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W. Engelhardt.

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Teipeig, Verlag von Guſtav Mayer.

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Verbindung mit Sauerſtoff zu atmoſphäriſcher Luft .. o A ERREN TE F 1 Der Boden, auf welchem die Pflanzen Backer Sl Disks or JC ²˙:mA 1 Phosphor und deſſen Verbindung mit Sauerſtoff zu Phosphorſäure WT r ˙ ˙õr . nn el CCC r ˙²˙—i d SNTEN 1 CFF Kieſelerde (Riefelfäure „„ ͤ ee ĩ⅛ X .

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Die Nahrungsfrage ift eine wichtige für alle Staaten, fie erhält jeit mehreren Jahren und bis zum Augenblicke alle Ge— müther in Spannung. Niemanden ſchließt ſie aus, Jedermann, ſo hoch er auch ſtehen, ſo reichlich er auch mit irdiſchen Gütern geſegnet ſein mag, wird in ihren Kreis gezogen.

Blaſſe Geſtalten wanken mit Bittgeſuchen zu den Thronen, Linderung ſuchend gegen den ſchmerzerregenden Hunger. Bitt— ſchriften überſchwemmen die grünen Tafeln der Staatsregierungen und Ständekammern. Dringender und dringender werden die Anforderungen an die Armen- und Almoſen-Caſſen. Staatsdiener, reiche Bürger und Gutsbeſitzer werden von einer Menge von Bettlern heimgeſucht. Nicht verfchont bleibt der Bauer und der kleine Gewerbsmann in den Städten, welchem es in ſolchen Zei— ten oft ſelbſt an Mitteln fehlt, um die theuern Lebensmittel für ſich und ſeine Kinder zu erſchwingen.

Die Nahrungsfrage iſt die Frage der Zeit. Alles trachtet, denkt und ſinnt wie ſie zu löſen ſei. Man gründet Vereine zur billigern Herbeiſchaffung von Getreide; man errichtet Speiſe— anſtalten für die Armen; man fteigert die Abgaben, um die er— ſchöpften Armen- und Almoſen-Caſſen zu kräftigen; man baut Getreide-Speicher und räth den Anbau anderer Brodfrüchte an. Kurzum, man greift zu Allem, um die Noth der Armen zu lindern und die Hungernden zu ſättigen; überzeugt ſich aber bald: daß man mit dem bis jetzt Erfaßten das Rechte nicht ergriffen habe.

Wo Abhülfe geſchehen ſoll, da muß man den Grund des Uebels genau erforſcht, da muß man letzteres genau erkannt haben.

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 1

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Gehen wir mehrere Decennien zurück, ſo ſehen wir recht deutlich, wie die Ausbildung unſerer Staaten gewachſen und wie mit der— ſelben die Bevölkerung im Steigen begriffen iſt. Für eine geſteigerte Bevölkerung iſt aber auch eine bei weitem größere Quantität von Lebensmitteln erforderlich, welche der Menſch lediglich und allein durch die Pflanzen und, entweder unmittelbar oder mittelbar, durch die Thiere empfängt. Alle Getreidearten, vom Hafer bis zum Weizen, vom Reiſe bis zum Maiſe, von der Erbſe bis zur Linſe, enthalten nämlich in ihren Körnern, wie die Kartoffeln in ihren Knollen, zwei Gruppen organiſcher Stoffe; die eine, aus Kohlenſtoff und den Elementen des Waſſers beſtehend, erſcheint als Stärkemehl, Gummi, Zucker, Fett; die andere, der außer jenen noch Stickſtoff und eine Kleinigkeit Schwefel beigemiſcht iſt, enthält den Käſe⸗ den Eiweiß- und Faſerſtoff des Fleiſches. Außer— dem ſind noch anorganiſche Beſtandtheile in dem Getreideſaamen enthalten, z. B. Kalk- Bitter» und Kieſelerde, Kali und Natron, Eiſen, Mangan, Chlor und Fluor, Phosphor- und Schwefel- ſäure. Die Körper der erſten Gruppe verſehen den Menſchenleib mit der ſo nöthigen Wärme, wogegen die ſtickſtoffhaltigen durch die Blutbildung die Muskeln und das Fleiſch hervorrufen.

Mit einer vermehrten Bevölkerung muß die Beſchaffung von Stärkemehl, Gummi, Zucker, Fett, von Käſeſtoff, Eiweiß und Faſerſtoff wachſen und da wir eine vermehrte Quantität dieſer Stoffe nur durch unſere Brodfrüchte und Gräſer erlangen können, ſo müſſen zu deren Anbau entweder größere Flächen urbar, oder die bereits angebauten ergiebiger gemacht werden, oder mit andern Worten, es muß die Landwirthſchaft vervollkommnet werden.

Hier wäre nun zunächſt die Frage zu beantworten: hat die Vervollkommnung unſerer Landwirthſchaft mit der ſteigenden Be— völkerung gleichen Schritt gehalten? Im Allgemeinen müſſen wir dieſelbe mit Nein beantworten, denn wenn dies auch in England der Fall war, wo im Augenblicke 7 Millionen Menſchen mehr mit vortrefflichem Weizen verſorgt werden, als vor 40 Jahren, ſo ſtehen andere Staaten doch noch weit hinter dieſen glänzenden Er— gebniſſen, und wären die Kornkammern Rußlands, Aegyptens und Amerikas nicht, dann würde es wohl ſchlimm genug ausſehen.

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Zwar iſt nicht zu verkennen: daß in den letzt verfloſſenen Decen— nien viel für die Landwirthſchaft geſchah, doch ging dies, mit Aus— nahme verſchiedener Staaten, mehr von größern Grundbeſitzern aus; der Bauer in den meiſten Ländern blieb ee noch auf der alten Culturſtufe ſtehen.

Wenn wir nun an dem Beiſpiele Englands a wie außer⸗ ordentlich ſich dort die Induſtrie zugleich mit der Vervollkommnung der Landwirthſchaft hob, dann ſollte keine Staatsregierung ver— ſäumen, dieſem wichtigſten aller Verwaltungszweige die vollſte Aufmerkſamkeit zu Theil werden zu laſſen. Wie ungemein viel ge— ſchah in Deutſchland ſchon für verbeſſerte Schuleinrichtungen, in welcher Schnelligkeit wuchſen die Gewerbſchulen heran! wie ver— einzelt ſtehen aber heute 2500 die überaus wichtigen Ackerbau— ſchulen da!

Ein Staat, der ſeine ee Armen ſättigen, 10 ver⸗ mehrte Muskelkräfte für Induſtrie und Gewerbe ſchaffen will, ſehe

daher vor Allem darauf: daß den in ſeinem Gebiete gezogenen Brodpflanzen auch ihre Nahrung richtig gereicht werde. Da die Pflanzenernährung billig zu ſtehen kommt, indem die Natur die meiſten Nahrungsmittel umſonſt ſpendet, ſo iſt dieſer Zweck leicht zu erreichen und die Mittel und Wege liegen nahe, um den Hunger des Armen zu ſtillen und dadurch die Almoſenpflege und Armen— ſteuer auf das alte Verhältniß zurückzuführen und die Staaten vor außerordentlichen Ausgaben zu ſchützen, die doch größten— theils wieder auf den Grundbeſtitz zurückfallen.

Die Pflanze, die ihr Stärkemehl, ihren Zucker, ihr Gummi, ihr Fett aus dem Sauerſtoff und Waſſerſtoff des Waſſers, ihren Kohlenſtoff aus der Kohlenſäure der Luft bezieht und damit jene Körper bildet, legt noch Ammoniak aus der Luft oder aus dem im Boden befindlichen Miſte zu und bildet Eiweiß, Käſe- und Faſerſtoff; enthält nun der Boden zugleich noch Kalk- Bitter- und Kieſelerde, Kali und Natron, Eiſenoxydul, Manganoıydul, Chlor, Fluor, Phosphorſäure und Schwefelſäure, dann ſpendet ſie in üppigſter Fülle eine Unzahl vollkommenſter Früchte, wenn zugleich noch kohlenſtoffhaltige Verbindungen z. B. vermodertes Holz, Stroh, Schilf, Humus im Boden vorhanden ſind, und

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ihr durch ſorgſame Bepflügung, Beeggung und Behackung ein recht weiches Bette hergeſtellt wurde. Letzteres lieben die Brod— früchte vor Allem, ſie richten ſich mit ihren Wurzeln nicht allein ganz bequem in einem ſolchen ein, die lauen feuchten Winde der Atmoſphäre, der Regen und Thau tragen auch eine Menge von Pflanzennahrungsmitteln in die vielen durch ſorgfältige Auf— lockerung entſtandenen Höhlungen des Bodens hinein.

Da demnach die Pflanzen ihren Bedarf an Sauerſtoff und Waſſerſtoff aus dem Waſſer, einen Theil ihres Kohlenſtoffs und Stickſtoffs aus der Luft, ihre feſten Beſtandtheile aber aus dem Boden nehmen, ſo bleiben für die eigentliche Bedüngung nur noch kohlenſtoffhaltige Materialien, welche ſich durch Sauerſtoff leicht in Kohlenſäure umwandeln laſſen, ſo wie Phosphorſäure und Stickſtoffverbindungen übrig. Im Urine, den feſten Exkrementen, den Knochen und in allen thieriſchen Abfällen finden ſich letztere in reichlichen Mengen und ſie ſind es eigentlich, welche wir ganz be— ſonders als die kräftigen Pflanzennahrungsmittel ins Auge zu faſſen haben.

Müſſen wir aber nicht zurückſchrecken, wenn wir um uns blicken und ſehen, wie mit denſelben umgegangen, wie dieſe Stoffe, die ſo wichtig wie unſer tägliches Brod ſind, in jeglicher Art und Weiſe vernachläſſigt, ja vernichtet werden? Nur ſelten bemüht man ſich, den menſchlichen Harn aufzufangen, man iſt dagegen froh, wenn ein Bach in der Nähe iſt, wohinein man die Nacht— geſchirre ausgießen, die Abtrittsſchläuche ausmünden laſſen kann. Außerdem giebt man dieſe wichtigen Pflanzennahrungsmittel auch dem Regen, dem Winde und Wetter preis, damit die aufgelöſten phosphorſauren und ſtickſtoffhaltigen Salze in das Waſſer ab— fließen, das Ammoniak und die Kohlenſäure ſich aber in den Winden zerſtreuen können! Auf dieſe Weiſe wird den Fiſchen zur Beute, was dem hungernden Menſchen zur Nahrung dienen ſollte, und überdies trägt letzterem der Wind noch Stickgas und 1 zu, die ſein Leben vergiften.

Unſere Miſtſtätten, die wir mit Gold einfaſſen ſollten, denn das dazu Verwandte würde ſich durch einen vermehrten Pflanzen— wuchs in einer Generation bezahlen, liegen zum größten Theile

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noch auf lockerem Boden, dem Winde, dem Regen, ja oft ſogar den Wellen ausgeſetzt; das Waſſer wäſcht die meiſten guten Be— ſtandtheile aus, die Luft zerſtört die andern und oft verbleibt für die Felder nur der ſchlechtere Reſt.

Auf dieſe Weiſe geht dem Nationalvermögen jährlich ein nicht zu berechnendes Kapital verloren und der Menſch darbt, kümmert und ſorgt ſich ab, während, wenn auf die Erhaltung die— ſer Stoffe geſehen würde, er mit zahlreicher Familie vergnügte und frohe Tage verleben könnte. Werden daher die Düngſtoffe zu Rathe gehalten, dann werden, ohne daß man die ſeit Jahrhunderten durch unſern Miſt, durch unſern Harn an die trockenen Geſtade von Peru und Chili geführten und dort aufgeſpeicherten Phosphorſäure- und Ammoniak-Salze (Guano) mit Aufwand ſehr bedeutender Geld— mittel wieder herüberſchafft, die im Augenblicke der Bebauung unterſtellten Feldflächen ſelbſt für eine doppelt geſteigerte Bevöl— kerung Nahrungsmittel in Hülle und Fülle hervorbringen und wir der Sorge und Kümmerniſſe, wie und auf welche Weiſe die hungernden Armen erhalten werden ſollen, nach und nach los werden.

Die Pflanze, die zu ihrem Wachsthume, zur Gewinnung und Löſung ihrer Nahrungsmittel eine ſehr bedeutende Menge von Waſſer nöthig hat, gedeiht nur in einer ſolchen Gegend, wo das— ſelbe in ausreichender Menge vorhanden iſt. Die Zuführung des— ſelben geſchieht nun nicht allein durch den Regen, ſondern im größern Verhältniſſe durch den Thau. Thau fällt nur da, wo Luftfeuchtigkeit vorhanden iſt. Bei bedeutender Sonnenwärme er— hält ſich letztere aber nur da, wo ein ſtarkes pflanzliches Leben ſtattfindet. Große Waldflächen find daher nicht allein die Samm— ler, ſondern auch die Erhalter der Luftfeuchtigkeit und eines milden Klimas. Werden Waldungen für eine ſteigende Bevölkerung ge— lichtet, oder geht man gar an die Devaſtirung derſelben, ſo wirkt dies außerordentlich ungünſtig auf die Fruchtbarkeit großer Land— bezirke ein und die Bevölkerung, in größte Noth und Armuth ver— ſinkend, ſteigt herab von ihrer Culturſtufe und verſchwindet endlich bis auf ein Minimum.

Die hauptſächlichſte Beſtimmung der Pflanzenblätter beſteht

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nämlich, neben der Aufſaugung von Kohlenſäure und Ammoniak, in der Aufnahme von Waſſer. Ein Beiſpiel wird deutlich machen wie bedeutend die Aufſaugung iſt, welche die Pflanze in einer Nacht zu bewirken vermag. Auf der Inſel Madagaskar wächſt eine Pflanze, der Kannenträger genannt. Dieſelbe nimmt durch ihre Blätter nicht allein große Quantitäten Waſſer ein, ſie ſpeichert auch noch Vorräthe deſſelben auf. In förmlichen Behältern, die am äußerſten Ende der Blätter angebracht ſind, ſammelt ſich das Waſſer, welches die Pflanze aus der Luft aufgeſogen hat. Die Mittelrippe jedes Blattes geht über die Spitze deſſelben heraus, dreht ſich dann wie eine Ranke und endet in einem urnenförmigen, faſt 3 Zoll langen lederartigen Schlauche, deſſen Oeffnung durch einen beweglichen Deckel geſchloſſen iſt. Dieſer Deckel iſt während der Nacht zu und es füllen ſich nun durch die wäßrigen Nieder— ſchläge die Urnen und Kannen mit klarem gutem Trinkwaſſer. Gegen 10 Uhr des Morgens hebt ſich der Deckel ein wenig und die Flüſſigkeit vermindert ſich um die Hälfte, indem ſie theils in die Atmoſphäre als Dunſt tritt, theils in die Pflanzen eingeht. Die— ſes Waſſer dient den Reiſenden in jenen heißen Gegenden zur Er— friſchung und 6 bis 8 ſolcher Kannen ſollen ausreichend ſein, um den Durſt eines Menſchen zu ſtillen. Was in einer einzigen Nacht daher für eine Quantität von Waſſer aus der Atmoſphäre nieder- geſchlagen werden könne, wenn die Bodenfläche mit Bäumen be— deckt iſt, können wir uns aus dieſem Beiſpiele entnehmen. Die hohen Staatsregierungen müſſen daher, um die Fruchtbarkeit ihrer Länder zu erhalten, ganz beſonders für eine gute Waldcultur Sorge tragen und zwei Gegenſtände wären es alſo, die bei der Ernährung der Pflanzen ganz beſonders den Staatsbehörden zur Ueberwachung zu empfehlen ſind, nämlich die Zurathehaltung der menſchlichen und thieriſchen Exkremente, die Abfälle an Knochen, Haaren, Horn u. ſ. w., und zweitens die Pflege und e der Waldungen.

Mögen dieſe Winke nicht ohne Beachtung bleiben, mögen ſie die hohen Staatsregierungen ebenſo beherzigen, wie die Grund— beſitzer. Geſchieht dies, dann wird eine Zeit kommen, wo das gräßliche Geſpenſt des Hungers verſchwunden ſein dürfte, nament—

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lich wenn auch der kleinere Grundbeſitzer angefangen haben wird, die Landwirthſchaft wiſſenſchaftlich zu betreiben. Ich überlaſſe mich daher der angenehmen Hoffnung, es möge durch dieſes Schrift— chen für Manchen ein Saamenkörnchen abfallen, was ihm und ſeiner Familie reichliche Früchte trage.

Treten wir hinaus in den prachtvollen Tempel der Natur, ſo offenbart ſich uns überall die Größe, Unvergänglichkeit, Weisheit und Unfehlbarkeit Gottes. Wohin wir unſer Auge wenden begeg— nen wir ſeiner Allmacht, begegnen wir den Werken ſeiner Unend— lichkeit. Uns, ſeinen mit Vernunft begabten Geſchöpfen, wurde die Vergünſtigung zu Theil, tiefer in den herrlich ausgeſtatteten Haushalt der Natur einzudringen. Je mehr wir von dieſer Ver— günſtigung Gebrauch machen, je mehr lernen wir aber auch die Gottheit verehren, je mehr lernen wir ſie in der Unfehlbarkeit ihres Schaffens preiſen.

Durchwandern wir unſere Felder, durchwandern wir unſere Wieſen, ſo ſtoßen wir überall auf den unſcheinbaren Kieſel; bei ſeinem Erblicken zwingt ſich uns der Gedanke bedeutender Feſtig— keit, vollkommner Unzerſtörbarkeit, ſo wie von Unauflöslichkeit in Luft und Waſſer auf und dennoch finden wir die Beſtandtheile des— ſelben in nicht unbedeutender Menge im Strohe unſerer Aecker, im Graſe unſerer Auen. Der Kieſel iſt es, welcher dem Halm ſeinen Halt verleiht, welcher letzteren kräftigt, welcher ihn befähigt, ſich der Luft, ſich dem allbelebenden Sonnenlichte zuzuwenden. Ohne ihn würden weder Stroh noch Heu, würden weder Körner noch Saamen gedeihen; denn der zerſtörungsmuthige Sauerſtoff würde das auf dem Boden lagernde Getreide und Gras unnachſichtlich zerſtören. Die Natur fand alſo Mittel und Wege dieſen harten, ſcheinbar unlöslichen Stein aufzuſchließen und ihn in die Pflanze überzuführen.

Werfen wir unſern Blick auf jenen knorrigen Stamm: ſeine zerſplitterte Rinde hängt altersgrau in Stücken herab, nach allen Richtungen zerborſten, bildet fie Verſtecke für den lauernden Sauer—

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ſtoff. Mit Wonne zerſtört derſelbe hier das Holz, um durch Bil— dung von Kohlenſäure einer daneben aufſchoſſenden Flechte den Becher des Lebens zu ſpenden. Schmarotzer-Pflanzen geſellen ſich zu letzterer, nach und nach ſtreut der Sauerſtoff klares vermodertes Holz am Wurzelſtocke aus und ſchnell treibt ſchön blühender Finger— hut ſeine Stengel aus dieſem hervor. Wo wir nur hinblicken, da tritt uns das geheimnißvolle Walten der Natur entgegen. Im härteſten Kieſel, in der kleinſten Flechte, in der blüthenreichſten Blume entfaltet ſich die Allmacht und Größe Gottes. Alles iſt in einem ununterbrochenen Uebergange von einem Zuſtande in einen andern, in einem ſteten Werden und Vergehen begriffen. Ueberall finden wir dieſelben Stoffe, hier bildend, dort das Gebildete zer— ſtörend, alle werden von nie raſtenden Kräften getrieben und treiben ſich unter einander ſelbſt. Deshalb ſtellte uns unſer Allvater die Wiſſenſchaft zur Verfügung, damit wir vermittelſt derſelben ſein herrlich ausgeſtattetes Weltall kennen lernen möchten. Wir be— nutzen nun dieſelbe, damit wir hinab ſteigen in den grauſig finſtern Schlund der Erde, um die daſelbſt verborgenen Metalle, Erze, Kohlen ꝛc. ꝛc. aus ihrem tiefen Schlafe zu erwecken, um ſie mit Eiſen und Stahl, Pulver und Feuer zu bezwingen, um ſie mittelſt des Dampfes oder des Waſſers gewaltiger Kraft zu Tage zu för— dern und ſie in den goldnen Strahlen der Tageskönigin zu ſonnen. Zerkleinert und durch Waſſer geläutert, werden ſie in Oefen ge— ſchüttet, um ſie vermittelſt der Hitze und der trennenden Gewalt der Kohle, ſo wie der bindenden des Schwefels aus der Schlacke zu ſondern, den Schwefel durch den Sauerſtoff der Luft zu verbren— nen, den Sauerſtoff der orydirten Metalle aber in hohen Gluthen vermittelſt des Kohlenſtoffs in Kohlenſäure zu verwandeln. Nach vielfachen Bearbeitungen tritt endlich der König glänzend hervor, ſchmückt Kronen, Diademe und heilige Gefäße, erhöht die Lieb— lichkeit holder Frauen und wandert als Münze von Ort zu Ort über die ganze Erde, ſucht Welt und Menſchen zu beherrſchen und macht ſich letztere unterthan. In einem kleinen Loche führt uns die Wiſſenſchaft hinab in ungeheure Tiefen, zeigt uns daſelbſt mächtige Urwälder längſt entſchwundener Epochen, führt uns auf gewaltige Waſſer-Schichten, in des Steinſalzes funkelnde Kryſtall-

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Paläſte, zu großartigen Baſſins von Waſſern, welche die Geſund— heit kräftigen. Mit Leichtigkeit hebt die Wiſſenſchaft alle dieſe Stoffe zu Tage und macht ſie der menſchlichen Geſellſchaft dienſtbar. Um Luft, Meer und Flüſſe zu durchfliegen, um gewaltige Laſten in größter Schnelle fortzuſchaffen, um mit den fernſten Völkerſtäm— men im Verkehr und Tauſchhandel zu bleiben, dazu bahnt uns die Wiſſenſchaft den Weg. Sie führt uns hinab auf den tiefen Meeres— grund, um der Perlenmuſchel ihre Schätze zu rauben, ſie trägt unſere Gedanken vermittelſt eines ſchwachen Drahtes in fliegender Eile über Gebirge, über Flüſſe und Meere zu unſern entfernteſten Freunden. Wir correſpondiren durch ſie mit den entlegenſten Him— melskörpern und erlangen dabei die Ueberzeugung: daß auf ihnen dieſelben Grundkräfte, dieſelben Geſetze walten, wie auf unſerer Erde: daß auch dort wie hier der Wechſel zwiſchen Tag und Nacht, Kalt und Warm, Anziehungs- und Abſtoßungskraft ſtatt— finde, ja daß auch jene Himmelskörper mit Thälern, Bergen, Ab— gründen verſehen ſeien. Wir benutzen die Wiſſenſchaft, um die zerſtörende Kraft des Hagels, des Blitzes, um die Macht des Feuers, die brauſende Gewalt der Wogen zu brechen und unſchäd— lich zu machen. Wir benutzen die Wiſſenſchaft, um giftige Schwa— den, um die alles zertrümmernden ſchlagenden Wetter, denen eine große Menſchenzahl erliegen würde, zu zerſtören, um gefährliche Krankheiten zu heilen und dem Tode ſeine Beute zu entreißen. Wir benutzen die Wiſſenſchaft, um die großartigſten Zerſtörungs— werke, die den Tod in tauſendfacher Geſtalt herbeiführen, zu ver— vollkommnen, damit wir des Friedens deſto ſicherer werden. Wir benutzen die Wiſſenſchaft, um in unſern eignen Organismus ein— zudringen und zu erkunden: welches ſind die beſten Nahrungsmittel für uns und die mit uns lebenden Pflanzen, um zu gewahren: welch gegenſeitiger Austauſch beſteht zwiſchen Pflanze und Thier. Durch die Wiſſenſchaft bringen wir in Erfahrung: daß überall in der Luft und durch die ſtets auflöſende Kraft des Waſſers auch im Erdboden die Nahrungsmittel der Pflanzen zu finden ſeien: daß die Vegetabilien mit ihren unzählbaren, beſtändig in Be— wegung begriffenen Blättern die Kohlenſäure, den Waſſerdunſt, das kohlenſaure Ammoniak aus der Luft, daß ſie vermittelſt der

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zarten Wurzelſaugfäſerchen die im Waſſer gelöften feften Mineral: ſubſtanzen zugleich mit Kohlenſäure aus dem Boden auffaugen: daß bei Sonnenſchein die eingenommene Kohlenſäure in den Blät— tern zerlegt, der Sauerſtoff ausgeſchieden, der Kohlenſtoff aber zu— rückgehalten werde. Durch ſie erfahren wir: daß gleich dem Koh— lenſtoffe auch der unorganiſche Waſſerſtoff in Geſellſchaft mit Sauerſtoff ſeinen Weg durch die Pflanze nehme: daß die drei ver— einigt Holz, Stärkemehl, Zucker u. ſ. w. bilden: daß kein Pflan⸗ zenwachsthum ohne Licht, Wärme, Electricität, Sauerſtoff, Waffer: ſtoff, Kohlenſtoff, Stickſtoff, Phosphor, Schwefel, Chlor, Fluor, Eiſenoryd, Kali, Kalk-Talk- und Kieſelerde möglich ſei. Sie lehrt uns: daß die Pflanze einen feſten Standpunkt im Boden haben müſſe: daß viel darauf ankomme, wie letzterer zuſammen— geſetzt, wie er bearbeitet, wie er bedüngt werde; ſie lehrt uns, ob ein feſter oder lockerer, ob ein trockener oder wäßriger Untergrund vorzuziehen ſei. |

Bei ihr, der Wiſſenſchaft über Pflanzenernährung wollen wir daher jetzt verweilen. Um fie recht faßlich, um fie Jedermann an⸗ ſchaulich zu machen, habe ich mir erlaubt, einen beſondern, ganz einfachen Weg einzuſchlagen. Ich werde zuerſt die Kräfte, welche beim Keimen, dem Wachsthume und bei der endlichen Aus— bildung der Pflanzen in Thätigkeit ſind, alsdann die gasför— migen und ein feſtes Element mit ihren Verbindungen, alſo den Sauerſtoff, den Waſſerſtoff und die Verbindung beider zu

Waſſer, den Kohlenſtoff, fo wie deſſen Verbindung mit Sauerftoff zu Kohlenſäure, den Stickſtoff, fo wie deſſen Verbindung mit Wafler- ſtoff zu Ammoniak, den Stickſtoff und deſſen Miſchung mit Sauer: ſtoff zu Luft, einzeln aufführen und bei jeder Kraft, bei jedem Elemente, bei jeder Verbindung das Erforderliche über ihre Wir— kung als Pflanzennahrung darlegen.

Hierauf werde ich mich mit dem Boden, einer Zuſammen— häufung feiner Geſteinstheilchen in Mengung mit organiſchen Stoffen, in welchen die Pflanzen nicht allein ihren feſten Stand— punkt, ſondern auch ihre feſte Nahrung ſuchen, befaſſen. Ich werde zunächſt die Sauger, alsdann den Phosphor in ſeiner Ver— bindung mit Sauerſtoff zu Phosphorſäure, den Schwefel in

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ſeiner Verbindung mit Sauerſtoff zu Schwefelſäure, das Chlor und Fluor, das Eiſen in ſeiner Verbindung mit Sauerſtoff zu Eiſenorxyd, das Kali, das Natron, die Kieſelerde, Kalk- und Bittererde behandeln und gebe mich der angenehmen Hoff- nung hin: daß auf dieſe Weiſe der Stoff nicht allein am leichteſten bewältigt, ſondern daß denjenigen der geneigten Leſer, welchen das Studium der Chemie verſagt war, auch eine Ueberſicht über den Pflanzenernährungs-Prozeß zu Theil werden wird.

Je genauer wir die Natur kennen lernen, je mehr werden wir über die einfachen Mittel, welche den wundervollen Erſchei— nungen in ihr zu Grunde liegen, ſtaunen: deſto mehr wird ſich uns die gegenſeitige Verwandtſchaft des Lichts, der Wärme, der Electricität kund geben. Wir werden auf Erſcheinungen bei dieſen unwägbaren Stoffen ſtoßen, die uns die poſitive Ueberzeugung verſchaffen: daß die eine dieſer Kräfte unter gewiſſen Umſtänden in die andre übergeht, ja: daß fie eigentlich nur Eins find. Wir werden ſehen: daß alle Prozeſſe der Abſorption des Lichtes, der Entbindung der Wärme, der Veränderung der electriſchen Erſchei- nungen, welche in dem ungeheuren Raume unſerer Atmoſphäre verlaufen, einer Menge von Veränderungen unterworfen ſind. Dieſe Kräfte, ſo wie deren ununterbrochen vor ſich gehende Ver— änderungen, bedingen mit dem verſchiedenen Stande unſerer Sonne unſere klimatiſchen Verhältniſſe, von welch letzteren die Verbreitung der auf unſerer Erdoberfläche wohnenden Pflanzen abhängig iſt. Die klimatiſchen Verhältniſſe bleiben ſich bei den ſteten Veränderungen der Kräfte nicht gleich und Abweichungen in denſelben verbreiten ſich dann ſtets über größere Flächen. Wir kön— nen z. B. hier in Deutſchland einen ſehr ſtrengen Winter haben, während anderswo unter denſelben Breitegraden laues Wetter vorherrſcht; auf große Bezirke blickt die Sonne klar und hell her— nieder und ſendet den Vegetabilien ihren zerlegenden und bildenden Strahl zur Entwicklung und Reife, während ihr Antlitz in andern Gegenden durch große Wolkenmaſſen verhüllt, den Pflanzen Tage,

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Wochen, Monate lang nicht fihtbar wird. Ganz willkührlich ift daher die Annahme: daß auf einen ſtrengen Winter ein warmer Sommer und auf einen kühlen Sommer ein milder Winter folge. Die Natur geht ihren eigenen Weg und ruft durch entgegengeſetzte Witterungsverhältniſſe zweier neben einander gelegenen Länder, oder ferner Kontinente unter ſonſt gleichen klimatiſchen Verhält— niſſen, hier die geſegnetſte, dort eine Mißerndte hervor. Als Reſul— tat dieſer Verſchiedenheiten ergiebt ſich eine außerordentliche Stei— gerung des Verkehrs, durch welchen die Wohlfahrt der Völker her— vorgerufen und befeſtigt wird. Je mehr wir uns daher mit der Erforſchung der Kräfte in der Natur befaſſen, deſto mehr wer— den wir ermuthigt zu ferneren Unterſuchungen, deren Reſultat uns den großen allweiſen Weltenbaumeiſter ſtets in einem glanz— volleren Lichte erſcheinen läßt.

Wir können der Räumlichkeit wegen uns mit dem Lichte, der Wärme, der Electricität nur in großer Gedrängtheit befaſſen.

Licht.

Wer vermöchte ſich eine andere Vorſtellung zu machen, als daß unſere goldene Sonne, welche täglich verjüngt aus dem blauen Aether zu uns heraufſteigt, die umfaſſendſte, ja die einzige Spen— derin, nicht allein des Lichtes, ſondern auch der allbelebenden Wärme ſei? Lange zuvor, ehe ſie hinter den dunklen Gebirgen, ehe ſie hinter unabſehbaren Ebenen hervortritt, ehe ſie aus den grünen Meeresfluthen auftaucht, hat ſie den blitzenden Glanz der Sterne verdunkelt, hat ſich das falbe Licht des Mondes vor der ſtrahlen— den Helle der Tageskönigin zurückgezogen.

Neubelebt begrüßt der Menſch die Segenſpenderin; mit freu— diger Erregtheit tritt ihr das Thier entgegen, ſpendet ihr der Vogel ſein Loblied, neigen ſich ihr die Blätter der Gewächſe im heim— lichen Geflüſter koſend zu, erſchließen die erwachenden Knospen ihre zarte Hülle, entfalten die Blumen ihre Blätter und hauchen die ſüßeſten Wohlgerüche gegen ſie aus. Neubelebt bereitet ſich der Menſch, bereitet ſich das Thier bei ihrem Erſcheinen auf das kom— mende Tagewerk vor und die Pflanzen in funkelndem Thaue ge— badet, einen bunten Teppich vor ihr ausbreitend, neigen ſich ihr liebend entgegen. Verehrend, anbetend betrachtet der Menſch dieſes Alles beglückende Geſtirn. Was wäre aber auch das Leben ohne Licht!

Licht bringt Wärme; Wärme dehnt aus, bewegt, verändert, bringt alſo Leben; daher liegt im Lichte alles Leben, ohne daſſelbe wäre die Natur kalt, ſtarr, öde, farbelos. Von höchſter Bedeutung iſt daher das Licht für das Geſammt-Weltall, denn durch daſſelbe in Verbindung mit Wärme erhalten ſich die Planeten des

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Sonnenſyſtems, erhalten ſich die zahlloſen Geſchöpfe auf den— ſelben; durch und vom Lichte wird die Erde, werden die auf ihr wohnenden Menſchen und Thiere, werden die auf ihr verbreiteten Pflanzen belebt. 5

Aus der Sonne tritt das Licht ſtrahlend hervor. Der Sonnen— ſtrahl durchläuft in einer Secunde einen Weg von 41,000 Meilen, er hat daher, da unſere Erde 20 Millionen Meilen von der Sonne entfernt iſt, 8 Minuten 13 Secunden Zeit erforderlich, bis er auf dieſelbe gelangt. Läßt man einen Strahl durch ein Prisma von Glas fallen, ſo zertheilt ſich ſein Licht in rothes, orangengelbes, grünes, blaues, indigo und violettes. Was man ſonſt für einen einzelnen Lichtſtrahl hielt, das zerlegte die Wiſſenſchaft in eine zahlloſe Menge der feinſten Wellen des uns nicht ſichtbaren Aethers, der überall im Raume verbreitet, der hoch oben in der Sternenwelt, der tief unten in der Erde zu finden, der an allen Orten und Enden zu treffen iſt. Der über alle Begriffe raſche Licht— ſtrahl beſteht daher aus den ſchnellſten Aetherwellen. Obſchon jede derſelben von der ihr zunächſt folgenden 4000 Meilen entfernt iſt, ſo folgen ſie ſich doch ſo unendlich ſchnell daß ſie ſich unſern Augen als ein Ganzes darſtellen. Was uns daher als ein ver— einigter glänzender Feuerſtrahl im Auge erſcheint, das iſt eine Un- zahl ungleich neben einander dahin eilender verſchiedenfarbiger Aetherwellen, von denen die rothe in jeder Secunde 480 Billionen, die gelbe 540 Billionen, die violette ſogar 700 Billionen Schwin- gungen durchzittert. Zwiſchen den einzelnen Farbenſtreifen, die bezüg— lich ihrer Stärke nicht gleich bleiben, liegen noch gegen 600 ſchwarze Streifen. Nachdem man die Eigenſchaften des Lichtes in der be— ſchriebenen Art und Weiſe kennen gelernt hatte, verſuchte man nun auch deſſen Wärmegehalt in den einzelnen Farbenſtrahlen zu erforſchen, es ergab ſich dabei: daß der blaue Lichtſtrahl 130 R. der grüne 14° R. der gelbe 17° und der rothe ſogar 22° Wärme hatte und daß neben dem letzteren ſogar noch 26° Wärme vorhan— den ſeien. 5 Das Sonnenlicht iſt von außerordentlicher Jutenſität und daher 800,000 mal ſtärker als das des Vollmondes und 5500 mal heller als das einer Kerze.

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Durch das ſorgſame Studium des Lichtes wurde für die Wiſſenſchaft ungemein viel gewonnen. Man benutzt daſſelbe nicht allein zu allen Meſſungen; der Aſtronom erforſcht auch ſeine Länge und giebt die Zahl der Tagereiſen, die es zurückgelegt hat, auf das Genaueſte an; ja er erkennt aus der Natur ſeiner Zuſammenſetzung ſogar: ob es von einer Sonne, ob es von einem Planeten ab— ſtammt. Hat ihn die Unterſuchung auf den richtigen Weg geleitet, ſo rechnet er dem einzelnen Strahle ſeinen durchlaufenen Weg nach und beſtimmt dadurch die Entfernung des Sternes, von dem die leuchtende Aetherwelle ausging.

In einem Tage durcheilt das Licht einen Weg von 3620 Millionen in einem Jahre alſo von 1,323,263 Millionen Mei: len. Der Lichtſtrahl bringt daher den Menſchen die Nachrichten aus den tiefſten Tiefen des Weltalls und wir wiſſen z. B. durch ihn: daß das Licht des Polarſternes 48 Jahre braucht um auf unſerer Erde zu erſcheinen. Den Raum, welchen ein Lichtſtrahl binnen Jahresfriſt durchläuft, nennt man ein Lichtjahr, 4000 der⸗ ſelben liegen zwiſchen der Erde und den fernſten Sternen 12er Größe; 800,000 derſelben aber zwiſchen ihr und dem nächſten Sternennebel.

Vermittelſt des Lichts wird alſo Raum und Zeit gemeſſen, durch daſſelbe wird die Geſtalt und Beſchaffenheit der Weltkörper erkannt. Die Bewegungen des Sonnenſyſtems, der Kometen und Meteore weiſ't das Licht nach. Auf die genaue Kenntniß deſſelben gründen ſich die Berechnungen der Schwere und Dichtigkeit der Geſammt⸗Weltkörper und deren gegenfeitige Anziehungskraft. Das Licht iſt das gewichtigſte Mittel der Erkenntniß, das Element des

Geiſtes, denn es lehret nicht allein die Geſtalten aller Körper ken— nen, es enthüllt uns auch die Weltgeſetze.

Daß das Licht bei ſeiner Macht, die es im Weltall übt, eine außerordentliche Schnelligkeit beſitzen muß, liegt in der Natur der Sache. Einen Raum, welchen eine Kanonenkugel in 24 Tagen durchfliegt, durcheilt der Lichtſtrahl in dem zehnten Theil einer Sekunde.

Um dieſen Weg zu Fuße zurückzulegen, würde ein Menſch 540 Tage gebrauchen. Wollte er aber die 84 Minuten, die das

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Sonnenlicht auf feinem Laufe zur Erde gebraucht, mit dem Ränz— chen auf dem Rücken zurücklegen, dann müßte ihr zuvor ein Alter von 6300 Jahren verliehen werden.

Was iſt doch der Menſch für eine Winzigkeit gegen dieſe Zahlenverhältniſſe! und doch wie groß, wie unendlich groß geſtaltet er ſich nach dieſen Betrachtungen! War es nicht der menſchliche Geiſt, welcher den winzigen Lichtſtrahl erfaßte und ihn in Tauſende von Millionen Theilchen zerlegte? war er es nicht, welcher ſich ihn unterthan machte, um die Größe, Form und das Gewicht der Himmelskörper zu meſſen? war er es nicht, welcher ihn auf ſeine verſchiedenen Wärmegehalte prüfte? war er es nicht, welcher ihn als Telegraph nach den tiefſten Himmelsräumen ſandte, um auch dort die waltenden Geſetze kennen zu lernen? Gott hat Großes in den menſchlichen Geiſt gelegt und je mehr wir uns beſtreben, un— ſerm Allvater ähnlich zu werden, um ſo mehr und wichtigere Na⸗ turgeheimniſſe werden uns aufgedeckt werden.

Die meiſten Stoffe und Körper auf unſerer Erde. ſtellen ſich als Lichtſauger dar; geht dann der Sauer- oder ein anderer Stoff Verbindungen mit denſelben ein, ſo wird das Licht wieder ausge— ſchieden. Namentlich ift es der Kohlenftoff, der ungemein viel Licht und am meiſten in ſeinem reinſten Zuſtande als Diamant einſaugt. In aller und jeder Kohle, in jedem Holze, in jeder Pflanze iſt daher eine große Menge von gebundenem Licht ent— halten. Sobald nun dieſe Kohlenſtoffverbindungen mit dem Sauer: ſtoffe lebhafte und raſch vorſchreitende andere Verbindungen ein— gehen, ſo wird das Licht frei und tritt wie das Licht der Sonne, von dem es urſprünglich ausging, ftrahlend aus denſelben aus. Je raſcher, wie geſagt, alſo die Verbindung vor ſich geht, je mehr alſo Sauerſtoff vorhanden iſt, deſto mehr wird Licht ausgeſchieden, deſto höher wird der Glanz, deſto größer die Flamme ſein.

Auch unſer Auge iſt ein ſolcher Lichtſauger und bei befondern Gelegenheiten können wir bei demſelben deutlich gewähren, wie es in farbigen Strahlen aus demſelben ausſtrömt. Bei ſtarken Er— ſchütterungen des Kopfes, bei Stürzen, Schlägen u. ſ. w. fährt es in farbigem Glanze aus dem Auge, in denſelben Intervallen,

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wie die Aetherſchwingungen, denn wir gewahren dann ganz deut— lich glänzende Büſchel von grün, gelb, violett, blau ꝛc. ꝛc.

Die Aufſaugung des Lichtes durch die Pflanzen und die Aus— ſcheidung deſſelben beim Verbrennungsprozeß durch die Verbin— dung des Sauerſtoffs mit dem Kohlen- und Waſſerſtoffe iſt für das Gefammt- Menfchens und Thierleben von unberechenbarem Vortheile, denn wir empfangen dadurch nicht allein unſer künſt— liches Licht, ſondern auch die für den Winter und in den Gewer— ben unumgänglich nothwendige Wärme. Später werden wir bei der Behandlung des Waſſerſtoffs Gelegenheit bekommen, deſſen ungemeine Saugfähigkeit für die Wärme kennen zu lernen.

Je poröſer, je feiner vertheilt ein Körper iſt, deſto leichter ver— brennt er, deſto leichter giebt er ſein Licht und ſeine Wärme im Allgemeinen ab; je dichter er iſt, deſto weniger ſchnell iſt dies der Fall. An unſeren ſchwerſten und daher dichteſten Metallen gewah— ren wir dies am deutlichſten, denn obſchon das Platin eine große Menge von Sauerſtoff aufzuſaugen und in ſich zu verdichten ver— mag, ſo ſind unſere bekannten Hitzgrade doch nicht hinreichend, um es zu verbrennen. Eigenthümlich iſt übrigens: daß einzelne Metalle nur einzelne Theile des zerlegten Lichtes in ſich aufnehmen. Ver— brennen wir z. B. Kupfer, ſo tritt nur grünes Licht aus demſelben aus. Es ſind dies Erſcheinungen, welche die ſorgſamſte Beachtung verdienen und die nach genauer Kenntniß ſehr große Aufſchlüſſe in der Wiſſenſchaft, vielleicht ſogar über die Zuſammenſetzung der Metalle geben werden.

Kehren wir nun zu den Wirkungen des Lichtes auf unſerer Erde zurück, fo zeigen ſich dieſelben ſowohl bei organiſchen, als bei unorganiſchen Körpern. Theils ſtellt daſſelbe chemiſche Verbin— dungen, theils Trennungen her. Zu den Hauptquellen des Lichtes gehört wie wir eben ſahen, vor allem die Sonne, außerdem erhalten wir es durch Electricitätsausgleichungen, Steigerung der Temperatur bei chemiſchen Prozeſſen u. ſ. w.

Eine Pflanze im Dunkeln gezogen erhebt ſich zwar über den Boden, ſobald ſich ihre Wurzel gebildet hat, allein ſie bleibt, mit geringen Ausnahmen, ohne ihre dem Auge ſo wohlthuende grüne Farbe, gelangt zu keiner Feſtigkeit und ſtirbt bald ab. Entzieht

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 2

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man einer ausgebildeten Pflanze das Licht auf einige Zeit, ſo wird ſie auch bei ausreichendem Zufluſſe von Luft und Waſſer welken und nach und nach ihre grüne Farbe verlieren. Setzt man ſie dem Lichte von Neuem aus, ſo erhöht ſich ſofort der Glanz ihres Grüns und fie erfreut ſich wieder ihres Lebens. Clo ez und Gratiolet brachten einige unter dem Waſſer lebende Pflanzen in Waſſer, das Kohlenſäure gelöſt enthielt und ſetzten fie dem Sonnenlichte aus; fie gewahrten, daß dieſe Pflanzen unter dem Einfluſſe des Sonnen— lichtes eine bedeutende Menge Sauerſtoff entwickeln.

Wenn man einige Blätter einer unter Waſſer lebenden Pflanze in einem Probirglaſe, welches mit Kohlenſäure geſättigtes Waſſer enthält, umkehrt und in ein Gefäß mit Waſſer ſtellt, den Apparat hierauf aber dem Sonnenlichte ausſetzt, ſo ſieht man augenblick— lich von der Oberfläche der Blätter eine große Menge Bläschen ſich entwickeln, die aus reinem Sauerſtoffe beſtehen. Noch genauer beobachtet man die Erſcheinung in einem von Beiden angegebenen Apparate. Derſelbe beſteht aus einer Flaſche von weißem Glaſe von 4 bis 10 Litres Inhalt, die ſorgfältig mittelſt eines zweimal durchbohrten Korks, durch den zwei Röhren gehen, verſchloſſen ift. Die eine dieſer Röhren iſt gerade und geht bis auf den Boden des Gefäßes; ſie dient zur Erneuerung der Flüſſigkeit im Innern der Flaſche. Die zweite Röhre iſt gebogen und wird zum Aufſaugen des Gaſes benutzt; ihr in die Flaſche reichendes Ende mündet in die Spitze eines in den Kork eingeſchnittenen Hohlkegels. Dieſe Vorrichtung hat den Zweck, die kleinſten Mengen des ausgegebenen Gaſes zu beſtimmen, welches man dadurch austreibt, daß man etwas Waſſer in die zweite Röhre giebt. Verſuche mit den Sten— geln von Potomogeton perfoliatum in dieſem Apparate brachten nach ungefähr 10 Stunden ſo viel Gas, daß dieſes in eine große graduirte Glocke geleitet 24 Litres betrug, was ohngefähr das 15fache vom Volumen der dem Verſuche unterworfenen Pflanze ausmachte. Das aufgefangene Gas war jedoch nicht reiner Sauer— ſtoff, ſondern ein Gemenge von 87,50 Sauerſtoff, 11,5 Stick— ſtoff und 1,,, Kohlenſäure. Das Sonnenlicht ſpielt im Lebens— prozeſſe der Pflanzen eine äußerſt wichtige Rolle; es disponirt den Waſſerſtoff ſich zu verdichten, Wärme in ſich aufzunehmen und

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mit Sauerftoff Waſſer zu bilden; es ſcheidet den Kohlenftoff aus der Kohlenſäure ab, legt Licht und Wärme in ihn nieder und ver— bindet beide zuſammen zu Holz, Stärkemehl ꝛc.ꝛc.; ferner verbindet es die letzteren Stoffe zugleich auch noch mit Stickſtoff. Hierdurch entſtehen nicht allein die für das Menſchen- und Thierleben ſo höchſt nöthigen Nahrungsmittel, ſondern auch die für die Induſtrie und Gewerbe, ſowie zum Leben unentbehrlichen Brennmateriale.

Die Wirkung des Lichtes auf die Pflanzen iſt für viele Fälle noch nicht ausreichend erklärt; ſo findet man z. B. Blätter, am Tage den Einwirkungen des Sonnenlichts ausgeſetzt, geſchmacklos, während ſie am Morgen ſauer, in der Nacht bitter ſchmecken. Man findet Blumen, die bei geringer Lichtaufnahme weiß, bei ſtarker blau blühen. Viele Früchte, die des Morgens ſauer ſchmecken, ſind Mittags, nachdem die Sonnenſtrahlen ſtark auf dieſelben ein— gewirkt haben, ungemein ſüß.

Bei der Zerlegung der Kohlenſäure in den grünen Theilen der Gewächſe, den Blättern, iſt die Intenſität des Lichtes von höchſter Bedeutung. Der Schatten eines kleinen Wölkchens, wel— ches den Sonnenſchein von der Pflanze abhält, reicht aus, die Zerlegung zu ſchwächen, welche raſch von Neuem vor ſich ſchreitet, wenn das Wölkchen ſeinen Weg weiter fortſetzt und die zerlegenden Strahlen nicht mehr von den Blättern abhält. Der Prozeß wird um ſo mehr geſtört, je höher die Sonne ſteht und je reiner der Himmel iſt. Die Einwirkung des Sonnenlichtes auf die Pflanzen iſt daher eine eben ſo raſche, als kräftige, weshalb ſie einen über— aus wichtigen Einfluß auf die Pflanzenwelt übt. Von der regel— mäßigen Zerlegung der in unſerer Atmoſphäre enthaltenen Kohlen— ſäure in den Sommermonaten hängt die Ergiebigkeit unſer Erndten ab. Haben wir nämlich in den heißen Monaten, wo die Entwick— lung der Blüthen und Früchte beſonders lebhaft von ſtatten geht, ſtets bedeckten Himmel, dann kann die Zerlegung der Kohlenſäure nicht ſo raſch erfolgen, die Entwicklung der Blüthen und Früchte wird verzögert: von erſteren ſterben verſchiedene ab, bei denen die ſich weiter entwickeln, lagern ſich die Stoffe nicht in der Menge und Güte ab, als es bei ausreichender Zerlegung der Kohlenfäure durch die Sonnenſtrahlen der Fall geweſen ſein würde, die Reife

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erfolgt meiſtens nicht vollkommen und der Landmann ſagt dann, es ſei ein Mehlthau eingefallen. Daher rührt die Erſcheinung: daß in ſolchen Jahren, wo der Himmel ſtets mit Regenwolken be— deckt iſt, weder Früchte, noch Blätter, noch Holz die gehörige Reife, die gehörige Feſtigkeit erlangen; daher ferner die Erſchei— nung: daß durch die mangelhafte Einwirkung der Sonnenſtrahlen auf die Pflanzen dieſelben wäſſerig bleiben und viele dem Thier— leben ſchädliche Stoffe nicht zerlegt und in den Pflanzen zu nütz⸗ lichen Nahrungsmitteln verwandelt werden. Die Folgen davon ſind: daß größere Quantitäten derſelben zur Nahrung verwandt werden müſſen und daß mehrere ſogar ſchädlich auf den thieriſchen Organismus einwirken, wie z. B. das Mutterkorn ꝛc. ꝛc. Nach Regenjahren, in denen der Himmel faſt ſtets mit Wolken bedeckt iſt, zeigt ſich daher nicht allein Hungersnoth, ſondern ſie haben auch ſtets bedeutende Krankheiten im Gefolge. Das alte Bauern— Sprichwort bewährt ſich daher vollkommen, in welchem es heißt: die Sonne erſcheint eher einen Laib Brod, als daß es einen er— regnet.

Mit den verſchiedenen farbigen Strahlen, in welche ſich das Licht zerlegen läßt, hat man bei der Vegetation verſchiedene Ber: ſuche gemacht und gefunden: daß in dem gelben Strahle viele Pflanzen zu Grunde gehen, während ſie im violetten recht gut ge— deihen; am beſten wachſen ſie aber unter der Vereinigung aller Strahlen, alſo im gewöhnlichen Lichte.

So lange ſich die Pflanzen im Lichte befinden, ſo lange reini— gen ihre grünen Theile, namentlich die Blätter, die Luft, indem ſie Kohlenſäure einathmen, den Kohlenſtoff unter Einwirkung des Lichtes abſcheiden und dann ein gleiches Volumen Sauerſtoff ab— geben. Bei Abweſenheit von Licht ändert ſich jedoch dieſer Prozeß um und die Pflanze giebt dann Kohlenſäure aus. Es rührt dies von dem in dem Safte der Pflanzen enthaltenen Uebermaße dieſes Gaſes her. Zugleich beobachtete man auch: daß während des Schlafes der Pflanzen im Dunkeln der Sauerſtoff der Luft ſich mit ihren äußern Theilen vereinigt und dieſelben umändert. Vor dem Einfluſſe der Pflanzen auf die Geſundheit von Menſchen und Thieren zur Nachtzeit hat man ſich daher in Obacht zu nehmen,

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nicht nur, weil ſie den für unſern Athmungsprozeß unentbehrlichen Sauerſtoff in ſich aufnehmen, ſondern weil ſie die dem Lebens— prozeſſe ſchädliche Kohlenſäure ausathmen. Spaziergänge in Gegen— den mit üppigem Pflanzenwuchſe ſind daher des Tags über ſehr zuträglich, während man ſie des Nachts eben ſo vermeiden muß, als den Aufenthalt oder ſogar den ne in Zimmern, wo ſich viele Gewächſe befinden.

Das Licht iſt nach Allem, was wir bis jetzt kennen lernten, eine Hauptlebensbedingung für das Wachsthum und Gedeihen aller Pflanzen; wären für dieſelben auch die reichlichſten Stickſtoff— und Phosphorſäure-Verbindungen, wären Alkali- und Erdſalze, wäre Kohlenſäure in größter Fülle vorhanden, es fehlte aber das zur Fixirung des Kohlenſtoffs erforderliche Sonnenlicht, ſo könnte die Pflanze wohl eine nicht unbedeutende Entwicklung erlangen, jedoch ohne Blüthen und Früchte zu tragen, denn dieſe bilden ſich nur dann, wenn das Geſammt-Pflanzengewebe ſich in den zu einer vollkommenen Reife erforderlichen Umſtänden befindet. Da— her iſt es durchaus nothwendig: daß außer den übrigen Erforder— niſſen eine Ackerfläche auch eine gute ſonnige Lage habe, damit die Blüthen und Früchte ſich gehörig entwickeln und ausbilden können. Daher verträgt ſich z. B. Obſt- und Cerealien-Bau auf ebenen Ländereien, zumal wenn die Bäume enge gepflanzt ſind, durchaus nicht zuſammen, denn da die Obſtbäume öfters ausſetzen, kommen Jahre vor, wo weder Obſt noch Körner, ſondern lediglich Stroh mit verkümmerten Früchten erzielt wird. Daher iſt ferner der Brod— frucht⸗ und Kartoffeln⸗Ertrag an Gebirgswänden, die ſteil nach Nord abfallen, niemals lohnend, ja ſelbſt das an ſolchen erwachſene Holz hat eine viel geringere Heizkraft, als anderes. Daher be— kommt man an nach Norden gelegenen Wandungen ſelbſt in war— men Gegenden keinen reifen Wein.

Das Licht übt einen merkwürdigen Zauber auf die Pflanzen. Die Zellenvereinigungen mit gasförmigen Nahrungsſtoffen, welche ſich bei den höheren Pflanzen, vorzüglich in den Blättern vorfin- den, zeigen gleichſam einen Lichthunger, ſie thun, als wenn das Licht eine materielle Nahrung für ſie wäre. Alle Bäume eines Waldes, alle Blätter derſelben kehren ſich dem Lichte zu, ſie über—

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winden alle Hinderniffe, um mit breiter Fläche den belebenden Reiz ſeines Strahls aufzuſaugen. Wie begierig die Pflanzen das Licht ſuchen, dies ſehen wir in unſern Zimmern, wenn eine der— ſelben weit von den Fenſtern entfernt ſteht: die ganze Pflanze ver— läßt ihre aufrechte Stellung, ſie biegt ſich und ſendet endlich ihren Stamm in vollkommen ſchiefer Richtung den Fenſtern zu. Wie kräftig und ſchlank ſchickt eine Kartoffel ihren Keim nach der Keller— lucke, damit er dort einen Lichtſtrahl erhaſche! Selbſt die einzelligen Algen in Gräben haben dieſen Drang nach Licht; zu Millionen ſteigen ſie an die Oberfläche, wenn die Sonne ihre Strahlen über das Waſſer verbreitet, um ſich in dieſem Lebensquell zu baden.

Wird den Pflanzen das Licht entzogen, ſo vermögen ſie den Kohlenſtoff in ihrem Gewebe nicht mehr abzulagern, ſie kränkeln, ſchießen hoch auf, ohne daß fie ihre Blätter ausbilden und vie Säfte verdicken, fie bleiben bleich, ohne Chlorophyll. So bald fie. daſſelbe wieder erlangen, werden auch die Zellen wieder fähig, Kohlenſäure aus der Atmoſphäre aufzunehmen und Sauerſtoff an letztere abzugeben. Wie groß die Menge des Sauerſtoffs iſt, welche die grünen Zellen im Sonnenſcheine entbinden, davon gaben wir weiter oben ſchon ein Beiſpiel, man gewahrt dies aber nament- lich: wenn man Blätter mit Waſſer übergießt, dann quellen an allen Punkten Sauerſtoffperlen hervor, ſo daß das Waſſer zu kochen ſcheint. Selbſt die grünen Algenpflänzchen hauchen bei Sonnenſchein zahlloſe Sauerftoffbläschen aus und wenn wir an ſonnigen Tagen Gräben und Teiche mit weißem oder grünlichem Schaume bedeckt ſehen, ſo haben wir die Quelle deſſelben in ihren grünen mikroſkopiſchen Bewohnern zu ſuchen. Iſt die Sonne ver— ſchwunden, ſo hört die Entwicklung des Sauerſtoffs und die gleichzeitige Aufnahme von Kohlenſäure im Waſſer augenblicklich auf.

Wärme.

Die Wärme befindet ſich im Weltraume entweder im Zuſtande der Ruhe des Gleichgewichtes oder im Zuftande der Be— wegung, ſie nimmt zu oder ab, ſteigt oder fällt. Temperatur nennt man den Zuſtand in Bezug auf ihre Intenſität. Wärme im Zuſtande der Ruhe liefert conſtante, Bewegung der Wärme veränderliche Temperatur.

Wenn ſie in irgend einem Körper angehäuft wird, ſo hält dieſer Zuſtand nicht lange vor; die Wärme verflüchtigt ſich wieder, trotz aller Mittel e feſtzuhalten. Es ſtellt ſich alſo das Gleichgewicht früher oder ſpäter wieder her.

Die Sonne, die Bewegerin alles Lebens auf der Erde, unter— hält auf letzterer, in wunderbar einfacher Weiſe, einen beſtändigen Kreislauf der Stoffe, wodurch lediglich und allein das Leben der organiſchen Weſen ermöglicht wird. Zugleich mit dem Lichte ſpen— det fie auch die Wärme, und Thiere und Pflanzen haben, je nach ihrem Wohnplatze auf der Erde, einen größern oder geringern An— theil an dem erwärmenden, alſo dem belebenden Einfluſſe der Sonne. Wenn die Strahlen ſenkrecht auf unſern Weltkörper nieder— fallen, wird dieſer Segen in reichlichſter Fülle geſpendet.

Eine andere Quelle der Wärme iſt die Electricität. Durch plötzliche Verdichtung der Luft wird ebenfalls Wärme erzeugt, eben— ſo durch Reibung. Eine fernere Quelle der Wärme iſt die phyſiſche Veränderung der Beſchaffenheit eines Körpers, wie dieſelbe z. B. ſtets bei Verwandlung von Gaſen in tropfbare Flüſſigkeiten und von tropfbaren Flüſſigkeiten in feſte Körper beobachtet werden kann. Die gewöhnlichſte Quelle der künſtlichen Wärme iſt aber die

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Verbrennung, welche eigentlich nichts anders iſt, als die ſchnellſte chemiſche Verbindung gewiſſer Körper mit einander, bei welcher dann eine größere Wärmemenge austritt.

Ohne Wärme wäre Thier- und Pflanzenleben nicht denkbar, wäre unſer Erdball eine vollkommen ſtarre unbewegliche Maſſe. Deshalb theilte unſer allweiſer Schöpfer dieſen Lebensborn, aber auch nicht lediglich und allein der Sonne zu, ſondern legte ihn in jedem Körper nieder, in dem er verſteckt ſeine Erweckung erwartet, um ſeine Segen ſpendenden Wirkungen, vorausgeſetzt daß ſie der Menſch bezähmt und bewacht, überallhin zu verbreiten. In größter Menge iſt die Wärme mit Licht in Verbindung in ſämmtlichen Pflanzen, in allen kohligen Mineralien und im Waſſer niedergelegt. f

Die Erregung der Wärme geſchieht durch den chemiſchen Prozeß und obſchon ſie, wie das Licht, nicht wägbar iſt, ſo durch— dringt ſie doch alle und jede Theilchen eines Körpers und dehnt denſelben, je mehr von ihr eingeht, auch um ſo weiter aus.

Nur durch die Bewegung theilt ſich die Wärme unſern Ge— fühlsorganen mit, denn wie Licht und Schall, erregt fie Wellen, die aus eigner innern Kraft derſelben hervorgehen und dieſes iſt es, was wir mit dem Namen chemiſche Prozeſſe belegen; fie alle ſind von Wärmeerſcheinungen begleitet. Steigert ſich die Wärme und nimmt an Stärke und Schnelligkeit der Schwingungen zu, dann erhöht ſich die Temperatur bis zur Lichtentwicklung. Die Verbindung von Wärme- und Lichterſcheinung aber wird Ver— brennung genannt und lernen wir dieſelbe beim Sauerſtoffe ge— nauer kennen.

Die Temperatur unſerer Atmoſphäre iſt an der Oberfläche der Erde am größten und vermindert ſich in den untern Schichten für jede 592 Fuß der Erhebung um einen Grad des 100theiligen Thermometers. Man glaubt indeß: daß die Verminderung der Wärme in größeren Entfernungen von der Erde weniger raſch vor— ſchreite; allein in einer gewiſſen Höhe findet ſich die Region des ewigen Schnees und Eiſes, ſelbſt in den heißeſten Klimaten. Die Spitze der Anden in Amerika, welche ſich unter dem Aequator zu 18,000 Fuß erhebt, iſt mit ewigem Schnee bedeckt. Die Linie des

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immerwährenden Schnees die Schneelinie genannt beginnt unter 0 Grad Breite bei 15,000 Fuß Höhe, ſinkt in den höhern Breiten allmählig herab und liegt bei 60 Grad bei 6000, bei 57 Grad aber nur bei 1000 Fuß.

Je nach ihrem Steigen und Fallen bedingt die Wärme ein vermehrtes oder vermindertes Pflanzenwachsthum. Mit der Schneelinie hört alle Vegetation auf, ebenſo bei hohen Hitzgraden die unſerer Gräſer, welche bei der Ernährung der Menſchen und Thiere im gemäßigten Klima eine ſo großartige Rolle ſpielen und ſo viel zur Hebung der Civiliſation beitragen.

Mit dem Steigen und Fallen der Wärme durch den Stand— punkt unſerer Erde zur Sonne bedungen, vermehrt oder vermindert ſich das Pflanzenwachsthum und hört mit dem beginnenden Winter endlich auf. Schon die Keimung bedarf eines bedeutenden Wärme— grades, der jedoch je nach verſchiedenen Pflanzengattungen auch verſchieden iſt. Die Gräſer, welche in der Oekonomie der menſch— lichen Geſellſchaft als die wichtigſten Nahrungsmittel voranſtehen, keimen bei niederen Temperaturgraden und das ganze Jahr hin— durch, was bei andern Gewächſen nicht der Fall iſt. Unter Wärme jedoch darf auch bei ihnen die Temperatur beim Keimungs— acte nicht herabſinken.

Wie Licht und Electricität, ſo iſt auch die Wärme der Lebens— kraft untergeordnet; ohne ſie kann daher kein Lebensact vor ſich gehen, aber auch bei einer Temperatur, die 24 Grad überſteigt, würden die Lebensverrichtungen aufhören, wenn die Pflanzen nicht, wie die Thiere, mit Transſpirationsorganen verſehen wären. welche die Wärme der umgebenden atmoſphäriſchen Luft durch die bei der Verdunſtung gebundene herabzögen.

Um den Einfluß der Temperatur auf die Gasentwicklung der Pflanzen zu erforſchen, brachten Cloez und Gratiolet die Apparate, in welchen ſich die Pflanzen in kohlenſäurehaltigem Waſſer befan— den, in ein großes mit Waſſer gefülltes Glasgefäß. In dem Waſſer, zu welchem etwas Eis geſetzt wurde, konnten ſich die Pflan- zen leicht abkühlen. Ein Thermometer ging durch den Kork des Apparats und war dazu beſtimmt, die geringſten Veränderungen der Temperatur anzugeben. Durch Aenderung in der Einwirkung

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des Eiſes war es leicht, abwechſelnd den Einfluß der geſteigerten Temperatur und den Einfluß des Sinkens derſelben zu ermitteln. Wenn nun das Waſſer in den Gefäßen, bevor es dem Lichte aus— geſetzt wurde, auf 4 Grad Celſius gebracht wurde, ſo war die Gasentwicklung anfangs gleich Null, wenn aber die Temperatur des Waſſers ſich allmählig ſteigerte, fo erſchienen bei 15 Grad einige Blaſen. Die anfangs ſehr ſchwache Entwicklung wurde dann um ſo ſtärker, je höher ſich die Temperatur ſteigerte und ſchien bei + 30° ihr Maximum erreicht zu haben. Dieſer Verſuch lieferte auch bei öfterer Wiederholung den Beweis: daß die Gas- entwicklung in den Pflanzen nicht unter einer er gewiſſen Temperatur beginnt.

Bei einem zweiten Verſuche wurde das Waſſer in den Appa- raten auf 30“ gebracht und die Wärme deſſelben hierauf durch Zu— ſatz von Eis erniedrigt. Bei dieſem Verfahren ließ die alsbald ein— getretene Gasentwicklung allmählig nach; ſie wirkte jedoch bei 15° noch mit einer gewiſſen tee fort und war erſt 1 + 100 vollſtändig beendigt.

Die Zerſetzung der Kohlenſäure durch die dem Sonnenlichte ausgeſetzten Waſſerpflanzen beginnt demnach in einem Mittel, deſſen Temperatur ſich von + ſteigert, nicht unter 15° und ſcheint bei 30“ ihr Maximum zu erreichen. Dieſelbe Zerſetzung geht in einem Mittel, deſſen Temperatur von 30“ an abnimmt, noch bei 14, 13, 12 und 11 Grad vor ſich und hört bei 10° auf. Daher kommt es auch: daß das Hauptpflanzenwachsthum in unſerm Klima erſt Mitte oder Ende des Frühjahrs ſeinen Anfang nimmt und um ſo raſcher voranſchreitet, je mehr ſich die Temperatur ſtei— gert und je länger das Sonnenlicht auf ſie einwirkt, je mehr alſo die Tage zunehmen.

Wir ſehen aus dem Vorangegangenen, wie nothwendig eine geſteigerte Wärme dem Pflanzenwachsthum iſt; allein ohne Vor— handenſein anderer Factoren der Pflanzenentwicklung nutzt ſie nichts, namentlich muß ihr ſtets das Waſſer zur Seite ſtehen. Ohne dieſes vermag der große Wecker des Pflanzenwuchſes nichts. So z. B. tritt in Sudan, wo die beiden Hauptbedingungen für das Pflanzenleben vereinigt ſind, ein mit der üppigſten reichhaltigſten

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Vegetation bedeckter Erdboden auf; nördlich von Sudan aber, wo die Wärme nicht weniger ſtark iſt, wo aber das Waſſer fehlt, iſt nur eine unfruchtbare Wüſte ſichtbar. Dort entwickelt ſich das Pflanzenleben in ſchwelgender Fülle in tauſendfachen Formen, während hier dem Auge nur lebloſe Körper, in * Sand⸗ körnchen, entgegentreten.

Mit dem Ausdrucke Klima bezeichnen wir im angeweiwſt Sinne alle Veränderungen in der Atmoſphäre, die unſere Sinne merklich afficiren und die von der Temperatur, der Feuchtigkeit, dem ruhigen Luftzuſtande oder dem Winde, von der Größe der electriſchen Spannung, der Reinheit der Atmoſphäre, von der In— tenſität der Sonnenſtrahlen u. ſ. w. herrühren. Eine der Haupt— urſachen, welche die Temperatur jedes Klimas beſtimmen, ift die Wirkung der wärmenden Sonnenſtrahlen auf die feſte Erdmaſſe. Ueberall trägt die Erde die Wärme, welche ſie auf der Oberfläche durch die Sonnenſtrahlen empfängt, in ihr Inneres über, die über— flüſſige aber zerſtreut ſie auf der Oberfläche in den ſie umgebenden Raum. Dieſe Prozeſſe belegen wir mit dem Namen Wärmeleitung und Ausſtrahlung.

