J\i D. H. HILL LIBI^;^ NORTH C;«0Lm>4 STATE C0LLC6E ENT0M0L0eiC4L COLLECTION This book may be kept out TWO WEEKS ONLY, and is subject to a fine of FIVE CENTS a day thereafter. It is due on the day indicated below: 50M— May-54 — Form 3 DIE NATURGESCHICHTE DES CAJÜS PLINIÜS SECÜNDÜS. DRITTER BAND. DIE NATURGESCHICHTE - DES CA JUS PLINIUS SECÜIDÜS. INS DEUTSCHE ÜBERSETZT UND MIT ANMERKUNGEN VERSEHEN Prof. Dr. G. C. WITTSTEIN in München. DEITTER BAND: (XII- XIX. Buch) Naturgeschichte der Pflanzen. LEIPZIG. Druck und Verlag von Gressner & Schramm. Zwölftes Euch. Von den Bäumen. 1. So verhält es sieh mit den Gattungen und G-lied- maassen aller Tbiere, von denen wir haben Kenntniss erlangen können. Es bleiben uns nun noch diejenigen Naturwunder übrig, denen zwar auch die Seele nicht fehlt (denn ohne sie ist nichts lebensfähig), welche aber aus der Erde hervorgehen, und diese wollen wir jetzt in Be- tracht ziehen, damit kein Werk der Natur mit Stillschwei- gen übergangen werde. Lange Zeit blieben die Wohl- thaten der Natur verborgen, und die Menschen sahen nur Bäume und Wälder als das höchste ihnen verliehene Ge- schenk an; hiervon nahmen sie ihre erste Nahrung, von ihrem Laube machten sie sich ein weicheres Lager, von ihrem Baste Kleider; und noch jetzt leben manche Völker auf diese Weise. Um so mehr muss man sich wundern, dass schon von jener Zeit an Berge zu Marmorwänden ausgehauen, Kleider von den Serern geholt, Perlen in der Tiefe des rotheu Meeres und Smaragde im Schoosse der Erde gesucht worden sind. Dazu erdachte man noch Wunden in die Ohren, vielleicht weil es zu wenig war, Schmuck an den Händen, am Halse und in den Haaren zu tragen, wenn der Körper nicht auch deshalb angebohrt würde. Daher scheint es billig, dass wir der Ordnung des Lebens folgen und zuerst von den Bäumen reden, um so den Sitten ihren ersten Anfang zu zeigen. Wittstein: Plinius. HI. Bd. 1 2 Zwölftes Buch. 2. Die Bäume waren die Tempel der Götter, und noch jetzt weihen, nach alter Weise, die einfachen Landleute einen schönen Baum der Gottheit. Wir verehren die von Gold und Elfenbein schimmernden Bilder nicht mehr als die Haine, und die in ihnen herrschende Stille. Diejenigen Baumgattungen, welche gewissen Gottheiten ausschliesslich geweihet sind, werden beständig so beibehalten, z. B. die Speiseeiche i) dem Jupiter, der Lorbeerbaum dem Apollo, der Oelbaum der Minerva, die Myrte der Venus, die Pappel dem Herkules. Ja wir glauben, dass die Sjivane, Faune, und mehrere Göttinnen den Wäldern als eigenthüm- liche Gottheiten, ebenso wie der Himmel die seiuigen hat, zugetheilt sind. Die Bäume haben nachher durch die an- genehmen Säfte ihrer Früchte den Menschen milder gemacht» Von ihnen kommt das die Glieder erquiekende Oel und der die Kräfte stärkende Trank des Weines; ferner so viele jährlich von selbst wachsende wohlschmeckende Sachen, und die auch noch jetzt gebräuchlichen Nachtische (obgleich man ihretwegen mit wilden Thieren kämpft, und die mit den Leibern der Schiffbrüchigen gemästeten Fische aufsucht). Ausserdem verschaffen sie uns tausendfältigen Nutzen, ohne welchen wir nicht leben könnten. Mit einem Baume durchschneiden wir die Meere und nähern uns an- dern Ländern; aus Bäumen erbauen wir unsere Wohnungen. Aus Bäumen wurden auch früher die Bilder der Götter geschnitzt, als noch keine Preise für die Leiber ungeheuerer Thiere erdacht waren, bevor man noch, gleichsam als ob das Recht der Schvvelgerei von den Göttern herkäme, aus ein und demselben Elfenbeine die Gesichter der Götter und die Füsse der Tische sah. Mau sagt, die Gallier^ deren Gebiet durch die Alpen, dieses unüberwindliche Bollwerk, eingeschlossen ist, hätten sich zuerst vorgenom- men Italien zu überströmen, als Helico, einer von ihren Landsleuten aus Helvetien, welcher sich der Schmiedekunst *) Esculus. Quercus Esculus L. Zwölftes Buch. 3 wegen in Rom aufgehalten hatte, eine trockne Feige, eine Traube, und vom besten Oel und Weine bei seiner Rück- kehr mit in die Heimath brachte. Daher mag es ent- schuldigt werden, dass man dergleichen sogar durch Krieg zu erhalten sucht. 3. Aber wer sollte sich nicht mit Recht darüber wun- dern, dass man einen Baum bloss seines Schattens wegen aus einem andern Welttheile geholt hat? Dieser Baum ist die Platane i), welcher über das ionische Meer zuerst auf die Insel des Diomedes wegen dessen Grabhügels ge- bracht, von da nach Sicilien verpflanzt, sodann, und zwar unter allen fremden Bäumen am frühesten nach Italien, und jetzt schon bis in das Gebiet der Moriner, welches ebenfalls zum zinsbaren Grunde gehört, gewandert ist, sodass die Völker selbst für seinen Schatten Steuer geben. Der ältere Dionysius, Tyrann von Sicilien, hat sie in die Stadt Rhegium gebracht; sie waren dort eine merkwürdige Erscheinung bei seinem Hause, w^orin später eine Fechter- schule eingerichtet wurde, und mehrere Schriftsteller führen an, sie hätten nicht an Umfang zunehmen können, auch habe es damals noch andere in Italien, und namentlich aus Spanien eingeführte, gegeben. 4. Diess geschah ungefähr um die Zeit der Einnahme Rom's. Später ist das Ansehen dieser Bäume so sehr ge- stiegen, dass man sie mit lauterm Weine begiesst, weil man wahrgenommen, dass dieser den Wurzeln am besten zusagt. So haben wir denn sogar Bäumen das Weiutrinken gelehrt! 5. Den ersten Ruf haben die Platanen in der Allee der Academie zu Athen erlangt, denn sie messen dort von der Wurzel bis zur ersten Verzweigung 33 Cubitus. In Lycicu steht eine berühmte Platane in der Nähe einer liebliclien *) Platanus orientalis L. 4 Zwölftes Buch. kalten Quelle, am Wege, deren Stamm zu einer Wohnung- ausgehöhlt ist, die 81 Fuss misst: sie hat gewaltige, Bäu- men gleichende Aeste, ihr waldiger Gipfel bedeckt durch den Schatten ganze Felder, und um das Bild einer Grotte zu vollenden, so wird sie im Innern durch einen Kreis von Mauerwerk aus bemoosten Sandsteinen eingeschlossen. Dieser Baum war ein solcher Gegenstand der Bewun- derung, dass Licinius Mutianus, welcher dreimal Consul und vor Kurzem Statthalter in jener Provinz war, der Nachwelt berichten zu müssen glaubte, er habe in demsel- ben mit 18 seiner Begleiter gespeist, das Laub ihnen allen bequeme Sitze verschafft, sie seien vor jedem Winde geschützt gewesen, er habe sich das Rauschen des Eegeus durch die Blätter gewünscht, und vergnügter in ihm ge- sessen als beim Glänze des Marmors , vielen Gemälden und goldenen Decken. Ein anderes Beispiel der Art haben wir vom Prinzen Cajus, welcher *im veliternischen Gebiete an einem solchen Baume die verschiedenen Stockwerke und die auf den als Balken dienenden Aesten freistehenden Bänke bewunderte, auch auf demselben auf einem Räume der 15 Gäste und die Dienerschaft fasste, ein Gastmahl gab, welches er mit dem Namen „das Nest" belegte. Zu Gortyna auf der Insel Greta steht neben einer Quelle eine Platane, welche durch mehrere Schriften in beiden Sprachen berühmt geworden ist, und niemals die Blätter verliert, auch war das fabelsüchtige Griechenland sogleich bereit zu erzählen, Jupiter habe mit der Europa unter ihr zuge- bracht. Als wenn nicht andere derselben Art sich auch in Cypern befänden! Von jenen Baume aber sind zuerst auf Greta selbst andere Platanen gezogen (wie denn die Men- schen immer nach Neuem haschen) und haben obige Sage erneuert, obgleich dieser Baum sich eben durch nichts an- deres besonders auszeichnet, als dass er im Sommer die Sonne abhält und im Winter zulässt. Hernach brachte, unter der Regierung des Kaiser Glaudius, ein Freigelasse- ner des Marcellus Aeserninus, der sich aber seiner Macht wegen unter die Freigelassenen des Kaisers hatte rechneu Zwölftes Buch. 5 lassen, und ein reicher Verschnittener aus Thessalien war, diesen Baum nach Italien und auf seine Landgüter, so dass er mit Kecht den Namen Dionysius verdiente. Es giebt auch noch jetzt manche Wunderdinge anderer Län- der in Italien, nicht zu gedenken derer, die Italien selbst ausgedacht hat. 6. Diejenigen Platanen , welche man mit Fleiss nicht hoch wachsen lässt, nennt man Zwergplatanen i); wir finden nämlich auch unter den Bäumen Missgeburteu, und diesen kann man überhaupt den Namen Zwergbildungen geben. Man bringt sie aber durch Säen und Beschneiden hervor. C. Matius ein Ritter und Freund des Kaiser Au- gustus hat innerhalb der letztverflossenen Jahre zuerst das Beschneiden der Bäume eingeführt. 7. Fremd sind die Kirschen- und Pfirsichbäume nebst allen solchen, deren Namen griechisch oder ausländisch; diejenigen aber, welche unter dieser Zahl schon bei uns einheimisch geworden, werde ich unter den fruchttragenden anführen. Gegenwärtig wollen wir die auswärtigen durch- geben, und dabei der Heilkräftigen zuerst gedenken. Der assyrische Apfelbaum 2), welchen Einige den medischen nennen, enthält ein Arzneimittel gegen Gifte. Sein Blatt gleicht dem des Unedo 3), besonders durch die darin befind- lichen Rippen. Der Apfel selbst wird sonst nicht gegessen, aber sein Geruch übertrifft selbst den der Blätter, zieht in die Kleider, wenn man ihn dazwischen legt, und hält das Ungeziefer ab. Der Baum trägt beständig Früchte, während die einen abfallen, werden die andern reif und noch andere entstehen. Mehrere Völker haben versucht, diesen Baum wegen seiner vortrefflichen Heilkraft in irdenen Gefässen, welche mit Luftlöchern für die Wurzeln versehen waren, ') Chamaeplatani. 2) Malus assyria. Diess ist die Pompelmuse: Citrus decumana L. 3) Unedo. Arbutus Unedo L. 6 Zwölftes Buch. ZU sich zu bringen, und man wird woliltliun, sich ein für alle Male zu merken, dass auf diese Weise alles, was weiter verschickt werden soll, aufs engste verpflanzt und verpackt werden kann. Doch hat er nirgends als in Me- dien und Persien gedeihen wollen. Diess ist aber derselbe Baum, von dem wir gesagt haben ^), dass die vornehmen Parther dessen Kerne mit ihren Speisen kochen, damit ihr Athem einen angenehmen Geruch bekommen. In Medien preist man ausser ihm keinen andern Baum. 8. Von den wolletragenden Bäumen der Serer haben wir bei Erwähnung dieses Volkes gesprochen; desgleichen von der Grösse der indischen Bäume. Einen der in Indien einheimischen Bäume, den Ebenbaum-) rühmt Virgil mit dem Beisatze, er käme sonst nirgends vor. Herodat hält Aethiopien für das Vaterland desselben, und sagt, die Aethiopier hätten den Königen von Persien alle 3 Jahre als Tribut 100 Stämme davon nebst Gold und Elfenbein geliefert. Auch will ich nicht unerwähnt lassen, dass er sagt, die Aethiopier pflegten aus gleicher Ursache 20 grosse Elepbantenzähne abzugeben. In so grossem Ansehen stand also das Elfenbein im 310. Jahre unserer Stadt; und da- mals verfasste dieser Schriftsteller seine Geschichte zu Thurii in Italien. Um so merkwürdiger ist es, dass wir ihm glauben, da er den Fluss Po gesehen hatte, welcher bis zu dieser Zeit Niemanden in Asien, Griechenland oder ihm selbst bekannt war. Die Karte von Aethiopien, welche, wie wir gesagt haben, neulich dem Kaiser Nero überbracht wurde, hat uns gelehrt, dass dieser seltene Baum von Syene, der Gränze unseres Reichs, nach Meroe, 896,000 Schritte weit gebracht sei und zu keinem andern Geschlechte als dem der Palme gehöre. Daher hat vielleicht der Eben- baum unter den werth vollen Gegenständen der Abgaben den dritten Rang bekommen. ') XI. B. 115. Cap. -) Ebenum. Diospyros Ebenum Retz. Zwölftes Buch. 7 9. In Rom zeigte den Ebenbaum Pompejus der Grosse bei seinem Triumphe über Mithridates. Fabianus giebt an, «r brenne nicht, verbreite aber in der Hitze einen ange- nehmen Geruch. Es giebt 2 Arten; die seltene und zugleich bessere ist ein ganz knotenloser Baum, dessen Holz schwarz, glänzend und selbst unverarbeitet schön aussieht; die an- dere ist ein dem Cytisus ^) ähnlicher und in ganz Indien verbreiteter Strauch. 10. Diesem ähnlieh ist ein in Indien einheimisches Dorngewächs2), welches schnell Feuer fängt, und zu Fackeln benutzt wird. Nun will ich von den Bäumen reden, welche das siegreiche Heer Alexanders des Grossen be- wunderte, als jener Erdtheil ^) sich ihm öffnete. 11. Der indische Feigenbaum^) trägt sehr kleine Früchte, pflanzt sich immer von selbst fort, und streckt seine Aeste weithin aus, von denen die untersten sich so tief zur Erde herabneigen, dass sie innerhalb eines Jahres fest wachsen, und auf diese Weise rund um den Mutterstamm eine wie durch Kunst angelegte Pflanzschule bilden. Innerhalb dieser Umzäunung, welche zugleich schattig, und durch die Stämme selbst geschützt ist, halten sich die Hirten im Sommer auf. Im Innern hat sie ein stattliches Ansehen und von Weiten sieht das Ganze einem runden Gewölbe gleich. Die obern Zweige ragen in zahlreicher Menge empor, und der Mutter- baum dehnt sich so sehr aus, dass er einen Kreis von ^0 Schritten beschreibt, sein Schatten aber eine Fläche von 2 Stadien einnimmt. Die Blätter haben die Gestalt eines Amazonen-Schildes, bedecken wegen ihrer Breite die Früchte, und sind daher ihrem Wachsthum hinderlich. Diese finden *) Cytisus. Medicago arborea L. 2) Spina. Acacia vera W. 3) Nämlich Indien. *) Ficus indica. 