oder blonde, dem nervösen ka- stanienbraune,, und dem biliösen braune Haare, jedoch nicht ohne Ausnahme, In Bezug auf die Menge zeichnen sich diejenigen Tem- peramente durch Reichthum an Haaren aus, welche zwischen den zu beweglichen und den trägen dieMitte halten, obschon sich auch hier schwer eine allgemeine Regel aufstellen lässt. Was das Verhältniss der Haare zur Constitution des Körpers betrifft, so ist dieses zum Theil schon aus dem ersichtlich, was so eben von den Temperamenten ge- sagt wurde, weil mit einem jeden der angeführten Tempera-, mente auch mehr oder weniger eine bestimmte Constitution des Körpers verbunden ist. Je stärker letztere im Allgemeinen ist, desto steifer, strafler und dichter sind die Haare, und meist auch von einer dunklern Farbe. Doch kann die Abwesenheit des letzten Merkmals der Gültigkeit der erstern keinen Ab- bruch thun. Denn es gibt auch Athleten mit lichten, aber wenig oder gar keinen, besonders stark gebauten Mann mit weichen und zarten Haaren. Krankheiten im Allge- meinen, und vorzüglich der behaarten Theile führen man- cherley Ausnahmen von dieser Regel herbey. — Ein schwa- cher Körper hat meist auch weiche, dünne, sehr biegsame Seidenhaare, es sey auch sonst ihre Farbe, wie sie wolle. Ueberhaupt scheint diese letztere mehr mit dem Stande der Irritabilität und Sensibilität, die Weichheit, Härte, Stärke und Dichtigkeit aber mehr mit der Reproduction im besondern Zusammenhang zu stehen. Endlich muss hier noch ganz besonders auf die Beschaf- fenheit der Haut Rücksicht genommen werden. Es soll spä- ter umständlicher gezeigt werden, welch’ grossen Einfluss 6 * 84 Von der Verschiedenheit der Haare etc. schon die ältern medicinischen Schriftsteller der Haut auf die Erzeugung der Haare zuschrieben, und wie sie diese überhaupt zu ersterer in dasselbe Verhältniss setzten, in dem die Pflanze zu ihrem mütterlichen Boden steht. Wirklich sehen wir auch, dass die Haare um so sparsamer wachsen, je zarter, weicher und feiner die Haut des Körpers ist. Wenigstens fallen sie, wenn sie auch reichlich wachsen sollten, jederzeit unter sol- chen Umständen viel leichter und häufiger aus, weil sie zu schwach in der Haut befestiget sind, d. h. weil die Haut nicht den nöthigen Grad von Festigkeit besitzt. Diese ist aber be- kanntlich um so geringer, je verzärtelter der Körper über- haupt, und je schwächer die Leibes- Constitution ist, und je höher dagegen die Organe der Sensibilität und zum Theil auch der Irritabilität in ihrer Ausbildung stehen. $. 123. Verschiedenheit der Haare nach der Lebensart. Ich scheue mich keineswegs, hier gleich Anfangs auf den 4Östen $. zu verweisen, wo derselbe Gegenstand bey den Thie- ren besprochen wurde. Denn unter einigen Beschränknngen kann Alles dort Gesagte auch hier seine Anwendung finden. Wir sehen ja alle Tage, dass das Landvolk einen viel üppi- gern Haarwuchs besitze, als die Städter, ungeachtet erstere keine, und letztere eine sehr grosse Aufmerksamkeit auf die Cultur ihrer Haare verwenden. Diess liegt offenbar bloss in der Lebensart. Freylich dürfen wir dabey die Momente der Zeugung und die Nahrungsmittel nicht ausser Acht lassen. — Nichts desto weniger glaube ich, dass die Haare in dieser Hinsicht ganz den Pflanzen zu vergleichen sind, und dass sie, wie diese, Regen, Luft, Sonnenlicht, Kälte, Trockenheit und Schatten in der gehörigen Aufeinanderfolge und im zweck- mässigen Masse bedürfen. Hier ist nicht der Ort, dieses wei- ter auszuführen, dagegen werde ich in dem therapeutischen Theil dieses Werkes auf diesen Gegenstand wieder zurück- kommen. Nur so viel sey hier im Allgemeinen gesagt, dass eine einfache, naturgemässe, durchaus nicht verzärtelnde Le- bensart, so wie die Reproduction überhaupt, so auch das ge- deihliche Wachsthum schöner Haare fördere. Wir finden die- Verschiedenheit der Haare nach der Lebensart, 85 sen Satz durchaus in der Erfahrung bestätigt, und wer noch daran zweifelt, der darf sich nur die Mühe nehmen, die ver- schiedenen Beschäftigungen derMenschen, und die damit noth- wendig verbundene eigene Lebensart derselben durchzugehen, und sie mit dem Stande der Haare dieser Menschen zu ver- gleichen. Ich will hier nur auf die Gelehrten hindeuten und fragen: warum gerade dieser Stand mit dem frühzeitigen Ver- fall seiner Haare geplagt ist? — Je mehr die Haare dem Ein- fluss der rauhen Witterung, und besonders den Sonnenstrahlen ausgesetzt sind, eine desto grössere Härte erlangen sie. Wir se- hen diess bey den Negern, die meist mit unbedecktem Haupte unter ihrem brennenden Himmel gehen; desshalb sind auch die Haare der Weiber und vorzüglich der Bauernweiber wei- cher und biegsamer, als die der Männer, weil erstere stets von der Haube bedeckt sind. Der Landmann und vorzüglich der Schiffer haben ceteris paribus das härteste Haar. — So wie fer- ner Schmutz und fette Dinge in einem gewissen Grade dem Wachsthum der Haare gedeihlich sind, so sehen wir auch schmutzige Nationen, z. B. Juden, Slaven etc. mit einem star- ken Haarwuchs begabt. Auch das Abschneiden und Abschee- ren, das Kämmen und Frisiren, und überhaupt die Kunst üben hierauf einen nicht unbedeutenden Einfluss, wie diess zum Theil schon die ungeheure Menge von Oelen, Pomaten und Haarwachssalben zur Genüge beweist. Das Weitere hievon weiter unten, wo auch zugleich von dem Einflusse der Nah- rungsmittel auf die Beschaffenheit der Haare gehandelt wer- den soll. Es fehlt uns übrigens nicht an auffallenden Thatsachen, die den genauen Zusammenhang der genannten Verhältnisse ausser allen Zweifel setzen. — Schon in der heiligen Schrift finden wir, dass der König Nabuchodonosor, nachdem er von den Menschen verjagt, nach Art der Thiere leben, und Kräuter essen musste, endlich Haare, die den Federn der Adler glichen, und Nägel wie das Geflügel bekam. Eine ähn- liche Geschichte erzählt Bernhard Connor *) von einem wilden Knaben von 410 Jahren, der ım Jahre 1694 in den lı- thauischen Wäldern von den Jägern gefangen wurde, wie er gerade ganz behaart unter einer Heerde von Bären lief. Mit Ausnahme der äussern Gestalt hatte er nichts mit einem Men- *) In den Evangel. medici p. 133. 86 Climatische und nationale Verschiedenheit etc. schen gemein. Er wurde in seiner Jugend von einer säugen- den Bärinn gefangen, zu den Jurgen gebracht, und von ihr gleich diesen an ihren eigenen Brüsten gesäugt. — Auch Lin- n.&’s Pueri pyrenaici waren bekanntlich ganz behaart. $. 124. Klimatische und nationale Verschieden- heit der Menschenhaare. Ich komme jetzt auf eine der interessantesten Verschie- denheiten der Haare, indem ich ihr Verhältniss zu den ver- schiedenen Nationen des Erdbodens und zu dem Himmels- strich, welchen diese bewohnen, angeben werde. Der merk- würdigste Unterschied der Haare in dieser beyderseitigen Rück- sicht gründet sich auf die Farbe derselben. Es wurde schon bey den 'Thieren angeführt, dass es z. B. in den nördlich- sten Ländern keine schwarzen Pferde gibt, und dass die Eich- hörnchen, Hasen, Wieseln, und viele andere Thiere daselbst weiss, dagegen in minder kalten Gegenden braun oder grau sind. — So ist es nun auch, nur etwas weniger auffallend beym Menschen, und Niemand wird daran zweifeln, dass die Haare um so dunkler, je heisser, und um so lichter sind, je kälter das Clima ist. In den allerkältesten Gegenden sol- len sie ganz weiss, bis zum 50t" Grade öfters gelb seyn. Doch will man auch bis zum 414° gelbe Haare in Polynesia gefun- den haben *). So haben also die schwarzen und sch warzbrau- nen Afrikaner schwarzes Haar, dessen Schwärze sogar die ih- rer Haut übertrifft. Die gelblichen, bräunlichen, in gemässig- ten Zonen lebenden Menschen haben meist dunkel - oder schwarzbraunes, selbst auch schwarzes Haar; die weissen, mehr nach Norden gelegenen Nationen haben gelbliche, röth- liche, manchmal auch hellbraune Haare. So war das lange, goldgelbe Haar der alten Deutschen eine bekannte nationale Eigenthümlichkeit. Indessen gilt diese Regel nicht im aller- strengsten Sinne, da man in kältern Klimaten, z. B. im nörd- lichen Deutschland, in Schweden u. s. w. auch viele Men- schen mit dunkelgefärbten Haaren, und im heissen Afrika eben sowohl gelbhaarige Löwen, als im kalten Sibirien schwarz- *) Voyage de terres aus, p. 361. Glimatische und nationale Verschiedenheit etc. 87 braune Zobel antrifit. In wie fern übrigens die einzelnen Na- tionen rücksichtlich ihrer Haarfarbe von einander abweichen, will ich weiter unten ausführlicher angeben ; indem ich jetzt den Nationalunterschied der Haare in Bezug auf ihre andern Eigenschaften durchgehen werde. Wir kommen demgemäss zuerst wieder auf die sogenannten behaarten Menschen und Nationen zurück. Dass es ganze Nationen gegeben habe, die durchaus stark behaart waren, wird billigermassen noch im- mer bezweifelt. Aber Thatsache ıst es, dass die Südländer ım Ganzen mehr behaart sind, als andere Nationen. Nach Meiners Geschichte der Menschheit ist überhaupt starker Haarwuchs den Völkern vom tatarıschen Stamme, so wie da- gegen ein schwacher Haarwuchs dem mongolischen eigen. Insbesondere sagt Meiners und Blumenbach von den Tungusen und Buräten, dass sie fast ganz kahl sind. Auch die Amerikaner zeichnen sich durch dürftuiges Haar aus. Un- ter den Europäern finden wir nur relative Verschiedenheiten, die nie constant einer einzelnen Nation anhängen. Auch bey uns fehlt es nicht an Beyspielen von ganz haarıgen Menschen, Die stärkere oder schwächere Haarentwicklung muss noth- wendig grösstentheils von allgemeinen Ursachen abhängen, obgleich nicht zu läugnen ist, dass das bey manchen Völkern, (z. B. den Mongolen und Amerikanern) übliche Ausreissen der Haare an der Haut des Körpers nach und nach eine erb- Jiche Haarlosigkeit nach sich ziehen könne, wie auch Blu- menbach selbst glaubt. Dieselbe Gewohnheit kann auch die anscheinende Bartlosigkeit mancher, besonders amerika- nischer Völkerschaften zur Folge haben *). Unter den Europäern haben die meisten schlichtes und langes Kopfhaar. Das kurze der Neger zeichnet sich insbe- sondere durch seine Kräuselung aus. Es .ist nämlich, wie Sömmering**) angibt, wollartig und feiner, härtlicher, elastischer, glänzender und kürzer, als das des Furopäers. Und doch ist bey neugebornen Negern das Kopfhaar keines- wegs kraus,, sondern länglicht bis über die Stirne herunter- gebogen. — Man kann das wollige Haar nicht als allgemeines Attribut der Südländer ansehen, denn es mängelt z. B. den Bewohnern der Insel Otahaiti, der Marquesos-, Freundschafts- *) Meiners Geschichte der Menschheit p. 5}. u. BENNO ; y R ) Verschiedenheiten des Negers vom Europäer etc. 88 Climatische und nationale Verschiedenheit etc. und der Societätsinseln; obgleich das bey diesen Völkern üb- liche Einsalben der Haare mit Kokosöl selbe wohl etwas schlichter machen kann. Ulloa*) berichtet uns sogar, dass es Neger gibt, deren Haar zwar schwarz, aber nicht kraus, sondern schlicht sind. So hat auch der junge Mohr, den Sömmering zergliederte, lange schlichte Haare gehabt. — Von den Barabras (Negervölkern) sagt Denon**), dass das Alter sich bey ihnen nur durch den weissen Bart zu erken- nen gebe. Bey den meisten Europäern, Negern und Südlän- dern ist nach Blumenbach das Haupthaar sehr dicht und zahlreich, so, dass es die Haut der Hirnschale vollkommen bedeckt, und nur am Wirbel, wo die obersten Haare anfan- gen, ein kleiner Fleck der nackten Haut erscheint. Bey an- dern Nationen ist das Haupthaar nichts weniger- als dicht, so z. B. vorzüglich bey den östlichen Asiäten. Uebrigens triflt man überall auf grosse Verschiedenheiten ; so sind selbst un- ter den Europäern manche derselben viel, manche wieder sehr wenig auf dem Kopf behaart. Incbesaiadese findet man häufig Männer, deren Scheitel schon sehr frühzeitig kahl wird, ohne dass man dieses unwillkommne Freigniss immer mit einer Krankheit in besondere Verbindung bringen könnte. — Was den Bart betrifft, so war es von jeher ein Vorzug der celtischen und slavischen Nationen, einen starken Bart- wuchs zu haben. Doch treffen wir auch unter den übrigen Europäern, die nicht dieser Abkunft sind, im Ganzen starke Bärte, Unter uns sieht man zwar nur bey polnischen Juden, Rabbinern, manchen Mönchen, z. B. Kapuzinern, nnd wohl auch unter den Soldaten und Räubern solche lange Bärte; diess rührt aber offenbar daher, weil es bey uns die Sitte mit sich bringt, sich den Bart abscheeren zu lassen. — Auch in Bezug auf die Dichtigkeit gibt es unter uns Bärte, welche die Haut, gleich wie die Kopfhaare, ganz bedecken, wo dann die Stelle des abgeschornen Barts schwarz bleibt. Entgegen- gesetzt verhält sich diess bey den mongolischen und ameri- kanischen Nationen, von denen einige ganz bartlos seyn sol- len (Meiners); obgleich die Grönländer, Eskimos, Patago- nen und Feuerländer Bärte haben. — Für die so viel bespro- chene Bartlosigkeit der Amerikaner führt Rudolphi nur *) A. de Uiloa notic. amerie, Madrit. 1772. 4. **) Voyage p. 62. Climatische und nationale Verschiedenheit etc. 89 einen, aber sehr gültigen Zeugen, Dobritzhofer an, der 48 Jahre unter den Abiponern in Paraguay lebte. Seiner Aus- sage zufolge haben die Amerikaner wenig Haare im Bart, un- ter den Achseln und an den Schamtheilen, und ersteres kann nicht von dem fälschlich angegebenen Ausreissen der Bart- haare hergeleitet werden. Für die mongolischen Völker ist Pallas*) der beste Gewährsmann. Nach seinen Beobachtun- gen ist bey ihnen das erwachsene Mannsvolk weit weniger mit dem Bart versehen, als die tatarischen und europäischen Na- tionen; auch pflegt er ihnen viel später zu wachsen. Die Bär- tigsten unter allen sind noch die Kalmuken. — Auch die Ne- ger haben meist einen geringen Bartwuchs; so berichtet we- nigstens Vaillant**) von den Hottentotten. — Die Augen- braunen sind bey dem Neger weniger wulstig, die Haare ste- hen einzelner, sind zart, kurz und dünn, so zwar, dass sie, wenn sie auch noch so stark gegen die Nasenwurzel gezogen werden, doch das Auge nicht so gut zu beschatten vermögen. Auch sind sie nicht gekräuselt, sondern wie bey uns, entwe- der geradelinigt, oder nur wenig gebogen oder gewunden. Die Augenwimpern aber sind‘ bey ihnen beyderseits mehr ge- krümmt und gebogen, und dichter als bey den Europäern, übrigens so schwarz und fein, wie man sie nur selten bey uns findet, **7), Ich werde nun mitBuffon****) eine kurze Reise auf dem ganzen Erdboden machen, um die besondern und auffallenden Verhältnisse des Haarwuchses bey den einzelnen Nationen ken- nen zu lernen; dann soll deBlumenbach’sch eEintheilung des Menschen in seinen Racen die Hauptcharakterzüge zusam- menfassen, und so das Ganze schliessen. Die Chinesen haben grosse Augenbraunen, und an jeder Lefze nur 7—8 kleine Büschel von einem schwarzen Barte, nebst sehr wenig Haaren auf dem Kinne. Dagegen sind ihre Kopfhaare stark und dicht. — DerBart der Japanesen ist dünn, die Haare schwarz, ölglänzend, und ihre Aug- braunen sitzen gewöhnlich etwas höher als bey den Euro- *) Sammlung historischer Nachrichten über die mongolischen Völker- schaften. 1. Thl. Petersburg. 1776. 4. $. 100. **) Voyage dans P’interieur de V’Afrique. Liege 1790. T. 2. p. 107. ***) Sömmering Icones oculi humani etc. 3) Hlıst.) nat, 90 Glimatische und nationale Verschiedenheit etc. päern. — Bey den Siamesen sind sie dicht, schwarz und nicht kraus. — Die Javaner tragen einen schwarzen dünnen Bart, und wenige sehr kurze und schwarze Kopfhaare. — Die Andamanen haben wolliges Negerhaar, eben so die Papuas. — Bey den Insularern auf Tanna ist die Farbe des Haars schwarz, bey manchen braun oder gelblich an der Spitze, der Bart etwas wollartig und sehr dick. — Auf den Molluken trifft man meist schwarze und glatte Haare, die bald grau werden, auf der Insel Timor bey Neu- holland schwarze und spitzige Haare; doch haben nach D am- pier die am Meerbusen Laphao sich aufhaltenden Men- schen lange und ganz gerade Haare. — In Manilla, wo das Volk sehr vermischt ist, findet man bald kurze und krause Haare, wie bey den Mohren, bald auch lange. — Die In- sulaner vonFormosa haben schwarze und sehr lange Haare, und die Weiber tragen, wie Struys bemerkt, einen Bart wie die Männer (?) — DieEinwohner der Diebsinseln, am wei- testen gen Osten, haben grösstentheils wollig — krause, doch die zu Gwam lange und schwarze Haare. — Zufolge der Nach- richten von Argensola tragen die Papus in Neu- Guinea schwarze, kurze, wollig krause Haare, und einen ziemlich grossen Bart. — Tavernier *)sagt, dass in Lahor und dem Königreiche Kaschemir alle Weiber von Natur keine Haare auf einem einzigen Theil des Leibes, und die Männer nur ei- nen kleinen Bart haben. — Auf der malabarischen Küste sind dieBengalen alle mit schwarzen, glatten und langen Haaren versehen. — Die Ceyloner haben alle schwarze Haare, wel- che die Männer sehr kurz tragen. — Auch die Maldivier sind durchgehends schwarzhaarig, überdiess sollen die Männer am ganzen Körper haarig seyn *). — Die Samojeden haben längere, schwarze, glatte, borstige Haare, und einen kleinern Bart als die Lappen. — Dagegen sind die Haare der Grön- länder schwärzer als die der Samojeden, und erstere haben nur Haare auf dem Kopfe. — Die Tataren haben dunkelbraune oder schwarze Haare, und einen kleinen Bart, der, wie bey den Chinesen aus einigen dünnen Haarbü- scheln besteht. — Der Bart der mongolischen Tataren ist klein, allzeit schwarz oder roth. — Der Bart der Kak *) Voyages. Rouen 1713. Tom, I. p. 180. ‘"*) Allgemeine Historie der Reisen. 8. Bd, $. 199 Climatische und nationale Verschiedenheit etc. 91 muken keimt spät und schwach hervor; die Kopfhaare sind schwarz. — Die Buräten haben noch schwächern Bart- und Haarwuchs; ersterer bleibt sogar bey manchen ganz aus. — Auch die Tungusen und Kamtschadalen haben schwar- zes Kopfhaar und einen schwachen Bart; noch schwächer ist dieser bey den Aleuten. Das Haar der Perser und Ara- ber ist schwarz. — Die Einwohner in der Berberey sehen gar nicht braun aus, sondern vielmehr weiss und roth, und ihre Haare haben eine dunkelgelbe Farbe, dagegen die der an- dern Völker schwarz sind, wahrscheinlich weil sie von den Vandalen abstammen. — Die eigentlichen Russen haben immer einen sehr starken Bart, und Kopfhaare von der dun- kelbraunen bis zur rothen Farbe, selten aber sind diese ganz schwarz. — Die Augbraunen der cirkassischen Weiber sind ohne Zuthun der Kunst so klein, dass man sie bloss für einen seidenen, bogenweise laufenden Faden ansehen würde. Uebrigens stechen die schwarzen Haare sehr mit der weissen Haut ab. — Gemelli Gorreri berichtet, dass die griechi- - schen Frauen, besonders in der Nachbarschaft von Gonstan- tinopel die schönsten Haare von der Welt haben, und be- merkt zugleich, dass die Weiber, deren Haare bis auf die Fer- sen herunterhingen, keine so regelmässigen Gesichtszüge, als die anderer Griechinnen hätten. — In England, Flandern, Holland und dem nördlichen Deutschland sieht man schon wenig Leute mit schwarzen oder braunen Haaren, und in Dännemark und Schweden sind deren fast gar keine. — Nach Linne& haben die Gothen gerade, gelbliche und weisse Haare, die Finnen gelbe und lange. — In den nörd- lichen Provinzen Russlands, Ingermannland und Ga- relien gibt es weisse und gelbliche Haare. — Auf den ca- narischenInseln sollen die Weiber sehr schöne und feine Haare haben. — Die Hottentotten, obgleich sie nur braun aussehen, haben doch alle schwarze, kurze, krause und wol- ligeHlaare, so dass Kolbe*) versichert, er habe nie einen Hot- tentotten mit langen Haaren gesehen. Nach Andern sind ihre Haare dennoch länger als bey den Negern. — Die holländischen Reisebeschreiber sagen, dass die Haare der nordwärts vom Cap wohnenden Wilden ganz denen eines, eine Zeit lang am Galgen Gehangenen, ähnlich seyen. Der Pater Tachard aber — *) Description du Gap de bonne esperance. Amsterd. 1741. 92 Glimat:ische und nationale Verschiedenheit etc. meldet, dass sie eben so wollige Haare hätten wie die Mohren, dass jene jedoch bey vielen unter ihnen länger als bey diesen wä- ren, und dass sie selbe auf den Schultern herumfliegen liessen. = De Haar der Neger hat eine eigenthümliche wollige und flockige Beschaffenheit. Es ist merkwürdig, dass sich das Wollhaar der Afrikaner überhaupt um so mehr verlängert, je mehr sie sich mit den Europäern vermischen, und sich ihrer Farbe nähern. — Die Einwohner von Madagascar haben auf dem Wirbel des Hauptes keine so krausen Haare, als die vom Mosambique. — Im Allgemeinen haben die Ureinwoh- ner von Amerika strafles, langes, dünnes Haar, und wenig Bart. Die nördlichsten Einwohner von Amerika gleichen in Be- zug auf dieHaare den Lappen. — Das Gesicht der Wilden an der Hudsonsbay, und der in den nördlichen Gegenden von Labrador wohnenden Menschen ist fast ganz mit Haaren be- deckt, so wie jenes der Wilden des Landes’T’hedso nördlich von Japan. An der Davisstrasse dagegen haben die Wilden einen kleinen, oder fast gar keinen Bart. — Dasselbe sagtHearne*) von den Wilden an der Hudsonsbay, deren seltener Bart spät wächst und spärlich bleibt, obgleich er starr und borstig wird. Auch soll ihnen keinHaar unter den Achseln, und nur weniges an den Schamtheilen wachsen. — Die Wilden in Canada bıs zu den Assiniboils sind alle schwarzhaarig, haben einen kleinen Bart, und fast keine Schamhaare. Ueberhaupt findet man in der neuen Welt fast so wie in der alten hoch im Nor- den Leute, die mit den Lappen übereinkommen, sodann weisse Menschen mit gelben Haaren, die den nördlichsten Völkern in Europa, dann stark mit Haaren bewachsene Leute, die den Wilden in Thedso, und endlich die Wilden in Canada bis nach Mexico, die den Tataren ähnlich sind. — Die nordamerika- nischen Wilden sollen sich durch schwarze, schlichte und harte Haare ausgezeichnet haben, die man übrigens nur auf dem Haupte antrifft, weil sie sich alle andern Haare mit einer Kneipzange ausreissen. — Unter den Wilden an der nordwest- lichen Küste Amerika’s tragen bloss die Alten einen dickern Bart um das Kinn herum und einen Schnurrbart. Das Haupt- haar derselben ist stark, durchaus schwarz, glatt, und fällt ın *) Reise vom Fort Prinz Wallis ın der Hudsonsbay nach dem nörd- lichen Weltineere. Aus dem Engl. von M. €. Sprengel. Halle 1792. 8, Climatische und nationale Verschiedenheit etc. 093 natürlich wallenden Locken über die Schulter herab. — Die Osagen raufen sich bloss die Barthaare, nicht aber die Scham- und Achselhaare aus. — DieGaraiben hatten lange, glatte und schwarze Haare, und nie hat man einen unter ih- nen mit gelben Haaren gesehen. — Die Mexicaner und Neu-Spanier haben, so wie überhaupt, so auch insbeson- dere auf den Augenbraunen wenig Haare, welche übrigens bey ihnen allen durchgehends sehr lang und sehr schwarz sind. — Nach Waser’s Nachrichten sind die Haare beyder Geschlech- ter auf der Erdengein Amerika schwarz, lang, gerade und grob. Wie Männer würden auch einen Bart haben, wenn sie selben nicht ebenfalls ausreissen liessen. Uebrigens sind die Augbraunen bey beyden Geschlechtern pechschwarz. — Die Wilden in Brasilien sind mit langen schwarzen Haaren, die selten im Alter grau werden sollen, versehen. Sie reissen sich nicht allein den Bart, sondern auch das Haar auf dem Leibe, die Augbraunen und Augenwimpern aus, und sehen desshalb sehr seltsam aus. Doch ist die Bemerkung Humboldvs sehr interessant, dass sich die Chaymas zwar auch die Barthaare ausrupfen, aber auch ohnediess in der Mehrzahl bartlos wä- ren; denn es gibt amerikanische Völkerschaften, (z. B. die Chepewyans und Yabipais in Nord- und die Patagonen und Guaranys in Südamerika,) welche starke Bärte, ja wie letztere sogar eine behaarte Brust haben. Auch sah Humboldt*) ei- nen Chorknaben, der ein Chayma war, und durch Rasieren ei- nen Bart wie ein Kapuziner bekam. Anmerkung. Die Haare der Mulatten kräuseln sich nach Neger- art, sınd aber länger als die Haare der Neger. Die Mestizen haben oft blondes Haar und weisse Hautfarbe ; gewöhnlich ist ihr Haar straffer, gröber und schwärzer als bey den Europäern. Im Ganzen vermissen wir in Mittel- und Südamerika jene grosse Manichfaltigkeit der Haare, die wir in der alten Welt gefunden haben. Unser allverehrter Blumenbach hat diese auffallenden Verschiedenheiten der Haupthaare so vieler Völker der Erde in vier Hauptgattungen gebracht **): 4) Braunes oder nussfarbenes, theils in das Gelbe, theils in das Schwarze übergehendes, weiches, reichliches, wie Wel- *) Reise in die Aequinoctialgegenden des neuen Continents. {ter Th!, **) De gener. hum, variet, nat. ed. 3. Gott. 1795. $. 52. 94 Glimatische und nationale Verschiedenheit etc. len fliessendes Haar. Diess kommt bey den meisten Na- tionen des mittlern Europa vor. (Caucasische Race.) 9) Schwarzes, starres, schlichtes und dünner stehendes Haar der mongolischen und amerikanischen Völkerschaften. 3) Schwarzes, weiches, lockiges, dicht und reichlich ste- hendes Haar der meisten Bewohner der Südseeinseln. (M a- layısche Race.) 4) Schwarzes, krauses Wollhaar der aethiopischen Race. Anmerkung 1. Ueber die klimatischen und nationalen Ver- schiedenheiten der Haare finden wir fast bey allen ältern "Schriftstellern, welche von denHaaren handeln, da und dort zer- streute Bemerkungen. So heisst es bey Hippocrates*): „Pi- los nigros, colore potius nigro, quam candido, et magis biliosos Europacorum illos habent, qui loca concava, herbosa, et aestuo- sa habitant, quique ventis calidis magis, quam frigidis perflan- tur, et aquis utuntur calidis.© — Galen **) sagt: „Aegyptii, Arabes et Indi, omnes denique, qui calidam et siccam regionem incolunt, nigros exiguique incrementi, siccos, crispos et fragiles pilos habent. Contra, qui humidam frigidamque regionem habi- tant, Illyrii, Germani, Sarmati, et omnis scythica plaga modice auctiles et graciles et rectos et rufos obtinent. Qui vero inter hos temperatum colunt tractum ‚„ hi pilos plurimi incrementi et robustissimos et modice nigros et mediocriter crassos, tum nec prorsus erispos, nec omnino rectos eduut.« Die spätern Schrift- steller hiessen die Einwohner von Mykon Kahlköpfe, indem sie vorgaben, es sey ein natürlicher Fehler dieser Eyländer, mit dem sie, als einer allgemeinen Krankheit, zur Welt kämen ***). Anmerkung 2. Die Spanier fanden die in Blutschande lebenden Ame- rikaner klein, höchstens mittelmässig, zum Lasttragen zu schwach, ohne Bart und Schamhaare, ohne besondere Neigung zum Bey- schlaf, mit Milch in den Brüsten etc, — Nach Andern haben sie auch sehr wenig Achselhaare; auch Dobritzhofer ***), Gi- lii +) und Humboldt +7) bestätigen, dass das dicke und *) De aere, locis et aquis p. 29%. Sect, III. **) Loc. cit. de temperamentis, p. 36 — 38. **") Dapper’s Beschreibung der Inseln des Archipelagus p. 35% und im 2ten Bande von Harduin’s Plinius p. 515. ***) Lorry lc. sagt p. 14: Frigidiora loca demunt et bar- bam et pilisinguinum. **+*) Geschichte der Abiponer. Wien 1783. 2 Thle. p. 56. +) Nachrichten vom Lande Guiana von Phil, Salv. Gilii. Aus dem Italienischen, Hamburg 1785. p. 249. ++) Neuspanien I, Tom, p. 123. Climatische und nationale Verschiedenheit etc. 095 struppige schwarze Haar der Amerikaner im Alter selten grau werde. Anmerkung3. John Davy *) verglich die Haare eines Buschman- nes, einer jungen Hottentottinn und eines kleinen Kaffern, und fand die Haare der beyden erstern vollkommen wollig, klein ge- lockt, und in Büschel geflochten, die des letztern aber von här- terer Beschaffenheit. Anmerkung4. Nach $. G. Vogel’s *) Angabe sind die Haare im äussersten Norden schwarz, im Orient platt, schwarz, lang und fein; in Afrika fein, wollig, kurz und kraus, in Amerika lang, dick und stark. Anmerkung 5. Rudolphi***) sagt: „das gelbliche oder hellbrau- ne Haar der Nord-Europäer ist gewöhnlich weicher und feiner, das braune und schwarze der Süd- Europäer härter und weniger fein; doch ist das der Hindus fein und lang; das schwarze Haar der Amerikaner und Mongolen ist dick und struppig; das der Neger auf eine eigenihümliche Weise wollig und flockig. *) Brewster’s Edinburgh Journal of Science. **) In den literarischen Annalen von Hecker, äter Bd, p. 257 —286 und von der diagnost. Würde der Haare, ”**) Physiologie p. 44. 1ster Bd, DB. Physiologischer Theil. $. 125. B:i,n.h ein.t um.g, Di. ältern und selbst ein grosser T’heil der spätern Aerzte brachten ihre physiologischen Kenntnisse selten zu allgemeinen Anschauungen, ihr Geist klebte nur an dem Ein- ‚zelnen, welches er freylich oft mit grosser Mühe bis in die kleinsten Verschiedenheiten zu verfolgen suchte, nie aber er- hob er sich zu jener erfreulichen Höhe, von wo aus er das bunte Gemisch der gemachten Erfahrungen, ja oft den Wirrwarr der sich entgegenstehenden Erscheinungen zu einem geregelten Ganzen ordnen, und so erst den wahren Grund jedes Einzel- nen bestimmen konnte. Daher blieb diePhysiologie derje- nigen frühern Aerzte, welche sie auf anatomische Kenntnisse, und nicht auf leere Speculationen zu bauen strebten, doch fast immer nur eine Lehre von dem sogenannten Nutzen der Theile, und so wie es damals keine allgemeine Anatomie gab, so fehlte ihnen auch das höchste der Physiologie, nämlich der allgemeine Theil derselben. Man war und ist wohl auch selbst heut zu Tage noch zufrieden, wenn man z. B. wusste, dass die Leber zur Gallenbereitung diene, und kümmerte sich weiter nicht, in welchem wichtigen Verhältniss das ganze Lebersy- stem einmal zum Gefässsystem, und dann zu allen übri- gen Systemen des ganzen Körpers stehe; daher jene mangel- haften Ansichten über den sogenannten Nutzen der Leber, daher jene einseitigen Bestimmungen ihrer doch so hoch wich- tigen Function. — Erst seitdenı ein regerer Geist das Stu- dium der Aerzte beseelt, seitdem sie namentlich den Men- schen nicht mehr als ein isolirtes Ganzes, sondern stets und in Ei aslheist,wW ng: 07 jeder Hinsicht nur als einen mit den übrigen Gliedern der gan- zen Schöpfung eng verbundenen Theil ansahen, und ihn vor allem in seinen verschiedenen Beziehungen mit der ihm zu- nächst stehenden Thierwelt verglichen; seitdem sie also eine comparativeWissenschaft von seinem Bau und Verrich- tungen schufen, seitdem sie mit einem Worte philos ophisch zu Werke gingen, und in jedem einzelnen Ding die Welt, und in dieser das Individuum suchten, seit dieser Zeit hat eine Epo- che in der Physiologie begonnen, von der wir das Höchste vom Menschen erwarteu dürfen. Wenn nun aber, wie uns jeder Schritt in die Vorzeit sagt, die anatomisch - physiologischen Kenntnisse selbst über die wichtigsten Organe unsres Körpers erst in der neuesten Zeit diese fruchtbare Bahn zu verfolgen anfingen, was sollen wir von der Lehre über Organe erwarten, die an der Gränzli- nie des Körpers, gleichsam ausserhalb derselben stehend, und fast mehr der äussern Natur angehörend, auf der untersten Stufe der organischen Bildung begriffen, und daher unfähig sind, durch ihren Einfluss auf das Ganze, dem sie so zu sagen, nur anhängen, die Aufmerksamkeit in so fern auf sich zu hef- ten, dass sich die Aerzte bemüht hätten, ihre wahre physiolo- gische Bedeutung in allen Beziehungen zu erforschen? Wer kann sich also noch wundern, dass die ganze Lehre der Haare und Nägel in ein Kapitel verschmolzen, und in zwey Para- graphen abgethan wurde ? Leider steht aber dieses oflene Be- kenntniss selbst bis auf unsre neueste Zeitbeynahe noch in seiner ganzen niederschlagenden Blösse in voller Kraft, indem sich erst da und dort eine und die andere Stimme hören liess, um auch die Haare aus ihrer unverdienten Geringschätzung heraus zu ziehen, in diese dicke Finsterniss über ihre wahre Bedeutung in der Natur einiges Licht zu verbreiten, und ihnen auf solche Art den gebührenden Platz in der organischen Welt zu sichern; da hingegen die grosse Mehrzahl der Naturforscher und Aerzte sich noch immer begnügt, sie für pflanzenartige Gebilde schlechtweg zu halten, deren eigentlicher Zweck noch nicht nach Wunsch ergründet, übrigens wohl auf Bedeekung der Körperoberfläche; auf Zierde der Form, und vielleicht noch auf einige zufällige Verhältnisse zu beziehen sey. — Indem ich mich also dem mühsamen Geschäfte unterzogen habe, die Haare als einen nicht zu übersehenden Theil der organischen Schöpfung zuerst in dem Pflanzen- dann in dem Thierreich, Eble’s Lehre von d. Haaren II, Bd, 7 08 Entstehung des Haars. und endlich auch bey dem Menschen, und zwar in allen ihren naturhistorischen und anatomischen Beziehungen zu untersu- chen, um so endlich auf ihre physiologische Bedeutung zu kommen, stehe ich jetzt daran, das Resultat dieser Untersu- chungen auf die Menschenhaare zu übertragen, und na- mentlich eine vollständige Uebersicht des überall Zerstreuten und hierauf zu Beziehenden zu liefern. Obgleich ich nun in dieser Beziehung den Leser vorhinein bitten muss, keinen zu grossen Hoffnungen Raum zu geben, so glaube ich ihn doch durch die Versicherung, dass er das Buch nicht ganz unbefrie- digt bey Seite legen werde, zum genauen und aufmerksamen Studium desselben aufmuntern zu dürfen. — Bevor ich jedoch etwas über die Functionen der Haare sa- ge, will ich zuerst ihre organische Ausbildung, d. i. ihr Ent- stehen und Wachsthum, ferner alle jene ihnen oben zugeschrie- benen Eigenschaften, in so fern diese nämlich mit der organi- schen Entwicklung in ursächlichem Verhältniss stehen, auf be- stimmte Gesetze zurück zu führen, und auf solche Art also zu erklären versuchen, wobey ich mich bemühen werde, die wichtigsten Meinungen und Ansichten aller Zeiten über die be- treffenden Gegenstände jederzeit einzureihen, um so dem Gan- zen eine umfassende und gründliche Ausdehnung zu geben. — ErRstes Hoaumnostmeh Ueber die verschiedenen Ursachen der organischen Eigenschaften der Menschenhaare. $. 4126. a) Entstehung des Haars. Es versteht sich wohl von selbst, dass hier nicht sowohl davon die Rede seyn kann, die Entstehung der Haare in ana- tomischer Beziehung zu untersuchen, denn das wäre eine un- nütze Wiederholung; sondern es handelt sich zunächst darum, den schon seit Jahrtausenden bestehenden Streit zu schlichten, der sich über die Materie, aus welcher das Haar ge- % Entstehung des Haars. 09 bildet werde, erhoben hat. Zu diesem Ende muss ich nun sogleich in das graue Alterthum zurückgehen. Nach Hipp o- crates*) wird zur Bildung der Haare ein klebricher Stoff und Wärme benöthigt: „Ubicungue in corpore glutinosum exi- slit, ibi pili a calore gignuntur.“ An einem andern Orte**) setzt er die Bildung der Haare besonders mit der Dünnheit der Ober- haut in Verbindung: „Pili maximi ei plurimi nascuntur, qua summa corporis culicula rarissima est, et ubi pilus moderatum habet humorem, quo nutriatur.“ Höchst sonderbar, und wohl häufig der Erfahrung zuwider ist sein übrigens fast 1000 Jahre gültig gebliebener Ausspruch: Ubi glandula, ibi pilus ER), Dieser Ansicht zufolge schien ihm die Natur die Haare dess- halb in die grossen Höhlen des Körpers vertheilt zu haben, um gemeinschaftlich zu bewirken, dass nämlich die Drüsen die Feuchtigkeiten ansaugen, und die Haare den Ueberfluss dieser Feuchtigkeiten zu ihrer Nahrung erhalten sollten: Natura si quidem glandulas et pilos creat, ambo ejusdem utilitatis gratia. Illos quidem, ut quod influt, excipiant, pilos vero, ut ex glan- dulis opportunitatem nacti, producantur et augeantur, quodque in exiremas partes redundat et expellitur, colligant. — Wäre der erhabene Mann in dem Besitze unsrer heuttagigen anato- mischen Kenntnisse gewesen, wahrlich, ich zweifle keinen Au- genblick, auch die Natur der Haare hätte ihren Meister ge- funden!! Arıstoteles**”*) beobachtete eine Art Keim, der an der Wurzel des Haars sitzt; er hatte nämlich bemerkt, dass die Wurzel des Haars von einer dicken Flüssigkeit so umgeben ist, dass sie einen leichten Körper, den man in ihre Nähe bringt, in die Höhe ziehe, sobald man sie wegziehen will. Uebrigens nahm er zuerst an, dass die Haare aus überflüssigen, und deın Körper sonst unnützen T'heilen entstehen. — Der Abgang anatomischer Kenntnisse der hieher gehörigen Theile brachte den grossen Galen auf starke Irrwege in seinen phy- siologischen Ansichten über dıe Haare; worin er sich so weit verstieg, dass er sogar gegen seine sonstige Gewohnheit von Gott Erwähnung machte, und seine Allmacht und Weisheit zu *) Opp. omnia. De carnıbus p. 252. **) De natur, pueri p. 240. **“) De glandulis p. 271. **##) Histor-:Öhb. Ill: .c, 11: 100 Entstehung des Haars. untersuchen, Moses aber zu widerlegen wagte. — Nach ihm ist die Erzeugung der angebornen Haare der allgemeinen pla- stischen Kraft, jene der später erzeugten der blossen Austreibe- kraft (soli facultati expultriei) zuzuschreiben; und den eigentli- chen Ursprung *) der Haare hält er für doppelt, einmal von der Vorsehung des Schöpfers, und dann von der Natur des Ortes, so wie bey Pflanzen und Gräsern, bedingt. Nichts desto weniger erklärt er sich über die Materie, aus welcher die Haare entstehen, an einem andern Orte folgendermassen: „Dum a ca- lore corporis nosiri fuliginosi crassique vapores a terlia coclione in corporis nostri partibus elevantur, ei ad poros culis pelluntur, in quorum angustüs diu haereant, conglutinentur, donec tandem poro replelo alius atque alius vapor subiens hunc impellat, quem pieissim alius, atgue ita e poro extrudat, ut ejusmodi teres et longum corpus existat, et pilos formetur, qui postea similibus vaporibus succedentibus pilum protrudentibus, ejusque radici sese agglutinantibus, prolorngetur.“ Diese rein mechanische Vorstel- lung von der Bildung der Haare veranlasste natürlich mancher- ley gegründete Einwürfe. Nichts desto weniger blieb die Ga- lensche Theorie bis ins 47. Jahrhundert auch in diesem Puncte die vorherrschende. Denn selbst der sonst so reichhal- tige Schrifisteller und emsige Anatom Fabrizius ab Aqua- pendente**) lässt die Haare noch aus einem trocknen Dunst, der sich durch die Wärme von den unterliegenden Theilen er- hebt, nach aussen dringt, und von seinen Wurzeln per par- tem post partem Zuwachs erhält, entstehen. — Ich kann mich nicht genug wundern, dass lange vorher der Araber Ebn Sina***) sich mit einer in dieser Sache wirklich beyspiellosen Weitläufigkeit über die Pathologie der Haare, noch mehr aber über die Therapie, und namentlich über die verschie- denen Haarmittel auslässt, ohne sich !auch nur im Mindesten um das anatomische und physiologische Verhält- niss dieser Gebilde zu kümmern. Denn er scheint sich mit den Galen’schen Ansichten ganz zu begnügen ****), und sagt *) De usu partium, De pilis Cap, 14. p. 378 — 79, **) Opera omnia annat. et phys. Anno 1565. De pilis p. 445. ***) Liber canonis in medicina, Anno 1484. ****) „Capillus nascitur ex vapore fumoso, qui coagulatur in poris, et oritur super eos per id, quod succedit, et restauratur ex ali- h Entstehung des Haars, 101 bloss von den Augenliederhaaren, dass sie aus der Menge einer in den Augenliedern angesammel- ten faulen Flüssigkeit entstehen. Carolus Steffanus *) folgt ebenfalls ganz den Ga- len’schen Theorien. Adrianus Spigelius **) hingegen nimmt drey Ursachen oder Kräfte an, aus deren vereinter Wirkung die Haare entstehen. Diese drey Ursachen sind: die Causa materialis, efficiens und finalis. Fast gleicher Mei- nung ist auch Andreas Laurentius ***), nur setzt er noch eine vierte Ursache, nämlich die formalis hinzu, indem er sagt: „Materia seu causa materialis pilorum duplex est, ex qua et in qua. Materia, ex qua generantur pili, excrementum est tertiae coctionis, ‚fulginosus quippe vapor rariora cutis spiracula permeans. Materiain qua, culis est moderata, sicca et rara. Ef- Siciens pilorum causa calor est moderatus, qui fuliginosas vapo- res pellit in cutis spiracula, et ita siccat, ut pili naturam, formam- que induant. Finalis pilorum causa triplex est, subjeclarum par- tium Lutela, ornatus et fuliginosorum excrementorum expurgatio.“ — Realdus Golumbus ****) lässt die Haare aus dem Fett der Haut entstehen: „Pili alimentum a pinguedine trahunt, itague augescente eorum substantia sicca est.“ Sennert +) schien die Mängel dieser Theorien wohl zu fühlen, und suchte daher auf einen andern Ursprung der Haare zu kommen. Er glaubte nämlich nicht zugeben zu können, dass die Haare bloss von Excrementen oder Dün- sten, die vom Körper aufsteigen, an gewissen Orten hängen bleiben, abzuleiten seyen; sondern nahm seine Zuflucht zu einer eigenen Kraft, die er die haarbildende Krafı „Facultas formatrix et pilifica hiess.“ Aus diesem Bildungs- vermögen erklärt er nun alles nach Belieben; z. B. warum die Weiber keine Bärte haben? Quia facultatem pilificam alüs mento, et proprie, quando humiditas corporis est viscosa, unctuo- sa, non aquosa, neque lutosa, sicut arborum unctuosarum folia non cadunt.“ — De disposit. capillor. c. 1. lib. IV. fem. VI, *) Anatom., Parisiis 1540. **) De human. corporis fabrica. Anno 1545. ***) Historia anatom. corp. hum. Anno 1599. *’**) De re anatomica. p. 255. Anno 1559. }) Opera omnia. Pars III, Sectio 2da. cap. 1. De pilorum natura, Anno 1632, 102 Entstehung des Haars. partibus dedit creator. — Ja er nahm sogar die heilige Schrift zur Unterstützung seiner Hypothese zu Hülfe, indem er durch die Geschichte Jacobs (Genes. 30), nach welcher die Ein- bildungskrafi Form und Farbe der Haare verändern kann, ebenfalls die Entstehung der Haare auf diese Art zu bewei- sen suchte. Nichts desto weniger musste er dieser seiner haar- machenden Kraft eine eigene Materia pilorum unterlegen, und diese fand er im Blute, aber nur in dem unedelsten des Kör- pers, da die Natur als gute Wirthinn den edlen Theil desselben auch nur für edlere Theile des Körpers verwendet. Er hielt diese Materie im Blute für fetiig, ölig und gleichsam schwef- licht, und für besonders verwandt mit dem Samen. Ohne je- doch diese Verwandtschaft näher nachzuweisen, nimmt er kei- nen Anstand, daraus zu erklären, warum wollüstige Menschen haariger als jene sind, die zur Venus nichts taugen; ferner, warum die Eunuchen und Verzärtelten ohne Bart sind, und je- ne, die häufig der Liebe fröhnen, so leicht, Eunuchen aber nie kahl werden. — Auch Spigelius*) lässt die Haare aus dem Blute entstehen, wenn er sagt: „Nascuntur non quidem, ut alis placuisse video, ex fuliginosis cerebri excrementis, sed ex sanguine polius attracto per radicem pili in religuum Iruncum.“ Der gelehrte Bauhin **) nimmt mit vielen seiner Vor- gänger an, dass die Ernährung der Haare aus dem Hirne ent- stehe, und dass das Hirn, welches feucht und kalt ist, eine grosse Menge Nahrungssaft hergebe. — Schon Hippocra- tes ***) gab an, dass der Hirnschädel die aus dem Körper aufsteigenden Dünste wie eine Retorte (Cucurbitula), oder wie ein Alembicum anziehe, und sie dann durch die Nähte durch- lasse, wo sie zur Erzeugung der Haare beytragen sollten. Malpighi lieferte auch bey unserm Gegenstand zuerst den Beweis, wie wohlthätig die practische Anatomie in alles ärztliche Wissen eingreift. Dieser grosse Mann, der frey von allen unnützen Speculationen und abenteuerlichen Ver- muthungen immer nur den sichern Pfad der Erfahrung ver- folgte, und stets nur mit dem Messer in der Hand über das ge- heime Wirken der Natur philosophirte, verbreitete über die *) Adrianı Spigelii de humanı corp. fabrica. lib. decem, liber decimus cap. 1. p. 369. De capillis. ”*) Theatr. anat. c. 2. p. 264. ***) De morbis. p: 58. 1. 4. Entstehung des Haars. 103 Kenntnisse der feinen Structur der Haare ein grosses Licht, das selbst in unsern so aufgeklärten Tagen noch herrlich leuch- tet *). Nach ihm ist das Haar: notissimum corpus, teres, solidum Jilamenti instar, quod facillime in quamcunque partem flectitur.“ Er hielt die schon von Galen angenommene Idee fest, nach welcher das Haar eine Pflanze eigener Art ist, mit Zwiebel, Wurzel und einem Stengel begabt (qui solida constat substantia, quae varie inficitur juxta diversitatem specierum et individuorum). Ueber die An- und Fortsätze des Haars selbst sagt er, dass an den Haaren eine lenta materia hänge, welche von den Drüsen oder von der Haut ausfliesst, und, indem sie über die Haare läuft, zu Knötchen erhärtet, dem Haare anhängt, und ihm so das Ansehen gibt, als habe es Anhängsel und Aeste. Um aber die Art und Weise zu ergründen, wie das Haar mit der Haut zusammenhängt, untersuchte er die Haare verschiedener Thie- re, und gelangte so zu folgenden Resultaten: Das Haar nimmt unter dem Corion von einem ovalen und violetten Sack seinen Ursprung. Dieser besteht aus einer dicken Membran, die er hie und da für ein Stück des umgeschlagenen Corii hielt, und nicht selten mit Cirkelfasern begabt fand. Wird dieser Beutel der Länge nach aufgeschnitten, so erscheint eine Vertiefung, welche den Bulbus des Haars enthält. Doch ist zwischen bey- den ein.freyer Raum, der mit Blut ausgefüllt wird, welches sogleich herausfliesst, wenn man den Beutel ansticht. Ist die- ses wirklich geschehen, dann verliert das Säckchen seine Far- be, und wird schlaf. Malpighi kommt nun auf die Ver- gleichung des Haars mit einer Pflanze zurück, und findet die grösste Aehnlichkeit des Säckchens mit der Zwiebel der Pflan- ze. Es war ihm jedoch nicht möglich, die Natur der Substanz des Säckchens durch die Sinne zu entdecken, doch glaubte er, dass mittelst dieser Substanz die von dem in dem Säckchen ent- haltenen Blute getrennten Theile der eingeschlossenen Pflanze nach Art der Zwiebelpflanzen ernährt und unterhalten werden. Das Haar selbst aber (Pili plantula) besteht seiner Ansicht zu Folge aus einem halbweichen Knöpfchen, das schwarz und durchbohrt ist. In dem Haare aus der Oberlippe eines Och- sens fand er nebstdem noch das Eigene, dass die Zwiebel quere und horizontale Bändchen in die Haut des Säckchens schickt, *) Opera posthuma. De externo tactus organo. De pilis observationes. Londini anno 1600 — 1650. 104 Entstehung des Haars. auf eine Art, wie wir diess beym Penis sehen. Den Stengel des Haars nennt er fistulosus, weil er beobachtete, dass hängende Schwanz- und Halshaare bey Pferden aus einer doppelten Sub- stanz bestehen, einer äussern nämlich, die den fistulösen Kör- per bildet, und einer innern, dem Marke, durch welches die freye Höhle, oder der länglichte Gang ausgefüllt wird. Bey den Kopfhaaren des Menschen, besonders aber bey den Haa- ren einiger Thiere, und namentlich des Wildschweines, hat er eine verschieden gefärbte, von dem Haarstengel der Länge nach auslaufende Linie beobachtet, die er für einen Markgang hält. Er beschreibt endlich die Structur des Igelstachels ziem- lich genau, und schliesst nun aus allen diesem, dass der Haar- eylinder, gleichwie der Stengel einer Pflanze, aus, der Länge nach an einander liegenden Oanälchen bestehe, welche, wie die Nägel , Hörner und Pflanzen selbst wechselseitig mittelst eines klebrigen Saftes zusammengekittet sind. — Wie wenig hat die Anatomie der Haare in einem Zeitraume von fast vol- len 200 Jahren gewonnen, wo uns dieser ausgezeichnete, wahr- haft musterhafte Mann schon mit so vortrefllichen Resultaten seiner Forschungen bereicherte. — In Bezug auf die Erzeu- gung derHaare scheut er sich zwar keineswegs, seine Unwis- senheit frey und offen zu bekennen; hält jedoch für wahr- scheinlich, dass die Haare Pflanzen eigener Art seyen, die nach der gewohnten Ordnung der Natur unter der Haut und dem Corio festsitzen, und gleichsam verschlossen sind, zu ge- wissen Zeiten aber wachsen und ans Licht treten. Wenn die Epidermis ihren Austritt hindert, vergrössern sie sich kreis- förmig gewunden unter derselben, und werden von ihr zu- rückgehalten. Freundschaftlich, wie er sagt, umschliesst sie das Fett, bethaut und erwärmt sie, wesshalb auch die mons- trösen Haare, welche sich krankhafterweise in innern Theilen erzeugen, stets in einen fetten Saft getaucht sind. Dennoch hatte Malpighi bereits die sichere Ueberzeugung, dass die Nahrungsstoffe des Haars aus dem die Zwiebel umgebenden Blute angezogen würden, und so mit Hülfe der Klappen (Querwände) des Haars im Schafte aufwärts stiegen. Der gelehrte Thomas Bartholin *) bestimmt eben- falls die causa materialis der Haare als vapores fuliginosi et ex- crementilü, crassi et lerrei lerliae concoclionis vel ipsius carnosae *) Anatomia eic. relormata. 1651. x Entstehung des Haars. 105 substantiae a calore quocunque resolutae, nonnihil tamen etiam glutinosi. Haare und Nägel werden nach ihm aus keinem guten und lobenswerthen Nahrungssaft erzeugt, wie Phthisiker und Hektiker beweisen sollen, denen auch die Haare stark wach- sen. Die materia remota ist eine überflüssige Feuchtigkeit, die besonders in den Drüsen enthalten ist, daher: udi pilus, ibi glandula (also nicht mehr ubi glandula, ibi pilus). Die Haut, aus welcher Haare keimen sollen, muss mässig trocken seyn, sonst fällt die Wurzel aus, ferner soll sie nachgiebig und dünn seyn, damit die Haare durchdringen können. Die causa efi- ciens setzt er nicht in eine anima oder facultas pilifica, sondern in eine mässige Hitze, welche jene schmutzigen Dünste aus- trocknet, und nach den Hautporen treibt. Der Abgang dieser drey Momente macht kahl. — Der vortreflliche Glisson *) be- obachtete die Haare ebenfalls schon unter dem Microscope, und will sie mit vielen auf manichfache Art unter sich verwi- ckelten Gefässen begabt gefunden haben. Den Ursprung der Haare leitet er ebenfalls von überflüssigen Säften her, wovon einige tauglich seyn sollen, Haare, andere wieder Nägel, noch andere Federn, Schuppen u. s. w. zu bilden. Obgleich er im Ganzen die Analogie der Haare mit den Pflanzen vertheidigt, so unterscheidet er nachher doch beyde dadurch, dass die Pflanzen durch ihre eigene Kraft Nahrung anziehen, die Haare aber nebstdem noch die Excremente des Körpers, sobald diese zur Haarwurzel gekommen sind, aufnehmen. Am meisten ähneln sie nach seiner Meinung den Schmarotzerpflanzen, von denen sie sich jedoch wieder dadurch unterscheiden, dass sie der Mutterpflanze nicht wie jene schaden. In Bezug auf die Bildung der Haare glaubt Glisson, dass bey dieser Opera- tion die allgemein bildende Kraft von der austreibenden unter- stützt, die Materie der Haare an den geeigneten Ort bringe, die eigenthümliche plastische Kraft aber sie zu wirklichen Haa- ren umschaffe. Er glaubt ferner, dass die gewöhnlich behaar- ten Stellen der Haut von den nackten wesentlich verschieden seyen, ohne dass er jedoch den Grund und das Wesen dieser Verschiedenheit anzugeben weiss. Er gibt nicht zu, dass Wär- me, Trockenheit, Dicke und Feinheit der Haut zur Erklärung der Haarbildung hinreichen, indem er anführt, dass, so wie *) Tractatus de partibus continentibus ın genere, Cap. 6, 8, 9 — 10. Anno 1672. 106 Entstehung des Haars. die Wärme von innen zur Erzeugung und Fortschaffung der Haarmaterie beytrage, so sey auch die Kälte nöthig, um sie zurück zu halten. Der Trockenheit widerspräche schon die einzig wichtige Thatsache, dass sowohl der menschliche als Thierfoetus schon stark behaart sey, ungeachtet er ja bekannt- lich im Wasser schwimme. Den Einfluss der Dünnheit und Dicke der Haut widerlegt er durch die Haut des Elephanten, welche bekanntlich sehr dick, und doch fast haarlos, da das Fell des Kaninchens hingegen fein, und doch voll Haare ist. Mehr hält er auf die Stärke der Haut, indem er anführt, dass die Rückenhaut der Thiere stärker, als ihre Bauchhaut, und in diesem Verhältniss auch behaarter sey. Doch gibt er endlich zu, dass je nachdem das Parenchym der Haut fruchtbarer und fetter ist, die Haare auch destdö häufiger, grösser und länger herauswachsen. Bidloo*) hat nach Malpıghi die besten Abbildungen der Haare geliefert, und sie auch kurz und gut beschrieben. Unter allen seinen Zeitgenossen hatte er sicher mit Malpighi die reinste und naturgemässeste Ansicht, obgleich er noch die Idee festhielt, dass die Haare den Schweissgefässen eingepflanzt seyen. „Sudoris vasa, quibus pili implantantur.“ — Diemer- broeck**) lässt die Haare aus einem eigenthümlichen Safte entstehen, den sie aus dem Theile, wo sie sind, ziehen. Er nennt diesen Saft: siccus, crassus, lerrestris, viscidus, ex san- guine aliove quocungue humore genitus et specifica modo praepara- ius. Je nachdem ihm dann eine andere Flüssigkeit beygemischt wird, ändert sich auch die Farbe der Haare, die z.B. durch die geibe rothgelb werden. Ferner erklärt er durch die Dicke und erdige Beschaffenheit dieses Saltes die Härte, Zähigkeit, Dehnbarkeit und Festigkeit der Haare. Zugleich widerlegt er die Galen’sche Meinung, welcher zuFolge die Haare ab excre- mento fuliginoso entstünden, gründlich ın sechs Punkten ***). — Ganz andere Ansichten hatte der kunsterfahreneRuyschr) über die Entstehung der Haare. Er fand nach Hinwegnahme der Epidermis unzählbare, äusserst feine Erhabenheiten, die er für die umgekehrten Behältnisse der Haare (Theculae inver- *) Anatomia hum. corporis 105 tabulis demonstrata, fol. Amstel. 1685. **) Opera omnia med, et anat. Genevae 1687. ***) A. a. 0. p. 483 — 85. 7) Uhesaurus anımal. VIII Nr. 97. 2. Anno 1695. Entstehung des Haars. 107 sae) und der Hautpapillen hielt, von welchen die Haarwurzeln bedeckt sind. Die Haare sind ihm nichts anderes, als Fort- setzungen aus den genannten Hautpapillen. Die Wurzeln der Haare entstehen demnach aus den Endigungen der Nerven (ideo tantus dolor ex illorum eoeulsione). — Doch sagt er in sei- nem ersten Brief an Gaub: „Se vidisse, radices pilorum non semper a glandulis culaneis emergere, eo magis, quod vidimus aliis in locis pilos tam profundas agere radices, ut a pinguedine ipsa originem habere videantur.“ In der ersten Decas seiner Adversar. anatom. pag. 45, scheinen ihm bloss jene Papillen, welche tiefer in der Haut gelagert sind, dazu zu dienen, dass sie den nachwachsenden Haaren die Basis geben. Diese Wärz- chen sind jedoch an der Zahl weniger, und zeigen sich unsern Augen auch nicht so leicht, wenn nicht vorher die Gefässe irgend eines behaarten 'Theiles mit rother Masse ganz angefüllt sind. Einmal, als Ruysch diese Operation in Gegenwart vor Boerhaave angestellt hatte, wunderten sich alle Anwe- senden, dass nur jene Wärzchen, aus denen die Haare ‚ent- springen, ihre weisse Farbe behielten, und sich so von allen übrigen, die ganz gefärbt waren, unterschieden. — Ruysch kannte also die Structur der Haarzwiebel und des Balges durch- aus nicht, und hat sich auf eine fast unglaubliche Art von dem Wege der Wahrheit verirrt. Nichts desto weniger huldigte der grosse Boerhaave in seiner Physiologie diesen Ideen ganz, und theilte daher die Haare in zwey Klassen, wovon die erste in wirklichen Fortsetzungen der Haut besteht. Die Nervenwärz- chen geben nämlich, indem sie durch die Oeflnungen des Malpigh’schen Netzes durchgehen, Fäserchen von sich; ein solcher Faden wickelt das Oberhäutchen wie eine Scheide um sich herum, geht jetzt hervor, und wird an der Luft hart und trocken. In so fern sind also die Haare wirkliche Nervenfäser- chen. Die zweyte Klasse begreift dann jene Haare in sich, die aus den Fetthöhlen oder einfachen Drüsen entstehen. — Der eıfahrene Morgagnı*) folgt rücksichtlich der Entstehung der Haare dem Columbus, und theilt die An- sicht von Ruysch ın Bezug auf die Hautpapillen. Doch ist er, was die Haarbälge anbelangt, gleichen Sinnes mit Mal- pighi und Chirac. Auch gibt er an, dass man den Ursprung der Haare am besten an der Scham einer Frau darstellen könne. *) Adversaria anatomica p, II, Animadvers. 5. p. 34. Anno 1j00. 108 Entstehung des Haars. Im Jahre 4739 gab Will.Cow per die Anatomia corporum humanorum heraus; ein Werk, welches als das verbesserte Bidloo’sche betrachtet werden kann. Was die Haare betrifft, so sind die Abbildungen denen von Bidloo ganz gleich. In Bezug auf den Ursprung der Haare führt er die Meinung An- derer an, nach welcher die unter der Haut gelegenen, runden, hirsekornähnlichen Körper Glandulae piliferae genannt werden, und sagt, dass diese Corpora pilifera an ihren Wurzeln mit Blutgefässen, Nerven u. s. w. versehen, und die Haare eigent- lich ihre Ausführungsgänge sind, die sich nur dadurch von andern Ausführungsgängen unterschieden , dass sie nicht ihren Saft unmittelbar aus den Poren der Haut, sondern ihr Humi- dum radicale von einem schwammigen Körper empfangen, der von den umliegenden Theilen absorbirt wird, desshalb wach- sen sie auch nach dieser Meinung noch nach dem Tode, wenn auch alle Bewegung in den Säften aufhört. Sonst vergleicht Cowper das Haar recht trefllich mit einem Rohr. — Wenn wir dem unermüdeten Malpighi die richtigsten und frühesten Kenntnisse über den Bau in so fern verdanken, als er sich nebst des Messers vorzüglich des Microscops dazu be- diente, so hat dagegen der grosse Albinus das Verdienst, die Sache mit dem Messer in der Hand ebenfalls genau verfolgt zu haben. — Er macerirte im Wasser mehrere mit Haaren be- setzte Hauttheile so lange, bis er die Epidermis und das Mal- pighivsche Netz abziehen konnte. Zu gleicher Zeit gingen dann auch Nägel und Haare mit der Epidermis ab. Er fand nun, dass bey den abgezogenen Stücken die Haarwurzeln nach ein- wärts hervorragen, und eine weisse, weiche Materie enthalten. In der Haut (Cute), selbst aber sah er viele leere Pori, aus denen die Haare gezogen waren. Alles diess suchte er bildlich darzustel- len *). Manchmal aber blieb das Haar mit seiner Wurzel im Porus stecken, ungeachtet die Epidermis mit dem Malpighrschen Neize abgegangen war. Erstere zeigte alsdann ebenfalls ein rundes Loch. Aehnliche Resultate lieferten ihm die Gilien. Wo aber das Haar wit seiner Wurzel angeheftet blieb, drückte er die Haut daneben, die Wurzel sprang heraus, und der Po- rus wurde leer. Wie auch immer das Malpighvsche Netz ge- färbt seyn mochte, stets fand er jene weisse Materie in den *) Annat. academ, lib. VI. Cap. IX. tab. II. Entstehung des Haars. 109 Wurzeln. Doch zeigte sich diess besser bey braunen und schwar- zen Menschen. — Nun kommt er aber auf einen Schluss, wo- durch er auf einmal wieder seine Bahn verlässt, und mehrere Jahrhunderte zurückspringt. »Nullus pilus non inhaeret poro cutis. Nullus in cute porus, in quo pilus non inhaereat. In volis plantisque ac respondentibus partibus digitorum, itemgue sub un- gue, in parte interiori praeputü, inque glande penis ut nullus pilus, sic nullus quoque in cute porus, nulla, cujis exitus sıt porus, glan- dula, quam vocant sebaceam.« So stellte sich Albinus selbst gleichsam neben Hippocrates zurück, der da sagt: »Ubi pilus, ibi glandula.« Und dennoch irrten beyde grosse Männer! — Winslow lässt am Rande des Hautgrübchens ein Oel entstehen, welches die Haare überzieht, und diess scheint dann immer da seyn zu müssen, wenn sich das Haar durch einen Balg durchdrängt. — Porrius nimmt feine Löcher an, durch welche das Mark durchschwitzt, und setzt die grössten in den Bulbus, die kleinen aber an die Spitze des Haares, doch sah er sie nur an den Schweinsborsten. Heister und Senac las- sen wie Ruysch und Boerhaave die Haare von den Ner- ven entspringen, oder glauben wenigstens dass sie mit: Ner- venbüscheln zusammenhängen. — Der Verfasser des Artikels Poils etc. *) nimmt rücksichtlich der Entstehung zweyerley Haare an, 4. solche die von ihrer eigenen Zwiebel in der Fett- haut entstehen, und 2, andere kürzere, die nicht die Haut durchbohren, und von einer Papille zu kommen scheinen. Was die nun folgenden Schriftsteller über die Entstehung und Bildung der Haare dachten, ist bereits oben, wo von der Organısation der Haare die Rede war, angeführt worden. Es bleibt mir also nur noch übrig, die ganz eigenthümliche An- sicht über Haarbildung durchzugehen, welche Heusinger**) in der neuesten Zeit aufgestellt hat. Er erklärt sich hierüber auf folgende Art: »Zuerst werden auf der Lederhaut einzelne, ganz kleine, schwarze oder braune Kügelchen abgesondert, die ganz dicht zu seyn scheinen, und die von denen des Pig- ments.der Aderhaut nicht zu unterscheiden sind. Dann werden diese Kügelchen zahlreicher, und die Haut erscheint dadurch, wie vom Lampendampf schwarz gefärbt. — Die einzelnen *) In dem Dictionn, raisonn€ des sciences, arts et meltiers, yes, **) Meckel’s Archiv 7. Bd. 3 Heft. p. 405. C. F. Heusinger, ein paar Bemerkungen über Pigmentabsonderung und Haarbildung. 110 Entstehung des Haars. Kügelchen nehmen nun an Grösse zu, und platten sich zu- gleich etwas ab; dann erhebt sich auf der nach aussen ge- wandten Fläche ein Höckerchen, welches sich schnell zu einem hohlen Kegel verlängert, der den Schaft des Haares darstellt, während das ebenfalls fast hohle abgeplattete Kügelchen die Zwiebel desselben darstellt. Um die Zeit des ersten Ausbruches des Haars aus dem Pigmentkügelchen, ist dieses als nunmehrige Zwiebel nicht allein im Verhältniss zum Haar, sondern auch absolut sehr viel grösser als nach der völligen Ausbildung des Haars. Jetzt liegen die Haare in der Lederhaut von der ganz glatten und durchsichtigen Oberhaut bedeckt. Endlich treten sie in sehr schiefer Richtung über die Oberhaut hervor. Heu- singer glaubt nun, dass die Oberhaut über dem durchbre- chenden Haar resorbirt würde, und so das Haar durchlasse. — Er fand an den ausgebildeten Haaren der Pferde und Kühe keine wahren Bälge, wie an den Barthaaren und Augenbraunen der Thiere; und glaubt zwar, dass diese Bälge zuerst entstün- den, und die Haare sich innerhalb derselben entwickelten; doch ist er noch nicht ganz hierüber einig. Unter dem Klauen- kranz bildet sich die Pigmentabsonderung sehr bald; oberhalb desselben bilden sich die Pigmentkügelchen in Haare um, in- dem die eigentliche färbende Substanz von einer hornarligen Rinde liegen zu bleiben scheint, die hornartige aber zur Bil- dung der Fasern des Klauenkranzes verwendet wird. Dass die Rinde der Haare früher als ihr Mark gebildet werde, schliesst Heusinger aus folgenden Puncten: 4) Bichat sah, dass die Haupthaare des Fötus zuerst weiss sind, und sich erst nach und nach färben: es wird also Pigment im Haare abgesondert. 9) Manche Thiere bekommen nach dem Hären im Herbste weisse Haare, die sich erst ım Frühjahre färben. 3) Manche Haare färben fortwährend ab beym Berühren. Daher klagen die Damen in südlichen Gegenden über ihre schwarzen Haare, dass sie allen Kopfputz färben. Heusinger zieht nun aus seinen Untersuchungen und den dabey gemachten Erfahrungen folgende Resultate: 4) Auch die Pigmentkügelchen, aus dem Haare entstehend, be- stehen gleich dem Pigment des Auges, aus Kohlenstoff. 9) Sind die Haare ursprünglich Pigment, so sind die bren- nenden Farbenstoffe vieler Pflanzenthiere, die Farben- Entstehung des Haars. 111 schuppen der Schmetterlingsflügel u. s. w. nichts, als in der Ausbildung gehemmte Haare und Federn. Bestehen sie aber aus Kohlenstoff, so erklärt sich das Leuchten des Hautorgans vieler jener niedern Thiere, und die electrische Spannung der Haare und Federn ganz leicht. 5) Die weisse Farbe ist nach Göthe die edelste Race. Diese wirft das Pigment im Mutterleibe ab, als Lanugo, und er- zeugt fortwährend Pigment, wenn sich auch das Haar nicht daraus ausbildet (es ist eine Durchgangsbildung). 4) Die nackte Haut der sogenannten türkischen Hunde ist nichts anders, als eine Hemmungsbildung. Sie haben ge- rade da Haare, wo sie der Fötus zuerst hat. In den Am- phibien und Fischen ist das ganze Hautorgan sammt den Pigmenten unter der Oberhaut liegen geblieben. In den Fischen findet sich das Pigment ausserhalb der Hornsub- stanz (den Schuppen), und das verschieden gefärbte Pig- ment der innern und äussern Fläche der Schuppen ent- spricht genau dem verschiedenen Pigment der äussern und innern Fläche der Aderhaut. Schliesslich findet Heusinger die Entstehung der Haa- re ganz dem gewöhnlichen Gang organischer Bildungen ent- sprechend. Sie entstehen aus Kugeln, Pigmentkugeln, und bleiben als solche stehen in den niedern Thieren, und als Hem- mungsbildung in den höhern; sie wandeln sich dagegen in Blasen um, wie sie zu Haaren werden, wie die Blutstropfen im bebrüteten Fy zu Bläschen werden, wenn Gefässe aus ihnen entstehen sollen. Auch scheint die gegliederte Wolle als nie- deres Haargebilde Reihen solcher Bläschen darzustellen, und diese Bildung wiederholt sich in kranken menschlichen Haaren. Ausgebildete, höhere Haargebilde, z. B. Menschenhaare, Stacheln etc. sind ungegliedert, so wie die Arterien, dage- gen die Lymphgefässe gegliederte Reihen von Bläschen sind. Dass endlich die Bildung der Haare mit der Fettbil- dung im Zusammenhang stehe, glaubt Heusinger durch Thatsachen zu erweisen: die Zwiebeln der Körperhaare vieler Thiere sind mit Fetikügelchen umgeben; in den Bälgen der Tasthaare mancher Thiere findet sich Fett; die Fettabsonde- rung beginnt nur kurze Zeit vor der Haarbildung, und in Frankreich hat man in der neuesten Zeit beobachtet, dass ca- 112 Entstehung des Haars. strirte Böcke mehr Fett, aber viel weniger Flaum, nicht ca- strirte dagegen mehr Flaum und weniger Fett bildeten. *) Es frägt sich nun, welche von diesen Theorien als die der Erfahrung am meisten entsprechende, und mit unserm ge- genwärtigen Stande der Wissenschaft übereinstimmendste fest zu halten sey? Der besonnene Kritiker wird keine ganz unbe- dingt, d. h. so verwerfen können, dass er sie durchaus für eine leere Hypothese halten muss. Dem Principium glutinosum des Hippocrates, den Yapores fuliginosi des Galen’s, dem Er- 'cremenium tertiae coctionis des Spigelius, liegen eben so einige gute Beobachtungen zu Grunde als der Facultas formativa et pilifica der spätern Anatomen und Physiologen. Niemand wird jedoch zweifeln, dass Maipighi der Mann wär, dem in dieser Sache vor allen das Lob gebührt; dass er es war, der, nach- dem er die Structur der Haare mit einer Geschicklichkeit und Genauigkeit zergliedert hatte, woran er nicht nur alle seine Vorgänger übertraf, sondern auch der Nachwelt noch lange als Muster diente; der sag ich am Ende diese sonst so ergiebi- gen Untersuchung dennoch seine Unwissenheit über die eigent- liche Erzeugung der Haare frey und oflen eingesteht; er, der am meisten Ursache und Gewicht gehabt hätte, eine Hypothese aufzustellen. Dass er aber keine aufstellte, macht ıhn mir nur um so verehrlicher. — In Glisson finden wir schon eine starke Spur der verschieden modificirten Lebenskraft, durch welche dann zuletzt die Haare erzeugt werden sollen, und seine Ansicht hat mich sogleich an den Bildungstrieb unsers Blumenbach erinnert. Diemerbroek nähert sich schon mehr der heuttagigeu Ansicht über organische Bildung über- haupt, indem er angibt, dass die Haare aus dem Theile, wo sie sind, ihren eigenthümlichen Nahrungssaft ziehen. Dass und wie der kunsterfahrne Ruysch die Haare von den Nervenpa- pillen der Haut entspringen lassen konnte, ist mir wahrlich noch immer ein Räthsel. Morgagni scheint sich im Ganzen gar nicht, oder wenigstens nicht viel mit der Untersuchung der Haare abgegeben zu haben, sonst könnte er unmöglich die An- sichten eines Malpighi, Chirac und Ruysch haben ver- einigen wollen. — Es ist sehr zu bedauern, dass Albin sich hauptsächlich und fast bloss mit dem Durchbruch des Haars durch die Oberhaut beschäftigt hat. *) Annales de l’Agriculture francaise. Janvier 1822. p. 29. Entstehung des Haars. 113 Nach ihm gab man sich wenig Mühe, um die Materie zu entdecken und zu bestimmen, aus welcher die Haare zunächst gebildet werden sollten. Diess rührte offenbar daher, weil man die Bildung der Haare als etwas Unwichtiges betrachtete, und sie also auch dem Lebensprocess der übrigen Organe unterord- nete, mithin nach der Theorie dieses erklärte. Wir haben oben gesehen, dass man schon zu den Zeiten Boerhaave’s der Haarzwiebel Gefässe zuschrieb. Dieses Fac- tum war hinreichend, um damals, wo man den Säften die Hauptrolle in der thierischen Oekonomie zugedacht hatte, die Bildung der Haare nach Genügen zu erläutern. Man war über- zeugt, dass Blut zu den Haarbälgen geführt wird, und begnüg- te sich mit dem Gedanken, dass aus diesem Blute das Haar sei- ne Nahrung ziehe. Niemand kümmerte sich um das eigentliche wie, die Sache ward für zu geringfügig geachtet. Auch gab es wieder manche angesehene Männer, die das Daseyn von sol- chen Blutgefässen desshalb läugneten, weil sie die Kunst nicht verstanden, selbe künstlich darzustellen. So schlummerte die Sache bis auf die neueste Zeit, wo der mehrerwähnte Herr Pro- fessor Heusinger seine Hypothese der Entstehung der Haare aus Pigment aufstellte. Was nun eigentlich meine Ansicht von diesem Gegen- stande betrifft, so habe ich hinreichende Gründe, mit derselben Offenheit wie Malpighi und Bichat, meine Unwissenheit zu gestehen. Ich hoffe nicht, dass es Jemanden gäbe, der mir, wie es schon manchem geschehen ist, dieses Bekenntniss übel, und namentlich so auslegte, als wenn ich dabey die Hände in den Schoss gelegt, und mir also die Sache recht bequem ge- macht hätte. Ich lebe in der sichern Ueberzeugung, dass Je- der, der Lust und Liebe hat, über das geheime Wirken der Natur Hypothesen zu schalten, gerade in diesem meinem Wir- ken in Bezug auf die Haarbildung den reichhaltigsten Stoff da- zu finden werde. Uebrigens ist der obige Ausspruch meiner Unwissenheit nicht im ganzen Umfange des Wortes zu neh- men, vielmehr glaube ich selbst etwas weniges beygetragen zu haben, was über die Haarbildung einigen Aufschluss geben kann. Zuvörderst habe ich ausser allem Zweifel gesetzt, dass die Haarbälge durchaus mit arteriellem Blaute versorgt wer- den; ja ich habe sogar nachgewiesen, dass nicht nur alle Häute des Balges, sondern selbst die Zwiebel und der Anfang des Haarschaftes mit Einspritzungswnasse, also auch mit Blut o Ebie’s Lehre von d, Haaren UI, Rd, 8 114 Entstehung des Haars. angefüllt werden können. Diess letztere ist ein unläugbares Factum, das meines Wissens vor mir Niemand auf diese Art ausser Zweifel gesetzt hat, und das uns einen hellen Blick in die Bildungsstätte des Haars sowohl, als auch in die bisher noch immer räthselhaft gebliebenen Vorgänge beym Weich- selzopfe höhern Grades machen lässt. Ich habe ferner die schon von Ändern angegebene, von Vielen jedoch noch immer geläugnete 'Thatsache aufs Ueber- zeugendste nachgewiesen, dass die Haarzwiebel auch Nerven besitze, welche in Gesellschaft der kleinen Arterien in den Boden des Haarbalges eintreten, und nach meinem Dafürhal- ten sich theils in den Häuten des Säckchens ausbreiten und zerästeln, theils aber auch unmittelbar in die Höhle des Bul- bus oder der Haarwurzel übergehen. — Wir haben also Nerven und Arterien in jenen Orgaven, aus dem sich das Haar unbezweifelt herausbildet. Wie das aber geschehe, das ist es, worin ich meine Unwissenheit eben so frey und offen eingestehe, als über den Vorgang bey der Bildung al- ler übrigen Organe ohne Unterschied. — Ich zolle gerne der Heusinger’schen Hypothese meine volle Achtung, denn ich muss sie für sehr scharfsinnig halten, aber ich bin von ihrer Richtigkeit nicht überzeugt, weil sich gar manche Um- stände bey der Erzeugung und Bildung der Haare vorfinden, die sich nicht aus einem Pigmentkügelchen erklären lassen, Doch gestehe ich gerne zu, dass jeder, der die Sache erklä- ren will, Herrn Prof. Heusinger für seine schöne Ansicht Dank wissen wird. So lange mir Jemand die Entstehung und Bildung der andern Organe des, Körpers nicht nach Genü- gen aufdecken kann, so lange bleibt mir auch die Entstehung der Haare unerklärlich, ist aber jene gegeben, so kann diese auf der Stelle folgen. Man irrt sich demnach sehr, wenn man die Haare so schlechtweg und gleichsam verachtungsweise als blosse Pflanzen betrachtet, die nur ein Schmarotzerleben füh- ren; denn das Organ, in dem sie gebildet werden, steht an Dignität den Knochen, Knorpeln, Seh- nen, jasogar manchen Häuten weit vor. — Wenn übrigens Jemand sagte, dass aus dem Blute, welches durch die kleinen Gefässchen auf die beschriebene Art in den Balg und die Zwiebel dringt, 4. die fleischige Masse zwischen dem Sack und der Wurzel, und 2. der sogenannte Haarkern im Innern der Haarwurzel unter Begünstigung des Nerveneinllusses entste 7; Lebensprocess der Haare. 115 hen; und dass der Haarkern letztere, welcher mit den angeführ- ten Gefässen und Nerven am Grunde des Haarbalges in unmit- telbarer Verbindung steht, wieder als das nächste Ernährungs- organ des Haarschaftes angesehen werden müsse; ferner, dass dem fleischigen Körper, welcher den Anfang des Haarschaftes ganz umschliesst, undvielleicht im normalen, lebenden Zustande flüssiger, oder wenigstens halbweicher Natur ist, um so mehr ein Antheil an der Ernährung des Haars zukomme, als ja be- kanntlich das von ihm umgebene Stück des Haarschaftes stets zärter, weicher und weisser ist, als der übrige Haarschaft; wenn man endlich sogar behaupten wollte, dass im normalen Zustande dem Haare selbst keine rothen Säfte zukommen, sondern, dieses bloss weisse Säfte durch die feinen Fasern an der Oberfläche der Haarwurzel aus der Höhle des Balges ganz nach Art der Pflanzenwurzeln, oder etwa wie die Flocken des menschlichen Eyes aufsauge; — so würde ich zugestehen, dass sowohl das eine als das andere grosse Wahrscheinlichkeit für sich habe, ohne mich jedoch desshalb für befugt zu hal- ten, den geheimen Process, den die Natur bey Bildung der Haare verfolgt, als vollkommen enthüllt anzusehen. $. 427. Lebensprocess der Haare. Man kann sich wohl in der ganzen Heilwissenschaft keinen grellern Contrast denken, als die Verschiedenheit der alten und unsrer gegenwärtigen Zeit in Bezug auf die Ansich- ten über den Lebensprocess der Haare. Denn während un- sere Vorfahren den Haaren nicht allein alles Leben abspra- chen, sondern sie nicht einmal für Theile des Körpers gelten lassen wollten, denkt wohl heute Niemand mehr daran, die Haare von einer allgemeinen und unzertrennlichen Eigenschaft aller organischen Körper — nämlıch dass sie Leben besitzen — auszuschliessen. Lange vor Diemerbroek war schon der Streit entstan- den: an pili partes corporis sint nominandı, Er entschied a) end- ——— nn *) A, a, ©. p. 485, co 116 Lebensprocess der Haare. lich die Sache durch folgende Bestimmung: „Wenn jede Sub- stanz des Körpers als ein Theil desselben zu betrachten ist, der mit ihm das Ganze bilden hilft, so sind auch die Haare Theile des Körpers; wenn aber nur das für einen Theil des- selben gelten soll, was durch gemeinschaftliches Leben mit ihm zusammenhängt, dann sind die Haare keine Theile des Körpers, weil sie nach meiner Meinung nur eine vita privata s. oegelabilis haben.« Dieses Leben bestimmt er näher, in- dem er sagt *): „Sunt animali, sed tantum anima vegetanle, pe- culiari, quae cum religuo corpore nil communionis habel ; eivunt per se, nam crescunt eliam post mortem, quemadmodum polypgdium etc. in antiquis arboribus et anle el post earum mortem.“ Sanguerdius sagt sogar: „Quemlibet pilum sibi propri- am habere animam.“ Obschon Malpighi früher schon angegeben hatte, dass die Oeconomie der Haare noch sehr im Dunkeln liege, weil man wegen Kleinheit der Gefässe den Fortgang und die Natur der Säfte nicht beobachten könne, so erlaubt er sich doch die Vermuthung, dass die Haare nach Art der Nägel wachsen, nämlich durch blosse Verlängerung des untern Schafttheils, den er, vermög seiner weichen und schleimigen Beschaffenheit vorzüglich dazu geeignet hielt, nach und nach auswärts hervor- getrieben zu werdeu. Uebrigens glaubt er, dass die Organisa- tion des Haarschaftes, nebstdem dass Leichtigkeit und Stärke erzweckt werde, auch noch und vorzüglich zur Aufbewahrung 5 eines Saftes bestimmt sey, der mit Luft vermischt in Form von Blasen aufsteigt. — Diese Theorie, wovon man selbst schon beyAristotelesSpuren findet (wenn er sagt: »Pili praecisi ab incisura non augentur, sed inferius a radıce exeunt,, atque ita eva- dunt longiores«) undnach welcher die Ernährung und das Wachs- thum der Haare durch Juxtaposition (d. ı. dadurch, dass die sich erst bildenden Theile die bereits gebildeten fortschieben) und nicht durch Intussusception von Statten gehe, blieb bis auf das vorige Jahrhundert vorherrschend, und wurde dann auf kurze Zeit von einer andern verdrängt, deren Spuren wir eigentlich wieder im grauen Alterthum suchen müssen. Dieser zu Folge wird angenommen, dass die Haare aus der Haut wie die Pflanzen aus der Erde, oder wie Parasitengewächse auf an- dern Pflanzen entstehen und wachsen. Daher der so ofi ange- *”) A, a. OÖ. p. 480. Lebensprocess der Haare. 117 führte Satz: »Pili ut plantae« *). — Hippocrates, Aristo- teles, Galen, Glisson, Jaubert, Tertullian, Argen- ter und Bauhin halten sie für Pflanzen, und Marc. Ant. Ulmus **) heisst sie Animali-plantae s. Plant- animales; glei- cher Meinung sind auch Franc. Tardinus und Joh. Tar- dinus***) undHonoratus Fabri ****), welcher dreyerley Pflanzen aufstellte, 4. solche, die in der Erde; 2. die auf den Pflanzen, und 3. die auf Thieren wachsen, zu welchen er die Haare und die ihnen analogen Stacheln, Schuppen, Hörner, Federn und Nägel zählte. Glisson gesellte diesen sogar noch die Schnäbel und die Spornen der Vögel bey. Dagegen behauptete Mariotte wieder, dass die Haare nicht wie die Pflanzen, sondern wie die Nägel wachsen, wo, wie bereits ge- sagt, das zuletzt Gebildete das früher Entstandene vorwärts treibt, und er sucht diess durch die Beobachtung beym Haarfär- ben zu beweisen, wo sich augenscheinlich ergibt, dass das neu Nachwachsende immer wieder die ursprüngliche Farbe an- nimmt, während ja bekanntlich bey den Pflanzen der Saft in den Gefässen bis in die äussersten Spitzen der Aeste fortgetrie- ben wird. Anmerkung. Dass die Haare dem ungeachtet in manchem Bezuge mit den Pflanzen Aehnlichkeit haben, mag aus folgenden Punc- ten erhellen: 1) Der Ursprung der Haare aus einem zwiebelartigen Gebilde gleicht dem der sogenannten Zwiebelgewächse. Eben so ver- 'hält es sich mit dem Boden, aus welchem sie hervorwachsen. 2) Sie ragen mit ihrem Schafte frey in die Luft, so wie die Stengel der Pflanzen. 3) So wie bey den Pflanzen durch Beschneiden, vorzüglich wenn es nahe an der Wurzel geschieht, der Austrieb beför- dert wird, so ist es auch mit den Haaren, die auch darın den Pflanzen ähneln, dass sie, wenn sie beschnitten worden, so lange wieder austreiben und ın die Länge wachsen, bis sie sterben. Ueberhaupt kommen beyde in den Beförde rungsmitteln des Wachsthumes so ziemlich überein. *) Siehe: An pili plantae? Dissertatio E. Bourru, Dr. Medic,, Paris 1785, worin auch viele physische Versuche über die Haare angeführt werden. **) G.3. Physiolog: barbac hum. p. 256. ***) In disquisitione physiolog. de pilis p. 253. "*®) De plantar. generat, lib. 3. pro&miı p. 93. 118 Lebensprocess der Haare. 4) Den Pilanzen geht, so wie den Haaren, die Nervensubstanz ab; und wenn man erstern Sensation für Wärme und Elec- trieität zuschreibt, so kann diess auch von den Haaren gel- ten (nach Jahn). 5) Nach Kraft’s Behauptung *), welcher auch Schlegel**) beystimmt , wachsen die Haare auch getrennt vom Körper noch fort, wenn sie ausgerissen, und ins Wasser gestellt werden. In unsern Zeiten pflegt man den Haaren ebenfalls nur eın sehr eingeschränktes, oder vielmehr auf einer sehr niedern Stufe stehendes Leben, und zwar hauptsächlich desshalb zu- zuschreiben, weil ihnen wie den Nägeln, Hörnern, Klauen und überhaupt dem ganzen Horngebilde die Nerven ganz ab- gehen, und sie, wie schon von den Alten bemerkt wurde, mehr selbstständig, und fast könnte man sagen, unabhängig von dem Körper bestehen können. — Es tritt hier nach mei- ner Meinung der Fall ein, dass der organische Bildungspro- cess wirklich vorhanden ist, ohne in äussere, sichtbare Erre- gung durchzubrechen, welch’ letztere gleichsam schlummert, während ersterer in wohl zu erkennender Thätigkeit ist. Denn obgleich beyde, Bildungsprocess und Erregung, unter sich in einem engen Wechselverhältnisse stehen, so sind sie desshalb doch nicht absolut eins ***). T Man muss übrigens in dieser Sache das eigenthümliche Leben, das in dem Balge und der Zwiebel des Haars unbezwei- felt vor sich geht, wohl unterscheiden von dem, welches man allenfalls dem Schafte zuschreiben mag; denn ich halte beyde wesentlich von einander verschieden, und so wie ich im ersten Falle alles habe, was zu einem höhern Lebensprocess erfor- derlich ist, nämlich Nerven Arterien etc., so geht mir im zweyten alles dieses ab, und ich glaube ein sogenanntes leb- loses Ding vor mir zu haben. Ich halte daher die von Mal- pighi zuerst aufgestellte, und von Mariotte weiter ausge- führte Ansicht, dass die Haare nach Art der Nägel oder durch Juxtaposition wachsen, für die wahrscheinlichste und naturge- mässeste, indem ich als Erläuterung beyfüge, dass die Haupt- werkstätte zur Bildung des Haars am Boden des Balgs, aus wel- *) In nov. Comment. Petropol. T. II. p. 241. **) Ueber die Ursache des Weichselzopfs 3. Cap. p. 44. **) Harımann’s Theorie der Krankheit pag. 100. Lebensprocess der Haare. 119 chem die Zwiebel entsteht, und innerhalb des Balges selbst zu suchen sey. Hier wird auf dieselbe Art, wie bey der Reproduc- tion und Ernährung aller andern, selbst der edelsten Organe, unter Vermittlung des Gefäss - und Nervensystems jene uns un- bekannte Materie ausgeschieden, die allenfalls zuerst ein schwarzes Pünktchen seyn mag, und aus welcher zunächst die Haarwurzel sich bildet; nach Vollendung dieser wird der nunmehr zn erzeugende Haarschaft, so wie die Nägel, die Klauen, dieEpidermis selbst, und überhaupt das ganze Hornge- bilde aus den unterliegenden Theilen, so hier aus dem Bulbuns fertig gebildet, hervorgetrieben. — In diesem Sinne scheint auch der würdige Prochaska*) bloss den Haaren, Nä- geln und der Oberhaut eine vollkommene Wiedererzeugung zu- zuschreiben; und nur so lässt sich das Erzeugen und Wachsen der Haare genügend erklären und mit dem Umstand in Ueber- einstimmung bringen, dass es noch Niemanden gelungen ist, in dem Haarschafte ein Gefäss, oder überhaupt etwas anderes, als etwa verschieden modificirte Hornsubstanz mit überzeugen- der Anschaulichkeit darzustellen. — Meckel**) hat die Haare vorzugsweise als vegetabilische Theile, gleichsam als Crypto- gamen des Körpers angesehen, und Autenrieth schon die Vermuthung geäussert, dass das Mark der Haare seiner Natur und seinen Verrichtungen nach ganz mit dem Rete mucos. Mal- pighü übereinstimme. Bichat***) schreibt der innern Substanz der Haare wirkliche Vitalität zu, wodurch sie sich wesentlich von der äussern Umhüllung unterscheiden soll. Wir wollen nun die Gründe durchgehen, auf welche er seine Behauptung stützt: 4) „Die verschiedenen Leidenschaften haben einen bemerkli- chen Einfluss auf die innere Substanz der Haare. Kum- mer bleicht schnell die Haare, wahrscheinlich durch Be- wirkung der Einsaugung des in den kleinen Haargefässen enthaltenen Fluidi. Bey diesen schnellen Veränderungen bleibt die äussere Umhülluug unverändert, und nur die innere Substanz variiret. So soll auch der Schreck die *) Disquisit. anat. physiolog. p. 136: Tanıum pili, ungues et cu ticula perfecte reproducuntur, **) Siehe dessen Archiv. VIL. 5. IERAANGSEON 120 2) 5) Lebensprocess der Haare. Haare gerade in die Höhe richten.“ Diess sind allerdings Thatsachen, welche Niemand läugnen kann; allein sie beweisen nichts, als dass einerseits die färbende Substanz aus der Haarzwiebel nicht mehr in den Schaft aufsteige, und dass dieser daher aus Mangel an jener farblos, also bleich wird; andrerseits dass durch vorwaltende Contrac- tion in dem Haarbalge und der diesen umgebenden Haut- parthie der Schaft aufgerichtet wird, welches übrigens wegen Abgang der nöthigen Muskeln lange nicht so deut- lich in die Erscheinung tritt, als wir diess bey manchen Thieren beobachten können. Alles diess spricht demnach nur für ausgezeichnete Vitalität des Haarbalges, und in dem Masse weit weniger für die des Haarschaftes. „Der Weichselzopf hat seinen Sitz in der innern Substanz der Haare, und man behauptet sogar, dass diese Substanz in jener Krankheit bisweilen eine gleichsam fleischige Na- tur annehme.“ Der Weichselzopf in dieser Form ist wie bekannt, nichts weniger als eine örtliche Krankheit der Haare, sondern er ist der Ausdruck eines Allgemeinlei- dens, das sich nur hauptsächlich in dem Haarsystem of- fenbart. Er ist ursprünglich nur eine Krankheit des Haar- balges und der diesen umgebenden Theile, und erst nach- dem jener nicht mehr im Stande ist, sein normales Pro- duct auszuscheiden, entsteht auch jene scheussliche Ent- artung der Substanz des Haarschaftes selbst. — „Man kennt die Gefahr vom Abschneiden der Haare in Folge mehrerer hitziger Krankheiten.“ Ich bin ganz mit Bichat einverstanden, wenn er diese Gefahr nicht von der Berührung der Luft herleitet, gegen welche die Haare den Kopf schützen, indem diese Zufälle auch trotz der sorgfältigsten Bedeckung desKopfes erfolgen; eben so bin ich mit ihm gleicher Meinung, dass das Wachsthum der abgeschnittenen Haare nach diesen Organen eine vitale Thätigkeit hinruft, welche die innern Eingeweide sehr bald durch Sympathie erfahren, und dass die Kopfschmer- zen und Augenübel von einer Art sehr thätiger Sympathie herrühren, welche die Haare auf diese Eingeweide aus- üben. Nur glaube ich, dass diese Sympathie, als Aus- druck der hier herrschenden Vitalität weder in der äussern, noch auch in der innern oder Marksubstanz des Haars, sondern lediglich in dem Balge und der von ihm einge- Lebensprocess der Haare. 121 schlossenen Haarzwiebel gegründet sey, in welchen Orga- nen wir die hiezu nöthigen materiellen und dynamischen Bedingnisse, gleichwie in andern sympathisirenden Einge- weiden vorfinden. — 4) „Die Haare stehen gleichfalls unter dem Einflusse anderer Organe. Man sieht diess oft in Folge hitziger Krankheiten, wo die sympathisch. aflicirten Wurzeln die Flüssigkeiten, die sie ernähren sollen, zurückstossen, und das Ausfallen den Tod der Haare herbeyführt.“ Also die Wurzeln, aber nicht der Haarschaft sind sympathisch aflıcirt! 5) „Viele Thiere verlieren in einer bestimmten Jahrszeit ihre haarige Hülle, die sich wieder erzeugt. Die Epoche ihrer Wiedererzeugung ist nun oft die Epoche vieler Krankheiten, und einer Schwäche, die in andern Zeiten nicht statt findet.“ Diess beweist abermals den wichtigen Zusammenhang, in welchen die Erzeugung der Haare mit den Modificationen des Lebensprocesses in andern innern Organen steht, und lässt sich allerdings dadurch erklären, dass man annimmt, das Ernährungsgeschäft, welches ei- nigen Aufwand der Lebenskräfte nach Aussen ruft, bringe antagonistisch eine Schwäche oder Verminderung dersel- ben an einem andern Orte hervor. Da jedoch, wie wir ge- ‘sehen haben, jenes Ernährungsgeschäft einzig und allein in dem Haarbalge vor sich geht, so kann das Gesagte auch nur für die Vitalität dieses Organes, nicht aber für jene der innern Substanz sprechen. 6) „Kälte und Wärme äussern gleichfalls oft ihren Einfluss auf die innere Substanz der Haare.“ Für diese Angabe habe ich selbst oben, als von dem Einflusse des Klima und der Jahrszeiten auf die Thier- und Menschenhaare die Rede war, die überzeugendsten Belege angeführt. Al- lein ich glaube nicht, dass die Kälte und Wärme unmit- telbar auf die innere Substanz der Haare nach der angege- benen Art wirke, denn sonst müssten die Veränderungen viel schneller erfolgen; da wir sie hingegen nicht gleich auf die erste starke Kälte, oder in der ersten Zeit, als das Thier in das nördliche Klima versetzt wurde, sondern erst dann erscheinen sehen, wenn die genannten Einflüsse eine geraume Zeit lang auf die Haare gewirkt haben. Ich bin daher geneigt, das Weisswerden der Haare im Winter dem herabgesetzten Lebensprocess der ganzen Haut ‚und 122 Lebensprocess der Haare. dadurch auch vorzüglich der von ihr ernährten Haarbälge und Zwicbeln in so fern abzuleiten, als durch diese Herab- setzung die Bildungsthätigkeit dieser Organe es nicht zur Pig- mentbildung bringen, also dieHaare auch nicht färben kann. 7) „Kurze Zeit, nachdem man sich die Haare hat schwarz mahlen lassen, empfindet man Kopfschmerzen, eine An- schwellung der behaarten Haut, ungeachtet dieselbe hier- bey ganz ausser Spiel war.“ So sehr diese 'Thatsache für die Vitalität der ınnern Substanz zu sprechen scheint, so beweist sie doch im Grunde nur, dass der Haarschaft das Vermögen besitze, Substanzen von Aussen aufzunehmen, und ins Innere des Haars, ja selbst zur Zwiebel hinab zu leiten. Es ist übrigens hiebey noch eine grosse Frage, ob bey dem Vorgange des Haarfärbens die färbende Sub- stanz nicht zu gleicher Zeit auch von der Haut selbst auf- genommen werde, aus welcher die Haare entspringen. Ich wenigstens zweifle sehr, ob je eine Operation der Art unternommen wurde, wo der Färbestoff bloss auf die Haare aufgetragen worden wäre; bekanntlich geschieht diess gewöhnlich durch Einsalben und Einreiben auf den ganzen behaarten Theil, mithin auch auf die Haut selbst. Auch spricht für meine Ansicht der Umstand sehr, dass abgeschnittene Haare ausserordentlich schwer, immer aber viel schwerer gefätbt werden, als solche, die noch mit ih- ven Wurzeln und der Haut in Verbindung stehen. — Diese Symptome könnten also weit eher von der durch das Schwarzfärben gehinderten Aussonderung, welche in der Regel durch die Haare statt findet, erklärt werden. 8) »Alle diese Erscheinungen, welche auf ein wirkliches Le- ben der Haare hindeuten, hören da auf, wo die weissge- wordenen Haare gleichsam nur noch ihre äusserliche ober- hautähnliche Hülle behalten haben, zum Beweis, dass dieses Leben seinen Sitz vorzüglich in der innern Sub- stanz der Haare hat.« Auch die weiss gewordenen Haare zeigen ganz dieselbe Structur wie die früher gefärbten, nur die färbende Substanz mangelt ihnen; eben so wachsen sıe bekanntlich auch noch fort, selbst bis ins graueste Alter; endlich ist es nicht richtig, dass die vonNr. 1 — 7 angeführ- ten Erscheinungen mit dem Ergrauen der Haare aufhören. Aus dem Ganzen geht also hervor, dass wir zwar alien Theilen des Haares Leben zukommen lassen müs- Wachsthum der Ha 123 sen, dass aber dieses Leben verschieden modificirt sey, nach Verschiedenheit eines jeden einzelnen Haartheiles- Denn so wie wir die Retina des Auges höher als die Ader- haut und Iris, und diese wieder höher als die Sclerotica und Cornea zu stellen pflegen, eben so ist es auch mit den Theilen des Haars, nämlich dem Balg sammt der Zwiebel, der innern und endlich der äussern Substanz des Schaftes. Diese Trennung muss auch da angewendet wer- den, wo von einer vita privata, s. vegelabilis (nach Die- merbroeck) gesprochen wird; denn die im Balge ent- haltenen Haartheile leben keineswegs eine vita privata, noch weniger, wie wir gezeigt haben, ein blosses Pllanzen- leben; sondern ihr Leben hängt auf das innigste mit dem der Haut, als ihrem mütterlichen Boden und durch diese mit dem des ganzen Körpers zusammen, während dem der Schaft gleich den Cryptobioten in mancher, doch nicht in jeder Hinsicht, sein eigenes unabhängig scheinendes Le- ben führt. Nur durch eine solche Ansicht werden wir die manichfachen Verhältnisse, in welchen die Haare mit dem übrigen Körper stehen, genügend erklären, und die pa- thologischen Vorgänge in ihnen zweckmässig enthüllen können. $. 128. Wachsthum der Haare, Ich komme nun auf das Wachsthum der Haare insbe- sondere. — Im Allgemeinen besitzen die Haare eine grosse Bildungsthätigkeit; vorzüglich wachsen sie in der Jugend und im männlichen Alter. Auch sollen die lichten Haare schneller wachsen als die dunkeln. Doch scheint das Wachsen bis auf eine gewisse Länge beschränkt zu seyn, so dass die Haare nach Erreichung derselben nicht mehr weiter wachsen, bis sie wieder beschnitten werden. Geschieht dieses Beschneiden nahe an der Zwiebel, so geht die Zunahme des Haupthaars und Bar- tes in drey Monaten nach Jahn meistens bis auf 4 Zoll. Ge- schieht der Schnitt aber weit entfernt von der Zwiebel, etwa in der Nähe der Haarspitze, so ist die Zunahme nicht so bedeu- tend. Auch soll jedes erste Abschneiden hindern, dass die sie- hen bleibenden Haare je wieder zu der Länge kommen, wei- 124 Wachsthum der Haare, che sie erhalten hätten, wenn sie nie beschnitten worden wä- ren. An gänzlich abrasirten Köpfen wachsen die Haare nach meinen Beobachtungen in einem Monat etwa bis zur Länge von drey Linien. Nach Haller wachsen die Haare am Kopfe in sieben Tagen beynahe eine Linie lang; nach Kraft über- haupt in 81 Tagen wieder, nach Withof im Jahre vier Zoll; nach Langguth wachsen die Augenbraunen nicht einmal in zwey Jahren. Withof sah zwey Ellen lange Kopfhaare, bey den Fakirs sollen sie bis auf eine Länge von vier Ellen wach- sen *). Auch findet ein Unterschied des Wachsthums unter den Haaren verschiedener Gegenden Statt. Unter den ursprüngli- chen oder angebornen Haaren wachsen die Kopfhaare fortwäh- rend, die Cilien und Augbraunenhaare erreichen bald ihre grösste Länge, und wachsen dann nicht weiter. So ist es auch mit den später erzeugten, wo z. B. der Bart im Verhältniss zu den Achsel-, Scham- und Afterhaaren bedeutend stärker wächst. Ueber die Bedingungen und diejenigen Einflüsse, wel- che das Wachsthum begünstigen, herrschen vorzüglich in der ersten Beziehung ebenfalls und zwar so verschiedene Mei- nungen, als verschieden die Ansichten über den Bildungspro- cess der Haare selbst waren. So sagt Hippocrates: »Plu- rımos nascı, ubi moderalum humorem, quo nulriantur, habuerint ;« Galen**): „Pili, qui ex moderata humidis et mollibus parlibus emergunt , plurimi sunt incrementi sicuti in capite et barba; qui pero ex duris etque aridis, exiles sunt et nullius fere incrementi « Im Allgemeinen wird das Wachsen begünstigt durch Wärme, Stärke des Körpers, und Anhäufung von Kohlenstoff. Kaltes Klima, geringe Ausdünstung, leichte Bedeckung und freye Luft ma- chen einen starken Haarwuchs. — Sehr interessant ist die An- sicht von Walther***), welcher sagt: dass zum Wachsen der Haare die Einwirkung der Luft, und überhaupt atmosphärische Einflüsse auf die Haarzwiebeln, und die Berührung der letztern durch die erstere erforderlich sey ; so wie auch die Pflanzen nur unter dem Einfluss der Luft keimen und wachsen. Auf diesen Schluss wurde v. Walther bey der angestellten Operation der Tarsoraphie geführt, wo die Augenliederhaare, die sich *) Fry’s travels p. 102. **) II. De usu part. 1%. **) Dessen und Graefe’s Journal für Chirurg. und Augenheilkunde, 9. Bd. 1. Stück p. 92. Wachsthum der Haare. 125 mit ihren Zwiebeln im Hintergrund der geschlossenen Canäle (durch welche dieHaare hervorkommen) befanden, nicht nach- wuchsen. Doch sehe ich nicht ein wie Herr v. Waltherdann das pathologische Vorkommen in Balggeschwülsten und andern verschlossenen Höhlen im Innern des Körpers erklären könnte. Dass aber das öftere, jedoch nicht zu oftmalige Abschneiden der Kopf- und Barthaare ihr Wachsthum und vorzüglich ihre Dicke ungemein befördert, ist ganz richtig, und durch die tägliche Erfahrung bestätigt, so wie auch die Lebensart, und vorzüg- lich die Nahrungsmittel hierauf einen nicht unbedeutenden Rin- fluss haben, worüber ich in dem therapeutischen Theil aus- führlicher sprechen werde. — Wie gross endlich der Verlust der Haare durch zeitweises Abschneiden, und wie bedeutend also ihr Nachwuchs sey, beweist die Angabe, der zufolge ein Mann, von dessen Kinn nach und nach jährlich 52 Linien lange Barthaare abgenommen werden, vom 48ten bis 60sten Jahr einen Bart von 45 Fuss und vier Zoll Länge verliert, welches Mass übrigens das sich selbst überlassene Barthaar nie erreichen würde. Auf die Kopfhaare angewendet, bekäme ein solcher Mann ein 14 Schuh langes Haar, wenn auf drey Monate ein Wachsthum von einem Zoll angenommen wird. Es ist ein richtiger Satz: dass je länger ein Theil vom Körper getrennt, sein Leben zu erhalten fähig ist, er desto leichter mit einer verletzten, lebhaft erregten Stelle ver- wächst. Da nun der Vordersatz auch von den Haaren gilt, so ist es interessant, durch Versuche auch den Nachsatz be- stätigt zu sehen. Dzondi *) und Tieffenbach **) ha- ben nämlich durch Versuche das Wiederanwachsen ausgeris- sener Haare, und Wiesemann***) das von überpflanzten Fe- dern nachgewiesen. Ersterer verpflanzte in ein aus der Wan- genhaut von ihm künstlich gebildetes unteres Augenlied, Au- genliedhaare. Tieffenbach sah, dass von sechs Augenbraun- haaren, die er einem Freunde ausgezogen und in Wunden ein- gesetzt hatte, welche er mittelst einer Staarnadel in die Haut *) Beyträge zur Vervollkommnung der Heilkunde. Thl. 1. Halle 1816, und kurze Geschichte des klinischen Instituts zu Halle p- 136. **) Joh. Fried. Tieffenbach: Nonnulla de regeneratione et trans- plantatione. Dissertat. inaug. Herbipoli 1822. ***) Siehe Wiesemann Henr. Franc. de Coalitu partium a reliquo corpore prorsus disjunctarum. Lips. 1824 p. 35. Eine von der med. Facultät zu Bonn gekrönte Preisschrift. 4126 Wachsthum der Haare. seines Armes gemacht hatte, zwey festwuchsen, zwey durch Eiterung ausgestossen wurden und zwey austrockneten; eben so wuchsen einige von seinen eigenen Kopfhaaren, als er sie auf den Arm verpflanzte, fest, und die Wurzeln zeigten sich später dick und frisch. Selbst von drey weissen Haaren eines Greises wuchs eines fest und behielt seine Farbe. Von zwölf Barthaaren einer Katze wuchsen, auch wenn sie ohne Zwiebel auf den Rücken eines Kaninchens verpflanzt wurden, fünf fest; dasselbe geschah sogar bey vier Barthaaren von Katzen und Kaninchen, deren Haare er in die Nähe der Steissdrüse einer Taube verpflanzte. Auf dem Rücken der Tauben gelang diess nur, wenn er Federn dicht über der Haut abschnitt, mit- telst einer langen Nadel die kleine Narbe der Feder anstach, und das Haar mit der Zwiebel in die Stichwunde der Feder einbrachte. — Die Federn liessen sich von ihm auf ähnliche Art, wie die Haare, jedoch nie auf die Haut der Säugethiere versetzen. Ich habe nun noch einer Streitfrage zu erinnern, die bis auf den heutigen Tag nicht zur Zufriedenheit Aller gelöst ist, nämlich: ob die Haare auch nach dem Tode noch wachsen, oder nicht? Unter den Gewährsmännern, die für das Wachsen der Haare nach dem Tode sprechen, muss ich zuerst des Demo- eritus und Tertullianus erwähnen. Sehr wahr ist, was Aristoteles*) sagt: »Eliam in senectule et defunctis pili augen- tur, sed non nascuntur.« Dass die Haare nach dem Tode noch wachsen, glauben ferner Plinius, Plotinus, Laurentius, Joubert, Franc. Vallesius, Horatius Augen, Campa- nella, Helmont, Paracelsus, Highmor, CGardanus, Kornmann, Erasmus Bartholin, Gaudentius, Ne- ander, Delriound Glisson. — Math. Gottfried Pur- mann **) sah die Schädel der von den Krainern getödteten Türken öfters auf dem Pfahl noch mit Bart- und Haupthaa- ren bewachsen. Dasselbe beobachtete er zu Strassburg, als er sich ein Scelett machen wollte, wo das Haar täglich einen Finger breit (?) hervorwuchs. Garmann ***) sagt, dass die Haare nach dem Tode *) Hist. an, lib. III. c. 11. und de Generat. lıb. II. c. 6, 1. **) p. 1. Chirurgischer Lorberkranz. 1. 26. p. 109. ***) De miraculis mortuorum lib, 1. Tit, 1. Dresdae et Lips. 1709. $. 26. Wachsthum der Haare. 127 nicht in allen Cadavern, sondern nur in jüngern, plötzlich oder gewaltsam, oder an einer sehr wichtigen und hefti- gen Krankheit Verstorbenen wachsen, und zwar aus dem Grunde, weil in solchen Fällen noch das Nutrimentum ca- pillorum in Uebermass vorhanden sey. An einem andern Orte gibi er sogar zu, dass die Haare an einem Leichname mehr- mals abgeschnitten worden seyen. — Pareus versichert, 24 Jahre lang einen einbalsamirten Leichnam zu Hause ge- habt zu haben, dem Haare und Nägel so oft wieder gewach- sen wären, als er selbe abgeschnitten hätte. Wulfer und Arnold erzählen in den philosophischen Transactionen fol- gende Fälle. Man sah zu Nürnberg aus dem Sarg einer be- grabenen Frau 40 Jahre nach ihrem Tode zwischen den Bret- tern und Spalten ihres Sarges eine solche Menge Haare her- vorkommen, dass es schien, als wenn man den Sarg damit angefüllt hätte, und als wäre der ganze Körper dieser Frau mit einem langen, dicken und gerollten Haarwuchse überzo- gen. Als einer der T'odtengräber seine Hand auf den Kopf des Leichnams gebracht hatte, fiel dieser in Staub zusammen, und der T'odtengräber hatte seine Hand nur mit Haaren an- gefüllt *). Arnold hingegen sah, wie sich die Haare bey einem am Galgen hängenden Verbrecher beträchtlich verlän- gerten, und wie sich sein Körper mit neuen Haaren bedeckte, während er noch am Galgen hing. Kirkpatrick **) und Keusch ***) stimmen ebenfalls für das Wachsen nach‘ dem Tode. — Pariset, nach dessen Aussage es auf anatomischen Theatern häufig Gelegenheit zu solchen Beobachtungen ge- ben soll, erzählt folgende Thatsache: Ein Vater behielt die Reste seines vielgeliebten Sohnes mehrere Tage bey sich im Hause, um ihn dann zu beerdigen, Unterdessen war dem Leichnam der Bart so gewachsen, dass der Vater diess für ein Zeichen des wiedergekehrten Lebens ansah ****). Pari- set ist der Meinung, dass sich das Wachsen der Haare nach dem Tode besser am Barte bemerken lasse als sonst wo, weil man diesen oft abzuschneiden gewohnt war. Bichat F) ver- *) Auch im Journal des Savanıs vom Jahre 1682. **) Reflexions on putrefaction. London 1751. 8. p. 26. ***) In Gruner’s Almanach für 1787. p- 20. **##®) Article Barbe im Dictionn. des sciences medicales, +) Ä. a, O, 128 Wachsthum der Haare. sichert, eine wirkliche Verlängerung an den Haaren des Kin- nes eines sorgfältig rasirten Kopfes, welchen er acht Tage hindurch in einem Keller hatte maceriren lassen, beobachtet zu haben. Gleicher Meinung ist auch Villerme und S$. G. Vogel. Wunderbarer als alle diese Beyspiele ist folgende Ge- schichte, die uns Dr. Peter Rommel*) erzählt: Er sah nämlich auf dem Kirchhof zu Weissenhorn unter vielen Tod- tenköpfen auch eine Hirnschale, die sehr gross, ohne Haut, und fast ganz trocken war. Ihre Oberfläche zeigte eine Menge eingeflochtener Haarzöpfe, deren Haare mit Schnüren von hie und da wieder zerrissenen und baumwollenen Fäden ordent- lich geflochten waren. Die Wurzeln dieser Haare sassen tief in der Hirnschale, und konnten nur mit Gewalt herausgezogen werden. Es war diess der Kopf der Tochter des Bürgermeisters Bertlin. (Das Ganze scheint mir auf einer mangelhaften Beob- achtung zu beruhen). — Noch mehrere Beyspiele für die Mei- nung, dass die Haare nach dem Tode nachwachsen, findet man in der /sagoge anatom.**), ferner bey Kirkpatrick ***). Dass sie selbst getrennt vom Körper, ausgerissen und ins Was- ser gestellt, noch fortwachsen, behaupten Kraffı****) und Schlegelp). Dagegen mangelt es nicht an wichtigen Männern, die der Sache keinen Glauben schenken, und das Ganze für eine blosse Täuschung halten. Hierunter gehören mehr oder weni- ger: Thomas Gross, Marcellus Donatus, Laurent. Forer, GasparHoffmann, Anton Ulmus u. a. m. Ga- merarius7r) behauptet ebenfalls das Gegentheil; Ruysch glaubt, dass die Haare so wie andere "Theile sterben : „Sepulera inirapi et nunguam conirarium observari ++F),“ und+-F}+) „Yidi, nec capillos crevisse nec ungues post morlem, quum viderem in *) In den Akten der Leopoldinisch - Garol. Akademie der Naturfor- scher, 16. Thl. p. 418, en) Pag. 43. ***) De putredine p. 26. und Sat. Siles. III. n. 4. ****) In novis comment, Petrop. T. II, p. 241. +) Ueber den Weichselzopf, 3. Cap. p. 44. ++) Memorabil, medica Gentur. V. $. 47. 1:7) Tesaur. 9. ı ttrr) Adversarior. Decas 2. p. 46. Wachsthum der Haare. 129 cincinnos complicatos capillos in cadavere muliebri aeque arcle adhue cranis adhaerescere ut in vita.“ Auch Heister ist die- ser Meinung, und zwar, wie er sagt, aufErfahrungen gestützt. — In unsern Zeiten scheint man diesem Gegenstand theils wenig Aufmerksamkeit zu schenken, theils in der Mehrzahl für die Annahme gestimmt zu seyn, dass die Haare nach dem Tode nicht wachsen. Haller*) erklärt die Erscheinung für eine Täuschung. — So hält auch Rudolphi**) diess für kein Wachsen, weil hierzu Leben des Organismus gehöre, wie es in der Zwiebel des Haars durch Nerven und Gefässe unter- halten wird. „Wo die zu wirken aufhören, fällt das Haar aus.