Nach den Geſetzen der Wärmeleitung erfolgen die täglichen Wärmeeindrücke wellenförmig nach dem Innern der Erdmaſſe und werden, je nach der Tiefe, in die ſie dringen, matter. Dort wird dieſe Wärme aufgeſchichtet und bewegt ſich nach und nach von einem Punkte derſelben zum andern. Die am Aequator gelegenen Erdtheile werden ſtets von der Sonne mehr erwärmt, als andere und daher geht von hier eine beſtändige innere Wärmeleitung nach andern Theilen der Erdkugel vor ſich. Weil nun zugleich alle Theile der Oberfläche durch Ausſtrahlung Wärme von ſich geben, ſo entſteht daraus in den Polargegenden, wo die Sonne nur wenig Erſatz leiſtet, ein beſtändiger Wärmeverbrauch. Auf dieſe Weiſe geht von den Polen eine unausgeſetzte Zerſtreuung der Wärme in den umgebenden Raum vor ſich und der dadurch entſtehende Ver— luſt wird durch die Wärmeeinſtrömung am Aequator ſtets wieder erſetzt.

Dieſe merkwürdige Circulation und ihre Schnelligkeit be— ſtimmt die Quantität der in der feſten Maſſe der Erde überhaupt

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und in jedem einzelnen Theile derſelben befindlichen Wärme, oder, mit andern Worten, die jedem Punkte der Erdoberfläche eigene mittlere Temperatur.

Ein ungemein günſtiges Reſultat der auf unſerer Erde be— ſtehenden Wärmegeſetze iſt: daß der Wärmezuſtand derſelben eine Gränze hat, welche nicht überſchritten wird. Daher werden die durch eine beſondere Urſache erzeugten Abweichungen vom mittleren Wärmezuſtande ſchnell wieder unterdrückt, und die Abweichungen der Jahreszeiten von ihrem gewöhnlichen Standpunkte bringen nur kleine vorübergehende Wirkungen hervor. Der Einfluß eines ſehr heißen Tages verſchwindet ſofort in der durchſchnittlichen inne— ren Wärme. Ebenſo gleicht ſich die Wirkung eines heißen Som— mers beim Durchgange ſeiner Wärme durch die Erde ſchnell aus.

Dieſe Einrichtung iſt eine ungemein weiſe, denn erfolgte die Ausgleichung im Innern nicht ſofort, ſo trüge ſich die unnatürliche Hitze oder die unerträgliche Kälte des einen oder des andern Ortes nach und nach auf alle über.

Hieraus ergiebt ſich: daß ſowohl die gegenwärtigen Ber: ſchiedenheiten des Klimas, als auch die Stabilität der Wärme an jedem einzelnen Punkte der Erde auf dem Maße, in welchem die Geſammt-Sonnenſtrahlen unter dem Aequator und an andern Stellen auffallen, und zugleich auf den Größen beruhen, welche das Maß der Leitung und Ausſtrahlung beſtimmen. Dieſe Geſetze ſind aber, wie bemerkt, ſo ausgezeichnet, daß ſie ſteigende oder zer— ſtörende Wärmeungleichheiten nirgends eintreten laſſen. Daher kommt es auch, daß das Klima ein und deſſelben Orts trotz des beſtändigen Wechſels von Regen, Wind u. ſ. w. dennoch im Ver: laufe vieler Jahre eine bewundernswerthe Beſtändigkeit beſitzt. Dieſe merkwürdige Einrichtung in Bezug auf das Klima iſt der Pflanzen- und Thierwelt auf das Genaueſte angepaßt, weshalb ſich mit den klimatiſchen Verhältniſſen auch völlig verſchiedene Pflanzenarten in verſchiedenen Ländern einfinden. Die Stetigkeit des Klimas an den nämlichen Orten iſt aber eine nothwendige Bedingung einer jeden daſelbſt einheimiſchen Pflanzen-Species, indem außerdem eine große Zahl derſelben zu n gehen würde.

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Die Organiſation der Pflanzen ift daher der Wirkſamkeit der Elemente und unter dieſen der Wärme namentlich angepaßt. So finden wir z. B. unter dem Aequator die Gewürznelke, die Mus— katenuß, den Pfeffer auf den Gewürzinſeln. Zimmtſtauden ſind auf dem Boden von Ceylon verbreitet. Das wohlriechende San— delholz, der Ebenbaum, der Thekabaum, die Bananenfeige wachſen in Oſtindien. In denſelben Breiten des glücklichen Arabiens fin— den wir den Balſam, den Weihrauch, die Myrrhe, den Kaffeebaum und die Tamarinde. Dagegen fehlen in den Ebenen dieſer Gegen— den diejenigen Bäume und Stauden, welche in unſern nördlichen Klimaten verbreitet ſind.

Gehen wir nordwärts, ſo verändert ſich die Begetabiliſche Scenerie mit jedem Schritte. In den Gehölzen weſtlich vom kas— piſchen Meere ſtellt ſich uns die Aprikoſe, Citrone, Pfirſche und die Wallnuß vor. In derſelben Breite in Spanien, Sicilien und Italien finden wir die Zwergpalme, die Cypreſſe, die Kaſtanie, den Korkbaum, Orangen und Limonenbäume erfüllen die Luft mit ihren Düften. Die Myrte und der Granatapfelbaum wachſen wild zwiſchen Felſen. Ueberſteigen wir die Alpen, ſo treffen wir im nördlichen Europa die Eiche, die Buche, die Ulme, weiter nörd— lich die Fichte, Weißtanne, Kiefer, Lärche. Auf den Orkneyinſeln giebt es nichts Baumartiges als die Haſel, welche man dann wieder an den nördlichen Küſten des baltiſchen Meeres trifft. Gehen wir weiter in kältere Gegenden vorwärts, ſo finden wir da— ſelbſt Pflanzenarten, die offenbar für dieſe Lagen gemacht ſind. Die graue Erle zeigt ſich nördlich von Stockholm; der weiße Ahorn und der Vogelbeerbaum begleiten uns bis zur Spitze des baltiſchen Meerbuſens und verlaſſen wir dieſen und gehen über das Davrefieldgebirge, fo paſſiren wir nach einander die Gränzlinien der Sproſſenfichte, der ſchottiſchen Fichte und jener kleinen Stau: den, welche die Botaniker als die Zwergbirke und die Bachweide bezeichnen. Hier in der Nähe, oder innerhalb des nördlichen Polar— kreiſes, finden wir noch wilde Blumen von großer Schönheit, den Kellerhals, die gelbe und weiße Waſſerlilie und die europäiſche Kugelblume. Und wo auch dieſe aufhören, da macht das Renn— thiermoos das Land noch für Thiere und Menſchen bewohnbar.

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Höchſt weiſe ſind die Nahrungspflanzen auf unſerer Erde vertheilt. Korn, Wein und Oel haben ihr feſt begränztes Gebiet. Der Weizen erſtreckt ſich über das ganze alte Feſtland, von England bis Tibet; allein gegen Norden hört er bald auf und gedeiht im Weſten Schottlands nicht mehr. Auch in der heißen Zone befindet er ſich nicht beſſer, als in den Polargegenden. Innerhalb der Wendekreiſe wird kein Weizen, keine Gerſte und kein Hafer gebaut, ausgenommen in Lagen, welche beträchtlich über dem Meeres— ſpiegel erhaben ſind. Die Einwohner jener Länder haben andere Arten von Korn, oder überhaupt andere Nahrungsmittel. Der Weinbau gedeiht nur in Ländern, wo die mittlere jährliche Tem— peratur zwiſchen + 10 und 12 Grad beträgt. Auf beiden Halb— kugeln hört der vortheilhafte Anbau dieſer Pflanze 30 Grad von dem Aequator auf; außer in hohen Lagen, oder auf Inſeln z. B. Teneriffa. |

Die Gränzen des Mais- und Oelbaues, in Frankreich, laufen mit denjenigen parallel, welche den Wein und das Getreide gegen Norden hin beſchränken, wo alſo die mittlere Jahrestemperatur unter ſinkt. Im Norden Italiens, weſtlich von Mailand, treffen wir zunächſt den Reisbau, welcher ſich über ganz Südaſien aus— dehnt, er gedeiht da an allen Stellen, wo das Land gehörig mit Waſſer überführt werden kann. In einem großen en Afrikas iſt die Hirſe eine der Hauptgetreidearten.

Electricität.

Es ift hier nicht der Ort weitläufig über die Electricität zu verhandeln, ſondern wir führen nur an: daß viele Körper durch Reiben u. ſ. w. in einen Zuſtand verſetzt werden, in welchem ſie kleine Papierſtreifchen aus der Ferne anziehen und dann wieder abſtoßen, von Neuem anziehen und von Neuem abſtoßen, dem in die Nähe gebrachten Finger aber im Dunkeln einen ſichtbaren, ſtechenden Funken entlocken. Dieſer raſcher oder langſamer ver— laufende Zuſtand wird der electriſche und die Urſache deſſelben Electricität genannt. Bei manchem Körper iſt die Erzeugung leicht, bei andern ſchwer. Im Bezuge auf die Ausgleichung derſelben muß man ſich dieſelbe als zwei Gegenſätze, die mit negativ und poſitiv bezeichnet werden, denken.

Wenn ſich eine Magnetnadel in ihrer natürlichen Lage gegen Nord und Süd befindet, ſo bewegen ſich electriſche Ströme auf der öſtlichen Seite derſelben herab, gehen unter ihr nach Weſt hin durch und ſteigen auf der weſtlichen Seite wieder in die Höhe. Da ſich nun die Geſammt-Erde als ein großer Magnet darſtellt, ſo finden ſich natürlich auch dieſe electriſchen von Oſt nach Weſt gehenden Strömungen auf ihr, deren Entſtehung man durch den Uebergang der Wärme in Electricität erklärt. Die Erſcheinungen wenigſtens ſprechen allgemein hierfür und laſſen hinwiederum die allgemeine Vertheilung der Electricität und des Magnetismus auf der Erde am leichteſten erklären. Während der täglichen Um— wälzung der Erde um ihre Axe von Weſten nach Oſten werden nämlich die einzelnen Theile ihrer Oberfläche in der entgegengeſetz— ten Richtung und zwar von Oſt nach Weſt den Sonnenſtrahlen

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ausgeſetzt, wodurch die Oberfläche derſelben, beſonders zwiſchen den Wendekreiſen, allmählig in letzterer Richtung erwärmt und dann wieder abgekühlt wird; hierdurch nun bilden ſich, nach den Grundſätzen der Thermo-Electricität, electriſche Ströme in derſel— ben Richtung. Fließen nun dieſe Ströme einmal von Oſt nach Weſt, ſo müſſen ſie auch zu dem Magnetismus der Erde von Nord nach Süd Veranlaſſung geben, wie dies die Magnetnadel ſo über— raſchend nachweiſt und wie wir dies oben bei der Wellenver— breitung der Wärme kennen lernten.

Die Electricität wirkt mächtig auf die Pflanzenwelt, nicht allein bezüglich der wäßrigen Niederſchläge oder der Bildung von Ammoniak und Salpeterſäure bei entſtehenden Gewittern, ſondern auch unmittelbar als die Kraft, welche den Saftumlauf und da- durch das Pflanzenwachsthum befördert.

So ungemein günſtig die Electricität beim Vegetations⸗ prozeſſe auch wirkt, ſo ſahen wir bis jetzt die dabei eintretenden Erſcheinungen doch noch nicht klar genug und das ſie umgebende Dunkel bedarf erſt der Erleuchtung, wir beſchränken uns daher auf die Verſuche, welche Becquerel l anſtellte und die zu Wochſtehen⸗ den Schlüſſen führten:

1) In den Stämmen der Gewächſe werden veimittelſt gal⸗ vanometriſcher Platinnadeln, von denen man die eine in die Rinde, die andre ins Holz ſticht, electriſche Ströme erzeugt, deren Rich— tung vom Zellgewebe nach dem Mark geht. Aehnliche Ströme werden in der Rinde erzeugt, welche im Gegentheile vom Nah— rungsſafte nach dem Zellgewebe gehen.

2) Der Saft oder die Flüſſigkeit des Rindenzellgewebes, einige Augenblicke dem Zutritte der Luft ausgeſetzt, verändert ſich in der Art: daß wenn man ihn neuerdings mit dem Safte in Be— rührung bringt, der ſich im grünen Theile des Sellgemehes befin⸗ det, er in Bezug auf letzteren negativ wird.

3) Durch Vermittlung der Wurzeln, des Marks und anderer Theile des Stengels werden erdichte Nebenſtröme erzeugt.

4) Die Richtung der erdichten Ströme zeigt: daß beim Vege— tationsprozeſſe die Erde beſtändig einen Ueberſchuß poſitiver Elec— trieität, das Zellgewebe der Rinde und der Blätter aber einen

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Ueberſchuß negativer Electricität erhält, welcher durch das ver- dunſtende Waſſer in die Luft übergeht.

5) Die Vertheilung des aufſteigenden Saftes und des Saftes des Rindenzellgewebes macht es wahrſcheinlich: daß in den Pflan— zen beſtändig Ströme in der Richtung von der Rinde zum Mark ſich bewegen.

6) Die chemiſchen Prozeſſe ſind, wie nicht zu bezweifeln, die erſten Urſachen der in den Pflanzen beobachteten electriſchen Wir— kungen, letztere ſind ſehr mannigfaltig und wurden erſt in einigen Fällen beobachtet.

7) Die einander entgegengeſetzten electriſchen Zuſtände der Pflanzen und der Erde machen es wahrſcheinlich: daß ſie in Folge der Kraft der Vegetation auf dem Feſtlande und den Inſeln einen gewiſſen Einfluß auf die electriſchen Erſcheinungen der Atmoſphäre üben müſſen.

Für letzteres finden wir einen Beleg in dem Stande und dem Zuge der Gewitter verſchiedener Gegenden. Da wo viele Waldun— gen vorhanden ſind, werden ſich gewiß viel mehr und auch groß— artigere Gewitter entladen, als in Gegenden, wo dieſelben fehlen.

Die Ausgleichung der Electricität durch die Gewitter hat einen nicht zu verkennenden Einfluß auf die Vegetation, abgeſehen davon, daß durch die Bildung von Ammoniak und Salpeterſäure eine vermehrte Fruchtbarkeit hervorgerufen wird. Die Verbindung des Waſſerſtoffs mit dem Stickſtoffe der Luft iſt weder durch Druck noch durch Hitze zu bewirken, electriſche Schläge ermöglichen es aber. Je ſtärker nun die electriſchen Ausgleichungen ſind, deſto be— deutender iſt die Bildung von Ammoniak, vorausgeſetzt daß außerdem in der Atmoſphäre die Bedingungen für die Zerlegung und Wiedervereinigung der Gasarten gegeben ſind. Bei Gewittern haben wir aber faſt ſtets Regen oder doch vielen aufgelöſten Waſſerdunſt in der Atmoſphäre. Die ſtarken Blitze bei Gewittern zerlegen nun nicht allein die Luft, ſondern auch das Waſſer, wel— ches ſie vorfinden. Der Stickſtoff der Luft verbindet ſich dann einestheils mit dem freigewordenen Waſſerſtoff zu Ammoniak und mit Sauerſtoff des zerlegten Waſſers zu Salpeterſäure.

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 3

Sauerſtoff.

Der Sauerſtoff iſt in freiem Zuſtande ein permanentes Gas und ſetzt als ſolches unſere atmoſphäriſche Luft mit zuſammen. Mit andern Grundſtoffen verbunden findet ſich derſelbe von allen Elementen am häufigſten verbreitet. Er iſt ein Beſtandtheil des Waſſers, faſt aller Erden und Gebirgsarten, welche die Erdrinde bilden und kommt mit wenigen Ausnahmen über die ganze Erde verbreitet vor. Das Sauerſtoffgas iſt farblos und beſitzt weder Geruch noch Geſchmack. Es iſt etwas ſchwerer als die atmoſphä— riſche Luft und konnte bis jetzt weder durch Kälte noch durch Druck in eine Flüßigkeit verwandelt werden. Das Sauerſtoffgas kann eingeathmet werden und wird bei dem gewöhnlichen Athmungs— prozeße fortwährend von den Lungen aus der Luft aufgenommen und dadurch der Lebensprozeß erhalten. Wie ohne das Vorhanden— ſein von Sauerſtoff kein Thier zu leben vermag, ſo wäre ohne das— ſelbe auch kein Pflanzengedeihen möglich. Schon das Saamenkorn kann bei Mangel an Sauerſtoff kein Keimchen entwickeln und ſo nöthig deſſen Vergrabung in die Erde iſt, damit es in der erſten Periode ſeines Lebens vor dem ihm nachtheiligen Sonnenlichte geſchützt wird, ſo darf dieſe jedoch nicht in zu große Tiefe ge— ſchehen, weil ſonſt der belebende Sauerſtoff nicht in dem Maaße zu ihm zu treten vermag, als es die Entwicklung des Keimchens ver— langt. Aber nicht bei der Keimung allein wirkt der Sauerſtoff ſo günſtig; er iſt auch für die Geſammtpflanzenorganiſation vollkom— men unentbehrlich.

Unſere Atmoſphäre iſt aus + Stickſtoff und + Sauerſtoff ge— mengt, wozu etwa noch 25 Theil Kohlenſäure und etwas Am—

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moniak kommen. Seitdem man den Sauerftoff durch Prieſtley hatte kennen und ſeine Wichtigkeit beim Athmungsprozeſſe verſtehen lernen, glaubte man die Güte der Luft nach ihrem Gehalte an Sauerſtoff beurtheilen zu müſſen, und ohne alle Frage iſt der Sauerſtoff eins der wichtigſten, aber wohl auch das mächtigſte Element auf der Erde, denn es bringt nicht allein das Leben, es zerſtört es auch wieder. Ueberall iſt er zu finden. Gleichwie er in gasförmiger Geſtalt mit dem Stickſtoffe unſere Luft zuſammenſetzt, ſo findet er ſich in Verbindung mit Waſſerſtoff zu einer tropfbaren Flüſſigkeit in unſerm Waſſer vereinigt. In ſämmtlichen Pflanzen und Thieren und faſt in ſämmtlichen Mineralien hat er ſeinen Wohnſitz aufgeſchlagen. In Tauſend und aber Tauſend Geſtalten verbreitet er ſich durch die Geſammt-Natur, hier zerſtörend, dort belebend. Ueberall bildet, formt und ſchafft er, um gleich daneben Geſchaffenes wieder zu zerſtören. Allen Körpern mit denen er in Berührung kommt verbindet er ſich, um ſie zu verändern. Dieſe Veränderungen belegen wir im gewöhnlichen Leben mit dem Namen Vergänglichkeit oder Zahn der Zeit.

Alle Geſchöpfe, alle Pflanzen enthalten ihn und obſchon er die Bedingung ihres Lebens iſt, ſo ſinnt er dennoch ſtets auf die Zerſtörung deſſelben, er fällt dabei aber nicht, wie der Stickſtoff, die Kohlenſäure, der Waſſerſtoff mit der Thüre ins Haus; er geht ſubtil und äußerſt bedächtig zu Werke, er reicht den Todesbecher nur tropfenweiſe und reißt er hier das Leben nieder, ſo baut er gleich daneben wieder neues auf. Haben wir unſere Freude an einem metallenen Kunſtwerke, ſiehe ſo iſt er gleich zur Hand, niſtet ſich in daſſelbe ein und verändert es vom Grund aus. Die Haus— frau ſetzt Abends ihre beſte Milch zum Frühſtück bereit, morgens findet ſie dieſelbe ſauer: der neckiſche Sauerſtoff hat ihr dieſen Streich geſpielt. Der Landwirth legt ſich für die heißen Sommer— tage einen kühlenden Trank in den friſchen Keller, zur Vorſorge verſpündet er das Faß ſorgfältig und dennoch dringt der böſe Feind in daſſelbe ein und verwandelt den Labetrunk in Eſſig.

Seine guten, ungemein wohlthätigen, fo wie feine hinter— liſtigen böſen Thaten kann der Sauerſtoff aber nicht allein für ſich

vollführen, er bedarf * einer Gehülfin und dies iſt die L 3 *

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Wärme; ohne fie ift er machtlos. Daher kann man einen Körper in der Kälte nach allen Richtungen hin mit Luft umgeben, er wird ſich eben ſo gut halten und nicht zerſtört werden, als wenn von demſelben die Luft vollkommen ausgeſchloſſen wird! Um daher im heißen Sommer Speiſen und Getränke vor dem Verderben zu ſchützen, hat man zwei Wege, nämlich die Herſtellung kalter Räume, oder den Abſchluß von Luft. Der Koch in der Hofküche, der Koch in einem großen Gaſthofe legt ſein Fleiſch, ſeine Butter u. ſ. w. in einen mit Eis gefüllten Raum eine Eisgrube er verſchließt ſeine zarten Gemüſe in einer verlötheten Blechkapſel, deren Inhalt zugleich mit ihr aufgekocht wird, um dieſelben nach Verlauf von Jahren mitten im Winter auf die Tafeln zu bringen. Niemand wird ſie von friſchen unterſcheiden können. Der Bier— brauer bedient ſich des Eiſes in ſeinem Sommerbierkeller, um ſei— nen Gerſtenſaft nicht ſauer werden zu laſſen. Der Fleiſcher hängt ſein friſch geſchlachtetes Fleiſch, ſeine eben erſt gekochten Würſte mitten im Sommer in die Sonne und in ſtarken Luftzug, damit das ausſchwitzende Eiweis, der Leim ſchnell eine Kruſte über die Oberfläche ziehe, die dem verderbenbringenden Sauerſtoffe den Zutritt verwehre; für gleichen Zweck hängt er beide in den Rauch. Der Wundarzt belegt die Wunde ſeines Patienten mit einem Pflaſter, nicht daß dieſes dieſelbe heile, ſondern daß der Sauer— ſtoff nicht zutreten und Zerſetzungen (Eiterungen) einleiten möge. Deshalb heilt eine Schnittwunde ſo ſchnell, wenn man ſie unmit— telbar nach deren Entſtehen ganz feſt zuhält.

Die Abhaltung des Sauerſtoffs von koloſſalen Elephanten der Vorwelt, die im Eiſe ander Lena in Sibirien eingefroren waren, ließ dieſe Tauſende von Jahr-Tauſenden ſo unverändert, daß Hunde ihr Fleiſch noch fraßen, als ſie aus dem Eiſe ausgeſcharrt wurden. Dieſe Unveränderlichkeit des thieriſchen Körpers hatte lediglich und allein ihren Grund darinnen: daß der Mangel an Wärme den Sauerſtoff verhinderte, ſich mit dem Waſſerſtoff, Koh— lenſtoff, Stickſtoff der Haut und des Fleiſches zu verbinden.

Dieſemnach kann ſich der Sauerſtoff nur unter Beihülfe der Wärme mit andern Körpern verbinden und aus dieſem Grunde iſt fein Bildungs- und Zerſtörungs-Trieb im Sommer auch am größten.

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Bei allen Verbindungen des Sauerftoffs findet Wärmeentwick⸗ lung ſtatt, die ſtets wieder neue Sauerſtoffverbindungen hervor⸗ ruft. Kein Verbindungs⸗Product des Sauerſtoffs kann aber fo viel Wärme aufnehmen, als der Körper vor der Verbrennung beſaß. Bei jedem ſolchen Prozeſſe wird daher Wärme frei; je mehr aber Wärme entwickelt wird, eine deſto größere Quantität des Körpers verbindet ſich mit dem Sauerſtoffe. Der Sauerſtoff aber iſt ein Gas. Wenn nun der ſich mit ihm verbindende Körper auch ein Gas iſt, dann geſchieht wegen der ungemein vielen Berührungs— punkte die Vereinigung plötzlich und die Wärme wird dabei ſo be— deutend, daß ſie als Licht hervortritt. Einen ſolchen Prozeß nennt man Verbrennung und das ſich dabei entwickelnde Licht Feuer.

Jede Verbindung eines Körpers mit Sauerſtoff iſt daher eine Verbrennung, denn allemal entſteht dabei Wärme, die den Keim des Feuers in ſich trägt; eine ſolche Wärmeentbindung wird daher auch langſames Verbrennen genannt. Die Verbindung des Eiſens mit dem Sauerſtoffe iſt aus dieſem Grunde ebenſogut ein Verbren— nungs⸗Prozeß, als das Athmen, wobei der Sauerſtoff der Luft in die Lungen geführt wird, um den überflüſſigen Kohlenſtoff im Blute zu verbrennen. Sauerſtoff iſt daher dasjenige Element, was alles Lebende durch den Verbrennungs-Prozeß wieder zu dem zu— rückführt, von wo es ausging, welcher alſo die Pflanzen und Thierleiber zu der Erde zurückführt, aus der ſie entſtanden.

Beim Schüren eines Feuers muß vor Allem ſo viel Wärme erregt werden, um etwas luftförmigen Brennſtoff zu bilden. Hier— zu ſucht man leicht Feuer fangende Materialien z. B. Schwamm aus, der vermittelſt ſtarker Reibung von Stahl und Stein ſich durch einen Stahlfunken entzünden läßt. Auch Phosphor entzün— det ſich durch Reibung leicht; der Schwefel aber iſt ein wohlfeiles und leicht in Gasgeſtalt zu bringendes Element, welches von jeher und jetzt noch ſo häufig am Zündhölzchen zur Herſtellung von Feuer benutzt wird. Bei ſeinem Verbrennen erhält man bereits eine geſteigerte Hitze, bei welcher ſich dann Stroh, klares trocknes Holz u. ſ. w. leicht entzünden läßt. Auf dieſe Weiſe kann das Feuer einen mächtigen Umfang erhalten, man darf nur dafür ſor—

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gen, daß ſtets Materialien zugeführt werden, die ſich bei Anweſen— heit von Sauerſtoff in Gaſe umwandeln.

Zur Unterhaltung eines Feuers iſt daher Sauerſtoff, Brenn— ſtoff und Wärme nothwendig; daſſelbe wird um ſo lebhafter bren— nen, je leichter ſich die Brennſtoffe in Gasform überführen laſſen. Bedeckt man daher ein Feuer und ſchneidet dadurch den Zutritt der Luft ab, ſo verlöſcht es. Ebenſo geht daſſelbe aus, wenn naſſes Holz zur Fortſchürung benutzt und die Gluth noch nicht groß genug iſt, um letzteres ſogleich dabei zu trocknen. Dieſes Verlöſchen rührt daher, daß durch die Verdunſtung des Waſſers im naſſen Holze eine zu große Menge von Wärme gebunden wird, die zum Bren— nen nothwendige hierdurch alſo abſorbirt wird. Ein ſchwaches Feuer auf einer kalten Steinplatte verlöſcht ebenfalls bald, weil ihm von dieſer die Wärme entzogen wird.

Während des Brennens muß jeder feſte Körper in Gas um— gewandelt werden, wenn Verbrennung erfolgen und ſich fortſetzen ſoll. Um daher Licht und Wärmematerial zum leichten Weiter— transporte zu erhalten, verbrennt man Feuerungsmaterial in ver— ſchloßenem Raume und fängt die Gaſe, in welche jenes zerlegt wird, auf. Dieſelben laſſen ſich dann ſowohl zur Beleuchtung, als zur Beheizung in Kochapparaten benutzen und werden Leuchtgaſe genannt. In der Technik find Kohlenſtoff und Waſſerſtoff die kräf— tigſten Brennmaterialien und finden ſich dieſelben ſowohl im Holze, als in den Steinkohlen vereinigt; beide in gehöriger Miſchung geben bei der Verbrennung mit Sauerſtoff ein ſchönes Licht, wie im Leuchtgaſe, im Fett, im Oele, in der Butter u. ſ. w., während der Waſſerſtoff für ſich nur ein bläuliches mattes Licht ausgiebt. Da nun der Waſſerſtoff im Waſſer einen Hauptbeſtandtheil aus— macht, der Sauerſtoff aber die Verbrennung jenes, mit welchem er in Waſſer vereinigt iſt, ſo ungemein begünſtigt, ſo iſt es ſcheinbar ein Widerſpruch: daß man das Feuer mit Waſſer löſcht; allein hier waltet ein anderes Geſetz vor. Jeder Körper, der aus dem feſten in den flüſſigen, der aus dem flüſſigen in einen tropfbaren Zuſtand übergeht, bindet eine große Menge von Wärme, um ſie bei dem Aufgeben dieſes Zuſtandes wieder abzugeben. Gießt man nun Waſſer ins Feuer, ſo verwandelt ſich daſſelbe in Dampf und das

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Feuer erlöſcht durch allzugroße Abgabe von Wärme an den Dampf.

Waſſer leiſtet jedoch zum Verlöſchen von Feuer nur ſo lange gute Dienſte, als letzteres noch nicht einen zu großen Umfang und eine zu große Intenſität (vielleicht Weißgluth) erlangt hat. Iſt letzteres der Fall, dann wird das Waſſer zerſetzt und ſeine Anwen— dung iſt dann ſchlimmer, als wenn man Oel in die Flamme göſſe. Bei ſehr großen und lange anhaltenden Bränden haben wir zu— weilen die Erſcheinung: daß mit Waſſer beim Löſchen nichts mehr auszurichten iſt.

Durch das hier Angegebene bekommen wir übrigens Finger— zeige über die einſtige Verwendung des Waſſers als Heizmaterial. Wenn bei dem großen in der Erde noch niedergelegten Steinkohlen— reichthum, welcher als Gradmeſſer der Billigkeit unſerer Brenn— materialien zu betrachten iſt, im Augenblicke auch noch nicht an die Zerlegung des Waſſers und die Benutzung der Wärme deſſen Waſſer— ſtoffs zu denken iſt, ſo liegt für das Menſchengeſchlecht der Zeitraum doch nicht allzufern, wo derſelbe als Brennmaterial in Haushal— tungen, in den Gewerben und der Induſtrie benutzt werden wird.

Weiter oben beim Lichte hatten wir zu ſehen Gelegenheit: daß daſſelbe die Kohlenſäure in den grünen Pflanzentheilen, namentlich den Blättern zerlege, die alsdann den Sauerſtoff, jedoch nur bei Anweſenheit von Lichtſtrahlen ausſcheiden. Allein nicht ſämmtlicher Sauerſtoff tritt ſogleich nach Außen, ſondern er ſam⸗ melt ſich in den Intercellulargängen an und entweicht von da aus zum Theil durch die Seitenporen. Der Lauf dieſes Sauerſtoff— ſtromes im Innern der Pflanze iſt ein ſehr bemerkenswerther, er geht nämlich beſtändig von den Blättern nach den Wurzeln und läßt ſich dies leicht durch einen Verſuch nachweiſen. Wenn man den mittleren Theil eines Stengels von Potamogeton in kohlen— ſäurehaltigem Waſſer horizontal der Sonne ausſetzt, ſo fieht man nach einigen Augenblicken aus dem Wurzelabſchnitte des Stengels Gasblaſen ſich entwickeln, während dieſe am andern Ende unbe— deutend und in gewiſſen Fällen gar nicht zu bemerken ſind. Dieſer Verſuch giebt, man mag dem Stengel irgend welche Lage geben, unverändert ſtets daſſelbe Reſultat.

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Es läßt ſich demnach nicht bezweifeln: daß ein Sauerftoff- ſtrom von der Spitze des Stengels nach den Wurzeln hinſtrömt. Dieſe genau feſtgeſtellte Erſcheinung muß jedenfalls einen beſon— dern Zweck haben und wir wiſſen ja aus der Pflanzenchemie: daß nicht alles was die Pflanzenzelle von Außen zugeführt bekommt, ſie in ihr eigenes Gewebe umzuwandeln vermag; es bleibt noch ein Ueberſchuß von Stoffen zurück, den ſie nicht unterzubringen weiß, der daher wieder entfernt werden muß, damit er den Funk— tionen des Lebens nicht ſtörend in den Weg tritt. Zu dieſem Zwecke bedient ſich die Pflanzenzelle eines durchgreifenden Mittels: was ihr nicht anſteht, was ſie zu ihrem Lebensprozeſſe nicht gebrauchen kann, das verbrennt ſie d. h. ſie nimmt von dem überſchüſſigen in ihr circulirenden Sauerſtoff und verändert die Körper in der Weiſe, daß ſie ſie in Kohlenſäure und Waſſerdampf, die unſichtbar ent— weichen, umwandelt, während nur die unverbrennbaren Beſtand— theile, die Erden und Salze zurückbleiben, die wir in der Aſche wiederfinden.

Um dieſe überſchüſſigen und deshalb ſchädlichen Subſtanzen zu verbrennen, muß die Pflanzenzelle aus der Luft Sauerſtoff in ſich aufnehmen, ſie kann daher auch nur in einer Atmoſphäre ge— deihen, welche Sauerſtoff enthält, die atmoſphäriſche Luft muß ſie daher von allen Seiten umgeben. Stellt man ſie in einen Raum, gefüllt mit Stickſtoff oder Waſſerſtoff, ſo iſt die Zelle nicht mehr im Stande, ihre abgenutzten und unbrauchbaren Stoffe zu ent— fernen, es wird dadurch der Lebensprozeß ins Stocken kommen und die Zelle und zuletzt die ganze Pflanze erſticken. Es findet hier alſo ein ähnlicher Athmungsprozeß wie bei Menſchen und Thieren ſtatt. Selbſt die ungemein einfachen und mikroſkopiſch kleinen Pflanzen: zellen, die Bacillaren u. ſ. w. müſſen Sauerſtoff aus dem Waſſer aufnehmen. Sie ſterben ab, wenn man den Zutritt der atmoſphä— riſchen Luft zu ihnen verhindert. Sie ſind ſelbſt ſo empfindlich, daß, wenn man ein Glas, in welchem man ſie nach Hauſe mien feſt verkorkt, ſie auf dem Wege abſterben.

Die Aufnahme von Sauerſtoff, um die überflüſſigen Stoffe in den Pflanzenzellen zu verbrennen, ſo wie das hiervon abhängige Ausathmen von Kohlenſäure, welche das Verbrennungsproduct

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dieſer Stoffe ift, bezeichnet man als Reſpiration der Pflanzenzelle. Sie iſt ihrem Weſen nach ganz mit dem Athmungsprozeſſe der Thiere übereinſtimmend und äußert ſich in allen Pflanzenzellen. Daher findet zwiſchen der Atmoſphäre und den Pflanzenzellen eine ununterbrochene Wirkung ſtatt, die jedoch in ganz verſchiedener Weiſe vor ſich geht, je nachdem das Sonnenlicht auf jene einwirkt oder nicht. Im Sonnenſchein nehmen die grünen Zellen Kohlen— ſäure auf und hauchen Sauerſtoff aus, bei trübem Wetter dagegen entziehen ſie der Atmoſphäre Sauerſtoff und athmen Kohlenſäure aus. Bei Sonnenſchein verbeſſern daher die Pflanzen die Luft auf doppelte Weiſe, indem ſie die gefährliche Kohlenſäure aus der— ſelben entfernen und indem ſie ihren Gehalt an Sauerſtoff ver— mehren. Des Nachts verderben die Pflanzen die Luft, da ihr Ath— mungsprozeß gerade in umgekehrter Weiſe von ſtatten geht; des— halb iſt am Tage der Aufenthalt im Walde bei weitem geſünder, als des Nachts.

Bis zu einer gewiſſen Gränze läßt ſich die Lebendigkeit des Wachsthums der Pflanzen meſſen durch die Sauerſtoffmenge, welche ſich bei der Vegetation entwickelt. Bei den Waſſerpflanzen aber hört die Ausſcheidung des Sauerſtoffs, die Zerſetzung der Kohlenſäure in den grünen Theilen auf, wenn die Salze fehlen, die in den natürlichen Gewäſſern enthalten ſind.

Wie ungemein vorſorglich der Schöpfer des Weltalls mit dem Begründer und Zerſtörer alles Lebendigen zu Werke ging, wie alſo das thieriſche und pflanzliche Leben auf der Erde der Zahl nach noch wachſen kann, dies ſehen wir an der außerordentlichen Maſſe von Sauerſtoff, die lediglich und allein nur mit dem Stickſtoffe unſerer Luft gemengt iſt, um die Atmoſphäre zu bilden. Letztere enthält circa 2,551,586 Billionen Pfund Sauerſtoff, der jährliche Verbrauch deſſelben durch das Athmen aller Menſchen und Thiere und durch ſämmtliche Verbrennungs-Prozeſſe beträgt 27 Billionen Pfund, oder noch nicht den Zehntauſendſten Theil der Geſammt— maſſe. Bedenken wir nun, daß der Sauerſtoff ſtets durch die Zer— legung der Kohlenſäure mittelſt der Sonnenſtrahlen in den grünen Theilen der Pflanzen wieder hergeſtellt wird, ſo iſt für die Unend— lichkeit genug dieſes Elements auf unſerer Erde vorhanden.

Waſſerſtoff, fo wie deſſen Verbindung mit Sauerſtoff zu Waſſer.

Der Waſſerſtoff iſt eine Gasart, welche in reinem Zuſtande vollkommen farb- geruch- und geſchmacklos iſt. Vom Sauerſtoff und Stickſtoffe unterſcheidet ſich derſelbe durch ſeine Leichtigkeit und Entzündlichkeit, denn er verbrennt an der Luft, wenn er an— gezündet wird.

Der Waſſerſtoff läßt ſich leicht und ſchnell darſtellen, wenn man Zinkblech oder Eiſenfeilſpäne in eine Flaſche ſchüttet und dar— über Schwefelſäure, die mit dem Doppelten ihres Gewichtes Waſſer verdünnt iſt, gießt. So bald eine ausreichende Menge des Gaſes ſich entwickelt hat, um die gewöhnliche Luft vollkommen aus dem Gefäße entfernt zu haben, verſchließt man die Oeffnung des letzteren mit einem genau paſſenden Korke, durch welchen man ein Stück eines irdenen Pfeifenrohres, oder eines Leuchtgas— brenners geſteckt hat; der ſich durch die feine Oeffnung entwickelnde Waſſerſtoffſttom kann dann mit einem brennenden Spane ent: zündet werden und brennt alsdann mit ſehr bleicher, kaum ſicht— barer Flamme. Hält man über dieſelbe ein vollkommen trocknes und kaltes großes Glas, ſo wird ſich alsbald die innere Seite des— ſelben mit einem feinen Thau befchlagen, welcher nach und nach in kleine ſichtbare Kügelchen zuſammenrinnt und endlich in der Geſtalt von reinen Waſſertropfen niederfällt. Dieſes Waſſer bildet ſich durch die Verbrennung des aus der Flaſche tretenden Waſſer— ſtoffs im Sauerſtoffe der Luft, denn während des Verbrennens verbindet ſich letzterer mit dem Waſſerſtoffe und bildet auf dieſe Weiſe wieder Waſſer. Bei der Darſtellung des Waſſerſtoffs und bei der Entzündung deſſelben iſt große Vorſicht nothwendig, denn

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bleibt im Entwickelungsglaſe etwas Sauerſtoff zurück, dann ent: fteht Knallgas, welches beim Entzünden des Waſſerſtoffs die Flaſche unter furchtbarem Knalle zerſchmettert. Der Vorſicht wegen umgiebt man dieſelbe mit einem Tuche, fo daß nur die Pfeifen⸗ rohrſpitze frei hervorragt.

Die außerordentliche Leichtigkeit des Waſſerſtoffs läßt ſich ſchön nachweiſen, wenn man das brennende Waſſerſtoffgas aus— löſcht und es dann in einen kleinen Luftballon von Fiſchblaſe oder Goldſchlägerhäutchen ſtrömen läßt, den man an die Gasröhre be— feſtigt. So bald dieſer kleine Ballon mit Gas gefüllt iſt, wird er raſch emporſteigen und dadurch nicht allein bewieſen: daß Waſſer— ſtoff nicht allein leichter iſt, als die atmoſphäriſche Luft, ſondern auch ſo viel leichter, daß er noch ſchwerere Körper mit in die Luft tragen kann. Auf der Leichtigkeit dieſes Gaſes beruht die Möglich— keit, die Luft mit dem Luftballon zu befahren, von welcher eine Nutzen bringende Ausführung nicht ausbleiben kann.

Außer dem Waſſer findet ſich der Waſſerſtoff noch in vielen andern Körpern z. B. in allen Vegetabilien, in der Stein-, Braun⸗ kohle und dem Torfe, im Oel, im Fette, im Leuchtgaſe, kurzum in faſt allem Brennbaren. Ueberall, wo er in der Luft verbrennt, bil— det ſich durch ſeine Vereinigung mit Sauerſtoff Waſſer, weshalb in allen Fällen, wo eine Verbrennung vor ſich geht, Waſſer erzeugt wird, das ſich in der Regel in Geſtalt unſichtbarer Dämpfe in der Luft emporhebt. Der Waſſerſtoff befindet ſich im Gewichtsverhält— niſſe von 11, 11 zu 88, 88 Sauerſtoff im Waſſer. Zwiſchen Luft und Waſſer herrſcht der bedeutende chemiſche Unterſchied: daß in der erſtern die Beſtandtheile nur mit einander gemiſcht, während ſie in dem letztern chemiſch verbunden ſind; wenn daher Sauerſtoff und Stickſtoff mit einander zu gewöhnlicher Luft vereinigt werden, ſo behält jedes von beiden ſeine gasförmige Geſtalt und nicht eine einzige ſeiner Eigenſchaften wird aufgehoben, allein ſo bald Sauer— ſtoff und Waſſerſtoff ſich mit einander verbinden, ſo verlieren bei dieſer Verbindung beide ihre urſprüngliche gasartige Form und ihre ſämmtlichen unterſcheidenden Merkmale, und zwar nicht allein die phyſikaliſchen, ſondern auch die chemiſchen. Das Waſſer iſt nicht mehr leicht, wie der Waſſerſtoff und auch nicht mehr brenn—

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bar. Ebenſowenig vermögen aber auch Körper mehr in ihm zu ver: brennen, wie dieſes im Sauerſtoffe ſo raſch und unter Ausſtrah— lung eines ſo glänzenden Lichtes geſchieht. Der Waſſerſtoff, wel— cher ſo leicht brennt und eine ſo ungemein große Menge von Wärme in ſich aufgenommen hat, wird, wie wir bereits beim Sauerſtoff angaben, im Verlaufe der Zeiten eine wichtige Rolle im Verbrennungsprozeſſe ſpielen und der Menſch wird ſich deſſelben nicht allein zur Darſtellung gewöhnlicher Zimmerbeheizungen, ſon— dern auch zur Hervorbringung ſehr hoher Hitzgrade bedienen.

Wenn ſich Körper chemiſch mit einander verbinden, ſo bilden dieſelben ſtets einen neuen, deſſen Eigenſchaften von denjenigen Stoffen, aus welchen ſie hervorgingen, ungemein verſchieden ſind. Sauerſtoff und Waſſerſtoff geben hierfür ein überraſchendes Bei— ſpiel. Wie muß es uns überraſchen, zu ſehen: daß der ſo leicht und raſch verbrennende Waſſerſtoff ein Hauptbeſtandtheil des Waſſers iſt, welches wir zum Auslöſchen der Flamme benutzen, für welchen Zweck wir gar kein beſſeres Mittel kennen, und daß zu— gleich der Sauerſtoff, der für das Beſtehen der thieriſchen und pflanzlichen Organismen unentbehrlich iſt, Acht Neuntel jener Flüſſigkeit bildet, in welcher nur wenige Landthiere länger als 3 bis 4 Secunden und die Landpflanzen ebenfalls nicht lange leben können. Als Gas hat der Waſſerſtoff alle mechaniſchen Eigen— ſchaften unſerer gewöhnlichen Luft und wie wir ſahen, entzündet er ſich in dieſem Zuſtande leicht. Wird er mit Sauerſtoff gemiſcht und dieſe Miſchung der Wärme ausgeſetzt, ſo verbinden ſich die beiden Gaſe plötzlich unter einer heftigen Exploſton. In der Natur kommt er nur ſelten getrennt, ſondern immer in Verbindungen vor. In Steinkohlenbergwerken, wo er zuweilen im freien Zu— ſtande aus der aufgehauenen Kohle austritt, richtet er, wenn er ſich mit Sauerſtoff miſcht und leichtſinniger Weiſe entzündet wird, die ſchrecklichſten Werwüſtungen unter der anfahrenden Mannſchaft an, indem er dieſelbe bei ſeinen furchtbaren Exploſionen entweder verbrennt, verſchüttet oder erſtickt und oft den Sauerſtoff einer ganzen Grube zu Waſſer verbrennt.

Der Waſſerſtoff iſt in Bezug auf die Pflanzenbildung ebenſo wichtig, als der Sauerſtoff, indem er, wie der letztere, einer der

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Grundſtoffe iſt, aus denen ſie zuſammengeſetzt ſind. Er macht ſei— nen Kreislauf aus der unorganiſchen Natur durch die Pflanzen hin— durch an der Seite des Sauerſtoffs, welcher in dieſelben eindrin— gend ſeinen Verbrennungsprozeß nicht allein auf den Kohlenſtoff, fondern auch auf den Waſſerſtoff ausdehnt und dann als Kohlen— ſäure und Waſſerdampf wieder aus ihnen ausſtrömt. Das tropf— barflüſſige, den Boden erquickende Waſſer, ſo wie der Waſſer— dampf der Atmoſphäre iſt es, welcher der Pflanze den Waſſerſtoff darreicht. Die meiſten Pflanzentheile, Holz, Stärke, Gummi, Zucker, enthalten Waſſerſtoff und Sauerſtoff in demſelben Verhält— niſſe, als ſich beide im Waſſer vorfinden. Bei ihrer Bildung wird daher aus den dargereichten Nahrungsmitteln, Kohlenſäure und Waſſer, Alles, mit Ausnahme des entweichenden Sauerſtoffs der Kohlenſäure, verarbeitet und umgewandelt.

Es ſei mir vergönnt, noch einen Augenblick bei denen bis jetzt beſprochenen Kräften und Elementen Licht, Wärme, Electrici— tät, Sauerſtoff, Waſſerſtoff zu verweilen. Es umſchlingt dieſelben ein inniges Band der Brüderlichkeit, keines kann ohne das andere beſtehen, denn ſtets greift eins in die Wirkungen des andern. Ohne Sonnenlicht hätten wir keine Wärme, ohne Wärme könnte der Sauerſtoff keine Verbindungen eingehen; ohne Sauerſtoff be— ſtände kein Waſſer, keine Luft, ohne Luft und Waſſer wäre kein Leben vorhanden.

An allen Orten und Enden ſucht der Sauerſtoff den Körpern das eingeſogene Licht, die eingeſogene Wärme abzujagen; in raſt— loſer Unruhe ſtrebt er ſich mit ihnen zu verbinden, um jene ſo wohlthuende Kräfte dem Menſchen dienſtbar zu machen; ſtets iſt er bereit, Erſatz zu leiſten, wenn die Sonne vermöge ihrer Stellung entweder kein, oder doch nicht hinlängliches Licht mit Wärme zu ſpenden vermag. Er iſt es daher, der unſer Feuer auf der Erdober— fläche hervorruft und unterhält, er iſt es, der die Temperatur ſo zu ſteigern vermag, daß die ſchmelzenden Erze wie Waſſer zerrin— nen, er iſt es, mit deſſen Hülfe ſie in Metall umgewandelt werden. Um ſie dem Menſchen nutzbar zu machen, ſchont er ſich ſelbſt nicht, nimmt Kohle und Waſſerſtoff zur Hand und treibt ſich aus den Dryden heraus.

Waſſer und Waſſerdunſt.

Das Waſſer, aus 88, Sauerſtoff und 11,1 Waſſerſtoff be: ſtehend, iſt in drei verſchiedenen Zuſtänden, nämlich als Eis, als tropfbare Flüſſigkeit in dem Meere, den Landſeeen, den Strömen, Flüſſen, Bächen, Quellen und den Wolken, und als Dunſt (Waſſerdampf) in der Atmoſphäre, über die ganze Erde verbreitet. Nur als tropfbare und dunſtförmige Flüſſigkeit wirkt es günſtig auf die Pflanzenwelt, als Eis ſtört es dieſelbe.

Je nachdem es erdige oder ſalzige Körper aufgelöſt enthält, iſt es mehr oder weniger rein. Am meiſten fremdartige Beimeng— ungen enthält das Meerwaſſer und die Mineralquellen, reiner ſind die Flußwaſſer, am reinſten das Schnee- und Regenwaſſer, welch letzteres, wenn es ſogleich nach dem Herabfallen aufgeſam— melt wird, keine andern Stoffe als etwas Staub, etwas Kohlen— ſäure, etwas kohlenſaures Ammoniak und Spuren von Salpeter— ſäure enthält, letztere aber nur dann, wenn der Regen bei Gewit— tern gefallen war.

Wird in der Atmoſphäre enthaltener Waſſerdunſt durch kältere Luft abgekühlt, ſo verdichtet er ſich zu Nebeln und Wolken. Von dieſer Verdichtung finden wir in unſeren Haus wirthſchaften ſtets Beweiſe an Fenſtern, Wänden und Gefäßen. Tragen wir z. B. aus einem kälteren Raume ein Glas in eine warme Stube, ſo wird daſſelbe trübe; war es ſehr kalt, ſo ſetzen ſich eine Menge kleiner Tröpfchen, die endlich zuſammen- und am Glaſe herunter— laufen, an demſelben ab. Die Urſache hiervon liegt in dem Unter— ſchiede der Temperatur der Stube und des Raumes in welchem ſich das Glas zuerſt befand und es iſt hierauf das Geſetz begrün—

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det: daß die Luft um fo mehr Waſſerdunſt enthalte, je wärmer ſie iſt.

Auf dieſem Verhältniſſe beruht zugleich auch die Urſache der Wolkenbildung, des Regens, des Nebels und des Schnees.

Durch poröſe Körper wird der Waſſerdunſt ebenfalls in Waſſer verwandelt, oder er wird von feſten und flüſſigen aufge— ſogen. Ganz vorzüglich ſind es, außer aufgelockerten Bodenarten, die Pflanzen und unter dieſen wieder die Bäume, welche ſich als Waſſerſauger auszeichnen.

Das Waſſer läßt ſich mit vielen Flüſſigkeiten vermiſchen; es löſt eine Menge feſter und gasförmiger Körper und bildet mit ihnen eine vollkommen gleichartige, durchſichtige Flüſſigkeit. Es nimmt aber bei jeder Temperatur nur eine gewiſſe Menge derſelben auf und iſt dann mit dieſem Stoffe geſättigt, dabei behält es aber die Fähigkeit von vielen andern zugleich noch welche aufzulöſen. Die auflöſende Kraft des Waſſers ſteigert ſich in der Regel mit der Zunahme der Temperatur deſſelben und gerade hierinnen liegt die ſo ungemein günſtige Einwirkung auf die Vegetation.

Das Waſſer bildet einen Hauptgemengtheil aller Pflanzen— und Thierkörper und findet ſich daher in chemiſcher Bindung faſt in allen organiſchen Stoffen.

Gerade wie das Herz der Sammler und Verbreiter der rothen Flüſſigkeit des Blutes iſt, durch welches lediglich und allein das Leben der Menſchen und Thiere erhalten wird, ſo lange das— ſelbe in richtiger chemiſcher Miſchung und hinlänglicher Menge die Adern durchſtrömt, gerade ſo bedingt das Meer, die großen Landſeeen, die Ströme, Flüſſe und Bäche durch ihre Verdunſtung das Leben und das Wohlbefinden der Thiere und Pflanzen auf dem Feſtlande.

Nicht vergebens iſt daher das Meer zu 2 gegen 4 des Feſt— landes über unſere Erde verbreitet, nicht vergebens iſt letzteres mit einer großen Zahl von Strömen, die ſich in Flüſſe und dieſe in Bäche verzweigen, in allen Richtungen durchſchnitten, welche ihren Zufluß aus einer unzählbaren Menge allerwärts aus dem Boden hervorbrechender Quellen ſchöpfen. Nicht vergebens ſind im In— nern der Continente zahlreiche und oft recht ausgedehnte Land—

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ſeeen verbreitet; nicht vergebens iſt die ganze Atmoſphäre in über: aus großer Menge, ſei es in ſichtbarer Geſtalt als Nebel oder Wolken, ſei es unſichtbar als aufgelöſter Waſſerdunſt, mit Waſſer geſchwängert. Keine Pflanze kann ohne reichliche Zufüh— rung von Waſſer leben, ſie verkümmert, hat ſie deſſelben nicht ge— nug, ſie vertrocknet und ſtirbt ab, wenn ihr daſſelbe fehlt. Schon längſt bewieſen die Phyſiologen: daß die Pflanzen der Erde ver— ſchiedene und unter dieſen auch feſte Stoffe entzögen, die man nach dem Verbrennen in der zurückbleibenden Aſche vorfinde. Das— ſelbe thun die Pflanzen mit gasförmigen und feſten Stoffen aus dem der Ackerkrume übergebenen Dünger; woher anders ſollte ſonſt die günſtige Einwirkung deſſelben auf die Gewächſe rühren?

Zur Ueberführung dieſer gasförmigen, tropfbarflüſſigen und feſten Nahrungsſtoffe dient das Waſſer, welches dieſelben löſt und ſie dadurch geſchickt macht, von den ungemein kleinen, kaum mit ſcharfbewaffnetem Auge erkennbaren Sauggefäßen der Wurzeln aufgenommen und in die Pflanze übergeführt zu werden. Bei trocknem Boden liegt eine ausreichende Zuführung durch Waſſer nicht in der Möglichkeit, deshalb muß die Erde, in welcher Ge— wächſe gedeihen ſollen, beſtändig feucht ſein. Je nach den ver— ſchiedenen Gemengtheilen der Ackerkrume wird die Feuchtigkeit mehr oder weniger von derſelben zurückgehalten; ſo groß aber auch die Zurückhaltungskraft iſt, ſo bedarf die Pflanze zu ihrem Wachs— thume doch täglich eine zu große Menge von Waſſer, welches alſo eine fortwährende Zuſtrömung unbedingt nothwendig macht. Dieſe geſchieht nun entweder durch Regen, oder durch Aufſaugung des in ſo unberechenbarer Menge in der Atmoſphäre enthaltenen Waſſerdunſtes entweder unmittelbar durch den Boden, oder durch die auf ihm ſtehenden Gewächſe, namentlich durch Bäume.

Da die meiſten Nahrungsſtoffe und unter dieſen die feſten nur in geringen Mengeverhältniſſen und mehrere derſelben nur durch vorhergehende chemiſche Prozeſſe löslich ſind, ſo muß die Quantität des Waſſers, die den Pflanzen täglich durch die Wur— zeln zugeführt wird, eine ungemein reichliche ſein.

Der Hauptnahrungsſtoff, die Kohlenſäure, iſt im Waſſer leicht löslich. Beim Durchgange durch den Boden nimmt daher

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letzteres dieſelbe zugleich mit ein wenig Ammoniak, Kali, Phos— phorſäure, Kieſelerde u. ſ. w. in geringer Menge auf, die Saug⸗ ſpitzen der Wurzeln erfaſſen die ſchwache Löſung und führen ſie zu— erſt den äußern, dann den innern Zellen zu. Hier geſchieht die Miſchung mit dem in den Blättern bereits verarbeiteten Safte und die Pflanze, die gleichſam nur aus Saugapparaten Zellen die mit Flüſſigkeit von verſchiedener Natur in mannigfachen Sät— tigungsgraden erfüllt ſind, beſteht, lagert nun die nutzbaren, zur Ausbildung nöthigen Stoffe in um ſo reichlicherer Fülle ab, je wärmer die Jahreszeit iſt und je intenſiver das Sonnenlicht auf ſie einwirkt. Das reine zurückbleibende Waſſer tritt dann in Dunſtform wieder in die Atmoſphäre, um Nachts mit friſchen Zu— fuhren aus letzterer von Neuem aufgeſogen zu werden.

Hauptſächlich ſind es die jungen in Entwickelung begriffenen Zellen, in welchen ſich die dichteſten Nahrungsflüſſigkeiten am reichlichſten vorfinden und ebendahin ſtrömt auch der meiſte Saft, um die Pflanze raſch zur Ausbildung zu bringen. 5

Werfen wir unſere Blicke nach Gegenden hin, wo die Oert— lichkeit feuchte Luftſtröme nicht eindringen läßt, oder wo die Luft ihren Waſſergehalt bereits an Gebirge und Wälder abgetreten hat, ſo zeigt ſich: daß wenn die von der Regenzeit her noch vor— handene Feuchtigkeit durch die Einwirkung der Sonne oder durch trockene Winde verſchwunden iſt, die im friſcheſten Grüne pran— gende Vegetation bald in ein düſteres Braun übergeht. Die Gegend wird dann öde und geflohen von allen Thieren.

Es giebt in der heißen Zone und im hohen Norden Gegen— den, wo das Waſſer ganz fehlt, dort verſchwindet aber auch alle und jede Vegetation. Auf viele viele Meilen Wegs gewahrt das Auge dann nicht einmal ein Gräschen. Verſetzen wir uns nur nach der Wüſte Sahara, in die öden Steppen der Mongolei, in einen großen Theil von Arabien, ſo werden wir das eben Geſagte beſtätigt finden. In warmen Gegenden kann theilweiſe durch ſorgſame Zuführung von Waſſer aus vorhandenen Flüſſen und Bächen eine große Fruchtbarkeit in ſolch dürren Steppen erzielt werden und haben es in Bezug hierauf die Chineſen ſehr weit gebracht, indem fie nicht allein ihre Reisfelder überrieſeln,

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 4

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ſondern auch ihre Bodenflächen, auf denen Cerealien erzogen wer- den, vor der Ausſaat bewäſſern. Auch die Bewohner Oberitaliens bedienen ſich der Alpengewäſſer zur Befruchtung ihrer Felder und haben jenen den Haupttheil an deren ſchwelgender Fruchtbarkeit zu verdanken. Allein dies ſind nur Einzelheiten und es iſt und bleibt außer dem Regen der Waſſerdunſt der Atmoſphäre die wirkſamſte Quelle für das Wachsthum und Gedeihen aller Vege— tabilien.

Ohne beide würde die Erde nur eine große Wüſte darſtellen, denn nur durch Waſſer können die Beſtandtheile jener gelöſt wer— den. Ohne dieſen Lebensſaft wäre Alles ſtarr, keine Blume, keine Frucht könnte unſer Auge, unſere Geruchsnerven, unſern Gaumen ergötzen und laben. Da, wo es ſelten und deshalb ſo ſichtbar als Erhalter des Pflanzen- und Thierlebens hervortritt, da weiß man es aber auch zu ſchätzen. Mit welchem Pompe, mit welch religiös erhabener Feierlichkeit werden die ſteigenden Fluthen des Nils in Aegypten begrüßt! Wie gläubig verehrten die alten Indier ihren Waſſergott Wiſchnu, den ſie ſich in einem Paradieſe ſhlafknd dachten, während der 4 Monate langen Regenzeit! ö

Um die Gewinnung und das Gedeihen der Brodfrüchte dreht ſich das Geſammtleben aller civiliſirten Volksſtämme. Mit ebenſo geſteigerter Freude, mit ebenſo bangen Erwartungen be— obachten ſie das Wachsthum derſelben. Das Menſchengeſchlecht müßte ausſterben, träte eine Stockung in der Zuführung des Waſſers durch Regen und Waſſerdunſt in unſerer Atmoſphäre ein. Kein Saamenkorn würde mehr keimen, kein Keim ſich zur Blatt— und Halmbildung erheben. Wo läge dann eine Körnerbildung in. der Möglichkeit? |

Wie groß die Quantität Waſſer ift, welche die Pflanzen zu ihrem Wachsthume bedürfen und wie daſſelbe hauptſächlich in Dunſtform in die Pflanzen übergeführt wird, dies wollen wir bier durch ein Beiſpiel erläutern.

Man ſäete Hafer in ein Gefäß von 1 Fuß Seffnung, ftellte daſſelbe vor Regen geſchützt auf eine Wage, berechnete, wie viel Waſſer täglich durch Verdunſtung beim Wachsthume verloren ging und fand nach vielfach fortgeſetzten Verſuchen: daß auf einem

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mit Pflanzen beſtandenen Acker von 40000 Quadrat⸗Fuß Flächen⸗ gehalt, während der 4 Monate, wo die Vegetation am lebhafteſten iſt, 3 Millionen Pfund Verdunſtungswaſſer aufgehen; ſo daß alſo die auf einem Quadrat-Fuß Flächenraum lebenden Pflanzen täg— lich 20 Loth Verdunſtungswaſſer verbrauchen.

Die Niederſchläge, welche wir bei unſern klimatiſchen Ver— hältniſſen durch Regen des Jahrs über zugeführt bekommen, be— tragen: |

für Göttingen 24, Zoll. Berlin 19,6 Karlsruhe 25, Tübingen 24 5 Regensburg 21 1 Augsburg 36, „Prag . a Wien .

Im Durchſchnitte fällt daher in dieſem Bezirke eine Regen— quantität, die gleich der Höhe einer Säule von 223 Zoll iſt.

Nehmen wir nun an, daß durch raſchen Abfluß bei ſtarkem Regen und durch Verdunſtung in den übrigen 8 Monaten über die Hälfte aus dem Boden verſchwindet, ſo bleibt für die ange— nommene Vegetationszeit von 4 Monaten eine Waſſer-Quantität von circa 10 Zoll Höhe und müſſen daher täglich mindeſtens noch 9 Loth Waſſer aus dem Dunſte der Atmoſphäre denen auf einem Quadrat⸗Fuß wachſenden Hafer-Pflanzen zugeführt werden.

Bei weitem großartiger geſtaltet ſich dieſe Zuführung aber bei größeren Gewächſen, namentlich bei Bäumen. Nehmen wir einen ſolchen, der wegen ſeiner ſchwellenden Laubfülle mindeſtens gleichviel Verdunſtungswaſſer auf gleichem Flächenraum ver— braucht, zum Beiſpiele.

Geſetzt derſelbe beherrſche eine Fläche von 700 Quadrat-Fuß als Aufſaugungsraum, ſo würde er während ſeiner 7monatlichen Vegetations-Periode ein Waſſerquantum von 93518 Pfund in Anſpruch nehmen. Durch Regen wird ihm in dieſer Zeit aber nur circa 40000 Pfund übergeben, und er hat daher über 50000 Pfund Waſſer aus dem Dunſte der Atmoſphäre aufzufaugen.

4 *

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Wir haben bei der Wirkung des Sonnenlichtes auf die Vege— tation in Erfahrung gebracht: daß wenn im Sommer die Atmo— ſphäre ſtark mit Regenwolken gefüllt ift, die Zerlegung der Kohlen— ſäure durch die Sonnenſtrahlen nicht ſo vollkommen und nicht ſo raſch vor ſich zu gehen vermag, als bei klarem heiterem Himmel. In der Abhandlung über den Stickſtoff ſahen wir aber: daß ſich bei höheren Temperaturgraden das zum Gedeihen der Pflanzen unumgänglich nothwendige Ammoniak in größerer Menge zu bil— den vermöge und daß ſich hieraus beſſere Fruchterträgniſſe ergeben. So eben erſahen wir aber: daß durch den in unſerer Atmoſphäre verbreiteten Dunſt eine ungemein große Waſſermenge in die Pflan— zen übergeführt wird. Unbedingt iſt letztere Ueberführungsweiſe dem Regen vorzuziehen, denn derſelbe kann nur aus einem ſtark bewölkten Himmel herabfallen, bei dem die Sonnenſtrahlen nicht erregend und zerlegend auf die Vegetabilien einzuwirken vermögen.

Außerdem erniedrigt ſich bei anhaltendem Regenwetter auch die Temperatur. Es werden daher durch beide ungünſtige Um— ſtände nicht allein zwei Hauptagenten des Pflanzenlebens, Licht und Wärme in ihrer Wirkung bedeutend geſchwächt, fenen Ger dies noch die Ammoniakbildung vermindert.

Daß bei beſonders günſtigen Jahren, wo die Atmoſphäre viel Waſſerdunſt aufgelöſt enthält, die Zuführung von Waſſer in die Pflanzen durch jenen lediglich und allein, auch ohne Regen be— wirkt werden kann, davon haben wir auch bei uns zuweilen Bei— ſpiele. Im Jahre 1811 wurde an manchen Orten Gerſte geſäet und eingeſcheuert, ohne daß ein Tropfen Regen auf ſie gefallen wäre, und dennoch war in jenem Jahre ſowohl der Körner- als Stroh⸗Ertrag ein ſehr geſegneter.

Weiter oben berührten wir bereits, was das Waſſer für einen eigenthümlichen Kreislauf vom Meere durch die Luft zur Erde und umgekehrt von hieraus wieder zum Meere nehme. Die Sonne, das allbelebende Prinzip, zieht mit Leichtigkeit den Dunſt aus demſelben auf, läßt ihn in kälteren Regionen der Luft entweder zu Wolken gerinnen, die gewaltige oder ſanfte Winde über alle Länder verbreiten, um ſie als Regen, Schnee und Nebel auf ſie niederzulaſſen, oder er wird als perlender Thau von der Erde und

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den Gewächſen begierig aufgeſogen. Haſtig verſchlingt die Mutter— Erde dieſen Labetrunk, in Tauſend und aber Tauſend Rieſelchen treibt ſie ihn herum, in feine Gebirgsſpalten ſchiebt ſie ihn ein, um ihn gekühlt und gereinigt als ſprudelnde Quelle, zur Labung von Menſchen, Thieren und Pflanzen, von Neuem auf der Erde erſcheinen zu laſſen. Die Quellen geſtalten ſich zu Bächen, die Bäche verſammeln ſich zu Flüſſen, die Flüſſe zu Strömen und dieſe tragen das Waſſer in das unendlich große Becken, von wo aus ſich dieſer Kreislauf ewig erneut.

Zwiſchen dem Waſſer, dem Sauerſtoffe und Waſſerſtoffe, dem Sauerſtoffe und Kohlenſtoffe findet ein ununterbrochener Kreis— lauf ſtatt. Beim Athmen, beim Verbrennen vereinigen ſich Waſſer— ſtoff und Sauerſtoff zu Waſſer, beim Vegetationsprozeſſe wird Waſſer, wird Kohlenſäure zerlegt. Iſt Waſſerſtoff und Sauerſtoff wieder zu einer Flüſſigkeit vereinigt, dann beginnt der große Kreis— lauf von Neuem, durch den es leicht möglich wird: daß wir im Augenblick einen Theil desjenigen Waſſers trinken, von welchem Moſes bereits in der Wüſte trank, daß unſere Kinder mit einem Theile desjenigen getauft werden, mit dem Johannes am Jordan taufte. Die Natur kennt keine Vernichtung, ſtets wird das körper— lich Zerlegte von Neuem wieder zuſammengeſetzt und nicht das ge⸗ ringſte Stäubchen geht verloren.

Die Gipfel der Gebirge erſcheinen oft wochenlang in Wolken eingehüllt, die anſcheinend ruhig über ihnen hängen, allein auch in ihnen iſt ſtets Bewegung, ſie entfernen ſich, werden aber in den naheliegenden warmen Luftſchichten ſofort wieder aufgelöſt. Im Gebirge ſelbſt laſſen ſie aber ſtets Feuchtigkeit, Regen oder Schnee, niederfallen. Alle Gebirge ziehen auf dieſe Weiſe große Maſſen von Feuchtigkeit aus der Luft, um ſie als Quellen, Bäche und Flüſſe nach dem vorliegenden flachen Lande auszuſenden. Je be— waldeter die Gebirge ſind und je mehr Saugfähigkeit ihre Geſteine in Bezug auf das Waſſer beſitzen, um ſo bedeutender werden die Niederſchläge fein. So find z. B. Baſalte, Diorite, und andere Gebirgsarten von ähnlicher Zuſammenſetzung ſtarke Waſſerſauger. Deshalb finden wir dieſelben nicht allein ſo häufig in Nebel ein— gehüllt, ſondern an ihrem Fuße auch zahlreiche und ſtarke Quellen.

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Eine Hauptrolle ſpielen aber die Waldungen bezüglich der Aufſaugung von Waſſerdunſt. Sie bewirken dies nicht allein durch die Auflockerung des Bodens vermittelſt der Ausſendung einer bedeutenden Zahl ſtärkerer und ſchwächerer Wurzeln, ſondern auch durch eine große Zahl kleinerer Gewächſe, namentlich der Mooſe, die unter ihrem ſchattigen Dache, ſelbſt an ſteilen Wänden, den raſchen Abfluß der ſich aus der Atmoſphäre niederſchlagenden Ge— wäſſer verhindern; überdies verhüten ſie das leichte Eindringen der Winde, welche die Feuchtigkeit ſo leicht zerſtören, und mäßigen durch ihr ſchützendes Laubdach die einſtrömende Wärme. Die Sonnenſtrahlen, durch jenes aufgehalten, können ebenfalls an auf die Bodenfeuchtigkeit einwirken.