8 Zwölftes Buch. sich nur einzeln, weiden nicht grösser als eine Bohne, habe» aber, wenn die Sonne sie durch die Blätter hindurch zur Reife gebracht hat, einen sehr süssen Geschmack, und sind dieses merkwürdigen Baumes würdig. Er wächst am häu- figsten am Flusse Acesines. 12. Ein anderer Baum ist grösser, und übertrifft jenen durch den angenehmen Geschmack seiner Frucht, von der die indischen Weisen leben. Sein Blatt hat Aebnlichkeit mit den Flügeln der Vögel, ist 3 Cubitus lang und 2 breit. Die Frucht kommt aus der Rinde, und schmeckt so ausser* ordentlich süss, dass der 4. Theil von einer schon sättigt. Der Baum heisst Pala*), die Frucht Ariena. Man trifft ihn vorzüglich in Sydracieu, da wo die Grenze von Alexanders Eroberungen ist. Es giebt noch einen andern diesem ähnlichen Baum, dessen Frucht noch süsser, aber den Eingeweiden nachtheilig ist. Alexander hatte den Be- fehl gegeben, keiner von seinem Heere sollte davon essen. 13. Die Macedonier haben verschiedene Arten indischer Bäume, jedoch grösstentheils ohne Namen, angeführt.. So sieht einer im Uebrigen der Terebinthe, in der Frucht aber dem Mandelbaume ähnlich, doch ist sie kleiner und von sehr angenehmem Geschmacke. In Bactrien halten ihn Eiqige eher für eine besondere Art der Terebinthe,. als für einen ihr gleichen Baum. Der Baum aber, von dem man dort die leinenen Kleider macht, hat Blätter wie der Maulbeerbaum, und einen Fruchtkelch wie die Hage- butten. Man pflanzt ihn auf Felder, und kein Baum giebt den Landgütern einen angenehmeren Anblick. 14. Der indische Olivenbaum taugt nicht und trägt nur die ') Die Pisangfeige, Musa paradisiaca L. Musa ist das Arabische mauza, welche aus dem Sanskritworte moko hervorging. Pala oder phala heisst in Sanskrit Frucht im Allgemeinen und wurde also nur aus Missverständniss für den Namen der Pflanze gebraucht. Zwölftes Buch. 9 Früchte des wilden Oelbaümes ^). Hin und wieder kommen dort Pfefferbäurae^) vor, die unserm Wacbholder ähn- lich sind; obgleich Einige bericbtet haben, sie wüchsen nur an der vordem, der Sonne entgegen liegenden Seite des Caucasus. Die Samen unterscheiden sich von denen des Wachholders dadurch, dass sie in kleinen, unsern Schling- bohnen ähnlichen Schoten stecken. Wenn diese, bevor sie aufbrechen, abgenommen, und an der Sonne gedörrt waren, so stellen sie den sogenannten langen Pfeifer 3) dar; lässt man sie aber reif werden, so bersten sie und enthalten nun den weissen Pfeffer, welcher an der Sonne gedörrt, dunkelfarbig und runzlig wird. Aber auch diese Schoten können Schaden leiden, und werden bei ungünstigem Wetter brandig, ihre Samen aber taub und leer, und diess Uebel nennt man Brechma, was in der Sprache der Indier so viel bedeutet als todt. Diese Sorte ist von allen die schärfste, leichteste und von Farbe bleich, angenehmer ist der schwarze und milder als beide ist der weisse. Was man Zimpiberi oder Zingiberi^) nennt ist keineswegs, wie Einige glauben, die Wurzel dieses Baumes, obgleich es im Geschmacke dem Pfeffer nahe kommt. Der Ingber nämlich wächst in Arabien und im Lande der Troglodyten in Dörfern, hat ein kleines Kraut und eine weisse Wurzel. Obgleich sie ausserordentlich scharf ist, so wird sie doch bald wurm- stichig. Das Pfund davon kostet 6 Denare. Der lange Pfeffer wird häufig durch alexandrinischen Senf verfälscht. Man kauft 1 Pfund für 15 Denare, 1 Pfund des weissen für 7, 1 Pfund des schwarzen für 4 Denare. Man muss sich wundern, dass er so allgemein in Gebrauch gekommen ist. Bei Einigen hat der angenehme Geschmack gereizt, bei Andern das Ansehen gelockt; hier empfiehlt sich weder ein Apfel, noch eine Beere, nur seine Bitterkeit gefällt, ») Oleaster. 2) Piper. Piper nigrum L. 3) Piper longum L. *) Amonium Zingiber L. 10 Zwölftes Buch. und zwar deshalb, weil er aus Indien kommt. Wer hatte zuerst Lust, ihn den Speisen zuzusetzen? Oder wem ge- ntigte bei dem Wunsche zu essen nicht der Hunger ? Beide Dinge finden sich bei den dortigen Völkern wild, und doch verkauft man sie nach dem Gewichte, wie Gold oder Silber. Den Pfefferbaum sieht man auch schon in Italien; er ist grösser als die Myrte , und dieser nicht unähnlich. Man glaubt, sein Korn habe dieselbe Schärfe wie frischer Pfeffer; nur fehlt ihm jene Dürre und Reife, mithin auch die Aehn- lichkeit in den Runzeln und der Farbe. Mau verfälscht ihn mit Wachholderbeeren, die ihm merkwürdiger Weise seine Kraft entziehen; auch hinsichtlich des Gewichts wird mancher Betrug damit getrieben. 15. Ausserdem giebt es in Indien noch ein dem Pfeffer ähnliches Korn, welches Gary ophy Hon ^) genannt wird, aber grösser und zerbrechlicher ist. Es soll in einem indischen Haine wachsen, und wird seines Geruchs wegen zu uns gebracht. Auch ein Dornstrauch 2) trägt eine dem Pfeffer ähnliche Frucht von ausserordentlicher Schärfe; er hat kleine, dichtstehende Blätter wie der Cyprus ^), 3 Cubitus lange Aeste, eine bleiche Rinde, und eine breite holzige, buxbaumfarbige Wurzel. Aus Letzterer nebst den Samen bereitet man durch Kochen mit Wasser in einem kupfer- nen Gefässe eine Arznei, welche Lycium genannt wird. Derselbe Dornstrauch kommt auch auf dem Berge Pelius vor und damit verfälscht man das Arzneimittel, desgleichen mit der Affodillwurzel, mit Ochsengalle oder Wermuth, oder Sumach^), oder Oelschaum-^). Dasjenige Lycion, welches schaumig ist, eignet sich am besten zum Arznei- gebrauch. Die ludier schicken uns dasselbe in Schläuchen ') Diess ist der Piment, Semen Amomi von Myrtus Pimenta L. 2) Spina. Rliamnus infectoria L. 3) S. 51. Cap. •*) Rhus. Rhus coriaria L. *) Amui'ca, Zwölftes Buch. 11 von Kameel- oder Rhinocerosliäuten. In Griechenland heisst jenes Dorngewächs der chironische Buxdorni). 16. Auch das Macir wird aus Indien gebracht; es ist die rothe Rinde einer grossen Wurzel, und führt den Namen des Baumes, von welchem sie kommt. Ueber den Baum selbst habe ich jedoch nichts Näheres erfahren können. Mit Honig abgekocht liefert sie ein vorzügliches Mittel wider den Durchfall. 17. Der Zucker kommt auch aus Arabien, der indische hat jedoch den Vorzug. Er ist aus Rohr gesammelter Honig, weiss wie Gummi, zwischen den Zähnen zerbrech- lich, höchstens von der Grösse einer Haselnuss, und findet bloss Anwendung in der Medicin. 18. An die Indier grenzt das Volk der Arianer, in deren Gebiete ein Dornstrauch wächst, welcher ein köstliches der Myrrhe ähnliches Harz in Gestalt von Thränen liefert, zu dem man aber wegen der vielen Stacheln nur mit Mühe gelangen kann. Dort ist auch ein giftiger, dem Rettig ähnlicher Strauch mit lorbeerartigen Blättern, der durch seinen Geruch die Pferde anlockt, und Alexandern bei seinem ersten Eintritte in diess Land beinahe der ganzen Reiterei beraubt hätte. Dasselbe Ungemach widerfuhr ihm bei den Gedrosern. Ferner soll sich dort ein Dornge- wächs mit Lorbeerblättern finden, dessen Saft, in die Augen gespritzt, alle Thiere blind mache. Ferner ein stark riechendes Kraut, welches voll von kleinen Schlangen sitzt, deren Stich augenblicklich den Tod nach sich zöge. One- sicritus meldet, in den Thälern Hyrcaniens wüchsen feigenähnliche Bäume, welche Occhi hiessen, aus denen 2 Stunden lang des Morgens Honig flösse. 19. An Hyrcanien grenzt Bactrien, dessen Bdellium am •) Pyxacanthus, 12 Zwölftes Buch. berühmtesten ist. Diess ist ein schwarzer Baum von der Grösse des Oelbaumes, mit Eichenblättern, seiner Frucht und übrigen Beschaffenheit nach dem wilden Feigenbaume ähnlich. Das Gummi i) nennen Einige Brochon, Andere Malacham, noch Andere Malodacon; das schwarze aber, welches in Kuchen gedreht ist, heisst Hadrobolou 2). Es muss durchscheinend wie Wachs, geruchvoll, fettig anzu- fühlen, von Geschmacke bitter, jedoch nicht scharf sein. Bei den Opfern, wo es mit Wein angefeuchtet wird, riecht es noch stärker. Es kommt auch in Arabien, Indien, Me- dien und Babylon vor. Einige nennen dasjenige, welches aus Medien kommt, das peratische; es ist zerbrechlicher, rindiger und bitterer, das indische hingegen feuchter und gummig. Es wird mit Mandeln verfälscht, die übrigen Arten auch mit der Rinde des Scordastum; so heisst nämlich ein Baum, der ein ähnliches Gummi liefert. Man erkennt sie aber alle (was auch in Bezug auf die übrigen Räucherspecies ein für allemal hier gesagt sein mag) am Gerüche, der Farbe, der Schwere, dem Geschmacke und dem Verhalten am Feuer. Das bactrianische hat einen trocknen Glanz und viele weisse Stellen, ausserdem ein eigenthümliches Gewicht, das nicht zu schwer und nicht zu leicht sein darf. Von dem reinen kostet das Pfund 3 Denare. 20. An die Gebiete der oben genannten Völker grenzt Persien, in welchem am rotlien Meere, welches wir da- selbst das persische genannt haben, weil es sein Wasser weit ins Land hinein schickt, Bäume von wunderbarer Be- schaffenheit vorkommen. Denn sie werden vom Salzwasser losgerissen, gleichen herangetriebenen und verlassenen, und man sieht sie an der trocknen Küste mit ihren nakten Wurzeln, gleich Polypen, den unfruchtbaren Sand umfassen. •) Heisst noch jetzt Bdellium und die Mutterpflanze ist ein Bal- samodendron. ^) D. h. in Klumpen zusammengehäuft. Zwölftes Buch. 13 Obgleich die Wogen des anströmenden Meeres beständig daran schlagen, so bleiben sie doch unbeweglich stehen. Bei voller Fluth werden sie sogar ganz von Wasser be- deckt, und alles deutet darauf hin, dass das scharfe Wasser sie ernährt. Sie sind ausserordentlich gross, vom Ansehen des Unedo, ihre Frucht gleicht von aussen einer Mandel, und enthält gedrehte Kerne. 21. Die in demselben Meerbusen belegene Insel Tylos ist auf der nach Osten gekehrten Seite ganz mit Wald be- wachsen, und wird hier von der Meeresfluth überschwemmt. Die Bäume haben die Grösse des Feigenbaumes, Blütheu von unbeschreiblicher Anmuth, und Früchte ähnlich denen der Wolfsbohue i), aber so herbe, dass kein Thier sie an- rührt. Auf einem erhabenen Theile dieser Insel stehen Wolle tragende Bäume, jedoch von anderer Art als die bei den Serern vorkommenden. Sie haben unfruchtbare Blätter, welche man, wenn sie nicht zu klein wären, für Weinblätter halten könnte, tragen Fruchtköpfe 2) von dem Umfange eines Quittenapfels, welche bei der Reife bersten und Ballen zarter Wolle enthalten, aus denen man Kleider von köstlichem Gewebe fertigt. Man nennt die Bäume Gossypini3), Auf der kleinern Insel Tylos, welche von der grössern 10,000 Schritte entfernt ist, finden sie sich in noch zahlreicherer Menge. 22. Juba berichtet, die zarte Wolle komme von einem Strauche, und die daraus bereiteten Zeuge seien besser als die indischen. Die Bäume in Arabien aber, aus denen man Kleider mache, hiessen Chynas, und ihre Blätter seien denen der Palmen ähnlich. So kleiden sich die In- dier durch Hülfe ihrer Bäume. Auf den beiden Inseln Ty- ') Lupinus. Lupinus hirsutus L. -) Cucurbitae. 3) Gossypium arboreum L und Bombax gossypinus , von denen die Baumwolle kommt. 14 Zwölftes Buch. lus aber wächst noch ein anderer Baum, dessen Blüthe der weissen Viole gleicht, aber viermal grösser ist, und — was bei einer Blume in jenen Ländern merkwürdig erscheint — keinen Geruch hat. 23. Es giebt noch einen anderen diesem ähnlichen Baum, der jedoch blattreicher ist und eine rosenartige Blüthe hat, welche sich des Nachts schliesst, beim Aufgange der Sonne zu öffnen beginnt, und Mittags ganz ausbreitet. Die Ein- wohner nennen diese Erscheinung den Schlaf. Dieselbe Insel bringt auch Palmen, Oelbäume, Weinstöcke, Feigen und andere Obstarten hervor. Kein Baum verliert da- selbst seine Blätter. Die Bewässerung geschieht durch kalte Quellen und Regen. 24. Die Erzeugnisse des benachbarten Arabiens sind von verschiedener Art, denn sie bestehen in Wurzeln, Stauden, Rinden, Säften, Thränen, Holz, Sprösslingen, Blüthen, Blättern und Früchten. 25. Die Wurzeln und Blätter stehen bei den Indiern im höchsten Preise. Die Wurzel des Costus') hat einen brennenden Geschmack, und vortrefflichen Geruch, der Stengel aber ist unbrauchbar. Gleich beim ersten Eintritt des Flusses Indus, bei der Insel Patale, wachsen 2 Arten davon, eine schwarze, und eine weisse die besser ist. Das Pfund davon kostet 3 Denare. 26. Von der Pflanze Nardus muss ich etwas aus- führlicher reden, da sie als ein Hauptingredienz der Salben dient. Eine Art ist ein Strauch mit einer schweren, dicken, aber kurzen und schwarzen und obwohl fetten, dennoch zerbrechlichen, gleich der Cyperwurzel nach Schimmel riechenden und herbe schmeckenden Wurzel. Die Blätter sind klein und stehen dicht. Der oberste Theil (der Wurzel) ') Costus speciosus L. Zwölftes Buch. 15 trägt rundum grannenartige Fäden; man preist daher vor- züglich zwei Theile an dieser Pflanze, die ährenähnliche Wurzel und die Blätter"). Eine andere Art, welche am Ganges wächst, heisst Ozänitis, riecht giftig und wird gänz- lich verworfen. Man verfälscht auch die Narde mit der unächten2), welche allenthalben wächst, ein dickeres, brei- teres Blatt, und eine matte ins Weisse fallende Farbe hat; desgleichen mit ihrer Wurzel, die man, um das Gewicht zu vermehren, untermischt, auch mit Harz, Silberglätte, Spiessglanz, Cyperus oder deren Einde. Die echte erkennt man an ihrer Leichtigkeit, röthlichen Farbe, dem angenehmen Gerüche, an ihrer Eigenschaft beim Kosten den Mund aus- zutrocknen und an ihrem angenehmen Geschmacke. 