“ — Bey diesen Verhältnissen suchte ich mir denn eben- falls eigene Ueberzeugung zu verschaffen; nachdem ich schon zuvor durch eine auffallende Veranlassung dazu aufgefordert war. Als wir nämlich im Jahre 1825 auf dem anatomischen Theater der medicinisch-chirurgischen Josephs-Akademie den Kopf eines erwachsenen Mannes zu einem Nervenpräparate verwendeten, und bey der langen Dauer der Arbeit selben in einer Mischung von Wasser und Weingeist aufbewahrten, fiel mir eines Tages, als ich wieder meine Aufmerksamkeit, die seither mehr auf den Hals gerichtet war, dem Gesichte schenken musste, der grosse starke Bart auf; weil ich mich sehr wohl zu erinnern wusste, dass ich dem Sectionsdiener vor acht Tagen aufgetragen hatte, diesen Kopf durchaus rein abzurasieren, und mich von der pünktlichen Erfüllung die- ses Auftrages überzeugt hatte, ehe das Präparat angefangen wurde. Diess bezeugten auch alle übrigen, die in der anato- mischen Anstalt angestellt waren. — Ich stellte nachher mehrere Beobachtungen an andern Köpfen an, und zu meiner grossen Verwunderung blieb in diesen Fällen der Bart jederzeit in der- selben Grösse, die er nach Verlauf von einigen Tagen erlangt hatte, d. h. er wuchs anfangs sehr unbedeutend, dann aber nicht mehr; so dass ich, gestützt auf diese Erfahrungen, und in Rücksicht der früher angeführten Gewährsmänner, mich geneigt fühle, auf die Seite derjenigen zu treten, die glauben, dass es nach dem Tode keine wirkliche, sondern nur eine scheinbareVerlängerung an den Haaren gebe, die da- *) Element. phys. $. 19. T. V. **) Physiologie 1. Bd. p. 290. Eble’s Lehre von d. Haaren Ii, Ba. 7 150 Wachsthum der Haare. her rührt, dass die Muskeln und die Haut, besonders wenn sie in starkem Weingeist aufbewahrt werden, zusammenschrumpfen, und auf diese Art die Haare bis auf ihre Wurzeln zunı Vorschein bringen. Daher werden die Haare bey allen in Weingeist aufbewahrten Köpfen nur in der ersten Zeit noch etwas län- ger, so lange sich nämlich die Haut noch mehr zusammen- ziehen, und dadurch die Haare hervortreiben kann. — Zwar haben die (Gegner auch ihre Meinung durch Gründe zu un- terstützen gesucht, und schon Aristoteles sagt: dass der Körper nach dem Tode weniger Substanz brauche, um die andern Theile zu ernähren, und daher für das Wachsthum der Haare desto mehr Nahrung übrig bleibe. Andere erklä- ren sich das Factum aus dem doppelten Grunde, weil die Haare zu den niedrigen Bildungen des Organismus gehören, und eigentlich mehr ein Pflanzenleben führen, und weil ihr Wachsthum, wie Bichat bemerkt, keineswegs mit dem Stand der Lebenskräfte in geradem Verhältnisse steht. Zu mehrerer Bekräftigung führen sie sogar die Jymphatischen Gefässe an, denen ja auch nach dem Tode noch Kräfte zur Einsaugung übrig bleiben. — Insbesondere erwiedert S. G. Vogel auf die Worte von Rudolphi, dass 4. solche Untersuchungen nicht mit der erforderlichen Genauigkeit angestellt werden; 9. die Todesart und die Krankheit, warum der Mensch ge- storben ist, hierauf einen grossen Einfluss haben, so dass viel- leicht in den wenigsten Fällen ein solches Wachsen nach dem Tode Statt finden mag (ein wohl zu beherzigender Umstand); 3. sich solche Untersuchungen an Mumien nicht wohl anstel- len lassen, sie müssten vielmehr bald nach dem Tode bey scharfer Beobachtung geschehen. Allein ich halte diese Gründe für unzureichend, dass ich von der oben ausgesprochenen Meinung abgehen sollte, indem ich zugleich manche der früher angeführten Erzäh- lungen und angeblichen Beobachtungen Anderer theils für etwas übertrieben, theils wohl ganz unrichtig, theils gar nicht hieher gehörig erkläre. Anmerkung. Dürfte man den angeführten Beyspielen vollen Glauben schenken, und müsste man demnach ein wirkliches Wachsen der Haare nach dem Tode zugeben, so liess sich diese Erscheinung wohl nur durch die unbestreitbare Thatsache erklären, dass die Sphäre der Reproduction, welche bekanntlich die indiffereniesten Organe in sich begreift, am spätesten stirbt, und dass in den Theı- Wachsthum der Haare, 131 len N Bildung nach dem gewöhnlichen Tode oft noch Yan- gere Zeit eine Art von Pflanzenleben fortdauert, wodurch noch Schleim, Serurn etc. abgesondert und aufgesaugt werden könnten. Auch sogar die Farbe der Haare soll sich nach dem. Tode noch ändern können. So lese ich von Dr. Thomas Bartholin *) die Bemerkung angeführt, dass man öfters bey todten Körpern wahrgenommen habe, wie die Haare, ungeach- tet sie bey Lebzeiten schwarz oder grau gewesen waren, in dem Grabe eine gelbe Farbe angenommen hatten, welches nach der Meinnng Bartholin’s ohne Zweifel von den eingeschlossenen warmen Dünsten des Leichnams seinen Ursprung habe (!?) — Dr. Gründel **) erzählt folgende interessante Geschichte: Ein 86jähriger Schneider zu Gratz, Kramer mit Namen, der noch schwarze Haare mit wenig grauen gemischt hatte, verlor nach und nach seine Kräfte, und starb im Jahre 1679 an der Auszehrung. Eine Stunde nach dem Tode verschwand die schwarze Farbe der Haupthaare und des Bartes gänzlich, und sie wurden in schneeweisse verwandelt. Garmann ***) schreibt aus eigener Erfahrung, dass die Haare bey Gehenk- ten und denen, die aufs Rad geflochten worden, grau werden. In den Ephemerid. Acad. nat. curios. findet man ebenfalls Bey- spiele, dass die schwarzen Barthaare den zweyten und dritten Tag nach dem Tode weiss wurden. Ich habe nie Gelegenheit gehabt, etwas Aehnliches zu beobachten, und überlasse demnach die Glaubwürdigkeit der angeführten Beobachtungen dem Urtheile der Leser. Anmerkung 1. Es ereignet sich oft, dass der Bart bey alten Männern viel stärker wächst, als diess in ihren frühern Jahren zu gesche- hen pflegte, und man hat, meines Erachtens, diese Erscheinung glaubwürdig so zu erklären gesucht, dass, weil im Alter ein all- gemeines Streben zur Verknöcherung, und eine verminderte auf die Ausscheidung der überhand nehmenden erdigen Bestandtheile gerichtete Thätigkeit der Nieren besteht, die Natur diese letztere Function einigermassen durch den stärkern Haarwuchs zu er- setzen trachte, indem die Haare bekanntlich viel phosphorsau- ren Kalk enthalten. In gleicher Beziehung behaupten auch Einige, dass stark behaarte Menschen in der Regel weniger Urin von sich geben, als andere nur schwach behaarte. *) Abhandlungen der Akademie der Naturforscher 4. Bd. 123ste Wahr- nehmung. **) A. a. O, 18ter Thl. p- 214. ***) De miraculis mortuorum. lib. I. tit, 1. $. 7. 6° 132 Gerade und krause Haare. Anmerkung 2. Nach Burdach*) ist das Haar, besonders in Hin- sicht auf Länge, mehr dem der Mutter ähnlich bey dem Bastard von Widder und Ziege, von Hund und Füchsinn, bey dem Maul- ıhiere und Maulesel. Dagegen hat der Bastard vom Ziegenbock und Merinoschaf nach Ribbe am Hals, der Brust, dem Rücken und der Seite die Wolle der Mutter, an dem Hinterkopf und den Beinen die Haare des Vaters, und am Vorderkopf, Kreuz, Schenkel und Schwanz einen Mittelschlag von Haaren. $. 129. Gerade und krause Haare. Sehr verschieden sind die Ursachen, welche man zu ver- schiedenen Zeiten der Kräuselung der llaare unterlegt hat. Aristoteles leitet sie theils von dem Saftmangel, theils von der kleinen Hautöflnung her, durch welche das Haar gehen muss, und sagt: »Simplici seu recto sunt pılo, qui humore abun- dant, et ubi per meatus reclos evaporat. — Auf ähnliche Art, doch etwas ausführlicher drückt sich Galen hierüber aus: »Crispi fiunt pili vel propter siccitatem lemperamenli, vel propier mealum, in quo radicantur ; el propter siccilatem quidem ad eum modum, quo corrigiae, quae igne plus justo siccantur, imo ipsos pi- los igni propius admolos, protinus intorqueri vides, alque ita qui- dem omnes Aethiopes sunt crispi.« Dieser Ansicht folgt auch Thomas Bartholin, und alle seine Zeitgenossen, so dass man, wie z. B. Villanova den Schluss umkehrte, und aus dem Krauseseyn des Haares auf Wärme und Trockenheit des Temperaments schloss. — Malpighi sucht die Sache genauer zu erklären, indem er sagt: »Sobald die Röhrchen des Haars von dem enthaltenen Safte gleichmässig angefüllt sind, werden die Haare gerade, wo aber ein Stück oder eine Seite desseiben vom Safte strotzt, und der andere Theil schlaff bleibt, entsteht nothwendig ein schiefes Haar. Diess kann jedoch schon von der ursprüngli- chen Organisation veranlasst werden; denn die Haare müssen nothwendig krumm werden, sobald die Zwischenräume der Klappen (eigentlich der Querwände oder Blättchen im Canal) grösser und weiter werden, wie wir diess täglıch auf eine künstliche Weise beym Frisieren der Haare mittelst eines er- *) Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft 1ster Bd. p. 523. Gerade und krause Haare. 133 wärmten Eisens sehen können. Ist das Mark ausgetrocknet und verzehrt, so ziehen sich die Röhrchen zusammen, das Haar wird schief und kraus. Diess verliert sich dann wieder durch die Feuchtigkeit der Atmosphäre.« Gleicher Meinung mit ihm ist auch Morgagni. — Glis- son dagegen scheint wieder mehr Gewicht auf das Verhält- niss des Durchbruchs vom Haare zu legen, indem er sagt: »Wenn die Haut viel und weiches Parenchym hat, so kommen die Haare nicht allein häufiger, sondern auch gerade hervor, weil sie im Heraustreten nicht gehindert werden. Wenn aber das Parenchym trocken, oder nur dünn, und die Haut selbst sehr straff, gespannt, und das Loch, wodurch das Haar gehen muss, eng und zusammengezogen ist, so wird der Austritt des Haares gehindert, und das Haar nach der einen oder andern Seite umgebogen. Das gekrauste Haar entsteht daher theils von der Schwierigkeit des Ausbruchs, theils von der Ungleich- heit desselben. Erstere hat ihren Grund in der Enge der Lö- cher, und diese beruht auf der Trockenheit und Straffheit der Haut. Daher sind krause Haare immer auch mit straffer und starker Haut gepaart, und in sofern auch ein Zeichen körper- licher Stärke, Behendigkeit in allen Handlungen, und der Be- reitschaft zum Genuss der Liebe, da hingegen die geraden Haare mehr oder weniger das Gegentheil beweisen, Nach Mariotte *) kommt sowohl der Durchmesser und die Figur, als auch die Kräuselung der Haare von der Grösse und Figur der Hautporen her, durch welche das Haar dringt. Sind die Poren klein, so werden die Haare fein, sind jene ge- rade, so sind es diese auch; sind sie gewunden, so erscheinen diese gekräuselt; sind sie vieleckig, dann werden die Haare prismatisch; sind sie rund, so werden diese ceylindrisch.« Dieser Ansicht folgt auch der königliche Leibarzt Senac. — Hatschett erklärt die Kräuselung aus dem geringen An- theil von Gallerte. — Baster **) sagt: dass die Neger dess- halb so krauses Haar hätten, weil ihr Malpigh scher Schleim viel zäher und fester als bey andern Nationen sey, und daher dem durchdringenden Haar mehr Widerstand leiste, so dass es sich krausen muss. — Die neuern Anatomen und Physiolo- SE ANar OO! ANAL 2. 0X. D. 316, 134 Gerade und krause Haare. gen schweigen hierüber ganz. — Dass Galen mit vielen seı-. ner Nachfolger Unrecht hatte, wenn er sich durch das Woll- haar der Neger zu dem Schlusse verleiten liess: dass die Wär- me die Hauptursache der Kräuselung sey, erhellet schon dar- aus, dass die meisten Südländer, und namentlich jene, welche noch heissere Gegenden als die Mohren bewohnen, lange und wenig oder gar keine gekräuselte Haare haben. Auch ich bin geneigt, Malpıghirs Ansichten eher zu folgen, als denen von Glisson, und kann letzterem schon um desswillen nicht beystimmen, weil es auch viele Menschen, und namentlich zarte Kinder gibt, die trotz ihrer feinen Haut recht stark gekrauste Haare besitzen. Auch ist das Fell der Schafe lange nicht so straff, als das vieler anderer Thiere, wel- che stets gerade Haare tragen. — Es scheint mir demnach der sicherste Weg zur Erklärung zu seyn, wenn wir von den Ursa- chen ausgehen, die unter unsern Augen eine momentane oder vorübergehende Kräuselung herbeyführen. Diess geschieht nun offenbar durch die Einwirkung der Wärme, welche die na- türliche Trockenheit des Haares noch vermehrt, und dieses da- her auf die nämliche Art zur Krümmung nöthigt, als die ve- getabilische Faser, und die aus ihr verfertigten Geräthe nach vorangegangener Anfeuchtung sich zu krümmen anfangen, wenn ihnen die Feuchtigkeit wieder entzogen wird. Hierbey darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese Wärme nur auf die Haare einwirken, und dass durch dieselbe nicht zugleich eine Erhitzung der Haut, oder wohl gar Schweiss erzeugt werden dürfe; denn sonst müsste jeder, der sich im hohen Sonimer den Sonnenstrahlen aussetzt, krause Haare bekommen, wovon wir doch gerade das Gegentheil, und zwar darum bemerken, weil auf solche Art die Kopihaut in Schweiss geräth, und dieHaupt- haare statt ausgetrocknet, vielmehr nässer werden. — Ueber- diess gibt es noch ein anderes Verhältniss, wo gleichsam durch entgegengesetzte Ursachen Kräuselung erzeugt wird. Es ge- schieht nämlich, dass das schlichte Haar, wenn es lange einer trockenen Luft ausgesetzt war, und dann schnell in eine feuchte kommt, sich etwas kräuselt. Da diess jedoch nur bey zugleich kalter Luft beobachtet wird, so lässt es sich auch dadurch er- klären, dass das schlichte Haar unter solchen Verhältnissen schnell von der Feuchtigkeit der Luft in sich aufnimmt, und so mit jener durch die Einwirkung der Kälte (z. B. bey einem Reif in kalten Herbst- und Wintertagen) so zu sagen erstarıt, Weichheit und Stärke, Biegsamkeit etc. 135 also zusammengezogen und gekrümmt wird. Dass übrigens auch der Austritt des Haars aus der Haut, und diese selbst nach Verschiedenheit ihrer Straflheit und Stärke einigen Einfluss auf das (rerade- oder Gekraustseyn der Haare ausübt, mag ich wohl zugeben, nur bin ich nicht im Stande, diesen näher zu bestimmen. $. 130. , Weichheit und Härte, Biegsamkeit und Sprödigkeit der Haare. Ueber die Ursachen der Weichheit und Härte, Biegsam- keit und Sprödigkeit, Glätte und Rauhigkeit, Dicke und Dünn- heit, Schwäche und Stärke der Haare, sind ebenfalls wieder verschiedene Meinungen aufgestellt worden. Der grosse grie- chische Philosoph schreibt die Biegsamkeit 1. der Beschaf- fenheit der Haut, und 2. der Temperatur des Klima bey, und sagt, dass de Weichheit und Biegsamkeit mit der di- cken, fetten und saftreichen Haut, so wie mit einem gemäs- sigten Klima in geradem Verhältniss stehe: »Ex crassa cute du- riores et crassiores, ex tenui tenues, ex rariore et crassiore crassi gignuntur pili propter copiam portionis terreae, el mealuum lazila- tem; sı spissior sit, licet crassior culis exislal, tenuiores exweunt propter meatuum angustiam« *). — An einem andern Orte sagt er: »Eine reichlichere Nahrung stärkt das zartere Haar, und erweicht das steife. Das gerade Haar ist weich, das krause fest: molles sunt, qui promissi sunt, et crispi duriores sunt reclis:« **). Ueber die Dicke der Haare sagt Galen: »Boni vero in- crementi et modice crassi sunt propter excrementorum, quibus alun- tur, copiam« ***). — Thomas Bartholin nımmt hier auf die Beschaffenheit der Haut und der Flüssigkeit oder der Säfte des Körpers zugleich Rücksicht: »Pro ratione culis vel crassae vel tenuis, rarae vel densae, humoris copiosi vel pauci, caloris de- bilis vel forlis fiunt pili crassi vel tenues, duri vel molles, copiosi vel non copiosi ete.« **), *) Aristot. 5. gen. an. 3. et Aristot. 3. hist. 10. **) Aristot. 3. hist. an. 10, ***) De temperament. De general, pilorum. Sect. I. cap. 5. “x 3 = 1 **) Historiar, anal, rarior, 136 Von der Farbe des Haars. Diemerbroek*) leitet die Dicke der Haare A) von dem Durchmesser der Poren, durch welche sie gehen, und b) vom Ueberfluss oder Mangel der Materie her, aus welcher das Haar gebildet wird. — In derschon oben $. 145 angegebenen Definition von Weich- heit und Härte u. s. f. liegt grösstentheils auch der Grund, auf welchem diese Eigenschaften beruhen. So hängt die Weichheit, Biegsamkeit, Sprödigkeit, Rauheit und Stärke ganz besonders von dem Verhältniss der festen zu den flüssi- gen 'Theilen des Haares ab. Eben so ist es auch mit dem Glanze; denn ein Haar ist um so glänzender, je grösser die Menge der Haarsalbe ist, die es oberflächlich absetzt; diese ıst aber um so grösser, in je reichlichern Masse die Fee keiten im Innern des Haars vorhanden sind, vorausgesetzt, dass sie das Normalverhältniss nicht überschkkiten. Dass übri- gens auch die Haut, und namentlich ihre Poren einigen Ein- Nuss auf die ee Eigenschaften der Haare haben, gebe ich gerne zu. Was die Lebensart und Nahrungsmittel in dieser Hinsicht betrifft, so soll in dem pathologischen und therapeutischen Theil das Nöthige nachgetragen werden. Anmerkung. Rücksichtlich der Feinheit der Haare sagt Burdach**) dass selbe vorzüglich durch den Vater des Individuums bestimmt werde, indem man das Haar unsrer einheimischen Ziegen und Schafe durch Angoraböcke und Merinowidder ungleich mehr ver- edeln könne, als durch die weiblichen Individuen dieser Rasse, und dass das Haar des Bastards von Bär und Hündinn dem des Vaters glich. $. 151. Farbe des Haars. In keiner Rücksicht sind wohl die Haare häufiger bespro- chen worden, als in Bezug auf ihre Farbe, und dennoch — ich bekenne es frey — liegt uns der eigentliche Grund der verschiedenen Haarfarben noch immer sehr ferne. Ich will da- her wieder die manichfaltigen Hypothesen über das färbende Princip der Haare in chronologischer Ordnung angeben: ’)A. a. O. p, 481. **) Die Physiologie als Erfahrungswissenschalt. I. Bd. p. 523. Von der Farbe des Haars. 137 « = In den ältesten Zeiten der Arzneykunde, wo man noch keine eigentliche Chemie kannte, leitete man die Farbe der Haare von den allgemeinen Säften des Körpers, und von den Dünsten her, welche durch die Haare aus dem Körper entweichen soll- ten. So sagt uns Hippocrates: „Qualem humorem caro altra- werit, sive album, sive flaoum, talem etiam colorem capillus im- bwt*).“ Aristoteles läugnet, dass die Farbe der Haare mit jener der Haut so wie bey den Thieren übereinstimme: „Causa colorum in animalbus culis est, ut in homine cutis nulla causa est: qui enim albi sunt admodum, nigros habent capillos; causa est, quod homo omnium tenuissimam culim habeat preporlione magnitudinis **).“ — Galenus sagt: „Fit autem niger pilus, cum deusto vi caloris vapere excrementum in exactam fuliginem mutatur ; flavus vero, cum vapor minus torretur, quippe quod, dum est impactum, flavae bilis non nigrae faeculentum excremen- tum est. Albus vero pilus ex pituila nascıtur, rursus sicuti colo- ris flavi albique est medius, sic ejus generatio ex pituilosae bi- tiosaeque faecis media quadam natura provenit“ Malpighi leitet die Farbe des Haars von der Beschaffenheit des in ihm enthaltenen Saftes her, und sagt: „Diversimode colorantur con- iento in fistulis succo, guin et eodem deficiente, vei saltlem lu- xurianie aöreo fluido, cani et subalbi redduntur. Cum enim fi- stulae et ferrumineus succus diaphaneitate polleant, si contentus humor luminis progressum impediat, et varie reflectat, coloran- tur pili; si aulem liber lumini transitus permittitur, subalbus suc- cedit color. In pilo nıgro succus contentus cinereus est, el in exiremitate, ubi color tubulosi caulıs cinereus est, contentus suc- cus albescit. — Morgagni stimmt in diesem Punkte den An- sichten seines Landsmannes bey. Diemerbroek***) folgt grösstentheils der alten Galen’schen Theorie, und leitet die' verschiedene Farbe der Haare von der Verschiedenheit der Säfte, welche demjenigen Safte beygemischt werden, der das Haar ernährt, her. Daher entstehen auch die weissen Haare aus der Pituwita, die schwarzen aus den Fuliginibus ezuslis, die ro- then aus der gelben Galle, und die gelben aus der Vermi- schung der beyden letztern. *) De natura pueri. *%) Arıst.‘h;.gen, an.,3, ei 3. hist. 11. et 2. gen.;an.ıb, | A 2: OÖ. p: 481 -. 138 Von der Farbe des Haars, Die Neuern sind meist darüber einig, dass die Farbe der Haare von der Beschaffenheit des Markes herrühre, und dass überhaupt die innere Substanz des Haars dem Mal pighvschen Schleimnetze entspreche. Bichat ist mit sich selbst in dieser Hinsicht gar nicht zufrieden, und gesteht offenherzig, dass wir der hinreichenden Aufschlüsse hierüber noch bedürfen ; nach seiner Angabe wissen wir bloss, dass im Innern des Haars ein färbender Stoff ist; ob er aber circuliere, oder, einmal abgesetzt, sich nicht mehr, wie Flüssigkeiten bewege, wissen wir nicht. — Die Chemiker halten bekanntlich das in den Haaren enthaltene Oel für das färbende Princip. Vauquelin glaubt, dass bey schwarzen Haaren, die ein fast bituminöses Oel liefern, auch das schwefelsaure Eisen zur Färbung beytra- ge, und dass die starke Farbe jener Oele, die in den rothen und gelben Haaren enthalten sind, durch den Beytritt einer kleinen Menge eines braunen Oels gemildert werde, und endlich, dass die weisse Farbe von einem farbenlosen Oele und dem Mangel an schwefelsaurem Eisen herrühre. Berzelius aber leitet die Farbe der Haare von dem Eyweiss und dem Färbestoff des Bluts her, indem er zweifelt, dass das von Vauquelin ge- fundene Oel schon im Haar gewesen , und glaubt, dass es viel- leicht erst durch die Einwirkung des Alcohols entstanden sey*). Früher glaubte man auch, dass die von der verschiedenen Lage der Safttheilchen in den Haaren verursachte veränderte Brechung der Lichtstrahlen die Verschiedenheit der Farbe er- zeuge, und stützte sich dabey auf denselben Erfolg von der Zusammenziehung verschiedener Feuchtigkeiten. Nach Ru- dolphi hängt die verschiedene Farbe bloss von dem Mehr oder Weniger einer (nämlich derselben Horn-) Substanz ab, wie die noch mehr verschiedenen Farben der Iris von dem Mehr oder Weniger derselben Pigmente abhängen **). Sonst hat man wohl auch die schwarze Farbe dem im Körper vor- herrschenden Sauerstoff, die dunkelschwarze aber dem Koh- lenstoff zugeschrieben, und die Haare für die Excretionsorgane dieser zwey Stofle angesehen ***). Der oft genannte Herr Professor Heusinger lässt aber *) Djurkemi 2. p. 271. **) Physiologie 1. Bd. p. 158 — 59. **) Samuel G. Vogel. v. d, diagnosi. Würde der Haare. A. a. O, p- 272. hm der Farbe des Haars. 139 das ganze Haar aus dem Pigmentkügelchen entstehen, und weicht in so fern von den andern Zeitgenossen ab, indem er weder dem eigenthümlichen Oel die färbende Eigenschaft zu- schreibt, noch die Marksubstanz als den Sitz der Farbe an- gibt. — So leitet er auch den Umstand, dass manche Thiere nach dem Hären im Herbste weisse Haare bekommen, die sich erst im Frühjahre färben, daher, dass hier das Pigment wäh- rend des Winters in der Zwiebel liegen bleibe. ‚Sehr interessant sind die Gründe, welche Gaultier *) für die Behauptung aufstellt: dass die Haarzwiebel das Organ der färbenden Materie sey. Er sagt: 4) Die Haut ist überall gefärbt, wo Haarzwiebeln sind, und desshalb mangeln diese auch in der flachen Hand und Fusssohle. Diese 'Theile sind auch bey dem Neger nicht schwarz. 2) Bey Individuen mit weissen Haaren, wo die färbende Substanz in sehr geringer Menge vorhanden ist, zieht sie sich vorzüglich auf die Haare. 3) Die färbende Substanz steht im umgekehrten Verhältniss in der Haut und in den Haaren. Sie wird fast ganz zur Fär- bung der langen Haare bey den weissen, und vorzüglich bey den Frauenbaaren verwendet, während sie sich bey der Wolle und dem kurzer Haar der Neger ganz auf dem Chorion der Haut ausbreitet. 4) Gaultier applicirte Visicatorien bey Negern, und sah bald nach der Auflegung einer reitzenden Pomade die un- mittelbare Umgebung der Haaröflnungen sehr schwarz wer- den; später zertheilte sich die Farbe strahlenförmig von jedem der zahlreichen Punkte, wo sie entstanden war, ver- einigte sich mit jenen von den andern Haarzwiebeln, ahmte so die Verknöcherung platter Knochen nach, und bildete bald darauf nur eine sehr schwarze Oberfläche. 5) Lecat beobachtete eine schwangere Frau, deren Haut im Gesicht sehr schön schwarz wurde. Ihre Haupthaare wa- ren ebenfalls schwarz, zum Theil aber noch schwärzer, und zwar reichte die schwarze Färbung dieser stärker ge- färbten Haare bis auf 4 — 2 Linien oberhalb der Wurzel. *) A. a ©. und Recherches sur Porganisation de la peau de P’hunime et sur les causes de la Goloration 1809, p- 55. 140 Von der Farbe des Haars. Diese schwarze Farbe verschwand zwey Tage nach der Entbindung, und die Wäsche wurde davon gefärbt. 6) Schwarze Albinos und weisse Flecken, die man manch- mal auf der Haut weisser Menschen findet, beweisen, dass nicht allein die Veränderung der Farbe der Haare immer mit jener der Haut zusammenfällt, sondern auch, dass die Haare den Mittelpunkt dieser Veränderungen ausmachen. So hatte eine von Geburt weisse Negerinn blonde Kopf- und Augenliederhaare; eine andere, deren Haut stück weise weiss war, hatte überall an den weissen Hautstellen auch weisse Haare, und schwarze, wo die Haut schwarz war. Ein Fiaker, dessen Haut an mehreren Stellen weiss: ge- fleckt war, hatte daselbst überall weisse Haare, und an mehreren benachbarten Orten sah man die Haare von weissen Punkten umgeben. 7) An den Narben kommen sehr oft weisse Haare hervor. Manche sehr weisse Personen haben dennoch sehr schwarze Haare ; die Haut der Europäer und vieler 'Thiere ist heller, als ihre Haare; der Igel, Dachs und andere '[hiere haben schwarze und weisse Ringe in ihren Haaren, ungeachtet die Haut während des Wachsthums der Haare gleichfarbig ist. Auch kommen derley stellenweise verschiedentlich ge- färbte Haare oft mit andern von einerley Farbe an einem Individuum gemischt vor. Wenn ich nun die angeführten Meinungen und T'hatsa- chen mit vergleichendem Blicke überschaue, so fühle ich mich berechtigt anzunehmen: 1) Dass die Erfahrung eine Uehereinstimmung zwischen Haut und Haare ın Bezug auf Farbe unläugbar nachweise, und dass sich diese Uebereinstimmung selbst auf die Re- genbogen - und Aderhaut des Auges übertragen lasse, in- dem man bey gefleckten Thieren sogar die T'rauben- und Aderhaut ebenfalls gefleckt gefunden hat. Auch ändern sich die Flecken der Iris mit jenen der Haut in Rücksicht ihrer Farbe. So wurden nach Heusinger’s Angabe bey einem jungen, weiss und grau gefleckten Hunde seine weis- sen Körperhaare allmählig gelbgrau, die grauen schwarz, und seine weissen Flecken auf der Iris wurden dunkler, und verschwanden ganz. Sehr entscheidend in dieser Sache ist wohl die gleichzeitige Farblosigkeit der Haare und Au- gen bey den Kakerlaken. — Dass wir nichts desto weni- Von der Farbe des Haars. 14 ger bey sehr weisser Haut oft dunkelschwarze Kopfhaare treflen, ist zwar wahr, kann aber den aufgestellten Satz durchaus nicht entkräften, sondern muss als Ausnahme betrachtet werden. In anatomisch - physiologischer Bezie- hung ist vollends gar nichts dagegen einzuwenden, indem, wie wir gesehen haben, die Haut als der mütterliche Bo- den, auf welchem die llaare entspringen und gedeihen, zu betrachten ist, Dasselbe Blut, welches in der Haut kreiset, nährt auch das Haar, und dieselben Nerven ver- sorgen Haut und Haare zu gleicher Zeit. Wenn also, wie ich gleich beweisen werde, alle Färbung im menschlichen Körper ihren letzten Grund im Blute hat, so ist es ein- leuchtend, warum die Farbe der Haut mit jener der in ihr wachsenden Haare in der Regel identisch seyn müsse. 2) Niemand wird den grossen Einfluss des Lichtes auf die Farbe der Haare läugnen,; und es ist eine merkwürdige Thatsache, dass die dem Lichte mehr ausgesetzten Haare (des Kopfs, Barts, der Augenbraunen und Augenlieder) ge- wöhnlich auch dunkler gefärbt sind, als die von uns meist bedeckt gehaltenen Haare des Rumpfes und der Ex- tremitäten. Auch findet man denjenigen Theil des Haar- schaftes, welcher noch in der Haut steckt, mit Ausnahme des in der Mitte laufenden dunklern Streifens stets, und bey allen Haaren, selbst bey den Negern weiss. Es scheint also, dass das Licht einen besondern Einfluss darauf habe, dass sich die färbende Substanz auch dem Rindenkörper des Haarschaftes mittheile. Osiander*) machte in dieser Hinsicht die interessante Erfahrung, dass die krausen, pechschwarzen Wollhaare der dem Lichte ausgesetzten Seite rötblichbraun wurden, während die der andern Seite schwarz blieben. 5) Trotz den angegebenen, sehr genauen und lobenswer- then chemischen Analysen der Haare ist uns dennoch, ich behaupte es fest, die färbende Substanz derselben noch im- mer einRäthsel. Wir kommen hier zuerst auf die uns so oft empfindliche Unvollkommenheit der organischen Chemie, in so fern ihre Resultate auf die Erklärung physiologischer Erscheinungen angewendet werden sollen. Berzelius selbst, der grosse Chemiker, hegt gegründete Zweifel, ob NEN, a0 142 4) Von der Farbe des Haars. das von Vauquelin in den Haaren gefundene Oel nicht vielmehr Product, als Educt sey. Auch sind unsre Metho- den, Haare zu färben, gar nicht auf irgend ein Oel, son- dern auf den in den Haaren vorhandenen Schwefel gerich- tet. Ferner habe ich weder ım lebenden Zustande, d.h. so lange das Haar noch mit dem Körper in Verbindung war, noch an dem herausgerissenen je etwas bemerken können, was einem farbigen Oel vergleichbar gewesen wäre; und endlich lässt sich die Sache eben so gut mit diesem Oel, als ohne dasselbe erklären. Eine nicht minder wichtige Frage ist die: ob das färbende Princip, wie wohl fast allgemein geglaubt wird, immer nur in der innern, oder ob es nicht auch, wenigstens in gewissen Fällen und unter bestimmten Umständen in der äussern Substanz des Haars seinen Sitz habe? Auf diesen Zweifel brachte mich die Untersuchung (der Farbe nach) gefleckter und geringelter Thierhaare. Wenn man z. B. den Igelstachel, oder die Stacheln des Stachelschweins der Länge nach spaltet, so ist gerade die äussere Substanz an jenen Orten, wo sich an der äussern Oberfläche schwarze oder bräunliche Ringe befinden, dunkler gefärbt während die innere Substanz durchaus gleichmässig schnee- weiss ist. — Zwar muss ich zugestehen, dass ich bey allen feinern Haaren den sogenannten Canal, d. i. die innere Substanz stärker gefärbt, und die Rinde ganz durchsichtig fand. Dagegen zeigte sich wieder in vielen andern, weni- ger durchsichtigen Haaren, oft gerade das Gegentheil. — Was mir übrigens in dieser Sache äusserst wichtig und beynahe entscheidend zu seyn scheint, ist die Beobach- tung, dass man häufig die zwischen den feinen Lamellen der Marksubstanz befindlichen Zwischenräume mit einer dunkeln Substanz angefüllt findet, die jeden sogleich auf den Gedanken bringt: es sey diess eine gestockte, gleich- sam im Aufsteigen stecken gebliebene, flüssig gewesene Materie. — Ich vermuthe demnach, dass wirklich etwas die besagten Lamellen von unten nach aufwärts durchdrin- ge, und dass es von der Menge der färbenden Substanz , deren Sitz in der Regel doch im Innern des Haars zu seyn scheint, abhänge, ob sich diese auch in die Rindensub- stanz verliere. Allein räthselhaft bleibt es uns dann immer noch, wie bey Haaren, welche aus abwechselnden, scharf- 5) 6) Von der Farbe des Haars. 143 begränzten sehr kleinen weissen, und schwarz oder dunkel- gefärbten Abschnitten bestehen, der Färbestoff bloss an die einzelnen Ringe sich absetze. Sollte diess vielleicht von der Wirkung des Lichts herzuleiten seyn? Die oft gemachte Beobachtung, dass der im Säckchen der Zwiebel steckende Schafttheil immer in der Mitte einen gefärbten Streifen zeigt, welcher mit dem eben so gefärbten Boden der Haarzwiebel in unmittelbarer Verbindung steht, und dass der ihn um- gebende Rindentheil immer ungefärbt und durchsichtig ist, spricht nicht minder dafür, dass die innere, und nicht die äussere Substanz ‘das färbende Princip in ich trage. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die färbende Materie im Haare von unten aufwärts steige. Diess erhellt theils aus dem schon Angeführten, theils durch folgende That- sache: Compagne *) in Tijean beobachtete eine Frau von 36 Jahren, die von einem bösartigen Fieber befallen wurde, und deren schwarze Haare am 23sten Tage so schnell zu bleichen anfingen, dass sie sechs Tage darauf vollkommen weiss waren, am siebenten aber wieder dunk- ler wurden, und am vierzehnten Tage nach ihrer Farben- änderung ihre vorige schwarze Farbe wieder bekamen. — In solchen Fällen, so wie auch beym Dunklerwerden der Jugendhaare, kann der genaue Beobachter eben so leicht das allmählige Wiederfärben der Haare deutlich von un- ten nach aufwärts bemerken, wie er das Bleichen der Haa- re im Alter in umgekehrter Richtung fortschreiten sieht. Die eigentliche und innere Natur der färbenden Substanz kennen wir aber nicht, daher bleibt uns auch die Ursa- che verborgen, warun das eine Haar blond, das andere roth oder schwarz ist. Alle Angaben, die darüber beste- hen, haben nur hypothesische Gültigkeit. Wir wissen eben so wenig, warum die Haare z. B. schwarz sind, als wir wissen, warum die Farbe der Galle gelb, und die des Chylus weiss ist. Das aber kann nicht abgeleugnet werden, dass die Quelle dieser, so wie aller übrigen Se- und Fxcretionen das Blut ist. Ich denke mir nämlich die Abscheidung dieser färbenden Substanz wie jede andere Secretion im Innern des Organismus, und glaube, dass *) Annal. general. des sciences physig. par Bory de Saint Vin- cent, Drapiez et Van Mont. Tom. III. p. 335. 144 Von der Farbe des Haars. auf dem Boden der Haarzwiebel, den wir bey dunkeln Haaren immer stark gefärbt finden, aus den Endigungen der eindringenden Capillargefässe dieses Pigment ausge- schieden, und durch die zelligen Räume der Marksubstanz des Haarschaftes gleichartig vertheilt werde. Ich hege starken Zweifel, dass diese färbende Substanz, wie sie in diesen Zellen sich findet, immer flüssig, d. h. tropfbar flüssıg sey, und zwar aus dem Grunde, weil es mir nie gelang, im Haarschafte eine Flüssigkeit darzustellen; und ich kam schon längst auf den Gedanken, dass sie viel- leicht gasartiger Natur sey. “Wäre diess, dann hätten die Galen’schen Yapores fuliginosi wohl eine tiefere Bedeu- tung, als man bisher vermuthete. Dieser Ansicht scheint jedoch der schon oben angeführte merkwürdige Umstand zu widersprechen, dass man häufig mitten in der Marksub- stanz des Haars nach einer Richtung gelagerte, bald grös- sere, bald kleine, mehr oder weniger undurchsichtige Fle- cken und Streifen findet, die man für Reste einer gestock- ten Flüssigkeit zu halten versucht wird. Wie aber, wenn man diese Streifen für Niederschläge aus der dunstförmiı- gen färbenden Substanz halten möchte? Gegen die tropf- bare Flüssigkeit spricht auch noch folgender Umstand: Wo immer im menschlichen Organismus eine tropfbare Flüssigkeit aus dem Blute secernirt wird, ist auch eine entsprechende Gefässvorrichtung da, durch welche eine angemessene Resorption vermittelt wird. Wer zeigt mir aber eine solche bey den Haaren? Mascagni wird man sagen, allein ihm ist das ganze Haar, so wie alle jene Theile, welche keine Blutgefässe und Nerven besitzen, ganz aus Lymphgefässen zusammengesetzt *); eine oflen- bar sehr übertriebene Behauptung. So aber könnte man annehmen, dass sich dieser färbende Dunst durch die Po- ren des Haars mit der Aussenwelt in Verbindung setze, durch die Einwirkung der atmosphärischen Luft mehr oder weniger coagulire, tropfbar werde, und so dasPigment ab- gebe, dessen Daseyn einige dadurch beweisen wollten, dass sie die Wäsche davon beschmutzt angaben. Noch andere glaubten, dass sich dieses Pigment gleich der Materie der *) Prodromo della grande Anatomia del celebre Paolo Mascagni. 4. Cap Von der Farbe des Haars. 145 unmerklichen Ausdünstung mit der umgebenden Luft ver- mischt. Doch diess sind laute# Vermuthungen, über deren Werth erst gediegenere Erfahrungen entscheiden müssen. Es erübrigt jetzt noch, erwas Weniges über das Blei- chen der Haare im Alter zu sagen. — Bey den Alten waren darüber ebenfalls wieder verschiedene Meinungen im Um- lauf. Hippocrates leitete das Ergrauen der Haare von den weissern Säften, welche diese aus der Haut an sich ziehen. Aristoteles dringt wie überall, wo es auf naturhistorische und anatomische Kenntnisse ankommt, schon tiefer ein. Er gab zuerst an, dass die Spitze des Haars zuerst bleich wird, unterlegt jedoch diesem Erfahrungssatze einen ganz unstatt- haften Grund, indem er sagt, weil dieser Theil am heisse- sten und dünnsten ist *). Ferner heisst es bey ihm: „Das Pferd ausgenommen, findet man das Grauwerden weit seltner bey den Thieren als beym Menschen. Ein stets bedecktes Haar wird leichter grau, als wenn es den Veränderungen der Atmosphäre ausgesetzt wird. Unter allen 'Thieren wird der Mensch allein am vordern Theil des Hauptes kahl, weil die- ser das Hirn enthält. Die Schläfenhaare bleichen zuerst, die Schamhaare zuletzt, et omnium lentissime palpebrae **).“ Er nennt den Kahlkopf g&raxporyg, an den Augbraunen aber «vaparavriecıc. Auch nimmt er das Austrocknen der Haare nicht für den hinreichenden Grund des Grauwerdens an, weil die Haare manchmal plötzlich und durchaus weiss werden, und doch nichts auf einma! austrocknet. Er hält das Bleichen vielmehr für eine Fäulung — eine Art von Schimmel — und sucht diess durch die Thatsache zu unterstützen, dass die Luft die Haare länger schwarz erhält ***). Galen äussert sich über das Bleichen der Haare so: »Qui- bus autem ad summam siccitatem cutis capilis non pervenit, imbe- eilli his omnino, albique pili fiunt, quos vulgo canos appellant ; im- becilli nempe convenientis alimenti penuria; albi vero propteren quia alimentum veluti situs est pituitae, quae spatio computruit.« Das frühere Ausfallen der Scheitel- und das Ergrauen der Schläfenhaare erklärt er so: »Jam calei fiunt homines, cum se- *) Arıstot. 5. gen. an. 5. "His. ce, 10. ***) Hist. lib. 3. cap. 11. Eble’s L.ehre von d. Haaren Il. Bd, 10 146 Von der Farbe des Haars. nescunt ex sincipite magis, canescunt magis a temporibus, quoniam illud omnium capilis parlium est siccissimum ; tempora vero humi- diora sunt.« — Es steht also nach ihm die Trockenheit der Haut mit dem Ausfallen und Grauwerden der Haare im gera- den Verhältnisse. — Malpighys Ansicht über diesen Punct wurde oben schon angeführt. Trefflich ist der Unterschied zwischen den weissen Haa- ren der Kinder und jenen der Greise von Glisson in folgen- den Worten angegeben *): »Jene sind blühend, und schreiten ın ihrer weitern Vervollkommnung ımmer fort, diese aber sind abgestorben, und sind das Gepräge des Mangels und des Al- ters. Jene sind saftreich und sehr warm, diese trocken, und haben einen sauren und leeren Saft in sich, der sie ernährt. Jene sind wegen ihrer Fettigkeit undurchsichtig, diese haben wenig Fett, aber desto mehr Salze u. dgl., und sind daher einigermassen durchsichtig. Jene sind schön, anlockend, und zeigen Freundlichkeit und Fassungskraft an, diese gewähren einen traurigen, finstern, rauhen, Ernst drohenden Anblick, und gebieten Verehrung.« — Bartholin**) folgt grössten- theils dem Aristoteles, und lässt die Fäulniss eine grosse Rolle beym Erbleichen der Haare spielen. Diemerbroek aber setzt die Ursache des Bleichwerdens nicht geradezu in einen Mangel des Nahrungsstoffes, sondern in die häufigere Er- zeugung der Pituita, welche sodann dem Haarsafte beygemischt wird. So erklärt er auch, warum die Kopfhaare zuerst er- grauen , »quia in capite in frigidiori senili aetate pituita citius cu- ” mulatur.« In dieser letztern Ansicht liegt insofern etwas Wahres, als es nicht zu läugnen ist, dass das Ergrauen der Haare bloss vom Mangel des färbenden Princips, keineswegs aber vom Hinzukommen irgend einer neuen Substanz abzuleiten ist. Da nun aber dieser Mangel gerade mit allen jenen Umständen zu- sammentrifit, die einen Ueberschuss an weissen Säften (Pituita) beurkunden, so ist der Ausspruch Glisson’s nicht ganz un- richtig. Die Sache unterliegt übrigens weder einem Zweifel, noch weniger grossen Streitigkeiten, wenn man, wie ich oben ange- geben habe, sie so betrachtet, dass die färbende Substanz ganz *), A. 2.0, BA, '2., 0. p. 457, Von der Farbe des Haars. 147 nach Art anderer Säfte im Körper secernirt wird. Denn wie im Alter, sey es nun auf natürlichem oder künstlichem Wege her- beygeführt,, alle Secretionen nach und nach abnehmen, und die Ernährung oder Reproduction der Theile immer mangel- hafter wird; so wird auch das Blut, das zu den Haarzwiebeln geht, nicht mehr mit jener Materie gesch wängert, oder wenig- stens allmählig daran abnehmen, von welcher unter Begünsti- gung und Mitwirkung der erulichen Verhältnisse das firbende Prinecip dem Haare mitgetheilt wurde; — und weil das Aus- fallen der Haare auf ähnlichen Gründen beruht, insofern sie nämlich auf die Ernährung des ganzen Haars bezogen werden, so ist es begreiflich, warum beyde Erscheinungen so häufig zu- sammenfallen. Anmerkung 1. Dass die Farbe der Haare sehr oft auch erblich sey, beweisen uns die auf dem ganzen Erdboden zerstreuten, und doch fast überall schwarzhaarıgen National-Juden. Ein Gleiches fin- det man auch bey den Negern. Leute mit blondem, braunen oder schwarzen Haaren erzeugen gewöhnlich auch ähnlich behaarte Kin- der. Wenn die beyden Aeltern verschieden gefärbteHaare haben, so ist die Haarfarbe der Kinder meist eine gemischte, oder es äh- nelt ein Kind der Mutter, das andere dem Vater ganz, oder es folgen alle dem einen oder dem andern, Interessant sind die Re- sultate, welche Prof. Hofacker aus den Registern der Beschäl- Institute in Würtemberg gezogen hat. Diesem zu Folge zeigt die weisse Farbe hinsichtlich ihrer Vererbung keine bedeutende Ei- genthümlichkeit, die rothe geht selten in die braune, die weisse nicht ın die schwarze über. Bey den verschiedenartigsten Hans- thieren zeigen aber selbst die verschiedenartigsten Farben eine P) auffallende Neigung in das Weisse überzugehen, so dass am Ende weisse oder Schimmelthiere die Oberhand gewinnen. Grauschim- mel mit Grauschimmel zeugen selten Schimmel, goldfarbene hel- lere Jungen, deren Enkel Isabellen werden. Auch hält er die weissen Tauben, Hühner, Ziegen, Katzen, Hunde, Ochsen, Pferde u. s. w, für die höchste Veredlung wie beym Menschen *). Anmerkung 2, Nebstdem, was ich schon von Aristoteles über den Einfluss des Wassers auf die Farbe der Thierhaare angeführt habe, lese ich auch bey Strabo**), dass die Aeihiopier desshalh schwarze und krause Haare hätten, weil sie das Wasser des One- sieritus trinken, und bey Plinius, dass die aus dem Sibaris tranken, schwarze und krause , die aus dem Crathis tranken, *) Siehe, Hofacker’s Werk: Ueber die Eigenschaften, welche sich bey Menschen und Thieren von den Aeltern auf die Nachkommen vererben, Tübing. 1828. **) C. 15. Geogr, p. 463. %* 40 ) Ki Fr 4148 Allgemeine oder Hauptverrichtungen der Haare. weisse und weiche gerade Haare bekamen. Nach Theophra- stus war ın Macedonien ein Fluss, der weisse Haare machte, Dasselbe behauptet Plinius auch von den Flüssen in Galatia, Cappadocien und Medien, Zweyjtes Hauptstück. Von den eigentlichen Verrichtungen der Haare. 1. Von den allgemeinen oder Hauptverrichtungen derselben. Hier ist zunächst der Ort, von den ım Paragraphe 98 des ersten Bandes angeführten allgemeinen oder Hauptverrichtun- gen um so ausführlicher zu sprechen, als ich mich dort hier- auf bezogen, und desshalb den Gegenstand ganz übergangen habe. Ich zähle aber unter diese Klasse von Verrichtungen, die nämlich theils allen Haaren des Menschen zukommen, theils einen mehr oder weniger grossen, aber immer wesent- lichen Einfluss auf den ganzen menschlichen Organismus haben, \ a) die Binsaugung, b) die Ausdünstung gewisser Stoffe, und c) die electrische Spannung. $. 135- Von der Einsaugung gewisser Stoffe, in so fern sie durch die Haare vermittelt wird. Es kann wohl keinem Zweifel unterworfen werden, dass die Thier- und Menschenhaare, gleich denen der Pflanzen, das Vermögen haben, Stoffe von Aussen aufzunehmen.* Alle jene Thatsachen, welche ich oben zur Bekräftigung ihrer hygrome- tischen Eigenschaft angeführt habe, sind zugleich eben so viele = 3 zz a Von der zung gewisser Stoffe etc. 149 Beweise für die eben aufgestellte Behauptung, indem sie dar- ihun, dass die in der Atmosphäre enthaltenen Flüssigkeiten von den Haaren aufgenommen werden. Desshalb sind unsre Haare weicher, biegsamer, schwellen an bey feuchter Wit- terung, und verhalten sich umgekehrt bey trockener Atmo- sphäre; desshalb findet man in den heissen Gegenden mehr krause und struppichte Haare als in kältern, und in den trock- nen und zugleich kalten Klimaten stärkere und steifere Haare als in den gemässigten. Dass übrigens die Lebensart, die Bedeckung, und die Behandlung der Haare selbst hier- auf einen so mächtigen Einfluss haben, dass wir nicht selten gerade das umgekehrte Verhältniss beobachten, wird jeder leicht einsehen, der die Wirkung dieser Einflüsse auf den Le- bensprocess der Haut, und also auch auf den der Haare zu würdigen versteht. Vorzüglich darf denn auch die Neigung zu Schweissen hier nicht übersehen werden. Einen weitern Beleg für unsern aufgestellten Satz finden wir in der fast allgemein angenommenen Sitte, die Haare mit verschiedenen Salben und Wässern zu behandeln. Ich hoffe nicht, dass Jemand einwenden wird, die Einsaugung oder Aufnahme dieser Stofle geschehe eigentlich nur durch die Haut; denn man kann sich sogleich vom Gegentheil über- zeugen, wenn man z. B. ein zusammenziehendes Haarwasser aus China - Eichenrinden- oder Ratania- Absud mit Alaun etc. auf die Haare bringt: sie werden davon, sobald sie etwas tro- cken sind, ganz rauh und steif, und verlieren diese Beschaf- fenheit erst nach Verlauf von 8 — 40 Stunden, innerhalb welcher von der Haarwurzel aus wieder so viel Haarsalbe zu- geführt worden, als nöthig ist, dem Haar seine vorige Ge- schmeidigkeit wieder zu En Umgekehrt verhält sich die Sache bey von Natur aus harten, rauhen und spröden Haa- ren, wenn man ihnen mit Haarsalben zu Hülfe kommt. Auch würden unsere Haare, die wir der Gewohnheit gemäss täglich mit Pomaten einschmieren, eine förmliche Rinde von Schmutz, und somit eine weit grössere Dicke erlangen, wenn nicht das Meiste jener Pomaten aufgenommen würde, obgleich nicht zu läugnen ist, dass vieles durch die Kopfbedeckung abgestreitt werde. Dass aber nicht allein reines Wasser oder solches, das mit Pflanzentheilen geschwängert ist, in das Innere der Haare übergehe, sondern dass diess auch von festen Stollen, besonders wenn selbe in Flüssigkeiten aufgelöst sind, behaup- 150 Von der Einsaugung gewisser Stofle etc. tet werden könne, beweisen uns die später anzuführenden abnorm gefärbten grünen und blauen Haare der Metallarbei- ter, welche bekanntlich diese Farbe bloss von den in ihrer Atmosphäre aufgelösten oder wenigstens dunstförmig enthalte- nen metallischen Bestandtheilen erhalten, insofern selbe näm- lich auf die Mischungstheile der Haare selbst wirken, also vom Haare aufgenommen werden. Sollte Jemand gegen alles Ver- muthen diesen Angaben keinen Glauben schenken, so kann er sich jeden Augenblick selbst insofern von der Wahrheit meiner Behauptung überzeugen, als er nur die Haare künstlich zu färben versuchen darf. Wie dieses geschehe, soll weiter unten erörtert werden. — In den angeführten 'Thatsachen liegt zngleich die Richtigkeit der Angabe, dass auch Luft oder reine gasartige Stofle den Haaren zugängig seyen, und von diesen wirklich aufgenommen werden. Denn es lässt sich nicht den- ken, dass eine feuchte Luft, ein Dunst, ohne seine Basis, also ohne die Gasart in das Haar eindringe; wir müssen demnach zugeben, dass diess auch von einer trockenen Luft gelte. So wird es uns jetzt erklärlich, wie Osiander *) auf die Meinung kommen konnte, dass die Haut des Fötus aus dem dasselbe umfliessenden Fruchtwasser mittelst der aus der Haut hervorstehenden vielen Härchen trinke; und wir begreifen jetzt ganz wohl, wie Wolfart **) die eigentliche Verrichtung der Haare und ihren daraus hervorgehenden Nutzen für den thie- rischen Haushalt, in die eigene Zersetzung der sie umgebenden Atmosphäre, ja selbst des Wassers setzte, wobey sie wahrschein- lich gleichzeitig mit und durch Aufnahıne des Sauerstoflgases einen gehörigen Theil an Electricität gewinnen, während viel- leicht eben in dieser Verbindung ölig wässerige Feuchtigkei- ten von ihnen ausgedünstet werden. Ich habe nun zwar wohl die Form der Stoffe im Allge- meinen bestimmt, unter welcher ein Uebergang derselben in dasInnere des Haars Statt zu finden pflegt, ja ich habe sogar bey einigen derselben die Natur anzugeben gesucht, wie z. B. voın Wasser, den metallischen Dünsten, dem Pflanzenabsude u. s. w, Dessen ungeachtet glaube ich doch keineswegs in der wahren Kenntniss in Bezug auf das zu seyn, was man ausschliesslich ARLALO. **) Asclepieion 1811, N. 40, 41 S. 14. Von der Einsaugung gewisser Stoffe etc. 151 für geeignet halten dürfte, von den Haaren aufgenommen zu werden. Denn ich muss sehr bezweifeln, dass diejenigen Sub- stanzen, welche theils ohne, theils mit unserm Zuthun mit den Haaren in Berührung kommen, ganz und gar, gerade so wie sie sind, auch von letztern aufgenommen werden. Es kommt daher die Frage zu entscheiden, welche Theile dieser Substanzen theils ganz, theils vorzugsweise dazu be- stimmt, und welche gar nicht dazu geeignet sind? — Die Lö- sung dieser Frage ist jedoch wahrlich keine leichte Sache, und ich gestehe offen meine Unfähigkeit dazu. Nichts desto weni- ger ist es mir sehr wahrscheinlich, dass, obgleich man dem Haarschafte das Leben im gewöhnlichen Sinne abgesprochen hat, an seiner Oberfläche dennoch ein ähnlicher chemisch- vitaler Scheidungs- und Anziehungs - Process zwischen den von aussen eindringenden und den organischen Substanzen des Haars selbst Statt finde, wie ıhn doch Niemand an der Ober- fläche der ganzen Haut zu läugnen pflegt, obgleich diese auch durch die, mit dem Haare zum Horngewebe gehörige Ober- haut geschützt und isolirt ist. Ich stimme daher in diesem Bezuge ganz der Meinung Wolfarts bey, und möchte die Haare vorzüglich dann nicht bey Seite gesetzt wissen, wenn von dem Respirationspro- cess der Haut die Rede ist. Denn was steht wohl der Annahme im Wege, dass durch die Absonderung des Pigments in den Haarzwiebeln das Blut seiner kohlenstofligen Theile entledigt, und, so wie an der ganzen Hautoberfläche, aus der atmosphärischen Luft mit Sauerstofi geschwängert werde? Ich bin daher geneigt, die Haare für Athmungswerkzeuge—- ähnlich den Tracheen der Insecten— also mitOken für einfache Kiemen, welche in der Luft vertrocknet sind, und vom Athmungspro- cess nur den electrischen oder Oxydirungsgehalt ausüben, zu hal- ten. Diese Ansicht findet ihre Hauptstütze in der vergleichen- den Anatomie. Denn wir finden, wie aus dem Frühern sattsam erhellt, schon in den Thieren der untersten Classen, wo noch keine Spur von Kiemen oder Lungen wahrzunehmen ist, die Oberfläche ihres räthselhaften Körpers mit Haaren, oder we- nigstens haarähnlichen Verlängerungen besetzt, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass diese Verlängerungen als wahre einfache Hautkiemen zu betrachten, und dazu bestimmt sind, die Aufnahme des Sauerstoflfes aus der Atmosphäre oder dem Wasser zu vermitteln. Bey den Iusecten ist diese Bestimmung 152 Von der Einsaugung gewisser Stoffe ete. noch in die Augen fallender, da sich die Haare dieser Thiere zuerst als wirkliche Kiemen, und dann als vertrocknete darstel- len, und sich dadurch von den Haaren der höhern Thierklas- sen wesentlich unterscheiden, welche nur in der. letztern Ei- genschaft, nämlich als einfache, in der Luft vertrocknete Haut- kiemen in die Erscheinung treten. Aus diesem Grunde mag es auch einleuchten, dass die Haare der höhern Thierklassen und des Menschen als Athmungswerkzeuge oder Kiemen doch lange nicht die hohe Wichtigkeit für die Oekonomie des Körpers haben, als jene der niedern Klassen, indem diesen ein Organ fehlt, welches die Function des Athmens in jenen auf die voll- kommenste Weise bewerkstelligt, ich meine die Lungen. — Noch muss ich bemerken, dass gerade diejenigen beyden Thier- klassen, in welchen das Haarsystem eine Hauptrolle spielt, und wenigstensin extensiver Hinsicht zu seiner höchsten Entwicklung gelangte, (ich meine die Insecten und Vögel), sich auch durch vorwaltend ausgebildete Respiration vor den übrigen auszeichnen. Durch diese Annahme werden die Haare nicht nur aus ihrer unverdienten Geringschätzung zu einer wichtigen, orga- nischen Würde erhoben, sondern auch die eben so auffallen- den, als bisher räthselhaft gebliebenen Wirkungen einigermas- sen erklärt, die wir bey sehr vielen Zuständen in den Haa- ren auftreten sehen, und welche das Leben in seiner Totalität ergreifen; z. B. das plötzliche Ergrauen nach statt gehabten heftigen Leidenschaften, die auffallend guten oder auch bösen Folgen des Haarabschneidens in gewissen Krankheiten u. s. w. Alles dieses gewinnt noch einen viel grössern Werth, wenn wir die electrischen Wechselverhältnisse genauer mit ın Anschlag bringen, welche zwischen den Haaren und der At- mosphäre so augenscheinlich bestehen. Jedermann weiss, und es ist auch schon oben erinnert worden, dass die Haare der Menschen und Thiere idioclectrisch , dass sie mit einem andern Ausdrucke schlechte Leiter für die Electricität sind; auch hat man zu allen Zeiten zugegeben, dass gerade die Haare vor- zugsweise vor allen übrigen Organen des Körpers zur Anhäu- fung des electrischen Fluidums, und zur Hervorrufung oder Erzeugung sogenannter electrischer Erscheinungen geeignet sind. — Ich will gerne beystimmen, dass manche jener Erzäh- lungen von Haaren, die während des Kämmens, oder, was noch wichtiger ist, bey einer Gewitterlufi, von einem leuch- tenden Scheine umgeben waren, oder gar feurige Funken von Von der Einsaugung gewisser Stoffe etc. 153 sich gaben, in das Reich der Fabeln gehöre; dessen ungeach- tet kann die Wahrheit nicht beinträchtigt, und daher auch die Glaubwürdigkeit wenigstens mancher derselben nicht in Zweifel gezogen werden. So erzählt uns selbst Dr. Jahn *) dass ein Freund von ihm einen Mann kannte, der jenen Schein zeigte, immer beym Anfang eines Gewitters aufs höchste exal- tirt, dann aber wie berauscht, und nur mit Mühe vom Ein- schlafen abgehalten wurde. Es ist allgemein bekannt, dass man aus den Haaren vieler Thiere, namentlich einiger aus dem Katzengeschlecht, durch Streichen electrische Entladungen hervorrufen kann, die sich sogar durch Funkenwerfen charak- terisiren. Jahn beobachtete selbst zwey Menschen, einen roth- und einen schwarzhaarigen, deren Haare bey heiterer Winter- luft durch Reiben Funken gaben, und zwar waren die Funken häufiger beym Rothkopf, als bey dem schwarzhaarigen Bä- ckergesellen, dessen Haare übrigens dabey weit mehr knister- ten, als die des andern. — Dass ein Pelz mehr erwärmt, des- sen rauhe Seite nach aussen gekehrt ist, rührt bloss daher, dass die Haare die Electrieität und Wärme zuleiten. So sehr also die wahre Bedeutung dieser gewiss sehr wich- tigen Erscheinungen noch im Dunkeln liegen mag, so kann denn doch nicht geläugnet werden, dass a) die Haare ollenbar zur Ansammlung, zur Condensation der electrischen Materie dienen, und das sie 5) eben dadurch auch in einer ganz eigen. thümlichen Beziehung zu der atmosphärischen Luft, und na mentlich zu einigen ihrer Bestandtheile stehen. Unter diese ge- hört nun vor allen der Sauerstoff, von welchem wir wissen, dass er bey allen electrischen und galvanischen Vorgängen eine Hauptquelle für die Entwicklung der Electrieität ist. Da nun aber gerade der Sauerstofl den Athmungsprocess so vor- theilhaft unterstützt, und somit auch den ganzen Lebensprocess auf eine ganz eigene Art anregt, so wird die Bedeutung der Haa- re als Athmungswerkzeuge dadurch nur um so wahrschein- licher. — Gasarten sind es also zunäßhst, und nicht allein tropf- bare oder gar feste Körper, die ihren I/mtausch in den Haaren erleiden, und electrisches Fluidum ist es, das aus der Atmo- sphäre dem Haare mitgetheilt, von diesem auf eine eigeuthüm- liche Art gewissermassen absorbirt, zurückgehalten, und wahr- scheinlich durch die Haarzwiebel dem Körper mitgetheilt wird. ) Ara: pn 10. 2, "Thl 154 Von der Einsaugung gewisser Stoffe etc. Treten dann Verhältnisse ein, wo der Organismus, sey es nun auf normale oder krankhafte Weise, sich selbst ein Uebermass von diesem Fluidum schafft, dann wird es sich, auf entgegen- geseiztem Wege an die Peripherie des Körpers gebracht, wie- der in den Isolatoren — den Haaren — ansammlen, und da es in zu grosser Menge im Körper zurückgehalten wird, hyper- sthenische Zustände erregen, bis man ihm auf irgend eine Art — durch Entziehung der positiven Lebensreitze, des Blutes u. d. gl., oder durch gänzliches Abschneiden der Haare — ei- nen Ausweg verschaflt, oder seine schädliche Menge auf ein unschädliches Mass herabgesetzt hat. Diess ist wenigstens eine nicht ganz zu verwerfende Art, die guten und bösen Folgen des Haarabschneidens bey und nach Krankheiten, oder in ge- wissen Lebensperioden zu erklären, worauf übrigens noch in der Pathologie nähere Rücksicht genommen werden soll. Endlich scheinen mir auch die ganz sonderbaren Wirkun- gen des Haarstreichens, oder des Krauens bey Menschen und Thieren ihre einzig richtige Erklärung darin zu finden, dass wir sie auf die dem Körper auf solche Art mitgetheilte, oder wenigstens stärker erregte Rlectricität beziehen. — Wenn man einer Katze auf ihrem Rücken ganz sanft hinstreicht, so richtet sie nicht nur ihren Schwanz augenblicklich senkrecht in die Höhe, sondern zeigt auch noch durch andere auffal- lende Geberden, und namentlich durch ihr bedeutungsvolles Schnurren das Wohlbehagen an, in welches ihr ganzer Kör- per dadurch versetzt wird. — Bekanntlich werden muthige Pferde, oder andere scheue und störrische Thiere am besten durch das sogenannte Streicheln besänftigt, ja oft auf dieselbe Art eingeschläfert, wie das Kind auf dem Schooss der Mut- ter, welche mit ihrer Hand nur eine Zeit lang in den Haa- ren des muthwilligen Kleinen spielen darf, um ihn zur Ruhe zu bringen. Wer kennt nicht die wollüstige Empfindung, die den ganzen Körper blitzschnell durchzieht, wenn eine geliebte Hand — vorzüglich des andern Geschlechts — unsere Haupthaare streicht? — Auch scheint mir die Sache eben nicht unge- reimt zu seyn, wenn man die wenigstens in unserm Welttheile unter dem gemeinen, und ja wohl auch unter dem gebilde- ten Volke fast allgemein zu beobachtende Gewohnheit: bey Verlegenheiten sich die Haare zu streichen, einigermassen auf die sonach durch Erregung der Electrieität gesteigerten Lebenskräfte zu beziehen pflegt. — Endlich wird uns auf diese Von der Einsaugung gewisser Stofle etc. 155 Art auch die hohe Wichtigkeit des Bürstens der Haare in manchen Krankheiten erklärlich, indem dadurch ebenfalls auf Entwicklung der electrischen Materie hingewirkt wird; und in dieser Hinsicht ist der Rath Jahn’s wohl zu beherzigen: dass es da, wo es Belebung verschaffen soll, von den Kran- ken selbst, da aber, wo es ein Uebermass von Belebung ver- meiden soll, von andern Personen verrichtet werden müsse, und dass es in jenem Falle am kräftigsten wirken soll, wenn der Kranke dabey isolirt werde. Dem Einwurfe, dass sich alle diese Erscheinungen leichter und fasslicher dadurch erklären lassen, dass hier eigentlich die Haut, nicht aber die Haare zunächst in Anspruch genommen, und in ihren Lebens- äusserungen gesteigert wären, widerlegt die Thatsache vollstän- dig, dass man die angeführten Erscheinungen nur an be- haarten Theilen der Haut wahrgenommen hat. Da endlich Licht und Electricität in so naher Verwandt- schaft stehen, dass man letztere sogar ein concentrirtes Licht genennt hat, und da alle electrischen Erscheinungen im Grunde auch in einem eigenthümlichen, freylich noch nicht ganz klaren Wechselverhältnisse zwisehen der Sonne, als der Haupt- quelle des Lichts, und der Erde sammt den auf und in ihr enthaltenen Dingen beruhen; so scheint es eine tiefere Be- deutung, als man bisher glaubte, zu haben, dass alle Thiere, welche Haare besitzen, an der Lichtseite ihres Körpers be- haarter sind, als an der entgegengesetzten — der Frdseite. Ich weiss wohl, dass wir für diese Thatsache noch einen an- dern physiologischen Grund in Bereitschaft haben, den ich auch später ausführlich angeben werde; dennoch glaube ich den erstgenannten insofern würdigen zu müssen, als er uns einen neuen Weg eröflnet, auf welchem wir die belebenden Kräfte des Lichtes mittelst der Atmosphäre auf unsern Körper wirken sehen. $. 134. Von der Ausdünstung des Körpers durch die Haare. Die Idee, dass die Haare ausdünsten, oder dass über- haupt durch sie der Körper gewisse Stofle an die äussere Na- wur abgebe, ist so alt, als die Physiologie der Haare selbst. Die 156 Ausdünstung des Körpers durch die Haare. guten Alten dachten sich -die Haare wie Rauchfänge, durch welche die bösen Dünste des Kopfes davongingen. »Cum enim ex humoribus halitus sursum ad caput efferatur« sagt Gale- nus *), »crassioribus ejus excrementis potissimum ad pilorum ali- mentum natura abutilur ; in piris autem, quanto hi mulieribus sunt calidiores, tanto haec quoque excrementa sunt plura.« — Diese Meinung des grossen Mannes blieb so lange die herr- schende, als überhaupt seine Lehren allgemein galten, und die Physiologie weder von der Anatomie überhaupt, noch we- niger von der vergleichenden unterstützt wurde. Ueberall, wo man keinen speciellen Nutzen der Haare anzugeben wusste, nahm man seine Zuflucht zu der Behauptung, dass die Natur durch die Bildung der Haare das Unedlere des Bluts absetze, und theils zur eigentlichen Bildung der Haare selbst, theils aber zur förmlichen Ausscheidung aus dem Organismus durch die Haare verwende. Malpighi glaubte selbst, dass, weil die Thiere nicht allein eine flüchtige, dunstförmige, sondern auch wässerige und salzige Substanzen ausführen müssen, die Haare wahrscheinlich zur Excretion des Schweisses beytragen, so zwar, dass durch sie ein schmieriger Stoff aus dem Körper weg- geschaflt werde. Er fand an einem menschlichen Gesichte vier kleine Drüschen, die alle in einen g:meinschaftlichen Gang sich einmündeten, aus welchem sodann ein zartes, kurzes Haar hervorstieg; und glaubte daher, dass auf diesem Wege jener schmierige Safı aus den Drüsen zum Haar aufsteige, an letz- term auströpfele, und indem er die nahe gelegenen Theile der Haut befeuchte, selbe auch vor mechanischen und chemischen Beleidigungen schütze. Er wurde hierin noch mehr durch die Beobachtung bestärkt, dass aus den Höhlen an der Oberfläche der Haut, aus welchen die Haare hervorkommen, Sch weisströpf- chen heraussickerten, Im 47ten und 48ten Jahrhunderte sprechen die meisten Schriftsteller für die Ausdünstung der Haare. Man führte so- gar dieLöcher an, durch welche das Mark des Haars ausschwit- zen soll; z. B. Pozzi an der Schweinsborste; ja Puteus**) wollte sogar die Haare ihrer ganzen Länge nach siebartig durch- löchert, und zwar die grössern Löcher an der Zwiebel, die kleinern *) De usu partium. De pilis ac Mosis et varıorum philcsephorum de \ P Y generatione sententiae. Cap. 14. p. 578 — 579. **) Comment. Bonon, T. il. P. 1, C. 1. p. 148. Ausdünstung des Körpers durch die Haare. 157 am Stamm, und die kleinsten an der Haarspitze gefunden ha- ben. Buffon *) vermuthete, dass haarige 'Thiere nicht so fruchtbar seyen, weil sie durch die Haare stärker ausdünsten. Doch entgegnet ihm Haller **), dass die meisten Insecten viele Haare hätten, und dennoch sehr fruchtbar wären, Nichts de- sto weniger ist Haller selbst dafür, dass das Mark der Haare, da es beständig neu erzeugt werde, einen Abgang erleiden müsse — also ausschwitze, wenn das Haar einen neuen Zu- wachs verlangt. Nach Ludwig ***) befördern die Haare die Ausdämpfung des Oels, indem sie das Loch frey erhalten, und das Fadengewebe um die Haarzwiebel anschliessen helfen. — Hier. Kniphof ****) setzt den Hauptnutzen der Haare in ihre reinigende Kraft für den Körper, indem sie nach seiner An- sicht den schmierig fetten Auswurfsstoff aus dem Körper ent- fernen, ganz nach Art der Pflanzenblätter. Er sucht diese Be- hauptung durch folgende Erscheinungen zu beweisen: das nackte Haupt gibt, wenn es von der Sonne beleuchtet ist, auf einer weissen Wand einen Schatten ; im Winter steigen aus dem Kopfe arbeitsamer Menschen, und zwar von dem Theile der Haare, der nicht unmittelbar den Kopf berührt, eine Menge Dünste auf; die Haare der Kranken zur Zeit einer Hautkrise sind nass; die Haare fallen aus, wenn sie durch die scharfen Auswurfsstoffe in hitzigen und bösartigen Krankheiten ange- ätzt werden. Wenn die Transpiration vermehrt ist, erscheinen manchmal an haarreichen Orten früher Schweisstropfen, als an andern Orten des Körpers. (Dieser Haarsch weiss ist seinem Ge- halte nach verschieden: an den Haupthaaren wässerig und sauer). Im Nacken, am Kinne, unter den Achseln setzt sich sowohl an das Hemd, als auch an die Kleider eine schmierige, fette Masse ab; im Kamme sieht man die Kleye, wodurch er- dige Theile aus den Haaren ausgeschieden werden; je behaar- ter ein Mensch ist, desto mehr pflegt er zu schwitzen. Endlich will Kniphof die reinigende Kraft der Haare auch dadurch beweisen, dass er sagte: „die Haare seyen da um so häufiger, wo die Nerven sich in die Muskeln verlieren, indem die Haare *) Histoire nat. Tom. 2. p. 310. **) Element, physiol. Tom. V. 7) Hum. cut. inung. pP: 28. *’**) De pilorum usu, Erfordiae 1754. 158 Ausdünstung des Körpers durch die Haare. zur Reinigung desjenigen Saftes — sey er nun arteriös oder lymphatisch — dienen, der die Bewegung der Muskeln unter- hält, und, indem sie so viel zur Stärke dieser Muskeln bey- tragen. Diese letzte sonderbare Ansicht sucht er durch die Beobachtung zu unterstützen, dass man beym Fötus von eini- gen Monaten schon Haupthaare sieht (die nach seiner Meinung da sind, um den Saft für die Stirn-, Hinterhaupts- und Schlä- fenmuskeln zu reinigen). — Haller glaubt, dass die Haare an ihrer Spitze, und vielleicht selbst an ihrer ganzen Ober- fläche ausschwitzen. Nach Fourcroy besteht der Nutzen der Haare in einer Absetzung des Ueberllusses an Phosphorsäure. Und in dieser Voraussetzung behauptet er und Vauquelin, dass die Haare bey mehreren Thieren das Ausleerungsgeschäft der Harnwerk- zeuge übernehmen. Spätere französische Physiologen, besonders Villerme, schienen geneigt, die”Haare als Organe für die un- merkliche Ausdünstung, und so anzusehen, als wenn sie auch die Nieren-Secretion suppliren könnten *). — Ich weiss nicht, was daran Wahres ist, dass die sehr haarıgen Menschen ver- hältnissmässig weniger als andere uriniren sollen. Wäre diess, so stünde vielleicht auch das Erbleichen der Haare im Alter mit dem wenigen Harn, welchen die Greise lassen, in so fern im Zusammenhang, als die bleichen Haare noch stark wach- sen, was vielleicht von der allgemeinen Neigung zur Verknö- cherung, und von der trägen Wirkung der Nieren herrührt, welche die erdigen Salze ausführen sollten. Heusinger hingegen glaubt, dass diejenigen Haare, welche beym Berühren fortwährend abfärben, an der Spitze Oefinungen haben, so wie er es am Stachelschwein, an den weissen Haaren des Moschusbeutels, und unter der Blume der Hirschkuh gesehen haben will. Auch gibt er an, dass die Damen in südlichen Gegenden, welche schwarze Haare ha- ben, sich desshalb so sehr über diese beklagen, weil sie allen Kopfputz färben. — Schlegel **) ist überhaupt der Mei- nung, dass die Haare bis auf einen gewissen Grad die Haut ersetzen, und dass ihnen daher auch so zu sagen, dieselben Verrichtungen zukommen. Ihre Zwiebel secerniren nebst der Materie, aus welcher das Haar entsteht, noch eine eigene Flüs- *) Diet. des scienc. med. art. Poils, **) Ueber die Ursachen des Weichselzopfs etc. Ausdünstung des Körpers durch die Haare. 159 sigkeit, welche sich in die Höhle ergiesst, und von da nach und nach ausgehaucht wird. Endlich gibt es selbst viele krankhafte Phänomene, wel- che von den Autoren benutzt werden, um die Excretion durch die Haare zu beweisen. Unter diese gehören vorzüglich jene, in welchen das Haarabschneiden als Heilmittel angerathen wird, und auf die ich später zurückkommen muss; ferner je- ne, in welchen die zu excernirende Materie in quantitate et qualitaie verändert, in ersterer Beziehung oft besonders ver- mehrt ist, wie z. B. im Weichselzopf. So kannte Herr Prof. Dr. J. Rud. Bischoff ein 49jähriges Mädchen, welches an Nymphomanie litt, und die das besondere Sympton an sich hatte, dass ihre Haare während des Anfalls, der alle 10— 42 Tage zu erfolgen, und dann mehrere Tage anzuhalten pfleg- te, ganz auffallend rauh, struppicht, glanzlos und trocken wurden, und nach geendigtem Anfalle ihre vorige Geschmei- digkeit wieder erlangten. Von den Thierhaaren sagt man auch, dass sie beson- ders an jenen Stellen, wo die Haut am feinsten, der Luft am wenigsten ausgesetzt und mit langen Haaren versehen ist, eine eigene Ausdünstung unterhalten; so z. B. auf dem gelben Fleck des Didelphis marsupialis Linn. — Auch schwitzt bey blonden Menschen mit röthlichen Haaren bey heisser Witte- rung unter den Achseln ein klebrichtes, röthliches Pigment aus: und so will man auch behaupten, dass die rothen Haare einen eigenthümlichen unangenehmen Geruch hätten, der die rothhaarigen Schönen zu einem grossen Aufwand von wohl- riechenden Salben und Wassern nöthigte *). Endlich gehören hieher die so auffallenden Phänomene des Weichselzopfes, dessen Wesen die besten Autoren in einem entzündungsartigen (überreitzten) Zustand der Haarwur- zeln und der exhalirenden Gefässmündungen setzen; wodurch sodann auch ihre Secretion vermehrt wird, und sie selbst un- geheuer wachsen. — Jourdan **) steht sogar keinen Augen- blick an, auch dieMaterie, welche beym Kopfgrind und dem Milchschorf ausgeschieden wird, nicht, wie gewöhnlich ge- schieht, als Product der Haut, sondern vielmehr als das der dabey *) Siehe Journal des Luxus und der Moden 1789. März p. 109. **) Dict. des scienc, med. tom. 45. p. 275. 160 Ausdünstung des Körpers durch die Haare. stets angeschwollenen Haarzwiebeln anzusehen, so wie er überhaupt nach reiflichem Nachdenken der Meinuks ist, dass = die Haarzwiebeln nebst der Kraft, das in ihnen secennirfe fär- bende Princip in das Zellgewebe und dr Haare selbst abzu- setzen, auch noch jene besitzen, dieses Secretum durch noch unbekannte Oeffnungen unmittelbar nach Aussen abzusetzen ; und dass dem zu Folge die mancherley schmierigen, öligen und stinkenden Schweisse eben so gut den Haaren als der Haut zukommen. Die bisher angeführten Thatsachen und Erscheinungen setzen es demnach ausser allem Zweifel, dass die Haare wirk- lich zur Aussonderung irgend eines oder mehrerer Stofle dienen. Es frägt sich nun aber, welcher Art diese Stoffe seyen, und ob sie selbst im gesunden Zustande immer dieselben bleiben ? Auf diese Frage lässt sich ungefähr Folgendes ant- worten: 4) Die durch die Haare auszuscheidenden Stoffe sind entwe- der von gasartiger oder flüssiger Form. Es ist selır schwer, wo nicht unmöglich, die Natur der ersten zu ergründen, und wir kommen hier wieder fast auf dieselben Schwierig- keiten, mit denen wir oben, als von den Einsaugungsstof- fen die Rede war, zu kämpfen hatten. Indessen wird es der Wahrheit ziemlich nahe kommen, wenn wir anneh- men, dass die dunstförmige Materie, welche wir an der weissen Wand von den Haaren aufsteigen sehen, jener so zu sagen analog sey, welche durch die sogenannte un- merkliche Ausdünstung auf der ganzen Haut abgeschieden, und in den Luftkreis vertheilt wird. Dass aber diese Ma- terie an allen behaarten Stellen des Körpers weit reichli- cher excernirt werde, als an andern nackten, ist eben so richtig, als man diess auf der andern Seite nicht bloss der durch die Haarbedeckung gesteigerten organischen Wärme- entwicklung, sondern mehr dem Umstande zuschreiben muss, dass, indem diese Ausdünstung zugleich an der gan- zen Oberfläche des Haars vor sich geht, nothwendig die ganze ausdünstende Fläche einer behaarten Hautparthie wohl um das sechsfache grösser, als auf einer haarlosen Stelle sey. — Dass übrigens der an solchen behaarten Stellen ausgeschiedene Dunst doch auch in gualitate, d. i. in seiner Mischung verschieden von jenem anderer, nicht behaarter Ausdünstung des Körpers durch die Haare. 461 Stellen seyn möge, macht mir der Umstand wahrschein- lich, dass der Geruch desselben nicht allein ein eigenthüm- licher, von dem an andern Stellen ganz specifisch verschie- dener, sondern auch an Intensität viel stärker, als dort sey. So wissen wir, dass z. B. die Achselhöhle einen ganz anders riechenden Dunst verbreitet, als der behaarte Kopf, der Bart, die Brust, die Scham- und Aftergegend. An allen diesen Stellen ist der Geruch specifisch. Wie liess sich diess nun erklären, wenn er nicht von den Haaren abzuleiten wäre? Was hier vom Dunste gesagt wurde, gilt ohne Einschränkung auch von der tropfbaren Flüssigkeit, in welche sich der'Dunst verwandelt, und von dem schmie- rigen Fett, welches gleichsam als Niederschlag des Gan- zen dem betreffenden Theile am längsten anklebt, und welches ich schon früher mit dem Namen der Haarsalbe bezeichnet habe. Wenigstens finde ich keinen hinreichen- den Grund, unter dieser wieder eine andere ölartige Flüs- sigkeit zu verstehen; auch spricht der einfache Bau des Haars keineswegs für so verschiedenartige Secretionen, die doch gewiss einen zusammengesetztern Absonderungs-Ap- parat benöthigten, von dem hier kaum eine Spur gegeben ist. — Dass auf diesem Wege auch das electrische Flui- dum entladen werden könne, zeigen die schon oben be- rührten Erscheinungen leuchtender und funkengebender Haare, von denen übrigens Kneiphof*), rücksichtlich des Menschen, die meisten Beobachtungen gesammelt hat. Der Grund dieser Erscheinung liegt aber entweder ın ei- ner verhältnissmässig sehr starken Entwicklung dieses Flui- dums im menschlichen oder Thierkörper, oder im verhin- derten Austritt, und regelwidriger Zurückhaltung, in welch’ letzterem Falle es sich dann ungewöhnlich stark an- häuft, und unter den genannten Phänomenen bey gegebe- nen günstigen Verhältnissen endlich doch mit der Luft- electricität ins Gleichgewicht tritt. 2) Abgesehen von dieser gas-, dunstförmigen und tropfbar flüssigen Materie wird an der Oberfläche der Haare noch ein Stoff beständig ausgeschieden, der mit der eigentlichen *)1.G. Kneiphof von den Haaren, deren Beschreibung, Nutzen, Zufällen und Mitteln dagegen. Rotenburg an der Fulda 1777 p.24. Eble’s Lehre von d. Haaren II, Ba. 4i 462 Ausdünstung des Körpers durch die Haare. Ernährung des Haars in der engsten Beziehung steht. Man wird sıch nämlich erinnern, dass die Thier- und Menschen- haare, so sehr sie es für den ersten Augenblick auch schei- nen, dennoch nichts weniger als ganz glatt sind, sondern dass ihre Oberfläche gleichsam wie mit feinen Schüpp- chen mehr oder weniger bedeckt sey. Man würde sehr ir- ren, wenn man diese Schüppchen in demselben Verbhält- nisse zum Haare dächte, als z. B. die Schuppen der Fische zu ihrer Haut sind; denn sie gehören an und für sich gar nicht zur Integrität der Haarorganisation, sondern sind le- diglich als Producte der an der Haaroberfläche fortwäh- rend stattfindenden Excretion, als wahre Auswurfsstofle zu betrachten. Doch werden sie keineswegs als solche Schüpp- chen ausgeschieden, sondern im Zustande einer schleim- ähnlichen Materie, die alsbald durch den Zutritt der at- mosphärischen Luft erhärtet, und diese Schüppchen bil- det. Derselbe Process also, welchen wir an der ganzen Oberhaut des Körpers vor sich gehen sehen, und der bey den Schlangen und andern Thieren unter der Form der Häutung und des Härens im Grossen statt findet, zeigt sich auch an der Oberfläche der Menschenhaare, die in ihren ganzen Baue der Oberhaut ohnehin so nahe stehen. 5) Ist der Organismus, oder näher gesagt, sind die Haare nicht vermögend, diese genannten Stofle in der Art und Menge ab- und auszusondern,, wie wir sie z. B. bey einem erwachsenen gesunden Menschen finden; bringt es der ei- genthümliche Lebensprocess der Haare zu keiner so voll- kommnen Bildung, sondern bleibt diese auf einem sehr niedern Grade stehen, und ist diese qualitativ niedrig ste- hende Bildung mit Uebermass in Bezug auf die Menge — also mit Wucherung— gepaart; dann verliert der in zu grosser Menge ausgeschiedene Stoff schnell seine eigenthümliche vitale Natur, und tritt unter die Herrschaft der allgemeinen Naturkräfte, die ihn in seine Elemente zerlegen, und aus diesen schnell eine neue Schöpfung hervorrufen —es ent- steht Generatio aequivoca, es erzeugen sich Läuse, und im höhern Grade die Läusesucht. Auf diese Art wird man sich jetzt die schnelle Vermehrung dieser Thiere im kindli- chen Alter, ihre fortwährende Erzeugung bey serophulösen, rhachitischen Menschen, und ihr Erscheinen in allen Atro- phien,, Schwindsuchten und Colliquationen erklären kön- Ausdünstung des Körpers durch die Haare. 163 nen. Oder sollte das Ganze nur auf antagonistischer Stei- gerung des Lebens behaarter Theile beruhen ? Anmerkung. 1. Ich habe im vorigen Paragraph behauptet, dass durch das Krauen derHaare demjenigen, der gekrauet wird, elektrische Materie mitgetheilt, oder wenigstens in seinen Haaren stärker er- regt werde. Dagegen wollen einige aus dem Vergniigen, welches mancheMenschen im Kämmen der Haare Andrer finden, und aus dem Einschlafen der Gekämmten den Schluss ziehen , dass unter diesen Umständen den Haaren Electricität genommen, nicht aber gegeben werde. Die angeführten Thatsachen sind richtig; denn es gibt Beyspiele, dass sonst ganz wohlgebildete moralische Männer das grösste Vergnügen daran fanden, die Haare eines schönen Weibes zu kämmen. So lese ich*) den Fall, dass sich ein Eng- länder bloss zu diesem Zwecke eine reitzende Maitresse unterhielt, wobey weder Liebe noch Treue in Betrachtung kam, und er bloss mit den Haaren zu thun hatte, welche sie in den ihm gefälligen Stunden entnadeln musste, damit er darin mit seinen Händen wühlen konnte, Diese Operation verschaffie ihm den höchst mög- lichsten Grad körperlicher Wollust. —In Frankreich soll diese Art von Wollust unter den höhern Ständen ehemals sogar gemein ge- wesen seyn. Jahn erzählt ein ähnliches Beyspiel von einem Eng. länder, den er selbst kannte, und dessen Freude bey diesem Vor- gange um so grösser war, wenn ihm verstattet wurde, so lange darin fortzufahren, bis der Schlaf den gekämmten Kopf über- wältigte, Er soll sich diesen Genuss in Ermanglung von Freundin- nen sogar mit zwey Ducaten für dieStunde von Dienstmädchen er- kauft haben. — Es scheint demnach wirklich, als wenn in sol- chen Fällen dem Gekämmten die belebende electrische Materie ent- zogen würde, Dagegen fehlt es nicht an Beyspielen , wo auch der umgekehrte Erfolg eintritt, und wo der Kämmende vor dem Ge- kämmten einschläft. Dieses, und der Umstand, dass Mütter, die ihre Kinder lieber durch Krauen als durch Wiegen einschläfern, wenn sie diese niederlegen, meistens selbst neben ihnen einschla- fen, oder wenigstens starke Neigung dazu fühlen, macht es wahr- scheinlich, dass es sich bey Bestimmung des Erfolgs dieser Ope- rationen auf der einen und auf der andern Seite hauptsächlich um das gegenseitige Wechselverhältniss der beyden Organismen handle, woraus sich sodann ergeben wird, welches der positive, und welches der negative Pol oder Factor dieses dynamischen Con- flictes, wer demnach der Leben ausströmende ‚„ und wer der zu be- lebende sey. — Im Ganzen beweist die Sache nur, dass auf die genannten Arten sowohl electrisches Fluidum mitgetheilt, als auch entladen werden könne. —————_ ”) H.G. Hoffs Sammlung von Tugenden und Lastern, Sitten und Eigenheiten der Engländer, 1. Band, 44 * 16% Ausdünstung des Körpers durch die Haare. Anmerkung. 2. Für die Behauptung, dass der ungehinderte Haar- wuchs, wenn sonst das Abschneiden gebräuchlich war, alle Thä- tigkeiten im Körper vermehre, und den Menschen kräftiger und ausdauernder mache, scheint auch die Geschichte der Völker einige Belege zu liefern, So finden wir häufig bey manchen Nationen den Gebrauch, dass grosse Männer bey schwierigen Unternehmungen gelobten , das Haar nicht eher zu schneidan, und den Bart nicht zu rasieren, bis die That vollständig gethan sey. So liess Cäsar nach seiner Clades Tituriana Haare und Bart wachsen, bis er sich gerächt hatte*), Und von dem batavischen Anführer Ci- rilis sagt Tacitus: „Barbaro voto post capta.adver- susRomanos arma, propexum rutilatumque crinem, patrata demum cede legionum, deposuit.“ — Nach dem Gesetze Lycurg’s durften die Lacedämonier ihr Haar, so- bald sie gegen den Feind ausgezogen, nicht weiter mehr schneiden. Anmerkung. 5. Umgekehrt finden wir da und dort Beyspiele, welche darzuthun scheinen, dass das ungewohnte Schneiden der Hazre Muthlosigkeit, Mangel an Kraft und Ausdauer zur Folge habe. So ist es einigermassen auffallend, dass das tägliche Rasieren zu Rom gerade damals in die Mode kam, als der Grund zum Verfall des Reichs gelegt wurde, nämlich 454. n. E. R, Anmerkung. 4. Eben darum, weil die Haare zum Theil das Geschäft der Ausdünstung übernehmen, können sie auch die Träger eines Contagiums seyn, das zudem uoch lange Zeit an ihnen haften und dennoch wirksam bleiben kann. Hieraus erklärt sich die grosse Wachsamkeit , welche man bey ansteckenden Seuchen steis auf die Haare, Pelze, Felle und Wolle zu verwenden pflegt. — Nach Hildenbrandt **) tragen die Haare zur Leitung der Ansteckungsstoffe wahrscheinlich , auf eine positive oder negative Art, bey. Bekanntlich geschieht die venerische Ansteckung nur durch unbehaarte Theile, die herpetische hingegen nur durch behaarte. Leizteres gilt auch vom Grinde, Bey typhösen und über- haupt exanthematischen, ansteckenden Fieberkrankheiten schei- nen nach Hildenbrandt die weniger und unbeträchtlichen unbehaarten Theile zu geringfügig , als dass nur durch sie eine so häufige und so allgemeine Ansteckung Statt haben könnte, und es wäre allerdings zu vermuihen, dass obschon die Haare keine vortheilhaften Leiter des Wärmestoffes sind, die gewöhn- liche Fieberansteckung doch grössteniheils durch die behaarten Theile geschehe, oder von diesen eigentlich der Ansteckungsstoff aufgenommen werde. *) Sueton. Wit. Jul. Caes. p. 67. *") In dem Werke über den Typhus p. 151. 7 Electrische Spannung in den Haaren. 165 $. 135. Von der electrischen Spannung in den Haaren. In den zwey vorhergegangenen Paragraphen wurde zu wie- derholten Malen der electrischen Erscheinungen gedacht, welche sich durch die Haare kund geben, und zufolge welcher man nicht zweifeln kann, dass die Haare die Eigenschaft be- sitzen, durch Reibung negativ-electrisch zu werden, überhaupt aber das electrische Fluiıdum, wo sie es finden, aufzunehmen, und in sich zu concentriren, dass sie mithin als wahre Conden- satoren, und als schlechte Leiter derERlectricität zu be- trachten seyen. — Insofern nun aber dieElectricität, sey sie im eigenen Körper erzeugt, oder befinde sie sich in der diesen um- gebenden Luftart, bekanntlich einen sehr wichtigen Antheil an der Unterhaltung und Modificirung des ganzen Lebensproces- ses, und namentlich des Athmungsprocesses unsres Organis- mus hat, insofern spielen die Haare gewiss eine weit grössere Rolle, als man ihnen bisher zugetheilt hat. Ich will jedoch damit keineswegs behaupten, dass diess der einzige oder auch nur der wichtigste Weg sey, auf welchem die Electricität auf den Körper wirken könne, sondern möchte die Aufmerksam- keit der Physiologen und Pathologen nur wieder auf einen Gegenstand hinwenden, der selbe im hohen Grade verdient. Schon die eigenthümliche Form der Haare in Verbindung mit ihrem Standpunct macht sie zu wahren Blitzleitern unsres Körpers; spitzig und abgerundet, wie sie sind, ragen sie vor- züglich auf dem höchsten Puncte des Körpers in die Höhe, um ihn zunächst mit der Aussenwelt in Verbindung zu setzen; ihre chemischen Bestandtheile, worunter ich vorzüglich den Schwefel und das Eisen nenne, machen sie noch tauglicher zu allen electrischen Processen, die an der Oberfläche unsres Kör- pers, wie man sagt, durch die Epidermis vermittelt werden. Wenn man diess aber von der Oberhaut zugibt, warum sollte dasselbe nicht in weit höherem Grade von den Haaren gelten, sie, die im Grunde nur eine höher gestellte Epidermis sind ? ö Ich werde mir in der Pathologie Mühe geben, die Wichtigkeit dieser Lehre bey gewissen Krankheiten in ein kla- res Licht zu setzen, und vielleicht einigen, mit Unrecht in Ver- 166 Besondere Verrichtungen der Menschenhaare. gessenheit gerathenen Heilmitteln neuerdings Gültigkeit zu ver- schallen. Uebrigens wünsche ich von Herzen, dass die Haare von dieser Seite durch geschickte Physiker einer genauern Würdigung unterzogen würden , damit wir vielleicht die Art der Electrieität, und die nähern Bedingungen, unter welchen sie mit unserm Körper in Confliet tritt, ausmitteln, und über- haupt den wichugen Antheil, welchen die Haare au diesem Geschäfte haben, vollständiger kennen lernen. II. Von den besondern Verrichtungen der Menschenhaare. $. 156. a) Sie dienen zur Bedeckung und zum Schutze ge- gen äussere Einflüsse. Das eigenthümliche Vorkommen der Haare hey den Säu- gethieren, und namentlich bey solchen, die, im wilden Zustau- de lebend, der rauhen Witterung und andern feindseligen Ein- flüssen vorzugsweise ausgesetzt sind, hat die Menschen sehr frühzeitig auf die Idee gebracht, dass, wie ich auch früher aus- führlicher bewiesen habe, die Natur diese Thiere offenbar dess- halb mit einem so dichten Pelze versehen habe, um sie gegen die genannten Einflüsse zu schützen, ferner, dass sich der Mensch desselben bedienen könne, um die Härte des Klima und der Jahrszeiten in Bezug auf seinen eigenen Körper zu mildern; und. endlich, dass auch ihm die Natur seine ursprüng- liche Kopfbedeckung zu demselben Zwecke verliehen habe. Und so kam es denn auch, dass, wo immer der Nutzen der Haare zur Sprache kam, dieser Punct stets zuerst erörtert wurde. — Galen *) sagt in dieser Beziehung: »Ne operimento quidem muliebre genus eximio indigebat, quo frigus propelleret, ut quod domi partem maximam se contlineat. Capite tamen.co- mato tegmenti gralia egebat.« Die Frage, warum der Mensch weniger behaart sey, als die Thiere, beantwortete schon Fabricius ab Aquapen- dente **) mit dem, dass er sich in seinen Wohnungen durch *) De usu partium a, a. ©. =) Aa. Besondere Verrichtungen der Menschenhaare, 467 angemessene Kleidung, und überhaupt durch einen zweckmäs- sigen Gebrauch seiner Geisteskräfte hinlänglich vor den Un- bilden der Witterung etc. schützen könne, was bey den Thie- ren, die unter dem freyen Himmel zu leben gezwungen sind, nicht möglich ist. Auch hat, nach der Meinung dieses Ana- tomen, die Natur den Haaren desshalb eine runde Gestalt ge- geben, damit der Regen, Staub und Schweiss um so leichter an ihnen fortgleite und abfalle. — Nach Spiegelius*) besteht der Hauptnutzen des Haars darin, dass sie 4. die Haut, 2. das Hirn gegen die äussern und innern Feindseligkeiten schützen. Unter die ersten zählt er: Luft, Regen und Hagel, und zwar kann erstere durch zu grosse Kälte, Wärme, Feuchtigkeit und Trockenheit, der Regen aber durch Nässe, und der Hagel durch Erschütterung schaden. Gegen alles diess schützen aber die Haare. Unter den innern Schädlichkeiten begreift er die von den untern Theilen aufsteigenden Dünste, denen also durch die Haare ein Ausweg verschafft wird. Selbst das Woll- haar des Kindes im Mutterleibe glaubt Boerhaave**) von der sorgfältigen Natur dazu bestimmt, um die Haut des Kör- pers vor der Feuchtigkeit, worin das Kind so lange zu lie- gen hat, einigermassen zu schützen. Andreas Laurentius ***) sagt in demselben Sinne, dass beym Menschen der vordere Theil desshalb stärker mit Haaren versehen sey, weil er als der edlere auch eines bes- sern Schutzes bedurfte. Nach Andern sind denn auch die Haupthaare ganz vorzüglich da, um das Gehirn, als das edel- ste Organ, desto kräftiger zu schützen, und ihm namentlich seine gehörige Temperatur, auf welche die Alten so viel Ge- wicht zu legen pflegten, zu sichern. — Bartholin ist sogar der Meinung, dass dieHaare das Gehirn auch vor der zu grossen Hitze schützen, und dass eben desshalb das Haar der Aethio- pen so dicht und verflochten sey, um diesem Dienste desto besser vorstehen zu können. Noch andere setzten hinzu: weil der Mensch das grösste Hirn hat, so hat er auch die häufigsten Kopfhaare. — Selbst der grosse Hal- ler beschränkt den Nutzen der Haare auf Erwärmung des Kopfs. *) A. a. O0. p. 369. **) Praelection, acad. tom. 5. p. 419. BETA SUO. 168 Besondere Verrichtungen der Menschenhaare. Die Gründe, welche uns zu der Annahme berechtigen, dass unsere Haare wirklich zur Bedeckung und zum Schutze dienen, sind folgende: 1) Wir finden die Haare vorzüglich an jenen Stellen entwi- ckelt, welche den äussern Einflüssen zunächst ausgesetzt sind. Die Natur scheint demnach den Zweck gehabt zu haben, unsern Organismus gegen diejenige Seite, wo ihn die kosmischen Einwirkungen der grossen Natur vorzüg- lich treffen, schärfer zu isoliren, und dadurch mehr ge- . gen erstere zu schützen. 2) Die Haare sind schlechte Wärmeleiter, und in so fern ganz geeignet, gegen die Kälte zu schützen. 53) Dass sie aber letzteres wirklich thun, beweisen mehrere Thatsachen unwidersprechlich: Wie empfindlich ist uns nicht die Kälte bey frisch geschornem Kopfe? Und wie nachtheilig kann das Abschneiden der Haare gerade in der strengen Jahrszeit, im Winter werden, wenn diese schützende Decke nicht durch künstliche Mittel ersetzt wird? — Die Haut des frisch geschornen Kopfes dünstet ungleich weniger aus, als die behaarte (abgesehen von der eigenen Ausdünstung der Haare), weil die nun freyer und ‚ stärker einwirkende Kälte die Secretions-Thätigkeit in der- selben beschränkt, ein starker Haarboden aber durch Un- terhaltung einer höhern Temperatur , selbe bethätiget u. Ss. w. 4) Wenn ich auch der Aussage des Busbequius (der auf seiner Reise nach Constantinopel einen Mann sah, qui sclo- peti ictum capillis suis eludebat) keinen grossen Glauben schenken kann; so ist auf der andern Seite doch nicht zu leugnen, dass die Haare auch bloss in mechanischer Bezie- hung als Schutzmittel des Kopfes angesehen werden kön- nen. Auch fehlt es nicht an Beyspielen, dass ein sehr star- kes Kopfhaar die Kraft eines Schlages, ja selbst eines Sä- belhiebes bedeutend verringerte. 5) Die Richtung der Haare ist nicht durchaus dieselbe, son- dern verschieden nach den verschiedenen Theilen , auf welchen sie wachsen. Doch sind sie meist so gelagert, dass eins das andere zum Theil bedeckt. Auf diese Art bil- den sie selbst wieder für den betreflenden Theil eine voll- kommene Decke, un. erleichtern, indem ihre Spitzen alle gegen die Peripherie des Körpers gehen, den Abfluss des Besondere Verrichtungen der Menschenhaare. 169 Schweisses sowohl, als auch des Regens, das Abfallen des Staubes u. dgl. 6) Dass unser Haupt vor allen übrigen Theilen vorzüglich behaart ist, glaube ich zum Theil davon herleiten zu kön- nen, dass es mir naturgemässer scheint, ein freyes, unbe- decktes Haupt zu tragen, als es in, mitunter so zweckwi- drige und närrische, Bedeckungen zu hüllen. Jenes konnte aber nur dadurch erreicht werden, dass uns die Natur mit einem schönen dichten Haarwuchs, mit einer Kopfmähne beschenkte. Desshalb tragen auch alle unabhängigen, noch im Naturstande lebenden Völkerschaften das Haupt meist unbedeckt. 6) Menschen, die unter wilden Thieren zu leben genöthiget , und somit auch allen Unbilden des Klima und der Jahrs- zeit ausgesetzt waren, wurden endlich ganz behaart. Offen- bar kam die Natur ihren Bedürfnissen durch diese auffal- lende Bedeckung auf eine sehr zweckmässige Art zu Hülfe. Fast aus demselben Grunde pflegen unsere Haare im Win- ter stärker zu wachsen, als im Sommer, und haben die Menschen in nördlichen Klimaten einen stärkern Haar- wuchs als in südlichen Gegenden. Endlich 7) Sprechen auch die schädlichen Folgen des Haarabschnei- dens bey Reconvalescenten in gewissen Krankheiten sehr zu Gunsten des zu beweisenden Satzes. Anmerkung. In wiefern auch die übrigen Haäre, z. B. der Aug braunen, der Brust etc, diesen Dienst leisten, soll weiter un- ten auseinander gesetzt werden. b) Sie sind eine Zierde des Körpers. Ich abstrahire jetzt von dem philosophisch - ästhetischen Begrilf von Schönheit überhaupt, und will in Bezug auf die Haare wenigstens das für schön halten, was von allen Natio- nen der Erde dafür angesehen wird. In dieser Hinsicht ist es bekannt, dass die bey weitem grössere Anzahl der verschie- denen und namentlich alle civilisirten Völkerschaften der Er- de keinen Menschen für schön halten, der ohne Haare ist. Dagegen beweist insbesondere die ausserordentliche Sorgfalt, welche man fast bey allen Nationen auf den Haarputz von je- 170 Besondere Verrichtungen der Menschenhaare. her verwenden sieht, wie innig ein schönes Haar mit dem Ideal der Schönheit in der menschlichen Form verbunden sey. Diess vorausgesetzt, wollen wir nun etwas genauer in die Sache eingehen, und sodann den Antheil würdigen, welchen die Haare der einzelnen Gegenden des Körpers an der Ver- schönerung des Ganzen haben. Pindar gibt der Helena und den Grazien den Bey- namen der Schönhaarigen, KaxXi Aoxonog "EReyy, Yuxopaı x&oıres”), und die Lesbische Sappho nennt die Musen xxA%:- xouaı Movsaı. Die Furien und der Medusenkopf haben Schlan- gen statt der Haare. Dem Jupiter gibt Homer als ein Zei- chen besonderer Würde ein schönes langes Haar **). Das Haar sagt Lykurg, macht schöne Leute schöner, und häss- liche fürchterlich. Daher durften auch die Lacedämonier ihre Haare nur dann schön aufputzen, wenn sie ins Treffen, oder sonst in eine grosse Gefahr gingen. Mathaei***) führt ebenfalls viel Belege für den hohen Werth an, welchen die alten Völker auf die Haare zu legen pflegten; unter diese ge- hören auch: Die Griechen weihten in den gefährlichsten Lagen ihres Lebens das Liebste, ihre Haare, den Göttern. Petronius nennt in gleichem Sinne das Abscheeren der Haare: naufragiorum ultimum volum. Ueberhaupt war man der Meinung, es könne Niemand ruhig sterben, der nicht wenig- sters einige seiner Haare den Göttern geweiht hätte. Daher stellt Euripides den Tod mit dem Schwert in der Hand vor, um der Alceste, die statt ihres Gemahls sterben sollte, einige Haare abzuschneiden. — Bey Trauerfällen rauften sich die Griechen die Haare aus, oder schnitten sie ab. Daher macht die Electra der Helena den Vorwurf, sie habe ihre Locken geschont, und dadurch die Verstorbene hintergangen F). Starb ein vornehmer Mann, so schnitten alle jene Haare von ihm ab, welche ihn gekannt und geschätzt hatten. Noch heut zu Tage pflegen sich die Einwohner einiger Inseln des griechi- schen Archipelagus, namentlich auf Stampalia und Mykoni, *) Olyrmpsad. 3 und Pyth. 5. 5°), 1lias} 1.529: ***) In Hufeland’s Journal 16. Bd, 3tes St. p. 113. +) Eurıipid. Orestes vers. 128, a Besondere Verrichtungen der Menschenhaare. 171 das Haar auszuraufeu *). Andererseits wurden wieder die Lei- chen geliebter Personen mit Haaren der Lebenden bedeckt. So wenigstens war es bey Patroclus Leiche **). Achilles warf seine eigenen Haare auf den Scheiterhaufen seines gelieb- ten Freundes***). Auch Alexander der Grosse schnitt sich, nachdem er seinenLiebling Haephaestion im Rausche getödtet hatte, zum Zeichen der höchsten Trauer, die Haare ab. Beym Tode des Pelopidas thaten diess die Thessalier nicht allein an sich selbst, sondern auch an ihren Pferden. — Noch mehrere solcher Belege finden sich in der griechischen Archaeo- logie von Potter****), — Auch bey den Hindus, inCochin- china und Siam, in Paraguay, bey den Lachsindia- nern, anderHudsonsbay und amMissouri ist das Haar- abschneiden bey Todesfällen üblich +); die Urbewohner von Brasilien schneiden sich entweder die Haare kürz ab, oder lassen sie lang wachsen +++); bey den Samojeden lösen die Witwen ihre Haarflechten auf, und tragen später statt zwey Flechten drey; auf Unalaschka, in Peru und P araguay scheeren sie sich den Kopf ganz ab, und tragen von nun an aus schwarzen und grünen Federn gewebte Kappen. Schon nach der heil. Schrift schickte der Herr Strafen über Moab+Yrr), und über die stolzen Töchter Zions+++Fr), indem er sie kahlköpfig machte. Ueberhaupt sahen die Israe- liten die Haare jederzeit als ein vorzügliches Zeichen der Schönheit an '). Absalon war vorzüglich beliebt wegen *) Hertha X. p. 569. *) Homer’s Ilias 23. v, 155. =) MM cv. 104. E22 Thl:; p: 1520. +) Taschenbuch der Reisen, oder unterhaltende Darstellung der Ent- deckungen des achtzehnten Jahrhunderts, in Rücksicht der Länder, Menschen- und Productenkunde von E. A. W.v. Zimmermann. Leipzig 1801 — 1817. XVII Bde. 12. 1. tt) Reise in Brasilien auf Befehl Sr. Maj. Max. Josephs I., Kö- nigs von Baiern, in den Jahren 1817 — 1820, gemacht und beschrie- ben von Joh. B. v. Spix und Phil. v.Martius. München 1823 — 1828. II. Bde. 4. p. 383. 1ier Bd. tr) Jerem. 48, 37. 4t#) Jes. 3, 17. 1) Richter 16, 22 Daniel 4, 30. Hohes Lied 4, 1, 6, 4, 5, 7 472 Besondere Verrichtungen der Menschenbhaare. seiner schönen Haare *). Das Gesetz verbot den jüdischen Weibern, ihre Haare unbedeckt zu tragen, weil man von nichts mehr Verführung befürchtete, als von dem Reize schöner Haare. Daher war es zugleich eine Lockung für viele eitle Weiber, zum Christenthum überzugehen, wo sie ihr Haar wie- der unbedeckt tragen durften, obschon der heil. Paulus sagt **): „Jeder Mann, der mit bedecktem Haupte bethet, entehrt sein Haupt; jede Frau hingegen, die mit unverschley- ertem Haupte bethet, beschimpft ihr Haupt. Das lange Haar sey des Weibes Zierde, weil das Haar ıhr statt einesSchleyers gegeben ist.“ — Auch musste bey den Juden der Hoheprie- ster den Abend vor dem Sabbath, der König aber alle Tage die Haupt- und Barthaare abscheeren. Auch bey den Römern war das Abschneiden der Haare in Trauerfällen im Gebrauch. So bejammert die Canace, dass sie nicht im Stande gewesen sey, ihre Haare auf das Grab ihres Geliebten zu tragen***). Dass ein langes Haar auch bey den Römern sehr in Achtung stand, sieht man aus vielen Stel- len ihrer vorzüglichsten Schriftsteller ****),. Caesar, Tibe- rius, Otho, Domitian und Caracalla mussten wegen ih- rer Glatze viele Spöttereyen erdulden, und letzterer machte sich sehr lächerlich, als er bey der Leiche seines Lieblings Festus das fremde, erborgte Haar, womit er seine Glatze verbarg, in das Leeichenfeuer warf. Recht sinnig vergleicht Ovid'r) die Haare mit dem Laub der Bäume, und den Blu- men des Feldes, indem er singt: Turpe pecus mutilum, turpe est sine gramine campus, Et sine fronde frulex, et sine crine caput. Wie viel zu jener Zeit in Rom ein schöner Haarwuchs galt, ist am besten aus der Elegie zu ersehen, welche Ovid auf eine Schöne dichtete, die ihre Haare verloren hatte Fr), so wie aus einer andern Stelle FF-}), wo es heisst: *, Sam. 14, 25, 26. **) An die Corinther 11. cap. 4, 5 und 15. ***) Ovid, Heroid. Epist. II. — Kirchmann de funeribus Romano- rum. lıb. 2. cap. 13. “““*) Virgil. Aeneid. 3, 405. — Plutarch, Numa 45. Juvenal.S, XVl. v. 31 u. s. w. }) De arte amandı, lıb. I11. Ip) Amorum lıb. 1. Eleg. XIV. rt) Oden 2. Buch. 12. Od « Besondere Verrichtungen der Menschenhaare. 173 Num tu, quae tenuit dives Achaemenes, Aut pinguis Phrygiae Mygdonias opes Permutare velis crine Licymniae, Plenas aut Arabum domos ? So entstand schon damals das Abscheeren der Haare als Strafe und Beschimpfung. Nach demServius *) geschah das Bescheeren der Knechte in dem Tempel der Feronia. Ein Gleiches widerfuhr allen Sklaven, sowohl bey den Römern selbst, als auch bey den von ihnen unterjochten Nationen, und bey den alten Deutschen. Unter diesen letztern unterschie- den sich übrigens die Sueven vorzüglich durch ihre wohlge- ordneien Haare: „Sic Sueri a ceteris Germanis, sic Suevorum in- genui a servis, principes et ornatiorem capillum habent **), Als Caesar die Gallier unterjochte, liess er ihnen die Haare ab- schneiden, da sie vorher so lange Haare hatten, dass man vor- zugsweise Gallia comata schrieb. — Bey den Hindus hat die Witwe aus den höhern Kasten, wenn sie nicht freywillig ster- ben will, weder einen Antheil an der Frbschaft, noch darf sie je wieder heirathen, muss sich den Kopf scheeren, und ohne allen Schmuck einhergehen ***). Im Anfang der fränkischen Monarchie durften nur Prinzen vom Geblüte lange Kopfhaare tragen, und diess war so bestimmt, dass nach Einigen sogar die verschiedene Länge oder Kürze der Haare die Stufen des Ranges unter den Men- schen bezeichnete. Gregor von Tours versichert, dass die Franken bey ihrem zweyten Einfall in Gallien, also noch vor der Errichtung ihrer Monarchie, sich in Brabant und in den Umgebungen der Maas festsetzten, und sieh Könige mit lan- gen Haaren (& longue chevelure) aus den edelsten Stämmen erwählten. So sollen auch die Franken Pharamund, den Sohn von Marcomir erwählt, und ihn mit dem Ausrufe: „Ecce regem crinitum“ auf den Thron gesetzt haben. Auch der König Clodion hatte den Beynamen: Le chevelu, i. e. crinitus; und der Leichnam von CGlovis, einem Sohne von Chilperich wurde durch seine langen Haare von dem Fi- scher in der Marne erkannt. Gaudebaud machte sein Recht *) Ad Aeneidem VIII, **) Tacitus de moribus Germanorum, XX., ***) J. Hafner’s Landreise längs der Küste Orixa und Koroman- del auf der westlichen indischen Halbinsel. Aus dem Holländischen übersetzt von F.F.Ehrmann. Weimar 1809. 11. Bd, 8. p. 38 — 42. 174 Besondere Verrichtungen der Menschenhaare, als Clotars Sohn nur durch seine langen Haare geltend, und Clotar, der ihn nicht dafür erkennen wollte, liess ihm die Haare abschneiden, und so war er degradirt. In gleicher Absicht wurden späterhin Prinzen geschoren, wenn sie ins Kloster gingen. Zu den Zeiten der Religionsverfolgungen wurde den Christinnen das Haupt beschoren. Als Strafe war die Haar- schur im achten Jahrhundert unter den griechischen Kaisern besonders auch gegen dieBilderstürmer sehr gewöhnlich. Damals liess man den Kindern auch die Haare nur von Leu- ten scheeren, die man achtete, und die zugleich die geistigen Taufpathen des Kindes wurden. Wenn es wahr ist, dass ein griechischer Kaiser dem Papste die Haare seines Sohnes schick - te, zum Zeichen, dass er ihn adoptiren möchte, so muss die- se Sitte über das achte Jahrhundert hinausreichen. — Bekannt- lich wurden den Mädchen beym Eintritt ins Kloster die Haare ebenfalls abgeschnitten. In der Nähe von Heidelberg liegt unter dem Kloster Neuburg am Neckar der Haarlass, ein Gast- haus, wo ehmals, wie noch jetzt die Sage lautet, die armen deut- schen Vestalinnen ihre schönen Haare lassen mussten. — Als unter der fränkischen Monarchie Weichlichkeit der Sitten ein- riss, so trugen viele vom Klerus trotz der Verbote von Rom ihre langen Haare fort, so dass dieser Missbrauch selbst in Concilien zur Sprache kam. Eines im Jahre 509 zu Agde in Frankreich befahl, dass, wenn Kleriker lange Haare trügen, der Archidiacon sie ihnen auch gegen ihren Willen abschnei- den lassen soll. Wilhelm, Erzbischof zu Rouen, brachte es im Jahre 4096 auf einem Concilium inFrankreich dahin, dass man den Schluss fasste: wer lange Haare trüge, sollte wäh- rend seines ganzen Lebens von der Kirche ausgeschlossen seyn, und nach dem Tode sollte für ıhn nicht gebethet wer- den. „Tout homme sera tondu, comme il convient a un chretien, sans quoi ıl sera chasse de leglise; aucun pretre ne lui fera de service, ei n’assistra a son enterremeni“ *). Alleın man empörte sich darüber allgemein, und die Massregel unterblieb. Glück- licher war der englische Erzbischof Anselm, der über die Verdammlichkeit des Haartragens eine so kraftvolle Rede hielt, dass sich die jungen Hofleute selbst die Haare schnitten, und es so zur Mode machten. Ludwig VII. liess sich ebenfalls *) Abbe Millot, Histoire generale. tom, VI. p. 4. Besondere Verrichtungen der Menschenhaare. 