Die Wurzeln der Bäume fenden das Waſſer durch den Stamm, die Aeſte und Zweige in die Blätter, von welchen es bei Tage wieder in die Atmoſphäre ausgehaucht wird. Hierdurch er— hält ſich die Luft in den Wäldern ſtets feucht und der Thau iſt da— her für ſie und die umgebenden Felder in reichlicherer Menge vor— handen, als auf waldloſen Feldflächen.

Ungemein günſtig auf die Zurückhaltung von Luftfeuchtigkeit wirken auch die Humus und Humusſauren-Verbindungen, welche in großer Reichhaltigkeit über gut beſtandene Waldungen verbreitet ſind. Dieſe ſaugen das atmoſphäriſche Waſſer wie ein Schwamm in großer Fülle auf und geben es nicht früher ab, bis bei größerer Wärme im Sommer die Zerlegung dieſer Verbindungen welche ungemein günſtig auf das Wachsthum der Pflanzen einwirken, zumal wenn die Säuren neutraliſirt werden, vor ſich geht. Bei dieſer Zerlegung bildet ſich eine große Menge von Kohlen— ſäure. Das an den Humus gebundene Waſſer wird frei, nimmt einen Theil der Kohlenſäure auf und führt ihn in die Vegetabilien über, einen kleinen Theil derſelben reißt es aber mit unter die Erde, der mit dem Quellwaſſer vermiſcht demſelben das köſtlich Erfriſchende ertheilt. |

Alle Bedingungen zur Bildung von atmofphärifchen Nieder: ſchlägen treffen daher über bewaldeten Flächen zuſammen, wäh— rend ſie den unbewaldeten fehlen. Das Abtreiben großer Wälder iſt daher mit Vorſicht vorzunehmen, indem dadurch ausgedehnte

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Feldflächen unfruchtbar gemacht werden; denn ſelbſt wenn über ſolche Gegenden mit Waſſerdampf geſättigte Luft und Wolken ſtreichen, kann aus denſelben dennoch ſo leicht ein Niederſchlag nicht erfolgen, vielmehr werden die Wolken, wenn ſie ſich auch herabſenken, in dieſen warmen Regionen wieder aufgelöſt, denn warmer trockner Boden ſtößt die Feuchtigkeit ab. Wo aber die Temperatur durch den Einfluß der Wälder gemildert und die Luft durch das ununterbrochen verdunſtende Waſſer ohnehin mit Feuch— tigkeit reichlich geſchwängert iſt, wird ſie durch die herabſteigende Wolke vollkommen geſättigt und die Folge davon iſt ein erfriſchen— der Regen. Das alte Sprichwort, Wälder ziehen den Regen an, iſt daher eben ſo richtig, als daß es im Gebiete großer Ströme häufiger regnet. Ebenſo hört man häufig ſagen: die Gewitter ſind in dieſer oder jener Gegend viel ſeltener geworden, und hängt auch dies von der Abholzung größerer Wald-Bezirke, Entſumpfungen von Moräſten und Trockenlegung großer Teiche ab.

Beobachten wir bei regneriſcher Witterung einen Gebirgszug aufmerkſam, ſo nehmen wir wahr: daß ſowohl die Wolken als der Regen und die Gewitter ſeiner Kette folgen. Nach langer Trockenheit iſt dies unverkennbar.

Der Regen tritt dann erſt in die Ebene über, wenn das Ge— birg gehörig geſättigt iſt. Es hat dies ſeinen Grund darinnen: daß in der feuchteren Atmoſphäre, welche über das Gebirg und denen über daſſelbe ausgedehnten Waldungen verbreitet iſt, die Regenbildung ungemein begünſtigt wird. Entfernet ſich eine Wol— kenparthie von demſelben und tritt hinüber in eine ausgetrocknete wärmere Ebene, ſo wird ſie durch die dort befindliche Wärme in Waſſerdunſt aufgelöſt und dauert dies ſo lange, bis ſich auch dort die Luft mit einer ausreichenden Waſſermenge geſchwängert hat.

Wir ſahen: daß die unendliche Zahl von Zellen in den Blät— tern, den Zweigen, dem Holze und den Wurzeln der Bäume die Urſache der großen Saugfähigkeit für den Waſſerdunſt ſei; wir ſahen: daß die Mooſe, der Humus, die Humusſauren Verbin- dungen in den Wäldern das Waſſer zurückhielten und ſchrieben dieſe Erſcheinung dem Nichteindringen von Winden, von Wärme von Sonnenſtrahlen in dieſelben zu. Wenn hieran auch etwas

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Wahres iſt, ſo hat die ſelbſt bei trockener Witterung anhaltende Feuchtigkeit der Wälder doch einen andern Grund. |

So ſtark und kräftig nämlich die Bäume mit ihren vielen Zellen auch die Waſſerſaugung bewirken, fo werden fie darinnen doch vom aufgelockerten Erdreiche übertroffen, ſo lange daſſelbe nicht zu ſehr ausgetrocknet, alſo kühl gehalten iſt und eine günſtige Miſchung mit Thonerde in ihm ftattfindet. Die Aufſaugung von Waſſerdunſt wird daher durch die Blätter der Bäume des Nachts erregt und durch die Zweige, Aeſte, den Stamm und die Wurzeln in den lockern durch Winde ſtets in dieſem Zuſtande erhaltenen Boden fortgeſetzt. Derſelbe bildet dann ein Reſervoir, aus welchem des Tags über nicht allein die Pflanze ihr bedeutendes Quantum von Waſſer zur Ueberführung und Ausbildung der erforderlichen Nahrungsſtoffe, ſondern aus welchem auch ein großer Theil zur Quellenſpeiſung entnommen wird. Daß Waldungen mit ihren Bäumen beides bewirken, dies wollen wir uns an einem DER deutlich zu machen ſuchen. i

Wir finden, und zwar gerade zu der Zeit, wo das Wel Leben bei den Bäumen ſehr hoch ſteht, wo alſo ſehr viel Waſſer für ſie nöthig iſt, den geringſten Niederſchlag durch Regen aus der Atmoſphäre. Nehmen wir nun das früher beregte Beiſpiel: daß ein Baum, der eine Bodenfläche von 700 Quadrat-Fuß beherrſcht, für eine 7monatliche Vegetationszeit 93518 Pfund Waſſer ver— braucht; nehmen wir gleichzeitig an: daß es in der warmen Jahres— zeit oft länger als 4 Wochen nicht regnet, ſo müßte, bei dem ſtarken Waſſerverbrauche des Baumes, der Boden um ſeine Wurzeln herum ſo von Feuchtigkeit entblößt werden, daß nicht allein ein Abſterben deſſelben, ſondern daß auch die Vertrocknung der in ſei— ner Nähe befindlichen Quellen es verſteht ſich dies nur von einer größeren Waldung die Folge fein würde. Der Waſſer⸗ verbrauch beſteht für dieſen Fall auf die angegebene Zeit aus 13000 Pfund und trotzdem bleibt deſſen Umgebung, bleibt das über feinen Wurzeln wachſende Moos faſt eben fo feucht, als bei Regenwetter, ja es behalten ſogar die Quellen daſſelbe Waller: quantum bei; da nun dem Boden in dieſer langen Zeit kein Regen, ja nicht einmal Thau zufloß, denn in dichten Waldungen finden

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wir den Boden niemals bethaut, wenn ſich die Spur des Waſſer— dunſtes auch noch ſo reichlich auf dem Blätterdache der Bäume nie— derließ, ſo dürfen wir mit Sicherheit annehmen: daß die Bäume lediglich und allein dem Boden die ungemein große Menge von Waſſer aus dem Dunſte der Atmoſphäre zuführen. Daher finden wir auch die Mooſe in dichten Waldungen in den trocknen Som— mermonaten faſt ebenſo feucht, als bei Regenwetter, während im Herbſte, wo der Laubſchmuck der Bäume gefallen, die vermittelnde Aufſaugung alſo aufgehört hat, trotz der feuchteren regneriſchen Witterung daſſelbe oft trockner, als in jener Zeit iſt.

5 Die Bäume mit ihren weit ausgebreiteten Aeſten, mit ihren och in die Luft tretenden Gipfeln ſind daher gleichſam als Saug— maſchinen für den umgebenden Boden, zugleich aber auch als Speiſer der Quellen in der warmen Jahreszeit anzuſehen, ſie ſind die Sammler und Zuführer der Feuchtigkeit, ohne welche unſere Culturpflanzen nicht beſtehen können. Je mehr daher eine Gegend mit recht kräftig beſtandenen Waldungen verſehen iſt, deſto reich— licher werden deren Quellen, deſto größer aber auch ihre Frucht— barkeit ſein. Großer Waſſer- und Waldreichthum wirkt aber auch auf das Klima zurück und wit ſehen nach Abtreibung bedeutender Waldungen nicht allein viele Quellen und Bäche verſiegen, ſo daß man öfters auf Grundmauern von Mühlen trifft, wo jetzt nur eine trockene Bachrille liegt, ſondern auch viele Flußgebiete haben viel weniger Waſſer. In manchen Bezirken Deutſchlands wurden in. früheren Zeiten, wo die Waldungen noch üppiger wucherten, gute Weine gebaut, wo jetzt die Traube in den beſten Jahren nicht mehr reift; außerdem hören wir noch vielfach die Klage: daß die Körner⸗Erträgniſſe in manchen Feldbezirken geſunken ſeien.

Mit Sicherheit kann man daher den größten Theil der Schuld den Lichtungen der Waldungen zuſchreiben. Wie vermindernd die— ſer Umſtand bereits in Amerika einwirkt, ſehen wir aus Berichten der Vereinigten Staaten, wo z. B. in Neu-England im Jahre 1840 ſich die Weizenerzeugung noch auf 1,126,000 Scheffel belief, während ſie 1850 auf 675,000 herabgeſunken war. Dort wandert der Weizenbau immer weiter nach Weſten, wo die Farmer mit der

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Art dem Urwalde ein friſches Stück Land abgewinnen und ihren Pflug mühſam zwiſchen den Stöcken rieſiger Bäume hindurch— führen; dagegen wird der Neu-Engländer gezwungen, ganz andere Früchte zu cultiviren.

Großer Ueberfluß an Waſſer in einem Lande, zahle . ſeeen, Teiche, Sümpfe und Moorgründe, ausgedehnte Waldun— gen, die die atmoſphäriſchen Gewäſſer anziehen und zurückhalten, um ſie allmählig auf dem Wege der Verdunſtung in die Luft zu zerſtreuen, äußern wie das Meer ihren Einfluß auf das Klima. Durch das Austrocknen von Sümpfen und das Lichten der Wäl— der geht, wie wir bereits ſahen, eine große Menge von Ber: dunſtungswaſſer verloren und die Bodenfläche wird der unmitte baren Einwirkung der Sonne ausgeſetzt; die Temperaturgränzen rücken dadurch mehr und mehr auseinander, die Sommer erhalten zwar wärmere Tage, die Herbſte dagegen kühlere und die Winter werden kälter, ohne daß dadurch eine Aenderung in der Geſammt— Einwirkung der Sonne einträte. Die nach und nach erfolgte Um— wandlung des Klimas vieler ſeit Jahrtauſenden bewohnten Ge— genden erklärt ſich dadurch vollkommen. Wir ſehen dies an Aegyp⸗ ten. Wäre jenes Land mit Waldungenüberdeckt, fo würden häufigere. atmoſphäriſche Niederſchläge, ein gemäßigteres Klima und ver⸗ mehrtere Fruchtbarkeit der Theile, die von der Ueberſchwemmung des Nils verſchont bleiben, daſelbſt getroffen werden. Jetzt ſchwankt dort die Temperatur zwiſchen 9 und 47°, die Sonnenhitze würde bei weitem nicht ſo unerträglich, der Weinbau würde daſelbſt wie— der zu derſelben Höhe wie vor 3000 Jahren zu bringen ſein, wären große Waldungen vorhanden. Marmont erzählt: daß in Ober-Aegypten noch vor 80 Jahren ziemlich häufig Regen fiel. Seitdem aber die Araber die Bäume auf den Bergen an der Gränze des Nilthales, gegen Libyen und Arabien hin, ausrodeten, hörten die Regen auf und die Wieſen wurden zu öden Steppen. In en ere hat man Gelegenheit die umgekehrte Erſcheinung zu beobachten. In Kairo regnete es noch zu Anfang dieſes Jahr— hunderts höchſt ſelten; in Alerandrien vom November 1798 bis in Auguſt 1799 nur ein einzigesmal eine halbe Stunde lang. Seitdem aber der Paſcha viele Millionen von Bäumen hat an⸗

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pflanzen laſſen, ergeben ſich dort jährlich 30 bis 40 Regentage und im Winter regnet es oft 5 bis 6 Tage hinter einander.

Die Abholzungen waren jedenfalls in Cypern und Griechen— land, waren in Syrien und in den jetzt aus gedorrten Hochebenen Kleinaſtens und Perſiens die Urſache von dem veränderten, rauheren Klima, waren die Urſache von der ſo außerordentlich her— abgezogenen Fruchtbarkeit. Spanien, ja ſogar Frankreich verſpüren bereits die nachtheiligen Folgen, welche die Ausrodung großer. Wälder im Gefolge hat, indem durch ſie die hauptſächlichſten Be— dingungen entfernt werden, von welchen die Feuchtigkeit der Luft.

d des Bodens, alſo die wichtigſten Förderer der Fruchtbarkeit ben.

Deshalb kann gerade in der jetzigen Zeit, wo die Drainage in Deutſchland ſo ſehr in Aufnahme kommt, ſowohl den hohen Staatsregierungen, als den Privaten, der Anbau von Waldungen und einzelnen Bäumen nicht genug empfohlen, kann nicht genug auf die Nachtheile, welche das vermehrte Abtreiben derſelben auf die Fruchtbarkeit ganzer Gegenden übt, aufmerkſam gemacht, kann auf die ſorgfältige Klärung und Auflockerung der Felder nicht ge⸗ nug hingewieſen werden.

Wir haben in Deutſchland noch große Feldflächen, Bergkup— pen und Rangen in Unzahl öde liegen, die als Wald- die als Obſtanlagen bedeutende Capitalien ertragen würden, abgeſehen davon: daß ſie durch ihre vermehrte Waſſerſaugung die Fruchtbar— keit der in der Nähe gelegenen Getreidefelder erhöhen, namentlich wenn mehr und Mehr feuchte Felder der Drainage unterſtellt werden.

Das Anpflanzen von Bäumen kann daher, wie bereits be— merkt, nicht warm genug befürwortet werden, denn je feuchter an ſich ſelbſt ſchon die Erde iſt, deſto leichter wird von ihr Waſſer— dunſt aus der Atmoſphäre aufgenommen: deſto mehr nähern ſich ihr die Wolken und laſſen durch gehörige Sättigung ihr Waſſer als Regen fallen. Je trockner ſie dagegen wird, deſto mehr zieht ſich der Waſſerdunſt, deſto mehr ziehen ſich die Wolken von ihr zurück. Bedenken wir nun: daß alle der Drainage unterſtellten Flächen feucht, ja daß ſie ſumpfig ſind: daß ſogar große Sümpfe,

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Teiche und Seeen trocken gelegt: daß in der Jüngſtzeit große Waldparthien in Feld umgewandelt wurden, ſo kann einer ferner— hin verminderten Waſſerdunſt-Zuführung nur durch großartige Baum: Anpflanzungen vorgebeugt werden, damit die günſtige Wirkung der Drainage nach Verlauf nur kurzer Zeiträume nicht größere Nachtheile für unſere Landwirthſchaft im Gefolge habe, als ſie jetzt Vortheile bietet. Bei der hohen Wichtigkeit des Ge— ſagten wird auch hier ein Beiſpiel deutlich machen, wie groß die Menge von Feuchtigkeit iſt, die durch größere drainirte Flächen verloren geht; denn Zahlen ſprechen eindringlicher, als Worte.

Geſetzt es werde eine Fläche von 1000 Ackern drainirt. Feucht und ſumpfig zieht dieſelbe vor ihrer Trockenlegung des Nacht nicht nur eine große Menge von Waſſerdunſt an und verdichtet denſelben, ſondern ſie befördert auch das reichlichere Niederfallen des Regens. Nehmen wir nun an: daß an einem Tage auf 1 Quadrat-Fuß dieſer Fläche 4 Loth Waſſer verdunſten, ſo beträgt dies für eine Zeit von 7 Monaten: 10,700,000 Centner.

Da nun auf dieſer durch die Drainage hergerichteten Fläche Culturpflanzen gezogen werden, die zu ihrem Gedeihen wie wir weiter oben ſahen viel Waſſer verbrauchen, ſo ergiebt ſich für die Umgebung dieſer drainirten Fläche abgeſehen von dem erſchwerten Niederſchlage ein ungeheurer Ausfall an Vege— tationswaſſer und wären zur Beſchaffung von dem vor der Drai— nage verdunſteten Quantum, welches der Umgebung zu Gunſten kam, allein 24999 Stück Bäume von einer ſolchen Größe erfor— derlich daß einer derſelben Nachts 2 Centner Waſſer aus der At— moſphäre aufzunehmen im Stande wäre. In einer der Drainage unterworfenen Fläche von 1000 Ackern müßten daher wenigſtens 2 bis 300 Acker Waldüng angepflanzt werden, ſoll der Verluſt des früheren Verdunſtungs-Waſſers ohne erheblichen Nachtheil bleiben. Daher trägt jeder angepflanzte Baum nicht nur ein reich— liches Capital durch ſeine eigene Nutzung, er trägt es in noch bei weitem erhöhteren Verhältniſſe durch die Befeuchtung ſeiner Um— gebung; daher ſei es nochmals ausgeſprochen: Jedermann bes fleißige ſich aufs Eifrigfte, an geeigneten Stellen nicht allein Obſt— bäume anzupflanzen, ſondern auch die Zucht der Waldbäume zu

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vermehren. Jeder große Gutsbeſitzer befleißige ſich, große Park— anlagen zu begründen, Alleen anzupflanzen, ſeine Weide-Plätze zu beſchatten. Die hohen Staatsregierungen aber mögen durch ſtrenge Ueberwachung von Privat- und Gemeinde-Waldungen, ſowie durch unausgeſetzte Aufmunterung zur Bepflanzung kahler Berge dahin zu wirken verſuchen: daß den flachen Gegenden wieder eine ſolche Quantität von Verdunſtungs-Waſſern zugeführt werde, als denſelben durch die Drainage, durch Trockenlegung von Teichen u. ſ. w. entzogen wurde und wird.

Ueberdies könnte in manchen trocknen Gegenden Deutſch— lands durch künſtliche Bewäſſerungen im Frühlinge durch Anlage von Kanälen aus Flüſſen und Bächen eine vermehrte Fruchtbarkeit erzielt werden.

Ich erlaube mir hier noch einen Vergleich zwiſchen Licht, Electricität und Waſſerſtoff anzuſtellen.

Das Licht, eine der ſchnellſten aller Kräfte, ſtellt ſich uns als auswärtiger Telegraph zur Verfügung; als ſolcher erzählt es uns die wunderbarſten Geſchichten von der unendlichen Weisheit und Unfehlbarkeit des Weltenſchöpfers; es führt uns hinaus in die fernſten Fernen des Himmels und zeigt uns auch dort das ſorg— ſame Walten der Vorſehung. Hinaus an die fernen Weltennebel tritt es und beweiſt uns nach ſeiner Zurückkunft mit unfehlbarer Klarheit: daß dieſelben 800,000 Lichtjahre, von denen jedes ein— zelne eine Länge von 1,322,263 Millionen Meilen hat, von uns entfernt ſind. Unſer Weltentelegraph macht ſich mit allen Bahnen der Planeten, Kometen u. ſ. w. bekannt, er weiſt uns deren Um— laufzeiten, alſo ihre Tag- und Nachtlängen nach, er beſchreibt uns ihr Oberflächen-Ausſehen, ihre Dichtigkeiten, ihre Schwere der Maſſen, er giebt uns ihre Größen in Zahlen an, er verhilft uns dazu ihre Umlaufszeiten bis auf den tauſendſten Theil einer Secunde zu berechnen; er ſchließt uns die eigenthümlichen Bahnen der Cometen auf Jahrtauſende hinaus auf und geht dabei mit einer nie trügenden Sicherheit zu Werke.

Die Electricität dagegen, welche auch eine große Schnellig— keit beſitzt, hat das Telegraphen-Amt auf der Erde überkommen. In kürzeſter Zeitfriſt fliegt ſie mit ihren Depeſchen über Ebenen,

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überfteigt die höchſten Gebirge, durchwatet die tiefſten Flüſſe, durcheilt die lebhafteſten Straßen der Städte und überſpringt die Geſtade des Meeres und großer Binnenſeeen. Hier knüpft ſie neue Freundſchaftsbande, dort erneuert fie alte, ſie giebt ſich als Amors— und Fortunas Boten aus; erregt und unterhält den Speculations— geiſt im ausgedehnteſten Maaße; hier eröffnet ſie den Befehl zum Schlagen von Schlachten, dort gebietet ſie dem angreifenden Heere plötzlich Halt. Zu ein und derſelben Stunde legt ſie ein diplo— matiſches Actenſtück in Petersburg, London, Paris und Wien nieder; ſie bringt und befördert Geburts-Hochzeits-Todes-Nach— richten in wenig Minuten; mit raſender Schnelle ſtößt ſie in die Kriegs⸗Trompete und übertrifft andererſeits die Friedenstaube min⸗ deſtens 100 mal an Schnelle und alle dieſe großartigen Reiſen und Geſchäfte verrichtet ſie vermittelſt eines ganz ſchwachen Drahtes. Wie Licht und Electricität als geiſtiger, ſo ſtellt ſich der Waſſerſtoff als ſchnellſter materieller Beförderer und Laſtträger dar. Als Gas in einen Ballon von Seide eingeſchloſſen fliegt er mit uns in die höchſten Schichten der Luft und zeigt uns dort die Erde in der Vogelperſpective, er lehrte uns den Wolkenflug und die verſchiedenen Strömungen der Winde kennen und trug auf dieſe Weiſe viel zur genaueren Kenntniß der Vorgänge in unſerer Atmoſphäre bei. Mit Sauerſtoff in Verbindung zieht er als Dampf, die größten Laſten mit einer Schnelligkeit von 16 Stunden in einer einzigen. Er durchfliegt mit dem Dampfwagen unſere civiliſirten Staaten in allen Richtungen, mit den Dampfſchiffen durchfurcht er die entfernteſten Meere und alle größeren Ströme. Nichts wider— ſteht ſeiner Kraft, aus tiefſter Tiefe hebt er im Dampfe Metalle, Erze, Brennmateriale zu Tage, er ſchleudert ſie nicht allein auf, ſondern auch in große Oefen, er zwingt mächtige Luftſtröme in dieſelben und ſucht durch deren Sauerſtoff-Gehalt eine ſolche Gluth anzufachen, daß die ſtarren feſten Maſſen in blendend weißen Bächen den Ofen verlaſſen und ſich die Metalle im hellſten Glanze von ihrer Schlacke ſcheiden. Er nimmt die Metalle und verarbeitet fie weiter. Unter großen Hämmern treibt er die Unreinigkeit vollends aus, unter Walzen verwandelt er fie zu Eiſenbahn⸗ Schienen Band- Reif» Ringeiſen, zu Schrauben, Draht u. ſ. w. .

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Aus den edlen walzt er Platinen, ſchneidet Platten heraus, prägt die Bildniſſe unſerer Herrſcher darauf und ſendet ſie als Geld, als Hauptverkehrsmittel durch die Welt, damit es Handel, Gewerbe, Ackerbau und Induſtrie belebe und erhebe.

Im Dampfe und im Waffer ſetzt er ſich hinter Spinnräder und Webſtühle; Baumwolle, Wolle, Flachs wird ihm vorgelegt; in kürzeſter Friſt hat er Millionen von Fäden daraus dargeſtellt; er ordnet dieſelben, ſteckt ſie einzeln durch den Weberrechen, ſetzt ſich hinter den Webſtuhl und bald ſind Tauſende von Ellen Zeug fertig, welche der Menſch zur Kleidung benutzt. Als Dampf- und Waſſerkraft übergiebt man ihm das Getreide, er iſt nicht zufrieden, damit daſſelbe in das feinſte Mehl umzuwandeln, er knetet es auch mit Waſſer zu einem vollkommen guten Teige. In der Sägemühle legt man ihm Holkzklötze vor, er zerlegt dieſelben in regelmäßige Stücke, um ſie alsdann auf ſeinem Rücken in die fernſten Nie— derungen zu tragen, woſelbſt ſie der Menſch zu Wohn-Oekonomie— und Schiffsbauten verwendet. Seht dort jenes ſtolze Linienſchiff, jenen ſtark befrachteten Kauffahrer: wer trägt dieſe Prachtbaue auf ſeinem Rücken ſo ſchnell dahin? Es iſt der Waſſerſtoff in Verbindung mit Sauerſtoff; er alſo bahnt die wichtigen Waſſer— ſtraßen des Meeres und der Gewäſſer des Feſtlandes; er iſt es, der durch die Hervorrufung dieſes Elements nicht allein die zahl— loͤſen Geſchöpfe des Meeres erhält, er ſtillt auch den Durſt der Landbewohner, er labt und erquickt die Pflanzen. Wo er nicht iſt, ſtirbt alles ab, da kann kein Keimchen grünen, da vermag die un— ſichtbare Milbe ihr Leben nicht zu friſten. Dagegen lebt und webt bei ſeinem Daſein, wenn er mit Sauerſtoff im richtigen Verhält— niſſe vereinigt iſt, Alles.

Mit Kraft und Ausdauer beginnt und vollführt er ſeine Werke ohne Säumniß, wenn ihm, um ſich in Dampf zu verwan- deln, nur Brennmaterial genug verabreicht wird, in dieſem aber ſteckt er ſelbſt, er treibt ſich alſo ſelbſt zur Arbeit an.

Zuweilen verleugnet der Waſſerſtoff feine guten Eigenſchaften und tritt mit dem Sauerſtoffe zu einer Verbindung zuſammen, welche beim Entzünden furchtbare Exploſionen hervorruft, die Berg—

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werke zertrümmert und deren Knappen vergräbt, es ſind dies die ſchlagenden Wetter der Steinkohlengruben.

Wohlgefällig ſpiegelt ſich eine Pflanze in behaglicher Ruhe an den Ufern eines Baches im Waſſerſtoffe des Waſſers: wie dankbar iſt ihm dieſelbe für ſeine Labung, wie erfriſcht ſie ſich in ſeiner Ausdünſtung, wie koſt ſie mit ihm im Mondſcheine, ſie hebt ihn zu ſich herauf, ſie hätſchelt und pflegt ihn und bettet ihn ſanft in ihren Zellen. Dennoch zeigt er ſich undankbar gegen ſie. Rüttelt der Sturm den Bach brauſend auf, ſo unterſpült der Waſſerſtoff die Wurzeln der Pflanze, er ruht und raſtet nicht, bis er ſie in die fluthenden Wellen herabgezogen und in ſich begraben hat. Thon— erde herbeiſchaffend und ſie überdeckend, wandelt er ſie in Kohle um. Wie freut er ſich, wenn er auf dem Feuer gebraten ſich mit Sauerſtoff von Neuem zu Waſſer vereinigen und nun dem großen Weltmeere wieder zueilen kann. Nirgends hat er jedoch Ruhe, die Sonne deſtillirt ihn wieder auf und er eilt im Waſſerdunſte und Regen nach dem Feſtlande, um daſelbſt wieder Holz, Stärkemehl, Zucker zu bilden. So groß die Gegenſätze, fo groß die Zerſtörungs— wuth, ſo groß der Trieb des Sauerſtoffs zu Neubildungen iſt, nicht geringer zeigen ſich dieſelben beim Waſſerſtoffe. Ohne Unter⸗ brechung zerſtören beide, um ſtets wieder von Neuem aufzubauen.

Obſchon wir dem Waſſerſtoffe nach feiner. genaueren Kennt: niß ſehr viel verdanken, ſo haben wir von ihm dennoch Außer⸗ ordentliches zu erwarten. Ruhig, ſtürmiſch, wild, verheerend tritt er im Waſſer aller Orten und Enden auf; wo wir ihm in der Na⸗ tur mit wenig Ausnahmen begegnen, dringt er uns das Ge— fühl von Kühle auf, und doch: was liegt in ihm für außerordent⸗ liche Hitze, was für eine Quantität von Licht vergraben! Die Zeit dürfte nicht ferne ſein, wo wir Waſſer nehmen, daſſelbe zer— legen, den Waſſerſtoff mittelſt Sauerſtoff verbrennen und dadurch nicht allein ein wohlfeiles allerwärts für Nichts zu habendes Brennmaterial bereiten, ſondern auch deſſen fahle Flamme durch Beigabe feſter Stoffe zu einem Lichte entzünden konnen, welches dem Glanze der Sonnenſtrahlen um nicht viel nachſtehen dürfte.

Kohlenſtoff und deſſen Verbindung mit Sauerſtoff zu Kohlenſäure.

Der Franzoſe Lavoiſi er war es, welcher den Kohlenſtoff zuerſt als ein Element erkannte und nachwies: daß beim Verbrennen des Diamants Kohlenſäure entſtehe. Der Kohlenſtoff, nur ſelten rein in der Natur, iſt ſtets mehr oder weniger mit andern Stoffen ver— bunden und findet ſich in der Stein- und Braunkohle, im Holze, im kohlenſauren Kalke und andern kohlenſauren Salzen, ſowie in allen organiſchen Körpern. Kryſtalliſirt kommt er nur im Dia— mante und Graphite vor und künſtlich gewonnen bildet er mehrere, in ihren Eigenſchaften ſehr unähnliche amorphe Varietäten von Kohle.

Es kann hier nicht die Abſicht ſein, ſpeciell über die verſchie— denen Formen, in welchen der Kohlenſtoff auftritt, zu verhandeln, nur in gedrängter Kürze wollen wir Einiges davon erwähnen. Demant und Graphit, als reinſter Kohlenſtoff, iſt ohne alle Bei— mengung im erſteren, im letzteren mit etwas Eiſen vereinigt. Der reine Kohlenſtoff zeigt keine Neigung zu ſchmelzen oder ſich zu ver— flüchtigen, ſelbſt nicht bei Anwendung ſehr hoher Hitzegrade. Der Anthracit Kohlenblende faſt reiner Kohlenſtoff, enthält nur etwas Waſſerſtoff beigemiſcht und gleicht daher mehr der Stein— kohle als dem Graphite; er iſt daher die kohlenſtoffreichſte und waſſerſtoffärmſte Steinkohle.

Die organiſchen Subſtanzen, welche vorzugsweiſe aus Koh— lenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, zuweilen mit etwas Stickſtoff beſtehen, können, ohne Zerſetzungen zu erleiden, keine hohen Tem— peraturen aushalten. Beim Erhitzen unter Ausſchluß der Luft treten ihre Elemente zu einfachen Verbindungen zuſammen. Der

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 9

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Sauerſtoff entweicht theils in Verbindung mit Waſſerſtoff als Waſſer, theils in Verbindung mit einem Theil Kohlenſtoff als Kohlenorydgas, während ſich ein Theil des Kohlenſtoffs mit Waſ— ſerſtoff zu Kohlenwaſſerſtoffgas verbindet, Kohle bleibt als End— reſultat dieſes Prozeſſes zurück, wenn nämlich Sauerſtoff und Waſſerſtoff ſo abgehalten wurden, daß dieſelben nicht lediglich und allein gasförmige Verbindungen bilden konnten. Dieſer Zer— ſetzungsprozeß organiſcher Subſtanzen durch Erhitzung, unter Aus— ſchluß oder doch bei mangelhaftem Zutritte von atmoſphäriſcher Luft, wird Verkohlungsprozeß genannt.

Die Verkohlung nimmt man entweder in Oefen oder in Mei- lern vor, des beſſeren Productes wegen giebt man letzteren den Vorzug, denn in denſelben bekommt man eine dichtere, nicht ſo zerkleinerte Kohle. Holz giebt beim Verbrennen eine geringere Hitze, als ein gleiches Gewicht Holzkohle, und zwar nicht nur, weil in jenem eine geringere Menge von Kohlenſtoff enthalten iſt, ſondern weil aus demſelben auch eine beträchtliche Menge von Waſſer verdampft werden muß. ö

Im gewöhnlichen Zuſtande iſt die Kohle ein ſehr ſchlechter Wärmeleiter, deshalb iſt ihre Entzündung und ihre Verbrennung ſo leicht zu bewerkſtelligen, dagegen leitet diejenige Kohle, welche durch ſtarke Hitze ſehr verdichtet wurde, die Wärme ſehr gut und es brennen dann alle Holzfohlenforten, die hohen Temperaturgra— den ausgeſetzt waren, ſchlechter. Bei gewöhnlichen Temperaturen und unter Ausſchluß der Luft, auch in höhern, iſt die Holzkohle, wie alle andern Kohlen, durch ihre Unzerſtörbarkeit ausgezeichnet. Sie kann Jahrhunderte ohne Veränderung in der Erde verweilen. Um daher Pfähle, welche in die Erde kommen ſollen, haltbarer zu machen, kohlt man ſie auf ihrer Oberfläche an.

Wegen ihrer ſehr poröſen Beſchaffenheit abſorbirt die Holz— kohle das Vielfache ihres Volumens an Gasarten. Wir werden auf dieſe Eigenſchaft, die wir mit dem Namen Saugen belegen, weiter unten zurückkommen. Außer Sauerſtoff nimmt fie Ammoniak- gas bis zum 90fachen ihres Volumens dann Kohlenſäure u. ſ. w. auf. Die Abſorbtion der Gaſe und des Waſſerdampfes durch die Kohle iſt von beträchtlicher Wärmeentbindung begleitet,

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die unter Umſtänden bis zur Selbſtentzündung fteigen kann. Friſch ausgeglühte und verlöſchte Holzkohlen, in unangenehm riechende Kleidungsſtücke oder in dergleichen Zimmer oder in ſtinkende Keller, Kloaken u. ſ. w. geſtellt, benehmen den üblen Geruch ſo— gleich. Auf dieſe Weiſe ſchützt man ſich durch klare Kohle auch vor Geſtank, der von der Straße oder von Höfen aus in die Zimmer eindringt, indem man Luft durchlaſſende Fenſterflügel, zwiſchen welche klare Kohle eingenäht iſt, in einem der Fenſter anbringt. Auch der Fäulniß organiſcher Körper beugt man durch dieſelbe vor, weshalb man ſie in Spitälern und andern Krankenanſtalten mit großem Vortheile verwendet. Waſſer hält ſich vollkommen gut und Wein und Bier werden beſſer, wenn man ſie in Fäſſern, die innen angekohlt ſind, aufbewahrt.

Ganz beſonders hervorzuheben iſt die Eigenſchaft der Holz— kohle, ſehr verſchiedene Subſtanzen aus Auflöſung aufzunehmen, ſie gleicht darinnen der thieriſchen Kohle, welche dieſe Eigenſchaft in noch höherem Grade beſitzt. So entzieht z. B. die Kohle Auf— löſungen von Flüſſigkeiten, die Farbeſtoffe enthalten, dieſelben; ſie macht ſolche Flüſſigkeiten geruchlos, indem ſie z. B. dem Brannt- weine das Fuſelöl benimmt; doch muß für alle dergleichen Ver— wendungen die Kohle friſch geglüht werden, weil ſie, wie bereits bemerkt, begierig Waſſerdampf aus der Luft anzieht und dadurch die Fähigkeit, andere Körper aufzunehmen, verliert.

Die Steinkohle, die Braunkohle, der Torf find Kohlengat— tungen, hervorgegangen aus Vegetabilien auf dem natürlichen, wie die Holzkohle auf künſtlichem Wege. Sie haben mehr oder weniger Sauerſtoff, Waſſerſtoff und etwas Stickſtoff in ihrer Mi⸗ ſchung, auch ſie können verkohlt d. h. der letzteren Elemente durch Anwendung ſtarker Hitzegrade beraubt werden.

Der Kohlenſtoff in allen den verſchiedenen Kohlengattungen, vom Demante, Graphit, durch die verſchiedenen Holz- Stein— Braun- und Thierkohlen bis zum Torfe herab, iſt chemiſch überall derſelbe, er kann durch die gewöhnlichen Methoden z. B. durch Schmelzen, Sublimiren, Auflöſen nicht kryſtalliſirt erhalten wer— den, mit Ausnahme des Graphits im grauen Roheiſen, worinnen er aber dennoch nicht in den Kryſtallformen des Diamants auf—

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tritt. Bei niederen Temperaturen verhält er ſich gegen die meiften Körper indifferent. Bis zum Rothglühen erhitzt, verbrennt die Kohle leicht in atmoſphäriſcher Luft oder in Sauerſtoffgaſe, wor— aus eine gasförmige Verbindung, die Kohlenſäure, die aus zwei Volumen Sauerſtoff und einem Volumen Kohlenſtoff beſteht, her— vorgeht.

Der Kohlenſtoff iſt das wichtigſte Element im Pflanzenreiche, alle Gewächſe verdanken ihm ihr Daſein; was beim Thiere das Knochengerüſte, das Fleiſch, das iſt bei der Pflanze der Kohlen— ſtoff. Die größten Stämme, das feinſte Grashälmchen muß er bilden helfen. Er iſt der Hauptnahrungsſtoff aller Pflanzen, allein direct kann er ihnen weder durch die Luft noch durch den Boden zugeführt werden, es geſchieht dies vermittels der Kohlenſäure.

Die Kohlenſäure, eine farbloſe Gasart, hat einen wenig bemerkbaren eigenthümlichen Geruch und einen etwas ſauren Ge— ſchmack. Brennende Körper verlöſchen in ihr und Thiere ſterben nach ihrem Einathmen. Sie iſt um die Hälfte ſchwerer als atmo— ſphäriſche Luft und kann deshalb aus einem Gefäße in ein anderes übergegoſſen werden. Läßt man fie durch klares Kalkwaſſer ſtrei— chen, welches dargeſtellt wird, indem man ungelöſchten Kalk in einer Flaſche mit Waſſer gehörig ſchüttelt, wo nach dem Abſetzen die klare Flüſſigkeit einen Theil des Kalkes in ſich aufgenommen hat, ſo trübt ſich daſſelbe wie Milch und bildet kohlenſauren Kalk.

Die Kohlenſäure iſt überall, wo ſie ſich in größerer Menge entwickelt, die Urſache des Aufſchäumens, Sprudelns und des Blaſenwerfens gährender und anderer Flüſſigkeiten. Wir finden ſie häufig in natürlichen und künſtlichen Mineralwäſſern, im Cham— pagner und andern Weinen.

Die Kohlenſäure läßt ſich leicht darſtellen, wenn man irgend eine verdünnte Säure auf kohlenſauren Kalk gießt. Das Gas ſteigt mit Ausgebung eines eigenthümlichen Geruchs durch die Flüſſigkeit und bleibt in Folge ſeiner Schwere zunächſt über jener ſtehen. Je mehr ſich nun deſſelben entwickelt, um ſo mehr ver— drängt es die im Gefäße befindliche atmoſphäriſche Luft. Iſt das Gefäß endlich bis zum Rande von ihr gefüllt, ſo läuft ſie genau ſo am Glaſe herunter, wie Waſſer. Man darf, um dies zu beobach—

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ten, nur ein brennendes Schwefelhölzchen nehmen und es der Außenwand des Gefäßes nähern; daſſelbe wird ſofort erlöſchen und dadurch das Herablaufen der Kohlenſäure zu erkennen geben.

Die Quellen der Kohlenſäure find überaus mannigfach. Un— ſerer Atmoſphäre iſt 45 Theilchen derſelben beigemiſcht, fo daß 90 Billionen Centner mit nahe an 25 Billionen Centner reinen Kohlenſtoffs beſtändig in ihr zu treffen find. Beim Athmen haucht der Menſch für jeden Cubikzoll Sauerſtoff, den er in ſich aufnimmt, 1 Cubikzoll Kohlenſäure aus und genau derſelbe Austauſch findet bei unſern Verbrennungs-Prozeſſen ſtatt. In 6000 Jahren müßte ſich daher die Kohlenſäure in unſerer Atmoſphäre allein durch dieſe beiden Prozeſſe auf 180 Billionen Centner, alſo auf das Doppelte des jetzigen Quantums geſteigert haben, abgeſehen davon: daß aus dem Innern der Erde, aus den ausgebrannten Vulkanen, den heißen Quellen, der Zerſetzung einer kleinen Menge der Luft beigemiſchten Kohlenwaſſerſtoffs, durch die unter den Tropen viel häufigeren Entladungen von Gewittern noch ſehr bedeutende Quantitäten in die Luft treten. Wären nun nicht Prozeſſe vorhanden, welche die für das Thierleben ſo nachtheilige Gasart wegſchafften, ſo würde eine Zeit auf unſerer Erde kommen, in welcher das thieriſche Leben ausſtürbe. Da jedoch ſeit der Zeit, wo das menſchliche Geſchlecht auf der Erde eriftirt, keine Verminderung in der Zuſammenſetzung der Atmoſphäre eingetreten iſt, ſo müſſen Prozeſſe auf derſelben ſtattfinden, durch welche die ſich ſtets in ſo großer Menge bildende Kohlenſäure beſtändig wieder zerlegt wird, und dies geſchieht wie wir ſogleich ſehen werden beim Vegetations-Prozeſſe.

Nicht in allen Höhen auf unſerer Erde bleibt ſich der Kohlen— ſäuregehalt der Luft gleich und merkwürdig genug findet ſich dieſe ſchwere Gasart bei 10,000 Fuß Höhe faſt im doppelten Verhält— niſſe, als in unſern Ebenen. Dieſes Verhältniß liegt in den eigen— thümlichen Verwandtſchaftsgraden der Gaſe und ihre Miſchung findet ſo ſorgfältig ſtatt, daß ſie die ganze Erde gleichmäßig um— geben. In Folge deſſelben ſteigt und fällt die Kohlenſäure langſam, je nachdem die Pflanzen ſie abſorbiren, und dadurch wird im All— gemeinen in der Luft, die wir athmen, die überaus gleichmäßige Reinheit erhalten.

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Wenn in einzelnen Höhlen oder tiefen Thälern, z. B. im Todten- Thale auf Java, in der Hundsgrotte bei Neapel, die Koh: lenſäure auch fortwährend dicht am Boden ſchwebt, ſo liegt der Grund davon lediglich und allein darinnen: daß ſich dieſelbe viel ſchneller aus der Erde entwickelt, als ſie in die Höhe zu ſteigen und ſich mit der Luft zu vereinigen vermag, und wenn auf den Gipfeln hoher Alpen dieſelbe reichlicher getroffen wird, fo liegt dies darin— nen: daß die Vegetation, der Regen, die Luftfeuchtigkeit ſie den untern Luftſchichten ſchneller entnehmen, als ſie aus den obern wie— der herabzuſteigen vermag.

Jedes grüne Blatt ſaugt, fo lange die Sonne ſcheint, Kohlen: ſäure aus der Luft auf und es iſt dieſe Gasart für das Leben der Pflanzen ſo unentbehrlich, wie der Sauerſtoff für das Leben der Thiere. Enthielte die Luft keine Kohlenſäure mehr, dann hörte alle Vegetation auf und die ganze Erde ſähe grau aus. Die Koh— lenſäure iſt daher in ihrem geringen Verhältniſſe ein eben ſo wich— tiger als weſentlicher Beſtandtheil der Atmoſphäre. Da die Koh— lenſäure ein ſtarkes Gift für Thiere iſt, ſo iſt die in der Atmoſphäre enthaltene Menge nur gering; wäre das Miſchungsverhältniß ein größeres, ſo würden die Thiere mit ihrem jetzigen Körperbaue die Luft nicht einzuathmen vermögen, ohne Schaden an ihrer Geſund— heit zu nehmen. So nachtheilig ſie ſich aber hier, ſo ungemein werthvoll erweiſt ſie ſich, wie bereits geſagt, bei den Pflanzen; da— mit aber letztere die Kohlenſäure recht leicht aus einer Luftmiſchung aufnehmen können, ſo iſt ihnen dafür die außerordentliche Maſſe von Blättern verliehen. Wundervoll iſt deren Bau und ihre Thä— tigkeit. Nicht zu zählen ſind die Saugöffnungen derſelben, indem größere z. B. Hollunder-Blätter gegen 400000 dergleichen be— ſitzen. Dieſe winzigen Oeffnungen verrichten ihr Geſchäft mit einer Schnelligkeit, daß ſie dem geringſten Lufthauche, der ihnen etwas Kohlenſäure zuführt, dieſelbe augenblicklich vollkommen entziehen. Bedenken wir nun, daß größere Bäume bis 7 Millionen Blätter und jedes große Blatt gegen 400000 Saugöffnungen hat, dann wird ſich uns wohl die Ueberzeugung aufdrängen: daß die Auf— ſaugung der Kohlenſäure raſch vor ſich gehe und daß deshalb in den tieferen ſtark mit Pflanzen bewachſenen Gegenden der Kohlen—

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ſäure-Gehalt der Luft ein geringerer fein müſſe, als in den nicht bewaldeten Höhen. | Früher nahm man an die Pflanzen bekämen ihren Kohlenſtoff— gehalt lediglich und allein aus dem Humus und verarbeiteten den— ſelben in ſich. Man hatte dabei die Beobachtung im Auge: daß ein mit viel Humus verſehener Boden eine üppigere Vegetation zeige, als ein humusarmer. So richtig nun dieſe Beobachtung einerſeits auch war, ſo wenig vermochte man doch den Prozeß zu erklären; denn der Humus, ein Product, hervorgegangen aus langſamer Verbrennung organiſcher, namentlich pflanzlicher Stoffe, iſt ſo wenig löslich im Waſſer, daß er auf dieſe Weiſe nicht in die Vegetabilien eindringen kann; wenn wir nun auch in den humus— e Salzen, namentlich in der Verbindung mit Alkalien oder Kalkerde auch leichte Löſungen deſſelben haben, ſo iſt die Quantität des in den Pflanzen enthaltenen Kohlenſtoffs doch viel zu groß, als daß ſie von humusſauren Verbindungen abſtammen könnte; denn wir haben große Waldflächen, die auf reinem weißen Sande ohne Beimiſchung von Humus wachſen, und ſehen: daß gleich große Strecken kulturfähigen Bodens, trotz verſchiedener Humustheile, gleich große Quantitäten Kohlenſtoffes tragen, ja daß bei Garten— und Gemüſe⸗Ländereien, die ſtark bedüngt werden, die Kohlenſtoff— verbindungen von Jahr zu Jahr in demſelben anwachſen; bezögen die Pflanzen die Kohlenſäure aus dem Boden, dann müßten die— ſelben aber abnehmen. Der Humus ſelbſt kann daher keinenfalls direct in die Pflanzen übergeführt werden, denn die ſorgfältigſten Beobachtungen haben überdies erwieſen: daß keine organiſche Ver— bindung, als ſolche, als Pflanzennahrungsmittel aufzutreten ver— möge, ſondern daß dieſelben ſtets erſt in unorganiſche verwandelt und daß dazu der Sauerſtoff jedesmal mit beigezogen werden müſſe. Dieſe merkwürdige Eigenthümlichkeit der Pflanze, ihre Nah— rung lediglich und allein aus dem unorganiſchen Reiche zu beziehen, ſtimmt auf das Genaueſte mit den Grundſätzen überein, welche im Naturhaushalte allgemeine Geltung haben; denn nähmen die Ve— getabilien organiſche Verbindungen unmittelbar auf, dann könnte ein gegenſeitiger Angriff entſtehen, der möglicherweiſe bis zur Ver— tilgung alles organiſchen Lebens auszuarten vermöchte, während

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ſich andererſeits im unorganiſchen Reiche Stoffe aufhäuften, die vollends zur Zugrunderichtung alles Lebendigen beitrügen. Unſer allweiſer Schöpfer hat aber dafür geſorgt, daß ſolche Ungleichheiten nirgends in der Schöpfung getroffen werden. Gerade aus dieſem Grunde erhielten auch die Pflanzen die Beſtimmung, ihren Koh— lenſtoffgehalt nur zum geringeren Theile aus dem Boden, zum größten Theile aber aus der Atmoſphäre zu entnehmen, welche für dieſen Zweck einen 20 Theil von Kohlenſäure beigemiſcht erhielt. Auf den erſten Blick erſcheint dieſe Quantität zwar ſehr gering, dennoch iſt ſie aber für den außerordentlichen Verbrauch mehr als ausreichend.

Daß aber die Pflanzen ihren Kohlenſäure-Verbrauch wirklich aus der Luft beziehen, gewahren wir, wenn wir ſie unter einem der atmoſphäriſchen Luft nicht zugänglichen Glasgefäß ins Son— nenlicht bringen und durch Zerlegung von kohlenſaurem Kalke ver— mittelſt verdünnter Schwefelſäure bereitete Kohlenſäure zu ihnen treten laſſen. Es ergiebt ſich dabei nach einiger Zeit unter dem Glaſe eine gleiche Menge von reinem Sauerſtoffe gegen die ver— wendete Kohlenſäure, der ſich dadurch zu erkennen giebt, daß ein glimmender Span ſich augenblicklich mit glänzender Flamme ent— zündet. Prieſtley war der Erſte, welcher dieſe Entdeckung machte; doch kann man die Pflanze unter einem ſolchen Gefäße, ohne daß die Luft erneuert wird, nicht laſſen: ſie geht zu Grunde, wenn ihr auch alle andern Lebensbedingungen zufließen. In reinem Sauer— ſtoffgaſe kann alſo die Pflanze ebenſo wenig wie das Thier leben. Daß die Pflanze im Sonnenlichte Sauerſtoff aushaucht, ſahen wir bereits weiter oben.

Man begnügte ſich aber nicht allein mit dieſen Verſuchen. In England pflanzte man eine Weide von 5 Pfund Gewicht in ein Gefäß, welches mit einer ſorgfältig abgewogenen Menge von Erde verſehen wurde und begoß die fortwachſende Pflanze je nach Be— dürfniß mit reinem Regenwaſſer; nach Verlauf von 5 Jahren er— reichte dieſelbe ein Gewicht von 170 Pfund, während die Erde nur 14 Pfund von ihrem Gewichte verloren hatte. Hier rührte die Gewichtszunahme von 1632 Pfund alſo lediglich und allein von

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dem aus der Luft aufgenommenen und im Innern der Weide zer— legten Kohlenſäure-Gaſe her.

Die Pflanze ſaugt daher die Kohlenſäure aus der Luft ein, trennt durch die Sonnenſtrahlen, die ihre Lebensthätigkeit wecken, die Beſtandtheile derſelben, Sauerſtoff und Kohlenſtoff, von einander, nimmt letzteren in ihren organiſchen Verband auf und ſchickt den Sauerſtoff in die Atmoſphäre zurück. Wie begierig die Pflanzen dieſe Säure aufſuchen, dies ſehen wir an ſolchen, die in der Nähe von ſehr kohlenſäurereichen Quellen, die in der Nähe von Hoh: öfen wachſen; hier nehmen die Blätter einen bei weitem größeren Umfang an, damit ſie durch die vermehrten Saugöffnungen ja recht viel dieſes Nahrungsſtoffes in ſich zu nehmen vermögen.

Auf dieſe Weiſe iſt in der Natur für die Fortſchaffung der der Thierwelt jo äußerſt nachtheiligen Kohlenſäure, die bei der Verbren— nung und dem Athmungsprozeſſe in ſo überreicher Maſſe entſteht, geſorgt und auf dieſe Weiſe wird auch zugleich die Luft gereinigt.

Mancher der geneigten Leſer dürfte hier den Einwurf machen: wenn die Pflanzen die Funktion haben, die Luft von dieſem den Thieren ſo gefährlichen Gifte zu befreien, ſo muß ſich dieſelbe ja im Winter ungemein anhäufen und dann um ſo gefährlicher für jene werden. Allein wenn wir in dieſer Jahreszeit gerade durch den vermehrten Gehalt der Luft an Kohlenſäure, etwas Ammoniak u. ſ. w. auch häufiger von Krankheiten heimgeſucht werden, ſo iſt im großen Haushalte der Natur auch für die Fortſchaffung in dieſer Zeit weiſe geſorgt; denn ſo bald unſere Vegetation in Ruhe verſinkt, erheben ſich gewaltige Stürme, welche die Luft nach vege— tationsreichen Gegenden hintragen und gereinigte zurückbringen; ſtrömen vermehrte Regenquantitäten aus der Atmoſphäre nieder, welche das Zuviel der Kohlenſäure binden und fie ebenfalls in Gegenden überführen, wo ſie zerlegt wird; ſchickt unſer Schöpfer den herrlich kryſtalliſirten Schnee, welcher als Sauger für die Kohlenſäure auftritt. Schmilzt derſelbe im Frühlinge, fo nimmt ſie das Schneewaſſer mit unter die Erde und führt ſie den Wurzel— fäſerchen zu, ſo daß durch ihn die erſte Vegetation erweckt wird. Der Schnee tritt aber nicht allein als Sauger für die Kohlenſäure auf, er nimmt auch Ammoniak auf und deshalb gerirt er ſich als

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nicht unbedeutende Düngekraft, wie wir dies nach ſchneereichen Wintern fo deutlich gewahren. a

Eigenthümlich iſt das Verhalten der Pflanze bei Abweſenheit des Sonnenlichts. Sie nimmt dann Sauerſtoff auf und giebt Kohlenſäure aus, und zwar ſaugt fie dann bei weitem mehr der erſteren auf, als fie von letzterer ausgiebt. So wie kein Sonnen— licht vorhanden, ſtellt nämlich die Pflanze ihre Thätigkeit ein und der dem Leben ſo nachſtrebende Sauerſtoff drängt ſich nun in ſie ein und ſucht Zerſtörungen zu beginnen; bleibt ihr der Zutritt von Licht verſchloſſen, dann ſetzt er ſein Zerſtörungswerk mit aller Macht fort. Bei der Abhandlung über die Sauger werden wir hierauf zurückkommen.

Bereits wurde erwähnt: daß kein Stoff der Pflanze als s. rungsmittel dienen kann, deſſen Zuſammenſetzung dem Pflanze körper gleich ſei, und gerade hierinnen liegt der Hauptunterſchied der Lebensbedingungen vegetabiliſcher Naturkörper gegen unorga— niſche, welche ſich durch Anſatz gleichartiger Stoffe erhalten. Hier— durch lernen wir nun auch den Hauptnutzen des Humus kennen, welcher dann erſt der Pflanze zugänglich wird, wenn ſeine Beſtand— theile, die auch die des Holzes, nämlich Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff ſind, ſich von einander trennen, um neue Verbin: dungen hervorzurufen. *

Durch die langſame Verbrennung (Vermoderung) gi Humus ſtets Kohlenſäure und Waſſer aus und wird dadu nie verſiegender Lebensquell für die Pflanzen, ja im Frühlinge, wo die Pflanzen noch nicht mit Blättern verſehen ſind, beziehen ſie ihren Kohlenſäurebedarf lediglich und allein aus dem Schnee und dem Humus. Der zerſtörende Sauerſtoff, der überall, wohin er auch dringt und wo iſt er nicht überall zu finden? ſeine verheeren— den Wirkungen beginnt, entnimmt der abgeſtorbenen Pflanze die— jenige Quantität Sauerſtoff, die die lebende nothwendig hatte, als er ihr in der Geſtalt von Kohlenſäure begegnete. Wie daher die Blätter in der Luft, ſo ſaugen die Wurzelfäſerchen aus dem humus— reichen Boden die im Waſſer gelöſte Kohlenſäure auf. Und immer von Neuem ſetzt ſich Sauerſtoff im Humus feſt, damit die Kohlen— ſäurebildung nie unterbrochen werde. Hieraus geht, wie wir weiter

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unten beim Boden und den Saugern zu ſehen Gelegenheit finden, hervor, warum die ſorgſame Auflockerung des Bodens in der Land— wirthſchaft ſo außerordentlich gute Wirkungen thut. Daß aber die Saugfaſern der Wurzeln keine andere Bedeutung für die Acker— erde, als die Saugſpalten der Blätter und grünen Zweige und Stängel für die Luft haben, geht daraus deutlich hervor: daß die einen die andern vertreten, wenn man ein Bäumchen verkehrt d. h. mit ſeiner Krone in ganz lockeres Erdreich pflanzt.

Zwiſchen der Atmoſphäre und den Pflanzenzellen finden durch die Mundöffnungen der Wurzeln, Blätter und Zweige ununter— brochene Wechſelwirkungen ftatt, die jedoch wie wir ſahen in ganz verſchiedener Weiſe vor ſich gehen, je nachdem dann das onnenlicht in ſchwächerer oder ſtärkerer Intenſität, oder gar nicht nwirkt. Im Sonnenſcheine nehmen die grünen Zellen Kohlen: ſäure auf und hauchen Sauerſtoff aus, bei trübem Wetter und des Nachts ſaugen ſie Sauerſtoff ein und geben Kohlenſäure aus. Die Pflanzen verbeſſern daher bei Sonnenſchein die Luft auf doppelte Weiſe, indem ſie die tödtliche Kohlenſäure aus derſelben entfernen und zugleich ihren Gehalt an Sauerſtoff vermehren. Des Nachts und bei lange anhaltendem trübem Wetter verderben die Pflanzen die Luft, indem dann Sauerſtoff ein- und Kohlenſäure ausgeath— met wird. f

Die Pflanze ermöglicht ihr Wachsthum durch Zellen; eine ſolche wächſt, ernährt ſich, athmet und ſcheidet ihren Ueberfluß aus, ſie ſtellt ſich alſo als ein vollkommen abgeſchloſſenes Individuum dar. Hat die Zelle auf dieſe Weiſe eine Zeitlang ihre Lebensthä— tigkeit fortgeſetzt und Kohlenſäure und Waſſer zerlegt, ſo pflanzt ſie ſich fort und dieſe Fortpflanzung geht vom Primordialſchlauche aus. Die Fortpflanzung kann nur erfolgen, ſo lange die Zelle noch jung, die Zellenmembran alſo noch zart und der Primordialſchlauch noch kräftig entwickelt iſt; iſt die Zelle einmal ausgewachſen, dann ſteht ihr der Tod bevor. Ueber ein Jahr wird ſelten eine Zelle alt. Da die Zellen ſehr klein ſind, ſo iſt deren Zahl eine überaus große und ſelbſt in der kleinſten Pflanze überſteigt die Zellenzahl die der Einwohner der größten Reiche. In einem Waldbaume leben mehr Zellen, als Menſchen auf der ganzen Erde. In einer mäßig großen

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Kartoffel treffen wir mindeſtens auf 2 Millionen Zellen, wogegen die einer größeren Kiefer auf mindeſtens 30 Millionen ſteigt. Daß die Zellen enge zuſammen liegen müſſen, ergiebt ſich aus dieſen Zahlverhältniſſen auf das Deutlichſte. Die Natur geht ungemein ſparſam mit dem Raume um, daher find die Zellen nach Art der Bienenzellen, jedoch oben und unten mit einem 4flächigen Dache verſehen, fie bilden alſo Rhomben-Zwölfflächner. Die Zuſammen— ſchachtlung dieſer Zellen belegen wir mit dem Namen Zellgewebe und in ihm geht der Lebens- und Ernährungsprozeß vor ſich.

In der Regel geben die Wurzelzellen die Flüſſigkeit, welche ſie aus der aufgenommenen Nahrung produciren, ſofort an die höher gelegenen Zellen weiter, dieſe ihren nächſten Nachbarn und ſo durch den ganzen Stamm durch. Jede Zelle veredelt und verfeinert die empfangenen Stoffe nach ihrer Art. Den ausgeſchiedenen Saft ſaugt die Nachbarzelle auf und veredelt ihn weiter. Auf dieſe Weiſe erhebt ſich derſelbe von Zelle zu Zelle unzählige Male, um ebenſo oft verändert und geläutert aus der Wurzel in die Stängel, aus den Stängeln in die Blätter zu treten. Die Blätter ſind die Zellen— vereinigungen, die von Luft, Licht, Waſſer und Ammoniak leben. Der Saft, der aus der Wurzel kömmt, tritt hier mit jenen Elemen— ten in Verbindung, die Kohlenſäure wird zerlegt, der Kohlenſtoff mit andern Stoffen vereinigt. Von Blatt zu Blatt läuft der Saft und auf dieſe Weiſe entſtehen aus den einfachen Bildungsflüffig- keiten des auf- und abſteigenden Saftes die mannigfachſten Pro— ducte, die als Farben das Auge, als Aroma den Geruch, als Süßen, Säuren, Bitteren den Geſchmack erfreuen; auf dieſe Weiſe werden die Stoffe abgelagert, die uns ernähren, die uns die an— genehmſten Genüſſe, die uns die Präſervative vor Aminen u. ſ. w. verſchaffen.

In den verſchiedenen Theilen der Pflanzen werden die ver— ſchiedenſten Stoffe zubereitet; jede derſelben birgt ein eigenes Labo— ratorium, das andere Bereitungen in der Wurzel, andere im Stängel, andere in den Blättern, andere in den Blüthen und noch andere in den Früchten vornimmt.

Die Wurzeln des Zimmtbaumes liefern z. B. * Campher, die Baſtſchicht dieſer Pflanze ſchenkt uns den Zimmt, die Blätter

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geben uns bei der Deſtillation das Nelkenöl. Ja zu verſchiedenen Zeiten verarbeiten dieſelben Zellen verſchiedene Säfte. Die Blätter des jungen Salates geben eine angenehme Nahrung im Frühlinge und Sommer, im Herbſte ſtrotzen ſie voll bittern giftigen Milch— ſaftes. Die Knollen der jungen Kartoffeln beſitzen eine narkotiſche Schärfe, während ſie bei der vollkommenen Reife nichts als nahr— haftes Stärkemehl enthalten. Sogar der aufſteigende Saft iſt in manchen Pflanzen ungemein verſchieden vom abſteigenden; die ka— nariſche Wolfsmilch giebt uns hiervon ein auffallendes Beiſpiel. Der aufſteigende Saft dient den Bewohnern jener Inſeln als wohl— ſchmeckendes Getränk, während der abſteigende als heftiges Gift wirkt. Daß der Splint den ausgebildeten Saft wieder abwärts führt, beweiſt die Thatſache: daß, wenn man an einem Baumzweige einen ringförmigen Einſchnitt macht, oder ihn unterbindet, die Reife der daran befindlichen Frucht beſchleunigt wird und dieſelbe an Größe und feinem Geſchmack zunimmt. Der abſteigende Saft wird dann nämlich auf ſeinem Wege aufgehalten, ſo daß er ſich in allen Theilen der Zweige verläuft und ihnen reichlichere Nahrung giebt, als wenn ſich dieſer Saft in den allgemeinen Strom ergoſſen hätte.

Wenn der Saft der Pflanzenzellen ſeine höchſte Veredlung er— langt hat, ſo tritt die Pflanze in die Blüthe; letztere iſt die Ver— einigung von Blättern, in welchen die Pflanze ihre größte Pracht zur Schau trägt. In ihr zeigen ſich die prachtvollſten Farben, die lieblichſten Wohlgerüche, die ſüßeſten Gaumenkitzel, alſo die kräf— tigſten Stoffe mit den edelſten Formen.

Die kurze Lebensdauer der einzelnen Zellen wirkt nachtheilig auf die Geſammtpflanze, daher iſt das Pflanzenleben im ſteten Ab— ſterben begriffen und daher verwendet die Pflanze ſo viel auf das Hervorbringen zahlreicher Saamen, damit keins ihrer Geſchlechter ausſterbe.

So bald ſich die Wärme vermindert, fangen die das Athmen bewirkenden Blätter an, welk zu werden, ſie verändern ihre grüne Farbe in Gelb und dann in Braun und fallen ab; aber auch die Wurzelzellen, die im Frühlinge ſo geſchäftig Nahrung aufſogen, die Zellen des Stammes, die den Saft nach oben leiteten, haben

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ſich gefüllt, haben ihre Säfte verdickt und ſterben ab, fie haben ihre Funktion geſchloſſen und hinterlaſſen uns Holzmaſſe, um uns an derſelben erwärmen, um uns Häuſer und Geräthſchaften aus im bauen zu können.

Ein großer Theil von Gewächſen überlebt daher das erſte Jahr nicht; die meiſten Kräuter keimen im Frühlinge, blühen im Sommer, bringen im Herbſte ihre Saamen zur Reife und gehen mit dem Winter zur ewigen Ruhe ein. Die Bäume und Sträucher ſpeichern dagegen im Herbſte im Marke und in den Wurzeln Nah— rungsmittel auf, die ſie im Frühlinge zugleich mit aus dem Boden zuſtrömender wäßriger Kohlenſäure ſobald die Säfte bei warmen Tagen flüſſig werden, zur Bildung neuer Säfte ver— wenden. An den Wurzeln, deren äußerſtes Ende, als jüngſter Theil, vorzugsweiſe der Aufnahme von Nährflüffigkeit vorſteht, verlängert ſich die Spitze ununterbrochen, es bilden ſich neue Zellen, die friſchen Muths ihr Geſchäft von Neuem beginnen.

Im Stamme ſind die Holzzellen, die Baſtröhren, die Gefäße, welche während der Vegetationszeit die Nahrung nach den Blättern führten, im Herbſte ſchon wieder verholzt, daher muß ſich im Früh— linge um dieſelben wieder ein Kreis von neuen Zellen herumlagern, der nun die Leitung des Saftes übernimmt. Ein Jahr darauf iſt aber auch dieſer wieder abgelebt und es bildet ſich nun wieder ein neuer Zellenkreis; daher beſteht der Stamm eines Baumes aus einer größern oder geringern Zahl von ineinander ſteckenden Zylin— dern, die ihre Entſtehung lediglich und allein den Zellen zu ver— danken haben.

Aus dem Vorangegangenen erſehen wir: daß der Kohlenſtoff einer der wichtigſten Nahrungsſtoffe im Pflanzenreiche iſt; daß er den einzelnen Individuen aber nicht unmittelbar, ſondern nur in Verbindung mit Sauerſtoff als Kohlenſäure ſowohl durch die Blätter, als durch die Wurzeln zugeführt wird. Das Sonnenlicht bewirkt in den Blättern die Zerlegung der Kohlenſäure, das zus rückbleibende Kohlenoxyd verbindet ſich mit Waſſerſtoff, welchen die Zerlegung des Waſſers liefert, die zugleich mit der Zerlegung der Kohlenſäure und unter denſelben Umſtänden wie die Laß, der Kohlenſäure vor ſich geht.

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Bringt man nun Kohlenoxyd mit den verſchiedenen Waſſer— ſtoffmengen zuſammen, ſo erklärt ſich die Bildung der im Pflanzen— reiche vorkommenden nicht ſtickſtoffhaltigen Producte. Befinden ſich nämlich in dieſen dreifachen Verbindungen Sauerſtoff und Waſſer— ſtoff im Verhältniſſe der Waſſerbildung, jo entſtehen Holßfaſer, Stärkemehl, Zucker, Gummi u. ſ. w.; iſt die Waſſerſtoffmenge aber eine bedeutendere, als im Waſſer, ſo entſtehen ätheriſche und fette Oele, Wachs, Harze u. dergl. Iſt dagegen der Sauerſtoff überwiegend, ſo erhält man Pflanzenſäuren.