1 Pfund Aehren kostet 100 Denare. Die jährigen unterscheidet man am Blatte; die grossblättrige nennt man die gross- runde 3), und ihr Preis ist 50 Denare; die kleinblättrige heisst die mittelrunde ^), und kostet GO Denare. Die beste ist die kleinrunde 'O, mit den kleinsten Blättern und ihr Preis 75 Denare. Geruch haben sie alle, am meisten aber wenn sie noch frisch sind. Die schwarze Narde 6) bekommt, wenn sie alt wird, eine bessere Farbe. In unserm Welt- theile wird die syrische ') am meisten geschätzt, dann folgt die gallische *) und hierauf die cietische ■% welche von Ei- nigen die wilde, von Andern Phu genannt wird; sie hat Blätter wie das Olusatrum ^% der Stengel ist 1 Cubitus lang, gekniet, purpurroth und weisslich, die Wurzel schräg, ') Diese Art ist Valeriana Jatamansi Jones. ■•') Pseuclonarclus. Valeriana celtica L.? 3) Haclrosphaerum. •*) Mesosphaeruni. 5) Microspliaerum. •=) Valeriana Hardwickii Wall. ') Valeriana scabiosaefolia Fisch. *) Valeriana celtica L. *) Valeriana tuberosa L. >o) Smyrnium Olusatrum L. 1(3 Zwölftes Buch. t zottig und von der Form der Vogelftisse. Die Land-Narde i) heisst Baccharis und von dieser wollen wir bei den Blumen reden 2). Alle diese Arten aber sind Kräuter, ausge- nommen die indische ^). Unter ihnen wird die gallische mit der Wurzel ausgezogen, in Wein abgewaschen und bündelweise in Papier gewickelt; von der indischen ist sie nicht sehr verschieden, jedoch leichter als die syrische. 10 Pfund kosten 3 Ass. Die einzige Probe ihrer Güte be- steht darin, dass die Blätter nicht zerbrechlich, und mehr dürr als trocken sind. In Gesellschaft der gallischen Narde wächst stets ein Kraut, welches wegen seines starken Ge- ruches und seiner Aehnlichkeit, Böckchen ^) genannt wird, und womit man sie am meisten verfälscht. Diess unter- scheidet sich aber von ihr dadurch, dass es ohne Stengel ist, kleinere Blätter und eine weder bitter schmeckende noch riechende Wurzel hat. 27. Die Haselwurz^) besitzt die Kräfte der Narde, und wird daher von Einigen wilde Narde genannt, hat aber Blätter wie Epheu, nur dass sie runder und weicher sind, eine purpurrothe Blume, eine Wurzel wie die gallische Narde, einen der Weinbeeren ähnlichen Samen, und schmeckt erwärmend und weinartig. Auf schattigen Bergen blühet sie des Jahres zweimal. Die beste wächst in Pontus, dann folgt die phrygische, und auf diese die illyrische. Man gräbt sie, wenn die Blätter anfangen auszubrechen, und trocknet sie an der Sonne, weil sie sonst leicht schimmlig und grau wird. Neulich hat man auch in Griechenland ein Kraut gefunden, dessen Blätter sich in nichts von der in- dischen Narde unterscheiden. >) Valeriana Dioscoridis Hawk. 2) Vergl. XXI. B. 16. Cap. 3) Obige V. Jatamansi. ^) Hirculus. Saxifraga Hirculus L. Diese Pflanze liat aber aller- dings einen Stengel, was Plinius leugnet. ^) Asarum. Asarum europaeum L. -Zwölftes Buch. 17 28. Von dem Arno m um ist die Traube im Gebrauche. Einige glauben sie komme von der indischen wilden Rebe*), einem myrtenartigem handhohem Strauche. Man sammelt es mit der Wurzel, und jedesmal eine Hand voll behutsam zusammen gelegt, weil es sonst leicht zerbricht. Dasjenige wird für das beste gehalten, was denen des Granatbaumes ähnliche, nicht runzlige und röthliche Blätter hat. Das blasse bildet die zweite Sorte, noch schlechter ist das gras- artige, und am schlechtesten das weisse, welche Farbe es im Alter bekommt. Von der Traube kostet 1 Pfund öO Denare, von dem zerriebeneu Amomum aber 49. Es wächst auch in dem armenischen Distrikte Otene in Me- dien und in Pontus. Man verfälscht es mit Granatblättern und flüssigem Gummi, damit es zusammenhält und die Form einer Traube bekommt. Es giebt noch eine andere Art, Amomis genannt, welche weniger aderig, härter und von geringerem Gerüche ist; woraus hervorgeht, dass sie entweder etwas Anderes als das Amomum sei, oder unreif eingesammelt werde. 29. Diesen im Namen und Ansehen ähnlich ist das Car- damomum^) mit länglichen Samen, wird auch in Arabien zu denselben Preisen verkauft. Es giebt 4 Arten davon; -die grünste und fette mit spitzen Ecken und schwer zu zerreiben, wird am meisten geschätzt; die zweite ist röth- lichweiss, die dritte kürzer und schwärzer. Noch schlechter ist die scheckige, die sich leicht zerreiben lässt und wenig Geruch besitzt. Die ächte muss dem Costus nahe kommen. Auch dieses Gewächs trifft man in Medien. Der Preis von 1 Pfund des besten Cardamom beträgt 3 Denare. 30. Den nächsten Rang würde nun der Zimmt verdienen, 'Wenn es nicht passender wäre, zuvor die Reichthümer •) Vitis Labrusca. Soll N'itis vitigiaea L. sein. ^) Amomum Cardamomum L. Wittstein: Plinius. in. Bd. 18 Zwölftes Buch. Arabiens zu nennen, und die Ursachen anzugeben, welc lie ihm den Namen des glücklichen und gesegneten verliehen haben. Die vorzüglichsten Erzeugnisse daselbst sind der Weihrauch^) und die Myrrhe; letztere kommt auch im Lande der Troglodyten vor, der Weihrauch aber in keinem andern Lande als in Arabien, und nicht einmal hier über- all. Fast in der Mitte desselben wohnen die Atramiter,. ein Stamm der Sabäer mit der Hauptstadt Sabota auf einem hohen Berge, und 8 Stationen weiter davon entfernt liegt ihre Weihrauchtragende Gegend, Saba genannt, was nach griechischer Auslegung soviel als mysterium heisst. Sie liegt gegen Osten, ist allenthalben durch Felsen und von der rechten Seite durch Meeresklippen unzugänglich. Hier allein soll das Meer röthlichmilchweiss sein. Die Länge der Wälder beträgt 20 Schönus und die Breite halb so viel. Ein Schönus misst nach Eratosthenes 40 Stadien oder 5000 Schritte, nach Andern nur 32 Stadien. Dort erheben sich hohe Hügel, und laufen in eine Ebene, wo jene Bäume wildwachsen, aus. Man kommt darin überein, dass das Erdreich thonig ist, und wenige natronhaltige Quellen hat. Es wird von einem andern Bezirke, in welchem die Minäer wohnen, begrenzt, durch welchen man den Weihrauch auf einem engen Wege ausführt. Dieses Volk hat den Handel damit angefangen, betreibt ihn am stärksten, und nach ihm wird er auch Minäum genannt. Ausser den Minäern sieht kein Araber und unter ihnen nicht einmal ein jeder den Weihrauchbaum. Ihre Anzahl soll sich nur auf 3000 Fa- milien belaufen, welche sich das Eecht durch Erbfolge zu erhalten wissen. Sie sollen deshalb auch heilige genannt werden, und während dem Einschneiden der Bäume oder dem Absammeln sich nicht durch Berührung von Frauen oder Leichen verunreinigen. Durch diese religiösen Beo- bachtungen höben sie den Preis der Waare. Einige be- richten, diese Völker hätten ohne Unterschied Weihrauch, *) Thus. Boswellia thurifera Roxb. Zwölftes Buch. 19 in diesen Wäldern; andern Nachrichten zufolge theilen sie ihn jährlich abwechselnd unter sich. OL. Von der Gestalt des Baumes selbst weiss man auch nichts. Wir haben Kriege in Arabien geführt und die rö- mischen Waffen sind in einen grossen Theil desselben ein- gedrungen; selbst Cajus Cäsar, der Sohn des Augustus, strebte dort nach Euhm, und dennoch ist (so viel ich weiss) von keinem Lateiner der Baum beschrieben worden. Die Angaben der Griechen weichen sehr von einander ab. Ei- nige berichten, er habe Blätter wie ein Birnbaum, nur seien sie kleiner und von grasgrüner Farbe, Andere sagen, er sei dem Mastixbaum i) ähnlich und habe röthliche Blätter. Noch Andere halten ihn für eine Terebinthe 2), und diess hat auch dem Könige Antigonus, dem ein junger Stamm gebracht wurde, so geschienen. Der König Juba erzählt in den Büchern, die er an C. Cäsar, den Sohn des Augu- stus, der sich in Arabien Ruhm zu erwerben wünschte, schrieb: er habe einen gewundenen Stamm, Aeste wie der Ahorn, besonders der pontische, und lasse einen Saft wie der Mandelbaum von sich; solche sähe man auch in Car- manien , und in Aegypten wären sie durch die Bemühungen der dort regierenden Ptolemäer angepflanzt. Gewiss ist, dass er eine dem Lorbeerbaum ähnliche Rinde hat, und Einige sagen, auch das Blatt gleiche ihm. Wenigstens haben die Sarder solche Bäume gehabt, denn auch die Könige in Asien verwandten Sorgfalt auf ihre Anpflanzung. Die Gesandten, welche zu meiner Zeit aus Arabien kamen, haben alles noch ungewisser gemacht, worüber man sich mit Recht wundern muss, da sie sogar Zweige von Bäumen mit zu uns brachten; diesen kann man es glauben, dass auch ein Baum mit rundem, knotenlosem Stamme Zweige treibe. ') Lentiscus. Pistacia Lentiscus L. ^) Terebinthus. Pistacia Terebinthus L. 20 Zwölftes Buch. 32. Als sich uoch weniger Gelegenheit zum Verkaufe dar- bot, pflegte mau den Weihrauch nur einmal im Jahre zu sammeln. Jetzt macht die häufigere Nachfrage danach eine zweite Erndte erforderlich. Die erste und natürliche Lese geschieht, wenn der Hundsstern aufgeht, bei der grössten Hitze, indem man da, wo der Baum am saftreichsten scheint und die Rinde am dünnsten ist. Einschnitte macht. Diese Stelle wird nun erweitert, jedoch die Rinde nicht wegge- nommen, worauf aus der Wunde ein fetter Schaum quillt welcher gerinnt, sich verdichtet, und wo es die Beschaffen- heit des Orts erfordert auf einer Palmmatte, sonst aber auf dem Boden, der ringsumher festgeschlagen ist, aufge- fangen wird. Auf jene Weise erhält man Weihrauch reiner, auf diese dichter. Was am Baume hängen bleibt, wird mit einem Eisen abgeschabt, enthält daher Rinden- theile. Der Wald, welcher in gewisse Theile geschieden ist, bleibt durch gegenseitige Rechtlichkeit gesichert, und man bewacht weder die angeritzten Bäume, uoch entwen- det Einer dem Andern etwas. Man bedenke dagegen: in Alexandrien, wo der Weihrauch noch gekünstelt wird, können die Werkstätten nicht genug bewacht werden. Hier wird der Schurz des Arbeiters bezeichnet, sein Kopf mit einer Maske und einem dichten Netze versehen, ja sie müssen nackt herausgehen. Folglich macht bei uns die Strafe noch weniger treu, wie dort die Wälder. Im Herbste sammelt man den, welcher sich im Sommer erzeugt hat. Dieser ist weiss und am reinsten. Die zweite Lese ge- schieht im Frühlinge, und zu ihrem Behuf wird die Rinde im Winter eingeschnitten. Dieser fliesst röthlich hervor und hält mit dem erstem keinen Vergleich aus. Jener heisst der carphiatische, dieser der dathiatische. Man glaubt, der Weihrauch von jungen Bäumen sei weisser, der von alten wohlriechender. Einige sind der Meinung, von den Inseln sei er besser; Juba aber sagt, auf Inseln komme gar keiner vor. Derjenige Weihrauch, welcher runde Tropfen bildet, ■ Zwölftes Buch. 21 heisst der männliclie, obgleich man sonst nicht leicht etwas männlich nennt, von dem nichts weibliches existirt. Aus Keligiosität hat man das andere Geschlecht dabei nicht ge- braucht. Einige sind der Meinung, der männliche habe seinen Namen wiegen der Aehnlichkeit mit den Hoden er- halten. Besonders beliebt aber ist der zizenförmige, bei dem ein Tropfen sich mit einem andern vermischt hat. Ich finde angeführt, dass ein solches Stück eine Hand ausge- füllt hat, als die Sucht die Bäume zu plündern noch ge- ringer war und diesen zur Erzeugung des Weihrauchs Zeit gelassen wurde. Die Griechen nennen solchen Weihrauch den geflossenen ^) und den untheilbaren -), den kleinern aber Erbsenrauch 3). Die Brocken, welche abgesprungen sind, nennen wir Manna. Doch findet man auch noch jetzt Körner, welche dem 3. Theile einer Mine, d. i. dem Ge- wichte von 28 Denaren gleich kommen. Alexander dem Grossen sagte sein Erzieher Leonides, als er in seiner Kind- heit den Weihrauch zu verschwenderisch auf den Altar streuete, er möge auf solche Art opfern, wenn er die Weih- rauch-Völker besiegt hätte. Jener aber schickte diesem, als er Arabien erobert hatte, ein mit Weihrauch beladenes Schiff, und Hess ihm sagen, er möge davon den Göttern reichlich spenden. Der gesammelte Weihrauch wird auf Kameelen nach Sabota, der einzigen dahinführenden Pforte gebracht. Nach den Gesetzen steht Todesstrafe darauf, vom Wege abzu- weichen. Dort empfangen die Priester für den Gott, welchen sie Sabis nennen, den 10. Theil dem Maasse, nicht dem Gewichte nach; eher darf nichts davon verkauft werden. Von jenem Antheile werden die öffentlichen Kosten be- stritten, denn der Gott unterhält die Fremden eine gewisse Anzahl von Tagereisen hindurch. Er kann i'nicht anders als durch das Land der Gebaniter ausgeführt werden, da- her wird auch dem Könige derselben ein Zoll erlegt. Ihre ') stagonias. ^) atomum. ^) Orobias; von orobus (oQoßog) die Kichererbse. 22 Zwölftes Buch. Hauptstadt Thomna ist von der auf unserer Küste belege- nen jüdischen Stadt Gaza, 4,436,000 Schritte entfernt, welche Strecke in 65 Kameel-Stationen getheilt wird. Auch den Priestern und Schreibern der Könige werden bestimmte Antheile gegeben. Ausser diesen plündern noch die Wäch- ter, Trabanten, Pförtner und Bedienten davon. Wohin ihr Weg geht, müssen sie hier für Wasser, dort für Futter, oder für das Quartier und allerlei Zölle zahlen, so dass die Kosten für jedes Kameel sich bis an unsere Küste auf 688 Denare belaufen, und dann wird noch an die Zoll- pächter unseres Reiches abgegeben. Daher kostet 1 Pfund des besten Weihrauchs 6, die 2. Sorte 5 und die 3. 