175 Haar und Bart scheeren *). Ja es gab sogar Zeiten, wo man das Tragen der langen Haare allen Christen ohne Unterschied untersagte, worauf man jedoch nicht lange achtete. Zu jener Zeit füllte die Beantwortung der Frage: ob gewisse Prinzen lange oder kurze Haare tragen sollten, mehrere polemische Werke an. Auch der Ehebruch wurde ehedem durch das Abschnei- den der Haare bestraft. Das Basilicon **) verordnet sogar den Staubbesen, das Haar- und Nasenabschneidem gegen diese Sün- de. Das Kupplergesindel kam mit der Geiselung, Haarschur und Landesverweisung davon, und damit in solchen Fällen das Haar nicht sobald wieder wachse, wurde es unter den Kaisern Basilius und Leo, dem Weltweisen, auf dem Kopfe ange- zündet, und abgebrannt. Die Juden flochten das Haar der Ehebrecherinnen los, und warfen es hin und her ***), Auch im Sachsenspiegel ist mit dem Staubbesen gewöhnlich das Haar- abschneiden verbunden. Erlebte damals einer das Unglück, dass ihn seine Frau krönte, so schnitt er ihr in Gegenwart der An- verwandten das Haar ab, und peitschte sie durch das ganze Dorf, und sie fand nie wieder einen Mann. .. Im Herzogthum Magdeburg wurden noch im Jahre 4685 den Huren, nachdem sie an den Pranger gestellt waren, die Haare abgeschnitten, und sie sodann des Landes ver- wiesen. Sollte diese doppelte Strafe bey einer lasterhaften Dirne hoher und niederer Art nicht zweckmässiger und er- folgreicher seyn, als wenn sie bloss aus diesem Landesdi- strict in einen andern gejagt wird, um dort in verkleinertem Massstab ihr altes Gewerbe fortzutreiben, und nach Jahr und Tag an ihren ehemaligen einträglichern Standpunkt wieder zurückzukehren? Die genannte Strafe war damals so gebräuch- lich, dass man davon sogar das Wort Hure ableiten will, wel- ches dänisch Horn, angelsächsisch Hor, allemannisch Hwar ausgesprochen wird, — Auch durfte im alten Deutschland nur eine Jungfrau unbedeckte Haare und einen Kranz tragen, eine Sitte, die sich noch jetzt in manchen Gegenden zum Theil erhalten hat. — Noch härter wurde mit jenen Mädchen verfahren, die obgleich gefallen, ihre Haare gleichwohl bis auf die letzte Zeit forttrugen. an liess ihnen nämlich durch *) Matthaeia. a. O. p. 115 und Meiners p. 465, 1.60.01. 37.6. 23. ***) Krünitz ökonomische Encyclopedie 20. Thl, p, 480. 176 Besondere Verrichtungen der Menschenhaare. den Büttel die Haare öffentlich abscheeren, und an den Pran- ger nageln *). Die Ghinesen schätzen nichts höher, als die Haare. Wenn sie spielen, verlieren sie lieber Hab’ und Gut, als die Haare, und haben sie diese verloren, so begeben sie sich gerne in die Sklaverey **). Auch bey den Indianern fast aller Stämme ist die Beschneidung der Haare als Strafe oder Be- schimpfung im Gebrauch; namentlich gilt diess von den Wei- bern, die auf einer Untreue ertappt werden. Von jeher hatte die Farbe der Haare einen ausseror- dentlichen Einfluss auf den Begriff von ihrer Schönheit. Doch kommt man hier mitunter auf sehr merkwürdige Abweichun- gen bey den einzelnen Nationen. So sollen bey den alten Aegyptern alle Kinder mit rothen Haaren gesetzlich getödtet worden seyn. Dagegen sagt Martial: Crine ruber, niger ore, brevis pede, lumine caesus, Rem magnam praestes, Zoile, si bonus es. Bey den Römern war das gelbe Haar der Deutschen be- sonders beliebt. Daher singt Ovid ***) ironisch und tröstend zugleich an eine kahle Dame: Nune tibi captivos miltet Germania crines. Je gelber die Haare, je weisser der Busen, je zarter der Bau des Leibes, desto höher war die Schönheit der Frauen vor dem Triumphwagen des Siegers, welche zu noch grösserer Verherrlichung des Helden ihre mit Bänder durchflochtenen Haare zerstreut hängen und fliegen lassen mussten. Martial schickte seiner angebetheten Lesbia Haare aus Deutschland, damit sie sich überzeuge, um wie viel schöner noch die ihri- gen seyen: Arctoa de gente comam tibi, Lesbia, misi, Ut scires, quanto sıt lua flava magis. Die ganz rothen Haare waren auch bey den Griechen und Römern verhasst, und dieser Widerwille ist selbst auf uns *) Heise von dem Bescheeren des Hauptes, als einer ehemals übli- chen Strafe im 105ten und 104ten Stücke der Hannöverischen ge- lehrten Anzeigen des Jahrs 1753. Col, 1515 — 1554. **%), Saau Itinera orientalia p. m, 21. **%*) Amor. lib, 1. Eleg. XIV. Besondere Verrichtungen der Menschenhaare. 177 + übergegangen. Dennoch sollen einige wilde Völker am Cauca- sus eine so grosse Vorliebe zu ihnen hegen, dass die Frauen ihre schwarzen Haare mit rothem Fette bestreichen. Unter den blonden Haaren wird noch heut zu Tag, so wie zu den Zeiten der Griechen und Römer, das goldgelbe vor allen hoch- geschätzt. Doch ziehen viele diesem das aschfarbige Haar vor; daher soll auch dieses ım Handel das theuerste seyn. Unter den braunen wird das kastanienbraune für das schönste gehalten ; und das schwarze Haar ist um so schöner, je stärker sein Glanz, und je tiefer die Schwärze ist. Blondes Kopfhaar und schwarze Augenbraunen gelten als Merkmal vorzüglicher Schönheit, wel- ches aber auch sehr selten ıst. — Eine ganz besondere Berücksichtigung verdient in Hin- sicht auf Schönheit des Körpers der Bart. Denn zu allen Zei- ten wurde der Bart als eine Hauptzierde des wännlichen Ge- schlechts erachtet, und stets war der Mann stolz auf seinen Bart, durch den er eigentlich erst zum Manne gestempelt wur- de. Daher ist die Antwort des Diogenes auf die Frage: war- um er sich den Bart wachsen lasse, äusserst treffend, indem er sagt: „Ul eam intuens virum me esse meminerim.“ Nach Ga- len*) erhält dadurch der Mann seine vorzügliche Würde: „Verum etiam decus alque ornamentum offert. Venerabundus enim magis mas apparet, idque polissimum, si aelatis progressu pıili ei undique circumfundantur.“ Ueber das bartlose Weib sagt er in dieser Hinsicht: „Alioguin etiam animal hoc mores non habet aeque venerandos, ac masculus. Proinde ne forma quidem ei erat opus veneranda.“ In gleichem Sinne singt der Dichter: „Barda virile decus, quam vix duo puncta notabant.“ — Daher liess man auch in frühern Zeiten allgemein den Bart fortwachsen, und das Abschneiden oder Abrasieren desselben ward für einen grossen Schimpf gehalten. So sah sich derKönig David durch das Scheeren seiner Gesandten von Hanno dem König der Ammoniter so beschimpft, dass er ihm den Krieg erklärte, und nicht erlaubte, dass die Gesandten in einem solchen Zu- stande nach Jerusalem kommen, sondern ıhnen befahl, so lange in Jericho zu verbleiben, bis ihnen der Bart wieder gewachsen sey**). Auch die Griechen und Römer hielten es für eben so unnatürlich und schändlich, sich den Bart abzuscheeren, als *) De usu partium. De pilis. cap. 14. **) 2 Sam. 10, 4, Eble’s Lehre von d, Haaren Il, Bd, 12 4178 Besondere Verrichtungen der Menschenhaare. wenn man den Löwen oder Pferden die Mähnen abschneiden wollte *). Daher haben sich die bildenden Künstler aus dem Sındium der Antiken das Ideal eines schönen männlichen Bar- tes abgezogen, das an einem kräftigen Gesicht ein dichter aber kurz gekräuselter, an Greisen aber ein langer, über die Brust herabhangender Bart ist. — Dieser lange Bart der Griechen war ein ehrwürdiges Zeichen ihrer Philosophen und Aerzte, und der Kaiser Julian, der auch für einen Philosophen gelten wollte, trug selbst einen grossen Bart. — Apulejus verspot- tet die Affectation seiner Zeitgenossen, die, um für Philosophen zu gelten, grosse Bärte trugen: „Hircino barbitio philosophum mentitus.*“ — Aulus Gellius sagte einst recht spasshaft: „Ich sehe Bart und Mantel wohl, aber ich sehe den Philosophen nicht.“ Daher mag auch das Sprichwort kommen: Barba non ‚facit philosophum. Auch noch unter den griechischen Kai- sern wurde der Bart allgemein für eine nothwendige Zierde des Mannes angesehen, und mehrere derselben legten sich den Ehrentitel: Pogonatus, bey. — Schon seit den ältesten Zeiten zeichneten sich die Einsiedler durch lange Bärte aus, und imMittelalter war der lange Bart und die Toonsur der Haupt- unterschied zwischen Mönchen und Laienbrüdern, und über- haupt das vornehmste Zeichen der Geistlichkeit. Jedoch ent- standen nachher desshalb Streitigkeiten, die damit endigten, dass der Orient standhaft das Recht des ehrwürdigen Auswuch- ses vom Manneskinne vertheidigie, während die meisten Mön- che des Occidents sich zu rasieren anfingen, und während der allgemeinen Bartschur (Barbirasium), welche alle 44 Tage, oder alle Monate, und in der Fastenzeit gar nicht erfolgte, Psalmen sangen. — Vor dem 21sten Jahre durften sich die Römer nicht rasieren, und das erstemal geschah es mit grosser Feyerlichkeit. Die Erstlinge des Bartes wurden nämlich in eine goldene oder silberne Kapsel eingeschlossen, und irgend einer Gottheit, ge- wöhnlich dem Jupiter Capitolinus oder dem Aesculap geweiht. Dio sagt vom Octavianus: „Caesar tum primum barbam ra- dens, et ipso diem cum plane ‚fesiam habuit, et alüs publicam festieitatem indixit, alque ex eo eliam genas suas laeves habuit ad exemplum religuorum **). Nach Tacitus liessen die Jüng- *) Plutarch de rebus Sicul. I. 1, 4. **) Sueton. vita Neronis cap. 22 et lib. 18 Besondere Verrichtungen der Menschenhaare, 179 linge der Katten ihren Bart so lange ungestört wachsen, bis sie einen Feind erlegt hatten *). Die ersten Christen brachten ihren ersten Bart einem Heiligen oder Martyrer zum Opfer. Bey denLongobarden (deren Nahme von ihren langen Bärten her- rühren soll) hatte ein einziges Barthaar die Gültigkeit und den Werth der ersten Verpflichtung. So wurde auch bey den Alle- mannen das Abnehmen des Bartes wider seinen Willen für eine grosse Beleidigung gehalten, die man viel stärker als blu- tige Prügel bestrafte **). Die Indier straften ihre Verbrecher durch das Bartscheeren. Die Friesen pflegten bey dem Schwören ihre Kopfhaare linkerseits etwas hervorzuziehen, und die Finger der rechten Hand darauf zu legen. Daher das Sprichwort: „einem Friesen kann man erst dann glauben, wenn er seine Haare mit den Fingern berührt hat.“ — Die Ara- ber und Muhamedaner leiden lieber den Tod, als den Verlust ihres Bartes. Spucken in den Bart wird hart bestraft; Küssen, Beräuchern und Besprengen desselben mit wohlriechen- den Sachen sind Zeichen der Achtung ***). Wenn sie einen Mann mit rasiertem Bart sehen, so rufen sie aus: „der Fluch Gottes über den Vater, der dieses unvollkommene Gesicht ge- zeugt hat.“ Auch verachten sie die Katzenbärte, die nur aus einigen wenigen, in einer Linie abgezirkelten Haaren bestehen. Von einem rasirten Greise sagen sie: „Man sollte ein solches Gesicht mit Koth bewerfen, es ist das Gesicht eines alten Af- fen, eines alten Sünders, den die Sünde nicht verlässt“ ****), — Es gilt im Serail des Grossherrn zu Constantinopel für ein Zeichen der tiefsten Unterwürfigkeit, wenn sich die Türken den Bart rasieren lassen. — Die Gewohnheit , beym Barte zu schwören, schreibt sich von den Griechen her, die bey dem Barte des Jupiters schwuren. — Auch im Mittelalter schwur man noch bey dem eigenen Barte, wie diess namentlich der deutsche Kaiser Otto in Gewohnheit gehabt haben soll. Eben so adoptirte man dadurch, dass man dem angenommenen Sohn *) De moribus Germanorum. cap. 51, und Meıners Aufsatz über das Haar- und Bartabscheeren bey verschiedenen Völkern in neuern Zeiten. Götting, hist. Magazin, 1. Bd. Stück 3. p. 456. **) Camerar. Cenı. I. Op. succ. cap. 36. p. 155. ”**) S.G. Vogel über die diagnostische Wiirde der Haare in Hekers Annalen a. a, ©. 87% . e ; = ) Memoires du Chevalier d’Arvieux. 4180 Besondere Verrichtungen der Menschenhaare. den Bart zu berühren erlaubte, ja es wurden sogar dem Siegel an alten Urkunden einige Barthaare angehängt zur Verstärkung des Ansehens öffentlicher Tractate. — Der Orien- tale kennt nichts heiligeres zur Verpfändung, als seinen Bart. — Bey dem Barte eines andern ausspeyen, ist bey den Türken die grösste Beschimpfung, welche ihren Bart so sehr ehren, dass sie beym Auskämmen desselben sorgfältig alle abfallenden Haare mit einem untergehaltenen Tuche auffan- gen und begraben. Obschon es bey dem gemeinen Russen eine Schande für den Mann ist, wenn er sich viel um seine Haare bekümmert, so steht doch dagegen der Bart auch dort sehr inEhren. Diess bewies sich auffallend, als Peter der Grosse das Abschneiden der Bärte befahl, worauf bald ein Aufstand erfolgt wäre. Rücksichtlich de Schnauzbartes bemerke ich nur, dass er von jeher nur dem rauhen Krieger, oder überhaupt dem wilden Manne zu einer Art von Zierde diente. Der Ge- bildete verwirft ihn mit Recht, weil der Schnauzbart, wieJahn sagt, bey einiger Länge, immer ein Ausdruck von Roheit, und ich setze hinzu, weil er der Schönheit des Mundes, der An- nehmlichkeit der Sprache und der Reinlichkeit zuwider ist. Klein und stark beschnitten, ist er eine läppische Tändeley, die dem einen gefällt, dem andern nicht. Letzteres gilt wohl auch vom Zwickbart zwischen dem Mund und Kinne — Weit grössern Einfluss hat der Backenbart auf die Ge- staltung des ganzen Gesichtes, und ob er der Schönheit dessel- ben förderlich sey oder nicht, hängt wohl von vielen Neben- umständen, als z. B. von Magerkeit oder Vollheit, von rundem oder länglichem Gesichte u. s. w. ab. Desshalb ist es auch schwer, hierüber etwas Bestimmtes zu sagen, ohne dem guten Geschmack Gewalt anzuthun. Doch steht der Backenbart dem eigentlichen Bart natürlich auch in physiognomischer und ästhe- tischer Bedeutung weit nach. Die Augenbraunen geben dem ganzen Gesichte, und selbst auch dem Auge einen eigenthümlichen Ausdruck, Dem Augapfel verleihen sie, wenn sie gehörig geformt und stark ge- nug sind, eine besondere Lebhaftigkeit und kräftigen Blick. Jedermann weiss, wie sehr die Augenbraunen zum Ausdruck fast aller Leidenschaften, namentlich aber des Zornes, Aergers, Stolzes, der Freude beytragen. Daher sagt unser Herder eben so wahr als schön: „Die Augenbraune, ein Regenbogen Haarmoden bey verschiedenen Völkern. 181 des Friedens, wenn sie sanft, und der ausgespannte Bogen der Zwietracht, wenn sie, den Hımmel über sich, Zorn und Wolken spendet. In beyden Fällen also Verkünderinn der Gesinnung und Bothe des Himmels zur Erde.“ — Sonst hielt man wohl auch die zusammengewachsenen Augenbraunen (suyöpguo,), für ein Zeichen der Schönheit, in den Zeiten des Aberglaubens aber für ein Merkmal der geschehenen Behexung. Hässlich wird das Gesicht entstellt, wenn es die Augenbraunen auf was immer für eine Art ganz verliert, oder sonst nie derselben theilhaftig war. Unter den übrigen Haaren des Körpers will ich nur noch jener der Brust- und Schamgegend erwähnen, da die andern zu unbedeutend sind. Man kann wohl nicht läugnen, dass der Mannskörper durch eine mässig behaarte Brust ein weit ausdrucksvolleres Aussehen bekomme, als wenn die Brust ganz glatt ist. Die Schamhaare scheinen mir in dieser Beziehung bloss dazu beyzutragen, die Schamtheile, welche wohl nicht zu den schön geformten gehören, dem Blicke gehörig zu ent- ziehen. $. 158. Von den Haarmoden bey verschiedenen Völkern. Den grössten Beweis für den hohen Werth der Haare in Bezug auf die Schönheit der körperlichen Form liefert, wie ich schon oben sagte, die seltne Mühe, welche die beyden Geschlechter, vorzüglich aber das weibliche, bey allen Völkern und zu allen Zeiten auf die Kultur der Haare ver- wendeten. Daraus entsprangen dann alle jene seltsamen und sich oft ganz widersprechenden Trachten und Verzie- rungen des Haupt- und Barthaares. Krünitz sagt hierüber in seiner Encyclopädie ganz richtig: „Diese Eitel- keit ist so alt, als das Weib. Eva ver dem Falle steht noch mit langen, herabhängenden Haaren. Der Herr eifer- te schon im alten Testamente gegen diese Eitelkeit, und im neuen haben Apostel und Kirchenväter vergebens dagegen geprediget, das sündhafte Weibervolk will dennoch lieber ih ren Kopf, als ihre Seele schmücken.« So viel bekannt trugen die Griechinnen der grauen 4182 Haarmoden bey verschiedenen Völkern. Vorzeit ihre Haare einfach in Knoten aufgeschürzt. In der Mythologie soll man selbst die Verwandtschaft der Götter zum Theil aus ihrem Haarwuchs zu erkennen im Stande seyn. So sind Neptun, Jupiter und Pluto stets einander hier- in ähnlich; Hyllus, der Sohn des Hercules, hat die Haa- re eben so über die Stirne heruntergeschlagen, wie sein Va- ter. Alexander der Grosse trug sie auf der Stirn erhaben, und über die Schläfe zurückfallend nach Art des Jupiters, um auszudrücken, dass er sein Sohn sey u. s. w. Wie manigfalug de Haarmoden in Rom zur Zeit Ovids waren, leuchtet aus folgenden Versen*) deutlich her- vor, die zugleich den damaligen Geschmack in Bezug auf den Haarputz darstellen: Nec genus ornatus unum est, guod quemque decebit Eligat, et speculum consulat ante suum. Longa probat facıes capıtis discrimina puri, Sic erat ornalis Laodameia comis. Exziguum summa nodum sibi fronte relingui, Ut pateant aures, ora rotunda volunt. Alterius crines humero jactentur utrogue, Talis est assumpta Phoebe canore lyra. Altera succinctae religetur more Dianae, Ut solet altonitas, cum petit ılla feras. Hanc decet inflatos laxa jacuisse capıllos Illa sit adstrietis impedienda comis. Sed neque ramosa numerabis in ılice frondes, Nec quot apes hyblae, nec quot in alpe ferae: Nec mihi tot cultus numero comprendere fas est; Adjecit ornatus proxzima quaeque dies. Juvenal sagt von einer römischen Dame: sie baut sich einen so hohen Thurm von vielen Reihen Haarlocken auf dem Kopfe, dass sie vorne so lange als die Androma- che erscheint, und von hinten aber weit kleiner ist, so dass man sie für eine andere halten könnte. Wenn sie sich frisi- ren lässt, müssen alle ihre Mädchen, jung und alt zugegen seyn, um bey jeder Locke zu Rathe gezogen zu werden. — Es war also damals schon ganz wie bey uns, und dass auch die Kammermädchen, eben so wie die unsrigen, ihre leidige *) De arte amandı lib. 3. v. 155 — 153. Haarmoden bey verschiedenen Völkern. 183 Noth mit dem Frisiren hatten, und nicht selten von der lau- nenhaften Herrinn mit Nadeln gestochen oder beohrfeigt wur- den, ist ebenfalls aus dem Ovid ersichtlich. Ich habe schon gesagt, dass inRom das gelbe Haar für das schönste gehalten wurde. Daher kam es auch, dass man schwarze und andere Haare gelb färbte. Nur die Augen- braunen mussten schwarz seyn durch Natur oder Kunst. Als aber das liederliche Gesindel auch anfing, gelbe Haare zu tra- gen, kamen die schwarzen bey den Damen wieder empor. Auch die falschen Haare waren bey den Römern schon gebräuchlich, Die alten Deutschen, vorzüglich die Sueven, pfleg- ten das Haar oben auf dem Wirbel in ein aufrecht stehendes Büschel zusammengebunden zu tragen; die Frauen brachten es in eine Wulst, die sie mit der Haube bedeckten. Bey den Jung- frauen hing es frey herab, oder war aufgeschürzt auf dem Schei- tel und unbedeckt. Uebrigens liebten sie das gelbe und rothe Haar so sehr, dass sie diese Farbe noch durch dienliche Mittel zu erhöhen suchten. Sie beitzten ihre Haare mit Seife und Lauge, schmierten sie mit Butter ein, und banden sie im Nacken zu- sammen. Doch sah man unter ihnen auch lange herabhängende Zöpfe. Wange und Kinn beschoren sie, die Oberlippe aber nicht, weil sie durch einen starken Knebelbart ihr krieegrisches Anse- hen zu vermehren glaubten. Nach dem salischen Gesetze war die Haube das Zeichen der Mannsherrschaft. Daher mag esnoch heut zu Tage heissen: dieistnunauchunter dieHaube gebracht. In den alten Zeiten trugen die Sklaven ein unge- kämmtes Haar (capillum fluzum, passum et intensum). Das achtzehnte Jahrhundert brachte endlich wie- der eine Menge Künsteleyen hervor, die sich eine mehr als die andere von der Natur entfernten. Man darf :n dieser Hinsicht nurandasPudern undandiePerücken denken, vollends bey dem Soldatenstande! Willig unterwarfen sich auch jetzt die Wei- ber jeder Beschwerde. Die griechische Kleidertracht brachte diese närrischen Moden wieder auf einen einfachen und natürli- chen Standpunkt. Deunoch kam die Sache endlich so weit, dass ein gewisser Le Gros zu Paris eine eigene Akademie errichtete, wovon er Direktor war, und wo man in verschiedenen Klassen seiner zur höchsten Vollkommenheit gebrachten Kunst des Kopfputzes sich unterrichten lassen konnte. Er versicherte in 484 Haarmoden bey verschiedenen Völkern, einem eigenen Werke *), die Damen auf 42 Arten aufzusetzen, und 300 verschiedene Haartouren für sie machen zu können. Einst liess derselbe 33 junge Mädchen nach seinen Kupferta- feln frisiren, und im Sommer alle Tage auf dem Walle spazie- ren gehen. — Ich habe auch gelesen, dass die Damen in Ca- dix Johanneswürmer in den Haaren tragen, weil sie nur um Mitternacht spazieren gehen!! Unsere jetzige Zeit ist eben so reich an Haarmoden, wie die frühere, und unsere Frauen stehen den römischen höchstens darin nach, dass sie ihren Kopf nicht wie diese mit (oldstaub schmücken, wahrscheinlich weil letz- terer verhältnissmässig etwas seltner geworden ist! Aber nicht unter den Europäern allein, sondern auch un- - den Bewohnern der andern, Welttheile findet man grosse Verschiedenheit, in der Art und Weise, die Haare zu tragen. In der Provinz Siam z.B. schneiden sich die Männer und Weiber Jie Haare so kurz, dass sie ihnen rund um den Kopf nicht tiefer, als bis zu den Ohren heruntergehen. Auch raufen sich die Männer ihren ohnehin schwachen Bart aus. Die eigent- lichen Chinesen scheeren sich den Kopf kahl, und lassen nur oben ein Büschel Haare stehen. Die Frauen erkünsteln sich zirkelrunde schwarze Augenbraunen ; am fliegenden Haar erkennt man ein sehr junges Mädchen; an einer herabhängenden, oder auch auf dem Hinterkopfe in eine runde Wulst gewundenen Flechte, dass sie mannbar sey; verheirathete Frauen tragen das Haar ganz aufgebunden, und bilden einen Knoten daraus, in welchen sie Nadeln befestigen. Kurze Haare halten die Co- chinchinesen nicht nur für einen Beweis von Gemeinheit, sondern sogar für ein oflenbares Kennzeichen von Ausartung. Die Birmanen reissen sich wie die Chinesen den Bart früh- zeitig mit kleinen Zangen aus, um lang ein jugendliches Anse- hen zu behalten. Bey den Hindus wird das Haar gewöhn- lich in eine Rolle aufgewickelt, und verschiedentlich ge- schmückt. — Die Mongolen haben den Kopf bis auf eine Locke geschoren, die ın der Mitte übrig bleibt. — Die Tata- ren scheeren ihren Kopf ganz kahl, einen Büschel von der Grösse eines Thalers ausgenommen, den sie gerade auf der Stelle, wo unsere Priester die Tonsur haben, 7—8 Zoll lang *) Livre d’estampes de Part de la Coeffure des Dames früncaises sur les dessins originaux d’apres les accomodages, avec le traitd abreg« d’entretenir et de conserver les cheveux naturels. a Paris. 4. 1765. Haarmoden bey verschiedenen Völkern. 1485 wachsen lassen. An diesem Büschel, den auch die meisten Mu- selmänner angenommen haben, soll der Engel des Grabes die Auserwählten davon führen, um sie ins Paradies zutragen!! Ihre Frauen tragen die Haare geflochten. — Bey den Persern, die in der Regel schwarze Haare haben, werden blonde geduldet, aber rothe verabscheuet, und daher anders gefärbt. Uebrigens scheeren sie ihren Kopf jede Woche zweymal. Zu den Zeiten des Herodot*) schoren sich dieAraber den Kopf rund und rings um die Schläfe, so wie Bacchus sich schor. Bacchus war ihnen aber, die Sonne, folglich bedeutete die Tonsur die Scheibe der Sonne. Auch Jeremias **) redet von dieser Gewohnheit; und wenn die alten Aegypter den kürzesten Tag bezeichnen wollten, so malten sie den Kopf mit einem einzigen Haare ab. Die jetzigen jungen, ledigen Araber tragen bloss einen Knebelbart; nach der Heirath aber lassen sie den ganzen Bart wachsen, indem sie ihn nur zuweilen etwas stutzen. Sehr viele Araber nehecveh sich die Kopfhaare, andere lassen sie lang wachsen. Greise färben ihren Bart nicht selten roth, um jünger zu scheinen. Die Araberinnen schwärzen den Band ihrer Au- genlieder mit einem schwarzen, aus Tutia gemachten Pulver, und ziehen damit eine Linie von dem Winkel des Auges aus- wärts, danut das Augenlied länger scheinen möge. — Die Papus in Neu-Guinea pudern ıhre Haare mit Pimento, der mit Kalk gemischt ist. Bey den Maldiviern gilt das schwarze Haar für das schönste, desshalb suchen sie auch diese Farbe dadurch den Haaren zu geben, indem sie den Mädchen den Kopf vom achten bis neunten Jahr immer abscheeren. Den Knaben thun sie dasselbe alle acht Tage. Dadurch sollen sie alle schwarze Haare bekommen, die zudem nie kraus werden. Auch sind die Männer daselbst stärker bewachsen, als die Europäer. Nach dem neunten Jahr darf bey ihnen ausser den Adeligen und Mı- litärpersonen keine Mannsperson lange Haare tragen. Desto länger ist das Haar der Weiber, welche es auf das (Greschwmack- vollste zieren. Ein goldener oder silberner Ring, mit Perlen und Edelsteinen besetzt, hält sie als Band zusammen; auch neh- men sie falsche Haare unter die eigenen, die sie aus Gochin, Calecut, und der ganzen malabarischen Küste, wo die Männer *) Buch 3. 95, y 23, 186 Haarmoden bey verschiedenen Völkern. lange Haare tragen, bekommen. — Die Neger scheeren sich Figuren bald nach Art von Sternen, bald wie die Mönche. Die Talapanus von Taun lassen denKindern, deren Erziehung man ihnen anvertraut, Kopfhaare und Augenbraunen beschee- ren*). — In Benin in Afrika lassen die Männer ihr Haar wachsen, wie es von Natur ist; nur legen sie es an zwey bis drey Orten in Locken, um eine grosse Koralle daran zu brin- gen. Die Weiber aber wickeln ihr Haar künstlich in grosse und kleine Locken zusammen, und theilen es oben auf dem Wirbel wie einen umgekehrten Hahnenkamm, wodurch die klei- nen Locken genau in Ordnung liegen bleiben. Die mauri- schen Weiber suchen lange, bis auf die Fersen herabhän- gende Haare zu bekommen. Sie färben die Haare auf den Au- genliedern mit einem Pulver aus Reissbley, und halten dafür, dass diese dunkle Farbe den Augen eine ganz besondere Schön- heit gebe. Dasselbe thaten auch schon die griechischen, römi- schen und morgenländischen Weiber**). Auf der Küste Na- tal, nordwestlich vom Vorgebirg der guten Hoffnung tragen die Frauen einen Kofputz, den die Hitze unter der Li- nie bald zerstören würde. Er besteht nämlich in einer Art von Mütze, die aus Rindertalg verfertigt wird, und 6 — 7 Zoll hoch ist. Sie setzt sich so fest an die Haare, dass sie angeleimt zu seyn scheint, daher muss auch die Reinigung der Haare mit grossen Schwierigkeiten verbunden seyn. — Die Hottentot- ten kämmen sich die Haare nie, sondern schmieren sie mit Fett, und bestreuen sie mit einem Pulver, so dass sie lauter Knollen bilden. Den Bart raufen sie ebenfalls aus. — Auf der Insel Mallielo in Australien bestreuen sich die Weiber das Haar mit gelbem Gurkumepulver. Auf der Insel Tanna herrscht aber eine noch seltsamere Frisur. Sie besteht nämlich aus lauter kleinen Zöpfchen von der Dicke einer Taubenfeder- spuhle, welche mit dem zähen Stengel einer Glockenwinde so umwickelt sind, dass am untern Ende nur ein kleines Büschchen hervorragt. Wer ein starkes Haar hat, muss wenigstens etliche hundert solcher Zöpfchen am Kopfe tragen, auf welchem sie gewöhnlich aufrecht auseinander stehen. Auch tragen diese In- sulaner fast durchgehends einRohr, oder ein dünnes Stöckchen *) Erdmanns Länder- und Völkerkunde. A. m. ©. a) Voyage de Shaw. iom. 1. p- 382. Haarmeden bey verschiedenen Völkern. 187 von 9 Zoll Länge in den Haaren, womit sie sich von Zeit zu Zeit vor dem Ungeziefer Ruhe schaffen. — Auf Neu-Seeland tragen die Männer kurze Bärte, binden das Haar auf dem Schei- tel zusammen, und stecken allerhand Zierrath hinein. Die Weiber haben das Haupthaar zuweilen verschnitten,, bisweilen lassen sie es lang über die Schulter hängen. — Auf den Freundschaftsinseln ist die Art, das Haar zu tragen, sehr manichfaltig. Einige schneiden es an einer Seite des Kopfs ganz kurz, und lassen es auf der andern stehen; andere schnei- den oder scheeren nur einen kleinen Theil, noch andere alles bis auf ein kleines Löckchen ab, welches gewöhnlich an einer Seite bleibt; endlich gibt es noch Einige, die alle Haare ge- radezu in die Länge wachsen lassen. Die Weiber dagegen tra- gen stets kurzes abgeschnittenes Haar. Die türkischen Weiber machen sich aus der in Was- ser eingeweichten Erde von Seco eine Salbe, womit sie sich, ehe sie ins Bad gehen, den Leib, das Gesicht und die Haare bestreichen. Auch mahlen sie sich die Augenbraunen schwarz, und einige lassen sich dieselben mit Rusma ganz wegnehmen, und sich mit schwarzer Farbe in Gestalt eines Halbmondes falsche auftragen. Nach Balon leiden die Türken, sowohl Weiber als Männer, sonst keine Haare als am Kopfe und am Barte. Sie nehmen die andern Haare mittelst des Rusma weg, mit der Hälfte lebendigen Kalks gemischt, weichen beydes im Wasser ein, schmieren diese Salbe, wenn sie ins Bad gehen, auf die Haut, und lassen sie so lange darauf liegen, als es braucht, ein Ey hart zu sieden. Sobald sie im warmen Bad zu schwitzen anfangen, fällt das Haar ab, wenn sie sich im kalten Wasser nur mit der Hand waschen, und die Haut bleibt glatt, ohne die geringsteSpur eines Haars. Ferner streichen sie mit der aus den Blättern der Alcannastaude gemachten Farbe Hände, Füsse und Kopfhaare an, um sie gelb oder roth zu färben. Das- selbe thun siean den Haaren der kleinen Kinder, und an den Mäh- nen der Pferde. — Bey den jetzigen Griechen gelten selhır er- habene Augenbraunen für eine besondere Schönheit der Frauen. Die Wilden in Amerika streuen Flaumfedern von Schwänen oder andern Vögeln auf ihre geschmierten Haare, und fügen noch Federn von allerley Farbe, und Büschel von Haaren verschiedener Thiere in einer sehr seltsamen Verthei- Jung hinzu. Ihre Haare sind übrigens bald in die Höhe ge- richtet, bald ganz glatt, und nehmen allerley Gestalten an. 138 Haarmoden bey verschiedenen Völkern. Die Weiber wickeln dieselben in eine Schiangenhaut in Gestalt der Zöpfe, die ihnen dann bis auf den Gürtel hinabhängen. — Die Grönländer tragen ihre Haare kurz, und wohl bis an den Scheitel abgeschoren, damit sie ihnen bey der Arbeit nicht hinderlich fallen. Die Weiber schneiden ihre Haare in der Trauer ab. Sonst binden sie selbe zweymal über dem Kopfe zusammen, so dass über dem Scheitel ein langer breiter Zopf, und darüber noch ein kleiner steht. — Die canadischen Indianer sind sehr eitel auf ihre langen Haare, welche sie vorne scheiteln, hinten aber in die Höhe schlagen. Der Streif zwischen den Haaren, also der eigentliche Scheitel, wird roth bemahlt. — Die Ösagen lassen bloss ihren Scheitel behaart, und umgeben ihn ebenfalls mit aufgerichteten und roth ange- strichenen Haaren; der ganze übrige Kopf ist sorgfälug ab- rasiert. Endlich verdient wieder die Kultur des Bartes bey den verschiedenen Völkern einer besondern Erwähnung. — Die al- ten Hebräer trugen bloss einen Bart am Kinn, und diesen durften sie nach einem Verbot von Moses *) durchaus nicht abschneiden. Die Aegypter liessen dagegen nur ein Büschel Haare an der äussersten Spitze des Kinnes stehen, wie man diess noch jetzt an den Mumien, und den auf uns gekomme- nen Formen ihrer Gottheiten sieht. — Die Assyrier und Ba- bylonier trugen lange Bärte, die sie nur bey tiefer Betrüb- niss ausreissen durften. — Unter den Griechen, die sich ebenfalls lange Bärte wachsen liessen , rasierten nur die Lace- dämonier die Oberlippe Alexander der Grosse führte die Sitte ein, sich den Bart zu beschneiden. Bey den spätern Griechen rasierten sich jüngere Männer bis zum 30ten Jahr den Bart, und unterhielten bloss einen Knebelbart. Wir sehen aus Plinius**), dass auch die ältesten Römer lange Bärte tru- gen. Erst im Jahre 454 n. E. v. R. kam durch Ticinius Mena die Sitte aus Sicilien nach Rom, sich das ganze Gesicht bis ans Kinn rasieren zu lassen. Früher trug jedermann unge- schorenes Haar, und nach dem 40ten Jahre durften sich über- haupt die Römer nicht mehr rasieren ***). Als Sciptio, der ) Levin je 19:27 **) Hist. mund. IL, 7. ce. 59. "##) Aulus Gellius noct. aut. lih. 3. e. 4. Haarmoden bey verschiedenen Völkern. 189 Afrikaner, lebte, kam die Sitte auf, sich alle Tage zu rasieren. Seinem Beyspiele folgte auch Julius Cäsar und Otto. Darauf war Hadrian wieder der erste Kaiser, der sich den Bart wachsen liess. Ihm ahmten diejenigen nach, die sich nicht der allgemein einreissenden Weichlichkeit der Sitten hingaben. Die Gothen, Longobarden und andere sogenannte Barbaren hatten durchaus grosse Bärte, doch nahmen sie auch in dieser Hinsicht bald die Sitten derjenigen Völker an, die sie bekriegten, und so kamen auch unter ihnen die kurzen und Knebelbärte auf. Im Mittelalter waren es vorzüglich die Franken, welche ihren Erfindungsgeist an immer neuern Formen .des Bartes übten, und sogar frisirte und gelockte Spitz - Knebel- und Schnurrbärte trugen. In Dentschland fing man erst vor 400 — 200 Jahren an, den Bart ganz weg zu nehmen. Nach dem herrschenden Ton der Mode kam es etwas später selbst eine Zeit lang so weit, dass man alle Haare im Gesichte abrasieren liess; bis gegen Ende des 48ten Jahrhunderts durch den kriegerischen Sinn der Schnurrbart wieder in Aufnahme kam. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Verbreitung der venerischen Seuche im 45ten Jahrhundert, welche häufig mit dem Verlust der Haare begleitet war, inso- fern unter den cultivirten Nationen Europa’s zur Verbannung der starken und langen Bärte beigetragen habe, als sich die jungen Modeherren ausser Stand gesetzt sahen, ‘mit andern noch nicht Angesteckten rücksichtlich des Bartes vortheilhaft in die Schranken zu treten. Unter den jetzt noch lebenden Völkern sind es vorzüglich die Orientalen, und unter diesen vor Allen wieder die Perser und Araber, welche sich durch besondere Sorgfalt für ihren Bart auszeichnen. Erstere lassen den Bart viel länger als die Türken, und stärker gegen die Schläfen- und Ohrgegend hinwachsen. Auch herrscht bey ihnen durchaus die Sitte, den Bart schwarz zu färben; eine übrigens sehr unangenehme Operation, die in ei- nem warmen Bade verrichtet wird. Sie bedecken nämlich zu diesem Ende den Bart mit einen dicken Teig von Khenna durch eine Stunde lang, und waschen ihn dann vollkommen ab; da- durch bekommt er eine Farbe, wie das Ziegelpulver. Hierauf wird ein dicker Teig von vorher klein geriebenen Indigoblät- tern auf den Bart gelegt, und so durch’zwey Stunden gelassen. Während diess alles geschieht, bleibt der Operirte auf dem Rücken liegen. Dieses Färben, besonders der Indigo, wirkt zu- 190 Die Haare als Leiter des Gefühls. sammenziehend auf die Haut des Gesichts, und verursacht star- kes Brennen und Verzerrungen der Gesichtszüge. Ist der Indigo weggewaschen, so bleibt der Bart 24 Stunden lang dunkelgrün, und wird erst an der Luft schwarz. Manche Perser begnügen sich mit der Orangefarbe, andere, die etwas eitler sind, so wie auch die Völker von Bokhara, ziehen die blaue vor. — Bey uns hat sich eigentlich nur noch der Backenbart ans dem allgemeinen Misskredit der Bärte gerettet. Denn ausser den Ordensgeistlichen, Eremiten, Juden und wild lebenden Menschen, trägt wohl Niemand einen langen Bart mehr; und die Knebel- und Schnauzbärte bleiben in der Regel immer noch einzig dem Militärstand überlassen, insofern man jedoch einzelne Nationen, z.B. die Ungarn, wo sie zur Nationaltracht gehören, davon ausnimmt. — Doch haben sich seit einigen Jahren wieder manigfache Symptome einer mehr und mehr um sich reissenden Bartwuth (Pogomanie) unter unsern Stut- zern gezeigt, und wenn die Sache, wie von solchen Leuten zu erwarten steht, ernsthaft vorwärts geht; so haben wir gegrün- dete Hoffnung, dass uns der oft nicht sehr erbauliche Anblick vieler noch jugendlicher und doch schon entuervter Gesichter durch einen gewaltigen Bart, als schreyendes Sinnbild der männlichen Stärke, erträglicher gemacht werde!! Anmerkung. So wie nach Göthe die weisse Farbe die edelste ist, so hält er auch, im schroffen Gegensatz mit der allgemeinen Mei- nung, den glatten Menschen für den schönsten, vollkommensten, und stärksten; und die behaarten Helden sind ihm nur Ausge- burten einer verzogenen Dichterphantasie. Welch’ ein Trost für die unbärtigen Mannsgesichter! $. 139. Sıe sind Leiter für das Gefühl. Indem man den Haaren (oder eigentlich nur dem Haar- schafte) die Empfindung oder das Gefühl abspsrechen musste, konnte man dennoch die Beobachtung nicht umstossen, dass unsre Haut jeden mechanischen Eindruck eines fremden Kör- pers schneller und stärker empfindet, wenn er ihr durch das berührte Haar mitgetheilt wird, als wenn er unmittelbar auf sie selbst geschieht. Rudolphi sagt sogar, dass wir einen fei- nen Körper, z. B. ein Haar an viele Stellen der Haut bringen können, ohne dass wir es fühlen, wenn wir nicht gerade damit Von den besondern Zwecken etc. 191 ein Hauthaar berühren. Diese Thatsachen sprechen also un- widerlegbar dafür, dass den Haaren die Eigenschaft zukommt, Eindrücke von aussen, und zwar wahrscheinlich meist auf me- chanische Art den nerven- und gefässreichen Haarbälgen, und durch diese den benachbarten Hautnerven auf die schnellste Art mitzutheilen. Eigentliche Tasthaare, wie sie sehr vielen Thie- ren zukommen, hat aber der Mensch durchaus nicht, und be- darf ihrer auch nicht, da ihn die Natur durch die kunstvolle Einrichtung seiner Hände dafür tausendfach entschädigt hat, $. 140. Il. Von den besondern Zwecken, welche durch die Haare einzelner Gegenden des Körpers erfüllt werden. Den Nutzen der Augenbraunen gab Galen durch folgende Worte an: „Oculorum pilis ac superciliorum, si quid ad- dideris aut abstuleris, illorum utilitatem corrumpes; li enim, ve- lut vallum quoddam corporibus exiguis sunt praeposili, hos aulem instar muri propulsare opporiebat ac primos omnia a capite de- fluentia excipere.“ Und dass die Cilien auf einem Knorpel auf- sitzen, findet er desshalb für nothwendig, weil sie sonst nicht so beständig ihre Richtung behalten könnten. — Heut zu Tage ist man allgemein darüber einig, dass die Augenbraunen dazu dienen, um die von der Stirn herabfliessenden Feuchtigkeiten, Schweiss, so wie fremde Körper, Staub, Hautkleye u. s. w. aufzu- fangen, und durch Ableitung gegen die Schläfe zu von dem Auge abzuhalten; dann aber wohl auch, um das Auge zu beschat- ten, und die Wirkung eines grellen Lichtes zu mässigen. Fa- bricius ab Aquapendente vergleicht sie mit einem Re- gendach. — Porterfield glaubt daher auch, dass es keine üble Gewohnheit der Morgenländer sey, bey einem so starken Sonnenlichte, und in einer so heitern Luft sich die Augenbrau- nen schwarz zu färben. Noch ungleich wichtiger sind gewiss die Cilien für das Auge. Ihre ganze Stellung und das wechselseitige Ineinander- greifen spricht es zu deutlich aus, dass ihr Zweck darin be- steht, alles, was dem Auge feindselig ist, also alle fremden Körper, namentlich aber Insecten und Staub, welche bestän- dig in der Atmosphäre enthalten sind, abzuhalten, und nebst- 192 Von den besondern Zwecken etc. bey den Abfluss der Feuchtigkeiten von der Oberfläche des Auges nach Aussen nicht zu erschweren, sondern vielmehr zu erleichtern. Wären die Cilien gerade, so würden sie durch ihren Schatten das Sehen beeinträchtigen, und stünden sie weiter von einander ab, so öffneten sie die Augen zu sehr: stünden sie dichter neben einander, so würden sie abermals das Auge zu sehr beschatten. Ueberhaupt spricht sowohl der Ort, die Stellung und Richtung, als auch der unverkennbare Einfluss dieser Haare sehr dafür, dass die CGilien dem Auge das sind, was die Knebel- und Schnauzbär- te, Bartfäden u. dgl., mit einem Worte die soge- nannten Tasthaare dem Munde der Thiere sind. Ich halte sie in der That für die Repräsentanten des Tastsiınns im Gesichtssinn. Columbus hatte die Idee, dass sie auch bestimmt wä- ren, das Gesicht zu leiten. Derselben Meinung waren schon früher Aristoteles, Galen, Laurentius und Tardi- nus, und schienen durch die Beobachtung an Thieren darauf geleitet worden zu seyn, welche nach dem Verluste dieser Haare nicht lange mehr und nicht gerade sehen. Auch sollen nach Galen diejenigen, welche wie immer ihre Cilien verlo- ren haben, die entfernten Gegenstände viel schwerer unter- scheiden. — Es wäre gewiss sehr interessant, über diesen Punct die Erfahrungen practischer Augenärzte bekannt zu ma- chen. Wahrscheinlich lässt sich jene alte Meinung darauf zu- rückführen, dass beym Mangel der Cilien das Licht zu grell auf das Auge wirkt, und so das Sehen beeinträchtigt wird. Bey Kurzsichtigen ist es eine bekannte Sache, dass sie ent- ferntere Gegenstände deutlicher sehen, wenn sie die Augen- lieder beynahe schliessen, und so nur - Lichtstrahlen ein- fallen lassen, wie ich diess aus eigener Erfahrung kenne. Offenbar zielt auch der Nutzen der Nasen- und Oh- renhaare (im äussern Gehörgang) auf Abhaltung des Staubs, überhaupt beleidigender fremder Körper, und namentlich der Insecten ab. Was die Augenbraunen dem Auge sind, das kann dem Munde der Schnauzbart seyn, nur mit dem Unterschied, dass hier noch eine ergiebige Quelle von einem dem Munde eben nicht zusagenden Auswurfsstoff, der Nasenschleim, zu berechnen kommt. Darüber können uns die schnauzbärti- gen Tabackschnupfer die beste Auskunft geben, deren Kne- Von den besondern Zwecken etc. 193 belbart aber auch bey nur geringer Unsauberkeit eine wahre Kloacke zu nennen ist. Was aber die besondere physiologische Bedeutung des eigentlichen Bartes betrifft, insofern dieselbe nicht schon in den oben angeführten allgemeinen Functionen be- griffen ist; so scheint die Natur, indem sie den Mann mit einem Barte zierte, den sie dem Weibe versagte, zunächst den Zweck gehabt zu haben, jenen eben dadurch noch schär- fer von letzterem zu trennen, als es durch die übrigen be- kannten Eigenheiten geschehen konnte; vorzüglich aber die- sem auffallenden Unterschied, den sie mit dem einen oder an- dern Geschlechte verband, eben durch den Bart eine sogleich in die Augen fallende Offenkundigkeit zu geben. Desswegen hat sie ihn an einen Ort verlegt, wo er sogleich bemerkt werden musste, während die übrigen Merkmahle der Ge- schlechtsverschiedenheit theils an und für sich mehr verbor- gen, theils durch das dem einigermassen gesitteten Menschen innewohnende Schamgefühl bedeckt gehalten werden. Dass diess der Hauptzweck des Bartes seyn möge, wird um so wahr- scheinlicher, wenn wir den Umstand berücksichtigen, dass der Bart gerade zu jener Periode seine Entwickelung beginnt, in welcher sich überhaupt die beyden Geschlechter im eigentli- chen Sinne, und zwar in physischer und geistiger Hinsicht gleichsam wie durch Instinkt getrieben, von einander trennen; ich meine die Zeit der Pubertät. Dadurch lässt sich dann auch die gleichzeitige Entwickelung der Scham- und Achselhaare, und überhaupt der innige Zusammenhang erklären, in wel- chem das Hervorbrechen und Wachsthum des Bartes mit der vorschreitenden Entwicklung der Mannbarkeit steht, und man lernt einsehen, dass es keine leere Hypothese sey, wenn man denBart als das entscheidendsteZeichen der Mann- barkeit in physischer Hinsicht ansieht. Dass man nicht selten auch auf Ausnahmen stossen wird, kann hier so wenig, als in einer jeden andern Sache befremden. Auch wird diese An- sicht durch die Beobachtung stark unterstützt, dass die Wei- ber um so mehr sich zum männlichen Charakter hinneigen, je deutlicher ceteris paribus die Spuren des Bartes sich an ih- nen zeigen, wie man diess bey den sogenannten Mannwei- bern (Viragines) auffallend sieht. Endlich pflegt gerade dann, wenn das Weib seinen ganzen physischen Geschlechtscharakter abzulegen anfängt, d. i. zur Zeit, wo der monatliche Blutabgang Eble’s Lehre von d, Haaren Il, Ba, 15 194 Von den besondern Zwecken etc. und das Vermögen zu empfangen aufhört, das Hervorbrechen von Barthaaren in die Erscheinung zu treten, und die Frau dann zum natürlichen Mannweib zu stempeln. Etwas Aehnliches beobachtet man, obwohl ım verminderten Mass- stabe, bey an und für sich unfruchtbaren, und solchen Frauen, bey welchen die Begattung fehlt, und die Menstruation abnimmt, z. B. bey jungen Witwen, — Uebrigens kann auch den Bart-, so wie allen übrigen Haaren das Ableiten von Flüs- sigkeiten als Nebenzweck angerechnet werden. Ueber die Bestimmung der Achselhaare weiss ich wenig Erhebliches zu sagen. Gewöhnlich wird sie so an- gegeben, dass diese Haare die Reibung der Haut mindern, und die Verflüchtigung des hier in Menge entstehenden Schweisses beschleunigen sollen *). Fabricius ab Aqua- pendente sagt, dass sie den Schweiss aufsaugen, damit er die Haut nicht verderbe. Das Wahre an der Sache ist, dass wir den eigentlichen Zweck dieser Haare eben so wenig als des hier sowohl durch seine Menge als seinen specifischen Geruch ausgezeichneten Schweisses hinreichend kennen. Uebri- gens darf bey genauer Würdigung dieser Haare nicht verges- sen werden, dass ihre Entwickelung ebenfalls mit der Puber- tät, und zwar in beyden Geschlechtern, in genauem Zusam- menhange stehe. Von den Schamhaaren sagt derselbe Fabricius: dass sie ungefähr dasselbe leisten, was die Achselhaare, doch aber auch noch dazu dienen, um den bey ehelichen Umar- mungen unvermeidlichen Druck nach Art eines Polsters in etwas zu mindern. Blancard **) gibt an, dass die Scham- haare die innern und äussern Theile vor aller Kälte und Un- gemach bewahren, und die Verletzung der Haut der Scham durch die Zusammenreibung der weiblichen und männlichen Geschlechtstheile beym Beyschlafe hindern. Dass aber dieses letztere nicht die Hauptbestimmung der Schamhaare sey, zeigt theils ihre oft mangelhafte und sehr dürfige Anzahl, theils die Gewohnheit mancher Nationen, sich diese Haare heraus- *) Jahn a. a. O. 2. Thl, p. 4. **) Reformirte Anatomie, Aus dem Holländischen und Lateinischen ins Hochdeutsche übersetzt von Tobias Pleucer. heipzig 1691. p: 815. Von den besondern Zwecken etc. 195 %ureissen. Es ist mir demnach wahrscheinlich, dass der Zweck dieser Haare zusammengesetzt sey, und zwar 4) in Absonderung einer eigenthümlichen Flüssigkeit unter der Form der unmerklichen Ausdünstung, 2) in Ableitung des vom Bauche herabfliessenden Schweisses und anderer Körper, 3) in Verhinderung einer zu starken Reibung der beyder- seitigen Schamtheile beym Beyschlafe, 4) in Bezeichnung der erlangten Geschlechtsreife *), und endlich 5) in einem eigenthümlichen, bisher noch zu wenig gewür- digten Einfluss auf den beym Beyschlaf wirkenden elec- trischen Process zwischen den beyden sich polarisch ent- gegenstehenden Individuen bestehe. Sollten die so stark angehäuften Schamhaare nicht be- sonders dazu dienen, das electrische Fluidum zurückzuhal- ten, oder vielleicht durch gegenseitige Reibung höher zu p>- tenziren, und von dem vorwaltenden Pol bey fortgesetztem Conflict auf den passiven überzuleiten? Wenigstens spricht für den angegebenen Einfluss der Schamhaare auf das Ge- schäft der Zeugung die "Thatsache, dass beym Menschen die Dichtigkeit und Krause der Schamhaare meist in ge- radem Verhältniss zur Stärke der Zeugungskraft stehe, und dass die geilsten Personen meistentheils auch in dieser Gegend sehr behaart sind. Interessant wäre es nun, zu erfahren, ob bey übrigens gleichen Verhältnissen die stärker behaarten Wei- ber auch fruchtbarer als die andern sind? — Wenn es endlich wahr ist, was auch Jahn bezeugt, dass keine Frau, welche haarlos an der Scham ist, schwanger werde; so könnte man wenigstens den genauen Zusammenhang zwischen dem Erschei- nen dieser Haare und den Geschlechtsfunctionen nicht mehr läugnen. Da jedoch an der Scham ganz haarlose Frauen wohl unter die grösste Seltenheit gehören, so dürften diejenigen, die über diesen Gegenstand Erfahrungen zu machen Gelegen- heit haben, sich an das plus oder minus, namentlich aber an eine auffallende Seltenheit und dürftige Entwicklung der Schamhaare halten. *) Desshalb lies der Kaiser Justinianus die Scham aller Mädchen in Bezug auf Ab- oder Anwesenheit der Haare untersuchen, ehe sie zum Heirathen für tüchtig erkannt werden konnten, 137° 196 Physiognomische Bedeutung der Haare. Da bloss der Mann Haare am After hat, so möchte ich diese Haare auch nur als ein weiteres Zeichen des männlichen Ausdrucks ansehen. Sie stehen übrigens mit den Barthaaren in einiger Beziehung, denn so wie diese die obere Mündung, den Eingang des vegetativen Schlauches, umgeben, so sind jene um die untere Mündung, den Ausgang desselben, gelagert. Auch erscheinen beyde zu gleicher Zeit, nämlich zur Zeit der Ge- schlechtsreife, und beyde fehlen dein Weibe. Indessen mögen sie wohl die mehr mechanischen Zwecke mit den andern Haa- ren gemein haben. Für die nun noch übrigen feinen Körperhaare weiss ich keinen speciellen Nutzen anzugeben, der von dem schon oft angeführten, mehr oder weniger allen Haaren des Körpers zu- kommenden verschieden wäre. Anmerkung. Nur Galenus hält die Schamhaare auch für eine Zierde, indem er sagt: „Pili circa pudenda aperimentum et ornamentum ejus locı partibus praebent, non aliter, quam nates quidem ano, praeputium autem pudendo.« Drittes Hauptstüuck. Ueber die physiognomische Bedeutung der Haare $. 14- Gleichwie die Haare einen wesentlichen Einfluss auf die ganze Gestaltung des Menschen haben, (so zwar, dass man sich weder einen gesunden, noch schönen Körper ohne die diesen Eigenschaften entsprechende Haare denken kann,) so wird man nach dem Vorausgegangenen auch leicht einsehen, dass sie mit der ganzen Natur des Menschen aufs innigste zusammenhängen, und dass es demnach keine abentheuerliche Idee war, wenn man umgekehrt aus den Haaren auf die Natur des Körpers, und selbst auf den Geistescharakter zu schliessen wagte. Diess gab nicht allein Lavater, der Schöpfer der wissenschaftlichen Physiognomie zu, sondern es finden sich von der Gültigkeit Physiognomische Bedeutung der Haare. 197 jenes Schlusses auch vielfache Proben im Alterthume, wie aus dem Nachfolgenden zur Genüge erhellen wird. Eine Menge allegorischer und Sprich-Wörter,, die von den Haaren herge- nommen sind, beweisen ebenfalls den wichtigen Bezug, den die- selben auf die gewöhnlichen Handlungen der Menschen haben. So z. B. die Haare stehen zu Berge; Haar lassen müssen; sich graue Haare wachsen lassen; es soll dir kein Haar gekrümmt werden; einander in den Haaren liegen; etwas an den Haaren herbeyzie- hen; Haare auf den Zähnen haben; auf ein Haar treffen; der Sohn hat kein Haar von seinem Va- ter u.s. w. Van Helmont, der den Kopf den Coelum microcosmi- cum nannte, hielt die Haare für die Sterne. — Samuel Gott- lieb Vogel *) gibt zu, dass die Haare nebst den Geburts- theilen und der Menstruation auch noch mit dem Hirne und den Seelenkräften in besonderer Beziehung stehen. Daher seyen schwarze, krause, straffe Haare dem melancholischen ‘Temperamente eigen, und rothe Haare bezeichneten entweder einen sehr schlechten oder einen sehr guten Charakter und Schlauheit; daher sollen in Gefängnissen die rothköpfigen Weiber so zahlreich, und ein weissköpfiger Mann so selten seyn. Krause Haare sind nach ihm oft mit Genie und Wollust verbunden. — Bey Arnaldus Villanova **) heisst es: „Multitudo capillorum significat caliditatem et humiditatem, par- citas testatur frigiditatis excessum, aut, cum calore temperato, su- perabundantem humiditatem. — Nigredo dominium ostendit cali- ditatis, albedo vero frigiditatis.“ Und in seinem Specul. introduct. medicinal. ***) wird die dritte Klasse Signorum complexionis von den Haaren genommen. Avicenna ****) berührt diesen Gegenstand auf eine Art, deren Zweck ich nicht recht einsehe. Er sagt: „Pil in puero significant, quod ipsius complexio, cum crescei, ad melan- choliam convertetur, et in sene significant, quod in praesenti est melancholiceus.“ — Den physiognomischen Werth der Augen- braunen erkannte schon Hippocrates an, indem er in sie NANaO, **) Opera omnia 1585. De ornatu mulierum, ”“*) P, 294. “**) Liber Ganonis lib. I. cap. 3. p. 44. 198 Physiognomische Bedeutung der Haare. einen Theil des Geistes legte: „Supercilia mazxime fastum indi- cant, et in üs animi pars. Negamus, annuimus. Superbia aliubi conceplaculum, sed hic sedem habet. In corde nascetur, huc subit, hie pendet. *). Zur Zeit Galens wurde ebenfalls die Temperatur des Gehirns von den Haaren abgeleitet. Hören wir nun, was Lavater über die Physiognomie der Haare sagt. Jahn führt folgende Worte von ihm **) an: „Weisse, zarte, reine, flache Haare zeigen immer eine schwache, feine, reitzbare, oder vielmehr schreckbare, druckbare Organi- sation an. Schwarze krause Haare werden sich nie an einem sehr feinen, zarthäutigen, markigen Kopfe finden. — Wie die Haare so das Fleisch; wie das Fleisch so die Muskeln ; wie die- se so die Nerven, und wie diese so die Knochen. Wie eins, wie Alles von diesen, so die Kraft des Geistes zu wirken und zu leiden, zu empfangen und zu geben. — Die wenigste Reitz- barkeit ist immer beym kurzen, harten, krausen und schwar- zen Haare; die meiste beym flachsweissen, zarten Haare, näm- lich ohne Federkraft. Schwerdrückend ohne Federkraft ist je- nes; schwergedrückt ohne Widerstand dieses. — Wo viele Haare, viele Fettigkeit; daher keine Gegenden am menschli- chen Körper mit mehrern und längern Haaren bedeckt sind, als der Kopf, die Höhle unter den Achseln u. s. £.“ — An die- sen Orten liegen, wie Withof bemerkt, sehr viele kleine Fett- schläuche; wo keine solche, keine Haare.“ „Aus der Elasticität der Haare lässt sich gewiss auf die Elasticität des Charakters schliessen. — Die Haare sind natür- liche Feuchtigkeitszeiger. — Die in kalten Gegenden wohnen, haben weisseres, und hingegen die in heisseren Gegenden woh- nen, schwärzeres Haar, — Lionel Waser hat beobachtet, dass die Einwohner der amerikanischen Meerenge milchfar- biges Haar haben, — Grünes Haar haben wenige, ausser denen, die mit Kupfer umgehen. — In den Signalementen der Spitz- buben wird man wenig weisse Haare finden, wohl aber viel dunkelbraune, auch wohl schwarze Haupthaare und weisse Augbraunen beysammen. — Längere Haare haben die Weiber, als die Männer. — Männer mit langen Haaren (und diese lan- *) De morbis vulgaribus lib. secund. sect, 5. p. 1040. **) Joh. Caspar Lavater’s physiognomische Fragmente. 4ter Ver. such p. 112, “ _Physiognomische Bedeutung der Haare. 109 gen sind mehrentheils weiss — schwarze habe ich wenigstens noch keine von sonderbarer Länge gesehen) haben immer mehr weibisches, als männliches an sich. Darum ist's auch einem Manne keine Ehre, wenn er lange Kopfhaare hat. — Die schwarz.n Haare sind härter, als die hellen; so wie die Haare der Erwachsenen härter, als die der Jungen. — Die Alten ge- ben die, welche hartes Haar haben, für keck und wild aus: Hispida membra quidem, et durae pro brachia setae Promittunt atrocem anımum, Juvenal. Ein zartes, volles, wuchsreiches Haar, ohne Verwirrung und schwerlästige Gedrängtheit — nicht glatt und nicht hart- kraus — ist wahrer Ausdruck der höchsten Lichthelle des Ver- standes, ohne Poesie und Schwäche. — Ob das zarte, schwarze Haar überhaupt Ausdruck von kälterer Complexion sey, ist mir noch nicht vollkommen entschieden. — „Stille, feste Stärke zeigt sich in proportionirter Gestalt, die jedoch eher et- was zu kurz, als zulang seyn darf. Sie zeigt sich auch in kur- zem, dichtem Haupt- und Barthaar.“ — So Lavater. Ich füge noch Huart’s Urtheil über die Physiogno- mie der Haare bey: „Will man wissen, ob die Beschaffenheit des Gehirns mit der Beschaffenheit des Fleisches übereinkom- me, so muss man die Haupthaare betrachten. Sind diese schwarz, stark, spröde und dicht; so zeigen sie von einer gu- ten Einbildungskraft und einem guten Verstande. Ach nein doch! nicht so allgemein gesprochen, mir fällt sogleich ein erzschwacher Mensch mit so einem Haare ein. Sprödigkeit ist ein fatales Wort, das nie etwas Gutes bedeutet, man mag es anwenden auf was man will. — Sind aber die Haare zart und weiss, So zeugen sie von nichts, als von einem guten Gedächt- nisse. — Auch wieder zu wenig. Sie zeugen von einer feinen Organisation, die Eindrücke von Bildern wenigstens so gut aufnimmt, als von Zeichen der Bilder.“ Was mir die Erfahrung in dieser Beziehung als mehr oder wenig gültig hingestellt hat, beläuft sich ungefähr auf Folgendes: 4) Ein an Menge und Qualität den individuellen Verhältnis- sen desMenschen entsprechendes schönes Haar ist nebst- dem, dass es die äussere Form des Körpers bedeutend hebt, auch ein beständiges Zeichen einer vollkommenen (4 200 Physiognomische Bedeutung der Haare. Gesundheit. — So unbezweifelbar richtig dieser Satz ım Allgemeinen ist, so finden doch zahlreiche Ausnahmen statt; indem es manche Menschen gibt, die bey übrigens vollkommen scheinender Gesundheit dennoch einen schr dürftiigen Haarwuchs u. s. w. haben. Nach meiner Meinung schaden jedoch derley Ausnahmen der aufgestellten Regel nicht, weil ich überzeugt bin, dass der aufmerksame Na- turforscher und Arzt bey solchen Mängeln des Haarwuch- ses stets irgend einen Fehler, und sey es auch ein bloss ererbter, aufzufinden, und daher die Ursache anzugeben ım Stande seyn wird. 2) Die Menge der Haare steht mit der körperlichen Kraft häufig, ja man kann sagen meistens in geradem Ver- hätniss. Doch gilt dieser Satz nicht, wenn er bloss auf die Haupthaare bezogen wird, indem es wohl viele sehr starke Männer gibt, die nichts desto weniger dünn angehaute Haare, oder gar schon eine frühzeitige Glatze auf dem Kopfe haben. Ich kannte einen Mann, der sich von Jugend auf durch einen starken Haarwuchs auszeichnete, und in seinem vollendeten Mannsalter sehr stark am ganzen Kör- per bewachsen, und dennoch stets schwach an Kräften war. — Aber ich erinnere mich keines einzigen Mannes, der sich durch besondere Stärke des Körpers überhaupt ausgezeichnet hätte, und der zugleich arm an Haaren überhaupt gewesen wäre. Denn entweder ist dann in sol- chen Fällen das Haupthaar oder der Bart, oder es sind die Haare der Brust, oder endlich jene der Extremitäten vor- züglich stark entwickelt. Unter allen scheinen an und fürsıch allein dieBrusthaare die nächste Beziehung zur körperlichen Stärke zu haben. Auf sie folgen die Haare an den Armen und Beinen, dann der Bart, und zuletzt erst die Kopfhaare. In Bezug auf letztere zeigt uns schon ihre starke Entwicklung beym weiblichen Geschlechte, dass sie kein Hauptmerkmal von körperlicher Stärke seyn können. Immer aber deuten kurze, feste und zahlreiche Haare eher auf Körperstärke, als lange. Anmerkung. Daher das Sprichwort: Vir pilosus et fortis, et luxuriosus. — Marescotti, Professor zu Bologna, erzählt von einem Prediger , der ein sehr langes Haar trug, die heftigsten Kopfschmerzen litt, und eine fast übermenschliche Stärke zeigte: dass er, nachdem ihm der Kopf geschoren war, seine gewöhnli- Physiognomische Bedeutung der Haare. 201 chen Kräfte wieder erhielt. Dass Wahnsinnige durch das Ab- scheeren der Kopfhaare ihre oft ungeheure Stärke fast wie plötz- lich verlieren, ist ebenfalls eine wohl zu beachtende 'I’'hatsache. — Nach der heiligen Schrift verlor Samson seine Stärke grössten- theils mit seinen Haaren, welche ihm seine Beyschläferinn, De- lila, durch List abschnitt. Als aber sein Haar reproducirt war, kehrte die Mannbarkeit und Stärke des Geistes und Körpers wieder. 3) Ein starker Haarwuchs ist nicht allein kein Zeichen von geistiger Kraft, sondern sogar häufiger mit Schwäche des Geistes verbunden. Diess gilt ganz besonders von den Kopfhaaren, wie uns abermals ihr Erscheinen bey Wei- bern, Kindern und Verschnittenen sattsam beweist. Die- ser Satz ist auch in andrer Hinsicht ganz klar; denn wenn es wahr ist, dass ein starker Haarwuchs sich meistens bey robusten Menschen findet, und Stärke des Körpers sich meistens antagonistisch - polarisch entgegengesetzt — zur Stärke des Geistes verhält; so geht von selbst hervor, dass letztere sich mehr mit schwacher Haarbildung vertragen werde. Diess zeigt aber auch die tägliche Erfahrung in den häufigsten Fällen, und man scheint davon so allge- mein überzeugt zu seyn, dass man es einen Gelehrten nicht allein, wie diess doch mehr oder weniger bey an- dern Ständen eintritt, nicht übel nimmt, wenn er bey Zeiten glatzköpfig wird, sondern dass ein mässiger Glatz- kopf selbst zur Zierde eines durch geistige Ueberlegenheit ausgezeichneten Mannes gerechnet wird. Wie wenig scha- dete dem Haupte des grossen Canning sein starker Glatz- kopf! — Umgekehrt trifft man wirklich unter Cretinen und überhaupt bey Menschen, die ein mehr vegetatives Leben führen, und bey welchen die höhern geistigen Kräfte entweder ursprünglich fehlen, oder noch unent- wickelt schlummern , mit einem Worte nicht in die Er- scheinung treten, so wie auch in allen Krankheiten, die aus Uebermass des niedern Bildungstriebes entstehen, ge- wöhnlich eine relativ’stärkere Haarentwicklung, als bey den entgegengesetzten Verhältnissen. — Alles diess gilt ganz besonders vom langen Haar. — 4) Je stärker der Bart ist, desto männlicher und kräfuiger ist der Ausdruck des Mannes. Ich habe schon oben gesagt, dass das Hervorsprossen des Bartes von dem Eintreten der Mannbarkeit unzertrennlich ist, obgleich es Fälle gibt, wo sich bey völliger Geschlechisreife der Bartwuchs zu 202 Physiognomische Bedeutung der Haare. verzögern scheint. Mit inniger Lust sieht der Jüngling die ersten Barthaare hervorkeimen, und pflegt ihrer sorgfältig in der beglückenden Meinung: er werde jetzt ein Mann. — Die Grönländer, Eskimos, Patagonen und Feuerländer haben zwar keinen dürfiigen Haarwuchs, doch will man diess von den übrigen amerikanischen Völkerschaften, so wie auch von mehreren Nationen mongolischer Abkunft, und der Südseeinseln behaupten, und will die Feigheit und Neigung dieser letztern, sich mit weiblichen Arbeiten zu beschäftigen, und ihren Weibern die körperlichen an- strengenden Arbeiten aufzubürden, mit dem kümmerli- chen Bartwuchs als gleichzeitige Erscheinungen in eine ge- wisse ursächliche Verbindung bringen. Uebrigens hält man auch in Europa einen ungewöhnlich lang verzögerten oder sehr schwachen Bart für ein selten trügendes Zeichen ei- ner weichlichen, mehr weiblichen Körperconstitution; ob- wohl man hier nie vergessen darf, dass das häufige Rasie- ren dem stärkern Wachsen des Bartes eben so grossen Vor- schub leistet, als frühzeitige Samenverschwendung ihn vor der Zeit erscheinen macht. Dadurch erklärt sich dann der Umstand, dass auch unsre schwächlichen Stutzer häu- fig einen starken Bart haben. — In den Breslauer Samm- lungen ist eine Geschichte zweyer sehr starker Männer er- zählt, die zugleich mit einem ausserordentlichen Barte versehen waren. Der eine war der schon oben erwähnte Riese Rauber, dessen sieben Fuss langer Bart beym Ge- hen zu beyden Seiten wie ein Paar Fahnen wegflog; der andere war ein Jude, der ebenfalls einen, wiewohl min- der starken Bart hatte, und sich einer unerreichbaren Stärke rühmte. Erzherzog Car] neugierig, wer von bey- den wohl der stärkste sey, überredete sie, sich mit einan- der zu messen. Es war ausgemacht, dass einer dem an- dern eine Ohrfeige geben sollte. Um den Anfang wurde gespielt. Der Jude fing an, und gab dem Kriegsrath Rau- ber einen so derben Schlag, dass dieser zu Boden fiel, und noch lange nachher krank war. Wie er sich endlich erholt hatte, wickelte er sich den Bart des Juden zweymal um die linke Hand, und schlug mit der rechten so stark (darauf, dass er den Bart sammt der untern Kinnlade in der Hand behielt. — Nach dem Wunsche des Kaisers selbst musste Rauber nachher mit einem starken Spanier Physiognomische Bedeutung der Haare. 203 auf eine besondere Art um ein Fräulein streiten, welches sie beyde zu besitzen wünschten. Es wurden ihnen zwey Säcke von passender Grösse gegeben. In des Kaisers Gegen- wart mussten sie sich anstrengen, einer den andern hinein zu stecken. Nach einem langen belustigenden Kampfe siegte Rauber, und erhielt den Preis. Er erzeugte nachher acht Zwillinge mit dieser Frau. — Von jeher machte ein grosser Bart den Mann furchtbar. Als Alexander die Bactrianen und Scythen an- greifen wollte, so rieth ihm Parmenio, sein Feldherr: er möchte den Angriff des Nachts machen lassen, daınit nicht seine Soldaten durch den Anblick der ausserordent- lichen Bärte muthlos gemacht würden, und früher die Flucht ergriffen, ehe sie noch handgemein geworden wä- ren*), Hans Adam, Baron von Oxenstierna, war bekannt wegen seiner ausserordentlichen Stärke, hatte aber auch einen Bart von sechs Fuss zwey Zoll Länge. Auch der Ritter Thalberg, der ebenfalls sehr stark war, hatte einen sehr ausgezeichnet reichlichen Haarwuchs. — Sonst hat man wohl auch gewagt, aus dem Grad der Härte und Steifigkeit des Bartes auf den Zustand des Gemüthes selbst zu schliessen. So heisst es **): „Starrer Bart, star- rer Sinn. Wo das Messer über das Kinn fährt, wie die Sense durch feuchtes Gras, da ist weicher Sinn und Bieg- samkeit des Willens; wo es aber rauscht, als ging’s über Stoppeln, da kann man darauf zählen, dass der Sinn eben so rauh und widerstrebend ist.“ 5) Einer besondern Erwähnung verdienen die Schamhaa- re. Es ist schon früher angeführt worden, dass ihr reich- licher Wuchs mit dem Zeugungsvermögen in einem nahen Wechselverhältniss stehe, ja dass selbst Frauen, deren Scham haarlos war, gar nicht fruchtbar wurden, wenn sie auch sonst Haare in Menge am Körper hatten, und dem Geschlechtsgenuss nichts weniger als abgeneigt wa- ren. Da nun aber das Vermögen zu zeugen, ein Hauptcha- rakter des Mannes, oder besser gesagt, der männlichen Stärke ist; so scheint ein üppiger Wuchs der Schamhaare *) Curtius lib. IV. cap. 13. $. 5. **) In der Wiener Zeitschrift für Kunsi, Literatur, Theater u. Mode. Au- gust-2. 1825, Nr. 92, 204 Physiognomische Bedeutung der Haare. immerhin für ein Zeichen jener angesehen werden zu kön- nen, obgleich ein dem Anschein nach viel schwächerer Mann den stärkern oft an Fruchtbarkeit übertrifft. — Auch habe ich die Bemerkung gemacht, dass man von dichten, starken Augenbraunen auf einen reichlichen Haarwuchs in der Schamgegend schliessen könne. 6) Lange, weiche und lichte Haare sind dem weibli- 7 Nr chen Geschlechte und der Jugend besonders eigen. Dess- halb findet man sie auch in der Regel nur bey solchen Männern, deren Natur sich der weiblichen mehr nähert. Andere Schriftsteller haben daraus auf einen weibischen Charakter, Empfindlichkeit desGemüths ohne hinlängliche linergie und Festigkeit, endlich auf Furchtsamkeit und leichte Fügung in den Willen Andrer geschlossen. Von den von Natur kurzen Haaren, sie mögen nun hart oder weich, mehr oder weniger elastisch, und von welcher Far- be es wolle, seyn, sagt Jahn: „dass sie immer einen kurz- gefassten Menschen, von raschem Entschlusse, und von schneller Ausführung desselben anzeigen.“ Der Choleri- ker, dem diese Eigenschaften vorzüglich zukommen, hat auch wirklich meist kurze, etwas harte und dunkelgefärbte Haare. Man ist allgemein gewohnt, das krause Haar für ein Merkmal von Flaiterhaftigkeit, Leichtsinn, Gutmüthigkeit und Hang zu allen sinnlichen Vergnügungen zu halten. Wirklich scheinen sich davon selbst unter den Thieren Spu- ren zu finden. So ist z. B. der Pudel unter allen Hunde- arten der lustigste, gutmüthigste, und zu Spielereyen ge- neigteste. Dass sich diese Eigenheiten des Charakters bey dem krausköpfigen Kinde zeigen, wird uns wenig wundern, wohl aber ist es gewiss auffallend und entscheidend, dass sich das Angegebene auch beym Erwachsenen, ja selbst beym bejahrten Krauskopf bewährt. Daher die Unfähig- keit solcher Menschen zu ernsten Geschäften, daher ihr unstetes Herumtreiben, ihr beständiger Wankelmuth, ihr ewiges Projectmachen, und ihr planloses, höchst unordent- liches Vorgehen in Erreichung ihrer Wünsche. Kraus- köpfe waren von jeher die grössten Wagehälse; aber nicht etwa um eine Sache von besonderer oder gar allgemeiner Wichtigkeit, sondern im Spiel, Wetten u. dgl. ; und Nie- mand erträgt die ungeheuersten Verluste leichter als sie. Physiognonische Bedeutung der Haare. 205 Das Ende des Ganzen ist nicht selten eine entehrende Gleichgültigkeit gegen Aeltern, Geschwister, Verwandte, Freunde, kurz Alles, was dem Menschen theuer ist, und wohl gar ein gänzlicher Mangel an Ehrgefühl. — Demje- nigen, der nicht blind in der Welt herumläuft, wird es wohl einleuchten, warum nichts desto weniger solche Menschen in Gesellschaften sehr beliebt, und nament- lich vom andern Geschlechte in Schutz genommen sind. — Jahn sagt *): „In einer Nation, die Nationalstolz, aber keine Nationalehre hat, ist der Krauskopf zu Hause. — In der Ehe mit einem Krauskopf ist kein Glück.“ — Dieses so wie auch meine früher aufgestellten Urtheile über den Krauskopf sind nicht allein, wie sich’s von selbst versteht, von keiner allgemeinen Gültigkeit; sondern können nur auf denjenigen Menschen bezogen werden, der entweder der Wohlihat einer guten Erziehung ganz entfremdet blieb, oder selbe muthwillig von sich gestossen hat. — Daraus ergibt sich auch, wie sehr ein Krauskopf zu schät- zen sey, der durch seine Bildung Herr über die ihm gleich- sam von Natur aus anklebenden Fehler geworden ist; man wird in ihm den angenehmsten Gesellschafter finden, der ganz gemacht zu seyn scheint, seine Umgebung zu beglü- cken. Unsere Sprache hat übrigens dieses ganze Verhält- niss durch das Sprichwort: „Krauser Kopf, krauser Sınn“ bewahrheitet. 8) Meine Erfahrungen über die physiognomische Bedeutung der harten Haare sind nicht ergiebig genug, als dass ich das schwere Urtheil, welches schon Juvenal über sie aussprach, und Lavater bekräftigte, so geradezu unter- schreiben kann. Jahn will sich hiezu unter der nöthigen Einschränkung verstehen, wenn es auf ein sehr hartes, kur- zes und schwarzes Haar bezogen wird. In solchem Falle will er immer wenigstens eine Anlage zur Herzenshärte gefunden haben. Auch schliesst er von den harten schwar- zen Haaren auf eine solche Menge böser und verabscheu- ungswürdiger Eigenschaften, dass er mir wirklich selbst etwaszuhartvorgegangenzuseynscheint. 9) Die wichtigste physiognomische Bezeichnung der Haare ist von jeher von ihrer Farbe genommen worden. Unter *) A. a. O. p. 158. 206 Physiognomische Bedeutung der Haare. allen Farben ist man im Allgemeinen stets der rothen abgeneigt geblieben. — Hippocrates *) sagt: „Quicum- que ruffi sunt et aculo naso et parvis oculis, praei; qui vero ruffi, simi et magnis oculis, boni.“ Esau undDavid wa- ren beyde roth. — Wir haben oben gehört, dass die rothen Haare bey den Aegyptern gesetzlich zum Tode ver- dammten, dass man aber später den röthlichgelben geneig- ter wurde u. .w.— S.G.V ogel hält erstere für ein Merk- mal entweder eines sehr guten, oder sehr bösen Charak- ters mit Schlauheit. — Jahn nimmt die Rothköpfe mit Recht gegen die noch fast allgemein verbreitete böseMei- nung über sie in Schutz, indem er sich zum Theil auch auf Lavatern bezieht, welcher die Angabe, dass der grösste Theil der vor Gericht vorkommenden Missethäter rothköpfig sey, gleichfalls für unrichtig erklärt. Ersterer legt ihnen grosse Empfindlichkeit, die leicht in Jähzorn übergeht, Gutmüthigkeit, reges Leben, gute Geistesgaben, Misstrauen gegen sich selbst und Verzagtheit in Gefahr bey. Von den fünf rothhaarigen Menschen, derer ich mich in diesem Augenblicke aus meiner Bekanntschaft erinnere, ist nur ein einziger, den ich für keinen guten, sondern wirklich für einen heimtückischen, arglistischen und verschlagenen Menschen mit übrigens vorzüglichen Eigenschaften des Geistes halten könnte. Auch über die Rothköpfe haben wir einige Sprichwörter: Rothe Haar und Erlenbogen, So gerathen, soll man loben. Und Rothe Haar und Erlenholz Wachsen aufkein guten Boden. Und Ein rothes Haar im Ehestand Sich bald beugt dar der Weiberhand. Diess letztere Sprichwort steht in oflenbarem Wider- spruch mit der Idee, dass man sich vor Menschen mit rothen Haaren hüten müsse, denn solche sind doch wohl nicht vorzugsweise geeignet, unter den Pantoffel zu kommen ? Lichte, und also auch zugleich zarte Haare findet *) 1.2. Epid. s. 5. Physiognomische Bedeutung der Haare. 207 man meist nur bey zarter Organisation der Haut; diese aber ist mehr oder weniger ein beständiger Ausdruck von Schwäche; wenigstens ist es erwiesen, dass kein starker Mann eine feine, zarte Haut hat. Daher kommen denn auch die häufigen Klagen der Ehemänner, dass ihre blon- den, engelgleich gewesenen Frauen schon beym ersten Kindbett einen so gewaltigen Stoss bekommen haben; da- her die Vorliebe vieler Männer für braunhaarige Mädchen, obgleich sie gestehen, dass die blonden ihnen eigentlich noch besser gefielen, wenn nur ihre Schönheit so lange dauerte, als die der braungelockten. Doch wäre es ein un- überlegter Schluss, die unbestreitbare Wahrheit auf Natio- nen anzuwenden, die vermög ihrer geographischen Lage und der klimatischen Verhältnisse, unter denen sie leben müssen, vorzugsweise blondhaarig sind. Wer wird unsre goldhaari- gen Vorältern, wer die jetzigen Nordländer: Schweden, Schotten, Norweger, Russen, Dänen, und selbst unsere Nord- deutschen für Schwächlinge, und muthlose Menschen hal- ten wollen? Nur unter den andern mehr südlich gelegenen Nationen kann der oben angeführte Schluss auf die unter ihnen vorfindigen Blonden mit der nöthigen Einschränkung angewendet werden. Bey den schwarzen Haaren gilt fast in allen Beziehun- gen gerade das Gegentheil von dem, was bey den lichten angegeben wurde. So wie sie überhaupt dem cholerischen und melancholischen 'Temperamente eigen sind, so kön- nen sie wohl im Allgemeinen auf körperliche Kraft, gei- stige Energie, besonders aber auf Beharrlichkeit im Ent- schluss hindeuten, und zwar um so mehr, je kürzer, schlichter und härter sie sind. Dasselbe kann, nur in et- was minderm Grade auch von den braunen gesagt wer- den; sie kommen als lichtbraune in ihrer physiognomi- schen Bedeutung mehr den lichten, und als dunkelbraune mehr den schwarzen Haaren nahe. Ich mag es nicht ent- scheiden, ob bey braunen Haaren, wenn sie weich und lang sind, wirklich mehr Trägheit des Körpers, und mehr Neigung zum Schlafe, und zwar bis ins hohe Alter fort- dauernd erscheine, und ob sie überhaupt auf hohes Al- ter deuten oder nicht. Gewiss ist es aber, dass sich die braunen Haare dem cholerischen Temperamente am mei- sten beygesellen, und insofern mag auch ihre Deutung 208 _Physiognomische Bedeutung der Haare. auf die Kigenheiten dieses Temperamentes gegründet seyn. 410) Endlich muss ich noch der natürlichen Aneinanderrei- hung der Haare, oder des sogenannten Wurfes, Falles derselben in physiognomischer Hinsicht wäh Man hat nämlich auch aus der Verschiedenheit dieser Verhält- nisse auf eigene Geistesgaben und Charaktere geschlossen; allein ich muss wohl gestehen, dass man auclı hier wieder zu weit gegangen ist. Doch fand ich im Allgemeinen bestä- tiget, dass Menschen, deren Haare, wie man zu sagen pflegt, zu Berge standen, oder überhaupt eine dem ge- wöhnlichen Falle entgegengesetzte Richtung, sey es nun ganz allein von der Natur, oder mit Beyhülfe der Kunst, hatten, immer auch eines feurigen, aufbrausenden Tem- peraments und Charakters waren; während sich die lan- gen, schlichten, gerade herabhängenden und anliegenden Haare meist zu gutmüthigen phlegmatischen Menschen ge- sellen. Der natürliche Wurf der Haare kommt von ihrem Verhältniss zu der Form der unterliegenden Muskeln und Knochen her; der künstliche ist ein Kind der Mode. Es wäre wohl der Mühe werth, ausgezeichnete Köpfe aller Nationen, vorzüglich aber der Europäer in Bezug auf den Haarwurf mit den geistigen Eigenschaften ihrer Besitzer zu vergleichen. Die Mode verdirbt uns auch diese Unter- suchung in grossen Städten, und man müsste sich hierin mehr an dasLandvolk halten, wenn man einen entscheiden- den Ausspruch wagen wollte. Anmerkung. Ich bemerke noch einmal, dass der Schluss von der Beschaffenheit der Haare auf jene des Körpers und des Geistes an und für sich ein sehr gewagter sey; und dass die so eben aufge- stellten Sätze, da sie nur a potiori genommen sind, eine Menge Ausnahmen zulassen, wie ein Jeder leicht einsehen wird, der den mächtigen Einfluss der individnellen Verhältnisse auf die Gestal- tung des ganzenMenschen zu würdigen weiss. Der Psycholog und Pädagog sey daher sehr vorsichtig, wenn es sich darum handeln sollte, einen Menschen nach seinen Haaren zu beurtheilen und zu schätzen, oder gar von ihnen auf diese und jene besondere Ei- genheit zu schliessen; denn die Kenntniss eines jeden einzelnen Menschen ist nur die Frucht eines gründlichen Studiums, und einer gewissen praktischen Fertigkeit, die einzelnen Erscheinun- gen, durch die der Mensch sein Innres an den Tag iebt > aufzu- fassen, und richtig zu beurtheilen, Nachträgliche Bemerkungen. 209 + . $. 142. Nachträgliche Bemerkungen. a) So wie man oft ein auffallendes Ueberwiegen der einen und namentlich der rechten über die linke Seite des gan- zen Körpers bemerkt, (dessen Grundursache man erst neulich in dem Druck gesucht hat, welchem die linke Seite des Fö- tus vom 4—9ten Monat im Mutterleibe fortwährend ausge- setzt ist) *), so fand ich diess einigemal auch durch einen stärkern Haarwuchsder rechten Seite bekräftiget. b) Vielfach ist die Frage erörtert worden: warum die Wei- -ber weniger behaartsind, als die Männer. Die Antworten tragen natürlich jederzeit das Gepräge der herr- schenden Ansicht über die Bildung der Haare überhaupt an sich. So sagt Hippocrates **): „Mulieres autem mento ut toto corpore glabres sunt, quod ıpsis in actu venereo non perinde agitatus humor, ac vpiris summam cuticulam raram efficere ne- queat.“ Galenus dagegen erklärt diess mehr daraus, weil die Haare theils zur Bedeckung, theils zur Zierde dienten, das Weib hingegen der erstern nicht so sehr bedurfte, weil es ohnehin mehr zu Hause bleibt; in Bezug auf die Zierde schreibt er ihm keine so verehrungswürdigen Sitten (mores) zu, und desshalb war es auch nicht nöthig, ihm ein vereh- rungswürdiges Aeusseres (durch die Haare) zu geben. — Fa- brizius ab Aquapendente leitet die geringere Menge der Haare beym Weibe von der grossen Weichheit der Tex- tur, dem Vorwalten der Säfte, und der sitzenden, abgeschie- denen Lebensart her. — Ich stimme der Ansicht von Wede- meyer bey, nach welcher das Weib desshalb weniger be- haart ist, weil durch die Menstrua ihrem Körper eine Menge Kohlenstoff und Pigment, also Theile, aus welchen sich auch die Haare bilden, entzogen werden. Desswegen findet man vor der Pubertät, also vor dem Erscheinen der Regeln, beyde Geschlechter gleich stark behaart, und aus ähnlichen *) Achilles Comte, Anat. physiol. Abhardlung über das Vorherrschen des rechten Arms im Verhältniss zum linken. Vorgelesen in der Akademie der Wissenschaften zu Paris am 25. Feb, 1828. — Siehe Froriep’s Notizen XX. Rd. April 1828. Nr. 17. **) De natura puer:. p- 240. Eble’s Lehre von d, Haaren I. Bd. 5 a 210 Nachträgliche Bemerkungen, Gründen erscheint der Weiberbart;beym Aufhören der mo- natlichen Reinigung in den climacterischen Jahren ; auf diese Art erklärt es sich auch, warum die zurückgehaltene Men- struation so günstig auf die Haarproduction wirkt u. dgl. m. — Was übrigens der Schöpfer noch weiter dabey beabsich- tigte, wer wagt es, diess zu ergründen ? c) Es gibt auch Molen, die aus blossen Haaren bestehen. d) Einst war es Sitte, den Scheintodten die Schamhaare auszu- raufen, um sie wieder ins Leben zu rufen. e) Ich lese, dass man sich da und dort auch eines Büschels Haare bedient hat, um durch Reitzung der Kehle Erbrechen zu erregen. f) Auch zu abergläubischen Handlungen wurden die Haare ver- wendet. So vermischte eine gewisse Titia, welche sich ih- ren Mann vom Leibe schaffen wollte, einige seiner Kopf- haare mit einem aus Wachs verfertigten Priapus, steckte die- sen an den Spiess, und siehe da, je mehr die Figur am Feuer schmolz, desto mehr nahm der Gemahl an Kräften ab, bis er endlich an der Auszehrung starb *)!, g) Der Graf von Salis erstickte sich zu Paris in Ermanglung anderer Mittel durch ein langes Kopfhaar, welches er ver- schluckt hatte. h) Wenn die Haare leicht ausgehen, z. B. nach Vergiftungen durch narkotische Mittel, so ist diess ein Zeichen, dass die Fäulniss im Blute schon begonnen hat. i) Ueber den Consens, in welchem die Haare unter sich ste- hen, lese ich in Bartholin’s seltsamen anatomischen Ge- schichten **): „Quamguam pili nec vivant, nec pivenlis corporis more alantur, singularem tamen inter se alunt consensum, sym- pathia mirabili, quae omnibus cognato genere intercedit.“ Dar- auf erzählt er zur Bestätigung des Gesagten folgende Ge- schichte: »Bey einer Hiebwunde am Kopfe eines Mannes war auch ein Stückchen Haut mit Haaren abgehauen worden. Als die Wunde geheilt war, behielt der Mann jenes Hautstück mit Haaren auf seinem Kopfe, Im Alter, als der übrigens gesunde Kopf kahl und weiss zu werden anfing, trocknete auch dieses Hautstück, welches in einer Blase eingeschlossen war, aus, und bekam weisse Haare, ja wurde zuletzt auch *) Valentini nov, med. legal. Cas. 51. **) Histor, anat. rarior, Centur. 1, hisı, 44. Nachträgliche Bemerkungen. 211 kahl (!?)— Unter dem gemeinen Volke herrscht noch der Wahn, die Magier oder Hexenmeister könnten einen Leben- den, dessen abgeschnittene Haare sie besitzen, mit Krankhei- ten belästigen; daher vergrabt es seine Haare und Nägel in manchen Gegenden sorgfältig, und überlasst sie Niemand. k) Fr. Cuvier las am 8. October 4827 der Akademie der Wissenschaften zu Paris eine Abhandlung über dieBildung der Haare vor, worin er zu Folge seiner neuesten Beobach- tungen zeigte, dass die Bildung der Federn ganz anders ver- mittelt werde, und weit verwickelter sey, als jene der Haa- re. — Zwischen den Stacheln und Federn, sagt er, besteht eine vollkommene Analogie, die einen und die andern ent- springen aus gleichen Organen, und sind denselben Geset- zen des Wachsthums unterworfen; bey beyden wird die Hornsubstanz durch die Membran einer Scheide und die schwammige Substanz durch die Oberfläche einer Zwiebel erzeugt. Das Wachsthum beyder Substanzen ist eine Folge des Wachsthums der genannten Organe selbst. Auch wer- den beyde in einer wirklichen Form (Model) gebildet. — Die Haare sind nach ihm kein wesentlicher Theil der Haut, sie besitzen ein spezielles Princip der Existenz, und gehören zu einem System von Organen, welches manchmal eben so merkwürdig durch seine Complication, als durch seine Ent- wicklung ist. Dieses System kann sich mit der Haut vereini- gen, und in verschiedenen Punkten an ihrer Substanz ent- wickeln; aber selbst dann verschmilzt es nicht mit der Haut, sondern behält seine eigenthümliche Beschaffenheit. — Cu- vier folgert hieraus, dass bis auf den heutigen Tag die Haare bey unsern UOlassificationsmethoden nicht den Rang eingenommen haben, der ihnen gebührt. Er betrachtet das organische System, welches die Haare erzeugt, als analog mit demjenigen der Sinne, und selbst als einen Theil dersel- ben; denn die Haare sind für eine sehr grosse Menge von Thieren ein sehr feines Tastorgan etc. *) — Was den Unter- schied der Haare und Federn anbelangt, so wird man aus meinen frühern Aeusserungen erkennen, dass sie mit denen von Cuvier übereinstimmen; anders ist es in Bezug auf das Verhältniss, in welches er Stacheln und Federn zu ein- ander setzt. Nach meiner Meinung zeigt der Stachel weit *) Siehe Froriep’s Notiz. 19. Bd. Nr. 4. j 14 * 212 Nachträgliche Bemerkungen, mehr Analogie mit einem Haar, als mit einer Feder. Ich muss den Haaren aus wahrlich leicht einzusehenden Grün- den das spezielle Princip der Existenz ganz und gar abspre- chen, sobald damit etwas Erhebliches gesagt werden soll; sie sind und bleiben Theile der Haut, und können ohne sie gar nicht gedacht werden, ausser in krankhaften Verhältnis- sen. — Aber gerade dadurch, und nicht wie F. Cuvier folgert, lassen sie sich dem System der Sinne, und nament- lich dem Tastsinne so leicht einreihen, ja, wie ich gezeigt habe, in mancher Hinsicht als Theile desselben betrachten; und insofern bin ich mit Cuvier einverstanden, dass sie einen grössern Einfluss auf die Olassificationsmethoden üben könnten. Ob dieser übrigens nicht um ein sehr Bedeutendes dadurch gewinnen würde, wenn man die Haare des ganzen Thierreichs nach ihrer innern Textur classificirte, vermuthe ich wohl nicht mit Unrecht, da wir gesehen haben, dass sich manche Geschlechter schon durch den Bau ihrer Haare so leicht in eine Ordnung bringen liessen, z.B. Mäuse, Maul- würfe, Fledermäuse, Rehe etc. u. s. w. ]) Ganz originell ist die Idee, welche Carus *) bey Ausein- andersetzung des menschlichen Hautskeletts aufstellt, und die er überhaupt auf die Haare des ganzen Thierreichs ausdehnt. Dieser zu Folge sind sie z. B. bey den Horn- thieren ihrer Bedeutung nach nichts als ausstrahlende Ge- bilde des Hautskeletts, einfach kegliche, späterhin mehrfach getheilte, mit der auswärts gekehrten Spitze zuerst gebildete, an der dem Ur-Wirbel zugekehrten Basis anfänglich sich fort- bildende hohle, allmählig aber sich ausfüllende Tertialwir- bel!! welche Bedeutung nur derjenige verstehen kann, der sich mit dem Wesen der von Carus aufgestellten dreyerley Skelette — Nerven-, Eingeweid- und Hautskelett — sehr ver- traut gemacht hat. — m) Scaliger ist meines Wissens der einzige Gelehrte, der den Haaren allen Nutzen abspricht, und sie für ganz über- flüssig hält **), n) Die Haare sind auch ein Gegenstand des Handels geworden. Ich übergehe den manigfachen Nutzen, welchen unsre Tape- *) C. Gustav Carus: Von den Urtheilen des Knochen- uud Scha- lengerüstes, Mit XIII Tafeln. Leipzig 1828 p- 426. **) In Jib. I, Aristotelis de plantis p. 185. Nachträgliche Bemerkungen. 213 zierer, Hutmacher, Sattler, Pelzhändler, Galanteriehändler, Knopf- und Schnürmacher, Sieb- und Lautenmacher, Bür- sten-, Pinsel- und Drahtfabrikanten aus ihnen ziehen, nnd beschränke mich hier auf die Menschenhaare, welche vor- züglich den Perückenmacher und Haarkräusler, und wohl auch den Galanteriehändler beschäftigen. — Die besten Haare für diesen Handel kommen aus Brabant, Flandern, Holland, Deutschland, und den nördlichen Ländern. Das Haar der brabant’schen Nonnen war ehedem am meisten ge- schätzt. In Frankreich liefert die Normandie das schönste Haar. Farbe, Länge, Stärke und Krause sind die Eigenschaf- ten, welche in solchen Fällen hauptsächlich berücksichtiget werden. — Das theuerste im Handel ist das aschgraue und blonde, besonders wenn es an den Spitzen ins Gelbe fällt. Dann folgt das ganz graue Haar, weil es allzeit gut ist; nach diesem das pechschwarze, weil diess im Norden eine Selten- heit ist. Die gewöhnlichsten Haare: das licht- und dunkel- braune, halbgraue und fahle, sind die wohlfeilsten. — Was die Länge betriflt, so ist zwar darüber kein besonders Mass, je länger, desto besser ist es; doch verlangt man ge- wöhnlich 24 — 25 Zoll. Rücksichllich der Stärke darf es we- der zu grob, noch zu schwach seyn, weil es im ersten Falle die Krause nicht wohl annimmt. Doch wird das starke dem schwachen immer vorgezogen. — Das von Natur glatte, und erst durch die Kunst gekräuselte Haar ist bey weitem nicht so theuer, als das von Natur krause, besonders wenn es zu- gleich schön von Farbe ist. Unter den durch Alter weissge- wordenen werden die achatweissen für die schönsten gehalten; man findet sıe meist bey Personen, die früher sehr schwarz waren. Das kastanienbraune wird im Alter perlenweiss, das blonde und rotke milchweiss *). Anmerkung, 1. In der chinesischen Provinz Che-Kyang bedient man sich hey dem Reisbau ausser den Schweinsborsten auch der Menschenhaare zum Dünger. Die Barbierer verkaufen das Pfund um 3 Pfennig an Leute, die es in Säcken wegschaffen, Oft sieht man ganze Barken damit beladen. nn nm, *) P. J. Marberger’s Beschreibung des Haar- und Federhandels. Leipzig 1717. 8. und Krünitz Encyelopädie 20. Thl. 914 Schlussbemerkungen. Anmerkung. 2. Aus schwarzen Haaren soll man auch einen Tusch verfertigen können, der dem chinesischen voransieht, und in Italien dienen lichte Haare dazu, Tuschfarben einen leichten, schwimmenden Körper zu geben *). $. 143. Schlussbemerkungen. Aus der anatomisch - physiologischen Untersuchung über die Menschenhaare ergeben sich jetzt folgende Resultate: 4) Auch die Menschenhaare entwickeln sich nach dem ge- meinschaftlichen Typus der Haare überhaupt — nämlich nach der Kegelform. 2) Das menschliche Haar zeichnet sich durchaus durch eine feinere und zugleich höhere und doch einfache Organisa- ton von den Pflanzen- und 'Thierhaaren aus. Wir finden hier namentlich weder Borsten noch Stacheln, noch Fe- dern, wie bey den Thieren und Pflanzen. 3) Die Verbreitung des Haargebildes ist beym Menschen weit mehr beschränkt, als im Thiere und der Pflanze; daher erscheint es nur an gewissen Stellen besonders entwickelt. Da aber der Mensch rücksichtlich seiner aufrechten Stel- lung mehr der Pflanze als dem Thiere ähnelt, und sich daher die Licht- und Erdseite in beyden erstern weniger deutlich als beym Thiere zeigt; so kann man auch gerade- zu nicht behaupten, dass beym Menschen die Lichtseite in dem Grade haariger sey, wie diess bey den Thieren statt findet. Nichts desto weniger ist sein Haupt als die höchste Stelle des Körpers einerseits der dem Lichte vor- zugsweise zugekehrte Theil, andrerseits hegt offenbar seine Vorder- oder Antlitzseite eine grössere Verwandtschaft zum Lichte, als seine hintere Fläche; und in dem Masse finden wir erstere auch mehr behaart. In andrer Beziehung findet sich wieder, wie beym Thiere, an den hintern und äussern Seiten der Extremitäten eine stärkere Haarentwick- lung, als in den vordern und innern Flächen. Endlich zeigt *) Jahn. p. 126. 2. Thl. Schlussbemerkungen. 215 sich die Augen-, Mund-, Achsel- After-, Brustwarzen- und Geschlechtsgegend beym Menschen der Haarbildung ganz vorzüglich günstig, also lauter Stellen, welche Eingänge zu dem Innern des Körpers bilden, und die wir beym Thie- re meist weniger behaart finden, wenn wir auch die haa- rigen Tastglieder um den Mund herum, wie billig, davon ausnehmen sollten. 4) Das innige Wechselverhältniss zwischen demLichte und den Haaren bezeugt schon die Ablagerung und Ausscheidung des Pigments in denselben, d.h.ihreFärbung. Weiter weiset die brennstoflige, kohlenstoflige Natur aller Pigmente, also auch des Pigments der Haut und Haare wieder deutlich auf den Wechselverkehr hin, den die Erzeugung der letztern mit dem Athmungsprocess eingeht, und so kommen wir wie- der auf eine ihrer physiologischen Hauptbedeutungen, vermög welcher ich sie zu Athmungsorganen, zu menschlichen Hautkiemen, gemacht habe. Dass aber die Haare noch mehr zur Dephlogistisirung des Körpers durch Absetzung ihres Pigmentes beyzutragen scheinen, als die Haut selbst, beweist ihre stets dunklere Färbung, z. B. beym Caucasier, dessen Haut weiss ist u. s. w. 5) Die oben angegebenen vorzüglich behaarten Stellen des 6) Körpers lassen sich nach Pierers Angabe in einer dop- pelten Hinsicht betrachten. Denn entweder sind sie sich selbst polarisch entgegengesetzt, wie dieKopf- und Scham- gegend, Mund- und After-, Bauch - und Rückengegend; oder sie entsprechen andern Gegenden polarisch, die ganz ohne Haare sind, z. B. die Streck- und Beugseite der Ex- tremitäten, die Dorsal- und Volarfläche der Hände und Füsse, Achselgrube und Achselhöhe etc. »Adeps vera pilorum sedes est« sagt Haller, und der Alten Spruch war: „Ubi glandula ibi pilus.« Allein schon Die- merbroek widerlegte den Riolan, dem übrigens Bor- rich, Bauhin, Garmann u.m.a. folgten. Lynceus, Ruyschen’s Prosector zu Amsterdam, entkräftete diese Meinung noch besser, indem er zeigte, dass am Hoden- sacke, Augenliederrande, am Eingang der Nase und des Ohrs wohl Haare, aber fast gar kein Fett, und umge- kehrt, an den Hinterbacken, Waden und andern Orten bey vielem Fett keine Haare vorhanden seyen. Ueberle- 216 Schlussbemerkungen. gen wir noch, dass das Weib selbst, an dem sich die Fettbildung so vorherrschend zeigt, im Ganzen doch, und gerade an ihren fettreichsten Gegenden weniger behaart sey, als der Mann; so leuchtet die Grundlosigkeit jener so allgemein hingeworfenen Behauptung hinlänglich ein. Endlich entstehen ‘auch die Haare im Embryo vor dem Fette, also können sie kein Product desselben seyn. C. Von den Krankheiten der Haare (Cacotrichiae s. Vitia pilorum). r $. 144. Fu, dr eat none, Wen wir uns auch mit demjenigen begnügen wollten, was uns eine emsige Forschung in dem weiten Gebiet der ganzen organischen Natur in Bezug auf die Kenntnisse über das Vor- kommen, den Bau und Zweck der Haare gelehrt hat; so führe ich doch mit schüchterner Hand die Feder jetzt, wo ich über ihr pathologisches Verhältniss zu schreiben beginne. Man wird leicht einsehen, dass die Pathologie von Organen des Körpers, die man ehedem nicht einmal als wirk- liche Theile desselben gelten lassen wollte, und deren phy- siologische Wichtigkeit mit den, im vorangehenden Theil auf- gestellten, Grundsätzen und Erfahrungen nichts weniger als erschöpft, vielmehr noch immer wie mit einem dünnen Schleyer verhüllt ist, ebenfalls noch einer höheren Ausbildung bedür- fe, ja, beym Lichte betrachtet, eigentlich erst im Entstehen begriffen sey. — Zwar finden wir, wie wir bald sehen wer- den, in vielen ältern und namentlich in den Schriften Ga- len’s und Avicenna’s nach der damaligen Ansicht von dem Wesen der Krankheit gerade die Haare mitunter einer ganz vorzüglichen Aufmerksamkeit gewürdigt, so zwar, dass unsre neuern Pathologen, mit Ausnahme des Weichselzopfes, auch nicht eine einzige Krankheit der Haare in ihrem Schema auf- führen, welche wir nicht schon in den Werken jener beyden berühmten Männer der Vorzeit fänden. So geringe Fort- schritte hat die Pathologie der Haare in einem Zeitraume von zweylausend Jahren gemacht, so unbedeutend ist der Antheil, den sie an der sonst ungeheuern Umwälzung, und riesen- 448 Von den Krankheiten der Haare. haften Vergrösserung aller Zweige der Heilwissenschaft ge- nommen hat! Aber nicht genug, dass ich zu diesem nieder- schlagenden Bekenntnisse gezwungen bin, sagt mir ein auf- merksamer Vergleich auch, dass wir in mancher Hinsicht so- gar einen Rückschritt gemacht zu haben scheinen. Diess gilt besonders von der Behandlungsart der verschiedenen Krank- heiten der Haare, die bey unsern heutigen Pathologen mit ein paar Seiten abgethan ist, während sie wenigstens bey den Al- ten mehrere Kapitel befasste. — Namentlich ist das künstli- che Färben der Haare gegenwärtig und seit langer Zeit ein Gegenstand der Charlatanerie geworden, und aus den Hän- den der verständigen Aerzte in die rohe Behandlung unwis- sender Marktschreyer und Vagabunden, ja sogar in die Ver- derben schwangere Praxis alter Weiber übergegangen; und ich kann mich wirklich nicht genug darüber wundern, dass, nachdem wir doch an Sorgsamkeit für den Haarputz unsern al- ten Vorfahren durchaus nicht nachstehen, wir dennoch, voraus- gesetzt, das in den Schriften jener Enthaltene bewähre sich als richtig, die Kunst, Haare nach Belieben zu färben, weit weni- ger verstehen, als sie. — Nichts desto weniger muss zu unsrer Beruhigung doch zugegeben werden, dass, so wie die Patho- logie überhaupt in unsern Tagen philosophischer behandelt wird, auch die Art und Weise, wie man jetzt die Krankheiten der Haare abzuhandeln pflegt, zu unsern Gunsten sehr von jener abweicht, die zu jenen alten Zeiten, und überhaupt, so lange die Galen’sche Lehre Gültigkeit hatte, gang und gebe war. Die später anzuführenden Arten der Eintheilung der verschiedenen Krankheiten, welche die Haare befallen, wird davon einen hinlänglichen Beweis liefern. Auch werden wir uns überzeugen, dass, so wie die Hautkrankheiten überhaupt von den Pariser Aerzten mit vorzüglicher Sachkenntniss beob- achtet und dargestellt wurden, diess wohl auch in Bezug auf die Krankheiten der Haare von letztern gesagt werden könne. Auf diese Art hat also unsre Zeit das an innerm Gehalt in der Lehre von den Krankheiten der Haare einigermassen ersetzt, worin sie der Vorzeit an Ausdehnung und Weitläufigkeit nachsteht. — Obgleich übrigens schon zu wiederhohlten Malen und an ver- schiedenen Orten von den Lehrstühlen herab dazu aufgemun- tert wurde, den Haaren auch einen T’'heil jener besondern Auf- merksamkeit zu schenken, welche man auf das Auge, das Ohr, die Haut überhanpt, auf die Zähne, ja sogar auf die Hühner- Von der diagnostischen Würde der Haare. 419 augen verwendet hat, so ist doch bis auf diesen Augenblick in dieser Hinsicht wenig oder nichts von Bedeutung gesche- hen; denn theils wurde die Sache nur oberflächlich behan- delt, theils bloss auf den Gewinn an Geld abgesehen, daher wir zwar viele Schriften über die Krankheiten der Haare, aber wie gesagt, meist nur oberflächliche oder sogenannte populäre Anleitungen besitzen: wie man am sichersten und schnellsten diesen oder jenen Fehler an den Haaren zu verbessern im Stande sey; einer ausführlichen wissenschaftlichen Bearbeitung hatte sich bisher dieser Gegenstand nicht zu erfreuen. — Obgleich ich nun das Bedürfniss unserer Zeit in dieser Hinsicht wohl fühle, und auch den Wunsch in mir trage, demselben in etwas ab- zuhelfen, so bin ich doch weit entfernt, zu glauben, dass ich im Stande sey, diesen Gegenstand erschöpfend zu bearbeiten. Diess wäre offenbar zu viel von mir gefordert, indem es gerade eine Sache betrifft, in der ich selbst gewissermassen als Neu- ling auftrete. Nichts desto weniger soll meine Arbeit nicht ohne Früchte seyn, und ich schmeichle mir wenigstens, durch wis- senschaftliche Zusammenstellung desjenigen, was hierüber vom Anbeginne unserer Wissenschaft bis auf die gegenwärtige Zeit Bemerkenswerthes geschrieben wurde, und durch Anreihung einiger eigener Erfahrungen, die ich mir theils auf dem Wege der Beobachtung, theils durch Versuche zu verschaffen wusste, dem Ganzen eine sichere, haltbare Basis zu geben, und so für eine weitere Vervollkommnung dieses Zweiges unserer Wis- senschaft die nöthige Bahn zu brechen. Mit diesem Wunsche will ich zuerst nach Samuel Gott- lieb Vogel’s Vorgang *) etwas über die diagnostische Würde der Haare sagen, und dann zu den eigentlichen Krankheiten derselben übergehen. $. 145. Von der diagnostischen Würde der Haare. So wie jedes Organ des ınenschlichen Körpers, so lassen sich auch die Haare in Bezug auf ihr pathologisches Verhält- niss auf eine doppelte Art betrachten. Denn entweder sind sie das Hauptsubject der Krankheit, also an und für sich selbst er- Ba Sau RES « A - r 7 = )InHecker’s literarischen Annalen der zesamınten Heilkunde, te: ge Bd. p. 385 —410. 220 Von der diagnostischen Würde der Haare. krankt, oder aber sie bringen nur den Reflex eines im Körper vorhandenen abnormen Verhältnisses in die Erscheinung, sind in ihrer veränderten Beschaffenheit gleichsam nur die mehr oder weniger wichtigen und sichern Zeichen jenes Verhältnisses, ohne geradezu selbst krank genannt werden zu können. In die- ser letzten Beziehung haben sie dann einen nicht zu überse- henden Werth rücksichtlich der Erkenntniss derjenigen Krank- heiten, durch deren Wirkung sie gerade so und nicht anders erscheinen, und diess ist nun der Gegenstand, von welchem hier zunächst die Rede seyn soll. — Es ist beym ersten Blicke gewiss sehr auffallend, dass man bey Beurtheilung der Krank- heiten des Menschen die Beschaffenheit der Haare weit weniger berücksichtiget hat, als dieses die Thierärzte zu thun pflegen, wenn es sich um die Bestimmung des körperlichen Wobls des Viehes handelt. Denn wenn auch beym Menschen in solchen Verhältnissen die Haare keine so wichtige Rolle spielen, als bey den Thieren; so ist es doch gewiss nur der grossen Unacht- samkeit zuzuschreiben, dass man die auflallende Beziehung mehr oder weniger zu übersehen pflegt, in welcher die Haare mit dem Wohl des ganzen Körpers stehen, und in gleichem Masse auch fast an allen krankhaften Verhältnissen Antheil nehmen, welche den Körper von irgend einer wichtigen Seite treffen. Ich stimme demnach Vogel ganz bey, wenn er sagt: »Aus der qualitativen und quantitativen Beschaffen- heit der Haare lässt sich nicht allein die ganze Constitution, dasKräftemass und die Gesundheit des Körpers im Allgemeinen beurtheilen; son- dern die Naturund der Grund einzelner Krank- heiten können auch nicht selten daraus erkannt werden.« — Mancher meiner Leser wird jedoch mit mir einse- hen, dass eine grosse Erfahrung und eine mehr als gewöhnliche Beobachtungsgabe dazu gehöre, um ein solches Urtheil in den gegebenen einzelnen Fällen nach wissenschaftlichen Regeln zu fällen. In folgenden Puncten will ich nun diejenigen Resultate zusammenstellen, die ich mir aus der Erfahrung abgezogen ha- be, und welche sich zunächst auf den diagnostischen Werth der Haare beziehen: 4) Insofern mit jedem Temperamente mehr oder weniger gewisse Krankheits-Anlagen erfahrungsgemäss verbunden sind, kann diess auch mit einiger Einschränkung von Von der diagnostischen Würde der Haare. 221 den Haaren gelten, indem letztere, wie wir gesehen ha- ben, vorzüglich in Bezug auf ihre Farbe ein wesentliches Unterscheidungszeichen der Temperamente selbst sind. — Ein Gleiches gilt auch von den Haaren, insofern sie nach Verhältniss der verschiedenen Körperconstitutionen manigfach, und zwar mehr oder weniger beständig mo- dificirt werden. 2) Ungleich wichtiger erscheinen uns aber die Haare, wenn es sich um die Bestimmung gewisser Krankheitsanla- gen selbst handelt, oder wenn wir den sogenannten H a- bitus in pathologischer Hinsicht zu erörtern haben. So schrieben schon Sydenham und Triller den rothhaa- rigen Menschen eineDisposition zu Anginen undBrust- entzündungen zu, und Lorry*) zählı diesen letztern noch die Blattern bey, die bey ihnen stets am schlimmsten verliefen. Wir wissen, dass blonde Haare ein Hauptkenn- zeichen der phthisichen Architectur sind, und dass wir bey Personen, die eine vorzügliche Anlage zu Krämpfen haben, in der Regel wenig und stets sehr zarte, weiche, feine Haare finden. Eben so zeichnet sich der scrophu- löse Habitus besonders durch rothe oder blonde, reichlich wachsende, also lange und dick stehende Haare aus. Bey Rhachitischen findet man häufig gespaltene Haare. Dage- gen sind dunkelgefärbte, meist schwarze Haare der atra- bilarischen Constitution fast ausschliesslich eigen, und umgekehrt ergreift die Gicht vorzugsweise, oder wenig- stens in den meisten Fällen Menschen mit lichtern Haa- ren. Die zur Apoplexie geneigten, also mit dem soge- nannten Habitus apoplecticus begabten Menschen, haben grösstentheils kurze und dickwachsende, oder lange, aber frühzeitig ausfallende Haare. Was oben von der Anlage zu Krämpfen gesagt wurde, gilt überhaupt von dem soge- nannten nervösen Habitus; die Jymphatische Consti- tution trifft man meist mit einem starken Haarwuchs und lichter Haut und Haarfarbe in Verbindung. Ueberhaupt lassen schlaffe, trockne und dünne Haare auf schlechte Säfte schliessen. Auch ist es eine bemerkenswerthe That- sache, dass man bey atrophischen Kindern häufig borstige Haare auf dem Rücken und den Armen findet. MIA, 2.0, 222 Von der diagnostischen Würde der Haare. 3) Ein schöner, starker Haarwuchs wurde zwar oben mit Recht als ein Zeichen einer guten Gesundheit angesehen, doch muss man sich wohl in Acht nehmen, aus den dürf- tigen Haaren geradezu auf das Gegentheil zu schliessen. Etwas Aehnliches finden wir auch in verschiedenen krank- haften Zuständen, so dass sich die Beobachtungen hierin beynahe zu widersprechen scheinen. Es wird sich nämlich Niemand wundern, wenn in Folge langwieriger, oder auch schnell verlaufender, aber heftig einwirkender Krank- heiten die Haare nach und nach absterben und ausfallen ; dagegen wird es Manchen auffallen, dass in andern Fäl- len, wo der Körper durch langdauernde Cachexien und Atrophien endlich seiner Auflösung entgegengeht, gerade die Haare nicht allein an der allgemeinen Abmagerung und Entkräftung keinen Antheil nehmen; sondern sogar auf Kosten der übrigen Vegetation nur um so üppiger wach- sen, wie man diess namentlich in der Lungensucht beob- achten kann. Ich erkläre mir diess daher, dass in solchen Fällen der Organismns nicht mehr im Stande ist, sich in seinen edlern Theilen zweckgemäss zu reproduciren, und daher die ganze Kraft seiner Vegetation auf die Erzeugung der niedern Gebilde — der Haare, Nägel, des Schleims u. s. w. verwendet, die also wirklich auf Kosten der höhern Organe übermässig gedeihen. — Bey der Lungensucht lässt sich das ungewöhnlich schnelle Wachsen der Haare wohl zum Theil auch davon herleiten, dass hier die Haut die Verrichtung der Lunge vicarlirt, und dass in ihr, so wie bey fieberhaften Krankheiten, die excrementitiellen Stoffe an Menge zunehmen. 4) Ich habe schon früher angeführt, dass die Haare mit den Seelenkräften, der Gemüthsart, dann mit den Geschlechts- theilen und der Menstruation in besonderer Verbindung ste- hen. In pathologischer Hinsicht ist es interessant, dass man unter den Wahnsinnigen sehr selten gelbe oder rothe Haare findet, und dass erstere um so leichter wüthend wer- den, je schwärzer ihre Haaresind. Was dieMenstruation betrifft, so wissen wir, dass sich Störungen und Unord- nungen derselben häufig durch üppigeres Hervorsprossen der Barthaare ankündigen, und der verständige Arzt wird daher, wenn er eiue solche bärtige Frauensperson in seine Behandlung bekommt, sogleich sein Augenmerk auf die Von der diagnostischen Würde der Haare. 