Wir ſahen bereits: daß die Pflanzen bezüglich ihrer Selbſt— erhaltung und ihrer Fortpflanzung ſehr ſorgſam ſeien. Deshalb legen ſie in ihren Zellen Magazine von Mehl an, die Sago— palme z. B. in ihrem Marke, die Kartoffel in ihren Knollen, der Weizen in ſeinen Körnern. Dieſe Sorgſamkeit der Pflanzen für ſich wird zum Erhalter der Menſchen und Thiere, indem der Menſch ſich erlaubt, auf ſeinen Leib zu verwenden, was ur— ſprünglich als Keim neuer Weizen- und Kartoffel-Generationen dienen ſollte. \

Der Kohlenſtoff, das wichtigſte Pflanzenernährungsmittel, leiſtet überdies bei der Vegetation außerdem noch ungemein wichtige Dienſte. Als Licht-Sauerſtoff-Ammoniak- und Waſſer-Sauger ſorgt er nicht allein für hinreichende Erwärmung des Bodens und wird dadurch die Haupttriebfeder, daß im Frühlinge die perenniren— den Gewächſe ſich zu reproduciren vermögen, ſondern er reſervirt auch die Feuchtigkeit und giebt ſie zur Zeit großer Trockenheit an die Gewächſe ab, er ſchützt ſie daher auch auf dieſe Weiſe vor dem Ausſterben. Wie daher der Kohlenſtoff als der Barometer des Wohlſtandes einzelner Länder (Englands) zu betrachten iſt, ſo hat man ihn auch als Beglücker der Geſammt-Vegetation anzuſehen. Nicht vergebens erhebt er daher ſein Haupt und lehnt ſich auf gegen die dem Waſſerſtoffe eingeräumte Macht. Wenn Du, ruft er jenem zu, auch in der Verbindung mit Sauerſtoff ungemein Großartiges leiſteſt, ſo kannſt Du doch gar vieles nicht ohne mich vollführen. Ich ſpreche deshalb einen Theil des Dir geſpendeten Ruhmes für mich an. Schiffe und Locomotiven zu treiben, dem Menſchen Kleider zu weben, das feinſte Mehl, den beſten Teig herzuſtellen,

N.

kannſt Du nur durch mich. Ich bin es durch deſſen Hauch in Dei- ner Gemeinſchaft und in Gegenwart von Licht und Wärme ſich die ganze Natur belebt, ich bin es, welcher dem Menſchen die ſaftig— ſten, wohlſchmeckendſten Früchte ſpendet, durch mich athmet die Geſammtpflanzenwelt. Ich gönne Dir das Tragen von ungeheuren Laſten, allein tritt mit mir in den grünen Wald: wie lieblich iſt es hier, welchen Seegen ſpende ich von hier aus! ich liefere die Ma— teriale zum Tragen jener Laſten, ohne mich wäreſt Du in dieſer Beziehung nichts; ich ergreife Dich und führe Dich hinauf in das ſchöne grüne Blatt, das ſo melodiſch flüſtert; ich lege Dich dem funkelnden Sonnenſtrahle vor, der uns zuſammen vermählt; ich ſauge Dich zugleich mit Sauerſtoff auf; ich verſtecke Dich und halte Dich ſo lange verborgen, bis ich weiß, wie außerordentlich ich die Pflanze mit Dir zu laben vermag; biſt Du auch ſonſt noch ſo mächtig: im Pflanzenernährungsprozeſſe bleibſt Du mir unterthan. Die Kohlenſäure iſt eins der allerwichtigſten Nahrungsmittel für das Geſammt-Pflanzenreich; ſie wird entweder durch die Blätter aus der Luft aufgeſogen, oder durch die Wurzeln aus dem Boden. Im letzteren Falle geht ſie in Begleitung von Waſſer zugleich mit aufgelöſtem Ammoniak, kohlenſaurem Kalk, kohlenſaurer Bitter— erde, kohlenſaurem Eifenorydul, kohlenſaurem Manganoxpdul, phosphorſaurem Kalke, kohlenſaurem Kali und Natron, ſowie mit Kieſelerde in das Pflanzengewebe über. Hier wird ſie und ihre Verbindungen zerlegt und der Kohlenſtoff zugleich mit den überge— führten andern Nahrungsmitteln, nachdem ſich andere organiſche und unorganiſche Verbindungen gebildet haben, in den Zellen ab— gelagert. | Ohne dieſes Hauptnahrungs-, ohne dieſes Univerſal-Auf— löſungsmittel fände keine Pflanzenernährung ſtatt, hörte alles vege— tabiliſche und thieriſche Leben auf. So ſehr daher auch die Vor— ſehung für das ausreichende Vorhandenſein dieſes höchſt wichtigen Nahrungsmittels geſorgt hat, ſo hängt dennoch von der ſorgſamen Zuführung deſſelben in den Boden in der Landwirthſchaft das Meiſte ab. Für die gehörige Beſchaffung derſelben muß der Land— wirth daher ſehr beſorgt und ſeine ganze Thätigkeit muß darauf gerichtet ſein, ſie dem Boden auf zwei verſchiedenen Wegen zuzu—

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führen. Der eine der letzteren beſteht darinnen: den Boden recht mit kohlenſtoffhaltigen Beſtandtheilen, mit Humus oder andern Saugern zu ſchwängern, damit dieſelben recht viel Sauerſtoff und Kohlenſäure aus der Luft an ſich ziehen und durch erſteren dann recht viel der letzteren bilden; der andere aber beſteht in einer recht ſorgſamen und ſehr oft wiederholten Auflockerung, damit dem ſo hergerichteten Boden der Sauerſtoff und die Kohlenſäure der Luft an unendlich vielen Punkten zugänglich werde, damit der mit Koh— lenſäure geſchwängerte Regen und der Thau ſo ſanft als möglich auffalle, damit durch das Aufſchlagen auf harte Knollen jene Gas— arten nicht aus dem Regen austreten und ſich wieder mit der Luft miſchen.

Bei dunklem, recht humusreichem Boden gewahren wir recht deutlich: daß es namentlich die Kohlenſäure iſt, welche zur kräftigen Ausbildung, zur vollkommneren Ernährung das Meiſte beitrage; denn abgeſehen davon, daß der Humus ein ſtarker Kohlenſäure— Sauerſtoff⸗ und Waſſerſauger iſt, erhält er hauptſächlich den Bo— den ungemein locker und bedingt dadurch eine ſehr ſtarke Aufſaugung von Kohlenſäure. Solch ſchwarzer humusreicher Boden trägt viele Jahre hintereinander den üppigſten Pflanzenwuchs, ohne daß ſich deſſen Farbe veränderte, ja bei ſorgſamer Beobachtung findet man ſogar eine Vermehrung der kohlenſtoffhaltigen Beſtandtheile und es trägt hier lediglich und allein die phyſiſche Beſchaffenheit des Bodens, durch welche der Kohlenſäure der Luft ein raſcher Zutritt geſchaffen wird, in Verbindung mit der ſtarken Saugfähigkeit des Humus zu dem üppigen Pflanzenwachsthume bei.

Der ſorgſame, der fleißige Landwirth kann daher das wich— tigſte Pflanzennahrungsmittel ohne Koſten in reichlicher Fülle für ſeine Aecker aus der Luft beziehen.

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 6

Stickſtoff, deſſen Verbindung mit Waſſerſtoff zu Ammoniak, ſowie deſſen Verbindung mit Sauerſtoff zu atmoſphä⸗

riſcher Luft.

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Unſere große Lehrmeiſterin, Erfahrung, macht uns mit ei Menge von Erſcheinungen bekannt, welche in der Regel ſpäter erſt wiſſenſchaftlich erklärt werden, dann ihre Nutzanwendung aber auch im erhöhten Maaße finden.

Wir wiſſen aus Erfahrung: daß auf Feldern, wo man Miſt aus Schlächtereien und Gerbereien anwendet, der Gras- Getreide: und Baumwuchs viel üppiger, daß deren Körner- und Fruchtertrag bei weitem bedeutender iſt, als auf ſolchen Feldern, wo mit ge— wöhnlichem Stallmiſte gedüngt wird. Wir wiſſen ferner: daß auf Feldflächen, wo Schlachten geliefert wurden, auf Kirchhöfen, auch Fallangern, ähnliche günſtige Verhältniſſe obwalten.

Wir wiſſen: daß Obſtbäume, welche wegen ihres Alters faſt keinen Ertrag mehr liefern, wieder tragbar werden, wenn man todte Thiere unter ihnen vergräbt.

Wir wiſſen: daß wir durch Beſtreuen der Felder mit 8 ſpänen, mit klargemachten Klauen und Knochen, mit Leder ꝛc. ꝛc. nicht nur einen üppigeren Pflanzenwuchs, ſondern auch eine ver— mehrte Saamenbildung erzielen.

Faſſen wir nun die Düngerabfälle, welche in Schlachtereien und Gerbereien erlangt werden, genauer ins Auge, ſo zeigt ſich, daß dieſelben, außer Knochen, die ihrem Hauptbeſtandtheile nach phosphorſaure Kalkerde enthalten, aus Haaren, Därmen, Darm—

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ſchleim, Klauen, Horn, Sehnen, Blut und Fleiſch beſtehen, und daß dieſelben Stoffe auf Schlachtfeldern, Ra Fallangern etroffen werden.

er Da dieſe Stoffe außer Sauer- Waffer- Kohlen- und Stick⸗ ſtoff, den hauptſächlichſten Beſtandtheilen unſeres gewöhnlichen Düngers, eine größere Menge Stickſtoff enthalten, ſo muß letzterer die ſo überaus günſtige Wirkung auf die Vegetation üben und dieſe um ſo kräftiger ſein, je lockerer der Boden gehalten, je öfter er alſo während der fotiſchren en Ausbildung der Gewächſe auf— gelockert wurde.

Obſchon uns die Erfahrung ſo augenſcheinlich auf die kräftige Wirkung jener Düngeſtoffe hinweiſt, ſo war es doch in der Jüngſt— zeit der Wiſſenſchaft vorbehalten, den in ihnen enthaltenen Stickſtoff und deſſen Verbindungen als das eigentliche Princip des vollkom— meneren Pflanzenwuchſes und der vermehrten Blüthen- und Frucht: bildung kennen zu lernen. Bei dem hohen Werthe, welchen der Stickſtoff für die Landwirthſchaft hat, wird es von Intereſſe ſein, etwas Genaueres über ihn zu erfahren.

Der Stickttoff, ein gasförmiger Stoff, welcher unſere atmo— ſphäriſche Luft zu z zuſammenſetzt, bildet außerdem einen weſent⸗ lichen Beſtandtheil der meiſten thieriſchen und einen geringeren Beſtandtheil vieler vegetabiliſchen Körper. Er ift farb- geruch⸗ und geſchmacklos und konnte bis jetzt noch nicht zu einer Flüſſigkeit verdichtet werden. Im Waſſer weniger löslich, als Sauerſtoff, iſt er zugleich etwas leichter, als die atmoſphäriſche Luft. Der Stick— ſtoff iſt ein ſehr indifferenter Stoff und vereinigt ſich nicht direct mit irgend einem andern Elemente. In neuerer Zeit iſt dies bei ſehr hohen Temperaturgraden nur mit Kohle, bei Anweſenheit von Pottaſche, gelungen. Ein brennendes Licht verlöſcht augen— blicklich im Stickgaſe, und Thiere fterben ſchnell in demſelben, nicht weil es an ſich ſchädlich iſt, ſondern wegen Mangel an Sauerſtoff. Di Stickſtoff iſt einer der wichtigſten Stoffe im orga⸗ niſchen Reiche, aber auch der am meiſten ins Dunkel gehü Alles Thier- und Pflanzenleben geht mit und durch ihn hervor, doch muß ihm der Sauerſtoff ſtets zur Seite ſtehen. Er giebt gleich— ſam den Bändiger des letzteren ab, indem er die zu raſche Ent:

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wickelung des Lebensprozeſſes hemmt und verzögert. 2 w einft genauere Aufſchlüſſe über dieſen räthſelhaften Stoff, werden wir wohl auch mit Sicherheit auf die Zufammenfegu der Metalle Rechnung machen dürfen. 2 Mit Waſſerſtoff vereinigt ſich der Stickſtoff zu Ammoniak, welches von eben jo hohem Intereſſe für die Landwirthſchaft iſt. Mit Sauerſtoff erhitzt verbrennt der Stickſtoff nicht wie der Waſſerſtoff, noch wird er dabei oxydirt. Viele electriſche Funken, durch ein Gemiſch von Sauerſtoff und Stickſtoff gejagt, bedingen die Bildung von Salpeterſäure. Geſchieht dies im großen Haus⸗ halte der Natur, alſo bei Gewittern in unſerer Atmoſphäre, wo ſtets feuchte Luft und Regenwolken vorhanden ſind, dann wird durch die Blitze zugleich ein kleiner Theil des Regenwaſſers zerlegt und der Stickſtoff verbindet ſich mit dem Waſſerſtoffe deſſelb 3 Ammoniak. Dieſe Ammoniakbildung ift die Urſache der dane Einwirkung der Gewitter auf die Vegetation. Eine Verbindung des Stickſtoffs mit Sauerſtoff die Sal⸗ peterſäure entſteht häufig und in nicht vue en enge,

und baden wir 5 Beiſpiele an der natürlichen e und an den künſtlichen Salpeterwänden.

Beobachtet man die Vegetation von Waſſerpflanzen in ſtets erneutem und abgekochtem Brunnenwaſſer, aus welchem die atmo— ſphäriſche Luft, folglich auch der Stickſtoff vollkommen ausge⸗ * ſo gewahrt man, daß außer Sauerſtoff auch Stick—

ausgeſchieden wird. Da demnach das angewandte Waſſer enen Stickſtoff enthält, ſo mußte derſelbe aus der Pflanze ſelbſt ausgeſchieden werden, die alſo verdichteten Stickſtoff in ſich barg. Verſuche von Clouz und Gratiolet lehrten wirklich, daß zwiſchen dem Aushauchen von Sauerſtoff durch die Pflanzen 11 der Zerſetzung eines ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheils, welcher m der grünen Materie zuſammenhängt, eine innige Beziehung ſtatt— finde.

Lediglich der Stickſtoff ift es, welcher in Verbindung mit Licht und Sauerſtoff nicht allein das ſchöne grüne Kleid der Pflanzen

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hervorruft, ſondern der auch zu den ſonſtigen Färbungen das FR beiträgt, der das Keimen bedingt, der beim Blühen, bei efruchtung, bei der Saamenentwicklung ungemein geheim— voll, aber um ſo kräftiger wirkt. Vorzüglich iſt es ſeine Ver— bindung mit Waſſerſtoff zu Ammoniak, in welcher er durch die Wurzeln und Blätter in die Pflanzen übergeführt wird.

Bei großer Wärme in der Atmoſphäre kann ſich das Am— moniak ſchon aus dem Stickſtoffgehalte der Luft bilden, wenn freier Waſſerſtoff vorhanden iſt. Die Wichtigkeit, welche dem Am— moniak bei dem Pflanzenentwicklungs⸗- und Ernährungs-Prozeſſe beigelegt wird, veranlaßte die Chemiker, ſich mit der Beftimmung des Ammoniaks in der Atmoſphäre zu beſchäftigen, und es iſt | keinem Zweifel mehr unterftelt: daß das Ammoniak die Quelle iſt, welcher die Gewächſe die größte Menge des für ſie unentbehrlichen tickſtoffs entnehmen, mag derſelbe nun aus dem Boden durch den zugeführten Dünger oder aus der Luft aufgeſaugt werden. Seine Gegenwart in der Luft wurde ſchon durch Theodor von Saufj ure vermittelft des einfachen Verſuchs nachgewieſen: daß eine Löſung von ſchwefelſaurer Thonerde durch Kinggpee Stehen an der Luft ſich in Ammoniak-Alaun umwandelt. Im Allgemeinen jedoch iſt die Menge des in der Luft enthaltenen Ammoniaks nur gering und wird ſtets vom Eifenoryde aufgeſaugt, wie weiter unten ausführlicher entwickelt werden wird.

Vile hat ſchöne Verſuche über die Aufnahme des Stickſtoffs aus der Luft in die Pflanzen unter einer Glasglocke angeſtellt und gefunden: daß, wenn man mit jener etwas Ammoniak miſche und daſſelbe täglich erneuere, die Vegetation bei weitem raſcher vor ſich gehe. Schon in den erſten Tagen war der Einfluß des Am— moniaks in der Glocke, unter welcher die Verſuche angeſtellt wur— den, auf die P. anzen zu bemerken. Die Blätter nahmen ein leb— hafteres Grün an, die Stängel wuchſen höher, die N zahl⸗ reicher und entwickelten viel mehr Blätter.

Aber das Ammoniak wirkt nicht auf alle Pflanzen mi ‚tea Macht; am empfänglichſten find die Cerealien dafür. Während dieſelben in einer mit atmoſphäriſcher Luft gefüllten Glocke hin— fällig und verkümmert erſchienen, ihre Stängel ſich nicht zu erheben

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vermochten, ſtanden ſie unter der mit ammoniakhaltiger Luft ge⸗ füllten Glocke in kräftigſter Entwickelung aufrecht.

Wir ſahen weiter oben: daß die Pflanzen für die Kerr a

für die Blätter⸗Blüthen- und Fruchtbildung, für die Färbung ihrer Blätter, Blüthen und Früchte Stickſtoff, hauptſächlich aber in ſei— ner Verbindung mit Waſſerſtoff zu Ammoniak durchaus nothwen⸗ dig haben. Der Stickſtoff findet ſich nun, wenn auch in geringer Menge, entweder in der Pflanze ſelbſt, oder er bildet ſich reichlicher bei erhöhter Lufttemperatur in der Atmoſphäre, oder er wird in größerer oder geringerer Menge durch den zugeführten Dünger in die Ackererde gebracht, woſelbſt er bei der Umwandlung des Kohlen— ſtoffs durch den Sauerſtoff der atmoſphäriſchen Luft in Kohlen: ſäure, durch den bei dieſem Prozeſſe freiwerdenden Waſſerſtoff in Ammoniak verwandelt und in dieſer Form durch die Wurzeln den Pflanzen zugeführt wird. Auf dieſe Weiſe empfangen unſere Cul⸗ turgewächſe, welche Menſchen und Thieren zur Nahrung dienen, ihren Stickſtoffgehalt. Dieſer Stickſtoff wird durch das aus ihnen bereitete Mehl, ferner durch die Gemüſe und die n den Thieren und Menſchen wieder zurückgegeben. Diel Stickſtoff im Ammoniak iſt fo wichtig, ja noch wichtiger für die Pflanzen, als die Kohlenſäure; denn er iſt es, welcher das erſte Leben im Saamenkorne hervorruft, welcher die Bedingung in ſich ſchließt, daß ſich Blüthen entwickeln und aus dieſen Früchte, daß letztere im Wachsthume voranſchreiten und zur endlichen Reife gelangen.

Die Bildung des Ammoniaks und die Zuführung deſſelben in die Pflanzen ſetzt dieſelben Bedingungen in der Ackererde, ſetzt dieſelben Witterungsverhältniſſe, ſetzt dieſelben Temperaturgrade, wie die Bildung der Kohlenſäure voraus; denn gerade wie ee nur durch vermehrte Wärme im Boden icht in ausreichender Me zu entwickeln vermag, dieſe vermehrte Wärme aber einest 15 durch eine gute Bedüngung, anderntheils durch eine ſorgfältige Auflockerung des Bodens, bei welcher die Sauger durch Einnahme und Verdichtung einer großen Menge von Sauerſtoff die Wärme in der Ackererde um 15 bis 18 Grad gegen die äußere Luft ſteigern, hervorgerufen wird: gerade ſo verhält ſich dies auch bei der Bil—

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dung des Ammoniaks; denn bei der Zerlegung des Düngers, wel: cher in ſeinen in Humus verwandelten Theilen hauptſächlich aus Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff beſteht, verbindet ſich deſſen Stickſtoffgehalt nebſt dem durch das vorhandene Eifenoryd aufge— ſaugten mit dem Waſſerſtoffe zu Ammoniak und tritt in dieſer Form durch die Wurzeln in die Pflanzen über.

Je weiter nun die Pflanze im Wachsthum fortſchreitet, und je näher ſie der Periode kommt, wo ſich die Blüthen entfalten, aus denen ſpäter die Früchte hervorgehen, um fo reichlichere Men- gen von Stickſtoff (Ammoniak) nimmt ſie dann auch in Anſpruch. Fehlt in dieſer Periode dieſer höchſt wichtige Stoff, oder wird er durch ungünſtige Witterungsverhältniſſe nicht in ausreichender Menge oder doch mit zeitweiliger Unterbrechung zugeführt, dann reſultiren ſchlechte Obſt- und Getreidejahre mit geringem Körner⸗ ertrage.

Erniedrigt ſich z. B. während der Baumblüthe die Tempera— tur, was häufig der Fall iſt, obſchon lange nicht bis zum Gefrier— punkte, ſo beginnen nach Verlauf einiger Tage die Staubgefäße, die Narben, die Blumenblätter und endlich die Blüthenſtiele ſchwarz zu werden, die Blüthen fallen ab, und die Ausſicht auf ein gutes Obſtjahr iſt verſchwunden. Der Grund hiervon liegt aber lediglich darin, daß durch die eingetretene Temperaturerniedrigung die hin— längliche Menge von Ammoniak nicht zu den Blüthen geführt werden konnte.

Dieſelbe Erſcheinung tritt hervor, wenn in der Zeit, wo die Getreidearten blühen, anhaltend ungünſtiges, namentlich kaltes und regneriſches Wetter eintritt, durch welches die Ammoniakbil— dung in der Ackererde unterbrochen und dieſer befruchtende Stoff zurückgehalten wird. Dieſe ungünſtige Erſcheinung erlebten wir in den letztverfloſſenen Frühlingen und Sommern, und lediglich dem zu wenig zugeführten Stickſtoffe ſind die geringen Ergebniſſe der Winterfrüchte, namentlich des Roggens, welcher am früheften zur Blüthe gelangt, zuzuſchreiben. Weizen und Sommerfrüchte, welche ſpäter blühen, wo die Temperatur der Luft durch die höher ſtehende Sonne und die längeren Tage wohlthätiger auf die vermehrte Aufſaugung des Sauerſtoffs im Boden und die dadurch bedingte

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höhere Wärme, die eine vermehrte Ammoniakbildung hervorruft, wirkt, lieferten daher durchſchnittlich auch einen höheren Körner ertrag.

Selbſt beim Winterroggen konnte man in dem letztverfloſſenen ungünſtigen Jahre ſehr überſichtliche Erfahrungen über das eben Geſagte ſammeln. Auf denjenigen Bodenarten, namentlich dem Sandboden, die durch den vielen Regen nicht zu feſt geſchlagen wurden, wo alſo die Sauger ihre Thätigkeit auch bei ungünſtiger Witterung fortzuſetzen vermochten, wodurch die Zuführung des Ammoniaks zu den Pflanzen nicht allzuſehr vermindert wurde, hatte man theilweiſe einen Körnerertrag, wie er nur in guten Jahren erzielt werden kann; dagegen lieferten gerade die meiſten guten und ſchweren Ländereien, wenn dieſelben nicht mit übers flüſſigem, ſehr ſtickſtoffreichem Dünger überführt waren, nur ge— ringe Ausbeute.

Daß der Stickſtoff der Bilder und Erhalter der Blüthen iſt, daß er auf die Saamen den günſtigſten Einfluß übt, wenn die ſonſtigen Beſtandtheile im Boden vorhanden, welche zur Frucht— ausbildung erforderlich ſind, davon können wir uns bei ſchlecht gedüngten, ausgeſaugten Feldern überzeugen. Bei denſelben fin— det man namentlich in tieferen Lagen, wo hinlängliche Kohlen- ſäure aus der Luft zutreten kann, oft einen ſehr kräftigen Stängel— wuchs, allein die Aehren ſind kurz, und die Fruchtbildung iſt un— bedeutend. '

In naſſen, mit thonigem Untergrunde verſehenen Boden: arten, wo der Eiſengehalt der Thone den Stickſtoffgehalt der Luft viele Jahre hintereinander aufgeſaugt und zurückbehalten hat, er— halten wir durch die Drainage Erndteergebniſſe, die man ſich nie— mals vermuthete. Der Grund hierfür iſt aber lediglich der, daß durch die mittels der Drainage hergeſtellte Saugfähigkeit des Bodens und die durch dieſelbe bedingte Wärme eine große Menge von Ammoniak gebildet und zur rechten Zeit in die Pflanze über— geführt wird.

Steht die Temperatur der Luft nicht unter 4“, fo entwickelt ſich ſtets zugleich mit etwas Kohlenſäure auch noch etwas Am⸗ moniak, und unſere Getreidearten wachſen daher auch im Herbſte

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und im Nachwinter, wiewohl langſam fort. Iſt nach der Gerften- ſaat im Frühlinge die Witterung ungünſtig d. h. kalt und naß, dann fangen die jungen Pflänzchen, welche zu ihrem Gedeihen den Stickſtoff am wenigſten miſſen können, an gelb zu werden. Hält dieſe Witterung lange Zeit an, ſo erkräftigen ſich die Pflanzen nur ſchwer, und der Gerſtenertrag bleibt ein geringer.

Die regelmäßige, nur ſelten unterbrochene Zuführung von Ammoniak zu den Pflanzen in ſüdlichen Gegenden iſt daher ledig— lich die Urſache, warum dort nur ſelten fehlſchlagende Erndten ein— treten, und hängt der ſo überaus reichliche Fruchtertrag hauptſäch— lich von dem ſtets in ausreichender Menge ſowohl in der Luft als in dem Eiſenoryde des Bodens vorhandenen Stickſtoffe ab, und es wird dort, da ſich bei der hohen Temperatur auch ſtets viel Kohlenſäure in und außerhalb des Bodens entwickelt, eine Dün— gung des letzteren nur ſeltener nothwendig.

Verſchiedene Beiſpiele werden hier nicht allein beweiſen, wie günſtig der Stickſtoff auf die Vegetation wirkt, ſondern auch, wie ſchnell ſich bei ſteigender Wärme Ammoniak bilden und in die Pflanzen übergeführt werden kann, um ungeſäumt in denſelben günſtige Veränderungen hervorzurufen.

Wem iſt nicht das herrliche matte Maigrün unſerer Wieſen bekannt? Bei kühler Witterung, wie ſie in der Regel um dieſe Jahreszeit herrſcht, gewährt es dem Auge längere Zeit einen an— genehmen Genuß, allein ein warmer Tag in Verbindung mit einer nicht kühlen Nacht, wo die Sauger ihr Geſchaͤft raſcher voll— führen, und wo alsdann durch ihre Thätigkeit der jungen Pflanze mehr Ammoniak zugeführt wird, zeigt es uns bald in dunklerem Grün.

Im prachtvollen Hellgrün ſtehen wallende Buchenwände und ſtechen gewaltig gegen das tiefe Dunkelgrün der ſie begleitenden Fichten und Tannen ab. Bei kühler Witterung erhält ſich dieſer Abſtand lange; ſowie ſich aber die Lufttemperatur erhöht, wo ſich dann ſofort Ammoniak in der Atmoſphäre bildet, färbt ſich das helle Laub ſchnell dunkel. Am ſtärkſten tritt dieſe Erſcheinung nach einem heftigen Gewitter, bei welchem viele Blitze die Regenwolken durchkreuzen und dadurch Ammoniak bilden, hervor.

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Auf den Obſtbau hat ein vermehrt zugeführter Stickſtoffgehalt aus dem Boden einen weſentlichen Einfluß. Man beobachte in Bezug auf das Geſagte nur die Spalierbäume an Mauern und an Wohngebäuden, wo durch Anweſenheit von Kali, Thon- oder Kalkerde ſtets die Bedingungen zur Salpeterbildung gegeben ſind, aus denen durch Zerſetzung Ammoniak hervorgeht; man findet dann leicht, daß man letzterem die vermehrte Tragkraft beizumeſſen hat. Aber auch die Bäume, welche in Gehöften in der Nähe von Miſtſtätten, auf Kirchhöfen, auf alten Bauſtätten, an ftarf be- fahrenen Straßen, wo viel Thiermiſt verloren geht, ſtehen, tragen fleißiger und in reichlicherer Fülle Obſt, als diejenigen, welche in Gärten, an Feldrainen und auf Wieſen angepflanzt werden. Auch bei ihnen iſt die vermehrte Ammoniak-Zuführung lediglich die Trägerin dieſer günſtigen Erſcheinung.—

Nicht vergebens ſtellt der Gärtner das Bett feines Miſtbeetes aus gutem Pferdemiſte her: er würde nur wenig Gurken und Me- lonen zur Blüthe, noch weniger zum Früchtetragen bringen, ſtünde ihm die leichte Ammoniakentwickelung aus dem Pferdemiſte nicht zur Seite.

Aber auch in Bezug auf die Waldbäume und deren Saamen- ertrag beſtätigt ſich die Thatſache: daß ein beſtimmter Stickſtoff— gehalt zur Ausbildung der Saamen nothwendig ſei. Wir ſahen weiter oben: daß ſich bei größerer Wärme in der Atmoſphäre Am- moniak in derſelben bilde, und finden dies umgekehrt durch den Saamenertrag der Waldbäume beſtätigt. Jene, welche durch die Wurzeln den Blüthen weniger Ammoniak zuführen können, als unſere Culturpflanzen (indem der Wald nicht gedüngt wird), tragen daher auch nur ſeltener Saamen. Iſt aber letzteres einmal der Fall, dann können wir auch verſichert ſein, daß dies nur in einem heißen Jahre geſchieht, wo eine vermehrte Ammoniakbildung in der Atmoſphäre vor ſich geht. Solche Haupt-Saamenjahre der Wälder ſind dann wie ſich dies von ſelbſt verſteht zugleich auch gute Getreide- und Weinjahre.

Wie geſteigerte Wärme und mit dieſer eine webs Stick⸗ ſtoffentwickelung günſtig auf die Ausbildung von Blüthen und Früchten einwirkt, dies gewahren wir überdies noch beſonders

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deutlich an denjenigen Gewächſen und Bäumen, die am fpäteften in die Blüthe treten. Unſere Linde, einer der Bäume, welche ſehr ſpät zur Blüthe gelangen, trägt daher auch faſt jedes Jahr Saamen.

Aus all' dem Angegebenen ſind wir zu entnehmen berechtigt, wie ungemein werthvoll bei unſern klimatiſchen Verhältniſſen eine ausreichende Zuführung von Stickſtoff in diejenigen Felder iſt, auf welchen Getreide, Gemüſe, Oelfrüchte, Obſt ꝛc. ꝛc. gebaut werden ſollen. Auch in ungünſtigen Jahren mit abnormen Witterungs— verhältniſſen werden bei ſorgſamer Ueberwachung und Pflegung der Felder beſſere Erträgniſſe erzielt werden, namentlich wenn man auf die Erlangung ſehr ſtickſtoffreicher Dünger z. B. Guano und thieriſcher Abfälle ſieht. Weiter unten werden wir auf die Wir— kungen des Guano zurückkommen.

Bis jetzt lagen manchem praktiſchen Landwirthe die Erklärun— gen über die Wirkungen eines oder des andern dieſer Düngemittel noch fern, obſchon dies das wichtigſte Kapitel in der Landwirth— ſchaft iſt und nicht oft genug darüber geſprochen werden kann. Man kommt dabei auf gar eigene Erſcheinungen, namentlich wenn man ſeinen Blick über größere Landbaubezirke ſchweifen läßt. Ich will hier nur eine von dieſen, die mit unſerer Abhandlung im Zu— ſammenhange ſteht, berühren.

Wir finden viele Gegenden, in denen der Landwirth lediglich Rindvieh, und finden wieder andere, in denen er vorzugsweiſe Pferde zur Beſtellung ſeiner Felder verwendet. Faſſen wir nun die beiderſeitigen Bodenflächen genauer ins Auge, ſo zeigt ſich für erſtere in der Regel ein Sand- oder doch mit Sand gemiſchter Boden, welcher ſich leicht auflockern läßt. Dagegen finden wir da, wo mit Pferden beſtellt wird, faſt immer einen ſchweren, das Waſſer ſtark bindenden Boden. Durch die ſchwere Beſtellung des letzteren könnte nun Mancher zu der Anſicht gebracht werden, die Pferde würden nur eben deshalb in dieſer Gegend gehalten, und wohl mancher Landwirth einer ſolchen Gegend bekennt ſich ſelbſt zu dieſer Anſicht. Mag dies theilweiſe ſeine Richtigkeit haben, ſo iſt aber dennoch mit weit mehr Zuverläſſigkeit anzunehmen, daß es vorzüglich der Miſt dieſer Thiere iſt, welcher dieſelben urſprüng—

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lich in dieſen Gegenden einbürgerte, wo ſie dann eine mehre hundert Jahre alte Erfahrung feſthielt.

In dem ſchweren Boden geht die Zerſetzung der See nur langſam von ſtatten, die Sauger vermögen ihn nicht ſo zu durchdringen, als dies in den leichteren Ackererden der Fall iſt; deshalb muß dem ſchweren Boden auch ein reicherer, mehr ſtick— ſtoffhaltiger Strohdünger übergeben werden, welcher zur Zeit der Entwickelung der Blüthen und Früchte den Pflanzen die nöthige Menge von Ammoniak zuzuführen vermag. Pferdedünger iſt es aber, welcher dieſe Bedingungen erfüllt, und wenn auch die Pferde— haltung die Bearbeitung viel koſtbarer macht, ſo überträgt der höhere Ertrag der Felder dieſen Umſtand doch bei weitem. Letzterer würde ſehr zurückſinken, übergäbe man dieſen Bodenarten lediglich Dünger von Rindvieh.

Nach Durchleſung dieſer Zeilen dürfte ſich Manchem die Frage aufdrängen: Auch zugegeben, daß die ſtickſtoffreichen Dünge— mittel ungemein günſtig auf die Fruchtbarkeit des Bodens einwir— ken, wie ſollen ſie aber, und namentlich dann, wenn die Bevöl— kerung mehr und mehr ſteigt, beſchafft werden, um dadurch die vorhandenen Bodenflächen ſo viel ertragen zu laſſen, als jene Ver— mehrung verlangt? Auch in dieſer Beziehung dürfen wir ganz ruhig der Zukunft entgegenſehen.

Zur Zeit gehen noch eine Menge ſtickſtoffhaltiger Düngemittel für die Ackererde verloren; ich erlaube mir hier nur auf die Menge Knochen, alter Schuhe und Stiefeln, die man in Dörfern, in ſchmutzigen Winkeln, Pfützen u. ſ. w. findet, auf die Menge von Schweine- und anderer Haare, auf die Klauen, auf alte Wollen— lumpen, auf Papier und ſonſtige thieriſche Abfälle aufmerkſam zu machen, deren Anſammlung und Verwendung in der ESTER ſchaft ungemein lohnend wäre.

Mit der ſteigenden Bevölkerung wird aber auch eine ver— mehrte Menge von ſtickſtoffreichem Dünger den Feldern, ſowohl in feſter Geſtalt, als durch den Harn wieder zugeführt werden. Leider geht man auch in dieſer Beziehung, namentlich was den Harn betrifft, immer noch lange nicht ſo ſparſam um, als dies bei der Wichtigkeit dieſer Stoffe nöthig wäre; welche Maſſen derſelben

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gehen hinter Zäunen und an andern verſteckten Orten nutzlos ver— loren! Die ſteigende Zufuhre von Guano wird ebenfalls noch viel zur beſſern Befruchtung unſerer Felder beitragen.

Die reichlichſte Quelle zum Bezuge von Stickſtoff iſt uns jedoch für die Zukunft noch in Ausſicht geſtellt. Man hat nämlich die Erfahrung gemacht: daß der Stickſtoff der Atmoſphäre bei hohen Temperaturgraden ſich mit Kohle zu Cyan vereinigen läßt, und hat ſeitdem den Stickſtoff der Luft zur Darſtellung von Blut— laugenſalz verwendet, indem man die atmoſphäriſche Luft über glühende Kohlen leitet, um den Sauerſtoff in Kohlenoxydgas zu verwandeln, das Gemenge von Kohlenorydgas und Stickſtoff dann aber über eine bis zur Weißglühhitze erwärmte Miſchung von Pottaſche und Holzkohle führt.

Wenn dieſer Prozeß auch noch koſtbar iſt, ſo iſt doch der An— fang zur Zerlegung der Luft dadurch gemacht, und die Chemie wird im Laufe der Zeit für billige Wege ſorgen, um Stickſtoff,

dieſen für die Landwirthſchaft ſo äußerſt wichtigen Stoff, unmittel— bar aus unſerer Atmoſphäre billig herzuſtellen. Iſt es gelungen, den Stickſtoff der atmoſphäriſchen Luft unſeren Ackerflächen billig dienſtbar zu machen, dann iſt Uebervölkerung eine Chimäre.

Bis es zu dieſer Dienſtbarkeit der atmoſphäriſchen Luft in der Oekonomie gekommen ſein wird, ſuche aber jeder Landwirth alle diejenigen ſtickſtoffreichen Körper, mit denen, wie wir täglich zu ſehen Gelegenheit haben, theilweiſe noch auf eine unverantwort— liche Weiſe umgegangen wird, mit größter Sorgfalt auf und führe fie feinen Feldern zu, namentlich verſäume er die Aufſammlung von Knochen nicht, die in doppelter Beziehung von äußerſter Wich— tigkeit für die Bedüngung ſind, wie wir bei der Phosphorſäure in Erfahrung bringen werden.

Luft.

Ueberall wo wir uns befinden, ſei es auf den höchſten Ber— gen, ſei es in den engſten Schlünden, ſei es in den tiefſten Grün⸗ den, ſei es auf Ebenen, ſei es auf des Meeres grünen Fluthen, ſind wir von einer Flüſſigkeit umgeben, die wir in der Regel erſt in ihrem ſchreckenerregenden Wüthen, im Sturme, beobachten. Dieſe oft kaum bemerkbar ſäuſelnde, zuweilen hohl und unheim⸗ lich brauſende Flüſſigkeit Luft genannt umgiebt unſern Erd⸗ ball überall und ſteigt bis zu einer Höhe von 9 geographiſchen Meilen über deſſen Oberfläche. Beſtändig in Bewegung, zeigt ſie ſich hier als fächelnder Zephir, während ſie dort in ungezügelter Aufregung die ſtärkſten Bäume zerſplittert, Gebäude niederwirft und ſtolze Schiffe in den Grund des Meeres bohrt. Sie übt einen mächtigen Druck auf Alles, was ſie umgiebt, er beträgt auf jeden Zoll 15 Pfund. Zur Meſſung dieſes Druckes beſitzen wir ein Inſtrument, Barometer genannt, deſſen Queckſilber um ſo höher ſteigt, je mehr ſich dieſelbe über jenem aufhäuft. So leicht uns die Luft erſcheint, indem wir von unſerem Entſtehen aus an ihren Druck gewöhnt ſind, ſo iſt ihre die Erdkugel umgebende Menge doch von einem ungeheuren Gewichte, welches 150000 Billionen Centner wohl überſteigen dürfte.

Dieſe in der Regel nur ſelten gehörig beachtete Flüſſigkeit iſt vom höchſten Werthe für alles Lebendige auf unſerer Erde, denn ohne ihr Vorhandenſein wäre dieſelbe weder von Thieren noch von Pflanzen bewohnt. Sie beſteht aus einem Gemiſche gasför— miger Elemente und gasförmiger Körper, die zum Leben der Thiere und Pflanzen in den innigſten Beziehungen ſtehen und die wir in

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den vorhergehenden Abſchnitten einzeln bereits kennen lernten. Wir kommen daher hier nur in aller Kürze auf ſie zurück.

Stickſtoff und Sauerſtoff, die beiden Elemente in der Miſchung der Luft, verhalten ſich dem Gewichte nach wie 79 zu 21, die Kohlenſäure beträgt circa 2 Theilchen und der Waſſerdunſt vielleicht durchſchnittlich tel; aber noch viel geringer, als der Kohlenſäuregehalt, iſt der des Ammoniaks.

Bereits erfuhren wir: daß der Sauerſtoff eine farbloſe Gas— art ohne Geruch und Geſchmack ſei. Ein in daſſelbe gebrachtes Licht brennt in ihm zwar viel heller, es verzehrt ſich aber auch ungemein ſchnell; daſſelbe iſt beim Athmen der Thiere in ihm der Fall. Freudiger erregt, lebendiger, lebenskräftiger erſcheint das Thier im Sauerſtoffgaſe; das Blut, raſcher die Adern durch— ſtrömend, erregt die Nerven zur ſtärkſten Thätigkeit, allein einem ſolchen Leben folgt ein raſcher Tod. Auch der Stickſtoff iſt eine farb⸗ geruch- und geſchmackloſe Gasart, unterſcheidet ſich aber vom Sauerſtoffe dadurch daß ein in daſſelbe gebrachtes Licht ſo— fort erliſcht: daß das Athmen in ihm nicht fortgeſetzt werden kann, der Tod alſo plötzlich erfolgt.

Die Kohlenſäure, eine Verbindung von Sauerſtoff und Kohlenſtoff, iſt der Luft nur zu go, beigemiſcht. Im reinen Zu⸗ ſtande wirkt ſie auf den thieriſchen Organismus als Gift, wäh— rend fie das Pflanzenwachsthum ungemein begünftigt. Während Sauerſtoff 4 ſchwerer als Luft, der Waſſerſtoff aber 3 leichter als dieſe iſt, hat die Kohlenſäure ein bei weitem höheres Gewicht, miſcht ſich mit jenen Stoffen aber doch ſo gut, daß ſie in allen Höhen der Luftſchichten gleichmäßig vertheilt auftritt, wenn nicht äußere Einwirkungen ſie lokal vermehren oder vermindern.

Wo immer nur Waſſer der Einwirkung der Luft ausgeſetzt iſt, da bildet ſich auch Waſſerdunſt; wir können dies am deutlich— ſten wahrnehmen, wenn wir in heißen Sommertagen die Fuß— böden unſerer Zimmer mit Waſſer beſprengen: daſſelbe verſchwin— det dann ſchnell, ſteigt als unſichtbarer Dampf, eine Menge von Wärme bindend, in die Höhe und mengt ſich mit der Luft in unſern Zimmern.

Das Ammoniak, eine Verbindung von Stickſtoff und Waſſer⸗

96 ſtoff, entſteht bei Zerſetzung thieriſcher Körper und geht daun in Gasgeſtalt in die Miſchung der Luft ein.

Zu allen Zeiten und an allen Enden enthält unſere atmo— ſphäriſche Luft dieſe 5 Gasarten, mit einigen wenigen außer— weſentlichen gasförmigen Beimengungen z. B. Salpeterſäure. Wie bereits bemerkt, müßten die Pflanzen abſterben, müßten die Thiere verſchwinden, träte eine Aenderung in den Miſchungsver— hältniſſen unſerer Luft ein.

Wenn man von der Luft im Allgemeinen ſpricht, ſo werden die drei zuletzt aufgeführten Gasarten in der Regel nicht berück— ſichtigt, man begreift unter dieſer Benennung dann nur die Miſchung von Sauerſtoff und Stickſtoff. Die Kohlenſäure läßt ſich in derſelben jedoch ſehr leicht nachweiſen, wenn man ihr ein Gefäß mit Kalkwaſſer offen ausſetzt; auf demſelben erſcheint dann ſehr bald ein weißer Ueberzug, welcher ſich mehrt und als kohlen— ſaurer Kalk zu Boden fällt. Dagegen kann man in heißen Tagen den Waſſerdunſt recht gut aus ihr ausſcheiden, wenn man recht kalt gehaltene Metalle oder Glas-Platten in ſie bringt; ungemein raſch verdichtet ſich derſelbe dann an jenen und ſchlägt ſich dann in Geſtalt kleiner Tröpfchen, die ſich vergrößern und endlich an ihnen herabfließen, auf ihnen nieder. Im gewöhnlichen Leben bezeichnen wir dieſen Niederſchlag mit dem Namen des Schwitzens der Gegen— ſtände, die von der Kälte in die Wärme gebracht werden.

Wir wiſſen: daß der Sauerſtoff beim Athmen der Menſchen und Thiere vermittelſt des Einnehmens deſſelben in die Lunge den Kohlenſtoff des Blutes verbrennt und auf dieſe Weiſe Kohlen— ſäure bildet und daß dadurch die für das Leben unumgänglich nothwendige Wärme erzeugt wird; wir wiſſen: daß die Pflanzen Kohlenſäure einathmen: daß das Licht die Zerlegung derſelben bewirkt: daß die Pflanzen alſo den für das Leben der Thiere un— entbehrlichen Sauerſtoff wieder herſtellen. Letzterer iſt daher einer unſerer wichtigſten Grundſtoffe, der aus keiner andern Quelle ſo reichlich und in ſo glücklicher Miſchung zu beziehen iſt, als aus der Luft. Wäre er hier nicht in ſo außerordentlicher Menge vor— handen und hätte die Luft die Eigenſchaft nicht, Alles zu durch— dringen, ſo wäre das Leben der Thiere und Pflanzen jeden Augen—

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blick gefährdet. Ebenſo verhält es ſich mit der Unterhaltung des Lichtes, mit der Unterhaltung der Verbrennung. Wäre die Luft nicht, dann würden wir weder Licht noch Feuer haben, und Holz, Steinkohlen, Fett, Oel hätten keinen Zweck.

Wir ſahen: daß im reinen Sauerſtoffe das Leben ein raſches, ungemein reges: daß es aber auch ein nur kurzes ſei; daher iſt das Miſchungs-Verhältniß zwiſchen Sauerſtoff und Stickſtoff in unſerer Atmoſphäre ein ſo ungemein günſtiges für das Beſtehen alles Lebenden; denn wäre nur Sauerſtoff vorhanden, dann wäre der Zerſtörungsſucht deſſelben nicht allein Thür und Thor geöffnet und er würde alles Lebendige in kürzeſter Friſt wegſchaffen, ſondern auch mit den vorhandenen Brennmaterialien eine Feuersbrunſt entzünden, die ſich dann erſt löſchte, wenn alles Brennbare auf der Erde verſchwunden wäre. Der Stickſtoff iſt dem Sauerſtoffe daher als Zügler der Leidenſchaft, als ſtrenger Hofmeiſter an die Seite geſtellt, damit er ihn überall bändige. Als ſolcher zeigt er ſich großartig und wird Pflanzen und Thieren zum allgemeinen Beſchützer.

Gerade ſo wie der Sauerſtoff der Luft das eigentliche Lebens— princip für die Thiere iſt, ſo iſt es die Kohlenſäure für die Pflan— zen. Damit ſie dem thieriſchen Organismus wegen ihrer giftigen Eigenſchaft nicht nachtheilig werde, wurde fie der atmoſphäriſchen Luft nur in geringer Menge beigemiſcht.

Für Pflanzen und Thiere iſt aber der in der Luft enthaltene Waſſerdunſt vollkommen unentbehrlich; denn im lebenden Zuſtande beſteht die Pflanze bis zu 4 ihres Gewichtes aus Waſſer. Das— ſelbe ſteigt als Dunſt ununterbrochen von ihren Blattflächen aus in die Luft. Die Pflanze iſt daher wie wir bereits beim Waſſer ſahen die Ausgleicherin des Waſſergehaltes zwiſchen Meer, Luft und Erde. Hätte die Luft keinen Waſſerdunſt in ſich aufge— nommen, ſo würden die grünen Pflanzentheile und die Blätter das Waſſer bei weitem ſchneller verdunſten, als ſie deſſelben aus dem Boden durch die Zellen nachzuſaugen vermöchten; die Folge davon wäre Verwelkung, raſches Verdorren und Abſterben der Zellen.

Auch bei den Thieren ſpielt das Waſſer eine große Rolle.

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 1

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Hier ſtellt es ſich dem Gewichte nach ebenfalls als ein Haupt⸗ beſtandtheil dar. Ein ausgewachſener Mann von 170% Gewicht trägt ſtets 140 27. Waſſer mit ſich herum, während feine feſten Be— ſtandtheile nur 30 7%. wiegen. Durch Lunge und Haut wird fort⸗ während Waſſer verdunſtet; wäre die ihn umgebende Luft aber auch vollkommen trocken, ſo würde ſeine Haut verrunzeln und ſein von Fiebern geſchüttelter Körper unter den ſchrecklichſten Qualen verdurſten.

Daher muß die Luft, die wir athmen, ſtets feucht ſein; wäre ſie dies nicht, ſo würde nur zu bald alle Feuchtigkeit ausgeathmet ſein, welche das Zellgewebe des Körpers anfüllt und er dann als eine ſchwarze Mumie erſcheinen. Die heißen trocknen Winde der Wüſten tödten den Körper auf dieſe Weiſe, denn ſie entziehen ihm bei ihrer vollkommenen Trockenheit alle Feuchtigkeit. Von unaus⸗ ſprechlicher Wichtigkeit iſt daher die Feuchtigkeit der Luft für das Beſtehen alles Lebendigen auf der Erde, denn fie iſt in den un⸗ zähligen Zellen der Pflanzen genau ſo unentbehrlich, als in den Lungen und den übrigen Theilen des thieriſchen Körpers.

Nicht der Regen allein ja dies wohl nur zum kleinſten Theile verſorgt unſere Natur mit dem ſo äußerſt nothwendigen Waſſer, der Dunſt beſorgt dies im höheren Grade. Taucht die Sonne im Sommer hinab in des Meeres Fluthen und bricht die Kühle der beginnenden Nacht über uns herein, die die unter dem Drucke ſengender Hitze ſchmachtenden Pflanzen wieder aufrichtet, dann ſteigt mit ihr zugleich der Waſſerdunſt herab aus der Atmo— ſphäre und labt mit ſeinem erfriſchenden Hauche das grüne Blatt. Begierig ſtrecken die Sauger ihre Fangarme ihm entgegen und ver— bergen ihn ſorgſam in ihren unſichtbaren Höhlen, um ihn mit dem beginnenden Morgen durch die Wurzeln den Blättern durch eine Unzahl von Zellen zuzuſenden. In ſichtbaren und unſichtbaren Nebeln, fein wie der unſichtbare Hauch, undurchdringlich wie der ſtärkſte Rauch, ſenkt er ſich nieder auf den abgekühlten Boden. Wie labt ſich die Pflanze in dieſem Götterſafte! wie ſtärkt ſie den Wohlgeruch der Blüthen und ruft eine Unzahl von prachwollen Nachtſchmetterlingen herbei, um ihnen den Honigthau aus ihren Kelchen zu ſchenken!

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Die Beimengung von Ammoniak iſt ebenfalls hochwichtig für das Leben und Gedeihen der Gewächſe, ganz beſonders in den heißen Klimas. Daſſelbe entſteht beim Verweſen thieriſcher und pflanzlicher Stoffe bei Gegenwart von Waſſer und Luft und iſt ſtets die Urſache des ſtechend unangenehmen Geruchs faulender Maſſen.

In Pferdeſtällen, die unſauber gehalten und nicht gehörig gelüftet werden, tritt uns daſſelbe im Sommer ſtets entgegen und beläſtigt unſere Augen. Auch bei Gewittern wird es gebildet, weshalb es ſich in heißen Gegenden häufiger als in kälteren ent— wickelt.

Zwei Elemente: Sauerſtoff und Stickſtoff, und 3 Verbindun— gen: Waſſerdunſt, Kohlenſäure und Ammoniak ſind es alſo, die unſere Luft zuſammenſetzen, ſie ſind es, in denen ſich das Leben der Thiere und Pflanzen geſtaltet, in denen es ſich fortſetzt und ausbildet. Keiner dieſer Beſtandtheile darf fehlen, und wenn auch das Ammoniak in unſerm Klima nicht ausreicht und dem Boden im Dünger beigebracht werden muß, um das Saamenkorn keim⸗ fähig zu machen, um das junge Pflänzchen zu kräftigen, um Blüthen und Früchte in demſelben hervorzurufen, ſo iſt es dennoch von hoher Einwirkung in unſern Wäldern, namentlich aber in ſüdlichen Gegenden, wo man den Feldern nur ſelten Dünger zuzu— führen nothwendig hat.

Wie überall, ſo zeigt ſich auch in der Miſchung unſerer Luft die Weisheit und Unfehlbarkeit unſeres Schöpfers; die giftige Kohlenſäure, ſo gefährlich für den thieriſchen Körperbau, wurde ſcheinbar nur in geringer Menge in die atmoſphäriſche Luft nieder: gelegt und dennoch iſt fie auf Tauſende von Jahrtauſenden aus: reichend für unſere Pflanzenwelt, für welche, wie wir ſahen, ſie vollkommen unentbehrlich iſt.

Der Boden; auf welchem die Pflanzen wachſen.

In der richtigen Kenntniß unſerer Ackerkrume, Boden, und der Beſtandtheile, welche derſelben zugeführt werden müſſen, um reich— liche Erndten auf ihr zu erzielen, beruht nicht allein die Wohlfahrt aller cultivirten Völker, ſondern letztere kann auch lediglich und allein nur durch die fortſchreitende Bodencultur gehoben werden.

Der Ackererde verdanken wir unſere Nahrung, durch ſie be— ziehen wir unſere Kleidung, durch ſie richten wir unſere Wohnungen bequem ein. Vermittelſt derſelben vermehren und veredeln wir un— ſere Brodfrüchte, erlangen unſern Oel- und Fettbedarf, erziehen unſer Fleiſch. Es unterliegt daher nicht dem geringſten Zweifel: daß die Ackererde nicht allein der Begründer, ſondern auch der Stützer und Vervollkommner, fo wie der Erhalter der Geſammt⸗ Induſtrie ſei. Es iſt daher Pflicht eines jeden Menſchen, ſich mit dem Boden genau bekannt zu machen, denn von ſeiner guten Be— handlung und Bedüngung hängt neben dem ausreichenden Vor— handenſein von Licht, Wärme, Clectricität und Waſſer ja das Beſtehen des ganzen Menſchengeſchlechts ab. Seine genauere Kenntniß giebt uns aber in der Neuſtzeit auch gar wichtige Auf— ſchlüſſe. So war man z. B. vor noch nicht langer Zeit der Anſicht: daß ein ſchwerer fetter Boden beim Betriebe der Landwirthſchaft beſſer ſei und bezahlte Güter mit ſolchem viel theurer, als diejeni— gen, die einen leichten Boden beſaßen. Neurer Zeit giebt man aber gerade letzteren und zwar wegen ihrer Billigkeit den Vorzug und baut, bei gehöriger Bedüngung, auf ihnen dieſelben ſchweren Wei— zenkörner, wie auf jenen.

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Wenn man dem Boden die gehörige Pflege und Aufmerkſam— keit ſchenkt, ſo erweiſt er ſich äußerſt dankbar. Nachdem man dies in England erkannt hatte, verſorgt derſelbe dort im Augenblicke 7 Millionen Menſchen mehr mit vortrefflichem Weizen, als vor 40 Jahren früher. Man übergiebt ihm aber auch Guano, Knochen— mehl, Knochenkohle aus Zuckerraffinerien, Wollenlumpen, Haare u. ſ. w. in einer Quantität, die jährlich mehrere Millionen Centner überſteigt. Aber auch in Frankreich geſchieht jetzt viel für die Pflege des Bodens; 500000 Ctr. Thierkohle, 600000 Ctr. Staubmiſt, 200000 Ctr. Wollenlumpen, Scheerwolle, getrocknetes Fleiſch, Blut u. ſ. w. werden dort als Dünger verkauft. Oeſtreich ſchrei— tet in dieſer Beziehung raſch vor und in der Jüngſtzeit wird in Wien ein trefflicher Dünger bereitet und in den Handel gebracht. Sachſen und Belgien zeichneten ſich bezüglich der Aufmerkſamkeit, welche ſie dem Boden ſchenkten, ſchon längſt vortheilhaft aus. Nichts bedarf aber auch der Aufmerkſamkeit der Staatsregierungen im höheren Grade, als die Landwirthſchaft. Man beſuche die bri— tiſche Inſelgruppe, dort begegnen uns in den Farmern gebildete, wohlhabende Leute, die Freude an ihren wohlgenährten, in beque— men Wohnungen untergebrachten Arbeitern haben. Der dortige Farmer begnügt ſich aber nicht allein mit der Praris; er betreibt ſeine Landwirthſchaft wiſſenſchaftlich und dies gerade iſt es, was in Verbindung mit dem Schutze und der Vorſorge einer wohlwol— lenden Regierung die Anſtrengung, den Fleiß und die Beharrlich— keit in ſo kurzer Zeit krönt und große Capitalien abwirft.

Nichts iſt daher in einem Lande von höherem Werthe, als der über daſſelbe ausgebreitete Boden, nichts ſollte aber auch Seitens der hohen Staatsregierungen mit größerer Aufmerkſamkeit behan— delt werden. Der Boden Englands war vor einer kurzen Reihe von Jahren noch ſehr erſchöpft; durch die Einfuhr von Knochen und Guano wurde die Landwirthſchaft daſelbſt aber ungemein ge— hoben. Stellen wir nun die Frage, wann der Aufſchwung der dortigen ſo gewaltigen Induſtrie begann, ſo erhalten wir zur Ant— wort: mit der Hebung des Ackerbaues. Gerade ſo iſt es in Bel— gien; gerade ſo in Sachſen. |

Bei der Behandlung des Waſſers und des Waſſerdunſtes

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ſahen wir, was für Calamitäten über die gefegnetften mit der üppigſten Vegetation bedeckten Länder hereinbrechen können, wenn in denſelben Entholzungen in zu großem Maasſtabe vorgenommen werden; wenn dabei der Boden aber auch vernachläſſigt und dem⸗ ſelben keine, oder doch die gerade nothwendigen Düngſtoffe nicht wieder zugeführt werden, dann iſt es hohe Zeit, daß von Seiten der Staatsregierungen eingeſchritten wird, damit das Land nicht entvölkert, damit die Bevölkerung nicht entkräftet werde. Wodurch ſanken mehrere der hochſtehenden, fo gebildeten Volksſtämme des Alterthums? Man ſagt durch Ueppigkeit und Schwelgerei. Der eigentliche Grund lag aber tiefer. Bei der mehr und mehr wach— ſenden Bevölkerung entzog man dem Boden die Nahrungsſtoffe, ohne ſie in hinreichender Menge wieder zu erſetzen, man trieb die Waldungen ab, ohne ſie wieder anzubauen und machte dadurch den Boden auf doppelte Weiſe unfruchtbar. Viele Jahrhunderte ſind ſeit dieſer Zeit verfloſſen und dennoch wurde es der Natur während dieſer langen Zeit nicht möglich, dem Boden die frühere Kraft, den Wäldern die frühere Vegetation wieder zu erſetzen; öde, wüſte und kahl ſtellen ſich daſelbſt heute noch Flächen dar, auf denen vor Tauſenden von Jahren die höchſte Cultur, die üppigſte Pracht waltete. Mit dem ärmer werdenden Boden ſinkt und er— ſchlafft die Bevölkerung, der Geiſt wird träge, die Prachtbauten verfallen, der die Gegend bewohnende Menſch zieht ſich ſcheu vor ihnen zurück und ſchlägt ſeine Wohnung unter einem Schutthaufen auf. Daher erlaube ich mir hier nochmals auszuſprechen: es möge ſich Alles vereinigen, um dem Boden die größte Aufmerkſamkeit zu— zuwenden; denn durch ihn wird nicht allein der Körper gekräftigt, durch ſeine beſſere Herrichtung wird auch der Geiſt geſtählt und ausgebildet. Durch ihn gelangen wir zu bequemen Wohnungen, zu billigen und warmen Kleidern, mit ſeiner ſorgfältigen Bebauung hebt ſich die Induſtrie, die Wiſſenſchaft und Kunſt. Durch ihn wächſt der Wohlſtand, die Sittlichkeit und Religion. i

Wenn die geſetzgebenden Gewalten in Spanien darauf ſähen, daß jenes von der Natur ſo ungemein begünſtigte Land wieder mit mehr Waldungen bedeckt würde, dann würde die Bevölkerung ſich raſch mehren und Induſtrie und Gewerbsweſen ſchnell zur Blüthe

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gelangen; jo lange dafür nichts gefchieht, werden alle Verfaſſungs— änderungen und Verbeſſerungen nicht ausreichen, um Wohlbehagen und Wohlſtand daſelbſt wieder einzubürgern.

Gehen wir nun ſpecieller auf die Bildung und Veredlung des Bodens über.

Gleich wie unſere Atmoſphäre der Behälter gasförmiger Stoffe, der Luft, iſt, ſo umgiebt die Außenfläche unſerer Erde ein Haufwerk loſer, gröberer oder feinerer Geſteinstheilchen, welche Ackerkrume genannt wird. Dieſelbe verleiht den Pflanzen nicht allein den Haltpunkt zu ihrer aufrechten Stellung, indem ſich die— ſelben mit ihren Wurzeln in die Erde eingraben, ſondern die Pflan— zen entnehmen ihr auch einen großen Theil ihrer Nahrungsbeſtand— theile.

Vom Anbeginne an war unſere Erdoberfläche nicht ſo, wie ſie ſich uns im Augenblicke darſtellt. Im Laufe einer Unzahl von Jahren war ſie den großartigſten Veränderungen unterworfen. Obſchon viele derſelben täglich noch fortgehen, fo find fie uns, bei unſerm kurzen Erdenleben, doch kaum bemerkbar. Der Verwittrungs— Prozeß, die auflöſende und fortſchaffende Gewalt des Waſſers, das Eis und der Wind, die Kohlenſäure ſind es, die ſeit der unend— lichen Reihe von Jahren, ſeit welcher die Erde beſteht, ſo verän— dernd auf deren Felsmaſſen einwirkten und dadurch unſern Boden hervorriefen.

Ohne den Verwittrungs-Prozeß würden überall kahle nackte Felswände, jähe Klippen und ſteile Riffe ſichtbar, würde die Erde öde, wüſt und leer ſein. Statt des prachtvollen Grüns, ſtatt des einnehmenden Farbenſchmelzes würden uns graue Maſſen, nur hie und da mit einer dunklen Flechte, mit einem falben Mooſe be— gleitet, entgegenſtarren. Keine höhere Pflanze, die für ihren Standpunkt ein Haufwerk loſer Geſteinstheilchen nothwendig hat, würde ihr Leben zu friſten vermögen, wäre die Verwittrung nicht vorhanden.

Bedenken wir nun, in welch inniger Beziehung die Pflanze zum Thiere ſteht, bedenken wir: daß letzteres ohne jene gar nicht zu leben vermag, indem es ja gerade die Pflanze iſt, die das Thier unmittelbar mit den nothwendigſten Nahrungsmitteln verſorgt, die

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dem Menſchen Obdach und Wärme ſpendet, ja auf und in welcher ganze Thiergeſchlechter geboren und begraben werden, ſo lernen wir den Verwittrungsprozeß als denjenigen kennen, der das Leben auf der Erde einleitete, ja der zuerſt die Pflanze hervorrief, um durch ſie das Leben der Thiere zu ſichern.

Unſere Ackererde entſteht alſo durch Verwittrung und diefe ift‘ eigentlich weiter nichts, als der Zerſtörungstrieb des Sauerſtoffs, welcher zur Ausführung dieſes Geſchäfts ſich mit verſchiedenen Kräften verbündet. Durch die Verwittrung werden die Felſen mürbe gemacht und in Staub verwandelt, werden thieriſche und pflanzliche Körper zerſtört. Wind und Waſſer übernehmen deren Mengung, welche an ſich ſchon dadurch erleichtert iſt, daß in der Aufeinander— folge unſerer Gebirgsarten ein beſtändiger Wechſel ſtattfindet. Auf dieſe Weiſe treten die verſchiedenſten Geſteinstheilchen, die mannig— fachſten Salze und Säuren, eine große Menge organiſcher Stoffe in die Ackerkrume ein, die um ſo fruchtbarer wird, je verſchiedener die Geſteinstheilchen, je kleiner dieſelben, in je größerer Quantität ſie abgelagert und je mehr ſie mit Thier- und Pflanzenüberreſten geſchwängert iſt. Bevor wir uns nun weiter mit der Ackerkrume befaſſen, erſcheint es zweckmäßig die Bildner derſelben etwas ge— nauer kennen zu lernen.

Der Sauerſtoff, welchen unſer Schöpfer der Erde ſo reich— lich ſpendete, daß er zu 3 im Waſſer, zu 4 in der Erdrinde, zu + in der Luft getroffen wird: daß er den Menſchen- und Thierleib zur Hälfte, zum Drittel den pflanzlichen Organismus zuſammen— ſetzt, iſt der Hauptbeförderer der Verwittrung. Er ſchont den här— teſten Granit, den feſteſten Kieſel nicht; an Kalkſtein, Schiefer, Baſalt, Porphyr, Syenit, Diorit, an Gneus u. ſ. w. tritt er hinan; er ſucht das kleinſte Aſtloch eines rieſigen Baumes, die geringſte Wunde eines Thieres auf, ſchleicht ſich hinein, ſetzt ſich feſt und beginnt von da aus ſein Zerſtörungswerk. Er naht ſich dem Ge— ſteine im Regen, er verſteckt ſich in den Schnee und dringt dann zugleich mit dem Waſſer in die feinſten Spalten, in die unſichtbar— ſten Riſſe und zerſplittert und zerſpaltet durch Oxydation Felsmaſſen, welche der vereinten Kraft von Hunderten von Menſchen wider— ſtanden haben würden. Er läßt ſich zugleich mit dem Stickſtoffe

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der Luft in die entlegenften Spalten des Erdinnern tragen, treulos verläßt er dort feinen Gefährten, verbindet ſich mit dem Kohlen— ſtoffe zu Kohlenſäure und unterwühlt und höhlt ganze Berge aus. Ueberall zwickt, nagt und zerbricht er die ſpitzeſten Ecken, die ſchärf— ſten Kanten der feſteſten Kryſtalle ſind ihm nicht ſpitz, ſind ihm nicht ſcharf genug, er ſchleift ſie ab. Er kennt weder Ruhe noch Anſtren— gung, ihm ſind Tauſende von Jahren ein Nichts; daher fragt er weder nach der Zeit, noch kümmert ihn der Raum. Seine einzige Luſt und Freude hat er am Zerſtören, um in demſelben wieder aufzubauen. Indem er hier Geſteinstheilchen von feſten Kieſel- Kalk- Thongeſtei— nen zuſammenhäuft, dort das Kali und die Bittererde aus beſtehen— den Verbindungen reißt, ſich mit Waſſerſtoff verbündet, um das Gemenge zu befruchten, zerſtört er zugleich einen knorrigen Stamm, zerlegt er eine alterſchwache Maus in ihre Beſtandtheile; ein Saa— menkörnchen, was zufällig in das Gemiſch fällt, ſchwellt er auf, läßt es ein Keimchen treiben, er hätſchelt und pflegt ſein Kind ſorg— fältig bis zum Reifen der Früchte; doch wehe dem Stängel, wehe dem Saamen, erbarmt ſich derſelben nicht bald eine milde Hand; denn ſo wie die Reife vorüber, beginnt er bei vorhandener Feuch— tigkeit auch ſein Zerſtörungswerk von Neuem und opfert die kaum gebildete Pflanze unnachſichtlich ſeiner Leidenſchaft auf.

Ueberall ſetzt ſich der Sauerſtoff feſt; er nagt unausgeſetzt, er iſt der Zahn der Zeit. Wenn auch noch ſo langſam zu Werke gehend, ſo verliert er ſeinen Zweck doch niemals aus dem Auge; ja er erreicht dadurch um ſo ſicherer ſein Ziel. Er zerſprengt den Mör— tel, der Jahrtauſende Widerſtand geleiſtet hat, er vermodert das Holz, er zerfrißt den Thierleib, er erblindet das Glas, er ermattet die blankſten Metallflächen und ſucht, wo er ſich auch befinde, immer und immer Ackererde zu bilden. Das Waſſer welches er zu 8 be— herrſcht, indem er dem Waſſerſtoffe nur 3 Platz vergönnte, iſt ein ſteter Begleiter ſeiner Zerſtörung, iſt ein treuer Begleiter ſeines Aufbauens; daher übernahm es beim Verwittrungsprozeß und der Ackererdenbildung eine ſo gewichtige Rolle. Es hat daſſelbe die merkwürdige Eigenſchaft ſeine größte Schwere und Dichtigkeit ſchon bei 3“ R. vor dem Gefrierpunkte in Anſpruch zu nehmen, beim Feſtwerden ſich aber wieder auszudehnen. Hierdurch wird es in

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kälteren Gegenden der Erde ein mächtiger Bundesgenoſſe des Sauer: ſtoffs; es drängt ſich in die Klüfte, Spalten und Schiefrungs— ebenen ein und ſprengt nach dem Gefrieren die feſteſten Geſteine. Als Gletſcher richtet es auf dieſe Weiſe und ſelbſt in ſüdlichen Gegenden die merkwürdigſten Zerſtörungen an. Durch die beſtän⸗ dige Ausdehnung und die dadurch erfolgende Vorwärtsſchiebung der gewaltigen Eismaſſen zertreibt es die härteſten Granite, ſpaltet ganze Felsſtücke und zertrümmert ſie in die feinſten Theilchen. Da— her ſehen wir die von den Gletſchern herabſtrömenden Gewäſſer beſtändig trübe, fie liefern ein ungeheures Material für die Ader- krume. Als Waſſer wirkt es nicht minder durch ſeine Gewalt und Schwere in Waſſerfällen und reißenden Bächen und Strömen. Fortſtürzend bemächtigt es ſich großer Felsſtücke, zertrümmert die— ſelben, indem ſich mehrere derſelben neben einander und zugleich auf der mit großen feſten Steinen belegten Bach-Sohle und deſſen Ufern wälzen. Man verfolge nur einen muntern Gebirgs bach von ſeiner Quelle in hochgelegenen Alpen bis herunter, wo er langſam durch die Tiefebenen ſchleicht. Die Steinmaſſen, welche ſein Bette erfüllen und ihn zu Tauſend und aber Tauſend Windungen nöthi— gen und ſein mächtiges unheimliches Brauſen, ſein toſendes Don— nern veranlaſſen, werden um ſo kleiner, je mehr ſich die Maſſen der Ebene nähern. In letztern zeigen ſich anfangs nur noch gröbere Sande, zuletzt aber nur ganz feine Schlammtheilchen.