3 De- nare. Man verfälscht ihn bei uns mit Thränen eines weissen Harzes, die ihm ähnlich sind, erkennt diesen Betrug aber auf die angeführte Weise. Bei seiner Prüfung nimmt man Rücksicht auf seine Weisse, seinen Umfang, seine Zerbrech- lichkeit, die Kohle, die er giebt, und seine leichte Brenn- barkeit. Auch darf er von den Zähnen keinen Eindruck annehmen, sondern muss in Stücke springen. 33. Einige haben berichtet, der Myrrhenbaum ^) wachse in denselben Wäldern unter den übrigen Bäumen, nach An- dern steht er abgesondert; übrigens kommt er an vielen Orten Arabiens vor, wie bei den einzelnen Arten gezeigt werden soll. Auch die Inseln liefern eine gute Sorte, und die Sabäer fahren sogar über das Meer und holen Myrrhe von den Troglodyten. Man trifft auch den Myerhnebaum angepflanzt, und dieser liefert ein besseres Produkt als der wilde. Er gedeihet besonders gut, wenn er behackt und mit einem Graben umzogen wird, wodurch die Wurzeln sich abkühlen. 34. Die Höhe des Baumes beträgt 5 Cubitus; er ist mit Dornen versehen, der Stamm hart, gewunden und dicker ') Myn-ha. Amyris Kataf Forsk. (ßalsamodeudron Myrrha Ehrenb.) ' Zwölftes Buch. 23 als der Weihrauchbaum, jedoch mehr in der Nähe der Wurzel als an seinen übrigen Theilen. Einige haben die Kinde für glatt und dem Unedo ähnlich, Andere für rauh und dornig ausgegeben. Das Blatt gleicht dem des Oel- baumes, ist aber rauher und stachelig; Juba vergleicht es mit dem Blatt vom Olusatrum. Nach Einigen ist der Baum dem Wachholder ähnlich, nur noch rauher und voller Dor- nen, das Blatt runder, aber vom Geschmacke des Wach- holders. Es gab sogar Leute, welche die falsche Meinung aussprachen, beide Gummiharze wüchsen auf dem Weih- rauchbaume. 35. Die Myrrhenbäume werden ebenfalls zweimal und zu derselben Zeit, aber von der Wurzel an bis zu den Aesten eingeschnitten, wenn die Bäume saftreich sind. Sie schwitzen von selbst, bevor sie gereizt werden, die soge- nannte Tropfmyrrhe i) aus, welche alle übrigen Sorten übertrifft. Nach dieser kommt die von angepflanzten Bäumen gewonnene, und unter denjenigen von wilden Stämmen hat die Sommermyrrhe den Vorzug. Von der Myrrhe giebt man der Gottheit keinen Antheil, weil sie auch bei andern Völkern vorkommt, doch erhält der König der Gebaniter den 4. Theil davon, Uebrigens kauft man sie hie und da von den gemeinen Leuten zusammen, und packt sie in Schläuche, unsere Salbenhändler wissen sie aber leicht nach dem Gerüche und der Fettigkeit zu Sortiren. Es giebt mehrere Sorten Myrrhe. Unter denen von wilden Bäumen ist die troglodytische die erste, dann folgt die miuäische, zu welcher auch die atramitische und die au sari tische in dem Königreiche der Gebaniter gehört. Die dritte ist die dianitische; die vierte die zusammengetragne 2) • die fünfte die sambracenische, sogenannt von der nahe am ») Stacte. ^) CoDatitia, 24 Zwölftes Buch. Meere liegenden Stadt im Reiche der Sabäer.; die sechste die sogenannte dusaiitische. Es giebt auch eine weisse» jedoch nur an einem einzigen Orte, die in der Stadt Messa- lum zusammengebracht wird, Die troglodytische erkennt man an ihrer Fettigkeit und daran, dass sie im Ansehen trockner, auch schmutzig und rauh, aber schärfer als die übrigen ist. Die sambracenische hat die ebengenannten Fehler nicht, ist von Aussen hübscher als die andern, je- doch nicht kräftig. üeberhaupt aber erkennt man die Güte einer Myrrhe an den kleinen, nicht runden, im Innern weissen und matten, beim Brechen weisse Splitter bildenden und gelinde bitter schmeckenden Körnern. Die inwendig scheckig aussehende bildet die zweite Sorte; die im Innern schwarze ist noch schlechter, und am schlechtesten, wenn sie auch ausserhalb so aussieht. Die Preise sind nach den mehr oder weniger günstigen Gelegenheiten, die sich den Käufern darbieten, verschieden. Die Tropfmyrrhe variirt im Preise von 3 bis zu 50 Denaren, die gebauete kostet höchstens bis 11, die erythräische, d. i. die arabische, bis 16, der Kern der troglodytischen 16, die sogenannte Räuchermyrrhe aber 14 Denare. Man verfälscht sie mit Mastixkörnern und Gummi, desgleichen mit Gurkensaft der Bitterkeit wegen, sowie mit Silberglätte, um das Gewicht zu vermehren. Die übrigen Fehler findet man durch den Geschmack, denn das Gummi wird zwischen den Zähnen weich. Die schändlichste Verfälschung ist aber die mit indischer Myrrhe, welche von einem gewissen Dornge- wächse daselbst gesammelt wird, der einzige schlechte Stoff aus Indien ist, und sich an ihrer verwerflichen Be- schaffenheit leicht erkennen lässt. 36. Wir gehen nun zum Mastix über, welcher von einem andern Dornbaume Indiens, der aber auch in Arabien wächst und Laina heisst, gewonnen wird. Auch vom Mastix giebt es 2 Sorten; denn sowohl in Asien als in Griechenland findet sich eine krautartige Pflanze mit Wurzelblättern und einem, mit Samen erfüllten und einem Apfel ähnlichen- ■ Zwölftes Buch. 25> Distelkopfe, aus dessen obersten Theile, wenn er geritzt wird, ein Saft quillt, der kaum von dem wahren Mastix unterschieden werden kann ^) In Pontus giebt es noch eine dritte Sorte, die aber mehr dem Erdpech gleicht. Der beste ist der weisse von Chios, von dem das Pfund 20 Ass, von dem schwarzen aber 12 Ass kostet. Man sagt, der chio- tische schwitze wie ein Gummi aus dem Lentiscus^). Er wird, gleich dem Weihrauche, mit Harz verfälscht. 37. Arabien rühmt sich ferner des Ladanum^). Viele haben berichtet, diess entstehe von ohngefähr und durch Zufall, sowie durch Verderbniss eines andern Rauchwerks- Die Ziegen, ein sonst den Zweigen schädliches und nach wohlriechenden Sträuchern begierigeres Thier, sollen, als wenn sie den Werth derselben wüssten, die von süssem Safte strotzenden Stengel der Pflanzen benagen, und den daraus tröpfelnden Saft durch zufällige Berührung mit ihren frechen Barthaaren abwischen. Dieser werde durch hinzu- kommenden Staub geballt und an der Sonne verdickt; da- her fände man auch im Ladanum Ziegenhaare. Diese Ein- sammlungsweise soll aber nur bei den Nabatäern, welche zu den an Syrien grenzenden Arabern gehören, vorkommen. Die neuern Schriftstellern nennen das Ladanum Stobolon oder Storbon, und sagen, das Buschwerk in Arabien werde durch die weidenden Ziegen gebrochen, und dabei hänge sich der Saft in ihre Haare, das wahre Ladanum sei aber auf der Insel Cypern. Diess entstehe (um hier überhaupt von den Rauchwerken, wenn auch nicht nach der Ordnung der Länder, zu reden) daselbst auf ähnliche Weise, und es sei eine Art Schmutz ^), die sich an die Barte und haarigen Kniee der Böcke hänge, besonders, wenn sie früh Morgens, wo die Insel voll Thau ist, die Epheublüthen benagen. 1) Die Mutterpflanze heisst Atractylis gumraifera L, 2) Pistacia Lentiscus L. ^) Die wahre Mutterpflanze desselben heisst Cistus creticus L.. Dann wird es aber auch von C. monspeliensis L gesammelt, ■*) Oesypus, 26 Zwölftes Buch. Nachher, weuii die Souue den Nebel zerstreuet habe, hafte der Staub auf den nassen Haaren, und nun werde das Ladanum abgekämmt. Einige sagen, es käme von einem auf Cypern wach- senden Kraute, welches sie Leda, und das davon gewonnene Harz Ledanuni nennen. Das Kraut enthalte ein Fett, man zöge es daher mit Schnüren zusammen, rolle es auf und mache Kugeln daraus. Es giebt also bei beiden Völkern 2 Arten von Ladanum, ein irdisches (natürliches) und künstliches; ersteres ist zerreiblich, letzteres zähe. Auch in Carmanieu soll es einen Ladanum- Strauch geben, und nach Aegypten durch die Ptolemäer mit andern Pflanzen gebracht worden sein; oder (nach Andern) käme es mit von dem Weihrauchbaume, werde wie Gummi durch Einschneiden der Rinde gesammelt und in Ziegenfellen aufbewahrt. Von der besten Sorte kostet das Pfund 40 Ass. Es wird mit Myrteubeeren und mehreren Schmutztheilen von Thieren verfälscht. Der Geruch des reinen muss wild sein, und gewissermaassen an die Einsamkeit erinnern; es muss trocken aussehen, aber beim Anfassen sogleich weich werden, angezündet hell brennen, und einen starken augenehmen Geruch verbreiten. Das mit Myrten versetzte erkennt man au dem Prasseln im Feuer. Ausserdem stecken in dem echten mehr Steinchen von Felsen, als feines Pulver. 38. In Arabien liefert auch der Oelbaum einen tropfenden Saft, woraus eine Arznei bereitet wird, die bei den Griechen die blutstillende ^) genannt wird, und sich ganz besonders wirksam zeigt, Wunden zusammenzuziehen und zu vernarben. An den Seeküsten werden diese Bäume durch die Fluth der Wellen bedeckt; doch schadet diess den Beeren nicht, denn man weiss, dass das Seesalz selbst auf den Blättern zurückbleibt. Diess ist Arabien eigen- thümlich, und ausserdem hat es noch Einiges mit andern *) enhaemum. . Zwölftes Buch. 27 Ländern gemeinschaftlich, wovon wir aber an einem andern Orte reden wollen, weil es darin von andern Ländern übertroffen wird. Die Araber holen merkwürdigerweise bei auswärtigen Völkern fremde Rauch werke. So leicht werden die Menschen ihrer eignen Sachen überdrüssig, und so begierig sind sie nach fremden. 39. Sie reisen nämlich zu den Elymäern, um den Bratus^) zu lioleu. Dieser gleicht einer ausgebreiteten Cypresse, hat weissliche Aeste, riecht angezündet angenehm, und ist in dem Geschichtsbüchern des Kaisers Claudius, welcher angiebt, die Parther streueten davon in ihre Getränke, wunderbar gepriesen worden. Im Gerüche soll er der Ceder am nächsten kommen, und sein Rauch gut für anderes Holz sein. Er wächst jenseits des Pasitigris an den Grenzen der Stadt Sittaca auf dem Berge Zagrus. 40. Auch zu den Carmanern reisen sie wegen des Baumes Strobus^), mit dem sie räuchern, zu welchem Zwecke sie ihn mit Palmwein übergiessen und dann anzünden. Sein Geruch geht von der Decke zum Fussboden, ist augenehm, beschwert aber den Kopf, jedoch ohne Schmerzen. Sie suchen damit den Kranken Schlaf zu verschaffen. Durch diesen Handel haben sie den Weg zur Stadt Carrhä ge- öffnet, welche ihr Marktplatz ist. Von da pflegten sie alle nach Gabba, welches 20 Tagereisen weit liegt, und nach Palästina in Syrien zu reisen. Nach Juba's Berichte fingen sie hernach aus demselben Grunde an, nach Charace und in die Reiche der Parther zu ziehen. Mir scheint auch, nach dem Zeugnisse Herodots, dass sie deshalb eher zu den Persern, als nach Syrien und Aegypten gereist sind, denn er erzählt, sie hätten alle Jahre den Königen von Persien 1000 Talente an Weihrauch als Zoll bezahlt. ') luniperus Sabina L. -) Pinus Cenibra L. 28 Zwölftes Buch. Aus Syrien holen sie den Styrax^), um durch dessen scharfen Geruch den unangenehmen Dunst ihrer eigenen Eauehwerke von den Heerden zu vertreiben. Uebrigens sind bei ihnen keine andern Holzarten im Gebrauche als wohlriechende ; die Sabäer kochen ihre Speisen bei Weih- rauchholze, Andere bei Myrrhenholze, und in ihren Städten und Dörfern herrscht ein Geruch und Duft, wie auf Altären. Um diesen nun zu entfernen, brennen sie Styrax auf Bock- fellen und durchräuchern damit die Häuser. So giebt es denn kein Vergnügen, welches nicht bei längerer Dauer Ekel erregt. Dieses Brennen geschieht auch, um die Schlangen zu verjagen, welche sich in den Balsamwäldern in grosser Menge aufhalten. 41. Zimmt^) und Cassia^) haben die Araber nicht, und doch nennt man ihr Land das glückliche, ein Beiname, den es mit Unrecht und Undank führt, da es das Em- pfangene den obern Göttern spendet, und doch eher den untern schuldig ist. Selbst die Schwelgerei der Menschen im Tode hat es glückselig gemacht, weil sie dasjenige, von welchen sie wussten, dass es für die Götter erzeugt war, zur Verbrennung der Todten verwenden. Sachkundige versichern, das Land bringe in einem Jahre nicht soviel hervor, als der Kaiser Nero an dem Bestattungstage seiner Gemahlin Poppaea verbrannt habe. Nun rechne man jähr- lich die Menge von Leichen auf der ganzen Erde, und die zur Ehre der Todten haufenweise zusammengebrachten Spe- cereien, welche den Göttern nur brockenweise gegeben werden. Und doch waren sie denen, welche mit Schrot und Salz opferten, nicht weniger geneigt, ja sogar (wie klar am Tage liegt) noch geneigter. Aber das arabische Meer ist noch glücklicher, denn aus demselben kommen die Perlen zu uns. Nach dem geringsten Anschlage entziehen *) Styrax officinalis L. 2) Laurus Cinnamomum L. ^) Laurus Cassia L. ' Zwölftes Buch. 29 Indien, die Serer und diese Halbinsel unserm Reiche alle Jahre 100,000,000 Sesterzen. So viel kosten uns die Ver- gnügungen und die Weiber. Denn welcher Tbeil davon kommt, frage ich, an die Götter oder die Verstorbenen? 