223 Menstruation richten. Umgekehrt kann sich derFall ereig- nen, dass wenn einem Weibe die Haare abgeschoren wer- den, sich plötzlich eine profuse Blutausleerung auf dem Wege der Menstruation einstellt, die denn der Arzt nach diesem Gesichtspunkte gehörig zu würdigen wissen wird. Endlich ist es wohl in practischer Beziehung keine unwich- tige Bemerkung, dass schwarzhaarige Weiber in der Re- gel stärker menstruirt sind, als andere. . 5) In der Physiognomik habe ich von dem Schluss aus der Beschaffenheit der Haare auf den dynamischen Zu- stand des Körpers geschrieben, und gesagt, dass dicke und starke Haare für ein Zeichen von Kraft angesehen werden können. Daraus ergibt sich nun für die Patho- logie die weitere Folgerung, dass Menschen mit einem starken Haarwuchs in der Regel kräftiger und stärker, und daher zu Krankheiten überhaupt weniger geneigt sind, als schwach- oder dünnbehaarte. Da wir ferner se- hen werden, dass alles, was den Körper schwächt, und namentlich, was ihm seine edelsten Säfte entzieht, oder die geistige Kraft unmittelbar durch zu starke Anstren- gung herabsetzt, auch nachtheilig auf das Wachsthum der Haare einwirkt, ja sie nicht selten ganz tödtet, und ihren Verlust auf immer herbeyführt; so findet hierin der umgekehrte Schluss, vom Mangel oder dem Ausfallen der Haare auf vorhergegangenen Verlust edler Säfie, oder auf zu starke Anstrengung des Geistes einigermassen seine Rechtfertigung. Jedoch möchte ich nichts desto weniger Jedem hierin die nöthige Behutsamkeit anrathen, indem ich schon mehrere Male die gröbsten Fehlschlüsse diess- falls machen sah. Man halte es daher nicht immer für eine ganz ausgemachte Sache, dass ein früher und star- ker Bart auf häufigen Samenverlust, und somit wieder auf Onanie hindeute, oder dass eine frühzeitig entstehen- de Glatze und vorschnelles Grauwerden der Haare ein Zeichen von vorausgegangener Onanie, oder überhaupt von Ausschweifungen in dem Genuss der Liebe sey. Denn wenn diess gleich in vielen, ja vielleicht in den meisten Fällen Statt finden mag; so sind einerseits der Ausnah- men doch so viele, und andrerseits der Gegenstand in Bezug auf den moralischen Charakter von so hoher Wich- tigkeit, dass man, wenn die Sache nicht factisch erwiesen 224 Von der diagnostischen Würde der Haare. ist, jenen ursächlichen Zusammenhang höchstens ahnen, und, wo möglich, im Stillen bey sich behalten soll. 6) Nach Vogel stehen die Haare mit der Gicht in einer besondern Beziehung. So sah man eine merkwürdige Entstellung derselben in einer Gicht, wo sie grau und sehr kraus waren, und ein eigenes trockenes und abge- storbenes Ansehen hatten. Seit dem ganzen Verlauf der 42jährigen Krankheit waren sie wenig oder gar nicht ge- wachsen. Spröde und raulı verbreiteten sie bey dem ge- ringsten Anziehen eine unangenehme Empfindung über den ganzen Hinterkopf, die sich den Rücken hinab zu ziehen schien *). — Ein an der Kopfgicht leidender fünt- zigjähriger Mann erfuhr davon an seinen Haaren die Er- scheinung, dass sie sich kräuselten, und so verwirrten, dass kein Kamm sie entwickeln konnte. Nach dem An- fall verlor sich diess jedesmal wieder. — In einem andern Falle entstand nach dem Schlage eines Pferdes auf das Hinterhaupi eines Menschen eine grosse Empfindlichkeit der Kopfhaare, auch selbst bey der geringsten Berüh- rung derselben. Das Abschneiden erregte die heftigsten Schmerzen *). — Ritter in Mannheim beobachtete bey einigen Kindern eine durch Erkältung so schmerzhaft ge- wordene, gegen die natürliche Lage aufwärts gedrehte Haarlocke, dass auch nur gelinde Berührung der Haar- spitzen die unangenehmsten Empfindungen erregte, und weinend abgewehrt wurde. Die Veränderung des Wet- ters hatte den bestimmtesten Einfluss auf diese Empfind- lichkeit, so dass man es darnach schon zum Voraus an- deuten konnte. — In einem andern Falle ward das Kopfhaar nach einer starken Hirnreitzung durch einen Schlag auf den Kopf so empfindlich, dass die leiseste Be- rührung ein unangenehmes Gefühl erzeugte. Das Abschnei- . den machte gleichfalls heftige Schmerzen ***). — V o gel kannte einen Mann, der des Nachts oft an einem heftigen periodischen Kopfschmerze litt. Diess erkannte sein Die- ner jedesmal am andern Morgen beym Frisieren der Haare daraus, dass diese viel starrer als gewöhnlich, und *) Hufelands Journal XVI. 2. p. 185, 216. **) Edinb. med, and surg. Journ. Nr. LXXXI. ***) Rust’s Magazin IX. 1. St. p. 134. Von der diagnostischen Würde der Haare. 225 schwerer auszukämmen waren. Merkwürdig isi es, dass sich bey seinem Sohne, einem Knaben von 45 Jahren, ebenfalls in einem Nervenkopfweh dieselbe Erscheinung zeigte. In Hufeland’s Journal *) ist ein Fall aufgezeich- net, wo sich die Haare während des Gichtanfalls kraus- ten und verwickelten, nach Beendigung desselben wieder schlicht wurden, und sich ohne Mühe wieder kämmen liessen. — Bey einem andern Manne fing das Haar, sobald er einen Anfall von heftiger Kopfgicht hatte, an, sich zu kräuseln und aufzurollen, da es sonst gerade herunterhing. Oft verwickelte es sich in einer Nacht so, dass es durch Kämmen nicht in Ordnung zu bringen war. Nach dem An- falle ging diess wieder von Statten **). — Eindlich machte erst neulich unser Herr Prof. Bischoff an einem Gicht- kranken die Erfahrung, dass dessen Haare während des Anfalles beym Kämmen bedeutend knisterten, 7) Aus dem Anhange über die Pathologie der Thierhaare ist zu ersehen, dass sich bey diesen beynahe eine jede wichtige Krankheit der Thiere kund gibt. Etwas Aehnli- ches findet selbst während der Begattungszeit, in der Pe- riode der Mauser, beym Abwerfen der Haare, im Zorn u. s. w. Statt. Nicht so deutlich lässt sich diess bey dem Menschen nachweisen, obgleich ich überzeugt bin, dass man bey strengerer Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand auf manche Veränderungen der Haare in verschiedenen Krankheiten kommen würde, die man bisher übersehen hat. Hieher gehört nun vor allen das Verwirrtseyn der Haare, von welchem späterhin noch ausführlicher die Rede seyn wird. Oft werden sie auch schlaff, verlieren die Krause, ihren lebendigen Glanz; zuweileiı richten sie sich starr in die Höhe, wie bey heftigen Krämpfen, und in Affecten, z. B. Zorn, Bosheit und Schrecken, letzteres na- mentlich bey den Menschen, ersteres mehr bey den Thie- ren. Manchmal werden sie ungewöhnlich trocken, wie ich schon oben von einem Mädchen während des Anfalls der Nymphomanie angeführt habe; seltener nehmen sie auch einen üblen Geruch an, oder dünsten viel stärker aus, und geben zur zahlreichen Erzeugung von Ungeziefer An- *) Ba.IV.% S.p. **) Americ, med. Recorder, und in Horns Archiv 1823. Sept. p. 277. Eble’s Lehre von d, Haaren II. Bd, 15 226 Von der diagnostischen Würde der Haare. \ lass, wie wir diess in Lungensuchten und andern chroni- schen Krankheiten beobachten können. 8) Nach Vogel hat man es sicher für eins der ominösesten Zeichen in Fiebern aller Art, besonders aber in typhösen Fiebern zu halten, wenn die Haare ihre Elasticität, ihren Turgor vitalis verlieren, und glanzlos, schmutzig, welk und schlaff in Unordnung um den Kopf herumhängen, und gleichsam schon wie abgestorben sind. J. Frank will diess auch in Lungensuchten und Wassersuchten beob- achtet haben *). 9) Wenn die Haare dürre werden, und sich sträuben, so hält diess Alexander P. Wilson Philipp **) für ein Zei- chen von Verdauungsschwäche. 40) Wenn hie und da behauptet wird, dass bey braunen Haaren die Hysterie hartnäckiger sey, als bey gelben; ferner dass Personen mit braunen Haaren weniger den Krämpfen unterworfen seyen, als die mit gelben; und dass Kinder mit gelben Haaren weit öfter mit Würmern behaftet seyen, endlich dass unter 475 Epileptischen 134 gelbe Haare gehabt hätten, und dass die mit braunen und schwarzen weit leichter zu heilen seyen; so bedarf diess wohl noch einer gediegenern Erfahrung zur vollkommenen Bekräftigung. ‚ 44) Auch das Verhalten des Bartes beym Manne hat ei- nen diagnostischen Werth. Es ist bereits aus dem Voraus- gegangenen hinlänglich bekannt, dass der Bart mit den Zeugungstheilen in dernächsten Beziehung stehe. Es scheint also, dass die Menstruation und die Erzeugung des männ- lichen Samens einige analoge Wirkungen hervorbringen, insofern sie beyde auf die Haarproduction am Kinne den unbezweifeltsten Einfluss äussern. Vorerst muss wieder er- innert werden, dass erst zur Zeit der Pubertät, also mit der Erzeugung des Samens der Bart des Mannes hervorbricht; in pathologischer Beziehung ist es eine wichtige Thatsache, dass Castraten, wenn ihnen die Hoden vor der Puber- tät weggenommen wurden, keinen Bart, und nur wenig Schamhaare bekommen; dass dagegen ihre Kopfhaare um *) Gesundheitstaschenbuch 1801. p. 92. **) Abhandlung über Verdauungsschwäche, Aus dem Englischen von Elıas Wolf. Frankf. a, M. 1823, Von der diagnostischen Würde der Haare. 927 so dicker werden, und sie selbe nie verlieren. Wird aber die Castration nach der Pubertät gemacht, so bleibt der Bart, obgleich weniger dicht, bis ins hohe Alter, dann fällt er ab, nach ihm folgen ie Achselhaare, und unter ‚solchen Umständen stellt sich bey Castraten Has Alter der Deerepidität ein. Doch sind mehrere Fälle aufgezeichnet, wo nach dem Verlust der Hoden demungeachtet ein ziem- lich starker Bart wuchs *). In diagnostischer Hinsicht des Bartes haben folgende Sätze mehr oder weniger Gültigkeit: a) Ein schwacher Bart, noch mehr aber der gänzliche Mangel eines eigentlichen Bartes ist, ceteris paribus, ein Zeichen von einer schwachen Constitution. b) Ein frühe hervorkeimender Bart zeigt auf frühe Ent- wicklung des Geschlechtstriebes, sey diese nun durch dieNatur allein, oder aber auch En die Kunst erzeugt. In Ren ihne gilt oft der Schluss auf starke Sa- menverschwendung und Onaniıe. Ks ist wohl einer Be- achtung werth, dass diese frühe Bartentwicklung auch durch häufiges, und namentlich durch frühzeitiges Ra- sieren und sonstige künstliche Manipulationen sehr be- günstiget werden könne, woher auch das Sprichwort, welches Hospinianus anführt, „qui non potest indul- gere Veneri, radatur“ entstand. c) Vogel gibt an, dass wollüstige Empfindungen den Hals trocken machen, oder ein öfteres Spucken erre- gen. Ueberhaupt ist es eine merkwürdige Thatsache, dass Krankheiten, die am Halse, unter dem Kinne, ja selbst im Halse entstehen, und andere, die an den Ge- nitalien ausbrechen, den bestimmtesten Einfluss auf ein- ander haben. Man sieht diess an den venerischen Ge- schwüren im Halse, welche auf ähnliche am Penis ent- standene erscheinen; umgekehrt wechseli die eigene Entzündung der Halsdrüsen, die man Mum ps nennt, mit Hodengeschwulst ab. In derHundswuth finden häu- fige Erectionen Statt ete. — Ovid rechnete die Tro- ckenheit des Halses unter die Kennzeichen der sich näh- ernden Begierde nach dem Liebesgenuss; und wirklich *) Diction, des sciences med. T. 1. p- 115. 15 * 228 Von der diagnostischen Würde der Haare. 12) 15) wird der Hals trocken, man schluckt oft hinunter, und ist fast nicht im Stande, auszuspucken, wenn eine wol- lüstige Idee auf die Geschlechtstheile wirkt. d) In manchen Krankheiten, und namentlich in der Schwindsucht, wächst der Bart stärker als gewöhnlich , in andern ist wieder gerade der entgegengesetzte Fall. So kannte Vogel einen an Hypochondrie stark leiden- den Mann, dessen Barthaare, wenn er litt, nicht wuch- sen, und der sich daher zu dieser Zeit seltner zu rasie- ren brauchte. i e) Das Ausfallen der Barthaare hält Herr Prof. J. R. Bi- schoff für ein tödtliches Zeichen in acuten Krankheiten. So berichtet auch Lanzoni, dass ein (0jähriger Mann sieben Tage nachher am Schlagflusse starb, als ihm die Barthaare ausgefallen waren. Der weibliche Bart ist stets als naturwidrig zu be- trachten, und steht, wie schon gesagt, mit der Menstrua- tion in einem vicariirenden Verhältnis. Im Allgemeinen möchte aber der Ausspruch von Mercatus doch etwas zu bestimmt seyn, wenn er sagt, dass der Bart eines Weibes stets ein Zeichen einer unzeilig unterdrückten Menstrua- tion sey. 5 2 Hippocrates sagt: „Qui calvi sunt, his varices magni non fiunt; quibus vero, dum sunt calvi, superveniunt varices, hi rursus capıllati fiunt *). *) Aphor, 34. Sect. VI. Erste’Abtheilung. Yon den dynamischen Krankheiten der Haare. I. Von den Krankheiten der organischen Bildung in den Haaren. 4. Abweichung des Bildungsprocesses. a. Ueppigkeit des Bildungsprocesses. $. 146. Von der Ueberzahlan Haaren /(Hypertricho- sis), und ihrer zu frühen Entwicklung. Mit diesem Namen belege ich jenen fehlerhaften Zustand, der sich durch einen, sowohl inBezug auf die Menge, als auch auf die Länge der Haare excessiven Bildungstrieb, also durch Erzeugung von ungewöhnlich vielen, und ausserordentlich langen Haaren am ganzen Körper, oder nur an einzelnen Theilen desselben, jedoch jederzeit nur an solchen, die schon ursprünglich und naturgemäss behaart waren, ausspricht. Wie schon angedeutet, befällt dieser Fehler entweder die ganze Oberfläche des Körpers, und ist somit Hypertricho- sis universalis, s. Hirsuties, s. Dasytes, oder nur einzelne Gegen- den, und heisst dann Hypertrichosis locaüis s. Pogoniasis. — In ersterer Beziehung komme ich hier noch einmal auf die schon früher angeführten behaarten Menschen, Homines pilosi, zurück, von denen ich jedoch sagte, dass die übermässige Erzeu- gung von Haaren bey ihnen noch in den Bereich einer relativen Gesundheit gezogen werden könne, indem sie meist von Ur- sachen herzuleiten sey, welche auch bey andern Menschen die- sen ausserordentlichen Haarwuchs zur Folge haben würden. 230 Von der Ueberzahl an Haaren etc. Dagegen nehme ich gar keinen Anstand, dasjenige Verhält- niss der Haare, von welchem hier die Rede ist, für ein krank- haftes zu erklären, insofern sich nämlich deutliche Zeichen einer gleichzeitig, auf welche Art immer abnormen Beschaflen- heit des Organismus kund gibt. Die Belege für diese Angabe finden sich in der Erfahrung von den ältesten bis auf unsere Zeiten. So zeigte Tamponetta dem Arzte Borrichius ein Kind, das ganz behaart aus der Mutter Leib gezogen, und in Spiritus aufbewahrt war. Thomas Ficinus*) erwähnt ei- nes Mädchens, das ganz behaart und mit Borsten besetzt auf die Welt kam, weil die Mutter zur Zeit der Empfängniss das Bild des heil. Johannes des Täufers, der ein kamehlharnes Kleid hatte, und über dem Bette hing, zu aufmerksam betrach- tet hatte. Auch soll die Muhme des Papstes Nicolaus III. ein ähnliches Kind geboren haben, weil sie einen Bären in dem Familienwappen sehr häufig anzuschauen pflegte **). Casper Peucerus sagt in seinem Commentario de divinatione ***) er habe mehrere derley behaarte Monstra gesehen. Zacutus Lusitanus ****) beschreibt die Geschichte eines dreyjährigen Mädchens von schöner Form, das aber am ganzen Körper be- haart, und selbst mit einem Barte versehen war. In meinem Vaterlande gebar einst eine Bäuerinn nach dem Zeugniss eines glaubwürdigen Freundes ein Kind, das einen weissen Flaumen- bart hatte, weil die Frau während ihrer Schwangerschaft ein- mal beym Einseifen ihres Mannes heftig erschreckt wurde, Scaliger}) sah einen spanischen Knaben, der ganz mit weissen Haaren bedeckt war, und daher von den Franzosen Barbet genannt wurde. Bichat und Villerme& sahen zu Poitiers im Jahr 1808 ein Kind von H—8 Jahren, welches eine grosse Menge brauner, über die Haut hervorragender Flecken von ungleicher Grösse hatte, die alle mit dünnen und kurzen, den Schweinsborsten ähnlichen Haaren bedeckt waren, und e. *) De viribus imaginationis p. 224. **) Camerarius horarum successiv. Centur 1. cap. 54. #%) Pag. 29, *#*#) Praxeos med. admir, lib, Ill. observ. 91. 7) Exercitat. 114, .S. 2. p. 427. Von der Ueberzahl an Haaren etc. 231 ungefähr '/, der ganzen Hautoberfläche einnahmen. — Aehn- liche, zugleich verhältnissmässig schwere, sechs Linien lange, feine und leicht gekrauste Haare sah Rayer auf den Achseln eines 26jährigen Mannes. Daselbst war die Haut voller Knöt- chen, aus welchen diese Haare ihren Ursprung nahmen. — In der Salzburger med.-chirurgischen Zeitung 4815*) ist eben- falls ein Beyspiel eines sehr starken Haarwuchses auf dem Rü- cken zu finden. Auch Gruner’s Menschenfresser Goldschmidt war besonders auf dem Rücken voll borstiger Haare. — In Hufeland’s Journal **) ist ein 44jähriges Mädchen angeführt, bey welchem die Entwicklung des Uterus, und überhaupt die Geschlechtsfunctionen ungemein vorausgeeilt, und dessen Rü- cken ganz mit blonden krausen Haaren bewachsen war, so zwar, dass er das Ansehen eines Kalbfelles hatte. — Einen der allermerkwürdigsten Fälle dieser Art erzählt aber Deg- ner ***) von einem Mädchen, die vom dritten Jahre an am Rücken, Bauch, und an den Armen und Beinen mitHaaren be- wachsen war. Es heisst dort: „Militi praesidiario Vesaliensi anno 1722 nata est in pago Boenen sana, formosaque filia, quae ad terlium usque aetatis annum colorem in facie pallidum, habitum- gue corporis gracilem monstrabat, ac parum insuper cıibi et polu- lentorum capiebat. Ast transacto Lertio. isto anno fames silisque sensim redierunt, et eodem tempore striam, in dorso adparentem, pilosamque iractu temporis evadentem observarunt agnati, quae successive magis magisque sese expandebat, ut tandem totum etiam dorsum una cum abdomine, omnibusque extremilatibus ad digitos usque pilis plenarie tecla et obsita adparuerint. Hirsutum illud inlegumentum successive accrescendo, pullique equini cutem jam quasi repraesentando, plures eliam solito in pedum manuumque di- gilis monstravit crines, hique omnes forma et eolore simiae comis quoad maximam partem adsimilabantur ; pudenda autem plane nigris, et subazillaria loca rufis tegebantur pilis ad instar virginis 18, vel 20. annorum. Frons desuper adeo densis longisque superci- lüs, sicuti in homine 20 annorum superbiebat; capilli denique ad pedes fere usque extensi, longüudine ulnam unam cum tribus ejus quadrantibus aequabant. In mento proinde ac genis, maxime versus *) Zweyter Bd. p. 151. **) 14. Bd. 3. Sık, 1802 p. 141. **%) Acta Acad, nat. curios, T. VI, obs. 71. 232 Von der Ueberzahl an Haaren ete. tempora subscripti pili, semiorbam quasi describentes, minimum- que digilum transversum fere quoad longitudinem excedentes con- spiciebanlur, una cum barba in cute quadantenus delitescente. Cal- paria quoque magnitudine pene duo alia hujus aetatis exsuperabat capıla, ac genae colore coccineo perfusae, sufflataeque instar buccarum cernebantur. Tota vero externa corporis superficies Cin- garorum culi asperitale coloreque simillima erat; quemadmodum facies ratione magniludinis pumilionem 30 annorum referebat; ast mammae earumque papillae üs sallem, guas 10. vel 42. annorum puella gerere solet, pares erant; cum e contrario in dorso et utrisgue scapulis sat magnus tumor, duos circiter pugnos magnitu- dine exaequans, tolusque pinguedine intus repletus, offenderetur. Caelerum sanovalebatingenio, mentisque dotibus salis egregüs; »ox ei erat gravis alque virilis, ast peregrinorum in praesentia vix quidquam loquebatur. Gulae insuper revera implacabilis eral, si- quidem quolibet die Ires ad minimum haurire poterat cerevisiae cantharas; hinc etiam 400 ad minimum ponderabat libras ultimis temporibus, quae moles in incedendo alque ambulando aliguam ipsi molesliam creabat, atque in causa fuit, quod aliquando in- Jausio casu in terram prolaberetur ; inde primum de continuis do- loribus in dorso conquerebatur, quibus respiratio brevis atque diffi- cilis superveniebat ; quae tandem, lapso abhinc quadrimestri spa- lio, mortem ipsam accelerabat. Adjieiendum, quod intra anni di- midium tota culis undigue pilosa ita reddita fuerit, quodgue ma- ter nequaguam recordari protuerit, se durante graviditatis lempore unquam lerrore aliquo graviori perculsam fuisse, aut simiam ei- disse, vel de quocungue alio piloso animali singularem quandam aul Jirmiorem impressionem et imaginalionem sibi formasse.“ — An diese Geschichte reiht sich folgende erst in der neuesten Zeit gemachte Beobachtung: In Manor Gardens Chelsea lebt gegenwärtig ein drey Jahr alter Knabe, Namens Ste- venson, dessen eine Körperhälfte von seiner Geburt an mit gelbbraunem Haar besetzt ist, welches fast eben so dick als das Kopfhaar, und diesem im Ansehen sehr ähnlich ist. Die Haut darunter ist überall von brauner Farbe. Haar und Verfärbung fangen am untern und hintern Theil des Halses an, erstrecken sich über den Rücken, um den untern Theil des Bauches, und bedecken völlig die vordern und hintern Seiten der Schenkel bis zu den Knien. Ausserdem sieht man an den übrigen Kör- pertheilen noch viele Flecken von derselben Beschaffenheit. Der Vater, ein Buchbinder, ist ein schwächlicher, aber gesun- Von der Ueberzahl an Haaren etc. 233 der Mann, die Mutter eine hübsche, kräftige gesunde Frau. Von Versehen, Schreck u. dgl. weiss sie nichts *), Wer übrigens auf diesen Gegenstand nur einige Aufmerk- samkeit verwendet, der wird in der täglichen Erfahrung finden, dass die Fälle nicht sogar selten sind, wo besonders im Ge- sichte die sogenannten Wollhaare zu einer auffallenden und entstellenden Länge anwachsen. Namentlich zeigt sich diess öfters auf der Stirne an der Gränze des behaarten Theiles. So kannte ich ein Mädchen, welchem diese kleinen Haare immer - tiefer gegen die Augenbraunen herab ins Gesicht wuchsen, und die man künstlicherweise vertilgen musste. Zuweilen findet man, so wie an andern Theilen, und namentlich auf der Achsel und am Rücken, so auch im Gesichte dicke Büscheln Haare. — Osiander**) fand bey einer zum ersten Mal Schwan- gern einige Finger breit über dem Nabel eine mit Haaren be- setzte Stelle, welche sich erst während der Schwangerschaft erzeugt hatte. Auf dieser Stelle hatte sie ein Jahr zuvor ein Visiecatorium liegen gehabt. — Nach Heliodor ***) soll Homer, (der früher Melesius hiess, weil er am Fluss Melita bey Smyrna geboren war) desshalb Homeros genannt worden seyn, weil er in der Inguinalgegend Haare hatte. (?) Noch erwähne ich der merkwürdigen Beobachtung, nach welcher der Foetus nach Ablauf der gewöhnlichen Schwanger- schafiszeit noch lange, aber in unvollkommner Bildung, und nur im Minimum von Leben fortbestehi; so dass sich z. B. noch Zähne und Haare ausbilden, während der übrige Körper zu- rückbleibt, oder zum Theil schon zerstört ist. So fand Du- mas ****) nach einer 20jährigen Schwangerschaft der fallopi- schen Röhre von dem Embryo nur eine unregelmässige Masse, dagegen aber Haare von ungewöhnlicher Länge, und Zähne wie bey einem Erwachsenen; und nach einer ähnlichen Schwan- gerschaft sah Sonsi +) ausser dem Schädel mit vielen langen *) Froriep's Notizen aus dem Gebiethe der Natur- und Heilkunde, XXV. Bd. Nr. IX. ”*) Gilibert’s Sammlung practischer Beobachtungen p. 56. *%*#) Lib. 3. hist. Aethiop. ”=*F) Voigtel’s Handbuch der pathologischen Anatomie, Halle 1804 bis 1805, III. Bd. p: 531. +) Ebendaselbsı p: 532. 934 Von der Ueberzahl an Haaren etc. Haaren, zwey Eckzähnen und dem Nabelstrang, nur eine form- lose Masse. Fragt man nun nach den Ursachen dieser Erscheinun- gen, so zeigt sich, dass einerseits diese Deformität angeboren, und somit grösstentheils von derZeugung selbst, oder von, wäh- rend der Schwangerschaft der Mutter zugestossenen Einflüssen (z. B. dem sogenannten Versehen) ; andrerseits aber von einem erst nach der Geburt unter mehr oder weniger günstigen Ver- hältnissen erwachten übermässigen Bildungstriebe herzuleiten sey. — Dass übrigens dieser Zustand von den Aeltern auf die Kinder übergehen könne, dafür führt Felix Plater*) fol- gende Beobachtung an: „Es war zu Paris ein wegen seines reichen Haarwuchses berühmter, und von Heinrich II. sehr geliebter Mann. Eine kleine Stelle unter den Augen ausge- nommen, war er ganz behaart, und seine Augenbraunen und Stirnhaare waren so lang, dass sie ihm das Sehen hinder- ten. Er heirathete eine schöne Fraü, und zeugte mit ihr auch behaarte Kinder, die dem Herzog von Parma nach Flandern; und von da nach Italien geschickt wurden, wo sie Plater 4585 zu Basel abzeichnen liess. Der Knabe war doch etwas mehr behaart, als das Mädchen, dessen ganze Spina dorsi voll rau- her Haare war. Auch der oben $. 144 angeführte Fall eines - Birmanen sammt seinen zwey Töchtern spricht für die Erb- lichkeit dieser monströsen Bildung. — Es ist jedoch, wie ich schon oben erinnert habe, nicht zu übersehen, dass auch der Mensch, sobald er dem feindseligen Einfluss eines rauhen Him- mels in seiner zarten Jugend ohne gehörige Kleidung ausgesetzt wäre, ganz behaart würde, und dass ein solcher haariger Vater auch haarige Kinder zeugen würde. Wenigstens scheinen diese Annahmen jene Beobachtungen zu befestigen, nach welchen Kinder, die nach Art der wilden Thiere in Wäldern eine ge- vaume Zeit, etwa bis ins männliche Alter lebten, auch wie jene haarıg wurden, wie uns Digbaeus”*) von seinem Knaben Johannes de Leige berichtet. Was übrigens- die weitern Bedingungen und die beglei- tenden Nebenumstände betrifft, unter welchen sich die über- mässig gesteigerte Bildungsthätigkeit auf die angeführte Art *) Lib. 3. obs. med. p- 554. *+) Tractat, de corpore, Cap. 27% Von der Ueberzahl an Haaren etc. 235 in den Haaren ausspricht, so verweise ich auf den Paragraph 903, wo von der abnormen Erzeugung der Haare an Thei- len, in welche früber und nach der Regel keine waren, die Rede seyn wird. — Hieher gehört auch noch die zu frühe Entwicklung der Haare an gewissen Gegenden des Körpers, in denen selbe erst später erscheinen sollten. — Wir kommen hier zuerst auf die sogenannten bärtigen Kinder oder Knaben Citiberbes, Pueri barbati, von denen in verschiedenen Schriften Meldung geschieht. So war zu den Zeiten des Kaisers Constantin Anno 308 zu Antiochia ein monströser Knabe mit einer Ha- senscharte, zwey Zähnen, vier Augen und zwey sehr kurzen Ohren, und einem Barte*). Jacob Dobrozensky von Ne- groponte erzählt die Geschichte eines Knaben, der in sei- nem dritten Jahre schon einen Bart hatte. Dieser Knabe war im Jahr 4675 in Böhmen geboren, ziemlich stark von Natur, so dass er in seinem dritten Jahr schon zu dreschen anfing; damals fing ıhm auch der Bart zu wachsen an, der bis zum zwölften Jahr schon sehr stark war. Seine Brust war ebenfalls ganz rauh; auch soll er ein grosses Zeugungsglied gehabt, und schon starke Lust zum andern Geschlecht gezeigt ha- ben **). Eben so finden wir ın Zod. med. ***) eines Knaben erwähnt, der einen Bart, und eine männliche Gestalt hatte. Hali Rhodoam führt ebenfalis einige Beyspiele von bärtigen Kindern an. Der Abt von Stabul, Namens Gie- bald sah auch einen Knaben von sechs Jahren, der schon ei- nen starken Bart hatte. — Der junge Ledue war mit sechs Jahren un petit homme, denn er hatte zahlreiche und starke Haare in derSchamgegend, auf der Brust, und am Kirn ****). — Auch Du hamel sah im Juragebirg einen Knaben, der im ersten Jahr schon überalll herumgehen konnte, und ım siebenten bereits barbatulus war +). — Eine ähnliche Beob- achtung machte Alexander ab Insula. — In der neu- *) Ulysses Aldrovandi sah und beschrieb ihn in seiner Histor. monstr. p. 446. **) 165te Wahrnehmung der Leopold. Akad. der Naturforscher ım 14. Thl. p. 275. ***) Ann 2. mens. Octob. Obs. 9. 9#**) Diction. des sciences medical, Art. Gas. rares. tom. #. p. 202. 1) L. 4. Reg. scient. Acad. hist. $. 6. c. 6. Nr. 10. p. 377. 236 Von der Ueberzahl an Haaren etc. ern Zeit stellte Moreau der Pariser medicinischen Facultät ein Kind vor, bey welchem die schnelle Entwicklung der Ho- den so auf die Erzeugung der Haare wirkte, dass seine Brust im Alter von sechs Jahren wie die eines Erwachsenen behaart war; und in London wurde ein ziemlich starker Knabe ge- boren, dessen Kopf ganz mit Haaren bedeckt, dessen Stimme sehr tief, dessen Schlaf schnarchend, und dessen Schamtheile stark ausgebildet waren. Mit vier Monaten fing die Scham an, sich mit starken schwarzen Haaren zu bedecken, der Pe- nis wuchs ausserordentlich, so dass die Krone von der Vor- haut nicht mehr bedeckt werden konnte. Im zwölften Monat hatte der Knabe schon neun der obern Zähne (von den un- tern aber noch gar keinen), konnte, jedoch wegen des über- aus schweren Körpers nicht ohne grosse Mühe, gehen. Auch bemerkte man, dass er wöchentlich einigemal Pollutionen hatte, die ihn sehr angrifien; zugleich fand sich jetzt ein ziemlich starker Backenbart ein. Geistig war er jedoch noch ganz Kind *). — Ferner erwähne ich noch eines vierjährigen Mädchens, bey welchem die Entwicklung der Gebärmutter und der Geschlechtsfunctionen überhaupt sehr vorausgeeilt, und dessen ganzer Rücken auch mit blonden, krausen Haa- ren, gleich einem Kalbsfelle bewachsen war **). Endlich findet sich in der neuesten Zeit eine Beobach- tung von Th. Smith aufgezeichnet, wo sich bey einem, bey der Geburt ziemlich schwächlichen Kinde die Zeichen eines ungewöhnlichen Wachsthums erst im sechsten Monate nach derselben offenbarten. Smith, der den Knaben in seinem vierten Lebensalter sah, erstaunte über dessen Geschlechtsthei- le, die bereits denen von 44— 15 Jahren alten Jünglingen gleich kamen. Schon damals war die Scham mit langen, gefärbten Haaren besetzt. Als der Knabe sechs Jahre alt war, wog er bey einer Grösse von vier Fuss 2'/,, Zoll, 74 Pfund. Jedoch entsprach die relative Länge seiner Körpertheile keineswegs ei- ner gewissen Regel. Uebrigens waren Ruthe und Hoden so gross, wie bey den meisten Männern, die Scham mit schwar- zen, gekräuselten Haaren, die Oberlippe mit einem kurzen, *) Aus den Medico-chirurg. Transactions published by the medical and chirurgical society of London. Vol. XII. P. I. 1822. *+) Hufeland’s Journal d. pract. Arzney- und Wundarzneykunst, 14. Bd. 35. Sık. 1802 Von der Ueberzahl an Haaren etc. 237 schwarzen Bart bedeckt, und als Backenbart fand sich bloss eine Art Flaum von derselben hellbraunen Farbe, wie das Kopfhaar*). . In physiologisch - pathologischer Beziehung ist es gewiss eine interessante Thatsache, dass, so wie Bart- und Scham- haare im normalen Verhältnisse den genauesten Gonsensus dar- stellen, sich diess auch in der regelwidrigen Erzeugung des einen und der andern meist sehr deutlich ausspricht,, wie aus den angeführteu Beyspielen zur Genüge zu ersehen ist. $.. 447. Die ärztliche Behandlung der voranstehenden Ab- weichungen der Bildungsthätigkeit theilt sich nothwendig in eine allgemeine und eine besondere. Frstere hat zur Anzeige und somit auch zur Aufgabe, entweder den allgemein erhöhten Bildungstrieb zu schwächen, oder aber, wenn er bloss örtlich ist, an den bezeichneten Orten zu beschränken, und so- mit den Nachwuchs der zu üppigen Haare zu verhindern oder auch ganz aufzuheben. Letztere muss vorzüglich dahin trach- ten, die nun einmal bestehende Deformität zu heben, und übri- gens im Einklang mit der so eben angegebenen allgemeinen Handlungsweise zu wirken. Was nun die Mittel betrifft, welche der ersten Anzeige entsprechen, so ist in die Augen fallend, dass sie in der Regel gerade jenen entgegen gesetzt seyn werden, welche ich weiter unten Behufs der Beförderung des Haarwuchses anführen werde. Indem ich also zugleich auf jenes Kapitel verweise, bemerke ich nur, dass einerseits das Unterlassen der dort angerathenen Heilregeln und Handlungsweisen, andererseits aber auch das gerade entgegengesetzie Benehmen zur Erreichung des hier vorgenommenen Zweckes dienen werden. Auch wird jeder Arzt leicht einsehen, dass alles das, was die Productionskraft des Organismus überhaupt und an besondern Orten schwächt, hier mit der nöthigen Einschränkung seine Anwendung finden könne. Insbesondere dürfte durch die revellirende, ableitende und namentlich auf den Darmcanal antiphlogistisch purgirend einwirkende Heilmethode der Bildungstrieb auf eine antagoni- stische Art in der Haut zweckgemäss herabgesetzt werden. *, Edinburgh Journal of science, July 1829. p. 26 — 3%. Fro- rıepe’s Notizen. XXV. Bd, Nr. 13. 238 Von der Ueberzahl an Haaren etc. In Bezug auf das örtliche Handeln ist namentlich die Vermeidung der fetten, öligen Mittel, so wie auch aller wohl- riechenden Pomaten sehr zu empfehlen, und die Haut über- haupt mehr mit kalten Dingen in der Form von Wasch wäs- sern zu behandeln. Doch hoffe man mit allen diesen Ver- fahren da nicht viel auszurichten, wo das Individuum ein soge- nannter haarıger Mensch in dem angeführten Sinne ist, und wo sich demnach diese ausserordentliche Haarerzeugung über die ganze Hautoberfläche erstreckt; noch weniger aber, wenn das Uebel angeboren oder ererbt ist. In jenem Falle hingegen wo, wie bey Digbaeus, besondere äussere Einflüsse, z. B. das Leben in Wäldern nach Art wilder Thiere etc. Ursache der Deformität sind, wird die Entziehung dieser Einflüsse, und das Versetzen des. Verwilderten in die Verhältnisse der gesitteten Menschen, namentlich aber das Tragen von eng anliegenden Kleidern das weitere Wachsthum der zuvor ganz kurz abge- schnittenen Haare, wo nicht ganz doch grösstentheils verhin- dern. — Ist aber das Uebel nur örtlich, nimmt es nur eine oder mehrere kleinere Stellen der Hautoberfläche ein, und erscheint es unter der Form vonHaarbüscheln an denselben, dann kann die Behandlung zweyfach seyn, indem sie die Missbildung bloss palliativ, oder indem sie selbe von Grund aus zu heben sucht. Ersteres geschieht, wenn die Haare sehr lang sind, durch zeit- weises, jedoch nicht zu oft wiederhohltes Abschneiden, und wenn sie kurz und fein sind, durch Vertilgen derselben mittelst chemisch einwirkender Mittel. Schon Galenus *) handelt über die Art und Weise, die Haare zu vertilgen, sehr ausführlich, und theilt die hierher gehörigen Mittel in drey Arten, nämlich 4. in eigent- liche Psilothra, 2. in Attenuatoria capillorum, und 3. in ipsos peni- tus Exslirpantia. Schon zu seiner Zeit hatte nicht allein jede muliercula solche Psilothra in ihrem Putztische, sondern sie wa- ren sogar auch bey vielen Männern im Gebrauch. Unter die- jenigen, welcher er sich gewöhnlich bediente, zählt er dieLau- ge, den Arsenik, Sandarak und lebendigen Kalk. Auch pflegte er vorher den Versuch seines anzuwendenden Aetzmit- tels an einem Federbart zu machen. Er räth übrigens mehr *) De compositione pharmac. secundum locos. lıb. I, cap. 4. Von der Ueberzahl 'an Haaren etc. 250 Kalk als Arseniktheile zur Mischung zu nehmen. Nach Rases*) nimmt man statt Kalk Kalkwasser , setzt es der Sonne oder Siedhitze aus, und mischt durch Reiben den früher zerriebenen Arsenik bey. F Avicenna**) gibt folgende Anweisung zur plötzlichen Vertlgung der Haare: Rpt. Calcis parties duas Arsenici tantundem Misc. S. liniatur cum his parva quantilas. Der Theil wird sodann mit Rosenöl und später mit Ro- senwasser abgewaschen. Bey starker Aetzung legt man Un- guentum Cerussae, Iythargyri nutritum cum albumine ovi et oleo rosaceo auf. Um den übeln Geruch dieses Aetzmittels zu ver- treiben, soll man den Theil mit Creta nutrita, oder mit in Es- sig gelöster Kreide, und mit aromatischen Mitteln waschen. — Bekanntlich nehmen sich die Türken ihre Haare mittelst des Rusma oder Nuret weg, das sie mit der Hälfte lebendigen Kalks mischen, und in Wasser einweichen. Die daraus entstehende Salbe schmieren sie, wenn sie ins Bad gehen, auf die Haut, und lassen sie so lange darauf liegen, als es braucht, ein Ey hart zu sieden. Sobald sie im warmen Bad zu schwitzen ange- fangen, fällt das Haar ab, wenn sie sich im kalten Wasser nur mit der Hand waschen, und die Haut bleibt glatt, ohne die ge- ringste Spur eines Haares. — Ich lese, dass das Hauptingre- diens -!es Rusma die Arsenikschwefelleber, und dass selbes eine Zusammensetzung von Operment und ungelöschtem Kalk in einer Lauge oder Essig aufgelöst sey. Neuere Schriftsteller rathen hiezu eine Salbe aus 4 Thei- len ungelöschtem Kalk und 4'/, Theil Operment. Man lässt diese Salbe, sobald sie mittelst eines Malerpinsels aufgetragen, 6—7 Minuten lang auf dem zu stark behaarten Theile liegen, wascht sie mit einem, in warmes Wasser oder Milch ge- tauchten Schwamme wieder weg, wo dann die Haare gewöhn- lich mitgehen. Man kann nachher die enthaarte Stelle mit einer milden Pomate einreiben. Innerhalb eines Monats wächst jedoch das Haar wieder nach, wo man dann die Salbe aufs neue gebrauchen muss. Im Gesichte gebraucht, darf die Salbe MARERSICHET: **) Lib, Can, p. 507, c. 6. 240 Von der Ueberzahl an Haaren ctc. nur 4—5 Minuten liegen bleiben. — Nach Andern kann das Operment ganz wegbleiben, weil der Kalk die Hauptwirkung macht. Uebrigens kann man der Salbe auch noch andere Mit- tel, z. B. gepulverte Veilchenwurzel, Eyweiss, Russ etc. zu- setzen. Fine andere Vorschrift lautet so: Man nehme Operment und ungelöschten Kalk von jedem 2 Loth, Silberschaum 4 Loth, und koche dieses alles so lang in einem halben Pfunde Wasser, bis von einer hineingetauch- ten Schreibfeder die Fahne abgeht. Mit diesem Gemische wird der haariıge Theil bestrichen, und jedesmal sogleich dar- auf mit Liliensalbe eingerieben. Oder: Man nehme das Ey- weiss von drey Eyern, 6 Loth ungelöschten Kalk, 2 Loth ge- stossenes Operment, und scharfe Lauge so viel als nöthig ist, um daraus bey gelindem Feuer eine Salbe zu machen. Hie- mit salbt man den Theil, wo die Haare ausfallen sollen, ein, wäscht nach einer Viertelstunde die Salbe mit lauem Wasser oder Milch ab, und bestreicht nachher den Theil mit Rosen- salbe.e Oder man nimmt Operment, ungelöschten Kalk und Ofenruss, von jedem 2 Loth, und macht alles zu Pulver, thut es in ein anderes Geschirr, giesst starken Essig in hinlängli- cher Menge hinzu, und lässt es über dem Feuer so lange sie- den, bis der Bart einer hineingesteckten Feder abgeht. Als- dann lässt man es kalt werden, schmiert damit den Ort, von dem man die Haare entfernen will, und wäscht ihn hernach, wenn die Haare abgefallen sind, mit kaltem Wasser ab. Sollte das Mittel bey vorheriger Probe, z. B. auf der Hand, zu stark befunden werden, so mischt man noch etwas Essig bey. Die jungen Baschkiren entfernen sorgfältig das Bart- haar, um ihren Schönen zu gefallen. Diess geschieht mittelst Zwirnfäden. Die Steppentungusen und Mongolen thun es mittelst eigener Haarzängelchen. Die Tatarn wenden da- zu das persische Sarnik oder das türkische Rusma an, welches sie Surrach nennen, Sie nehmen 9 Theile ungelöschten Kalk, und 4 Theil Operment, beydes fein gepulvert, und mit Ey- dotter zu einer Salbe bereitet. Die Haarwurzeln werden da- durch locker, und können nach einer halben Stunde bequem herausgenommen werden, Die hart gewordene Bartkruste wırd mit lauem Wasser aufgeweicht, und schnell abgewaschen. Endlich muss ich noch der vom Apotheker Mondet zu Paris erfundenen Seife erinnern, welche den stärksten Bart Von der Ueberzahl an Haaren etc. Qt in vier Minuten ohne alle Schmerzen wegnimmt, und deren Hauptbestandtheile ebenfalls Kalk und Auripigment sind. Ihre Bereitungsart findet man ausführlich beschrieben in der 20sten Lieferung der ontologischen Neuigkeiten. Wichtiger ist es je- doch, die Bestandtheile jener Seife kennen zu lernen, auf die Marcus Heymann in England ein Patent erhielt, und die folgendermassen bereitet wird: Man kocht 4 Loth Gummi, 4 Loth Hausenblase, '/, Loth Gochenille, '/, Lotlı gestossener Curcume, ‘/, Loth Alaun, eben so viel Weinsteinrahm und Weinsteinsalz wenigstens eine Stunde lang mit beynahe einer Mass Kalkwasser, rührt die Masse oft um, seiht dann die Flüs- sigkeit durch, und macht mit ihr, einem halben Pfunde fein gestossenen Bimssteines, und dem abgeschlagenen Weissen von 2 Eyern einen Teig. Diesen formt man in zwölf Stücke, trock- net sie drey Tage an der Luft, und legt sie hierauf 24 Stun- den in einen mässig warmen Ofen. Will man damit die Haare abnehmen, so feuchtet man zuvor die Seife ein wenig an, und reibt dann die Haare sanft damit, worauf sie bald ab- fallen. Zur Entfernung der unangenehmen, zu stark wachsenden Milchhaare bey Frauenspersonen hat man ein ähnliches Verfahren vorgeschlagen, wie man bey der Tinea capitis in Aus- führung brachte. Man bereitet nämlich folgendes Pflaster: 4 Loth Mastix, 41'/, Loth Colophonium, 1—14'/, Loth gelbes Wachs, lässt man in einer irdenen Schüssel auf einem gelinden Kohlenfeuer zerfliessen, und rührt alles wohl untereinander. Ist diess Pflaster so weit abgekühlt, dass man es auf der blos- sen Haut erleiden kann; so trägt man mit einer Spatel von dem Pflaster dahin, wo die Härchen stehen, nach und nach zwey Messerrücken dick auf, und streicht das Aufgetragene zusam- men glatt, so dass es gleichsam eine Kruste bildet, welche man nun bis zum Erhärten abkühlen lässt. Jetzt reisst man sie schnell ab; je schneller diess geschieht, desto geringer ist der Schmerz dabey. Will man dasselbe Pflaster wieder gebrau- chen, so werden die daran klebenden Härchen an einer bren- nenden Kerze abgesengt, und das Ganze wieder einge- schmolzen. Endlich muss ich noch der sogenannten Rasierfla- schen erwähnen, zu denen man ebenfalls seine Zuflucht ge- nommen hat, um die Nilchhaare im Gesichte, auf den Armen und Händen zu vertilgen. Man versteht darunter dünn gebla- Eble’s Lehre von d, Haaren. 11, Bd, 16 242 Von der Ueberzahl an Haaren etc. sene Glasflaschen, deren Glas der ausserordentlichen Feinheit wegen mit der Scheere geschnitten werden kann. Die so ab- geschnittenen Stückchen werden nun wie eine Sichel gebraucht, unter welcher die Härchen der Schönen fallen, indem man schabweise damit über die Haut hinwegfährt. Anmerkung. Jos. Frank empfiehlt als Psilothrum den Safı des Chelidonium majus, wenn die Anwendungsstelle nicht sehr gross ist. Nach Andern soll man 'sich zu gleichen Zwecken auch der syrischen Seidenpflanze, und selbsi der Galle bedienen können, Es frägt sich nun, was von allen diesen Verfahrungswei- sen zu halten sey? Die mehr mechanisch wirkenden Vertilgungsarten, das Ausraufen der Haare mit der Hand, oder mit einer Pincette, oder mittelst des Pflasters haben alle die gemeinschaftliche üble Folge, dass sie den Nachwuchs der ausgerissenen Haare nur befördern und verstärken, und dass, wenn endlich ein sol- ches, lange Zeit fortgesetztes, Verfahren den Haarwuchs wirk- lich verbindern sollte, statt der Haare dennoch eine feine Wolle erscheint, die man dann vergebens auf solche Art auszurotten strebt. — Was die angeführten Rasierflaschen in dieser Bezie- hung betriflt, so ist der Nachwuchs der abgeschabten Haare zwar wirklich stets dünner als er zu seyn pflegt, wenn die Haare mit der Scheere oder mit.dem Rasiermesser weggeschaflt werden; doch findet immer einiger Nachwuchs dieser feinen Haare Statt. Da die Türkinnen ihr Rusma in jedem Monat zweymal anzuwenden pflegen, und die Juden, die sich ebenfalls dieser Salbe statt des ihnen verbothenen Scheermessers bedienen, im- mer wieder einen neuen Bart bekommen; so geht daraus der Beweis hinlänglich hervor, dass auch diese ätzende Salbe trotz ihrer chemischen Kraft dennoch die Productionskraft in den Haarbälgen nicht aufzuheben im Stande sey, obschon sie durch ihren starken Gehalt an Operment und Kalk nach Jahn in der Haut und den Haarwurzeln endlich eine Krankheit er- zeugt, welche den Nachswuchs der Haare zu hemmen vermag. Nicht unwichtig ist übrigens die von demseiben Schriftsteller gemachte Bemerkung, dass durch die häufige Anwendung die- ser Salbe eine Vergiftung im ganzen Körper entstehen kön- ne, obschon die diese Angabe bestätigenden Thatsachen wohl etwas selten seyn dürften. Von der Ueberzahl an Haaren etc. 243 Noch verdient ein der Angabe nach eben so sicheres, als dem Körper völlig unschädliches Mittel zur Ausrottung der Haare, Erwähnung, welches wir dem oft genannten Dr. Jahn verdanken. Es ist dies das Küchensalz, welches innerlich, in grosser Menge genossen, schon einen nachthei- ligen Einfluss auf den Haarwuchs haben, äusserlich auf die Haare angewandt aber, besonders schädlich auf dieselben wirken soll. Diese Kraft erhält das Salz theils durch seinen Gehalt an Salzsäure, theils durch das Natron, welches, wie die Seife beweist, die Haare auflösen kann. — Um nun zu dem beabsichtigten Zwecke dieses Mittel anzuwenden, macht man eine saturirte Auflösung von Kochsalz in desul- lirtem Wasser, oder soll die Wirkung noch stärker werden, in Weingeist, und benetzt damit die haarigen Theile entwe- der geradezu oder mittelst leinener Läppchen. Doch muss das Befeuchten nach jedesmaligem Eintrocknen schnell und oft wiederhohlt werden. Nach der Erfahrung Jahn’s braucht man zur völligen Vertilgung auf diese Art wenigstens 44 Ta- ge, doch dehnt sich diese Zeit bey kräfiigem Haarwuchs nicht selten auch auf Monate auf. — Die Folge dieses Mittels ist zunächst das volle Ausgehen, und später die Nichtwiedererzeu- gung der Haare. Auch der versüsste Salzgeist soll durch seinen Gehalt an Salzsäure eine ähnliche Wirkung, jedoch lang- samer, nach sıch ziehen. Uebrigens ist wohl zu beherzigen, dass gegen die unan- genehme Erscheinung langer oder zu dichter Haare an sonst davon befreyten Stellen des weiblichen Körpers nichts besser schütze, als die allgemeine zweckmässige Hautcultur, wenn z. B. der Nacken reinlich und kühl gehalten, und weder Schweiss noch Staub lange darauf geduldet wird. Anmerkung. Die alten Aerzte, namentlich Avicenna, suchten den übermässigen Haarwuchs durch Stupefacientia, Infrigi- dantia, durch Salben aus Hyoscyamusöl, Opium und in Essig gekochten Schierling, dann durch allerley Mittel aus dem Thier- reich, z.B. Oel, in welchem eine Eidechse gekocht wurde, Frosch-, Schildkröten- und Fledermäuseblut u. dgl. zu heramen. Handelt es sich endlich um die gewisse und gänz- liche, radicale Vertil gung eines RER. kleinen, aber entstellenden Haarbüschels; so gibt es wohl kein biste! Ylit- tel, als die likommene Bessihaiien oder Zerstörung der 16 * 244 Von der Dürftigkeit, dem Mangel an Haaren etc. Haarbälge desjenigen Stückchens der Haut, in welchem das genannte Haarbüschel seine Wurzeln hat, mittelst eines durch- greifenden Aetzmittels. Anmerkung. Ich erinnere noch, dass das Wesen der Trichiasis und Distichiasis ebenfalls zum Theil in einem krankhafı er- höhten Bildungstrieb der Augenliedränder, und in der sonach be- dingten abnormen Vermehrung der Cilien bestehe. Inwiefern je- doch an dieser Uebergangsstelle der allgemeinen Decke in die Schleimhaut, letztere den hauptsächlichsten Antheil an der be- sagten Abnormität habe, will ich vor der Hand dem Ermessen bes- ser unterrichleter Augenärzte anheim stellen, obgleich ich die Sa- che sehr wahrscheinlich finde, Denn es scheint mir, dass nicht so- wohl fehlerhafte Richtung der gesunden , als vielmehr regelwidri- ger Ursprung neu gebildeter, und von den Cilien verschiedener Haare der eigentliche Grund der genannten Krankheiten sey. b. Mangelhafter Bildungstrieb. $. 148. Von der Dürftigkeit (Oligotrichia), dem Man- gelan Haaren (Atrichia), und der verspäte- ten Entwicklung derselben. Die entgegengesetzte krankhafte Richtung des Bildungs- iriebes in den Haaren äussert sich einerseits durch Dürf- tigkeit oder Mangel an Haaren, und andererseits durch zu späte Entwicklung derselben an gewissen Parthien. Auch diese) Fehler können entweder ererbt, oder aber er- worben seyn. In ersterer Beziehung finden wir überall im täglichen Leben Beweise genug, dass Menschen, die man in jeder Hinsicht für gesund halten muss, dennoch über einen sehr dürftigen Haarwuchs klagen; und forscht man dann der Ursache dieses Umstandes nach, so kommt man in den meisten Fällen, namentlich aber da, wo nicht gleich nach der Geburt feindselig auf den Kopf eingewirkt wurde, auf die'Thatsache, dass das Uebel angeerbt, und zwar vom Va- ter mehr als von der Mutter auf die Kinder übergegangen sey. — Der eigentliche Mangel an Haaren ist aber entweder ein vollkommener, oder nur ein theilweiser. — Von ersterem fand ich folgende Beyspiele aufgezeichnet : Laurent. Von der Dürftigkeit, dem Mangel an Haaren etc. 245 Heister *) spricht in der 87sten Wahrnehmung von zwey Menschen, welche gar keine Haare am ganzen Leibe hatten. Auch sah er im Jahre 14710 zu London einen Menschen von ungefähr 40 Jahren, welcher vor 10 Jahren, ohne eine merk- liche Krankheit gehabt zu haben, alle seine Haare am ganzen Leibe, selbst die der Augenbraunen und der Augenlieder ver- lor, so dass man auch nicht die geringste Spur davon mehr wahrnehmen konnte. Derselbe befand sich übrigens wohl und gesund, und Niemand wusste eine Ursache dieses Unfalls anzugeben. — Danz **) sah zwey erwachsene Juden, welche weder Haare noch Zähne je gehabt hatten. Eine ähnliche Be- obachtung findet sich in den Transact. of a Society of Lond. 4800, und in der Salzburger medicinisch-chirurgischen Zeitung 1801 ***). — Eine Frau, die ebenfalls ohne vorhergegangene Krankheit alle ihre Haare verloren hatte, sah Heister im Jahre 1726 zu Halberstadt. — Nach Schenk soll König Ludwig von Ungarn ganz haarlos auf die Welt gekommen seyn. — Auch Dr. Wells beobachtete diesen gänzlichen Man- - gel an Haaren. Der Patient war bey und nach dem Verluste seiner Haare immer gesund ****). — H. F. Delius sah einen Menschen, der auf dem ganzen Körper auch nicht das klein- ste Haar hatte. Er erlitt aber diesen Haarverlust nach einer grossen Krankheit. — Ferner liefert der Regierungsrath Dr. Augustin zu Potsdam ebenfalls eine Beschreibung eines Mannes, an dem keine Spur von Haaren am ganzen Körper wahrzunehmen war +), und Leveling erwähnt eines ähnli- chen Falles +). — Das allerneueste Beyspiel einer angebor- nen gänzlichen Haarlosigkeit erzählt der Medicinal-Rath Steim- nigtfr) von zwey Judenkindern, die bey ihrer Geburt bloss *) Medicinische, chirurgische und anatomische Wahrnehmungen. Ro-. stock 1753. **) Stark’s Archiv für die Geburtshülfe Bd IV. p. 684. ver) [, 250, *#) Transactions of a Sociefy for the improvement of medical and sur- gical Knowledge. Vol, II. 1800. t)Asklepieion Jahrg. 1812. März. 3tes Heft. if) Haller’s Grundriss der Physiologie. Erlangen 1795. 8, 1ster Theil. Note 325. p. 384. Fit) Froriep’s Notitzen, 26ster Bd. N. 4, 246 Von der Dürftigkeit, dem Mangel an Haaren etc. mit dem käsigen Ueberzug bedeckt, übrigens aber vollkom- men gesund waren. Ungleich weniger selten ist derMangeldesBartes. So sagt Dr. Samuel Ledel*), dass in dem Herzogthum Sagan ein Pfarrer lebte, der in seinem ganzen Leben nie einen Bart hatte. In Grünberg soll ein Tuchmacher gewesen seyn von ge- setztem Alter, gesunder Natur, aber ohne Bart. — Ebenda- selbst **) findet sich auch die Geschichte eines bartlosen Man- nes, der mehr Weib als Mann war, jedoch alle männlichen Geschlechtstheile hatte, ohne übrigens Neigung zum Beyschlaf zu fühlen. Bey einer Q3jährigen Frau fehlten die Haare bloss an der Stelle der grossen Fontanelle ***). Wenn Kinder ohne alle Spur von Haaren geboren wer- den, so sind sie gewöhnlich stark und gut gebildet, und ihre Kopfhaut ebenfalls sonst durchaus gesund. Gewöhnlich kom- men in solchen Fällen die Haare erst ın einem halben oder ganzen Jahre nach der Geburt, ja selbst erst im zweyten Jahre zum Vorschein. Eine sehr merkwürdige Hemmung der körperlichen Ent- wicklung im Verlaufe des kindlichen Alters wurde ganz vor Kurzen vom Medicinal-Rath Dr. Heyman in Koblenz bey mehreren Mitgliedern einer Familie beobachtet. Am unvoll- kommensten waren die Genitalien derselben ausgebildet, und von denSchamhaaren fand sich keine Spur, so wenig als vom Barte und den Achselhaaren. Dagegen war der Haarwuchs auf dem Kopfe bey allen stark ****), Der gänzliche Mangel an Haaren ohne vorangegangene Krankheit ist gewiss eine eben so wichtige, als in Bezug auf ihre Aetiologie beynahe unerklärliche Erscheinung. Sie gibt abermals einen deutlichen Beweis ab, dass wir in die wahre Bedeutung der Haare noch nicht eingedrungen sind. Doch ist zu befürchten, dass solche Fälle nicht mit der hier besonders nöthigen Sorgfalt und Genauigkeit erhoben und behandelt wor- *) 48ste Wahrnehmung der Acten der k. k. Leopold. Akademie, 1äter Theil, **) Gier Theil der Acten der Akademie, p. 378. ***) Misc. N. C, Dec. I. An. VI. Obs. 74. ****) Froriep’s Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde. XXIX, Bdes, Nero, 1. Novemb. 1830. Von der Dürftigkeit, demMangel an Haaren etc. 247 den sind, obgleich es ausdrücklich heisst, dass die damit be- hafteten Personen übrigens vollkommen gesund gewesen seyen. Bey solchen Umständen lässt sich denn auch über das da- gegen einzuschlagende Heilverfahren wenig oder gar nichts sagen, und selbe muss der individuellen Einsicht des Arztes in die Genesis dieses Fehlers überlassen, sonst aber wohl durch solche Mittel gehandhabt werden, welche etwa im Stande sind, die Tihätigkeit des Lebens in der Haut so zu bestellen, dass sie sich auf die Erzeugung der Haare hinrichtet, wovon übri- gens späterhin beym Ausfällen der Haare gehandelt werden soll. — Die ursprüngliche Bartlosigkeit, welche nie- mals als eine Nationaleigenheit, sondern stets als ein abnor- mer Zustand des Mannes angesehen werden muss, ist ebenfalls wieder entweder ererbt, oder durch einen eigenthümlichen feh- lerhaften Bildungstrieb, der sich erst im Verlauf des Lebens entwickelte, bedingt. Im ersten Falle ist wohl nie an eine Heilung zu denken, im zweyten wäre vielleicht durch eine ge- naue und richtige Zusammenstellung der darauf Bezug haben- den individuellen Umstände ein gründlicher therapeutischer Weg einzuschlagen. Es versteht sich übrigens von selbst, dass man in solchen Fälien stets auf die Beschaffenheit der übrigen Zeichen der Mannbarkeit, und namentlich der Geschlechts- theile, Rücksicht nehmen müsse, indem es schon seit Arısto- teles bekannt ist, dass die Entmannung vor der Pubertät ursprüngliche Bartlosigkeit zur Folge habe, aber nach dersel- ben unternommen, nur allmähliges Ausfallen der Bart- und Achselhaare bedinge. Indessen gebe man sich nie der eiteln Hoffnung hin, da einen Bart schaffen zu können, wo schon ur- sprünglich keiner war; denn die Kunst kann wohl die Natur unterstützen, aber nie ersetzen, und eben daher einen dürfti- gen Bart stärker machen, aber den gänzlich mangelnden nie er- schaffen. — Auf welche Art aber ersteres geschehen kön- ne, davon soll ebenfalls später gesprochen werden, Anmerkung. Die zu späteEntwicklungder Haare anmanchen Parıhien des Körpers bezieht sich grösstentheils wieder auf jene Haare, diealsZeichen der Pubertät angesehen werden, nämlich Ach- sel-, Scham- und Barthaare. Natürlich hängt dann dieser Umstand aufs genaueste mit der entweder allgemein verzögerten Evolution des ganzen Körpers, oder aber nur der Geschlechtsorgane zusammen. Daraus ergibt sich der noıhwendige Schluss, dass auch nur dann 248 Von der Federkrankheit. der Hebung dieses Umstandes Raum gegeben werden könne, wenn man im Stande ist, den Lebensprocess des ganzen Organismus der Art zu gestalten, dass die vorschreitende Metamorphose rascher von Statten gehe, und der eigenthümliche Charakter eines jeden Zeitalters um so bestimmter in die Erscheinung trete. Wie diess jedoch zu bewerkstelligen sey, überschreitet weit die Grenzen mei- nes Ziels, indem es die Grundsätze der gesammten Physiologie und Pathologie in Anspruch nimmt. — Das örtliche Handeln ist in solchen Fällen von äusserst geringem, ja leider meist von gar keinem Werthe. c. Qualitativo-abnormer Bildungstrieb. $- 149. Von der Federkrankheit (Ptilogenesis). Ich verstehe darunter diejenige Abartung des Bildungstrie- bes, vermög dessen statt der Haare Federn erzeugt werden. — Es ist mir nur ein einziges Beyspiel dieser Art beym Men- schen bekannt; von den Thieren habe ich früher ebenfalls ein ähnliches angeführt *). Es soll nämlich in diesem Jahr zu Bre- men ein Knabe zur Schau gestellt werden, welcher auf dem Kopfe statt der HaareFedern trägt, die, gleich denen der Per- lenhühner regelmässig punktirt und schattirt sind. Gegen den Herbst hin soll sich ferner dieser Knabe wie die Vögel mau- sern. — So lese ich wenigstens in Bäuerle’s Wiener Origi- nalblatt für Kunst, Literatur, Mode und geselliges Leben für das Jahr 4831. Ich würde gewiss Anstand genommen haben, auf diese blosse Correspondenz - Nachricht hin sogleich eine neue Haarkrankheit zu schaffen, zumal, da man wohl weiss, zu welchen abscheulichen Betrügereyen dieser und ähnlicher Art sich niedrige, gewinnsüchtige Menschen ohne Weite- res herbeylassen; allein die früher angeführte Thatsache, dass in Irland ein paar schwarze Kaninchen zur Welt kamen, wel- che statt der Haare mit Federn bedeckt waren, wird meine Leichtgläubigkeit in diesem Falle einerseits entschuldigen. Von der andern Seite erfahre ich gerade von einem sehr glaubwür- digen Manne, dem Hauptmanne V olz, dass i. J. 1794 in Trier ein 20jähriges Mädchen zu sehen war, welche im Gesichte viele kleine, mit rauhen Haarbüscheln besetzte Warzen hatte, und *) $. 77. p. 143. 1ster Theil. Von der Entzündung der Haarzwiebel etc. 249 deren übriger Körper durchaus mit theils borstigen, theils fe- derartigen Haarbüscheln stellenweise besetzt war. Hievon hat sich mein verehrter Freund damals selbst aufs genauste überzeugt. $. 150. B. Von der Entzündung der Haarzwiebel und des Haarbalges (/nflammatio bulbi pilorum, s. Tricho-bolbitis et Tricho-cystitis). Mir ist keine Krankheit bekannt, von welcher man be- haupten könnte, sie bestehe ursprünglich in einer Ent- zündung der Haarzwiebel oder des Haarbalges; sondern wo ich diese nur immer zu beobachten Gelegenheit hatte, war sie secundärer Art, ein Morbus deuteropathicus. Denn ich habe nicht die gewünschte Gewissheit, ob sich jene Entzündung, welche ich bisher häufig, und namentlich bey mir selbst entstehen sah, und welche jederzeit den Umkreis eines Haars auf der Rückenfläche des ersten Fingergliedes ergriff, nach Verlauf von einigen Tagen einen Abscess von der Grösse eines Hirsekorns bildete, und nach Entfernung des darin ent- haltenen Eiters, und des von diesem umgebenen Haares alsbald ganz heilte, — wirklich bis in den Haarbalg erstreckte, oder ob sie nur die zwischen diesem und der Austrittsstelle des Haars gelegene Hautparthie in sich schloss. Wäre ersteres, dann hät- ten wir allerdings ein Beyspiel einer primären Entzündung des Haarbalges. In Bezug auf die ursächlichen Verhältnisse dieses an sich unbedeutenden Uebels, habe ich Gründe zu vermuthen: dass ich mir dasselbe jederzeit auf dem Wege der Ansteckung durch Cadavergift zugezogen hatte, welches wahrscheinlich durch das Haar dahin geleitet oder wenigstens dort fest gehal- ten wurde. — Eben so wenig wage ich zu behaupten, dass der Weichselzopfnichts als eine Entzündung der Haarzwiebel sey, worüber ich übrigens später ausführlicher handeln werde. Weit häufiger sind hingegen die secundären Entzündun- gen der angeführten Gebilde. Insbesondere finden wir sie, ob- wohl etwas selten, auf den behaarten Theilen des Kopfes und des Körpers, wenn diese von stark eiternden Blatterpusteln er- griffen werden; ferner bey der sogenannten Haarflechte (Li- chen pilarıs), wenn die kleinen Knoten nur an den Wurzeln der Hauthärchen sitzen, und durch eine entzündliche Vergrösse- 250 Von der Entzündung der Haarzwiebel etc. rung ihres Bulbus zu entstehen scheinen; bey Porrigo (P. Frank), wo die Haupthaare verhindern, dass die Schüppchen leicht abfallen, und erstere dann die unter ihnen angesammelte Jauche verklebt, und durch ihre fressende Schärfe zerstört; eben so bey Porrigo decalvans nach Bateman, wo man einen oder mehrere zirkelrunde Fiecken sieht, die ganz ohne Haare sind: dabey ist die Haut ganz glatt, nicht roth, selbst oft auffallend weiss, die gedachten Flecken vergrössern sich nach und nach, und so greift das Uebel immer weiter um sich. Bateman glaubt, dass kleine Pusteln an den Haarwurzeln die nächste Ursache der Krankheit seyen, er sah erstere jedoch nicht. Rayer fand an der betreffenden Hautparthie weder Blasen noch Pusteln, noch son- stuige Zeichen der Entzündung. Auch bey der fressenden Flechte Herpes rodens und phagedaenicus, wo ebenfalls die scharfe Feuchtigkeit die unter der Haut liegenden Theile. ver- wüstet; endlich, und am vorzüglichsten entsteht diese Entzün- dung in der Krankheit, welche man K opf-Grind, Tinea capilis nennt, (und hier wieder vorzüglich bey der Favosa), und ın welcher, besonders bey übler Körperbeschaflenheit des Kran- ken die sehr übel riechende Jauche ebenfalls die Haare bis in ihre gewöhnlich angeschwollenen Zwiebeln verzehrt, und ausfallen macht. — In allen diesen Fällen hat sich die Entzün- dung nicht ursprünglich in den Haarzwiebeln entwickelt, son- dern nur von der benachbarten Haut auf sie verbreitet, da- selbst festgesetzt, und noch grössere Zerstörung als dort ver- ursacht. — Uebrigens ist es schwer zu entscheiden, ob die Haarbälge bey den verschiedenen Arten von Hautentzün- dungen, und namentlich bey gewissen acuten Hautauschlägen, z.B. dem Scharlach, den Rötheln, Masern etc. nicht eben- falls entzündlich aflicirt werden. Das scheint wenigstens ge- wiss zu seyn, dass jede derartige Entzündung der Haarbälge und der Haarzwiebeln eher das Abfallen, als Verlängerung oder Verwicklung derselben zur Folge hat, und dass die nach- wachsenden Haare stets feiner, und weisser, heller gefärbt sind, als die abgefallenen waren. In Bezug auf die ärztliche Behandlung kann hier, wo nur von der aus der Symptomengruppe herausgerückten Er- scheinung die Rede ist, natürlich nichts Wesentliches gesagt, sondern es muss diessfalls auf die einer jeden dieser Hauptkrank- heiten angemessene Heilmethode verwiesen werden. Doch soll später bey der Behandlung des Ausfallens der Haare die zweck- Von der Atrophie der Haarzwiebel. 251 mässigste Methode, derer man sich örtlich beym Kopf-Grind bedient, ausführlich angeführt werden. Anmerkung. Fridrich Guvier sah auch mehrere Bulbi der Federn bey kranken Vögeln entzündet *). $. 151. C. Von der Atrophie der Häarzwiebel (Atrophia bulbi pilorum). Auch diese Krankheit ist meines Wissens stets eine se- cundäre, und es gilt in ätiologischer Beziehung überhaupt bey ihr alles das, was von den Atrophien aller übrigen Orga- ne des Körpers gesagt werden kann. Denn so wie dort, finden sich auch hier die verschiedensten Ursachen, welche ein Ein- schrumpfen, Verdorren oder Aufgesogenwerden der Haarzwie- bel zur Folge haben können. Unter die gewöhnlichsten zählen wir jedoch jene, die auch das sogenannte Ausfallen der Haare nach sich ziehen, und die ich sogleich ausführlich auseinan- der setzen werde. Nicht so gar selten sind es jedoch auch Krankheiten ei- gener Art, und namentlich sogenannte örtliche Fehler, bey deren längerem Bestehen wir den Haarbalg sammt der Zwie- bel atrophisch werden sehen, z. B. durch Druck von einer be- nachbarten Geschwulst u. dgl. Prognose und Behandlung richten sich natürlich nach der primären Krankheit, und ihrem noch bestehenden innigen Wechselverhältniss mit der secundären Atrophie, in deren Eigenheiten ich desshalb nicht weiter eingehen will, weil das Nöthige aus dem Nachfolgenden zur Gemüge erhellen wird. Zu bemerken ist übrigens noch, dass sich die Atrophie der Haarzwiebel nur durch zwey Symptome — nämlich das besonders leichte Ausfallen, und das entweder allmählig ver- minderte, oder ganz aufgehobene Nachwachsen der Haare, ausspricht. — — 0. *) Rayer Trait des maladies de la peau. Paris 1826. Chapiire 11. Alterations des poils, — 252 Von dem Ausfallen der Haare. $. 152. a) Von demAusfallen der Haare überhaupt (Depilatio s. Psilosis; Defluvium s. Lapsus pilorum). Obschon der Name selbst schon hinlänglich die zu be- schreibende Krankheit bezeichnet, und jedermann weiss, welche Krankheit man unter dem Ausfallen der Haare versteht; so finde ich es doch nicht überflüssig, zu bemerken, dass dieses eine Krankheit sey, welche alle Thiere befällt, an denen wir Haare im weitern oder engern Sinne des Wortes beobachten. Insbesondere aber zeigt sie sich bey den Federn der Vögel, den Haaren der Säugethiere, und vor allem und vorzugsweise beym Menschen. Die Verschiedenheit der bey dieser Haarkrankheit beob- achteten Erscheinungen in Bezug auf ihren Sitz, ihre Ursachen und Ausbreitung, haben zu Unterabtheilungen Anlass gegeben; und auf diese Art finden wir schon in den Schriften früherer Pathologen, namentlich eines Swediauer und Sauvages mehrere Arten der Alopecia, oder besser gesagt des Genus, das man mit dem Namen: Casus s. Lapsus pilorum bezeichnet hat. Ich halte folgende Abtheilungen für zweckgemäss und hinreichend: a) Nach dem Sitz und der Ausbreitung. Hier ist die Krankheit entweder allgemein: Depilatio universalis, oder nur auf die Haare einzelner Gegenden beschränkt: Depilatio topica, localis. Von dieser letztern haben wir folgende Unterarten: 4) Alopecia oder Fuchssucht (von aruw'res vulpes, cui supercilia glabra sunt; nach Andern aber, weil die Füchse dieser Krankheit häufig unterworfen sind; und nach einer dritten Meinung, weil bey der Räude dieser Thiere die Haare ausfallen). Mit diesem Namen bezeichnet man ei- gentlich das Ausfallen der Kopfhaare überhaupt, mit wel- chem sich beym Manne auch jenes des Bartes und der Au- genbraunen vereinigen kann. Anmerkung. Die Alopecıa der Vögel nennt Sauvages Liger, und sagt, dass sie dabey traurig sind, keine Nahrung zu sich neh- men; dass die Federn in die Höhe stehen, und dann von den Vö- geln mit dem Schnabel ausgerissen werden. Als Cur räth er an: das Vogelhaus mit angezündetem Schwefel zu sättigen, dieKälie abzu- Von dem Ausfallen der Haare. 253 halten, die Vögel der Sonne auszusetzen, und sie mit Oel, einem Decocto cumini oder Lupinorum einzuschmieren und zu waschen. 2) Phalacrosis s. Caleities, (Arnaldia), wenn sie vom Scheitel beginnt, und mehr das Vorderhaupt befällt. 3) Ophiasis, wenn die Haare anfangen vom Hinterhaupte, und zwar so auszufallen, dass dadureh ein haarloser Strei- fen von der Länge zweyer Finger gebildet wird, welcher gegen die beyden Ohren, manchmal auch gegen die Stuirne hin verläuft, und sich zuletzt da wieder endet, wo er be- gonnen hat. — Der Name stammt ebenfalls aus dem Grie- chischen ogıg i. e. serpens, weil nämlich jener Streifen nach der angegebenen Weise schlangenartig verläuft; oder nach Gelsus und Sauvages, weil sich zu gleicher Zeit meist auch die Oberhaut, wie bey den Schlangen, abschuppt. Tyria heisst das Uebel auch, wenn mit den Haaren zu- gleich die zarte Haut abfällt. Diese Art soll meist die Kin- der befallen. 4) Wenn der Kopf nur am Hinterhaupt kahl wird, was frey- lich ein äusserst seltener Fall ist, so nannten es die Grie- chen Opisthophalacrosis. 5) Wurde nur die Halbseite des behaarten Kopfes davon er- griffen, so war diess Hemiphalacrosis. 6) Den Verlust der Augenbraunen nannten die Griechen Avxparavriasıg. 7) Sauvages begreift nach Gelsus die Alopecia und Ophiasis unter dem allgemeinen Namen der Alopecia areata, sive Area Jonstoni. 8) Wenn die Haare nur langsam, nur da und dort aus- fallen, oder hie und da nur dünner stehen, ohne kahle Stellen zu erzeugen; so nennt man diess Madesis s. Mada- rosis— Lapsus transitorius. Einen solchen Fall beobachtete namentlich unser Herr Prof. Bischoff bey einem Manne, der bey sonst guter Gesundheit eine Zeit lang um die Mundwinkel herum keinen Bart mehr bekam. b) Nach der Ursache. Hier gibt es folgende Arten: 1) Depilatio simplex s. Defluvium capillorum Sennerti, die zufälligerweise erfolgt, z. B. nach langwierigen oder bösartigen Krankheiten, im Greisenalter etc. 2) Dep. syphilitica nach Nicol. Heinsius, Hier fallen 254 Von dem Ausfallen der. Haare. gewöhnlich alle Haare des ganzen Körpers aus. Sie wurde von Swediauer, Rangon, Falloppia, Massa, Fracastorius und andern Aerzten beschrieben. 5) Dep. porriginosa s. Phthiriasis Hippocratis. Ist ge- wöhnlich mit Abschuppen der Haut begleitet. Namentlich ist es die Tinea favosa, welche gerne eine allgemeine Alopecia nach sich zieht. Da wo die Haare entwurzelt werden, bleibt die Haut glatt und glänzend. Doch sieht man hie und da einzelne wollartige Haare, deren Gewebe und Farbe verändert sind. Die Tinea furfuracea und granulosa gehen auch auf die Augenbraunen über. Uebrigens sind die Haare nicht der primitive Sitz des Grindes; denn 1. ist die Alopecia nicht constant, sondern nur bey hohem Grade des Uebels, 2. ergreift der Faeus auch Theile, die keine Haare haben. — 4) Dep. leprosa. Erscheint im Gefolge der bey uns selt- nen Krankheit, welche man Lepra, den Aussatz nennt. 5) Dep. haereditaria. Das erbliche Ausfallen der Haare, wovon uns Hippocrates, Procopius, Rougemont und Tournefort, Jahn u. m. a. Beyspiele aufführen. Herodot will sie bey einem Stamm der Scythen beob- achtet haben*). 6) Dep. congenita nach J. Frank. Diese will auch Danz**) und Augustin***) beobachtet haben. 7) Als letzte Art könnte man noch die Depilatio spon- tanea hieher zählen, bey welcher die Haare ohne alle erhebliche Ursache am ganzen Leibe abfallen, und wovon ich folgendes merkwürdiges Beyspiel ****) gelesen habe: „J. U, in B., einer Grafschaft in Cumberland, unver- heirathet und 35 Jahre alt, dabey von starkem Körperbau, muskulös, sechs engl. Fuss hoch, war frey von örtlicher wie von constitutioneller Krankheit bis auf diejenige, welche eben beschrieben werden soll. Vor einigen Jahren hatte er einen oder zwey schwache Anfälle von Pleuritis, welche durch die gewöhnliche Behandlungsart bald bekämpft wurden, ohne ir- *) Siehe 1. 9. hist. f. m. 117. b **) In Stark’s Archiv für die Geburtshülfe 4, Bd, p. 684. ***) Asclepieion, Jahrg. 1812 3. Heft, ***%) Froriep’s Notizen f. Nat, und Heilkde, 17. Bd, p. 268. Ansgezo- gen aus dem Edinb, Journal of Med, Science V. von Carson Esgq. Von dem Ausfallen der Haare. 255 gend eine üble Folge zurück zu lassen. Bis auf diese Anfälle hatte der Patient sich immer einer vortrefllichen Gesundheit erfreut, und bis jetzt sehr fleissig seiner Landwirthschaft obge- legen. — Er ist so vollständig von Haaren entblösst, dass man trotz der sorgfäl;igsten Untersuchungen nicht im Stande war, auch nur die Spur irgend eines Haars an seinem Kopfe, Leibe oder den Extremitäten zu entdecken; selbst die Supercilia , Vi- brissae und Pili auriculares waren gänzlich verschwunden. Die Haut hatte dabey eine gesunde Farbe, und man konnte nicht die geringste Unregelmässigkeit auf ihrer Oberfläche bemerken. Als ich den Patienten über die mit dem Eintritt der Krankheit verbundenen Umstände ausfragte, erfuhr ich, dass sein Kopf- haar immer eine helle Farbe, sein Bart und Backenbart aber eine röthliche Farbe gehabt habe, auch durchgängig stark und voll gewesen sey. — Der Patient erzählte, dass er das Ausfallen seiner Haare zuerst am 44. März 1826 beym Ra- sieren bemerkt habe: es sey nämlich eine bartlose Stelle auf dem Musculus buccinator der rechten Wange entstanden, und als er das Rasıeren fortgesetzt habe, seyen die Barthaare meistentheils mit den Wurzeln, und zwar in solcher Menge ausgegangen, dass, nachdem er sich noch einigemal rasiert hatte, nicht ein einziges Barthaar zurückgeblieben sey. An demselben Tage, nämlich am 44. März, sey er zu einem Nach- bar gegangen, um sich von ihm das Kopfhaar beschneiden zu lassen. Dieser Nachbar habe eine kleine, kahle Stelle an der rechten Seite des Hinterkopfes bemerkt, und von diesem Tage an habe sich diese Stelle vergrössert bis gegen die Mitte des Mayes, wo er so völlig enthaart gewesen sey, dass man auf seinem ganzen Körper nicht ein einziges Haar habe entdecken können. Während der Krankheit hat der Patient nicht den ge- ringsten Schmerz oder Unwohlseyn empfunden, nur fielen ihm bey der geringsten Bewegung die Haare in dieSpeisen u.s. w.— Eine andere, nicht minder merkwürdige Eigenthümlichkeit der Krankheit ist die, dass die Nägel derFinger an der allgemeinen Krankheit Theil zu nehmen scheinen; denn wiewohl sie nicht gänzlich abgefallen sind, so erscheinen sie doch als eingeschrumpft und vertrocknet, so, dass sie von den Wurzeln wahrscheinlich nicht mehr ernährt werden. Zugleich sind sie von weisslicher Farbe, spröde, und an dem äussern Ende schr splittrig und rauh. Diese Erscheinung trat erst viel- leicht drey Monate nach dem Verluste der Haare ein, und 256 Von dem Ausfallen der Haare. merkwürdig ist es dabey, dass nur die Fingernägel aflıcirt sind, während die der Zehen ihre natürliche Farbe und Con- sistenz behalten haben. — Der Kopf dünstet so stark aus, dass er immer feucht ist; am ganzen übrigen Körper bemerkt man nicht die geringste Ausdünstung. In den letzen drey Monaten hat der Patient den 'Tag über eine Perücke, und des Nachts eine warme Mütze getragen; jedoch mochte er die Perücke abgenommen haben oder nicht, so blieb sich die Ausdünstung auf der ganzen Oberfläche des Kopfes stets vollkommen gleich. — Vor dem November 1825 war er gewohnt, reichlich geistige Getränke zu’ sich zu nehmen, obgleich nicht in solcher Menge, dass man ihn einen Säufer oder 'Trunkenbold nennen konnte. Um diese Zeit verlor er indessen den Geschmack an geistigem Getränke, und enthielt sich dessen mit einem Male gänzlich. Er fuhr jedoch fort, starkes Bier zu trinken, und vielleicht in noch grösserer Menge als früher. Hierin bestand die ganze Abweichung von seiner früher stets beobachteten Lebensweise. Als ihm indessen im längstvergangenen Monat Junius Jemand gesagt hatte, dass seine Enthaltsamkeit gerade die Ursache sey, wesshalb er die Haare verloren habe; so genoss er wieder geistige Getränke eben so reichlich, wie vorher, jedoch nicht unmässig. c) Nach dem Alter des Befallenen. Alopecia seni- lis et juvenum. d) Nach ihrer Verbreitung unter den Menschen. So spricht Seb. Egbert *) von einem Lapsus epidemicus, der jedoch jedenfalls zu den grössten Seltenheiten gehört, wenn er je wirklich beobachtet wurde; und Blumen- bach**) sagt, dass die Kahlköpfe sogar ganzen Nationen eigen seyen. Diese Krankheit soll in der Berberey sogar endemisch seyn. Im höhern Grade ist das Uebel von einem mehr oder weniger deutlichen Hautleiden begleitet. Es löst sich nämlich die Oberhaut an der Stelle, wo die Haare ausfal- len, in breiten, kleyenartigen Schuppen ab, die sich sehr schnell, wenn sie mit dem Kamm weggeschaflt werden, wieder erneuern, und unter sich die Haut roth, aber unschmerzhaft lassen. In dieser Form heisst die Krankheit bey den Franzosen *) Swediauer p. 765 in der Note, **) Physiolog. p. 151. Von der Aetiologie dieser Kraukheit. 957 Pelade, und breitet sich als solche weit über den behaarten Theil des Kopfes aus. $. 153. Aetiologie dieser Krankheit. Der wichtigsten Ursachen, welche diese so unangenehme Krankheit nach sich ziehen, habe ich bereits im vorigen Para- graph erwähnt, indem ich sie nach der Weise andrer Auto- ren zu Fintheilungsgründen der Krankheit selbst erhob. Hie- her gehört also die Lustseuche, der Grind, und der Aussatz. Doch würde man sehr irren, wenn man glaubte, diess seyen die einzigen Krankheiten, auf welche die Haare aus- zufallen pflegen; denn ausser ihnen hat man diess auch, und namentlich bey der bösartigen Flechte, dem Weich- selzopf, im letzten Stadium der Lungenschwindsucht; (daher: „Quibus tabe laborantibus capilli de capite defluunt, hi aloi fluxa saperveniente, moriuntur*),*“ und: „Capillorum deflu- vium cum sputo grapiter olente, in tabe vexatis lethale**));“ nach langwierigem Kopfwehe, in bösartigen Fiebern, nach heftigen Diarrhoden, nach einer starken Pur- ganz (hier fielen Kopf- und Barthaare aus, etc. ”**)), beym Rothlauf des Kopfes, nach dem Genuss von ätzenden und narkotischen Giften, nach dem Missbrauch des Mercurs, in der Bleykolik; ferner bey solchen Menschen, welche den Dämpfen des Arseniks und Queck- silbers ausgesetzt sind u. s. w. beobachtet. Selbst das W o- chenbett soll nach Frank öfters Veranlassung zum zeit- weiligen Verluste der Haare geben. Nach Vogel soll das Aus- fallen der Haare im Kindbett starke Lochia anzeigen; und das Kämmen am dritten oder vierten Tage nach der Geburt Kopfweh, Hirnentzündung und Milchversetzung erzeugen. — Weiter zählt man unter die erregenden Ursachen: anhaltende Studien, Ausschweifung in Baccho et Venere. Gruner ****) führt eine ganze Gallerie von *) Hippocrat.. Aphor. V. 12. Coac. 436. =) Hippoc. Aphor. V. 11. ***) Lemery im Dietion, des Scienc. med. T. 43. p. 50%. *+**) Lus. med. orat. expr. u. s. w. übersetzt von Schlegel in den neuen Materialien für die Staatsarzneykunde lI. 238. Eble's Lehre von d, Haaren, II, Bd. 17 258 Von der Aetiologie dieser Krankheit. kahlköpfigen Kaisern an, die durch liederliches Leben ihre Haare verloren haben: Tıberius, Claudius, Galba, Domitian, Otho, Opilius, Maerinus, Theophilus, Caligula, Gommodus, Heinrich Ill. von Frankreich u.s. w. Commodus hatte 300 Beyschläferinnen. — Aristo- teles*) sagt: der fleissige Besuch der Weiber beschleunigt den Abfall derjenigen Haare, die mit uns auf die Welt kom- men, und befördert die Production der andern Haare. Und ein neuerer Autor drückte die Wahrheit des 'Gesag- ten also aus: Samsonem rigidis spoliapit crinibus uxor, Hoc nostro multae tempore sunt J)elilae. Einer unsrer trefllichsten medieinischen Volksschriftstel- ler, der Leibarzt Dr. May äussert sich hierüber in seinen me- dicinischen Fastenpredigten **) auf folgende Art: „Die heftige Anstrengung der Seelenkräfte scheint den Haarwurzeln alle Nahrung auf einmal entzogen zu haben. — Fern sey es von unserer lieben studierenden Jugend, sich so anzustrengen, dass sie darüber, wie der Chevalier ’Epernay den Bart verlöre, und eine Allongeperücke tragen müsste, Solche Anstrengungen des Geistes fordert weder der Beruf, noch der Staat. Aber auch fern sey es von ihr, dass sie wie ein weibischer Simson in dem Schosse einer buhlerischen D e- lila die schönen blonden Haare verliere, oder gar wie ein ent- mannter Herkules am Spinnrocken sitze, und Fillets knüpfe. Nichts sauget den auch gesundesten Jüngling mehr aus, als wenn er bey Tag eifrig und anhal- tend studiert, und Nachts ein Wollüstling ist.« — Grosse Sorgen, Kummer, Aerger, Furcht und Schrecken, Uebermass an Läusen (Phthiriasis), Miss- brauch der Haarnadeln, (wenigstens leitet J. Frank die Häufigkeit dieses Uebels bey den insubrischen Bäuerinnen von da her), und das zu heisse Frisiereisen, das Pulvis cyprinus mit Kalk, die Douche, schwere Kopfbe- deckungen, der Sonnenstich, langer Hunger, vie- les Nachtwachen, Schlafen mit blossem Kopfe, endlich der Missbrauch desKalfees gehören ferner hie- *) Hist. lib. III. cap, 11. **) Erster Theil 'p. 275. Von der Aetiologie dieser Krankheit. 259 hier. — Dass nicht selten im Frühjahr die Haare mit der Oberhaut am Kopfe abgehen, hat schon Frank*), und noch früher der berühmte Leuwenhoek bemerkt**), welcher von sich selbst erzählt, dass er sich im Frühjahr mausere. Er beobachtete zu- gleich, dass jene Haare, die abfielen, eine sehr kleine, spitzige Wurzel hatten, ed die der bleibenden sehr dick war. Ein ähnliches Hiken habe ich auch bey mir selbst beobachtet. Glisson gibt fünf Hauptursachen dieser Krankheit an: 4. das Entwurzeln, oder vollkommne Ausreissen der Haare mit der Wurzel; 2. die Zeit, wenn die Haare den Gipfel ih- rer Vegetation oder Ausbildung erreicht haben; 5. werın ih- nen die nöthige Nahrung entzogen wird; 4. wenn ihre Zel- len erschlaflt, und 5. wenn ihre Worzels beschädigt, oder durch schadhafte Stoffe ihrer Vitalität beraubt erden. "Rück- sichtlich des zweyten Punktes sagt er, dass hierin die Haare ganz den Pflanzen gleichen, deren Wurzeln ebenfalls austrock- nen und ausfallen, sobald die Pflanze ihre höchste Entwick- lungsstufe Eiche, hat. In Bezug auf den Mangel an Nahrung sagt er, dass die Haare zuerst trocken werden, dann die Wur- zeln erweichen, und kurz darauf, sobald ein neuer Haarkeim gebildet ist, nach aussen getrieben werden. Doch fallen z. B. beym Menschen, der in Hungersnoth lebt, während dieser Periode die Haare nicht aus, weil die Haut ausgetrocknet ist, und zu fest mit dem Haar zusammenhängt. Das vierte Moment wird herbeygeführt durch zu warme Bedeckung, warme und feuchte Witterung, und durch häufigen Schweiss. Desshalb sollen die Haare mehr im Sommer als im Winter ausfallen, Das fünfte Moment bemerkt man vorzüglich in der Reconva- lescenz von grossen Krankheiten. Doch ist hier zu bemerken, dass die Haare wieder nicht während der Krankheit, sondern erst dann ausfallen, wenn der Körper wieder neu gestärkt, und den Haaren wieder viel Nahrung zugeführt wird, die sie nicht aufzunehmen vermögen, und so gleichsam Hungers sterben (?). Dasselbe geschieht jedoch auch, wenn die Säfte nach andern Gegenden und zu andern Zwecken verwendet werden. Man bemerkt diess im blühenden sowohl, als im Greisenalter; so fallen die Kopfhaare manchmal aus, während der Bart und *) Epitome tom. 4, p. 14. **) Collection 'philos. 1631. Letires sur les nouvelles deconvertes fai- tes avec le microscop, pr 1 * 260 Von der Aetiologie dieser Krankheit. die Schamhaare stark in der Entwicklung sind. Es ist übrigens eine merkwürdige Erscheinung, dass Niemand vor verübtem Beyschlafe kahl wird, wie uns schon Hippocrates und Aristoteles berichtet haben. Auch hält Glisson den Schluss: Hic calous, ergo ceteris salacior für unrichtig, und kehrt ihn um, und sagt: Hic salacior, ergo ad calvitiem magis dispo- situs. Diess sind die Ansichten Glissons. Die ältern Aerzte, namentlich aber der Araber Ebn Sina leitete das Ausfallen der Haare von zwey Momenten her: Ex causa in maleria et loco, et ex causa in re, und bringt diese Ansicht wieder mit seiner fehlerhaften Meinung über den Ursprung des Haars in Uebereinstimmung. — Insbeson- dere sucht Avicenna*) die Ursache, warum die Gilien nicht sobald ausfallen darin, dass ihre Ursprungsstelle dicht, knor- pelig, und zum Festhalten der Haare geschickt sey. — L or- ry**) sagt ausdrücklich, dass diejenigen, welche den blossen Kopf der Sonne aussetzen, früher kahl werden; und dass nach Herodot’s Angabe jene später kahl werden, die sich ‚ofı rasieren lassen. Die Ursachen der Alopecie theilt Lorry in generelle und spezielle, und sagt in dieser Beziehung, dass alles, was die Haare und den Körper der nothwendigen Nah- rung beraubt, und den Saft der Haarzwiebeln verdirbt oder entzieht, hieher zu rechnen sey. Das Ausfallen der Haare bey Wöschnerinnen leitet er übrigens von zu grosser Säure der Milch her. Von den wollenen Schlafmützen und Hauben sagt er, dass sie die Haarwurzeln anfressen, besonders wenn sie so geformt seyen, dass sie sich an dem Kopfe reiben. — Krünitz gibt nur drey Hauptursachen des Haarausfal- Jens an: 4. Entkräftung nach starken Krankheiten oder vom Alter; 2. eine gewisse Schärfe, wodurch die Iymphatischen und öligen Feuchtigkeiten unter der Haut in Verderbniss ge- rathen; und 3. eine besondere Trockenheit des Kopfes und der Fettkügelchen, in welchen die Haare Wurzel fassen. Die- sen Ansichten werden sodann auch die angezeigten Mittel an- gepasst ***), Ich habe oben den Mangel an Nahrung als ein Cau- *) Liber Canonis p. 506, *) A. a, 0. P' 597. “) A,2 0. p. 508, Von der Aetiologie dieser Krankheit. 261 salmoment angeführt; dagegen ist nach S. G. Vogel bey jun- gen, robusten und saftreichen Leuten zuweilen gerade der ent- gegengesetzte Umstand, nämlich die Plethora Schuld an dem Uebel; eine Beobachtnng, welche übrigens schon Forestus gemacht hat. Fassen wir nun alle die genannten Ursachen zusammen, so ergibt sich der allgemeine Schluss: dass siesich im Grun- de sämmtlich entweder auf allgemeine Lebens- schwäche, gepaart mit deutlicher Herabsetzung des Lebensprocesses in dem von der Krankheit be- fallenen Theil des Haarsystems, oder auf diese letztere allein zurückführen lassen. Man wird in den meisten Fällen eine Trägheit im Blutlauf des Haarsystems als Hauptursache anklagen können, indem dadurch letztere nicht mehr die nöthige Nahrung geliefert wird. — Das Haar gleicht hierin ganz der Pflanze, die unter solchen Umständen auch abwelkt und endlich stirbt. Die Folge davon ist doppelt, entweder wächst nämlich ein neues Haar nach, oder nicht; er- steres geschieht in der gewöhnlichen Alopecia, letzteres bey der Caloities senilis, wo alles abstirbt, und der ganze Zwiebel- balg aufgesogen wird. — Bichat sagt, dass sich vor dem Ab- fallen der Haare die Höhle ihrer Zwiebel nach und nach ver- kleinere, und dass sodann der kleine Kanal, welcher die Wur- zel des Haars enthielt, zu verschwinden beginne; und ich habe diese Angabe in der Erfahrung bestätigt gefunden, Die angeführte Trägheit des Kreislaufs im Haarsystem bleibt selbst da noch der letzte Grund des Uebels, wo wir es auf eine rein dynamische Schädlichkeit, z. B. Gemüthsaffecte u. dgl. erfol- gen sehen. — Uebrigens hat man wohl auch, und zwar nicht ganz mit Unrecht, einen scharfen Saft angeklagt, der den Haar- balg desorganisirt, und ist auf diese Idee hauptsächlich durch das Ausfallen der Cilien geführt worden, weil hier nämlich ge- wöhnlich der Rand des Augenliedes verschwärt ist. Aehnliches wollte man auch in der Tinea capitis, oder bey sonstigen tiefen Excoriationen der Haut beobachtet haben. Wenn darunter eine eigenthümliche ätzende Flüssigkeit verstanden wird, wel- che ihre zerstörende Wirkung unmittelbar, so zu sagen speci- fisch auf die Haarzwiebel richtet; so kann ich der Meinung nicht beypflichten, indem ich vielmehr die Ueberzeugung habe, dass in solchen Fällen eigentlich das den Haarbalg umgebende Zellgewebe der Haut zuerst, und diese selbst von der exul- 262 Von der Aetiologie dieser Krankheit. crativen Entzündung ergriffen wird, und die Alopecie nur als eine consecutive Erscheinung derselben zu betrachten sey. Was das Ausfallen der Haare nach gewissen Krank- heiten betriflt, so scheint es, dass bey grossen Eingriffen in die Oekonomie des Lebens die Natur ihre ganze Aufmerksam- keit dahin richtet, das Leben mit ganzer Kraft gegen die wichtigsten Organe zu richten, und dagegen die Ernährung des Horngewebes zu vernachlässigen, oder ganz zu opfern. — Wenn übrigens die Haare in Folge einer acuten Krankheit das erstemal ausfallen, so kommen fast eben so viele andere wieder nach, das zweytemal nimmt die Zahl der nachwach- senden schon ab, das drittemal bleibt der Kopf ganz kahl. Zuweilen kommen zwar die Haare wieder, aber mit ganz an- dern Farben. So erzählt Villerme *) die Geschichte eines 46jährigen Mädchens, das in einem Winter nach einem vor- übergehenden Kopfschmerz nach und nach alle Haare verlor. Im folgenden Jahre bedeckte eine Art schwarzer Wolle die Stellen des Kopfes, wo die Haare zuerst verloren gegangen waren, und auf dem übrigen Kopfe kamen braune. Jene und diese wurden nun weiss. Darauf fiel ein Theil davon aus, nachdem sie 3— 4 Zoll lang geworden waren, und die andern veränderten unweit ihrer Spitze die Farbe, und wurden in ih- rer übrigen Länge nach der Wurzel zu kastanienbraun. —Le- mery**) erzählt ebenfalls ein solches, auch in andrer Bezie- hung merkwürdige Beyspiel: Einige Monate nach einer sehr starken Entleerung (?) sah ein Mensch seine Haare abfallen. Erst nach einem Jahre fingen die neuen Haare an, hervorzu- wachsen ; jedoch waren seine Haupthaare jetzt schön blond, da sie früher zu den schwarzen gehörten. Unser verehrter Herr Prof. Bischoff theilte mir folgen- den erst vor Kurzem beobachteten Fall mit: Ein junger Mann von 28 Jahren erschrak sehr bey dem Besuch, den er einem Nervenfieberkranken machte. Bald darauf befiel ihn ein gastrisches Fieber, und in der Genesungsperiode dessel- ben verlor er nach und nach alle Haare am ganzen Körper, die er denn auch nach Verlauf von drey Jahren nicht wieder- *) Dietion, des sciences med. t. V. p. 502, und im Journal general de Med. tom. 69. P.2418. **) In den Histoires de P’Academie des sciences Annede 1702. p. 29 Von der Aetiologie dieser Krankheit. 263 kehren sah, indem er bis auf diese Stunde am ganzen Körper kahl blieb. Frank sah auch einen starken jungen Mann, der nie krank gewesen war, ausser 43 Jahre vorher an der Lustseuche. Diesem waren seit zwey Monaten fast alle Haare des Kopfes, Bartes, der Augen und Scham abgefallen, so wie auch die Nägel abgestorben. Dabey blieb seine Stimme unverändert, und er konnte den ehelichen Beyschlaf ohne Mangel an Kraft verrichten *). Doch ist’ der Fall nicht so gar selten, wo man vom Aus- iallen der Haare gar keinen Grund anzugeben im Stande ist. Daher haben die Autoren gar nicht Unrecht, die bey die- sen Verhältnissen eine eigene, meistens ererbte Anlage zu dieser Krankheit annehmen. Es beherzige desshalb der Phy- siognomiker und Psycholog den Umstand wohl, dass zwar ın vielen Fällen die Kahlheit des Jünglings im Gegensatz zu der des Greises ein beschämender Beweis einer ausschweifenden Le- bensart sey; dass es aber auch, wie S. G. Vogel sagt, Glat- zen gebe, die ein Familienübel sind, und ohne irgend eine Verschuldung schon in frühern Jahren entstehen. Aus dem früher Gesagten leuchtet sattsam ein, dass die Caloities senilis wirklich eine wahre Gangraena capillorum, ähn- lich der Gangraena senilis an den Füssen, und daher eine blosse Folge des Alters sey. Ich habe schon angeführt, dass die Haare vor der Pu- bertät nur äusserst selten ausfallen; diess sprach schon Ari- stoteles**) aus, wenn er sagte: ouderepov Ss Tovray auußaiver oudevs, mov y appodıcıncem apeyrar; eben so merkwürdig ıst es, dass, wie uns ebenfalls schon Aristoteles berichtet, ein Mensch, den man schon vor seiner Mannbarkeit zum Eunuchen machte, je weder Scham- noch Barthaare bekommt, dass er aber später entmannt, Bart- und Achselhaare nur mit der Zeit verliert. Dennoch sah Cullerier zu Bicetre einen Ge- fangenen, der vor einigen Jahren eine vollkommene Castration erlitten, und dennoch einen starken Bart hatte; ferner einen Narren, der sich in eirem Anfall von Wahnsinn Ruthe und Hoden schon vor mehreren ‘Jahren abgeschnitten hatte, und *) Grundsätze über die Behandlung der Krankheiten Bd, IV. p. 117. Vergleiche Morgagni I. c. Epist. XLVI, 2. **) Hist. lb. Ill, cap. 40. 964 Von der Aetiologie dieser Krankheit. dennoch damals sehr bebartet war; zehn Jahre nach seiner vollkommenen Entmannung blieb sein Bart noch bey gleicher Stärke *). Ich komme nun zu der vielfach aufgeworfenen, und wohl noch nie ausführlich gelösten Frage: Warum die Wei- ber seltner kahlköpfig werden, als die Männer? Das weibliche Geschlecht und Blindgeborne weniger dem Kahlwerden unterworfen werden, bemerkt schon Arıstoteles**). S. G. Vogel findet die Ursachen davon theils in dem fortwährenden Warmhalten des Kopfes, theils darin, dass das Aufhören der Menstruation den Kohlenstoff, somit das Pabu- lum der Haare im Körper zurücklasse; indem hier der Koh- lenstoff dasselbe bewirke, was wahrscheinlich bey den Eunu- chen der Same verursache, nämlich dass auch bey den Wei- bern das Kahlwerden seltener und später eintrete. Ich glaube in diesem Bezug nicht übersehen zu dürfen, dass die Frauen im Auen, rücksichtlich der manigfalti- gen Genüsse des Lebens doch mässiger sind, als die Männer; und dann, dass der Genuss der Liebe bey ihnen lange nicht so entkräftend einwirke, und daher in dieser Hinsicht nicht so leicht üble Nachwehen nach sich ziehe, als ebenfalls bey den Männern. Setzt man noch dazu, dass ein kahlköpfiges Weib einen Anblick darbietet, der nich nur für uns Europäer, son- dern selbst für die wilden Stämme in Amerika etwas Ab- schreckendes hat (indem sich dort zwar die Männer, nicht aber die Weiber die Haare am Kopfe abrasieren lassen), und würdigt man, wie sehr der Schöpfer bey der Bildung des Weibes auf äussere Schönheit und Anmuth hingewirkt hat, so wird man sich zum Theil die obige Frage lösen können. Uebrigens sah Jos. Frank ***) eine schöne gesunde Frau, die an vollkommener Phalacrosis litt. Dass die Ursache des Ausgehens der Haare nach Kind- betten höchst wahrscheinlich bloss in einem Mangel an ge- höriger Nahrung liege, wird auch dadurch bekräftget, dass diejenigen Mütter, welche ihre Kinder nicht selbst säugen, die Haare nicht so leicht verlieren; ferner, dass die Haare *) Diet des scienc. med. tom. 5. p. un — 438. **) De generat. animal. c. 3. und Problemat. sect. XXXI. probl. 5. a) A.a.0, pars I. Vol. II. p: 391. Von der Aetiologie dieser Krankheit, 265 nicht gleich beym Eintritt des Wochenbettes, sondern erst dann auszufallen beginnen, wenn das Kind eine kräftige fette Milch begehrt, also im vierten, fünften Monate der Säugung. Dagegen leiden wieder nach Wigand’s Beobachtung ”) Frauen, welche ihre Kinder gar nicht, oder nicht lange genug gesäugt haben, oft an mancherley Beschwerden, namentlich an Kopfschmerzen, in deren Folge sie ebenfalls die Haare frühzeitig verlieren. Man sagt, dass, je jünger der vom Nervenfieber befal- lene Mensch sey, er desto mehr Haare nach demselben verlie- re, sie aber auch um so leichter wieder ersetze, ja oft sogar einen reichlichern Haarwuchs bekomme, als er früher hatte. Wenn Dr. Jahn behauptet, dass man keinen Philoso- phen finde, der durch Gründlichkeit auf diesen Namen An- spruch machen kann; keinen Staatsdiener, der im steten Sinnen auf Mittel zur Verbesserung seines Landes begriffen ist; kei- nen Arzt, der alles durch eigene Erfahrung prüfen und be- gründen will, die nicht für ihre Gewinne Haare gelassen hätten; so finde ich diese Behauptung, so wie sie dasteht, d. i. ohne alle Ausnahme, viel zu gewagt, und als Mensch zu hart; obwohl ich meine ganze Zustimmung da nicht versagen kann, wo sie nur auf die grosse Mehrzahl der Fälle bezogen wird. Unter den vielen hieher gehörigen Beyspielen führe ich bloss das des Ritters von Epernay an, welcher nach einer vier- monatlichen ununterbrochenen geistigen Arbeit ohne alle Zu- fälle irgend einer Krankheit den Bart, die Augenbraunen, dann auch das Haupthaar, und ‚endlich alle Körperhaare verlor. Interessant ist ferner die Bemerkung, dass, wenn bey sol- chen Verhältnissen auch noch häusliche Sorgen hinzukom- men, dann auch ein Ergrauen der Haare sich einzustellen pflegt, und dass hinwieder blosses Brotstudium weder an Fett noch an den Haaren nagt. In Bezug auf die Wirkung der oben als Causalmomente dieser Krankheit angeführten deprimirenden Gemüths- affecte, ist zu erinnern, dass sie in der Regel nur nach eini- ger Dauer ein Ausfallen derHaare nach sich ziehen; dagegen *) Die Geburt des Menschen in physiologisch-diätetischer und patho- logisch-therapeutischer Beziehung nach eigenen Beobachtungen und Versuchen. Berlin 1820, 8. IT. Bde. Herausgegeben von Nägele. 266 Von der Aetiologie dieser Krankheit. als bloss vorübergehend, letztere mehr zum Grauwerden disponiren. Zum Beweise, dass es denn doch gewisse Schärfen im Körper gebe, welche einen so nachtheiligen Einfluss auf die Haare haben, dass letztere sogar davon ausfallen, führt Jahn *) die Geschichte eines Dienstmädchens an, das sich in der Hitze des Sommers von einem langen Leiden der Kopf- gicht dadurch befreyte, dass sie sich acht Tage hindurch täg- lich, so lange sie es ertragen konnte, mit entblössten Haupte in die Sonne legte. Am vierten Tage fingen schon ihre Haare an auszugehen, und am Ende der Cur war sie ein voller Kahl- kopf. Doch brach bald ein sehr starker Nachwuchs hervor. Jahn hielt den auf diese Art hervorgebrachten, die Gichtma- terie entführenden sauer riechenden Schweiss für die Ursache des Haarausfallens, indem er den Haaren ein Gift zubrachte, welches sie tödtete. Eine besondere Anlage zur Kahlköpfigkeit haben alle sehr fetten Menschen; denn so wie das Fett überhaupt zwar den Haarwuchs begünstiget, eben so sehr wird derselbe durch ein Uebermass des Fettes gehemmt. Man triilt daher sel- ten einen sehr fetten Menschen, der nicht bey Zeiten schon kahl- oder, was jedoch nicht so häufig ist, grauköpfig gewor- den wäre. Wir verdanken dem schon oft angeführten Beobachter Jahn die interessante Bemerkung, dass bey sehr spitzig zulaufenden Schädeln auf dem Vorderhaupt nie ein star- ker Haarwuchs entsteht, und dass diejenigen Haare, welche hier wachsen, leicht zu Grunde gehen; ferner dass hochge- wölbte Köpfe auf dem Wirbel wenige Haare haben, und daher frühzeitig eine Glatze bekommen. In Bezug auf das Temperament ist es im Allgemeinen richtig, dass die sanguinischen und phlegmatischen Menschen ın der Regel seltener und minder heftig als die Choleriker und Melancholiker von dieser Krankheit heimgesucht werden; den Fall jedoch ausgenommen, wo erstere besonders fettleibig ge- worden sind. Was die Nahrungsweise betrifft, so kann durch sie auf manichfache Weise zum Ausfallen der Haare Mitveranlas- sung gegeben werden. Es wurde schon gesagt, dass alles, was *) A, a. ©. 3tes Bächen. p. 40. Von der Aetiologie dieser Krankheit. 267 die Reproduction des Körpers schwächt, in der Regel auch ei- nen nachtheiligen Einfluss auf die Erzeugung der Haare aus- übe; daher das Abfallen der Haare bey jeder Art von Abma- gerung nichts seltenes ist. Noch mehr aber als die Quantität der Nahrung ist die Qualität der Speisen und Getränke hier zu berücksichtigen. Schon Galenus kannte einen in jeder Hinsicht sehr gesunden Menschen, welcher durch den starken Genuss von Schwämmen seine Haare verlor, und selbe später durch gute Nahrung wieder erhielt. So hält man namentlich alle Hülserfrüchte, alle Fische, alte Käse, alle stark gesalzenen und stark gewürzten Speisen den Haaren für positiv schädlich. tinen noch nachtheiligern Einfluss schreibt Jahn dem häufi- gen Genuss des Kochsalzes zu. — Unter den Getränken sind es vorzüglich die sehr geistigen, welche frühzeitige Kahlköpfe machen. Daher sieht man auch unter dem Gefolge des Bacchus immer einige Kahlköpfe, und ich selbst beobachtete nach ei- nem Anfall des Delirium tremens ein gänzliches Ausfallen der Kopfhaare. Unter den gewöhnlichen äussern Einflüssen erwähne ich hier ferner der zutrocknen und heissen, vorzüglich aber der zugleich kalten Luft, welche dadurch, dass sie deu Haaren die nöthige Menge von Feuchtigkeit entzieht, ihr Aus- fallen begünstigt. Die Belege dafür im Grossen finden wir bey ganzen Völkerschaften, welche, wie z. B. in Europa fast alle südlich gelegenen Nationen, und unter den nördlich wohnen- den wieder vorzugsweise jene, deren Klima zugleich trocken ist, weniger Haare haben. — Es ist eine bekannte Thatsache, dass die Irländer, Engländer, Dänen und Schotten, noch mehr aber die Niederländer sich vor allen Nationen Europas durch Schönheit und Reichhaltigkeit des Haarwuchses auszeichnen. Dass hiezu die feuchte Luft ihres Klima wesentlich beytrage, wird wohl Niemand bezweifeln. Dass übrigens eine sehr feuchte Luft, vorzüglich wenn sie durch, auch in anderer Beziehung, schädliche Ausdün- stungen erzeugt wird, den Haarwuchs ebenfalls hemme, be- weisen die Wäscherinnen, Färber, Töpfer und alle Taglöhner, welche ihr Brot beständig unter solchen Umständen veruienen müssen. Wer ferner in einem feuchten und heissen Klima zu leben genöthiget ist, der wird den feindseligen Einfluss des- selben bald an seinen Haaren verspüren. So lese ich wenigstens, 268 Von der Aetiologie dieser Krankheit. dass es beynahe allen Niederländern gehe, welche in dem heis- sen und feuchten Batavia und Java, und den Ergländern, welche in Jamaika stationirt sind. Sie sollen in kurzer Zeit ihren Tribut zahlen, und bald den Eingebornen in dieser Hin- sicht ähnlich seyn, unter denen man Mühe hat, einen einzigen schön behaarten Kopf zu finden. Dass übrigens das lange Einwirken eines starken Sonnenlichts das Ausfallen der Haare bewirken könne, beweiset die Erzählung Duhamel’s von einem 4ojährigen Bauern, der sich bey der Sonnenhitze auf einen Rasen schla- fen gelegt, und dabey den Kopf enıblösst der Sonne ausge- setzt hatte, worauf er alle seine Kopfhaare verlor, sie jedoch nach 10 Jahren wieder erhielt *). Wie nothwendig den Haaren das an ihrer Oberfläche ausschwitzende Oel, die sogenannte Haarsalbe sey, ist schon früher erörtert worden. — Es ist daher leicht ein- zusehen, dass alles das, was ihnen diesen Ueberzug nimmt, als Schädlichkeit für den Haarwuchs anzusehen sey. Hieher gehört nun vor allem das öftere Waschen der Haare mit kal- tem Wasser, (besonders, wenn man darauf mit dem nassen Kopfe in die frische Luft geht), und das Brennen derselben mit dem Friesiereisen. Durch ersteres wird die Salbe abge- wischt, durch letzteres geröstet und somit zum Zwecke un- tauglich gemacht. Daher ruft Ovid **) einer kahlen Schö- nen zu: Clamabam, scelus est istos, scelus urere crines, Sponte decent, capiti ferrea parce tuo! Vim procul hinc remove, non est qui debeat ur, Erudit admotas ipse capillus acus. Wollene und baumwollene K>ppen können of- fenbar ebenfalls dadurch schaden, dass sie die Haarsalbe be- gierig aufsaugen, wie man diess bey den Bauern im Winter zu beobachten Gelegenheit hat. Auf eine ähnliche Weise schaden auch alle trocknenden feinen Pulver, sie mögen nun als Staub in der Atmosphäre verbreitet seyn, oder aber als Haarpuder auf den Kopf gebracht werden. Sie verbinden sich mit der natürlichen Haarsalbe zu einer Kruste, welche die Haare oberflächlich überzieht, nnd somit ihre Hauptver- *) Histoir. de l’Academie des scienges de Parıs 1770. **) Amor, lib. 1. Eleg. IV. Von der Aetiologie dieser Krankheit. 269 richtungen, Einsaugung undAushauchung, stört. Inwie- fern indessen der Puder und die mehligen Pulver geeignet seyn können, dem Haare Nahrungsstoffe zuzuführen, begreife ich eben so wenig, als wie man je auf den Gedanken kom- men konnte, seine wohlgefärbten und durchaus gesunden Haare mit solchen Stoffen zu verunreinigen und zu entstellen. Dass ein unsauberes Verhalten des Kopfes und insbesondere der Haare durch Anhäufung der an ih- rer Oberfläche auszuscheidenden und dann unter der Form von Schuppen erscheinenden Stoffe ihrem Lebensprocess, und somit auch ihrem Wachsthum nachtheilig sey, ist eben so leicht einzusehen, als es die Erfahrung zur Genüge nachweist. In dieser Beziehung ist das Tragen schwerer und dichter Kopfbedeckungen, z. B. der Pelz- und Pudelmützen im Win- ter, der wollenen und baumwollenen Mützen, so wie schwe- rer, schwarzer Hüte im Sommer dem schon von Hippocra- tes ausgesprochenen Erfahrungssatz: „Capiti frigus convenüt“ schnurstracks entgegen, und dient andrerseits im hohen Gra- de durch zu starke Beförderung der Ausdünstung zu schädli- cher Ansammlung vielen Unraths. Eine andere Schädlichkeit für die Haare ist nach Jahn auch der Schweiss des Menschen selbst, und zwar so- wohl jener der von der Kopfhaut, als auch der, welcher den Haaren selbst entquillt. Er soll nämlich sowohl durch seinen Gehalt an Wasser, als auch und vorzüglich durch seine Schärfe das Ausfallen der Haare begünstigen. — Wirklich glaube ich selbst die Erfahrung schon öfters gemacht zu haben, dass Men- schen, welche auf dem Kopfe ungewöhnlich stark schwitzen, auch bald ihre Haare verlieren. Sonach wäre es allerdings zu widerrathen, dass man, wie es sehr häufig geschieht, den von der Stirne herabrinnender Schweiss durch Hinaufwischen aber- mals den Haaren zubringt. Jahn will von dieser übeln Ge- wohnheit sogar das frühe Ausgehen der Haare ober der Stirne nach der Richtung beobachtet haben, nach welcher der Schweiss hinaufgestrichen zu werden pflegte. So wie geistige Getränke, in starkem Masse, dem Haarwuchs nachtheilig sind, eben so sind es auch alle geisti- gen Flüssigkeiten, wenn sie von Aussen unter dem Namen von Parfümen den Haaren zugeführt werden. Sie können zwar, wie wir später hören werden, dem gesunkenen Leben in der Haut und den Haaren nachhelfen ; schaden aber dem regel- 270 Von der Aetiologie dieser Krankheit. mässig von Statten gehenden durch Ueberreitzung offenbar, und gehören in dieser Beziehung ebenfalls zu jenen Dingen, welche frühe Kahlköpfigkeit zu erzeugen im Stande sind. Ob der Rauch in der Küche, oder selbst gar der Tabacksrauch die Haare, wie man sagt, selche, und daher ebenfalls zum frühen Ausfallen geneigt mache, kann ich aus eigener Erfahrung weder bekräftigen, noch verneinen. Das zu feste Drehen und Binden der Zöpfe bey den Frauenzimmern ist nicht allein dem Kopf überhaupt, sondern insbesondere dem Haarwuchs schädlich, und zwar aus dem Grunde, weil dadurch die Haarwurzeln und Bälge gewalt- sam gezerrt, und so in ihrer Ernährung gehemmt, oder gar atrophisch werden, und abfallen. — Doch der Gedanke an einen, wenn auch nur augenblicklichen und eingebildeten Tri- umph über eine Nebenbuhlerinn, lässt das schwache Geschlecht die heftigsten Schmerzen verachten, und den nachkommenden Schaden vergessen! Rathsam ist es überhaupt, zum Binden der Haare immer ein seidenes, nie aber ein wollenes Band zu gebrauchen. — Wahrhaft albern und schädlich aber ist es, wenn man auch kleine Kinder durch solch’ unbarmherziges festes Einwickeln der Haare zu Engelköpfen machen will. Obschon grosser Kummer und Schreck die Haare eher bleicht, als zum Ausfallen geneigt macht; so haben wir doch in der neuesten Zeit ein merkwürdiges Beyspiel, wo eine erlauchte Person im kräftigsten Mannesalter nach der über- standenen augenscheinlichen Lebensgefahr während eines ent- setzlichen Seesturms, beynahe ganz glatzköpfig wurde. $. 