Beſonders zerſtörend ſind die Wogen des Meeres, ſie wirken angreifend und zerreibend gegen die Felsmaſſen der Küſten, indem der harte Kieſel ſo lange an ſie anſchlägt, bis ſie nach und nach der Zerſtörung unterliegen.

Auf unſerer Erdoberfläche findet ein beſtändiger Wechſel zwi— ſchen Berg und Thal, Hügel und Ebene ſtatt, das durch den Regen einſtrömende Waſſer ſucht fortwährend die Hervorragungen der Erdoberfläche zu erniedrigen und ihre Unebenheiten auszugleichen. Daher werden die von den Gebirgen abgetrennten Theilchen vom Waſſer in die Ebenen oder in die Tiefen des Meeres getragen; reißende Ströme beſorgen dieſes Geſchäft und laſſen die zerriebenen Theilchen an ihren Mündungen oder, bei Ueberſchwemmungen, auf jenen Ebenen ſitzen. Auf dieſe Weiſe bildet ſich ſtets neuer Boden.

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Die mechanische Gewalt des herabſtürzenden Regens, des Schnees und Hagels erſcheint zwar nur gering, allein in der Länge der Zeit üben ſie dennoch einen großen Einfluß. Wo Waſſertropfen, Schnee und Hagelkörner hinfallen, da wirken ſie angreifend, da zerſtören fie; denn der Regen miſcht ſich mit den feinen Kieſeltheilchen, welche der Sturm in die Luft führt, und dieſe ſchleifen die härteſten Felſen ab.

Auf kurze Zeiträume und bei reiner Luft erſcheint die Zerſtö— rung durch Winde nicht von Bedeutung, wird aber der Sand in der Wüſte oder der Staub in den Straßen zugleich mit Regen längere Zeit gegen Felſen, Gebäude und Bäume geworfen, ſo reibt er nach und nach Theile ab. Vielfach dient der Wind im Sturme dazu, Bodenmiſchungen zu veranlaſſen. Von den Küſten des Meeres trägt er den Sand tief in die Länder und miſcht ihn mit den Torfmooren.

Auch die Electricität zerſtört, wenn ſchon unmerklich im Augen— blicke, doch mächtig in langen Zeitläuften. Die Verſchiedenheiten der Stoffe auf unſerer Erde halten ſtets eine electriſche Spannung rege, die ſich in allerlei Zerſetzungen äußert und auch der Blitz hilft getreulich beim Zerſtörungswerke.

Wir ſahen ſo eben, wie mächtig der Sauerſtoff, das Waſſer, die Winde, die Electricität die Bildung des Bodens befördern; im nicht geringern Verhältniſſe thut dies die Kohlenſäure. Verfolgen wir die mächtigen Ablagerungen der verſchiedenen Kalkformationen in unſern Ebenen, im bergigen Lande, in den gewaltigen Zügen der himmelanſteigenden Alpen, fo finden wir: daß die Kohlenſäure in Verbindung mit Waſſer ſtets zerſtörend auf dieſelben einwirkt. Dieſelbe hat nämlich die Eigenſchaft, wenn ſie in Waſſer gelöſt iſt, einen Theil kohlenſauern Kalks aufzunehmen, und ihn wieder fallen zu laſſen, wenn ſie wieder an die Luft austritt oder Verbindungen mit andern Körpern eingeht. Der auf dieſe Weiſe aufgelöſte koh— lenſaure Kalk wird im Waſſer fortgetragen und ſetzt ſich, ſobald ihn die überſchüſſige Kohlenſäure verläßt, zugleich mit Kieſel und Thon ab. Recht überzeugende Beiſpiele von dieſem Prozeſſe erhalten wir bei Quellen, welche den ſogenannten Tuffkalk abſetzen z. B. beim Karlsbader Sprudel. Allein nicht allein bei der letztgenannten

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Quelle gewahrt man dies, auch die Bewohner ſolcher Gegenden, welche ihr Waſſer für die Hauswirthſchaften aus Quellen und Bächen ſchöpfen, die aus Kalkſteinen hervorbrechen, können ſich täglich überzeugen, wie geſchäftig die Kohlenſäure ihr Zerſtörungs— werk betreibt; ſie werden nicht fertig mit Reinigung ihrer Gläſer, mit Scheuern ihrer Küchengeräthſchaften, an deren Wandungen ſich der in Kohlenſäure gelöſte kohlenſaure Kalk anſetzt, wenn die Waſſer durch das Stehen oder durch das Kochen ihre Kohlenſäure fahren laſſen.

Die Kohlenſäure begnügt ſich aber nicht allein mit der Zer— ſtörung kohlenſaurer Kalke und kohlenſaurer Talke, ſie wagt ſich auch an Granite und andere harte Gebirgsarten, wenn dieſelben, was ſtets der Fall iſt, Silicate als Beſtandtheile enthalten. Nach ihrer Löſung im Waſſer bemächtigt fie ſich nämlich des Kalis und führt daſſelbe zugleich mit der löslichen Kieſelerde in den Boden, wo ſie entweder ſofort zur Ausbildung von Pflanzengeweben ver— wandt oder dieſem Zwecke für ſpätere Zeiten aufbewahrt werden. Das auf dieſe Weiſe aus den Graniten und andern feldſpathhal— tigen Geſteinen verſchwundene Silicat trägt nun dazu bei, das Ge— ſtein mürbe zu machen, der Regen wäſcht es ab; der Sauerſtoff zertreibt, das Waſſer zerreibt, und ſo ſetzten andere Kräfte und Elemente die Zerſtörung fort, welche die Kohlenſäure zum Behufe der Ackererdenbildung begonnen hatte.

Mit alle dieſem nicht zufrieden ſucht die Kohlenſäure ihr Zer— ſtörungswerk auch an Kunſtwerken auszulaſſen; ſie erweiſt ſich in dieſer Beziehung als die größte Feindin der Bildhauer. Je grö— ßer die Stadt iſt, in welcher ſie Kunſtwerke aus Marmor gebildet vorfindet, um ſo geſchäftiger bearbeitet ſie dieſelben, denn an ſol— chen Orten ſitzen ihr die Pflanzen, welche ſie ſtets bis auf die ge— ringſte Kleinigkeit zu vertilgen ſuchen, nicht fo auf dem Nacken.

Durch die Wirkungen dieſer verſchiedenen Körper, Elemente und Kräfte werden alſo die Felſen zertrümmert, die Trümmer zer— rieben und die zerriebenen Theile von ihrem Entſtehungspunkte weggeſchwemmt; bei der endlichen Ablagerung ſetzen ſich die grö— bern zu unterſt, die feinen oben auf. Da nun die Geſteine auf unſerer Erdoberfläche ungemein verſchieden ſind, indem ſie aus den

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mannigfachſten Beſtandtheilen zuſammengeſetzt und auf das Man— nigfachſte beim Fortführen im Waſſer mit einander gemiſcht wur— den, ſo folgt von ſelbſt: daß ein und dieſelbe Felsart verſchiedene Arten von Ackererden hervorrufen könne. So werden wir z. B. am Abhange ſchroffer Gebirge auf grobe Kiesgeſchiebe treffen, während ſich weiter entfernt feiner Sand, Lehm oder Thon findet. Aus einer geſchichteten oder geſchieferten Felsart von verſchiedener Zu— ſammenſetzung kann der Thon oder Kalk, letzterer durch kohlenſäure— haltiges Waſſer, ausgewaſchen und über die niedrige Thalſohle verbreitet werden, während der Kieſel zurückbleibt. Hier treffen wir auf unfruchtbaren Granit, aus welchem der Kaligehalt aus— gewaſchen wurde, während letzterer nicht weit entfernt, in anderer Miſchung, die größte Fruchtbarkeit gewährt. Auf dieſe Weiſe wer— den die Materialien, aus denen die Felſen urſprünglich beſtanden, durcheinander gemengt. Hier wird gegeben, dort wird genommen, hier wird zugeſetzt, dort fortgetragen. Hier nimmt der Sturm die feinſten Geſteinſplitterchen, führt ſie hinüber in den gewaltigen Ocean, auf deſſen ſchaukelnden Wellen ſie Tauſende von Meilen zurücklegen; dort ſprudelt eine luſtige Quelle kohlenſauren Kalk in ein kleines Bächlein, das Bächlein wird zum Bache, der Bach zum Fluß, der Fluß zum Strome und immer ſchwimmt der Kalk noch in demſelben. Trübe Fluthen, hervorgegangen aus dem ſchnel— len Thauen des Schnees, hervorgegangen aus heftigen Gewitter— regen, die die Gebirge ab- und auswuſchen, wälzen ſich in reißen— den Strömen durch die Flachländer dem Meere zu. Die Ufer überſteigend, ſich an den Meeresfluthen ſtauend laſſen ſie das in ihnen ſchwimmende Material fallen und bilden auf dieſe Weiſe das angeſchwemmte, ſo fruchtbare Land.

Allein die Geſteinstheilchen, ſelbſt in ihrer glücklichsten Mi⸗ ſchung, bedingen noch lange nicht die Güte der Ackerkrume; die ab— ſterbenden Vegetabilien, die abſterbenden Thiere machen 80 erſt zu dem, was fie fein ſoll. Beim Vermodern, beim Verweſen miſchen ſich ihre kohligen, ihre ſtickſtoffhaltigen Theile mit Ackererde. Iſt der Boden feucht, dann entſteht außerdem noch ſaurer Humus, oder Torf. Im letzteren Falle findet man dann den aus der Geſteins— zertrümmerung hervorgegangenen Boden oft tief unter der in Kohle

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verwandelten Pflanzenmaſſe, welch letztere den der Cultur nur ſchwer zugänglichen ſauern Marſchboden bildet. Wir ſtoßen auf letzteren in Niederungen, im Bette ausgetrockneter Seen und an den flachen Meeresküſten ſehr häufig. wu

Durch Zuſammenwirkung des Verwittrungs-Prozeſſes, der fortbewegenden Kraft des Waſſers, durch welche die verwitterten Felſen nach allen Orten und Enden hingetragen werden, durch das Vergraben pflanzlicher und thieriſcher Ueberreſte in den fo gebilde— ten Geſteinshaufwerken werden alſo die verſchiedenen Bodenarten gebildet. Im Allgemeinen unterſcheidet man Kalk-Thon— Sand- Mergel⸗Moorboden. Obſchon dieſe Bezeichnungen auf richtige chemiſche Unterſcheidungen hindeuten, ſo iſt im Allge— meinen für die genauere Bodenkenntniß doch noch viel zu wenig geſchehen. Dem Aeußern nach erkennt man den Sandboden leicht an ſeinen quarzigen, kieſeligen Beſtandtheilen. Der Kalk- oder Mergelboden enthält dagegen als Hauptbeſtandtheil kohlenſauren Kalk, wogegen dem Thonboden vorzugsweiſe Thonerde in Ber: bindung mit Kieſelerde zuſteht. Der Moorboden enthält eine Menge kohlenſtoffreicher Beimengungen.

Nach dem Geſteine, welches das Hauptmengeverhältniß einer Bodenart abgiebt, richtet ſich vielfach nicht allein die Art und Weiſe des landwirthſchaftlichen Betriebes, ſondern derſelbe prägt auch denen auf ihm wachſenden Pflanzen, ja ſogar den Menſchen und Thieren den Charakter auf. Wir wiſſen z. B. daß gewiſſe Nutz- pflanzen und Bäume vorzugsweiſe auf Sandboden wachſen: daß andere den Kalkboden, daß noch andere den Thonboden lieben. Viele gerathen am beſten auf einem gemiſchten lehmigen Boden. Die Bewohner von Gegenden, deren Boden aus Granit hervor— ging, zeichnen ſich häufig durch eine ſchlürfende Sprache und durch Kropfkrankheiten aus.

Wenn eine lehmige Ackerkrume ausreichenden Vorrath aller derjenigen Geſteine, Salze und Säuren hat, welche für die Pflan— zenernährung zweckmäßig ſind, ſo werden auf ihr nicht allein die— jenigen Pflanzen gedeihen, welche überall fortkommen, es werden auch diejenigen wachſen, welche nur in einer ganz beſtimmten Bo— denmiſchung fortkommen. Je mehr nun die verſchiedenen Boden⸗

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arten durch die Gewalt der Gewäſſer untereinander gemengt wer— den, um ſo günſtiger, um ſo größer wird der Bezirk für die Aus⸗ breitung der Pflanzen; daher finden wir nach jeder folgenden Erd— revolution, bei welchen ſo ungeheure Bodenmengungen vor ſich gingen, auch vermehrte Pflanzenarten, die ſtets im Zunehmen be— griffen ſind und die ſich nach der letzten Erdrevolution auf die hohe Stufe ſtellten, auf der wir ſie jetzt ſehen. Der zunehmende Arten— reichthum der Pflanzen bedingt aber auch eine Vermehrung und Veredlung der Thiere.

Bei genauerer Betrachtung der Verhältniſſe, welche zwiſchen den Pflanzen und dem Boden, auf welchem ſie wachſen, ſtattfinden, ſtoßen wir auf eine Menge von Widerſprüchen und es ſtellt ſich heraus: daß dieſelben Pflanzen nicht immer gleichmäßig gut auf Sand- oder Thonboden, oder gleichmäßig gut auf Kalkboden ge— deihen: daß Bäume, die lange Zeit üppig fortwuchſen und ſchöne Früchte trugen, mit einem male welken und abſterben: daß Felder, die ein Jahr die ſchönſten Getreide-Erndten geben, das nächſte Jahr dieſelbe Frucht nur in ganz geringer Menge ertragen, den— noch war der Sandboden noch eben ſo ſandig, der Thonboden noch eben fo merglich und der Kalkboden enthielt noch genau ſo viel kohlenſauren Kalk. An dieſen Beſtandtheilen konnte daher der geringe Ertrag, konnte das Ausſterben der Bäume nicht liegen, es muß der Grund anderswo geſucht werden. Weiter oben ſahen wir bereits: daß wenn ein Boden fruchtbar ſein ſolle, er außer Kalk— Thon⸗Kieſelerde noch andere Beſtandtheile enthalten müſſe. Neh— men wir ein Schäufelchen von Blech, geben eine abgewogene Menge vollkommen von Waſſer befreiten Bodens auf daſſelbe und glühen ihn, jo finden wir nach dieſem Prozeſſe eine Vermin— derung des Gewichtes. Dieſelbe rührt von der Verflüchtigung und Verbrennung der im Boden enthaltenen organiſchen Verbindungen her. Manche Bodenarten haben nur ſehr wenige dieſer organiſchen Beimengungen, namentlich iſt es der reine weiße Sand, der oft gar keine erweislichen pflanzliche und thieriſche Stoffe enthält. Wenn nun auf demſelben auch Bäume wachſen, ſo iſt dies Wachs— thum da faſt alle Kohlenſäure aus der Luft bezogen werden muß doch ein ſehr geringes. Andere Bodenarten z. B. der

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ſchwarze Marſchboden enthält oft & feines Gewichts organiſcher Materie. Außer dieſen wichtigen organiſchen Theilen müſſen einer guten Ackererde noch phosphorſaure und ſchwefelſaure Verbindun— gen, müſſen ihr Kali und Natron, müſſen ihr Eiſen und Mangan, müſſen ihr Chlor und Fluor, müſſen ihr Bittererde beigemengt ſein. Fehlen dieſelben, dann mögen die ſonſtigen Mengeverhält— niſſe ſo günſtig ſein wie ſie nur immer wollen, es werden die Pflanzen dennoch nicht gedeihen. Die Saamen werden zwarfeimen und ſo lange fortwachſen, als ſie in ſich ſelbſt noch Nahrungs— beſtandtheile enthalten; dann aber wird alles Wachsthum auf— hören. Sind ſie in zu geringer Menge vorhanden, ſo giebt ſich dies durch das ſchwächliche ungeſunde Ausſehen der Gewächſe zu erkennen und der aufmerkſame Landwirth wird ſogleich aus dem— ſelben entnehmen, wo es ſeinem Boden fehlt und was ihm für Beſtandtheile zugeführt werden müſſen.

Wenn dieſelbe Pflanzengattung lange Zeit auf demſelben Bo— den gebaut wurde, ſo wird ein oder der andere jener Nahrungs— ſtoffe, vielleicht auch mehrere, ſeltner in ihm werden und endlich werden ſie ganz und gar verſchwinden, oder doch nur als unlösliche Verbindungen in ihm zurückbleiben. In einem ſolchen Falle wird es der Wurzel unmöglich, ſoviel von dem Stoffe aufzunehmen, als das Wachsthum der Pflanze verlangt, ſie wird dann kränkeln und abſterben. Aus dieſer Erſcheinung erklärt ſich deutlich, warum manche Gewächſe nicht mehr gedeihen, oder warum, wenn ſie eine Zeitlang fortwuchſen, ſie plötzlich zurückgehen. Eben ſo klar, wie die Urſache dieſes Uebels erkannt wird, eben ſo leicht kann man Mittel dagegen ergreifen: man darf dem Boden dann nur die— jenigen organiſchen oder mineraliſchen Beſtandtheile, die ihm ent— weder ganz fehlen oder in unlöslichen Verbindungen in ihm ent— halten ſind, geben, oder die unlöslichen in lösliche Formen brin— gen. Die Pflanzen werden dann in ihrer früheren Ueppigkeit wieder emporwachſen und ſo reichliche Erndteergebniſſe i als in ſeiner beſten früheren Periode.

Einer dieſer mineraliſchen Beſtandtheile, der an ſich nur in geringer Quantität im Boden vorkommt, bedarf von Seiten der Landwirthe der größten Beachtung; es iſt dies die Phosphor—

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fäure, die durch die Cerealien, Oelfrüchte, den Gras-Gemüſe— Kleebau ꝛc. c. dem Boden jedes Jahr entzogen wird und auf deren Erhaltung im Urine und den Knochen man leider vielſeits noch zu wenig Bedacht nimmt. Während die übrigen mineraliſchen Be— ſtandtheile in der Regel reichlicher in den Bodenarten vertreten ſind, bringt das Fehlen einer ausreichenden Menge von Phos— phorſäure, zum großen Nachtheile vieler Landwirthe, nur ſpärliche Erndten und einen ſchlechten Heuertrag der Wieſen.

Eine ſorgfältige Beachtung verdienen auch die organiſchen Beſtandtheile: die thieriſchen und pflanzlichen Ueberreſte. Ob— wohl dieſelben aus einer großen Zahl der verſchiedenartigſten Ver— bindungen beſtehen, ſo reduciren ſie ſich doch weſentlich nur auf zwei, auf Stickſtoff und auf Kohlenſtoff. Bei der Behandlung des erſteren ſahen wir bereits, von welchem Gewichte er namentlich für die Nahrungspflanzen ſei; zugleich nahmen wir aber auch wahr: daß er nicht direct, ſondern in ſeiner Verbindung mit Waſſer— ftoff, als Ammoniak, in die Gewächſe übergeführt werde. Alle Bodenarten, worinnen ein vollkommnes Wachsthum der Pflanzen in der Möglichkeit liegen ſoll, müſſen deshalb eine hinreichende Quantität löslicher Stickſtoffverbindungen gerade ſo gut, wie der— gleichen von Kohlenſtoff in ihrer Miſchung enthalten. Sind beide in zu ſpärlichen Verhältniſſen in ihm vorhanden, dann erhält der Landwirth kränkelnde Pflanzen. Fehlen ſie ganz, dann hört alles Wachsthum auf.

Es iſt zwar richtig: daß ſowohl Kohlenſäure, als Ammoniak, durch die Blätter und grünen Zweige vermittelſt der Luft aufge— nommen und in die Pflanzen übergeführt werden, allein dieſe Zu— führung genügt nicht; auch der Boden muß beide in löslicher Form enthalten, wenn gute Erndten erfolgen ſollen. Der Haupt— werth des Bodens beſteht, dem Vorausgegangenen nach, alſo darinnen: daß er erſtens den Gewächſen einen feſten Standpunkt ſichert und daß in demſelben zweitens der größte Theil ihrer Nahrung aufgeſpeichert ſei. Merkwürdiger Weiſe ſind aber faſt alle Beſtandtheile des Bodens, mit Ausnahme der Thonerde und einiger ſelteneren Mineraltrümmer, auch zugleich Nahrungsbeſtand— Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 8

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theile der Pflanzen z. B. die Kieſelerde, die Kalk- die Bittererde, das Eifenoryd u. ſ. w.

Obſchon nun das Gedeihen unſerer Brodfrüchte davon abzu— hängen ſcheint: daß diejenigen derſelben, die den Kalkboden lieben, auf Kalk-, diejenigen, welche den Sand lieben, auf Sand- und die⸗ jenigen, welche den Thon lieben, auf Thonboden gezogen werden, ſo hängt der reelle Werth deſſelben doch lediglich und allein von dem Vorhandenſein einer größern Menge von Stoffen ab, die ſo— wohl dem organiſchen, als dem anorganiſchen Reiche angehören. Sobald dieſe vorhanden ſind, wird eine jede Pflanze in dem Boden gedeihen, der vermöge ſeiner chemiſchen und mechaniſchen Be— ſchaffenheit dem Zwecke entſpricht, vorausgeſetzt daß die örtlichen klimatiſchen Verhältniſſe ihr zuſagen.

Hauptſächlich iſt die mechaniſche Beſchaffenheit bei jeder Bodenart ſehr zu berückſichtigen. Je lockerer ein Boden iſt oder gehalten wird, deſto leichter wird ihn die Luft, deſto ſicherer wird ihn das Waſſer an allen Stellen durchdringen, deſto leichter wird er die Feuchtigkeit der Luft aufzuſaugen vermögen; deſto raſcher und geſchäftiger wird ſich aber auch der Sauerſtoff in den einzel— nen Erdebeſtandtheilen, in den holzigen Düngſtoffen, in dem Humus feſtſetzen und um ſo ſchneller die Bereitung des Haupt— nahrungsmittels in recht großer Menge vornehmen; deſto leichter wird derſelbe das Ammoniak, den kohlenſauren Kalk, die kohlen— ſaure Bittererde, das Kali, das Natron, das Eiſenoryd, den phos— phorſauren Kalk, die Kieſelerde in Verbindung mit Waſſer löſen und ſie den Saugfaſern der Wurzeln übergeben. Je größer daher die Auflockerung eines Bodens iſt, deſto ſchneller wird nicht nur der Keimungsact, deſto ſchneller wird auch die Ausbildung der Pflanze verlaufen, deſto größer, deſto vollkommner wird ſie wer— den, deſto mehr und nahrungsreichere Frucht wird ſie tragen. Im nächſten Abſchnitte, wo von den Saugern gehandelt wird, werden wir nochmals auf die ſorgfältige Bodenauflockerung zurückkommen.

Klima und Boden mögen übrigens beſchaffen ſein wie ſie wollen, ſo gedeiht doch keine Pflanze, ſind die mineraliſchen und organiſchen Stoffe nicht in ausreichender Menge in letzterem vor⸗ handen. Beginnt ſie auch ihren Lebenslauf, ſo wird derſelbe doch,

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wie wir bereits ſahen, bald unterbrochen, fie kränkelt und ftirbt

endlich, ohne ihren Zweck erfüllt zu haben, der darinnen beſteht,

recht viele Früchte für kommende Generationen zu erzeugen, ab. Um daher den Boden fruchtbar zu machen d. h. ihm die zur Pflan— zennahrung nöthigen Beſtandtheile wieder zuzuführen, bedient

man ſich der ſogenannten Düngung. Die ganze Kunſt derſelben

beſteht aber lediglich und allein darin: dem Boden diejenigen Be— ſtandtheile wieder zurückzugeben, die ihm durch lange Bebauung entweder verloren gingen, oder die er noch gar nicht in ſeine Miſchung aufgenommen hatte. Daß bei der Düngung viel auf die Zeit, wann ſie vorgenommen wird, ſo wie auf die Form, in welcher die Düngemittel gereicht werden, ankommt, verſteht ſich von ſelbſt.

Wenn wir nun auch dem Boden den beſten Dünger und in Formen, in welchen er den Wurzeln leicht zugänglich iſt, über— geben: wenn wir den Boden fo forgfältig auflodern, als es nur immer in der Möglichkeit liegt, ſo iſt durch beides deſſen Frucht— barkeit aber immer noch nicht bedungen. Es müſſen hier noch Kräfte einwirken, deren Zuführung nicht in unſerer Macht ſteht, es müſſen Stoffe zugegen ſein, die auf die Fruchtbarkeit einwirken.

Was würde es helfen, wenn alle organiſchen und mineraliſchen

Nahrungsſtoffe in reichlichſter Fülle im Boden vorhanden wären, und der Regen und die atmoſphäriſche Luftfeuchtigkeit fehlten? Wie wir bereits beim Waſſerſtoffe zu ſehen Gelegenheit fan— den, iſt es die Feuchtigkeit das Waſſer welches einen Theil und vielleicht den größten und zwar nicht allein die feſten, ſondern auch die gasförmigen Nahrungsmittel durch die Wurzelſaugfäſer— chen in die Pflanzen bringt. Das Waſſer hat daher dieſelbe Funk— tion für die Saugfäſerchen der Wurzeln, wie die Luft für die Saug— gefäße der Blätter; denn wie durch die Luft die Kohlenſäure und das Ammoniak den unendlich kleinen, unzählbaren Mäulern der Blätter übergeben wird, ſo übergiebt das Waſſer die aufgenom— mene Kohlenſäure, das aufgenommene kohlenſaure Ammoniak, den gelöſten phosphorſauren und doppelkohlenſauren Kalk, die doppel— kohlenſaure Bittererde, das doppelkohlenſaure Eiſenoxydul, das Kali und Natron, die Schwefelſäure, das Chlor ꝛc. ꝛc. den un—

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endlich kleinen Mäulern der Wurzeln. Da ſich viele dieſer Körper nur in äußerſt geringen Mengeverhältniſſen löſen, ſo leuchtet es ein, warum eine fo bedeutende Quantität Waſſer beim Vegetations⸗ Prozeſſe und warum es unausgeſetzt vorhanden ſein muß. Es wird uns dies um ſo erklärlicher, als die Pflanze ja ſelbſt aus 4 Waſſer beſteht. Uebrigens hat das Waſſer beim Vegetations-Pro— zeſſe noch mehr zu verrichten, denn es trägt, wie wir ſpäter aus— führlicher behandeln werden, dazu bei daß es als Regen und Thau die Luft auswäſcht und letzterer die für das Thierleben ſchädlichen Beſtandtheile, Kohlenſäure und Ammoniak, aber auch Sauerſtoff entziehe. Dieſe Gasarten nimmt es mit in die Erde und ſpeichert ſie bis zum Gebrauche auf.

Da wo alſo Regen, Laſtfeuchtigkeit, oder Waſſer in aus⸗ reichender Menge vorhanden, wird bei übrigens guter Bewirth— ſchaftung und unter der Vorausſetzung, daß alle Nahrungsſtoffe der Pflanzen im Boden vorhanden ſind, ein üppiges Gedeihen unſerer Gewächſe ſtattfinden; wo dagegen Regen und Luftfeuchtig⸗ keit fehlen, da kommt keine Blüthe, da kommt keine Frucht zum Vorſchein; die Erde erſcheint dann auf weite Strecken in einen Trauermantel gehüllt und öde, nackt und kalt ftellt ſie fi) unſerm Auge dar. In ſolchen Gegenden können im Boden die kräftigſten Düngſtoffe in reichlichſter Fülle vergraben liegen und dennoch wird ſich in ihrem öden Ausſehen nichts ändern, kein Keimchen wird ſich regen, kein Gräschen grünen, kein Läubchen fächeln, ſo lange ihr Durſt nicht geſtillt wird. Blicken wir hin in jene baumloſen Steppen, wo ſich der Wandrer vergebens nach einem ſchützenden Dache gegen die verſengenden Sonnenſtrahlen umfteht, wo der ſcharfe trockne Wind zuerſt dem Auge, dann den übrigen Körper— theilen die Feuchtigkeit entzieht und die Haut zuſammenſchrumpft, wo die höheren Thiere fliehen und ſelbſt kein bunter Schmetterling die Luft durchſegelt, wo der Menſch von Allem verlaſſen dem quälendſten Durſte verfallen iſt: wie traurig ſieht es da aus, wie eiſig kalt find da die Winter! Erſt dort lernt der Menſch fo recht erkennen, was dem Waſſer für ein unendlicher Werth zuſteht; * dankt und preiſt den Herrn, wenn er ihn in einer ſolch endloſen Wüſte zu einer ſprudelnden Quelle führt, an welcher ſich iſt ſie

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auch noch ſo klein ſogleich wieder eine dankbare Pflanzenſchaar verſammelt hat.

Allein Feuchtigkeit iſt es immer noch nicht allein, welche neben gutem Boden und den düngenden Beſtandtheilen in ihm den Grad der Fruchtbarkeit beſtimmt. Es gehört dazu auch ein gewiſſer Wärmegrad. Die meiſten Pflanzen, die aus heißen Klimaten zu uns herüber gebracht werden, gedeihen daher bei uns im Freien nicht, oder ſie tragen doch keine Blüthen und Früchte, wenn ſie nicht in Glashäuſern vor äußeren üblen Einwirkungen geſchützt

werden; dagegen kommen unſere Cerealien in jenen Gegenden nicht fort, gedeihen aber in denen, wo hohe Kältegrade herrſchen

und verbreiten ſich daher bis zu den Eisregionen hinauf. Unſere Gerſte z. B. iſt die einzige Frucht, welche auf Island noch wächſt.

Bei ausreichender Feuchtigkeit und einem den Pflanzen zu— träglichen Wärmeverhältniſſe wird daher überall ein üppiges Pflanzen⸗Wachsthum getroffen werden, wo neben der Mengung von Sand» Kalk- Talk- und Thontheilchen dem eigentlichen Boden noch ſchwefelſaure und phosphorſaure Salze, Kali und Natron (Silicate), Eiſen und Mangan, Chlor und Fluor in der Ackerkrume vorhanden und dieſe mit kohlen- und ſtickſtoffhaltigen

Körpern gemengt ſind. Ein Boden, der letztere beide und zugleich

reichliche Mengen von Phosphorſäure enthält, wird viele Jahre hintereinander die reichlichſten Früchte tragen, wenn die Silicate gehörig aufgeſchloſſen werden und die übrigen Düngſtoffe ſelbſt nur in geringen, aber ausreichenden Mengen in ihm enthalten ſind, denn von den übrigen Nahrungsmitteln verbrauchen die Pflanzen nur Kleinigkeiten. Sind aber die Nahrungsmittel einem Boden durch langjährige Bebauung entzogen, dann ſagt der Land— wirth der Boden iſt erſchöpft; da wir aber die Mittel kennen der Erſchöpfung vorzubeugen, ſo hängt die Unfruchtbarkeit oder Frucht— barkeit einer Gegend lediglich von deren Bewohnern ab, die oft aus Trägheit ihre Felder und Wieſen herabkommen laſſen.

Es würde hier zuweit führen ſpecieller von den verſchiedenen

Düngſtoffen zu handeln, bei den einzelnen Nahrungsmitteln der Pflanzen, die wir in dieſem e noch behandeln, men

wir ohnehin darauf zurück.

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Wie nachtheilig Bodenentkräftungen aber zu wirken ver⸗ f mögen, werden einige Beiſpiele klar ins Licht ſtellen.

Nach der Entdeckung von Amerika ſtrömten aus Spanien, Frankreich und England eine Menge von Menſchen nach jenem Erdtheile; ſie fanden dort einen Boden der ohne Bedüngung die reichlichſten Früchte erzeugte; man durfte jener jungfräulichen Erde bei geringer Bearbeitung nur einige Saamenkörner anvertrauen, ſo erwies ſie ſich zehnmal dankbarer, als die im verlaſſenen Vater— lande. Namentlich war es Weizen, den man cultivirte. Nach Ber: lauf einer langen Reihe von Jahren, wo man dem Boden keinen der ihm durch die vielen Erndten entzogenen Beſtandtheile wieder zufließen ließ, brachte man ihn in großen Diſtrikten aber ſo her— unter, daß er wenig oder nichts mehr ertrug und die Bewohner genöthigt waren in andere Gegenden auszuwandern, um auch dort den Boden zu entkräften. So war z. B. am Lorenzſtrome in der Umgebung von Montreal eine große Fläche als eine Vorraths— kammer Amerikas bekannt; es wurde dort ſoviel Weizen gebaut, daß derſelbe eine lange Reihe von Jahren einen Hauptausfuhr— artikel abgab, und jetzt erträgt der Boden jenes Bezirks kaum ſoviel, daß er ſeine nur unbedeutend geſtiegene Bevölkerung zu ernähren vermag. Wo ſonſt die üppigſten Weizenfelder mit ihren goldenen Aehren prangten, da ſteht jetzt ſtorriger Hafer, da rankt dürftiges Kartoffelkraut. Dieſe Erſcheinung beſchränkt ſich aber nicht allein auf Canada; man trifft ſie im Mexico und in andern amerikani⸗ ſchen Staaten noch vielfach. In neuerer Zeit, wo man auch drüben anfängt dem entkräfteten Boden ſeine einzelnen durch vieljährige Beerndtung entzogenen Düngſtoffe wieder zu geben, iſt es in man— chen Bezirken ſoweit gekommen, daß ſie den Weizen wieder ſo reichlich ertragen, als zur Zeit ihrer Jungfräulichkeit; ich nenne hier nur Virginien und Carolina. Nachdem man über die ausge— ſogenen Sandflächen dieſer Staaten reichliche Mengen von Kalken und kalkigen Mergeln verbreitete, bedeckten ſich die öden Steppen wieder mit dem ſaftigſten Grüne und brachten ausgezeichnete Ernd— ten. Auch Gyps that dort dieſelben Wunder, als bei uns zu Ende des vorigen Jahrhunderts, wo durch die Einführung deſſelben eine ganz neue Zeit für den Futterkräuterbau heranbrach.

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Nirgends ift eine gute Bedüngung fo leicht zu ermöglichen, als in Amerika, wo der Guano ſo billig zu beziehen iſt. Hat der Landwirth dieſen, dann hat er eigentlich Alles, was er zur Bedün- gung ſeiner Felder braucht; der reiche Stickſtoffgehalt, die viele Phosphorſäure ſind die Grundprinzipien der Pflanzenernährung.

Bei der Uebergabe von Pflanzennahrungsmitteln in den Bo- den haben wir daher unſere Aufmerkſamkeit hauptſächlich auf den Kohlenſtoff, Stickſtoff und auf verſchiedene Salze, namentlich den phosphorſauren Kalk zu lenken. Den Kohlenſtoff bringen wir durch holzige Pflanzentheile, alſo durch die verſchiedenen Strohſorten, durch dürre Blätter, durch Gräſer und Schilfe, durch Rüben- und Kartoffelkraut, durch Raps- und Madia-Stängel, durch Mooſe und Haiden, jo wie durch vermodertes Holz in den Boden. Durch alle dieſe Stoffe bildet ſich der Humus, welcher überall im Boden im größern oder geringern Verhältniſſe getroffen wird und der wei— ter gar nichts iſt, als das Product der erſten Zerſetzung der Holz— faſer. Bei dieſer Zerſetzung bildet ſich zugleich mit der Kohlenſäure, welche begierig vom Humus aufgeſogen wird, auch Ammoniak, wenn Stroh, Weizenſtängel und dergleichen ſtickſtoffhaltiges Ein— ſtreumaterial angewandt wurden.

Da unter günſtigen Umſtänden überall auf der Erde Pflanzen wachſen, ſo muß auch allerwärts Humus verbreitet ſein und in der That bildet er ſich überall da, wo dieſe unter Vorhandenſein von Luft und Wärme abſterben. Die Verſuche, welche Soubeiran mit Dammerde anſtellte, beweiſen: daß dieſelbe den Humus zum Theil im freien Zuſtande enthält. Größere Mengen deſſelben fin— den ſich in Verbindung mit Kalk darinnen vor, von welchem man ihn aber durch Ammoniak trennen kann. Die Auflöslichkeit macht die Rolle klar, welche das kohlenſaure Ammoniak im Dünger ſpielt; es macht daſſelbe den an Kalk gebundenen Humus löslich und in der Dammerde beſchleunigt das Ammoniak zu gleicher Zeit die Bil— dung des Humus, was aber die kohlenſauren Alkalien, namentlich die Aetzalkalien noch im höhern Grade befördern.

Die Zuſammenſetzung des Humus wird niemals mit voll— kommner Genauigkeit beſtimmt werden können; er kann, wenn man ihn in Ammoniak auflöft und mittelſt einer Säure nieder⸗

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ſchlägt, ſtets mit gewiſſen Stoffen vermengt bleiben, welche ihn in der Dammerde begleiten und ebenfalls von Alkalien gelöſt und von Säuren gefüllt werden. Die Analyſe des aus dem Boden gezoge— nen Almins ergiebt kein beſtimmtes Reſultat. Soubeiran fand ſtets 52 bis 569 Kohlenſtoff darin und erſchien ihm die Menge des Kohlenſtoffs um ſo vorwiegender, je länger die Luft während ſeiner Bildung auf die Dammerde einwirkte. Nach ſeinen Unter— ſuchungen kann das Verhältniß des Kohlenſtoffs ſelbſt dann noch zunehmen, wenn alles Holz in unauflöslichen Humus verwandelt iſt, und verliert der gebildete Körper dadurch keineswegs die neuer— worbenen Eigenſchaften, welche ihn zur Pflanzennahrung geeignet machen. Der Humus hat daher keine ganz beſtimmte Zuſammen— ſetzung; wie alle organiſchen Körper, welche ſich durch langſame Prozeſſe umbilden, durchläuft er eine Reihe unmerklicher Ueber— gänge. Außer Kohlenſtoff enthält der Humus noch 2 bis 244 Stickſtoff und iſt demſelben ebenfalls eine bedeutende Einwirkung bei der Pflanzenernährung zuzuſchreiben. 8

In Rückſicht der Wirkung des Humus auf die Vegetation bemerkt Soubeiran: daß der Humus hauptſächlich in dem Zuſtande des humusſauren Ammoniaks in die Pflanzen dringe. Das durch die Fäulniß des Düngers ſich bildende kohlenſaure Ammoniak be— wirkt: daß ſich der gebildete Humus auflöſt. Es befördert deſſen Bildung unter dem gleichzeitigen Einfluſſe der Luft und verſetzt auch den im Boden als humusſaurer Kalk enthaltenen Humus in aufgelöſten Zuſtand. Man kann daher die Menge des von den Pflanzen aufgenommenen Humus weder nach dem Aſchengehalt der Pflanzen, noch nach der Auflöslichkeit des humusſauren Kalkes im Waſſer beurtheilen. Das Ammoniak, welches als Auflöſungs— mittel des Humus diente, wird in dem Pflanzengewebe verarbeitet und umgebildet und trägt unmittelbar zur Bildung der füczoff haltigen Producte bei.

Daß der durch Ammoniak löslich machte Humus von den Pflanzen aufgeſogen wird und zu ihrer unmittelbaren Ernährung dient, davon überzeugte ſich Soubeiran durch verſchiedene Verſuche.“)

) Es können jedoch trotzdem noch Prozeſſe, und ſelbſt in den Zellen vor⸗ kommen, wo Kohlenſäure gebildet und der Humus in Form von kohlenſaurem

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Er zog einen Stock Rainkohl vorſichtig aus der Erde, wuſch die Wurzeln mit Waſſer und brachte ſie in eine Auflöſung von verdünntem humusſaurem Ammoniak, welche durch längere Berührung mit der Luft von allem überſchüſſigen Alkali befreit worden war. Flüſſigkeit und Wurzeln waren vor dem Lichte geſchützt. Während der 8 Tage des Verſuchs gedieh die Pflanze. Die Wurzel wurde jeden Tag in friſche Löſung geſetzt und die Flüſſigkeit vom vorigen Tage durch Zuſatz von deſtillirtem Waſſer wieder auf ihr urſprüngliches Vo— lumen gebracht; die blaſſer werdende Farbe der Flüſſigkeit bezeugte hinlänglich: daß ein Theil des humusſauren Ammoniaks aufge— nommen worden war. Hafer und Bohnen in Erde geſät, welche durch Ausglühen von aller organiſchen Materie befreit, dann mit Knochenmehl (phosphorſaurem Kalk) und ſchwefelſaurem Kalke ver— ſetzt und mit einer ſchwachen Auflöſung von neutralem humusſaurem Ammoniak feucht erhalten wurden, lieferten reichlich Blüthen und Früchte. Beide Verſuche zeugen hinlänglich von den günſtigen Umſtänden, unter welchen die Pflanzen ſich entwickelten und daß Humus die Auflöſung des phosphorſauren Kalks erleichtert.

Humus dient übrigens den Pflanzen nicht allein zur Nah— rung, ſondern er wirkt auch günſtig auf die Aufſaugung von Waſſer und Luftfeuchtigkeit; daher iſt die Zuführung von gutem Stalldünger, am allerbeſten aus Stroh bereitet, ſchon in dieſer Beziehung von hohem Gewichte für die Landwirthſchaft.

Dieſe ſchätzbaren Eigenſchaften machen den Humus zum vor— züglichſten Nahrungsmittel für die Pflanzen. Nebenbei ſteht der— ſelbe aber unter dem Einfluſſe der ihn begleitenden Subſtanzen, welche entweder zu ſeiner Erzeugung beitragen, oder ihn in den Zuſtand der Auflöslichkeit verſetzen, ohne welche er nicht aufgeſogen werden kann. Bei zu viel Feuchtigkeit und Säureüberſchuß löſt er ſich nicht und iſt todt für die Pflanzenernährung, wie wir dies in Sümpfen und Moräſten, ſo wie auf Torfmooren und ſchwerem Thonboden gewahren. Bei letzterem rührt die Unauflöslichkeit alſo vom Waſſer her und dies liegt un der ſtark aufſaugenden und waſſerbindenden Thonerde; geſellt ſich nun noch Humus dazu, der

Ammoniak in die höhern Zellen eintritt, wie wir dies oben bei . der Kohlenſäure bereits ſahen.

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ebenfalls ein kräftiger Waſſerſauger iſt, ſo erhält der Boden zu viel Feuchtigkeit, der Humus wird ſauer und der Boden kann nur durch Waſſerentziehung verbeſſert werden. Daher rührt die außer— ordentlich günſtige Wirkung der Drainage, nach welcher die an— weſenden kohlenſauren Kalke die überſchüſſige Säure entfernen, den Humus als humusſauren Kalk löslich machen. In Folge die— ſer Ergebniſſe ſucht Soubeiran ferner darzuthun: daß man ſich irre den Werth eines Pflanzennahrungsmittels durch ſeinen Stickſtoff— gehalt auszudrücken; vielmehr ſei es nothwendig, die ſalzigen Be— ſtandtheile, namentlich die Ammoniakſalze und ihre eigenthümliche Zuſammenſetzung, ſo wie die thieriſche Materie und ihre mehr oder weniger veränderliche Natur zu berückſichtigen.

Nach dem Verhandelten iſt der beſte Dünger derjenige, welcher zugleich eine gewiſſe Menge von auflöslichen, erdigen oder alkali— ſchen Salzen, von Ammoniakſalzen, ferner von ſtickſtoffhaltiger thieriſcher Materie, außerdem Humus und in Umwandlung be— griffenes Pflanzengewebe enthält. Alle dieſe Stoffe ſind am Beſten im gegohrenen landwirthſchaftlichen Dünger Stalldünger vereinigt und geben ihm einen unbeſtreitbaren Vorzug vor andern. Hauptſächlich iſt auf Humus oder doch auf Stoffe zu ſehen, welche jenen zu bilden fähig ſind, weshalb, wie bereits bemerkt, das Stroh in der Landwirthſchaft fo ausgezeichnete Dienſte leiſtet. Wird als⸗ dann der Menſchen- und Thier-Harn noch ſorgfältig geſammelt und ſtets über den gährenden Dünger verbreitet, werden überdies noch Knochen aufgeſammelt, gepocht und den Feldern übergeben, ſo bekommt der Boden phosphorſaure und Ammoniakſalze in aus— reichender Quantität zugeführt und der Landwirth wird ſich eines W Segens zu erfreuen haben.

Die waſſerbindende Kraft des Bodens, oder das Vermögen tropfbar flüſſiges Waſſer in feinen Zwiſchenräumen ſchwammartig aufzunehmen, gehört zu den wichtigſten phyſikaliſchen Eigenſchaften deſſelben. Die Thonerde iſt aber diejenige Erdart, welche in der Bodenmiſchung als Waſſerſauger auftritt; man kann daher leicht austrocknende Bodenarten verbeſſern, wenn man ihnen Thone oder Mergel, oder auch vermehrte Quantitäten von Pflanzenſtoffen, die ſich leicht in Humus umändern, zuführt.

Die Sauger.

Obſchon im Gebiete der Naturwiſſenſchaften, namentlich in der Phyſik und Chemie, in neuerer Zeit die wichtigſten Fortſchritte gemacht, und obſchon durch dieſelben in der Landwirthſchaft und in den Geſammtgewerben überraſchende Aufſchlüſſe erlangt worden ſind, ſo wiſſen wir doch recht gut, daß trotzdem immer noch un— endlich viel auf dieſem Felde zu erforſchen bleibt; denn an einzel— nen Stoffen und Körpern werden von Neuem Eigenſchaften wahr— genommen, welche wiederholte Forſchungen veranlaſſen, und letztere führen wiederum zu wichtigen Aufſchlüſſen in andern Zweigen der Wiſſenſchaften.

Faſſen wir nur die eigenthümliche Eiſchetnung des Aufſau⸗ gens gasförmiger und tropfbarer Flüſſigkeiten durch verſchiedene Metalle, Erden u. ſ. w. ins Auge, ſo finden wir ſofort, welche merkwürdigen Aufſchlüſſe wir durch dieſelbe in der Land- und Forſtwirthſchaft, beim Bergbaue, in der Baukunſt und in dem Fabrikweſen erlangen, welche großen Vortheile ſie alſo der menſch— lichen Geſellſchaft bringt, obſchon ſie auf einzelne Individuen, be— züglich deren Geſundheit, ſehr nachtheilig einwirkt.

Der Saugungsprozeß iſt noch lange nicht ſo erkannt, als er es ſeiner Wichtigkeit wegen verdient. Die mit der Eigenſchaft des Saugens begabten Stoffe werden Sauger genannt, und ich er— laube mir hier, die am meiſten ins gewöhnliche Leben eingreifen— den Sauger etwas genauer vors Auge zu führen.

Döbereiner in Jena war es, welcher zuerſt entdeckte, daß der Platinmohr die Eigenſchaft habe, Sauerſtoff in beträchtlicher Menge zu abſorbiren und zu verdichten. Wenn man z. B. in ein

124 Gemenge von Waſſerſtoff- und Sauerſtoffgas das ſich in einem Glasgefäße bis zur beginnenden Rothglühhitze erwärmen läßt, ohne daß ſich beide Gaſe zu Waſſer vereinigen eine polirte Platte von Platin bringt, ſo treten die mit der Metallfläche in Berührung befindlichen Gastheile ſofort zuſammen und bilden Waſſer; es ſetzen ſich hierauf andere Theile des Gemiſches mit dem Platin in Berührung, die ſich durch deſſen Einfluß von Neuem verbinden, ſo daß eine große Menge des Gemiſches ſchnell zu Waſſer vereinigt werden kann. Die Temperatur des Platins er— höht ſich dabei durch die bei der Verbindung frei werdende Wärme, und da der Einfluß des Metalls mit der Temperatur zunimmt, ſo ſchreitet die Verbindung immer raſcher vor, bis das Platin roth— glühend wird, wo es dann die Verbindung auch in der Entfernung von ſeiner Oberfläche aus bewirkt, indem es das Gasgemiſch ent⸗ zündet.

Das Platin wirkt auf dieſe Weiſe am ſtärkſten, wenn es ſich in höchſt feiner Vertheilung befindet, wie in der Form von Platin— ſchwamm, weil dem Sauerſtoffgaſe eine Menge von Berührungs— punkten dargeboten wird. Auf die Aufſaugung des Sauerſtoffs durch Platinſchwamm und die nachherige Zuführung eines Stromes von Waſſerſtoff auf letztern gründete Döbereiner ſein chemiſches Feuerzeug.

Der verdichtete Sauerſtoff im Platinſchwamm wirkt jo kräf⸗ tig, daß er Dämpfe von Alkohol ſofort in Eſſigſäure verwandelt, und würde es kein beſſeres Mittel zur Schnelleſſigfabrikation geben, als Platinſchwamm, wenn das Metall nicht zu theuer wäre.

Faraday war der Anſicht, die Aufſaugung des Sauerſtoffs durch Platin ſei einer Adhäſions-Anziehung der Gaſe zum Metalle zuzuſchreiben, durch welche jene verdichtet werden; allein andere Erſcheinungen möchten mehr auf eine electriſche Wirkung ſchließen laſſen, indem die Verdichtungskraft eine ſolch mächtige iſt, daß, um denſelben Effect auf mechaniſchem Wege zu erlangen, ein Druck bis zu 1000 Atmoſphären erforderlich ſein würde.

Welche Kräfte der Saugung zu Grunde liegen, wiſſen wir alſo nicht gewiß, wohl aber, daß nicht allein das Platin, ſondern auch verſchiedene andere Metalle, ſo wie Kohle, Thon, Bimsſtein,

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Schwerſpath, Holz u. ſ. w., ja daß vielleicht alle Körper Saug— fähigkeit haben.

Alle und jede Kohle, dieſelbe mag aus vegetabiliſchen oder aus thieriſchen Stoffen künſtlich dargeſtellt, oder dieſelbe mag als Braun⸗ und Steinkohle in der Erde Tiefen abgelagert oder als Torf an der Oberfläche derſelben verbreitet ſein, ſaugt begierig Sauerſtoff ein, wenn ſie nach ihrer Darſtellung oder ihrer Gewin— nung in den Kohlenbergwerken und in den Torfſtichen der atmo— ſphäriſchen Luft ausgeſetzt wird. Sie thut dies um ſo begieriger und raſcher, in je feinerer Vertheilung ſie ſich befindet, und je wärmer die äußere Luft iſt.

Namentlich ſaugt friſch gebrannte Meilerkohle oft ſo viel und ſo begierig Sauerſtoff auf, und die Wärmeentwicklung vermehrt ſich dabei ſo ſtark, daß Selbſtentzündungen erfolgen. Je höher, wie oben geſagt, bei dieſem Prozeſſe die Temperatur der äußern Luft iſt, deſto raſcher erfolgt die Aufſaugung. Bei ſchwüler Wit— terung in den Sommermonaten ſpürt man daher dieſe Einwirkung in ſolchen Stein- und Braunkohlen-Bergwerken, wo das Flötz ſehr mächtig und man gezwungen iſt, einen Theil der klaren Stein— und Braunkohlen als Bergverſatz in den Grubenräumen belaſſen zu müſſen, ſehr deutlich. Leider erfolgen dann durch dieſen Prozeß nicht allein häufig Selbſtentzündungen der Kohle, ſondern die ver— mehrte Auffaugung des Sauerſtoffs läßt den Stickſtoffgehalt der Luft auch ſo hervortreten, daß das Athmen der Arbeiter nicht mehr vor ſich geht, daß die Grubenlichter verlöſchen und die Gruben— räume öfters auf kürzere oder längere Zeit verlaſſen werden müſſen. Nur durch eine bedeutend vermehrte Zuführung von äußerer reiner Luft können ſolche Bergwerke im Betriebe erhalten werden.

Kommt friſch gezogene Holz- oder ſoeben erſt aufgehauene Steinkohle in klarem Zuſtande, zumal wenn ſie ſich noch nicht voll Sauerſtoff geſaugt hat, unter Abſchluß der äußern Luft mit Holz in Berührung z. B. mit der Zimmerung in Steinkohlengruben, dann ſucht ſie ſich des Sauerſtoffs deſſelben zu bemächtigen und in demſelben dadurch ebenfalls eine Verkohlung einzuleiten. Dieſe Sauerſtoff-Aufſaugung der Kohle aus in ihr liegendem Holze kann unter Umſtänden ſo energiſch erfolgen, daß ebenfalls Selbſt—

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entzündungen dadurch entſtehen. Bei friſcher klarer Meilerkohle kommen zuweilen ähnliche Erſcheinungen vor, wenn ſie an Holz— oder Breterwände abgelagert wurde. Es entſtanden hierdurch nicht ſelten Brände, deren Urſache man ſich nicht zu erklären vermochte.

Wie zerſtörend ſolche klare Kohle auf das Holzwerk durch Entziehung des Sauerſtoffs deſſelben wirkt, dies ſehen wir am deutlichſten an und in Kohlhäuſern, wo dieſelbe an die Wandun— gen angeſtürzt wurde. Nach Verlauf weniger Jahre ſind dieſelben, namentlich wenn Feuchtigkeit vorhanden iſt, zerfreſſen.

Aber nicht allein Sauerſtoff ſaugt die Kohle ein, auch Stick ſtoff. Stickſtoff-Verbindungen werden begierig von ihr aufgenom— men, und ſie wurde dadurch in neueſter Zeit als bewährteſtes Mit— tel zur Luftreinigung gebraucht und leiſtet in dieſer Beziehung die ausgezeichnetſten Dienſte.

Vermöge ihrer bedeutenden Saug- und Verdichtungsfähig— keit, nicht allein bezüglich des Sauerſtoffs, ſondern auch des Am— moniaks und des Waſſers, iſt die Kohle eines der wichtigſten Düngemittel.

Durch die Aufnahme und Verdichtung des Sauerſtoffs geht von ihr nicht allein die unausgeſetzte Bildung großer Maſſen von Kohlenſäure aus, welch' letztere als das Hauptnahrungsmittel aller Pflanzen zu betrachten iſt, ſondern ſie verſorgt durch die ſtarke Aufſaugung des Ammoniaks, von dem ſie das 90fache ihres Vo— lumens aufzunehmen vermag, jene auch mit dem zweitwichtigſten Nahrungsſtoffe dem Stickſtoffe und verſorgt drittens durch Aufſaugung und Bindung von Waſſer die Pflanzen in der trocknen Jahreszeit auch mit dem für ihr Gedeihen ſo unentbehrlichen Waſſer, oder mit andern Worten: ſie fördert die waſſerbindende Kraft des Bodens.

Je feiner die Vertheilung des Kohlenſtoffs iſt, um ſo größer erſcheint deſſen Düngekraft; wir ſehen dies am deutlichſten am Ruß, wo er ſich in feinſter Vertheilung befindet. Aber auch ganz klare Kohle, der Humus, der ſpeckige Torf wirken auf ähnliche Weiſe.

Aller ſchwarzer, durch viel Kohlenſtoff geſchwängerter Boden wenn durch Beimengung von zu viel Thonerde oder durch

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einen thonigen Untergrund deſſen waſſerbindende Kraft nicht zu groß iſt, wie wir ſpäter bei der Thonerde zu ſehen Gelegenheit be— kommen werden iſt der fruchtbarſte Boden. Man werfe nur einen Blick in die ſogenannten Marſchen und Niederungen, wo dem Boden viele Torfkohle beigemengt iſt. Aber auch in unſern Waldungen zeigt ſich die düngende Kraft der Kohle an den Bäu— men, welche auf alten Meilerſtätten aufwuchſen, ganz deutlich.

Ueberſtreut man Wieſen mit klarer Kohle, ſo zeigt ſich deren Wirkung überraſchend ſchnell. Durch die Abgabe des aufgenom— menen Ammoniaks erſcheinen ſofort andere Gewächſe; namentlich ſind es Kleearten, welche ſich über die beſtreuten Diſtrikte, die durch die vermehrte Kohlenſäure-Bildung außerdem noch einen lebhaf— teren Wuchs und ein ſaftigeres Grün zeigen, verbreiten.

Ein anderer, für uns wohl der wichtigſte Sauerſtoff-Am—

moniak⸗ Wafjer- Sauger iſt die Thonerde, hauptſächlich in ihrer Verbindung mit Kieſelerde zu Thon. Letzterer, faſt in jeder Bodenart in größerer oder geringerer Menge vorkommend, wirkt nicht allein durch die Sauerſtoff-, ſondern auch durch die Waſſer— ſaugung und überdies noch durch die Bildung von Kali und deſſen Zuführung in die Pflanzen ungemein günſtig auf die Vegetation. Der Thon geht nämlich faſt immer aus der Zerſetzung feldſpath— haltiger Geſteine hervor; das hierbei frei werdende Kali wird von den Pflanzen aufgenommen und aus der Aſche letzterer für die Ge— werbe gewonnen. So verſchiedenartig die Thonerde auch von der Kohle iſt, fo hat fie mit derſelben doch ſehr viel gemein. So wie z. B. der Koh— lenſtoff in größter Reinheit als der härteſte und koſtbarſte Edelſtein als Diamant —, ſo bildet auch die Thonerde in ihrem reinen Vorkommen zwei der werthvollſten und geſchätzteſten Edelſteine: den Sapphir und den Rubin. Gerade ſo wie die Kohle auf viele gefärbte Flüſſigkeiten einwirkt, fo thut es auch die Thonerde, und in der Aufſaugung von Gasarten und Feuchtigkeiten verhalten fie ſich wiederum gleich; ja die Thonerde übertrifft die Kohle noch be: züglich der Aufſaugung des Sauerſtoffs, des Waſſers und Am— moniaks.

Die Bergleute haben daher in Gruben, wo Thonerde und

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Thonerde » Berbindungen fehr häufig find, faſt ſtets mit ſchlechten Wettern (unathembarer Luft) zu kämpfen, und die Zimmerung in ſolchen Gruben iſt deshalb einer ſehr ſchnellen Zerſtörung ausge— ſetzt, weil der Thon ſich nicht allein des Sauerſtoffs der Luft, ſon— dern wenn dieſe nicht in gehöriger Menge vorhanden auch des Sauerſtoffs des Holzes bemächtigt und dadurch eine Verdich— tung oder, mit andern Worten, eine Zerlegung deſſelben in ſeine Beſtandtheile, in Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, herbei— führt.

Nicht allein der Bergmann gewahrt indeſſen dieſe nach— theilige Einwirkung des Thons auf die Hölzer, ſondern wir finden dieſelbe im gewöhnlichen Leben ſtets und namentlich in naſſen Sommern, wo ſie von unberechenbarem Nachtheile für Neubauten iſt und das Holzwerk derſelben iſt der Prozeß einmal eingeleitet mit unaufhaltſamer Geſchwindigkeit zerſtört.

Die Thonerde, fo unumgänglich nothwendig fie faſt bei allen Bauten iſt, erweiſt ſich daher unter gewiſſen Umſtänden dennoch als der größte Feind der Baumeiſter und Bauunternehmer, nament— lich wenn derſelben vor ihrer Verarbeitung nicht die gehörige Auf— merkſamkeit geſchenkt wurde.

So ſtark nämlich die waſſerſaugende Kraft derſelben iſt, ſo ſtark iſt ihre ſauerſtoffſaugende, wenn ſie vom naſſen in den trocke— nen Zuſtand übergeht. Wird ſie nun vor ihrer Verwendung bei Bauten friſch aus den Gruben genommen und der Luft im trockenen Zuſtande nicht ſo lange ausgeſetzt, bis ſie ſich gehörig mit Sauer— ſtoff verſorgte, oder wird ſie in den Gebäuden ſo verwandt, z. B. zu Ausfüllungen unter Fußböden, bei Beklebungen von Wänden ıc., daß der Sauerſtoff der äußern Luft nicht in gehöriger Menge zu ihr gelangen konnte, ſo bemächtigt ſie ſich des Sauerſtoffs des ihr zunächſt gelegenen Holzes und leitet in letzterem eine Verkohlung ein, die wir im gewöhnlichen Leben mit dem Namen Schwamm— bildung bezeichnen, und die in kurzer Friſt unaufhaltſam zer— ſtörend auf ganz neuerrichtete Gebäude einwirkt.

Alles Holz, welches von nicht voll Sauerſtoff geſaugtem, alſo naſſem Thon bedeckt, das von demſelben umſchloſſen wird, erliegt im Verlaufe der Zeit dieſer Einwirkung; daher ſehen wir

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auch alle Anthracit-Stein- und Braunkohlen- fo wie die Torf- Lager von Thon umgeben oder doch auf einem thonigen Unter— grunde abgelagert, und lediglich die noch nicht gehörig verfolgte und ſorgfältig genug erkannte Aufſaugung des Sauerſtoffs aus der abgelagerten Pflanzenmaſſe durch den Thon war und iſt heute noch die Urſache der Geſammt-Kohlenbildung im großen Haus— halte der Natur.

Wie alle chemiſchen Prozeſſe um ſo raſcher und energiſcher vor ſich gehen, je größer die Wärme iſt, unter welcher ſie ver— laufen, um ſo vollkommener geht auch die Aufſaugung des Sauer— ſtoffs durch die Thonerde vor ſich, je höher jene ſtand. Aus dieſem Grunde finden wir auch die Verkohlungen in den Gebirgsſchichten auf unſerer Erdoberfläche um ſo vollkommener, je höher zur Zeit der Ablagerung der Vegetabilien und deren Bedeckung mit Thon und thonigen Geſteinarten die Temperatur auf derſelben war. So iſt z. B. unſern älteſten Kohlenlagern den Anthraciten durch die überdeckenden Thonerdeverbindungen der Sauerſtoff faſt gänzlich entzogen, der Waſſerſtoff hat ſich mit einem Theile des Sauerſtoffs zu Waſſer verbunden, und der Kohlenſtoff allein iſt zurückgeblieben. Zur Zeit der Steinkohlenablagerung, wo die Temperatur ſchon niedriger war, iſt etwas mehr Sauerſtoff bei der Kohle verblieben, und je jünger von hier ab die kohligen Ablagerungen werden, um ſo mehr Sauerſtoff und Waſſerſtoff finden wir noch bei ihnen, ſo daß wir z. B. bei der Braunkohle die Holzſtruktur, bei den Torfen ſogar die einzelnen Pflanzen noch deutlich erkennen, aus denen Braunkohle und Torf hervorgingen.

Wir ſahen weiter oben: daß die Thonerde und deren Verbin— dungen, wenn ſie in den Bergwerken häufig vorkommen, ſehr nach— theilig auf die Geſundheit der Bergarbeiter bezüglich der Zerſetzung der Grubenluft einwirken; ſie bekommen hier nämlich ſehr häufig die ſogenannte Bergkatze die Schwindſucht. Zugleich ſehen wir aber auch: daß ſie gerade ſo nachtheilig auf die Arbeiter bei vielen techniſchen Gewerben wirken. Wie ſie in den Gruben die Zim— merung durch Entziehung des Sauerſtoffs zerſtören, ſo zerſtören ſie in Ziegeleien, Töpfereien, Steingut- und Porzellanfabriken die Hölzer, auf und an denen fie lagern. Man betrachte nur die Unter—

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 9

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ſchwellungen der meiften Ziegelſcheunen. Aber auch die Geſund— heit der Töpfer, der Porzellandreher u. ſ. w. greifen die thonigen Maſſen ungemein an. Man ſorge daher in allen Fabriken, wo der— gleichen verarbeitet werden, für eine gehörige und vollſtändige Zu⸗ führung von friſcher Luft, namentlich in den Räumen, wo die Geſchirre gedreht und wo die gedrehten Gefäße von dem naſſen in den trockenen Zuſtand übergehen; denn in dieſen Räumen wird eine große Maſſe von Sauerſtoff aufgeſaugt, und durch den überwiegend zurückbleibenden Stickſtoff, in Verbindung mit der ausgeathmeten Kohlenſäure, werden die Lungen der Arbeiter jo angegriffen, daß Viele die Schwindſucht ſchen in der Blüthe bez Jahre bekommen.

So nachtheilig die Aufſaugung des Sauerſtoffs während dem Drehen und Trocknen der Thongeſchirre auf die Geſundheit der Arbeiter und auf die Zerſtörung der Hölzer einwirkt, welche mit dieſen thonigen Maſſen in Berührung ſtehen, ſo günſtig tritt ſie dagegen beim Brennen der Geſchirre auf. Es würde bei weitem mehr Brennmaterial erforderlich ſein, wenn die Geſchirre vor die— ſem Prozeſſe nicht ſoviel Sauerſtoff aufgeſaugt hätten, der die Verbrennung und die Steigerung der Hitze im Porzellan-Töpfer— und Ziegelbrennofen alsdann ſehr ſteigert.

Am wichtigſten wirken Sie Thone aber unbedingt als Giger in der Land- und Forſtwirthſchaft, indem fie eine große Menge von Sauerſtoff in ſich aufnehmen und dadurch bei Gegenwart von Düngemitteln, die großentheils aus kohlenſtoffhaltigen Maſſen be- ſtehen, die Kohlenſäurebildung in der Ackerkrume ungemein ver— mehren, zugleich aber auch durch die mit dieſer Saugung in un— mittelbarer Verbindung ſtehende große Wärmeentwickelung die Vegetation raſch vorwärts treiben. Dabei vermitteln ſie zugleich die Zerlegung aller holzigen Theile im Miſte, indem ſie den Sauer— ſtoff derſelben aufſaugen und Waſſer- und Kohlenſtoff zurück laſſen und letzteren dann auch wieder in Kohlenſäure verwandeln. Wie ſehr die Sauger die Wärme in der Ackerkrume ſteigern, dies ge— wahrt man recht deutlich, wenn im Frühlinge in ein recht gut geklärtes und gedüngtes Feld ein Thermometer geſtellt wird; es

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wird faft immer 15 bis 24 Grad mehr Wärme zeigen, als die daſſelbe umgebende äußere Luft.

Auf einen größeren oder geringeren Gemengtheil der ver— ſchiedenen Bodenarten an Thonerde und Kohlenſtoff iſt daher die vermehrte oder verminderte Fruchtbarkeit der Felder begründet.

Wir ſahen weiter oben beim Platin, wie ungemein die Auf— ſaugung durch eine aufgelockerte und dadurch vergrößerte Ober— fläche begünſtigt wird, ſo daß z. B. der Platinſchwamm in kurzer Zeit ſoviel Sauerſtoff aufzunehmen vermag, daß er beim Zuſam— mentreffen mit Waſſerſtoff unter Feuererſcheinung beide Gasarten zu Waſſer verbindet. Ganz ähnliche Erſcheinungen haben wir bei der Ackererde; je klarer ein Boden gemacht, je ſorgfältiger er alſo be— arbeitet wird, deſto fruchtbarer iſt er. Der Grund, warum gut bearbeitete und von Zeit zu Zeit wieder aufgeeggte Ackerflächen eine ſo bedeutend vermehrte Fruchtbarkeit zeigen, iſt aber lediglich und allein darin zu ſuchen: daß dieſelben dadurch eine größere Saugfähigkeit erlangen daß der Thonerde bis zu der Tiefe, wo die Pflugſchar nicht mehr wendet, ſehr viele e mit der atmoſphäriſchen Luft dargeboten werden.

Durch die vermehrte Aufſaugung von Sauerſtoff wird aber, wie wir ſahen, nicht allein der Boden ſehr erwärmt und bei dieſer Erwärmung eine ſchleunigere Zerſetzung des Düngers und zwar da— durch herbeigeführt, daß ſich der Kohlenſtoff mit dem aufgeſaugten und verdichteten Sauerſtoff ſehr leicht zu Kohlenſäure, dem Haupt— nahrungsmittel der Pflanzen, vereinigt, ſondern es wird da die Thonerde, gleich dem Kohlenſtoff, auch ein ſtarker Waſſerſauger iſt zugleich viele Feuchtigkeit aufgenommen, die aus der Luft dem Boden zugeführt wird. Letztere iſt aber für die Entwickelung und Ausbildung der Pflanzen ſo nothwendig als Kohlenſäure und Stickſtoff. Daß die Thonerde die Urſache dieſer günſtigen Wirkun— gen war, dies kannten wir wohl ſeither ſchon aus Erfahrung; daß aber die Saugfähigkeit derſelben der Grund hierfür ſei, dies war ſeither wohl weniger bekannt. Es ſollte daher jeder rationelle Landwirth dieſer ſo höchſt wichtigen und folgenreichen Erſcheinung ſein Hauptaugenmerk zuwenden.