42. Die Alten und besonders Herodotus erzählen fabel- hafterweise, der Zimmt und die Cassia würden aus ' den Nestern der Vögel und besonders des Phönix, in der Ge- gend Avo Bacchus erzogen wäre, auf unwegsamen Felsen und Bäumen entweder durch das Gewicht des Fleisches, welches sie selbst hineintrügen, herab geworfen, oder mit bleibeschlagenen Pfeilen herabgeschossen. Ebenso wachse die Cassiain der NähevouSümpfen,wo eine scheussliche Art Fleder- mäuse mit ihren Krallen, und geflügelte Schlangen den Zugang verwehrten. Durch solche Erdichtungen haben sie den Preis der Dinge erhöhet. Noch ein Mährchen ist dazu gekommen; durch das Zurückprallen der Mittagssonne soll sich nämlich die Luft mit einem unaussprechlichen Dufte über die ganze Halbinsel erfüllen, indem die Ausdünstungen so vielerlei Arten von wohlriechenden Pflanzen sich ver- einigen, und hiedurch sich auf hohem Meere der Flotte Alexanders des Grossen zuerst die Nähe Arabiens ange- kündigt haben. Alle diese Erzählungen sind falsch, denn das Cinnamomum und Cinnamum wächst in Aethiopien, dessen Bewohner mit den Troglodyten durch Heirathen vermischt sind. Diese kaufen die Waaren von ihren Grenz- nachbaren, und fahren sie über weite Meere auf Flössen^ welche durch keine Steuerruder gelenkt, durch keine Ruder weiter getrieben werden, keine Segel haben und keiner ge- schickten Leitung, sondern nur der Kühnheit dieser Men- schen anvertrauet sind. Ueberdiess befahren sie das Meer mitten im Winter, wo die Ostwinde wehen, welche ihre Fahrzeuge geradeswegs durch die Meerbusen treiben und mit einem Nordwest um ein Vorgebirge herum in den Hafen der Gebaniter, welcher Ocilia heisst, bringen. Deswegen besuchen sie diesen Hafen am meisten, kehren, wie man behauptet, kaum vor dem 5. Jahre wieder zurück, und viele 30 Zwölftes Buch. von ihnen kommen um. Sie führen dagegen gläserne, und kupferne Gesehirre, Kleider, Schnallen, Armbänder und Halsbänder mit sich zurück. Dieser Handel besteht also hauptsächlich der Eitelkeit der Frauen wegen. Der Strauch selbst wird höchstens 2 Cubitus hoch, 4 Finger dick, theilt sich gleich über der Erde in 6 Aeste, und sieht aus, als wenn er trocken wäre. Wenn er grünt hat er keinen Geruch, ein Blatt wie Origauum , liebt die Trockenheit, ist unfruchtbarer bei Regenwetter, und lässt sich leicht abhauen. Er wächst zwar in Ebenen, aber in den dichtesten Hecken und Dorngesträucb, und ist daher schwer zu sammeln. Man holt nicht davon, wenn es nicht der Gott erlaubt hat. (Einige verstehen darunter den Ju- piter, den jene Völker Assabinus nennen.) Durch ein Opfer von 44 Stieren, Ziegen und Widdern erlangt man die Er- laubniss zu hauen, was jedoch weder vor Sonnenaufgang noch nach Sonnenuntergang gestattet ist. Die Zweige zer- theilt der Priester mit einem Beile, und legt einen Theil für die Gotthoit zurück; das Uebrige bindet der Kaufmann in Bündel. Man giebt auch an , es werde durch die Sonnenwärme in 3 Theile getheilt, hernach 2 Theile da- von genommen, was nämlich der Sonne gewichen wäre? bliebe zurück und verbrenne von selbst. Die dünnsten Theile der Reiser, von der Länge einer Palme, sind von vorzüglichster Güte. Dann folgt dasjenige, was ihm am nächsten steht, aber kürzer ist, und so der Ordnung nach weiter. Das schlechteste befindet sich in der Nähe der Wurzel, weil daselbst am wenigsten Rinde ist, und die Rinde gerade das angenehmste Aroma enthält^ Aus diesem Grunde zieht man die obersten Spitzen, wo= die meiste Rinde ist, vor. Das Holz selbst wird wegen seiner Schärfe, die dem Origanum gleicht, verworfen und heisst Holzzimmti). Ein Pfund Zimmt kostet 10 Denare.^ Einige führen 2 Arten Zimmt an, eine weisse und eine schwärzliche. Ehemals ward die weisse vorgezogen, jetzt •) Xylocinnamomum. • Zwölftes Buch. 31 hingegen schätzt man die schwarze, und zieht selbst die scheckige der weissen vor. Die sicherste Probe der Güte ist, dass er nicht rauh sei, und wenn man ihn aneinander reibt, sich nicht leicht abschabe. Man verwirft namentlich den weichen, und dessen Rinde wenig Zusammenhang hat. Das Recht ihn zu verhandeln geht allein vom Könige der Gebaniter aus, welcher den Verkauf desselben öffent- lich ankündigen lässt. Ehemals kostete das Pfund 1000 Denare. Dieser Preis wurde um die Hälfte vermehrt, weil, wie man sagt, die Barbaren aus Zorn die Wälder an- gezündet hätten; ob diess wegen Ungerechtigkeiten der Machthaber oder von ohngefähr geschehen ist, weiss man nicht genau. Bei mehrern Schriftstellern finde ich auge- führt, dort weheten so heisse Südwinde, dass sie im Sommer die Wälder in Brand steckten. Kronen von Zimmt, in mit Figuren geschmückten Golde eingeschlossen hat zuerst der Kaiser Vespasiamus in den Tempeln des Capitols und des Friedens geweihet. Eine Wurzel des Zimmtbaumes von bedeutendem Gewichte haben wir in dem Tempel des Pa- latii, welchen dem Kaiser Augustus seine Gemahlin er- richtet hatte, gesehen; sie lag iu einer goldenen Schale, und die aus ihr fliessenden Tropfen erhärteten alljährig zu Körnern, bis endlich diess Heiligthum durch eine Feuers- brunst zerstört wurde. 43. Die Cassia ist ebenfalls ein Strauch, wächst in der Nähe der Zimmtfelder, wird aber auf Bergen dicker, hat mehr eine dünne Haut als Rinde, und erhält im Gegensatz zum Zimmt dann Werth, wenn man diese von ihm abnehmen oder dünner machen kann. Er wird 3 Cubitus hoch, und seine Farbe ist dreifach; von seinem ersten Heryorsprossen an bis zu 1 Fuss Höhe erscheint er weiss, dann bis zu IV2 Fuss Höhe röthlich und hierauf schwarz. In letzterm Zustande schätzt man ihn am meisten, auf ihn folgt der röthliche, den weissen aber verwirft man. Man schneidet die Reiser in einer Länge von 2 Fingern ab und nähet sie in frische Häute von vierfüssigen Thieren, die zu dem Ende 32 Zwölftes Buch. getödtet werden, damit die durch Fäulniss derselben ent- stehenden Würmer das Holz abnagen und die Rinde aus- höhlen, welche wegen ihrer Bitterkeit vor dem Anfressen gesichert ist. Man hält diejenige Rinde für die beste, welche frisch ist, den zartesten Geruch besitzt, im Munde eher ein scharfes Brennen als Beissen verursacht, purpurfarbig aus- sieht uijd von der die grösste Menge verhältnissmässig am wenigsten wiegt; auch sollen die Röhren der Rinde kurz und nicht zerbrechlich sein. Man belegt eine solche mit dem ausländischen Namen Lada. Eine andere Sorte heisst wegen ihres Geruchs Cassiabalsamodes, schmeckt aber bitter, und eignet sich daher besser zum Arzneigebrauch, sowie die schwarze zu Salben, Bei keiner Waare sind die Preise verschiedener, denn von der besten kostet das Pfund 50, von den übrigen das Pfund 5 Denare. Die Aufkäufer haben noch eine Sorte gemacht, welche sie die lorbeerartige i), mit dem Beinamen zimmtähnliche nennen, und in Quantitäten von 1 Pfund für 300 Denare ausbieten. Man verfälscht sie mit Styrax, und, wegen der Aehnlichkeit der Rinde, mit sehr dünnen Reisern des Lor- beerbaumes. Ja sie wird auch in unserm Welttheile ange- pflanzt, und wächst an der äussserten Grenze unseres Reiches, da wo es der Rhein bespült, in den Bienengärten. Ihm mangelt aber jene von der Sonne gedörrte Farbe, und daher auch zugleich jener Geruch. 44. Aus dem an die Cassia und den Zimmt grenzenden Distrikte wird auch das Cancamum^) und das Tarum^) eingeführt, aber durch das Gebiet der nabatäischen Troglo- dyten, welche von den Nabatäern weggezogen sind und «ich daselbst festgesetzt haben. 45. Daher wird auch das Serichatum und Gabalium *) Daphnoides. 2) Ein Gummi. Etwa der Stocklack? Nach Sprengel soll es eine -Art MyiThe sein. 3) Aloeholz von Aloexylon Agallochum L. Zwölftes Buch. 33 gebracht, welche die Araber unter sich verbrauchen; sie sind in unserm Welttheile nur dem Namen nach bekannt, wachsen jedoch mit dem Zimmt und der Cassia zusammen. In- dessen kommt das Serichatum mitunter zu uns und wird von Einigen uuter die Salben gethan. Für 1 Pfund bezahlt man 6 Denare. 46. Der Myrobalanenbaum 1) wächst in Troglodytice, Thebais und dem Theile von Arabien, welcher Judäa von Aegypten scheidet, und findet Anwendung bei Salben, wie schon sein Name sagt, der ferner anzeigt, dass die Frucht eine Eichel ist. Das Blatt sieht dem des Heliotropium, von welchem wir bei den Kräutern reden werden 2), ähnlich. Die Frucht hat die Grösse einer Haselnuss; die in Arabien wachsende heisst die syrische und ist weiss, die aus The- bais kommende sieht dagegen schwarz aus. Jene hat den Vorzug wegen des vortrefflichen Oeles, welches aus ihr ge- presst wird, die thebaische giebt aber eine reichlichere Menge Oel. Die troglodytische ist die geringste Sorte. Einige ziehen allen diesen die äthiopische vor, welche auf Feldern wächst, schwarz, ohne Fett ist, einen kleinen Kern hat, deren ausgepresster Saft aber stärker riecht. Die ägyp- tische soll fetter sein, eine dickere Rinde und röthliche J Farbe haben; auch soll sie, ob sie gleich in Sümpfen wächst, kürzer und trockner sein, hingegen die arabische grün und zarter, und, weil sie auf Bergen wächst, dichter. Die beste soll die peträische sein, welche aus einer bereits angeführten Stadt kommt, eine schwarze Rinde und einen weissen Kern hat. Die Salbenhändler pressen nur die Schale aus, die Aerzte nur den Kern, indem sie sie zuvor unter zuweiligem Zusätze von warmem Wasser zerstossen. 47. Aehnlich wie die Myrobalane und ihr zunächst ge- braucht man zu Salben eine Palme in Aegypten, welche ') Myrobalanuin. Hyperanthera Moringa Yahl; die Behennuss. 2) Im XXII. B. 29. Cap. Wittstein: Plinius. m. Bd. q 34 Zwölftes Buch. Adipsos genannt wird, deren Frucht grün ist, den Geruch eines Quittenapfels hat, und inwendig kein Holz enthält '). Man sammelt sie kurz vor der Reife ein. Die Frucht^ welche man auf dem Baume zurücklässt, heisst Phönico- balanus^), wird schwarz, und berauscht die davon Essen- den. Von der Myrobalaue kostet das Pfund 2 Denare. Die Salbenbereiter benennen auch das Unreine (den Absatz) der Salben mit diesem Namen. 48. Auch der wohlriechende Calamus^), der in Ara- bien wächst, kommt in Indien und Syrien und in letzterm Lande in einer Entfernung von 50 Stadien vom Meere ^) am meisten vor. Zwischen dem Berge Libanus, und einem andern unbekannten, nicht (wie einige geglaubt haben) dem Antilibanus, in einem nicht sehr grossen Thale neben einem See, dessen Sumpf wasser im Sommer austrocknet, und 30 Stadien vom Antilibanus wächst der wohlriechende Calamus und der wohlriechende Juncus 5). Ich will jetzt auch den letztern abhandeln, da gerade von den Stoffen zu den Salben die Rede ist, obgleich ich den Kräu- tern ein anderes Buch gewidmet habe. Beide sind dem Ansehn nach von den übrigen Pflanzen ihrer Art nicht verschieden; der Calamus aber besitzt einen vortrefflichen Geruch, und lockt dadurch schon von Weitem an, ist auch weicher anzufühlen. Die bessere Qualität davon bricht weniger leicht und mehr spahnweise nach Art des Rettigs. Im Rohrstengel befindet sich ein spinugewebeartiges Mark, welches die Blume heisst; jemehr davon vorhanden, um so- besser ist das Rohr. Ausserdem wird das geschätzt, wel~ ches schwarz ist; an andern Orten hingegen verwirft man diess. Je kürzer und dicker, und je zäher beim Brechen,. *) D. h. keinen Samen hat. 2) Plinius versteht darunter die unreife Frucht der Dattelpalme, Phoenix dactylifera. 3) Calamus odoratus. Acorus Calamus L? '') D. i. dem mittelländischen. ^) luncus odoratus. Cyperus rotundus L. Zwölftes Buch. 35 um so besser ist es. Vom Calamus kostet das Pfund 11, vom Juncus 15 Denare. Der wohlriechende Juncus soll sich auch in Campanien finden, 49. Wir sind jetzt von den gegen den Ocean hin liegen- den Ländern in diejenigen gekommen, welche sich in un- sere Meere beugen. In Afrika, welches zunächst unter Aethiopien liegt, tröpfelt innerhalb seiner Sandwüsten das Hammoniacum .gleich einem Harze oder Gummi her- vor; diesen Namen hat es von dem Orakel des Hammon, in dessen Nähe der Baum, den man Metopion nennt, wächst ^). Es giebt zwei Arten, das bröckliche -), welches dem männ- lichen Weihrauch ähnlich sieht, und am meisten geschätzt wird, und das massige 3), welches fett und harzig ist. Man verfälscht es mit Sand, und zwar so, dass es aussieht, als ob es im Entstehungsmomente damit in Berührung gekommen wäre. Dasjenige ist daher das beste, was aus den kleinsten und reinsten Körnern besteht, und von diesem kostet das Pfund 40 Ass. 50. Von dem Sphagnos, was unterhalb dieser Gegenden wächst, wird das von der eyrenaischen Provinz kommende am meisten gelobt. Andere nennen es Bryon. Die zweite Sorte bildet das cyprische, die dritte das phönicische. Es soll auch in Aegypten, ja sogar in Gallien vorkommen, und ich möchte es auch nicht bezweifeln, denn es giebt unter diesem Namen eine Art grauen haarigen Mooses an den Bäumen, besonders den Eichen, welches aber vortreff- lich riecht. Den ersten Rang verdient das weisseste und höchste, den zweiten das röthliche; das schwarze, desglei- chen das auf Inseln und Felsen wachsende, sowie das, was den Geruch von den Palmen und nicht seinen eigenen hat, werden verworfen. ') Das Ammoniacum, ein Gummiharz, kommt von keinem Bamne sondern von einem Doldengewäche , Ferula Orientalis oder Dorema armeniacum. ^) thrauston. ^) phyrama. 