154. De moon. 0..8.,,e. Obschon Aristoteles das Prognosticon hinterliess: »Cal- ois nunquam redire pilum,« so passt dieses strenge Urtheil doch wohl bey weitem nicht auf alle Fälle. Im Allgemeinen richtet sich die Vorhersage ungefähr nach folgenden Punkten: 4) Die Krankheit ist um so schwerer heilbar, je grösser ihre Ausbreitung ist. Daher heilt man die örtliche leichter, als die allgemeine. 9) Unter den Arten der örtlichen Enthaarung zeichnet sich die sogenannte Kahlköpfigkeit (Calvities im oben angege- Von der Aetiologie dieser Krankheit. 2rt benen Sinne) durch besondere Hartnäckigkeit, und meist auch durch völlige Unheilbarkeit aus. 5) Am ehesten gibt noch unter übrigens gleichen Umständen das vorübergehende Ausfällen der Haare (Madesis s. Mada- rosis) Hofinung zur Heilung. 4) Es ist leicht einzusehen, dass im Allgemeinen die Krank- heit bey jungen Individuen geschwinder und sicherer geho- ben werden könne, als im bereits vorgerückten, oder wohl gar im Greisenalter, in welch’ letzterm sie geradezu un- heilbar ıst. 5) Wenn die Haare nach solchen Krankheiten abfallen, welche mehr den Total-Organismus als die Haare selbst unmittelbar ergriffen haben; dann darf man, besonders bey jugendlichen Subjecten unter sonst guten Verhältnis- sen einen baldigen, nach Haller*) nach dem dritten Mo- nath erscheinenden, und meistens auch einen reichen Nach- wuchs versprechen. Dagegen erzeugen sich die Haare schwerer wieder, wenn sie an der Wurzel selbst krank, und mit dieser ausgefallen waren. 6) Mit Unrecht, und ganz gegen die Art der Alten sieht man heut zu Tag bey Beurtheilung dieser Zustände zu we- nig auf die gleichzeitige Beschaffenheit der behaarten Haut. So lese ich in Sennert’s Werken, dass er jene Art von Kahlköpfigkeit für besonders schlimm halte, welche eine dichte, ziemlich fette Haut ganz und gar der Haare beraubt hat. Derselbe gibt auch an, dass die Hofl- nung auf Heilung um so grösser sey, je leichter die kahl- gewordene Hautstelle durch Reiben roth werde. 7) Die ältern Autoren stritten sich über die leichtere oder schwerere Heilbarkeit der Ophiasis und Alopecia. So be- hauptet Celsus und Avenzoar, dass sie erstere leich- ter geheilt hätten, als letztere. Das Gegentheil behaup- ten Alexander und Serapio, und diesen stimmt auch Sennert, und zwar aus dem Grunde bey, weil die Ophiasis nicht allein die Haarwurzeln, sondern auch die Haut selbst angreife. — 8) In Bezug auf das ursächliche Verhältniss wird jedermann gerne zugeben, dass das Uebel, wenn es in einer ganzen Familie herrscht, und sich vom Vater auf den Sohn fort- *) Element, phys. vol. V. lib, XII. Sect. 1. p. 38, 272 Von der Aetiologie dieser Krankheit. erbt, wohl einigermassen hintanzuhalten, aber nie ganz zu. verhindern, und einmal vorhanden, auch unheilbar sey. — Wie viel aber auch selbst in diesem unangeneh- men Fall durch ein zweckmässiges diätetisches Verhal- ten, und durch Anwendung entsprechender Haarmittel noch erreicht werden könne, davon ist mein eigener Kopf der sprechende Beweiss. Denn ungeachtet mein Grossva- ter und Vater, so wie zwey meiner ältern Brüder schon frühzeitig glatzköpfig wurden, und trotz dem misslichen Umstande, dass sich schon in meinem 27ten Lebensjahre Spuren dieses Familienübels auch bey mir einzustellen anfingen, und bey der nachher eingetretenen sehr lang- wierigen, und in die Reproduction tief eingreifenden Hä- morrhoidal-Krankheit sehr bedenkliche Fortschritte mach- ten; ist es mir doch gelungen, durch das oben angezeigte ganz einfache Verfahren die bereits sehr sichtbare Glatze wieder behaart zu machen, obgleich ich gestehen muss, dass die wieder erzeugten Haare weder die Stärke an und für sich, noch das feste Aufsitzen in der Haut, noch das dunkle Colorit haben, wodurch sich die frühern an dieser Stelle, und die noch gegenwärtig am Hinterhaupt und den Schläfen stehenden Haare auszeichnen. — Die Alopecia und Ophiasis congenila und leprosa wird allgemein für unheilbar gehalten; dagegen erscheinen in der syphi- litischen nach gelungener Cur des Grundübels die Haare reichlich wieder. Dasselbe gilt auch von der Depilatio por- riginosa, d. ı. jener, die im Gefolge der Tinea capitis ein- tritt, wo sich gewöhnlich ein kurzes, die kallen Stellen bedeckendes Wollhaar wieder erzeugt. 9) Der schon oben angeführte Aphorismus von Hipp o- crates: „Qui calvi sunt, his varices magni non fiunt etc.*)“ wurde schon von Galen **) und Sennert mit Recht bestritten. 40) Es ist immer ein sehr missliches Zeichen, wenn die ent- standene Area bleich und beynahe gefühllos ist, oder wenn an solchen Stellen eine Narbe entsteht; denn in solchem Falle sind die Haare unwiederbringlich verloren. *) Aphorism, 34. Sect. VI. **) In comment, Hippoe. Von dem Ausfallen der Haare. 273 11) Unter den andern oben angeführten ursächlichen Poten- zen zeichnen sich anhaltende Studien, Missbrauch des Weins und der Liebe vorzüglich als solche aus, nach welchen der Nachwuchs theils äusserst dürftig, gröss- tentheils aber gar nicht erscheint; schreibt sich dagegen das Ausfallen der Haare von einer der andern Ursachen her, so ist meist gegründete Hoffnung, dass unter übrigens günstigen Umständen wieder frische Haare nachwachsen werden. 12) Endlich darf man überhaupt als Regel annehmen, dass selbst in dem günstigsten Falle nie mehr die Haare so reichlich nachwachsen werden, als sie vor der Krankheit vorhanden waren; und dass die Menge der nachwachsen- den Haare immer geringer wird, je öfter das Uebel wieder- kehrt, so zwar, dass z. B. eine zum vierten Mal erschei- nende Alopecie die sonst behaarten Stellen wohl für ım- mer ganz kahl machen wird. $. 155: Ten er Prarp ne: Die Heilung dieser Krankheit muss immer mit Entfer- nung oder wenigstens mit Milderung der sie erzeugenden, und daher noch fortwirkenden Schädlichkeiten beginnen; und nur, wo diese bereits aufgehört haben zu wirken, ist es nach wissenschaftlichen Grundsätzen erlaubt, in Ermanglung ande- rer leitender Behelfe eine sogenannte empyrische Heilmethode einzuschlagen. — Es scheint überflüssig zu seyn, die Art und Weise anzugeben, wie man den schon mehrmal genannten einzelnen Schädlichkeiten entgehen, oder sie wenigstens in ihrer Wirkung schwächen könne; dem rationellen Arzte gibt sein Verstand für jeden einzelnen Fall die geeigneten Mittel an die Hand. Rücksichtlich der hier im Allgemeinen zı beobachtenden Diät bemerke ich nur, däss schon die Alten zur Beförderung des Haarwuchses den häufigen Genuss von thierischem Hirn, und von Hühner- und Kapaunenfleisch empfahlen. Wo also das Ausfallen der Haare eine unmittelbare Folge einer im Körper noch fortwirkenden Krankheit allge- meiner oder örtlicher Art ist, muss zuvörderst das Hauptau- Eble’s Lehre von d. Haaren, II. Bd, 18 274 Von dem Ausfallen der Haare. genmerk auf die Hebung dieser Krankheit gerichtet werden; diess ist namentlich der Fall bey der Alopecia syphilitica , porri- ginosa, leprosa u. Ss. w., wo wir nach der Heilung der Haupt- krankheit alsbald neue Haare ganz von selbst wieder hervor- keimen sehen. Wo jedoch letzteres nicht eintritt, kann man mit örtlichen, nachher anzugebenden Mitteln nachzuhelfen su- . chen. So haben sich namentlich bey gleichzeitigem Daseyn der Flechten schwefelwasserstoffige Waschungen und Einrei- bungen von, mit Schwefel oder Calomel versetzten, Salben sehr dienlich erwiesen. Ob das Ausfallen der Haare nach einem Kindbette wirk- lich dadurch verhindert werde, wenn sie und die Haut schon vor demselben mit Oel und Gerstensaft getränkt, und erstere während des Wochenbettes in ruhiger Lage erhalten werden, lasse ich dahin gestellt seyn, weil ich keine Erfahrung darüber gemacht habe. Wie die zu grosse Menge der Läuse vertrieben werde, wird weiter unten ausführlich angeführt werden. War Plethora Schuld am Ausfallen der Haare, so handle man dieser nach den bekannten medicinisch -therapeu- tischen Regeln entgegen. Wo aber eine wirkliche Schärfe (Jauche u. dgl.) die Haarzwiebel anfrisst, und so das Ausfallen der Haare zur Folge hat, sorge man vorzüglich für die genaueste Reinlich- keit, für emsige Wegschaflung der sich unter den Krusten ansam- melnden Jauche durch zweckmässige Entfernung dieser ersten selbst, und wende erweichende, milde Decocte auf den leiden- den Theil an; vergesse übrigens nicht, die scharfen Säfte selbst durch sogenannte blutreinigende Getränke, und wohl auch durch Abführmittel und allgemeine Bäder zu verbessern. Will man bey einem sehr fetten Menschen die ange- drohte Glatzköpfigkeit noch verhindern, so wird man die Mit- tel in Befolgung alles dessen finden, was diese krankhafte Rich- tung des Bildungstriebes abändert,, und mehr gegen die Haare zu wendet. Ein reges, arbeitsames, mit körperlichen Anstren- gungen verbundenes Leben, Vermeidung des langen Schlafes, und eine nicht gerade karge, sondern nur mässige, aber gut gewählte Diät, verbunden mit solchen Mitteln, welche die Thä- tigkeit in den Haarzwiebeln und der umgebenden Haut zu he- ben im Stande sind, werden in manchen, obgleich noch im- Von dem Ausfallen der Haare. 275 mer wenigen Fällen die gewünschte Wirkung zum Theil nicht versagen. Den zustarken Verbrauch der natürlichen Haar- salbe ersetze man künstlich durch Oele und Salben auf eine Art, wie sie zugleich den anderartigen Rücksichten entspricht, und die ich später angeben werde. Gegen den für die Haare so schädlichen Rauch schütze man sich durch eine passende Kopfbedeckung, eine Massregel, die besonders jenen anzurathen ist, welche sich beständig in Wolken von Tabackrauch eingehüllt wünschen. — Aus dieser Rücksicht soll es auch indem Meininger Oberlande all- gemeine Sitte seyn, sich während des Rauchens den Kopf be- deckt zu halten, den Fremden aber sollen zu demselben Zwecke sogar weisse Hauben auf einem Teller angeboten werden! ? Wo die Haare nach überstandener Blatterkrankheit ausfallen, dienen die bekannten Mittel, namentlich aber fette Milch und Oele, welche in die Parthie eingerieben werden. Gegen das zu starke Schwitzen wird eine abgekühlte Salbeyabkochung mit kaltem Wasser gemischt zum Waschen, und ein öfteres, bis zur Ermüdung führendes Gehen in freyer Luft, oder eine Einreibung der behaarten Haut mit Obstessig nebst dem sorgfältigen Abtupfen des Schweisses, und Vermei- dung alles Wischens angerathen *). Um den oben angegebenen Zweck bey dem bösartigen Kopf-Grind nach Wunsch zu erreichen, haben die Autoren älterer und neuerer Zeit die verschiedenartigsten Mittel vor- geschlagen. Ich übergehe alles das, was eigentlich die Be- handlung des Kopf-Grinds selbst angeht, und beschränke mich hier nur auf Bemerkungen, welche sich zunächst auf die zu gleicher Zeit krankhaft ergriffenen Haare beziehen. — So unerlässlich auch das Abschneiden derselben in dieser Krankheit ist, so geschehe dasselbe doch jederzeit mit der äussersten Vorsicht, und nur stellenweise; denn es wäre ge- wiss ein sehr gewagter Vorgang, unter solchen Umständen aus übertriebener Sorge für Reinlichkeit alle Haare auf ein- mal abzuschneiden, und zwar aus Gründen, welche ich spä- ter näher auseinandersetzen werde. Zuvörderst wird es hinreichen, nur die stark verklebten, *%) Jahna.a,O, p- 98: 18 * 976 Von dem Ausfallen der Haare, und vorher mit warmer Milch etwas aufgeweichten Haare ab- zuschneiden, und dann den Kopf mit einer nicht zu schweren Bedeckung, am besten aus Leinwand, gegen Eıkältung zu schützen. In jenen Fällen, wo die Entfernung der kranken Haarwurzeln angezeigt ist, kann ein doppeltes Verfahren ein- geschlagen werden, Entweder nımmt man sich die Mühe, die Haare einzeln mit einer kleinen Zange (Pincette) auszureissen, oder aber man bedient sich des Pechpflasters, und zwar auf eine doppelte Art, indem man wiederum entweder nur ein- zelne Streifen desselben stellenweise anwendet, oder unter der Form einer Haube (Pechmütze) alle kranken Haare auf ein- mal entwurzelt. Die meisten Schriftsteller sind heut zu Tage mehr für das erste Verfahren gestimmt, und wollen überhaupt nur in äusserst hartnäckigen Fällen ihre Zuflucht zum Pflaster, nie aber zur Pechlaube nehmen, weil, wie leicht einzusehen, die- ser schmerzhafte Eingriff zu heftig ist. — Jederzeit wird man übrigens wohl thun, wenn man die Haare vorher in eine glei- che Richtung bürstet, nachdem man früher schon die Kru- sten und Borken mit warmer Milch, einer öligen oder schlei- migen Flüssigkeit aufgeweicht hat. Wenn der Kopf-Grind noch keine so grosse Ausbreitung gewonnen hat, so halte ich das einzelne Ausreissen der Haare mit der kleinen Zange für ein gewisseres und weniger schmerz- haftes Mittel, vorausgesetzt, dass der Arzt mit seinem Instru- mente umzugehen weiss, und dann die andern Mittel nicht verabsäumt werden. Die Hauptsache besteht darin, dass die Pincette so tief als möglich angesetzt, und dann das ergrif- fene Haar schnell ausgezogen werde. Die für den genannten Zweck empfohlenen Pflaster wer- den entweder längere Zeit liegen gelassen, oder nach Verlauf einer halben oder ganzen Stunde abgerissen, Erstere beste- hen aus Ammoniak-Gummiharz und Essig*), oder aus schwar- zem Peche **); letztere aus weichem Pech mit etwas Rog- genmehl und Olivenöl. Nach vollendeter Operation wird der Theil gereinigt, mit Seifenwasser oder einer schwachen Lauge gewaschen, und *) Evers in den Götting. gelehrt. Anzeigen 1790. Stück 4, p. 401. *%) Frank Epitorne. tom. 4. p. 206. Von dem Ausfallen der Haare, 2719 die Glatze nun entweder sich selbst überlassen, oder durch passende Mittel zur schnellern Erzeugung der Haare geeignet. Anmerkung. Alıbert ist ebenfalls ganz gegen die Anwendung der Pechmütze. Auch haben die Versuche darüber im Spital St, Louis nicht die günstigsten Resultate geliefert. Alibert hat viele geheilt mit einer Salbe aus ungesalzenem Schweinsfeit und Schwefelblüthe; auch leichtere und öltereDouches von Schwefel- wasser rülımt er sehr an. Statt der Pechhaube bedient er sich, um die Vitalität der Haut zu alteriren, einer Pomate epila- toire aus verkäuflicher Pottasche und kohlensaurem Kalk. Ei- nige Tage nach dem Auflegen fallen die Haare ab, die Haut wird weiss, und der Kranke geheilt, wenn man zugleich inner- lich Schwefelmittel und reinigende Säfte und Pflanzen gibt. — In dem für die Hautkrankheiten bestimmten Spital zu Rom be- steht die Behandlung des Kopf-Grindes darin, dass man denKin- dern die Haare mit den Wurzeln mittelst einer Zange ausreisst, wobey sich in der Regel diesen Dienst, der oft wiederholt werden muss, die Kranken gegenseitig leisten. Sind die Haare ausgerupft, so übernimmt ein Priester die weitere Behandlung, indem er mit einem, für jeden Kranken neu geschärfien Rasiermesser zarte Schnitte über den ganzen Kopf macht, und letztere eine Zeit lang bluten lässt. Dann wird eine Salbe eingerieben, und der Kopf be- ständig mit einer Blase bedeckt *), $. 156. Die ausserordentliche Menge der zur Beförderung des Haarwuchses von denältesten bis auf unsre neuesten Zeiten vielfach empfohlenen Mittel, ihre grosse Verschiedenheit, und der doch von allen gleich angerühmte gute Erfolg machen es für den wissenschaftlichen Arzt zum wahren Bedürfniss, sie gehörig zu ordnen, und ihre Heilkräfte näher zu bestimmen. Da sich, wie oben erinnert wurde, beynahe alle angege- benen aetiologischen Momente dieser Krankheit im Grunde auf allgemeine, oder örtliche Lebensschwäche, oder auf beyde zugleich zurückführen lassen; so ist begreiflich, wie auch die meisten, wo nicht alle dagegen in Gebrauch gezogene Mittel dahin abzwecken, den gesunkenen Lebensprocess allgemein oder örtlich zu steigern, und so die Erzeugung der Haare zu befördern, oder von Neuem hervorzurufen. *) Aus dem Edinburgh. medical and surgical Journal for October 1826. 278 Von dem Ausfallen der Haare. Diesen Zweck suche man nun zu erreichen: 1) Durch eine gehörige Pflege der noch vorhan- denen Haare. — Diese soll vorzüglich dahin gerichtet seyn, dass alles Schadhafte von Aussen abgehalten, und das bereits Eingedrungene sobald als möglich entfernt werde. Man wird leicht begreifen, dass Reinlichkeit der ganzen Haut, als des mütterlichen Bodens, vorzüglich aber .Reinhalten der Haare selbst, die Bedingnisse seyen, ohne welche an die Erreichung des eben ausgesproche- nen Zweckes durchaus nicht zu denken ist. Zu diesem Ende ist es rathsam, sich täglich einmal, am besten in der Früh nach vollendeter Waschung des Gesichts, die Haare selbst mit einer mässig steifen, und in Wasser ge- tauchten Bürste nach ihrer natürlichen Richtung und La- ge einigemal zu streichen, selbe dann abzutrocknen, und wenigstens bis sie trocken sind, bedeckt zu halten. (Es ist gewiss für haararme Menschen eine sehr üble Gewohn- heit, wenn sie sich täglich den Kopf mit reinem Wasser waschen, und darauf bis zum Abtrocknen und noch län- ger in der freyen Luft spazieren gehen.) Diess ist wohl die einfachste Art, welche zunächst für jene passend ist, deren Haarboden bereits sehr gelichtet ist. — Wo noch viele Haare vorhanden sind, da müssen dieselben vor der angegebenen Operation gekämmt werden; dasselbe gilt auch beym Frauengeschlecht. — Der nächste Zweck des angegebenen Verfahrens ist, die Haare von den an ih- rer Oberfläche haftenden, unreinen Stoffen, Staub, kleinen Federflaumen, vorzüglich aber von ihrem Schmutz und den etwa vorhandenen Schuppen zu säubern. Nebstbey wird, wie leicht einzusehen ist, in dem Verhältniss, als die Steifigkeit der Bürste zunimmt, ein heilsamer Reitz auf die unterliegende Haut selbst angebracht. Gehen hin- gegen die Haare während des Gebrauchs der steifen Bür- ste an derselben haftend, leicht aus, dann nehme man entweder eine weichere, oder verfahre, wie weiter unten angegeben ist, wo von den Mitteln gegen zu grosse Lo- ckerheit der Haut gehandelt wird. Wenn es wahr ist, was Helmont sagte: „Dass er näm- lich jeden Morgen aus dem Geschmack der Eselsmilch er- kannte, ob die Eselinn ordentlich gekämmt worden sey, oder nicht; so ist diess ein eben so seltner, als überzeugender Be- Von dem Ausfallen der Haare. 279 weis von dem grossen Einfluss der Haarcultur auf die Gesund- heit des Körpers. Daher sagt auch Gelsus *): »Si cui capilli sunt, eos quolidie pectat.« Bey zarten Kindern, wo die Haare noch nicht die gehörige Stärke erlangt haben, ist die angege- bene Verfahrungsart mit der Bürste ebenfalls dem Kämmen allein vorzuziehen. Auch kann man in diesem Falle, beson- ders wenn der Kopf des Kindes viel Unrath aussondert, nach geschehener Bürstung erstern mit einem, in eines der später anzuführenden Haaröle getauchten, Flanellstücke nach der Richtung der Haare reiben, eine Massregel, die allerdings zur Wegschaflung des Unraths, und somit auch gewiss zur guten Haarcultur sehr zu empfehlen ist. 2) Es wurde früher gesagt, dass die Haare zu ihrem Wachs- ihum eines fetten Bodens bedürfen, und dass die Natur ihre Bälge meist zwischen den Zellchen des Fettgewebes gelagert habe; ferner, dass sich an der äussern Oberfläche stets eine schmierige Materie befinde, welche man Haar- salbe zu nennen pflegt; und endlich, dass sie selbst ın ihrem Innern ein verschiedenartig gefärbtes Oel enthalten. Alles diess scheint darauf hinzudeuten, dass fette, ölige Substanzen in mässiger Menge beygebracht, dem Haare, als einem pflanzenartigen, nur auf niederer Stufe der Or- ganisation stehenden Gebilde, rücksichtlich seines Lebens- processes, Wachsthums, und somit seiner ganzen Existenz, ganz besonders gedeihlich seyen. Wer daran noch zwei- feln möchte, den verweise ich auf das Studium der Völ- kerkunde, wo er finden wird, dass der Gebrauch, die Haar& mit fetten, ölartigen Substanzen einzuschmieren, beynahe unter allen bekannten Völkern der Erde verbrei- tet ist. Offenbar gründet sich dieser allgemeine Gebrauch auf seine erprobte Nützlichkeit, und wissenschaftlich be- trachtet, auf den Ersatz des tagtäglich abgenützten und verloren gehenden schmierigen Ueberzugs, der sogenann- ten natürlichen Haarsalbe, welche sich theils an die Kopf- bedeckung, theils zu Nachts an die Bettkissen hängt, theils auch bey unbedecktem Haupte durch die Atmosphäre zer- setzt, theils endlich durch die gewöhnliche, so wie auch durch die so eben angerathene Reinigung der Haare abge- rieben wird. Auf diese Art entstand schon in den alten *) De medic. lib. 1. c. 4. 280 Von dem Ausfallen der Haare. Zeiten der Aegyptier, Griechen und Römer der Gebrauch der wohlriecheuden Oele und Haarpomaten. — Unter den Oelen sind es einzig und allein die sogenanu- ten fetten, welche in dieser Beziehung nützen können. Ueber- haupt aber ist ihr Gebrauch zweckdienlicher als der der Sal- ben; es wäre denn, dass man das schlichte Anliegen der Haare, welches hier weit mehr als unter dem Gebrauche der Salben unterstützt wird, vermeiden, und im Gegentheile, besonders bey sehr feinen Haaren, eine mehr feste Haarschmiere und daher eine steifere Frisur haben will. Zu den genannten Oelen zählt man als die gebräuchlichsten: das feine Oliven- oder Provenceröl und das Mandelöl, welchen man, des Wohlge- ruchs wegen, einige Tropfen Rosen- oder Bergamottenöl zu- setzen kann, ohne dass übrigens dadurch etwas heilsames er- zweckt würde. Jahn fand unter allen Oelen, mit welcheu er diessfalls Versuche anstellte, das Kürbisöl als das zuträg- lichste für die Haare, indem es bey übrigens gleich guten Ei- genschaften noch den Vortheil hat, dass es die Haare weit we- niger, als alle andern Oele, riechend macht. Bey dem Gebrauche dieser Oele ist jedoch sehr anzura- then, dass nicht zu viel von ihnen eingerieben werde, weil da- durch offenbar der Nachtheil erwüchse, dass die Haare durch eine Erschlafflung der Haut, aus welcher sie entspringen, um so leichter ausfallen würden. Auch können sowohl sie, als überhaupt auch die Pomaten bey ohnehin sehr fetten Haa- ren nur nachtheilig wirken. 5) Unsere Haarsalben oder Pomaten stammen ei- gentlich ausItalien, undsind erst ein Product der neuern Toilettenkunst. Denn es soll der römische Arzt Pittoni die erste Haarsalbe aus Aepfelsaft verfertigt, und ihr so den Namen Pumata (von dem italienischen Worte Pomo, Apfel) gegeben haben. Er empfahl nämlich den Aepfel- saft überhaupt als ein ausnehmend gutes Haarmittel, und liess Aepfelscheiben mit etwas Fett schmieren, das Ge- schmierte dann durchpressen, und das Durchgepresste in die Haare einreiben. — Späterhin ging man jedoch von die- ser Formel, und überhaupt von der Verwendung des Ae- pfelsafıs zu diesem Zwecke ganz ab, und suchte die gute Wirkung jenes Mittels einzig und allein in dem enthaltenen Feite. Auf diese Art entstanden dann unsere jetzigen Haarsalben, die sonach den Namen Pomaten wenigstens Von dem Ausfallen der Haare. 251 zum grössten Theil mit Unrecht fortführen. — Zur Ver- fertigung derselben bedient man sich verschiedener Arten von Fett, worunter sich das Bärenfett schon seit den älte- sten Zeiten einen besondern und bleibenden Ruf erhalten hat; in Ermanglung dieses nahm man auch Hirsch-, Gem- sen-, Hammels- und Rindertalg, und selbst Schweine- schmalz zu Hülfe, bis man endlich in dem Rinder- mark das Beste gefunden zu haben glaubte. — Je frischer diese Fettarten sind, desto besser erfüllen sie ihren Zweck, denn einmal ranzig geworden, schaden sie offenbar. — Vor der Hand kann ich über die besondern Vorzüge der einen vor der andern aus eigener Erfahrung nicht entscheiden, bin aber der Meinung, dass sie in Rücksicht der eigentli- chen haarmachenden Kraft (vis pilifica) einander ziemlich gleich gestellt werden dürften. Nur in Bezug auf ihre Reinheit, dem grössern oder geringern Grad von Flüs- sigkeit, leichte Haltbarkeit, und den etwa damit verbun- denen unangenehmen Geruch, unterscheiden sie sich eini- germassen, indem z. B. das Schweineschmalz die Haare im Winter selbst dann noch steif erhält, wenn es mit Oel verdünnt wurde. Unter allen Umständen ist es anzurathen, sich seine Haarpomate selbstzu verfertigen, und sie nicht von Orten zu kaufen, wo sie fabrikmässig bereitet wird. Denn 4. ist man nie gewiss, eine frische Pomate zu bekommen, 9. wird die Ranzigkeit durch die starken Wohlgerüche den Sinnen entzogen, 3. sind solche Pomaten, da ihre Bestandtheile ge- wöhnlich verheimlicht werden, häufig mit Stoffen versetzt, die dem Haarwuchs, statt ihn zu befördern, oflenbar nachtheilig sind; z. B. Wachs, Seife, Kochsalz etc., und endlich 4. ist es dabey meist nur auf den angenehmen Geruch abgesehen. Die erste und hauptsächlichste Operation bey Verterti- gung solcher Pomaten ist die gehörige Reinigung des dazu genommenen Fettes. — Dieses geschieht nun ent- weder durch blosses Auswaschen desselben mit kaltem Brun- nenwasser, welches so lange fortgesetzt wird, bis das Fett al- len Geruch verloren hat; (es versteht sich übrigens von selbst, dass man dazu nur frisches Fett nehmen soll;) oder aber man geht nach dem Rathe von Jahn auf folgende Art sorgfälu- gerer und sicherer zu Werke: Zuvörderst fragt es sich, ob die Haarsalbe für die heisse oder für die kalte Jahrszeit bestimmt 282 Von dem Ausfallen der Haare. sey. Im ersten Falle nimmt man Talg von einem frisch ge- schlachteten Rinde, und reinigt denselben vollständig von der ihm anklebenden Haut und den Fasertheilen, damit dieselben beym Ausbraten dem Fett keinen üblen Geruch mittheilen. Das Fett wird nun in Stücke von der (srösse einer Haselnuss zerschnitten, und dann mit klarem Fluss- oder Regenwasser in einer Schüssel durchgeknetet. Sobald das Wasser trüb ge- worden, wird es abgegossen, durch reines ersetzt, und mit dem Kneten so lange fortgefahren, bis das Wasser hell bleibt. Nun kommt das Fett mit Wasser in einen reinen Topf, und wird nach und nach über gelindes Kohlenfeuer ins Sieden gebracht. Während des Siedens wird das Gemenge umge- rührt, und aller aufsteigende Schaum weggenommen. Nach dem vierten Schaumwurfe ist das Fett ausgekocht, und nun wird es durch ein reines Tuch gegossen, eine Stunde lang in mässiger Wärme ‚erhalten, damit sich die in ihm noch be- findlichen Unreinigkeiten grösstentheils in das Wasser abse- izen. Ist es erkaltet, so wird es von dem Wasser abgenom- men. Damit es aber von den genannten Unreinigkeiten auch noch befreyt werde, muss es noch einmal mit Wasser zer- schmelzen, wobey man, um ihm den widrigen Fettgeruch zu nehmen, statt des reinen gewöhnlichen Wassers, Rosen- oder Lavendelwasser anwendet. Die Mengung wird jetzt so lange auf sehr gelindem Kohlenfeuer gehalten, bis der grösste Theil des Rosen- oder Lavendelwassers verdunstet ist. Hier- bey entführen die Wasserdämpfe den Fettgeruch, und theilen dem Fett dafür einen schwachen Rosen - oder Lavendelgeruch mit. Die Erkaltung geschieht darauf eben so langsam als vor- her, damit sich vollends alle Unreinigkeiten in das unver- dampfte Wasser absetzen können. Um jedoch dem nun von dem Wasser abgenommenen Fette den letzten Antheil des Feit- geruchs vollends zu nehmen, wird noch eine Schmelzung mit Rosen- oder Lavendelwasser (das man jedoch nur in geringer Menge beysetzt) vorgenommen; und zwar wird diese Schmel- zung so lange fortgesetzt, bis alles Wasser verdunstet ist. — Wollte man das Fett noch inhaltsreicher machen, so soll man, während es noch heiss ist, unter stetem Umrühren Kür- bis- oder Mandelöl zugiessen, und zwar in dem Verhältnisse weniger , als die Jahrszeit für welche die Salbe bereitet wird, heisser ist. Ist aber die Pomate für den Winter bestimmt, so räth Von dem Ausfallen der Haare. 2853 Jahn aus dem schon angegebenen Grunde, statt Rindertalg Schweinsfett, und zwar das sogenannte Schmeer- oder Nieren- fett zu nehmen. Um es des noch stärkern und unangenehmen Fettgeruchs zu berauben, muss die Reinigung mit Rosen- oder Lavendelwasser auf dieselbe Art, jedoch einige Male mehr ge- schehen. Diess ist gewiss eines der einfachsten Verfahren zur Berei- tung einer gewöhnlichen Haarsalbe. Will man jedoch, theils aus Vorliebe für diesen oder jenen Geruch, theils zur Erzielung ei- ner stärkern, zugleich mehr reitzenden Wirkung derselben, nach Art der Franzosen und Italiener, noch andere Stoffe bey- setzen; so kann diess am besten dadurch geschehen, dass man der Salbe, nachdem ihr das Kürbis - oder Mandelöl beyge- geben ist, 10— 45 Tropfen irgend eines wohlriechenden Oeles, etwa des Rosen-, Bergamott-, Lavendel-, Orangenblüthenöls u. d. gl. zumischt. Die Mischung wird jedoch, um ihr die so gewünschte weisse Farbe zu geben, so lange zerrieben, bis sie durch Aufnahme von Luft etwas blasig geworden ist. Trommsdorff gibt *) folgende Vorschrift einer wohlrie- chenden Haarpomate: Man nehme ein Pfund frisches Sch weins- fett, und wasche es so lange mit kaltem Brunnenwasser aus, bis es den Geruch verloren hat. Nun lasse man '/, Loth weis- ses Wachs über gelindem Feuer zerfliessen, setze dann allmäh- lig das Schweinsfett hinzu, und wenn es zergangen ist, ent- ferne man das Gefäss vom Feuer, giesse das Geschmolzene in eine hölzerne tiefe Schüssel, und rühre es so lange, bis es zu erkalten anfängt; dann vereinigt man durch beständiges Rei- ben damit noch 4 Unzen starkes Rosenwasser, und setzt dann noch Lavendel-, Bergamott- und Citronenöl, von jedem 20 Tropfen, 'Thymianöl 10 Tropfen und Nelkenöl 45 Tropfen hinzu. Auch kann man ihr statt aller dieser Oele durch den Zusatz von etwas Rosen- und Jasminöl einen sehr angenehmen Geruch geben. Auf dieselbe Art wird auch die Jonquillen- und Orangenpomate u. a. m. verfertigt. Im hohen Sommer hält sich eine solche Pomate kaum über 44 Tage, bey stärkerer Winterkälte hingegen wohl 6—8 Wochen. Als eine sich vorzüglich durch ihre lange Haltbarkeit , und das gar nicht zu befürchtende Ranzigwerden sehr zu em- *) In seiner Kallopistria p. 92. 234 Von dem Ausfallen der Haare. pfehlende Haarsalbe führe ich aus eigener Erfahr ung fol- gende an: Man nimmt ungefähr 8— 10 Borsdorfer- oder andere gute Aepfel, 4 Loth vom feinsten Zimmt, eben so viel Gewürz- nelken; '/, Loth Benzoäpulver, eben so viel Lavendelblüthe, 4 Loth vom weissesten Wachs, 42—14 Unzen Rosenwasser , und °/, Pfund frisches Schweinsfett. Letzteres wird auf die schon angegebene Art gereinigt, die Aepfel geschält, uud klein zerschnitten, der Zimmt, die Nelken und die Lavendel- blüthe pulverisirt, und sämmtliche Bestaudtheile, mit Aus- nahme des Wachses und Schweinsfetts vier Tage laug im Ro- senwasser macerirt. Sodann wird das Fett und Wachs zerlas- sen, und während dieses Actes die früher durchgesiehene Flüs- sigkeit beygemischt, und sodann zum Erkalten stehen gelassen, wo das oben befindliche Weisse die gewünschte Pomate dar- stellt. Im besonderen Rufe steht bey dem weiblichen Geschlechte die Ulmenknospensalbe. Man bereitet sie aus den fri- schen Knospen der Ulme, mit Zusatz von Fett und etwas Wasser mittelst Kochen. Sie hat einen balsamischen Geruch. Doch habe ich über ihre gute Wirkung noch keine eigenen Er- fahrungen gemacht. Beym fortgesetztien und vorzüglich beym täglichen Ge- brauche dieser Salben ist es nicht zu vermeiden, dass sich je- ner Theil, der weder vom Haare selbst absorbirt, noch durch die Kopfbedeckung, welcher Art immer, wieder abgeführt wurde, und demnach an der Oberfläche der Haare zurück - und dem FEinflusse der atmosphärischen Luft, dem Staube u. d. gl. ausgesetzt bleibt, daselbst einen, nach Verschie- denheit der Umstäude mehr oder weniger harten Ueberzug bilde, der natürlich in mehr als einer Beziehung dem be- absichtigten Zwecke gerade entgegengesetzt, also nachtheilig wirkt. Um nun die Haare von demselben zu befreyen, ist es ein, auch gegen Wegschaffen der sogenannten Nüsse oder Schüppchen an dem behaarten Theile unter dem Volke wohl- bekanntes Mittel, sich des Eygelbs zu bedienen. Zu diesem Ende nimmt man den Dotter von einigen frischen Eyern, und reibt ihn am besten Abends in die Haare allenthalben ein, und wartet bis er erhärtet ist, oder bedeckt während der Nacht deu Kopf mit einem Tuche. Sodann wird ersterer entweder mit dem Kamme oder aber durch die Haarbürste weggeschallt. Es verbinden sich nämlich auf diese Art die Unreinigkeiten Von dem Ausfallen der as) 285 mit dem Eygelbe, und werden nun gleichfalls mit letzterem entfernt. $. 157. Wo aber das Uebel entweder schon länger gedauert, oder aus was immer für Gründen hartnäckiger geworden ist, da mussauch zu kräftigernMitteln geschritten werden. Unter diese letztern hat man nun folgende gezählt: 4) Schleimige und ölige Mittel, entweder in gleich- zeitiger Verbindung, oder einzeln nach einander gebraucht. — In dieser Beziehung hat sich der Gebrauch des einfa- chen Gerstenabsudes, der sogenannten Bierwürze (vorzüg- lich der ungegohrnen), endlich des starken und reinen Bieres selbst, schon seit alten Zeiten einen grossen Namen erworben, und ich kann diese Mittel aus eigener Erfah- rung um so mehr anempfehlen, wenn, wie gesagt, fette oder ölige Substanzen zugleich gebraucht, also z. B. in der Früh eine einfache Pomate, und Abends vor dem Schlafengehen das Bier etc. eingerieben wird. — Noch wirksamer als diese Bierwürze ıst der Saft von sehr süs- sen Birnen, vorzüglich wenn sie nach Jahn’s Angabe ge- braten und ausgepresst werden, und die Einreibung des- selben jeden zweyten Tag, abwechselnd mit dem Oele, vorgenommen wird. — Unter diesen Umständen kann wohl auch von dem sehr berühmten Macasseröl (wel- ches auf der Insel Macassar ın Asien aus aromatischen Pflanzen gewonnen wird); ferner von dem schweizeri- schen Kräuteröl, das von Herrn Willer in Burgdorf erfunden worden, sehr flüssig und sehr wohlriechend ist, Gebrauch gemacht werden. 2) Reicht man auch mit diesen Mitteln nicht aus, so nimmt man seine Zuflucht zu solchen, welche dem Körper, und namentlich der behaarten Haut einerseits kräfti- gere, und andererseits auch schon höher animali- sirte Nahrung zuführen. Hieher gehört nun die Poma- te aus Rindermark mit verschiedenen Zusätzen, wo- von ich einige Formeln angeben werde: a. Nach Jahn. Man hackt ein Paar Ochsenfüsse fein, und kocht sie dann durch vier Stunden mit Wasser in einem reinen Topfe. Nachdem die Masse erkaltet ist, wird das auf das Wasser getretene Mark abgenommen, und so, wie 286 Von dem Ausfallen der Haare. b. C. oben beym Schweinsfett angegeben, gereinigt. Nach der Reinigung werden sechs von den Eingeweiden befreyte, klein geschnittene Schnecken, und ein Loth Candiszucker, welcher auf die Auflösung der Schnecken wirkt, und den Haaren auch Nahrung gibt, unter das Mark geknetet, und die Masse nun über gelindem Kohlenfeuer durch eine hal- be Stunde im Fluss erhalten. Jetzt giesst man alles auf eine reine Leinwand, und reinigt es aus. Wenn das Durch- gellossene zu erkalten beginnt, so werden 46 Loth eines guten weissen Weines zu demselben gegossen, und mit ihm durch eine halbe Stunde umgerührt. Man gibt nun, um die Masse weicher zu machen, eben so viel, als sie wiegt, von der oben angegebenen einfachen Pomate aus Schweins- fett dazu, rührt alles noch durch eine halbe Stunde unter- einander, und hebt es dann in einer blechernen Büchse an einem kühlen Orte zum Gebrauche auf. — Diese Salbe soll wöchentlich zweymal eingerieben werden. Nach Trommsdorff. Man nehme ein Pfund frisches Mark aus Rindsknochen, und thue es in eine geräumige, gläserne Flasche; man schütte ferner hinein : 4 Loth Muska- tenblüthen, 4 Loth Nelken, 2 Loth frische Lorbeerblätter; diese werden zerschnitten, die andern Sachen aber zerstos- sen. Man verbindet nun die Bouteille mit einer Schweins- blase, durch die man ein Loch mit einer Nadel sticht. Jetzt nimmt man einen geräumigen irdenen Topf, legt auf den Boden einen Kranz von Stroh, setzt die Bouteille darauf, und umschüttet sie ganz mit Wasser. Man bindet den Hals der Bouteille in dem obern Theil des Topfes mit Bindfaden fest, setzt nun den T'opf auf das Feuer, und erhält ihn sechs Stun- den lang im Kocheu. Das verdunstete Wasser wird von Zeit zu Zeit durch Nachgiessen wieder ersetzt. Nach Verlauf die- ser Zeit nimmt man die Bouteille heraus, und giesst die Sal- be auf eine Leinwand, die man auf einen Rahmen ausge- spannt, oder über einen Durchschlag ausgebreitet hat, und drückt das Zurückbleibende gut durch, ehe es erkaltet. Das Durchgelaufene ist nun die verlangte Pomate, mit der man sich alle Abend die Haare gut einreibt. Nach Krunitz. Man nimmt Dachsfett *) 6 Loth, Hüh- *) Krunitz hat hier wohl vergessen, dass das Dachsfett die Haare plötzlich und bleibend grau macht. Wenigstens lese ich so an Von dem Ausfallen der Haare. 987 nerfett 4 Loth, Bärenschmalz 3 Loth, Hanföl und Leinöl von jedem 2 Loth, Frauenhaar (Flos capill. Veneris) 3 Hände voll, florentinische Veilchenwurzel 2 Loth, Storax 4'/, Loth, weisse Lilienzwiebel 2 Loth. Alles dieses wird in einem Tiegel bey gelindem Feuer eine Stunde lang gekocht, und hernach das Fett durch ein Tuch gedrückt. Hievon wird je- desmal eine Muskatnuss gross genommen, und damit das Haar durchgerieben. Noch mehr empfiehlt er folgende Haarsalbe: Man nimmt Wallnussblätter, Weinblätter und Wegerich mit der Wurzel, von jedem 3 Hände voll, wäscht dieselben rein, und schneidet sie klein; thut solche in einen neuen Topf, und giesst so viel Wasser darauf, dass es über diesen Specie- bus stehe, und lässt es so lange kochen, bis das Wasser ganz eingekocht ist. Alsdann drückt man die Masse durch ein Tuch mit 2 Loth klein geschnittener Muskatnuss, giesst den ausgerungenen Saft in einen irdenen Topf, und lässt es so lange kochen, bis es ein wenig dick wird; hernach drückt man es wieder durch ein reines Tuch, und lässt es kalt wer- den. Wenn man nun die Pomate machen will, thut man 4 Pfund rohes, noch nicht zerlassenes Nierenfeit der Schweine hinzu; dieses muss aber klein geschnitten, eine Nacht hin- durch in frisches Wasser gelegt, dann mit frischem Wasser auf das Feuer gesetzt, unter beständigem Umrühren ausge- kocht, und hierauf durch ein Tuch geseihet werden. Dieses Schmalz wird nun wieder mit frischem Wasser ausgekocht; alsdann schöpft man das oben auf dem Wasser schwimmende Fett mit einem Löffel ab, und wäscht solches so lange mit Pomeranzen- oder Lavendelwasser, bis es allen üblen Geruch verloren hat. Dann kommt es wieder in einen irdenen Topf, bis das daran klebende Wasser ’verdünstet. Jetzt lässt man es mit 4 Loth vom besten weissen Wachs auf dem Feuer langsam zergehen, und dann unter beständigem Umrühren kalt werden, mischt den vorbeschriebenen Saft und 4 kleine Gläser Oleum de Cedro dazu, und rührt alles so lange, bis es verschiedenen Orten, und finde es durch glaubwürdige Erzählun- gen bestätiget. Jch selbst hingegen machte einen Versuch an einem Menschen und einem Hunde, ohne diese Wirkung von einem an- geblichen Dachsfett zu beobachten. Vielleicht bin ich aber betro- gen worden, 288 Von dem Ausfallen der Haare. oje} seinen rechten Glanz bekommt, und alles wohl unter einan- der gemischt ıst. Mit dieser Pomate werden die Haare ein- geschmiert, und der Kamm bestrichen, wornach die Haare einen baldigen und starken Nachwuchs erhalten sollen (of- fenbar ein gar zu umständliches Verfahren). Der geheime Hofrath und Leibarzt, Dr. Schmidel zu Anspach hat folgende Pomate als für das Wachsthum der Haare sehr vortheilhaft empfohlen: Man nimmt ein Paar Ochsenfüsse, hakt sie fein zusammen, und kocht sie dann vier Stunden lang ununterbrochen in einem neuen Topfe mit Wasser. Wenn hierauf die Brühe erkaltet ist, nimmt man das gestandene Fett ab, rührt es mit einem Nössel gu- ten alten Weins eine Stunde lang um, mischt eben so viel frisches Schöpsen-, oder doppelt so viel Schweinsfett darun- ter, und rührt es wieder eine halbe Stunde um. Jetzt thut man nach Belieben etwas von irgend einem wohlriechenden Oele hinzu, und verwahrt diese Pomate in einer blechernen Büchse an einem kühlen Orte. Seiner Versicherung zufolge sollen die Haare, wenn man in sie und die Haut die genannte Salbe alle Wochen dreymal wohl einreibt, stärker werden, und keines mehr ausfallen. . Ein anderer wollte nach vielen hierüber angestellten Ver- suchen gefunden haben, dass die feinste Chinarinde das sicherste Mittel für den Haarwuchs sey. Man macht dar- aus entweder ein Decoct und wäscht damit alle Abend die Haare und den Kopf, oder man bedient sich einer Pomate aus 5 Theilen Rindermark; 2 Theilen gelbem Wachs und 4 Theil wässerigem Chinaextract, . Man reibe frisches Rindermark mit Citronensaft in einem steinernen Gefässe in einem solchen Verhältnisse zusammen, dass die Pomate nicht zu flüssig wird. Hiermit soll man sich den Kopf täglich einmal einreiben. An einem kühlen Orte aufbewahrt hält sich diese Salbe mehrere Monate lang. ; Noch eine andere Vorschrift lautet so: Man nehme 3 Loth frisches Rindsklauenfett, 3 Quentchen Citronensaft und 20 Tropfen Catharidentinctur wohlgemischt, und reibe solche alle Abend in die behaarte Kopfhaut ein. 5) Für den Fall, als Gründe vorhanden sind, dass eine im Körper vorhandene Schärfe der lymphatischen Säfte Von dem Ausfallen der Haare. 2809 Ursache des Haarausfallens sey (was sich denn haupt- sächlich und meistens durch eine unreine, aufgesprun- gene Haut, und einen mit Krusten und Borken bedeckten Kopf offenbart), empfiehlt Krünitz sehr zweckmässig eine sogenannte blutreinigende Gur durch 6—8 Wochen, während welcher die Haare bloss nach Mög- lichkeit rein gehalten werden sollen. Hiebey müssen alle sauern, scharfen, stark gesalzenen und stark gewürzten, oder sonst schwer verdaulichen Speisen vermieden, dage- gen Bäder von Flusswasser, venetianischer Seife und Mal- venblättern, und ein Holztrank aus Klettenwurzel, Süss- holz, weisser Pimpinellwurzel, geraspeltem Quajakholz, Fenchelsamen und rohem Spiessglanz, oder das Decoc- tum lignorum s. Pollini u. dgl. in Gebrauch gezogen, auch wohl die Sennesblätter mit Manna zur zeitgemässen Rei- nigung des Darmcanals angewendet, und es soll erst später- hin durch entsprechende Salben örtlich eingewirkt werden. 4) Ich habe schon erinnert, dass die Alten mit Recht viel auf die zu grosse Trockenheit und zu geringe Festigkeit der behaarten Haut Gewicht legten. Im ersten Falle mag wohl der fortgesetzte Gebrauch von Sel- terserwasser mit Ziegen- oder Kuhmilch, und die mässi- ge Einwirkung von Mandelöl, eines sehr saturirten Ei- bisch - Decocts u. dgl., nebst einer zweckmässigen, mehr anfeuchtenden Diät, von grossem Nutzen seyn. — Ist aber Mangel an Tonus der Haut Schuld am leichten Ausfallen der Haare, ein Fall, den man sogleich durch das .beynahe schmerzlose, jedenfalls aber ohne Schwie- rigkeit zu bewerkstelligende Herausreissen der Haare er- kennt; so nimmt man seine Zuflucht zu adstringirenden Mitteln, zu Abkochungen von Nussblättern, der Eber- raute, des weissen Andorns, Tausendguldenkrauts, Senf- mehls, zu Waschungen mit Wein und Alcohol. Hier mag denn auch die China in der oben angegebenen Form, ein Decoct. ratanhiae, quercus u. s. w. nützlich seyn. — Mir hat ın mehreren Fällen dieser Art eine schwache Auflösung des Alauns in Rosenwasser,, täglich in.der früh mit einer mässig steifen Bürste eingerieben, gute Dienste gethan. — Auch zweifle ich keinen Augenblick, dass der Aepfelsaft entweder von gebratenen Aepfeln, nach Pittoni’s Rath, oder von frischen genommen, wegen Eble’s Lehre von d, Haaren, II. Bd. 19 200 Von dem Ausfallen der Haare. seiner durch Zucker gemilderten Säure ein sehr gutes Mittel sey, um der Schlaffheit der Haut nachzuhelfen, und so den Haaren einen festen Standpunct zu geben. 5) Sind aber die Umstände von der Art, dass man die Krankheit mit Grund von einem Ueherfluss anFett herleiten kann; so wird alles das den stärkern Nachwuchs der Haare befördern, was der übermässigen Felterzeugung entgegenwirkt. Unter den aus der speciellen Therapie ohnehin bekannten Mitteln mache ich vorzüglich auf fleissige Bewegung des Körpers, und sorgfältige Vermei- dung des allzuhäufigen, oder zu lange fortgesetzten Schla- fes aufmerksam ; und da bekanntlich der Essig als ein Specificum gegen die enorme Fetterzeugung angesehen wird, so mag es immerhin gerathen seyn, nach dem Vor- schlag Jahn’s Obstessig in die Parthie selbst einzureiben. Doch wird mit allem diesem in den meisten Fällen wenig ausgerichtet werden. 6) Was die Diät betrifft, welche in solchen Fällen nie zu übersehen ist, so pflegt man auf den Genuss safliger süs- ser Gemüse und ÖObstarten, vorzüglich der Rüben und Birnen, ein besonderes Vertrauen desshalb zu legen, weil man bey Pferden durch die Fütterung mit Möhren und Pastinak, beym Rindvieh durch dasselbe Futter, ferner durch süsse Aepfel, Birnen, Pflaumen u. dgl. einen schö- nen Haarwuchs beobachtet haben will. $. 158. Ich halte es nicht für überflüssig, auch das noch kurz anzuführen, was uns in dieser Beziehung das Alterthum hinter- lassen hat, weil ich überzeugt bin, dass man das Stadium uns- rer alten Classiker heut zu Tag zu sehr vernachlässigt, und daher manches Mittel für neu hält, was die Schlauheit aus einem Folianten der Vorzeit genommen hat. Unter die vorzüglichsten Schriftsteller, welche das Kapı- tel der Alopecie, des Defluvü capillorum et pilorum U.S.W. eigends und sogar mit besonderem Fleiss bearbeiteten, gehört vor al- len Galenus. Bey ihm finden wir alles aufgezeichnet, was vor ihm Heras, Grito, Orestinus, Gleopatra, Archi- genes, Asclepiades, Dionysidorus und Soranus gegen diese Krankheit empfohlen haben. Und so wie in der Von dem ‚Ausfällen der Haare. 991 ganzen Medicin, so diente er auch in diesen Kapiteln der Nach- welt lange als Muster; daher darf man sich nicht wundern, in den Werken von Aetius, Piso, Oribasius, Serapion, Paulus Aegineta, Rhases, Celsus, Avicenna, Fore- stus, Villanuova, Velascus de Taranta, Rondele- tius, Hollerius, Trincavelius, Sennertusu.m.a. Galen’sche Mittel wider das Haarausfallen zu finden. Er nann- te jene Arzneykörper, welche die nächste Ursache dieses Ue- bels entfernen sollten, Metasyncritica *). Wenn die Haare noch verdorben sind, so sollen sie entweder mit kleinen Zangen, oder durch das Pflaster (Dropacismo) ausgerissen, oder die ganze Parthie rasiert werden. Hierauf empfiehlt er sodann das Waschen des Kopfes mit einer Lauge, in welche Capill. Vene- ris, Polytrichum, Abrotanum und ähnliche Pflanzen gekocht sind. Nach geschehener Waschung wird der Ort mit einem nicht zu weichen, und nicht zu trocknen Tuche so lange ge- rieben, bis die Haut anfängt, roth zu werden. Ist diess gesche- hen, so werden erst die topischen Mittel angewandt: Sinapi, Nasturtium, Radıx lil. alborum, Semen erucae, Nitrum, Oleum lau- rinum, Pix liquida, Sulphur, Pulois et cinis abrolani, Radix cycla- minis, hellebori, Semen staphysagriae, Fimus columbinus, oder noch schärfere: Thapsia und Euphorbium, unter allen diesen muss jedoch die auf die Individualität dessfalls berechnete Auswahl getroffen werden. Unter den zusammengesetzten Heilmitteln gegen die Alo- pecie empfiehlt Galenus**) vorzüglich folgende: 4. Rp. Pulveris fol. arundinis graecae ustor. unc. semis Erinacei usti drach. unam, Muscerdae dr. duas. Cum aceto Irita ıllinc. 2. Rp. Pulo. cineris arundin. ust. Pıilor. caprae ustor. Adianthi Adıipis ursini Picis liquid. Cedriae aa. partes aequales Remedium admirabıle. *) Lib, 1. de compos, edicamenı: sec. loc. cap. 2. et lib. 1. 4. method, medicor, c. 1.2. **) Lib. 1. de comp. med. sec. loc. cap. 1. 19 »* 209 Von dem Ausfallen der Haare. 5; Rp. - Pulwveris murium domesticorum ustor. Pannicul, linei usti Dentium equin. ustorum Adıipis ursin. Medullae ceroinae Cortic. arundin. aa. parties aequales Mellis q. s. fiat unguentum, 44. Rp. Pulveris euphorb. — Thapsiae Olei laurin. aa. dr. duas Sulph. vivi Elebori utriusque dr. unam adde: Cerae drach. sex Oleo laurino aut veteri, vel pice liquida liquetur et miscealur. Medicamentum omnium fortissimum contra malum inveteralum. 5. In gelindern Fällen: Rp. Pulo. sem. erucae — nasturt. — nitri aa. parties aequales Cum oleo laurino vel pice liquida misceantur., 6. Rp. Pulo. abrotan. Cineris radie. et cort. arundınıs Thuris aa. parles aequales Adıpis ursini Olei amygdalar. amarar. aa. g. s. ut fiat lini- mentum, Dieses milde Präparat verstärkt er ım Nothfall dadurch , dass er Spuma maris, Sulphur vivum, Fel taurinum, Semen erucae, Nitrum, ja selbst Thapsia zumischt, oder 7. Rp. Pulo. sinap. — thapsiae — sem. nasiurt, aa. partes aequales. Subtihter pulverisatis adde: Olei laurin. Rescinae aa, 9.5. ut fiat ad ignem emplastrum. Von dem Ausfallen der Haare. 203 Alle diese Mittel werden vorzüglich gegen die Alopecia, Calvities und Ophiasis empfohlen. in dem gewöhnlichen De Sluvio pilorum schlug Galen *) folgende Heilmethode ein: 4) Wenn das Uebel von Mangel an Nahrung in den Haaren herzuleiten war, ging seine erste Sorge dahin, eine hinrei- chende Menge eines guten Blutes zu erzeugen. Damit diess jedoch auch an den gewünschten Ort gelange, empfahl er vorzüglich Reibungen, welche dem Gebrauche aller örtli- chen Heilmittel vorangehen sollten: „Frictio enim et alı- mentum ad cuput attrahit, et culem roborat ac densat.“ 2) Kam die Krankheit aus verdorbenen Säften, dann wur- den Purgantia, Reibungen, und örtlich Discutientia mode- rata angewandt. 5) Gab man aber der Schlaffheit der Haut die Schuld des Herausfallens, so nahm er seine Zuflucht zu einer Mischung aus Ladanum, Oleum lentiscinum et myrtinum, oder bloss zu einer Auflösung von Ladanum in Wein, welche Mittel er cutem densantia nannte. Ueberhaupt empfahl er das La- danum fast in jeder Art unsrer Krankheit. Aetius ”*) empfiehlt als Adstringens die Folia cupressi; er und Oribasius zu den Reibungen die rauhen Feigenblät- ter. Piso ***) leisteten die calcinirten Bärenhaare in Salben- form, dann die haarförmigen Pflanzen: Adianthus, Trichome- nes, Capillus Veneris, Verbena, gute Dienste. Der vielgereisete Paulus Aegineta schlug gegen die Alopecie folgendes Verfahren ein ****): Der Kopf wird mit Nitrum gewaschen, und mit einem rauhen Tuche, bis die Haut roth wird, gerieben; dann an der Sonne mit Essig zerbröckel- te Verbenaca eingerieben; oder die Wurzel von Arundo oder bittere Mandelrinde gebrannt, und mit Oel oder Fett gemischt eingerieben. Contra Profluvium pilorum gebrauchte er: Aloe cum vino nigro, austero, oder Pocula purpurae cum oleo coctae, oder Myr- DIA aIO..cı 2. **) Teir. 2. serm. 2. ***) De cognosc. et cur. morb. cap. 1. lib. 1. ****) Opus divinum, Albano Torino interprete, Basiliae 1582. De arte me- dendı, lib. III. p. 101. 294 Von dem Ausfällen der Haare. tum et Ladanum cum eino aut oleo myrteo einzureiben in den vor- her abrasierten Kopf. Derselbe führt auch aus Cleopatrae: de comorum densitate commentarüs folgende Mittel an, um den Haarwuchs dichter zu machen: Nachdem der Kopf abgeschoren und gereinigt worden: Rp. Nucis pineae nucleum recentem in cinerem usque com- bustum, quem pilae inditum conterilo, admisce: Unguentum myrteum ad mellis crassiliem. $, Zum Ein- schmieren in den Kopf. Oder: Rp. Gallas viginti Adianthi uncias duas Inunge aqua marina usque ad mellis densitudinem; deterge capıllos aut lotio, lixivio, calceve, quibus deinde dilutis et irrigatis calida aqua, pilos hoc medicamine biduum perun- gito, terlio die ablue, alque exsiccatum oleo myrteo ‚per- line (dieses Mittel soll das Haar fein, dicht und etwas schwarz machen). Aehnliche Mittel zog auch Rhases *) in Gebrauch, z.B. gegen beginnende Kahlheit des Kopfes: Rp. Grana myrti Gallas Emblicos g. v. decoquantur cum oleo rosarum aut myr- tıno, Oder: Rp. sSeminis apiüi — cyclae s. betae Capıll, Veneris Thuris aa. unc. duas Nuces Nr. 15. Corticum pini lbram unam. Assentur omnia de nocte in furno posita in vase lutato, et di- mittantur, donec adurantur omnes partes eorum, et conte- ranlur bene, et projicialur super ea libra una adıpis ursi aut anseris et repone. Quoties indigent eo, liquefiat in oleo aro- malico (nardino oleo) et administretur, ")).36,, cot.xt. 2.%b.2500) 2.9) Von dem Ausfallen der Haare. 295 Unter die stärkern Mittel dieser Art zählte er fol- gende: Rpt. Cantharides recentes ablatis pedibus et capitibus. Exsic- catae in umbra terantur in oleo olivae, donec ingros- setur. $. Zum Einreiben. Oder: Ungula asini adusta et cornua combusta liniantur cum oleo sisamino. Avicenna *) zählt unter die haarerhaltenden Mittel jene, in welchen eine feine, anziehende Wärme, und eine zu- sammenziehende Kraft ist, wie z. B. Myrius und dessen Kör- ner, Emblici (Endivia sylvoestris) Myrobalanı, Myrrha, Aloö et Ca- pilli Veneris, Gaillae, Vinum stypticum, Baurach (Nitrum), Oleum myrlinum aut Oleum masticinium, Aqua myrli, Cinis arboris lini adustae cum semine suo, Cortices nucis adusli mixti cum oleo myrlino el vino styplico. Gegen die Alopecie, welche von den verstopften und zu- sammengezogenen Hautporen entsteht (ex poris constrictis) räth er Resolventia, Rarificanliia, Aperientia an: Senf, Zwiebel, Knoblauch in den Speisen, Einreibung der Haut mit Gum- ma rutae silvesiris; Waschungen des Kopfes mit Salpeter und Meerschaum, und Enthaltung von allen Oelen. Als eine der sonderbarsten Zusammensetzungen führe ich hier jene, welche Avicenna nach Filagorus als Haar- wuchs befördernd empfiehlt: Rpt. Adipis tauri sahti dr. 96. Alusne **) Gummae rutae agrestis aa. dr. 98. Myrrhae dr. 8. Laudani tantundem. Capill. Veneris dr. 18. Priapi asini Splenis asini aa. dr. 06. Assetur splen asini et priapus et terantur et aggregentur tolum cum vino nigro, et linealtur cum eo caput rısum, et dimittatur 5 diebus, deinde iterantur, et si exulceraverit, curetur locus cum adipe anseris. *) Liber Canonis de medicinis cordialibus Cantica. Venetiis 1572. **) Corlices tenues circumvoluti super arborem glandium, pinum et nı- cem; habet odorem bonum. 296 Von dem Ausfallen der Haare. Sehr guten Erfolg will Avicenna auch vom Lorbeeröl, von der Verbindung des Pechs mit Lilienöl, vom Euphorbium, von der Cantharidenasche mit flüssigem Pech; vom langen Pfefler und Weihrauch durch einige Tage in gutem Essige gerieben u. s. w. erfahren haben. Einer besondern Bemerkung scheint mir zu verdienen, dass Avicenna Blutegel, Schröpfköpfe, und sogar die Acu- puntur in Vorschlag bringt, wo eine mit bösen Säften verun- reinigte Haut Schuld an der Alopecie ist. Auch die Methode mit Blasenpflastern die Oberhaut zu trennen, und die Stelle lang in einem gereitzten Zustande erhalten, welche schon Helio- dorus*) genau beschrieben hat, wendete Avicenna an. Forestus empfiehlt nebst dem Ausreissen der etwa ver- dorbenen Haare, und dem öftern Rasieren und Reiben des Kopfes ebenfalls den Gebrauch der Zwiebel (Cepa) und das Bienenpulver (Pulvis apum). Wo, aus was immer für Gründen, die Haare nicht abrasiert werden, schlägt er ein Waschwasser aus rothen Schnecken, Salz und Wasser, oder Oel vor, in welchem man Ladanum, Absynthium, gestossene Wachholder- beeren durch fünf Tage infundirt und dann ausgepresst hatte. Gelsus **) lässt den Ort fleissig abrasieren, und dann schwarze Tinte oder Eisenvitriol einreiben. Vıillanuova ***) lässt die Haare mit einem sehr zusam- mengesetzten Wasser waschen ; oder schmiert sie mit folgender Salbe ein: Rp. Pomum unum colocynth. Extrahetur, quod interius est et impleatur oleo laurino, et auripigmento et folüs hyosciami, et bulliat per se supra ig- nem in se ipso. 8. Zum Einreiben. Um den Nachwuchs ausgefallener Haare schnell zu beför- dern, rühmt er folgendes Mittel als ganz zuverlässig an: Rp. sStercoris muris Cineris apum aa. q. s. Terantur, et pistentur cum oleo ros. $S, Zum Einreiben. Sogar in der hohlen Hand will er damit Haare erzeugt haben. So soll auch der gebrannte Ziegenmist mit Oel ge- *) Graeceor. libr. chirurgic. Edit. a Cochi florent. 1754. p. 126. **) Liber 6. cap, 4. *"*) A. a. OÖ. de ornat. mulierum p. 1633. Von dem Ausfallen der Haare. 207 mischt, und in den rasierten Kopf eingerieben, die Haare sehr vermehren. In den Werken des eben so fleissigen als gelehrten Sen- nertus,finde ich in jeder Art von Abfallen der Kopfhaare das Ladanum empfohlen, welches man zu dem Ende in einem passenden Oel, oder auch in Wein auflösen und so einreiben soll. Doch zieht er die Waschwasser desshalb vor, weil sie den meisten Menschen angenehmer seyen; und bereitet solche aus Abrotano, Capillis Veneris, Polytricho aureo, Lentisco, Rosis, Rore- marino, Ladano. — Nach der Weise früherer Autoren zählt er unter die specifischen Mittel, d. h. unter jene, welchen eine ganz besondere haarerzeugende Luft innewohnt, folgende: Herbae capillares omnes, Abrotanum, Radix arundinis, Lapathi acuti, lappae majoris, Asarum, Ladanum, Mel, Apes cum alveolis contritae, vel puleis, et cineres illarum, et vesparum, muscarum, talparum, murium, erinacei terrestris, Pinguedo ursi, serpentis. — Wenn die Haare nach Krankheiten ausfallen, bringt er Folgen- des in Anwendung. Rp. Puleis capill. Veneris — abrotan. — polytrich. aurei aa. Mß. Folior. myrii — rosarum — absynth, aa. partes duas. Coquantur in oleo communi et vini rubri s.g, ad vini consumplionem, et exprimantur. Oder: Rp. Pulo. radıc. bardan. unc. Sex — capill. Veneris M. tres — abrotan. M. unum. "Affunde vini alb. q.s. destillentur in vesica. Destillato, si L- bet, addetur aqua mellıs. Oder man kocht die Wurzeln der Bardana in einer Lauge, und wascht damit den Kopf. Bey dem Gebrauche der schon von Galen angeführten stärkern Mitteln gibt er den ver- nünftigen Rath, jeden Tag die betreffende Parthie, auf welche dasMittel angewendet wurde, zu untersuchen, und wenn die Rei- tzung zu gross wäre, den Ort mit Gänsefett, Oleum anethinum u. dgl. anodynen Stoffen zu behandeln. Wirklich behauptet auch Christoph v. Vega, viele Menschen gesehen zu haben, welche durch den unvorsichtigen 298 Von dem Ausfallen der Haare. Gebrauch starker Mittel sich für immer kahlköpfig gemacht hatten. Ein eigenes Kapitel widmet Sennert dem Verlust der Barthaare, in welcher Krankheit er nebst der schon genann- ten noch folgende Arzneykörper wirksam gefunden hat: 41. 4d barbae tardius provenientis ortum: Rp. Artemisiae herb. q.v. coquatur cum oleo. $S. Zum Einreiben in die Ge- gend des Bartes. Rp. Pulveris semin. nigellae q. v. Olei ovorum g. s. misce. 2. Ad provocandam barbam: Rp. Olei anethin. — de Spica aa. unc, guinque Comarum abrotan, M. duos Scıillae dr. tres Vini optim, unc. tres Bulliant ad consumlionem eini et ulere. Oder: Rp. Olei de caryophyli. hortens. — de Spica odorat. aa. unc Lres — de rosis unc. qualuor — Caryophyllor drj. Ladani drjj. Vini odorat. unc duas. Bulliant omnia ad consumtionem vini; adde: Moschi Scrupl. unum, Misc. Unter den Neuern hält Lorry *) auf alle diese örtlichen Mittel gar nichts, indem er sagt: »Ex remediis ingenti numero apud Arabas, Graeco- Arabas, imo et recentiores jactatis nullum video, qui vel levior fides haberi possit.« Dagegen erzählt Dr. Ro- sinus Lentilius **) einen Fall, wo ein Bauernmädchen, das nach dem ungarischen Fieber alle Haare verloren hatte, selbe und noch andere im Nacken wieder bekam, nachdem sie sich *)’A. a. 0. **) 95, Wahrnehm. 12, Bd, d. Act. Acad. curios, nat. Von dem Ausfallen der Haare. 299 den Kopf mit einer Lauge, worin Buchsbaum gekocht war, gewaschen hatte. Jos. Frank sagt*) : dass mit Ausnahme desjenigen Falles, wo die Krankheit von Syphilis herrührt, kaum je allgemeine Mittel in Anwendung gezogen werden könnten. Desto mehr empfiehlt dagegen er eine leichte nahrhafte Diät, z. B. das Hirn von Thieren, Suppen, in welcher Hühner gesotten wurden u.s. w. und das Vermeiden des Beyschlafes und des häufigen Genusses geistiger Getränke. — Nebst den andern, bereits von früheren Autoren angerühmten örtlichen Mitteln führt er auch alte Wagenschmiere, die von den Rädern abgenommen wird, den Koth von der Ampulla lucernaria, die Asche der Wolfs- milchsarten, mancher Käfer, der gesalzenen Fische, Urin, Breyumschläge aus Thierkoth oder zerquetschten Fliegen u. dgl. an. Dr. Kilian empfiehlt vorzüglich ein Queckendecoct in Bier mit Branntwein versetzt; und Bergmann versetzt seine Pomate mit peruvianischem Balsam und Chinaextracı. Cullerier**) hält nebst der Berücksichtigung der ursäch- lichen Momente das öftere Abrasieren aller Haare für das beste Heilmittel, indem er sich davon einen doppelten Nutzen ver- spricht, denn 4. war vielleicht die Wurzel für ein langes Haar mit zu wenig Nahrungssaft angefüllt, 2. gewinnen kleine Haare durch öfteres Abschneiden an Volumen und Consistenz. Üebri- gens legt er das oflene Bekenntniss ab, dass der grösste Theil der angeführten Mittel nichts nutze, und er zwar wohl begreife, wie ein örtliches Reitzmittel einer geschwächten Haut sehr nach- helfen könne, und fette Substanzen der gespannten und trocke- nen Haut die gewünschte Weichheit wieder geben, dass er aber alles, was darüber hinausgeht, für Charlatanerie halte. In Bezug auf die Alopecia syphilitica sagt er, dass man erst seit dem Jahre 4538 dieses Symptom der Syphilis kenne, indem die frühern Autoren nichts davon sagten. Schon damals beob- achteten die Aerzte, dass Pusteln um so seltener entstunden, wenn das venerische Gift nicht das Zellgewebe der Haut, son- dern vielmehr die Bälge der Haare ergreift, und sie ihrer Nah- rung beraubt. — Allmählig wurde die Alopecie nun allgemeiner, wie uns Fracastorius und Fallopius berichten. Anfangs Ar a0. **) Diction. des sciences medical, tom, 1. p. 414 — 418. 300 Von dem Ausfallen der Haare. schrieb man sie dem Gebrauch des Quecksilbers zu, obgleich sich diess Symptom auch schon bey denen fand, welche kei- nes genommen hatten. Bis zum Anfange des 47ten Jahrhunder- tes war sie sehr häufig, von da an wurde sie allmählig wieder seltener, und hat gegenwärtig so abgenommen, dass Gulle- rier, welcher seit 20 Jahren jährlich 2000 — 3000 Syphiliti- 'sche behandelte, dennoch unter dieser ungeheuren Anzahl nur 3—4 Alopecias universales, und 50— 60 locales s. partiales fand. Die Ursache davon mag darin liegen, dass einerseits die Kranken in unsern Zeiten früher Hülfe suchen, und anderer- seits die Aerzte die Krankheit besser, und mit weniger Nach- theil für die körperlichen Kräfte des Kranken zu behandeln verstehen. — Indessen soll sie häufiger in den wärmern Län- dern, z. B. Aegypten, Unter-Italien, Süd-Spanien u. s. w. vorkommen. Doch erzählt Prof. Pelletan in neuerer Zeit den Fall eines Menschen von 25 Jahren, welcher drey Monate nach einem Tripper, den man durch verdünnende Mittel und eine Anzahl von Quecksilbereinreibungen behandelt hatte, alle Haare am Kopfe und an den Augen verlor. Auch in der syphilitischen Alopecie ist nebst dem zweck- mässigen Gebrauch der Mercurial- und schweisstreibenden Mittel das öftere Abrasieren der wenigen, noch übrig geblie- benen Haare sehr gut. Diess gilt vorzüglich bey jenen Indivi- duer, die das männliche Alter noch nicht überschritten haben, denn bey Greisen wäre es unnützz,. — Alphonsius Ferri räth an, den Theil mit einem Absud von Sennesblättern, Ros- marin und Foenugraecum zu waschen, und ihn sodann mit Schlan- gen- oder Maulwurfsfett, Myrthen-Sesamöl etc. zu waschen. Gabriel Falloppia gebraucht dagegen 4. Sialagoga: Pyreihrum, Staphysagria, Pfefler und Nelken. 2. Waschungen mit Absüden von aromatischen und adstringirenden Pflanzen. 3. Einreibungen von weisser Seife, süssem Mandelöle,.ın wel- chem man durch lange Zeit und zu wiederholten Malen Eu- phorbium, Raute, Nelken u. d. gl. sieden liess. Von diesem letz- teren Mittel will er die Haare innerhalb 24 Stunden hervor- kommen gesehen haben. Anmerkung, 1. Ich weiss nicht, was ich von dem durch Dr. Berg- mann *) für den Fall anempfohlenen Mittel halten soll, wenn die Haare auf einzelnen Stellen ausgehen, und also kahle Flecken — *) Die Krankheiten der Haut, Haare und Nägel eic. Leipzig 1824, p.99 Von dem Ausfallen der Haare. 301 bilden. Es besteht aus einer Mischung von & Gran kalkerdiger Schwefelleber und 4 Gran Zucker, welches Abends vor dem Schla- fengehen nüchtern (?) auf einmal zu nehmen ist, und auf dessen einmaligen Gebrauch sich schon nach einer Woche junge Haare zeigen sollen !! Anmerkung 2. Ich habe den erst neuerlich von Dr. Rademacher zu Gouch am Rhein, in Hufeland’s Journal May 1826, ange. rühmten, in französischem Branntwein aufgelösten, und durch die Destillation von seinem künstlichen Färbestoff gereinigten Kupfer- vitriol in zwey Fällen von noch nicht lange dauernder Kahlheit, aber leider vergebens angewandt. Nicht das kleinste Härchen kam auf die mehrmalige und vorschriftsgemässe Anwendung dieses Mit- tels zum Vorschein, $. 159. Von den Augenliederhaaren habe ich noch zu be- merken, dass sie theils in Folge mancher Augenentzündungen, namentlich der scrophulösen und anderer Augenliederdrüsen- entzündungen nach Beer, bey T'ylosis u. dgl. ; theils auch im höchsten Alter nicht selten ausfallen, sich jedoch im ersten Fall meistens wieder erzeugen, wenn sie gleich oft eine ver- kehrte, nachtheilige Richtung nehmen. Sauter spricht auch von einer Tinea ciliorum, als einem in der Schweitz endemischen Uebel, in welchem die Wurzeln dieser Haare eine eigene Verderbniss annehmen, und Jucken und Brennen erzeugen. Später quillt ein scharfer Eiter aus den Augenliedrändern hervor, und erhärtet zu Schuppen. Die Spitzen der Cilien sterben endlich ab, dadurch werden die Haare kürzer, reitzen und entzünden die Augen u. s. w. Selten werden die Augenbraunen allein von dem Verluste der Haare befallen; doch fallen sie auch nebst den bereits angeführten Umständen im Milchschorf, den Flechten und ähnlichen fressenden Hautausschlägen dieser Gesichtsge- gend aus. Anmerkung. 1. Im fünften Bande des Journal de medicine er- zählt Neyronis folgende Beobachtung: Ein Mann von 73 Jahren bekam ein adynamisches Fieber, 6 Monäte nach der Genesung er- schien aım Fussgelenk eine Flechte, die nicht heilte. Nachdem er nun mit dieser abermals 6 Monate behaftet war, bemerkte er ei- nes Morgens beym Erwachen, dass er alle Haare am ganzen Kör- *) Museum der Heilkunde 4ter Bd. p- 56. 302 Von dem Ausfallen der. Haare. per verloren habe, Sie kamen nie wieder, und er blieb dennoch gesund. Anmerkung?2. Schmidtmann *) behandelte einen 6/tjährıgen Geistlichen, der öfters podagrische Anfälle gehabt hatte, übrigens aber gesund gewesen war, und dem später alle Haare des Kör- pers, so wie die Nägel an Händen und Füssen ausfielen. Leiz- tere wurden an den Spitzen schwärzlich, und lösten sich dann nach und nach ab, wurden aber durch neue wieder ersetzt, was mit den Haaren nicht der Fall war. Die Gesundheit schien wäh- rend dieses Ausfallens der Haare und Nägel durchaus nicht zu leiden. ' Anmerkung 3. In Scheidenantel’s Beyträgen zur Arzneykun- de **) steht der merkwürdige Fall von einem gesunden starken Manne, der nach und nach alle Haare am ganzen Körper ver- lor, erst die eine Seite des Bartes, dann die andere. Nach einer Augenentzündung, wodurch das Auge verdarb, kamen alle Haare wieder. Anmerkung A. Ein Knabe von drey Jahren verlor nach dem Schar- lach alle Haare, so dass sein Kopf wie ein Apfel aussah, bis zu seinem neunten Jahre, wo er durch allmähliges Kühlerhalten und kaltes Waschen des Kopfes nach und nach die schönsten schwar- zen Haare bekam ***), Anmerkung 5. Einer mündlichen Mittheilung von Herrn Professor Dr. Engel zufolge befand sich im Prager allgemeinen Kranken- haus einMann, der schon 20 Jahr kahlköpfig war. Er litt damals an allgemeiner Syphilis, brauchte die Schmierkur, und bekam nach Vollendung derselben mit seiner übrigen Gesundheit auch alle seine Haare wieder. Anmerkung 6. Ravaton****) erzählt einen Fall, wo nach einer star- ken Erschütterung Amaurose des rechten Auges, Entfärbung und Abfallen der Kopfhaare, Augenbraunen und Cilien derselben Seite, also eine Alopecia dimidiata, entstanden, Anmerkung 7. Die Pisaner sollen ein untrügliches Mittel be- sitzen, die Haare wieder wachsen zu machen, und dieses besteht in einem aus Honig und Ameiseneyern bereiteten Sälbchen, wel- ches sie schichtweise aufschmieren. een eirndeee te) *) Summa observationum medicorum, ex praxi clinıca 30 annorum de- promptarum. Vol. 111. 1816. cap. 6. p. 141 — 149. **) 1ste und 2te Abiheil. Nr. XXXVL ***) Froriep’s Notizen. Nr. 122. p. 191. **%**) Diction. de medicine. tom, 17. Paris 1827. art.: Poıls. Von der Leucopathie oder dem Albinoismus. 303 D. Regelwidrige Ab- und NETTE der Haare. $. 160- 1. Abnorme Absonderung des Pigments oder krank- hafte Farbe der Haare. Die Absonderung und Aussonderung des färbenden Stof- fes in den Haaren kann quantitativ und qualitativ von der Re- gel abweichen. In der ersten Beziehung zeichnen sich diesel- ben entweder durch Mangel oder durch Ueberschuss an färben- dem Stoff aus. Auf diese Art kommen wir jetzt zu jener merk- würdigen Krankheit, welche man in der neuesten Zeit mit dem Namen Leucopathie belegt hat. $. 161. a) Von der Leucopathie oder dem Albi- noismus. Diese Krankheit hat ausser den bereits angeführten noch verschiedene andere Benennungen erhalten. So hiess man die damit behafteten Menschen Kakerlaken, und zwar wurde dieser Name zuerst von den Holländern gebraucht, von der grossen Aehnlichkeit der Albinos mit den Kakerlaken oder Schaben (Blatia orientalis), in Bezug auf die Lichtscheue. Nach Andern leitet man dieses Wort daher, dass auf der Insel Java ein eigenes Volk wohnt, Chakerlas genannt, von weissgel- ber Hautfarbe und lichtscheuen Augen. Weisse Mohren oder Leucaethiopes hiess man sie, weil sich die Krankheit bey den Mohren am auffallendsten zeigt; Dondos *) ist afrika- nischen, italienischen, ja nach einigen sogar englischen Ur- sprungs ohne bestimmte Bedeutung (denn die Ableitung von Dondolo Grobian, oder auch Res ridicula, weil die Albinos von den Afrikanern verspottet werden, genügt nicht); Be- das auf Geylon; Blafards in Frankreich, mit pal- lidus gleichbedeutend ; Albinos, wie die Portugiesen und Spanier die weissen Afrikaner nennen; Weis- *) So heissen sie im Königreich Loango, wo sie des Königs Wahr- sager und stete Begleiter sind. 304 Von der Leucopathie oder dem Albinoismus. sichtige, Leucotici nach Rudolphi und Virey, weil ihnen das Pigment der Augen, Haut und Haare fehlt; Nachtmenschen (Homines nocturni), weil man glaubte, ihre Augen thäten in der Nacht bessere Dienste, wie sie denn auch wirklich nur in der Dämmerung genau sehen; Leuco- pathen nach Mansfeld *), weil sich ihr Zustand durch Mangel an Kohlenstoff und den daher entspringenden Uebeln verräth. Erst in neuerer Zeit ist man darauf gekommen, dass es auch in andern Welttheilen, und namentlich selbst unter den weissen Europäern solche Kakerlaken gebe. Bourrit **) beschrieb zuerst zwey savoysche Kakerlaken, deren kör- perliche Bildung ganz mit jener unter dunkelfarbigen Menschen übereinstimmte. In Bezug auf die Haare bemerkte er, dass die Kopfhaare sowohl, als auch die Wimpern, Augenbraunen und die Bart-Milchhaare eine ins Schmutziggelbe fallende Farbe hatten, und dass das Kopfhaar bis auf die Schultern herab- hing, völlig schlicht war, und den Ziegenhaaren ähnelte. — Hierauf folgten ähnliche Beobachtungen von Blumenbac h, von Seibold, Pickel, Buchner und Budeus, Strak, Schmidt, und endlich von Dr. Sachs selbst. Wie schon gesagt, drückt sich der Hauptcharakter der Krankheit durch den Mangel des Pigments in den Augen, Haa- ren und der Haut aus. Bey der grossen Weisse sieht man über den ganzen Körper ein schreeweisses Flaumenhaar, und wie die Autoren sagen, gewöhnlich auch einen borkenartigen Aus- schlag, welcher verschwindet und wiederkommt. Dabey sind die Haupthaare schmutzig, gelblichweiss, und oft sehr lang, (eine Ausnahme machen die Schamhaare, welche etwas dunkler sind) ; ferner sind erstere sehr fein wie Flachs, und gar nicht, höchstens an der Spitze gekräuseit. Die Haut ist zuweilen sehr weiss, gewöhnlich aber ins Gelbliche fallend. Nach Sömmering’s Untersuchung sind ihre Augenbrau- nen reich, gelblichweiss, oder gleichsam bleich, geradlinig, und wie auseinander gesprengt. Sie schienen ihm weder bey dem Knaben, noch bey dem Mädchen, welche er untersuchte, zur Abhaltung der Lichtstrahlen dienlich oder hinlänglich zu *) Ueber das Wesen der Leucopathie oder des Albinoismus etc, Braunschweig 1822. **) Description du Mont-Blanc, Lausanne 1776. 8. p. 17. Von der Leucopathie oder dem Albinoismus. 305 seyn. Die Wimper fand er ausserordentlich zart, zurückgebo- gen, und entweder sehr blass oder Gelb ilweiss, am untern Augenliede sehr lang, dicht, gleichsam waldig, buschig, und desshalb schien ıhm diese ganze Einrichtung weniger zur Ab- haltung der Lichtstrahlen, als vielmehr zum Schutze dieses so reizbaren Auges vor Sand, Staub und andern Körpern geschickt zu seyn *). Die Iris erscheint roth, oft auch violett, die Pupille selbst immer sehr hellroth; dabey ist Lichtscheue und eine grosse Be- weglichkeit im ganzen Auge vorhanden. Das Sonnenlicht flieht übrigens der Albinos mehr als das Kerzenlicht, weil dieses na- türlich nicht so intensiv einwirkt. Endlich soll sich noch die Krankheit durch einen allge- meinen cachectischen Habitus, schwächlichen Körperbau, und ein Uebergewicht der sensiblen Sphäre auszeichnen, welches sich vorzüglich erst im männlichen Alter ausspricht. Insbeson- dere sollen sich unter der überhaupt gesteigerten Sinnesthätig- keit Gehör und Geruch auszeichnen. Die Krankheit kommt beym Menschen sowohl, als auch bey den Thieren,, namentlich bey vielen Säugethieren und Vö- geln vor. Rudolphi glaubt, dass sie immer angeboren sey, indem kein sicheres Beyspiel bekannt sey, wo sie späterhin ent- standen wäre. Dass sie sich bey den Thieren fortpflanzt, i$t kein Zweifel, indem man diess täglich bey Mäusen und Kanin- chen sehen kann. In Bezug auf den Menschen aber führt bloss Schlegel**) einen Fall an, wo der Grossvater zweyer Albi- nos ebenfalls weissüchtig war. Häufiger findet man dagegen, dass einzelne Glieder einer Familie Albinos sind. So hat Ru- dolphi selbst zwey Beyspiele erlebt, wo Bruder und Schwe- ster, und eins, wo zwey Brüder an diesem Uebel litten. Ein ähnliches Beyspiel bietet Sachs und seine Schwester dar; das auffallendste aber gibt Pick el***), wo beyde Aeltern schwarze Haare hatten, und unter dreyzehn Kindern sieben Albinos auf die Welt setzten, Mit Recht unterscheidet man auch eine Leucopathia im- perfecta, welche wieder entweder universalis oder parlialis ist, *) Icones ocul. hum. ”) Jul. H. Goitl. Schlegel, ein Beytrag zur nähern Kenntniss der Albinos, Meiningen 1824. 8. ”**) Blumenbach’s Med, Bibliothek. II. p- 167. Eble’s Lehre von d. Haaren. II. Bd. 20 306 Von der Leucopathie oder dem Albinoismus. - und versteht unter der letztern jene, welche nur einzelne Stel- len des Körpers einnimmt. Im ersten Falle sind dann wohl auch die Haare blond, die Augen blau oder graulich, die Em- pfindlichkeit gegen das Sonnenlicht grösser, als bey andern Menschen, die Haut hingegen so weiss und eben so sehr zu Ausschlägen geneigt, wie bey den wahren Albinos. Im letz- ten Falle aber, nämlich bey der partiellen Leucopathie findet sich nie Lichtscheue; auch kommt die Krankheit selbst nicht gleich mit der Geburt. Hieher gehören die gefleck- ten Neger, oder die sogenannten bunten Mohren, deren Augen, Haut und Haare weisse Flecken haben, wie Blumen- bach *) einen abgebildet hat. Oft spricht sich der Zustand nur durch einzelne kreideweisse Flecken, besonders im Gesich- te aus, wo dann auch die daselbst sitzenden Härchen die ent- sprechende Beschaffenheit haben. — Auch ich habe übrigens wie Rudolphi, einen Menschen gesehen, dessen eine seitli- che Hälfte der Iris schwarz, die andere hingegen weiss war. Ueber das Ursächliche dieses Uebels streitet man sich noch fortwährend. — Linne machte die Kakerlaken zu einer eigenen Menschenrasse, womit heut zu Tage wohl Nie- mand mehr übereinstimmen wird. Blumenbach hat den Mangel an Niederschlag der Kohle in der Haut, den Haaren und den Augen als das Wesen der Krankheit angesehen, Mansfeld dagegen erklärt sich das Uebel mehr von einer allgemein Statt findenden Hemmung der Pigmentbildung, und beweist in Bezug auf die nächste Ursache der Leucopathie, dass diese Individuen als auf einer frühern, ihnen einst norma- len Bildungsstufe stehen geblieben, zu betrachten seyen. — Un- ter die entfernten Ursachen zählt er alleinpsychische Ein- flüsse, namentlieh Leidenschaften und das sogenannte Ver- sehen der Mutter, wofür auch Sachs sammt seiner Schwester das neueste und auffallendste Beyspiel liefern. Hensler **) hält für wahrscheinlich, dass Kakerla- ken, wo nicht selbst Aussätzige seyen, doch grosse Ver- wandtschaft mit diesen haben, Dieser Ansicht trat zum Theil auch Sprengel***) bey. Endlich hat Girtanner die Hypothese aufgestellt: der *) Abbildungen naturhistorischer Gegenstände. Taf. 21. **) Vom abendländischen Aussatze, Hamburg 1790. p. 357. ”**) Handbuch der Pathologie. 5 Thle. $. 935. Von der Leucopathie oder dem Albinoismus. 307 Kakerlaken Bildung liege eine eigene Ueberla- dung des Körpers mit Sauerstoff, so wie der Ne- ger-Bildung eine Ueberladung mit Kohlenstoff zu Grunde. Dagegen sagt Rudolphi, dass Flechten und andere Ausschläge in jenem Pigmentmangel keine nothwendigeBe- dingung fänden, und dass er in Bezug auf die angegebene Schwäche der Kakerlaken auch das Gegentheil gesehen habe, endlich dass dieser krankhafte Zustand auf das geistige Vermö- gen solcher Menschen keinen nachtheiligen Einfluss ausübe, am wenigsten aber selbe den Cretinen gleich zu achten seyen. Ich habe schon gesagt, dass die Krankheit meist angebo- ren, und nicht selten erblich ist. Auch gibt es Gegenden, wie z.B. Loango inNieder-Guinea, wo sie endemisch herrscht. Was die Heilung dieses abnormen Zustandes betrifft, so liegt sie bekanntlich ausser den Gränzen der menschlichen Kunst; doch dürfte bey der oben aufgestellten unvollkomme- nen partiellen Leucopathie in gewissen Fällen noch etwas zu hoffen, und zu unternehmen seyn. Nachträgliche Bemerkungen über die Leucopathie. 4) Ausser den schon genannten Thieren und den Pferden (Isabellen) kommt die Abnormität auch bey Affen, Eich- hörnchen, Hamstern, Maulwürfen, Mardern, Rehen u. dgl., und unter den Vögeln bey Raben, Amseln, Canarien, Rep- hühnern, Haushennen und Pfauen vor, und zwar zeichnen sich letztere durch ein weisses Gefieder und rothe, licht- scheue Augen aus. 2) In Froriep’s Notizen *) ist aus dem Londoner Magazin of Natural History Nr. II. die 'Thatsache angeführt und bestätigt, dass weisse Katzen mit blauen Augen immer taub sind. Selbst die Jungen einer und derselben Geburt, die wie die Mutter ganz weiss waren, waren auch ohne Aus- nahme wie sie taub; während die, welche den geringsten farbigen Fleck auf ihrem Pelze hatten, eben so ohne Aus- nahme den vollkommenen Gehörsinn besassen, *) Nr, II, des XXII, Bdes. p. 170 u. 456. 20° Fe 308 Von der Leucopathie oder dem Albinoismus,. 53) Lionel Wafer *) erzählt, dass es unter den Wilden auf der Landenge Darien auch weisse Personen gebe, je- doch in-geringerer Anzahl zu den kupferfarbigen. Ihre Farbe ist ganz blass, und gleichsam milchweiss, oder der Farbe eines Schimmels (Pferdes) ähnlich. Der ganze Kör- per ist mit sehr weichen, milchweissen Haaren bedeckt, die ganz kurz und wohl so dicht, sonderlich an der Stirne und auf den Backen sind, dass man sogar die Haut nicht gut sehen kann. Auch die Augenbraunen und das Haupt- haar sind weiss, und letzteres ganz fein, ungefähr 6—8 Zoll lang und gekräuselt, RÜNT 4) Dass die Haut ihre Farbe krankhaft verändern könne, ohne dass dieses zugleich bey den Haaren Statt findet, beweisst unter andern auch die Beobachtung von J. Brown **), der zu Folge ein Neger von 50 Jahren, nachdem er eine chirurgische Operation ausgehalten hatte, fast am ganzen Körper weiss wurde, ohne dass die Haare ihre schwarze Farbe änderten. 5) In Verona soll nach dem glaubwürdigen Zeugnisse eines meiner Freunde ein Seidenhändler gewohnt haben, wel- cher sammt seinen zwey Söhnen: halbschwarze und halb- weisse Haare auf dem Kopfe hatte. 6) Olivier ***) führt ein merkwürdiges Beyspiel einer zu- fälligen uud theilweisen Leucopathie mit Enifärbung der Schamhaare, Entstehung einiger Haarzöpfe, Bronchitis und Blennorrhagie an: „Joseph Mutet, 22 Jahre alt, kam den 7. May 1827 mit einer Gastroenteritis , Bronchitis und Blennorrhagie ins Spital. Antiphlogistica heilten die erstere, Copaivabalsam und Cubeben die letztere Krankheit. Je- doch bemerkte man nebstbey eine zufällige Entfärbung der Scham- und Kopfhaare; überdiess auf der Haut des Bauches und Rückens matte, milchweisse Flecken, wo also das Pigment ganz verschwunden war. Diese Leucopathie hatte er schon seit sechs Monaten, verschiedene weisse Streifen liefen über die Vorderseite des Stammes, noch *) New Voyage and Description of ihe Isthmus of America. London 1699. p. 134. **) Edinburgh, med. chirurg. Transact. Tom. J. und Archivis generale de Medicine, May 1827. p- 95. ***) Diction. d. Medicin. Tom. 17, Observat. CCVII. p 369. Von der Leucopathie oder dem Albinoismus. 309 zahlreichere aber über den Rücken; ein breiter weisser Streifen ging herab gegen den Schamberg, er war drey- eckig, seine Spitze verlängerte sich abwärts bis zum Ur- sprung des Penis, gegen das Scrotum und das Mittelfleisch. Die Schamhaare waren weiss, etwas krause mit schwarzen sparsam gemischt; einige weisse Haare sah man auch an der Stirne und am Hinterhaupt, vorzüglich aber hinter den Ohren, und hier war auch die Haut überall entfärbt, sowohl an der Wurzel der schwarzen, als auch der weis- sen Haare. Reitzungen, welche man in diesen Parthien bis zur Entzündung und Abstossung der Oberhaut stei- gerte, brachten nichis desto weniger keine andere Färbung hervor. 2) S.G. Vogel *) erwähnt eines Mannes, der auf der einen Seite weisse, und auf der andern braune Haare hatte. Ein anderer hatte einen Büschel weisser Haare auf dem linken Scheitel mitten unter den schwarzen Haaren. — Bey einem gjährigen Mädchen war die eine Seite des Kopfes mit schwarzen und langen, die andere hingegen mit hellen und kraussen Haaren besetzt. — In einem vierten Falle war ein jedes Haar halb weiss und halb braun. Aehnliche Beyspiele habe ich früher $. 118 angeführt. 8) Die merkwürdigste unter allen mir bekannten Entfärbun- gen der Haare und der Haut beobachtete Dr. Lieber**), pracktischer Arzt in Berlin: „Emilie B**, als er sie sah, 46 Jahr alt, von dunkelm Haare und dunkler Hautfarbe, sonst ganz gesund, bekam zur Zeit, als die Menstruation eintreten sollte, auf der linken Seite des Gesichtes einen weissen Streif, der sich über die Stirne, die Augenlieder und Wange in schräger Richtung nach aussen erstreckte, ohne alle sonstige Beschwerde. Als die Menses sich gere- gelt hatten, verschwand diess zwar, aber es blieben die Wimpern des linken Auges zur Hälfte nach der Nase zu weiss, wie die Haare eines Greises. Die andere Hälfte war braun, wie die Kopfhaare, unter denen sich jedoch, ge- rade über dem rechten Auge, einige entfärbte befanden, Vor dem jedesmaligen, übrigens regelmässigen Eintreten der Menstruation, vermehrten sich die weissen Haare am FAQ, 1B4 267: **) Siche Hecker’s literarische Annalen etc. 1828. May. p- 100 — 102. 310 Von der Leucopathie oder dem Albinoismus. Kopf sowohl, als unter den Augenwimpern, nahmen aber mit dem Verschwinden der Regeln auch wieder ab. Aus- serdem hat die Kranke auf jeder Seite unter der Brust einen weissen Fleck, ungefähr”ein 'Thaler gross, die von der übrigen dunkeln Haut scharf abstechen, aber durch- aus platt sind, und nichts Narbenartiges haben. — Diesem ähnlich ist 9) Ein von Dr. Bre&e, Chirurgien-Major am Hospital von Calais im Januarheft (1828) des Journals des Sciences medicales mitgetheilter Fall: Ein Soldat, 22 Jahr alt, von mittlerer Grösse, starkem Körperbaue, schwarzen Haaren und sehr brauner Haut, wurde am 1. Juny 18241, von Givet zur Garnison nach Charlemont gesandt. — Er wurde mit seinen Kameraden derselben Compagnie in ge- gen Mittag gelegenen, luftiigen Zimmern des ersten Stock- werks einquartirt. Als er kaum vierzehn Tage hier ge- legen, bemerkte er, dass seine Haare in unregelmässig verheilten Büscheln weiss wurden. Hiedurch beunruhigt wandte er sich an Herrn Bre&e. Schon bestand sein gan- zes Kopfhaar aus schwarzen und weissen Büscheln von der Grösse eines fünf Frankenstücks. Die Haut des Schä- dels darunter zeigte dieselbe Verschiedenheit der Farbe, und die ganze Haut seines Leibes, so wie die der Glieder, war wie mit weissen Flecken übersäet, auf denen ganz ent- färbte Haare sich befanden. Die Entfärbung der Haut ging beständig jener der Haare voraus, schien selbst die Ursache derselben su seyn, oder begleitete sie mindestens, wie diess bey gewissen Thieren statt findet. Diese Affection vermehrte sich noch während vierzehn Tage, und ın die- ser Zeit traten die Farben scharf von einander geschie- den hervor. Fast der ganze Kopf war mit vollkommen weissen Haaren bedeckt. Auf dem Rumpfe sah man un- regelmässige Flecken von derselben Farbe, die sehr stark von der braunen Färbung der übrigen Haut abstachen. Endlich hatten auch die Haare der Scham dieselbe Sil- berfarbe angenommen, wie die Haupthaare. Dr. Bree untersuchte sorgfältig, was wohl die Ursache dieser son- derbaren Erscheinung seyn könnte. Nichts gab, weder in dem physiologischen Zustande, noch in der Lebens- art des Kranken, der übrigens vollkommen gesund und heitern Gemüths blieb, eine genügende Erklärung. Auch Von der Leucopathie oder dem Albinoismus. 311 sonstige Erkundigungen gaben kein Resultat, als dass er nie an einer schweren Krankheit gelitten, nie syphilitisch angesteckt gewesen sey, und dass endlich kein Gemüths- affect auf irgend eine Art hätte Einfluss auf die Entfär- bung seiner Haut und Haare haben können. — Der Kranke starb erst mehrere Jahre später bey seiner Rückkehr aus Spanien an einer heftigen Pneumonie. 40) Auch folgender Fall istin mehrfacher Hinsicht bemerkens- werth: J. W. 56 Jahr alt, aus Bengalen, von mahomedani- schen Aeltern gebürtig, die beyde braun gefärbt waren, verliess Indien im Alter von 10 Jahren. Seit der Zeit hat er in Edinburgh als Bedienter, und in den letzten 9 Jahren als Maurer-Handlanger gelebt. Während dieser Zeit verlor er allmählig seine angeborne braune Farbe, und wurde weiss, was er theils dem Klima, theils seinem Verkehr mit Kalk und Mörtel zuschreibt, der ihm viel Jucken in der Haut verursachte. Der Wechsel der Farbe begann in den Händen und am Kopfe, und das früher schwarze Haar wurde hellgrau und etwas gelockt. Die Theile, welche am längsten ihre Farbe behielten, waren die Brust und der Nacken. Im Jahre 4818 waren nur noch da und dort schmutzig purpurrothe Flecken übrig. Die Gesundheit änderte sich dabey nicht merklich. Ein ähn- liches Beyspiel von einem Neger findet man inLa Roche- foucault Liancourt’s Reisen in den vereinigten Staa- ten. Dieser aber ist aufgeführt in den Raports of the prac- tice in the clinical wards of the royal infirmary of Edinburgh von Professor Andreas Duncan *), und in Rust's Re- pertorium **), 441) Dass die Haare der Leucopathen auch in chemischer Be- ziehung von den übrigen gesunden Haaren abweichen, hat uns Sachs von seinen eigenen Haaren zuerst gelehrt. Er fand nämlich, dass 500 Gran seiner gelblich weissen Haare nur 4, 2 Gran Asche lieferten, welche 0,368 Kalk, 0,75 Magnesia, kein Eisen und keine Kieselerde enthielt; wogegen eine gleiche Menge schwarzer Haare 37 Gran *) Edinb. 1818. p. 142. ”*) 14. Bd. 2. Heft p. 303. 512 Von der Leucopathie oder dem Albinoismus. Asche gab, welche 2,116 Kalk 0,9 Magnesia, 0,5 Kiesel- erde und 0,2 Gran Eisenoxyd enthielt. 42) Vor einigen Jahren bekamen wir hier in Wien auch ei- nen angeblich wahren Leucaethiopen zu Gesichte, wel- cher schon seit seiner frühen Jugend aus seinem Vater- lande entführtund in England in Gesellschaft seiner Schwe- ster lebte, und damals in einem Alter von circa 20 Jah- ren zur Schau herumreiste. Derselbe hatte alle Charak- tere der Albinos, besonders zeichnete sich sein schwäch- licher Habitus, und die Licht- oder besser gesagt Sonnen- scheue aus; aus der letzten Ursache ging er auch nur in der Dämmerung spazieren. Seine Haare, wovon er mir selbst ein Büschel abzuschneiden, ja sogar zum Theil auszureis- sen erlaubte, waren im Ganzen gelblichweiss, einzeln glichen sie aber den feinsten weissen Seidenhaaren, und hingen in einer Länge von 2 '/, Schuh über den Nacken und die Schulter hinab. Unter dem Microscop betrachtet zeigten sie ausser der möglichst feinen Structur und der fast gänzlichen Durchsichtigkeit der Haarzwiebeln nichts Abweichendes, Uebrigens war dieser weisse Mohr nichts weniger als ungebildet, vielmehr zeichnete er sich in sei- nem Benehmen durch gute Geistesgaben aus. Auch sprach er englisch und französisch mit vieler Fertigkeit, und hatte überhaupt ganz die Manier eines gebildeten Euro- päers. — Sonst befindet sich hier in Wien ein eingehor- ner Kakerlak, welcher als Kellner in einem Bierhause dient, — 13) Uebrigens war diese Krankheit schon den Alten wohl bekannt. So soll der König Hydaspes eine Tochter, Na- mens Chariclea gehabt haben, welche er nicht als sol- che anerkennen wollte, weil sie eine ganz weisse Haut und Haare hatte. Aristoteles *) erzählt ein ähnliches Bey- spiel. Selbst endemisch hat man diese Krankheit schon früher beobachtet; so soll Albanien (einLand zwischen dem Caucasüs und Armenien) nach Plinius daher seinen Namen erhalten haben, und Isigonus Nicaeensis **) sagt von diesem Lande: »Gigni ibidem quosdam glauca ocu- lorum acie, a »ueritia stalim canos, qui noctu plus, quam in- nn *) Hisior. animal, L. VII e, 6. W.) Pilyn. D. VIoye 13. p- 311 et Plın. 5 VIIL c. 2, px 371 Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. 313 terdiu cernant.« Der alten Leucaethiopen erwähnen schon Pomponius Mela*), Plinius**), Ptolomaeus ***) und Agathemer *"**), obschon sie in Bezug auf den Wohnort derselben nicht übereinstimmen. In der neuern Zeit beschrieb Blumenbach selbst ei- nen deutschen Kakerlaken; Chapmann, Nic. Le Cat erzählen ähnliche Beyspiele aus Spanien und Frank- reich, Gardanus aus seiner eigenen italienischen Familie; Agricola und Olaus Magnus aus Schweden. — Dass es auf Java, Borneo, Manilla und Malabar häufig solche Menschen gebe, sagen die Berichte aus Tranquebar. Eben so haben Vossius, Chapmann, Gröber, Tachart, Cossigny afrikanische Kakerlaken von Guinea, Lo- ango, Senegal, den Quellen des Nils; endlich Cossigny auch von der darischen Meerenge, Tucumana und Paraguay inAmerika beschrieben. 6. 162. b) Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. (Canities, Poliosis.) Man pflegt überhaupt das Grauwerden in jenes, das Al- tershalber, und in jenes das zufällig entsteht, einzutheilen. Ueber das erste wurde in dem physiologischen Theile dieses Werkes $. 431 das Nöthige gesagt; wir haben es daher hier nur mit jenem zu thun, welches vor der gesetzlichen Zeit, also zufällig die Haare trifft. Die Zeit des Eintritts dieser unwillkommnen Erscheinung hängt natürlich von unzählbaren Nebenverhältnissen ab, so zwar dass man wirklich in jedem Augenblick grau werden kann, wie aus den später anzuführenden Beyspielen erhellen wird. In den meisten Fällen kommen die grauen Haare anfangs ganz allein zwischen den andern hervor; und es beginnt das Bleichen der Haare, so wie beym Greise, von der Spitze, und verbreitet sich von da allmählig über das ganze Haar, oder 1 a DR a p- 12: LB. 1743. *#\, TesV.gcz 8. p- 252. Hard. 25%) VESPBVEREHG. PT. ne) Georg 1% I, Dre } 314 Von dem krankhaften Ergrauen der Haare, bleibt längere Zeit auf der Mitte stehen, indem es den der Wurzel nahgelegenen Theil noch verschont. Geschieht je- doch das Gegentheil, d. ı. werden die Haare manchmal an ihrer Austrittsstelle weiss, während sie an der Spitze noch schwarz, oder überhaupt gefärbt sind; so kommt diess meist daher, dass in den Zwiebeln dieser Haare früher ein schwarzes oder wie immer gefärbtes Pigment abgesondert wurde, welches späterhin in Folge einer Krankheit der secernirenden Parthie entweder blässer gefärbt wurde, oder aber gar nicht in den Schaft des Haars überging. — Das Wesen dieser Krankheit besteht also, wıe das der vorigen, in mangelhafter, oder gänzlich Aufgchabener Abson- derung des färbenden Princips in den Haarzwiebeln. $. 163- "Unter den entfernten Ursachen muss ich zuerst der erblichen Anlage erwähnen, die sich oft sehr deutlich ausspricht. Solche Beyspiele findet man bey Garmann *) angeführt; auch Ludwig H. Rutlin spricht von einer Ca- nities cerlis familüs gentilitia. Auch sollen Kinder, die von greisen Aeltern erzeugt sind, früher grau werden. — Eben so ist das Uebel nicht selten angeboren. So soll Numa Pom- pilius **) und nach Andern auch Tarquinius cani gebo- ren, und dem Seneca soll aus gleichem Grunde sein Name gegeben worden seyn. So erzählt Ath. Kircher ***) dass er in dem Spital zum heil. Geist zu Rom ein Mädchen von 44 Tagen gesehen habe, welches am ganzen Kopf und den Augenbraunen weisse Haare hatte. Die Mutter hatte Ehe- bruch begangen, und ihre Einbildungskraft war fortwährend so beschäftigt mit dem grauen Haare ihres eigentlichen Ge- mahls, weil sie sich fürchtete von ihm überrascht zu werden, dass sich dieser Eindruck sogar auf das erzeugte Kind fort- pflanzte, und in seiner eigenthümlichen Haarfarbe nach wies. — Ein ähnlicher, noch merkwürdigerer Fall ist der schon ange- führte, wo einst eine Frau ein Kind geboren haben soll, welches einen schneeweissen Bart hatte. Als Ursache dessen gab man an, dass die schwangere Frau einmal beym Einsei- *) A. a 0. $. 99. **) Virgil. Aeneid. l. 6. p. m. 560. *) L. 3. ınund. magnet. p. 7. c. 7. p. 569. Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. 315 fen ihres Mannes heftig erschreckt worden sey. — Auch Schenk erwähnt einer ähnlichen Geschichte. Unter denGelegenheitsursachen zum frühzeitigen Erbleichen zeichnen sich vorzüglich gewisse Krankheiten aus: Langdauernder, oder sehr oft wiederkehrender heftiger Kopf- schmerz, die weisse Lepra, manchmal auch der Kopf-Grind, beträchtliche Haemorrhagien, Syphilis, Melancholie, der Son- nenstich, gewisse Fieber, schweres Wochenbett, öfteres Wa- schen der Haare mit kaltem Wasser und Kölnerwasser, der Ge- brauch geistiger Haarwasser überhaupt, ferner des Brenneisens u. dgl. m. Dass auch der Wasserkopf die Haare bleiche, hat Osiander*) bey einem zweyjährigen Kinde beobachtet, wel- ches mit schwarzen Haaren geboren war. Am häufigsten ist jedoch das oft ganz plötzliche Er- grauen der Haare durchGemüthsaffecte und Lei- denschaften, namentlich durch Schreck, Furcht, und jedoch seltener durch Zorn. Ich will von diesen nur wenige Bey- spiele anführen: Die Haare des berühmten englischen Kanz- lerss Thomas Morus wurden in einer Nacht bleich, als man ihm sein Todesurtheil angekündigt hatte. — Andreas Libav kannte eine Frau, die in eine Wolfsgrube fiel, welcher ein Fuchs und ein Wolf war; sie wurde noch in der- selben Nacht ganz grau. — Thomas Campanella sah ei- nen Mönch zuRom, Namens Ubipertus, der zum Bischof von Ratzeburg erlesen, aber noch zu jung war, um die Bestä- tigung zu erhalten. Er machte sich also auf den Weg nach Rom, um die Dispens zu erhalten, wurde jedoch vom Papste abgewiesen, und ergraute aus Aerger in einer Nacht so zwar, dass ihn der Papst des andern Tages nıcht mehr erkannte, und ihn sonach dennoch zum Bischof machte, »guem evidenti signo deus probasset !« j Kaiser Ludwig der Baier verurtheilte seine eigene Frau zum Tode, und ergraute in der folgenden Nacht aus Gewissensangst. — Hadrian Junius erzählt die Geschichte eines Spaniers, Namens Didacus, welcher, da er wegen Lie- beshändel und gebrochenen Riot zelühdes zum Tode verur- theilt wurde, schnell so erbleichte, dass der König Ferdi- nand ihm sodann aus Mitleid das Leben schenkte. *) Epigr. in divers. res Musei sui- anat. ete. Edit. all, Götting. 1514. pMB2. Ic 316 Von dem Re Ergrauen der Haare. Bekannt ist die Geschichte des Diego Osorius, der auf Befehl des Königs ins Gefängniss geworfen wurde, und in der ersten Nacht daselbst einen grauen Kopf bekam. Noch merkwürdiger ist übrigens, dass seine Haare wieder ihre vo- rige Farbe erhielten, als er frey gesprochen war. — Bey Schiffsbrüchigen ist es nichts seltenes, dass sich ihre Haare plötzlich bleichen. — Gassan berichtet *), dass die bekannte Perat Lecl£re, als sie in dem Process von Louvel vor die Kammer der Pairs als Zeuginn gerufen wurde, in einer Nacht vollkommen erbleichte. — Auch soll Heinrich IV. zur Zeit der Bartholomäus - Nacht innerhalb 24 Stunden weisse Haare bekommen hatte. In Prag sah ich vor einigen Jahren einen Mann, der früher als Reitknecht bey einem Obersten diente. Derselbe ritt eines Tages auf den Bastionen der Festung, als plötzlich sein Pferd durch den Trommelschlag scheu wurde, und mit ihm in den Graben sprang. Darüber erschrak er so, dass ihm von jenem fürchterlichen Augenblicke an nach und nach alleHaare ausfielen, diejedoch, aber bleich wieder nachwuchsen. Als ich ihn sah, hatte er einen weissen Kranz um seinen oben und unten noch dunklerhaarigen Schädel. Marie Antoinette, Königinn von Frankreich hatte in ihrem grossen Unglück ebenfalls die schnelle Veränderung ihrer Haare erfahren, als man ihr nämlich verkündete, dass sie in den Tempel gebracht werde, bleichten sich ihre so äusserst schönen blonden Haare in einer einzigen Nacht. Zahlreich sind die Fälle, in welchen sich nach überstan- denen grossen Sorgen und Kummer die Haare auffallend schnell bleichten. Daher das bekannte Sprichwort: Cura facit canos, quameis homo non habeat annos. ImHannöver’schen Magazin **) wird von einem Manne gesprochen, welchem Schmerz und Verzweiflung schon vor seinem dreyssigsten Jahre in einer Nacht seine Haare gebleicht hatten. Auch der verdienstvolle Dr. Samuel Gottlieb Vogel sagt von sich selbt: dass seine Haare, als er sein zärtlich geliebtes Weib verlor, vor Schmerz und Verzweiflung in seinem dreyssigsten Jahre in einer Nacht bleichten. *) Archives generales de Medicine, Janvier 1827. # #7) 1802. p. 1538 Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. 317 Einst irrte ein Mann acht Tage lang ohne Licht in der Baumannshöhle herum, und hatte, als er herauskam, eis- graue Haare bekommen. Die polnischen Juden sollen wegen ihrer beständigen Sor- gen vorzugsweise bald ergrauen. Viele solche Beyspiele fin- det man in den Actis, Observat. et Ephemerid. der Acad, nat. curiosor. *) bey Fabric. Hıldanus, Gamerarius, Mar- cellus Donatus, Scaliger, Schenk; letzterer **) er- zählt von einem jungen Menschen, der ein Nest junger Habichte ausnehmen wollte, dabey fiel, und an einer Felsenspitze hängen blieb; wie er gerettet wurde, war er ganz grau geworden. In den Bresslauer Sammlungen findet sich folgender Fall auf- gezeichnet: Ein Landmann, der von den Alpen zurückge- kommen war, verlor alle seine Kopf- und Barthaare ohne einen nachweisbaren Grund. Nach einiger Zeit erhielt er schneeweisse krause wieder, die so fein wie Schafwolle waren. Drey Wochen vor seinem Tode, an der Auszehrung g, wur- den die Haare wieder schwarz. “ Endlich führe ich noch denFall an, den Dr. Monsilard dem Zachias Paul erzählte, dass nämlich ein Eselstreiber, nachdem man ihm seinen Esel gestohlen, grau, und als er ihn wieder bekommen hatte, wieder schwarz geworden sey ***). Auch starkeAnstrengungen desKörpers, vorzüglich aber des Geistes, haben oft ein frühzeitiges Ergrauen zur Fol- ge. Hierher gehört namentlich die verhältnissmässig zu häufige Verschwendung des Samens, wovon ich ****) folgendes merk- würdiges Beyspiel las: Im Jahre 1781 brachte ein Oflicier von 24 Jahren auf dem Cap Francais eine ganze Nacht mit einer Mulattinn zu, und überliess sich ohne Mass den Freuden der Liebe. Als nun der Tag zu grauen anfing, wurde er von einem so heftigen und schmerzhaften Krampfe befallen, dass er ganz starr da lag. Man kam ihm zu Hülfe, und bemerkte mit gros- ser Verwunderung, dass die früher braun gewesenen Kopf- und Barthaare an der ganzen rechten Seite seines Körpers schneeweiss geworden waren. Die der linken Hälfte behielten *) 95. Obs. VIII. Bd. der Acten, LX Obs. IV. Ann. Dec. Il. der Ephem, **) Observ, med. libr, 1. cap. 1. Obs. 1. **#) Garmanna.a. OÖ. E% ..: - ) Im Dictionn. des sciences med. 318. Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. ihre frühere Farbe. Endlich war man so glücklich, die Krämpfe zu heben, aber die Entfärbung spotiete für immer aller angewandter Mittel. So kannte auch Sinibald einen 20jährigen Jüngling, der durch Excesse in der Liebe ganz grau geworden war. S. G. Vogel gibt an, dass Leute, die sich mit Auflö- sung einer schweren Rechnung mehrere Tage beschäftigten, graue Haare bekamen, die zum Theil ausfielen. Ich bemerke unter den an unsrer Akademie Studierenden verhältnissmässig sehr viele, bey welchen sich ihre Anstren- gungen und wohl auch ihre Sorgen, entweder durch Ausfal- len oder durch Grauwerden der Haare oflenbaren. In wiefern manche Krankheiten einen auffallenden Far- benwechsel dieser Art hervorbringen, lehren folgendeBeyspiele: Eine 66jährige Frau hatte ganz weisse, wie Glas durchsichtige Haare, welche vier Tage vor ihrem 'Tode an der Lungen- schwindsucht schwarz wurden. Man fand bey genauer Untersu- chung die Haarwurzeln vergrössert, und mit Nark gleichsam überladen (!!), die wenigen noch übrig gebliebenen weissen Haare hatten dagegen kleinere, eingetrocknete Zwiebeln *). Bei einer starken 46jährigen Frau wurden die kastanien- braunen Haare nach äusserst heftigen Kopfschmerzen ganz weiss, trocken und hart. Nebstbey stellten sich heftige Kopf- schweisse ein. Sie liess die weissen Haare abschneiden, und trug eine Mütze. Dennoch wuchsen wieder weisse nach. Das Aufhören der Menstruation im 48sten Jahre machte keinen Unterschied. Nach einer kleinen Unordnung in der Verdauung nahmen im Jahre 1822 (in ihrem 49sten Lebensjahre) die Haare ihre ursprüngliche kastanienbraune Farbe wieder an, wurden wieder geschmeidig und gehörig feucht. Auch blieb die Frau von nun an ganz gesund **). Oben wurde schon, besonders bey der Alopecia porriginosa angegeben, dass die nach manchen Krankheiten ausgefallenen Haare häufig wieder, aber von anderer Farbe, und sehr oft, wie z. B. bey dem Kopf-Grind weiss gefärbt nachwachsen. Dass durch ein schweres Wochenbett die blonden Haare ausfielen, und schwarze an ihre Stelle, in einem andern Falle *) Recueil periodique de la societ€ de med. de Paris an. 7. n. 22. **) Lavilletelle in demBulletin de la societe medicale d’emulution, a Paris 1822, p. 59. Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. 319 rothe hervorkamen, findet man im Dictionn. des sciences medicales *) durch Beyspiele bestätigt. Auch soll das öftere Ausreissen die Haare grau ma- chen, ein Kunstgriff, zu welchem Pferdehändler ihre Zuflucht nehmen, um weisse Stellen und Snippen hervorzubringen. Es ereignet sich wohl auch, dass einzelne Haare verschie- den gefärbt sind, oder dass sich ein Theil des behaarten Kopfes weiss und der andere schwarz darstellt, wovon ich schon im vorigen Paragraph Belege angeführt habe, Sehr oft weiss man jedoch gar keine Ursache desEır- grauens anzugeben. Auf diese Art ist nun leicht einzusehen, warum man das frühzeitige Grauwerden a) in ein erbliches, b) ange- bornes,, c) von vorausgegangenen Krankheiten, oder sonsti- gen, auffallend schädlichen Potenzen, und endlich d) in ein von gar keiner in die Angen fallenden Ursache herzuleitendes eingetheilt hat. Anmerkung 1. Die Haare, welche auf den Narben nachwachsen, ha- ben gewöhnlich kein Pigment, und sind daher bleich. Anmerkung 2. Auch die Chemiker sind über die Ursache des Bleichens eben so wenig einig, als sie es mit dem färbenden Princip selbst sind. Vauquelin drückt sich über die muthmass- lichen Vorgänge beym schnellen Bleichen der Haare so aus: yIl faudroit supposer, que dans ces moments de crise, ou la nature est en revolution, et en consequent les fonctions naturelles sont suspendues, ont changees de nature, il se developpoit dans l’eco- nomie anımale un agent, qui passant jusqu’aux cheveux, en de- composat la matiere colorante. Les acides seuls m’en paroissent capables. “ Er glaubt also, dass ın solchen Fällen eine Säure ab- gesondert werde, welche das Pigment des Oels angreift, wogegen beym gewöhnlichen Grauwerden der Greise jenes Oel bloss ver- schwinde. Auch behauptet er nicht mit Unrecht, dass z. B. im Zorne bey Menschen und Thieren gewisse Säfte des Körpers bis zur giftigen Eigenschaft verändert werden könnten. Aber trefflich antwortete ihm Petit: „Icı l’esprit segare, s’ilvent pe- netrer danslesanctuairedelanature!