Bodenarten, die wenig oder keine Thonerde enthalten, ſind

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trotz ſtarker Düngungen nicht ſehr fruchtbar, ebenſo ſolche, welche zu feucht ſind und daher durch die viele Näſſe an der Aufſaugung von Sauerſtoff verhindert werden. In ſehr feuchtem Boden wer— den die Düngemittel noch ſchwerer zerſetzt, als in Bodenarten, welche wenig oder keine Thonerden enthalten; der Landwirth nennt ſie kaltgierig, und ſie tragen beiderſeits nur ſpärliche Früchte. Man kann ſie verbeſſern, wenn man ihnen durch Zuführung von Thonen oder thonigen Mergeln Sauger giebt, oder wenn man ihnen durch Drainage das überflüſſige Waſſer benimmt.

Die günſtige Wirkung, welche durch die Auflockerung des Bodens, und zwar durch die hierdurch vermehrte Saugfähigkeit deſſelben erlangt wird, iſt überraſchend. Wir ſehen dies täglich mit unſern eigenen Augen. Man betrachte nur den Gras-Ge— treide- oder Baumwuchs auf friſch aufgeworfenen Dämmen. Man ſammle die Früchte auf einem rajolten Stück Landes, das mit einem andern gewöhnlich beackerten und gleich jenem bedüngten einen viel, viel höheren Ertrag liefert. Man vergleiche den Rüben— und Kartoffelertrag bei gleicher Größe und guter Düngung, bei mehrmaliger Behackung und Anhäufelung des einen Feldes, gegen ein nicht behacktes und nicht behäufeltes! Man wird dann ſofort gewahren, was darauf ankommt, der Luft eine große Menge von Saugern, und zwar ſehr oft, bloß zu legen.

Auch die Drainage wirkt auf dieſe Weiſe. Die Aufſaugung von Sauerſtoff und die mit derſelben in unmittelbarer Verbindung ſtehende Zerſetzung der Düngemittel im Boden muß wie wir bereits ſahen um ſo raſcher vor ſich gehen, je mehr derſelbe ge klärt iſt; denn durch die vermehrte Aufſaugung und Verdichtung des Sauerſtoffs, ſo wie durch die damit in engſter Verbindung ſtehende Zerſetzung der Düngemittel wird eine bedeutende Wärme frei, welche für die raſche und kräftige Entwickelung der Pflanzen unumgänglich nothwendig iſt. Bei Feldern mit naſſem Unter— grunde iſt aber eine gehörige Klärung des Bodens nicht möglich; es geht deshalb die Aufſaugung des Sauerſtoffs nur langſam vor ſich, und der Ertrag des Feldes iſt ganz gering. Wird nun durch die Drainage die überflüſſige Feuchtigkeit fortgeſchafft, ſo iſt auch

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eine beſſere Klärung und mit dieſer ein gefteigerter Ertrag die un— ausbleibliche Folge.

Bei Feldern mit naſſem Untergrunde wirkt übrigens außer—

dem noch die Feuchtigkeit durch Entziehung und Bindung der Wärme äußerſt ungünſtig ein. Je höher nämlich im Sommer die äußere Temperatur der Luft ſteht, um ſo mehr wird Waſſer aus naſſem Boden verdampfen; dieſes Waſſer braucht aber, um aus dem tropfbarflüſſigen in den gasförmigen Zuſtand überzugehen, eine große Menge von Wärme, die es natürlich der nächſten Um— gebung, alſo dem Felde, entzieht. In ſolch naſſen Feldern kann die Zerſetzung der Düngemittel nur äußerſt langſam vor ſich gehen, und die Vegetation bleibt daher auf ihnen eine kümmerliche. Durch die Drainage benimmt man dieſen Feldern die Näſſe, und ihre Wirkung iſt daher eine doppelte; denn einmal macht ſie eine beſſere Klärung des Bodens möglich, der dann geeignet wird, die ge— hörige Quantität Sauerſtoff zur vollkommnen Zerſetzung der Düngemittel aufzunehmen; dann beſeitigt ſie aber auch die ober— flächliche Näſſe, durch deren Verdampfung dem Boden diejenige Wärme entzogen wird, welche für den Vegetationsprozeß unum— gänglich nothwendig iſt.

Wie begierig in gut geklärtem Boden die Thonerde Sauer— ſtoff ſelbſt aus Körpern aufſaugt, welche an der Luft ſchwerer zer— ſtörbar ſind, das können wir täglich in unſern Gärten beobachten. Werden hier Pfähle durch das aufgelockerte Erdreich in den feſten Untergrund getrieben, ſo beginnen die Sauger in dem Theile des Bodens, der aufgelockert war, ungeſäumt ihr Geſchäft, und das Reſultat iſt, daß die Pfähle nach Verlauf einiger Sommer ſoweit in rothe Kohle verwandelt ſind, als ſie im lockern Erdreich ſteckten; der der äußern Luft zugekehrte Theil, ſo wie der Theil, der im feſten Untergrunde ſtand, hat ſich dagegen gut erhalten. Faſſen wir eine Rabatte mit einem Brete ein, ſo iſt die innere Seite deſſelben nach Verlauf eines Sommers des größten Theils ihres Sauerſtoffs beraubt, und zwar ſo weit, als die geklärte Gartenerde an dem Brete heraufreichte. Dieſelbe Erſcheinung gewahren wir an Schwel— len, die entweder zu tief liegen, ſo daß ſie von klarer Erde berührt

werden, oder deren Unterlage aus ſehr thonhaltigen Geſteinen be—

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fteht. In Bezug auf ſolche Geſteine ift von den Bauleuten die größte Vorſicht zu beobachten; ich kenne großartige Brückenbauten, wo die Holzſchwellungen nach Verlauf weniger Jahre ſchon voll— kommen zerſtört waren. Es lag dies lediglich an den Steinen, auf die jene Hölzer zu liegen kamen, und die bei einem großen Thon— erdegehalte das Geſchäft des Saugens und der damit innig zu— ſammenhängenden Schwammbildung ſofort begannen.

Daß die gut aufgelockerte Ackererde den Sauerſtoff, nament— lich im Sommer, mit großer Begierde aufſaugt, davon können wir uns alle Augenblicke überzeugen; wir dürfen derſelben nur die Gelegenheit benehmen, ſich mit Sauerſtoff aus der atmoſphäriſchen Luft zu verſorgen, und ſie deshalb mit Bretern, Holz, Heu, Stroh, Laub oder überhaupt mit ſauerſtoffhaltigen Körpern bedecken; un— geſäumt beginnen dann die Sauger ihr Geſchäft, bemächtigen ſich des Sauerſtoffs dieſer Körper, und nach kurzer Zeit finden wir dieſelben auf ihrer Auflagerungsfläche ſchon umgeändert. Stets iſt es die Thonerde und neben ihr der Kohlenſtoff, welche dieſe eigenthümliche und für die Landwirthſchaft ſo wichtige und erfolg— reiche Rolle ſpielen, und wir erhalten durch ſie darüber auch klaren Aufſchluß, warum das Ginftreuen von Sägeſpänen, Stroh u. 12 w. ſo günſtig auf die Vegetation wirkt.

Verfolgen wir dieſen wichtigen Sauger die Thonerde im großen Haushalte der Natur, ſo erkennen wir auch hier wie überall die unendliche Größe und Weisheit unſeres Schöpfers. Wenn zur ſchnellen Entwickelung und kräftigen Ausbildung der Gewächſe eine beſtimmte Quantität Wärme im Boden nothwen— dig iſt und dieſe durch die Sauger mit erregt und bedingt wird, ſo müſſen im höheren Norden unſerer Erde Gebirgsarten getroffen werden, aus denen durch die Zerſetzung Ackererden hervorgehen, die größere Mengen von Thonerden enthalten, damit bei der nur kurzen Dauer der Sommer in jenen Gegenden die Pflanzen ſich raſcher entwickeln und die Saamen ſchneller zur Reife gelangen; und in der That, wir finden dies in der Wirklichkeit beſtätigt; denn je höher wir nach dem Norden hinaufgehen, deſto mehr Granit, Syenit, Gneiß, Glimmerſchiefer, Diorit, Grauwacken und

Thonſchiefer kommen uns entgegen; alle dieſe Geſteine geben aber »

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bei ihrer Zerſetzung reichliche Mengen von Thonen. Wenden wir uns nun nach dem Süden, ſo finden wir jene Geſteine im beſtän— digen Wechſel mit großen Kalkablagerungen, und ſind letztere hier offenbar deshalb in größerer Quantität vorhanden, damit die Vegetation bei der hier ſtattfindenden größeren Wärme durch An— weſenheit von zu viel Saugern ſich nicht überſtürze und die Saa— menbildung dadurch nicht zerſtört werde.

Außer Thonerde und Kohle iſt Bimsſtein ein ſtarker Sauerſtoff— ſauger und wird deshalb bereits in der Technik zur Darſtellung von Eſſigſäure benutzt. Aber auch die Vegetation befördert er durch dieſe Eigenſchaft ſehr, wie wir dies an der Frucht der meiſten vul— kaniſchen Bodenarten gewahren, in welchen er einen weſentlichen Beſtandtheil ausmacht.

Eine Menge von Hölzern ſaugt ebenfalls begierig Sauerſtoff auf; ja es geſchieht dies von allen Pflanzen, die denſelben alsdann in ihren Organen verarbeiten und ihn mit Kohlen- und Waſſerſtoff zu Holzfaſer umwandeln. Es geht daher der wichtigſte Saugungs— prozeß nicht allein durch das anorganiſche, ſondern auch durch das Pflanzenreich, und kann man mit Sicherheit annehmen, daß auch die thieriſchen Organismen ihr Beſtehen und Wohlbefinden zum großen Theile dem Saugungsprozeß verdanken. Von der Aufſau— gung des Sauerſtoffs durch verſchiedene Hölzer machen wir in der Technik Gebrauch und verwenden z. B. die Buchenſpäne ſchon zur Eſſigfabrikation.

Auch das Waſſer iſt ein Sauerſtoffſauger. In feſter Ge— ſtalt, als Schnee, ſaugt es nur Kohlenſäure und Ammoniak auf, ſowie jedoch der Schnee ſchmilzt und wieder zu Waſſer wird, beginnt auch die Sauerſtoffſaugung wieder. Die im Schnee— waſſer enthaltene Luft hat dann 31 bis 33 Procent, oder 10 bis 12 Procent mehr Sauerſtoff aufgenommen, als die welche in un— ſerer Atmoſphäre enthalten iſt. Ein ſolcher Mehrbetrag von Sauer— ſtoff in der im Waſſer enthaltenen Luft iſt von hohem Werthe für den Ernährungsprozeß der Pflanzen, iſt von hoher Wichtigkeit für eine große Anzahl von Thieren; denn die Geſammtzahl der Fiſche, eine große Menge von Amphibien würden nicht leben können, wenn das Waſſer nicht ſo viel Sauerſtoff in der mit ihm gemiſchten Luft

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enthielte. Es verfteht ſich von ſelbſt, daß fie den erforderlichen Be— darf an Lebensluft leichter aus einer Waſſermenge aufzunehmen vermögen, die einen Drittheil, als aus einer andern, die nur einen Fünftheil derſelben enthält. Bleiben daher Fiſche in einem Behäl— ter von geringem Umfange, der keinen Zu- und Abfluß von Waſſer hat, ſo zehren ſie die Lebensluft bald auf und ſterben; ein über Nacht ausbleibender Brunnen giebt uns hierfür einen treffenden Beleg.

Wie wir bereits weiter oben bemerkten, iſt der Saugungs— prozeß noch ins Dunkel gehüllt, bei ſeiner genauern Erforſchung müſſen aber ungemein wichtige Aufſchlüſſe über viele uns noch nicht klar gewordene chemiſche Prozeſſe erlangt werden. Der Schnee, welcher weiter nichts iſt, als gefrornes Waſſer, ſaugt z. B. in die— ſer Form keinen Sauerſtoff, wohl aber Kohlenſäure und Ammoniak auf; ſowie er aber zu thauen beginnt, dann fängt er ſogleich an Sauerſtoff zu ſaugen; füllt man daher eine Flaſche mit Schnee, verkorkt ſie gut und ſtellt ſie an einen warmen Ort, damit der Schnee ſchmilzt, fo bekommt man in der Flaſche 3 Waſſer, während die übrigen 3 mit Luft gefüllt bleiben. Unterſucht man dieſe Luft chemiſch, ſo findet ſich in ihr viel weniger Sauerſtoff, als in der äußern atmoſphäriſchen, und in der Regel enthält dieſelbe nur 12 bis 13 Prozent. Der Schnee nahm alſo, ſowie er zu Waſſer wurde, eine bedeutende Menge von Lebensluft in ſich auf. Dieſelbe Erſcheinung giebt ſich beim Regen kund. Bei ſeinem Niederfallen ſaugt er nicht allein eine Menge dem Thierleben nachtheilige Gaſe, ſondern auch Sauerſtoff auf und wirkt dadurch wohlthätig auf den menſchlichen Organismus, zugleich aber auch ungemein günſtig auf das Pflanzenwachsthum ein, denn letztere empfangen dadurch nicht allein eine große Menge der trefflichſten Nahrungsſtoffe: Koh— lenſäure und Ammoniak, ſondern auch Sauerſtoff zu fernerer Be— reitung von Kohlenſäure aus dem Humus des Bodens.

Wenn wir eine Handvoll Schnee nehmen und denſelben in Kalkwaſſer werfen, ſo entſteht in demſelben ſofort eine Trübung und es bildet ſich kohlenſaurer Kalk. Hierdurch wird der Beweis geliefert: daß der Schnee viel Kohlenſäure in ſich aufnimmt. Der Schnee iſt daher ein Sauger jener Säure und nimmt überdies noch Ammoniak auf. Auch an ihm haben wir ein Beiſpiel: daß die

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Wiſſenſchaft ſpäter erft Erklärungen über Erſcheinungen giebt, welche die Praxis bereits längſt als günſtig auf die Vegetation einwirkend erkannt hatte. Der Landwirth hält es bekanntlich für ein gutes Zeichen, wenn der Winter eine tiefe Schneedecke über eine Landſchaft verbreitet; er ſagt dann: das Feld ruht beſſer, friert gehörig aus, wird mürber und lockerer und dadurch fruchtbarer. Da der Froſt durch eine ſtarke Schneedecke bekanntlich nicht durchwirkt, ſo kann der angeführte Grund nicht ſtichhaltig ſein; die Wiſſenſchaft urtheilt deshalb auch ganz anders und erklärt die Erſcheinung aufs Deutlichſte. Der Schnee als Sauger hat nämlich im hohen Grade die Fähigkeit gasförmige Körper aus der Atmoſphäre in ſich aufzu— nehmen und dieſelben zu verdichten; beim Schmelzen ſaugt das aus ihm hervorgehende Waſſer außerdem noch Sauerſtoff auf und die Ackerkrume bekommt daher durch ihn nicht allein die wichtigſten Nahrungsmittel der Pflanzen: Kohlenſäure und Ammoniak, ſon— dern zur ferneren Bereitung von Kohlenſäure auch noch Sauerſtoff zugeführt. Hierinnen liegt die fruchtbringende Wirkung des Schnees, die um ſo größer ſein wird, je ſtärker der Schneefall war. Hieraus ergiebt ſich aber ferner auch, warum die Pflanzen nach ſeinem Schmelzen ſo ſchnell erwachen und den Nahrungsſaft aufnehmen, und warum das Schneewaſſer zur Bewäſſerung der Wieſen ſo zweck— dienlich iſt.

Aus der Eigenſchaft des Waſſers Sauerſtoff und Kohlenſäure aufzuſaugen läßt ſich noch manche günſtige Erſcheinung beim Pflanzenwachsthum erklären. Alles Waſſer was ſtille ſteht, was ſich wenig bewegt muß phyſikaliſchen Geſetzen nach mehr Sauer— ſtoff und mehr Kohlenſäure aufſaugen, oder dieſe Gasarten viel— mehr feſter halten, als dasjenige, welches raſch über harte Gegen— ſtände dahin ſchießt, von Felſen herabſtürzt, oder ſich aus Röhren in Baſſins, Käſten u. ſ. w. ergießt; denn beim Falle und heftigen Aufſtoß entfernet ſich die Luft und damit der Sauerſtoff und die Kohlenſäure aus dem Waſſer, wie wir dies täglich an Spring— brunnen und bei Platzregen in der Umgebung der großen Waſſer— tropfen, die aus den Wolken herabfallen, gewahren können. Je langſamer und aus je kleineren Theilchen ſich das Waſſer zuſam— menzieht, deſto mehr Gasarten wird es in ſich aufnehmen. Daher

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nennen wir recht feine klare Regen im Gegenſatz zu Platzregen fruchtbare; daher wirkt der Thau ſo ungemein befruchtend, da— her regt das Schneewaſſer das Wachsthum ſo an; daher vermögen Fiſche, die vermöge ihres Baues viele Luft bedürfen, in ſtark ab— ſchießenden Gewäſſern nicht zu leben.

Der Gärtner, obſchon er ſich bis jetzt den Grund nicht zu ent— räthſeln vermochte, kennt die Eigenſchaften des Waſſers in dieſer Beziehung dennoch recht gut. Aus Springbrunnen und muntern Bächen vergießt er daſſelbe nicht ſofort nach dem Herausſchöpfen, er läßt es erſt längere Zeit in Kübeln und in Zubern ſtehen, hier nimmt es Sauerſtoff und Kohlenſäure auf und wirkt dann günſti— ger. Bei trockner Witterung, wo wir unſere Gartenbeete mit Brun— nenwaſſer begießen, hören wir gar oft die Aeußerung: das Begießen mit kaltem Waſſer fruchtet nichts, und laſſen es in der Sonne ſte— hen, wußten aber nicht: daß ſich daſſelbe hier mit befruchtenden Beſtandtheilen ſchwängere.

Eigenthümlich und ſehr bezeichnend iſt es: daß ſich die Sauer— ſtoffſauger zugleich auch als ſtarke Waſſerſauger darſtellen und auch in dieſer Beziehung ſind ſie für den Pflanzenernährungsprozeß von höchſter Wichtigkeit. Wir wiſſen, wie begierig die Kohle, wie be— gierig der Humus, wie begierig die Thonerde und ihre Verbindung mit Kieſelerde das Waſſer aufſaugen, wie ſie es an ſich halten und dann ſtets im gehörigen Verhältniſſe an die Saugfäſerchen der Wurzeln abgeben. Aus der Saugfähigkeit dieſer Stoffe gegen das Waſſer können wir uns nun recht gut erklären, warum das Auf— lockern des Bodens, das ſorgfältige Beackern und Beeggen, was ſcheinbar nachtheilig auf die Verflüchtigung des Waſſers wirken müßte, gerade in dieſer Beziehung ſo ungemein günſtig wirkt und warum dies ſtets nach heftigem Regen, wo der Boden feſtgeſchla— gen wird, öfters wiederholt werden muß. Feſter Boden kann weder Sauerſtoff noch Kohlenſäure, wenigſtens nicht an allen Stellen gleichmäßig mit dem Regenwaſſer aufnehmen; beim Auffallen auf die harte Kruſte werden ſich die Gasarten vom Waſſer trennen und in die Luft übertreten, letzteres aber in die Furchen abrinnen; die Folge davon iſt: daß ſich die für den Vegetationsprozeß im Boden bei den chemiſchen Zerlegungen bildende Wärme, die durch den

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Sauerſtoff bewirkt wird, nicht gehörig entwickelt: daß ſich der Boden alſo abkühlt und die Pflanze dann hierdurch und durch die nicht in hinreichender Menge erfolgende Zuführung von Nahrungsſtoffen krank wird. Während daher auf dem Sattel der Furche, bei nicht gehöriger Bodenbelockerung, kränkliche Pflanzen-Individuen erzogen werden, ſterben die an der Furche ſelbſt ſtehenden durch Erſaufen ganz und gar ab.

So wie die Kohle neben dem Sauerſtoffe zugleich auch Stick— ſtoff und Stickſtoffverbindungen aufſaugt, ſo haben wir auch Kör— per, die letzteres allein verrichten und dadurch von hohem Gewichte nicht allein für den Pflanzenernährungsprozeß, ſondern auch zu— gleich für das gedeihliche Fortbeſtehen der thieriſchen Organismen werden. Namentlich das Eifenvryd und Eiſenoxydhydrat ſpielt in dieſer Beziehung eine wichtige Rolle, und iſt erſteres zugleich ein weſentlicher Beſtandtheil vieler Pflanzen und Pflanzenſaamen, hauptſächlich derer, die zur Ernährung der Menſchen und der Thiere verwandt werden.

So verbreitet wie das für die Vegetation unumgänglich noth— wendige Waſſer, fo verbreitet iſt auch das Eifenoryd, fein Hydrat, und das kohlenſaure Eifenorydul auf unſerer Erde. Selbſt unter, ja in ſehr vielen Waſſern findet es ſich. Keiner Gebirgsart, keiner Erdmengung iſt es fremd, aber es iſt den meiſten Pflanzen auch ſo unentbehrlich, als die atmoſphäriſche Luft, und die thieriſchen Or— ganismen, welche ihren Eiſenbedarf durch die Pflanzen zugeführt bekommen, würden nicht beſtehen können, denn ihnen wuͤrde bei deſſen Ermangelung jede Lebensfähigkeit abgehen. Treten wir an eine Quelle, die im murmelnden Rauſchen dem Felſen entſtrömt und fragen: woher kommt das koſtbare Waſſer? ſo erhalten wir zur Antwort: theils aus ſtehenden übelriechenden Sümpfen, theils aus Kloaken und ſtinkenden Kanälen der Städte, theils aus den Miſtjauchen der Dörfer, theils aus Feldern und Wieſen, die mit übelriechenden Düngeſtoffen überfahren ſind, theils aus dem Mo— der der Wälder. Stellen wir nun die weitere Frage: wodurch wurde dieſe übelriechende ſchmuzige Flüſſigkeit zu einem ſo klaren, wohlſchmeckenden Labetrunk? ſo wird uns die Antwort: durch die Sauger.

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Mit größter Sehnſucht erwarten die Bewohner des fruchtbar— ſten Getreidelandes der Erde unter ihrem glühenden Himmel das Steigen des Nils, nicht allein weil ſie wiſſen, daß durch deſſen Ueberfluthung die ſchwelgende Fruchtbarkeit des Landes bedingt wird, ſondern weil ſie dadurch auch jener ſchrecklichen Geiſel, der Peſt, überhoben werden. Was bringen ihnen aber jene trüben Fluthen? Sie bringen Sauger, welche durch Zerſtörung der unter jenem Gluthhimmel ſo reichlich entſtehenden Miasmen größten— theils Stickſtoffverbindungen zugleich eine außerordentliche Fruchtbarkeit des Landes herbeiführen. Und welche Stoffe ſind es, die ſo wohlthätig als Sauger durch Reinigung der Luft und des Waſſers für Menſchen und Thiere und zugleich ſo ernährend bei den Pflanzen einwirken? Neben der Kohle iſt es das Eifenoxyd und deſſen Hydrat. Es iſt daher nöthig, daß ich beim Eiſen und deſſen Wichtigkeit im organiſchen Reiche etwas verweile. Das Eiſen erweiſt ſich im Pflanzenleben in zweifacher Beziehung ſehr heilſam, und zwar einmal als näherer Beſtandtheil der Pflanzen, das anderemal als Sauger eines ihrer wichtigſten Nahrungsmittel, des Stickſtoffs und deſſen Verbindungen, namentlich des Am— moniaks.

In den Gewächſen finden wir das Eiſen als Oxyd abgelagert; es wird denſelben durch Kohlenſäure, in welcher das kohlenſaure Eifenorydul löslich iſt, bei Gegenwart von Kieſelſäure zugeführt. Durch die Gräſer und deren Früchte, durch Kohlarten, Kartoffeln, Futterkräuter wird es in den menſchlichen und thieriſchen Körper gebracht, woſelbſt es ſich im Fleiſche und Blute wieder vorfindet und im letzteren eine der wichtigſten Rollen ſpielt. In den Aſchen von Weizen, Roggen und Hafer beträgt die Quantität deſſelben 1 bis 123, in den Kartoffeln 2. Erbſen und Bohnen haben einen etwas geringeren Gehalt an Eiſen.

Bei Verſuchen, welche der Fürſt von Salm-Horſtmar an— ſtellte, um Hafer ohne Vorhandenſein von Eiſen im Boden zu ziehen, zeigte ſich: daß der Stängel keine Kraft bekam: daß er glatt blieb, ſich niederlegte: daß die Blüthen- und Fruchtbildung nicht vor ſich ging und daß die Pflanze eine matte Farbe behielt. Wurde aber der Erde etwas Eiſenoryd beigemiſcht, fo erſchien die Pflanze

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mit einem Male in dunkelgrüner Farbe, die Blätter von üppiger Kraft zeigten eine beſondere Steifheit und Rauhheit, und auch die Blüthen- und Fruchtbildung nahm ihren regelmäßigen Fortgang.

Verſuche mit Düngung von Eiſenvitriol haben den Beweis geliefert: daß guter Weizenboden neben kohlenſaurem Kalke auch eine gewiſſe Menge von Eifenoryd enthalten müſſe.

Auch wiſſen wir aus Erfahrung: daß ſich der Weizen auf Feldern, denen das Eiſenoryd nur ſparſam zugetheilt iſt, umlegt. Kein Boden bedarf aber des Eiſenoryds fo nothwendig, als der, auf welchem Kartoffeln gezogen werden; dieſelben entnehmen einem Morgen Landes jährlich 124 Pfund Eifen.

Daß das Eiſen ein Ammoniakſauger ſei, davon ſprachen wir weiter oben, kommen aber hier nochmals darauf zurück.

Das Ammoniak in Gasform wird vom Eiſenoryde und deſſen Hydrate aufgeſaugt und verdichtet; bei größerer Bodenwärme, wo von den Pflanzen eine bedeutende Saugfähigkeit ausgeübt wird, nehmen es die Wurzeln aus dem Boden auf und führen es in die Pflanzen über. Durch Verſuche hat man gefunden: daß, wenn man Humus, Kohlenpulver, gebrannten Thon und Eifenoryd eine Zeit lang der atmoſphäriſchen Luft ausſetzt und dies Gemenge dann mit deſtillirtem Waſſer auswäſcht, man eine bedeutende Menge kohlenſaures Ammoniak erhält. Letzteres wurde alſo aus der atmo— ſphäriſchen Luft durch Eiſenoryd und Kohle aufgeſaugt.

Auch Gasparin machte bereits darauf aufmerkſam: daß das Eifenoryd den in Ammoniak verwandelten Stickſtoff aufſauge und ihn zurückhalte. 5

Wir finden dieſe Anſammlung von Ammoniak in Thonen, auf denen aus den weiter oben angeführten Gründen, nämlich durch deren Lage in ſumpfigen Niederungen u. ſ. w., in der Regel eine verkümmerte Vegetation getroffen wird, oft in reichlichen Mengen; ſie ſind beim Trocknen dieſer Thone ſchon nach dem An— hauchen derſelben zu erkennen. Der Thon zeigt aber nur dann Ammoniakgeruch, wenn er Eiſenoxyd oder Eiſenoxydhydrat bei— gemengt enthält, und gerade dieſe Felderflächen ſind es, wo die Drainage ſo große Wunder thut.

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Nachdem wir das Eifenoryd und deſſen Hydrat als Ammoniak— ſauger kennen gelernt haben, klärt ſich manche Erſcheinung, die ſeither in Dunkel gehüllt war, auf. Man unterſuchte den Schlamm des Nils, auf welchem der vielährige Weizen ſo vortrefflich gedeiht, daß er einen 20- bis 30fachen Körnerertrag liefert, konnte durch die aufgefundenen Beſtandtheile aber zu keiner genügenden Erklä⸗ rung über die bekannte Fruchtbarkeit deſſelben gelangen. Die 38 organiſcher Materie ſind nicht ausreichend, dieſe Fruchtbarkeit allein zu bewirken; außerdem fanden ſich noch 57 Kieſelerde, 122 Alaun⸗ erde, 3 Thonerde, 34 Kalk, ganz geringe Mengen von Kali und Natron, aber 134 Eifenoryd. Letzteres iſt die Hauptquelle der Fruchtbarkeit des Nilſchlammes. In dem heißen Klima Aegyptens bilden ſich eine Menge von Stickſtoffverbindungen, welche, von dem Eiſenorxyde des Schlammes aufgeſaugt, nicht allein ungemein vortheilhaft auf die Vegetation, ſondern auch auf das Menſchen— und Thierleben wirken, indem dadurch die Miasmen zerſtört wer— den, welche die Peſt und ähnliche Krankheiten erzeugen.

Die ſchwarze Erde im ſüdlichen Rußland iſt über den ſüdlichen und ſüdweſtlichen Theil des europäiſchen Rußlands in großer Aus— dehnung und Mächtigkeit verbreitet; ſie iſt die Grundlage des er— giebigſten Ackerbaues, und auf ihrem Vorhandenſein beruht der Ueberfluß Rußlands an Getreide. Wird die ſchwarze Erde nur halbwegs ſorgfältig bearbeitet, ſo trägt ſie viele Jahre hintereinan— der, ohne die geringſte Bedüngung, das 15- bis 20fache Korn; ſie beſitzt zwar mehr organiſche Materien als der Nilſchlamm, aber auch 6 Eifenoryd, welches neben der Kohle auch hier fo günftig auf den Ertrag wirkt.

Eine Analyſe guten Weizenbodens aus der Gegend von Lille ergab 4 Eifenoryd. Auch die fruchtbaren Ackererden am Senegal enthalten viel Eiſen; daſſelbe iſt der Fall in dem reichen Getreide— boden des ſüdlichen Frankreichs, Englands, Schwedens und Chinas. Aber auch wir können in unſern Gegenden theilweiſe ſchon aus der Entfernung guten Weizenboden unterſcheiden; eine röthliche Fär— bung deutet in der Regel den beſten Weizenboden an.

Nachdem wir aus Obigem geſehen haben, wie günſtig das Eiſenoryd auf Gräſer, Kartoffeln, Hülſenfrüchte wirkt, glaube ich

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nicht unterlaffen zu dürfen, auch einige Andeutungen über deſſen Anwendung zu geben.

Man überſtreue die mit Getreide und Kartoffeln beſtellten Felder, ſo wie die Wieſen im Herbſte und theilweiſe im Frühjahre recht bald mit einer dünnen Lage recht fein vertheilten Eiſenorydes, damit der in der Luft befindliche freie Stickſtoff und deſſen Verbin— dungen von jenem reichlich aufgeſaugt werde 9).

Wird das Eiſenoryd und deſſen Hydrat in der Landwirthſchaft erſt angewandt, und gerade, wo es durch langjährige Bebauung den Feldern zu ſehr entzogen wurde, z. B. durch unausgefegten Kartoffelbau auf einem und demſelben Felde, dann dürften in manchen Gegenden beſſere Erndteergebniſſe erzielt werden.

Wir hören nämlich oft die Klage, und namentlich in den Ge— genden, wo der Kartoffelbau ſeit einer langen Reihe von Jahren ſtark betrieben wird: daß das Getreide nicht mehr den Ertrag gebe, wie früher. Es könnte dies wohl an der Abnahme des Eiſens im Boden liegen; wenn daſſelbe auch nicht als eigentlicher Nahrungs— beſtandtheil fehlt, ſo dürfte es doch nicht ausreichend ſein, um die Ammoniakaufſaugung kräftig zu bewirken.

Das Eiſenoxyd und deſſen Hydrat iſt daher nicht allein ein weſentlicher und höchſt wichtiger Beſtandtheil vieler Pflanzen, ſon— dern auch eine Hauptquelle, durch welche die Gewächſe ihren Stick— ſtoffgehalt empfangen; dabei wirkt es für die menſchliche Geſellſchaft um deshalb noch ſo wohlthätig, weil es die Miasmen zerſtört und ein reines wohlſchmeckendes Quellwaſſer liefert.

Beim Schluſſe dieſer Arbeit kann ich nicht unterlaſſen, noch einige Worte über die Wichtigkeit des Eiſens im Menſchen- und Thierleben beizufügen.

Urſprünglich wird das Eiſenoryd durch die Pflanzen, nament— lich durch die Gräſer, Gemüſe, Kartoffeln u. ſ. w. in die thieriſchen Körper übergeführt, bildet daſelbſt einen Beſtandtheil des Blutes, einen ſehr geringen des Fleiſches und bedingt die rothe Färbung beider.

Sollten Landwirthe Verſuche mit Eiſenoryd machen wollen, ſo kann ich ihnen die Firma König in Saalfeld als Bezugsquelle empfehlen. Daſelbſt wird das Eifenoryd billig und äußerſt fein hergeſtellt. W. E.

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Sowohl im Menſchen- als im Thierkörper wirkt das Eiſen— oryd ungemein belebend. Bei fehlendem Eiſen wird der Körper ſchwach und hinfällig, und wird es demſelben in hinreichender Menge nicht wieder zugeführt, ſo ſtirbt er ab.

Wie in der Natur für Alles ausgezeichnet geſorgt iſt, ſo iſt |

dies auch mit der Zuführung von Eiſen in das Blut der Fall. Es geſchieht dies in Krankheitsfällen größtentheils durch die eiſenhal— tigen Mineralquellen. Der Gehalt in dieſen an Eiſen erzeugt eine größere Anzahl von Blutzellen im Körper, und die Entwickelung dieſer Zellen bewirkt eine verſtärkte Umwandlung einer Protern— zuſammenſetzung in die andere, des Eiweißſtoffes in Faſerſtoff, der zur Bildung der Zellenkeime in den verſchiedenen Geweben ver— wendet wird. Die größere Menge der rothen Körperchen unterhält eine ſtärkere Reizbarkeit der Organe, zumal des Nerven- und Mus: kelſyſtems.

Das Eiſen iſt daher als Medizin angewandt ein ausgezeichnetes Mittel gegen verſchiedene Krankheiten, namentlich die Chloroſe. Es wirkt erregend auf das Herz und Blutſyſtem und kräftigt die Verdauung, oder mit kurzen Worten: es hebt den Tonus.

Wir hören zuweilen von einem Arzte: „Wir leben jetzt in einer Periode, wo das Eiſen im Blute verſchiedener Individuen nicht in ſo reichlicher Menge vorhanden iſt als in einer andern Periode; namentlich trifft dies das weibliche Geſchlecht mehr als das männliche.“ Daß die Nahrungsmittel hierbei den größten

Theil der Schuld tragen, dürfte wohl keinem Zweifel zu unter-

ſtellen ſein. Die eigenthümlichen Witterungsverhältniſſe mancher ER wo den Pflanzen vielleicht nicht die gehörige Menge von Eiſenoryd

zugeführt wird, könnten hieran wohl einen großen Theil der Schuld

tragen. Eine genaue, freilich höchſt ſchwierige Unterſuchung über dieſen Gegenſtand könnte nicht ohne höchſt intereſſante Aufſchlüſſe

verlaufen und würde dann vielleicht über viele Krankheitserſcheis

nungen ein helleres Licht verbreiten.

Wir ſahen z. B.: daß bei ausreichender Menge von Eiſenoryd

im Blute der Körper kräftig: daß er dagegen ſchwach und hinfällig wird, wenn daſſelbe nicht in hinreichender Menge vorhanden iſt,

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und daß in der Regel beim weiblichen Geſchlechte dies häufiger der Fall iſt, als beim männlichen. Tragen wir dieſe Erſcheinungen nun z. B. auf die in manchen Städten und Ländern ſo furchtbar auftretende Cholera über, ſo zeigt ſich, daß dieſelbe das weibliche Geſchlecht leichter erfaßt und dahinrafft, als das männliche, und daß überhaupt ſchwächliche Individuen mehr von derſelben ergriffen werden und ihr ſchneller unterliegen, als ſtarke. Vergleichen wir dieſe Erſcheinungen mit dem früher Geſagten, ſo dürfte ſich im Verlaufe der Zeit ein Zuſammenhang finden, der auch über dieſe räthſelhafte Krankheit ein helleres Licht verbreitet.

Unbedingt iſt das Eiſen einer der wichtigſten Grundſtoffe, und wenn uns deſſen Unentbehrlichkeit für die wachſende Cultur der Völker jeden Augenblick vor Augen ſteht, ſo war deſſen Wichtigkeit im Pflanzen- und Thierleben bis jetzt doch gewiß noch zu wenig beachtet. Es ſäume daher Keiner, dem Gelegenheit gegeben, dieſem Stoffe auf letzterem Gebiete die ihm gebührende Aufmerk— ſamkeit zu ſchenken.

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 10

Phosphor und deſſen Verbindung mit Sauerſtoff zu Phosphorſäure.

Bei dem lebhaften Intereſſe, mit welchem in neueſter Zeit Alles aufgenommen wird, was auf Thier- und Pflanzenernährung Bezug hat, dürfte es erwünſcht ſein, in aller Kürze etwas über die unmittelbare Zuführung der Nahrungsmittel aus den Pflanzen in den Thierleib zu vernehmen, namentlich da gerade die Phos— phorſäure und deren Verbindungen mit Erden lin eine beſon⸗ ders wichtige Rolle fpielt.

Wenn wir unſere Blicke über die bewohnte Erdoberfläche ſchweifen laſſen, ſo zeigt ſich uns das Leben auf derſelben in einer überausgroßen Mannigfaltigkeit; dennoch finden wir bei genauerer Prüfung: daß die Bildung der einzelnen Individuen unter der ſtaunenswertheſten Einfachheit vor ſich geht und daß nur wenig Grundſtoffe an der Entwicklung und endlichen Ausbildung derſel— ben Theil nehmen.

Während Licht, Wärme, EClectricität das Beſtehen alles Lebendigen bedingen, indem ohne dieſe Kräfte eine Lebensregung nicht in der Möglichkeit liegt, bilden Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Kohlenſtoff, Stickſtoff mit einzelnen wenigen Salzen und Säuren diejenigen Körper, aus denen der Leib und die Gliedmaßen ſo— wohl der Thiere, als der Pflanzen zuſammengeſetzt iſt; denn aus Sauerſtoff und Stickſtoff beſteht die atmoſphäriſche Luft, aus Sauerſtoff und Waſſerſtoff das Waſſer, aus Sauerſtoff und Kohlenſtoff die Kohlenſäure, aus Stickſtoff und Waſſerſtoff das Ammoniak. |

Bei der Verbindung des Sauerſtoffs mit Kohlenſtoff und

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Waſſerſtoff wird ſtets eine bedeutende Menge von Wärme frei und zwar um ſo mehr, je mehr Sauerſtoff vorhanden iſt, weshalb dieſer Prozeß, der häufig mit Lichterſcheinung verknüpft iſt, auch Verbrennungs-Prozeß genannt wird.

Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Kohlenſtoff und Stickſtoff bilden durch ihre verſchiedenen Verbindungen untereinander eine Unzahl feſter und flüſſiger Körper, allein für die thieriſche und pflanzliche Ausbildung ſind nur einige und zwar diejenigen Verbindungen von Wichtigkeit, in denen entweder alle vier, oder nur drei dieſer Grundſtoffe ſich zu beſondern Körpern vereinigen.

Faſerſtoff, Eiweiß, Käſeſtoff und Leim ſind diejenigen Kör— per, in denen die vier Grundſtoffe zuſammen verbunden, mit kohlen— ſaurem und phosphorfaurem Kalk, mit etwas Kali und Natron und einigen Säuren, den eigentlichen Thierleib bilden. Stirbt letzterer ab, jo gehen jene Verbindungen durch chemiſche Zerſetzung, welche man Verweſung nennt, in Waſſer, Ammoniak und Kohlen— ſäure über und treten nun wieder in die Ackererde oder in die Atmoſphäre ein. Als Rückſtand verbleibt ein kleines Häufchen von Erden und Salzen.

Da wo ſich nur drei dieſer Elemente, ohne Stickſtoff, zuſam— men vereinigen, beſtehen die betreffenden Körper aus Stärkemehl, Zucker, Gummi, Fett u. ſ. w.; ſie werden von dem thieriſchen Kör— per nur aufgenommen, um umgewandelt ſich wieder mit der atmo— ſphäriſchen Luft zu vereinigen. Außer der Ablagerung von etwas Fett, welches als Reſerve für den Verbrennungs-Prozeß im Kör— per abgeſetzt wird, tragen ſie zum Ausbaue deſſelben nichts bei, ſondern dienen lediglich und allein zur Herbeiſchaffung und Fort— erhaltung der zum Leben unentbehrlichen Körperwärme, indem ſich der Sauerſtoff der Luft beim Athmen des Kohlenſtoffs und des Waſſerſtoffs jener Körper bemächtigt, ſie in den Lungen in Kohlenſäure und Waſſer verwandelt und dabei die bei dieſer Ver— brennung entſtehende Wärme zurückläßt.

Nichtnur die aus der Verweſung der thieriſchen Körper her— vorgegangenen tropfbar- und gasförmig -flüſſigen Verbindungen, ſondern auch die als Moder zurückbleibenden Erden und Salze, ſo wie die durch das Athmen gebildete in die Atmoſphäre überge—

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tretene Kohlenſäure und das Waſſer kommen ſtets dem Pflanzen- leben zu Gute, indem ſie immer von Neuem wieder als Nahrungs— mittel für die Gewächſe dienen.

Bevor die Chemie auf ihren jetzigen hohen Standpunkt kam, war man der Anſicht: daß die zur Ausbildung und Erhaltung des thieriſchen Körpers nothwendigen Verbindungen von Eiweiß, Faſer— ſtoff, Käſeſtoff u. ſ. w. erſt während des Verdauungs-Prozeſſes gebildet würden, allein unſer großer Chemiker v. Liebig wies nach: daß dieſe Stoffe bereits fertig aus dem Pflanzenreiche in den thieriſchen Körper übertreten.

Der Faſerſtoff, der Käſeſtoff, das Eiweiß, allgemein im Pflanzenreiche, namentlich in den Culturgewächſen verbreitet, wer— den dieſemnach dem Thierreiche, ebenſo wie die Phosphorſäure, der Schwefel, das Kali, der Kalk, die Kieſelerde, das Eiſenoryd u. ſ. w. für die Entwicklung und Ausbildung der Geſammt-Kör— pertheile direct übergeben. Zur Unterhaltung des Athmens und der damit verknüpften Bildung der für das Leben unumgänglich nöthigen Wärme ſtellt die Pflanze dem Thiere überdies noch eine Anzahl von ſtickſtofffreien Körpern z. B. Stärkemehl, Zucker, Gummi zur Verfügung. Unſer Geſammt-Thierhaushalt lebt daher zunächſt von den Pflanzen und zwar entweder direct, durch die Pflanzennahrung ſelbſt, oder vermittelt, durch die ſich von Pflanzen ernährenden Thiere, welch letztere die Pflanzennahrungs— ſtoffe in ſich anſammeln, um ſie den Fleiſchfreſſern ſpäter zufließen

zu laſſen. Die ſtickſtofffreien, zum Erwärmen der Thierkörper

augenblicklich nicht nöthigen werden als Fett abgelagert. Dieſe Fettablagerung iſt nach zwei Richtungen hin von hoher Wichtig— keit, indem durch dieſelbe ein plötzliches Abſterben vieler Thier— individuen verhütet wird, wenn denſelben die Nahrung auf einige Zeit mangelt, denn der Dachs z. B. kann den ganzen Winter hin⸗ durch von ſeinem Fette leben, was er ſich im Sommer und Herbſte zugelegt hat. Außerdem wird der Menſch mit reichlichen Mengen von Brennmaterial für ſein geiſtiges und leibliches Wohl Ben dieſe Ablagerung im Thierleibe verforgt,

Dieſe ſich durch wiſſenſchaftliche Forſchungen herausgeſtellten Nahrungs-Reſultate ſind für den Aufſchwung der Landwirthſchaft

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von unſchätzbarem Werthe, denn wir erlangen dadurch nicht nur neue Aufſchlüſſe über die Bedingungen, welche wir an eine gute Ackererde, auf welcher wir unſere Culturgewächſe zu erziehen ge— denken, zu ſtellen haben, ſondern es verbreitet ſich dadurch auch ein helleres Licht über die Düngſtoffe und deren zweckmäßigſte Verwendung.

Wir ſahen weiter oben: daß die Hauptreihe von Nahrungs— mitteln, welche das Thier von der Pflanze in Empfang nimmt, aus Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Kohlenſtoff und Stickſtoff: daß die andere Reihe, welche dem Körper die nöthige Wärme zufließen läßt, aus Sauer- Waſſer- und Kohlenſtoff beſtehe; wir ſahen ferner: daß ſich im Fleiſche der Thiere Kali, Natron, Kalkerde, Bittererde, Eiſenoryd, Phosphor, Schwefel, Chlor: daß ſich im Blute Kieſelerde: daß ſich in den Knochen Phosphorſäure, Kalk und Bfttererde befinde und daß alle dieſe Stoffe direct aus dem Pflanzenreiche in das Thierreich übergeführt werden. Wenn nun auch die Sauerſtoff-Waſſerſtoff-Kohlenſtoff- und Stickſtoffverbin— dungen den Pflanzen durch ihre Millionen von Saugöffnungen größtentheils durch die Luft übergeben werden, ſo kann dies doch in Bezug auf die Mineralbeſtandtheile nicht geſchehen. Letztere müſſen daher unbedingt entweder in der Ackererde, oder, wenn dies nicht der Fall iſt, doch in dem derſelben zuzuführenden Dünger enthalten ſein, denn nur da wird eine Pflanze im vollkommen geſunden Zuſtande emporwachſen, nur da wird ſie kräftige Früchte tragen, wo ihr der Boden die nöthigen Nahrungsmittel bietet; fehlt ſelbſt nur ein Theil der letzteren, dann fängt ſie an zu ver— kümmern und trägt nur wenige und unvollkommne Früchte. Solch krankhafte Zuſtände tragen ſich auch auf die Thiere über, indem letztere die Nahrungsmittel in dieſem Falle nicht in dem Miſchungs— Verhältniſſe übergeben bekommen, wie es ihre Verdauungswerk— zeuge verlangen. Die Erziehung geſunder Nahrungs-Pflanzen iſt daher für das Fortbeſtehen und das fernere Gedeihen der menſch— lichen Geſellſchaft von höchſter Wichtigkeit, denn wie bereits be— merkt, iſt ein fehlender Pflanzenernährungs-Beſtandtheil ver— mögend, die übrigen entweder ſämmtlich wirkungslos zu machen, oder die Wirkung doch bedeutend zu ſchwächen. Je mehr z. B.

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Kohlenſäure und Ammoniak vermöge ſorgfältiger Auflockerung der Ackererde aus der Atmoſphäre zugeführt werden kann, deſto mehr hat der Landwirth darauf zu ſehen, daß auch die minerali— ſchen Nahrungsmittel im ausreichenden Verhältniſſe in demſelben vertreten ſeien. Iſt dies der Fall, dann ſtehen die Exträgniſſe deſſelben ſehr hoch. Jeder Grundbeſitzer befleißige ſich daher auf die Zuführung mineraliſcher Nahrungsſtoffe, namentlich der phos— phorfauren Salze, mit unausgeſetztem Eifer zu ſehen, denn es iſt eine ausgemachte Sache: daß ein mit Mineralſtoffen in reichlicher Menge geſchwängerter Boden der Atmoſphäre bei weitem mehr Kohlenſäure und Ammoniak entzieht, als ein ſolcher in dem jene fehlen.

Schon dem Nichtfachmanne wird aus dem Geſagten die Ueberzeugung werden: daß die Gewächſe mit der Ackererde in der allerinnigſten Beziehung ſtehen, wogegen dem Fachmanne dieſes Verhältniß mit jedem Tage neue und höchſt intereſſante That— ſachen vors Auge führt. Wir bemerkten ja fo eben: daß die Pflan— zen nicht allein einen Theil ihrer tropfbar- und gasförmig-flüffigen Nahrungsſtoffe, ſondern daß ſie auch ihre feſten lediglich und allein dem Boden, auf dem ſie wachſen, entnehmen, letztere können aber in dieſem Zuſtande unmöglich in die Gewächſe übergehen. Es ſind Auflöſungsmittel erforderlich, durch welche ſie den Wur— zeln zugeführt werden. Als ſolche Auflöſungsmittel kennen wir im großen Haushalte der Natur das Waſſer und die Kohlenſäure. Selbſt die feſteſten Geſteine widerſtehen dieſen Auflöſungsmitteln nicht, wie dies die Kieſelerde ſo überraſchend beweiſt. Das Auge des rationellen Landwirthes muß daher vor Allem auf den Boden und deſſen Bedüngung d. h. darauf gerichtet ſein, daß jener alle diejenigen Nahrungsmittel der Pflanzen und in ausreichender Menge zugeführt bekommt, die er nicht an ſich ſchon enthält; denn die auf eine ſorgfältige Bedüngung und gehörige Auflockerung des Bodens erfolgende Wirkung zeigt unwiderlegbar: daß das Wohl— befinden der Gewächſe einestheils von der Miſchung des Bodens, anderntheils aber von den zugeführten Düngſtoffen abhängig ſei. Man kann daher z. B. den Werth eines Düngers nicht lediglich und allein nach feinem Stickſtoffgehalte, den er den Pflanzen ab»

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zutreten vermag, bemeſſen; es müſſen hauptſächlich auch die darin— nen befindlichen Erd- und Alkaliſalze berückſichtigt werden und dieſe hängen dann wieder hauptſächlich von der Güte des Futters, welches den Thieren verabreicht wird, ab. Wohl kann z. B. ſelbſt von einem ſehr ſtickſtoffreichen Dünger Mißbrauch gemacht werden, und was ſoll derſelbe auch den Pflanzen für Vortheile bringen, wenn der Ackererde nicht zugleich auch alle übrigen zu ihrer voll— kommnen Entwicklung nothwendigen Nahrungsſtoffe übergeben werden, vorausgeſetzt daß jene dieſelben nicht ſchon enthält?

Wenn wir die Wieſen, Gärten und ſelbſt einzelne Felder in der nähern Umgebung von abhängig gelegenen Dörfern und Städten, über welche ſich die aus jenen abgehenden Flüſſigkeiten verbreiten, aufmerkſam ins Auge faſſen, ſo gewahren wir auf ihnen nicht allein einen bei weitem üppigeren Graswuchs, als auf andern in weiten Entfernungen von den Orten gelegenen, ſondern das Vieh hat nach dem Genuſſe des auf dieſen Grund— ſtücken gezogenen Futters auch ein bei weitem beſſeres Ausſehen, als dasjenige was mit Futter von entfernt gelegenen Wieſen er— nährt wird.

Dieſelben günſtigen Erſcheinungen ſtellen ſich uns dar, wenn wir unſere Wieſen im Frühlinge mit ausgelaugter oder unausge— laugter Holzaſche überſtreuen, wenn wir ſie im Herbſte oder im Winter mit Urin und Miſtjauche überführen, wenn wir Knochen— mehl über dieſelben verbreiten. Im letzteren Falle wird die Haus— frau nicht allein einen beſſeren Geſchmack, ſondern auch einen ſteigenden Ertrag bei der Milch gewahren.

Es entſteht nun die Frage: was wird den Wieſen in den Flüſſigkeiten, die aus Städten und Dörfern austreten und ſich über die Grundſtücke verbreiten, zugeführt? was für düngende Beſtand— theile enthalten nicht allein dieſe Zuführungen, ſondern auch die Holzaſchen, der menſchliche Urin, die Miſtjauche, das Knochenmehl?

Die aus Städten und Dörfern abgehenden Flüſſigkeiten be— ſtehen das reine Waſſer nicht mit berückſichtigt größtentheils aus Menſchen- und Thierharn und aus Auslaugungen der feſten Thier- und Menſchen- Exkremente, in denen neben Stickſtoffver— bindungen und verſchiedenen Salzen Phosphorſäure enthalten iſt.

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Die Vereinigung der nicht flüchtigen unorganiſchen Stoffe, nament— lich der phosphorſauren Verbindungen mit Ammoniak und Kohlenſäure iſt aber eine Hauptbedingung bei der Pflanzen— ernährung; denn aus den intereſſanten Verſuchen des Fürſten von Salm-Horſtmar mit Erziehen von Haferpflanzen, fo wie aus einer Menge praktiſcher Erfahrungen geht auf das Ueberzeugendſte her— vor: daß baſiſch phosphorſaure Salze unbedingt nothwendig zur Ausbildung faſt aller Pflanzen ſind. Außer Stickſtoff und einigen andern Beſtandtheilen finden wir nun dieſe phosphorſauren Ber: bindungen ſowohl im Urine, als auch in den feſten Exkrementen, im größern oder geringern Verhältniſſe, je nachdem die zugeführten Nahrungsmittel mehr oder weniger derſelben enthielten. Im Harne ſind Ammoniakſalze in reichlicher Menge und im auflös— lichen Zuſtande, ebenſo wie phosphorſaure Ammoniak-Kalk- und Talkſalze enthalten und dabei bildet ſich aus dem Harnſtoffe des Menſchenharns überdies noch Ammoniak, man kann ſich daher die üppige und ſchnelle Düngkraft deſſelben leicht erklären. Wenn man ſalzſaure Bittererde mit Harn vereinigt, ſo entſteht, nachdem ſich der Harn in kohlenſaures Ammoniak verwandelte, ein leicht lös— liches Doppelſalz. Die Phosphorſäure des Harns verbindet ſich nämlich ſowohl mit dem Ammoniak, als mit der Bittererde zu phosphorſaurer Ammoniak-Bittererde. Auf dieſe Weiſe könnte man, vermittelſt der Mutterlauge aus Salinen, in den großen Städten eine bedeutende Menge des koſtbarſten leichtlöslichſten Pflanzennahrungsmittels aus dem Urine der Abzugskanäle in feſter Form gewinnen und ließen ſich dadurch überaus lukrative Düngſtoff⸗Geſchäfte einleiten.

Die Gehalte der verſchiedenen Dünger an Phosphorſäure ſind ungemein verſchieden; ſo hinterläßt z. B. der Miſt eines mit Hafer und Heu gefütterten Pferdes nach dem Verbrennen 10g Aſche, welche aus kohlenſaurem und kieſelſaurem Kali und einer nicht un— bedeutenden Menge von phosphorſaurer Kalk- und Talkerde beſteht. Der Kuhmiſt dagegen hat weniger phosphorſaure Salze, weil die— ſelben als ausgezeichnete Nahrungsbeſtandtheile mit in die Milch übergehen; dagegen enthalten die Menſchenerkremente 103 ihres Gewichtes phosphorſaure Kalk- und phosphorſaure Talkerde. Aus

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dieſem Grunde bleibt aber auch die Wirkſamkeit des Kuhdüngers weit hinter der des Menſchendüngers. Bei Verwendung des letz— teren ergiebt ſich ein 14facher Körner-Ertrag, während bei erſterem nur der 7fache erzielt wird.

Dieſelben befruchtenden phosphorſauren Salze finden ſich in der Tannen- und Fichten- und in noch reichlicherem Verhältniſſe in der Buchen-Aſche. Während die erſteren y ihres Gewichtes an phosphorſauren Kalk- und Eiſenſalzen beſitzen, enthalten die Buchen⸗Aſchen ſogar + dieſes wichtigen Stoffs.

Sehr viel Phosphorſäure und zwar an Kalk zu baſiſch phos— phorſaurem Kalk gebunden enthalten die Knochen. Es ſind dies die widerſtehenden feſten Organe, beſtimmt, nicht allein die weichen Theile der thieriſchen Organismen zu halten und zu beſchützen, ſon— dern auch die aufrechte Stellung der höheren Thiere bedingend; fie beſtehen weſentlich aus zwei Elementen: einem unorganiſchen erdigen Theile, der ihnen die zu ihren Verrichtungen erforderliche Feſtigkeit verleiht, und aus einem organiſchen Gewebe Knorpel genannt. Der phosphorſaure Kalk, welcher zu den unorganiſchen gehört, beträgt 53 bis 57 Procent. Obſchon die Knochen im All— gemeinen ſchwer zerſtörbar ſind und ſich unter Umſtänden Jahr— hunderte lang in der Erde erhalten, ſo werden ſie doch durch kohlenſäurehaltiges Waſſer, namentlich bei feiner Vertheilung, leicht aufgelöſt. Laſſaigne ſtellte hierüber Verſuche an und zwar ſowohl mit friſchen, als mit ſolchen, die durch längeres Liegen unter der Erde theilweiſe zerſetzt waren. Dieſe Verſuche ergaben: daß Knochen in Stücke von der Größe einer Haſelnuß zerſchlagen nach Verlauf von 8 bis 10 Stunden unter Berührung von Waſſer, welchem ein Maas Kohlenſäure beigemiſcht war, eine gewiſſe Menge ihres phosphorfauren und kohlenſauren Kalkes abgaben. Sind die Knochen ſelbſt nur gröblich gepulvert, ſo iſt die Menge der aufgelöſten baſiſchen Salze ſchon weit größer. Je weiter die Zerkleinerung aber fortgeſetzt wird und in je aufgelockerterem Zu— ſtande der Boden in welchen ſie zu liegen kommen ſich befindet, deſto mehr phosphorſaure Verbindungen nimmt das kohlen— geſäuerte Waſſer auf und führt ſie durch die Wurzeln in das Pflan— zengewebe über. Die ſorgfältige Klärung des Bodens iſt deshalb

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nothwendig, damit die Sauger eine vermehrte Wärme, bei welcher ſich die auflöſende Kraft des Waſſers, ſo wie die gegenſeitige Be— rührung mehrt, hervorrufen.

Neben dem Stickſtoffe, dem Kohlenſtoffe und verſchiedenen Salzen iſt es daher die Phosphorſäure, welche im Urine, den feſten Exkrementen, den Knochen, der Aſche u. ſ. w. die günſtige Wirkung auf unſere Wieſen hervorbringt; ſie thut dies hier jedoch nicht allein, ſondern auch den Feldern iſt ſie ganz unentbehrlich, wie dies nicht allein aus dem Beſtreuen derſelben mit Knochen— mehl und Aſche, ſondern auch durch die Zuführung von Menſchen— und Thier-Dünger, außerdem aber aus den Analyſen der auf jenen gezogenen Früchte ſo deutlich erhellet. Weiter oben beim Stick— ſtoffe ſahen wir bereits: daß auf Kirchhöfen, auf Schlachtfeldern, auf Fallangern, auf Feldern von Fleiſchern und Gerbern eine vermehrte Fruchtbarkeit ſtattfinde und iſt neben dem Vorhanden— ſein von reichlicheren Mengen von Stickſtoff auch hier die Phos— phorſäure die Urſache der üppigeren Vegetation. Wie ungemein günſtig dieſelbe überall da, wo ſie in reichlichen Quantitäten neben andern Düngſtoffen vorhanden iſt, wirkt, dies ſehen wir an Teichen und Seeen, welche nach langer Benutzung zur Fiſchzucht trocken gelegt wurden. Die im Schlamme derſelben vergrabenen Gräten und Schuppenüberreſte rufen den prachtvollſten Gras— rufen den wucherndſten Getreidewuchs hervor.

Wenn ſchon der Guano zum dritten Theile aus Stickſtoffver— bindungen beſteht, ſo würde ſeine Wirkung doch kaum zur Hälfte ſo groß ſein, enthielte er nicht die bedeutende Menge von Phos— phorſäure, welche bis zu 20g in ihm anwächſt. Aus dieſem Grunde leiſten auch alle Exkremente derjenigen Vögel, welche entweder nur von Sämereien oder welche ſich nur von Fiſchen ernähren, in der Landwirthſchaft ſo ausgezeichnete Dienſte.

Der Landmann wählt zum Bedüngen ſeiner Wieſen nicht ver— gebens die kurzen, zuunterſt in der Miſtſtätte lagernden Düngſtoffe, nicht vergebens benutzt er für dieſen Zweck das Straßenkehricht und die Schutte aus Winkeln; nicht vergebens beſtreut er ſeine Wieſen mit Malzkeimen, in welche ſich beim Keimungsprozeſſe die größte Menge des phosphorſauren Kalkes aus den Gerſtenkörnern gezogen

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hat; nicht vergebens wählt er die aus faulendem Holze hervorge— gangene Erde, ſo wie die Holzaſchen. Ueberall ſucht er, obſchon er ſich dies in den meiſten Fällen nicht bewußt iſt, phosphorſaure Verbindungen zuzuführen.

Der Phosphor findet ſich in der Natur in den meiſten Flüſ—

ſigkeiten des Körpers der höheren Thiere und der phosphorſaure Kalk macht, wie wir bereits ſahen, einen weſentlichen Beſtandtheil der Knochen aller Thiere aus. Außerdem finden ſich phosphorſaure Verbindungen in den meiſten Pflanzen, namentlich in den Cerealien, Oelfrüchten, Futterkräutern und Bäumen. Im Mineralreiche, mit Kalk, Eiſen und Kupfer in Verbindung, zeigt er ſich außerdem noch in geringen Quantitäten in den meiſten Gebirgsarten.

Der Phosphor wirkt als Gift. Im Thier- und Pflanzenreiche iſt er ſtets mit Sauerſtoff zu Phosphorſäure verbunden, welche aus 43,96 Phosphor und 56,04 Sauerſtoff beſteht. Mit Fett in Ver- bindung kommt er in einem Minimum im Gehirne vor. Die Phosphorſäure iſt mit Kalk und Talkerde zu baſiſchen Salzen, ſo— wohl in den Pflanzen- als in Thierleibern verbunden, man erhält dieſelbe durch Verbrennung von Phosphor unter einer Glasglocke, ſie ſtellt ſich als weißes Mehl dar und bildet im geſchmolzenen Zu— ſtande eine glasartige Maſſe, zerfließt an der Luft und löſt ſich im Waſſer und Weingeiſte auf. Ihr Geſchmack iſt ſehr ſauer.

Wie wir ſahen iſt die Phosphorſäure nicht allein in allen Theilen des menſchlichen und thieriſchen Körpers verbreitet, ſie bildet auch das eigentliche Gerüſte deſſelben. Ohne das Vorhan— denſein des phosphorſauren Kalks wäre eine aufrechte Stellung, wäre eine Bewegung der Glieder nicht möglich. Wir finden daher bei Menſchen und Thieren, wo der phosphorſaure Kalk nicht in ausreichender Menge zugeführt wurde, wo alſo die Nahrungsmittel zu wenig deſſelben enthielten, entweder kleine Individuen, oder Verkrüppelungen, indem die Knochenſubſtanz entweder nicht nach allen Richtungen hin ausgebildet werden konnte, oder für einzelne Körpertheile ganz und gar fehlte. Man ſucht den Kindern in ihrem zarten Alter daher ſtets Nahrungsmittel wie Milch, Semmeln u. ſ. w. zu verabreichen, in welchen größere Mengen von phos— phorſauren Salzen enthalten ſind. Die Kinder ziehen in ihrem

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zarten Alter aber auch die Speifen z. B. den Reisbrei vor, wor: innen dieſe wichtigen Ausbildungsſtoffe in etwas größerer Menge enthalten ſind. In ſumpfigen Gegenden und bei Vorhandenſein von Waſſer, welches kohlenſaures Eiſenoxydul aufgelöſt enthält, bildet fi) unter der Einwirkung von vegetabiliſchen Subſtanzen phos— phorſaures Eiſenoryd, wodurch die für die Vegetation fo unge: mein wichtige Säure, wenigſtens auf eine Zeit lang und bis dahin wo die Trockenlegung erfolgt, verloren geht; denn die phos— phorſauren Eiſen- und Manganſalze ſind unlöslich in kohlenſäure— haltigem Waſſer, dem vorzüglichſten bei der er thätigen Löſungsmittel.

Da uns nun in dem Vorausgegangenen vollkommen klar ge— worden iſt: daß die Phosphorſäure mindeſtens eben ſo wichtig als das Ammoniak und die Kohlenſäure iſt, fo muß der Landwirth

«ich auch um fo mehr vorſehen, daß er feine Düngſtätten nicht mit Eiſenvitriol beſtreue, oder mit deſſen wäßriger Auflöſung be— gieße, um das kohlenſaure Ammoniak mittelſt jenes Salzes in ſchwefelſaures umzuwandeln; denn es könnte ſonſt der Fall ein— treten, daß ſich das Eiſenorydul in Eifenoryd verwandelte und letzteres ſich dann mit der Phosphorſäure zu einem unlöslichen Salze verbände; in dieſem Falle wäre dieſes nützliche Pflanzen— nahrungsmittel, wenigſtens auf eine Zeit lang, für die Vegetation verloren. Ich ſage eine Zeit lang und dies wohl mit vollem Rechte; denn wir ſehen: daß beim Vegetationsprozeſſe eigenthüm— liche, noch nicht hinlänglich erkannte chemiſche Zerſetzungen vor— kommen und daß z. B. auch das im Torfe und in verſchiedenen Aſchen enthaltene phosphorſaure Eiſenoryd unter gewiſſen Vorbe— reitungen und Umſtänden z. B. nach gehöriger Austrocknung, nach Beigabe von Kalk u. ſ. w. vortreffliche Dienſte bei der Pflanzen⸗ ernährung leiſtet. Jedenfalls aber beobachte jeder Landwirth die Vorſicht, für die Geruchsverbeſſerung ſeines Düngers kein Eiſenſalz, ſondern Gyps, oder reines Eifenoryd als Ammoniakaufſauger in Anwendung zu nehmen; mit letzterem verbinden ſich die phosphor— ſauren Salze im feuchten Zuſtande nicht, ſo lange Erdenverbin— dungen vorhanden ſind; wir ſehen dies bei allen guten Bodenarten und namentlich bei der ruſſiſchen Schwarzerde ganz deutlich.

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Auf naſſen Wieſen, wo die Phosphorſäure an das Eifenoryd gebunden iſt, erbeutet man nicht allein nur wenig, ſondern über— dies auch ganz ſchlechtes, ſaures Futter. Dehnen ſich ſolche Wieſen— flächen über ganze Flurbezirke aus, ſo zeigt ſich das in ſolchen Gegenden gezogene Vieh klein und unanſehnlich, und dadurch, daß es einen ſchlechten, wenig phosphorſaure Salze enthaltenden Miſt liefert, bleibt auch der Ertrag der Felder zurück und wird von Jahr zu Jahr geringer.

Will man einer ſolchen Gegend aufhelfen, ſo müſſen vor Allem die Wieſen entſumpft und dadurch die gebundenen Schätze von phosphorſauren Salzen freigemacht werden; ſie löſen ſich dann in kohlenſäurehaltigem Waſſer und laſſen ſich leicht in das Pflanzen— gewebe überführen; es muß der Kleebau gehoben und das Vieh außerdem mit gutem Heue, mit Kartoffeln, Rüben, Körnern, Lein— kuchen gefüttert werden; es muß den Feldern und Wieſen ferner Knochenmehl und Guano übergeben werden. Als Reſultat einer ſolchen Behandlung werden ſich die glänzendſten Getreide- Raps— Klee-Erndten herausſtellen. Man faſſe in dieſer Beziehung nur die Felder eines Gutes, wo viel Maſtvieh gezogen wird, gegen andere, wo dies nicht der Fall iſt, ins Auge. Der erſte Blick wird uns überzeugen: daß der vermehrte Phosphorſäuregehalt des erlang— ten Düngers die ungemein üppige Vegetation auf jenem hervor: ruft. Auf ſolchen Gütern werden Abgänge von Brauereien und Brennereien, werden Kartoffeln und Rüben, wird Schrot u. ſ. w. gefüttert und dieſe Futtergattungen enthalten 2- bis 6mal ſo viel phosphorſaure Salze, als das gewöhnliche Heu.

Solange ein Thier im Wachsthume begriffen iſt, hat der Landmann ganz beſonders Sorge zu tragen, daß ihm Futter mit vermehrtem Phosphorſäuregehalte zugeführt werde, denn in dieſer Zeit iſt die meiſte Sorgfalt auf ſeinen Knochenausbau zu verwen— den. Daher müſſen tragende Kühe, ſollen ſie ſtarke Kälber gebähren, neben ganz gutem ſüßen Heue Saufen gereicht bekommen, in wel— ches Kleie oder Schwarzmehl, in welches Schrot, in welches ge⸗ quetſchte Kartoffeln gerührt ſind. Daher muß Kälbern, die der Muttermilch entwöhnt werden, geweichtes Schwarzbrod, Saufen in welches Mehl gequirlt iſt, gekochte Körnerfrüchte und Kartof—

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feln, ſo wie Abkochungen von Heugeſäme übergeben werden. Die Saamen von Grasarten enthalten nämlich viele phosphorſaure Ammoniaf-Bittererde, welch letztere mit Stickſtoff in Verbindung zur Ausbildung derſelben durchaus nothwendig iſt.