3* 36 Zwölftes Buch. 51. In Aegypten wächst ein Baum Namens Cypros^) mit Blättern desZiziphus 2), und dem Coriander ähnlichen, weissen, wohlriechenden Samen. Diesen kocht man in Oel, drückt aus, und giebt ihm nun den Namen Cyprus. Ein Pfund davon kostet 5 Denare. Der beste Cyprus wird aus dem canopischen, welcher an den Ufern des Nils wächst, berei- tet, der zweite kommt von Ascalon in Judäa, der dritte von der Insel Cypern und besitzt einen angenehmen Ge- ruch. Einige sagen, diess sei derselbe Baum, welcher in Italien Rainweide ^) genannt wird. 52. In demselben Distrikte wächst auch der Aspalathos^), ein weisser Dornstrauch, von der Grösse eines gewöhnlichen Baumes, und mit rosenrother Blüthe. Die Wurzel dient zu Salben. Man sagt, nur die Sträucher, auf welche sich der Regenbogen herabkrümme, erhielten jenen angenehmen Geruch, wie der Aspalathos, dieser aber bekäme dadurch einen äusserst lieblichen. Einige nennen ihn Erysiscep- trum^). Andere Sceptrum. Seine gute Beschaffenheit be- steht in der röthlichen oder feurigen Farbe, in der Dichtig- keit beim Anfühlen und in dem Gerüche nach Bibergeil. 1 Pfuiid davon kostet 5 Denare. 53. In Aegypten wächst auch das Maron^), was aber schlechter als das lydische ist, und grössere scheckige Blätter, während dieses kurze, kleine und wohlriechende hat. 54. Aber allen wohlriechenden Specereien wird der ßal- ') Lawsonia alba Lam. 2) Rhamnus Zizj'j^hus L. Sextus Pampinius brachte diesen Strauch zu Augusts Zeiten aus Syrien nach Italien. Brustbeerenbaum. 3) Ligustruiii. Ligustrum vulgare L. ^) Genista acanthoclada Dec; nach Andern: Aquilaria- Arten. Aloeholz? ^) Vergl. XXIV. B. 69, Cap. ^) Origanuna sipyleum L. Zwölftes Buch. 37 sambaum') vorgezogen, der nur allein dem jüdischen Lande verliehen ist, und ehedem nur in 2 königlichen Gär- ten anzutreffen war, von denen der eine nicht mehr als 20 Jugera und der andere noch weniger umfasst. Die beiden Kaiser Vespasian zeigten diess Bäumchen zuerst in Rom, und es muss rühmlich erwähnt werden, dass wir seit dem grossen Pompejus auch Bäume im Triumphe auf- geführt haben. Jetzt dient er uns, jetzt ist er uns sammt seinem Volke zinsbar, und wir finden ihn von ganz ande- rer Beschaffenheit, als ihn unsere und auswärtige Schrift- steller beschrieben haben; denn er gleicht mehr einem Weinstocke als einer Myrte. Man sagt, er werde wie der Weinstock, kurz nach dem Binden durch Schösslinge fort- gepflanzt; er bedeckt die Hügel nach Art der Weinpflan- zungen, und die Pflanzen halten sich selbst ohne Stützen. Auf gleiche Weise beschneidet man ihn wenn er buschig wird; durch Behacken gewinnt er an Ansehn, wächst schnell und trägt im 3. Jahre Früchte. Die Blätter, welche ihm nie mangeln, sehen denen der Gartenraute ähnlich. Die Juden haben wider ihn gewüthet, wie gegen ihr eigenes Leben; dagegen vertheidigten ihn die Römer, und so ist denn sogar für einen Strauch gefochten worden. Jetzt lässt ihn die kaiserliche Casse pflanzen, und niemals war er früher in grösserer Menge und höher vorhanden. Seine Höhe beträgt nicht über 2 Cubitus. Es giebt drei Arten dieses Baumes. Eine mit dünnem und haarigem Schöpfe heisst der leicht zu beschneidende 2); die zweite von rauhem Ansehn, gekrümmt, buschig und wohlriechender: der rauhe ^); die dritte mit glatter Rinde heisst die lange ^) , weil er höher als die übrigen ist. Letzterer hat den 2. Rang, am schlechtesten ist der erst- genannte. Der Same kommt im Geschmack dem Weine am nächsten, hat eine röthliche Farbe und enthält etwas Fett; die leichten und grünen Körner sind schlechter; die ') Balsamum. Amyris Gileadensis L. 2) eutheriston. ^) trachy. ^) eumeces 38 Zwölftes Buch. Aeste dicker wie die der Myrte. Er wird mit Glas, Steinen oder knöchernen Messern geritzt. Man darf ihn im leben- den Zustande nicht mit einem Eisen verletzen, sonst stirbt er sogleich ab, dennoch kann man das Ueberflüssige ohne Schaden damit abschneiden. Die Hand dessen, der ihn anschneidet, muss so gelenkt werden, dass sie mit dem In- strumente nicht tiefer als in die Rinde kommt. Aus dem Schnitte fliesst ein Saft, der Opobalsamum genannt wird, einen äusserst lieblichen Geruch besitzt, aber nur in kleiuen Tro))feu hervorquillt, und mittelst Wolle in kleinen Hörnern aufgefangen wird. Aus diesen wird er in neue irdene Geschirre gethan, gleicht jetzt einem dicken Oele und sieht, so lange er noch frisch ist, weiss aus. Später wird er röthlich, dabei zugleich hart und durch- scheinend. Als Alexander der Grosse dort Krieg führte, war das rechte Maass an einem Sommertage eine Muschel voll. Die ganze Erndte aber betrug aus dem grossen Garten 6, aus dem kleinen 1 Congius, und diese Quantität wurde mit dem doppelten Gewichte Silber aufgewogen. Jetzt geben die einzelnen Bäume eine reichlichere Ausbeute; man ritzt sie jeden Sommer und berechnet nachher den Preis. Auch die Reiser machen einen Handelsartikel aus. Das Abschneiden der Sprösslinge, welche nur alle 5 Jahre genommen werden können, ist um 800 Sesterzen verpachtet. Man nennt die Reiser Xylobalsamum und kocht sie zur Bereitung von Salben aus. Die Officinen haben ihn statt des Saftes untergeschoben. Auch die Rinde hat ihren Werth zur Darstellung von Arzneien. Den ersten Rang behaupten aber die Thränen, den zweiten die Samen, den dritten die Rinde, und am schlechtesten ist das Holz. Von letzterm ist das buxbaumgelbe, welches am angenehmsten riecht, das beste; von dem Samen aber verdient der den Vorzug, welcher am grössten, und am schwersten ist, auf der Zunge beisst und im Munde brennt. Man verfälscht ihn mit derü Samen vom Hypericum petraeum J); diesen Betrug erkennt •) Hypericum crispum L, Zwölftes Buch. 39 man aber an der Grösse, Leere, Länge, dem schwachen Gerüche und pfefferartigen Geschmacke desselben. Proben der Aechtheit der Thränen sind, dass sie fett, klein, schwach röthlich und beim Reiben angenehm riechen- Die weisse Farbe ist hier im Range die zweite, noch schlechter die grüne und dichte, am schlechtesten die schwarze; der Balsam wird nämlich, wie das Oel, durchs Alter immer dunkler. Von allen Sorten schätzt man die, welche vor der öamenreife geflossen ist, am meisten. Man verfälscht den Opobalsam auch mit dem Safte des Samens selbst, und diesen Betrug kann man nur an dem bitterern Geschmacke erkennen, denn er muss milde, nicht säuerlich, und bloss von scharfem Gerüche sein. Er wird auch mit dem Oele der Rose, des Cyprus, Mastix, der Ba- lane, Terebinthe, Myrte, mit Harz, Galbanum, cyprischem Wachse, jenachdem man eines oder das andere passend findet, verfälscht. Am wenigsten taugt das Gummi dazu, weil dieses, wenn man es in der Hand wendet, schon von selbst anklebt und im Wasser untersinkt, also auf doppelte Weise erkannt werden kann. Auch der reine muss an- kleben, aber der mit Gummi versetzte wird trocken und zerbricht in Blättern. Auch durch den Geschmack kann man ihn untersuchen. Der mit Wachs oder Harz ver- fälschte bildet beim Verbrennen eine schwärzere Flamme. Der, welcher Honig enthält, zieht, wenn man ihn in der Hand hält, sogleich die Fliegen herbei. Ausserdem wird ein Tropfen des echten im warmen Wasser verdickt und sinkt zu Boden, der verfälschte schwimmt, wie Oel, oben- auf, und der Metopium i) haltige ist dann mit einem weissen Ringe umgebeu. Die beste Probe besteht darin, dass er Milch zum Gerinnen bringt, und in Kleidern keine Flecke macht. Bei keinem andern Gegenstande ist der Betrug augenscheinlicher, denn man verkauft den Sextarius, welchen di« Regierung für 1000 Denare ablässt, zu 300 De- ') Das ausgepresste Oel der bittern Mandehi. Vergl. XIII. B^ '-2. Caip. 40 Zwölftes Buch.. Daren. So weit geht man, diesen Saft zu verdünnen! Vomv Xylobalsam kostet das Pfund 6 Denare. 55. Syrien, welches oberhalb Phönicien an Judäa grenzt, liefert aus der Gegend von Gabala^ Marathus und vom Berge Casius in Seleucia den Styrax^). Der Baum hat denselben Namen und gleicht einem Quittenbaume; das Auströpfelnde schmeckt anfangs herbe, dann angenehm. Der Stamm hat in seinem Innern Aehnlichkeit mit einem Rohre und strotzt von Safte. Beim Aufgange des Hunds- sternes fliegen kleine geflügelte Wünaaer auf ihn und nagen ihn an, daher sieht er von den anhängenden Spähneß schmutzig aus. Ausser dem an obigen Orten vorkommen- den Styrax schätzt man auch den von Pisidien, Sidon, Cy- pern, Cilicien; der schlechteste ist der cretische. Den vom Amanus in Syrien ziehen die Aerzte, aber noch mehr die Salbenhändler, alle Völker aber den vor, welcher röthlich^ fettig und zähe ist; eine schlechtere Sorte bildet der kleien- artige 2) und mit grauem Schimmel überzogene. Man ver- fälscht ihn mit Cedernharz oder Gummi, auch mit Honig oder bittern Mandeln; alle diese Untugenden erkennt man am Geschmacke. Von dem besten kostet das Pfund 17 Denare. Auch aus Pamphylien führt man Styrax aus, der aber schärfer und minder saftig ist» 56. Auch Galbanum liefert Syrien von demselben Berge Amanus; die Mutterpflanze ist eine Art Steckenkraut^), welche man von dem diesem Gummiharze gleichfalls ge- gebenen Namen Stagonitis nennt. Das am meisten ge- schätzte ist knorpelig, ähnlich dem Hammoniakum, und nicht holzig. Es wird mit Bohnenmehl oder Sagapenum ver- fälscht Das reine verjagt beim Brennen durch seinem •) Styraxofficinalis L. 2) Unser Styrax calamitus. 3) Ferula. Die wahre Mutterpflanze ist noch nicht mit Sicher- .^eit bekannt. Zwölftes Buch. 4'I Dunst die Schlangen. 1 Pfund davon kostet 5 Denare.. Es dient bloss zu Arzneien. 57. Dort wächst auch die Pflanze Panax^), welche zu: Salben gebraucht wird, sie kommt aber auch in Psophis, einer Landschaft Arcadiens, bei den Quellen des Eryman- thus, in Afrika und Macedonien vor, Es ist eine beson- dere Art Steckenkraut, 5 Cubitus hoch, hat anfangs 4, später 6 Blätter die auf der Erde liegen, sehr gross und- rund sind, an der Spitze aber dem Oelblatte gleichen, und Samen, welche wie bei der Fernla in Büscheln '^) herab- hängen. Der Saft wird durch Einschneiden und zwar zur Zeit der Erndte vom Stengel, und im Herbste von der Wurzel gesammelt. Man schätzt von dem frischgesammel- ten den weissen, später, auf der Waage, den blassen; der schwarze wird verworfen. 1 Pfund des besten kostet 2 Denare. 58. Von dieser Pflanze unterscheidet sich das sogenannte Spondylion^) nur durch die Blätter, welche bei letzterem kleiner, und wie die der Platane, getheilt sind. Es wächst auch an schattigen Orten. Der Same hat denselben Namen, ist dem Silis ähnlich, und wird bloss in der Arzneikundc angewandt. 59. In Syrien wächst ferner der Malobathron*), ein Baum mit aufgerollten und dürr aussehenden Blättern, aus denen ein zu Salben dienendes Oel gepresst wird. In Aegypten findet er sich noch häufiger, aber besser ist das indische Oel. Man berichtet, er wüchse dort in Sümpfen wie die Linse, das Oel röche stärker als Safran, sei schwärzlich, rauh, und schmecke salzig. Das weisse ist weniger be- liebt. Wenn es alt wird, bedeckt es sich rasch mit ') Panax. Pastinaca Opopanax L. ^) Muscaria. 3) Heracleum Spondylion L. '*) Laurus Cassia oder L. Malaba-- thrum L. 42 Zwölftes Buch. Schimmel. Auf der Zunge muss es ähnlich wie die Narde schmecken. Sein Geruch aber, wenn es mit Wein erhitzt wird, übertrifft alle anderen. Es steht in erstaunlich hohem Preise, denn 1 Pfund kostet 300 Denare; von der andern Sorte kostet 1 Pfund 60 Denare. 60. Es giebt auch ein Oel Namens Omphacium. Man bereitet es aus 2 Arten, nemlich aus der Olive und den Weinbeeren, und auf gleiche Weise; eine Sorte presst man aus den Oliven die noch weiss sind, die andere, schlechtere aus der Druppa, so heisst nemlich die Olive bevor sie zum Essen reif ist, aber ihre Farbe schon verändert. Der Unterschied besteht darin, dass dieses Oel grün, jenes weiss aussieht. Aus dem Weinstocke bereitet man die Psythia oder Amminea i), wenn die Beeren von der Grösse einer Kichererbse sind, vor dem Aufgange des Hundssterns. So- bald die Trauben weich werden, wird der Saft 2) ihnen ge- nommen, und an der Sonne gezeitigt. Nächtlicher Thau muss dabei abgehalten werden. Der Saft wird in einem irdenen, zuweilen auch in einem kupfernen Gefässe aufbe- wahrt. Der röthliche, pikante und trocknende ist der beste. 1 Pfund Omphacium kostet 6 Denare. Man berei- tet ihn auch auf andere Weise, indem man nemlich die un. reifen Trauben im Mörser zerstösst, an der Sonne trocknet und darauf in kleine Brode formt. 61. Hierher gehört auch dasBryon, die Traube der weissen Pappel. Das beste findet sich bei Gnidus und in Carlen an dürren, rauhen Orten; eine zweite Sorte auf der Ceder in Lycien. Ferner gehört hieher die Oenanthe, die Traube des wilden Weinstocks ^) ; man sammelt sie zur '.Zeit der Blüthe, d. i. wenn sie am besten riecht, trocknet sie im Schatten auf Leinwand, und thut sie in Gefässe. Die beste kommt aus Parapotamia, die zweite von Antio- ') Rosinenwein. ^) melligo. •'j Vitis Labrusca L. ■ Zwölftes Buch. 43 chia und Laodicea in Syrien, die dritte von den medischen Bergen. Letztere eignet sich besser zu Arzneien. Einige ziehen allen diesen diejenige vor, welche auf der Insel Cypern vorkommt. Die in Afrika vrachsende wird nur von den Aerzten angewandt, und heisst Massaris. Alle aber sind besser veu der weissen, als von der schwarzen wilden Rebe. 62. Ausserdem giebt es noch einen Baum, der zu denselben Salben dient, und den Einige Elate, was bei uns Tanne heisst, Andere Palme, noch andere Spat he nennen. Am meisten schätzt man die ammoniacische , dann folgt die ägyptische, dann die syrische; sie ist nur an dürren Orten wohlriechend, und schwitzt einen fetten Saft aus, der den Salben zugesetzt wird, um das Oel milder zu machen. 