« $. 164. Die Vorhersage richtet sich vorzüglich nach der Zeit, in welcher, und nach der Ursache, durch welche das frühzei- tige Ergrauen der Haare sich einstellte. In ersterer Beziehung *) Tom Al. p. 272. 320 Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. ist die Krankheit im Allgemeinen um so leichter heilbar,, je früher, d. ı. ın je jüngern Jahren sie erscheint. Doch macht hievon die angeerbte und angeborne, oder bald nach der Ge- burt entstandene eine wichtige Ausnahme, indem gerade diese Arten in der Regel aller Kunst spotten. Beginnt das Ergrauen ım anfangenden Mannesalter, dann ist, wenn nicht besonders ungünstige Verhältnisse eintreten, gewöhnlich doch noch Hoff- nung gegeben, dem schnellen Umsichgreifen einigermassen Einhalt zu thun. Je näher aher die Zeit des Erscheinens die- ses Uebels dem höhern, oder eigentlichen Alter fällt, desto unheilbarer ist dasselbe, und es würde an Wahnsinn gränzen, die heiligen Schneelocken eines Greises aus Eitelkeit ihres Schmuckes berauben, oder sie färben zu wollen. Ehmals glaubte man, dass Menschen, welche schon in ih- rer frühen Jugend ergrauten, bald eines jähen Todes sterben müssten. Die tägliche Erfahrung hat aber das Grundlose die- ser Furcht hinlänglich dargethan, und! Rush *) erwähnt ei- nes g4jährigen Greises, dessen Haare schon im 24sten Jahre sıl- berfärbig waren. Voigtel”*) kannte eine Familie, deren Mit- glieder schon mit dem 20sten Jahre graue Haare zu bekommen pflegten, dennoch sehr gesund waren, und meistens sehr alt wurden. Aehnliche Bemerkungen machten auch Zeiler ***) und Phenk) 7). Rücksichtlich der Ursachen, aus welchen das Uebel entstand, bemerke ich zuerst, dass sich unter den hieher gehören- den Krankheiten vorzüglich die, auch daher sogenannte, weisse Lepra durch besondere Hartnäckigkeit, ja wohl durch gänz- liche Unheilbarkeit auszeichnet. Bey, in Folge der übrigen Krankheiten entstandenem Grauseyn ist gewöhnlich noch Hei-_ lung möglich. Nur in seltenen Fällen haben sich ferner die Haare wieder gefärbt, wenn sie sich plötzlich in Folge eingetretener Ge- müthsaffecte, Leidenschaften, Kummer und Sorgen gebleicht *) Von dem Zustand des Körpers und Geistes im hohen Alter ete. Aus dem Englischen in der Samralung auserlesener Abhandlungen für practische Aerzte. Bd. 17. p. 119. **) Pathologische Anatomie 1. Bd. p. 89. *7#) Epist. Gent. 1. 47 +) Lehre von den Krankheiten der Haut p. 212. Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. 321 hatten. Dass auch hier das Alter einen sehr wichtigen Einfluss habe, ist leicht einzusehen. Ich erinnere übrigens hier noch einmal, dass schwarze Haare immer früher ergrauen als blonde, oder heller gefärbte; ferner, dass krause Haare auch nicht so frühzeitig grau wer- den als andere, und dass die Weiber von diesem Uebel eben- falls seltner und später befallen werden, als die Männer. $. 165. Die ärztliche Behandlung dieses Uebels findet in doppelter Beziehung Statt. Denn entweder besteht die Anzei- ge, den Nachwuchs oder die Vermehrung der grauen Haare zu verhindern, und dagegen das Hervorsprossen normal ge- färbter zu befördern; oder aber man hat bloss die Absicht, die ergrauten Haare für einige Zeit anders zu färben. Erstere wäre die rationelle, gründliche, letztere die palliative Methode. Es versteht sich übrigens von selbst, dass sowohl die eine, als die andere nur beym frühzeitigen, nicht aber bey dem Altershalber entstandenen Ergrauen der Haare in Anwendung zu bringen sey; denn ich müsste wahrlich den Mann bedauern, der, wenn auch einige Jahre früher als ein anderer ergraut, nach zurückgelegtem 60sten Lebensjahre noch ernstlich an eine Verbesserung, oder wohl gar an Hebung des seiner Eitel- keit im Wege stehenden Uebels denken wollte. Daher sagt Sennert mit Recht: „Naturale hocce decus ‚fucis et pigmentis tegere velle, meretricium est et luxuriosum,* und Martial*) schildert einen solchen Gecken also: Mentiris juvenem tinctis, Lentine, capıllıs, Tam subito corous, qui modo cygnus eras. Non omnes fallis; scit te Proserpina canum, Personam capiti detrahet illa tuo. Um aber das Uebel gründlich zu heilen, muss in jedem Falle dem Wesen desselben, d. i. der mangelhalten oder gänzlich aufgehobenen Absonderung des färbenden Prin- cips entgegengearbeitet werden. Diess geschieht nun a) Durch Entfernung der Gelegenheitsursachen, wo diess mög- lich ist. Von dieser Massregel allein wird man jedoch in der Re- gel nur da einen heilsamen Erfolg erwarten können, wo das *) Lib. 5. Epigraimmat. Eble’s Lehre von d, Haaren, II. Bd, Pal 322 Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. Uebel noch leicht heilbar ist, den günstigsten, wo zufällige äussere Ursachen eingewirkt haben, oder das Eirgrauen von, noch heilbaren Krankheiten herrührt. Man suche demnach schleunigst jene zu entfernen, und diese zu heben. b) Durch Unterstützung und Bethätigung desjenigen Proces- ses, durch welchen überhaupt das Pigment der Haare ab- gesondert wird. Diess ist nun freylich leichter gesagt, als gethan; denn da uns, wie bereits erwähnt, dieser innere Vorgang noch im- mer nicht klar vor Augen liegt, und wir nicht einmal die nächsten Bedingungen kennen, unter welchen sich das genannte Pigment aus dem Blute in die Haarzwiebeln absetzt; so kann auch die Erreichung des beabsichtigten Zweckes, nämlich die qualitative und quantitative Umstaltung der Secretion jenes Stoffes, nur höchst problematisch seyn. ‚Alles was uns die Erfahrung hierin an die Hand gibt, geht ungefähr dahinaus, dass wir, so wie bey dem vorzeitigen Abfallen der Haare den Lebensprocess der behaarten Haut so umstalten, oder näher bezeichnet, zu einer solchen Thätigkeit anspornen, dass eine grössere Menge eines mit den Bestandtheilen des färbenden Princips geschwängerten Blutes in diesen Theilen rascher cir- culire. Um jedoch diess bewerkstelligen zu können, müssen wir nothwendig jene Hauptbestandtheile zuvor kennen, und diess ist nun der Punct, wo uns die Chemie den meisten Aufschluss zu geben im Stande seyn sollte. Denn die Bestim- mungen, dass Sauerstoff und Kohlenstoff die Basen und noth- wendigen Bedingungen des Pigmentes im Körper überhaupt sind, nützen uns in practischer Beziehung beynahe gar nichts, weil sie za allgemein sind. Wichtiger und einflussreicher er- scheinen dagegen die Resultate der chemischen Analyse der Haare, aus welchen hervorgeht, dass es eigentlich das Eisen, der Schwefel, und ein eigenes, mit diesen Bestandtheilen in- ig verbundenes Oel sey, welche dem Haare die bestimmte Farbe geben. Auf diese Voraussetzung gestützt, könnte man vernünftiger Weise schliessen, dass wir einem ergrauten, oder überhaupt entfärbten Haare wieder eine dunklere Farbe zu geben im Stande wären, wenn wir ihm eine verhältnissmäs- sige Menge der genannten Stoffe beybrächten, die es dann freylich erst in seine Mischung aufnehmen müsste. Ein sol- ches Verfahren könnte aber auf einem doppelten Wege er- Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. 323 zielt werden, indem man entweder das Blut überhaupt mit jenen Theilen schwängerte, in der Hoffnung, di Natur werde ihnen die geeignete und erwünschte Richtung zu den behaar- ten Theilen geben, oder aber, indem man diese Stoffe dem Haare an Ort und Stelle, d. i. unmittelbar zuführte. Würde man nun mit diesen färbenden Stoffen noch sol- che verbinden, welche das Leben in der Haarzwiebel zu po- tenziren, und die Vegetation dieser Hautparthien zu heben vermögen, so hätten wir wenigstens einen wissenschaftlichen Weg eingeschlagen und verfolgt. — Fragen wir aber die Er- fahrung hierüber, so zeigt sich, dass die Sache bey all’ ihrer Einfachheit und leichten Fasslichkeit dennoch manches zu wünschen übrig lasse. Und diess liegt einerseits in der Man- gelhaftigkeit jener angeführten chemischen Resultate, anderer- seits aber in dem, nicht zu übersehenden,, Unterschiede zwi- schen einem Färbestoffe, den sich die Natur auf eine uns ganz unbekannte Art aus ganz einfachen Stoflen bildet, und sodann freywillig und normgemäss aus dem Blute ir- gendwo hin abscheidet, und einem ähnlichen Stoffe, den wir von aussen schon vollkommen gebildet entweder in den allgemeinen Kreislauf des Blutes, oder örtlich in die Sphäre eines behaarten Theiles bringen, und der demnach erst der Wirkung der vitalen Kräfte ausgesetzt, und wohl ebenfalls noch auf eine eigenthümliche Art verändert wird. Nichts desto weniger wird durch die Erfahrung wirklich bestätigt, dass Schwefel und Eisen wirksame Potenzen sind, wenn es sich um die dunklere Färbung der Haare handelt. — Aus demselben Grunde hat man auch mit Recht das Eyeröl gegen das frühe Ergrauen nicht allein für zweckdienlich über- haupt, sondern auch für hinreichend dann gehalten, wenn man dem in einer Familie einheimischen Uebel schon in der Jugend Schranken setzen wollte. Um dieses Oel nach Wunsch zu erhalten, schlägt uns der oftgenannte Dr. Jahn folgendes Verfahren vor: Nachdem die Eyer im Wasser hartgesotten, werden die Dotter abgesondert, zerdrückt, und bey gelindem Feuer, damit die wässerige Feuchtigkeit derselben entwei- che, etwa eine Viertelstunde lang unter stetem Umrühren er- wärmt. Jetzt verstärkt man das Feuer so lange, bis die Dotter zu dampfen aufhören, einen fettligen Glanz annehmen, und wenn man sie zwischen den Fingern drückt, Oel von sich ge- ben. Sie werden nun in einen leinerner Beutel gebracht, aus Din 394 Von dem krankhaften Ergrauen der Haare, welchem das ER einer Presse, deren eiserne Platten gelinde erwärmt, aber nicht stark erhitzt geworden, in eine darunter stehende Schale gepresst wird. — Weil das Oel ohne Wärme bereitet, weniger leicht ranzig, und dadurch zu diesem Zwecke ganz besonders brauchbar wird, so habe auch ich es nach Chandelier’s Angabe *) zu erhalten versucht, indem ich nämlich die Dotter von 46 Eyern hart gesotten sehr stark schlug, darauf vier Unzen rectilicirten Weingeistes goss, und die ganze Mischung mit zehnmal so viel Wasser verdünnte, als sie wog. Ich erhielt jedoch, nachdem ich das Ganze mehr als 24 Stunden lange ruhig stehen liess, eine ungleich gerin- gere Menge eines nicht reinen, trüben und dickflüssigen Oels (im Ganzen etwa 3 Unzen), als ich nach Chandelier’s An- gabe erwartet hatte, wo man sogar nach diesem Verfahren um ein Drittel mehr gewinnen soll, als durch das Auspressen. — In diesem Oele finden sich wirklich alle eben ausgesproche- nen Bedingnisse erfüllt, indem es nebst dem nahrhaften Fett den Haaren zugleich Schwefel und Eisen in ziemlicher Menge zuführt. Zu diesem Ende reibt man, wenn es bloss prophy- lactisch gebraucht wird, wöchentlich 4—2mal, bey bereits eingetretenem Graukopf aber wenigstens 3— 4mal den ganzen behaarten Kopf damit gut ein, Noch wirksamer als blosses Eyeröl ıst das essigsaure Eisen in Verbindung mit einem Schwefelbalsam (Schwefel und fettes Oel) jedoch so gebraucht, dass die Eisenbrühe frü- her in die Haare eingerieben, und Tags darauf dann der Schwefelbalsam aufgetragen wird, — eine Operation, welche man wöchentlich 1—2 Mal wiederholen kann. Es ist jedoch nicht nöthig, dass man sich chemisch genau zubereitetes essig- saures Eisen verschafle, sondern man darf zu diesem Ende nur ein Stück altes Eisen an der Luft rosten lassen, indem man es von Zeit zu Zeit mit etwas Essig besprengt. Den Rost s:habt man ab, und übergiesset ıhn in einem Glas mit gutem Essig, und wiederholt diese Operation so oft, bis man eine hinlängliche Menge Essigbrühe gewonnen hat, die man dann einige Tage der Luft aussetzt. Sonst gilt in Bezug auf die übrige Lebensweise und auf die Diät ungefähr Alles das, was ich oben beym frühzeitigen Ausfailen der Haare angerühmt habe. *) Journal de Medicine. Tom. XVI, Nr. V, p. 45. Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. 325 Anmerkung. Wie sorgfältig die Alten das vorzeitige Grauwerden . von allgemeinen, auf den ganzen Körper wirkenden Ursachen herleiteten, beweiset der Umstand, dass sie bey der Heilung dieses Uebels vor Allem darauf bedacht waren, „ut bonus sanguis in toto corpore et capite proveniat, qui pilis probum alimentum praebeat, simulque vitio- si humores, sı quı adsınt, vacuentur.“ Insbesondere trachteten die arabischen Aerzte, ein dickes lobenswerihes Blut (sanguis laudabilis ac spissus) zu erzeugen, und verordneten zu diesem Ende nach Verschiedenheit der körperlichen Complexio- nen die verschiedenartigsten pharmaceutischen und diätetischen Mittel, die sie mitunter auch unter dem Namen der Jungma- chenden (adolescentiam facıentia) begriffen *). Den vor- züglichsten Ruf hatte sich folgende Confection erhalten: Rp. Myrobalanorum nigror. absque nucleis uncias quinque Zingiberis Ammeos aa. dr. decem. Irrorentur butyro. Deinde adde: Sacharum penidium ad quantitatem mediae partıs. D. hujus medicamenti saepe dr. una. Dabey vernachlässigten sie jedoch die örtlichen Mittel keines- wegs, sondern trachteten den Kopf durch Sternutatoria und Errhina zu reinigen. — Ferner empfahlen sie zur Verhütung des frühen Grauwerdens alle warmen Oele, und alle natürlichen öl- artigen Flüssigkeiten: „Pix humida, Oleum de costo, de ben, de nigella, de sinapi, de coloquinthide, de olivis sylvestribus etc. —« $. 166. Die palliative Methode, deren Absicht bloss dahin abzielt, den ergrauten Haaren für einige Zeit eine andere Farbe zu geben, war in früheren Zeiten ein Hauptgegenstand des ärztlichen Treibens, und wurde, wenn wir den Schriften des Galen’s und der Araber trauen dürfen, auf einen sehr hohen Grad von Vollkommenheit gebracht. Um so auffallen- der muss es demnach scheinen, dass diese Kunst heut zu Tage so zı sagen ganz und gar den Aerzten entrissen, und dafür unwissenden Marktschreyern, oder geld- und ruhmsüchtigen Matronen überlassen ist. Galen empfiehlt unter den schwarzfärbenden Mitteln vorzüglich die Cadmia und die so eben als Prophylactica ange- *) Rhases 56 coot. T. 1ı c. 4. Fol. 503. 2. 326 Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. führten Oele, nach deren Einreibung er einige Stunden später den Kopf mit einer Lauge ex cinere fabarum, cort. nucum, in quo Iytharg. sit coctum, oder mit einer Lauge, in welcher die Pulpa colocynthid. gekocht wurde, waschen lässt. Paul v. Aegina *) will dem Haare eine Goldfarbe dadurch mitgetheilt haben, dass er verbrannten Weinrest (faex pini) mit Oleo balanino zusammengoss, und die Haare damit einschmierte. Auch räth er an, die Haare nach jedem Bade mit Seife zu reinigen. -_ Avicenna**), in dessen Schriften alles gesammelt ist, was vor ihm über dieHaartincturen gesagt wurde, theilt diesel- ben in drey Arten, nämlich in schwarz -, gelb- und weissfär- bende ein. In der ersten Beziehung räth er den Gebrauch der Alcanna i. e. Ligustrum, und darauf das Indicum. Erstere macht gelb, letzteres bringt eine Pfauenfarbe hervor. Das Indicum carmenum färbt zwar weniger und langsamer, aber dafür ist die Farbe um so dunkler. Wendet man aber die beyden Sub- stanzen umgekehrt, d. i. zuerst das Indicum und dann die Alcanna an, so wird die durch das erste erzeugte gelbe Farbe wieder zerstört. Sehr gut soll es seyn, und die Farbe noch dunkler machen, wenn man derselben Tinctur eine Drachme Gewürznelken zugibt. Ein famoses, schon von Galen ***) empfohlenes Mittel ist folgendes: Rp. Calcis Lyihargyri vehement. contriti Cretae aa. part. aequales Aquae g. s. ut conficiatur tinctura, quae cooperiatur folis betae. Ferner zählt derselbe Auctor unter diese Olasse: »Gallae Srivae, Myrrha, Sinapis, Sal, Helleborus, Aes ustum, Scoria ferri, Aqua cortic. fabarum humidarum, Succus cortie. nuc. jugland. virid, Acacia, Foenum graeci, Semen betae, Myrtus, grana ejus, Ladanum, Limatura ferri, Folia et radices cappar. cum lacte coclae, tritae et cataplasmatis forma per noctem applicatae, Cortex rad, ilicis ad mollitiem coctus et imposilus, Salia et Calcanthum ;« — die denn natürlicher Weise unter den seltsamsten Formeln zusam- *) Lib. Can. libr. IV, Fen. VII. tractat. 1. cap, 18 — 23. p. 509 — 511. “Aa 0. eilt. 'de comp. pharm. Sn. loc. e. 32023 Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. 327 sammen verbunden wurden. — Hiezu kommen nun noch al- lerhand, zum Theil abergläubische Mittel. Auch erzählt Avi- cenna, dass zu den Zeiten des Königs Sensaledula ein Leopard seinen Koth auf den Bart des schlafenden Wächters entleert, und diesen sonach schwarz gefärbt habe. Daher denn auch Stercus Leopardi unter die denigranlia gesetzt wurde!! Um die Haare gelb zu färben, dienen nach Galen und Avicenna folgende Substanzen: Aerugo ferri cum aqua draganthi, super quam expectetur. Oder gleiche Theile Alcanna (Ligustrum), faeres vini el rosinae, und etwas von Squinantho (Juncus odoratus) ; ferner: Rp. Lupinorum contritorum dr. X. Myrrhae dr. F. Salis iinctorum dr. jjj. Faecis vini exsiccalae, adustae dr. jjj. Aguae cineris ligni vitis g. s. ut fiat tinclura. Unter die weissfärbenden Mittel zählte Avıcenna folgende: Stercus hirundinum, Cortices raphani, Fel tauri, Vapor sulfuris, Semen enulae, und endlich auch das Einräuchern der Haare mit Schwefeldämpfen. Man würde jedoch sehr irren, wenn man glaubte, die Alten hätten nicht auch die Nachtheile gekannt, welche mitun- ter auf den Gebrauch der genannten Mittel zu erfogen pflegen. Schon Galen *) macht auf ibre schädlichn Folgen auf- merksam, indem er sich wohl in Acht zu ne men empfiehlt, dass davon das Gehirn keinen Schaden leide: »Cum enim medica- menta denigrantia pleraque vim adstringendi habeant, et sint fri- gida, apoplexiam, epilepsiam, sudorem gravem, catarrhos et simi- lia mala inducere possunt.« Namentlich wollte Galen diess bey einigen Weibern beobachtet haben. Aehnliche Erfah- rungen machte auch Rhases*). —Avicenna machte sogar die Beobachtung, dass nach dem Gebrauch der Tincturen die Haare wie Saiten gespannt, und wenn sie kraus waren, gerade wurden, dass sich der Bart runzelte, und die Haare zerbrachen, welchem Uebel er durch das Veilchenöl begegnete. Wurde auch das Gesicht davon schwarz gefärbt, so empfahl er Ein- reibungen mit einem warmen Oele. FAN a.HON8 gi N) 36. cot. I. c. 4. 503. 2 323 Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. Unter den Aerzten des Mittelalters ist es vorzüglich M er- ceurialis und Forestus, welche sich über diesen Gegen- stand weiter, als andere verbreiteten, Ersterer empfiehlt besonders folgendes Mittel zum Sch wär- zen der Haare, indem er angibt, dass es längstens in einem Monat, hie und da auch in einigen Tagen alle Haupthaare färbe: Rp. Myrobalan. nigror. unc. unam Passul. nigr. unc. duas Vini adstringent. lib. 1res. cog. in duplici vase lento igne ad ‘consumlionem duarum tertiarum, deinde adde : Succi cortic. nuc. jugland. virid. lib. semis. Summach. Acaciae aa. une. unam Caryophyllor. une. unam et semis Moschi scrüpl. unum. coqgue ilerum in vase duplici per '/, diem. Mit diesem Mittel werden die Haare Nachts eingeschmiert, und der Kopf mit einem schwarzen Tuche bedeckt. Früh des andern Tages wird sodann der Kopf mit Wein abgewaschen, in Selcheis schwarze Myrobalanen gesotten wurden, Oder: Rp. Folia eitis Cortices radicis ejusdem Parietariam. Coque in aqua, deinde adde: Alumen Gallas et Fitriolum. Misce. Oder: Rp- Nuces virides mense Junio, eosque conlunde et admısce Aluminis scissi libram. semis. Et in olla nova affun- datur Olei libras tres. Stent in digeslione diebus 20. Liquore colato caput ıllinatur. Oder: Rp. Pomum colocynthidis Perforetur, ei semina eximantur, ac repleatur oleo lau- rino et semine hyosciami. Stent per noctem ei oleum exprimatur, quo capılli illinantur. Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. 329 Oder: Rp. Lixioii mensuras V. (?) Lythargyri unc. duas. Folior. salviae Manip. duos Coque ad consumtionem quartae partis $. Pro lotione capitis. Oder: Rp. Tartar. unc. unam. Lytharygr. unc. semis Succi salviae q.s. misc. in mortario plumbeo, ut fiat unguentum, quo cum pectine plumöbeo capiılli ıllinantur. Borellus rühmt zur Färbung grauer Haare folgendes Mittel: Rp. Ciner. clavell. unc. jj. Aguae purae lib. IV. Bulliant ebullitione una tantum in vase aeneo: in decoctione ab aöre remota exslingue Calcıs vivae unc. IV. qua exstincta adde: Plumbi usti Lithargyr. aurei aa. unc. j. Bulliant omnia simul bis vo. ter. Sennert *) ermahnt übrigens bey dem Gebrauche sol- cher Mittel nicht gleich die Geduld zu verlieren, sondern sie wenigstens einen Monat fortzusetzen. Auch hält er es für sehr nützlich, dass früher der Kopf mit einem passenden Decocte ge- waschen werde, welches den Tincturen gleichsam den Eingang bereitet, und macht, dass sie länger haften bleiben, und zwar ganz nach Art der Tuchfärber, welche um schwarz zu färben, immer zuerst die rothe Farbe durch die Rubia, oder die blaue durch die /satis auftragen. Dem zu Folge sollen die Haare vorher immer mit einer Lauge gewaschen werden, in welcher Alumen cochae aufgelöst ist. Uebrigens gibt er als ein sehr ge- bräuchliches Mittel folgendes an: Rp. Lixivü libr. semis Coque in eo hythargyr. auri unc. quatuor. Mit diesem Decoct werde ein Schwamm getränkt, und so die Haare durch eine Viertelstunde an einem warmen Orte befeuchtet. Jetzt wird der feuchte Kopf eine Stunde lang mit *), Asa, (ee) I 01 [#7] =) 330 Von dem krankhaften Ergrauen der. Haare. einem Tuch bedeckt gehalten, sodann Kopf und Haare mit einer einfachen, nicht zu starken Lange abgewaschen, und das Ganze zweymal in einer Woche wiederholt. Dergleichen Tincturen zum Schwarzfärben der Haare ge- brauchten jedoch selbst die deutschen Mädchen und Frauen auch dann, wenn sie ihre blonden oder braunen, an und für sich schönen Haare schwarz haben wollten, und glichen, wie Sennert sagt, jenem Neger, der sich an dem Hofe eines deutschen Fürsten aufhielt, und oft, wenn er unter den Frauen eine schöne Blondine, und zugleich eine schwarze Katze sah, zu sagen pflegte: Du bist nicht schön mein Mädchen, sondern jene Katze ist es. »Gaudet sic concolor atro *).« Um die Haare gelb zu färben, empfiehlt Sennert zu- erst den Kopf und die Haare am besten durch eine Bürste mit Wasser oder einer Lauge zu reinigen, in welch’ letzterer Flores genistae oder verbasci dutei, stoechadis citrinae, chamaemeli, Cor- tex citri, Rad, cucum., gentiänae infundirt waren. Auch die ın Wasser gekochten Lupini, so wie das Honigwasser und Honigöl machen seiner Angabe zu Folge die Haare gelb. $. 167. Die früher angeführten Nationalverschiedenheiten der vie- len Völker der Erde, und ihre mancherley Moden in Bezug auf den Haarputz haben uns gezeigt, dass man sich auch seit der christlichen Zeitrechnung in Europa, und den angränzen- den Theilen der andern Welttheile, so wie selbst noch unter den wilden Völkern Amerika’s und Australien’s mit dem Fär- ben der Haare abgegeben hat, und noch abgibt. So eifert im zweyten Jahrhundert der christlichen Zeit- rechnung der Kirchenvater Tertulian, wie überhaupt ge- gen den Haarputz, so auch insbesondere gegen die unter den ersten Christinnen aufgekommene Sitte, das dunkle Haar mit Safran lichtgelb und feuerfarbig zu machen, indem er sagt, dass sie sich auf diese Art zu den höllischen Flammen vorbe- reiten. Doch ist sowohl diese Art Färbung, als auch jene der caucasischen Frauen (welche bekanntlich statt ihrer schwarzen Haare rothe haben wollen) mit Cochenille und Krapp, und die der Osagen mit Vermillon ein blosses mechanisches Auf- tragen, welches also auch täglich wiederholt werden muss. *) Jul. Scaliger. Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. 331 Kräftiger, und mehr auf eine chemische Art wirkt das von Krünitz *) empfohlene Mittel, welches also lautet: Um graue oder rothe Haare braun oder schwarz zu fär- ben, nimmt man gestossene grüne Schalen von welschen Nüs- sen 4 Loth, gestossene Galläpfel 4 Loth, Weidenbaumkohlen 2 Loth, Kochsalz 4 Loth, gestossene trockene Pomeranzen- schalen @2 Loth. Dieses alles wird mit einer Kanne Wasser so lange gekocht, bis eine dicke Salbe daraus wird, womit die Haare Morgens und Abends eingeschmiert werden. Eine Vier- telstunde nach dem Einschmieren bestreut man die Haare mit fein gepulverter Veilchenwurzel. — Jahn hält jedoch dieses Mittel wegen seines Antheils an Kochsalz für schädlich. An- dere empfehlen bloss den Absud von grünen welschen Nuss- schalen, Klettenwurzel und Salbey zum Waschen des behaar- ten Kopfes; noch andere brennen zu diesem Zwecke Nuss- baumschwamm zu Pulver, lösen es in Nussöl auf, und schmie- ren damıt die Haare. Um dunkle Haare blond zu machen, nimmt man nach Krünitz weisse Seife 3 Loth, arabisches Gummi 4 Loth und Wegbreitwasser 146 Loth, mischt alles zusammen, und wäscht damit die Haare Morgens und Abends. Damit die Nässe dem Kopfe nicht schade, kann man jedesmal '/, Stunde nach dem Waschen florentinische Veilchenwurzel und Pulver in die Haare streuen. Krünitz sagt, dass die Haare davon nach 8 — 40 Wochen eine sehr angenehme Farbe annehmen. Der eigentlich wirksame und bleichende Bestandtheil dieser Zu- sammensetzung ist die Seife durch ihren Gehalt an Natrum. In einem später erschienenen Damentaschenbuch las ich folgende Anweisungen zum Schwarzfärben der Haare; 4) Fleissiges Kämmen mit einem Kamme aus Bley. 2) Man mache mit Wasser aus zwey Theilen Bleyglätte, einem Theil ungelöschten Kalks, und zwey Theilen Kreide einen Teig, und bestreiche damit das zum Einwickeln der Haare bestimmte Papier. Nach vier Stunden sind die Haare schwarz, die man sodann kämmt und abwäscht. 3) Etwas mehr Vorsicht erfordert es, wenn man die Haare mit einem Absud von gleichen Theilen Ebenholz und Bleyerz, zu dem man etwas Kampfer gesetzt hat, oder "ira. D: ‚552 Von dem krankhaften Ergrauen ler Haare. mit einer Auflösung von Bleyzucker mit Zusatz von et- was gewöhnlichem Zucker wäscht. 4) Durch salpetersaures Silber, indem man zu zwey Thei- len einer solchen salpetersauren Silberauflösung drey Theile Wasser und einen Theil Weingeist setzt, und die Haare damit anfeuchtet, nachdem man vorher das ‚ganze Gesicht mit Oel eingerieben hat. 5) Man koche mit 400 Loth Wasser 4 Loth grüne Nuss- schalen „4 Loth Galläpfel, 2 Loth Kohlenpulver, 4 Loth Kochsalz, 2 Loth Pomeranzenschalen (alles gestossen) zu einem Brey, bestreiche damit Morgens und Abends die Haare, und bestreue sie eine Viertelstunde nachher mit Harcntinischee Veilchenwurzel. (Ist beynahe ganz dem von Krünitz empfohlenen Mittel gleich.) 6) Mit Kohle, indem man die Haare mit Kohlenpulver ein- stireut, oder sie mit einer schwarzen Pomate einsalbt. Endlich 7) Oefteres Abschneiden. Von diesen Mitteln ist jedoch zu bemerken, dass Nr. 1, 2 und 5 wegen des Antheils an Bley ,'Nr. 4 Ihr wegen der bekannten ätzenden und daher zerstörenden Eigenschaft des salpetersauren Silbers den Haaren und was noch wichtiger ist, der allgemeinen Gesundheit des Körpers im hohen Grade nachtheilig werden können. Von Nr. 5 gilt das schon früher über das Krünitz’sche Mittel Gesagte. Nr. 6 wirkt nur höchst vorübergehend mechanisch, und Nr. 7 kann höchstens nach langer Zeit die Haare etwas dunkler machen. Nach Jahn fällt es durch Schwefelbalsam ın Verbin- dung mit wenig Eisen und einer Pomate aus Mark und Schne- cken leicht, Haare, die in der Jugend oder im männlichen “Alter erbleichten, nachdem ihre Krankheit gehoben worden, blond zu machen, was jedoch im Alter nicht mehr möglich ist, indem hier zu kräftigern Mitteln geschritten werden muss. Diese sind nun Schwefelbalsam in Verbindung mit essigsaurem Risen und Galläpfelabsud, oder Galläpfeltinetur. Jahn ver- sichert, dass gelbe und rothe Haare häufig schon bloss durch essigsaures Bit und Markpomate zur tiefsten Schwärze ge- bracht werden, dass Schwefelbalsam und eine geringe Menge essigsaures Eisen auch ältere Haare blond zu färben vermö- gen, ’sobald nach der Einreibung der Eisenbrühe noch Kräu- selung entsteht, die Einreibung täglich einmal geschieht, AR ““ Von auatisn Ergrauen der Haare. 333 und damit nährende Pomaten gleichzeitig gebraucht werden; dass ferner graue Haare durch Schwefelbalsam und eine grös- sere Menge essigsaures Eisen braun zu färben seyen. Reicht alles dieses nicht hin, oder will man eine starke, tiefe Schwärze erhalten, so muss man auf die vorausgegangene Einreibung der Eisenbrühe, d. i. nachdem diese letztere auf den Haaren vertrocknet ıst, Galläpfelabsud in Anwendung bringen, welcher, wie bekannt, das von den Haaren aufge- nommene Eisen schwarz niederschlägt. — Alle diese Mittel sind so lange täglich zu brauchen, bis die erwünschte Farbe Stand hält, hierauf aber in längern Zwischenräumen, wö- chentlich, dann monatlich 1—2 Mal fortzusetzen. Noch führe ich die Methode an, nach welcher, wie uns Gmelin*) berichtet, die Frauen in Astrachan ihre Haupt- haare und Augenbraunen schwarz zu färben pflegen: Sie legen zu Pulver gestossene Galläpfel auf eine eiserne Platte, machen eine andere gleiche Platte glühend, und brennen mit dersel- ben das Pulver, bis es ein Oel von sich gibt. Wenn etwas Was- ser zugegossen worden, so wird das Pulver auf der Platte so lange mit Schwefelkupfer zusammengerieben, bis eine schwar- ze Tinctur entsteht. Das Schwefelkupter wird dadurch bereitet, dass man sehr dünn geschlagene, in kleine Stücke zerschnit- tene Kupferplatten, die auf beyden Seiten mit Schwefel be- strichen worden, in einen Topf bringt, diesen bedeckt und ver- schmiert, nnd ihn nun in einem Ofen glühend werden lässt. Wenn die Haare auf dem Haupte mit dieser Tinctur bestrichen werden sollen, so werden sie erst in die Höhe gebunden, und bey dem Bestreichen die Haut am Gesichte und Halse ver- schont; die Augenbraunen aber werden mittelst eines Pinsels benetzt. Die so entstehende Schwärze soll aber nach Gmelin nur vier Wochen anhalten; auch leitet er den frühen Tod und die häufigen Augenleiden jener Frauen von den nachtheiligen Wirkungen des Kupfers her. Nicht viel weniger schädlich ist auch die neuerlich von Thenard **) empfohlene Vorschrift zu diesem Zwecke: Man nimmt 4 Theil Bleyglätie, '/, Theil gelöschten Kalk und 4 Theil Kreide, sämmtlich fein gepulvert. Diese Substanzen werden sorgfältig gemengt, und hierauf mit Wasser zu einem *) Reise durch Russland, 2ter Theil p. 156. **) Traite de Ghimie. Vol, III, p. 650. 334 Von dem krankhaften Ergrauen der Haare. Brey gemacht. Von diesem streicht man dünne Lagen auf Papier, und wickelt damit die Haare auf die gewöhnliche Art. Nach Verlauf von vier Stunden ist die Wirkung erfolgt. Die Wickel werden abgenommen, und die Haare durch Kämmen und Waschen von dem anhängenden Brey gereinigt. Nach Jahn färbt dieses Mittel zwar blonde Haare sicher schwarz, aber keineswegs graue, die wenig Schwefel enthalten. Uebri- gens wird es leicht schädlich durch den Kalk und das Bley. Um endlich noch in jenen Fällen, wo es unmöglich ist, ın den ergrauten Haaren eine schwarze Farbe auf eine chemi sche Art zu erzeugen, diess wenigstens an ihrer äussern Ober- fläche zu Stande zu bringen, empfiehlt Jahn das Wismuth- weiss, welches die Eigenschaft hat, von Schwefelwasserstoll- gas und solchen Miasmen, also auch von thierischen Ausdün- stungen bräunlichschwarz gefärbt zu werden. Man mengt es daher unter die Pomate, und erzeugt so auf Haaren, die nur wenig ausdünsten, eine schwarzbraune Farbe, die noch schwär- zer wird, wenn man der Pomate Schwefelbalsam zusetzt. Man begreift übrigens leicht, dass die Aufschmierung sol- cher Pomaten wenigstens täglich einmal geschehen müsse, weil sie nur oberflächlich an den Haaren kleben, und daher vielar- tig abgenutzt werden. Anmerkung 1. Die zum Schwarzfärben lichter Haare gebräuchliche Silbersalpeterauflösung ıst unter dem Namen Eau de Chine bekannt. Einige ziehen zu gleichem Zwecke eine Auflösung des Silbersalpeters ın Aether vor. Anmerkung 2. Weisse Zwiebelschalen gestossen und mit etwas Feıt zu einer Pomate gerieben, sollen die blonden Haare der Kinder fortwährend bis ins Alter so erhalten. Anmerkung 3. In dem Diction. des sciences medicales *) lese ich, dass auch die in Essig zerriebenen Blätter des Cypressenbaumes die bleichen Haare schwarz färben. Anmerkung 4. Aehnliche andere Mittel zum Haarfärben sollen sich im „Embellissement du corps humaın par Liebaut Paris 1582« finden, Anmerkung 5. Um rothe Haare blond zu färben, fand ich auch fol- gendes Mittel empfohlen: Nimm 1 Loth venetianische Seife, löse sie in 16 Loth Wegbreitwasser auf, und reibe die Auflösung Mor- gens und Abends ein, *) Article Chevelure von Mouton, Von dem Ueberschuss an Pigment. 335 Anmerkung 6. Lorry *) hält gar nichts auf alle diese Mittel, und sagt: „Haec salutarem artem nulla ratione spectare possunt, unde de iis prorsus silere melius est. Vana enım cosmeticorum ars sa- nitati potius officit, quam prodest,« Anmerkung6. Noch andere Mittel, um die Haare blond zu färben, sind vonVillanuova**) angerülmt worden. Anmerkung 7. In der neuesten Zeit soll hier zu Lande eine Frau mit einem Gemisch von calcinirten Hirschhorn,, Cremor tartari, Galläpfeltinctur und Rosenwasser die bleichen Haare mit vielem Glücke schwarz färben. Anmerkung 8. Das unzweckmässigste, albernste und schädliche Mit- tel gegen die grauen Haare ist das Ausreissen derselben. Dass es in Paris Frauen gibt, die an 800 solcher Haare in einer Stunde mit der Zange ausrupfen können, und zum Theil von dieser Kunst leben, mildert meinen Ausspruch keineswegs, und enikräftet ıhn noch weniger. $. 168. c) Ueberschuss an Pigment. Ein viel seltenerer Fehler an den Haaren ist der Ueber- schuss an Färbestoff, in Folge dessen sodann die Haare fort- während abfärben, so zwar, dass sich selbst schon an der sie berührenden Hand Pigment ansetzt. So sollen nach Heusin- ger’s Angabe***) in südlichen Gegenden die Damen über ihre schwarzen Haare klagen, dass sie allen Kopfputz färben. In unsern Gegenden wird man wohl mehr eine vermehrte Haut- und Haarausdünstung,, als eine zu grosse Menge abgesetzten Pigments anzuklagen haben. Uebrigens räth Heusinger für jene Fälle, wo die Haare wirklich abfärben, alle Fette zu ver- meiden, weil diese das Pigment ausziehen, und die Haare grau machen; dagegen soll man sie mit Vortheil von Zeit zu Zeit mit Weitzenkleye kämmen. *) A.a.0O, p. 607. ”*) A, a. 0. 2.1648. De ornatu mulierum. *”**) Meckel’s Archiv, Bd. 7. Hft. 3. p. 404. 336 Von der qualitativ abnormen Beschaffenheit etc, $. 169. d) Von N qua alitativ abnormen Beschaf- fenheit des Pigments in den Haaren. Ich zähle hieher alle jene Haare, welche eine andere, als die oben $. 148 aufgezählten natürlichen Farben an sich tragen. Zwar habe ich ebendaselbst *) einige Beyspiele von für normal ausgegebenen grünen Haaren angeführt; allein seit jener Zeit ist man der Meinung treu geblieben, dass alle grün und blau gefärbten Haare nur bey. Leuten zu treflen sind, welche an Metallen arbeiten, indem der Staub, welcher sich von diesen Metallen an die Haare setzt, eine solche Ver- änderung ihrer Farbe hervorbringt. Diess gilt namentlich von den Haaren jener Leute, welche sich mit dem Verarbeiten und Gewinnen des Kupfers beschäftigen, also bey Bergleuten und Kupferschmieden; blaue Haupt- und Barthaare, ja selbst blaue Augenbraunen trifft man hingegen bey Bergleuten, die in Kobaltwerken arbeiten; blauliche, ins Grüne übergehende Haare bey Messingdrahtmachern, vorzüglich dann, wenn sie sich auch mit dem Zuspitzen messingener Nadeln beschäfti- gen. Bey den Rothgiessern sollen die Haare ebenfalls grün werden **). Jahn versichert, dass sich die weissen, gelben und rothen Haare leichter und stärker auf solche Art färben, als die braunen und schwarzen. Uebrigens ist es wichtig, zu wissen, dass sich diese abnorme Färbung der Haare keines- wegs bloss auf die Oberfläche derselben beziehe, sondern dass sie innig mit der ganzen Substanz der Haare vereinigt, und da- her äusserlich nicht abzuwaschen oder abzuschaben sey. ***). Caspar Schott sah zu Rom ebenfalls einen grünen Bart 529: In therapeutischer Hinsicht lässt sich dagegen nichts, als die Entfernung der Gelegenheitsursache, also die Wahl einer andern Beschäftigung anrathen. *) In der Anmerkung. ’*) Hannaei de capillitio viridi observat. in den Miscellen, d. Nat, curios, Dec. Il. a. 7. Obs, 155. ***) Siehe weiter über grüne Haare bey Borellus C.II, Obs. 56. Bar- tholin I, Epistol, 40. App. ad Ephemerid, N. C. Annus IV. Dec. I. p. 203. *#*®) Gent, I. jocos. art, et natur, propos. 65. p. 59. Von dem Farbenwechsel der Haare, 337 ! Anmerkung. In heftigen Gelbsuchten will man die Haare auch gelb gesehen haben *). Dass die grüne Farbe der Kupfergiesser wirklich vom aufgenommenen Kupfer herrühre, beweiset Lan- gier’s Versuch, der in den vor Alter weissen, aber zugleich deut- lich grünlichen Haaren eines 60jährigen Kupfergiessers durch Sal- petersäure Kupfer ausziehen konnte **). $. 170. e) Von dem Farbenwechsel der Haare. Es erübrigt jetzt noch den Punct zu berühren, dass nor- mal gefärbte Haare öfters ihre Farbe ändern, und mit einer andern wechseln. So lese ich ***) den Fall von einer Person, deren von Natur weisse Haare jedesmal, wenn sie das Fieber hatte, fahlroth wurden, und nach geendigtem Fieber wieder ihre vorige Farbe erhielten. — Eine 66jährige Frau hatte ganz weisse, wie Glas durchsichtige Haare, welche vier Tage vor ih- rem Tode an der Lungenschwindsucht schwarz wurden. Bey der Zergliederung fand man die Haarwurzeln sehr gross, und von dem Mark der Haare gleichsam überladen (??). Die ein- zelnen, hie und da noch vorgefundenen weissen Haare hatten kleinere, gleichsam eingetrocknete Zwiebel ohne alles Mark ****), Glisson kannte einen Menschen, dessen Haare während einer langen‘, mit vielem Regenwetter verbundenen Reise weiss wurden; nach vollendeter Reise aber, und nachdem der Kör- per durch einige Zeit wieder gestärkt war, ihre vorige Farbe wieder bekamen. Ich habe schon früher einige Fälle erzählt, in welchen die Haare in und nach Krankheiten ihre Farbe veränderten. Ein Prediger kränkelte lange; in einer Nacht verlor der Kran- ke im Schlaf den Bart, die Augenbraunen, Augenwimpern, kurz alle Haare auf dem ganzen Leibe. Alle jungen Haare, die wieder hervorsprossten, waren, statt schwarz, blendend weiss. Auch ist eine Krankengeschichte +) angeführt, in welcher *) Riedlini lineae medicae ann. 1697. Feb. Obs. VII. p. 88. **) Journal de Chtmie medicale, de Pharmacie et de Toxicologie. a Parıs 1626. Nr. 3. p. 119. **“*) Im Journal compl. du Dict. des sciences medicales. ****) Recueil de la Societe de medicine de Paris. an. 7. Nr. 22. +) In den Memoires de l’Academie des Sciences de Paris, ann, 1702. Eble’s Lehre von d, Haaren. II. Bd. 22 338 Starke und zu schwache Aussonderung etc. schwarze Haare nach einem Laxiermittel ausfielen, und dann wieder, aber blond nachwuchsen. In einem andern Falle wur- den graue Haare nach einem Wochenbette blond. — Nach ge- heilter Tinea sieht man öfters weisse Haare erscheinen, ‚die sich in der Folge bloss an ihrer Wurzel färben. Dr. Fautral, Arzt bey den mit Kopf - Grind Behaf- teten, behauptet, dass, wenn die Haare, welche bey jungen Individuen ihrer ganzen Länge nach weiss werden, gefärbt nachwachsen sollen, man sie nur ausfallen lassen darf. Alibert beobachtete, dass eine Dame nach einem hef- tigen Fieber und beschwerlicher Geburt ihr schönes blon- des Haar verlor. Dabey ergoss sich eine zähe schmierige Flüs- sigkeit über den ganzen behaarten Theil des Kopfes, und nach der gänzlichen Herstellung kamen schwarze Haare hervor. Auch sah er hochrothe Haare erscheinen bey einem Menschen, der früher braune hatte, und nun krank wurde. — Ein g6jähriger Schneider hatte unter seinen schwarzen Haaren nur noch we- nige graue. Eine Stunde nach seinem Tode wurden die schwar- zen Kopf- und Barthaare schneeweiss *), Alle diese Beobachtungen beweisen augenscheinlich, in welch’ wichtiger, aber leider von uns noch immer nicht gehörig gekannter Verbindung die Absonderung des Pigments in den Haaren mit der Oekonomie des ganzen thierischen Körpers ste- he, und geben uns eine wohl zu beachtende Lehre, sorgfältig alles zu sammeln, was dereinst über diesen Punct Aufschluss geben könnte. Bis dahin sind sie ein weiterer Beweis, wie thö- richt es sey, die Haare für so unbedeutende ‘Theile des Körpers zu halten, als man lange, und selbst noch in den neuern Zeiten, zu thun gewohnt war. $. 171. 2. Von der zu starken und zu schwachen Aussonderung der Haarschmiere (Ziparo- trichia et Xerotrichia). Wie in allen Ab- und Aussonderungen, so muss auch bey jener der sogenannten Haarsalbe ein gewisses Mass beob- achtet werden. Nun aber ereignet es sich hie und da, dass die- *) J.B.Gründel in Ephemerid, N. C. Dec. II. Ann. VIII. Obs. 103. Starke und zu schwache Aussonderung etc. 330 ses Normalmass überschritten wird, und dass demnach die Haare an ihrer ganzen Oberfläche eine zu grosse Menge jener schmierigen Materie absetzen. Die Folge davon ist, dass sie geschmeidiger, glänzender, schlichter (eigentlich immer gerade herabhängend), und überhaupt weicher werden, auch wohl in der Regel leichter ausfallen. Es ist leicht einzusehen, dass unter solchen Umständen der Schmutz am Kopfe und seinen Bede- ckungen auf eine unangenehme Art unterhalten wird. — Das Uebel ist häufig mit grosser Geneigtheit zu Schweissen, nach meinen Beobachtungen aber nicht selten mit allgemeiner Fett- leibigkeit vergesellschaftet. Ueber die Aetıologie desselben ist wenig bekannt, Die Anlage dazu findet man bey allen jenen Menschen, deren Hautausdünstung überhaupt besonders reichlich von Statten geht, und deren ganze Körperoberfläche stets wie mit einer öligen Flüssigkeit überzogen zu seyn scheint. Unter den Gelegenheitsursachen mag wohl das zu häufige Einschmieren der Haare mit fetten, öligen Substan- zen, ferner der Genuss solcher Nahrungsmittel, welche über- haupt die Erzeugung des Fettes im Organismus befördern; in manchen Fällen auch Unsauberkeit zu zählen seyn. Nach der Verschiedenheit dieser Verhälinisse ist dann auch das Uebel leichter oder schwerer heilbar. In der Mehr- zahl der Fälle ist man nicht im Stande, es gründlich zu heben, und Alles, was man dagegen thun kann, beschränkt sich einer- seits auf die Entfernung oder Schwächung der angeführten Ur- sachen, andererseits aber auf die Hemmung der übermässigen Fetterzeugung in der behaarten Haut selbst. In letzterer Beziehung dürfte wohl dasselbe Heilverfahren eingeschlagen werden, welches ich oben gegen die Alopecie aus Ueberfluss an Fett in der Haut anempfohlen habe. Anmerkung. Alibert spricht von einer Frau, deren Haare sich vor der Heirath stark kräuselten, aber nach der ersten Schwan- . gerschaft beständig feucht blieben, so dass es unmöglich war, sie in Locken zu bringen. Zugleich wurden auch die Achselhaare viel öliger an ihrer Oberfläche. Das Gegentheil davon ist jener Zustand der Haare, in welchem sie nicht die hinreichende Menge jener Salbe abson- dern, und daher an ihrer Oberfläche trocken, und auch sonst steifer, welk, grau und zugleich gespalten erscheinen (Xero- * 22 340 Von dem Weichselzopfe. trichia). Der Grund dieser mangelhaften Excretion liegt ent- weder in allgemeiner oder örtlicher Schwäche, oder in einem offenbaren Mangel an Fettmaterie im Körper überhaupt, oder an dessen behaarten Theilen. Man hat wohl auch dem kalten Waschen des Kopfes Schuld gegeben. Diesem Uebel handelt man natürlich auf dieselbe Art entgegen, wie ich schon frü- her beym Gebrauch der, zum Ersatz der zu dürftig abgeson- derten Haarsalbe bestimmten Pomaten, auseinander gesetzt habe. 3. Von dem Weichselzopfe. 6. 172. Een tele ame Da diese Krankheit, wie wir gleich hören werden, nur in einem verhältnissmässig sehr kleinen Theil der bewohnten Erde vorzukommen pflegt, so haben nur wenige Aerzte die Gelegenheit, sie wissenschaftlich beobachten zu können. Un- ter diese letztern gehöre nun auch ich, indem ich wohl eini- ge mit dem Weichselzopfe behaftete Menschen gesehen ha- be, mir aber nichts desto weniger über die vielen andern, bey einem flüchtigen Anblick nicht zu unterscheidenden Ei- genthümlichkeiten dieser höchst wichtigen, noch immer nicht gehörig aufgeklärten Krankheit kein, auf eigene Erfahrung ge- stütztes, Urtheil erlauben kann. Was ich demnach in den folgenden Paragraphen sage, ist aus den wichtigsten und be- sten Quellen, also aus den Schriften anderer Aerzte gezogen, und der Vollständigkeit des Werkes zu lieb hier angereiht. Sollten übrigens meine, mit Genauigkeit und gewissenhafter Treue angestellten anatomisch - physiologischen Untersuchun- gen des Baues und der Verrichtungen der Haare überhaupt zur Aufklärung dieser räthselhaften Krankheit, oder auch nur zur Bekräftigung irgend einer noch nicht hinlänglich erprob- ten Meinung über jene etwas beytragen, so wäre ich in ho- hem Grade zufrieden. v Von dem Weichselzopfe. 341 $. 173: Bestimmung des Begrifls. Der Weichselzopf ist eine ganz eigenthümliche, bald selbstständige, bald symptomatische, endemische, und, unter gewissen Umständen ansteckende (?) Krankheit behaarter Haut- stellen, der Haare selbst, und manches Mal auch der Nägel, die sich durch entzündliche Anschwellung der Haarwurzeln, aus denen sich eine schleimige, klebrige, selbst zuweilen blu- tige Materie ausdrücken lässt, ferner durch Verdickung der Haare selbst, durch Befeuchtung derselben mit einem klebri- gen, öligen , sehr widrig riechenden Stoff, durch Verwirrung in unauflöslich zusammengeklebte Zöpfe oder Wülste u. dgl., auch wohl, obgleich selten, durch Entzündung der Finger- oder Zehenspitzen, Schmerzhaftigkeit der rothen, braunen oder bley- farbigen Nägel, Verdickung und Entartung derselben in un- tförmliche Hornmassen äussert *). $. 174. Benennung der Krankheit. Diese Krankheit hat verschiedene Benennungen erhal- ten, welche ich hier anführen will. Die allgemeinste ist wohl Plica polonica, von Aıxsıv plicare, daher heisst sie auch im Griechischen wAsxrayy und spıxwun«; lateinisch: Plica polonica, judaica, Trica, Tricae incuborum (Schenk), Tricae scrophorum, Trichoma (Manget, Sauvages, Gullen u. a.); Plica cirrho- sa, s. masculina (wenn Zöpfe gebildet werden); Plica villosa, s. feminea (wenn Wülste entstehen); Cirragra, Cirrhagra Polono- rum, Capillitium intricatum, Coma Caesarea, Lues trichomalica, Lues pokutiensis, Lues sarmatica, Lues pocucica, Lues polonıca, Affectio sarmatica, Ropalosis (Linn, Vogel); Helotis (Agri- cola); Lues koltonica (Richter); Gwozdziec, Gwordziez oder Gwodziec bey den Pohlen; Koltun bey den Roxolanern; deutsch: Weichselzopf, Wixelzopf, Wichtelzopf, Judenzopf, Wehrlocke, Mahrenflechten, Mahrenloche, Mahrenwichtung, *) v. Raimann’s Handbuch der speciellen medicinischen Pathologie und Therapie. 2ten Bdes. Wien 1825. p- 166. 342 Von dem Weichselzopfe. Alpzopf, Schrottlingszopf, Schrötleinszopf, Bichtelzopf, Schrai- telzopf, Truden- oder Hexenzopf; holländisch: Hairolegt; schwedisch: Hartofwa oder Martofwa;, dänisch: Marlock. Die meisten dieser Benennungen beruhen auf irrigen, viele sogar auf abergläubischen Ideen, in welche wir nicht weiter eingehen wollen. $. 175: Vaterland und Ausbreitung der Krankheit. Glaubwürdigen Nachrichten zu Folge hat man bis auf diesen Tag den Weichselzopf in verschiedenen Gegenden Eu- ropa’s beobachtet, obgleich es eine ausgemachte Sache bleibt, dass Pohlen und die angrenzenden Gegenden von Russ- land und Ungarn, im strengsten Sinne jedoch nur ersteres als das wahre Vaterland dieser merkwürdigen Krankheit an- zusehen ist. Hauptsächlich sind es die Üfergegenden der Weich- sel und des Dniepers, also Lithauen und Samogetien, welche sich das Uebel noch gegenwärtig zum vorzüglichsten Wohnsitz gewählt hat. Doch hat sich die Krankheit keines- wegs, wie man wohl glauben möchte, auf sumpfige und mora- stige Gegenden beschränkt, sondern man trifft sie, obgleich weit seltener, auch in trockenen und bergigen Landschaften Pohlens an. Merkwürdig ist es immer, dass mit der fortschreitenden Kultur dieser Länder auch diese Krankheit nach und nach an Ausdehnung abgenommen hat; denn in frühern Zeiten sah man sie auch in Holland, im Elsass, im Breisgau, und über- haupt an den beyden Ufern des Rheins. Sennert beobach- tete sie bey einem Soldaten in Thüringen, dessen Mutter ebenfalls davon befallen war; Wedel in Deutschland; Stabelin Schlesien, Holst zullamburg, Luttike zu Jena; am häufigsten unter Deutschlands Gegenden traf man sie inSachsen, dessen Beherrscher damals und noch lange Zeit Könige von Pohlen waren, und daher viele Pohlen an den Hof nach Dresden, und so auch den Weichselzopf nach Sachsen brachten. In Ober-Ungarn, Scaps, Arva und Liptau sah sie Dan. Fischer, in der Gegend von Pressburg Jour- dan selbst. Nach Sartori und dem Baron von Schwart- Von dem Weichselzopfe. 343 ner hat man sie auch im tiefen Ungarn, im Bannat, in Slavonien und Groatien beobachtet. Selbst m Ober- Steyermark sah sie Jourdan, früher Fonsaca zu Pa- dua, Plempius zu Pavia, und in der neuern Zeit Ali- bert 2—35Mal selbst zu Paris. Was jedoch Russland be- trifft, so ist der Weichselzopf, nach den Berichten eines rus- sischen Militär-Arztes heut zu 'Tage aus Podolien, Volhy- nien und der Ukraine ganz verbannt, seitdem sich die dor- tigen Einwohner der russischen Dampfbäder bedienen. $. 176. Ursprüngliches Auftreten der Krankheit. Obschon aber diese Krankheit von dem pohlnischen Lande ihre Benennung erhalten, und obgleich manche Schrift- steller sie als ein besonderes, nur in Pohlen einheimisches, endemisches Uebel betrachtet haben; so ist es doch ausser al- lem Zweifel gesetzt, dass sie daselbst nicht allein, wie eben be- wiesen wurde, nicht ausschliesslich vorkomme, sondern dass sie auch nicht von jeher alldort zu Hause war. Denn es schweigen die frühern Schriftsteller dieses Landes ganz von dieser oder einer ähnlichen Krankheit sowohl dem Namen als der Sache nach, und dem Zeugnisse der bewährtesten Autoren zu Folge vermuthel man die ersten Spuren davon in den letzten Jahren des dreyzehnten Jahrhunderts, obgleich Stadler den Weich- selzopf erst gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts entste- hen lässt. Hercules von Saxonia sprach sogar in einer eigenen Schrift die Vermuthung aus, dass die Gorgonien- und Furienköpfe der alten Dichter nicht aus dem Reich der Fa- bel, sondern der Wirklichkeit genommen, und dass sie nichts anders, als factische Beweise von dem schon damals bestande- nen Weichselzopfe seyen: „Caput Gorgonium, caput Furiarum vera humana capita fuisse, et Jietitüs poelarum occasionem prae- buisse.“ Wirklich steht nach meiner Einsicht dem Glauben, dass so wie in unsern Tagen, und beynahe in allen Gegenden der Erde der Weichselzopf sporadisch vorkommen kann, er auch schon in den ältesten Zeiten der Geschichte da und dort, doch nie endemisch wie in Pohlen, beobachtet wurde, gar nichts im Wege. 344 Von dem Weichselzopfe. Uebrigens herrscht über die genaue Bestimmung der Epo- che, in welcher unsere Krankheit zuerst in Europa auftrat, ebenfalls keine Uebereinstimmung. Denn während Dethar- ding das Jahr 4279 dafür annımmt, bestimmt Hirschel das Jahr 1287 undErndtel gar 1289. Indessen kommen sie wenig- stens alle darın überein, dass sich der Weichselzopf besonders häufig nach den Einfällen der Mongolen (die man fälschlich auch Tataren nannte) zeigte. Von diesen Einfällen kommt der erste auf das Jahr 1241, und die beyden andern auf das Jahr 1287; den dritten machte jedoch der tapfere Pohlen-Fürst Lestk o durch seinen muthi- gen Widerstand weniger verwüstend. Und dennoch war es ge- rade dieser, auf welchen sodann der Weichselzopf zum ersten- mal erschien. Die Frage, auf welche Art nun diese Krankheit den Pohlen von den Mongolen mitgetheilt wurde, gab zu den son- derbarsten Fabeln Veranlassung, die wiederum beynahe alle ihren Grund in den empörendsten Grausamkeiten dieser wilden asiatischen Horden hatten, in deren Gefolge man ohne alle Verwunderung epidemische und ansteckende Krankheiten aller Art unter den unglücklichen Russen, Pohlen, Ungarn und Siebenbürgern voraussetzen darf. Der Meinung von Dugloss, Stabel, Juch und Spren- gel zu Folge hätten die Mongolen diese Krankheit von den Ufern des Ganges mitgebracht, wogegen jedoch Gartheu- ser und viele Andere streiten. Andere, z. B. Erntel, sagen wieder, dass sie unter den Mongolen durch den unmässigen Genuss des Pferdefleisches entstanden sey; im Grunde aber sprechen alle historischen Thatsachen und Verhältnisse dafür, dass zwar der Weichselzopf in Pohlen erst nach dem dritten Einfall der Mongolen entstanden sey, dass er jedoch weder durch sie hingebracht, noch durch sie in Pohlen entwickelt worden sey. Nach Dr. Carl Weese *) ist es höchst wahrschein- lich, dass die Plica erst seit dem Einde des sechzehnten Jahr- hunderts in-Pohlen bekannt, und die Provinz Pokutien die Wiege derselben ist, wo sie nach Erasmus Sixtus zuerst am Fusse des Bieszczad (Karpathen) an der ehemalig pohl- *) Ueber die Plica polonica, ein historisch kritischer Versuch ın Rust’s Magazin, 25. Bd. 2tes Heft. p. 301 — 349. 1827. Von dem Weichselzopge. 345 nisch-ungarischen Gränze in den Kreisen Sambor und Stry des heutigen Gallizien zu suchen ist. In den Bemerkungen zur Abhandlung des Dr. Weese von A.F. Chiedowski heisst es, dass man die Entstehung dieser Krankheit dreist bis wenigstens zum Jahr 1580 zurück datiren könne, da schon Woiciech Oczko, Leibarzt Kö- nigs Stephans anno 4581 in seinem Werke über die vene- rische Krankheit davon spricht. Doch scheint es Chle- dowski, dass der Weichselzopf in andern Ländern, und namentlich in Deutschland, viel früher bekannt gewesen sey, als in Pohlen. — Dagegen will Dr. von Zakrzewski in einem Czechischen Manuscripte vom Jahre 41325 schon des Koltons ausdrücklich erwähnt gefunden haben *). $. 177. Eintheilung des Weichselzopfes. Bevor ich zur eigentlichen Beschreibung der Krankheit übergehe, ist es nöthig, ihre allgemeinsten Unterabtheilungen anzuführen; denn es gibt zwey Arten des Weichselzopfes, 4) einen wahren, und 2) einen falschen. Letzterer besteht bloss in einer ähnlichen Verwirrung der Haare, die jedoch bloss durch Vernachlässigung, Unrein- lichkeit, und namentlich durch, lange Zeit unterlassenes Käm- men bey Personen erscheint, welche einen starken Haarwuchs haben. Auch geht diesem Weichselzopfe weder irgend ein Allgemeinleiden voran, noch zeigen sich im weitern Verlaufe so bedenkliche Symptome, wie man sie beym wahren Weich- selzopfe häufig zu beobachten pflegt; endlich liegt ihm auch nicht jener eigenthümliche krankhafte Process in den Haar- zwiebeln selbst zum Grunde, indem sie durchaus gesund an- getroffen werden. Als eine Abart dieses falschen, zufälligen Weichselzopfes kann man auch den sogenannten kritischen ansehen, der durch eine, während einer andern allgemeinen Krankheit entstandene, und auf den Verlauf dieser letztern gün- stig einwirkende, und daher wirklich kritische Ausschwitzung *) Siehe dessen medic. literarische Geschichte des Weichselzopfs. Wien 1850. p. 7. 346 Yon dem Weichselzopfe. einer zähen, schmierigen, die Haare unter einander verkleben- den Materie aus dem behaarten Theile der Kopfhaut bedingt ıst. $. 178. Beschreibung des wahren Weichselzopfes. Dem wahren Weichselzopfe gehen in den mei- sten, doch nicht in allen Fällen, eine Menge höchst verschie- dener krankhafter Erscheinungen voraus, die man mit dem Na- men der Vorboten belegt hat. Ihre grosse Verschiedenheit, welche wohl hauptsächlich von der eigentlichen Körperconsti- tution und der Lebensweise des ergriffenen Individuums ab- hängt, schmälert einerseits ihren diagnostischen Werth, und macht andererseits, dass sie als solche häufig verkannt werden. Die vorzüglichsten und gewöhnlichsten dieser Vorboten sind folgende: Ein eigenthümliches Gefühl von Schwere in al- len Gliedern, mit Beeinträchtigung der verschiedenen Bewe- gungen, den rheumatischen und arthritischen ähnliche Glieder- und Kopfschmerzen, mit grosser Empfindlichkeit der Kopfbe- deckungen, Schwindel, Gefühl von Schwere auf der Brust, Klingen, Sausen, Läuten, Stechen, Klopfen in den Ohren; ein drückender, brennender Schmerz mit häufigem Thränen und Röthe in den Augen, manchmal mit Abnahme der Seh- kraft, Cataract und Amaurose, Jucken und Spannen im Kopfe und Halse, dem Fothergill’schen ähnliche Schmerzen im Gesichte. Oft ist auch die Magengegend sehr empfindlich, es entstehen häufig Ueblichkeiten, Beängstigungen und wohl auch Erbrechen. Unter den nervösen Erscheinungen sind Einschla- fen der Glieder, plötzliches Auffahren im Schlafe, das Heer der hypochondrischen und hysterischen Zufälle, bald tonische bald clonische Krämpfe in verschiedenen Theilen mit sonder- baren Verdrehungen des Körpers zu bemerken. Auch im reproductiven Leben gibtsich das beginnende Uebel zu erkennen, durch ein blasses, cachectisches Aussehen, Anschwellungen der Gelenke, besonders an den letzten Finger- gliedern, ferner der Drüsen des Halses, unter der Zunge und Kinnlade; durch Ausflüsse verschiedener Art: weissen Fluss, Thränenfisteln, Augenblennorrhoen; durch Verdickungen und Auschwellungen der Knochen, Beinfrass u. dgl, In selteneren Von dem Weichselzopfe. 347 und heftigen Fällen bilden sich wohl allmählig auch Lähmun- gen, Fall- und Schlafsuchten, Schlagfluss, ja selbst alle Zei- chen einer beginnenden Lungenschwindsucht. Charakteristischer als alle diese Zeichen ist die eigenthüm- liche Verunstaltung der Nägel, welche schwarz und rauh zu werden beginnen, gleich als wären sie von dem trockenen Brande ergriffen. Auf der Haut zeigt sich ein chronisches Erythem, zumal an den Schenkeln, ferner eine ganz beson- ders widerlich riechende Ausdünstung, womit oft grosse Un- empfindlichkeit und ein Gefühl von Ameisenkriechen verbun- den ist. — Endlich macht der Urin ein dickes, ziegelsteinmehl- artiges Sediment, und geht entweder in sehr grosser Menge, oder sehr sparsam und mit Beschwerden ab. Ausser diesen Erscheinungen ist noch die Pica und Mala- cia bemerkenswerth, welche einige ebenfalls als nie trügliche Vorboten des ächten Weichselzopfes beobachtet haben, — Entsteht jedoch das Uebel durch Ansteckung, dann tritt es rasch, und ohne Vorboten auf, und bildet sich in einigen Tagen, in einer Nacht, ja selbst innerhalb einigen Stunden unverkennbar aus. In einem solchen Falle entstehen zuerst Fieberbewegungen, dann tritt an irgend einer kleinern oder grössern behaarten Stelle des Kopfes ein übelriechender, kleb- riger Schweiss aus, wobey die Haare fettig, verworren und überhaupt so entartet werden, wie weiter unter beschrieben ist. Den Uebergang der Vorboten in den wahren Weichsel- zopf bezeichnet gewöhnlich ein catarrhalisches oder intermitti- rendes Fieber mit anhaltend stechenden Kopf- und Glieder- schmerzen, Stechen unter den Nägeln, Jucken der allgemei- nen Kopfbedeckung mit einem ekelhaft riechenden Schweisse. Nach J. Frank geht allein eine ungewöhnliche, nicht zu überwindende Neigung zum Schlaf vorher. $. 179. Die Veränderungen, welche der jetzt sich bildende Weichselzopfin denHaaren selbst her- vorruft, sind von der höchsten Wichtigkeit. Die davon befallenen Haare schwellen zuerst an, indem sie von einer schleimigen, fettigen, von Manchen sogar für blutig gehaltenen Flüssigkeit, welche in dem Balge entsteht, und nach und nach bis an die Spitze des Haares aufsteigt, ausgedehnt werden. Aus ihrer ganzen Oberfläche, vorzüglich 348 Von dem Weichselzopfe. aber da, wo die Haare die Haut durchbohren, schwitzt eine zähe, klebrige, äusserst übel, manchmal fad und sauer, wie faulender Essig, oder wie Mäuse, Knoblauch, in dem Falle von Niszkowski bey einer jungen Dame sogar wie Ambra riechende Flüssigkeit aus, welche die einzelnen Haare zuerst an ihrer Austrittsstelle, später aber auch an ihrer ganzen Länge mit einander verklebt, und so jene unüberwindliche Neigung der angeschwollenen Haare zur Verwirrung herbeyführt. Diese Materie scheint jedoch auch von der ganzen Oberfläche der Kopfhaut selbst, also nicht allein von den Haaren auszu- schwitzen, und ist manchmal jauchig, ja selbst blutig. Ihre obere Schichte gerinnt durch den Zutritt der atmosphärischen Luft, und verhärtet zu Borken. Wenn aber, was freylich selten geschieht, diese Flüssig- keit fehlt, so nennt man diess den trockenen Weichsel- zopf, bey welchem sich die Haare in umgekehrter Richtung, von der Spitze abwärts verwirren sollen (?). Durch die angegebene Verwirrung der Haare und da- durch, dass sie theilweise zu einer dichten Masse zusammen- wachsen, entstehen nun alle jene verschiedenartigen Formen von Zöpfen und Wülsten, auf deren besondere Eintheilung, Benennung und Abbildung Alibert *) so viel Zeit, Mühe und Kosten, und wie mir dünkt, ohne erheblichen Nutzen für das Ganze, verwendet hat. Bilden sich keilförmige, sichelför- mige, gespaltene, spiralförmig gewundene Zöpfe von verschie- dener Dicke und Länge, so nennt man diess den männli- chen Weichselzopf; enistehen aber dicke, monströse Wülste in Mützen -, Nester-, Turban-, Kuchen- u. dgl. For- men, so heisst man ihn den weiblichen Weichselzopf. — Alle diese verschiedenen Formen entstehen rein zufällig, und haben daher auch keinen, oder wenigstens nur einen sehr untergeordneten pathologischen Werth. Oft entstehen eine Menge Läuse, selbst bey Personen, welche sonst ganz davon befreyt, und überhaupt höchst rein- lich waren; in andern Fällen bleiben sie jedoch ganz aus; ja Plemp spricht sogar von einem mit dem Weichselzopf be- hafteten Pohlen, dem man die Läuse auf seinen Kopf pflanzen wollte, ohne dass jedoch eine einzige geblieben wäre. Man ist übrigens noch immer nicht einig, ob die oben "N Alıbert description des maladıes de la peau I. c. Tab. 6 —9. Von dem Weichselzopfe. 349 für blutig angegebene Materie wirklich Blut sey, oder nicht. Gewöhnlich hat diese Flüssigkeit eine braune, ja selbst röth- liche Farbe, und daher kam es auch, dass man sie so gerne für Blut hielt. Starnigelio, Werner, Rolfink, Ge- hema, Brera, Dufour und Andere führen Beyspiele für diese Meinung an, welche sogar auf die Physiologie der Haare in so fern Einfluss gehabt hat, als Bichat, Gaultier und Andere sich dadurch zur Annahme berechtigt glaubten: dass zwar im gesunden Zustande, gleichwie bey manchen andern Örganen nur ungefärbte Flüssigkeiten ın die Haarzwiebeln kä- men, die aber im kranken und namentlich bey einem entzünd- lichen Verhältniss wahrhaft blutig werden können. — Lafon- taine, Frank und mehrere andere Neuere sind jedoch jener Annahme entgegen, und letzterer erklärt die ganze Erscheinung eines blutenden Weichselzopfes geradezu für eine Fabel. — Es verdient hier wohl bemerkt zu werden, dass man an den beyden Weichselzöpfen, welche das Meckel’sche Cabinet zu Halle besitzt, die Einspritzung der Kopfbedeckungen mit der grössten Sorgfalt vorgenommen hat, und dass demunge- achtet nicht das kleinste T’heilchen der Injectionsmasse in den Weichselzopf eingedrungen ist. Es scheint also, dass sich jene Schriftsteller durch die blosse Farbe dieser Flüssigkeit irre führen liessen, sie für Blut zu halten. Gasc sagt, dass sie bey rothhaarigen Individuen röthlich, und bey dunkelhaa- rigen ebenfalls dunkel gefärbt sey. — Schlegel vergleicht sie mit Oel, Alibert mit ranzigem Feit. — Lafontaine untersuchte desshalb die Haarzwiebel nach dem 'Tode solcher Kranken, und fand selbe beträchtlich dicker, und als er sie drückte, sah er einen zähen, blassgelblichen Schleim heraus- treten. — Gilibert sah die Zwiebel ebenfalls von einer schwarzen, stinkenden Flüssigkeit angeschwollen. — Nichts destoweniger will in der neuesten Zeit Gase gar nichts be- sonderes, weder in den Haarzwiebeln noch in dem behaarten Theil der Haut gefunden haben, was man als eine sogenannte specifische Haarkrankheit nicht auch von den, den Weichselzopf begleitenden, oder auf ihn folgenden Krankheiten herleiten könnte. Eine stärkere Entwicklung und etwas mehr seröse Flüssigkeit ist Alles, was er in den Zwiebeln der am Weich- selzopf Verstorbenen fand. Bey diesen auffallenden Veränderungen in der Organisa- tion der Haare, die man wohl einer Art von Entzündung ih- 350 Von dem Weichselzopfe., rer Zwiebel , oder wie Einige wollen, des Haarkerns zuschrei- ben kann, ist es auch natürlich, dass diese letztern viel em- pfindlicher werden, als sie im gesunden Zustande zu seyn pflegen. Doch gilt diess keineswegs von den verworrenen Haarmassen selbst, welchen alle Empfindlichkeit auf gleiche Art fehlt, wie ich diess vom normalen Verhältnisse bey dem Haarschafte angedeutet habe. Wenn daher von schmerzhaften schorfigen Massen u. s. w. gesprochen wird, so gilt diess nur in so fern, als beym Anziehen, oder auch schon beym blossen Berühren dieser Massem die durch die Krankheit ausserordent- lich empfindlich gewordenen Haarzwiebeln immer etwas belei- diget werden, und daher Schmerzen erregen *). $. 180. Der eigentliche Sitz des Uebels in weiterer Bedeutung sind die Kopf-, und nach ihnen wohl auch die Barthaare. Doch ergreift es in seltenen Fällen auch die Scham- und Achsel- haare, und in den seltensten sogar die kurzen Haare des üb- rigen Körpers. — Immer gewinnen diese Haare dabey an Um- fang nach allen Richtungen, vorzüglich nach der Länge, wel- che oft bis ans Unglaubliche gränzt. So sah man die Haupt- haare bis über den Rücken, bis zum Gesässe, ja selbst bis auf die Erde herabhärgen, manchmal in dünnen Zöpfen, manch- mal so dicht, dass davon die Schultern ganz bedeckt wurden. — So spricht Conoor von einem so breiten Weichselzopfe, dass er den ganzen Rücken wie ein Mantel bedeckte. — Bach- strom führt einen an, welchen eine russische Frau trug, und der so gross war, dass er an allen Seiten über den Bett- rand hinabhing, und so eine Art von Bettdecke bildete. — Caligerus sah zu Copenhagen einen Weichselzopf von 6 Fuss 3 Zoll Länge. — Rzaczynski erwähnt einer Frau, deren Weichselzopf in seiner völligen Entfaltung 5 Fllen, und eines andern, der gar 6 Ellen lang war. — Stark sah einen von 7 Ellen Länge, welcher zugleich rings um den Kopf eine Wulst von 3 Zoll Dicke bildete. — Vater erzählt von einer beynahe 80 Jahr alt gewordenen Pohlinn, welche 50 Jahre ıh- res Lebens hindurch einen Weichselzopf von 4 Ellen Länge *) Wedekind in Harles rheinischen Jahrbüchern der Med. und Chirurgie, Band Il, Stück 1, und in der med. chirurg. Zeitung. Sept. 1822. p. 420. Von dem Weichselzopfe. 351 und nur 2 Zoll Dicke trug. Diesen sah ich selbst im Jahre 4827 nech im Dresdner Naturalien-Cabinet. Auch Schle- gel führt in seinem Werke zwey Beyspiele von beträchtlich grossen Weichselzöpfen und in seinen neuen Materialien für die Staatsarzneywissenschaft und practische Heilkunde *) ei- nen ‚merkwürdigen Fall eines 10 Schuh langen Weichselzopfes in Deutschland an. — In dem Meckel’schen Cabinet zu Halle sind ebenfalls zwey, einer von einer Frau aus Dessau, welcher 8 Fuss lang, und ein anderer, welcher bloss 3 Fuss lang ist, und kaum 40 Linien Durchmesser hat. Auch in dem anatomischen Oabiret der Universität zu Bonn sah ich im Jahre 4828 einen, wenn ich nicht irre, durch Harless der Sammlung verschafften, wohl über 2 Fuss hohen Weichselzopf, der ganz die Form eines recht hohen Turbans hatte. Von 2—3 Fuss Länge soll man sie in Pohlen nicht selten beobachten. Nach der Verschiedenheit dieser Dimensionen ist nun auch das Gewicht der Weichselzöpfe verschieden, so dass man sie von einigen Unzen bis auf 4—6 Pfund und darüber beschrieben findet. Aehnliche Beobachtungen hat man auch über den Bart gemacht. — So erzähltBachstrom die Geschichte eines Ju- den, dessen so entarteter Bart bis auf die Erde hing, und Dr. Corona sah, nach Alibert’s Angabe, zu Rom einen pohl- nischen Eremiten, dessen Wichtelbart von seinem Bett bis auf die Erde hing. An den Achselhaaren beobachteten den Weichsel- zopf Schlegel, Alibert und Andere. Johann Pertarson Hain kannte eine Frau, deren Schamhaare vom Weichselzopf ergrifien waren, und in einer Länge von 1'/, Ellen herabhingen, dergestalt, dass sie genöthigt war, dieselben um ihre Lenden zu befestigen. Einen solchen Weichselzopf der Schamhaare soll auch Prof. Kalt- schmidt in Jena in seinem Cabinet aufbewahren. Achn- liche Fälle erzählen Paulini, Gasc und viele Andere. Im Ganzen ist es jedoch eine merkwürdige Erscheinung, dass die Schamhaare bey Männern gewöhnlich verschont blei- ben, in jedem Fall aber nie eine so grosse Länge erreichen, als jene der Weiber. Doch spricht Rzaczinski von einem Manne, dessen Schamhaare von einem feinen und engen Wich- *) 11. Bd. 1823. Nr, XXIL, 352 Von dem Weichselzopfe. telzopf befallen waren, der dennoch eine Länge von mehreren Ellen hatte. $. 181. Es wurde schon oben angeführt, dass auch die Nägel auf eine ganz eigenthümliche Weise von dieser Krankheit ver- ändert werden. Von dieser Metamorphose der Nägel ist nun zuvörderst zu bemerken, dass sie entweder in Verbindung mit der trichomatösen Entartung der Haare, oder ohne diese, ferner entweder mit oder ohne Vorboten erscheint. Gewöhn- lich fängt dieser krankhafte Process damit an, dass sich die Wurzel der Nägel oberflächlich mit einer weissen, fettigen, einige Linien (?) dicken Materie überzieht, gleichsam als wäre Talg von einer Kerze darauf gestrichen worden. Diese Materie soll sich oft sehr rasch bilden, abwischen lassen, aber alsbald von Neuem erzeugt werden. Nunmehr werden die Nägel an ihrer Oberfläche rauh und uneben, höckerig, und arten in unförmliche, gelbliche oder blasse, braune, oder selbst schwarze Hornmassen aus, die manchmal so gebogen sind, wie die Klauen der fleischfressenden Vierfüsser. In andern Fäl- len ähneln sie wieder mehr den Bockshörnern. Alles dieses spricht sich gewöhnlich an den Nägeln der Füsse deutlicher, und am deutlichsten an der grossen Zehe aus. Immer geht dieser Entartung eine mässige Entzündung der ergriffenen Finger- und Zehenspitzen voran, welche stets dann die an- gegebene Veränderung der Farbe, und eine sehr schmerzhafte Empfindlichkeit bey der Berührung nach sich zieht. Uebrigens haben die beschriebenen Massen ebenfalls ei- nen lamellösen Bau, ähnlich dem des gesunden Nagels, und besitzen eine so starke Reproductionskrafi, dass sie abge- schnitten in kurzer Zeit, und zwar noch unförmlicher, als vor- her, wieder nachwachsen. Nach unbestimmter, oft Jahre langer Zeit fallen sie end- lich ab, und es bilden sich statt ihrer neue, aber immer noch etwas weichere und rauhere Nägel nach. Doch ist diese beschriebene Metamorphose der Nägel nicht allein kein beständiges Symptom des Weichselzopfs, sondern wird sogar von vielen Autoren als gar nicht dazu ge- hörig angesehen. Auf jeden Fall gehört sie unter die seltne- ren Erscheinungen desselben. Von dem Weichselzopfe. 353 $. 182. Die beschriebenen Phänomene bilden, in ihrer Totalität betrachtet, das erste Stadium der Krankheit, wel- ches erst dann in das zweyte übergeht, wenn nach ei- ner unbestimmten, meist Jahre betragenden, Zeitperiode das Wachsthum des Weichselzopfs sein Ende erreicht hat, und derselbe abzutrocknen beginnt. Mit der verminderten Ab- und Aussonderung jener schmierigen Materie tritt nothwendig Tro- ckenheit der ganzen Haarmassen ein, die Empfindlichkeit der Haarzwiebel und der behaarten Haut vermindert sich, mit ei- nem Worte der krankhaft gesteigerte, mit übermässiger Se- und Excretion verbundene Lebensprocess der eben genannten Theile tritt nach und nach wieder in die Schranken der Nor- malität zurück, und die unmittelbare Folge davon ist das Her- vorwachsen frischer gesunder Haare, welche im Verhältniss ih- rer zunehmenden Länge die dem Organismus fremd geworde- nen, gleichsam als Caput mortuum jenes Processes abgestosse- nen, Haarmassen allmählıg mehr und mehr emporheben, und von den Kopfbedeckungen entfernen. Doch können erstere, werden sie, was in dieser Periode schon geschehen kann, nicht abgeschnitten, noch Jahre lang, ja selbst bis ans Ende des Le- bens, an den neu hervorwachsenden Haaren hängen bleiben. $. 183- Werfen wir noch einen Blick auf die unter dem Namen der Vorboten aufgeführten Erscheinungen zurück, und unter- suchen wir den Zusammenhang dieser mit dem Auftreten und der Fortbildung des Weichselzopfes selbst genauer; so wird sich finden, dass beyde in der nächsten, und daher höchst beachtenswerthen Beziehung zu einander stehen. Denn der Umstand, dass jene Vorboten durch den Ausbruch des Weich- selzopfes theils gemindert, theils ganz gehoben werden, spricht sehr zu Gunsten der Meinung, dass letzterer eigentlich die Criseeiner allgemeinen, unter der Form jener mannigfaltig ver- schiedenen Symptome mehr oder weniger deutlich in die Er- scheinung tretenden, Krankheit sey; daher die selbst unter dem gemeinen Volke verbreitete Meinung, dass jene Zufälle einer allmähligen Ausbildung der trichomatösen Materie in der gan- zen Säftemasse zuzuschreiben seyen, die durch die Kopfbede- ckung und die Haare sich zu entleeren strebe. Eble’s Lehre von d. Haaren. II. Ba. 25 354 Von dem Weichselzopfe. Nach der gewöhnlichen, und wahrlich mit Unrccht von Andern etwas verächtlich behandelten Ansicht der practischen Aerzte wirft sich nämlich jene krankhafte Materie statt auf die Haare, vielmehr auf einen, für den Bestand des Lebens mehr oder weniger wichtigen Theil des Körpers, z. B. auf das Ge- hirn, di& Lungen, den Magen, die Gedärme etc., und verur- sacht so: Schlagfluss, Lähmung, Epilepsie, Herzklopfen, Brust- fell- und Lungenentzündungen, Magen- und Gedärmentzün- dung, Melancholie, Hypochondrie, Mania u. s. w., oder auf die Augen, Ohren und Extremitäten, und macht: Augenent- zündungen, grauen und schwarzen Staar, Ohrenschmerzen , Sausen, Geschwülste mancherley Art u, s. w. Es fliesst daher aus diesen Thatsachen für die Behand- lung dieser Krankheit die höchst wichtige Regel, die Natur in Verfolgung des einzig erspriesslichen eritischen Weges, näm- lich in Ausscheidung dieses krankhaften Stoffes durch Nägel und Haare nach allen Kräften zu unterstützen. $. 184. Aus allem diesem ist nun wohl ersichtlich, dass es mit der bestimmten Erkenntniss des ausgebildeten Weichselzopfes gar keine Schwierigkeiten haben könne; dagegen wird man auf der andern Seite leicht zugeben, dass es die ganze Auf- merksamkeit eines mit dieser Krankheit durch mehrere Jahre vertrauten Arztes erheische, wenn es sich um die diagnostische Bestimmung und Würdigung jener so ungeheuer verschiedenen Erscheinungen handelt, welche ich oben als Vorboten der Krankheit angegeben habe. In der That ist diess gerade der Punct, welcher vom Anbeginne des Weichselzopfes bis auf den heutigen Tag, zu vielfachen Streitigkeiten der Aerzte, und was wichtiger ist, zu dem verderblichen Hin- und Herschwan- ken der entgegengesetztesten Ansichten Veranlassung gegeben hat. Wer unter uns würde wohl beym Auftreten jener Vor- boten einen zu Grunde liegenden Weichselzopf vermuthen? Freylich hat diess in jenen Ländern, wo der Weichselzopf en- demisch ist, ein ganz anderes Bewandtniss; aber wie soll sich der Arzt vollends heraushelfen, wenn jene Vorboten ohne nachfolgende Entartung der Haare und Nägel erscheinen; wenn also der Weichselzopf ein sogenannter verlarvter ist? Wird es wohl in jedem Falle hinreichen, aus der Abstammung von, mit demselben Uebel behafteten, Aeltern, aus den mannigfaltigen, Von dem Weichselzopfe. 355 nervösen, den rheumatischen und arthritischen gleichenden, be- onders vom Rückgrath ausgehenden Zufällen: aus dem Andrang der Säfte nach dem Kopfe, den angegebenen Anomalien der Augen und Ohren, namentlich der stärkern Röthung der er- stern, dem trüben Urin, den Beschwerden in den Praecordien, — und aus der von Sinapius, LafontaineundAlibert als untrüglich angegebenen Entartung des Geschmacks (vermög welcher der Kranke gewöhnlich nur eine einzige Art von Nah- rungsmittel zu sich nimmt, und woher das pohlnische Sprich- wort: Saepe sub pica latet seu foetus seu plica komnit) auf den versteckten Weichselzopf zu schliessen ? $. 185. Unter denjenigen Krankheiten, mit welchen sich .der Weichselzopf am häufigsten complicirt, verdient zuerst die Lust- seuche genannt zu werden, welche man inLithauen überhaupt ausserordentlich verbreitet finden soll. In andern Gegenden von Pohlen sind es wieder Krätze und Flechten, nicht selten auch der Scorbut, und vorzüglich bey Kindern die Scrophelsucht, welche dem Uebel entweder schon vorangehen, oder sich im weitern Verlaufe beygesellen, und die natürlich einen sehr wichtigen, aber schwer zu beschreibenden, vorzüglich durch die Individualität bestimmten Einfluss auf die Entstehung, den Verlauf, und den Grad des Weichselzopfes haben. $. 186. AMetioloogıe. Ueber die nächste Ursache des Weichselzopfes haben von jeher die verschiedenartigsten Meinungen geherrscht, wel- che ich nun kurz anführen werde. Eine der ältesten ist jene von Hercules von Saxonia, welcher den Weichselzopf als eine critische Ablagerung des syphilitischen Giftes auf die Haare, also für eine eigene Form der Syphilis hielt, die durch Klima und Lebensweise so besonders modificirt wurde. Dieser Ansicht folgten mit kleinen Abweichungen Fulgi- natus,Hirschel, Stabel, und vor ihnen schon Bernia. Joh.G. Wolframm hing ihr vorzüglich desshalb an, weil viele der Vorboten des Weichselzopfes mit den Symptomen der venerischen Krankheit so genau übereinstimmten. Er wurde je- 2 356 Von dem Weichselzopfe. doch vollkommen widerlegt durch den Dr. Jul. Heinrich Theophil. Schlegel. Nichts desto weniger trat in den neuern Zeiten Baron Larrey *) als ein eifriger Vertheidiger der Wolfram m’- schen Ansicht auf; indem er glaubt, dass die Krankheit aus Asien komme, und nichts anderes sey, als eine Varietät der Sy- philis, deren Symptome durch die Veränderung des Klima und der Lebensweise maskirt, und ihrer eigentlichen Natur beraubt wurden, und die überhaupt schon seit den ältesten Zeiten auch im Innern von Aegypten bestehen soll. Nebstbey begeht aber Larrey den bedeutenden Fehler, dass er den Weichselzopf für keine wahre Krankheit der Haar) sondern bloss für eine örtliche, künstlich erzeugte, und von so vielen andern, wovon man sie herleiten wollte, gänzlich unabhängige Affection hält. Nach J. Frank ist der Weichselzopf eine eigene Form des Aussatzes, Lepra, und er stützt diese Meinung einerseits auf den gleichzeitig mit dem Weichselzopfe durch die Mongolen aus dem Orient nach Europa gebrachten Aussatz, und ander- seits auf die, beyden Krankheiten in so hohem Grade verwand- ten, eigenen Symptome. Indessen sind theils, wie wir gesehen haben, die allgemeinen Symptome des Weichselzopfes von der Art, dass man sie beynahe jeder chronischen Krankheit anpas- sen könnte, theils ist der krankhafte Zustand der Haare, um den es sich hier doch hauptsächlich handelt, in beyden Krank- heiten wesentlich verschieden, ja sich gerade entgegengesetzt. Denn bekanntlich sterben die Haare in der Lepra aus Mangel an Nahrungsstofl, werden weiss und fallen ab. Wie ganz anders verhalten sie sich aber beym Weichelzopf? Einladender für Frank’s Ansicht wäre freylich die Beschaffenheit der Nägel, wenn man sie für ein beständiges, also ein pathognomisches Zeichen der Plica annehmen dürfte. Doch unter allen Theorien über das Wesen des Weichsel- zopfes wurde keine mit so viel Kunst entfaltet, und mit so viel Wärme vertheidiget, hat sich keine, trotz der vielen Strei- tigkeiten, die sie erregte, so lange behauptet, als diejenige, welche den Weichselzopf als eine Krankheit eigener Art (Morbus sui generis) aufstellt, zu welcher theils eine besondere, oft ererbte Anlage, theils Ansteckung selbst, fähig macht. *) Im Bulletin des sciences medicales a Paris, Fevrier 1808. Von dem Weichselzopfe. 337 Die Anhänger dieses Systemes, an deren Spitze Lafontaine steht, sagen, dass man eine Menge höchst verschiedener Symptome beobachtet, welche dem Uebertritte des Weich- selzopfgiftes (Virus trichomaticum), in die Haare vorangehen; dass sich ferner dieses Gift nicht gleich mit seiner Gegenwart offenbare , sondern längere Zeit, ohne Schaden für die (sesund- heit verborgen bleiben könne, bis ein günstiger Umstand es mit allen seinen charakteristischen Erscheinungen hervorruft; und dass endlich die eigenthümliche Metamorphose der Haare selbst als die Crise jenes contagiösen Krankheitsprocesses anzusehen sey. Gegen diese, obgleich sehr verbreitete Theorie erkoben sich jedoch schon früh manche Gegner, deren Zug der phan- tastische pohlnische Leibarzt Davidson im Jahr 4668 auf eine eben nicht rühmliche Art eröffnet. Denn nach seiner Meinung ist der Weichselzopf eigentlich nur den Köpfen eini- ger abergläubischer Weiber entsprungen, deren Angabe so- dann auf leichtgläubige Aerzte überging: „Est voluntarius mor- bus, si morbus debeat dici, et nullus habet, nisi qui non velit ca- rere: nam affectatio credendi absque ralione, ea quae fama in- ter vulgus sparsit, illam genuit, et fama alis credulitate suppe- dilapit,“ Mangel an Reinlichkeit, und namentlich Ver- nachlässigung des Kämmens sind nach ihm die allei- nigen Ursachen des Weichselzopfes. Letztere Angabe fand nichts desto weniger viele Vertheidiger, und ist auch in den Breslauer Annalen vom Jahr 1724 deutlich ausgesprochen. Dr. Kreuzer zu Smolensk leistete ihr ebenfalls neuen Vor- schub, indem er sagt: bloss der Gebrauch des Kammes kann Pohlen von diesem Uebel befreyen. Weit mehr Aufsehen, als diese Männer machten aber in der neuern Zeit Boyer, Larrey und Roussille-Cham- seru, welche geradezu erklärten, dass der Weichselzopf keine Krankheit eigener Art, sondern vielmehr eine künstlicher- zeugte sey, die einerseits ihren Grund in der entsetzlichen Unsauberkeit der pohlnischen Nation, und andererseits ım Aberglauben fände, und dass es nur einer gut besorgien Hy- giene bedürfe, um Pohlen von dieser vermeintlichen Geisel zu befreyen. Dieser Meinung huldigte in der neuern Zeit auch Gase, der durch sein Memoire zugleich den, von der Societe de me- 358 Von dem Weichselzopfe. dicine de Paris bestimmten, Preis ohne Nebenbuhler erhielt, und Wolf*). Jourdan**) nahm sich dieMühe, das Grund- lose dieser Ansicht eben so richtig, als bündig darzustellen. Die letzte, von den beyden genannten wesentlich ver- schiedene, Meinung über das Wesen des Weichselzopfes ist jene, nach welcher man diese Krankheit für eine gichtische, oder vielmehr für eine Art von CGrise der Gicht oder des Rheumatismus durch die Haare hält. So vermuthete schon Baldinger eine rheumatische Schärfe, und seiner Ansicht folgte Liboschitz von Wilna. Doch ist Schlegel der Hauptvertheidiger derselben , ivdem er die Krankheit theils von einer Unterdrückung der Hautaus- dünstung, theils auch der Excretion herleitet, welch’ letztere, indem sie nicht mehr durch die Oberfläche der Haare ent- weichen kann, sich in den Canälen derselben anhäuft. Daher sieht er auch die in Pohlen seit dem Jahr 1041 allgemein verbreitete Gewohnheit, sich den Kopf zu rasieren, für die Hauptquelle des Uebels an; und desshalb ist auch nur Poh- len das wahre und einzige Vaterland des Weichselzopfes, weil gerade hier bey jener Gewohnheit die Menschen allem Unge- mach eines rauhen Klima’s ausgesetzt sind, wovor sie sich nicht hinlänglich zu schützen verstehen. Doch kann nach Schlegel der Weichselzopf überall entstehen, wo die ge- nannten ursächlichen Verhältnisse, nämlich Schwächung der Function der Haut und Steigerung jener der Haare Statt haben. Um ferner seiner Ansicht einen noch sicherern Haltungs- punct zu geben, sammelte er verschiedene Krankheitsfälle, in welchen er den Weichselzopf mit Gicht oder Rheumatismus vergesellschaftet beobachtete. Endlich ist er auch ganz gegen die Contagiosität dieser Krankheit. J. G. Richter ***) setzt das Wesen des Weichselzopfs in ein primäres Allgemeinleiden der reproductiven Sphäre, an welchem, jedoch nur secundär, auch die irritable und sensible Antheil nimmt, und das eine Neigung hat, sich allmählig auf *) Roczniki towarz ystwa Krolewskiego' przyjaciot.nemk tom. dzies- ıaty 1817. In 8vo. p. 488 — 508. **) In dem Art, Plique des Dict. des sciences medical. tom. 43. p. 265 — 266. s ***) Specielle Therapie. 6ter Bd. p: 399. Von dem Weichselzopfe. 359 die Haare und Nägel zu concentriren, und sein Product, eine chemisch entartete Lymphe, an diese Theile abzusetzen. Nach ihm gehört also das Uebel eigentlich unter die Cachexien mit einer besondern trichomatösen Schärfe, die aber Product der abnormen Metamorphose des ganzen Iymphatischen und Drü- sensystems ist. Auch nimmt Richter an, dass in dem trichoma- tösen Gebilde Blutgefässe, wie bey adhäsiven Entzündungen entstehen, ja dass selbst ein erweiterter Einfluss der Nerven- kraft in demselben zu vermuthen sey. Denn nur auf diese Art glaubt er die Entzündung, Eiterung, Callus- und Narbenbil- dung, z. B. eines abgeschnittenen und wieder verwachsenen Zopfs, welche Lafontaine beobachtet haben soll, gehörig erklären zu können. Uebrigens ist auch Richter sehr für die Analogie uns- rer Krankheit mit der Gicht, und gibt unter gewissen Umstän- den Weichselzöpfe zu, die wenigstens im Anfang einen reiu localen Charakter haben, und entweder von örtlichen Ursachen, oder durch Ansteckung entstanden sind. Bemerkenswerth und der Richter’schen Ansicht sehr günstig ist es endlich noch, dass J. Frank bey den Leichen- öffnungen allgemein einen krankhaften Zustand der Leber, über- mächtige Vergrösserung, Scirrhus, Tuberkeln, grosse Mürbig- und Zerreiblichkeit gefunden hat. $. 187- Unter den Gelegenheitsursachen müssen die klima- tischen vorzüglich gewürdigt werden, durch welche, wie wir gesehen haben, die Krankheit eine endemische wird; und un- ter denen sumpfige, morastige, oder den Ueberschwemmungen der Weichsel häufig ausgesetzte Gegenden, eine überhaupt sehr veränderliche, meist feuchte Atmosphäre eine besondere Berücksichtigung verdienen. Dass übrigens Unreinlichkeit und Vernachlässi- gung der Haare viel zur schnellen Entwicklung des wahren Weichselzopfs beytragen, ist ausser allem Zweifel, aber als hin- reichende Ursachen zur Bildung desselben können sie nicht gelten. — Daher beobachtet man zwar die Krankheit am häu- figsten unter den niedern und ärmsten Volksklassen, aber nichts desto weniger auch unter den reinlichsten, vornehmsten und reichsten Personen. Als andere, das Uebel begünstigende, oder dem Anschein 360 Von dem Weichselzopfe. nach selbst hervorrufende Momente hat man im Gegensatz zu Schlegel’ Ansıcht das Tragen warmer Pelzmützen, ferner das Schlafen auf einem morastigen Boden, überhaupt feuchte, unreinliche Wohnungen, den übermässigen Genuss vieler stark gesalzener, oder mit Leinöl bereiteter Speisen, des Brannt- weins, endlich selbst niederdrückende Leidenschaften und Ge- müths-Affecte, namentlich den Schrecken, aufgezählt. Auch die Frage: ob der Weichselzopf ansteckend sey oder nicht, hat zu vielen Streitigkeiten Anlass gege- ben, und noch bis auf den heutigen Tag sind die Meinungen darüber getheilt. Doch ist die Mehrzahl der Schriftsteller ge- gen die Ansteckungsfähigkeit. Insbesondere vertheidigt Schle- gel diese Ansicht, gestützt auf seine Beobachtungen ın Russ- land, wo die Bauern mitten unter ihren, mit dem Weichselzopf behafteten, Pferden wohnen, ohne letztern zu bekommen. Er gibt zwar zu, dass eine frische, mit der schmierigen Flüssig- keit noch geschwängerte Plica, auf den Kopf einer gesunden Person übertragen, allerdings im Stande sey, eine Verklebung und Verwirrung der Haare hervorzubringen, wie er diess wirk- lich an der Scham eines Weibes sah, deren Mann den Weich- selzopf hatte, und wie Brera bey Selle zu Berlin an zwey Sol- daten beobachtete, welche mit einer Pohlinn Umgang pfleg- ten. Aber Schlegel hält diess nur für einen falschen Weich- selzopf, der nie von der Wurzel der Haare, sondern von ihrer Spitze beginnt. So sollen wirklich in ‚Pohlen eine Menge künst- licher Weichselzöpfe entstehen. Das pathologische Museum der medicinisch-chirurgischen Josephs-Akademie besitzt die Geschichte einer an Gicht leidenden Frau, welcher eine andere eine, mit trichomatöser Materie geschwängerte Brühe über den Kopf schüttete, und ihr so schon den andern Tag den Weichselzopf verschaffte, mit dem sie sodann drey Monate behaftet blieb. Auf andern Wegen kann aber nur jener Kranke wahrhaft angesteckt werden, in dem sich bereits die trichomatöse Cache- xie gebildet hat, und daher kommt es auch, dass die Behufs an- derer Heilzwecke unternommene Einimpfung so selten gelingt. Dass es eine bestimmte Anlage zum Weichselzopfe gebe, nehmen die meisten Autoren an, ohne dass sie jedoch im Stande wären, anzugeben, worin sie denn eigentlich bestehe. Diess ist natürlich auch keine leichte Sache, da die Krankheit Körper - Constitutionen aller Art ‚ und jedes Alter zu befallen Von dem Weichselzopfe. 361 pflegt. Doch soll sie das weibliche Geschlecht mehr verschonen als das männliche; auch dunkeifärbige Haare vorzugsweise lieben. Uebrigens haben viele Beyspiele, namentlich bey La fon- taineund Alibert, es ausser allem Zweifel gesetzt, dass das Uebel vom Vater auf das Kind übergehen könne, ja dass selbst mit dem Weichselzopfe behaftete Früchte geboren worden sind. Von der andern Seite sind wieder solche von trichoma- tischen Aeltern erzeugte Kinder ganz besonders geneigt, auf dieselbe Art zu erkranken. In der neuern Zeit finden sich im Rust’schen Magazin *) einige bemerkenswerthe Fälle von Weichselzöpfen bey Kindern. Unter diesen ist der merkwürdigste Fall der, in welchem ein, während der Entwicklungsperiode der Weichselzopfkrankheit der Mutter, gebornes Knäbchen mehrere kleine Weichselzöpfe mit auf die Welt brachte. $. 188. Pr ongım 01 s’e. In Bezug auf die Vorhersage beym Weichselzopfe herr- schen natürlich eben so verschiedene Ansichten, als die oben angeführten Meinungen über das Wesen, oder die nächste Ur- sache dieser Krankheit verschieden waren. Der wichtigste Un- terschied für die Prognose bleibt jedoch gewiss der, ob näm- lich die Kraukheit für rein örtlich, oder für eine sogenannte allgemeine eigener Art gehalten werde. Denn diejenigen Aerzte, welche der ersten Ansicht anhängen, nehmen die Sache natür- lich viel leichter, als die andern. In jedem Falle ist das Uebel eine ungeheure Plage für das, ohnehin unglückliche Pohlen, indem nach Chrom y’s Berechnung auf zehn Quadratmeilen jährlich 50-—50 Menschen daran sterben, und so viel auch im- mer der Unsauberkeit dieser Nation zugeschrieben werden mag, so scheint ersteres doch auf diesem einzigen Wege nicht ausge- rottet werden zu können. Aber so wie die Gegensätze überall Hand ın Hand gehen, so ist auf der andern Seite Pohlen durclı eben diese Plage wieder von andern Krankheiten, namentlich der Blindheit, Taubheit, Stummbheit, Lahmheit und dem Schlag- flusse weit mehr verschont, als andere Länder. An und für sich ist der wahre Weichselzopf immer ein sehr hartnäckiges, lange dauerndes, und unter gewissen Um- *) 18. Bd. 3tes Heli. XXIV, - 362 Von dem Weichselzopfe. ständen auch gefährliches Uebel; und zwar letzteres vorzüg- lich dann, wenn der Weichselzopf in seiner weitern Ausbildung gehindert, oder zu frühe abgeschnitten wurde. Bey solchen Verhältnissen entstehen dann die schon an- geführten Gefahr drohenden Symptome der Entzündung ver- schiedener wichtiger Eingeweide, der Apoplexien, Lähmun- gen, und selbst der Tod. Immer greift das Uebel so tief in die Organisation des Körpers ein, dass die davon ea En selten ein hohes Alter erreichen. Einen hochwichtigen Einfluss auf die Prognose dieser Krankheit hat der Umstand, ob sie mit oder ohne Vorboten entstanden, ferner ob letztere lang oder nur kurze Zeit ge- dauert haben, und welcher Art sie überhaupt gewesen sind. Denn die günstigste Vorhersage ist immer da zu stellen, wo das Uebel bloss durch äussere Veranlassung, oder durch un- bestreitbare Ansteckung entstanden ist, und überhaupt einen raschen Verlauf nimmt. Endlich hat der Arzt sein Hauptaugenmerk auf jene Pe- riode der Krankheit zu richten, in welcher die eigenthümliche Metamorphose in den Haaren beginnt, indem es hier von der grössten Wichtigkeit ist, welche Rückwirkung der nun in den Haaren begonnene krankhafte Bildungsprocess auf die, früher mehr oder weniger gefährlichen Vorboten, habe. Denn wer- den diese nicht bedeutend dadurch gemildert, so ist diess stets ein schlimmes Zeichen. — Dauert aber das Stadium der Vorhoten gar sehr lang, und zeichnet es sich durch Nerven- Aflectionen, ödematöse Anschwellungen und Drüsenkrankheiten aus; so beobachtet man zwar beym Ausbruch des eigentlichen Weichselzopfs eine bedeutende Verminderung, ja selbst gänz- liche Hebung derselben, aber mar hat ihre baldige Rückkehr wieder zu fürchten, wo sie dann gar leicht zum Tode führen. Uebrigens sollen ein sehr trüber Urin, anhaltende allge- meine Schweisse, erysipelatöse Hautentzündungen und Sliessen- de Hämorrhoiden günstige Erscheinungen seyn. $. 189. Their ap'i e. Die Behandlung des Weichselzopfs wird am besten nach seinen Stadien, also in die Behandlung der Vorboten und des eigentlichen oder ausgebildeten Weichsel- zopfes, eingetheilt. Von dem Weichselzopfe. 363 In ersterer Beziehung kann, aus leicht einzusehenden Gründen, keine allgemeine Norm angegeben werden, weil einerseits der Symptome zu viele, sich oft widersprechende sind, und weil andererseits sich das Krankheitsbild jeden Tag ändern kann. Es muss daher dem gebildeten Arzte überlas- sen bleiben, dem jedesmaligen Zustand eın rationelles Verfah- ren nach den Grundsätzen der Therapie entgegenzusetzen. Diess wird auch sicher einen um so günstigern Erfolg haben, wenn schon in dieser Periode das vor Augen gehalten wird, was da kommen soll — ich meine das Streben der Natur: durch die Bildung und Absetzung jener trichomatösen Mate- rie nach Aussen die edlern Organe, und so das Leben selbst zu verwahren. Es wäre daher bey richtiger Erkenntniss des bald einzutretenden Weichselzopfes, laut den Erfahrungen der bewährtesten Männer im hohem Grade gefehlt, und sehr ge- fährlich, die Ausbildung jener eigenthümlichen, obschon ge- wiss äusserst lästigen Entartung der Haare hindern zu wollen; denn das hiesse gerade so viel, als die Krankheit ihrer Crise berauben, welche man doch stets nach Kräften zu unterstüt- zen hat. Um diesen letztern Zweck zu erreichen, ist erforder- lich, dass schon in dem Zeitraum der Vorbothen eine ganz vorzügliche Aufmerksamkeit auf die Pflege der Haut, also auf Unterhaltung der bestehenden normalen, und Steigerung einer zu geringen Hautausdünstung verwendet werde. Natürlich ist diess hauptsächlich auf die behaarten Kopfbedeckungen, als den eigentlichen Weg, welchen die Natur in der Crise der Krankheit einzuschlagen pflegt, zu beziehen. Daher der Ge- brauch der mancherley auf die Haut wirkenden Mittel: des essigsauren Ammoniums, der Spiessglanz - Präparate, des Qua- jaks, des Kampfers, der Sarsaparille, ferner der warmen, selbst der Dampfbäder, ähnlicher Bähungen, etwa auch aus einer Abkochung von Lycopodium Selago, Uva ursi, oder Finca major, und der Breyumschläge auf den Kopf u. dgl. Obwohl es Fälle geben mag, in welchen auch andere Ab- und Aussonderungen zu befördern sind, so sey man da- mit doch immer sehr vorsichtig, um nicht eine zu starke Ab- leitung von der Haut zu machen, und so die Ausbildung des Weichselzopfs zu hemmen. Diess gilt von den stuhl- und urintreibenden Mitteln, welche man da und dort angerühmt findet. Ist das Nervensystem vorzüglich ergriffen, so werden mit 364 Von dem Weichselzopfe. steter Berücksichtigung der angeführten Hauptanzeige die pas- sendenNervina in Gebrauch gezogen. In solchen Fällen will J. Frank Pillen aus 4 Theil Extr. hellebor. oder cicutae, und 2 Theilen Schwefelblumen, dreymal täglich zu 9 Gran genom- nen, sehr wirksam gefunden haben. Wird der Kopf zu stark ergriffen, dann pflegt ein Senf- oder Blasenpflaster in dem Nacken von vorzüglichem Nutzen zu seyn. Bey noch stärke- rer Aufregung des Hirn- und Rückenmarksnerven - Systemes mag immerhin das von J. Frank empfohlene Pflaster aus Empl. de Galban. crocato, Pech, oder aus 2 Drachmen Empl. eicutae und ‚foetidum, und 6 Drachmen Emplast. cantharid. über die ganze Länge des Rückgrathes gelegt, gute Dienste leisten. Sind aber die Erscheinungen von der Art, dass man bey vollkommener Ueberzeugung von der Richtigkeit der Diaguo- se, vermuthen muss, die Natur reiche nicht hin, jene Ablage- rung des trichomatosen Stoffes auf eine günstige Weise zu be- werkstelligen, so ist es Pflicht, sie in diesem Geschäft noch kräftiger zu unterstützen. Diess geschieht nach Schlegel am besten durch den fortgesetzien Gebrauch der Dampibä- der, und nutzen diese nichts, durch fliegende Blasenpflaster und warme Senfteige auf den Kopf, die man noch durch Ein- reibungen der Cantharidentinctur, Bedeckung des Kopfs mit einer Kappe aus Taffet, und durch den Gebrauch von flanel- lenen Westen und Hosen zweckmässig unterstützt. Ein solches Verfahren wird um so nothwendiger seyn, wenn die Vorbo- ten in gefahrvollen Affectionen des Gehirns, der Lungen, der Sinnes- und anderer Organe bestehen, also schleunige Hülfe erfordern. Selbst an vermeintlichen specifischen Mitteln fehlt es in dieser Krankheit nicht. So spielt unter dem gemei- nen Volke in Pohlen das schon durch seinen Namen: Herba plicaria, Hexen-. oder Trudenmehl ausgezeichnete Lycopodium Selago (nicht clavatumn) eine Hauptrolle, indem es als eines der vorzüglichsten Mittel gegen den Weichselzopf betrachtet wird, obschon sein innerer Gebrauch wegen der Brechen- und Durch- fall erregenden Eigenschaften eher zu widerrathen ist. Die Pohlen infundiren diese Pflanze gewöhnlich mit einer Abkochung der Branca ursina, Vinca Peroinca, oder des Helleborus, lassen das Ganze dann gähren, indem sie etwas Sauerteig zusetzen, und trinken es entweder allein, oder wie eine Fleischbrühe mit frischen Eyern gemischt. Auch bähen Von dem Weichselzopfe. 365 sie sich damit den Kopf, indem sie dem Aufguss Wein oder eine aromatische Pflanze beygeben. Ist nun, auf welche Art immer, die Krankheit in ihr zwey- tesStadium übergegangen, d.h. hat der Weichselzopf ange- fangen sich zu bilden, dann bedarf esin den gewöhnlichen Fäl- len nur einer negativen Behandlung, und diese besteht kurz darin, jede mögliche Störung der in der Vollendung der tri- chomatösen Metamorphose begriffenen Naturthätigkeit, also vor Allem Erkältung, namentlich des Kopfes zu verhüten. Indes- sen kann in diesen Zeitraum ein doppeltes Verhältniss eintre- ten. Denn entweder erfolgt der Ausbruch und die Entwicke- lung des Weichselzopfes zu langsam und unvollkommen, oder es wird der ganze krankhafte Process mit ungewöhnlicher und allzugrosser Kraft auf dem Kopfe concenirirt. Beyde Verhält- nisse erfordern das Einschreiten der Kunst, aber natürlich in jedesmal entgegengesetzter Art. Im ersten Falle ist es Aufgabe der Kunst, die Natur in ih- rem Werke zu unterstützen, und dadurch den andern, mit dem Ausbruche des Weichselzopfes nicht nach Wunsch gedämpf- ' ten oder gänzlich gehobenen, mehr oder weniger gefährlichen, Erscheinungen gehörig entgegen zu wirken. Alles dieses wird beynahe ganz auf dieselbe Art erreicht, als ich früher bey Be- thätigung der Hautfunction während der Vorboten angegeben habe. Kampfer und Spiessglanzmittel nebst dem reitzenden Verfahren auf der Haut sind hier die Hauptsache. Andere ha- ben in solchen Fällen mit Wein bereitete Umschläge aus Mus- cus clavatus, Vinca Peroinca und Radix bryoniae gerühmt. Ich ineiner Seits würde in leichtern Fällen einem ganz einfachen Breyumschlag aus Lein- oder Hanfsamen mit Milch bereitet, den Vorzug geben. Tritt aber beym entgegengesetzten Verhältniss der tri- chomatöse Process an dem behaarten Theil des Kopfes mit solcher Heftigkeit auf, dass er das ganze Bild einer Entzün- dung dieser Theile, und am Ende selbst der innern edlern Gebilde darstellt; dann muss seine Heftigkeit gebrochen, und auf den erspriesslichen Mindergrad herabgesetzt werden. Diess geschieht theils durch ein allgemein antiphlogistisches Ver- fahren, jedoch mit steter Berücksichtigung der Individualität dieser Krankheit an und für sich, also bey heftligem Fieber durch allgemeine Aderlässe, salzige Abführmittel, karge Diät u. dgl.; oder örtlich durch Anwendung von Blutegeln an den 366 Von dem Weichselzopfe. Schläfen, und hinter den Ohren; im Genick aber setze man Zugpflaster oder Senfteige. Wie die Behandlung in jenen Fällen zu leiten sey, wo die allgemeinen Zufälle noch lange fortdauern, mit andern Krankheiten complicirt sind, oder wo die Krankheit Rückfälle macht, geht theils aus dem schon Gesagten hervor, theils muss es der Einsicht des Arztes überlassen, und kann im All- gemeinen nicht näher bestimmt werden. Uebrigens soll sich gegen trichomatöse Geschwüre die Cicuta im Aufguss, als Pflaster und selbst als Salbe besonders wirksam gezeigt haben, $. 190. Ich komme nun auf einen der wichtigsten Gegenstände der Therapie des Weichselzopfes, nämlich auf das Ab- schneiden desselben. Auch in diesem Puncte sind die Mei- nungen der Aerzte getheilt, obgleich eine grosse Mehrzahl darüber einig ist, dass dieser Vorgang immer die grösste Vorsicht erfordere, und dass man es nie wagen soll, die ent- arteten Haarmassen abzuschneiden, als bis die Haarwurzeln frey von jener schmierigen, stinkenden und höchst wider- wärtigen Flüssigkeit sind, und bis sich die verklebte Haar- masse, unter welcher man schon gesunde Haare hervorkom- men sieht, mehrere Zolle von der behaarten Kopfhaut er- hoben hat. Klug wird man ferner handeln, wenn man das. Ganze nicht auf einmal, sondern in verschiedenen Zeiträu- men abschneidet. Diess gilt selbst von den falschen Weich- ‚selzöpfen, sobald sie mehrere Jahre alt sind. Immer sey man sodann besorgt, den Kopf wohl zu bedecken, oder eine leichtere Perücke ein Zeit lang tragen zu lassen. Auch finde ich es wohlgerathen, bey sehr alten und grossen Weichsel- zöpfen vor ihrem Abschneiden ein Fontanel zu setzen. Uebrigens fallen diejenigen , welche das Abstossen des Weichselzopfs ganz der Natur überlassen, offenbar in den entgegengesetzten Fehler, der besonders schädlich ist, wenn man die davon unzertrennliche Unreinlichkeit, die mögliche allgemeinere Verbreitung, und selbst die Wiedererzeugung des Uebels an demselben Kranken in Erwägung zieht. — Ob- schon man in Pohlen eher in diesen letztern Fehler zu ver- fällen pflegt; so soll dort unter dem Volke doch noch ein I eigenes Verfahren bestehen, um das Wachsen eines Weich- Von dem Weichselzopfe. 367 selzopfes abzukürzen, und sein Abfallen zu befördern. Man legt ihn nämlich zwischen zwey glatte Steine oder Hämmer, bringt diese so nahe als möglich auf die Haut, und klopft ihn nun von beyden Seiten anfangs gelinde, nach und nach aber immer stärker, bis er endlich allmählig abstirbt *). — Richter schlägt wohl nicht mit Unrecht zu demselben Zweck die Unterbindung vor. Ist aber der Weichselzopf zu früh abgeschnitten, oder ist durch eine Erkältung u. dgl. die Se- und Excretion der tri- chomatösen Materie unterdrückt worden, und entstehen darauf bedenkliche Zufälle an edlern innern Theilen, wie man sie ge- wöhnlich bey Metastasen auf das Hirn, die Brust- und Bauch- eingeweide zu beobachten pflegt; dann ist auch ganz dasselbe Verfahren anzuwenden, welches bey einem zurückgetretenen Hautausschlag gebräuchlich ist; nur mit dem Unterschiede, dass man dasselbe grösstentheils auf den behaarten Theil des Ko- pfes, und zwar auf dieoben schon angegebene Weise hinrichtet. Gewiss wäre in solchen Fällen. die Einimpfung des Weichselzopfes das beste Mittel, welches aber, obgleich von dem Volke in Pohlen und einigen Aerzten, (worunter Lafon- taine, und in der neuern Zeit auch mein verehrter Lehrer, der kaiserliche Leibarzt und Regierungsrath von Raimann ge- hört,) angenommen, dennoch von den meisten andern Schrift- stellern als unwirksam verworfen wird. Anmerkung. Da die Pohlen alle möglichen Uebel von dem Weich- selzopfe herleiten, so darf man sich nicht wundern, dass sie auch bey der kleinsten Unpässlichkeit alles aufbieten, erstern zu be- kommen. In der Meinung, er lasse sich einimpfen, gehen sie nun auf verschiedene Art zu Werke: sie setzen eine Kappe auf, welche ein mit der Krankheit Behafteter getragen hat; oder sie bringen unter ihre Haare ein Stück eines abgefallenen Weichselzopfs, wel- ches sie früher in Bier oder in einer andern schleimigen Flüssigkeit aufweichen;; die Weiber vereinigen ihre Haare mittelst gewichster Fäden zu kleinen dochtenförmigen Bündeln, oder leimen sie na- he an der Wurzel mit Wachs, Harz, Pech u. dgl. zusammen, und kämmen sie lange nicht. DieJuden zeichnen sich aber auch hier wie überall, charakteristisch aus; denn sie trinken alle TageeinigeGläserBranntwein, der früher über ei- nemalten Weichselzopfe eines Ghristen gestanden hatte! — *) Brynsky bey Hecker: Gedanken über die Natur und Ursachen des Weichselzopfes, Erfurt 1810. p- 108. 