Um großes ſtarkes Vieh zu erzeugen, würde die Einführung des Maisbaues bei uns ungemein vortheilhaft ſein, denn in den Aſchen der Maiskörner finden ſich gegen 53 3 Phosphorſäure, wes— halb Italien auch ſo großes und ſtarkes Rindvieh aufzuweiſen hat.

Kühn in Taukeniſchken machte auf die Wichtigkeit der Be— düngungsweiſe mit Knochen aufmerffam;. er erinnert: daß die Engländer, welche Knochen aus allen Theilen der Welt kaufen, ſowohl hierdurch, als auch durch ihren falkreichen Boden die Größe ihrer Thiere und die Ertragsfähigkeit der Felder bedeutend erhöht haben. Für ſehr weſentlich erklärt Kühn die Vortheile, welche aus dem Bedüngen der Wieſen mit Knochenmehle einem Geſtüte erwachſen. Die Mutterſtute finde beim Fohlen im Hafer nicht diejenige Menge von phosphorfaurer Kalkerde, deren fie als Erſatz für den mit dem Füllen aus dem Körper verloren gegange— nen phosphorſauren Kalk bedarf. Vermöge der Knochenbedüngung aber erhalte nun auch das Heu phosphorfaure Kalkerde. Durch letztere verſpreche daſſelbe doppelten Nutzen, da diejenigen Mengen phosphorſauren Kalks, welche in dem Körper der Thiere nicht firirt werden, als Dung auf die Felder gelangen und die Ertrags— fähigkeit erhöhen, beſonders die Saamen vergrößern. Bekannt ſei es namentlich: daß die Saamen der Gerſte die größte Menge phosphorſauren Kalks enthalten. Aus demſelben Grunde erzeuge die Fütterung von Hafer im Geſtüte von Taukeniſchken das ſchnelle - Wachsthum der Füllen. Dieſes Wachſen müſſe natürlich vermehrt werden, ſobald zur Fütterung noch Heu gelange, welches zugleich die Eigenſchaften des Hafers beſitze.“

Ich erlaube mir nun den Phosphorſäuregehalt von Aſchen verſchiedener Culturgewächſe aufzuführen. Gewiß haben viele der Leſer, wenn ſie dieſe Reihe zu Geſichte bekommen, aus Erfahrung bereits kennen gelernt: daß die mit einem bedeutenden Phosphor— ſäuregehalte verſehenen Pflanzen zugleich auch die ſind, welche außer gutem Futter auch einen vortrefflichen Dünger abgeben.

159 Reis.. . . enthält in feiner Ache 60 3 Phosphorſäure.

A . 5 = 53 4 = Weizen re Ne 45 4 | Roggen e e K 33 —39 =: Gezſſe 0% 2 era , - Spergel 2 K = = 294 z Blei a ee Re :: 18-29 - Erbſen e 30 —38 = Bohnen 4 298433 36 Saubohnen .. es He 36 - Rapsſaamen . Fe Re e Leinſaamen .. es 4 8 5 Kartoffeln ... e * 8 Kohlrabi. . 2 3 13 - Gelbe Rüben .. E 5 8422 > Kohlſtrünke . Z E = ee 94 £ Weißer Klee .. e 2 112 Nother Klee E 6—7 - Poa pratensis. . ae Wis aka? 6er ı | E trivialis e - 9 3 Esparſett _ - = D 91 = Esparfettfaamen RZ 204 e Heu e * z > z 4 2 Sommerſtroh .. 25 De 223 5 . Winterſtroh . . ir ae 9: - Gerſtenſtroh .. ne 31 2 Weizenſtroh . e e 2 4 . Haferſtroh run = = = : 2—7 z Rapsſtrohh TE RL a 44 2 Delfüchen 32 1

Mit größter Aufmerkſamkeit hat daher der Landwirth die Beſtand—

theile ſeines Düngers im Auge zu behalten und das Futter des Viehs ſo einzurichten, daß recht viel phosphorſaure Salze erlangt werden. Die kohligen Beſtandtheile führt die Streu und die Koh— lenſäure der Luft, letztere auch einen bedeutenden Theil des Ammo— niaks ohnehin zu. Ein Hauptaugenmerk iſt aber auf die Miſtſtätten

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und Abtrittsgruben zu richten. Dieſe ſollten ſämmtlich mit feft ge- ſchlagenen Lehmſohlen ausgeſchlagen und dieſe Sohlen mit Cement ausgemauert ſein, damit kein Harn in den Boden dringen, damit durch zufließende Regen und ſonſtige Waſſer nicht allein letzterer, ſondern auch keine Theile der feſten Exkremente ausgelaugt und fortgeführt werden können.

Sehen wir hin auf jene Länder, wo die Bodencultur ſo hoch ſteht wie z. B. in Belgien: wie ſorgſam geht man da mit dem Dünger um, wie pflegt man denſelben! Dort ſtellt man damit ja nichts umkomme oder verloren gehe Ciſternen in der Nähe oder ſogar auf den Feldern ſelbſt her, überdeckt ſie und trägt die flüſſigen und feſten Erkremente in dieſelben. Fängt der Dünger zu gähren an, dann wirft man Leinkuchen und andere ſtickſtoff— und phosphorfäurereiche Subſtanzen hinein und läßt das Ganze ſo lange ſtehen, bis die Aecker beſät werden ſollen. In dieſer Zeit überführt man die Felder mit dieſer flüſſigen Maſſe und ſtreut ſo— gleich den Saamen hinein. In jenem gewerbfleißigen Lande ſucht man in jeder Art und Weiſe den Verluſt von Stoffen zu vermeiden, welche zum Reichthume civiliſirter Länder das meiſte beitragen. Wie ganz anders ſieht es dagegen theilweiſe noch in Deutſchland aus! Da findet man große Ortſchaften faſt noch ohne ſelbſt nur roh aufgemauerte Miſtſtätten, ohne Abtrittsgruben und ohne Sam— melplätze für den abgehenden Harn. Zum größten Theile fließt letzterer unmittelbar aus den Ställen in die Bäche und es gehen auf dieſe Weiſe unberechenbar große Capitalien verloren. Nur dann erſt, wenn es ſoweit gekommen fein wird, daß allerwärts gute Miſtſtätten und Abtrittsgruben angelegt: daß alle Flüſſigkeiten, welche ſich in Kloaken ſammeln, über Erdhaufen verbreitet: daß das Straßenkehricht überall aufgeſammelt wird, kann der Pflanzen— reichthum des Bodens ſich nach und nach wieder auf die we er⸗ heben, wo er in frühern Perioden ſtand.

Ohne alle Frage iſt der Verluſt an Phosphorſäure der em— pfindlichſte in der Landwirthſchaft; denn die Kohlenſäure und ein großer Theil des Ammoniaks kann aus der atmoſphäriſchen Luft bezogen werden, die übrigen Salze finden ſich in der Regel in reich— licheren Mengen im Boden und im Miſte, was bei den phosphor—

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ſauren Verbindungen nicht immer fo der Fall iſt. Was kann es aber dem Landwirthe nutzen, brächte er auch noch ſo viel Stickſtoff— verbindungen, noch ſo viel leichtzerſetzlichen Kohlenſtoff, noch ſo viele Salze auf ſeine Felder, und die Phosphorſäure fehlte?

Man hat zwar in der Jüngſtzeit durch eine vermehrte Anwen— dung von Knochenmehl, durch Ankauf von Guano dem Abgange von Phosphorſäure zu ſteuern geſucht, allein der Verluſt derſelben iſt trotzdem noch ein zu großer. Ich will hier nicht von der Aus— fuhre deſſelben durch unſer Maſtvieh nach England und Frankreich reden, derſelbe wird jedenfalls reichlich durch die Einfuhre von Ge— treide gedeckt; allein was gehen bei uns durch das theilweiſe Ver— zetteln von Knochen, was durch das Nichtaufſammeln des Harns, durch das Ausſpülen der Miſtſtätten durch Regen- und ſonſtige Waſſer verloren!

Bemerken wir den Verluſt an Phosphorſäure auch in der Nähe der Städte und Dörfer nicht ſo ſehr, ſo iſt derſelbe für entfernt ge— legene Grundſtücke, namentlich für Wieſen, die wegen ungünſtiger Lage nicht bewäſſert werden können durch das Bewäſſern wird letzteren neben Stickſtoffberbindungen eine bedeutende Menge von phosphorſauren Salzen zugeführt und iſt dies der Hauptzweck der Ueberrieſelungen doch nicht hoch genug in Anſchlag zu bringen. Ein Morgen Wieſe der einen guten Ertrag liefern ſoll, bedarf jähr— lich wenigſtens zwiſchen 20 und 25 Pfund phosphorſaure Salze und je mehr daher dieſelben durch langjährige Bewirthſchaftung dem Boden entzogen werden, je ſchneller nimmt der Ertrag deſſelben ab.

Der alte Satz: daß auf der Welt nichts verloren gehe, be— währt ſich zwar auch hier, allein daß Stoffe, die unumgänglich nothwendig zur hinreichenden Beſchaffung der menſchlichen und thieriſchen Nahrungsmittel ſind, durch Unkenntniß und nicht ge— hörige Beachtung nach den entlegenſten Weltgegenden verſchlagen werden und von dort nur mit Aufwand großer Koſten wieder zu— rückzubringen ſind, dürfte in keiner Weiſe zu rechtfertigen ſein. Ein Menſch ſondert durch ſeinen Harn im Verlaufe eines Jahres circa 3 Pfund Phosphorſäure aus, von derſelben geht in großen und kleinen Städten, in Dörfern und Höfen der größte Theil in Gräben und Kloaken fort und gelangt durch Bäche und Flüſſe endlich ins

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 11

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Meer. Nehmen wir nun an, daß, da durch Bewäſſerung ein Theil deſſelben auf den Wieſen zurückgehalten wird, der Abgang ſelbſt nur die Hälfte alſo 14 Pfund pro Kopf betrage, fo verſchwinden einer 50 Millionen ſtarken Bevölkerung jährlich 750000 Ctr. Phos— phorſäure, die unſerer Feld- und Wieſencultur von unberechenbarem Vortheile ſein würde. |

Durch die Fiſche, die wir verſpeiſen, bekommen wir zwar aller: dings einen großen Theil derſelben wieder zurück, dennoch wird aber der Abgang dadurch lange nicht ausgeglichen.

Würden nun unſere Abtritte und Düngſtätten ſo eingerichtet, daß von den feſten und flüſſigen Erkrementen gar nichts mehr ver— loren gehen und im Waſſer fortfließen könnte, ſo würde ſich anderer— ſeits in der lebenden Schöpfung eine Ungleichheit einſtellen, bei welcher die Liebhaber von Fiſchen den Kürzeren zögen; denn in die— ſem Falle entgingen den Waſſerbewohnern dann die Subſtanzen, aus welchen ſie ihr Knochengerüſte aufbauen. Daß letzteres durch die im Waſſer befindlichen phosphorſauren Salze geſchieht, ge— wahren wir in gebirgigen Walddiſtrikten ganz deutlich. Die Forelle z. B., welche ſich in Bächen in der Nähe von volkreichen Orten noch zu einer bedeutenden Größe ausbildet, vermag dies in höher gelegenen unbewohnten Walddiſtrikten nicht mehr; ſie nimmt da— ſelbſt ſchon einen veränderten Bau an: der Kopf wird ſtumpfer, der Leib rundlicher und man nennt ſie nun, zum Unterſchiede von jener, Steinforelle. Eine ſolche, gegen eine Forelle aus einem größern in der Umgebung von Städten vorüberfließenden Bach gehalten, hat ſich ſo verändert, daß man beide kaum für ein und dieſelbe Gat— tung hält; da jedoch die Forelle ein Raubfiſch iſt und Fröſche, Heu— ſchrecken u. ſ. w. fängt, ſo kann ſie ihr Grätengerüſte immer noch beſſer ergänzen, als andere Fiſche die nur von Fliegen ꝛc. leben. Beſetzen wir z. B. einen Teich in einem Gebirge, der keinen Zu— fluß von einem Orte hat, mit Karpfen, ſo verkrüppeln dieſelben d. h. ſie wachſen faſt gerade ſoviel nach der Breite, als nach der Länge und überdies geht das Grätengerüſte nicht bei allen gerade aus, ſondern iſt mannigfach gebogen. Ein oder der andere Forſcher ſtellt die Behauptung auf, es rühre dies von der Kälte des Waſſers her, allein gehen wir höher in das Gebirg und treffen dort in der Nähe

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eines Ortes einen Teich, fo zeigen ſich die Karpfen in demſelben im vollkommen normalen Zuſtande und ſo ſchnell, ja noch ſchneller wachſend, als in Teichen die in warmen Gegenden liegen, obſchon das Waſſer in dieſen höher gelegenen Teichen kälter iſt, als in den tiefer unten im Gebirge gelegenen. Die Abnormität der Karpfen in letzteren iſt daher lediglich und allein darinnen zu ſuchen, daß ihnen der Zufluß von phosphorſauren Salzen aus bewohnten Or— ten fehlt, um daraus ihr Grätengerüſte richtig bilden zu können; denn das Fett dieſer verkrüppelten Fiſche bezeugt zur Genüge, daß ſie an andern Nahrungsmitteln keinen Mangel litten.

Den Karpfen in den hochgelegenen kalten Dorfteichen werden

* die phosphorſauren Salze in ausreichender Menge durch den Harn und die feſten Erkremente von Menſchen und Thieren zugeführt, weshalb auch ihre Ausbildung vollkommen vor ſich geht. Auch in den Alpen finden wir Beiſpiele von fiſchleeren Seen und ſchrieb man dies zeither der hohen Lage und dem Umſtande zu, daß bei einer ſolchen nicht Luft genug im Waſſer vorhanden ſei, um das Athmen der Fiſche zu geſtatten; der eigentliche Grund iſt aber auch hier in der Abweſenheit der phosphorſauren Salze zu fuchen.

Der Fiſchzüchter weiß aus Erfahrung, wie günſtig thieriſche Erkremente auf die Fiſche einwirken. Hat er Teiche, denen ein ge— höriger Waſſerzufluß aus Städten und Dörfern fehlt, ſo läßt er im Sommer zum öftern Viehheerden in dieſelben treiben, wirft Schafmiſt hinein oder füttert die Fiſche mit Weizen und mit Erbſen. Wie begierig Fiſche die menſchlichen Erkremente erhaſchen, dies gewahrt man in Bädern, wo die Abtritte in Bäche und Flüſſe einmünden.

Die Fiſche find es alſo, welche ſich der phosphorſauren Salze des in Bäche und Flüſſe übergeführten Harns und der aufgelöſten Kothſtoffe bemächtigen, um dieſelben zu ihrem Grätengerüſte zu verarbeiten. Von ihnen bekommen wir im letzteren, in den Schup— pen, ſo wie im Fleiſche und Blute zwar einen bedeutenden Theil wieder zurückerſtattet, allein trotzdem gehen mächtige Quantitäten ins Meer. Auch in dieſem unendlichen Waſſerbehälter werden die— ſelben zum Ausbaue der Fiſchgerüſte verwendet. Ein großer Theil derſelben würde ſich im Schlamme verhüllt auf dem Meeresgrunde

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verlieren, wenn nicht unabſehbare Vögelſchwärme ſich der Fiſche als Nahrung bedienten, die dann ihre Erkremente an den niemals beregnet werdenden Küſten und Felſen von Chili und Peru, am Kap und dem weſtlichen Afrika, in Patagonien, auf den Seychell— Inſeln und Auſtralien in ungeheurer Menge ablagerten. Von dieſen entfernten Welttheilen erhalten wir unſere Phosphorſäure und den Stickſtoff, welch beide wir im Harne u. |. w. leichtſinniger Weiſe weglaufen ließen, zu hohen Preiſen wieder zurück. In N, Jüngſtzeit ift der Guano Gegenſtand eines fehr lebhaften Handels zwiſchen Europa und Amerika geworden und wird durch denſelben ein Capital von mehr als 10 Millionen Thaler in Umlauf geſetzt. 2

Man unterſcheidet mehrere Sorten von Guano. Der weiße iſt am geſchätzteſten; iſt er roth oder braun gefärbt, ſo ſtellt er ſich 0 in geringerer Qualität dar. Auch in Europa beſitzen wir Guano d. h. Anſammlungen von Vogelexkrementen an den Klippen bei Scarborough in Porkſhire und der Pentland Firth in Schottland. Derſelbe unterſcheidet ſich von dem tropiſchen hauptſächlich durch ſeinen Mangel an harnſaurem Ammoniak und Ammoniakſalzen überhaupt, welche durch den Regen herausgewaſchen wurden; da er aber nächſt andern Salzen viel phosphorſaure enthält, ſo giebt er für unſere Culturgewächſe dennoch einen ſehr guten Dünger ab.

Ob der Guano von Vögeln herſtamme oder durch Zuſammen— häufungen von Fiſchen entſtanden ſei, darüber wollen wir uns hier nicht weiter verbreiten; daß aber erſteres der Fall geweſen ſein möge, iſt mit viel mehr Sicherheit anzunehmen. Finden ſich auch ganze Fiſchgerippe in den Guanolagern, ſo wiſſen wir andererſeits aber auch gerade ſo gut: daß Vögel die Fiſche oft ſehr weit forttragen, um das Fleiſch derſelben anderwärts zu verzehren. Auf dieſe Weiſe könnten Gerippe von großen Fiſchen und in bedeutender An— zahl in die Guanolager gekommen ſein.

Was Felder betrifft, welche der Cultur noch nicht lange unter— ſtellt, namentlich ſolche, die dem Meeresgrunde neuſtens erſt ent— ſtiegen ſind z. B. einige Marſchländer, der ruſſiſche Schwarzboden, der im ſüdlichen und ſüdweſtlichen europäiſchen Rußland in großer Ausdehnung und Mächtigkeit verbreitet und als allerjüngſte Ab— lagerung anzuſehen iſt, ſo tragen dieſelben auf lange Jahre hinaus

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die reichlichften Früchte ohne Bedüngung. Daß aber die ruſſiſche Schwarzerde ein Gebilde der Jüngſtzeit ſei, beſtehend aus Meeres— ſchlamm, der beim Zurücktreten des ſchwarzen Meeres, des Kaspi— und vielleicht einiger andern Binnenſeen frei wurde, davon können wir uns heut zu Tage nach dem Zurückgehen des Aral- und anderer aſtatiſcher Seen überzeugen. Nicht nur die Ufer des letzteren treten yr und mehr zurück, man gewahrt auch in der Nähe deſſelben meh— rere größere und kleinere Waſſerbecken die früher, vereinigt, größere Seen bildeten. Auch die Beſtandtheile des Bodens, namentlich verſchiedene Muſcheln in demſelben weiſen darauf hin. Hieraus läßt ſich nun auch die ungemeine Fruchtbarkeit jener Feldflächen er— klären. Die Menge von Fiſchen, welche beim Zurücktreten der Waſſer in dem an ſich ſchon ſehr ſtickſtoffreichen und mit phosphor— ſauren Salzen geſchwängerten Schlamm zu Grunde gingen, trugen außerordentlich viel zur ſchwellenden Fruchtbarkeit deſſelben bei.

Ganz guter Boden kann bei ſorgfältiger Bearbeitung eine lange Reihe von Jahren hinter einander benutzt werden, ohne daß er bedüngt zu werden braucht, ja man muß die Bedüngung ſogar vermeiden, indem ſich die Cerealien ſonſt überwachſen und umlegen.

Ueberraſchend iſt die Erſcheinung: daß im Schlamm des Nils durch die Analyſe keine Phosphorſäure nachgewieſen wurde und doch könnte der Weizenertrag daſelbſt nicht ſo überaus hoch ſtehen, wäre das wichtige Nahrungsmittel in jenem Boden nicht vorhan— den. Berückſichtigen wir nur, wie lange das Waſſer des fiſchreichen Stroms, in welchem eine ſo große Zahl von Krokodilen zu finden iſt, in und an welchem eine ſo bedeutende Menge von Vögeln leben, über die umliegenden Felder verbreitet iſt, ſo muß ſich uns der Glaube aufdrängen: daß der Gehalt des ſich abſetzenden Schlammes, in dem doch eine Menge von Fiſchen zu Grunde gehen, keinen un— bedeutenden Gehalt an phosphorſauren Salzen haben kann.

Die Aſchen der Pflanzen beſitzen, wie wir weiter oben zu ſehen Gelegenheit hatten, einen ſehr verſchiedenen Gehalt von Phos— phorſäure, daraus erklären ſich die günſtigen Ergebniſſe beim Fruchtwechſel. Nach dem Baue von Taback z. B., deſſen Boden man ſehr guten ſtickſtoffreichen Dünger zuführen muß, erhält man eine vortreffliche Gerſtenerndte, wenn man im zweiten Jahre das

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Feld mit dieſer Frucht beſtellt. Der Taback enthält in feiner Aſche aber auch nur 29 Phosphorſäure, während die . een 26 bis 314, das Gerſtenſtroh 32 2 enthält.

Um dem Ausfall waer ae Menge von Phosphorſäure, welche durch Entweichen von Miſtjauche, Harn u. ſ. w. in Bächen und Flüſſen verloren geht vorzubeugen, iſt eine Zuführung von Außen unbedingt nothwendig. England verſorgt ſich ſchon längſt aus allen Theilen der Welt mit Knochen und überdies führt es noch eine ſehr große Quantität von Guano ein. Letzterer wirkt ſchneller und kräftiger, als erſtere. Wo aber die Knochen billig zu haben ſind, da verſäume man ihren Ankauf nicht. Die Verwen- dung derſelben geſchieht am zweckmäßigſten als Mehl. Zerſetze ſich deren Beſtandtheile auch im erſten und zweiten Jahre nicht | vollkommen, fo wirken fie doch um fo nachhaltiger. |

Der Landwirth darf die Ausgabe für Guano, für Knochen und ſonſtige phosphorſäurehaltige Subſtanzen nicht ſcheuen; er darf ſich nicht der Meinung hingeben: dieſelben ſeien für ihn zu theuer. Die Wirkungen derſelben ſind ja nicht für ein einziges Jahr. Ein auf dieſelben verwandtes Capital kommt ſeinen Grund— ſtücken auf viele Jahre hinaus zu ſtatten und trägt gerade deshalb fo reiche Zinſen; denn durch den vermehrten Körner-Kartoffeln— Stroh-Heu-Klee-Ertrag wird ein vermehrter und ausgezeichnet guter Dünger erzeugt und die durch die Knochen oder den Guano einmal in die Grundſtücke gelegte Phosphorſäure bleibt, bei ſorg— fältiger Pflege der Miſtſtätten, ſtets in denſelben, und nur ſoviel geht hinaus, als in den Aſchen der verkauften Körner- und Oel— früchte enthalten iſt. Wie ſehr man den Werth der Zuführung dieſes Düngemittels bereits erkannt hat, geht aus der Einfuhre von Guano und Knochen in England hervor. Peru allein giebt jährlich über 2 Millionen Centner Guano ab.

Außer dieſen thieriſchen Abfällen, durch welche gleichzeitig auch eine bedeutende Quantität anderer wichtiger Nahrungsmittel, namentlich Stickſtoff in die Culturgewächſe übergeführt wird, haben wir im Mineralreiche noch reiche Quellen von Phosphor— ſäure. Ich erinnere hier nur an die ſpathigen, fasrigen und erdigen Agatite, Verbindungen von phosphorſaurem Kalke mit

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Fluorcalcium, in denen der phosphorſaure Kalk bis auf 92, 313. hinaufſteigt und die in vielen unſerer Gebirgsformationen getroffen werden; ich erinnere hier nur an die Knochen— Conglomerate, e Breccien, an die Knochengypſe; ich erinnere an die Eiſen— pecherze, die Raſeneiſenſteine, das Eiſenblau, ſie alle enthalten mehr oder weniger Phosphorſäure und werden im Verlaufe der Zeit in der Landwirthſchaft mit großem Vortheile benutzt werden; ich erinnere an die Lager von phosphorſaurem Kalke zu Logroſan in Eſtremadura, in der Wetterau, im Fichtelgebirge. Bei auf— merkſamer Durchforſchung unſerer Gebirgsformationen wird das Auffinden mehrerer ſolcher Lager nicht auf ſich warten laſſen und auf denſelben muß im Verlaufe einiger Jahrzehnte ein Bergbau rege werden, welcher dem auf Gold und Silber um nichts nach— ſteht. Der Bergmann gräbt dann auf denſelben unmittelbar auf Weizen- und Gerſtenkörner und muß dadurch der Träger einer un— gemein ſteigenden Bevölkerung werden, durch welche ſich die In— duſtrie, die Künſte und Gewerbe immer mehr herausheben.

Was die Chemie in den jüngſt verfloſſenen Jahren in der Landwirthſchaft geleiſtet hat, iſt leider noch nicht genug in alle Schichten der Bevölkerung eingedrungen, die ſegensreichſten Folgen dieſer Leiſtungen müſſen ſich jedoch in kurzer Zeit geltend machen.

Wir ſtellten den Phosphor früher aus dem Urine, ſpäter aus den Knochen dar, der Schluß lag ſo nahe: daß, da in beiden Phos— phorſäure enthalten ſei, dieſelbe dem Menſchen und dem Thiere durch die Nahrungsmittel zugeführt werden müſſe; allein erſt die chemiſche Analyſe wies nach: daß das Brod, daß das Fleiſch, daß die Kartoffeln Phosphorſäure enthielten: daß dieſelbe dazu bei— trage unſer Knochengerüſte aufzubauen: daß Phosphor mit Fett in Verbindung im Gehirne vorkomme und daß letzterer für unſer Denkvermögen nöthig ſei. Da nun unſere Cerealien, unſere Hül— ſenfrüchte u. ſ. w. Phosphorſäure enthalten, ſo mußte ihnen die— ſelbe nothwendiger Weiſe aus dem Boden zufließen, denn unſere Luft enthält dieſen Stoff nicht. Es zeigte ſich aber bald: daß der Phosphorgehalt unſerer Ackerflächen mit Ausnahme beſonders günſtiger Lagen nur gering ſei und daß er ſich durch beſtändiges Bebauen der Felder ſtark vermindere, indem durch den Verkauf

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von Weizen, Gerſte, Korn, Erbſen, Kartoffeln ꝛc. ꝛc. nicht allein, ſondern noch viel mehr durch die unverantwortliche Nichtbeachtung des Menfchenharns und der Knochen, in welch beiden die meifte Phosphorſäure enthalten iſt, immer mehr derſelben verloren gehe, und daß hierdurch die Aecker endlich ganz unfruchtbar werden müſſen. Für letzteres haben wir leider die ſprechendſten Beiſpiele. In Virginien wuchs Reis in üppigſter Fülle, allein ſeitdem dem Boden durch ununterbrochenen Bau deſſelben die Phosphorſäure entzogen iſt, kommt er nicht mehr fort. In England, wo die Felder ungemein erſchöpft waren, ſteigerte man deren Ertrag durch Ankauf von Knochen, die man aus allen Weltgegenden herbeiſchafft, um das Dreifache. Ein Pfund Knochen enthält aber auch den Phos— phorſäuregehalt für 100 Pfund Weizen. Der Landwirth, welcher Knochen von ſeinem Gehöfte tragen, welcher den Urin ins Waſſer laufen läßt, verſündigt ſich nicht allein an ſich, ſondern auch an ſeinen Kindes-Kindern. Wie groß die Capitalien ſind, welche die Erlangung von Phosphorſäure in Umlauf ſetzt, beweiſt der Han— del mit Guano und Knochen in England. Die geſetzgebende Ge— walt in Peru verlangt lediglich und allein für den Guano der Cincha Inſeln 871 Millionen Gulden. Rechnet man hierzu die Händearbeit beim Graben, die Schiffs- und Landfrachten, ſo ſtellt ſich für einen ſo kleinen Diſtrikt, von welchem Stickſtoff und Phos— phorfäure für die Landwirthſchaft bezogen wird, ein Capital von mehreren 1000 Millionen heraus. Für ſchweres Geld kaufen wir daher unſere Düngſtoffe, die wir leichtſinniger Weiſe ins Waſſer laufen laſſen, von wo aus ſie die Fiſche und durch dieſe die Vögel an die nie beregnet werdenden Küſten entfernter Welttheile tragen, wieder. | Wenn wir Alles berückſichtigen, fo hängt in der Landwirth— ſchaft abgeſehen von den Witterungsverhältniſſen Alles vom Boden, deſſen ſorgſamer Bearbeitung, ſo wie von den Düng— mitteln die ihm fehlen und daher zugeführt werden müſſen, ab. Jeder der in Bezug auf Letztere Erfahrungen gemacht hat, möge daher durch Veröffentlichung ſein Schärflein zum Gemeinwohle beitragen; der Gewinn iſt zu groß und in die Augen fallend, wel— cher nicht nur Einzelnen, ſondern den Geſammt-Staaten erwächſt,

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wenn. dem culturfähigen Boden diejenige Behandlung zu Theil wird, durch welche der höchſte Ertrag erzielt werden kann. Arbeit und Ausſaat bleiben ſich nicht nur gleich, an letzterer kann ſogar die Hälfte erſpart und dennoch eine doppelte Erndte erlangt werden.

Thut jeder das Seinige, ſammelt er ſeinen Dünger ſorg— fältig auf, dann muß die Klage über nicht ausreichenden Getreide— bau verſtummen, dann müſſen die Ausgaben für Einfuhre von Früchten und Düngſtoffen gemindert und dadurch enorme Sum— men erhalten werden. Wir ſahen weiter oben: daß ſich lediglich und allein der Verluſt des dritten Theils von Phosphorſäure im Menſchenharne bei einer Bevölkerung von 50 Millionen auf 500000 Entr. berechne; rechnet man nun für das Pfund Phos— phorſäure als Düngſtoff nur 2 Thlr., ſo geht hierdurch allein ein Capital von 100 Millionen Thaler verloren. Was iſt dies für eine jedes Jahr wiederkehrende Schmälerung des National-Ver— mögens und wie leicht könnte derſelben, wenigſtens zum größten Theile vorgebeugt werden, wenn von Seiten der Staatsbehörden überall mit Strenge darauf gehalten würde: daß die Düngſtätten, daß die Abtrittsgruben waſſerdicht und ſo hergeſtellt würden, daß Regen- und andere Wäſſer keine Ueberfluthungen derſelben zu be— wirken vermögen!

Ich erlaube mir hier nochmals auf Belgien und zugleich auf das Königreich Sachſen zu verweiſen; man ſehe mit welcher Voll— kommenheit da die Oekonomie vorſchreitet, zugleich aber auch, wie ſich daſelbſt die Vorſorge, welche von Seiten der Staatsbehörden angewandt wird, durch die raſch emporblühende Induſtrie belohnt.

Schwefel.

Der Schwefel ift ein Element, welches weit verbreitet in der Natur vorkommt und zur Bildung mancher Pflanzen- und Thier— theile unbedingt nothwendig iſt. Im gediegenen Zuſtande findet er ſich in bedeutender Menge auf der Inſel Sicilien und in Italien, mit Metallen verbunden, oft mächtige Lager und Stöcke bildend, im Schwefelkieſe, im Kupferkieſe und im Bleiglanze. In geringer Menge findet er ſich in den Thieren und Pflanzen. In Zwiebeln und Erbſen kann man ihn leicht erkennen, wenn man nach dem Abkochen derſelben einen metallenen Löffel in ſie ſteckt; da er mit Metallen Schwefelverbindungen eingeht, die ſich durch eine ſchwarze Farbe auszeichnen, ſo färben ſie jene Gemüſe, durch Vermittlung des Metalls, ebenfalls ſchwarz. Auch die Haare, welche einen kleinen Antheil Schwefel enthalten, färben ſich beim Kämmen mit einem Bleikamme ſchwarz. Der Schwefel iſt bei vorhandener Wärme flüchtig d. h. er geht leicht in einen luftförmigen Zuſtand über; deshalb verbindet er ſich ſo leicht mit Sauerſtoff, oder mit andern Worten: er verbrennt ſehr raſch. Aus dieſem Grunde wird er im gewöhnlichen Leben als Schwefelfaden, als Streichhölzchen zur Ueberführung der Flamme oder zum Anzünden benutzt. Wenn ſich der Schwefel mit einem Theile Sauerſtoff verbindet, wie dies beim Entzünden deſſelben an der Luft der Fall iſt, dann entſteht eine ſcharfe ſtechende Luftart von unangenehmem Geruche und Ge- ſchmacke, die ſogenannte ſchweflichte Säure, welche auf Thiere | giftig wirkt und das Feuer verlöſcht. Brennende Schornfteine find daher ſofort zu löſchen, wenn man Schwefel unter ihnen anzündet. Wenn noch einmal ſo viel Sauerſtoff zum Schwefel tritt, als er

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beim Verbrennen an der Luft von ſelbſt aufnimmt, ſo bildet ſich Schwefelſäure, die in Verbindung mit Waſſer auch Vitriolöl ge— nannt wird. Die Schwefelſäure iſt ungemein ätzend und ſcharf und geht mit einer großen Zahl von Baſen Verbindungen ein, die ſchwefelſaure Salze genannt werden. In letzteren kommt ſie im Miſte unſerer Hausthiere auf die Felder, oder ſie bildet ſich dort bei der Zerſetzung von Schwefelkieſen, oder aus pflanzlichen und thieriſchen Ueberreſten. Die löſende Kraft des Waſſers nimmt dieſe Salze auf und führt ſie in das Pflanzengewebe über.

Aus den Verſuchen des Fürſten von Salm-Horſtmar mit Er— ziehung von Haferpflanzen geht die Wichtigkeit der Schwefelſäure als Pflanzennahrungsmittel hervor. Wenn z. B. die Phosphor— ſäure in der Bodenmiſchung fehlt, aber Kieſelerde, Kali, Kalkerde, Talkerde und Schwefelſäure darinnen vorhanden ſind, ſo wirkt die Düngung mit dem ſtickſtoffhaltigen Salze mehr, als wenn die Schwefelſäure in der Miſchung fehlt und die Phosphorſäure dar— innen vorhanden iſt. In beiden Fällen erſcheinen die Pflanzen ſehr ſchwach, indeſſen regelmäßig gebildet. Die ohne Zuſatz von Phosphorſäure gezogene Pflanze trug merkwürdiger Weiſe eine vollſtändige Frucht; die mit Zuſatz von Phosphorſäure, aber ohne Schwefelſäure gezogene hingegen trug keine Frucht. Dieſer Vor— gang ſcheint in Bezug auf Aſſimilation der Nahrungsſtoffe der Pflanzen deutlich für die Wichtigkeit der Schwefelſäure zu ſprechen. Am deutlichſten tritt die Wichtigkeit dieſer und der Phosphorſäure hervor, wenn man die Gewichte der Pflanzen in den betreffenden Verſuchen vergleicht. Ohne Phosphorſäure wog die trockne Pflanze 0,17 Gran, ohne Schwefelſäure war das Gewicht der trocknen Pflanze 0,12 Gran; ebenſoviel wog die ohne Phosphor- ſäure und ohne Schwefelſäure gezogene trockne Pflanze. Durch die Gegenwart beider Säuren im Boden ſtieg aber das Gewicht der getrockneten Pflanze auf 0,37 Gran.

Durch die Hülſenfrüchte, durch die Zwiebeln und andere Pflanzennahrungsmittel wird der Schwefel in den Menſchen- und Thierkörper gebracht; er bewegt ſich daſelbſt in den feineren Flüſſig— keiten der Nerven, hilft die Haare mit bilden und findet ſich im Eiweiße, im Käſe- und Faſerſtoffe des Fleiſches wieder.

Fluor.

Dieſes Element kommt hauptſächlich im Mineralreiche und zwar in Verbindung mit Calcium zu Fluor, Calcium Fluß— ſpath vor. Außerdem findet es ſich in den meiſten natürlichen phosphorſauren Salzen und eine Spur in den Knochen der Thiere. Dieſe geringen Mengen werden durch die phosphorſauren Verbin— dungen in die Pflanzen und durch dieſe in den thieriſchen Körper gebracht; das Fluor giebt alsdann den Zähnen ihren ſchönen Schmelz.

Wenn das Fluor in zu reichlicher Menge im Boden vorhan— den iſt, ſo verhindert es (nach den Verſuchen des Fürſten von Salm-Horftmar) das Wachsthum der Pflanzen, wenigſtens war dies bei den Haferpflanzen der Fall; zugleich wirkte es aber auch dahin, daß ſich die Blüthen nicht entwickelten. Die auffallend langſam wachſenden Pflanzen erreichten bei dem Verſuche nur 13 Zoll Höhe und trugen 7 Blätter, von denen die untern blaß— grün und gelb geſtreift, die Scheide des Gten Blattes auffallend purpurroth waren. Es bildeten ſich 3 Nebenſproſſen, als der Haupthalm im 7ten Blatte ſtand.

ab Er re

Chlor.

Wenn man Kochſalz mit Schwefelſäure übergießt, ſo erhebt ſich ein ſtechender Dunſt, welcher im Waſſer aufgefangen die Eigen— ſchaft einer Säure nachweiſt. Man nannte dieſelbe Salzſäure. So lange ſie nicht genauer bekannt war, ſetzte man voraus, ſie beſtehe aus Salz und Sauerſtoff; nach gehöriger Unterſuchung fand ſich jedoch: daß die Salzſäure aus einer noch nicht gekannten Gasart, Chlor und Waſſerſtoff, beſtehe.

Das Chlor hat einen ſcharfen durchdringenden Geruch und wirkt bei längerem Einathmen giftig. Es zerſtört faſt alle Farben und faſt ebenſo die fauligen Gerüche, weshalb man es zum Blei— chen und zum Vertreiben übler Gerüche aus Kellern, aus Ge— bäuden und Kloaken verwendet. Wo es ſich immer nur befindet, da ſucht es begierig den Waſſerſtoff auf, um mit demſelben Salz— ſäure zu bilden. Es wirkt daher beim Bleichen nicht direct, ſon— dern es nimmt dem Bleichwaſſer Waſſerſtoff und der zurück— bleibende Sauerſtoff macht dann die Faſer weiß. Ebenſo wirkt es beim Vertreiben übler Gerüche. Dieſelben ſind Gemiſche von Schwefelwaſſerſtoff und Ammoniak; das Chlor ſucht beiden den Waſſerſtoff zu entziehen und Schwefel und Stickſtoff, welche zurück— bleiben, beläſtigen die Geruchsnerven alsdann nicht mehr. Beim Bleichen mit Chlor entſteht zuerſt Salzſäure und dieſe wirkt aller— dings ätzend auf die dem Prozeſſe unterſtellten Zeuge; wenn man ſie aber nach der Operation gehörig mit Waſſer auswäſcht, ſo leiden ſie nicht.

Nachdem man wußte: daß das Kochſalz aus Natrium und

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Chlor beſtehe, erklärte ſich auch leicht, warum das Salzen der

Speiſen ſo unumgänglich nothwendig ſei. Die Speiſen im Magen

vermiſchen ſich auf das Innigſte mit einem ſcharfen Safte, dem

Magenſafte, und beim Austritte aus dem Magen mit der Galle.

Magenſaft und Galle ſind aber die nothwendigſten Erforderniſſe bei der Verdauung. Erſterer beſteht nun zum Theile aus Salz—

ſäure, die Galle zum Theile aus Natron. Beide könnten im Kör—

per nicht in ausreichender Menge vorhanden ſein, wenn durch das Salzen der Speiſen nicht Kochſalz in den Magen käme. Daſſelbe macht die eiweißhaltigen Stoffe und die Fette im Waſſer der Ver—

dauungsflüſſigkeit löslich und führt dadurch eine Verdünnung des

Blutes herbei; es beſchleunigt zugleich die Thätigkeit der Ver—

dauungsdrüſen und erhöht dadurch die Theilnahme an der Blut— bildung, daher folgerichtig an der Ernährung. Daraus erklärt es ſich auch, warum die Thiere, welche kein Kochſalz erhalten, ihre Nahrung ſchlecht verdauen und warum wilde Thiere die Salzlecken ausnehmend gerne beſuchen. Da es zugleich fäulnißwiderſtehend wirkt, ſo hat deſſen Genuß außerdem noch ſeine Vortheile für das Thierleben und iſt in Bezug auf die Erhaltung des Fleiſches, in— dem man es durchs Einſalzen den ganzen Sommer über aufbe—

wahren kann, von hohem Werthe. Beim Einſalzen iſt jedoch nicht zu verkennen: daß das Fleiſch dadurch einen Theil ſeiner beſten Nahrungsſtoffe verliert. Zugleich mit dem Waſſer des Fleiſches

werden nämlich Eiweiß- und Fleiſchſtoff, ſo wie Milchſtoff vom

Kochſalze ausgezogen. Die Salzlake wird nicht benutzt und durch

das Weggießen derſelben geht ein Theil der löslichſten und weſent— lichſten Stoffe des Fleiſches verloren.

Das Kochſalz, was wir in unſern Küchen benutzen, iſt nicht reines Chlornatrium. Am reinſten iſt in der Regel das Steinſalz, in dem nur Spuren von Chlorkalium und Chlormagneſium mit etwas Gyps vorkommen. Im Meerſalze dagegen findet ſich mehr Chlormagneſium, Gyps und ſchwefelſaure Bittererde. Wegen des reichlicheren Gehaltes von Chlormagneſium löſt das Meerſalz die eiweißartigen Körper leichter, als gewöhnliches Küchenſalz; denn ſchon bei der Wärme unſers Körpers verwandelt ſich das Chlor: magneſium in Salzſäure und Bittererde, und eine ſehr verdünnte

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Miſchung von Salzſäure und Waſſer ift im Stande die eiweiß- artigen Stoffe zu löſen.

Durch die Stühle wird dem Blute das Kochſalz entzogen. So viel Kochſalz aber Harn und feſter Koth, Schleim und Schweiß, Thränen und Horngebilde dem Blute entziehen, ſo viel ärmer an Kochſalz wird das Blut, welches die Nerven der Zunge ernährt. Dies iſt der Grund, warum uns ungeſalzene Nahrungsmittel nicht ſchmecken. Das Kochſalz in den Thränen iſt auch die Urſache, warum jene die Augen entzünden.

Aber auch als näherer Beftandtheil der Pflanzen iſt das Koch— ſalz von großer Bedeutung. Wenn es durch den Miſt oder als beſonderer Dünger in den Boden gelangt, oder bereits in ihm ent— halten war, ſo nehmen es die Pflanzen in wäßrigen Löſungen auf und lagern es in ihren Zellen ab. Nur wenig Pflanzen giebt es, welche nach ihrem Verbrennen nicht Kochſalz in ihrer Aſche ent— halten. Stets hat ſich gefunden daß kleine Mengen, dem Boden beigemengt, die Fruchtbarkeit deſſelben erhöhten. Ganz beſonders wirkt es auf den Flachs, den Hopfen, Raps, Klee, auf Erbſen, Bohnen, Rüben, Kartoffeln, Kohl, Sellerie, Meerrettig, Senf; aber auch für die Cerealien iſt es ſehr gut. Sandigem Boden darf man nur wenig, mehr ſchon mergligem, am meiſten dem lehmigen übergeben.

Daß das Verhältniß der Aufnahme ein ganz beſtimmtes, wie das aller übrigen Pflanzennahrungsmittel, ſei, dürfte daraus entnommen werden: daß das Gerſtenſtroh einem Acker genau dieſelbe Quantität entzieht, es mag nun im größern oder gerin— gern Verhältniſſe in demſelben enthalten ſein. Es iſt daher mit Sicherheit anzunehmen: daß die Pflanze das Kochſalz zu ihrem Gedeihen unumgänglich nothwendig habe. Merkwürdig iſt übrigens noch der Umſtand: daß es ſich ſtets mehr in den Stämmen und Stängeln, als in den Blättern vorfindet. Aecker, denen kein Koch— ſalz zugeführt wird, wenn ſie daſſelbe nicht bereits enthalten, wer— den daher neben anderer guter Bedüngung nur geringe Erndten geben und man kann dem Landwirthe nichts beſſeres anrathen, als ſeinem Viehe recht fleißig Salz zu verabreichen, denn dadurch wird er ſich nicht allein einen verdauungskräftigen geſunden Vieh—

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ftand, ſondern auch beſſere Getreide- und Kartoffel-Erndten ſichern. Gar häufig finden wir in den feſten Erkrementen des Viehs noch unverdaute Körner, durch dieſelben geht das beſte Nahrungsmittel, das Eiweiß, verloren. Wird dem Viehe mit dem Saufen oder in der Süde Kochſalz gegeben, ſo verdaut ſich jenes und es wird Futter erſpart. Der Landwirth, welcher das Salz ſchont, dem es zu theuer iſt, bringt ſich dadurch in einen dreifachen Nachtheil, der die Erſparniſſe am Salze um das Zwanzigfache überſteigt.

Beim Bedüngen unſerer Aecker mit Kochſalz iſt darauf zu ſehen: wie ſich der Boden in Bezug auf ſeine Beſtandtheile ver— hält. Fehlt es demſelben, ſo wirkt es nach dem Beſtreuen der Fel— der ausgezeichnet. Beſitzt es aber eine Ackerkrume ſchon im hin— reichenden Verhältniſſe, dann darf man ihr keins mehr übergeben, denn dann könnte es ſogar nachtheilig wirken.

Die mit Kochſalz angeſtellten Verſuche haben beim Gerſten— baue ſehr günſtige Reſultate ergeben. Auffallend iſt jedoch dabei: daß die günſtige Wirkung erſt bei 2360 Pfund auf die Fläche von einer Hectare Land hervortritt, wird aber mehr als 3600 Pfund Kochſalz auf dieſe Fläche verwendet, dann werden die Exträgniſſe wieder geringer. Es tritt daher unter den vorhandenen Boden— und Witterungs-Verhältniſſen das Maximum der Wirkung beim Kochſalze ein, wenn daſſelbe in einer Menge von 2360 bis 2800 Pfund auf eine Hectare gebracht wird. Die Körnerausbildung ſchreitet unter dem Einfluſſe des Kochſalzes in gleichem Verhält— niſſe wie die Strohbildung fort und nimmt auch eben ſo zu. Auch beim Hafer zeigt ſich die Düngung mit Kochſalz günſtig; un— günſtig aber beim Buchweizen. Im allgemeinen kann man an— nehmen: daß |

1) das Kochſalz nur günſtig bei Gegenwart von Kohlen und ſtickſtoffreichen Stoffen wirke;

2) daß dies nur bei Gräſern und namentlich den Getreide— arten der Fall ſei. Blattfrüchte ſcheinen nur geringe Mengen ver— tragen zu können; wenigſtens muß die Salzdüngung, wenn es eine ſtarke ſein ſoll, längere Zeit vor der Beſtellung in den Boden gebracht werden. Sehr empfindlich zeigt ſich der Buchweizen gegen

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Kochſalz; ſchon geringe Mengen wirken auf das Keimen und die Entwicklung dieſer Brodfrucht auffallend nachtheilig.

3) Vorzüglich der Entwicklung der Körner iſt das Kochſalz zu— träglich, und obſchon auch das Stroh kräftiger wird, ſo wirkt das Kochſalz doch einige Jahre von der erſten Bedüngung an fort.

4) Bei der Wirkung des Kochſalzes laſſen ſich zweierlei Er— ſcheinungen bezüglich der Düngkraft bemerken. Schon geringe Mengen bedingen eine vermehrte Fruchtbarkeit; wenn man die Quantität aber bis zu einer gewiſſen Höhe ſteigert, wie wir ſo eben ſahen, dann tritt die zweite, weit wichtigere Wirkung des Kochſalzes ein.

Fricke in Ballenſtädt, welcher ſeine Wieſen, die ſaure Gräſer trugen, mit Salinenabfällen, gemengt mit ſchwefelſaurem Kalke und Aſche und zwar in dem Verhältniſſe von 1 Centner Düngeſalz und 14 Centner Aſche pro Morgen beduͤngte und dieſe Beſtreuung im Winter und zwar im Monat Februar vornahm, erhielt auf denſelben nicht allein viel ergiebigere Erndten, ſondern auch ein Heu und ein Grummt, welches das Vieh gerade ſo gerne fraß, als das auf guten trocknen Wieſen erbaute. Da Salzabfälle auf allen Salinen billig zu bekommen ſind, ſo ſollte kein Landwirth verſäumen, ſeinen Feldern und ſeinen Wieſen zuweilen Kochſalz zukommen zu laſſen.

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 12

Kali.

Wenn die Hausfrau die Aſche aus dem Ofen oder von dem Küchenheerde nimmt, ſie in ein Faß thut, heißes Waſſer darüber gießt und den dadurch hervorgehenden ſchwarzgrauen Brei eine Zeit lang ſtehen, dann aber vermittelſt eines hölzernen Hahns die Flüſſigkeit aus dem Faſſe durch dichte Leinwand laufen läßt, ſo erhält ſie eine ſcharfe Flüſſigkeit, Lauge genannt, welche ein aus— gezeichnetes Mittel zur Reinigung der Wäſche abgiebt. Dieſe Lauge enthält nämlich ein Salz, die Pottaſche, welches ſich mit Fett und fettigen Stoffen verbindet und ſie auf dieſe Weiſe im Waſſer auflösbar macht. Wenn man die Lauge über Feuer ein— dickt, ſo erhält man die Pottaſche als ein feſtes Salz. Die Laugen— ſalze ſind nicht in allem Holze gleichmäßig vertheilt, junge Bäume enthalten mehr als alte, Krautgewächſe mehr als Holzgewächſe, die Aſche von Erdrauch ſogar den achten Theil ihres Gewichtes.

In der auf die jetzt beſchriebene Weiſe erlangten Pottaſche iſt viele Kohlenſäure enthalten; wenn man fie daher in Brod- oder Kuchen-Teig knetet, oder ihre Auflöſung in Bier gießt, ſo wird die Kohlenſäure luftförmig und macht das Gebäcke lockrer und das Bier muſſirend. Viel darf freilich nicht genommen werden, weil dies Salz bei ſeiner ätzenden Wirkung ſonſt nachtheilig auf den Körper einwirken würde. Wenn der Seifenſteder Seife ſiedet, wo— zu er Fett und Pottaſche nimmt, fo entfernt er die Kohlenſäure durch Zugabe von Aetzkalk. Sobald dieſes Salz von ſeiner Koh— lenſäure befreit iſt, nimmt es einen andern Namen an und wird nun Kali genannt. Wenn man durch Kohle, bei Anwendung hoher Hitzgrade, den Sauerſtoff vom Kali trennt, fo erhält man ein ſil—

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berweißes Metall, Kalium, das eine ungemein große Neigung hat, ſich wieder mit Sauerſtoff zu vereinigen; deshalb ſaugt es ihn begierig aus der Luft und zerfällt dann ſchnell zu einem weißen Pulver. Wirft man es ins Waſſer, ſo entzieht es auch dieſem den Sauerſtoff und veranlaßt unter Ausgeben von Flamme, welche den Waſſerſtoff entzündet, heftige Exploſionen.

Früher verwandte man das Kali häufig zur Bereitung von Seife und Glas; jetzt wählt man dazu die billigere Soda. Es iſt dies ein großer Gewinn für unſere Felder und Wieſen, indem man die Aſche ſehr vortheilhaft als Dünger verwendet; denn da alle Pflanzen Kali in ihrer Miſchung haben, ſo muß ſich daſſelbe auch im Boden vorfinden, wenn anders die Pflanzen gut gedeihen ſollen; da jedoch die aus der Aſche bezogene Quantität für unſere Bodencultur zu gering ſein würde, ſo hat die Natur Mittel und Wege gefunden, daſſelbe aus unſerer Ackererde ſelbſt zu bereiten und dies geſchieht vermittelſt in Waſſer gelöſter Kohlenſäure, welche unſere Silicate (Feldſpathe), Verbindungen von kieſelſaurer Thonerde mit kieſelſaurem Kali, zerlegt und kohlenſaures Kali, alſo Pottaſche, bildet. Faſt alle unſere gewöhnlichen Culturpflan— zen zeichnen ſich durch einen vorherrſchenden Kaligehalt aus und zwar findet ſich die größte Menge deſſelben in den Saamen. Die Gerſte, der Roggen, der Weizen enthalten Kali, aber kein Natron, daſſelbe iſt beim Tabacke, dem Zuckerrohre, den Kartoffeln der Fall. Daher iſt die Anweſenheit löslicher Kaliſalze fuͤr den Boden von hoher Wichtigkeit, indem es eins der Hauptnahrungsmittel der Pflanzen iſt. Geſammelte Erfahrungen und Beobachtungen geben der Vermuthung Raum: daß zu gewiſſen Zeiten des Wachs— thumes das Kali wichtige Funktionen zu vollziehen habe. So ſchreibt man demſelben das Süßwerden der Früchte zu, indem es die freien organiſchen Säuren zerſtört; man räumt ihm eine Ein— wirkung auf die Güte der Trauben ein und glaubt, daß es die Bildung des Stärkemehls in den Körnerfrüchten und Kartoffeln befördere, oder vielleicht ſogar erſt möglich mache.

So nahe verwandt Kali und Natron ſind, ſo ſcheinen ſie ſich gegenſeitig dennoch nicht in den Pflanzen zu erſetzen. Gerſte an der Küſte des Meeres gezogen, wo das Natron vorherrſcht, hatte 12 *

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denſelben Gehalt von Kali, wie die, welche im Innern von Eng— land erbaut wurde. Darinnen ſtimmen aber beide überein: daß ſie den Humus löslich machen und dadurch in mehrfacher Beziehung ſo günſtig auf die Vegetation einwirken. Von der hinreichenden Anweſenheit von Kali und löslicher Kieſelerde im Boden hängt in Bezug auf die Beſaamung der Felder viel ab. In früheren Zeiten, und jetzt noch in manchen Gegenden, ließ man den Boden ein oder mehrere Jahre ruhen, wenn man ihn zuvor zwei Jahre benutzt hatte und nannte dies Brache; dabei bildeten ſich durch Einwirkung von Kohlenſäure auf naſſe Feldſpathe dieſe Düng— ſtoffe von Neuem. Bei dem jetzigen rationellen Betriebe der Land— wirthſchaft umgeht man dies durch den Wechſel mit den Früchten und erlangt dabei natürlich einen weit höheren Ertrag des Grund und Bodens. g

Der Landwirth halte daher ſeine Aſche nicht allein zuſammen, er ſuche dergleichen auch anzukaufen, denn wir ſehen deren günſtige Wirkungen auf Wieſen, wir ſehen ſie auf Feldern, namentlich bei Weizen und Kartoffeln. Aber nicht allein das Kali iſt es, was ſie ſo vortheilhaft auszeichnet, ſondern wie wir weiter oben ſahen iſt es auch die Phosphorſäure, welche der Aſche einen ſo hohen Werth verleiht.

Im Salpeter, wo das Kali mit Salpeterſäure verbunden iſt, hat man gleichfalls ein gutes Düngemittel und zwar in doppelter Beziehung, indem durch denſelben den Feldern zugleich auch Stick— ſtoff übergeben wird. Daher kommt es auch: daß alte Bauſchutte, daß alte Lehmwände, worinnen ſich ſtets Salpeter erzeugt, ein ſo gutes Düngmaterial abgeben. Taback, Nußbäume, Sellerie ent— halten Salpeter. Im Taback iſt derſelbe oft ſo reichlich enthalten, daß man ihn nicht allein beim Anzünden deſſelben ſofort gewehrt, ſondern daß man ihn zuweilen auch zur Salpetergewinnung ver— wendet, wie dies im vorigen Jahrhundert in Virginien einmal der Fall war. j

Durch die Nahrungsmittel, die wir von den Pflanzen erlan— gen, wird das Kali in uns und den thieriſchen Leib übergeführt, wo es ſich im größeren Verhältniſſe im Fleiſche, im geringern im Blute wiederfindet.

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Die Abfälle, welche bei der Fabrikation der Pottaſche und Soda aus ſchwefelſauren Salzen gewonnen werden und aus Kal— ciumoxyd und Schwefelkalcium beſtehen, wirken äußerſt günſtig auf die Vegetation der Wälder und Wieſen und würde dies auch bei den Feldern der Fall ſein. Bei mancher Fabrik häufen ſich dieſe Abfälle zu Hügeln an, bei andern werden ſie ins Waſſer ge— worfen und es geht durch ſie ein großer Schatz pflanzlicher Nah— rungsmittel verloren.

Natron.

Die Soda, ein Laugenſalz, kam früher aus Aegypten, wo ſie aus Seeen, deren Boden im Sommer beim Austrocknen mit einer ſtarken Kruſte überzogen werden, aufgeſammelt wird. Von dort aus holten ſich auch die Phönicier Sodaſtücke um ſie als Kochſalz zu verwenden und bei dieſer Gelegenheit entdeckten ſie zufälliger Weiſe das Glas, indem Soda die am Feuer lag mit Sand zu Glas zuſammen ſchmolz. Wie die Pottaſche, ſo enthält auch die Soda Kohlenſäure, weshalb man ſie auch kohlenſaures Natron nennt. Wird letztere von der Soda getrennt, ſo erhält man das Natron. Nimmt man dieſem den Sauerſtoff, ſo kommt ein ſilber— weißes Metall, das Natrium, zum Vorſchein. Daſſelbe hat die Eigenſchaft des Kaliums: an der Luft Sauerſtoff aufzunehmen und als weißes Pulver wieder in Natron zu zerfallen; auch das Waſſer zerlegt es, jedoch nicht unter Feuererzeugung und Exploſion.

Mit Fett giebt Natron ebenfalls Seife und zwar harte, im Gegenſatze zu der Kaliſeife. Das Natron wird in neuer Zeit in ungeheuren Maſſen aus dem Kochſalze dargeſtellt; bei dieſer Be— reitungsweiſe erzielt man zugleich Salzſäure. Das Natron kommt aber auch als Natronſalpeter, eine Verbindung von Salpeterſäure mit Natron, vor und ſetzt gewaltige Lager in Chili in Südamerika zuſammen, weshalb er auch Chiliſalpeter genannt wird. Jetzt ſchon treibt man mit dem Chiliſalpeter einen wichtigen Handel, in⸗ dem man ihn bereits vielfach als Düngematerial verwendet, wozu ihm ſeine Billigkeit großen Vorſchub leiſtet.

Das Natron wirkt bei den Pflanzen gleich dem Kali d. h. es dient zur Neutraliſation der Säuren. So nahe verwandt beide

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aber auch find, fo vertreten fie ſich gegenfeitig doch nicht. Die Buchen und Eichen enthalten im Vergleiche zum Kali nur einen ſehr geringen Natron-Antheil, ſelbſt dann, wenn die Bäume auf einem Boden gezogen find, in welchem das Natron im öfachen Uebergewichte gegen das Kali ſtand. Man ſieht hieraus: daß zwiſchen den Pflanzen und den Bodenbeſtandtheilen ein verwandt— ſchaftliches Verhältniß beſteht, welches jedes Spiel des Zufalls ausſchließt und bei gegenſeitigen Erſetzungen ſogar Krankheits— verhältniſſe der Pflanzen herbeiführt.

Vielfache Verſuche haben ergeben: daß der Natrongehalt im Strohe unſerer Cerealien, ſo wie in dem Strohe des Rapſes und der Erbſen ein merklich höherer iſt, als in den Körnern. Dieſes Verhältniß findet auch beim Holze ſtatt, wo in dem Saamen das Kali ebenfalls vorherrſcht. Daß übrigens das Kali für das Pflan— zenreich von höherer Wichtigkeit ſei, als das Natron, dafür ſprechen ganz beſonders die Meerespflanzen und unter dieſen namentlich die Fucusarten; dieſe wachſen unter Verhältniſſen, wo das Natron im Boden um das 20fache gegen das Kali vorherrſcht, und dennoch nehmen ſie nur letzteres auf. Einen überaus wichtigen Fingerzeig erhalten wir durch den brandigen Weizen. Während beim geſun— den nur im Strohe ein Natrongehalt nachzuweiſen iſt, findet ſich letzterer beim brandigen auch in den Körnern. Dieſer Umſtand liefert Stoff genug zum Nachdenken und zu weiterer Forſchung. Bei der nahen Verwandtſchaft beider Salze läge es in der Mög— lichkeit, daß, wenn dem Boden das Kali fehlte, um die Ausbildung der Körner vollkommen zu bewirken, das Natron als Stellvertreter einträte und daß dadurch dieſe für die Landwirthe ſo nachtheilige Krankheit hervorgerufen würde. Verſuche mit Beibringung von Kali auf die Hälfte eines mit Weizen beſtellten Ackers würden hierüber bald zufriedenſtellende Aufſchlüſſe gewähren; abgeſehen davon, daß wir bereits aus Erfahrung wiſſen: daß wenn die Weizenfelder mit Aſche überſtreut werden, nicht allein eine beſſere Erndte, ſondern auch ganz vollkommne Körner erlangt und nur ſelten etwas von Brand verſpürt wird. Durch letzteres faͤnde die ausgeſprochene Anſicht bereits ihre Beftätigung. -

So wichtig Kali und Natron im Pflanzenernährungs-⸗Prozeſſe

18%

find, fo unentbehrlich find fie im menſchlichen Haushalte und hat letzteres im Blute ſo wie bei der Verdauung wichtige Funktionen überkommen. Ich verbreite mich hier nicht über die Höhe, auf welche ſie die Induſtrie ſtellte, ich erlaube mir nur noch etwas über die Bequemlichkeiten welche ſie dem Menſchen verſchaffen und über die hohe Stufe, auf welche ſie die Wiſſenſchaften brachten, vor— zutragen.

Wie Kali und Natron im Feldſpathe in der Natur zu einer glaſigen durchſcheinenden Verbindung vereinigt ſind und in ihr durch die Aufſchließung der Kohlenſäure zum Wohlthäter der Pflanzen werden, ſo vereinigt der Menſch die Laugenſalze mit Kieſelerde von Neuem zu einem farbeloſen, oder gefärbten, glänzenden und durchſichtigen Silicate, was im glühenden Zuſtande ungemein form- und fügſam und unter dem Namen Glas allgemein bekannt iſt. Vermittelſt deſſelben dringen wir nicht allein in die entfern— teſten Himmelsräume ein und lernen die dort beſtehenden Geſetze kennen, ſondern wir entdeckten durch daſſelbe auch auf und in un— ſerer Erde, ſo wie im Waſſer eine ganz neue Schöpfung, in wel— cher die Zahl der Individuen ſo groß, wenn nicht zahlreicher, als die iſt, welche unſerm unbewaffneten Auge entgegentritt. Wie wir weiter oben ſahen waren es die Phönicier, die beim Verbrauche der Soda als Kochſalz das Glas entdeckten. Wohl kam es ihnen nicht in den Sinn, daß ſie durch dieſe Entdeckung eine Macht her— vorgerufen hätten, in welcher der menſchliche Geiſt ſeine höchſten Triumphe feiern ſollte; denn die Laugenſalze in Verbindung mit Kieſelerde ließen uns erſt die gewaltige Größe ſo recht erkennen, welche unſer Schöpfer in den menſchlichen Geiſt gelegt hat.

Obſchon das Glas im Alterthume ſehr hoch geſchätzt, ob ſchon für einzelne Glasvaſen und glänzende Glasſchaalen zur Römerzeit Tauſende von Tauſenden geſpendet wurden, ſo war ihnen der Gebrauch deſſelben zur Erleuchtung ihrer prachtvoll aus— geſtatteten Gemächer doch unbekannt. Sind aber die Fenſter un— ſerer Palläſte nicht dem Auge zu vergleichen, durch welches erſt Leben in die todte Geſtalt gehaucht, durch welches dem Ganzen das Edle, das Imponirende erſt aufgedrückt wird? Erſcheinen uns die prachtvollen Tempel, die Rieſenbauten des Alterthums ohne

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dieſe lichtſpendenden Oeffnungen nicht gerade fo wie verfteinerte Ruinen? Welche Wohlthat wurde uns durch die Benutzung des Glaſes als Fenſterſcheiben, deren Erfindung erſt 3000 Jahre nach Entdeckung deſſelben gemacht wurde, geſpendet! Durch daſſelbe werden wir hinüberverſetzt unter die gewaltige Pracht eines über— ſchwänglich üppigen Pflanzenwuchſes unter den Tropen. Arm und Reich, Hoch und Niedrig zieht ſich bei Sturm und Un— gewittern hinter ſeine ihn ſchützenden und dennoch die Zimmer hellerleuchtenden Glasfenſter. Wie wohl thut im Winter die Son— nenwärme, wenn ſie durch die hellen Spiegelſcheiben in ein eis— kaltes Zimmer fällt! wie waren daher die Völker des Alterthums zu beklagen, wenn ſie im Winter, bei Sturm und Regen ihre Licht— öffnungen mit Weidengeflechten verſchließen mußten und ſie Kälte und naſſe Windſchauer dennoch durchrüttelten! Noch im Jahre 1661 erfreute ſich das Königliche Schloß in London nur in feinem Oberſtocke der Fenſter, die untern waren nur mit Läden verſehen.

Die Wohlthaten, die uns das Glas verſchafft, würden Bände füllen, wollten wir ſie alle einzeln aufzählen. Wie ſchon bemerkt führt uns das Glas im Fernrohre hinauf zu den fernſten Nebel— flecken, es deckt uns der Cometen glänzenden Schweif, deren dunſt— förmigen Körper auf; wir meſſen mit ſeiner Hülfe die Bahn, den Umfang und die Größe der größten Weltkörper im zwölften Him— mel; wir zerlegen mittelſt deſſelben das Licht in ſeine verſchiedenen Streifen und meſſen deſſen Schnelligkeit, wir verbrennen mittelſt ihm den Diamant und liefern den Beweis, daß er aus reinem Koh— lenſtoffe beſtehe; wir fangen mit ihm den Sauerſtoff und ſteigen mittelſt ſeiner hinunter in des Meeres Tiefen. Mit dem Mikro— ſcope treten wir ein in eine neue winzig kleine und dennoch unge— mein belebte Welt; ſteht dieſelbe nicht eben ſo erhaben vor unſern Augen, als die große? Wohin wir unſer Glas auch wenden, ſei es auf ein Körnchen Schimmel, ſei es auf einen Tropfen Waſſer, ſei es auf ein Bißchen Schlamm, da lebt webt hüpft und ſpringt alles, hier finden Vermählungsfeierlichkeiten ſtatt, dort kämpft Liebe mit Haß, dort giebt es arge Raufereien.

Das Glas alſo iſt es, was uns hinüberführt in jene lichten Räume, was uns die große Belebtheit eines Tropfens Waſſer

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zeigt, es iſt es, was unſern Geiſt kräftigt und zu immer Höherem anſtachelt. Durch daſſelbe lernen wir die Größe, Weisheit und Unfehlbarkeit unſeres Weltenſchöpfers mehr und mehr er— kennen. 5 |

Die Macht des Glaſes giebt ſich uns aber auch in Tönen zu erkennen; welches Material liefert dieſelben reiner? Wie feſſeln uns die Töne einer Glas harmonika, wie bewegen fie unfer Herz, welche Sehnſucht, welche tiefe Wehmuth rufen ſie herauf!

Kieſelerde (Kieſelſäure).