63. In Syrien wächst auch eine Art Zimmt, den man Comacum^) nennt. Aus dessen Nuss wird ein Saft ge- presst, der zwar sehr von dem des echten Zimmt abweicht, jedoch fast eben so angenehm riecht. Ein Pfund kostet 40 Ass. ') Muthmaasslich Myristica moschata L, die freilich nicht in Syrien wächst. Dreizehntes Euch. Von den fremden Bäumen, den Salben und Balsamen. 1. Bisher besassen nur die Wälder die schätzbarsten Bauch werke, und jedes derselben wurde bewundert; dem Luxus hat es aber gefallen, sie zn vermischen, und aus allen ein einziges zu bereiten. So entstanden denn die wohlriechenden Balsame i). Wer' sie zuerst bereitet hat, ist nicht angegeben. In den Zeiten Troja's kannte man sie noch nicht, auch opferte man damals nicht mit Weih- rauch, sondern man wusste bloss von dem Dufte, der sich aus dem bei dem Gottesdienste brennenden Cedern- und Citronenholze entwickelte. Der Rosensaft war aber schon erfunden; wir werden ihn noch bei dem Lobe des Oeles anführen. Die Salben müssen eine Erfindung der Perser sein, denn diese triefen davon, und vertilgen durch Anwen- dung künstlicher Wohlgerüche den aus ihrem Halse sich entwickelnden Gestank. Zuerst hat, so viel ich wenigteus finde, Alexander bei der Eroberung des Lagers des Königs, Darius unter andern Geräthschaften desselben eineni Schrank mit Salben erbeutet. Nachher wurde das Ver- gnügen daran von den Römern sogar unter die löblichsteui und anständigsten Güter des Lebens gerechnet, und man. fing selbst an, diese Ehre den Verstorbeneu angedeihen zu: lassen, weshalb wir ausführlicher davon reden müssen.. *) unguenta, Salben. Dreizehntes Buch. 45 Diejenigen Arten unter ihnen, welche nicht von Strauciige- ■wäcbsen kommen, sollen jetzt bloss dem Namen nach an- gezeigt werden; das Nähere über sie wird an ihren Orten berichtet. 2. Einige Salben haben ihre Beinamen von dem Vater- lande, andere von den in ihnen enthaltenen Säften, andere von den Bäumen, andere aus andern Ursachen bekommen. Zuerst ist zu wissen nöthig, dass sich die Mode oft geän- dert, und der Euhm der einen auf andere tibergegangen ist. Vormals war die auf der Insel Delos die geschätzteste, her- nach ward es die meudesische. Der Grund davon liegt nicht allein in der Mischung und Zusammensetzung, sondern ein und dieselben Säfte haben bald hier bald da den Vor- zug gehabt, oder sind ausgeartet. Der Lilienbalsam i) von Corinth stand lange Zeit im Ansehn, später der von €ycicum; ebenso der Rosenbalsam von Phaselus, dessen Ruf jetzt auf Neapel, Capua und Präneste übergegangen ist. Der Safranbalsam zu Soli in Cilicien stand lange Zeit im Rufe, nachher der rhodische. Ebenso der Traubenbal- sam-) auf Cypern, dann in Aegypten und hierauf zu Adramytteum. Der Majoranbalsam 3) auf Cos, später eben- daselbst der Quittenbalsam 4). Der cyrische auf Cypern, hernach in Aegypten, wo auch auf einmal der mendesische und metopische angenehmer bereitet ward. Bald darauf vertrieb der Palmbalsam ■^) diese, und Hess Aegypten das Lob des cyprischen. Athen hat den Ruf seines parathe- näischen beständig behalten. Es gab auch einen Parderbal- sam in Tarsus, dessen Zusammensetzung und Anfertigung aber in Vergessenheit gekommen ist. Auch der Narcissen- balsam aus der Narcissenblume wird nicht mehr bereitet. Die Zubereitung ist doppelter Art, man macht sie nämlich entweder flüssig oder fest. Der flüssige Balsam *) Irinum. '■') Oenanthinum. ^) Amaracinum. *) Melinum. ') Phönice. 46 Dreizehntes Buch. besteht fast nur aus verschiedenen Oelen, der feste aus wohlriechenden Specereien; diese heissen Stymmata, jene Hedysmata. Ein dritter unter diesen ist der gefärbte, der aber von Vielen nicht geachtet wird, und um desswillen man Drachenblut ^) und rothe Ochsenzunge -) anwendet. Zusatz von Salz mässigt die Natur des Oeles. Zu denen man Ochsenzunge setzt, wird kein Salz gethan. Harz und Gummi fügt man dem festen Balsam zu, um den Geruch zu binden; denn werden sie nicht zugesetzt, so verschwin- det und verfliegt dieser äusserst schnell. Der am leichtesten anzufertigende und auch wahr- scheinlich der erste unter den Balsamen war der aus Bryum und Balanenöl bereitete, von denen oben schon die Rede war. Darauf wurde der mendesische vermehrt, indem man dem Balanenöl 3), Myrrhe und noch Metopium zumischte. Letzteres ist ein Oel, was in Aegypten aus bittern Mandeln gepresst wird. Hiezu hat man noch Traubenkernöl, Car- damom, Juncus, Calmus, Honig, Wein, Myrrhe, Samen vom Balsambaum, Galbanum undTerebinthenharz gethan. Heut- zutage rechnet man den, welcher aus Myrtenöl, Calamus, Cypresse, Cyprus, Mastix und Granatschale besteht, unter die geringsten, und glaubt daher, dass es der älteste sei. Ich möchte aber annehmen, dass die Rosen-Balsame am meisten verbreitet sind, weil diese Blume überall häufig wächst. Die Zubereitung des Rosen -Balsams war daher auch lange Zeit sehr einfach, denn man setzte zum Ompha- cium Rosenblüthe, Safranbalsam, Drachenblut, Calamus, Honig, Gewürzbinsen, reines Salz oder Ochsenzunge und Wein. Ebenso bereitete man den Safranbalsam; jedoch mit mehr Drachenblut, Ochsenzunge und Wein, desgleichen den Majoranbalsam, aber mit mehr Omphacium und Cal- mus. Letzterer wird am besten in Cypern und Mitylene bereitet, wo der Majoran ^) in reichlicher Menge wächst. Man vermischt auch wohlfeilere Oelarten aus Myrten, Lor- ') cinnabaris. ^) anchusa. Anchusa tinctoria L. 3) Behenöl. ■*) sampsuchus. Origanum Majorana L. Dreizehntes Buch. 47 beeren, und setzt ihnen Majoranbalsam, Lilien, Bockshorn- samen, Myrrhe, Cassia, Narde, Gewürzbinsen und Zimmt hinzu. Auch aus den Quittenäpfeln und der Seifenpflanze *) bereitet man, wie wir noch anführen werden, das Quittenöl, welches unter Zusatz von Omphacium, Cyperbalsam, Sesamöl , Opobalsam , Binsen, Cassia und Stabwurz -) in Balsame eingeht. Der susische Balsam ist der feinste von allen; er besteht aus Lilien, Balanen, Calamus, Honig, Zimmt, Safran und Myrrhe. Der cyprische enthält Cyprus, Omphacium, Cardamom, Calmus, Rosenholz und Stabwurz; Einige setzen ihm noch Myrrhe und Panace zu. Der beste kommt von Sidon, dann folgt der ägyptische, wenn man kein Sesam 3) hinzuthut. Er hält sich 4 Jahre lang. Durch Zimmt wird er wieder aufgefrischt. Den Bockshornbalsam ^) bereitet man aus frischem Oele, Cyperus, Calamus, Stein- klee, Bockhorn, Honig, Marum und Majoran. Dieser war zur Zeit des Lustspieldichters Menander der berühmteste. Lange nachher folgte der seines Rufes wegen sogenannte Grosse •>), dessen Bestandtheile ßalanenöl, Opobalsam, Ca- lamus, Binse, Xylobalsam, Cassia und Harz waren. Eine besondere Eigenschaft desselben ist, dass, wenn er beim Kochen so lange bewegt wird, bis er nicht mehr riechr, er nach dem Erkalten seinen Geruch wieder annimmt. Auch aus einzelnen Säften werden schöne Balsame be- reitet. Dahin gehört vorzüglich das Malabathrum; sodann die illyrische Schwertlilie und der cyzinische Majoran, bei- des krautartige Pflanzen. Diesen setzt man wenig mehr zu, jedoch die Einen diess, die Andern jenes, und die, welche am meisten zumischeu, thun zu einem von beiden Honig, reines Salz ß), Omphacium, Keuschbaumblätter ") und Panace, lauter auswärtige Dinge. Am kostbarsten ist der •) struthium. Saponaria officinalis L, 2) Abrotanum. Artemisia Abrotanum L. 3) Sehamum Orientale L. ") Telinum von der Pflanze Telis: Trigonella Foenum graecum L. *) Megalium. «) flos salis. ') folia agni. Vitex Agnus castus L. .48 Dreizehntes Buch. Zimmtbalsam; hiezu nimmt man Zimmt, Balaneuöl, Xylo- balsam, Calamus, Juncus, Samen vom Balsambaum, Myrrhe, und wohlriechenden Honig; er ist der dickste von allen Balsamen. 1 Pfund davon kostet 25 bis 300 Denare. Der Narden- oder Blattbalsam besteht aus Omphacium, Bala- nenöl, Juncus, Costus, Nardus, Amomum, Myrrhe und Opo- balsam. Bei dieser Gelegenheit wird es passend sein, daran zu erinnern, dass wir 9 Arten von Kräutern genannt haben, welche der indischen Narde ähnlich sind; so reichlich ist der Stoff zur Verfälschung vorhanden. Alle Balsame werden durch Costus und Amomum, welche am meisten in die Nase beissen, schärfer, durch Myrrhe dicker und ange- nehmer, durch Safran aber zum Arzneigebrauch dienlicher, und am schärfsten durch Amomum allein, welches auch Kopfweh verursacht. Einige begnügen sich damit, die theuersten Ingredienzien nur auf die übrigen, nachdem diese ausgekocht sind, zu sprengen, um die grossen Kosten zu ersparen; allein dadurch erreicht man nicht den Zweck, wie mit dem Zusammenkochen. Die Myrrhe liefert schon für sich allein, ohne Oel, einen Balsam; ausserdem macht sie zu bitter. Durch cyprinischen Balsam wird er grün, durch susinischen fettig, durch mendesischen schwarz, durch Rosen- balsam weiss, durch Myrrhe blass. Diess sind nun die Balsam-Arten alter Erfindung, mit welchen uns hernach die Anfertiger betrogen haben. Jetzt wollen wir noch von der ausserordentlich grossen Liebhaberei und dem Ansehen,^zu welchem die Balsame gelangt sind, reden. Königs-Balsam heisst derjenige, welcher für die par- thischen Könige bereitet wird; er besteht aus Myrobalanen, Costus, Amomum, Zimmt, Comacum, Cardamom, Narden- ähren, Marum, Myrrhe, Cassia, Styrax, Ladanum, Opobal- sam, Calamus, Juncus, wilder Weintraube, Malobathrum, Serichatum, Cyprus, Aspalathum, Panace, Safran, Cypirus, Majoran, Lotus, Honig und Wein. Nichts hiervon wächst in Italien, der Besiegeriu aller Völker, ja in ganz Europa, ausser der illyrischen Schwerdtlilie und der gallischen .Narde; denn dass der Wein, die Kose, Myrtenblätter und Dreizehntes Buch. 49 Oel fast allen Ländern gemein sind, versteht sich von selbst. 3. Was man Räucher-Species i) nennt, besteht aus trocknen wohlriechenden Dingen. Der Absatz der Salben heisst Magma. Unter allen Parfümen riecht das am stärksten, welches zuletzt zugethan wird. Salben werden am besten in Alabasterbtichsen, riechende Sachen am besten in Oel aufbewahrt, und je fetter das Oel, um so grösser ist seine Erhaltungsfähigkeit, wie z. B. das Mandelöl. Auch selbst die Salben verbessern sich durch das Alter. Das Sonnenlicht schadet ihnen; man bewahrt sie daher im Schatten in bleiernen Gefässen. Proben davon nimmt man auf die äussere Seite der Hand, damit die Wärme des .fleischigen Theils ihnen nicht schade. 4. Die Parftimerien sind unter den Gegenständen des Luxus die aller überflüssigsten; denn Perlen und Edelsteine kommen doch auf die Erben, Kleider dauern eine Zeit lang, allein die Balsame verdunsten rasch, und gehen in der- selben Stunde, wo sie gebraucht, werden, zu Grunde. Da- durch empfehlen sie sich am meisten, dass, wenn ein Frauen- zimmer vorbeigeht, ihr Geruch auch die, welche nicht daran denken, anlockt. Das Pfund wird bis zu 40 Denaren verkauft. So theuer kauft man ein Vergnügen, was nur Andere gemessen, denn wer einen Balsam an sich trägt, riecht ihn selbst nicht. Aber auch hier müssen wir einige Unterschiede bemerklich machen. In den Schriften des Cicero ist angegeben, dass diejenigen Salben, welche nach Erde schmecken, mehr Beifall finden, als die, welche nach Safran schmecken; empfiehlt sich ja selbst bei der grössten Verdorbenheit mehr eine gewisse strenge Beharrlichkeit im Sündigen! Einige haben es lieber, wenn die Salben recht dick sind, und es genügt ihnen noch nicht, wenn ihr Leinen - zeug davon durchdrungen ist. Ich habe sogar die Fuss- *) diapasmata. Wittstein: Pliniua. U. Bd. 50 Dreizehntes Buch. sohlen mit Salben bestreichen sehen, und man sagte, M. Otho habe diess dem Prinzen Nero gezeigt. Wie konnte man wohl, frage ich, die Salben von diesem Theile des Körpers her wahrnehmen, und wozu nützten sie folglich da? Auch habe ich gehört, ein Privatmann habe die Wände seiner Badestube mit Balsam besprengen, und der Prinz Cajus den Sitzboden damit bestreichen lassen, und, damit diess nicht für ein fürstliches Gut angesehen werde, sei ihm einer von den Sclaven des Nero bald hierin nach- gefolgt. Jedoch am meisten muss man es bewundern, dass dergleichen Parfümerien auch ins Lager gedrungen sind; wenigstens werden die Adler und Feldzeichen, wenn sie staubig und schmutzig aussehen, an festlichen Tagen ge- salbt. Könnte ich doch angeben, wer diess zuerst einge- führt hat! So ist's, ohne Zweifel haben unsere Adler, durch diesen Lohn bestochen, den Erdkreis besiegt. Solchen Schutz suchen wir für das Laster, damit wir uns dadurch ein Recht nehmen können, unter dem Helme Salben zu tragen. 