368 Von dem Weichselzopfe. $. 19. Es erübrigt jetzt noch, etwas über die Prophylawis dieser bösen Krankheit zu sagen. Zuvörderst handelt es sich um die Erörterung der Frage: ob diese Krankheit a) in ein- zelnen Fällen, oder b) überhaupt und im Ganzen verhütet, und ob sie c) somit auch ganz ausgerottet werden könne. So viel ich aus den hierher gehörigen Schriften entnom- men habe, kann auf alle diese Fragen bejahend geantwortet werden. Auch steht dieser Annahme die aufgestellte Aetiologie des Weichselzopfes durchaus nicht im Wege. Denn soll ein Uebel verhütet oder ganz ausgerottet werden, so muss man ihm die Wurzeln abschneiden. Der Weichselzopf wurzelt aber in den eigenthümlichen Sitten und Gebräuchen, und wohl auch, aber viel schwächer in den klimatischen Verhältnissen von Pohlen. Beyde müssten also geändert werden, wenn der Zweck erreicht seyn sollte. Es müsste also vorerst der ın Pohlen allgemein verbreitete Glaube, dass der Weichselzopf ein sicheres Mittel gegen alle nur möglichen körperlichen l.ei- den sey, abgeschafft, und mit diesem als unmittelbare Folge auch die in der Anmerkung beschriebenen, in den allermei- sten Fällen höchst schädlichen, und zur Erzeugung eines künstlichen Weichselzopfes ausserordentlich günstigen Ver- fahrungsweisen verbannt; das Schicksal der armen Bauern verbessert, ihre Bekleidung und Wohnungen menschlicher ein- gerichtet, sie selbst zur Reinlichkeit und was sehr wichtig ist, zur Industrie, der Quelle des Reichthumes angehalten; daher ihre Abneigung gegen Bäder überhaupt überwunden, und na- mentlich die russischen Dampfbäder eingeführt werden. Eine besondere Berücksichtigung verdient die Haut- und Haarcultur, namentlich des Kopfes. In diesem Bezuge müsste das beständige Tragen der allzuwarmen Kopfbedeckungen, der Pelzmützen vermieden, und auf der audern Seite der Kamm, welchen einige Schriftsteller als ganz allein zur Aus- rottung des Uebels hinreichend ansehen, allgemein eingeführt werden. Rücksichtlich der bereits mit der Krankheit Behaf- teten müsste zuerst eine Sonderung der wahren von den fal- schen Weichselzöpfen gemacht, und letztere durch polizey- liche Anstalten, wie sie gegen ansteckende Krankheiten gang und gebe, unn namentlich für diesen Fall von J. Frank *) *)A.a.0.$. 148. Von dem Weichselzopfe. 369 angegeben sind, aus den allgemeinen Versammlungsorten u. s. w. verbannt, und das Ganze überhaupt mehr auf dem Wege der Belehrung und Aufklärung als durch, ohne Noth herbeygeführten, verhassten Zwang zu erzwecken versucht werden. Wäre man so glücklich dieses zu erreichen, so würde gewiss die Macht der klimatischen Einflüsse zur Hervorbrin- gung des Weichselzopfes so geschwächt werden, dass künf- tig der Eingeborne des Landes eben so selten von dieser scheusslichen Krankheit befallen würde, als diess heut zu Tage unter den eingewanderten Deutschen und andern Aus- ländern Statt hat. Anmerkung 1. Auch bey den Thieren hatman den Weichselzopf be- obachiet, und zwar sind vorzüglich die Pferde ihm unterworfen, so zwar, dass Schlegel z.B. von Russland sagt, dass von 6— 7 Pferden wenigstens eines damit befallen sey. Diess ist um so merkwürdiger , als die Krankheit früher in Russland sehr selten war. Auch findet man sie häufiger bey den Pferden in der Stadt, als bey jenen auf dem Lande. So ist es auch in Poh- len selbst, und der beste Beweis dafür ist wohl der Bericht des Dr.Wolframm, dassman beym Einkaufen der Pferde immer zuerst nach solchen fragt, welche die Krankheit schon überstanden haben, weil man diesen eine stärkere Constitution zutraut. —Jourdan sah in Schlesien auch viele Pferde mit Weichselzöpfen,, vor- züglich in der Gegend von Glogau und Liegnitz; ja selbst in dem angränzenden Böhmen. So muss man sich denn auch zum Theil jene Geschichten von ausserordentlich langen Pferdemähnen und Schwänzen erklären, denn sie werden wohl in der Mehrzahl von Pferden herrühren, die den Weichselzopf hatten. Unter diese Klasse scheint das Paradepferd August’s Il., Königs von Poh- len, welches ich im Museum zu Dresden im Jahre 1827 sah, und dessen Schopf 3 Ellen, dessen Mähne 8 Ellen und dessen Schwanz 12 Ellen lang war, zugehören. Sennert erzählt ein ähn- liches Beyspiel. Doch gibt es in Russland und Pohlen eine sehr beliebte Rasse von Pferden, welche wirklich von Natur so lange Haare haben, dass selbe bis auf die Knie, ja selbst bis auf die Erde hängen. — Ob auchrandere Thiere, namentlich Hunde, Füchse, Wölfe, Schafe und selbst das Rindvieh dieser Krankheit unterworfen sind, kann ich nicht enıscheiden, da die Meinungen hierüber sehr getheilt sind. Denn während Lafontaine undGasc den Weichselzopf bey einem Hunde, ersterer und Tylkowsky bey einem Ochsen beobachtet haben wollen, sagt auf der andern Seite wieder Schlegel gerade das Gegentheil; es scheint also dass eine solche Beobachtung als ausserordentlich und der Fall selbet als Ausnahme betrachtet werden müsste. — Dass tihrigens Eble’s Lehre von d, Haaren. II. Bd. 24 370 Von dem Weichselzopfe. diese Thiere den falschen Weichselzopf, d. i. eine ähnliche Ver- wirrung der Haare bekommen können, deren einziger Grund in der Unsauberkeit liegt, ist ausser allem Zweifel. Anmerkung 2. Man hat die Haare von Weichselzöpfen auch che. misch untersucht; aber zur grossen Verwunderung gefunden, dass sie die nämlichen Bestandtheile wie die gesunden Haare, nur in geringerer Menge enthalten. Es wurde jedoch früher die klebrige Materie von den Haaren durch feines Zerschneiden und Abwa- schen derselben getrennt. Die durchgeseihte Flüssigkeit war trübe, klebrig, von blass citrongelber Farbe, verdarb, der freyen Luft ausgesetzt, sehr schnell, roch dann ekelhaft, bildete in der Ruhe einen klebrigen Bodensatz, wobey das Darüberstehende klar wurde, und zeigte beym Zusatze von Galläpfeltinetur die Gegenwart ei- nes thierischen Stofles schleimiger Natur*) Nach Wedemeyer**) sollen sich dennoch die chemischen Eigenschaften der Weichsel- zopfhaare so verändern, dass leztere sich durch Kochen ganz ım Wasser auflösen. Anmerkung 3. In seltenen Fällen erscheint” der (falsche) Weichsel- Anm "RR zopf als wahre Grise in Nervenfiebern. Ein auffallendes Bey- spiel erzählt uns Dr. Schmidt ***): EinKind von drey Jahren litt am Nervenfieber so bedeutend, dass man nach dem heftigsten Hirn- und Nervenleiden den baldigsten Tod erwarten konnte. Dessenungeachtet wurde das Kind ohne irgend eine wahrzuneh- mende Crisis, als durch den eines, sich binnen drey Tagen voll- kommen entwickelnden, Weichselzopfes gesund. erkung 4. Ich hatte zweymal Gelegenheit, die Haare von Weich- selzöpfen microscopisch zu untersuchen. Im ersten Falle war die Krankheit schon im zweyten Jahre, und sollte der Weichselzopf nach und nach abgeschnitten werden. Uebrigens war der Grad des Uebels ein mässiger. Im zweyten konnte ich nur von dem schon längst abgeschnittenen, aber beynahe 1% Schuh hohen Haar- ihurm einige Stücke bekommen, Die sorgfältigste Vergleichung der noch nicht von der Verwirrung befallenen mit den bereits tri- chomatösen, und durch eine schmierige Masse ganz verklebten Haare bot, wenn letztere Masse abgerechnet oder entfernt wurde, gar keinen wesentlichen Unterschied in Bezug auf die äussere Form sowohl, als auch auf die innere Textur dar. ichter a. a, 0. p. 405, nach Vanquelin und Alibert (l. e. p- 46) und Gasc. **) Commentatio historiam pathologicam pilorum corp. humanı sistens, Göttingae 1812. 4. p- 31. *"") In Hufeland’s Journal 1828. Sept. p. 132. Abnorm organische Bewegung der Haare. 371 Il. Von der abnormen organischen Bewe- gung der Haare. $. 192. Bey den vierfüssigen Thieren, bey welchen ohnehin das Haarsystem auf die höchste Stufe der Vollendung gebracht ist, haben wir gesehen, dass sich alle nahmhaften, vorzüglich aber alle bösartigen fieberhaften Krankheiten mehr oder weniger in der Sphäre der Bewegung ihrer Haare nachzuweisen pflegen. ($.106.) Nicht so ist es beym Menschen, denn alles, was sich überhaupt über wahrnehmbare Bewegung seiner Haare sagen lässt, läuft ungefähr auf die oft bestätigte Beobachtung hin- aus, dass sich bey gewissen Menschen und in bestimmten Zu- ständen die Haare fast auf eineähnliche Art sträuben und auf- richten, wie bey den Thieren. Gewöhnlich sind diese Men- schen entweder sehr reitzbaren Temperaments, und dann ist dieses Haarsträuben nur vorübergehend, etwa so lange dauernd, als die augenblickliche Aufregung ihres Gemüths wirkt; oder aber sie sind von Krankheiten befallen, die besonders das Muskelsystem zu heftigen Zusammenziehungen anregen, und dadurch per consensum das Zellgewebe der Haut, und wo sie da sind, auch die Hautmuskeln krampfhaft ergreifen. Hierher sind jene schon früher (p. 224) angeführten Fälle zu rechnen, in welchen sich die Haare während eines Anfalls von Kopfgicht so kräuselten und verwirrten, dass kein Kamm sie entwickeln konnte; oder wo nach einem überstandenen An- falle von periodischem Kopfweh, am andern Morgen die Haare viel starrer als gewöhnlich, und daher schwerer aus- zukämmen waren. Ueberhaupt ist es keine so seltene Erscheinung, dass sich die Haare während eines Anfalls von nervösem Kopfweh entweder aufrichten oder verwirren, und kräuseln. Etwas Aehnliches hat man auch bey andern, namentlich krampfhaf- ten Krankheiten der Weiber bemerkt. So ist in Rust’s Magazin *) der Fall eines 4gjährigen Mädchens angeführt, bey welcher zur Zeit der Menstruation in jeder Zahnreihe der vierte Backenzahn mit Krampfzufällen *) XVI. Ba. 2 St. p. 309. ah * 372 Abnorm organische Bewegung der Haare, erschien. Dabey speichelte sie, und hatte einen eigenen Hang, Jemand anzusaugen; auch bekam sie, wenn die Krämpfe ein- treten wollten, den schönsten Lockenkopf, der sich aber mit dem Aufhören der Krämpfe wieder ganz verlor. Dass endlich Zorn, Bosheit, und vorzüglich Schrecken, wenn sie in einem hohen Grade erregt werden, die Haare in Bewegung bringen, hat uns schon Virgil gelehrt, wo er sagt: „Obstupui, steteruntque comae.“ Noch ist es unter uns als Sprichwort beybehalten, dass wir unser ausserordentliches Staunen durch das zu Berg oder Berganstehen der Haare auszudrücken pflegen. Es ıst übrigens leicht zu begreifen, warum sich dieKrank- heiten der Menschen weit weniger in der Bewegungssphäre der Haare aussprechen, als jene der Vierfüsser, denn diess liegt of- fenbar 4) In der ungleich grössern Menge, Stärke und Verbreitung dieser Gebilde, und 2) darin, dass die Haarwurzeln bey den Thieren in einer leicht beweglichen, mit einer allgemein mit Muskeln ver- sehenen Haut stecken. Da nun aber die Haut bekanntlich beynahe an allen wich- tigen Veränderungen, und namentlich an den aufgeführten krankhaften Verhältnissen des Organismus sichtbaren Antheil nimmt, so kann man sich nicht wundern, dass sich diess auch in den Haaren, und zwar auf die angezeigte Art oflenbare. Da ferner der grösste Theil unsrer Hautoberfläche kaum merkbar behaart ist, so geht von selbst hervor, dass sich einerseits die Krankheiten des Menschen mehr in der Beschaf- fenheit seiner Haut, als der Haare ausspreche, und dass andrer- seits auch vom Arzte ein grösseres Augenmerk auf jene, als auf diese genommen, ja wohl, obgleich nicht mit Recht, auf die Haare beynahe gar nicht geachtet wird. In dieser Hinsicht wäre es zu wünschen, dass in der Zu- kunft bey bösartigen Fiebern, vorzüglich aber in Nervenkrank- heiten aller Art die Beschaffenheit der Haare auch beym Men- schen mehr berücksichtigt werde, indem wahrscheinlich die Pathologie auch von dieser Seite noch einen wichtigen Bey- trag erhalten könnte, Zweyte Abtheilung. Von den Organisations- Fehlern der Haare. I. Verletzung ihres organischen Zusam- menhanges. $. 193. A. Von dem Gespaltenseyn der Haare (Fissura ca- pillorum s. Schizotrichia ; Setruncatio nach Ebn Sina). M.. versteht hierunter jene krankhafte Beschaffenheit, ın welcher das menschliche Haar sich dem Zustande der Schweinsborste einigermassen nähert, welche, wie be- kannt, in der Regel immer gespalten ist. — Gewöhnlich ist die Theilung eben so, wie in der Schweinsborste, an der Spitze; oft habe ich sie jedoch auch in der Mitte des Haarschaftes so beobachtet, dass es beym ersten Anblick das Ansehen hatte, als wachse aus demselben ein Seitenhaar heraus. Auch pflegt sich das Haar in der Regel nur einfach zu theilen, doch sind ınir auch Haarspitzen vorgekommen, mit 5— 4facher Theilung, so wie ich bey einer jungen hübschen Blondine unter mebrern andern, gewöhnlich gespaltenen Haaren ein einziges fand, wel- ches sich 6mal so spaltete, dass immer der von der Seite des Schaftes abgehende Ast eine Linie über dem andern derselben Seite stand, und so das ganze Haar jenen ähnelte, welche ich bey den Pflanzen *) Pili secundati nannte. Die krankhafterweise gespaltenen Haare unterscheiden sich ferner von den Borsten auch noch dadurch, dass die Aeste nicht *) 1ster Bd. pag. 11. $. 8. 374 Von dem Gespaltenseyn der Haare. wie hier abgerundet, also nicht ganz, sondern offenbar zerrissen sind, und auf einer Seite ihre Rinde verloren zu haben schei- nen, indem sich daselbst ihre Oberfläche rauh , mit abgerisse- nen Fortsätzen besetzt zeigt. Man beobachtet diese Spaltung der Menschenhaare in der Gicht, Rhachitis, bey langwierigen und heftigen Kopfschmer- zen, manchmal auch nach starken Erkältungen des Kopfes, und in hektischen Fiebern. Die alten Aerzte leiteten das Uebel von zu grosser Trockenheit des Körpers, andere von einem scharfen Safte her. Die Vorhersage richtet sich hauptsächlich nach den ursächlichen Verhältnissen. Waren diese bloss heftige Kopf- schmerzen oder eine starke Erkältung, dann ist noch einige Hofl- nung zur Hebung des Uebels gegeben. In den andern Fällen aber ist meist keine Heilung möglich, — Gewöhnlich wachsen die gespaltenen Haare nicht mehr, und fallen bald aus. Ihrer Lehre getreu handelten die Alten dem Uebel mit anfeuchtenden, öligen Mitteln entgegen. Avenzoar will es mit Leinöl geheilt haben. Avicenna empfiehlt ebenfalls milde Oele und Schleime von der Althaea, Psyllium, Fol. salicis u. dgl. Sennert räth, jenen Theil, der zurückbleibt, an den Spitzen mit Galle einzureiben, und dann wieder mit einem Decocto ca- pillarium: abrotani, arundinis u, dgl. abzuwaschen. Mir scheint es am zweckmässigsten, die gespaltenen Haare an ihrer Spitze abzuschneiden, und dem Ursächlichen entge- genzuwirken. In jedem Falle werden nährende, kräftige Po- maten nothwendig und nützlich, aber vielleicht meist auch ohne Erfolg seyn, wenn nicht auf den Total-Habitus des Kran- ken vortheilhafi und zweckgemäss eingewirkt wird, $. 194. B. Von der Milbenkrankheit /(TZinea pi- lorum). Diese Krankheit gehört allerdings unter die äussern Ver- letzungen der Haare, und besteht darin, dass die von den so- genannten Haarmilben zum Theil angenagten, zum Theil auch abgefressenen Haare stückweise abfallen. Man beobachtet diese Krankheit vorzüglich bey Kindern und jugendlichen Individuen, besonders des weiblichen Ge- Von der Milbenkrankheit, 375 schlechts; jedoch auch, obgleich viel seltener, bey erwachse- nen Menschen. Phlegmatische, überhaupt mehr Schleim be- reitende, auch sehr fette Personen haben, so wie zur Erzeu- gung der Würmer im Allgemeinen, so auch zu jener der Haar- milben, eine vorzügliche Anlage. Ueberhaupt nähert sich das Uebel sehr der Läusesucht. Die Kennzeichen dieser Krankheit entgehen dem auf- merksamen Auge nicht; denn man bemerkt sogleich die klei- nen Würmchen, welche an den Spitzen der angegriflenen Haa- re hängen, und sie von Tag zu Tag kürzer machen. Haben sie schon eine Zeit lang so gehauset, dann gleicht der Haarboden einem versengten Acker. — Selbst die Farbe der Haare scheint sich dabey zu ändern, indem ihnen die daran hängenden Thier- chen einen aschgrauen Anstrich geben. Wichtiger ist, dass, so- bald einmal das Nagen der Würmer begonnen hat, die Haare zu wachsen aufhören, bis nicht alles Benagte durch Abschnei- den entfernt worden ist. Abgesehen von der sonstigen Schädlichkeit dieses Uebels, beeinträchtiget es auch die Schönheit ganz gewaltig, besonders wenn Kopf- und Barthaare zugleich davon ergriffen werden, wo es sodann durch die Ungleichheit der Haare einen höchst widrigen Anblick gewährt. Die Alten richteten ihre Sorge dahin, jene Würmchen zu entfernen, und die Materie, aus welcher sie erzeugt wurden, zu zertheilen. Daher gebrauchten sie theils örtliche, theils all- gemeine Mittel. Unter die erstern gehörten Waschwasser aus Genista, Myrrha und Essig, oder aus pulverisirtem Brennessel- samen ebenfalls in Essig geweicht;; ferner ein Decoct aus Foenu graecum und Scabiosa mit Lauge bereitet; auch die Meerzwiebel mit Myrthenblätter und Salbey in Oel gekocht, oder Knob- lauch in Essig gekocht mit Ochsengalle, Wermuth, Aloeu.dgl. Innerlich liessen sie Purgantia nehmen. In unsern Tagen verfährt man gegen diese Krankheit bey- nahe nach gleichen Rücksichten, nur durch zum Theil verschie- dene Mittel. Oertlich werden dieselben Salben angewandt, die man auch in der Tinea capitis zur Vertreibung der Läuse braucht, nämlich aus Läusesamen, Quecksilber - Präparaten u. dgl. Jahn schlägt aber dagegen eine leichte Einreibung der aus Schweineschmalz bereiteten Pomate, nachdem derselben Anisöl oder Kampfer und Petersiliensamen zugesetzt worden. Auch eine Abkochung welscher Nussblätter soll hinreichend 376 Von der zu starken Dicke und Härte etc. seyn. In jedem Fall aber wird man gut thun, wenn man die bereits angegriffenen Haartheile wegschneidet, und auch inner- lich alles berücksichtigt, was einem guten Haarwuchs förder- lich ist. Uebrigens habe ich diese Krankheit nie beobachtet. ll. Von der regelwidrigen Grösse, Gestalt und Richtung der Haare. $. 195. A. Von der zu starken Dicke und Härte, oder der eigentlichen Borstenkrankheit (Chaitosis), und der abnormen Dünnheit der Haare (Zeptotrichia). Man nennt ein Menschenhaar borstig, wenn es viel di- cker, stärker und fester ist, als es gewöhnlich zu seyn pflegt, und wenn es sich dadurch der Schweinsborste nähert. Solche Haare fand ich einigemal bey Menschen, die ihrer ohnehin geschwächten Reproduction aus Mangel an den dazu nöthigen Mitteln nicht nachzuhelfen im Stande waren, uud die, ursprüng- lich schon scrophulös oder rhachitisch, mit häuslichem Kum- mer zu kämpfen, und daher meist nur schwer verdauliche und doch wenig nahrhafte Speisen zu geniessen hatten. Bey solchen Individuen steigt manchmal der Bildungsprocess an- tagonistisch in den Haaren , während er in allen edlern Ge- bilden herabsinkt, und so nehmen die in grosser Anzahl wach- senden Haare auch an Dicke, Stärke und Festigkeit zu, wer- den borstenartig. Dabey sind sie aber beynahe immer ver- hältnissmässig zu trocken, und spalten sich wohl auch, oder haben wenigstens an ihrer Oberfläche Risse. Manchmal erscheinen diese borstenartigen Haare schon als angeborner Bildungsfehler, wo sie, in sehr hohem Grade, oft ganze Büscheln bilden. Sonst nannte man solche -Indivi- duen Homines setosi. Da dieses Uebel, wie aus dem Gesagten erhellet, in einem Fehler der ganzen Reproduction des Körpers tief gegründet ist, so sieht man leicht ein, dass ihm auch nur durch zweck- mässige Herstellung dieser, also durch ein mehr allgemeines Von der zu starken Dicke und Härte etc. 377 therapeutisches Verfahren mit Erfolg begegnet werden könne. Dieses zu bestimmen, liegt aber ausser den Grenzen dieses Werkes. Oertlich hat Rhazes*) auf eine nicht wohl begreifliche Art das Nitrum zum Geschmeidigmachen der Haare anem- pfohlen. Andere rühmen, und zwar mit mehr Recht ölige, schleimige und erweichende Mittel, Jahn die Einreibung der Bierwürze, oder der mit Schnecken gemachten Markpomate. Ich halte einfache Pomaten aus Rindermark, eine zweckmässige Diät und sonstige Lebensart, so wie sie oben **) empfohlen wurden, für das, was sich in solchen Fällen am zweckmässig- sten erweist. Nahe verwandt mit der Borstenkrankheit ist die zu grosse Härte des Haars, von welchen daher auch beynahe in allen Beziehungen das von jener Gesagte gilt. Im entgegengesetzten Verhäliniss steht jedoch das zu dünne Haar. Das dünne Haar überhaupt ist ein gewöhnli- ches Zeichen entweder von jugendlicher Blüthe, oder zarter Or- ganisation, vorzüglich der Haut, wie beym weiblichen Ge- schlechte, und besonders bey Blondinen. Krankhafte Dünnheit der Haare aber findet man bey mangelhafter Ausbildung, einer Art Atrophia des Haarschaftes, von gesunkenem reproductiven Leben in den behaarten Hautparthien, wie ‚wir diess bey Gelehrten und Andern häufig zu beobachten Gelegenheit ha- ben. Daher kommt es denn auch, dass fast immer die Alope- cia mit diesem Uebel gepaart, wenigstens nur in seltenen Fäl- len bey steifen, harten, borstigen Haaren beobachtet wird. Die früher dieker hervorgewachsenen, häufigen Haare fangen nämlich allmählig an, dünner und sparsamer zu werden; es entstehen lichtere Stellen, die dann zuletzt ganz haarlos wer- den, und die Glatze erzeugen. Es lässt sich daher auch in Bezug auf die Ursachen und die Heilmittel, mit welchen man dem Entstehen der zu dünnen Haare entgegen arbeiten könnte, gar nichts besonders sagen; sondern es gilt ım Grunde alles das, was oben bey dem Aus- fallen der Haare angeführt wurde. FUTTER. **) 8. 175. p. 290, 378 Von den krankhaften Auswüchsen, Knoten u. dgl. $- 196. B. Von den krankhaften Auswüchsen, Kno- ten u, dol. In Bezug auf Knoten, Auswüchse und Erweiterung der Zellen an den menschlichen Haaren kann ich bloss bemer- ken, dass ich diese Abnormitäten einigemal zu Gesichte be- kam, ohne jedoch im Stande zu seyn, über ihre Veranlassung etwas Näheres anzugeben. $. 497. C. Von der zu starken Krause und Schlaff- heit der Haare. Weil es Menschen gibt, die nie mit dem zufrieden sind, was ilınen die Natur bescheerte, so kam es, dass man auch auf Mittel sann, welche die krausen Haare schlicht, und die schlaffen kraus machen sollten. Unter die erstern finde ich bey Rhazes überhaupt, und wohl auch zweckmässig die Olea lenia aequalia, et Mucilagines viscosae, mollificantes gezählt; da- gegen die kraus machenden folgende sind: Farina foenugrae- ci, et Oleum ejus, Myrrha, Gallae, Calx, Lythargyrium, Hyos- cyamus albus. Auch die Spuma salis soll stark krausen. Avicennaempfiehlt nach Rhazes folgendesIncrispa- tıvum: Rp. Gallarum Fructus tamarisei Limaturae acuum Foliorum cupressi Granorum ejus —_ cydoniorum Lythargyri Dragaganthi Boli Endiviae silvesiris aa. part. unam Calcıis non extinclae part. dimidiam Conficiatur cum aqua siclae (betae) et administretur. Von der fehlerhaften Richtung der Haare. 379 In der neuern Zeit habe ich folgende Mittel angerühmt gefunden, um das Haar lockig zu machen: Man nimmt das Weisse von einem Ey, ein Quentchen fein gestossenen weis- sen Zucker, einen Esslöffel voll weissen Wein, und macht eine Salbe davon. Hiemit wird das Haar Abends überstrichen, wenn man es aufrollt. Oder: Man nimmt 4 Loth armenische Seife und '/, Loth Rosenwasser, und lässt beydes zusammen- kochen. Oder: Man wascht die Haare mit einem weinigen Aufguss der Attichwurzel oder des Hanfsamens, und reibt die- selben oft mit einer fetten Pomate. $. 198- D. Von der fehlerhaften Richtung der Haare, Auch die Richtung der Haare, oder eigentlich des Haarschaftes kann fehlerhaft seyn. Da jedoch die Richtung vorzüglich von dem Orte des Ursprungs, oder mit andern Worten von dem Sitze des Haarbalges abhängt, und sich demnach nur selten eine fehlerhafte Richtung der Haare ohne fehlerhaften Sitz des Balges denken lässt, so ist leicht ein- zusehen, dass es sich hier hauptsächlich um die Bestimmung dieses letztern handle. In dieser Beziehung wissen wir, dass das Wesen der Trichiasis nicht allein, wie man wohl hie und da noch glauben mag, in der Einwärtskehrung des Augenlie- des, sondern vielmehr darin liege, dass die Cilien, welche be- kanntlich ausserhalb des scharfen Randes des Augenlieds ent- springen sollen, theils an diesem selbst, theils jenseits nach Innen hervorkommen, und so durch ihre zweckwidrige Rich- tung dem Auge schaden. — Olivier sah auch an den Glie- dern kleine Haare sich unmittelbar nach ihrem Austritt aus dem Balge umkrümmen, und spiralförmig unter der Haut fortrollen, ohne diese zu durchbohren. Darauf entstand eine leichte Reitzung,, und auf sie bildete sich eine kleine Blase, die sich öffnete, und aus welcher sodann ein seidenartiges Haar trat, das um sich selbst gewunden war. Ändere Auto- ‘ ren haben Fälle beobachtet, in welchen die Haare eine, der gewöhnlichen ganz entgegengesetzte, Richtung nahmen, und sich mit ihrer Spitze neben der Austrittsstelle in die Haut einbohrten. 380 Von derregelwidrigen Verbindung der Haare etc. Es leuchtet wohl von selbst ein, dass sich gegen solche - Verbildungen wenig oder gar nichts unternehmen lasse, was im Grunde auch nicht sehr zu bedauern ist, da derley Fälle, mit Ausnahme der Trichiasis, wohl unter die seltensten gehören, und wir doch gegen letztere in dem bekannten Jäger’schen Verfahren ein Radicalmittel besitzen. Il. Von der regelwidrigen Verbindung der Haare unter sich, oder von dem Verwirrt- seyn derselben (Trichoma). $. 199: Dieses Uebel wird auch falscher Weichselzopf, bey den Franzosen Tignace, Natte, Feuirage, bey uns das Filzhaar genannt, weil es einerseits ein beständiges Symptom des echten Weichselzopfes ist, und weil auf der andern Seite dabey die Haare wirklich filzartig mit einander verbunden sind. Gewöhnlich beobachtet man diesen Zustand der Haare bey Leuten, und namentlich bey Frauenzimmern, die ihre Haare wochen-, ja wohl jahrelang nicht gehörig besorgten; ferner in der Reconvalescenz von schweren, langwierigen Krank- heiten, bey armen Greisen, in Versorgungshäusern u. s. f. — Garmann*) spricht auch von eiher Verwachsung der Haare, die er Rhopalosis nennt, und bey welcher die Haare in steife Büschel verwachsen sollen. Auch der Schrecken hat in seltnen Fällen die Haare gleich einem Filze verwirrt, so dass man sie kaum mit aller Sorgfalt wieder zurecht bringen konnte. — Petit sagt recht sinnreich, dass sich solche Haare gleichsam selbst erwürgen, weil sie aus Mangel an Ernährung am Ende in Massen aus- fallen. Schlaffheit der Kopfhaut, und Absonderung einer zä- hen Schmiere auf derselben, und von den Haaren selbst, ist meist die Bedingung, dass lange Haare auf diese Art sich ver- wickeln. ZIRA: a, O. Von der regelwidrigen Verbindung der Haare etc. 381 Uebrigens unterscheidet sich dieser Zustand von dem eigentlichen Weichselzopfe wesentlich dadurch, dass die Haar- zwiebel die in der letzten Krankheit so namhaft ergriflen sind, hier nichts Krankhaftes an sich tragen. Sorgfältiges theilweises Abschneiden der verwirrten Haa- re, und eine gute Pflege derselben werden dem Uebel für die Zukunft hinlänglich steuern. Ar Maarını.9, I. Ueber das Abschneiden der Haupt- und Barthaare im gesunden und kranken Zu- stande des Menschen. $. 200. Trac ich diesen hoch wichtigen Gegenstand der 'Trich o- logie abzuhandeln beginne, muss ich nothwendig zuvörderst wieder auf den physiologischen Zweck, und auf die Art des Wachsthums der Haare aufmerksam machen, und meine Leser bitten, jene Paragraphe dieses Werkes nach- zuschlagen, in welchen über das Angeführte weitläufiger ge- sprochen wurde. Denn wenn über den Nutzen und Schaden des Haarabschneidens entschieden werden soll, so muss man sich vor allem vergegenwärtigen und überzeugen, welche Stu- fe von Organisation diese Gebilde unter den übrigen Theilen des Organismus erreicht, und welches individuelle Leben sie in Beziehung auf den ganzen Körper des Menschen zu führen haben; vor allem aber muss nie vergessen werden, dass sie als integrirende Theile des Organismus eben so gut belebt sind, als die übrigen, und dass sie demnach, so wie sie einerseits ihr Leben dem Total-Organismus danken, so auch wieder andrer- seits auf diesen bestimmend zurückzuwirken im Stande sind. Ferner ist es für den vorgesetzten Zweck von der grössten Wichtigkeit, zu bedenken, dass die Haare einer dreyfachen Function vorstehen, dass sie se- und excernirende, einsaugende und electrisch isolirende Organe sind, und eben dadurch eine weit bedeutendere Rolle übernehmen, als man gemeinhin zu glauben scheint. In wie fern ein jeder dieser drey Processe wirklich von Statten gehe, ist früher in dem physiologischen Theil dieses Ueber das Abschneiden der Haupt-und Barthaare. 383 Werkes angeführt worden, und es handelt sich jetzt nur dar- um, die Wichtigkeit derselben mit dem Abschneiden der ae: in Verbindung zu bringen. Zu diesem Ende stelle ich folgende Puncte auf: 4) Nachdem die Haare Theile des Körpers sind, d. h. durch _ die Bildungsthätigkeit desselben unter den Verhältnissen entstehen und wachsen, so folgt, dass sie mit dem ganzen reproductiven Leben des Organismus in genauer Verbindung stehen. Da ferner zur Bildung und zum Wachsthume eines jeden Organes ein bestimmter Grad von Lebensthätigkeit, und als Substrat derselben eine geeignete Materie erforderlich ist, so folgt weiter, dass diess auch von der Bildung der Haare gelten müsse. 2) Ich habe früher durch theoretische und practische Grün- de erwiesen, dass das Wachsthum der Haare, welches der Natur überlassen, eine gewisse Länge nie überschrei- tet, ungemein befördert werden könne, wenn man diesel- ben sehr oft abschneidet. — Man wird daher in Beziehung auf den vorigen Punct leicht einsehen, dass durch das öf- tere Abschneiden der Haare mittelst des dadurch hervor- gerufenen stärkern Wachsens derselben, dem Körper im Allgemeinen eine verhältnissmässig viel grössere Menge an Kraft und Materie entführt werden müsse, als ohne dasselbe. 3) Die Haare sind, wie oben bewiesen wurde, dazu bestimmt, gewisse Stoffe theils zu ihrer eigenen Bildung vom Orga- nismus selbst zu beziehen, theils andere der Aussenwelt abzugeben. In beyderley Vorgängen kann aber die Na- tur, so wie in allen ihren Processen ein gewisses, ursprüng- lich vorgezeichnetes, Mass nicht ohne Schaden überschrei- ten. Es fragt sich also, welches dieses richtige Mass sey ? So schwierig dieser Gegenstand beym ersten Anblick zu entscheiden scheint, so trage ich doch kein Bedenken, die Frage dadurch zu lösen, dass ich auf den Naturzustand des Menschen zurückgehe , und ihn mit dem der Thiere vergleiche. In Hinsicht des erstern finden wir, dass einer- seits schon dadurch, dass die Haare nur bis auf eine ge- wisse Länge wachsen, und andererseits die meisten wil- den Völker dem Haarwuchs freyen Lauf lassen, ein wichti- ger Wink für das Normalverhältniss des fraglichen Punctes gegeben sey. Rücksichtlich der Thiere kenne ich kein einzi- ges, das von der Natur behaart erschaffen, und dem der 384 Ueber das Abschneiden der Haupt-und Barthaare. Verlust seiner Haare nicht empfindlich fallen würde; im Gegentheil zeigt sich diess wirklich bey einigen unserer Hausthiere, z. B. bey den Gänsen, welche zu kränkeln anfangen und mager werden, wenn man sie stark rupft, (wesshalb es denn auch eine Hauptregel für die Mästung dieser Thiere ist, sie während der Periode nie zu ru- pfen.) Dasselbe gilt auch von den Schafen und anderen 'Thieren. Wie tief das Mausern der Vögel, ja selbst das Hären der Pferde, Hunde und anderer Thiere, in den gan- zen Lebensprocess derselben eingreift, und dass es im- mer einen Schwächungszustand mit sich führt, lehrt die tägliche Erfahrung zur Genüge. Ich bin demnach der Meinung, dass der Mensch von der Natur nicht an- gewiesen sey, seine Haare so oft, und am allerwenig- sten so kurz, als wir es zu thun pflegen, abzuschnei- den, sondern sie am Kopfe auf dieselbe Art ihrem Wachs- thume ganz zu überlassen, wie diess an andern Thei- len zu geschehen pflegt. — Würde dieses letztere be- folgt, so würde die Natur nicht gezwungen werden, einer- seits einen Theil ihrer Kraft und Materie unnöthigerweise zur fortwährend gesteigerten Bildung der Haare zu ver- wenden, und andererseits die geeigneten Stoffe in verhält- nissmässig zu geringer Menge an die Aussenwelt abzuge- ben; d. h. mit andern Worten, sich auf eigene Kosten zu schwächen, und die bestimmten Auswurfsstofle gegen das Gesetz der Natur so zu sagen, zurück zu halten. — Denn wenn es wahr ist, woran übrigens Niemand zweifelt, dass die Haare ausdünsten, so muss auch angenommen wer- den, dass für das Wie und Wieviel dieser _Ausdünstung von der Natur eine gewisse Regel gesetzt sey. Abstrahiren wir nun von dem erstern, so kann man in Bezug auf das quantitative Verhältniss dieser Ausdünstungsmaterie behaup- ten, dass es mit dem ungehinderten Fortwachsen der Haare bis auf ihren höchsten Punct in geradem, mit dem öfteren Abschneiden aber im ungekehrten Verhältnisse ste- hen. Diess wird jedem einleuchten, welcher weiss, dass das Haar an seiner ganzen Oberfläche, und daher um so mehr ausdünstet, je grösser diese, oder mit andern Worten, je länger das Haar ist. Wer daran noch zwei- felt, der überzeuge sich im täglichen Leben, und er wird finden, dass dick- und langhaarige Menschen viel mehr Ueber das Abschneiden derHaupt-und Barthaare. 385 am Kopfe ausdünsten, als geschorne oder beschnittene. Wir pflegen mit Recht einen so grossen Werth auf die re- gelrichtiig von Statten gehende Hautausdünstung, und überhaupt aufalle Excretionen zu legen, und fürchten uns so sehr vor dem Schaden der unausbleiblich aus ihrer Beeinträchtigung erwächst. Warum soll diess nicht auch auf die Haarausdünstung angewendet werden? 4) Dieser wahrlich nicht unwichtigen Ausdünstung an der Oberfläche der Haare geht aber auch eine nicht weniger zu beachtende, entsprechende Einsaugung parallel, ja ich habe sogar die Behauptung auszusprechen gewagt, dass man in diesem organischen Wechselverhältniss, in dieser polaren Thätigkeit zum Theil Spuren des Hautathmungs- processes finde, indem auch hier durch Aufnahme des Sauerstofls, des Wassers, und der Electrieität aus der At- mosphäre, und durch Zurückgabe brennstofliger, nament- lich aber kohlenstofliger Substanzen aus dem Innern des Körpers an diese, jener wichtige Process zum Theil be- fordert und unterhalten werde, welchen man das Ath- men der Thiere nennt. Da nun aber auch die Einsaugung qualitativ und noch mehr quantativ von der Ausdehnung der einsaugenden Oberfläche abhängt und bedingt ist, so leuchtet von selbst ein, dass das öftere Abschneiden der Haare auch dieser Function einen bedeutenden Eintrag thue. — Dasselbe gilt endlich 5) Auch von der nicht zu übersehenden Beziehung, in wel- cher die Haare zu der Electricität der Luft sowohl, als auch des eigenen Körpers stehen; so dass dem zu Folge geradezu behauptet werden kann, dasöftereAbschnei- den der Haare sey allen ihren, von der Natur angezeigten Functionen nichtaallein hinder- lich, sondern auch geradezu entgegen, und desshalb positiv schädlich. So befremdend diese Behauptung auch immerhin Man- chem vorkommen mag, so findet sie doch, unbestreitbar in der Erfahrung ihrer Stütze. Um dieses zu beweisen, müs- sen wir das Leben von einer grossen Anzahl von Menschen, welche das Wachsthum ihrer Haare der Natur überliessen , mit dem Leben Anderer vergleichen, die sich nach unse- rer Gewohnheit die Haare schneiden liessen, um daraus ab- zunehmen, dass letztere mit diesem oder jenem, oder mit Eble’s Lehre von d. Haaren. II. Bd, 25 386 Ueber das Abschneiden der Haupt-und Barthaare. mehreren Uebeln zugleich behaftet waren, von welchen er- stere verschont blieben. In dieser Beziehung behauptet M a- thaei *) dass die vielen blöden, schwachen und triefenden Augen, der stinkende Ausfluss aus den Ohren, die geschwolle- nen und entzündeten Drüsen am Halse, und überhaupt der Zustand, den man gewöhnlich unter scrophulöser Anlage und Scropheln selbst zusammenfasst, in dem von Jugend auf ge- schornen Kopfe seine Ursache finde, und dass Ed.Barr y **) mit Recht sehr dringend in der Atrophie der Kinder den un- gehinderten Haarwuchs empfehle, und daher das Abschneiden als eben so nachtheilig verwerfe; dass ferner bey Kindern nach den Gesetzen des Antagonismus durch das öftere Haarabschnei- den die organische Ausbildung des Gehirnes leide,"und hierin einer von den vielen Gründen zu suchen sey, warum so oft Ti- tuskopf, Brutuskopf und Dummkopf Synonymen sind. In dem Jünglings- noch mehr aber in dem Man- nesalter erträgt nach Mathaers Meinung der Körper diese Operation zwar viel leichter; dennoch wäre es eigentlich besser, sie nicht, oder wenigstens nie so zu unternehmen, dass alle Haare auf einmal entfernt würden. Insbesondere leitet er von dem Abschneiden eines, bisher Jahre lang gehegten und gepflegten, langen Haares bis auf den Scheitel die traurigsten Folgen: Epilepsie, Gonvulsionen mancherley Art, schlimme Augen, Ausschlag im Gesicht, anhaltendes Kopfweh u. dgl. her. Nach Albers ***) ist das Haarabschneiden bey rauher Witterung keine zu übersehende Gelegenheitsursache des Croups. Auch habe ich gelesen, dass ein Goldschläger, der sich der Bequemlichkeit halber die Haare ganz abschnitt, und eine Pe- rücke trug, von dieser Zeit an kränkelte, und bald darauf wassersüchtig starb; undPaulinisah inHessen eine Magd, welcher man der vielen Läuse wegen die Haare abgeschnitten hatte, und die gleich Simson dadurch alle Stärke verlor. — Samuel Anhorn sah vom Abschneiden der Haare eine Speckgeschwulst auffallend wachsen. *) Hufeland’s Journal 16ter Bd. 3tes Stück p. 84. **) A treatise on the tree different Digestiones and discharges of the hu- man hody etc. Lond. 1759. p- 222. *?*) Commentatio de tracheitide infantum, Ueber das Abschneiden der Haupt- unDB, rthaare. 387 Ehemals, als man den Soldaten bey den Regimentern die Zöpfe abschnitt, klagten viele durch einige Wochen über Migraine. Es ist daher der Rath unsers Herrn Oberstfeldarz- tes und Hofraths Dr. Isfordink’s wohl zu beherzigen, dass einem Manne, der früher lange Haare trug, besonders im Winter, selbe nicht mit einem Male geschnitten werden sol- len, weil diese von Jugend an gewöhnte stärkere Kopfbede- ckung selten ohne üble Folgen für die Gesundheit schnell ent- fernt werden kann, um so mehr, da die jetzige Art der Kopt- bedeckung der Soldaten das Hinterhaupt meistens frey lässt *). Schlegel erzählt, dass die jüdischen Mädchen in Poh- len, so lange sie ihre in Zöpfe geflochtene Haare tragen, und selbe Sommer und Winter nur wenig bedecken, gewöhnlich ei- ner guten Gesundheit geniessen; dagegen sogleich ein alterndes Aussehen , Haemorrhoiden und viele andere besondere Krank- heiten bekommen, sobald sie sich nach ihrer Verheirathung alle ihre Kopfhaare abscheeren lassen. Auch unser grosser Frank gehört unter die würdigsten Eiferer gegen die unsinnige Mode, den Kopf des Neugeboren, oder kaum Jahre alten Kindes ohne alle Rücksicht dem Ein- flusse der atmosphärischen Luft, der Kälte u. s. w. Preis zu geben, und ihn sogar seiner natürlichen Decke, seines eigent- lichen Schutzes schonungslos zu berauben. Die Worte dieses erfahrnen Arztes sind zu wahr und ein- dringend, als dass ich sie hier übergehen könnte: »Atgui ta- men et ipsa nalura nascenlis pueri calvarıam diutius quam bestia- rum illam adpertam crinibus munivit ; et tenera pullum per menses sub alis malernis sollicite fovet apis,; nec animal quodcungue in sylois tam ferum est, quin prolem, non modo vix natam, sed jam firmo ingressu matris vestigia sequenlem sinu proprio diutius recondat, et anzie a quovis frigore custodiat. Quidni igitur homi- nis pro longiore vita extensae magıs infantiae subjecti caput bre- viore indigeret custodia? Nullum apud populum, quam apud brit- tanicum, a quo hic proles suas adhuc teneras indistincetim quibus cunque almosphaerae injurüs nudo capite exponere consuevit, hy- drops cerebri tam frequens est, et nunquam in prima hominis aetate tol mala calvariae, lotque ad caput retentiones tam aguasas, quam mucoso - Iymphaticas observarimus, quam a quo tempore, in Jrigidioris adeo coeli regionibus hos novos educationis physicae mo- *) Militärische Gesundheitspolizey {ter Thl, p. 69 — 70. 2 388 Ueber das Abschneiden der Haupt-und Barthaare. res coeca imitatione introduximus. Sunt certe infantes, qui haec immunes pericula effugiant, ac ita forsitan capile virili in aetale minus sensibiles atmosphaerae injurüs facılius resistant, sed quan- tus eorum, qui huic tentamini misere pucubucrint, est numerus! Caput igitur infantis recenter ulero ezclusi, donec primos vitae annos superaverit, et coma quidquid densior illud operuerit — non quidem velaminibus obruendum, sed tamen leviter fovendum, nec frigidae humidaeque tempestati pelulanter exponendum est. Hac ralione innumeras systematis culanei alque glandulosi ad caput infantile affecliones morbosas praescindimus. Nec ideo magıs re- centiorum consuetudini, gua capillos puerorum proxi- me arcäa caput rescindunt, autgua istud ovium adinstar, sollicite tondunt, uipole nalurae ornamenlum et iutamen hoc calvariae non absque ratione impertienli contra- riae favemus.» *). Nebst den schon angeführten üblen Folgen hat Haske**) das Heer der sogenannten Flüsse, der Zahnschmerzen von ben tetes tondues ; andere aber sogar Geistesstumpfheit, Hang zur Wollust, moralische und körperliche Schwachheit herge- leitet, und Dr. Schlegel sah mehrere Individuen, welche, nachdem sie ihren Kopf abrasieren liessen, und keine hinläng- lich warme Bedeckung trugen, sehr stinkende Fussschweisse bekamen. Dagegen hat es auf der andern Seite auch nicht an Aerz- ten gefehlt, welche, wie z. B. Dr. Westphalen ***) die Schädlichkeit des Haarabschneidens bey Weitem nicht so hoch achten, indem sie sagen, dass dadurch keine Säfte entzogen, sondern vielmehr erspart würden, und dass es auch keinen dynamischen Einfluss habe, weder durch den Schmerz, noch durch die Trennung von, in dynamischer Wechselwirkung ste- henden Theilen, noch auch durch den zur Reproduction der- selben erforderlichen Kraftaufwand. Allein die Wahrheit liegt auch hier, wie in allen ähnlichen Fällen, in der Mitte — Denn so wenig ich glaube, dass das Haarabschneiden der Hauptgrund der vielen Dummköpfe sey, eben so sehr bin ich von der Wahrheit überzeugt, dass diese Sitte mit den meisten der andern genannten Folgeübeln wirklich in einem wohl zu *) Epitome lib, 6. pars 2. p. 50. **) Hannöv. Magazın 1802, p. 96. N) Hufeland’s Journal 20ster Bd, 4tes Stück, “ Ueber das Abschneiden der Haupt- und Barthaare. 389 beobachtenden Causalnexus steken. Nur springt, wie Vogel richtig bemerkt, leider diese Beziehung nicht immer so deut- lich in die Augen, die wirklich daher rührenden Uebel sind nicht auf der Stelle so heftig, oder folgen nicht unmittelbar auf ihre Ursache u. s. w., daher der da und dort geäusserte Zweifel an der Wahrheit einer Sache, die nicht bestritten wer- den kann. Die Fälle, wo nach dem öftern Abschneiden der Haare nicht das geringste unangenehme Freigniss, nicht die kleinste Störung der Gesundheit Statt fand, sind zwar allerdings nicht selten, jedoch nicht im Stande, den allgemeinen Satz zu ent- kräften. Denn ein einziges Unglück ist hinreichend, uns für alle ähnlichen Fälle behutsam zu machen, wenn wir uns nicht der Gefahr aussetzen wollen, selbst ein ähnliches zu erfahren. Auch ist diess mit allen übrigen Schädlichkeiten ganz derselbe Fall, weil sie als solche, oder vielmehr ihre Wirkung von ei- ner Menge anderer Verhältnisse, Gesundheit, Constitution, Alter, Jahrszeit u. dgl. abhängen. Man wird daher immer sehr klug thun, wenn man das Abschneiden der Haare wenigstens in folgenden Fällen unter- lässt, oder doch verschiebt: 1) Bey gesunden Kindern bis zum 5—6ten; bey schwächli- chen bis zum 410ten Jahre. 2) Haben diese jedoch deutliche Zeichen der scrophulösen An- lage, entweder bis in ihr 42 —44tes Jahr, oder aber man beschneide die Haare sehr selten, und immer nur wenig. 3) Während der strengen Jahrszeit. 4) In der Regel beym weiblichen Geschlechte überhaupt von der Menstruationszeit angefangen; denn früher findet kein Unterschied Statt. 5) In allen jenen Zuständen, wo der Körper auf irgend eine andere Art Kräfte verliert, oder dieser überhaupt vor- zugsweise bedarf, wie z. B. im hohen Alter, nach grossen Anstrengungen des Geistes und des Körpers. 6) Da, wo der Mensch aus seiner gewohnten Lebensart in eine neue versetzt wird, vorzüglich wenn mit dieser letz- tern der Umstand verbunden ist, dass das Individuum den Witterungseinflüssen stark Preis gegeben ist, z. B. bey Recruten. 7) Endlich bleibt es eine unumstössliche Regel, die Haare nie bis auf die Haut abzuschneiden, noch weniger sie ab- 390 Ueber das Abschneiden der Haupt- und Barthaare. zuscheeren , sondern ihnen stets eine Länge von wenig- stens '/; bis °/, Zoll zu lassen. $. 201- Bisher war bloss von dem Schaden des Haarabschnei- dens für die Gesundheit überhaupt die Rede; und es ist da- her jetzt noch der Einfluss desselben auf den kranken Or- ganismus insbesondere zu erwägen. Es ist leicht einzusehen, dass dieser nothwendigerweise noch deutlicher hervortretien müsse, als jener auf den gesunden Körper. Wir kommen hier zunächst auf ein doppeltes Verhält- niss, denn dieser Einfluss ist entweder nützlich oder schädlich. In der erstern Beziehung ist er demnach zu den Heilmitteln zu rechnen, und wirklich sehen wir auch, dass das Abschneiden und Abscheeren der Haare schon in den ältesten Zeiten un- serer Kunst als ein wichtiges Heilmittel angesehen wurde. Schon Caelius Aurelianus *) räth ın der Phrenitis vom 5ten bis zum 7ten Tag, das Haupt zu scheeren: „Caput detondemus, etenim detractis capillis partes reflantur, plurime gra- vatione liberatae ;*“ ferner in der Satyriasis heisst es ausdrück- lich: „Perrasis capillis pubes scarificatur“ **). Selbst in der Pa- ralysis lässt er das Haupthaar abscheeren: „Ordinamus etiam, si quid partialiter loco patienti adhiberi poterit, ut capıli passio- ne vexato rasionem capillorum nunc pro capillalura, nunc contra capillaturam. In mulieribus vero, quae id fieri non fa- cile permiltunt, denso pecline ewerceri capillos imperamus (aut pro aut contra capıllaturam) et cum vehementi conalu, aique primo aliorum manu et raro pectine, lunc magis denso el aegro- tanlıs manu“ ***), Im Lethargus befiehlt Aretaeus Cappadox ****); „Ut vellantur pili;* eben so ist er bey der Behandlung des Kopf- schmerzes für die Nützlichkeit des Haarabscheerens +). Gel- sus ging noch weiter, indem er vorschlägt, bey entzündli- *) De morbis acutis et chronicis. lib. VIII. Venet, 1757. p. 21, 22. lib. I. acut. cap. VIII. ”*) P. 182. acut. lib. III. cap. XVIU. "*) A. a Or lıb,. IE 4Pp2,259, ****) De causis et signis morburum etc. ab Herrm. Boerhave. Leydae Batav. 1775. p. 78. lib, 1. p) P. 116, Ueber das Abschneiden der Haupt-und Barthaare. 391 chen Krankheiten die Haare früher zu schneiden, ehe die Wuth eingetreten ist **). Auch bey langwierigen Augenent- zündungen hält er oft das Haarschneiden für das einzige Mit- tel, das einen guten Erfolg nach sich zu ziehen pflege. Sy- denham **) räth gleichfalls die Abrasio capillorum in phreni- tide a calefacientibus inducta, als ein sehr gutes Mittel an, um eine Revulsion von den innern Theilen zu machen; auch stimmt er dem Aretaeus nicht bey, welcher die Verände- rung, die unmittelbar nach dem Scheeren entstand, für zu gross hielt, um zu wagen, die Haare auf einmal abzuscknei- den, sondern sie wenn sie lang wären, nur halb abschnei- den liess. Van Swieten ***) spricht auf gleiche Weise für die wohlthätige Wirkung des Haarabschneidens in der Phrenitis: „gratum enim refrigerium capiti sic concıiliatur, el insignem mu- tationem percipere solent aegri.“ Doch wandte er nie ein Pfla- ster, oder eine sonstige starke Kopfbedeckung, noch Oel oder Fett darnach an, weil er dadurch die Hautausdünstung zu hindern fürchtete. Unter den neuern Aerzten rathen einige auch im Typhus conlag. das Abschneiden und Abscheeren der Haare, wenn nämlich die Typhomania hefüg ist. v. Hildenbrand hältes aber nur im ersten Zeitraum rathsam, im nervösen und letz- ten Stadio aber für unbedingt schädlich, weil es die hier so nothwendig herzustellende Hautverrichtung auf eine nachthei- lige Weise stören würde. — Ehmals setzten die Kalendermacher das Haarabschneiden als eine chirurgische Operation mit in die Kalender, und sie sollte nur an gewissen Tagen unternommen werden. Auch hielt man bey starken Kopfschmerzen sehr viel auf das Ab- scheeren des Wirbels. Ich selbst kannte eine alte Italienerinn, die sich durch Erkühlung einen starken Kopfschmerz zugezogen hatte, wel- cher viele Jahre anhielt, sich alsbald verminderte, wenn ihr Haupthaar abgeschoren wurde, aber auch wiederkehrte,, so- *) Lib. III. cap. 18. **) Opera omnia Venet. 1766, p. 115. ***) Comentar. in Boerhavi Aphorismos, Leyd. Batav. 1759. Ton. Il. p. 613, 392 Ueber das Abschneiden der Haupt- und Barthaare. bald dasselbe eine Länge von drey Quer-Fingerbreit erlangt hatte. | Bey Wahnsinnigen empfahl schon Aretaeus von Capadocien das AÄusreissen der Haare Tauov reıxav als ein sehr gutes Mittel. Aber auch das Abschneiden derselben leistet in solchen Fällen oft sehr gute Dienste, wie unter an- dern Moreau *) beobachtet hat: Es verfiel nämlich ein 42jähriges Mädchen nach überstandenem Nervenfieber in eine Art Wahnsinn, in welchem sie unaufhörlich verlangte, dass man ihr den Kopf abschneide. Weil aber ihre dicken und langen Haare während der langen Krankheit nie gekemmt wurden, so entschloss man sich, ihr diese abzurasieren. So- bald die Kranke von ihre Bürde befreyt war, kam sie zur Vernunft, und behielt diese bis an ihr Lebensende. Einen ähnlichen Fall findet man in den Zusätzen zu Lanoix Beobachtungen etc. "*) wo ein Zimmergesell eben- falls durch Abscheeren seiner Kopfhaare von seinem wüthen- den Wahnsinn befreyt wurde. Eben $o im vierten Band des Journal general de Medicine ***), ferner von dadurch ge- heilter Migraine, im zehnten Memoire von Dr. Grimaud, von geheilten chronischen Ophthalmien, Gonorrhoen und Bubonen (Abschneiden der Schamhaare) im Hanöv. Magazin, v. Haske,undinHufeland’s Journal ****) u.s. w. In frühern Zeiten hielt man mit Recht viel mehr auf die Verhütung des Haarabschneidens bey Reconvalescentenund solchen, die sich von schweren Uebeln erholen, als diess heut zu Tag zum Nachtheil der Kranken zu geschehen pflegt. Na- mentlich hat uns Lanoix auf die bösen Folgen durch merk- würdige Beyspiele aufmerksam gemacht +), welche ich kurz anführen will: 4) Eine Frau von 48 — 50 Jahren bekam in der Reconva- lescenz von einem Nervenfieber eine Menge Phlyctaenen auf der behaarten Haut des Kopfes, welche bald platzten, und so kleine Geschwüre bildeten, aus welchen sich fort- während eine eiterähnliche, seröse Feuchtigkeit absonderte. *) Recueil periodiqne de la Societ de Medicine ä Parıs XXL. **) Anserles. Abhandlung. 20ster Bd. p. 262. 279), P290! ****) 25ster Bd. 2tes Stück. }) Memoires de la Socicte d’emulation medicale Tom. I. p. 2. Ueber das Abschneiden der Haupt- und Barthaare. 393 Nebstbey erzeugte sich eine grosse Anzahl von Läufen, welche ein unerträgliches Jucken und Beissen veranlass- ten. Um diesem abzuhelfen, schnitten die Wärterinnen die Haare ab, und reinigten den Kopf mit lauem Wasser. Aber kaum war diess geschehen, so wurde die Kranke von einem hefügen Kopfweh befallen, worauf sie nach Verlauf von zwey Stunden starb. 2) Eine andere Frau, von fast gleichem Alter, bekam eben- falls am Ende eines bösartigen Faulfiebers am ganzen Körper, vorzüglich aber auf dem Kopfe eine ausseror- dentliche Menge Läufe, welche sich durch die Haut durch- gefressen, und gleichsam allenthalben kleine eiternde Geschwürchen veranlasst hatten. Auch ihr wurden auf ihre Bitte von einer Wärterinn die Haare abgeschnitten, die kleinen Risse und Hautgeschwüre sorgfältig gereinigt, und der Kopf und der ganze Körper behutsam mit laugm Wasser abgewaschen. Darauf zu Bette gebracht, schlum- merte die Kranke ein. Aber in der Nacht fuhr sie plötz- lich aus dem Schlafe auf, und-beklagte sich über einen heftigen Schmerz in der Gegend des Hinterhauptes, das Fieber kehrte mit Heftigkeit zurück, es zeigte sich ein gelindes Delirium, und späterhin ein soporöser Schlum- mer. Die gereichte krampfstillende Arzney und die Zug- pflaster bewirkten eine momentane Besserung; in der dar- auf folgenden Nacht aber stellte sich das Fieber mit neuer Heftgkeit wieder ein, es kamen Ohnmachten und Schluch- zen hinzu, und die Kranke starb. 3) Der dritte Fall betrifft eine Frau von 24 — 25 Jahren, auf deren Kopf in der Reconvalescenz von einem Faul- fieber ebenfalls Geschwürchen und eine Menge Läuse er- schienen, wovon sie auf dieselbe Art, wie die frühern, befreyt wurde. Auch bey ihr erneuerte sich das Fieber wieder, die Geschwüre hörten auf zu secerniren, dagegen fing der Kopf und das Gesicht zu schwellen an, und es entsand eine rothlaufartige Geschwulst, welche sich bıs an die Schultern herab verbreitete. — Gegen alle diese beunruhigenden Zufälle wurden zwey Blasenpflaster und ein Brechmittel, eine strenge Diät, und späterhin tonische Mittel mit gutem Erfolge angewandt, so dass die Kranke mit wıiederhergestellter Gesundheit davon kam. —Lanoix erklärt sich die bösen Folgen des Haarabschneidens in 304 Ueber das Abschneiden der Haupt- und Barthaare. diesen Fällen von der Störung oder Unterdrückung einer kritischen Ausleerung, als für welche er die Geschwüre und Läusebildung am behaarten Theil des Kopfes ansah, und glaubt, dass die ersten zwey Kranken an einem, auf solche Art hervorgebrachten, serösen Schlagfluss gestor- ben seyen. Auch kann seiner Meinung zufolge, abgese- hen von der genannten Störung einer kritischen Auslee- vung, das blosse Abschneiden der Haare nach einer hi- tzigen, gefährlichen Krankheit dadurch nachtheilig, ja selbst gefährlich werden, dass man der Natur zur Erreichung nützlicher, uns vielleicht unbekannter End- zwecke dienliche Organe entzieht, und besonders die Ein- wirkung der Luft auf das Gehirn begünstigt. Diesen gewiss sehr merkwürdigen Fällen fügten Le- mercier und Thieulent noch folgende zwey andere hinzu: Ein Factor von 47 Jahren hatte, nachdem er ein leichtes rheumatisches Fieber überstanden hatte, seit vier Monaten die Haare voll Ungeziefer,; es wurde ihm also der Kopf rasiert, worauf, nach Verlauf von zwey Stunden, Schauer und Angst, später ilitze, Fieber, ein starker Kopfschmerz und wüthendes Delirium eintrat. Zwölf Stück Blutegel an die Jugularvenen, Blasenpflaster im Genick, und schweisstreibende Ptisanen wur- den umsonst angewandt. Im Verlauf des dritten Tages ent- stand lethargische Schlafsucht, und am vierten Tag erfolgte der Tod aus Schlagfluss. Bey der Section fand man die Sei- tenkammern des Gehirns sehr ausgedehnt, und mit drey Löl- fei voll Serum angefüllt. — Der zweyte Fall betrifft einen 60jährigen Mann, dem man gleicher Ursache halber die Haare abschnitt. Zwey Tage dar- auf zeigte sich hinter jedem Ohre ein phlegmonöser Absatz von krankhafter Materie, der jedoch späterhin heilte. — Vıillerm & hörte manchmal Reconvalescenten durch 2—5 Tage über Gesichtschmerz und Angst klagen, da man ihnen den sehr lang gewordenen Bart abgeschoren batte; und Duchateau sah einigemal Scheintod, Fieber und nervöse Symptome fast unmittelbar auf das Rasieren im Anfange der Reconvalescenz erfolgen. Dr. Vassal erzählt sogar einen Fall, in welchem auf das Rasieren nach einer acuten Lungenent- zündung, bey noch sehr geschwächten Kräften, der Tod binnen 24 Stunden erfolgte. Dass aber dasHlaarabschneiden selbst während der Krank- Ueber das Abschneiden der Haupt- und Barthaare.395 heit auch bedenkliche Folgen haben könne, findet sich eben- falls in der Erfahrung bestätige. So sah Villerme ein Kind an der acuten Hirnwassersucht sterben, welchem man drey Tage vor der Erscheinung der ersten Symptome unvor- sichtigerweise die Haare abrasiert hatte, um den Kopf von Läusen zu befreyen.— Auch hat die Sage tiefen Grund: Dass man die Haare der Kindbetterinnen nicht anrühren soll, indem selbst das Kämmen nachtheilig werden kann. $. 202. Eine besondere Erwähnung verdient in der nämlichen Beziehung das Rasieren, oder auch nur das Abschnei- den des Bartes. Bekanntlich steht dieser mit der Entwick- lung der Geschlechtstheile in der genauesten Verbindung, in auffallender Sympathie, und es ist ausser allem Zweifel, dass das frühzeitige Qultiviren und Hervorlocken des Bartes die Zeugungstheile sympathisch zu einer grössern Thätigkeit er- rege, und so höchst wahrscheinlich durch absichtliche oder zufällige Beförderung der Pubertät nicht selten den Grund zur Onanie, oder überhaupt zur Wollust und frühzeitigen Ver- schwendung des Samens lege. Schon Hospinian*) erkannte die frühzeitige Beschleunigung des Bartwuchses durch öfteres Rasieren für ein Mittel zur Erweckung des Geschlechtstriebes, da es die Congestionen nach dem Halse und den Geschlechts- theilen befördert. Abgemergelte Wollüstlinge lassen sich gern kurz vor der Feier ihrer Orgien rasieren, um den erlosche- nen Geschlechtstrieb wieder rege zu machen. — Mehr dar- über findet sich bey Edmund Barry **), ferner in Hufe- lands Tournal '***),- von Wilhelm Haske, "won Westphalen +) und von Mathäi. Ein Rückblick auf die früher angeführten geschichtlichen Thatsachen belehrt uns, dass dieser Gegenstand schon unter unsern ältesten Vorfahren Anlass zu besondern Gebräuchen, ja *) Ranguis de capıllamentis Cap. IX. 7. **) A treatise on the tree different digestions and discharges uf the human body etc. Lond. 1759, p. 222. +**%) XXVster Bd. 2tes Stück, ***#) Daselbsı IVier Bd. 8tes Stück. }) Daselbst XVlter Bd, 3tes Stück 396 Ueber das Abschneiden der Haupt- und Barthaare. selbst zu wohlthätigen Gesetzen gab. — Ich hege selbst die subjective Ueberzeugung, dass wir Europäer in jeder Be- ziehung kräftiger und stärker seyn würden, wenn wir gleich den orientalischen Völkern die Zierde unsrer Mannheit (decus alque ornamentum eiri), unsern Bart, ungehindert wachsen lies- sen. Wie kolossal steht der Muhamedaner, der Russe, den übrigen europäischen Nationen gegenüber! Wie ehrwür- dig und kraftvoll sehen uns die antiken Büsten berühmter Män- ner an! Sollte die Verstümmlung des Bartes hierauf kei- nen grossen Einfluss haben ? Freylich wird man sagen, schee- ren sich ja die Türken die übrigen Haare ganz ab. Wohl, aber ihre Zeugungskraft leidet viel weniger darunter, als bey uns, wo offenbar ein Theil des secernirten Samens auf die Production der Barthaare verwendet wird. — Wenn die Is- raeliten die Absicht hatten, sich ein neues Land zu erobern, so wurde das Rasieren allgemein untersagt *). Die Geschichte, welche uns Bartholin von einem Be- nedictinermönch erzählt **) ist ein merkwürdiger Beleg, in welch’ genauer Verbindung der Bart mit den Augen stehe. Dieser Mönch verlor jedesmal, wenn er sich rasierte, sein Gesicht; je länger er aber den Bart wachsen liess, desto besser sah er. Sein Prälat musste ihn also vom Rasieren dispensiren. — Eben so führtIsibord***) ein Beyspiel an, wo ein französischer Mönch nach dem Rasieren heftige Zahnschmerzen bekam, die sich mit dem allmählig wachsenden Barte wieder verloren. Diess in Bezug auf das Rasieren in gesundem Zustande. Dass es wäh- rend und unmittelbar nach einer schweren acuten Krankheit noch schädlicher wirke, habe ich zum Theil schon oben durch Beyspiele aus der Erfahrung bewiesen, denen ich hier noch einige beyfüge, welche beweisen, dass das Bartscheeren auch als Heilmittel wirken könne: Dr. Hannaeus sah einen General, der seinen starken Kopfschmerz verlor, sobald er sich die Haare im Genicke ab- nehmen liess. Waren diese wieder gewachsen, so kam der Schmerz wieder ****), *) Levit. 19. 17. **) Epistol. med. cap. III. 67. p. 275. ***) Breviar. rer. memor. num. 30. ****) 152stie Wahrnehmung aus den Abhandlungen der k. Leopold. CGarls-Akademie der Naturforscher p. 273. 1Tter Thl. > Ueber das Abschneiden der Haupt- und Barthaare. 397 Dr. Boxbarter sah 4688 zu Ulm einen 25jährigen Augustinermönch, der mit Schwachsichtigkeit behaftet war. So oft er sich die Achselhaare abschneiden liess, sah er bes- ser, liess er sie wachsen, schlechter *). Morgagni **) heilte einen Wahnsinnigen dadurch, dass er ihm oft den Bart scheeren liess. Es schwitzte aber jedes- mal, wenn die Haare wieder zu wachsen begannen, eine schmierige Materie aus, welche stark roch. Richerand***)erzählt, dass ein Cartheuser sich je- den Monat den Kopf scheeren liess, um der Regel seines Or- dens zu genügen ; er bekam jedoch unerträgliche Kopfschmerzen, sobald er seine Haare einige Monate wachsen liess, welche sich wieder verloren, sobald er diese Operation in kurzen Zwischen- räumen vornahm. So sehr sich nun die bisher angeführten Beobach- tungen über die Wirkungen des Haarabschneidens und Bart- scheerens zum Theil gerade entgegengesetzt sind, so zeu- gen sie doch alle ohne Ausnahme von der hohen Wichtigkeit der Sache. Auch bleibt immer ein starkes Uebergewicht von Gründen für jene Meinung, nach welcher das Haarscheeren überhaupt, vorzüglich aber das so oft wiederholte, in den meisten Fällen schädlich ist, indem es uns einen Theil un- serer Kräfte raubt, die der Organismus anderwärts hätte verwenden können. Diese Sache im Grossen betrachtet, so zeigt auch wirklich die frühere Geschichte, dass Mangel an Kraft, an Muth und an Ausdauer, und auf der andern Seite Sittenverderbniss gewöhnlich dann mehr bey den Völkern einzureissen pflegten, sobald sie sich die Haare abzuschneiden begannen. Man weiss, wasLycurgus aufein langes Haarhielt. Das Rasieren kam bey den Römern unter Scipio Afri- canus, also in einer Periode auf, wo schon der erste Grund zum Verfall der römischen Alleinherrschaft gelegt wurde. Warum wollte im Mittelalter der Geistlichkeit in beynahe alleinigem Besitze der langen Haare und des langen Bartes blei- ben? — Die Franken waren in Europa die ersten, welche damals ihren Erfindungsgeist an immer neuen Formen des Bartes übten, bis es zuletzt ein bartloser Günstling der Kö- *) Ebendaselbst. **) De sedibus et causis morborum epistol. VIII. art. 7. ***) Nouveaux elemens de la physiologie Tom. JI. p. 86. 7. ediction. 398 Ueber regelwidrige Haarbildung etc. niginn von Frankreich bey Hofe dahin brachte, dass man sich den Bart ganz abschor. Von dieser Zeit an griff diese Sitte auch ım übrigen Europa um sich, und so ist sie nun mit der immer steigenden Verfeinerung und einer ihr entsprechend zuneh- menden körperlichen Schwäche allgemein geworden. Man wird mich vielleicht auf die gegenwärtige, aus England geborgte Sitte, starke Backenbärte zu tragen, hinweisen, allein diese sind ja offenbar nur Treibhausgewächse, der Mode zulieb und nur mit Aufopferung und also auf Kosten der körperlichen Kräfte erkünstelt, und gar nicht in Anschlag zu bringen mit dem lang- sam und naturgemäss bis zu seiner Vollkommenbheit gediehenen Barte eines ehrwürdigen Mönches, oder eines ächten Muselman- nes. Da nun aber die Gewalt der Mode eine beynahe unüber- windliche ist, so wünsche ich nur, dass Aeltern, Erzieher, vor Allem aber die Aerzte die Wichtigkeit einer vernünftigen Haar- cultur beherzigen, und da ihnen nun einmal die tyrannische Mode den ganz richtigen Weg nicht zu gehen erlaubt, auch hierin wenigstens die Mittelstrasse verfolgen möchten!! II. Ueber regelwidrige Haarbildung an den verschiedenen Theilen des menschlichen Körpers. $. 203. So wie Bildung und Zerstörung in der ganzen Na- tur überallHand in Hand gehen, so reiht sich auch oft durch einen kaum merklichen Uebergang das Krankhafte dem Ge- sunden an, so dass es uns dann schwer wird, die Grän- zen beyder, sich doch gerade entgegengesetzter Zustände, ge- hörig zu trennen. So ist es auch mit der Bildung der Haare. Denn wenn ich auch früher eine ungewöhnliche Länge der Haare ın so fern noch in den Bereich einer relativen Gesund- heit zog, als uns die Beobachter solcher Fälle keine zu glei- cher Zeit, oder kurz vor - oder nachher bestandenen krank- haften Erscheinungen an solchen haarigen, rauhen Menschen aufgezeichnet haben; so unterliegt es doch keinem Zweifel , dass jene ungewöhnliche Haarbildung, oder vielmehr Haar- Ueber regelwidrige Haarbildung ete. 399 entwicklung nur unter ganz besondern, wenn auch nicht im- mer so leicht einzusehenden Verhältnissen, und somit mehr oder weniger doch immer auf eine, von der allgemeinen Regel abweichende Art statt finde; so wie man auf der andern Seite nur solche Bildung entschieden krankhaft nennen muss, wenn a) Haare an Orten entstehen, wo ursprünglich gar kei- ne Spur davon vorhanden seyn soll, und wenn 5) ursprüng- lich regelmässig gebildete Haare durch besondere Verhält- nisse, durch ihre Menge, vorzüglich aber durch ihre Länge so abarten, dass in irgend einem Theil des Körpers davon nach- theilige Folgen — krankhafte Erscheinungen — entstehen. Was nun den ersten Punct betrifft, um den es sich hier vorzugsweise handelt, so ist zu bemerken: 1) Dass es beynahe keinen Theil des menschlichen Organıs- mus gibt, in welchem man nicht schon Haare getroflen hätte. Diess gilt sowohl von äusserlichen, als auch innerli- chen Theilen. i 2) Dass sie sich vorzüglich gerne an jenen Stellen bilden, welche entweder viel Aehnlichkeit mit der allgemeinen Hautdecke — dem eigentlichen Heerde aller Haare — ha- ben, oder wo durch übermässige Vegetation Fett in Ueber- fluss vorhanden ist. Letztere ist es denn auch, welche ihr Erscheinen auf und in den Afterproducten aller Art gröss- tentheils bedingt. 5) Die Ursache ihres Erscheinens, also der Grund dieses ab- norm gesteigerten und nicht selten entarteten Bildungstriebs ist in den meisten Fällen unbekannt. Entzündung, oder wenigstens ein an diese gränzender Zustand der Reitzung, Schwangerschaft, und anhaltende Unterdrückung der Men- struction tragen wohl am häufigsten zur widernatürlichen Erzeugung der Haare bey, wesshalb letztere auch so oft ın den Ovarıen beobachtet wird. 4) In solchen innern Theilen eingeschlossen kommen sie, wie J. F. Meckel*) richtig bemerkt, immer mit einer Feit- oder wachsartigen, bald flüssigen, bald härtern Sub- stanz vor, von welcher sie umgeben sind. 5) Sie entspringen entweder gleich den regelmässigen Haaren aus einer freyen Oberfläche in irgend einer Höhle des Körpers, oder sind freyliegend in eine Kapsel, einen Balg *) Archiv für die Physiologie Bd. 1. p. 519 — 537. 400 Ueber regelwiedrige Haarbildung etc. u. dgl. eingeschlossen. Gruveilhier *) schnitt zwey mit Haaren angefüllteBälge auf, und fand, dass zwar alle Haare mit ihren Enden frey beweglich, dagegen in der Mitte durch eine Art von Canal von '/, — 3 Linien Länge fest- gehalten waren. (Aehnlich den Pflanzenhaaren.) 6) Sie besitzen theils denselben Bau, wie die Haare an der äussern Oberfläche des Körpers, und haben namentlich eine deutlich ausgebildete Zwiebel oder Wurzel, oder diese geht ihnen ab, und dann liegen sie gleich abgeschnit- tenen Stückchen eines längeren Haars gewöhnlich in eine Fettimasse eingehüllt. — Es ist daher unrichtig, wenn man, wie Blumenbach, Anderson und Sontis, glaubt, dass sie keine Wurzeln haben; und eben so falsch ist es, wenn man angibt, alle seyen mit Wurzeln versehen. Letz- teres ist jedoch immer der Fall, sobald sie anden Wänden irgend einer Höhle oder auf einer freien Fläche festsitzen. — Dass aber kein Haar ohne Zwiebel entstehen könne, ist zwar wahrscheinlich, aber dennoch nicht unumstösslich zu erweisen, indem man in jenen Fällen, wo sich Stückchen von Haaren, oder kleine Härchen ohne Wurzel vorfinden, selten so glücklich ist, in dem Balge nach Meckel's Ver- muthung die zurückgelassenen Wurzeln zu entdecken. — 7) Man ist allerdings genöthiget, anzunehmen, dass solche Haare auch aus der Fettmasse selbst entstehen. Zu mehre- rer Bekräftigung dessen wollen Saxtorph, Manfredi und Gooch Gefässe in der Talgmasse bemerkt haben, wo sich natürlich dann auch die Bildung der Haare daselbst leicht erklären liesse. 8) Die Länge solcher Haare ist höchst unbestimmt, die Beob- achter fanden sie von einigen Linien bis über zwey Fuss lang. Gewöhnlich übersteigen sie jedoch die Länge von einigen Zollen nicht. — 0) Eben so veränderlich ist dieFarbe derselben, denn man hat sie schon von allen Farben gefunden. Gelbbraun und röthlichschwarz kommt jedoch am häufigsten, silberfarbig sehr selten vor. Auch sind nicht alle, die man z.B. in einer Geschwulst beysammen findet, von einer und der- selben Farbe, so wie diese auch häufig mit der Farbe der *) Esrai sur P’anatomie pathologique tom. III. p. 194. Ueber regelwidrige Haarbildung etc. 401 regelmässigen Haare desselben Individuums nicht überein- stimmt. 10) Ihrer innern Textur nach kamen jene, welche ich in den Eyerstöcken fand, durchaus mit den Haupthaaren über- ein, und waren auch allemit Wurzeln versehen; da hingegen andere, die ich aus dem Fett von Balggeschwülsten nahm, den Hiärchen von den ersten Fingergliedern am meisten glichen, und nicht durchgehends Zwiebeln hatten. $. 204. Es handelt sich jetzt darum, das Gesagte durch merkwür- dige Beyspiele zu erläutern und zu bekräftigen, wesshalb ich die einzelnen Gebilde in dieser Beziehung durchgehen will. 1. Die allgemeine Hautbedeckung. Da diese, wie wir gehört haben, an und für sich beynahe durchaus mit Haaren besetzt ist, so machet, wie Meckel ganz richtig bemerkt, die ungewöhnliche Verlängerung von gewöhn- lich kurzen Hauthaaren den Uebergang zu den völlig regelwi- drigen. Ich abstrahire jedoch ganz von den schon früher abge- handelten sogenannten haarigen Menschen, und spreche hier nur von jenen Fällen, wo sich an einzelnen Stellen der Haut solche abnorme Haare erzeugten. — Muttermähler und oft auch Warzen, sind meist mit vielen rauhen und dunklen Haaren besetzt. So sah Villerme& zu Poitiers im Jahr 4808 ein Kind von 6 — 8 Jahren, das eine Menge solcher Flecken und Mähler von verschiedener Grösse auf dem ganzen Körper mit Ausnahme der Hände und Füsse vertheilt hatte, auf welchen durchaus Haare sassen, die nur wenig dünner und kürzer, als die Borsten des Wildschweins waren. Diese Flecken bedeckten ungefähr '/;, des ganzen Körpers. — Bichat fand in Paris einen Menschen, der von seiner Geburt an das Gesicht mit Haa- ren, die denen eines wilden Schweines beynahe analog waren, bedeckt hatte, und der in seinem 36. Jahre von jener beson- dern Art von Elephantiasis befallen worden war, wo die Haut des Gesichts an Volumen zunimmt, und gleichsam die Züge eines Löwen darstellt, woher denn dieser Menslh natür- lich einen abschreckenden Ausdruck von Wildheit erlangt hatte. Boyer führt in seinen Vorlesungen eine Frau an, deren Schen- Eble’s Lehre von d, Haaren, II, Bd. 26 402 Ueber regelwidrige Haarbildung etc. kel bey einer rosenartigen Entzündung sich mit sehr langen, harten und zahlreichen Haaren bedeckte. Dr. Spielenberger sah eine Wittwe, welche, nach- dem sie vor 12 Jahren ein hitziges Fieber überstanden hatte, zweymal monathlich sehr heftige Kopfschmerzen bekam. Dabey war das besondere, dass den 3ten und 4ten Tag nach diesen Kopfschmerzen allzeit unter den gewöhnlichen schwarzen Haaren neue, anfangs blonde, späterhin aber grau werdende hervor- kamen. Sie wuchsen in einer Nacht einen Finger lang, und sassen meist unter dem Wirbel am Hinterhaupte, und an den Schläfen buschweise. Wenn diese Haare binnen vier Tagen aus- gerissen wurden, so vergingen die Schmerzen ganz, wo nicht, so zogen sich die Haare wieder in die Haut zurück, und er- regten noch heftigere Schmerzen. *) Olivier **) beobachtete bey einer jungen Dame von sehr weisser Haut und schwarzen Haaren in der Reconvalescenz von einer Gastro-enterite eines Tags, dass ihre ganze Haut an Stamm und Gliedern voll kleiner Erhabenheiten war, wie man sie bey der sogenannten Gänsehaut sieht. Nach einigen Tagen färbten sich diese Erhabenheiten, und man bemerkte sogleich an ihrer Spitze ein Haar, das anfangs sehr schnell wuchs, so dass in einem Monathe die ganze Oberfläche des Körpers, mit Aus- nahme der Hände und des Gesichtes vollkommen behaart war. Die einzelnen Haare erreichten eine Länge von 4. Zoll. Vogel kannte ein gesundes, junges Mädchen, welchem unter den Kopfhaaren kleine Haare immer tiefer ins Gesicht wuchsen; ein Fall, der nicht so gar selten ist. — Von den büschelförmig auf der Haut hervorkommenden Haaren war auch schon früher die Rede. — Gewöhnlich sind diese Haare, welche man auf Muttermählern, Sonnenflecken, War- zen u. dgl. findet, dicker, und nähern sich den Borsten. — Gicht und Syphilis bringen manchmal auch Afterproductionen, auf der Haut hervor, die mit solchen Haaren besetzt sind. — Es erübrigt nun noch, etwas über das pathologische Ver- hältniss des Weiberbartes zu sagen. Esist schon aus dem ana- tomischen Theil dieses Werkes bekannt, dass diese regelwidrige Bildung um so ausgezeichneter hervortritt, wenn Unvollkom- menbheit der Geschlechtsfunction und des Geschlechtsunterschie- *) Abhandlung der Akademie der Naturforscher. 9ter Theil, 12te Wahr- nehmng. DIA. au OÖ, Ueber regelwidrige Haarbildung etc. 403 des zusammenfällt, also bey den Mannweibern und Zwittern. Auch ist dort gesagt worden, dass sich der Weiberbart um so deutlicher zu bilden pflege, je mehr sich die Zweydeutigkeit des Geschlechts zum männlichen hinneigt, endlich wurden eben daselbst mehrere solche Beyspiele von bärtigen Frauen ange- führt. Dass sich Störungen und Unordnungen in der Menstrua- tion häufig durch üppiges Hervorsprossen der Barthaare zu er- kennen gebe, ist eine bekannte Sache; auch lese ich, dass die Weiber in einigen Gegenden von Aethiopien amrothen Meere nachKornmann*)undnachLeblondindem kalten Theil des mitttägigen Amerika bey geringer Menstruation fast alle bärtig sind. Nichts desto weniger sieht man doch auch viele Weiher mit einem kleinen, feinen Wollbart, ohne eine bestimmte Ursache davon geben zu können, und desshalb ist mir der Ausspruch von Mercatus: „sibarba feminis adnascatur, summum alioguin calorıs effervescentis et intempestivae mensium suppressionis in- dieium« etwas zu allgemein. — Uebrigens hat uns schon Hip- pocrates über den genauen Zusammenhang der monatlichen Reinigung und der Bartbildung eine Geschichte aufbewahrt: »Abderis, Phaetusa, Pytheae uxor priore quidem tempore foecun- da erat; cum autem maritus ipsius in exilium abüsset, menses multo tempore suppressiı sunt, postea dolores el rubores ad articulos oborti. Haec autem, ubi conligissent, et corpus, virile fac- tum est, et hirsuta peniltus evasit, ei barbam produzii , et vox aspera facta est. Idem hoc contigit etiam Namysiae, Gorzippi uxori in Thaso. **) So versichert auchRhodiıus ***) er habe 4726 in Padua eine Neapolitanerin von 50 Jahren gesehen, welche den 46ten Monat, nachdem die Regeln aufgehört hatten, einen schwarzen, dichten, mittelmässig langen Bart, eine männliche Stimme, und sehr behaarte Brüste bekam. Noch merkwürdiger ist die Geschichte der Barbara Urslerin, welche uns Segerus ****) anführt. Dieselbe war am ganzen Körper, selbst im Gesichte mit gelblichen krausen, und wie Wolle weichen Haaren besetzt, und trug einen langen *) De miraculis vivor. pag. 94. **) Lib. VI. Epidemie. Sect. VIII. pag. 123. ***) Observ. med. Centur III. obs. 40. ”**), Ephemerid. der Akademie der Naturforscher. Dec. I. ann. IX- obs. 9, 26 * 404 Ueber regelwidrige Haarbildung etc. Bart, und ebenfalls gelbliche, aber viel längere Locken, die von den Ohren herabhingen. Schurig erzählt: eine Frau habe eine solche Bildung der Geschlechtstheile gehabt, dass man über ihr eigentliches Geschlecht zweifelhaft blieb. Ihre Regeln bestanden in einem periodischen Anschwellen der Krampfaderfüsse, und sie trug ei- nen schwarzen Bart. — Nach Pariset hat sogar eine ausser- ordentliche Keuschheit, die auch die Regeln weniger, und selbst ganz verschwinden macht, oft einen Bart zur Folge. So führt Schott unter andern Beyspielen das einer jungen Wittwe an, welche zum Kloster verurtheilt, einen starker Bart bekanı. Alle diese und noch viele ähnliche Beyspiele, welche uns Avi- cenna, Columbus, Harsdorfer, Zacut. Lusitanus kiolan, Th. Bartholin, Ol. Borrich, Ledel, Rayger u. a. m. aufbewahrten, dienen bloss zur Bestätigung des schon früher ausgesprochenen Satzes: dass die Samenflüssigkeit und das Menstrualblut in ihrer Ab- und Aussonderung gehindert, eine üppigere Erzeugung von Haaren überhaupt, vorzüglich aber des Bartes zu bedingen pflegen. — $. 205. 2. Die Schleimhäute. Zuerst erwähne ich derjenigen regelwidrigen Haare, wel- che an den Stellen erscheinen, wo die Hautdecke mit den Schleimhäuten zusammenstösst, und in sie übergeht; und zwar zähle ich hierher die bekannte Augenliederkrankheit, welche man mit dem Namen der Distichiasis belegt hat. Denn die hier krankhaft erscheinenden Gilien sind nicht wahre Cilien, die bloss eine falsche Richtung genommen haben, sondern wirk- liche Aftercilien, die vorher, d. i.. vor der vorangegangenen Krankheit des Augenliedes nicht vorhanden waren, wie es ja auch schon ihre abnorme Menge, Farbe und Dicke hinläng- lich beurkundet. Der Grund ihrer Erzeugung liegt in einem durch den vorausgegangenen, und zum Theil nur in einem geringern Grade noch fortbestehenden, meist scrophulösen Ent- zündungsprocess dieser Parthie des Augenliedes hervorgerufenen und unterhaltenen, übermässig gesteigerten Bildungstrieb, der sich durch Haarbildung, durch Erzeugung dieser Pseudocilien ausspricht, und nach Massgabe seiner Stärke bald zwey, bald Ueber regelwidrige Haarbildung etc. 405 drey und mehrere Reihen solcher Haare hervorbringt. Wirk- lich wollen Albinus *) und Quadri vier Reihen von Ci- lien — also eine Tetradistichiasis beobachtet haben. — In meinem Werke **) habe ich erklärt, dass aus der ab- gerundeten Spitze der T'hränenkarunkel immer einige sehr kurze, weisse, ohne Vergrösserung nicht wohl zu erkennende Härchen hervorkommen, die man früher ganz mit Unrecht für abnorme Producte hielt, und die es eigentlich erst dann werden, wenn sie sich entweder ausserordentlich vermehren, oder stark verlängern. Dagegen fand Gazelles ***)ein Haar, welches aus der Cornea hervorwuchs, und immer wieder kam, nachdem es ausgerissen wurde. Wardrop sah aus Excrescenzen auf der Cornea, und Hımly aus solchen der Conjunctiva Haare her- vorstehen. Eben so hat Demours und Andere bald in der Cornea, bald in der Sclerotica und andern Theilen des Au- ges solche Haare beobachtet, und ersterer und Wardrop auch abgebildet. Nach Rosas ****) können sich zwar überall in der Con- junclivca Haare erzeugen, doch geschieht diess am häufigsten in ihrer Scleroticalparthie, seltener an jener der Cornea und der Augenlieder. Derselbe Autor behauptet auch, dass diesem abnormen Haarwuchs jederzeit eine Fettwucherung zu Grunde liege. Dass sich auch am Eingange der Nase krankhafte Haare erzeugen können, davon habe ich eine einzige Beobach- tung gemacht: Ein hiesiger Professor litt von Zeit zu Zeit an heftigem Jucken in der Nase, von welchen er sich auf ver- schiedene Art, aber stets vergebens, zu befreyen suchte. Ei- nes Tages sah er denn auch mittelst des Spiegels in die Na- senhöhle hinein, und bemerkte sogleich unter seinen übrigen feinen, meist blonden Härchen auch einige, welche durch ihre dunklere Farbe, und borstenartige Dicke sogleich in die Augen fielen. Er entschloss sich daher, diese auszuziehen‘, *) Anat. acad. libr. III. cap. VIII. **) Ueber den Bau und die Krankheiten der Bindehaut des Auges. p- HZRENNE 124 ***) Journal de Medicine. tom. XXIV. ****) Siehe dessen Handbuch der theoretischen und practischen Augen heilkunde. II, Bd. p. 359. 406 Ueber regelwidrige Haarbildung etc. und siehe da, das Jucken hörte auf. Seit dieser Zeit befreyt er sich auf dieselbe Art von dem obwohl etwas seltener, aber doch wiederkehrenden, und offenbar mit der Erzeugung die- ser kranken Haare in Verbindung stehenden Jucken seiner Nase. Villerme& sah einige Mal Haare auf der äussern Flä- che der Nymphen, und Rhodius traf in Lappland ein schönes Mädchen, deren Scheide mit Haaren besetzt war *). Einen ähnlichen Fall beschreibt auch Taboraccı. —Ried- lin will im äussern Gehörgange ziemlich lange Haare beob- achtet haben, Auf den Schleimhäuten der eigentlichen Höhlen ist ihre Erscheinung viel häufiger bemerkt worden. So fand Ford im Rachen eines neugebornen Kindes eine, der Schilddrüsensub- stanz ähnliche, überall mit kurzen Haaren besetzte Geschwulst. — Auf der Zunge sah sie Amat. Lusitanus **), bey einem Pferde ebendaselbst Bourgelat ***). — Im Darmcanal, wo sie theils fesısassen, theils durch den After abgingen, fanden sie Baudamant, Wood****), Mermet dHauteville}), Riedlin +}), Blankaart, Harrup, Platner ++Ff) und Martin. Bichat sah einmal ein Dutzend solcher Haare von 4 Zoll Länge, welche auf der Oberfläche der Gallen- blase eingepflanzt waren. Einen der merkwürdigsten Fälle dieser Art führt Se- dillot-+FtF) an: Es war ein Mädchen von 24 Jahren, bey welchem nach heftigen Coliken, die sich gegen den Mastdarm zogen, und nach plötzlich verschwundenen alten feuchten Flechten entstanden waren, ein Büschel Haare im After zum Vorschein kam, dessen Anziehen hoch oben im Mastdarme schmerzte. Dabey gingen Stuhl und Winde, aber unter Schmerzen ab, Nach Verlauf von drey Monaten schnitt man *) Obs. 82. Act. acad. nat. curios. pars 15- ”*) Cent. cur. 65. p- 263. "**)) Tom. \EIB. 2,0. 322, *"**) Simmons med. fact, Vol’ VII. p. 139. tT) Sedillot de med. T. 48. oct. et Nr. 197. tr) Ephemerid. n. curios, Dec. III. a. 2. Obs. 169. t-F-}) Mantissa observ. select. Basil. 1680. Obs. 10. {rfr) Journal, general de Med. T.46. Janv. Salzburger med. Zeitg. 1813. HL. p, 315. Ueber regelwidrige Haarbildung etc. 407 den Büschel Haare 3 Zoll lang ab. Dennoch wuchs er alle Monate wieder mehrere Zolle, die man immer abschnitt. Jetzt musste man die Oeffnung mittelst Klystieren erzwingen. Im 46sten Jahre ging endlich Eiter ab, und bey einem sehr harten Stuhlgange erfolgte auch der letzte Rest des Haarbü- schels. Sie starb an der Abzehrung. Die Section zeigte weder Eiterung noch Haare mehr, auch gar keine organische Entar- tung; nur die Milz war um die Hälfte verkleinert, und Grimm- und Mastdarm stark erweitert. In Bezug auf den Menschen kommen wir hier auf die so- genannten Haarfresser, Trichophagen, wovon uns Blan- card *) und Johann v. Düren ein Beyspiel anführt. Merkwürdiger ist jenes von Baudamant zu Verdun be- obachtete. Dieser fand in dem Magen und dem Anfang der dünnen Därme eines Jünglings von 46 Jahren zwey Massen von Haaren, welche gerade herausgenommen 2 Pfund und 4 Unze, getrocknet aber 41'/, Unze wogen. Sie waren näm- lich mit einer stinkenden eiterartigen Flüssigkeit durchdrun- gen. Die kleinere Masse nahm das Duodenum ein, und er- streckte sich bis zum Anfange des Leerdarms, die grössere befand sich im Magen, dessen Form sie genau annahm. Beyde sind getreu abgezeichnet **). Dieser Jüngling fand seit seiner Kindheit grosses Vergnügen am Haaressen, riss, um seine Be- gierde zu befriedigen, seinen Brüdern und andern Personen, die in seine Nähe kamen, die Haare aus, und suchte über- haupt auf alle mögliche Art Haare zu bekommen. Dieser sonderbare Geschmack wuchs auch mit den Jahren. So kam es, dass die verschluckten Haare sich im Magen nach und nach so anhäuften, dass man schon von Aussen deutlich ei- nen ovalen Körper fühlen konnte, der Kranke Magenschmer- zen und Fieber bekam, und endlich nach einem heftigen Anfall, dem die schrecklichsten Schmerzen vorangingen, starb. Eine ähnliche Beobachtung machte Mermet d’Haute- ville bey einem jungen Mädchen, welche allmählig ihre Kopfhaare verschluckt hatte. Dadurch bildete sich ın ihrem Magen eine Masse von Haaren, welche ungefähr 6 Pfund (ge- *) Cent. 6. Obs. 172. p- 301. **) {n denMemoires de laSociete royale de medicine. Tom. I], p. 262. 408 Ueber regelwidrige Haarbildung etc. trocknet 2'/, Pfund) wog. Eine Kastanienschale bildete den Kern der Masse *). Anmerkung, Bey dieser Gelegenheit will ich nur etwas Weniges über dieHaarbälle bey Thieren (Aegagropilae) sagen: Man versteht darunter Ballen oder Kugeln von verschiedener Grösse (die jedoch die einer starken Billardkugel nicht übersteigt), welche ver- hälınissmässig leicht, äusserlich entweder rauh oder haarig, oder wie gewöhnlich von einer braunen, ziemlich derben, harten, und wie polierten Schale umgeben sind. — Man findet sie in dem Ma- gen und den Gedärmen der meisten wiederkäuenden Thiere, also der Gemsen, Hirsche, des Rindviehes, der Schafe, des Widders, des Elenthieres, und selbst der Pferde. Sie entstehen dadurch, dass sich die genannten Thiere, vorzüglich wenn sie der Ruhe pflegen, belecken, und die abgehenden Haare mit hinabschlucken, wo sie dann als unverdaulich liegen bleiben und nach und nach den genannten Ballen bilden. Der spröde Ueberzug scheint von verdichtetem Schleimme und Gallenniederschlag zu entstehen, und seine Politur von dem fortdauernden ‚Beiben an den Wänden der Gedärme zu erhalten. Doch finden sich manchmal ausser die- sen Ballen auch noch ungeformte Haarklumpen, welche später auch die Gestalt eines Muffes annehmen, d, i. wie durchbohrt sind. — Man kann sich leicht denken, dass solche unverdauliche Massen die Verdauung gewaltig stören, was sich denn auch in der Erfahrung dadurch nachweiset, dass derley Thiere abmagern, und endlich sterben. Nichts desto weniger haben die Oekonomen und Viehzieher es gern, wenn das Rindvieh sich fleissig leckt, weil sie glauben, dass es zur guten Haut- und Haarcultur dieser Thiere nothwendig sey. — Besonders nachtheilig pflegt das Uebel den Lämmern zu werden, wenn sie beym Saugen viel Wolle mit hinabschlucken. — Selbst während der Foetuszeit hat man in dem Magen der Thiere solche Haare gefunden, die also wie beym Men- schen aus der amnischen Feuchtigkeit durch den Mund dahin ge- langtsind. Der Meerball,(Pila marına) früher Palla marına, auch Sphaera marina(von Galen Sphaera Thalasıa), Pila stagnalis genannt, wird schon von Malpighi in einem Briefe genau be: schrieben, dem zufolge er nichts anders als ein Gonglomerat von Haaren des Meerkalbes und Meerpferdes ist. Nach Dioscorides wurde er von den Weibern gegen alle Krankheiten der Haut ge- braucht; sie machten nämlich eine Seife daraus, welche das Haar- ausfallen heilen soll, aber auch die Haare zugleich wegbeitzt. Auch Galenmischi seinen Salben zurErhaltung der Haare feine Sphaera Thalasıa bey. ”) Journal. general de Med., Chirurg, et Pharmac. par Sedillo: Tom. XLVIll, 1813. Ueber regelwidrige Haarbildung etc. 409 Auch in der Harnblase hat man Haare gefunden, wie un®Schenk *%),. Horst *), Fabriz. van Hilden **), Tulp ***), Powell, Riviere, Namelin und Andere be- richten. Doch ist es nachMeckel in keinem dieser Fälle durch die Leichenöffnung erwiesen, ob sich diese Haare wirklich in der Harnblase bildeten, indem es wenigstens in den Fällen von Powell, Riviere und Namelin höchst wahrscheinlich sey, dass sie im Umfange der Gebärmutter entstanden, und durch die Geschwüre in die Blase gedrungen sind. — Ruysch +) erzählt von einer Matrone, dass sie einen Büschel an verschiedenen Orten mit einer steinigen Substanz besetzter Haare durch die Urinwege abgesetzt habe r). Im Urin sah sie schon Galenus ++), Nicolaus Fiorenti- nus, Tulpius und Zacutus von der Länge '/, bis 4 Elle; in den Nieren Hippocrates FrF), wo er das Uebel Trichiäsis nannte; ferner im Urin selbst Joubert ++FrFr) und Uvierus 4); letzterer kannte eine angesehene Frau, die seit langer Zeit an Nierensteinen litt, und nach einigen Jahren zu- erst eine Zeit lang feine, auch zusamengerollte Wolle, manch- mal lange Fäden, später dicht (nach Art der Membran der Seidenwürmer)gewebte, zuletzt aber nebst diesen fingerlange, iheils an beyden Enden weisse, in der Mitte schwarze, theils umgekehrt an den Ecken schwarze, und in der Mitte weisse, an einem Ende zugespitzte, am andern abgestumpfte Haare durch den Urin von sich gab. Auch Rhodius, und selbst Plinius führen solche Beyspiele an, Dass sich auch in der Gebärmutter diese krankhafte Haarbildung zeige, haben schon Malpighi, Albertinus, Fabriz. van Hilden 2), und Vic d’Azyr 3) behaup *) Obs. med. L. III. Sect. II. Obs. 324 *7), Opp. med... T..1I. p 249. ***) Obs med. Ceut. V. Obs. 30. ”r*%) -Obs. med. d. 1]. c.: 52. +) Thesaurus nonus N. 50. +) 4. Aphoris. 76. {r+) #4. Aphoris. 76. -+rtf) De urinis cap. 20. 1) De praestig. Daemon. C. 15. 2) Centur,. V. 5) Memoires de la Socicie de medeine, 1776. p. 300. 410 Ueber regelwidrige Haarbildung etc. tet, und durch Beobachtungen nachgewiesen. In dem Fall von van Hilden wog die entartete Gebärmutter über 80 Pfund, und enthielt gelbliche, wollartige, in Jauche und Feit einge- wickelte Haare. In Verbindung mit Zähnen fand sie Sam- son, Birch, Tyson, Osiander u. A. m. $. 206: 3. Die serösen Häute. Viel seltener sind die Fälle, wo die Autoren von Haaren sprechen, die als Product der serösen Häute anzusehen sind, ja man hat sogar die Aechtheit der wenigen aufbewahrten Fälle, und wie es scheint, nicht mit Unrecht, in Zweifel ge- zogen. Meckel sagt, dass Verratti viele verwickelte, wur- zellose Haare in den Hirnhöhlen einer apoplectisch verstorbe- nen Frau gefunden haben wollte *), glaubt jedoch, dass diess vielleicht bloss geronnener Faserstoff gewesen sey. Ein glei- ches Bewandiniss mag es wohl auch mit denen Haaren ha- ben, welche man an der Oberfläche des Herzens gesehen zu haben glaubt, und um derentwegen man auch ein solches Herz veillosum nannte. — Aristomenus von Messina soll auch ein rauhes Herz gehabt hahen. Caelius Rhodiginus will es bey dem Rhetor Hermogenes gesehen haben; Plutarch schreibt, dass es bey Leonidas gefunden wor- den sey undbey Lysander. Später sahen esBenivenius, Amatus Lusitanus, Antonius Muretus, u. A. m. — Interessant ist aber der Fall, welchen Penada beschrieb, und wo sich am Herzen einer Ente ein Federbalg mit 40 — 21 pa- rallelen, dicken, mit ihren Spitzen abwärts gerichteten Federn gebildet hatte. — Hieher gehört im strengen Sinne auch Bi- chavs schon angeführte Beobachtung von Haaren auf der Gal- lenblase. 4. Die fibrösen Häute. Morgagni ist meines Wissens der einzige, der einen sol- chen Fall beobachtete. Er sah nämlich in der Substanz des Hirnzeltes eines schädellosen Foetus eine fettartige Substanz, *) Comment. Bonnoniens. V. 11, p.1. pag- 285. Ueber regelwidrige Haarbildung etc. 411 in welcher ein fester, mit Haaren angefüllter, Balg sass *). Dieser Fall könnte daher besser unter die folgende Nummer gezogen werden. 5. In Bälgen. Am häufigsten trifft man jedoch solche abnorme Haarpro- ductionen inBälgen, und zwar wieder an verschiedenen Or- ganen des Körpers. Wenn solche Geschwülste am obern Au- genliede erscheinen, so gleichen die darin enthaltenen Haare denen der Augenbraunen. — Beclard sah mehrere kleine Balggeschwülste in dem Fett der Augenbrauen; ihre innere Wand schien schleimig zu seyn, und war mit kurzen Haaren garnirt. Manchmal sah man eine Oeflnung, wodurch die Höhle mit Aussen zusammenhing, so dass er versucht wurde, sie für Producte einer Einwärtskehrung der Haut anzusehen. — PitetundRuysch, Hoffmann, Wepfer, Hunter sahen solche Haarbälge unter der Haut, ja selbst in den Zwischen- räumen der Muskeln. Letzterer liess zwey solche Atheromata mit Haarbüscheln abbilden **). — Auch fand er eine Faust grosse Haarfettgeschwulst in dem Netze einer wassersüchtigen Frau ***). Frank****)sahan derLeber eines wassersüchtigen Mannes ei- nen Beutel von 2 Ellen Umfang mit einer brey- und fett ähnli- chen Masse angefüllt, und unten dicht mit Haaren besetzt. Winship }) fand im Unterleib einer Frau drey grosse Säcke, hier und da mit 4'/, Fuss langen, hellrothen Haaren nebst ei- ner eiter- und speckartigen Masse. In Gesellschaft mit Zähnen hatabermals Ruysch solche Haare im Magen gefunden, welche letztere büschelförmig vereiniget und getrocknet '/, Unze schwer waren ++). Am allerhäufigsten sind jedoch die Eyerstöcke der Sitz.solcher Fett, Haare, und oft auch Zähne enthaltender Geschwülste. Zahlreiche Fälle dieser Art finden wir von Chi- rac, Saviard, Menghini, Targioni, Tumiatı, Ver- rinı, Reneaume, Thiebault, Merriman, Bose, Scha- *) Epistol. anat. XX. 58. **) Thesaur. VI. Tab. IV. Fig. V. und Fig. VI. FERNEDhesEX. NA. **+) Sammlungen Bd. 3. p. 66. j) Mem. of the. Lond. med. Society. Yol. 11, p. 568. jt) Adversar. Decas, 3. p. 3. 412 Ueber regelwidrige Haarbildung etc. cher, Budeus, Schamberg, Lanzweerde, Ludwig, Haller, Wienholt, Bauhin, Saxtorph, Warren, Horn und von Meckel, der diese Fälle alle citirt, selbst vier an der Zahl aufgezeichnet. Diesen verdienten noch die zwey Beobachtungen von Bichat *) und jene von Frank **) angereihet zu werden, wo bey einer Eyerstock- schwangerschaft der Fötus ganz und gar in eine wallrathähnli- che, mit Haaren durchgemischte Materie verwandelt ‘war. — Herr Thesonde, ein Pariser Wundarzt zeigte der Akademie der Wissenschaften eine ungestaltete Masse, die er in dem rech- ten Eyerstocke eines 48jährigen Mädchens gefnnden hatte. Man sah daselbst zwey offene Spalten mit Haaren besetzt, wie ein Paar Augenlieder; über ihnen eine Art von Stirne mit einem schwarze Streifen statt der Augenbraunen; gleich über diesem wieder verschiedene, in zwey Bündel zusammengelegte Haare, davon eines 7 Zoll, das andere 3 Zoll lang war. Nebst dem stan- den unter dem grossen Augenwinkel zwey grosse, harte, weisse Backenzähne hervor ***). — Die k.k. med.chir. Josephs-Aka- demie besitzt selbst ein schönes Präparat eines degenerirten Eyerstockes, aus dessen Höhlung Haare und Zähne hervor- wachsen, und wovon die ersten eine ganz regelmässige Bil- dung haben. Endlich beschreibt auch Malpıghi +) zwey solcher Ge- schwülste zwischen dem Halse und dem Grunde der Gebärmut- ter, in welchen jedesmal ein Knäuel verwickelter Haare ein- geschlossen war. Selten kommen übrigens diese Haare in bey- den Ovarien vor, wenn gleich die übrige Entartung beyde trifft. Aehnlich dieser Bildung in den Eyerstöcken ist auch der in seiner Art einzige Fall von Schuhmacher +Ff), wo man bey einem Manne der früher einen llodensackbruch hatte, und sich durch den Gebrauch des Bruchbandes davon befreyte, übrigens so lange er denken konnte, immer einen zwey Mal so grossen Hoden hatte, nach dem 'T'ode in demselben Hoden eine knöcherne, und in dieser eine talgige Materie, mit vielen *) A, a. O. p. 302. **) Epitome Tom. V. pars. Il. p. 317. ***) Aus Buffon’s Naturgeschichte 21er Bd. p. 170. +) Opp- poth. 1. c. jr) InSchaarschmidt’s mediıcinisch,. und chir. Nachricht, öter Jalır- gang ıp. 91. Ueber die nachtheiligen Folgen etc. 415 braunen Haaren von 4'/,' Zoll Länge fand. Die Membran, welche die knöcherne Hülle innen umkleidete, war gleich- falls mit einigen Haaren besetzt. — Man hat sonst derley Haar- ansammlungen in den Ovarien als Ueberbleibsel einer Frucht gehalten, und zwar um so mehr, da gewöhnlich auch Zähne und andere Knochen dabey gefunden wurden, und solche Frauen sich immer früher schon begattet hatten. Indessen gibt es Beyspiele, wo letztere noch nicht einmal menstruirt hatten, ja wo sogar noch alle Zeichen der Jungfrauschaft vorhanden wa- ren. Nichts desto weniger gibt es wirklich Haarmolen. Auch hinter dem Brustbein hat Dr. Gordon eine Geschwulst ge- funden, die neben den deutlichen Resten eines Oberkiefers und eines Stückes von Alveolarfortsatz, sieben Zähne, eine Speck- masse und Haare enthielt. Anmerkung. Autenrieth behauptet, dass man nur in den Fett- geschwülsten,, nicht aber in jenen Geschwülsten der Eyerstöcke, welche Lymphe enthalten, Haare ohne Wurzeln finde; indem in den leiztern bloss Knorpeln, Knochen und Zähne gebildet würden. Er zieht hieraus die Folgerung, dass die Entstehung der Haare mit der Absonderung des Fettes in genauem Zusammenhang stehe. — Ob übrigens mit seiner weitern Ansicht, „zufolge wel- cher Haare da nicht erscheinen, wo einfache Hydrogenität über- wiegt, sondern da am meisten, wo neben überwiegendem Oxyda- tionsprocess im ganzen Organismus einzelne Stellen als Gegensatz vorschlagende Hydrogenität zeigen; ferner dass über die genann- ten Afterorganisationen des Eyerstocks ein Uebergewicht von po- sitiver und oxydirender Polarität verbreitet sey **),« etwas Reelles oder Bedeutendes gewonnen werde, bleibt dem Ermessen des Le- sers anheimgestellt, — III. Ueber die nachtheiligen Folgen, welche durch den Gebrauch fremder Haare für die Gesundheit entstehen können. $. 207: Wenn es wahr ist, dass die Haare Träger eines Gon- tagiums seyn können, und wenn man demzufolge mit Recht bey ansteckenden Seuchen eine so grosse Wachsamkeit auf **) Meckel’s Archiv Tter Bd. 2tes Hefi. 414 Ueber die nachtheiligen Folgen etc. Wolle, Pelze u. dgl. hat, so ist auch leicht einzusehen, dass alle diejenigen, welche sich auf irgend eine Art fremder, und unbekannter Haare bedienen, um sie am eigenen Körper zu tragen, immer mehr oder weniger Gefahr laufen können, die Folgen einer auf solche Art vermittelten Ansteckung zu erfahren. Doch darf die Furcht in dieser Beziehung nicht zu weit getrieben, und es muss vor Allem in solchen Fällen wohl unterschieden werden, ob die fraglichen Haare durch die Hände der Perückenmacher gegangen, oder aber, ob sie bloss unter der Hand, als Galanteriewaare (in Ringen, Ohren-, Hals-, Arm-, und Kniebändern, Medaillen u. dgl.) gekauft wor- den sind. Denn im ersten Falle erleiden sie nach der aus- drücklichen Versicherung von Jahn und den auch von mir bey einigen Perückenmachern eingeholten Erkundigungen, theils durch die Manipulation des Färbens, theils durch Be- werkstelligung der Krause eine solche Reinigung, dass man sich ihrer wohl ohne Furcht bedienen kann. Leichter könnte übrigens bey den gewöhnlichen Perücken mit schlichten Haa- ren eine Vernachlässigung in der Reinigung, und daher auclı eine Ansteckung Statt finden, obwohl man von Letztern mei- nes Wissens bis auf die heutige Stunde noch wenig Beyspiele aufzuweisen hat. — Anders verhält es sich jedoch im zweyten Falle, und wirklich hat uns ein ehemals sehr berühmter Wund- arzt zu Paris, Talına, eine Beobachtug aufgezeichnet, welche, wie Krünitz sagt, einen Beweis abgibt, wie vorsichtig man mit den von Menschenhaaren geflochtenen Hals-, Arm-, Uhr- und Stockbändern, im Gebraüche seyn muss, wenn man die Person nicht kennt, aus deren Haaren sie verfertigt sind. Die- ser Arzt wurde nämlich zu einer Dame gerufen, welche einen Ring von eiternden Knötchen um den Hals bekommen hatte. Vergebens spürte er lange der Ursache nach, bis er endlich ein haarenes Halsband auf ihrem Tische gewahrte, welches sie vor einer Woche gekauft, und bis zur Erscheinung der gedachten Knötchen am Halse getragen hatte. Wirklich be- wies der weitere Gang der Krankheit eine Ansteckung durch die Lustseuche mittelst dieser Haare. — Obgleich nun solche Fälle wohl selten eintreten, und die Haare der meisten Verstorbenen theils an und für sich, theils durch gehörige Reinigung in dieser Beziehung unschäd- lich sind; so muss man sich doch billig wundern, mit welcher Unbesorgtheit, und mit welch’ gänzlichem Mangel an Scheu Ueber die nachtheiligen Folgen etc. 415 und Ekel unsre sonst so empfindsamen Frauen über diesen Umstand hinwegsehen, während sie beym Anblick eines Haa- res, das vielleicht von ihrem eigenen, oder doch dem Kopf ihrer gesunden Köchinn in die Speise fiel, ohnmächtig werden können. So gross ist die Macht der Mode, und der Eitelkeit! Ich meines Theils könnte das Tragen falscher Locken denje- nigen Mädchen und Frauen, deren Haare von Natur auffallend schlecht bestellt sind, aus Rücksicht auf die unvermeidlichen gesellschaftlichen Verhältnisse, wohl verzeihen; dagegen finde ich es eben so lächerlich, als dem eigenen Haarwuchs verderb- lich, wenn man aus Modesucht oder Faulheit die Gabe der Natur mit künstlerisch geformten fremden Locken verbirgt. Mit Recht sagt also Moreau *), „dass der Arzt gewiss nicht ohne unangenehme Empfindung den modernen Kopfputz, die fremden Haare, diese den Gräbern geraubte Beute, diese Pe- rücken aller Art und Farbe sehe, womit unsre neuen Grie- ehinnen Organe verstecken, und beynahe unnütz machen, welchen die Natur Functionen angewiesen hat, deren Aufhören oder verkehrter Gang nachtheilige Folgen nach sich ziehen muss;“ und eben so gut heisst es im Münchner-Intelligenzblatt vom Jahre 4780: „Ein ekles und sittsames Frauenzimmer trägt gewiss grosses Bedenken, sich ihr feines, volles und ge- sundes Haar durch einen beschmierten Tanst “von fremden Haaren zu besudeln, die mehrmals von Kranken und Todten, oft wohl gar von Grind - und Läuseköpfen zusammengebracht sind.« Insbesondere muss man vor solchen aus Frankreich ankommenden Waaren warnen, da die dazu benöthigten Haare meist aus dem Big&tre, Hötel de Dieu und andern Spitä- lern genommen sind. AED Literatur der Menschenhaare. A, Werke welche bloss von den Haaren handeln: Junius ‚(d. Yonghe) Adrian. de Coma commentarius. Au- gust. Vindel. 4555, 8. Basileae 1556, 8. Paris. 4565 Antwerp. 4577. Francof. 4596. Rotterdam. 4708. 8. Heiland (A), de alopecia et ophiasi Dissert. 4. Francof. ad Viadr. 1002 Ulmus(M. A.), physiologia barbae humanae in fol.Bonn. 4603. Beckmann (Ch.), de barbigenio hominis mere maris. Dissert. resp. Hartung. 4. Jenae 4608. Tardinus J., disquisitio physiologica de pilis. Turnoni. 4609 und 4619. 8. Heiland L., de calvitie Dissert, 4. Francof. a. V. 4612. Assuerus, Dissertatio de alopecia et ophiası. Rostock. 4616. Sennert Dan., (resp. D. Becker.) Dissert. de pilis. Witeber- gae 1620. 4. Heinstius J., diascepsis de pilis eorumque natura, utrum verae sint corporis partes nunc excutitur. Arnstad. 4624. 4. Sperling J., (resp. Titius) Dissert. de pilis. Witeberg. 4636. Saumaise Cl., Epistola de caesarie virorum, et mulierum coma. Der Bat. 1644. Heyst, ac de pilis eorumque natura. Amstel. 4646. 19. Rivius Jacob., libertas christiana circa usum capillitii -de- fensa. Dec Batav. 1647. Sebitz Melch., (resp. L. Homilius) Dissertationes duae de pilorum humani corporis nominibus, definitione, ma- teria, forma et efficiente fine. Argentorat. 4651. 4. Sulzberger Sig. R., (resp. Winkelmann), Dissertatio de pilis. Lipsiae 1654. 4. Plempius Vopiscus Fortunatus de aflectibus capillo- rum et unguium tractat. Lovann, 1662. 4. u Literatur der Menschenhaare, 417 RangonisM. C. T., de capillamentis seu vulgo Paruequen liber singularis. Magdeburg. 1663. 12. Burlin J., de feminis ex mensium suppressione barbatis Dis- sertatio. 4. Altdorf. 4064. Moreau J.B. Rene, an ex capillis certum de temperamento jadicium ? Negat. Dissert. 4. Paris 4674. Ampsing, Theses de alopecia et ophiasi. Rostock 4676. Sand Gottf., de areae generibus, alopecia et ophiasi dissert. 4. Regiomont. 41683. Henning)., Trichologia, ı. e. de capillis veterum Collectanea histor - pathologica. Magdeb. 4678. 12. Chirac, Lettre ecrite a M. Regis sur la structure des cheveux etc. Montpellier 1688. 12. Hoffmann A., de barba Dialogus. Lipsiae 8. 1690. Guyart P.P., an Coma adseititia natura salubrior ? Affırmat. dissert. 4. Paris 4691. SoraciPlacid., reponse & la lettre de M. Chirac sur la struc- ture des cheveux. 42. Montpell. 4690. Bajerus M. J., de capillis Dissert. Jenae 1700. Krause K. G., de capillis Dissert. Jenae 4700. Sorace Placid., Disputatio an pili partes corp. humanıi vi- ventes. Parıs 4. 1703. Meibomius, Dissert. de pilis eorumque morbis. Helmst. 