Wem wären die glänzenden, glitzernden Sandkörner in Bächen, in Flüſſen und Strömen, wem die glänzenden fettig ausſehenden Kieſelgeſchiebe in unſern Feldern, wem die großen Quarzklumpen in unſern Bächen und Fluren nicht bekannt, die aus Silicium, einem leichten Metalle, und aus Sauerſtoff in dem Verhältniſſe von 48 zu 52 beſtehen? In unſerer Ackerkrume, in unſern Gebirgsge— ſteinen iſt ſie in reichlichſter Menge vorhanden und ſetzt die Ge— ſammt⸗Erdmaſſe zur Hälfte zuſammen. Laſſen wir uns in der Taucherglocke hinab auf den Meeresgrund, gehen wir deſſen Strand entlang, verweilen wir an den Ausmündungen kleiner Flüſſe und großer Ströme, beſuchen wir die Hochflächen Aſiens und Afrikas, die Haiden Englands, Deutſchlands, Frankreichs, Spaniens, ſo treffen wir in deren loſen Sanden auf ungeheure Ablagerungen dieſer Säure. In den Graniten, Gneißen, Glimmerſchiefern, in den Syeniten, Dioriten, Porphyren, in den Baſalten, Grauwacken, im Kohlenſandſteine, dem Rothliegenden, dem bunten Sandſteine, Keuper, Quaderſandſteine u. ſ. w. macht ſie einen Hauptbeſtand— theil aus. IR Die glänzenden prachtvollen Quarze, oft in überaus großen Kryſtallen, ſtellen ſich als die Vertreter der reinen Kieſelerde dar. Wie der Diamant den reinen Kohlenſtoff, der Sapphir und Rubin die reine Thonerde, fo vertritt der Quarz jene, und fo begierig letz— tere das Licht aufſaugen und es in den ſchönſten Farbennüancen im Strahlenblitze ausgeben, genau ſo thut es der Quarz. Außerdem zeigt er ſich noch rein und nur mit etwas Farbeſtoff gemengt im Amethyſte, im Chryſopraſe, im Roſenquarze, im Chalzedone, im

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Jaspiſe und Achat, im Milchquarze und Opal, im Praſem und Siderite. Als Feuerſtein iſt er in gewaltigen Stöcken und Klumpen der Kreide eingelagert, als Hornſtein überdeckt er große Fluren und als weißer Quarz ſtellt er ſich in fortlaufenden Wänden, in Riffen und mächtigen Gebirgsſtöcken dar. Aber nicht allein in ein— facher Form erſcheint die Kieſelerde, ſie tritt auch in vielen Mine— ralien als chemiſche Verbindung ein und bildet eine Menge von Schmuckſteinen. Verſchieden in Form und Farbe liefert ſie dabei die ſchönſten roſenrothen, grünen, gelben, blauen, ſchwarzen Kry— ſtalle, oft im prachtvollen Schiller. Der grüne Smaragd, der gelbe Topas, der blaue Laſurſtein, der rothe Granat, der apfelgrüne perlmutterglänzende Talk, der ſeifige Speckſtein, der weiße Meer— ſchaum, der dunkelgrüne Serpentin, der ſchwarze Augit, der ſchil— lernde Amazonenſtein, der buntfarbige Sonnenſtein, der lauchgrüne Strahlſtein, der ſeidenglänzende Asbeſt, der biegſame Glimmer, die pomeranzengelben und blutrothen Hyacinthe verdanken Farbe und Geſtalt zum großen Theil der Kieſelerde.

Die Verbindung der Kieſelſäure mit Baſen zu Salzen beleg— ten wir mit dem Namen Silicate; ſie ſind es, die uns hier am meiſten intereſſiren, weil wir die im eigentlichen Kieſel an ſich nicht im Waſſer lösliche Kieſelerde bei den Zerſetzungen jener in löslicher Form und zwar zugleich mit einem andern ſehr wichtigen Pflanzen— nahrungsmittel, dem Kali, bekommen. Die Kieſelerde ſtellt ſich daher gar eigenthümlich dar, indem ſie genau bei ein und derſelben Zuſammenſetzung einmal im Waſſer löslich, das anderemal aber unlöslich iſt. Die Chemie hat übrigens Mittel und Wege auch die unlösliche im Waſſer löslich zu machen.

Der Feldſpath, eine Verbindung von dreifach kieſelſaurer Thonerde mit dreifach kieſelſaurem Kali, iſt es hauptſächlich, der uns ſowohl die im Waſſer lösliche Kieſelerde, als auch das Kali in reichlichſter Menge für die Vegetation ſpendet. Die an die Wolken ſtoßenden Granitkuppen, die kegelförmigen Baſalte, die ſtreifigen Laven enthalten große Mengen von Kali und Natron— Silicaten, die in ſtärkerem oder geringerem Verhältniſſe im Waſſer löslich und in zutretender Kohlenſäure zerlegbar find. b

Der Feldſpath im Granite, im Gneiße, im Glimmerſchiefer

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im Syenite, im Porphyre, Bafalte, in der Lava, in der Grauwacke und den Sandſteinen liefert daher das ungeheure Material von Kieſelerde und Kali für die Vegetation. Leicht zur Zerſetzung ge— neigt wirkt kohlenſäurehaltiges Waſſer in der Art und Weiſe auf ihn ein, daß die Kohlenſäure deſſelben mit Kali vereinigt zu den Saugfäſerchen der Wurzeln übergeführt wird, während das Waſſer zugleich einen Theil der löslichen Kieſelerde aufnimmt und ebenfalls in die Pflanze übertritt; die unlösliche Kieſelerde mengt ſich dann mit der ausgeſchiedenen Thonerde und bildet kieſelſaure Thonerde, den gewöhnlichen Thon. Letzterer ſtellt im reinen Zu— ſtande die Porzellanerde, mit Eifenoryd, mit Kalk u. ſ. w. mehr oder weniger verunreinigt den Pfeifenthon, den Töpferthon, den Ziegelthon, bei vermehrter Vermengung mit Kalk den Mergel dar. Die ſoeben beſchriebene Zerſetzung des Feldſpathes in Kali, lösliche Kieſelſäure und in Thon liefert uns ein treues Bild der Ackererden— bildung. Iſt der Feldſpath aus Granit, Porphyr, Baſalt u. |. w. auf dieſe Weiſe entfernt, dann zerfallen die übrigen Beſtandtheile, Quarz und Glimmer; Regen, Schnee und Flußwaſſer bemächtigen ſich derſelben, zerreiben ſie, führen ſie durch Flüſſe und Bäche, die immer wieder zerreibend wirken, weiter, um ſie endlich als Ackererde abzuſetzen. Aber auch die unlösliche Kieſelſäure wird löslich, wenn Fluor auf ſie einwirkt und kann auch auf dieſe Weiſe der Ve— getation zugänglich gemacht werden.

Die im Waſſer lösliche Kieſelerde ſpielt im Pflanzenernäh— rungsprozeſſe eine große Rolle. Verbrennen wir einen Stängel von Schachtelhalm vorſichtig, ſo bleibt ein feines durchſichtiges Gewebe zurück, was genau dieſelbe Geſtalt der verbrannten Pflanze, mit denſelben erhabenen Rippen, mit denſelben rinnen— förmigen Vertiefungen hat. Bei genauerer Unterſuchung ergiebt ſich: daß es Kieſelſäure ſei, die nach dem Herausbrennen der koh— ligen Subſtanz das Bild der Pflanze erhielt. Dieſe Kieſelerde iſt es, welcher die Pflanze die Eigenſchaft verleiht, von Schreinern und Drechslern als Vorarbeiterin bei der feinern Politur der Mö— bels verwandt zu werden.

Ohne das Vorhandenſein von Kieſelerde könnte die Familie der Gräſer nicht exiſtiren, weder Weizen noch Korn, weder Gerſte

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noch Hafer, weder Heu noch Grummet würden gedeihen, wäre

nicht überall Kieſelerde die ſich im Waſſer auflöſt vorhanden. Bei

der großartigen Verbreitung der Gräſer iſt es daher erklärlich, war— um eine ſo große Menge dieſes Materials und zwar als in Waſſer löslicher Silicate vorhanden ſein muß.

Von der Anweſenheit der löslichen Kieſelerde in der Ackerkrume hängt das Daſein der Völker ab und überaus bewunderungswürdig iſt das Gewebe, welches ſie im Strohhalme dem bewaffneten Auge darſtellt; das feinſte Spinngewebe iſt gegen das Zellengeſpinnſt des

Halms ein Werk, welches mit der Zimmerart zugehauen zu ſein |

ſcheint. Auf- und abfteigende Kanäle zur Leitung des Saftes,

durchbrochen von den feinſten Spalten zum Aufſaugen der Luft,

finden ſich zu Tauſenden im ſchwachen Strohhalme und dazwi— ſchen liegen die Knoten als Halter. So ſchwach auch der Halm erſcheint, ſo beſitzt er in ſeinem prachtvoll gewebten Kieſel-Scelette doch eine gewaltige Widerſtandsfähigkeit. Was hat er aber im Verhältniſſe ſeiner Stärke auch für eine Laſt zu tragen! Oft mehr als 50 Körner, die er in ſeiner Aehre dem Licht der Sonne, der Wärme und der Luft ausſetzt, damit ſie ſchwellen, recht viel Stärke— mehl und Kleber bilden und einer raſchen Reife entgegenſchreiten.

Mit welcher Kraft, mit welcher Macht muß er gegen feindliche

Elemente gerüſtet ſein, damit er den heftigſten Winden, den ſchla— genden Gewitterregen, die den ſchwachen Halm mit ſeiner Aehre bis zur Erde niederbeugen, widerſtehe und nicht zerbreche! Allein allen dieſen Schreckniſſen leiſtet die Kieſelerde tapfer Widerſtand. Träte die Kieſelerde mit einemmale aus der Miſchung des Bodens aus, dann ſtiege das Menſchengeſchlecht ſofort auf eine niedrige Culturſtufe und ſtürbe größtentheils aus. Ihr verdanken wir es, daß auf einem kleinen Raume recht viele Nahrungsmittel erzogen werden können, und dadurch wird es möglich eine dichte Bevölkerung hervorzurufen. In der Dichtigkeit der Bevölkerung liegt aber deren Wohlſtand, liegt der raſche geiſtige Fortſchritt, liegt die Steigerung des Verkehrs, liegt das Wachſen von Kunſt und

Wiſſenſchaft. Der Kieſelerde haben wir daher unſere fo hoch ge-

ſtiegene Civiliſation mit zu verdanken und durch ſie lernen wir wieder ſo recht deutlich erkennen, wie groß und wunderbar die

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Wege des Herrn ſind, welcher in das winzige Sandkornchen eine ſo gewaltige Macht legte.

Auf Kalkboden, welcher der Cultur lange unterſtellt war, müſſen die Landwirthe bezüglich des Vorhandenſeins von Kieſel— erde ſtets ein aufmerkſames Auge richten, damit demſelben, wenn nöthig, Silicate zugeführt werden. Auf die Löſung derſelben grün— det ſich das Brachen und der Fruchtwechſel hauptſächlich mit.

Durch die Nahrungsmittel wird die Kieſelerde ins Blut, in die Haare, in die Federn der höheren Thierklaſſen gebracht.

Die Kieſelerde iſt daher der Hauptbauſtein nicht allein der Erde, ſondern auch der Brodpflanzen und ſetzt auch den Thierleib zuſammen. Sie iſt es, welche die Grundpfeiler unſerer Gebirge bildet; durch ſie entſtanden hauptſächlich die Erhabenheiten und Vertiefungen unſerer Feſtländer, wovon unſere klimatiſchen Ver— hältniſſe abhängen. Durch ſie wurde die größte Menge der Acker— erde geſchaffen, in und auf welcher ſich unſere Pflanzen ernähren, unſere Thiere bewegen. Zur aufrechten Stellung des Halms, zur Ausbildung der Körner haben Weizen, Korn, Gerſte, Reis, Hafer die Kieſelerde nöthig und gerade hierdurch knüpft ſich die Exiſtenz des Menſchen an das Vorhandenſein der Kieſelerde. Alle Gräſer, von denen unſere Hausthiere leben, ſaugen vermittelſt ihrer Wur— zeln Kieſelerde auf, wir finden ſie in unſerem Blute wieder. Kurz— um überall treffen wir auf ſie und der vor, unfern Füßen herum: pollernde Kieſelſtein ſollte uns ihre Wichtigkeit ſtets in unſer Ge— dächtniß zurückrufen. Mit jedem Tropfen Waſſer, mit unſerm täglichen Brode nehmen wir ſtets Kieſelerde auf; in Bohnen, Linſen, in den Gemüſen und ebenfalls im Waſſer nehmen wir Kalkerde ein und leben daher auch von Steinen.

Kalk.

Alle Geſteine, welche als charakteriſirenden Gemengtheil koh— lenſaure Kalkerde enthalten, nennt man Kalke; ſie brauſen mit Säure übergoſſen heftig auf, leuchten, wenn man ſie ſtark glüht und gehen dabei in einen ätzenden Zuſtand über. Sie ſind mehr oder weniger rein, haben eine größere oder geringere Dichtigkeit und verſchiedene Strukturverhältniſſe.

Man unterſcheidet daher reinen Kalkſtein, der unbedeutende Beimengungen von Thon, Eiſenoxyd und Eiſenorydhydrat enthält; thonigen Kalkſtein; Mergelkalkſtein, mit einer bis zu 20 Procent anſteigenden Beimiſchung von Thon, welch letzterer ſich durch den Geruch zu erkennen giebt und beim Auflöſen des Geſteins in Säu— ren ungelöſt zurückbleibt; bituminöſen Kalkſtein, welcher durch Bitumen braun und ſchwarz gefärbt, beim Zerſchlagen und Zer— reiben, beim Erwärmen oder Auflöſen einen äußerſt unangenehmen Geruch verbreitet, weshalb man ihn auch Stinkſtein nennt. Einige der letzteren beſitzen einen ſo bedeutenden Gehalt von Bitumen, daß ſie beim Aufſtreuen auf glühende Kohlen mit heller Flamme brennen. Der kieslige Kalkſtein enthält viel Kieſelerde, die zu— zuweilen chemiſch mit dem Kalke verbunden, zuweilen ſogar als Feuerſtein ausgeſchieden iſt. Kalktuff iſt eine erdige, ſchwammig poröſe, vielfach durchlöcherte Maſſe, die in den mannigfachſten Formen und Geſtalten auftritt und in der eine Menge organiſcher Nachbildungen getroffen werden.

Die dichten reinen Abänderungen der kohlenſauren Kalke widerſtehen der Verwittrung lange, doch werden ſie durch Einwir— kung des Froſtes nach und nach zerklüftet. Bei einem Gehalt von

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Eiſen überzieht ſich die Oberfläche mit einer Haut von Eifenoryd- hydrat. Die bituminöſen Theile werden durch den Einfluß von Licht, Luft und Waſſer zerſtört und dadurch die Außenflächen ge-, bleicht. Die thonigen Abänderungen, welche Waſſer einſaugen, zerfallen an der Luft bald und bilden einen vorzüglichen Boden; die kiesligen dagegen widerſtehen der Verwittrung lange und lie— fern eine ſchlechte Ackererde. Die Kohlenſäure wirkt am zerſtörend— ſten auf den kohlenſauren Kalk ein.

Beim Rothglühen entläßt der Kalk feine Kohlenſäure und es bleibt Kalk, den man Aetzkalk nennt, zurück; wird letzterer mit Waſſer beſprengt oder in Waſſer getaucht und ſchnell wieder her— ausgezogen, ſo dringt dies anfangs in die poröſe Maſſe ein und dann erfolgt die chemiſche Vereinigung des Waſſers mit dem Kalke, er zerfällt zu Pulver und verwandelt ſich in Kalkhydrat. Dieſe Umwandlung des Kalkes nennt man das Löſchen deſſelben. Wenn Kalkſtein, welcher Thon enthält, beim Brennen einer zu hohen Temperatur ausgeſetzt war, ſo findet in Folge der Bildung von kieſelſaurer Kalkerde ein Zuſammenſintern ſtatt und der Kalk löſcht ſich nicht mehr mit Waſſer; man ſagt alsdann, er ſei todt gebrannt. Reine Kalkerde iſt unſchmelzbar. Beim Löſchen des Kalks wird ſo viel Wärme frei, daß Schießpulver dadurch entzündet und Holz verkohlt werden kann; man hat daher vorſichtig mit gebranntem Kalke umzugehen, indem durch Vernachläſſigung und ſorgloſe Ueberwachung, bei Zutritt von Feuchtigkeit oder Regen, gar leicht Brände entſtehen können. In der Rothglühhitze entläßt das Hydrat ſein Waſſer und es bleibt reine Kalkerde zurück.

Der Kalk iſt im Waſſer nur wenig löslich; man erhält die Auflöſung, die Kalkwaſſer genannt wird, durch Filtriren der Kalk— milch, welch letztere beim Löſchen des Kalkes entſteht. Das Kalk— waſſer hat einen ſchrumpfenden alkaliſchen Geſchmack, reagirt ſtark alkaliſch und wirkt ätzend; es fällt Kohlenſäure, Kieſelſäure, Bor— ſäure und Phosphorſäure aus den Auflöſungen von Alkaliſalzen und es gehen daraus unlösliche Kalkſalze hervor. Bleioxyd löſt es auf. Die Kohlenſäure abſorbirt es mit ſo großer Begierde, daß es ſich der Luft ausgeſetzt ſofort mit einem Häutchen von kohlen— ſaurem Kalke überzieht.

Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 1 3

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Der Kalk findet in der Technik eine ſehr ausgedehnte Ver: wendung; er dient zur Darſtellung von Kali und Natronlaugen bei der Seifenfabrikation; man bereitet Chlorkalk aus ihm; man entzieht vermittelſt deſſelben dem kohlenſauren Ammoniak die Koh— lenſäure; man läutert mit ihm den Runkelrübenſaft, verwendet ihn beim Raffiniren des Zuckers, beim Bleichen, Färben und Gerben. Beim Bauen aber findet er die wichtigſte Verwendung als Mörtel.

Wenn man dem Aetzkalke den Sauerſtoff entzieht, ſo erhält man ein ſilberweißes Metall, Kalcium genannt, das an der Luft ſchnell wieder Sauerſtoff aufnimmt und wieder in Aetzkalk übergeht.

Der kohlenſaure Kalk beſteht aus 56,29 Kalk und 43,71 Koh: lenſäure; er findet ſich in der Natur ungemein häufig und ſteht neben der Kieſelerde als die gemeinſte und verbreitetſte Erdart un— ſerer Erdoberfläche da. Rein kommt er im isländiſchen Doppel— ſpathe und im weißen Marmor vor. Auf Gängen und Lagern er— ſcheint er in den ſchönſten Kryſtallen und Kryſtalldruſen in den mannigfachſten Farbenabänderungen. Als Gebirgsformation iſt er weitverbreitet und ungemein mächtig. Seltner in den ältern, viel häufiger in den jüngern Perioden, hält er mit der Thierwelt glei— chen Schritt; je mehr ſich dieſe vergrößerte und veredelte, in um ſo größrer Quantität trat auch der kohlenſaure Kalk auf der Erde auf. In der Grauwacke erſcheinen die erſten mächtigen und weit verbreiteten Ablagerungen deſſelben. In der Bergkalk- der Zech— ſtein- der Muſchelkalk- der Lias- der Kreide-Periode treten uns die ausgebreitetſten Maſſen in einer Mächtigkeit von Tauſenden von Füßen entgegen. Betrachten wir nur was die Juraformation allein in der Schweiz und Deutſchland für Flächen bedeckt, zu wel— chen Höhen ſie anſteigt und in welcher Stärke ſie abgelagert iſt! Am äußerſten Ende des Genferſees hebt ſie an, durchzieht die Schweiz, erreicht im Schweizerjura faſt die Schneelinie, ſetzt über den Rhein hinüber, begleitet die Donau und Pegnitz und endet er an den Quellen des Mains.

In großen unterirdiſchen Höhlenräumen ſtellt ſich uns der Kalk in den eigenthümlichſten Formen dar. Waſſer mit kohlenſau— rem Kalke geſchwängert durchdringen die Decken; beim Herabfallen von denſelben tritt die Kohlenſäure aus und es bilden ſich nun die

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eigenthümlichſten groteskeſten Tropfſtein-Bauten. Große Schaalen, tiefe Becher, Säulen mit geaderten, gewundenen, gehöckerten Schnörkeln ſind in den ſonderbarſten Gruppirungen in denſelben vertheilt. Zu mächtigen Gebirgsſtöcken und Lagern wachſen die 4 Travertin- und Tufflager als Gebilde der Jüngſtzeit in Italien an. In gewichtigen, eigenthümlich geformten Geſtalten, in Gipfeln und in Auswüchſen ragen die in hunderten von Meilen fortlaufen— den Mauern der Alpen zu den Wolken empor. Je höher dieſelben find und in je jüngeren Zeiträumen die Centralketten aus dem In: nern der Erde emporgehoben wurden, deſto größere Kalkmaſſen wurden zu beiden Seiten abgelagert.

In den höhern Regionen, wo die Luft feuchter und wegen ge— ringerer Vegetation eine vermehrte Quantität von Kohlenſäure vorhanden iſt, erfolgt die Auflöſung dieſer kohlenſauren Kalkmaſſen im vermehrten Maße. Täglich werden durch die den Gebirgen ent— ſtrömenden Waſſer große Quantitäten in die Ebenen herabgetragen, wo ſie nach Verluſt der Kohlenſäure die Ackerkrume vermehren, oder ſie ſchwimmen mit denſelben fort, geben den Fiſchen ihren Schup— penpanzer, ihre Floſſen und ihren Knochenbau, ſchützen die weiche Muſchel durch eine harte und dennoch leichte Schaale, treten in das Meer ein und bauen auch dort theils innere Gerüſte, theils ſchützende Schaalen für die Bewohner deſſelben. Durch die ver— dunſtende Macht der Sonne wird daher das Waſſer im reinen Zu— ſtande aus dem Meere aufgeſogen, Winde tragen es über die Feſt— länder, Kohlenſäure verbündet ſich mit demſelben, um die feſten Granite, die feſten kohlenſauren Kalke zu benagen, ihre harten Körper in flüſſige Löfungen zu verſetzen und ſie den Thieren und Pflanzen zur Nahrung, zur Ausbildung von ſchützenden Hüllen zu übergeben. Im reinen Waſſer ſind unſere ſtarren Geſteine nicht löslich, allein fo bald ſich etwas Kohlenſäure in fie verkrochen hat, dann iſt ihm nichts zu feſt, dann iſt ihm nichts zu hart, es läßt nicht locker, bis es die Zacken abgeſtumpft, die glattiten Flächen rauh gemacht hat. Wir können uns davon, wie die Kohlenſäure ihr Zerſtörungswerk beginnt und fortſetzt, durch einen kleinen Ver— ſuch ein recht deutliches Bild geſtalten. Wenn wir in ein mit Kalkwaſſer gefülltes Glas mittelſt einer Glasröhre die aus unſerer

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Lunge austretende kohlenſäurehaltige Luft einblaſen, fo wird ſich die waſſerhelle Flüſſigkeit trüben und eine milchweiße Farbe an: nehmen; ſetzen wir nun dieſes Einblaſen fort, ſo wird nach Verlauf nicht langer Zeit dieſe trübe Flüſſigkeit vermöge der im Ueberſchuſſe zugeführten Kohlenſäure wieder helle werden, oder mit anderen Worten der entſtandene kohlenſaure Kalk wird ſich an der vermehr— ten Kohlenſäure aufgelöft haben. Nehmen wir nun das Gläschen und erwärmen es, ſo tritt die überſchüſſige Kohlenſäure wieder aus und der von Neuem entſtandene einfach kohlenſaure Kalk fällt nun auf den Boden des Glaſes.

Unſere geſchichteten Kalkmaſſen haben ſich größtentheils auf dieſe Weiſe im Verlauf vieler Millionen von Jahren gebildet und wie wir weiter oben bei der Abhandlung über die Ackererde bereits kennen lernten, wurde auf dieſe Weiſe auch ein großer Theil der— ſelben hervorgerufen.

Ungemein wichtig iſt der Einfluß, welchen der kohlenſaure alk auf das Leben der Pflanzen und Thiere übt. Betrachten wir die geſchichteten Kalkniederlagen genauer, ſo finden wir in ihnen die Grabſtätten ungemein verbreiteter Thiergenerationen. Nicht allein nach jeder großen Erdrevolution, auch in den ruhigeren Zeit— verläufen ſanken die abgeſtorbenen Individuen auf den Meeresgrund nieder, wo ſie von mit kohlenſaurem Kalk geſchwängertem Waſſer umgeben waren. In dem Verhältniſſe, in welchem ſich die orga— niſche Materie verflüchtigte oder andere Verbindungen einging, ſetzte ſich der kohlenſaure Kalk an ihre Stelle, wodurch ihre Geſtalt ſo deutlich erhalten wurde, daß wir die Thiere jetzt noch ſo genau zu beſtimmen im Stande ſind, als die heute noch lebenden.

Bei weitem wichtiger iſt jedoch die Beziehung des kohlenſauren Kalks zur jetzigen noch lebenden Schöpfung. Eine Kleinigkeit flüſ— ſiger Kalkerde mit etwas Gallerte vermiſcht giebt den Lebenskeim zu den ſchön geſtalteten eigenthümlich zuſammengehäuften Korallen ab. Kalk iſt es, welcher das Schaalthier in die ſtürmiſch bewegte See ſicher hinausträgt. Von Kalk iſt das Haus conſtruirt, welches

die Schnecke auf ihrem Rücken trägt und in welches ſie ſich bei

Stürmen und Gefahren zurückzieht. Kalk iſt es, welchem der Fiſch

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ſein Grätengerüſte, ſeine Vertheidigungswerkzeuge, ſeine Schuppen— bekleidung, ſeine Segelſtangen verdankt. Kalk iſt es, welcher die weichen fleiſchigen Maſſen der Schildkröten, der Krokodile vor Zerſtörung ſchützt. Im Kalke birgt der Vogel nicht allein ſein Junges, durch ihn wird es ihm auch möglich die Lüfte zu durch— ſegeln und ſich auf dem Erdboden zu bewegen, denn ſein Ei, das innere Gerüſte ſeiner Flügel, ſeiner Füße und die übrigen Knochen ſind aus Kalk erbaut; damit ſie aber wie das Knochengerüſte der Säugethiere und des Menſchen mehr Feſtigkeit erlangen, wurde bei den höhern Thierklaſſen der Kalk größtentheils an Phosphorſäure gebunden. Für die ungeheure Zahl der Thierindividuen liefert da— her der im Waſſer gelöſte doppelkohlenſaure Kalk das Material, welches nach deren Abſterben der Erde wieder anheimfällt. Wie in der Jetztzeit durch die Polypen, welche mit ihren langen Fang— armen einen weiten Umkreis beherrſchen, um dem Meerwaſſer ja kein Finzelchen Kalk, welches in Kohlenſäure gelöſt iſt, zu belaſſen, um dadurch Riffe, Inſeln, ja große Länderflächen aufzubauen, ſo haben in den früheren Schöpfungsepochen in den jedesmaligen Oceanen durch die vereinte Thätigkeit vieler Milliarden ſichtbarer und unſichtbarer Muſcheln ſich die überaus mächtigen Kreidefelſen conſtruirt, die mit ihren weißen, zerriſſenen und gerundeten ſchroff aufſteigenden Wänden nicht allein große Küſtengebiete beherrſchen, ſondern in ſanfter Verflächung auch große Landſtriche bilden.

Wenn wir nun auch durch das Waſſer, welches wir täglich genießen, einen großen Theil der Kalkerde, die wir zum Aufbaue unſers Knochengerüſtes gebrauchen, zugeführt bekommen, ſo reicht dies doch lange noch nicht aus, ſondern die Pflanzen ſind es, welche uns mit derſelben zugleich auch die beim Aufbaue unbedingt nöthige Phosphorſäure in größeren Mengeverhältniſſen zuführen; denn die Kalkerde iſt nicht allein in den Knochen, ſie iſt auch im Fleiſche und Blute zu Hauſe und hat hier geheimnißvolle Funktionen zu beſor— gen. Wenn auch die meiſten Pflanzen kohlenſauren Kalk in ſich aufnehmen, ſo iſt dies in Bezug auf die Quantität doch ſehr ver— ſchieden. Die Erbſen, die Bohnen, der Klee enthalten weit mehr als die Cerealien; ebenſo ſind die Weinreben, die Mandeln, die Kakaobohnen, der Hopfen, der Taback, der Flachs, die Oelſaamen

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reichlicher damit verſorgt. Nicht unbedeutend ift der Gehalt der Bäume an kohlenſaurer Kalkerde und enthält die Rinde bei weitem mehr, als das Holz; bei ihnen hat ſogar die Jahreszeit einen mäch— tigen Einfluß auf dieſen Gehalt und im Herbſte findet man den— ſelben doppelt ſo hoch wie im Frühjahre. Die Nadelhölzer enthal— ten aber auch mehr Kalk, als die Laubhölzer und nur das Kiefernholz macht eine Ausnahme davon, auch nimmt der Gehalt von der Wurzel nach dem Gipfel hin ab, ſo daß die Blätter am wenigſten davon enthalten.

Aus dem allem können wir auf das Deutlichſte entnehmen, was der kohlenſaure Kalk für ein äußerſt wichtiger Beſtandtheil unſerer Ackererde iſt, denn er giebt der Pflanze zugleich mit den übrigen Erden nicht allein das Material zur Befeſtigung der Wur— zeln, er liefert ihnen auch die durchaus nothwendige Nahrung. Ackererden, die daher nur geringe Antheile dieſer Erdart enthalten 3: B. verſchiedene Sande, müſſen dieſelbe zugeführt bekommen. Man bezweckt dieſes am beſten durch Mergel, wobei man dem Bo— den zugleich auch noch Thonerde übergiebt. Der Mergel iſt daher, abgeſehen von ſeinen übrigen ſchätzbaren Eigenſchaften als Sauger, wie wir weiter unten ſehen werden, zugleich auch als Dünger zu betrachten und wird als ſolcher noch lange nicht genug verwendet, wenigſtens ſollte dies im Großen bei der Waldbewirthſchaftung nach einem großen Maßitabe geſchehen.

Ganze Flächen unfruchtbaren Sandes, auf denen ſich kaum einzelne ſtruppige Kiefern zu ernähren vermögen, ſtellen ſich gleich— ſam als der Ruin einer Gegend dar; wie üppig würde ſich auf ihnen die Vegetation geſtalten, wie ſich der Zuwachs ſteigern, wenn man dieſe Flächen mergelte, um dem Boden hierdurch die nöthige Kalkerde zu verſchaffen, welche durch die fortgeſetzte Bebauung ver— loren ging. Wir ſahen ſo eben: daß die Nadelhölzer mehr Kalk als die Laubhölzer enthalten: daß hiervon die Kiefer aber eine Ausnahme mache; wir finden dies in der Natur genau beſtätigt. Wenn kein anderer Baum auf einer ausgeſogenen Sandfläche fort— kommt, dann erſcheint die Kiefer. Auf dem dürrſten kieſelreichſten Boden erhält ſie ſich, ſo lange derſelbe noch etwas Kalk in ſeiner

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Miſchung hat; fehlt aber auch dieſer, dann vermag fie ihren Stamm nicht mehr emporſteigen zu laſſen: verkrüppelt bleibt ſie am Boden liegen, eine Menge ganz ſchwacher Triebe ſchickt ſie, gleichſam als Fangarme, nach allen Seiten, um ſo gleichſam in der Luft die ihr fehlende Nahrung zu ſuchen, ſie hat Heißhunger nach Kalk. Liegen ſolch ausgemergelte Sande an Abhängen, wo die Gewalt des Regens, der Waſſer, des Froſtes Bänke ablöſt, die zerfallend von Neuem loſe Sande bilden, ſo gewahrt man auf dieſem friſchen Boden ungemein ſchnell das Herauskommen von Eichen und Fichten, die Kiefer ſelbſt aber treibt in einem Jahre Schüſſe von einer Kraft und Fülle, die ſie auf dem daneben liegen— den ausgemergelten Boden in 20 Jahren nicht erlangt haben würde.

Die Aſchenmengen, welche der Wald dem Boden entnimmt, ſind im Vergleiche zu denen, welche die Culturgewächſe für ſich in Anſpruch nehmen, nur gering und zeigen im Allgemeinen: daß es nicht nöthig ſei, bei der Waldwirthſchaft einen Wechſel der Holz— arten eintreten zu laſſen; dieſer macht ſich vielmehr von ſelbſt und ſo ſehen wir denn immer die Kiefer mit ihrem geringen Kalkgehalte als die Nachtreterin der edlern Holzarten, ſie erſcheint erſt dann, wenn die übrigen nicht mehr gedeihen.

Mit wenig Koſten wären große Sandflächen mit Mergeln, die reich an Kalkerde ſind, zu überführen; was würden dadurch für günſtige Reſultate erzielt, wie würde der Zuwachs geſteigert wer— den! Die Herren Forſtmänner mögen dies ſehr beherzigen; denn einem armen Sandboden entzieht die Waldwirthſchaft in einer 1000jährigen Zeitperiode gegen 300 Entr. Kalk pro Acker.

Aber auch auf unſern Feldern erlangen wir durch Ueber— ſtreuungen mit gebranntem Kalke ganz vorzügliche Erndteergebniſſe, ſelbſt dann, wenn eine Ackererde an ſich hinlängliche Quantitäten von kohlenſaurem Kalke enthält. Hier wirkt er dann aber nicht unmittelbar als Nahrungsmittel, ſondern als Aufſchließer eines oder mehrerer derſelben. Namentlich wirkt er in dieſem Zuſtande als Hervorrufer von Kali, Natron und löslicher Kieſelerde. Der Aetzkalk geht nämlich bei Anweſenheit von Waſſer mit den Silica— ten neue Verbindungen ein und bildet Kalkſilicate, während die

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Alkalien frei werden und dann ausgezeichnet auf den Pflanzen⸗ wachsthum wirken ). | Nachdem wir nun den kohlenſauren Kalk und deſſen günftige Einwirkung auf die Vegetabilien kennen gelernt haben, müſſen wir noch einen Augenblick bei einer andern Verbindung dieſer Baſe ſtehen bleiben: es iſt die mit Schwefelſäure zu Gyps. Auf eigent- lichem Gypsboden, oder wo dieſes Geſtein in der Mengung vor— herrſcht, finden wir in der Regel nur eine kümmerliche Vegetation; dagegen thut der Gyps als Düngemittel oft wahre Wunder. Allein er erweiſt ſich bei der Landwirthſchaft nur inſofern von Nutzen, als er bei der freiwilligen Zerſetzung des vegetabiliſchen Düngers mit ammoniakaliſchen Stoffen vermengt eine doppelte Zerſetzung herbei— führt, wie von Fellenberg ſehr einſichtsvoll entwickelt wurde. Nach dieſer Zerſetzung athmen die Sauger das gebildete ſchwefel— ſaure Ammoniak auf und geben es je nach Bedarf an die Pflanzen ab; der Gyps aber wird zu kohlenſaurem Kalke und dieſer kann beim Fehlen in dem Boden dann als eigentliches Düngemittel an⸗ geſehen werden. Wo der kohlenſaure Kalk nicht nothwendig iſt, thut jedes Salz, deſſen Säure mit dem Ammoniak eine bei gewöhn— licher Temperatur nicht flüchtige Verbindung eingeht, dieſelben Dienſte. Der Gyps wirkt alſo in der Weiſe vorſorgend, daß ſich das im Miſte als ſo wichtiger Düngſtoff enthaltene Ammoniak nicht verflüchtige. |

) Der kohlenſaure Kalk verbindet ſich auch mit dem äußerſt wichtigen Pflanzennahrungsmittel, dem Humus, und macht ihn dadurch in Waſſer löslich und den Pflanzen zugänglich.

Thonerde.

Die Thonerde findet ſich in der Natur mehr oder weniger rein und in Verbindung mit Kieſelerde im Thone und in vielen Mineralien z. B. im Feldſpathe, wo fie im Granit im Porphyre u. ſ. w. in großer Menge anzutreffen iſt. Mit Phosphorſäure ver— bunden findet ſie ſich im Wavellit. Sie beſteht aus einem Me— talle, Aluminium genannt, und aus Sauerſtoff. In neuerer Zeit hat man die Darſtellung dieſes Metalls in größeren Mengen ver— ſucht; es iſt dem Silber ſehr gleich und würde bei ſeinen ausge— zeichneten Eigenſchaften vielleicht das Platin übertreffen, wenn erſt Wege aufgefunden ſind daſſelbe billig in großen Quantitäten herzuſtellen; bei der großartigen Verbreitung der Thonerde würde dadurch ein nicht zu berechnender Umſchwung in der Induſtrie ein— treten. Die Thonerde iſt das einzige Oryd des Aluminiums und man nimmt, da ſie dieſelbe Kryſtallform wie das Eifenoryd hat, an: daß ſie genau ſo wie jenes zuſammengeſetzt ſei: daß ſie alſo 2 Atome Metall und 3 Atome Sauerſtoff enthalte. Rein und nur mit einer Spur von Farbſtoff vereinigt findet ſich die Thonerde im Sapphir und Rubin, die dem Diamante bezüglich der Härte nur wenig nachſtehen. Ein Hydrat der Thonerde erhält man aus Alaun. |

Die Thonerde ift ein weißes, geſchmackloſes Pulver. In der äußerſt heftigen Hitze des Knallgasgebläſes ſchmilzt ſie zu einem farbeloſen Glaſe. Iſt ſie geglüht, dann löſt ſie ſich in Säuren nur ſehr ſchwer. Sie zieht das Waſſer mit großer Begierde an und nimmt in feuchter Luft 15 Waſſer aus der Atmoſphäre auf. Das Thonerdehydrat iſt im feuchten Zuſtande gallertartig und durch—

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ſcheinend wie Stärkekleiſter; beim Trocknen zeigt es ſich wie eine gummiartige Maſſe. Im Waſſer iſt es vollkommen unlöslich, aber in Säuren und den feuerbeſtändigen Alkalien iſt es leicht löslich. Für organiſche Stoffe hat das Thonerdehydrat eine ſtarke An— ziehungskraft, es zieht dieſelben aus Waſſer an und bemächtigt ſich der in demſelben gelöſten Farbeſtoffe. Dieſe Eigenſchaft macht die Thonerde in der Fabrikation von Lackfarben und in den Fär— bereien zum Färben von Zeugen äußerſt wichtig. Mit Kieſelerde bildet ſie eine für die Landwirthſchaft und die Gewerbe ungemein wichtige Verbindung, den Thon. Als reine Abänderungen unter— ſcheiden wir den Porzellan- und Pfeifenthon; iſt Sand und Eiſen— oxyd beigemiſcht, fo entſteht Lehm; bei einem Zuſatze von Kalk aber Mergel. Miſcht man Sand mit Thon und brennt das Ge— menge, ſo erhält man im reineren Zuſtande Steingut, ſonſt Töpfer— waaren und Ziegeln. Mengt man dem weißen Thon etwas Kalk bei, ſo bekommt man Porzellan. Der Thonſchiefer, die Walkerde, der Smirgel enthalten viel Thonerde und ebenſo der Alaun, wes— halb man die Thonerde auch Alaunerde nennt.

Die Thonerde bildet einen außerordentlich werthvollen Ge—

mengtheil der Ackererde und obſchon dieſelbe keinen directen Ein-

fluß auf die Pflanzenernährung übt, alſo kein eigentliches Nah— rungsmittel für dieſelben abgiebt, indem ſie nicht wie die Kieſel— und Kalkerde in den Aſchen der Pflanzen enthalten iſt, dies übrigens auch nicht möglich wäre, indem ſie weder im reinen, noch im kohlenſäurehaltigen Waſſer löslich iſt, ſo würden dennoch ſchlechte Erndten erzielt werden, fehlte ſie dem Boden. Sie ſtellt ſich als einer der kräftigſten Sauger dar, und genau ſo wie ſie ſich der Farbeſtoffe in der Färberei bemächtigt und ſie aus Flüſſigkeiten an ſich ſaugt, ſo verfährt ſie mit den flüſſigen Nahrungsbeſtand— theilen der Pflanzen; fie ſpeichert daher Sauerſtoff, Kohlenſäure, Ammoniak, die ihr durch die Luft, die ihr durch den Regen und ſonſtige Waſſer, die ihr durch den Miſt zugeführt werden, in ſich auf und tritt ſie zu der Zeit, wo es die Pflanzen nöthig haben, an dieſe ab; ſie verbündet ſich zu dieſem Zwecke mit dem Humus, dem Eifenoryde und der Kohle, welche dieſelben Eigenſchaften bes ſitzen. Bei dieſer unausgeſetzten Aufnahme und den dabei ſtatt—

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findenden chemischen Umänderungen fefter Körper in gasförmige wird eine bedeutende Menge von Wärme frei, woher im gut be— düngten und aufgeloderten Boden im Sommer, bei einer äußern Lufttemperatur von 25 Grad, das Thermometer 24 Grad Wärme mehr nachweiſt; da aber die Vegetation eine bedeutende Wärme nöthig und da ein Boden um ſo mehr Sauerſtoff, Kohlenſäure und Ammoniak aus der Luft und aus dem Regen aufſaugen wird, je lockerer er iſt, ſo verſäume man es ja nicht durch gute Acker— geräthſchaften die Auflockerung ſo weit zu treiben, als es nur immer in der Möglichkeit liegt und dies ſo oft zu wiederholen, als der Boden wieder feſt geworden iſt oder es die Pflanzen bezüglich ihres Heranwachſens vertragen. Die Landwirthe kennen die Eigen— ſchaften ihrer Bodengattungen recht gut, fie nennen den Kieſel- fte nennen den Kalkboden, welcher wenig Thonerde enthält, einen kalten. In Folge dieſer Eigenſchaft iſt er unfruchtbar, die Düng— ſtoffe werden bei geringer Bodenwärme nicht nur nicht zerſetzt, ſon— dern da ihnen die Sauger fehlen, kann er auch keine Nahrungstheile aus der Luft aufnehmen; da ihm überdies, im Bezuge hierauf, bei heißer Witterung auch die Feuchtigkeit fehlt, indem die Thonerde auch ein vorzüglicher Waſſerſauger iſt, ſo werden in der trocknen Jahreszeit die ſpärlich erwachſenen Früchte auch noch verdorren.

Der Mergel, welcher Kalk- und Thonerde zugleich in ſeiner Mengung enthält, thut daher auf ſolche Bodenarten gebracht Wunder, indem er die chemiſche Thätigkeit des Bodens erweckt und befördert, indem er Sauger zuführt, ohne welche die Landwirth— ſchaft nicht beſtehen könnte. Schon Gasparin hebt die Fähig— keit des Thonbodens hervor, ammoniakaliſche Gaſe aufzufaugen und daraus erklärt ſich die Beobachtung der Landwirthe beim Wiederanbau eiſenorydhaltiger, längere Zeit unbenutzt gelegener und dann wieder angebauter thoniger Boden, welche während ihres Ruhens eine Menge von Sauerſtoff, Kohlenſäure und Am— moniak aufgeſogen und in ſich feſtgehalten haben; gerade dieſe ſind es, die dann außerdem durch die Zerſetzung von Silicaten während der Ruhezeit auch noch Kali und Natron, ſo wie lösliche Kieſelerde im Ueberfluſſe aufſpeicherten und auch durch dieſe ſo günſtig auf die Erndteergebniſſe wirken.

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Jacquelin hat durch Verſuche nachgewieſen: daß die kohlen— ſauren Salze der Erden- und Metalloryde, ſelbſt bei nur 20° R. und bei gewöhnlichem Luftdrucke, unter dem Einfluſſe eines Stro— mes von Waſſerdampf oder auch nur von feuchter Luft Kohlen: ſäure ausgeben. Er ſchreibt dieſem Umſtande die wohlthätigen Einflüſſe des Mergelns bei der Einwirkung ſtarker Sonnen— wärme und der Anweſenheit von Luft zu. Der Mergel wird ſich dabei erwärmen, erſt Waſſer, dann aber Kohlenſäure ausgeben, wodurch alſo eine reichliche Quelle von Kohlenſäure, deren Kohlen— ſtoff die Pflanzen in ihr Gewebe aufnehmen, entſteht. Er folgert: daß die beſtändige Abgabe im Sommer dieſe kohlenſauren Verbin— dungen die Kalke und Mergel etwas baſiſch mache; im Winter aber, wo die Temperatur niedrig ſteht, würden ſie ihren vollen Kohlenſäure-Gehalt wieder aufnehmen. Auf dieſe Weiſe

ſollen fie die Vorrathskammern von Kohlenſäure für den Som-

mer bilden. |

Unbedingt ift jedoch die Eigenschaft der Thonerde, gasförmige und wäßrige Flüſſigkeiten in ſo bedeutender Menge aufzuſaugen, von größerer Wichtigkeit für den Pflanzenernährungs-Prozeß und deshalb das Mergeln kalter unfruchtbarer Felder von außerordent— licher Tragweite für die Landwirthſchaft.

Auch im gebrannten Thone ftellt ſich uns ein ausgezeichnetes Düngmittel dar; um ſeine Wirkung in dieſer Beziehung hervor— zuheben, müſſen wir auf ſeine Zuſammenſetzung zurückgehen. Wie bekannt gehen unſere Thone aus der Zerſetzung feldſpathhaltiger Geſteine hervor; fie find alſo mit unzerſetzten Feldſpath-Glimmer— Granit-Porphyrſtückchen u. ſ. w. gemengt und enthalten außer:

dem noch Kalk- und Bittererde, ſo wie Eiſenoxyd. Die Kalkerde

iſt oft in ſo reichlicher Menge in ihm enthalten, daß er ſich zum Ziegelbrennen und zur Darſtellung von Töpferwaaren nicht be— nutzen läßt. Da nun faſt alle Bodenarten Kalk, Bittererde, Eiſen— oxyd, Kieſelerde enthalten, ſo darf die günſtige Wirkung des ge— brannten Thons nicht in ihnen geſucht werden, es iſt vielmehr das Kali, das Natron und die lösliche Kieſelerde des noch unzerſetzt in ihm befindlichen Feldſpathes, welche die Befruchtung bewirken. Wir ſahen weiter oben: daß die Alkalien und die Kieſelerde durch

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kohlenſäurehaltiges Waſſer bedingt werde und find es daher auch lediglich und allein die Silicate, welche die unerſchöpfliche Quelle des Kalis bilden. Wenn dem Boden durch langjährige Bebauung dieſe Quelle verſtopft wird, ſo ergiebt ſich als Reſultat ein un- fruchtbarer Acker; durch das Brachen gab man dem Felde in frühe— rer Zeit Veranlaſſung ſich dieſes Nahrungsmittel wieder zu ver— ſchaffen; das was man vermittelſt deſſelben aber erſt im Verlaufe eines ganzen Jahres erlangt, erzielt man durch das Brennen des Thones in einem Tage und wird dadurch nicht allein die Auflös— lichkeit der Alkalien befördert, ſondern auch die Saugfähigkeit vermehrt.

Wenn der Kalk im Thone durch doppelte Zerſetzung und Bil— dung von Kalkſilicat und kohlenſaurem Kalk die unlöslichen Sili— cate von Kali und Natron löslich macht, ſo muß ein Zuſatz von Kalk zu einem an dieſem Stoffe armen Thon die Menge des lös— lichen Kalis und Natrons erhöhen. Es iſt daher eine Mengung von Thon und Kalk vor dem Brennen ſehr anzurathen, denn Pro— feſſor Fuchs fand: daß wenn mäßig gebrannter und gepulverter Feldſpath mit gebranntem Kalke und Waſſer einige Zeit gekocht oder nur digerirt werde, hierbei ungemein reichliche Mengen von Kali ihre Freiheit erlangen, ſo daß man dieſen Prozeß zur Vor— ſtellung von Kali im Großen wählen könne. Er zeigte dabei: daß ſich ein unlösliches Kaliſilicat und lösliches kohlenſaures Kali bilde.

Bittererde.

Die Bittererde, ein ſehr lockres zartes weißes Pulver, iſt vor dem Knallgasgebläſe etwas ſchmelzbar. Wenn man Chlormagne— ſium mit Natrium in einer Röhre von hartem Glaſe ſchmilzt, ſo

verbindet ſich das Natronmetall unter heftigem Erglühen mit dem

Chlor und beim Behandeln mit Waſſer bleibt das Magneſium in kleinen Kügelchen zurück, welche unter einer Decke von Chlor— natrium zu größeren Kugeln unter Anwendung gelinder Rothglüh— hitze zuſammengeſchmolzen werden können.

Das Magneſium iſt von ſilberweißer Farbe, läßt ſich hämmern und ſchmilzt in der Rothglühhitze. In feuchter Luft oxydirt es an der Oberfläche, in trockner nicht. In ſtärkerer Rothglühhitze ver— brennt es unter Ausgabe eines großen Glanzes zu Bittererde.

Mit Waſſer verbindet ſich die Bittererde zu einem Hydrate, jedoch lange nicht ſo begierig, als die Kalkerde. Das natürliche Hydrat, mehr noch als das künſtliche, zeichnet ſich durch einen Perl— mutterglanz aus und iſt fettig anzufühlen, wie der Asbeſt, Speck— ſtein, Talk ſo deutlich nachweiſt. Im kalten Waſſer löſt ſich die Bittererde beſſer, als im heißen; 5142 Theile Waſſer von 15° nehmen 1 Theil auf, während 36000 Theile heißes Waſſer erſt die— ſelbe Wirkung thun. Meiſtens haben die Bittererdenſalze einen bittern Geſchmack und bekamen dadurch ihre Benennung. Wie wir gleich ſehen werden ſind Verbindungen von kohlenſaurer Bittererde und kohlenſauren Kalken in der Natur als Bitterſpath oder Dolo— mite ſehr verbreitet. Die kryſtalliſirte Verbindung, welche gleiche Aequivalente beider Salze enthält, hat die Kryſtallformen des Kalkſpathes und wird Bitterſpath genannt. Die Dolomite löſen

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ſich ebenfalls in Kohlenſäure enthaltendem Waſſer auf, jedoch nicht ſo leicht als die kohlenſauren Kalke; wenn daher Bitterkalk und kohlenſaurer Kalk mit einander gemengt ſind, und es wirkt kohlen— ſäurehaltiges Waſſer auf das Gemenge, ſo löſt ſich das letztere früher auf und es bleibt der Dolomit als eine poxröſe Maſſe zurück.

Wenn auch die Talkerde nicht fo verbreitet wie die Thonerde iſt, ſo findet ſie ſich doch in einer Menge von Mineralien und in vielen Gebirgsarten; wer kennt nicht die eigenthümlich gebildeten, in den groteskeſten Felsmaſſen erſcheinenden, ſchroffen, überhängen— den, nach allen Richtungen durchlöcherten Dolomit-Maſſen, die in den Alpen ſoweit verbreitet, aber auch in den älteren Formatio— nen z. B. im Zechſteine fo vielfach zu treffen find? Wie die Thon— erde allein, ſo bildet die Talkerde in Miſchung mit jener einen ge— ſchätzten Edelſtein, den Spinell, deſſen hochrothe Abänderungen unter dem Namen Rubin-Spinell theuer bezahlt werden. Außerdem ſetzt ſie den Pinit, Sapphirin, Chryſolith, Bitterſpath, Beilſtein, Boracit, Schörl, Dichroit, Broacit, Gabbro mit zufammen. In größeren Maſſen abgelagert findet ſie ſich als Talk, Speckſtein, Meerſchaum, Serpentin. Außerdem im Syenite, Grünſteine, Au— gitfelſe, Augitporphyre, Dolerite, Baſalte, Melaphyre, im Grün— ſteine, im Dolomite, in vielen kohlenſauren Kalken und andern Gebirgsarten.

Schon Giobert ſtellte die Behauptung auf: daß kohlenſaure Magneſia auf die Vegetation einen wohlthätigen Einfluß übe und daß ſie den kohlenſauren Kalk erſetze. Wenn, wie wir weiter oben beim Natron bereits ausſprachen, ſolch gegenſeitige Erſetzungen beim Pflanzenernährungsprozeſſe auch nicht ſtattfinden, indem ſie der Natur und deren ſo wohl geordneten Einrichtungen vollkommen widerſprechen, ſo ſind die Einflüſſe der kohlenſauren Bittererde auf die Gewächſe doch um deshalb nicht zu verkennen, weil ſie wie be— reits ausgeſprochen einen weſentlichen Beſtandtheil ſo vieler und namentlich der Aſchen der Nahrungspflanzen bilden. Durch ſie ge— langen ſie in den thieriſchen Leib und ſchon die wichtigen Funktionen der Bittererde im Fleiſche und Blute weiſen dahin: daß ihre An— weſenheit in den Pflanzen durchaus nothwendig ſei.

Die Verſuche des Fürſten von Salm-Horſtmar haben dies

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nicht allein, ſondern auch überdies noch nachgewieſen: daß die Talkerde die Kalkerde beim Vegetationsprozeſſe nicht zu vertreten vermöge. Eine Haferpflanze, ohne Kalkerde in einer Bodenmiſchung, die ſonſt allen Anforderungen des Pflanzenwuchſes entſprach, ge— zogen, ſtarb, ehs ſie das zweite Blatt entwickelt hatte, obſchon Talkerde genug vorhanden war; dagegen blieb dieſelbe ohne letztere ſo ſchwach und ſchmächtig, daß ſie ihren Stängel nicht zu erheben vermochte; die Farbe war abnorm und die Blüthenbildung war ſo verändert, daß die verkrüppelten Blüthen ohne Frucht blieben. Wenn die Bittererde auch nicht in größerer Quantität, ſo iſt ſie doch mit der Kalkerde in faſt allen Bodenarten enthalten, denn ihre Zuführung in dieſelben geſchieht auf dieſelbe Weiſe wie von jener und ſogar durch den menſchlichen und thieriſchen Dünger wird ſie den Feldern und Wieſen wieder zurückgegeben. Nicht zu verkennen iſt jedoch: daß der rationelle Oeconom dennoch ein aufmerkſames Auge bezüglich des ausreichenden Vorhandenſeins dieſer Erde in ſeinem Boden haben müſſe, denn da, wie ausgeſprochen, ſie einen weſentlichen Beſtandtheil einer großen Menge von Cerealien ab— giebt, da ſie in den Oelfrüchten, den Rüben, den Bohnen, dem Maiſe über 9, im Heue aber etwas weniger beträgt, ſo können wir uns nicht allein erklären, warum Raps und Rüben ſo vortreff— lich auf gutem dolomitiſchen Boden gedeihen, ſondern erhalten zu— gleich darüber Aufſchluß: warum das Düngeſalz aus Salinen, wel— ches außer Gyps und andern Salzen viel ſchwefelſaure Bittererde enthält, ſo günſtig auf lange nicht bedüngte Wieſen einwirkt. Der vorſorgende Landwirth verſehe daher ſeine Felder und Wieſen, namentlich in Gegenden wo Sandboden vorherrſcht, auch zeitweiſe vermittelſt des Düngeſalzes aus Salinen mit dieſem wichtigen Nahrungsmittel. Ein Zuviel kann beim Beſtreuen eines Morgens mit 2 Ente. deſſelben dem Boden nicht übergeben werden; wenn da— gegen ein ſolcher Mangel daran leidet, ſo wird er ſind auch alle andern Nahrungsmittel in reichlichſter Fülle in ihm enthalten dennoch ſchlechte Erndten bekommen. Mit dem Düngeſalze aus den Salinen übergiebt man dem Boden zugleich aber noch andere wich— tige Düngſtoffe z. B. Natron, Schwefelſäure u. ſ. w.

Eiſen.

Einer der wichtigſten Grundſtoffe, welcher in allen Gefteing- arten in größeren oder kleineren geſonderten Quantitäten, in Lagern, auf Gängen und in Stöcken, oder als Gemengtheil in verſchiedenen Verbindungen mit Sauerſtoff, mit Chlor, mit Koh— len⸗ Phosphor- und Kieſelſäure vorkommt, iſt das Eiſen. Da wo das Eiſen im gewöhnlichen Leben uns bei jeder Verrichtung durch die Hände läuft, wo wir mit ihm im Dampfwagen die Luft, im Dampfſchiffe das Waſſer durchfliegen, wo es der Träger ſämmt— licher Arbeiten iſt, ohne deſſen Vorhandenſein die menſchliche Thätig— keit ſtille ſtehen würde, da dringt ſich uns deſſen Unentbehrlichkeit in jedem Augenblicke auf; da aber, wo es noch ſo geheimnißvoll und doch fo außerordentlich kräftig wirkt, wie im Pflanzen- und Thierreiche, da iſt es noch zu wenig beachtet.

Bei der allgemeinen Verwendung, welche das Eiſen im ge— wöhnlichen Leben erlangt hat, iſt es gleichſam das Wetterglas der Bodenbebauung und Induſtrie, alſo der Wohlfahrt einzelner Staaten. Je großartiger die Quantitäten find, die ein Staat dar- ſtellt und verbraucht, deſto rationeller wird deſſen Landwirthſchaft, deſto umfangreicher wird deſſen Bergbau, deſto vollkommner und großartiger deſſen Induſtrie betrieben werden. Dabei werden ſich die Bewohner aber auch ungemein wohl befinden und der Staat ſelbſt eine große Macht entfalten. An kein anderes Metall iſt die Gewinnung der nothwendigſten Lebensbedingungen ſo innig gebun— den, ſind die Verkehrs-Erleichterungen und Vertheidigungsmittel ſo feſt geknüpft als an das Eiſen; was wäre aber auch Ackerbau, Bergbau, Handel, was Induſtrie und Fabrikweſen ohne dieſes

Engelhardt, die Nahrung der nn 14

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Metall? Die Entwicklung der Kultur und die Ausbildung der civiliſirten Völker hängt von dem Eiſen ab, ohne daſſelbe wäre Volksglück und Wohlſtand ein Wahn. Der Verbrauch des Eiſens iſt daher der Gradmeſſer der Civiliſation; je höher derſelbe in einem Staate ſteht, deſto mehr wird ſich die geiſtige Entwicklung auch heben. N

Die Weisheit unſers Schöpfers kann daher bezüglich der Verbreitung dieſes wichtigen Metalls nicht ſehr genug bewundert werden; denn allgemeiner und reichlicher wird kein anderes Erz getroffen und keinem Lande iſt es vorenthalten. Wir wiſſen: daß das Eiſenoxyd, Eiſenorydul, Eiſenorydorydul und Eiſenorydhydrat nicht allein einen in den meiſten Mineralien enthaltenen chemiſchen Beſtandtheil abgiebt, ſondern daß das Eiſen in Verbindung mit Schwefel zu Schwefelkies einen durch alle Gebirgsformationen laufenden Begleiter faſt aller Geſteine ausmacht. Als Meteor— eiſen fällt es in größern oder kleineren Stücken aus der Atmoſphäre auf die Erde. Als Chloreiſen ſteigt es in Geſellſchaft von Gaſen aus den Kratern und Spalten thätiger Feuerſpeier und wandelt ſich dabei in die ſchönſten Kryſtallgruppirungen von Eiſenglanz um. Stets führen uns die Quellen kohlenſaures Eiſenorydul aus dem Erdinnern zu, was ſich an der Oberfläche in Eiſenorydhydrat verwandelt und in ſumpfigen Gegenden mit Phosphorſäure Raſen— eiſenſtein bildet.

Was aber die eigentlichen Eiſenerze betrifft, aus denen das nützlichſte aller Metalle dargeſtellt wird, ſo gehen dieſelben in zwei weſentlich von einander verſchiedenen Reihen und zwar als Oxyd— orydule und Oxyde und als kohlenſaure Eiſenoxydule und Eiſen— orydhydrate durch die meiſten Gebirgsformationen. Erſtere, rein oder mit Kieſel und kieſelthonigen Subſtanzen verbunden, erſchei— nen auf Gängen, Lagern und Stöcken der kryſtalliniſch-körnigen, kryſtalliniſch-ſchiefrigen- und der Grauwacken-Geſteine, während letztere ihren Hauptanfang in der Grauwackengruppe nehmend, in Lagern, in Gängen und in Stöcken durch die Kohlen-Kalk- und Kohlenſandſteine bis in die jüngſten Kalkſteine in oft ſehr beträcht— licher Verbreitung fortſetzen und ſelbſt ſehr vielen Kalkſteinen in geringen Quantitäten beigemengt ſind. Letztere ſind es, die uns

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beim Vegetations-Prozeſſe am meiſten intereſſiren, weil ſie, wie die ſie begleitenden Kalke, in kohlenſäurehaltigen Waſſern auflös— lich und ſo den Pflanzen leicht zugänglich ſind. Erſtere dagegen er— weiſen ſich als Sauger eines der wichtigſten Nahrungsmittel, des Stickſtoffs und des Ammoniaks; woher auch die Erſcheinung rührt: daß die Arbeiter in allen andern Gruben namentlich in denen wo Steinkohlen- und thonige Maſſen gegraben oft fo un— gemein von ſchlechten Wettern (Luft) beläſtigt werden, während ſie ſich in Eiſenſteinbergwerken ganz wohl befinden, denn in letz— teren wird durch die Aufſaugung des ſich entwickelnden ſchädlichen Stickgaſes die Lebensluft ſtets rein erhalten. Unſer allwaltender Schöpfer iſt bei Spendung dieſes für die menſchliche Geſellſchaft vollkommen unentbehrlichen Elements in ſo bedeutenden Quan— titäten, die nach allen Richtungen hin verbreitet ſind, ungemein vorſorgend zu Werke gegangen. Im Leben des Menſchen ſpielt es die wichtigſte Rolle. Zur Herſtellung einer vollkommnen Blut— miſchung iſt nämlich das Eindringen des Sauerſtoffs in den gan— zen Körper unentbehrlich, weil derſelbe durch die Verbrennung des Kohlenſtoffs nicht allein die nothwendige Wärme herbeiführt, ohne welche weder Ernährung noch Zellenbildung möglich wäre, ſon⸗ dern weil er auch zur Verwandlung der zu Zellen zu verarbeitenden, fo wie der ueuaufgenommenen Nahrungsftoffe und der abgeſtorbe⸗ nen Zellenbeſtandtheile zur Ausſonderung, Auswurf die alleinige Veranlaſſung giebt. Die Aufnahme des Sauerſtoffs fin— det aber in den Lungen ſtatt und wird durch das Eiſen des Blutes durch die Blutkörperchen vermittelt. Daſſelbe ſaugt nämlich den Sauerſtoff gleichſam mit Gewalt an ſich und ſo durchdringt er es auf dieſe Weiſe in allen Richtungen. Da nun das Blut ſelbſt gleichſam als die Quelle des Lebens anzuſehen iſt, indem es fort— während ſeinen Kreislauf durch die feinſten Gewebe und Organe macht und denſelben das Material zu ihrem Aufbaue liefert, ſo muß das Eiſen folgerichtig als einer der wichtigſten Körperbeſtand— theile angeſehen werden.

Das Eiſen wird den Thieren unmittelbar durch die Pflanzen zugeführt, und legen wir uns auch einen höheren Gehalt deſſelben durch die Fleiſchſpeiſen die wir genießen zu, ſo holt ſich das

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Schlachtvieh den ſeinigen doch auch erft aus der Pflanze. Wie wir uns bereits belehrten tritt das Eiſen im kohlenſäurehaltigen Waſſer in die Pflanzen über; damit aber die Pflanze in Bezug auf dieſen Nahrungsſtoff nicht in Verlegenheit komme, ſind noch andere Eiſen verbindungen im Boden, die ſtets in den Zuſtand übertreten können, der für die Aufnahme in die Vegetabilien er: wünſcht iſt. Die überall verbreiteten Schwefelkieſe unterliegen bei Vorhandenſein von Waſſer und dem Zutritte von Sauerſtoff einer beſtändigen Zerlegung, das gebildete ſchwefelſaure Eiſen wird bei der in allen Ackererden vorhandenen kohlenſauren Kalkerde be— ſtändig wieder zerſetzt und kohlenſaures Eiſenorydul und Gyps gebildet. Aus dem überall verbreiteten Schwefelkieſe geht daher beſtändig ein neues Düngemittel zugleich mit einem Reizmittel her: vor, er iſt es daher, der die vielleicht weit und breit fehlende Schwefelſäure ſtets in dem Verhältniſſe bildet als es die Brod— früchte verlangen. Wir wiſſen ja aus den Verſuchen des Fürſten Horſtmar, wie wichtig letztere als Pflanzennahrungsmittel iſt; ohne fie ift eine Halmbildung nicht möglich; die Pflanze ſtirbt im dritten Blatte, nachdem ſie noch einen Verſuch erneuter Halmbildung mit gleichem Mißlingen gemacht hat.

Aber auch als phosphorſaures Eiſenorydul tritt es in die Pflanzen, weil daſſelbe in kohlenſäurehaltigem Waſſer löslich iſt. Ebenſo kann die lösliche Kieſelerde auf das Eiſenorydhydrat ein⸗

wirken und dadurch ein Eintritt in die Pflanzen ermöglicht werden.

Das Eiſen trägt viel zu einer lebhaften Grünfärbung, ſo wie zur Blüthenbildung bei, zugleich erkräftigt es letztere und befördert die Fruchtbildung. Wo kein Eiſen dem Boden beigemengt iſt, da vermögen ſich die Stängel der Cerealien nicht zu erheben, ſchmach⸗ tend gehen die Pflanzen dem Verwelken entgegen. So Fräftigend und ſtärkend wie im Thierreiche ſo wirkt das Eiſen auch im Pflan⸗ zenreiche.

Bei der ungemeinen Verbreitung des Eiſens darf man wegen des Fehlens deſſelben als unmittelbares Nahrungsmittel bei den Vegetabilien weniger beſorgt ſein. Bei der günſtigen Eigenſchaft als Stickſtoff⸗ und Ammoniakſauger jedoch wird jeder Landwirth

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wohl thun, wenn er eiſenarmen Boden von Zeit zu Zeit mit Eiſen— oxyd beſtreut.

Wohl dürfte nichts von ſo hohem Intereſſe ſein, als die Be— obachtungen und Erfahrungen: wie und warum die Pflanzen dazu beſtimmt ſind, ſo unmittelbar für die Thiere zu ſorgen und dieſen die für das Leben nothwendigen Eßwaaren fertig gebildet zu über— liefern. Noch merkwürdiger iſt es aber, wie der Menſch darauf kam, ſich dieſelben aus einer ſo ungeheuren Zahl in der Art und Weiſe auszuſuchen, daß ſie für einander paſſen und daß ſich deren Nahrungsſtoffe leicht mit einander vereinigen und auflöſen; wie bald hatte er ſie um ſich vereinigt und brachte ihnen die nöthigen Bedürfniſſe. 5 |

Erſt nach Verlauf Tauſender von Jahren kommt die Willen: ſchaft und erklärt, was dem Menſchen und Thiere von den Pflan— zennahrungsmitteln nütz und gut ſei; ja daß er bereits genieße, was zuſammenpaſſe. Was würde für ein kümmerliches, elendes Ge— ſchlecht entſtanden, was für Individuen zu Grunde gegangen ſein, wären falſche Nahrungsmittel z. B. ſolche, in denen das Eiſen fehlte, gewählt worden; entkräftet würden die Menſchen ſchnell dem Tode zugefallen fein. In dieſen Betrachtungen liegt außer: ordentlich viel Hohes und Erhabenes, denn wir ſehen daraus auf das Deutlichſte, welcher vorſorgenden Leitung wir jederzeit und in allen Lebensverhältniſſen unterſtellt ſind.

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Das Mangan, wenn auch ſelten in großen Quantitäten vor⸗ kommend, gehört dennoch zu den verbreitetſten Metallen. Mit Sauerſtoff verbunden findet es ſich in geringer Menge in den Aſchen der Pflanzen, in den Knochen und im Blute der Thiere und in vielen Mineralien, von denen diejenigen, welche daſſelbe in größe— ren Mengeverhältniſſen beſitzen, Manganerze genannt werden. Das ſchwarze Erz des Mangans der Braunſtein iſt ſchon ſehr lange bekannt. Die große Verwandtſchaft zum Sauerſtoffe und die hohe Temperatur die er zum Schmelzen bedarf verhindert, daß das Metall in größeren Quantitäten dargeſtellt wird. Zur Berei— tung des Chlors bedient man ſich des Braunſteins, indem der Sauerſtoff deſſelben mit dem Waſſerſtoffe der Salzſäure Waſſer bildet und chlorfrei wird.

Das Mangan tritt als kohlenſaures Manganorydul, welches in kohlenſäurehaltigem Waſſer löslich iſt, in die Pflanzen über. Auf dieſe Weiſe kommt es auch häufig in unſern Brunnen vor.

Da, wie bereits geſagt, in ſehr vielen Aſchen Mangan getrof— fen und da es mit den pflanzlichen Nahrungsmitteln in den Thier— leib gebracht wird, ſo iſt es als ein weſentliches Nahrungsmittel der Pflanzen zu betrachten. Ueber ſeine Wirkungen iſt man jedoch noch nicht im Klaren.

Ungemein bezeichnend iſt es übrigens: daß die kohlenſauren Mangan⸗Eiſenoxydul⸗Bittererde- und Kalkſalze im Pflanzen⸗ nahrungsprozeſſe eine nicht minder wichtige Rolle, als bei der Er— nährung der Thiere ſpielen; alle untereinander iſomorph ſind ſie ſämmtlich in kohlenſäurehaltigem Waſſer löslich und gehen auf dieſe Weiſe in das Pflanzengewebe über.

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