1704. Bourru E., Dissert. an pili plantae? Diss. 4. Paris 4705. Zaunslifer O., Dissertatio exhibens historiam pilorum in homine. Lugd. Batav. 1738. Bergen C. A., Dissertatio de pilorum praeternaturali gene- ratione et pilosis tumoribus in 4. Francof. ad Viadr, 1745. LangguthG. A., De pilorum usu. Erfordiae 4754. Perret J. J., La Pogonotomie ou l’art d’apprendre a se ra- ser soi meme. 4. Paris 1709. FangceA., Memoires pour servir & P’histoire de la barbe de ’homme. Liege 1774. a Withof J. Th. Sam. Dissertatio 4ma (resp. Hartweck) de pilo humano. 4. Duisburgi 4750. Ne Dissert. 2do (resp. Ruys.) de pilo humano. 4. ıbid. 1752. Bose Ern. Gottl., Programma de praeternaturali pılorum proventu in 4. Lips. 1776. Kneiphof, de pilorum usu. Erfordiae 1754. Eble’s Lehre von d. Haaren. Il, Bd. 27 418 Literatur der Menschenhaare., Kneiphof, Abhandlung von den Haaren, deren Beschreibung, Nutzen, Zufällen und Mitteln dagegen. 8. Rottenburg an der Fulda 1777. Legros Livre d’estampes de l’art de la Cöeflure des Dames francoises sur les desseins originaux etc. Paris 1765. 4. Pfeiffer, Dissertatio de calvitie. Budae 1783. Dulaure Jacq. Ant., Pogonologie ou l’histoire philosophi- que de la barbe. 12. Constantinople et Paris 1786. 12. Pierio Valeriano Apologia della barba. Vanetti Barbologia. Boehmer: G. Rud., repetitio et illustratio carminis Quinti Sereni Sammonici:: de tingendis capillis. Progr. 4. Wi- teb. 4708. Boehmer G.R. Progr. I— IV. de dignitate pilorum, reme- diisque incrementum promoventibus et impedientibus. Witeberg. 1798. 4. Deguerle, histoire des Perruques 4790. ' Pfaff J. F. de pilorum varietate naturali et praeter naturali Halae 4799. 4. Grellier L., Dissertation sur les cheveux. Paris 4805. 4. RudolphiK.Asm.,destructura pilorum. Gryphiswald. 1806.4. Calvi G., Veneris funus indictivum et exequiae in 42. Jenae 1808. WedemeyerG.E.N.K., Commentatio historiam pathologicam pilorum c. h. sistens. In certam. civ. acad. 9. Aug. praemio ornat. Götting. 1812- 4. Bienvenu R., Essai sur le systeme pileux in 4. Paris 1815. Müller G., Dissertatio sistens physiolog. et pathologiae pilo- rum fragmenta, Vratislav. 1816. 8- Buek N. W., de pilis eorumque morbis Hal. 41819. 8- Goriupp C., Dissertatio de pilis. Vindebon. 4825. 8. Jahn, der Haararzt etc, Prag. 1828. 2 Theile. Hons C., De calvitie quaedam, praecipue de praematura, Dissertat, inauguralis. Berolin. 1830. B. Einzelne kleinere Abhandlungen, welche in grössere Werke und Zeitschriften eingeschaltet sind. Hippocrates, opera omnia de natur. pueri p. 240. _ —_ _- de carnıbus, p. 252. Literatur der Menschenhaare. 419 Hippocrates opera omnia de glandulis, p. 271. a —- — de aere, aquis et locis p. 294. Aristoteles histor. animal lib. 3. c. 41. 20. 14. N — generat. lib. II. c. 6. dann 5. gen. an. 3. Galenus Claud., opera omnia, de temperament. cap. 5. Sect I. p. 30. dann cap. III. Sect. II. weh I de usu partium. De pilis c. 14. — de compositione medicam. Sec. loc. lib. I. cap. 4. Paulus Aegineta, Opus divinum. Albano Torino interprete Basileae 4582. de alopecia ophias. et calvitie p. 101. Avicenna, Liber Canonis de medicinis cordialibus Cantica Venet. 4572. lib. I. c. 2. 6. lib. III. tract. IH. Sennertus, opera omnia. Pars III. Sect. 2. Cap. 1. 1632. Glisson,tractat. de partib. continentibus in genere Cap. 6—40. 1672. MalpighiMarc.,opera posthuma, de pilis et pennis observatio- nes. Lond. 1697. Fol. p. 93. Fabric. ab Aquapendente opera omnia anat. et phy- siolog. 1565 de pilis p. 445. Villanuova Arnaldus opera omnia. Basileae 4585, de ornatu mulierum p. 1646. Acta undEphemerides Academiae naturae curiosorum ; wor- in sich einzelne Abhandlungen vonRomel, Borellus, Gründel, Zwinger, Degner, Th. Bartholin, Rhodius, Ledel, Seger, Lanzoni, Michae- lis, Gensel, Delius und'Andern befinden. Ruysch, adversarior. decas 2. p. 46. decas 3. p. 3. — — thesaur. anat. V. II. Thes. VIII. 97 und Thes. IX. Morgagni, advers. anat. 4706. I. $. 42. p. 9 und 11, dann animadvers. XXII. advers. IV. p. 57. Bartholinus, histor. rarior. anat. und Epistolae, an ver- schiedenen Orten. Garmannus, de miracul. mortuorum lib. 1. tract. 4. Dresd, und Lips. 1709. Albinus annotat. academic. lıb. III. cap. VII. und VII. und bb. VI ce. X Heise, von dem Bescheeren des Hauptes als einer ehemals üblichen Strafe im 103. und 104. Stück der hanöv. ge- lehrten Anzeigen d. J. 41753. Lorry tractatus de morbis cutaneis, Paris. 4777. p- 411. —14 u. p- 594. de morb. pilorum. FE 420 Literatur der Menschenhaare. Haller Alb., Elementa physiolog. Vol. V. p. 55 — 39, und Vol. 4. $. 49. Plenk J. F., Doctrina de morbis cutaneis. De morbis capil- lorum Viennae 4776 und 4783. 8. Krünitz, ökonomische Encyclopaedie 20. 'Thl. p. 480 — 548. Encyclopedie ou dictionnaire raisonnd des sciences, arts et metiers. Article Poils. Dictionnaire d’histiore naturelle par Valmont de Bo- mare4769. tom. 5. p. 68. Hufeland’s Journal mit den Aufsätzen von Mathaeı über das Haarabschneiden 46. Bd. 3. Stück p. 115. von We- dekind Jahrg. 4822. Aug. p. 27. von Westphalen 20. Bd. 4. Stück. $. 84, von Haske 25. Bd. 2. fer- - ner im 4ten Bd. 4. St. p. 191. A6ter Bd. 2 St. S. 485 u. 210. — Neues Götting’ches historisches Magazin 4ter Bd. St. 3. mit Meiners Aufsatz über das Haar-und Bartabscheeren bey verschiedenen Völkern. Lavater’s J. Gasp., physiognomische Fragmente. Zürch 4ter Versuch S$. 112. Gaultier Recherches sur l’organisation de la peau de l’hom- me, et sur les causes de la coloration. Paris 4809. p- 55. — — Dissertatio sur le systeme cutand de ’homme, (auch in der Collection des '[heses) a Paris. 4. 4811. Froriep’s Notizen für Natur- und Heilkunde 44. Bd. p. 310. 49ter Bd. Nr. 4. 20ter Bd. Nr. 17. 17Tter Bd. p- 268. 9%ter Bd. Nr. 41: Meckels Archiv für Physiologie mit der Abhandlung des Herausgebers über regelwidrige Haar- u. Zahnbildung 1. B4. p- 519— 37; dann mit jener von Heusinger über Pigment- und Haarbildung 7ter Bd. 3tes Heft und über die Haare Tter Bd. 4tes Heft. Rusvs Magazin IX. Bd. 4 St. p. 134. Bd. XVI. 2 St. p. 349. Allgemeine med. Annalen 4811. Jul. S. 602. mit Wolfarts Abhandlung über die Verrichtung und den Nutzen der Haare, dann 4817. Nov. p. 1522. Dictionnaire des sciences medicales mit den Artikeln Alopecieund Calvitievon Cullerier Tom. 4. p.444—48, Chevelure v.Moutonu. Cheveux von Petit, Barbe von Pariset, Poils von Villerme, Cas rares von Four- nier tom, 4. p. 202. u. 176. Literatur der Menschenhaare. 421 Hecker’sliterarische Annalen 1828 May p. 100. dann Vogel's S.G. Abhandlungen über die diagnostische Würde der Haare 3ter Bd. p. 257 — 86 u. 585 — 410. Pierer’s medizinisches Realwörterbuch 3ter Bd. Artikel Haare p- 777. Isis von Oken 4826. AtesHeft mit dem Auszug von Manns- feld: über das Wesen der Leucopathie oder des Albi- noismus. Braunschweig 1822. 8. Bichat. X. Anatomie generale. tom. IV. p. 792. tom. V. von Beclard. Rayer trait des maladies de la peau. Paris 1826. Chapitre II. Ruggieri Storia raggionata di una donna avente gran parte del corpo coperta di pelle e pelo nero. Venet. 1815. 8. Frank Jos., praxeos univers. med. praecepta. pars. I. Vol. II. pag- 501. Rudolphvs Handbuch d. Physiologie iter. Bd. p. 44. 59 u. 158 u. 200. Bergmann die Krankheiten der Haut, Haare u. Nägel. Leip- zig 1824. P. 95 — 105. Dictionnaire deNledecineart. Poilsv. Olivier tom. 17. Parıs. Heusinger C. F., System der Histologie Ater Thl. 2tes Heft S. 151. che für die organische Physik 5tes Heft Nov. XIV. Alle guten Handbücher der Anatomie, Physiologie u. Patho- logie. C, Ueber die Leucosis oder Leucopathie. Blumenbach’s Abbildungen naturhistorischer Gegenstände Taf. 21. Hensler, vom abendländischen Aussatz. Hamburg 1790. S. 357. Pickel inBlumenbach’s med. Bibliothek III. Bd. p. 107. SachsL,., historia naturalis duvrum Leucaethiopum, auctoris ipsius et sororis ejus. Sulzbach. 1812. - Mannsfeld, Ueber das Wesen der Leucopathie oder des Al- TER Braunschweig 1222. Schlegel J. Gottl., Ein Beytrag zur nähern Kenntniss der Albinss N 1324. 8. Froriep’s Notizen Bd. XXI. Nr. 11. Olivier im Dict. de Medicine Tom. 17. Obs. 207. p. 560. 422 Literatur der Menschenhaare. Lieber in Hecker’ liter. Annalen 4828. May. p. 100. Encyclopädisches Wörterbuch etc. von den Professoren der Universität zu Berlin, Rudolphi, Graefe, Hu- feland etc. 4.Bd. Artikel Albinos von Rudol- phi. D. Ueber die chemischen Verhältnisse der Menschen- haare findet man Aufschluss in: Neumann’ Chymia medica Tom. II. 4753. 4. p- 760. Berthollet Observations sur la physique, l’histoire natu- relle et les arts Tom. XXVIII., ferner — ım Dictionnaire des arts et des metiers. Yverdun 41767. Tom. 1. — inden Memoires de l’academie royale 1786. T. 1.. — Annales de Chimie Vol. XXXIV. p- 70. — sur la nature des substances animales in den Memoires de l’academie des sciences 1784. p- 120. Achard’s Sammlung physikalisch - chemischer Abhandlungen Bd. 4. p. 166. fl. Vauquelin’s Analyse der Haare in den Annales de Chimie T. LVII. 1806. Avril. p. 44, —53, auch in Gehlen’s Journal für Chemie und Physik 3. Bd. 2. Heft. Nr. 7. John’s chemische Tabellen des Thierreichs Tab. 1. A. p. 13. — Handwörterbuch der allgemeinen Chemie. 2. Bd. p. 134. Hildebrandts Lehrbuch der Chemie $. 931. Harles neues Journal Bd. VI. St. 4. p. 142. Jahn der Haararzt p. 44. 41. Thl. Berzelius Djurkemi2. p. 271. E. Werke, in welchen sich bemerkenswerthe Abbil- dungen der Haare befinden, sind folgende: Malpighi opera posthuma. De externo tactus organo. De pilis observationes. Lond. 4650 und 4697. Fol. Acta academiaenat. curiosorum an verschiedenen Orten. Ruysch opera. Thesaur. anat. V. N. II. T'hesaur. animal. VII. N..07# 2, Albinus annotat. academic. lib. III. Cap. 45. p- 66. und lıb. VI. Cap. 9. Ledermüller’s microscopische Ergötzungen. Erstes Fünfzig. Tab. 5. Literatur der Menschenhaare. 423 Leuwenhoek Arcana naturae detecta Vol. 1. az, anat. contemplat. pars II. p. 32. Bidloo Anatomia corp. humani tabulis demonstrata Fol. Amstelod. 1685. May er’s Beschreibung des menschlichen Körpers. 4. Bd. $. 492. Mascagni opera posthuma publicata da Franc. Antomar- chi Firenze 1818. Tab. 4 und 2. Blumenbach’s Abbildungen naturhistorischer Gegenstände. Taf. 21. Meckels Archiv etc. 7. Bd. 3. Heft und 7. Bd. 4. Heft. Heusinger System der Histologie 4. Thl., 2. Heft, 4. Tafel. F. Ueber den Weichselzopf. Starnigelio (Laurent), epistola ad academiam Paduanam de plica 4599. Fulginatus (Luc.), Consultatio de lue sarmatica. in Fol. Ferrara 4600. Grafenberg (Andr. de), Dialog. VII. ad Sarmatos de novae pokutiensis Juis, quam cirrhorum morbum vocant, na- tura in 4. Vicent. 1600. Posthumius(A.), Dissertatio, in qua novae pokütiensis luis quam cirrhorum morbum vocant, natura et essentia examinantur, in 4. Vicent. 1600. Saxonia (Hercules de), de Plica, quae Poloni Gwozdziec, Roxolani Koltunum vocant, liber in 4. Patav. 1600. Schenk Johann, de horrido atque intricato capillitio tum capillis, tum barbae novo morbi genere 8. Francof. 1600. Gehler, Dissertatio de plica in 4. Basileae 4601. Cousinot, Ergo plica epidemica Polonis? in 4. Paris 1606. Agricola Joann., Dissertatio de helotide seu plica polonica in 4, Basileae 4615. Zeidler, Dissertatio de plica polonica, seu novorum cir- rhorum symptomate in 4. Lipsiae 1623. Brendel Zacharias, Dissertatio de plica polonica 4. 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Pfriemenborste vom Stengel der$Sinapis arvensis durch die ganze Länge getheilt, um die conische, dickwandige, oben und un- ten verschlossene Röhre, und die an der Basis derselben durch- scheinenden Zellen des sogenannten Bulbus zu sehen. Fig. 3. Senkrecht durchschnittene Basis eines Stachels vonRosa c a- nina, vorzüglich, um die Natur des Stachels, und überhaupt den Rindenkörper der Pflanzenhaare zu zeigen. a) Der Bast, b) die Zellen der Rinde, aus welchen sodann die Zellen des Stachels selbst entspringen, c) Transversale, d) allmählig gegen die Mitte zu sieh erweiternde vieleckige Zellen des Stachels. Anmerkung. Diese Zellen, mit welchen das Haar aus dem Rin- denkörper entsteht, sind häufig gefärbt, wie wir diess auch bey Fig. 1. B. x. sehen. Fig. 4. Charakteristisches Beyspiel einer Pfriemenbor- ste vomStengel dsEchium vulgare;a)Rindenkörper mit seinen gefärbten Zellen, welche nach durchschnittener Basis b) der Bor- ste zum Vorschein kommen. c) Leerer Raum einer erweiterten Zelle. d) kleinere Zellen e) gelblicher Saft, der sich gegen die Spitze zu gesammelt hat. Fig. 5. Ahlborste vomBlatteder urtica dioica. In deran der Basis befindlichen und aufgeschnittenen Höhle geschieht die Absonde- rung der scharfen Flüssigkeit, welche das Brennen nach der Be- rührung dieser Pflanze erregt Fig. 6. Zwiebelborste vom Stengel des Daucus carota. a) Zwie: bel, b) die Borste. Fig. 7. Sichelhaar vomStengel derScabiosa arvensis. a)zwiebel- ähnlicher Rindenkörper,b) das der Länge nach aufgeschnittene Haar. Fig. 8. Hackenborste vonder Fruchthülle des Gallium Aparine. a) Zwiebelähnlicher Rindenkörper, aus grössern Wand - und klei- nern, theils roth, ıheils grün gefärbten Mitielzellen bestehend, b) der an seinem Grund senkrecht gespaltene Hacken. Date LIE Fig. 9. Fadenförmige Haare. A. Stellt den Samen von Tragopo- gonarvense sammt dem Pappus vor, a) eigentlicher Samen, der sich aufwärts allmählig verschmälert, zuletzt aber in ein b) rundliches Ende wieder anschwillt, von welchem aus c) dreyssig radii laufen. 428 B. C. Fig. Fig Fig. Fig. Fig, Erklärung der Abbildungen. Ein Stück eines solchen Radius stark vergrössert, a) der Stiel, der kan- tig erscheint, und gegen das Ende an der Seite mit kleinen zahn- förmigen Fortsätzen b) versehen ist. c) die aus dem Stiel entsprin- genden Haare, die ganz durchsichtig sind. Ein keines Stück eines solchen Haares, noch mehr vergrössert, wo so- dann die Zellen erscheinen, 10. Walzenhaare von der innern Seite des Griffels der Lych- nis vespertina. x 11. Kräuselhaare vom Blatt der Vitis vinifera. 12. Knotenhaar von dem Saum der Oberlippe der Krone von Galeobdolon Galeopsis. a) die einzelnen Knoten. . 15. Gliederhaare vom Stengel ds Marubium album, a) kopfförmige, b) gewöhliche. .„14. Zwischenwandhaare vom Stengel der Ajuga reptans. 15. Knöchelhaar vom Stengel des Lamium album. a) die aufgetriebene Gelenkstelle. . 16. Rosenkranzhaar von der innern Fläche der Blumenkrone einer Kürbis. Iovastıe u BL 17. Gelenkhaare von dem Staubbeutel der Tradescantiıa vir- giniana,a) Nierenförmiger Staubbeutel, b) Violetfarbige, ziemlich lange, schön gegliederte Haare. Die einzelnen Glieder verhalten sich durchaus so, dass 1) nie mehr als 20 an einem Haare sind, 2) die ersten sechs, als die längsten, sich von der Ursprungsstelle gegen die Spitze des Haares zu allmählig verschmälern 3) dass die darauffol- genden sich schon mehr der runden Form nähern und 4) die aller- letzten kugelförmig sind. ‚18. Seitenzahnhaare v.d.Blatı derSigesbeckia orientalıs. 19. Sägformige Haare von a) dem Blatte der Cnemido- stachys serrulata Martii. . 20. Warzenhaare vom Blatt des ViburnumLantana, . 21. a) Sternförmige Haare von der Unterseite des Blattes vou Hieraceum Pilosella. .21. b) Sternförmige Haare mit einer Borste von Onosma stellatum, 22. Gefiedertes Haar von den Blättern undStengeln des Hıic- raceum Pilosella. . 25. Aestiges Haar vom Blattstiel derRibesgrossularia, . 24. Gabelhaare vom Grunde der Staubfäden des Lycium bar- barum, ‚25. Hackenasthaare vomStengel des Verbaseum Thapsus. Manche unter ihnen haben Aehnlichkeit mit den Fingern einer Hand, wesshalb man sie auch fingerförmige Haare nennen könnte. Panel IV, 26. Zwischenknopfhaare vom Stengel des Verhbascum Lychnitis. \ Erklärung der Abbildungen. 429 Fig. 27. Schützenborste von den Blattrippen des Humulus Lu- pulus. Fig. 28. Gezähnte Borsten vonder Nebenkrone desDelphinium elatum. A,EinBlatt der Nebenkrone, a) dessen unteres Ende, b) um- geschlagenes oberes breiteres Ende, auf dessen innerer aber nach Aussen gekehrter Fläche viele feine olivengrüne Härchen sitzen. B. Zeigt ein solches Haar einzeln stark vergrössert , wodurch die feinen Zähne zum Vorschein kommen, Fig. 29. Angelborste von Spargiahispida. Fig. 30 Gezähnte Angelborsten von den Samen der Caucalis leptophylla. Fig. 31. SpinnenwebförmigeHaare von denBlätiern des Semper vivumarachnoıideum.A. Die ganze Pflanze ohne Blüthe. a) Wur- zel, b) Ansicht der von den genannten Haaren überzogenen Blätter von oben. c) Hier sieht man , wie sich dieses Gewebe von dem Rande ei- nes Blattes zu dem eines andern begibt, und beyde vorzüglich in der Mitte ganz umspinnt, B. Ein Stückchen eines einzelnen Haares stark vergrössert. Es scheint, als wenn das Haar b) von einem an- dern a) schlangenförmig umwunden wäre. Fig. 52. Keulenförmige Haare von den Staubläden des Vesbas- cum Thapsus. Fig. 355. Büschelhaare von den Stengeln der Lavateramicans. Fig. 34. Kopfförmige Haare. A. und B. von der Blumenkrone des Antirrhinum majus, A. Ein Theilder rachenförmigen Blumenkrone, in deren Rachen a) zwey längliche, goldgelbe Streifen b) aufwärts steigen, und Oben am weis- sen Barte c) endigen. Sowohl die Streifen , als der feine Bart beste- hen aus lauter Haaren, die jedoch wesentlich von einander verschie- den sınd. B. Einige jener Haare aus den gelben Streifen (A. b.) vergrössert, Man sieht deutlich, dass sie alle oben mit einer helldurchsichtigen Kugel endigen. Die Farbe erscheint hier desshalb mehr grün, als bey A. b, weil hier nur wenige solcher Haare, und unter sehr starkem Licht- cinfalle von oben und unten, abgezeichnet sind. Fig. 34. C. Ein Kopfhaar vom Sonchusasper. Fig. 354* Ein Becherhaar von Cicer arietinum, Fig. 55. Vielköpfige Haare von den Stengeln des Croton peni- cıillatum. Fig. 35.*ErsineumalnigenumKunze mit einem Theil der Epidermis, worauf Spaltöffnungen, und ein normal gebildetes Haar vorkommen. aut el, .\: Fig. 36. Ein senkrechter Durchschnitt der Schnauze des Ochsen zweymahl vergrössert. a) Die Oberhaut, die sich als ein weisser Streifen darstellt, b) die Malpig- hv’sche Pigmentschicht, welche blaulich schwarz beginnt, und ge- gen die Lederhaut zu irnmer lichter wird, c) Die Lederhaut als grauer, Streif, der abwärts schon mit Fetikügelchen hedeckt ist. d) 430 Erklärung der Abbildungen. Fettkügelchen , oder vielleicht besser Talgdrüsen die sich als runde gelbe Körperchen zwischen der Lederhaut, und e) dem Unter- hautbildungsgewebe zeigen. f) Muskelfasern, die hier gleich unter dem Unterhautbildungsgewebe liegen. g) Ein Tasthaar in seinem Balge eingeschlossen, welcher bloss von seiner vordern Seite frey ge- macht ist, damit man die Lage und den Ursprung des Balges sehe. h) Grössere und kleinere gewöhnliche Haare, welche theils in der Lederhaut, theils in dem Anfang des Unterhautbildungsgewebes ih- ren Ursprung nehmen, und von Fettdrüsen umlagert sind, indem sie haufenweise die Zwischenräume zwis@hen den einzelnen Haaren ausfüllen. i) Durchscheinende Gefässe und Nerven, welche in dem Unterhautbildungsgewebe verlaufen. Fig. 37. Stellt die Art und Weise dar, wie der Balg eines Tasthaars mit dem Unterhautbildungsgewebe zusammenhängt. a) Der Balg des Tasthaars etwas mehr isolirt, als in der vorigen Figur. b) Wurzeln, welche aus unten vorbey streichenden Gebilden (wahr- scheinlich Nerven und Gefässen) entspringen, und unmittelbar in den Balg übergehen, * Ich bin überzengt, dass es solcher Wurzeln noch viel mehr gibt, als hier gezeichnet sind; allein, wer die Schwierigkeit kennt, un- ter denen man einen so kleinen Gegenstand bearbeiten muss, wird einsehen, dass nothwendig mehrere derselben durch- schnitten werden mussten. c) Die durchscheinende Haarwurzel, oder Zwiebel. * Das Uebrige ist, so wie auch die Vergrösserung ganz so, wie in der vorigen Figur, Fig. 38. Ansicht eines ganz isolirten Balges eines Tasthaars aus der Schnauze des Ochsen in natürlicher Grösse. a) Abgerundeter Anfang des Balges. b) Malpighische Pigmentschichte. ce) Oberhaut. d) Durchscheinende Wurzel des in dem Balge enthaltenen Haares. e) Das freye Tasthaar, f) gewöhnliche kleine Haare, die ich nicht alle entfernen konnte. Fig. 39. Theilweiser Längedurchschnitteines solchen Balges stark vergrössert. a) Oberhaut. b) Pigmentschichte, c) Die durchschnittene, äusserste, weisse, glänzende, feste, fibröse, etwa 1/, Linie dicke Haut. d) Wurzel des Haars, welche durch diese Haut durchscheint. e) der conische, röthliche, pulpoese Körper, welcher die ganze Höhle des Sackes, der von der vorigen Haut gebildet wird, ausfüllt, indem er an die innere Oberfläche dieser letztern durch f) ausserordentlich feine Zellfäden (Gefässe?) befestiget wird. Das sehr fein punktirte Ansehen dieses Körpers beweist, dass er keine gleichartige Masse bilde, son- dern fein körnig zu seyn scheint. Da er etwas durchscheinend ist, so erblickt man auch g) das in der Mitte aufsteigende und h) oben durchbrechende Haar. i) Kleinere gewöhnliche Haare. Fig. 40. Vollkommner Längedurchschniit desselben Balges in gleicher Ver- grösserung , aber mit fast gänzlicher Isolirung des conischen Körpers. Erklärung der Abbildungen. 431 a) Oberhaut b) Pigmentschicht. c) Durchschnittener Balg. d) Ansicht der innern Fläche der beschriebenen, äussersten Haut des Balges, Diese Fläche glänzt sobald sie ilolirt, und vom Blute befreyt ist, nach Art der fibrös-serösen Membranen, ist auch etwas feucht, übri- gens gewaltsam von dem conischen Körper getrennt. e) Rückwärts, wo der conische Körper noch mit ihr zusammenhängt , sieht man noch jene feinen Querfädchen (Gefässe), wodurch dieser Zusam- menhang vermittelt wird. f) Der grösstentheils isolirte konische Kör- per von matter Fleischfarbe. ©) Sein Ursprung hart um die Wur- zel des Haares herum, wo er auch viel fester, als anderwärts mit der äussern Balghaut zusammenhängt. B) Oberes Ende, welches das Haar durchtreten lässt, und ebenfalls fester, als der mittlere Theil mit der genannten Haut verbunden ist. g) Durchscheinende Haarwurzeln. h) Durchscheinendes Haar. ı) Eine jener Wurzeln des Balges, wie sie unmittelbar in diesen übergeht. — Fig. 41. Querdurchschnitt des getrennten Haarbalgessammt den in ihm enthaltenen Theilen, ın der nämlichen Vergrösserung. a) weisser Ring, der von der äussern Haut gebildet wird. b) Zarte Fäd- chen, die zur Verbindung dieser Haut mit dem c) gefärbten coni- schen Körper dienen. d)Durchschnittener Haarcylinder. Fig. 12. 43. 44.45 stellen den Vorgang beym Hären der Thiere nach Heusinger dar. Fig. 42. Aufgeschnittener Haarbalg der Tasthaare eines Hundes, 3 Tage nach dem Ausrupfen des Haares, in dessen Mitte die schwärzliche Masse liegt. Fig. 43. Ein 5 Tag altes Tasthaar einesHundes im aufgeschnittenen Balge, Fig. 44. Aufgeschnittener Balg der Tasthaare einer Ratte mit einem alten Haar, dessen Wurzel bereits schwindet, während das neue Haar mit einer deutlichen Zwiebel versehen ist. Fig. 45. Stark vergrösserter Balg aus dem Bart einer Reitmaus’, a) schwarzes Pigınent, welches die Oeffnung des Balgs ausfüllt, b) al- tes Haar, welches hier abgeschnitten ist, und dessen Wurzel bereits grösstentheils geschwunden ist. c) Zwiebel des neuen Haares, wel- ches nach oben abgeschnitten ist. — Fig. 46. EinBorstenbüschel derAphrodite aculeata ın dop- pelter Vergrösserung. a) erste Reihe: kleinere Borsten, b) zweyte Reihe etwas grössere Borsten. c) Die zwey grössten und stärksten Borsten, welche aus der Spitze hervorragen. Fig. 47. Ansicht desinnernEndtheils dieser Borsten, und ihre Befestigungsart, a) stumpfe Spitze des Borstenbüschels. b) Muskeln, die sich alle rings- um an dasselbe festsetzen. c) allgemeine Hautdecke der Aphrodite sarmmt dem Unterhautbildungsgewebe. Fig. 48. Die grösste Borste in natürlicher Grösse einzeln dargestellt. a) Spitze, b) stumpfer Anfang, der hohl ist. Fıig.49.EinStück vondemMittelglieddesFusseseinerSpinne, a) Borsten, die jedoch in der Mitte durchsichtig sind. b) schwarze kleinere 432 Erklärungen der Abbildungen. gewöhnliche Haare, die man mit freyem Auge gar nicht bemerkt, c) Weiss erscheinende Randhaare derselben Art. u T a fe 1 WE Fig. 50.51. 52.53.54. Darstellung des innern Haargebildes der Crus- staceen. Fıg. 50, Ansicht der an den Kiemen des Flusskrebses befindlichen Haare von oben, zweymal vergrössert. a) Körperendtheil eines kleinen Fusses des Flusskrebses. b) Ort, wo die Schale des Fusses mit der sogenannten Respirationshaut, und einer Kieme zusammenhängt. c) Eine einzelne Kieme. d) Die stumpfe Spitze derselben, e) Stelle mit einer Vertiefung in der Schale, aus welcher ein kleines Büschel in einander verwickelter Haare her- auskorumt. Dieses Haarbüschel steigt anfangs etwas wenig senkrecht in die Höhe, dann aber biegt es sich einwärts gegen die Kieme um, und scheint sich ganz auf derselben zu entfalten, und mit den einzelnen Haaren in die Zwischenräume der Kiemenblätichen ein- zudringen. Wenigstens muss man sehr behuisam seyn, wenn ınan die einzelnen Haare nach und nach aus dem Convolut der Kieme losmachen,, und so darstellen will, wie sie ın ge- gewärtiger Figur erscheinen. — f. Spitzen der losgemachten Haare.. Fig. 51. 52. Untere Ansicht der Stelle, aus welcher diese Haare entspringen. Fig. 51. Das von dem Körperendtheil des Krebsfusses abgeschnittene Stückchen in natürlicher Grösse. Fig. 52. Dasselbe Stückchen viermal vergrössert. a) Aeusserer Rand des Schalenstückchens. b) Gränzen der hier sichtbaren ovalen Vertiefung, c) Erhabener Rand an der einen Seite dieser Gränzen. d) Ort, wo die Vertiefung gleichsam einen schmalen Anfang hat. e) Eine Menge kleiner, graulicher Bläs- chen, die gerade der Anzahl von Haaren entspricht, welche aus der Vertiefung entspringen, Ich halte diese Bläschen für Haarzwiebeln, Fig. 55. Ein einzelnes Haar in natürlicher Grösse, Figur und Farbe. a) An- fang. b) Spitze des Haars, Fig. 54. Ein liniengrosses Stückchen desselben Haares mit der Zwiebel. Fig. 55. Dasselbe Stückchen sechzehnmal vergrössert. a) Abgerisse- ne Zwiebelhaut. b) Haarzwiebel. c) Abgeschnittenes Ende des Haarschaftes. Fig. 55. d) dunkler gefärbier, schief laufender Streif, welcher anzeigt, dass das Haar gewunden ist. e) Durchscheinende Haarzellen. Fig. 56. — 65. Haare der Insecten. Fig. 56. Zwey verschiedengefärbte Haarbüschel von dem Rücken der Rau- pe der PhalaenaBombyx Cajain natürlicher Grösseund Farbe. Fig. 57. Eine jener vielen warzenartigen Hervorragungen dieser Dornen- raupe, an deren äusserer Oberfläche man eben so viele einzelne kleine Erklärung der Abbildungen. 433 Hervorragungen a) bemerkt, als Haare von derselben entsprin- gen, b) sind solche Haare, wie sie von jenen Erhöhungen entste- hen, c) ein Stück von der Haut des Rückens genannter Raupe, lıg. 58. Dieselbe Warze, von innen aus betrachtet. a) Fig. Gränze des Hautabschnittes. b) Erhabener wulstiger Rand, der eine ovale Grube einschliesst, die ın ec) einen Ausgang zu haben scheint, d) So viele glänzende Vertiefungen, als äusserlich Erhöhungen, oder Haare waren. — Reisst man die Haare früher heraus, und betrachtet man diese Stellen, gegen das Licht gehalten, genau, so glaubt man wirkliche Löcher zu sehen. 59. Das obere (Spitzen) - Endtheil eines jener schwarzen Haare von der Caja, bey der Beleuchtung von oben und unten durch das Microscop betrachtet. a) sogenannter Kanal des Haars, der bey hellgefärbten Haaren viel deut- Fig. Fig. Fig. Fig. licher, als hier zum Vorschein kommt. b) und c) Nebenäste des Haars von gleicher Structur, die theils einander gegenüberstehend ent- sprechen, b) ıheils abwechselnd auf der einen und andern Seite (alternatim) stehen c). 60. Ein Haar der , sonst so verrufenen, Processionsraupe Phal. bomb. processionea !n natürlicher Grösse. . 61. Die Spitze desselben Haars stark vergrössert. Man sieht hier eine Menge ausserordentlich feiner, und daher nur mit einem schar- fen Microscop zu unterscheidender Stacheläste, x) welche das Haar allseitig umgeben, und von denen das unerträgliche Jucken, ja selbst eine Entzündung entsteht, wenn man diese Haare mit der Hand berührt. 62. Ein Glied von dem Hinterfuss einer Phalaena Bombyx Quercus, zweymal vergrössert, und durchaus mit braungelben Haaren bedeckt. 63. Ein Stückchen eines dieser Haare unter dem Compositum mit der Beleuchtung von oben betrachtet. Man sieht hier hellere und dunklere unregelmässige Streifen und Punkte, die beym ersten An- blick durch das Mieroscop auf die Idee führen, dass das ganze Haar gegliedert sey, was sich aber bey genauerer Erwägung nicht bestä- tiget, indem diess nichts anderes, als die verschiedenen Zellen des Haarkanals sind. 64. Eine ausgebildeeSchwungfederaus dem Flügel eines Huhns. a) derKiel. b) dessen Grübchen oder unterer Nabel, c) Aeussere Oeffnung der Seele oder oberer Nabel, d) f) der Schaft, und zwar dessen un- tere Fläche, auf welcher die Längenfurche in der Mitte dahinläuft. g) die Strahlen. h) Flaumstrahlen. i) der häutige Ring, wo sich die Oberhaut mit der hörneren Scheide des Kiels verbindet. Tiart er IM VL Fig. 65. Flaumfeder eines Huhnes, wie sie in Gemeinschaft mit einer Kör- perfeder entspringt. Eble’s Lehre von d, Haaren, II, Bd. 28 434 Erklärung der Abbildungen. a) die Körperfeder b) Strahlen der Flaumfeder c) Kiel der Flaumfeder d) Gemeinschaftliche Ursprungsstelle. Fig. 66. Darstellung des Ursprungs der Schwungfedern. a) Muskeln, die an den Flügelknochen anliegen, und mit einer seh- nichten Ausbreitung überzogen sind. b) Streifen, welche sich band- artig aus dieser Apeneurose in die äussere Hülle des Kanals verlieren. c. Aufgeschnittener Kanal, in welchem der Kiel steckt. d) Innere glatte (seröse) Haut dieses Kanals; e) der aus dem Kanal hervortretende Kiel. Fig. 67. Ein Stück von dem Schafte einer Pfauenfeder a) Seitenfläche des Schaftes , b) Vordere Fläche, aus welcher die Strahlen entspringen. Fig. 68. A) Ein kleines Stück eines Nebenstrahles stark vergrössert, a) Schaft des Nebenstrahles. b) Nebensirahlen. B) Ein solcher Neben- strahl stark vergrössert. a) platigedrückte Stelle, womit er von dem Schafte entspringt. b) Ringförmige Knötchen, die durch lichtere und durchsichtige Stellen von einander getrennt sind. c) Ausge- schweiftes, zweyspitziges Ende. d) Strahlen der äten Ordnung. Fig. 69. 70. 71. Ansicht der Wollhaare unter dem Micro- scope. A) Ein kleines Stückchen von einem Körperhaar eines eiwa vier- monatlichen einheimischen Lammes in natürlicher Grösse, Fig. 69. B. Dasselbe Stückchen unter dem © ompositu m betrachtet. a) Zwiebel mit einem Stückchen Oberhaut umgeben, welche beym Aus- reissen mitzugehen pflegt. In der Mitte sieht man ebenfalls den in Fächer getheilten Kanal. b) Rindensubstanz des eigentlichen Haarschaftes. c) Kanal, der in ungleiche Zellen getheilt ist. Die- se scheinen zwar anfangs ziemlich regelmässig durch Querlarmel- len getrennt, doch werden diese Scheidewände aufwärts immer unregelmässiger. d) Knotenartige Erweiterung des Schaftes. Fig. 70. Ein Stückchen Wolle von einem Merinosschafe aus der Me- nagerie zu Schönbrunn, in natürlicher Grösse. Fig. 71. Dasselbe stark vergrössert, a) Rindensubstanz. b) Kanal, des- sen Zellen beynahe ganz regelmässige Ringe bilden, Anmerkung. Die Vergrösserung ist so stark, dass es bey minderm Grade derselben scheint, als stimme das Bild für beyde Fälle nicht überein. Diese Täuschung verschwindet aber bey ge- rauerer Vergleichung, und der Grundtypus kommt immer wieder heraus. Diess gilt auch von einigen der nachfolgenden Figuren der Seidenhaare. Tafel VII. Fig. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 85. Abbildungen der Seidenhaare, (Die Beleuchtung ist hier wie bey den Woll- haaren von unten.) Fig. 72. Zwiebel und Anfang einesKörperhaars von einem alten weis- sen Haasen in natürlicher Grösse, Erklärung der Abbildungen. 435 Fig. 73. Dasselbe stark vergrössert. a) Zwiebel sammt ihrer Hülle. b) Ab- gerissene, in ein Bündel vereinigte Fasern, vielleicht auch Nerven und Gefässe. c) Der schwach durchscheinende Kanal des Haars in- nerhalb des Zwiebelbalges. d) Rindensubstanz des Haarschaftes. e) Kanal desselben, wo er ganz leer zu seyn scheint. f) Stelle, wo der Kanal dunkler wird, und zugleich anfängt, zellig zu werden. Diese Zellen reihen sich recht wohl an die vorher beschriebenen unserer einheimischen Wolle an. Mit diesem Baue stimmen die Haare der Kaninchen beynahe ganz überein, Fig. 74. Ein Stückchen eines feinen, durchsichtigen Schwanzhaares von dem europäischen Eichhörnchen in natürlicher Grösse, Fig, 75. Dasselbe stark vergrössert, und von unten beleuchtet. a) Zwie- bel sammt Hülle, woran Mark- und Rindensubstanz deutlich zu se- hen sind. b) Abgerissene Stücke der Oberhaut. c) Rindensubstanz des Schaftes. d) Durchsichtiger und leer scheinender Kanal, e) Ort, wo der Kanal anfängt, zellig zu werden. Die einzelnen Zellen sind oval. f) Der Rand erscheint gekerbt. g) Ort, wo das Haar schon anfängt, undurchsichtig zu werden, Fig. 76. Ein Stückchen eines Körperhaars von einem Maulwurf (Talpa europaea). Fig. 77. Dasselbe Stückchen unter dem Vergrösserungsglas. a) Rinden- substanz, die so dünn ist, dass sie bey einer etwas schwächern Ver- grösserung, oder auch bey stärkerer Beleuchtung fast ganz ver- schwindet. b) Kanal, der aus lauter, beynahe ganz regelmässig gleichen, länglich-runden .Zellen besteht. Mit diesem Baue stimmt der der Mäusehaare sehr überein. Fig. 78. Natürliche Grösse eines Stückchen Haares von der Chryso- chlorisradiıata. Fig. 79. Dasselbe Stückchen mässig vergrössert. a) Die Grundiextur ist ebenfalls ringelförmig', wie beym europäischen Maulwurf; dagegen scheint dieses Haar beym ersten Anblick mit b) Seitenästen verse- hen zu seyn, welche jedoch nach meiner Einsicht nur daher rüh- ren, dass eine Spirallinie um das Haar herumläuft, wodurch sich dieses Haar dem der Fledermäuse anreiht. Fig. 80. Körperhaar von’ Vespertilio serotinus in natürlicher Grösse. Fig. 81. Dasselbe Stückchen stark vergrössert. a) Man sieht hier deut- lich, wie sich eine Spirallinie um eine senkrechte herumschlingt. b) Letztere, oder das Mittelstüick ist in diesem Haar durchsichtig, und diess gibt ihm unter dem Microscop ein sehr schönes Ansehen. Fig. 82. Ein Stückchen eines Körperhaars von Taphozöus perfo- ratus in natürlicher Grösse. Fig: 85. Dasselbe vergrössert, So viel Aehnlichkeit dieses Haar mit je- nem von Vespertilio pipistrellus hat, so zeichnet es sich doch vor allen dadurch aus, dass die einzelnen Spiralwindungen a 436 Erklärung der Abbildungen. sehr nahe aneinander, und daher beynahe horizontal sind, wodurch denn dieses Haar wieder ein ganz eigenthümlich schönes Ansehen erhält. Fig. 84—95. Darstellung des Borstengebildes. Fig. 84. Eine Borste von dem Rücken eines ausgewachsenen Ebers in natürlicher Grösse und Figur. a) Undeutliche Zwiebel. b) Stelle, wo sich der Haarschaft theilt. c) Die Aeste desselben. d) Fünf Endsptizen. Fig. 85. Eine Borste von dem Rücken eines zahmen ausgewachsenen Schweines, ebenfalls in natürlicher Grösse. a) Kaum merkbare Zwiebel. b) Theilungssielle des Schaftes. c) Endspitzen. Fig. 86. Das Stückcheu A der vorigen Figur sechzehnmal vergrössert , und bey einer Beleuchtung von unten und oben dargestellt, a) Der Anfang b) die Mitte | der noch mit der Hülle umgebenen Zwiebel. c) das Ende d) Rindensubstanz, welche den e) Kanal der Zwiebel umgibt. f) Ab- gerissene Stücke der Oberhaut. g) Rindensubstanz des Haarschal- ies. h) der Kanal desselben durch deutliche Querlamellen abge- theilt. 1) Ansätze von Schmutz, Fig. 87. Das Stückchen B der Figur 85 sechzehnraal vergrössert, und hauptsächlich von unten beleuchtet. a) Unteres Ende, das gegen die Wurzel der Borste sieht. b) Rindensubstanz. c) Kanal mit Marksubstanz angefüllt, der sich sodann, wie das Mark in den Bäu- men, in fünf Aeste theilt. d) Fortsätze, die trotz sorgfältiger Ma- ceration und genauer Reinigung der Borste daran verblieben. Fig. 88. Das Stückchen C. der Figur 85; nämlich af dort einzeln erschei- nende Endspitze einer Borste, sechzehnmal vergrössert, Die einfach geschienene Spitze theilt sich wieder in drey Ende, welche zudem ganz denselben Bau, wie die in der vorigen Figur haben; nur sind die Fortsätze häufiger. a) Abschnittsfläche. b) Theilungsort des grös- sern Kanals. c) Theilungsort des kleineren Kanals. d) abgerundete Endspitzen, Fig. 89. Ansicht eines Querdurchschnitts der Borsie, und zwar an dem Orte D der Figur 85. von unten beleuchtet, a) Aeusserster Rand der Rindensubstanz, die hier blass, und durchsichtig erscheint. b) Marksubstanz, welche eine unregelmässige, dunkelgefärbte Figur be- schreibt. Trasse v 1X, Fig. 90. Dieselbe Ansicht mit der Beleuchtung von oben, wodurch das Colorirt der beyden Substanzen sich gerade umgekehrt darstellt. Fig. 91. Schiefer Durchschnitt derselben Borste , bey zweyunddreyssigrma- liger Vergrösserung und der Beleuchtung von oben. a) Streifen an der Oberlläche der Rindensubstanz, b) Schiele Durchschnitisfläche. Erklärung der Abbildungen. 437 c) Einzelne durchschnittene Röhren, die den Längenfurchen a) an der Oberfläche entsprechen. d) Mitilerer Theil des Kanals, der mit dem dunklen Körper b) Fig. 89, und dem durchsichtigen in Fig. 90 übereinstimmt, und ebenfalls röhrig erscheint. Fig. 92. Tansehschaike des Stückchens F der Fig. 85. a) Rindensub- stanz, b) blätterige Marksubstanz, in deren Hintergrunde die un- verletzten Röhren durchscheinen. Fig. 93. Aeussere Oberfläche des Stückchens @ der Fig. 85 wodurch die dem Gefühle nach ganz glatte Oberfläche der Borste als mit erhabe- nen Linien und neben liegenden Längefarchen versehen erscheint. NB. Fig. 91. 92. 95. sind bloss von oben beleuchtet, und bey zwey- und dreissigmaliger Vergrösserung dargestellt. Fig. 94. Natürliche Grösse, Figur und Farbe einer Borste vom brasilıa- nischen Schwein, Dicotyles albicostris, a) Zwiebelartiger Anfang, b) Mitte und c) Ende des Schaftes. Fig. 95. Quer- und Längedurchschnitt derselben Borste, stark vergrös- sert, und von oben beleuchtet. a) Querdurchschnitt, der eine seltsame schöne Figur darstellt. b) Rindensubstanz, welche die Bor- ste aussen umgibt, c) Rindensubstanz, welche in die Marksubstanz eindringt, bey der Beleuchtung von oben dunkel erscheint, und den bey f) angegebenen Streifen des Längendurchnitts entspricht. d) Marksubstanz, welche blumenartig und von oben beleuchtet hell erscheint. Die einzelnen Blättchen dieser Figur correspondiren dem aufgelockerten Parenchym der bey g) durch einen Längenschnitt zum Vorschein kommenden breitern Streifen. e) Das Stück dieser Borste, welches der Länge nach gespalten uod von oben beleuchtet wurde. h) Künstlich gemachte Verbindungspuncie zwischen den sich entprechenden Theilen. Auch diese Borste ist, und zwar viel deutlicher, als die gemeine Schweinsborste, an ihrer Oberfläche gerieft, und nähert sich so schon mehr dem Igelstachel. Fig. 96. 97. 98 und 99. Abbildungen der Elephanten-(Horn-) Haare. Fig. 96. Hornhaar von der untern Fläche des Elephantenrüssels in na- türlicher Grösse. a) Zwiebelartiger Anfang. b) Abgerissene und ein- getrocknete Oberhaut. Fig. 97. Schiefer Durchschnitt desselben Haars, der sich gegen die Spitze a) zu allmählig verdünnte, und daher letziere beynahe durchsichtig machte, b) Melle Flecken, die immer lichier wurden, je dünner der durchschnittene Theil war, und welche das Ansehen von durch- schnittenen Röhren haben, Auch die Oberfläche dieser Hornborsten erscheint bey starker Ver- grösserung und guter Beleuchtung von oben uneben, und is! höchst wahrscheinlich auch gerieft. Fig. 98. Ein Körperhaar, wie sie der Elephant sehr ee da und dort an seinem Körper trägt. Fig. 99. Ein noch feineres Haar aus der Ohrgegend, wo sie sich büschel- artıig vorfanden, 438 Erklärung der Abbildungen. Fig. 100—108 Anatomie des Igelstachels. Fıg. 100. Ursprung und Einpflanzung der Stacheln und Haare des Igels sammt den eingespritzten Gefässen der zweyten Ordnung in natürlicher Grösse. a) Oberhaut, b) Pigmentschichte oder Mal- pigh'sches Netz. c) Corion oder Lederhaut, bläulich gefärbt. d) Untierhautbildungsgewebe mit Fetizellen. e) Allgemeiner, zıemlich starker Hautmuskel, dessen Fasern schiel von aussen nach innen laufen, f) Zweyte, etwas gefärbte Fettlage zwischen dem Haut- und den tiefer liegenden Muskeln. 5) Wurzeln der grössern Igel- stacheln im Corion und der ersten Fettlage eingepflanzt, und von zahlreichen Blutgefässen meist umschlungen. h) Wurzel eines klei- nen, noch nicht ausgewachsenen Stachels. i) Ursprung eines Haars, welches rücksichulich seiner Stärke und Structur zwischen Haar und Stachel gleichsam in der Mitte steht, und daher auch in senkrech- ter Stellung erscheint. k) Wurzeln der eigentlichen Haare, nur we- nig vergrössert.1) Ort, wo ein Stachel die Epidermis durchbohrt. Was die Gefässe betrifft, so kommen sie aus der tielern Fetischichte, durchbohren dann den Hautmuskel, zerästeln sich in dem Fett, und zwischen ihm und dem Corion, umgeben jetzt die Wur- zeln der Stacheln und Haare, und dringen theils in die Leder- haut, iheils in die Zwiebelhaut selbst ein. NVıg. 101. Darstellung der Einpflanzung dieser Stacheln von innen oder unten aus betrachtet, und viermal vergrössert. Es ist Alles bis auf die Lederhaut von innen hinweggenommen, da- her sieht man nur hie und da in den Vertiefungen etwas coa- gulirtes Fett. a) Bläulich durchscheinende Wurzeln der Stacheln, die hier in ıh- rer Mitte selbst von der Lederhaut enıiblösst sind. b) Weniger iso- lirte, und mit noch mehr Feit bedeckte Wurzeln. c) Schwarzer Punct in der Mitte der Basis der Wurzel, der in ihren Kanal führt. Die Gefässe machen in manichfachen Windungen grössteniheils kleine Bogen, welche die Stachelwurzeln umschlängeln, und an eı- nigen Orten in die eigene Hülle der letziern einzudringen scheinen, Tıatfie il X. Fig. 102 — 108. EigentlicheZergliederung eineslgeltsachels. Fig. 102. Ein einzelner Stachel in natürlicher Grösse. a) Wurzel oder Zwiebel, b) Hals, c) erste dunkelbraun gefärbte, ‘d) erste lichte, e) zweyte dunklere, f) zweyte lichtere Stelle, welche g)in die Spitze übergeht. F 15.105. Querdurchschnitt eines Stachels in seiner Mitte, in natürlicher Grösse. Fig. 104. Dasselbe Stückchen stark vergrössert. a) Oberflächliche, durch- scheinende Rindenschichte,, b) tiefer eindringende, dunkle Rinden- schichte. c) sechs und zwanzig gleich grosse, in der Mitte vertielt scheinende, und hie und da wieder durch quere Streifen abgetheilte Fig. Fig. Fig, Erklärung der Abbildungen. 439 Strahlen, a) ihr äusseres, zugerundetes, von der dunkeln Rinden- schichte umgebenes Ende, b) ihr inneres Ende, das von einer kreis- förmigen Linie begränzt wird, wodurch sie alle unter einander ver- bunden, aber von dem Mittelpuncte getrennt sind. d) Mittlerer, zirkelrunder Theil von offenbar blätteriger Structur, und mit drey im Centrum zusammenlaufenden Linien bezeichnet. . 105. Ansicht der unteren Fläche der Zwiebel. a) Furchen, und zwar stets sechs an der Zahl, die sich in b) das Gentralloch der Wurzel endigen. ig. 106. Die in ihrer Mitte quer durchschnittene Wurzel. a) Bläuliche feine Zwiebelhaut. b) Rindenschichte von brauner Farbe. c) Braun- gefärbtes Parenchym. d) Die sechs Seitenkanäle der Wurzel, welche nıit den oben angegebeneu Seitenfurchen zusammenireffen. e) Der Centralkanal, in welchen das (Fig. 105, b) angegebene Loch führt. . 107— 108. Ansicht eines nach seiner ganzen Länge senkrecht in der Mitte gespaltenen Igelstachels sammt seiner Wurzel stark vergrös- sert, 107. Ansicht der äussern Oberfläche dieses Stachels. a) Wur- zel oder Zwiebel, woran 1. die Seitenfurchen, 2. die obere, gegen den Mitielpunet etwas vertiefte Fläche zur Aufnahme des Stachels, und 3. die noch schwach anhangende Zwiebelhaut zu bemerken sind. b) Der Hals, c) die Spitze, d) 8— 10 von unten aufwärts ge- gen die Spitze zu parallel laufende, durch kurze Querlinien viel- fach abgetheilte Säulen, die unter sich wieder der Länge nach durch feine Linien geschieden sind. . 108. Ansicht der innern Durchschnittsfläche. a) Anhän- gender Wurzelbalg. b) Ort, wo sich die Oberhaut beym Durch- bruch des Stachels anlegt. c) Rindensubstanz der Wurzel. d) Sei- tenkanäle, drey an der Zahl auf jeder Seite, welche ıneils mit dem Centralkanal, theils mit den Rindenzellen des Stachels selbst zusam- menhängen. e) Centralkanal, der sich nach unten irichterförmig er- weitert, um f) das Centralloch zu bilden. g) Blutgerinsel, welches ich bey drey Stacheln stets an dieser Stelle fand, obgleich die ge- machte Injection nicht sehr gelungen war. h) Durchscheinende Rinde. i) Innere dunklere Rindenschichte. k) Seitenzellen oder Zellen neben der Rindensubstanz,, welche mit den Fig. 104, c an- gegebenen 26 Strahlen zusammenhängen. 1) Eigenilicher Kanal oder Markzellengang von grossblätteriger Structur und gelblichweisser Farbe. Er correspondirt mit dem mittlern runden Theil der Figur 104, d. m) Reine Rindensubstanz ohne Zellen, welche vielmehr alle Zellen an der Spitze des Stachels schliesst. 109 — 115. Abbildungen der Schuppen- oder platten Haare. 109. Ein braunes Körperhaar des Faulthieres in natür- licher Grösse, a) Zwiebelartige Anschwellung. b) Spitze des Haars. c) Ein Stückchen, welches abgeschnitten, und für die nächstfolgende Figur unter dem Microscop betrachtet wurde. 440 Fig. Fig. Fig. Vig. Erklärung der Abbildungen. 119. Das genannte Stückchen c der vorigen Figur vergrössert, und von oben beleuchtet (weil diese Haare undurchsichtig sind), Man sieht hier die äussere Oberfläche mit queren Einschnitten, Rissen und Spalten, die bald durch die ganze Breite des Haars laufen. a) bald nur zur Hälfte in dasselbe eindringen b), bald ganz klein, und kaum bemerkbar sind ce). 111. Ein ähnliches Stückchen von diesem Faulihierhaar, aber noch stärker vergrössert, und quer und schief durchschnitten,, mit der Beleuchtung von oben. a) Oberfläche des Haars wie in der vorigen Figur. b) Querdurchschnitt, in dessen Mitte c) der runde Mark- kanal, umgeben von mehrern d) dunklern Stellen erscheint, welche letztere mit den vorher beschriebenen Einschnitten an der OÖber- fläche des Haars parallel laufen. e) Anfang des schiefen Durchschnitıs, der bis nach f) reicht, wo er sich abgerissen endigt. g) Die stärkern, h) die schwächern Einschnitte, und ı) der vollkommen geöffnete Canal. 112. Ein Stückchen eines Körperhaars der Hystrix dorsata in natürlicher Grösse, . 113. Dasselbe Stückchen vergrössert, und von oben beleuchtet. Von a) bis b) sieht man die äussere Oberfläche gefleckt. ce) Die lichtere, etwas durchsichtige Rindensubstanz. d) Der durch die dichte Rindensubstanz verdeckte breite Kanal des Haars. e — [) Schiefer Schnitt, wodurch g) der Kanal lichter, und deutlich zellig erscheint, h) Rindensubstanz des Durchschnitts. Last e,) IX, 114 — 118. Darstellung der gefleckten Haare. 114. Ein Haar von dem Halse eines Rehes in natürlicher Grösse und Figur. a) Zwiebel, die mit freyem Auge kaum zu unterschei- den ist, b) Deutlicher Hals des Haars, c) Haarschaft, der sich im Verlauf gegen die Spitze hinauf oft schlängelt. d) Spitze. e) Be- deutet den Ort, wo dieses Haar abgeschnitten wurde, damit das Wurzelstückchen für die nachfolgende Figur diene, . 115. Das abgeschnittene Stückchen der Fig. 114, e) unter dem Mi- croscop betrachtet, und von oben beleuchtet. a) Wurzel sammt Hülle. b) c) Kanal, der sich nach oben erweitert. d) der Hals. e) Ansätze, wahrscheinlich von Schmutz, f) Kanal des Halses, der sich oben in zwey Spitzen zu theilen scheint. g) Ein Stückchen, wel- ches für die folgende Figur noch mehr vergrössert wurde. ı) Mehr oder weniger regelmässige, meist viereckige Flecken, . 116. Das Stückchen g) der Fig. 115, noch stärker vergrössert und der Länge nach durchschnitten. a) Der eine scharf abgeschnittene Rand. b) Breite der Durchschnittsfläche. c) Einzelne durchschitiene Zellen, die jenen Flecken der vorigen Figur entspreehen. d) Der andere Rand des Durchschnitts. e) Ein schmaler Streifen von der nicht durchschnitienen Oberfläche des Haares. 117. Ein Querdurchschnitt des Schaftes vom nämlichen Haare, Erklärung der Abbildungen. 441 a) Aeusserster Rand der Rinde. b)Randzellen, die ziemlich stark aus- gedrückt sind. c) Mittelster Theil des Durchschnitis, wo das Gefüge blättrig erscheint. Fig. 118. Ein Stückchen von dem Halse des Haares mässig vergrössert, und von unten beleuchtet. Man sieht den Canal durch unregelmäs- sige Scheidewände, die meist quer laufen, abgetheilt. Fig. 119 — 122. Tasthaare. Fig. 119. Ein Stück von der Oberlippe einer jungen Katze, in welchem die Arterien und Nerven dargestellt sind, die zu den Zwiebelbälgen der Tasıhaare gehen, dreymal vergrössert. a) Die Spitze der Schnauze, noch von den Epithelion bedecki. b) Der Rand, welcher durch die Lostrennung und Abtragung der Schleimhaut entstand. c) Der Pand, wo das Stück von dem untern Augenlied abgeschnitten wurde. d) e) f) Grundfläche der Zwiebelbälge. g) Arteria infraorbi- talis, wo sie gerade bey ihrem Austritt aus dem Loche abgeschnitten wurde, «) Ein feines Aestchen dieser Arterie, das in die Lederhaut eindringt, ß) Der Hauptstamm theilt sich in zweyAeste, nämlich in y) einen, der an der Basis der Haarbälge vorbey, und bis zu den Gefühlswärzchen der Schnauze fortläuft, und überall da, wo er an den Zwiebelbälgen vorbeystreift, zahlreiche Reiserchen an sie ab- gibt, auch nebstbey einige in das Corion schickt. &) Der andere Ast ist eigentlich die Fortsetzung des Stammes, läuft als ein ziem- lich starkes Gefäss an dem obern Rande des Grundes der Zwie- belbälge vorbey, und endigt sich, nachdem er diesen letztern ebenfalls zahlreiche Reiser gegeben hat, theils in die Lederhaut, vorzüglich aber ın die Gefühlswärzchen längs dem Rande der Öberlippe. h) Eine andere kleine Arterie, die ebenfalls aus der infraorbitalis entsprungen war, und theils mit der litt. y be- schriebenen anastomosirt, theils sich mit ihren, von zahlreichen Nerven begleiteten Aestchen bis gegen die Spitze begibt, und sich dort endigt. 1) Der Infraorbitalnerve. Er zertheilt sich bey- nahe wie die Arterie in 1. ein Aestchen, das mit der letztgenann- ten Arterie bis zur Schnauzenspitze lauft; 2. ein anderes, welches nebstbey vorne einige feine Fäden zum ersten Zwiebelbalge schickt ; 3. ein drittes, das sich mit sehr feinen Fäden sowohl in dem ersten, als auch und vorzüglich in dem zweyten Zwiebelbalg verliert; 4. ei- nen starken Zweig, der 5. ein Aesıtchen abgibt, welches theils den zweyten, vorzüglich aber den dritten Zwiebelbalg mit zahlreichen Nervchen versieht. 6. und 7. Sehr feine Fäden, welche ebenfalls aber zu andern, nicht deutlich präparirten Zwiebeln laufen. 8. Wahr- scheinlich ein Zweig vom Antlitznerven, der sich ın die vorderste Zwiebel ausbreitet. “ig. 120. Ein Tasthaar sammt seinem Balg aus der Schnauze einer Katze in natürlicher Grösse, "ig. 121. Dasselbe vergrössert, und eingespritzt. 1. Das dem Balge an- hängende Zeilgewebe. 2, Aehnliches Zellgewebe mit Fett angefüllt, in welchem die Gefässe und Nerven zu dem untern Ende des Zwiebel- 9. Yale 442 Fig. Fig. Eie. Erklärung der Abbildungen. balges laufen. 3. Kleine eingespritzte, aber abgeschnittene Gefässe, und 4. Nervenfäden, die in dem genannten Fett zum Balge gehen. 5. Aeussere Haut des Balges zur Hälfte durchschnitten, damit die innere Haut und das Haar selbst zur Ansicht komme. 6. Schwache, undeutliche Gefässverzweigungen an der äussern Fläche dieser Balg- haut, die grösstentheils von oben aus der Lederhaut herabzukom- men, und mit den von unten aufsteigenden zu anastomosiren scheinen, 7. Zweyte Membran des Balges, entsprechend dem coni- schen Körper (Tab. V. Fig. 39), welche das Haar von seiner Wurzel bis zum Austritt durch die Oberhaut umgibt. Ihre ganze äussere Fläche erscheint blassroth injicırt. 8. Raum zwischen der ersten und zweyten Haut, welcher aber durch künstliche Trennung beyder entstanden ist. 9. Ort, wo ein Theil der zweyten Membran ausge- schnitten ist, damit die innerste Hülle des Haars mit diesem selbst ersichtig werde, 10. Innerste Hülle, welche das Haar unmittelbar, wie eine Scheide umgibt, und sich rings herum an die innere Flä- che der zweyten Membran anhefiet. 11. Das Haar selbst, wie es aufwärts gegen das obere Ende des Balges steigt. — Man sieht hier in der Mitte einen hellern Streif, welcher das isolirte Haar isı, da dieses nur noch von einer feinen Membran umgeben scheint, welche zufälliger Weise hier ebenfalls durchschnitten wurde, so dass nur deren hintere Wand zum Vorschein kommt. 12. Dem An- schein nach in der Haarwurzel eingedrungene Injectionsmasse. 122. Derselbe Balg sammt der Zwiebel so dargestellt, dass die innere Fläche der zweyten Membran fast ganz mit dem Anfang des Haars erscheint. a) Aeussere und b) innere Fläche der zweyten Membran, beyde fein eingespritzt. c) Haarwurzel oder Zwiebel, welche unten durchschnitten, und wie es scheint, mit Injections- masse angefüllt ist d) Innerste Scheide des ın dem Balge einge- schlossenen Haarcylinders. Beast eu]. KU. 123 —129. Mumienhaar. 123. Ein Mumienhaar von dem Kopfe eines, etwa 3000 Jahr al- ten 4—5jährigen Kindes aus dem ägyptischen Kabinette zu Wien; in natürlicher Grösse und Farbe. .124. Ein kleines Stückchen davon unter dem Microscop betrachtet. a) Zwiebelähnliche Anschwellung, b) Haarschaft, ce) Kanal, der schon in der Zwiebel beginnt, und deutlich blätterig erscheint, d) Querstreifen, die sich an der Oberfläche darstellten, ce) Ansätze, wahrscheinlich von Schmutz, . 125 und 126. Ein Stück Haut aus dem Kinne eines 30jährigen Man- nes, eingespritzt und senkrecht durchschnitten, . 125. Dieses Stück in natürlicher Grösse. . 126. Dasselbe vergrössert. a) Durchschnittener viereckiger Kinn- muskel, b) durchschnittene kleine Arterien, welche sich in diesem Muskel verästelt haben, c) Fetihaut, Das Fett erscheint hier gelb und etwas körnig. d) Eine Hauptarterie, welche in das Feıt eın- Erklärung der Abbildungen. 443 dringt, eine Strecke lang darunter fortläuft, auf der entgegenge- setzten Seite wieder hervorkommt, und sich neuerdings vielfach zerästelt. e) Kleinere Zweige derselben Arterie. f) Festeres dichteres Fettgewebe, das auch weisser erscheint und immer dichter wird, je mehr es sich der Lederhaut nähert. g) Barthaare. gi. Barthaar, das von seinem Anfang bis in das Corion in seiner Hülle verbor- gen liegt. «) Haarzwiebel, welche durchscheint. 8) Ort, wo sein Balg durch den Schnitt zufällig getrennt wurde. g2, Zweytes Barthaar, das noch ganz verborgen steckt, g5. Drittes Barthaar, welches et- was mehr entblösst ıst. g4. Viertes Barthaar; steckt tief ın der Haut, und zeigt nur y) seine Zwiebel nnd etwas vom Schafte. g5. Fünf- tes Barthaar. Liegt ebenfalls grösstentheils in der Fetihaut ver- borgen. g6. Sechstes Barıhaar. Wie g4, nur etwas deutlicher. g7. Siebentes Barthaar. Ist fast ganz von der Hülle enıblösst. g8, Ach- tes Barıhaar , wie das zweyte, g9. Neuntes Barthaar. Etwas deutli- cher als das dritte. g10. Zehntes Barthaar. Fast bis in die Nähe der Zwiebel vollkommen entblösst. 8) Feine Gefässe, welche von unten an der Zwiebel vorbeystreichenden, Arterien abgehen, und meist in paralleler Richtung an dem Haarbalg aufsteigen, nm ihre Aestchen in letztern zu schicken. h) Lederhaut, ıi) eine unzählbare Menge feiner Capillargefässe, die sich aus den (6) angegebenen Aesten ent- wickeln, k) Oberhant. Fig. 127—142. Haare von verschiedenen Körpergegenden eines braunhaarıgan 50jährigen Mannes. Fig. 127. Ein Schamhaar in natürlicher Grösse und Rich- tung. a) Wurzel, b) Spitze, ec) Abschnitt für die folgende Figur. Fig. 128. Das Stückchen c) der vorigen Figur unter dem Microscop mit der Beleuchtung von oben, und zum Theil auch von unten. a) Die dichtere Rindensubstanz am Rande des Haars, b) der Kanal, worin c) wellenartige Linien ın die Quere laufen, und so die Zellen ab- theilen. d) Stellen, wo der lichtere Theil des Kanals dunkel und unterbrochen erscheint. Es ist bemerkenswerth, dass ich dieses letzteren hauptsächlich bey den Schamhaaren bemerkte, Fig.129. Ein Stück einesKopfhaars innatürlicher Grösse, a) Wurzel, b) das abgeschnittene Ende des Schaftes, c) Abschnitt für die folgende Figur. Fig. 130. Das Stückchen c) der vorigen Figur vergrössert, wie Fig. 128. a) Rindensubstanz, b) Kanal. Die Querlinien ec) sind hier selte- ner, gerader und unregelmässiger. d) Beynahe die ganze Länge des Kanals durchlaufender, und nur hie und da unterbrochener dunk- ler Streif. Fig. 151. Natürliche Grösse und Richtung eines Achsel- haars, a) Wurzel, b) Spitze, c) Abschnitt für die folgende Figur. Fig. 132. Das Stückchen c) der vorigen Figur vergrössert. a) Rinden- substanz, b) Kanal, worin man keine dunklen Stellen bemerkt, c) etwas krumm verlaufende, d) gerade Querlinien, Die Farbe dieses Haars geht ins Röthliche. 444 Erklärung der Abbildungen. Fig. g. 353. Ein Brusıhaar desselben Mannes in natürlicher Grösse, Farbe und Richtung. a) Wurzel, b) Spitze, c) Abschnitt für die fol- gende Figur. . 154. Das Stückchen c) der vorigen Figur vergrössert. a) Rinden- substanz, b) Kanal mit c) meist rundlichen Zellen. Ta er). SIT, 135. Eın Haar aus dem Backenbart desselben Mannes in na- türlicher Grösse und Richtung. a) Wurzel, b) Spitze, c) Abschnitt für die folgende Figur. . 156. Das Stückchen c) der vorigen Figur unter dem Vergrösserungs- glase. a) Rindensubstanz, b) Kanal mit c) meist geraden Querli- nien, d) dunkle Stellen in der Mitte des Kanals. . 137. Ein Augenbraunenhaar in natürlicher Grösse und Rich- tung. a) Wurzel, b) Spitze, c) Abschnitt für die folgende Figur. . 138. Das Stückchen c) der vorigen Figur vergrössert, a) Rinden- substanz, b) Kanal, c) Zellen des Kanals, d) dunkle Stellen in denselben. . 159. Eine Cilie desselben Mannes. a) Wurzel, b) Spitze, c) Ab- schnitt für die folgende Figur. 140. Das Stückchen c) der vorigen Figur vergrössert. a) Rinde, b) Kanal, c) Markzellen, die hier gedrängter und häufiger sind, d) dunkle Stellen in denselben, x . 141. Ein Haar vom Eingang des äussern Gehörganges. a) Wurzel, b) Spitze, c) Abschnitt für die folgende Figur. . 142. Das Stückchen c) der vorigen Figur vergrössert. a) Rinde, b) Kanal, c) Markzellen, d) dunkle Stellen in denselben. . 143. Figur und Grösse eines Haars vom Vorderarm desselben Mannes. Die Structur kam mit der des Brusthaares überein. Fig. 144. Natürliche Ansicht eines Nasenhaars von demselben Manne, Kg. In Bezug auf den innern Bau komnit es den Cilien nahe. Anmerkung. Ich habe mir Mühe gegeben, dass alle diese Haare auch ihre natürliche Farbe erhielten, welche bey einigen sehr von der der andern abweicht. Da die Stückchen für die Be- trachtung mit dem Microscop immer aus der Nähe der Wur- zel aufwärts genommen wurden (weil an dieser Stelle und an der Spitze alleHaare durchsichtiger sind), so erklärt sich auch wie die hellere Farbe allmählig dunkler wird, je nachdem das Haar aufwärts gegen seine Mitte steigt. — Die Schüppchen, womit die Oberfläche der Rinde bey allen Menschenhaaren bedeckt ist, hat der Maler besonders schön in Figur 130 dar- gestellt. 145 — 155. Haarwurzeln oder Zwiebeln von denver- schiedenen Körpergegenden eines 28jährigen hlon- den Mannes. Erklärung der Abbildungen. 445 Fig.145. Wurzel eines Kopfhaars. Fig. 146. Wurzel eines Augenbraunenhaars. Fig. 147. Wurzeleiner Cilie. Fig. 148. Wurzel eınesNasenhaars. Fig. 149. Wurzel eines Haars aus dem Backenbarie. Fig. 150. Wurzeleines Haars aus dem Kinnbarte. Fig. 151. Wurzel eines Haars vom äussern Gehörgang. Fig. 152. Wurzel eines Achselhaars. Fig. 155: Wurzel eines Brusthaars. Fig. 154. Wurzeleines Schamhaars, Fig. 155. Wurzel eınes Haars von der Rückenfläche des ersten Fingergliedes. Aumerkung 1. Bey allen diesen Figuren bezeichnet a immer die na- türliche Grösse, und b die Ansicht unter dem Microscop. Anmerkung 2. Es erhellt hieraus, dass die Wurzeln aller der ge- nannten verschiedenen Haare nie einander gleich sind. Um hierüber ins Reine zu kommen, musste ich viele Untersuchun- gen anstellen, wo ich mich sodann von der Mehrheit des ge- sehenen Bildes für die Abzeichnung leiten liess. Eine wichtige Berücksichtigung verdient der Umstand , dass eine Haarwur- zel, die man unmittelbar nach dem Herausreissen betrachtet, ganz anders aussieht, als eine andere, die schon durch einige Minuten der atmosphärischen Luft ausgesetzt war, Der Un terschied ist so gross, dass man auf den Glauben kömmt, man habe ein ganz anderes Haar erwischt. Uebrigens schreibe ich diese schnelle Veränderung bloss der austrocknenden Kraft der umgebenden Luft zu; denn so schön abgerundet auch jede Zwiebel gleich Anfangs aussieht, so schnell schrumpft sie auch zusarmmen, und biegt sich nun. 1-3 tet XIV: Fig. 156— 165. Haare vom Fötus und Kindesalter. Fig. 156. Ein Kopfhaar von einem sechsmonatlichen Fötus männlichen Geschlechts in natürlicher Grösse. a) Wurzel, b) Spitze. ac) Abschnitt für die folgende Figur. Fig. 157. Das Stückchen ac vergrössert, und von unten beleuchtet, a) Die noch wenig ausgebildete Wurzel. b) Ende der Scheide oder Hülle des, unter der Haut verlaufenden, Wurzelrandes. c) Abgerissene Stückchen der Oberhaut. d) Anfang des freyen Haarschaftes, e) Rin- densubstanz. f) Kanal mit deutlichen und geraden Querlinien, Fig. 158. Natürliche Grösse und Figur eines Augenbraunenhaars desselben Fötus. a) Wurzel. b) Spitze. ac) Abschnitt für die folgen- de Figur. Fig. 159. Das Stückchen ac der vorigen Figur unter dem Microscop 446 Erklärung der Abbildungen. a) Hülle, welche die schon mehr ausgebildete, und conisch zulau- fende Wurzel umgibt, b) Der freye Haarschaft mit Rindensubstanz und Kanal. c) Feinere und seltenere Querlinien des Kanals, d) Der durchscheinende Kanal des in der Hülle steckenden Haartheils. . 160. Ein Cilienhaar von demselben Fötus in natürlicher Grösse. a) Wurzel. b) Spitze. ac) Abschnitt für die folgende Figur. . 161. Das Stückchen ac) der vorigen Figur vergrössert, a) Hülle für das Wurzelende des Haars. b) Die deutlich ausgebildete durchschei- nende Haarzwiebel. c) Der durchscheinende, und mit Querlinien versehene Kanal des von der Wurzel aufsteigenden Haartheils. d) Freyer Haarschaft mit Mark- und Rindensubstanz. Die Querlinien des Kanals sind hier fast in ganz gleicher Entfernung von ein. ander. . 162. Natürliche Grösse eines Haares von der Achsel eines achtmo- natlichen Fötus männlichen Geschlechts. a) Wurzel. b) Spitze. ac) Abschnitt für die folgende Figur. . 165. Das Stückchen ac) der vorigen Figur vergrössert. a) Hülle, in welcher der Anfang des Haares steckt. b) Abgerissenes Stückchen, welches wahrscheinlich Gefässe und Nerven enthielt. c) Freyer Haarschaft mit der doppelten Substanz. Einige Querlinien laufen ganz durch, andere d) nur zur Hälfte, . 16%. Ein Kopfhaar eines zwey Monat alten (gebornen) Kindes in natürlicher Grösse. a) Wurzel. b) Spitze. ac) Abschnitt für die folgende Figur. . 165. Was Stückchen ac) der vorigen Figur vergrössert. a) Zwiebel- haut. b) Durchscheinendes, überall genau abgerundetes, und bes- ser ausgebildetes Wurzelende. c) Freyer Haarschaft, der sich bloss durch grössere Dicke von jenem des Fötushaars unterscheidet. Anmerkung. Aus der Vergleichung der von Figur 156 — 165 dar- gestellten Erscheinungen unter sich, und mit den früher an- geführten, ergeben sich folgende Resultate: 1) Im Allgemei- nen besitzt das Haar des sechsmonatlichen Fötus schon alle seine Theile, jedoch nicht alle gleich gut ausgebildet. 2) Un- ter den angebornen Haaren scheinen die Cilien zuerst ihre vollendete Bildung zu erlangen. Auf sie folgen die Augen- braunen, dann die Kopf-, und auf diese die übrigen Woll- haare. 3) Weder beym Fötus, noch bey dem neugebornen Kinde habe ich jene dunkeln Stellen bemerkt, wodurch der Kanal der Länge nach im erwachsenen Haar häufig unter- brochen ist. 4) In den genannten frühen Lebensperioden sieht man im Kanal nur, und zwar meist sehr regelmässig liegende Querlinien, die übrigens an der Zahl viel weniger, als bey dem Erwachsenen sind. 5) Das ganze Haar, vorzüg- lich aber der Haarschafı , ist dort von so ausserordentlicher Feinheit, dass man, seine Querblättchen ausgenommen, den Kanal ganz leer findet. 6) Aus der Entwicklung der Haar- zwiebel kann man auf das Alter des Haars selbst schliessen. Erklärung der Abbildungen. 447 Endlich 7) ist der Mangel an Pigment beym Fötushaar sehr in die Augen fallend. Fig. 166. Abbildung der bärtigen Dresdner Jungfer: a) Schnurrbart, dessen Haare schwarz, und kaum einen halben Zoll lang waren. b) Schneeweisse, drey Zoll lange Haare, welche an der Seite des Kinns hervorwuchsen. c) Kleinere schwärzliche Haare an den ıinnern Seiten der schneeweissen, von denen jedoch das eigent- liche Kinn ganz frey war, Mi Asa der Haare ne Thl. Seit. . 11.382 bey Reconvalescenten 11.392 ın Krankheiten als Heilmittel . - Regeln für dasselbe Abschuppung des Haars Absondernde Haare „ Achselhaare . 2. 2% - deren Zweck . - Entstehung - fehlen den Thieren Aculeus der Zoophyten . Acupunctur gegen Alopecie Aegagropila . Aesıe der Menschenhaare Aestige Pflanzenhaare . Aethiopier, ihre Haare . Afterhaare - ıhr a fehlen den Weibern Ahlborsten Albinoismus ER TENE Allbınosig ma snir. Mean. Aleuten, Haare derselben Alopecia . dimidıata . - juvenum - senum » 11.120 . 11.390 . 11.389 . 112463 12346 „1.245 . 11.194 73 +1.,.95 .I. 101 . 11.296 . 11.408 SU 2U BR LOWER |) . 11. 94 . 11. 46 . 11.196 lila 12 EB NEN . 11.303 .1I. — Aue eh 1119252 . 11.302 . 11.256 ‚il — Amerikaner, derselben Haare II. 94 - haben dürftigen Haarwuchsll. 87 - werden selten grau - sollen bartlos seyn Anaphalantiasis Andarmanen, ihre Haare Angeborne Haare . Angelborsten . 11. 94 . 11. 88 . 11.253 . 11. 90 SRE72 . 11. 19.19 IB NE RER, «“ Thl. Seit. Anneliden, Zweck ihrer Borsten I. 213 Anımalı - plantae . ,. .. 020.147 Amttaeı rn. le N Araber, deren Be a Area, Jonston . . 2..2.2.2°253 Arnaldiana co Rene Dee Asche der Haare\. ... . .1.& — - Menschenhaare 11.63.65 Asterien, Zweck ihrer Haare 11.212 Aıhmen durch die Haare . . 11.151 Atlasfedern u au 2 Br Atrichran. ar 3 20 SARAH Atrophia bulbi ne . 115259 Atrophie der Haarzwiebel . . II. — Augenbraunen. .....IH.22 - der Männer . „ . „1 81 = = Neger. u 2, Selle =) =) Weiber „us ro =, 120 Albinos Ken 2 REN39 - als’ Zuerde. „0. ...94180 wachsen nur kurze Zeit 11.124 ihr Nutzen . / . .„D.191 ihre physiognomische Bedeutung . . . „11.197 werden beschoren . . 11.186 - ihr Austallen. 1.2 2.17°304 Angenlieder werden gefärbt II, 185. 187 Ausenwimpern . u. en - der Männer ur. le =. NVieiber ara =, = (Neger , Wr. Wa RaRnEH - wachsen nicht lange . 11.124 - behalten ihreerste Farbe ll. 78 -s,ıhr Nutzen % ., 2 m8191 Ausdünstung der Pflanzenhaare I. 39 der Thierhaare „ . . 1. 193 R e g l Thl, Seit. Ansdünstung der Menschen- haare Ausdünstung der ut an er haarten Stellen Ausfallen der Haare . - Aetiologie . Prognose - Therapie - nach Krankheiten . normales Mittel dagegen von Galen von Aetius. von Piso . ..21.155 . 11.160 1.252 „112257 . 11.270 11273 . 11.262 8.76 ,, 2 u: all, von P. Aeginetall. — Cleopatra Rhazes. - Avicenna - Forestus. - Gelsus. - Villanuova Sennert - Frank . - Gullerier - Ferrı - Fallopia. Anusfallen des Bartes Mittel dagegen . . 11.294 .IL..— . 11.295 . 11.296 ‚1 — .1 — « 11:297 sAT.2 Al. el ul Ausreissen der Haare bewirkt erbliche Haarlosigkeit Aussonderung der Pflanzenhaare Il. Aussonderungsstoff B. Backenbart . . > als Zierde . Bärte der Thiere . - der Schmetterlinge Varietät derselben . Bärtige Frauen - Jungfer 2 Bänder der Haarzwiebel Se IR) . 11.180 72 . I. 208 wlN.-55 11. 38.39 . 11. 80 U. 9 Balg eingespritzter von der Kaize . ; Balg des Menke - der Tasthaare TEE SITE . 11.304 Eble’s Lehre von d. Haaren. II. Bd. Se 449 Thl, Seit, Barba . . 11. 44 Barbitium .I — Barbirasium . 11.178 Bart SRAE . 11. 44 dessen Entstehung las - Kultur . 11.188 e - Verschiedenheit bey den Nationen 88 - als Zeichen der Mann- barkeit . 16711195 - dessen physiognomische Bedeutung . . 11.201 dessen Zweck . 11.193 sehr langer . . 11. 36 starker . . 11.202 - wächst im Alter oft stär- ker alsin der Jugend. . 11.131 - alsAusdruck d, Schönheit 11.177 weiblicher 17 in diagnostischer Bezie- hung eu . 11.226 der Pilanzens elnare2 1.218 der Feder . I. 135 Bartausreissen . Il. 148. 186 Bartfäden hr: - I. 135 der Fische . 10207 Bartfärben . . 11. 189 Barıhaare 3 A RR? - wurden einer Cerheie ge- weiht . 11.178 der Robben . . 12186 - des Maulwurfs . 1. 205 - werden begraben . 11.180 Bartlosigkeit ; . 11.247 Barıscheeren als Schirpf IL. 177.179 Bartschur der Mönche . . 11,178 Becherhaare 1715 Behaarte Menschen , - 112737 Steilen, eigene Ausdünstung derselben II, 159.160 Bengalen, ihre Haare . 11. 90 Berbern, ihre Haare .IL 91 Bestandtheile der Menschen- haare MS TG Bildung der Hadre TI. 98 Blätterhaare,t A Sen. 94 29 450 Reid Thl. Seit. Blafards . . 11.303 Blaue Haare . 11. 60 und a TEN Bleiche Haare wachsen noch . Il. 78 Bleichen der Haare . . . . II. 74 - Grund desselben II. 145. 319 Blonde Haare in physiogno- mischer Bedeutung 0, 10.206 Blondmachende Mittel . .„ . 11.351 Blumenkronenhaare . . „ .I 21 Bockshaare . . . DRAN Borste bey den engen 1195 172.18 Borstentäule 7 N. a 2 Borstenhaare der Thiere . 11.166 = der Schweine . 2107 Borstenkrankheit . 11.3726 Mittel dagegen . 4.376 Borstenmenschen . . 11.376 deren Haare. . . 1. Brasilier, 95 Brennhaar . . i a] Ba le) Brunst, Einfluss REN. er die Ihierhaare,. ur: 7% er. 80 Brusthaare . : N. 38 - fehlen den Weibern STLE92 - als Zierde.. 312184 Bürsten der Haare als Heil- mittel . . TUE 11.155 Buschelhaare, a. a, een = der Thiere WEST, 3ulbus pili An ERLEBT 10 Buräten, ihre Haare. . . . II 91 sind last’kahla a re 287 Bursae, Haare auf ihnen . .1. 56 C, Cacotrichiae 11.216 Caesaries . II. 40 Calamus . I. 132 Calvities - i 11.253 Canarienser, ihre ea 11. 91 Canities . 11.313 Capilli . II. 40 Capronae 11. 41 Caput superciliorum , 1I, 42 Caraiben, ihre Haare II. 95 Castraten, ihre Haare . „ , 11.226 Thl. Seıt. F 11.252 Casus pilorum . Caucasischer Stamm, d. Haare Il. 94 Cauda superciiorum . . .11 12 Gausa efficiens pilorum.. . . 11.101 -sibfinalis... HomAbl. se Ba = \imaterlalis,. .. 2 eine I. — Ceyloner, ihre Haare . . .1I. 90 Chartasıs.o.a cas) A RERHLTNSTG Chaymas, ihre Haare . . . 11. 95 Chemische Eigenschaften der Thierhaare . : 2.5196 Chemische Bir chen der Menschenhaare. . . „ „I. 61 Chinesen, ihre Haare . . . 11. 89 Cilia A Se der Zoophyten . . . . 1. 101 - vibratilia . I = krotatorialige 1. WA 2 Re fluctuantıa 1. 103 - sphaeroidea a CGilien der Menschen. . : . 11, 45 - werden seltengrau . .I1I. — - Anzahl derselben . . .II. 55 - Ausfallen derselben . , 11.301 Gineinni.. . I. Cirkassische Weiber, Auken: braunen derselben . . .1l. 91 Cirrhen der Fische . . . .1. 208 Cirrhi der Zoophyten 1. 101. 105 Gitiberbes: . 1% 2 MR SeERI255 Coma wo an ERSTEN) Conjunctiva, Haare aufihr . 11.405 Cornea, Haare auf ıhr. . . II. — Corniculus der Zoophyten 1.101.105 Corollinische Haare . . „ .I 16 Corpora pilifera . . . 11.108 Corpus molle der Zwiebel . ER TDSELT 2. ovale. HN 0 ae ET = - conicum des Balges . . 1. 65 Grines |... , } SPIELT Crinis der Zobphyten Ir 100. 102 D. Dachsfett, Wirkung auf die Haare... 2.0 a2 Dänen, ihre Haare . . » „4. 91 110) SA Thl, Seit. Diasyles DREHEN A (N IE 229 Delluvium pilorum 118252 Depilatio . Sie — - congenita . 254 endemican, „um 100,03 21.256 - epidemica NT haereditaria . . 11.254 - leprosa .I — localis . 114252 pszsieinosa. nn 2 1254 - simplex . 11,253 uspomlamea ı ., "nr. AERDSH syphulnica #r 1. nr „Allen — Deutkkhe, ihre Haare: 2,27. 21I7091 Diagnostische Würde d. Haare 11. 219 Dicke der Menschenhaare . . II. 49 Grund derselben . „ . 11.135 Dickes Haar . . METER Diebsinseln, Haare ee Be- wohner Rn 0 ATRIO Distichiasis . II. 244. 404 Dondose waaı. Der ar 15303 Dornen rs ee er. 519 Drüsenhaare, nr = 2. nina. v15 Dropacismus DRS e 1291 Drüsenartige Körper am Ur- sprung der Pflanzenhaare .|1. 7 Drüusige Haaren alias al a er 16 Dünnheit, abnorme der Haare II. 376 Mittel dagegen LT. 3707 Dürftigkeit des Haarwuchses . 11.244 Dunen der Vögel I. 129. 150 Durchmesser der Pflanzenhaare 1. 28 der Menschenhaare II. 49 E, BausdeiChiner. .. . ... 11,334 Echiniden bewegen ch, durch ihre Stacheln Aarae21> Edelsteinfedern . . . 1..131 Ehebruch, bestraft durch er abschneiden . . „ . 11.175 Eingeweidewürmer , bewegen sich durch ihre Stacheln . TI. 212 Einsaugung durch die Haare , 11.148 der Pflanzenhaare . ,. . I 33 S Einsaugung der Wurzelhaare.. I. Eisenbrühe gegen Ergrauen 451 Thl. Seit, 54 . 11.193 . 11.324 t2. De) IR der Thierhaare Elasticität der Menschenhaare II. 4.51 Electricität der Haare . . .1. 4 Electrische Erscheinung an den Menschenhaaren 11. 161. 165 Elecirische Spannung der Men- schenhaare . 11.165 Electrische Spannung d, Thier- haare F . 1. 193 Engländer, es Haase A . II 91 Entfärbung der Haut und Haare 11.309 Entstehung der Haartheile . 11. 72 11. ı9B der Haare. Entwicklung der Menschenhaare Il. 70 - zu frühe 2 311.229 - zu späte . 11. 244. 247 Entzündung der Zwiebel . 11.249 - des Haarbalges . .I1.— Epidermis, ihr Verhalten zum Haare on. i nl. 68 Erdreich, dessen Einfluss is die Ha . el. >27 Ergrauen, kranfihefieh Rn aa 5 dessen Ursachen .. 11.314 I Vorhersage ik... nur 51 - ra : . 11.321 Erineum , . a - bildet sichnuraan lei 1.50.51 dessen geographische Ver- ul; Zeit seiner Erscheinung |]. 51 52 breitung. „0 0: cak% seine.Farbe . „hl ist eine krankhafte Meta- I. 52. 54 seine Bildung hat Einfluss anfdas Alhmen d, Pflanzen 1.53 morphose Europäer, deren Haare LEAST Eyeröl gegen Ergrauen . 11.323 F. Fachhaarer 1. CHA ar. 1417 Facultas expultrix 11.100 pilifica 11.101 Badenhaare.. ea Lg 2, * 452 11a N a Thl. Seit. 11. 122. 183. 325 Färbende Materie wird ın der Färben der Haare . Zwiebel bereitet . . 11.139 - steigt von unten aufwärts II. 143 Fahne der Feder , . I. 135 Farbe der Pflanzenhaare 1528 - der Thierhaare . 1 - - nach dem Klıma I. 91 nach der Lebensart „17 192 der wilden Thiere . —— nach\der Körpergegend I. — macht die Zeichnung der 1. 92. 93 stimmt mit der Haut überein 1.94 T'hiere Verschiedenheit derselben nach dem Alter 11.272378 der Menschenhaare TS - Ursachen derselben 11. 6". 156 ist erblich . 11.147 - hat ıhren Sitz im Mark . 11. 142 stimmt mit jener der Haut überein II. 58. 140 - hängt vom Lichte ab. II. .141 änderte sich nach ' dem Tode . . 11.131 in physiognomischer Hin- sicht . . 11.205 rücksichtlich der Schön- heit Kr 116 - Einfluss des Wassers auf selbe . 11.147 - abnorme . 11. 59 Fasern der Feder . Sl. 135 Federn 1128 I. 131 I. 438 Organisation Harsiihen R Entstehungsart . ihr Kern . EI - ihre Zwiebel , 1. 140. 141 ihre Scheide I. 138. 140 ihre Erzeugungskapsel . 1. 440 ihre Aehnlichkeit mit dem Haar . Sr! 1: 142 ändern ihre Farbe im Winter LIE schuppenförmige » 1. 136 Federhaar sInaez Thl. Seıt, Federnkrankheit d. Menschen 11.248 Feıinheit des Haars kommt vom Vater 1576; Feit zur Pomate, Reinigung 11.281 Fettigkeit der Haare, zu starke 11.290 Figur der Menschenhaare . . Il. 32 der Pflanzenhaare . ae - der Thierhaare . Ren a: Filamentum pıli . 1.519 Filz A I Ir, Filzen ul. 325 Ehlzhaar., 21.2.2025 Finnen, deren Haare .I 91 Fissura capıllorum „HL.:3778 Flaum der Vögel . . 3. 129 Flaumstrahlen . +1,138 Fleischzapfen, Haare I. 56 Formosaner, deren Haare . . 11. 90 Fremde Haare, ihr REIN 11.413 Friesiereisen, ihr Einfluss . 11.268 Fuchssucht . 11,252 G. Gabelhaare nn en 12) Gallae, Haare auf denseiker Rn 517] Gallia comata 11.173 Gauchhaar MM; 4,273 Gefässe der Pflanzenhaare EN (0) -- der Thierhaare . 66 - der Kapsel b. Menschen II. 16 Gefieder . : ı 1150 Gefiederte Haare 2:43 Gefieckte Haare Ä I. 181 Gefühl, durch die Haare ver- mittelt . 1. 203 Gekräuselte Haare . .J. 40 Gelbes Haar ; 11.496 Gelbfärbende Mittel II. 326. 327. 330 Gelenkhaare 147414 Geschlechisverschiedenheit der Thierhaare . . I. 77 - der Menschenhaare II. 79 Gespaltenseyn der Haare 10,373 Mittel dagegen . . 11. 374 Gestalt der T'hierhaare 169 Gewicht der Menschenhaare . 11. 57 KR &,8 ı Bier p 455 Thl. Seit. Thl. Seit. Gezähnte Angelborsten . . . I. 14| Haare in den Eyerstöcken. . II. — Borstenrt RX ETF Eigenschaften derselben . 11, 399 Glätte der Thierhaare . . .L 71 der Actinien . 1. 108 Glandulae piliferae . 11.108 - Amphibien. 1,427 Glandebalae Sn) - Anneliden . 3.109 Glanz der Haare . TR 52 - Antilopen . Br - dessen Grund . 11.136 - Aphrodite aculeata . I. 109 Gliederborsten Zn ET WIO - Arachniden ei Gliederhaaret 2 mau ae 19T, — N Haare der,Bienen .'. „ 9421123 Gicht, in Beziehung anf die Grustaceen Kt Haare 118224 - Echiniden „I. :108 Giftige Haare .1. 198 Eingeweidwürmer . 1. 107 Granner Det DUCATI E - Elephanten >R. 170 Grandebalae sau ET 5 Faulthiere . 4. 180 Graue Haare wurden wieder - Fische 1.425 SER WALZ N en ihr Fliegen :-1L.23 Grauwerden der Pflanzenhaare I. 35 - Flöhe . I. 124 - Thierhaare . 1. 79 Halbflügler rl. ist selten unter Insecten I. 1A Amerikanern ..’. .1 - ihr Vorkommen I. — = krankhaftes 11313 - ihre Gestalt. . I. 115 Greifschwänze, ihre Behaa- NR RKarbe 0.116 rung 207 - - dienenzum Nest- Greisenhaare . J1.146 Baus Re ER. 193 Griechinen, ihre Haare . 1. 93 der Insecten dienen zum Grönländer, ihre Haare .17..90 Einpuppen = m KURA.F— Grübcben der Feder 210337 der Insecten zur Verthei- Grüne Haare . 1. 60, 336 digung . 12499 der Käfer . 17116 , - Libellen . . 1.125 Haare abnorme . 11.399 Medusen . I. 108 - auf der Haut TION Mollusken 279.2 7.2113 auf den Schleimhäutenr 11.404 - Moschusthiere 1.185 an den Augen . . 11.404, 405 Processionsraupe . . 1. 189 - an der Nase . . 11.405 Raupen 118102 auf den Nymphen AT: 403 - Saugthiere . . . .L — im’ Rachen Wr, un MBH - Affen IE SAU -* auf der ‘Zunge ‚WE WIEN — - Amphibien — S$äu- Im. Darmkanal ..... SENSE gethiere . 1. 149 ın den Harnorganen . . 11.409 - Eeutelthiere 714150 Imker: BEE RENT. — Dickhäuter 1. 152 ın der Gebärmutter . „II, — Einhufer 1. 154 in den Hirnhöhlen . 11,419 Fleischfresser . I. 147 auf dem Herzen . N Handflügler Il. — amrHırnzeliae 17 RAN, — Insectenfresser 10 — ın Balggeschwülsien ER 44 Nager Sr I. 150 454 Tl, Seit. Haare der Sohlengänger . 1. 118 - - Vielhufer I. 152 - Wiederkäner ao 1 182 Zehengänger . . .L — - = Schmetterlinge 2147 - = Schmetierlingsflügel I. 124 - = Strahlihiere 1. 108 - - fischartigen Säuge- ihreres id. ame en der Vögel ON RS TER - Zoophyten . . 1.98, 106 = ae - Eintheilung derselben ne mul 0 Ju 9 L9O - Terminologie derselben I]. 100 Haare als Träger der Contagien II. 164 ASIEN N Me, ERTENET - gefleckte .1. 181 - platte BE .1 179 Iymphatische See Se [ars 17] stachelföormiee u.) u *ı . Li) bilden ein Mittelglied zwi- schen den Pflanzen und Thieren 1.7315 - sınd Pflanzen 17 &ebrauch fremder . 11.413 unter den Zehen . . .I1 9% - aRNLUndieri re ea Haarabschneiden als Strafe . 11.171. 173.175 = dessen Einfluss auf die Gesundkeit . 11 382 schwächt, le 2.006 Haarbälle . 1.222 11. 408 Häarbalg der Tasthaare . .L 6 MHaarbildung, regelwidrige . 11.398 Haareylinderu,; 1.0140. 1. MA Hlaarfresserau... 08 02. 2a A DIWNGO7 Haargebilde Ne WR MR NAT 26 Haarkeim 30.0 0... 01763 Haarkern ON EHESTEN 1, 134: 9%0) Haarlass . SR ER ARE INNARTER Haarmilben ERS DES Haarmoden ans, an 11,181 Daarmolen, -; 1.004228 NELSAO Haaröle . . a N LA2EEIO) Haarsalbe, natürliche 5 2 A576) st eh Me Thl. Seıt. Haarsalben . 11.280 Haarschaft .11 19 Haarschmiere, krankhafte Ab- sonderung derselben , . 11.338 Haarstreichen, beruhigt . 11. 154 Haarspitze 1,1748 Haarvertreibende Mittel . 11. 239 Haarwurf . 11. 208 Habitus durch die Haare zu erkennen . . 11.221 Hackenasthaare, . .. una net Hackenborsten. ..... 2229 Hackenhaarır Skarlı . le Hären der Thiere 1. 81 — 8% Härte der Thierhaare . . . 1. der Menschenhaare . . Il. 4 Hals der Menschenhaare . .11. 19 Halsbinden der Thiere. . . 1. 72 Handel mit Haaren . . . . 1.212 Harte Haare, in physiognomi- scher Hinsicht . 11. 190. 205 Hartes Haar IN 248 Hauptfarben der Menschen haare . Be ln Haupthaare RR SER Noaepeh A - sehr lange \ ‚Il.r35 - der '[hiere . 1.76,94,95u.203 Hauthaare a a N len A LE LEE Haut, ihr Einfluss aufdie Haare 11. 83 Haut, zu trockene . 11.289 schlaffe .1U1 — Hemiphalacrosis . 11.253 Hebe uhr . II. 45 Hippelaphi 1. oh ss Hören... 1.0 Hirsutus . dk . 11.228 Holländer, ihre Haare . V.294 Homines pilosi SO RLET - seltosi. . 11. 376 Hornhaare Sa 170 Hornstacheln der Zoophyten I. 101.105 Iottentotten, ihre Haare . „ 11. 91 Hygrometrisch sind die Haare II. 5 Hypertrichosis . 11.229 Hypodermien. hi u werk Ri een Thl. Seit, 3—1. Jahrszeiten, ihr Einfluss auf die Thierhaare . FE TREOT Japanesen, ihre Haare 1I. 89 Javaner, ihre Haare . 11. 90 Idioelectrisch sind die Haare Il. 4 Igelstachel 7 7% . 1.475 - dessen Oberfläche a a Keil - Querdurchschnitt 1, - - Längedurchschnitt 1. 178 Incerispativum . ; . 11.378 Inflammatio bulbı Bilordnt 11.249 Insecien brauchen ihre Haare zu ihrer Reinigung . . 1. 205 erleichtern ihre Bewe- gung durch die Haare . . I. 214 Intereiltae 1 02 ur NETT AZ Involucrum crinis MEN. 192 Jugendhaare IE. 72 Julus 11. 44 K. Kämmen, electrische Erschei- nungen dabey . - . U. 163 Kahlkopf, Untersuchung der selben BAyTı RREST.E> 7 angeborner der Mykonier 11. 94 Kahlwerden beginnt vom Scheit. II. 7 der Weiber 1778 Kakerlaken . : 11. 303 Kalmucken,, ihre Haare 11,291 Kamtschadalen, ihre Haare Il. — Kanal des Haars . TER 31 - der Thierhaare . . .]1, 189 Kaschemir, Haare der dortigen Einwohner 221190 Katzen bedürfen N Knebel. bartes zum Mäusefangen . TI. 206 Kenlenförmige Haare Bu a 11 Kiel der Feder . . . 12.132 Kindbett macht Ausfallen en Haare Kan . 11. 264 Klima, dessen Einfluss auf A Thierhaare . , 1.1.85 Klima auf die Merschwuklre il, 86 Knebelbart N) 4u 455 Ss ya og Thl, Seit. Knebelbärte der Thiere 41.185 Knöchelhaare va Knötchen der eh Saae 1.156 Knotenhaare ee al) Körper, gelatinöser das N balgsean 7, Heu ton 08 - konischer der Tasthaare I. 188 Körperhaare dienen auch zum Gefühl . 1.0208 Koltun . 11.391 Kopflörmige Te BR PL; Kopfgrind, Heilmethode 211.275 Kopfhaare en: . II 40 Kräuselung der Haare 2.114753 Ursachen 5 2.11,13% Kräuteröl zum Haarwuchs . . 11.285 Kraft, haarbildende . . 11.101 Krankheiten der Thierhaare . I, 219 - der Pflanzenhaare .1. 48 = der Menschenhaare . 11.216 Krankheitsanlage, durch die Haare angezeigt 11.221 Krauen der Haare 21.163 -3f macht, Schlaf .... . 11.154 Krause Haare, krankhafte . 11.378 - in physiognomi- scher Hinsicht IT. 204 Thierhaare LE TTE7LE Küchensalz als Psilothrum 11. 243 Kukukshaare in seinem Magen 1, 222 Kurze Haare in physiognomı- scher Bedeutung 11. 204 L. Länge der Menschenhaare . II. 34 richtet sich nach der Mutter 5 . 11.132 bestimrate des Rang . 11.173 Läusesucht . . 11.162 Lanugo infantum Sale 74 - . 11. 46 puberum LIE 73 Lappen, ihre Haare SLINRgO Lapsus pilorum 11.252 Leben der Haare . . 11.123 Haarzwiebel . 11.118 456 Batesue Thl, Seit. Leben des Haarschaftes . en Haarbalges In Einfluss derselben . 1.488. Lebensprocess der Haare Leidenschaften, ihr Einfluss auf die Haare . . Lebensart, auf die Haare . , Leptotrichia Leucaethiopen, Gh aene Bei standtheile ihrer Haare . II. 69 Leucaethiops 1I. 303 Leuchten der Haare I. - - . 11.153 beucopathie x - 1... 94,.01.114303 der Thiere ',. ..., "1143072 - unvollkommene . 11. 505 Leucotici . 11.304 Licht, wirkt äurch a Hate auf uns . 11.155 Liger . 11.252 Liparotrichia ; . 11. 358 Literatur der Pflanzenhaare . I. 58 = - Thierhaare . „IL. 223 - Menschenhaare 11.416 Lockenhaare a l,ockenkopf, hr R 11.372 M. Macassaröl . 11.385 Madarosis 8 . 11.253 Madesıs na. 2% ‚1 Madagasser , ihre Haare .T92 Mähnen der Thiere . . . . I 72 Malayen, ihre Haare Il. 94 Maldivier, ihre Haare Il. 90 Malpigh’sche Haare . . . 1. 16 Mangel an Haaren . . . .L 24 Mannweiber, ihre llaare 11. 195 Marksubstanz der Haare 11.26 ihre Vitalität . 112119 der Haarzwiebel . Il. 14 Beder. 2 2.1.2. 1.0454 'Uhierhaare . 1.68. 186 Masern, Haare auf denselben I. 58 Materie, woraus das Haar ent- steht OS, 89 Ss t e 1% Thl. Seit. Mauser der Vögel . L .....1.83 - ihr Einfluss auf den Le-- bensprocess ,., „enlarge, 188 Medulla pili un... : mel 228 Meerball . „11.408 Menge der Thierhaare . . . 1. 75 Menge der Menschenhaare ist verschieden nach dem Alter und der‘/Barbe‘,.... .-ı.. Musa Menschen behaarte 9 SG Menschenhaare. Begriff derselben 4 SEA 3 - Härte derselben ENG - Elastieität .1. — Biegsamikeisı.. ... 1 Sol 2 len - sind idioelectrisch I1.4u.152 . I1.4u.153 sind für das galvanısche - leuchten Fluidum isolirende, stö- rende Substanzen . 11.5 - sind hygrometrisch . . 11. 5 - sind unverweslich BE. 26 - Organisatidh derselben . 11. 7 Balg oder Kapsel . .I. — - Wurzel oder Zwiebel II. 10 - Schaft oder Cylinder 11. 19 - ihre Rindensubstanz . If. 22 sind nicht ästig 11. 24 haben Schuppen II. 25 - sind fettig Il, 26 ihre innere oder Mark- substanz . Sys enthalten keine ölartigen Flüssigkeiten im freyen Zu- stande . . 11. 30 - sind zellig .1l. — ihre Figur 1197 - ıhr Vorkommen . 11.054 - ıhre Länge .Il — - Biegsamkeit 2 = ch Rauhlheit .1. — - - Dicke .Ii. — - = Stärke . 11. 50 Elasticität 11.251 Glanz A DB 5 Krausheit > 11..,55 R een Thl. Seit. Menschenhaare. Ihre Menge. ihr Gewicht . 577 ihre Farbe DIR — ihre chem. Eigenschaften li, 61 Destillation und Kochen derselben . . II 61, 62, 63 Asche derselben . 11.62,63, 65 ihre re mit I, 68 Säuren. .%, ihre Behandlung mit Al- calien : Il. — ihre Ben da mit sie- dendem Alcohol . 1. — ihr Verbrennen 11. 69 ihre Verschiedenheit nach dem Alter 11,570 'entstehen im Ehen A. ter noch frisch . 11, 77 ihre Verschiedenheit nach dem Geschlechte II. 79 ihre Verschiedenheit nach dem Temperament . il. 82 ihre Verschiedenheit nach der Constitution „112 83 ihre Verschiedenheit nach der Lebensart Aa ihre Verschiedenheit nach Klima und Nationen „IL. 86 Materie, aus der sie ent- stehen 3 11.98 ihr Lebensprocess . . 11.115 gleichen den Ptlanzen . 11.117 ihr Wachsthum 211.123 gerade und krause 211: 132 weiche, biegsame, dicke etc. II. 135 Farbe, ihre Ursachen , 11,136 ihr Erbleichen . . 11, 145 - saugen verschiedene Stoffe ein SU 1U48 sind Respirationsor- gane . 11.151, 215 dünsten Stoffe aus - . 11,155 dienen zur Reinigung der Säfte “11.157 ersetzen die Nierenfunc- tion . 11.158 3 Tusches 457 Thl. Seit. Emier Ar 1I. 541 Menschenhaare sollen durch- . 11.156. 158 zur electrischen . 11.165 ihre besondern Verrich- © 11, löchert seyn dienen Spannung . inngen. , ..i,, > — dienen zur Bedeokung und Schutz . „ . 11,166 sind eine Zierde des Körpers . 11.169 wurden den Göttern ge- weiht - 11.179 bey Trauerfällen abge- 21121704122 wurden zur Strafe abge- schnitten . . 11.171— 176 leiten das Gefühl . . 11.190 ihre physiognomische Be- 211.196 viele und kurze deuten . 11.200 ihr starker Wuchs deutet meist auf Geistesschwäche II. 201 lange, in phy- siognomischer Bedeutung 11.204 schnitten deutung auf körperliche Stärke kurze, sind manchmal an der rechten Körperhälfte stär- ker entwickelt 112209 ihr Verhältniss zur Fäul- niss des Körpers 11.240 als Theile des Hautskeletts 11 212 im Handel BE dienen als Dünger 11.213 - zur Verfertigung des 5 PARSE bilden sich ii ae Ke- gelform ER sind nicht so stark ver- breitet als Thier- und Pflanzenhaare a I ie ihre Krankheiten . 7112246 ihre diagnostiche Würde 11.219 ihre Ueberzahl frühe Entwickelung und zu . 11.229 ihre mangelhafte Entwicke- lung SLES2UN 9 a R e 458 5 1 Thl. Seit. Menschenhaare, Entzündung ıh- res Zwiebelbalges . 11.249 - ihre Atrophie AT 25 - ihr Ausfallen 10252 - ihre Weissucht . 11.303 - ihr krankhaftes Ergrauen 11. 313 -sblaue , : ; 11.336 - grüne . Wie" .1. — - ihr Berganstehen . . 11.372 - Verletzungen derselben . 11.373 - ihre Spaltung . .1. — - - Dünnheit, abnorme 11.376 . - Borstenkrankheit - 11. — - - Auswüchse . . 11.378 - - Krankhafıe Krausse II. — = - Schlaffheit II. — - Richtung abnorme 11.279 - . Verwirrtseyn . . 11.380 - - abnorme Bildung , 11.389 Menstruation im Verhältniss zu den Haaren 11.222 Mestizen, deren Haare ll. 95 Metallfedern 14134 Metasyneritica ; 119294 Mexicaner, ihre Haare I. 95 Milbenkrankheit - 1. 374 Milchhaar N al 7 Mittel für den Haarwuchs 11.277 Mohren, bunte 11. 306 - weisse . ; 202053110305 Molluken, Haare ihrer Be- wohner . Ar ken DA LeTO) Mongolen sind fası bartlos II. 88 - ihre Haare l . 1 94 Mucrones der Zoophyten 1. 106 Mulatten, ihre Haare 110093 Mumienhaare NT) N, Nabel, oberer der Feder 1.0132 - unterer der Feder , Sa Nachtmenschen . 21. 304 Nähte der Thiere . Br 72 Nahrungsweise, ihr Einfluss auf die Haare . hen) Narbenhaare 1.39 Sn ae Thl. Seit. Nasenhaare . SR - ihr Zweck . 11.192 fehlen den Weibern . „Il. 82 Nationalverschiedenheiten der Menschenhaare , 11.286 Nebenstrahlen . . . . u 113 Negerhaare . II. 87 u.92 Neger, gelleckie . 5 . 11.306 Nerven des Haarbalges . „E16 Nordamerikaner, ihre Haare . Il. 92 Nordeuropäer, ihre Haare . Il. 96 Nymphomanie hatte Einfluss auf die Haare . 11.159 0. R Oberhaut, ihr Verhältniss zum Haarschaft 112520 Oel der Menschenhaare II. 65. 65. 69 - findet sich im freyen Zu- stande nicht . Il. 30. 142 Ohrenhaare . IN 793 - ihr Zweck 11. 192 Oligotrichia . 11.244 Ophiasis . ; . 1.253 Opistophalacrosis A 3. 11a Organisation der Haare „ol. Be07 Ösagen, deren Haare 11.793 P. Pappus ; . 21. 4% Papuas, ihre Haare . . . 11. 9 Paronides, 08 11. 41 Patagonen, ihre Haare 1l. 93 Pathologie der Thierhaare 1. 219 Pelade TE N. 11. 257 Peromata, Haare derselben . I. 56 Perser, ihre Haare sl, 298 ihre Perrücken . . 1.415 Pflanzenartige Natur der Haare 11. 117 Pflanzenhaare . en u) - Gefässe derselben . an: 2 - Ursprung. FIG einfache Alu pers: Zwiebel - le 15.56 werden in einem Ge R‚eige Thl. Seit. schlechte von einerley Art gefunden sah. I. Pfilanzenhaare finden sich fast bey allen Pflanzen und an allen Theilen derselben . I. - soan den Wurzeln . - = = - Stengeln und 3% SD: Organen der In- Aestenie Son - so an den Blättern florescenz und Befruchtung I. soanden Früchten .„ .]. die der Narbe sind immer walzenformig 4. « awesi kommen an einer Pflanze in verschiedenen Arten vor |, sind um so häufiger, je jünger die Pflanzen sind I, - erscheinen nie erst ımAl- ter der Pflanze . . . wachsen häufiger ın rau- hem Klima und auf ma- germ Boden, als in frucht- barer Erde, oder unter einem milden Himmelsstriche . |]. haben eine verschiedene, doch meist weisse Farbe |. - Durchmesser derselben „, physiologische Bemerkun- gen über dieselben. . .1. ihr physiologischer Zweck liegt noch sehr im Dunkeln I. gehören zu den einfach- sten Gebilden, und stehen auf der niedrigsten Stufe der Organisation . mit Zwiebeln und War- zen, kommen den Thier- haaren am nächsten . .]. - ihr Wachsihum beginnt vom Grunde era e ihr Wachsthum steht mit dem der Pflanaen in ge- nauer Verbindung . . . 1. gehen manchmal in Bor- sten und Stacheln über . |]. 1.80: 19 oO IV 459 Thl. Seit. Pflanzenhaare werden nicht grau Il. 35 ihre Hauptverrichtungen Il. — saugen Flüssigkeiten aus der Luft, Erde und dem Wasser an 4 lt. "eralk 55 dass sie einsangen, wird durch die Geometrie be- M. vorzüglich die Leyellör. 35 W iesen migen saugen einen. 7.2 Art, gung von Staiten geht . 1. wie ihre Einsau- 38 schützen gegen das Sou- nenlicht, und hindern so die Nordünsbnde b rl. ihre Einsaugung here bloss auf der Kraft der Ca- tk sondern eigene Stoffe aus I. 59 .1.40— 44 ihr Aussonderungsstoff pillarität IN N De Beweise dafür . . wirkt wie der thierische Speichelt, me viel. na I. ihre Menge steht mit je- ner der Spaltöffnungen im umgekehrten Verhältniss mit Querwänden sondern aus, die ohne Querwände Saugen.eın" ; won na derselben dienen andere einige zar Einsaugung, zur Absonderung . . ihre Nebenverrichtungen dienen zum Schutz und zur Bedeckung gegen die Kälte, sere Feuchtigkeit . . .1. Wärme und äus- unterstützen das Befruch- tungsgeschäft . De Rn vermitteln eine genauere Berührung . SIT. erhöhen die Ziende ae Ptlanze . Da. 0 6 RENTE krankh, Verhalten derselb. 1. krankhafte tung überhaupt . ihre Ausar- 460 Bares a Thl. Seit. Pflanzenhaare. Ihre Bildung auf Afterorganisationen NE der Zapfenrose . 255 der Verkrüpplungen (p e- romata). . 12256 der Fleischzapfen . . . I. — - der Sackgeschwülste .l — auf den Fleichgewächsen I. 57 Ne - Gallen . .Il. — - - WER Masern „1.58 Pflaster zum Vertilgen der Milchhaare 127 Pflege der Haare . .1m278 Pfriemenborsten : lenee Pfriemenförmige aussondernde Haare 116 Phalacrosis . . 11.253 Physiologie d. Merschänkiesee 11. 96 - der Pflanzenhaare . 129 - = Thierhaare . 21192 Physiognomische Bedeutung der Haare . 0.011.196 Pigment, krankhafte ee derung desselben . 11.305 - ÜUeberschuss desselben 11. 335 Pila:marınaB an IRB - stagnalis .m1. — Pili . 1I. 45 arachnosdeı le - articulati 1210 bulbosi Ba IN 1500) - capitati Sole 15 clavaii Ra congeniti le R72 crispi el) ceupulatı 3L0415 - eylindrici . A Ra 0) - deniatı . A) ei! - excretorii Sn le‘ - falcatı ag - JSasciculati Be lat fıliformes NEE) frondosi Nun ana 12, furcatı Se - Tfusiformes Pa Re ganglionii En Thl. Seit. Pili geniculati m 18 10 - glanduliferi A lie; hamatı Bo) Na YET - hamoso- dentati . .Jl. — Malpighiacei N: 16 - moniliformes . a - .nodosi 20.010 pennat) Au RR: (5 phalangiformes ed polycephalı : Tau al - postgeniti . ...N72 - ramosi Ba un le - redunci . eg - secundati Fe ln | serrati le 12 - subalares . 11. 45 - subulatı a stellati 1572 - torulosı Fe) | valvulatı .l. — - verrucati BEN Le 172 Platte Haare . ng - - kommen selten al- lein vor . 1. 180 Plantanımales . 11.117 Plica polonica . . 11.341 Pogoniasis . 11.229 Poliosis . 11.315 Pomaten . . 11.280 eigene . . 11. 284 vonJahn . 11.285 = - HKirzunat zu: . 11.286 A - Schmidel . 11. 288 x - Trommsdorff II. 283. 286 - Ulmenknospen . . 11.284 Psilosis . 11. 252 Psilothra . 11.238 Prilogenesis . 11. 248 Pubes . 12.45 Puberale .iL — Pueri barbatı . . 11. 235 Pueri pyrenaicıi .L 86 Pulpus pili . 12186 R. Radıı der Zoophyten to) var 6 Rees ı Thl. Seit. Radıı der Federn. 21135 Radıx pili >11. 40 Rankenhaare der Z.oophaßen 124091: 105 Rasieren des Bartes . . II. 188 - verschiedener Völker . 11.179 dessen Einfluss “2395 Rasierlaschen au # 2471.24 Rauhes Haar II. 48. 49 Rauhigkeit der Thierhaare . I. 71 Baupenkaare, meh ar s-insi2uR 198 Rehhaare T. 182. 183 Rihachis J.. 135 Rhopalosis . . 11.341 Richtung der Haare b. Fötus II. 54 der Thierhaare:. .. . .1l. 72 abnorme . 11. 379 Rindensubstanz der Haarzwiebel II. 14 - der Menschenhaare 11. 22 = der Thierhaare I. 68. 188 = wird vor dem Mark gebildet 11.1410 = stimmt mit der Öber- haut überein .I1I. 23 Ring des Kiels . a Ka 23° Robben, ihre Rarthaare . . I. 205 Rosenkranzhaare ee ee ln Rothe Haare, Analyse dere 11. 63.64 B waren verhasst . . 11.176 werden geliebt 3177 = - bestimmten z. Tode 11.176 - - ihre physiognomische Bedeutung . . 11.206 Rückenseite des Menschen, ihre Behaarung elle 31 Rusma 2 . 11.239 dessen Eebiik ch 1187 Russen, ihre Haare rl eeceh! Ruthe deriBederf: .. . v.%.11133 S. Sackgeschwülste, Haare auf den- selben : I. 56 Sägelörmige Haare Re 12 Säugethiere haben alle ER 14H Samenhaare 1524 461 Thl. Seit. Samojeden, ihre Haare. . . II. 90 Sarcomata, Haare auf densel- hentı..... hs Er 56 Satyrın : 59 Schaft der Feder £ “1. 135 Schamhaare 119573 - als Zierde 1478 - fehlen einigen Weibern II. 90 - fehlen den Thieren . .I. 9% , She Zweck... At a HER - Ssehr. länge. . .- „0% 11. 37 ıhre physiognomische Be- deutung . 110203 - wurden den een ausgerupft 172:210 Scheiteln der Haare . > INGE Schizotrichia 25,3 Schläfenhaarer nei... TREE Schlaffheit, abnorme d.h. . 11.378 Schnauzbärte der Thiere . . 1. 185 Schnurrbart, dessen Zweck . 11. 192 2 als Zierde. . . . 11.180 Schopf I, E97 Schopfhaase u a et 173.41 Schützenborsten . . MASTER AIR Schuppen der Ei nhäare 1l. 25 Schwänze der Thiere . 3172276 Schwärzen der Haare II. 326. 323. 331 11-263 - in physiognomischer Be- Schwarze Haare, Analyse deutung .» „2.1 1 11.207 Schwarzfärben der Haare . 11. 69 Schweden, deren Haare 11.91 Schwefelbalsam gegen Ergrauen 11. 524 Schwören beym Barte . . - 11.179 Schwungfedern . . . 1.131.133 Seele der Feder 1.132 Seidenhaar PER REIT LE Seidenhasre rt Lin Hi 22 162 Seidenfedern 1.2151 Seife, haarvertilgende I. 240 Seitenzahnhaare ala ei Seta der Zoophyten . 1. 101. 105 Setruncatio pilorum . . . . 11.375 Siamesen, deren Haare. . . Il. 90 Sichelborstene ZRH, N a, 462 Raven iv Thl. Seit, Sichelhaare . . . ER Stacheln der Dane I. 5.19 - des Stachelschweines , 1. 172 des Igels 2 UTE - dienen zur Verkkeidigung I 199 Stachelhaare en fal Stärke der N AN . 1]. 50 - richtet sich nach dem In- dividuum N EN RE END Staubfadenhaane u. ars lo Staubhaar al... un RS Stengelhaare SR Sternförmige Haare a Steuerfedern.hı in. Sch nes 1 Strahlen des Federbartes I. 135 Sırahlenschaft der Feder I. — Stricke aus Menschenhaar . . II. 52 Seriepel,; u UN 2 TE Sphaera Thalasıan syn. un. „1, 2218.408 Spina der Zoophyten I. 101. 106 Spinnenwebförmige Haare. . I. 1% Spitzbart‘..0., 3n.chan von ARMEE Spreuarisge Haare . .. .... Bio Sprodes, Haar... .»...,. wars Chiauag Sprödigkeit der Menschenhaare !I. 53 Spule der Feder . «. . .“L..132 Substantia cornea, s. corticalis II. 22 - Sumednllarısı 0... 00012426 Süd-Europäer, ihre Haare .Il. 95 Südländer, ihre Behaarung . II. 87 Supercilia,.,..,. A N DAL 12) Sympathie der Hase al IR Fasıhaare I. 184 der Säugethiere . 1. 185 2 hr Bale.,' u Seh ot AS bey den Raubthieren . I. 206 Tastsinn, vermittelt durch die HaareY 22... 200001703203 Tataren, ihre Haare. . . . 11. 9 Telae der Feder . . . ..1L13 Temperament, Einfluss dessel- ben auf die Haare. . . . II. 82 Teiradistichiasis 1.0.2... 1%. 15405 Textur der Thierhaare . . . 1. 156 t- ri Thl. Seit. Thjerhaare ,,, : in Freu Definition Organisation . Gestalt. . . . u u Fe . F . haben meist eine runde Gestalt ls VW. rm, zusammengedrückte u, platte bey denRobben . . . 1. spirallörm:ge der Seiden- haare h wellenartige der N schuppenförmige mit Widerhaken pfriemenförmige pyramidenförmige . . 3 s . . bl u u u fh je ul . = . . . . . drey- und viereckige . verschiedene Härte und Weichheiti..ı 2 Na ale Glätte Rauhigkeit . | A SER verschiedene und verschiedene Richtung der- selben, Rss a al hängen fast immer abwärts I. laufen auf dem Kopfe strah- lenartig auseinander, wie bey der Chinesermütze 1. gerade und krause el: finden sich vorzüglich an der. Lichtseite I... an allen Oeflnungen des Körpers ER vile fehlen in der Hehihand und dem Plattfus . .J. sind sparsam und fein an den Geschlechtstheilen 1. sınd verschieden nach dem Geschlechie: "nz era häufiger und stärker beym männlichen Geschlechte I, sind verschieden nach dem Alter Me N BR werden gramı ' „#2, au.0, weibliche nehrnen ım hohen Alter chen Charakter an . . I Einfluss des Klima auf dies. I, oft einen männli- Thierhaare Oo sind im Norden dick, rauh und lang, im Süden dünn, fein und kuarzi. SEI. sind auch im hohen Nor- den fein, aber dann zu- gleich dicht und nicht Sprade I. an RA 08, ihre Menge ist im kalten Klima grösser als im warn. ]. ihre Farbe ist im hohen Nor- den mehr oder weniger weiss % , ale ar RRAERATR Einfluss d. Jahresz. auf sie 1. sind im Winter andersalsım Sommer MERERRSHMSSN. ändern ihre Farbe im Som- mer und Winter „ . .I. Einfluss der Lebensart der ihrereraufisie.- es Verschiedenheit derselben bey zahmen und wilden Rhierenay@. nt nl ar Einfluss des Elements, in dem die Thiere leben „ 1, Einfluss der Nahrungsweise auf sie ol. des Wassers auf sie I. Farbe derselben . . „1. - istum so bunter, je nä- her die Thiere der heis- sen Zone leben, und je mehr sie zu Hausthieren umgeschaffen sind .1. Bezeichnung derselben nach den Gegenden . . .1I. chemische Eigensch. ders. I, Verschiedenheit derselben nach der Textur SHE ohne Spur einer Zwiebel 1. mit einer Zwiebel . IE aus einer doppelt. Subst I, mit einer einf, Substanz 1. ganz unbewegliche . „I. bewegliche vi SE; erleichtern das Schwimmen I, bilder sichn, d, Kegelform 1. : N Thl. Seit. 86 88 sat, EW ir. 463 Thierhaare Thl. Seit. - dienen zur Olassıfıcation der Thiere Ua. 5 7 BRRIN2OL - erscheinen hauptsächlich an der Lichtseite. 212215 - ihr specieller Nutzen . I. 195 als Vertheidigungsmittel I. 196 - als Bedeckungsmittel. . I. 195 - dienen zur Zierde . I. 200 - zum Auffassend. Nahr. I, 202 5 - zur Bewegung . 7.240 e - zum Gefühl . . . L 203 erscheinen hauptsächlich bey den Luftthieren . . . I. 216 ıhr Verhalten in Krankh. I. 219 Mignace |... RER San. 72380 Tinea pilorum a a BE cıliorum ten = NITRO Mragr > va. 4 nr PRENITI HZ Transplantatio pilorum . .11.125 PRrichsasisı .. 22 4: +» 115209378 Mrichobolbitis, . #52 1.472 ENT 249 Brehorysituisusinrt, 2 iintehorma:» 4... u nr. MIT. 380 Prichophagent', Du TH, FIMIT, 407 TPrunens pilı- .. .* .„- 24% #712919 Tanneser,, ihre Haare „ . . II. 90 Tubera, Haare auf denselben I. 58 Tungusen, ihre Haare . . . II. 91 sındı fast kahl 27°: a0, 1 Typhöse Fieber, Einfluss auf die#Haare 4 mu var RS TTE 226 yrıat .ı 5 MET 252 198 Ueberzahl an Haaren . . . 11.229 Upvverweslich sind die Haare 11. 6 Ursprüngliche Haare . . . II, 72 V, Vaeına _pılı .» |.» 1 m VRERERENTT 22 Verkrüpplungen der Pflanzen- haare auf denselben . . .L 56 Verjüngung durch die Haare . II, 77 Verletzungen der Haare . . 11.373 Verpflanzung der Haare und Wedern! * 21... VRERCHPE NAT. 125 Vertilgung der Haare . . . 11.243 Verwirrtseyn der Haare . . 11.380 464 RMe gi Thl. Seit. Vexillum der Feder . I. 135 Vibrissaen re 0%, » m. a8 Vielköpfige Haare . a. 05 Virgo barbata Dresdensis .11.. 80 Vitia pilorum . BR . 11.216 Vorkommen der hierhass ARTS W. Wachsen der Haare . 11.123 - der Pflanzenhaare . EN Pa - wie Nägel . I. 416. 118 - nach dem Tode . 11.126 wird befördert durch die Luft 4122195 Wahnsinnige haben hen gel. be oder rothe Haare Walzenförmige Haare . . .L Wansen i 11. 44 Warzenhaare . . A Bun ae 172 Wasser, sein er auf die a DR Er A, [2 61.6070) Weberschiffchenhaare . . .L 16 Weiber ohne Schamhaare . II. 90 kahlköpfige 2 . 11.264 ihre Behaarung 2118209 Weiches Haar . 11. 48 Weichheit der ST ON A N En] - ihre Ürsachenw.r nu el 155 Weichselzopf . 11.340 - dessen Benennung 11, 341 - Vaterland . 11.342 - erste Entstehung . . 11.343 wahrer und falscher . 11. 345 - kritischer li - Symptomatologie . SA durch Ansteckung . . 11.347 Beschaffenheit der Haare dabey . .oI. — trockener . . . 11.348 männlicher und weiblicher 11. — blutender . . 11.349 dessennsntzins. rein. ch 0.411550 Beschaffenheit der Nägel dabey . 11.352 zweytes Stadium . UI, 353 dessen Erkenntniss . 11.354 Aetiologie . 11.355 SWL oe.) 9B Thl. Seit. ee Ansteckbarkeit II. 360 Vorhersage . . . 11.361 - Behandlung . . 11.302 - Abschneiden . . . .1.366 - Einimpfen . 11. 367 - Verhütung . 11.368 - der Thiere . . . 11.369 - Untersuchung der Haare 11.370 Weisse Haare, Analyse . . II. 64 Weissfärbende Mittel 4.327 Weisssüchtige . . 11.305 Wwiderhaken 21. 1%, eg Wiederanwachsen ausgerissener Haare . 11.125 Wimperhaare 1417.18 Wimpern der Thiere „ . .I. 94 Wirbel des Haares 172.44 Wolle s I. 17. 160 Wollhaare . . 1.159 II. 46. 47 Zeit ihrer Entstehung . 11. 70 Wolliges Haar der Südländer II. 87 Wurf der Haare . 11.208 Wurzel des Tasthaars . . .1. 67 Wurzelhaare . a a RA) - saugen besonders ein . 1. 33. 33 X Xerotrichia . . 11.338 Xylomen, Haare aufihnen .I, 54 2. Zapfenrose, Haare auf denselb. I. 55 Zellen des Menschenhaars . . II, 30 Zöple der Thiere . 1.272 Zoophyten, bewegen sich Fa ihre Haare u a2 Zotten a Zusammengesetzte Ha 2 Zwischenknopfhaare . 2103 Zwischenwandhaare . . „ .L — Zwiebel der Pflanzenhaare . 1]. 5. 6 der Thierhaare , >72,5167 - der Tasthaare .L- der Menschenhaare 1.210 - ihre Nerven und Gefässe II. 18 Zwiebelborstenii) 724... Nu sank nd Druckfehler % d zwserytensBantdie)s. Zeile 26 von oben 62 9:00 97,10% BNUN. K0% ı von unten DIN U statt tetegimus Ochsens Schaftheil Haarmasse zdern“ cincinei lese man tetigimus Ochsen Schafttheil Hornmasse eogerpa eincinni v. w nach diese setze letztere. ı4 v. 0, nach aemulum setze 23. 0: Mundwinkeln 20 V 0 erstere ia. vv. u seinen DEuys u8 pilis 25 v. o. ist a) auszustreichen, Tale va 0% in IE Ve 210: pilos TBRLV. 10% fuliginosas 12. 1y. 0% specifica os v..103 Spigelius r v osnstletztern zu Streicher 10..v: 0% welchen 9“ u einem ı v. o. streiche zu aus, 7 0 den ZI EN. ON einen 17 v.-0 cantharas 20092 770% auf 22) 592 0% Kurzen I ya 10% alvi fluxa sap. RE SV, 10% letztern NER 208 das u yo US Rescinae Gyev. us qui LAN Weissichtige 3 AV. us Archivis I Na hythargyri Bayer nus aquasas 8... der - N .J schwarze continet. 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