5. Wann die Mode, sich zu parfümiren, zuerst zu den Römern gelangt ist, lässt sich kaum sicher bestimmen. So viel ist gewiss, dass nach der Ueberwindung des Königs Antiochus und Asiens, im 565. Jahre der Stadt, die Cen- soren P. Licinius Crassus und L. Julias Cäsar eine Ver- ordnung erlassen haben, nach welcher Niemand auslän- dische Salben (denn so nannten sie dieselben) verkaufen sollte. Aber wahrlich! jetzt thut man sie schon ins Ge- tränk, und schätzt die Bitterkeit so hoch, dass man sie in reichlichem Maasse mit beiden Theilen des Körpers i) ge- niesst. Es ist bekannt, dass L. Plotius, ein Bruder des L. Plankus , der zweimal Consul und Censor gewesen war, als die Triumviren ihn in die Acht erklärt hatten, in einem Schlupfwinkel im Salernitanischen durch den Geruch seiner Salben sich verrieth, durch welchen Umstand die Achtser- ') Nemlich mit dem Munde und der Nase. Dreizehntes Buch. 51 klärung in volle Wirksamkeit trat. Denn wer sollte nicht der Meinung sein, dass solche Menschen mit Recht um- kommen? 6. Aegypten ist unter allen Ländern das passendste für die Anfertigung der Salben; nächstdem Campanien wegen der Menge Rosen. Judäa aber zeichnet sich mehr durch die Palmen^) aus, von denen nun die Rede sein soll. Es giebt ihrer zwar auch in Europa, und häufig in Italien, sie sind aber unfruchtbar. In den Seedistrikten Spaniens tragen sie Früchte, jedoch herbe; die afrikanischen tragen süsse, welche aber bald verderben. Im Oriente dagegen macht man aus ihnen Wein, einige Völker aueh Brot, und den meisten vierfüssigen Thieren dienen sie zur Nahrung. Man nennt sie daher mit Recht ausländische. Keine von ihnen wächst in Italien wild, auch sonst nirgends als in warmen Ländern, und trä^t nur in heissen Früchte. 1. D(e Palme wächst in einer leichten, sandigen, grössten- theils auch nitrösen Erde» Sie steht auch gern an feuchten Orten, und in einem trocknen Jahre will sie beständig be- "wässel't sein. Mist soll ihr schaden, besonders wenn er, wie ein Theil der Assyrier glaubt, nicht durch Wasser ge- netzt ist. Es giebt viele Aften derselben. Die erste wird nicht höher als ein Strauch, ist unfruchtbar, an einige!>^ Orten jedoch auch fruchfbar, ihre Aeste bilden einen kurzen ; Umkreis, sind aber sehr laubreich. An den meisten Orten dienen sie zur Bedee'kung der Wände wider das Anscl^lagen des Regens. Die höhern Bäume bilden eine Art Wa\d, aus denen rund heraßi die Stacheln der Blätter wie ein Eamm , hervorbrechen, daher man sie noth wendig für wild halten . muss. Vermöge einer nicht näher bekanntep Geilheit . mischen sie sich unter die Zahmen. Die übrigen Palmen sind rund und schlank, und durch die dicht und stufen-. ') Piinius hat in den Capiteln von den Palmen hauptsächlich die DatteJpahue, Phoenix dactylifera, im Sinne. X* 52 Dreizehntes Buch. weise übereinander befindlichen ringförmigen Absätze der Rinde machen sie es den Völkern des Morgenlandes leicht, sie zu ersteigen, denn man kann auf diesen, den Baum wie einen geflochtenen Ring umgebenden Bekleidungen äusserst schnell hinaufkommen. Alles Laub sitzt an der Spitze, die Frucht nicht zwischen den Blättern, wie bei andern Bäumen, sondern zwischen den Aesten an eigenen Zweigen ^) in Trauben, und hat beiderlei Natur, die einer Traube und eines Apfels. Die Blätter haben eine messerartige Spitze, sind an den Seiten doppelt gespalten, und haben zuerst die doppelte Kriegsweise gelehrt 2); jetzt werden sie zu Stricken, und andern nützlichen Geflechten, wie zu leichten Schirmen für den Kopf gebraucht. Die in der Naturkunde erfahrensten Schriftsteller geben an, dass alle Bäume, ja selbst die Kräuter, beide Ge- schlechter hätten. Ich begnüge mich, diess ein für allemal hier gesagt zu haben. Bei keinem Baume ist es aber augen- scheinlicher als bei der Palme. Die männliche Palme trägt Blüthen an eigenen Zweigen, die weibliche treibt bloss in Form einer Aehre, ohne Blüthe. Bei beiden wächst das Fleisch der Frucht zuerst, später in ihrem Innern das Holz, d. i. ihr Same, und ein Beweis dafür ist, dass man an ein und demselben Zweige noch kleine Früchte ohne Samen findet. Der Same ist länglich, nicht rund wie bei den Oliven, ausserdem am Rücken eingeschnitten mit erhöheten Rändern zu beiden Seiten des Einschnitts, und mitten auf der untern Seite bei den meisten genabelt. Von diesem Punkte aus entwickelt sich beim Keimen zuerst die Wurzel. Man pflanzt die Samen, indem man 2 neben einander mit dem Rücken nach unten legt, und ebenso viele darauf, weil die Pflanze aus einem gezogen zu schwach wird. Die 4 Samen verwachsen dann miteinander. Dieser ') palmites. '-) Plinius will wahrscheinlich damit sagen, die Spitze der Palm- blätter hätten zur Anwendung der Spiesse, und die Schneide der Blätter zur Anwendunsr der Schwerdter im Kriege geführt. Dreizehntes Buch. 53 holzige Kern wird durch mehrere weisse Häute, deren ei- nige ihm anhängen, vom Fleische getrennt, liegt übrigens lose und ist nur an seiner Spitze an einem Faden befestigt. Das Fleisch wird in einem Jahre reif. Obgleich es in einigen Gegenden, z. B. in Cypern nicht zur Reife gelangt, so hat es doch einen angenehmen süssen Geschmack; das Blatt des Baumes ist dort auch breiter, die Frucht runder, und nicht so beschaffen, dass sie ganz verzehrt werden kann, sondern nachdem der Saft ausgesogen worden, wirft man sie weg. Auch in Arabien sollen die Palmen nur wenig süss schmeckende Früchte tragen, obgleich Juba die im Lande der scenitischen Araber vorkommenden Früchte, welche dort Dabla heissen, allen andern im Geschraacke vorzieht. — Uebrigens wird versichert, dass die wildwach- senden weiblichen Bäume ohne männliche keine Früchte tragen, und um jeden männlichen ständen mehrere weib- liche und neigten ihre Zweige lüstern nach ihm hin. Er richte dann die seinigen starr empor, und befruchte durch seinen Anblick, Anhauch und Blüthenstaub die weiblichen. Werde ein solcher männlicher Baum abgehauen, so blieben die gleichsam verwittweten Waisen unfruchtbar. Die Menschen, welche die Nothwendigkeit dieser Befruchtung eingesehen, haben sie sogar künstlich bewerkstelligt, da- durch, dass sie den Blumenstaub der Männchen auf die Weibchen streueten. 8. Die Palmen werden auch durch den Stamm fortge- pflanzt, indem man 2 Cubitus lange Stücke von der Spitze des Baumes abhauet, zerspaltet, und eingräbt. Auch abge- rissene Theile der Wurzel, sowie die zartesten Zweige, gehen an. In Assyrien treibt selbst ein gefällter Baum in einem feuchten Erdreiche Wurzeln , aber keinen Stamm mehr, sondern nur Strauchwerk. Daher die Einrichtung der Pflanzschulen, aus denen man die jährigen Reiser versetzt, und diese wieder wenn sie 2 Jahre alt sind. Sie lieben nämlich die Veränderung des Standorts; diess geschieht sonst im Frühjahre, in Assyrien aber beim Aufgange des 54 Dreizelintes Buch. Hundssterns. Daselbst berührt man auch die jungen Sprossen nicht mit einem Eisen, sondern bindet das Laub auf, damit sie in die Höhe gehen. Sind sie stark genug so werden sie, um an Dicke zu gewinnen, beschnitten, je- doch 1/2 Fuss lange Stümpfe der Aeste stehen gelassen; wollte man auch diese abhauen, so würde der Baum zu Grunde gehen. Dass sie einen salzigen Boden lieben, haben wir bereits gesagt; ist daher ein solcher nicht vor- handen, se streuet man Salz, jedoch nicht an die Wurzeln sondern etwas weiter entfernt. Einige in Syrien und in Aegypten theilen sich in 2 Stämme; in Cypern auch in 3 und selbst in 5. Sie tragen gleich im 3. Jahre; in Cy- pern, Syrien und Aegypten aber einige im 4., andere im 5., bei einer Höhe eines Menschen, haben aber, so lange sie jung sind, keinen Holzkern in der Frucht, und heissen deshalb Entmannte. 9. Es giebt viele Arten von ihnen. Der unfruchtbaren bedient man sich in Assyrien und ganz Persien zu Nutz- holz und prächtigem Bauwerken. Es giebt auch Palmen- wälder, welche ausgehauen werden und wiederum aus der Wurzel ausschlagen. Im Gipfel haben sie süsses Mark, welches Gehirn genannt wird; nimmt man es ihnen, so bleiben sie, was bei andern Bäumen nicht der Fall ist, dennoch am Leben. Diejenigen mit etwas breiten und weichen Blättern, welche sich vorzüglich gut zu Flechtwerk eignen, heissen Zwergpalmen *). Sie wachsen häufig in Greta, noch häufiger aber in Sicilien. Die Palmen geben eine lebhaft brennende Kohle und verbrennen langsam. Die fruchttragenden Palmen haben theils einen kurzen, theils längern, weichern oder härtern, einige einen knochen- harten und mondförmigen Kern, der gegen Zauberkünste dient und feierlich mit einem Zahne geglättet wird. Die einen sind mit mehreren oder weniger Häuten bedeckt, die Cliamaerepes. Chemaerops humilis L. Di?eizehntes Buch. 55 andern mit dickem oder dünnern. So erhalten wir 49 Arten, wenn man alle, auch die fremden Namen, und die ver- schiedenen aus ihnen bereiteten Weine hinzurechnen will. Am berühmtesten unter ihnen sind die geworden, welche man der ihnen angethanen Ehre wegen die königlichen ge- nannt hat, weil sie bloss für die persischen Könige zu Babylon in einem Garten Namens Bagou gezogen wurden; mit diesem Namen bezeichnet man nämlich die Ver- schnittenen, welche auch bei den Persern regiert haben. Dieser Garten war nie in eines Andern als des Hofes Be- sitz. In dem südlichen Theile des Erdkreises aber haben diejenigen, welche Syagri i) und demnächst die, welche Margariden 2) heissen, das meiste Ansehen. Diese 3) sind weiss, kurz, rund. Beeren ähnlicher als Balanen, und daher auch nach den Perlen benannt worden. Es soll nur ein Baum davon in Chora sein, auch soll es nur einen von den Syagern geben. Vom letzterm habe ich eine wunderbare Geschichte erfahren; er soll nämlich mit dem Vogel Phönix, Ton dem man glaubt, dass er von der Beschaffenheit dieses Baumes seinen Namen erhalten habe, sterben und aus sich selbst wieder hervorwachsen. Er trägt aber, da ich diess schreibe, Früchte. Die Frucht selbst ist gross, hart, rauh, mid von den übrigen Arten durch einen ähnlichen Wildge- schmack unterschieden, wie wir ihn von den wilden Schweine kennen, und diess ist wohl die unzweideutigste Ursache seines Namens. Den vierten Rang behaupten die von der Aehnlickeit ihrer Frucht sogenannten Sandaliden *). An der Grenze von Aethiopien sollen ihrer 5 und nicht mehr stehen, und sie verdienen nicht sowohl wegen ihrer Seltenheit, als wegen ihres angenehmen Aeussern Bewun- derung. Nächst diesen sind die Caryoten^), welche das meiste *) wörtlich: wilde Schweine. ^) Perlen. 3) Nämlich die Früchte der Margariden. *) Pantoffelpalmen, von sandalium, Pantoffel. ^) Von Caryota urens L. 56 Dreizehntes Buch. Fleisch und den meisten Saft haben, die geschätztesten^ Aus ihnen bereiten die Morgenländer vorzügliche Weine^ welche den Kopf einnehmen, daher der Name der Frucht ^). Sowie sie hier in grosser Menge vorkommen, sind sie in Judäa von edler Art, aber nicht im ganzen Lande, sondern vorzüglich nur bei Jericho; jedoch werden auch die in den dortigen Thälern Archelais, Phaseiis und Livias wachsen- den gelobt. Ihr Hauptvorzug besteht darin, dass sie von fettem Safte träufeln, und neben der Süsse des Honigs einen gewissen Weingeschmaek haben. Die sogenannte» Nicolaen unter ihnen sind trockner, aber von bedeutender Grösse, da 4 derselben 1 Elle messen. Weniger schön,, aber dem Geschmacke nach die Schwestern der Caryoten,. und darum Adelphiden genannt, kommen ihnen an Lieb- lichkeit zwar nahe, jedoch nicht gleich. Die dritte Art, die Pateten 2) haben zu viel Saft, und dieser Ueberfluss bricht sogar, wenn die Frucht noch am Baume hängt, aus der- selben hervor, als wenn er gekeltert würde. Von den trocknen bilden die fingerförmigen, welche sich wegen ihrer Länge und Dünne zuweilen krümmen^ eine eigene Art. Diejenigen unter ihnen, welche wir den Göttern weihen, haben die Bewohner Judäa's, ein Volk, welches durch Schmähung der Götter bekannt ist, die schlechten 3) genannt. Die thebaischen und arabischen sind überhaupt trocken, klein und mager, durch die beständige Hitze ausgedörrt und eher mit einer Kruste als Haut über- zogen. Diese Frucht ist so dürre, dass sie in Aethiopien. gerieben und als Mehl zu Brot verbacken wird. Sie wächst auf einem Strauche mit ellenlangen Aesten und breiten Blättern, ist rund aber grösser als ein Apfel und heisst Coica *). Sie wird in 3 Jahren reif; der Strauch hat immer Früchte, da stets welche nachwachsen. Die Frucht in The- bais wird unmittelbar nach ihrer Abnahme in Fässer ge- *) von caryon (xaQvov) Kopf. 2) von TiarrjTog getreten, gekeltert. ^) chydaei. *) Von Hyphaena coriacea Gäxtn. Dreizehntes Buch. 57 than; geschieht diess nicht, so verraucht die ausdünstende Feuchtigkeit hald, und sie verwelkt, wenn man sie nicht in Oefen neu bäckt. Die Früchte der übrigen Arten scheinen geringe zu sein, und heissen der Nachtisch i). Die in einem Theile Phöniciens und Siciliens vorkommenden führen bei uns den Volksnamen Eicheln, und bilden gleichfalls mehrere Arten, die sich in Ansehung der Runde oder Länge sowie durch eine mehr oder weniger schwarze und rothe Farbe unterscheiden. Sie sollen nicht weniger Farbe haben als die Feigen; am beliebtesten sind aber die weissen. Auch in der Grösse weichen sie von einander ab, und viele sind einen Cubitus lang, dagegen manche nicht grösser als eine Bohne, Diejenigen endlich, welche auf salzigem und sandigem Boden, wie in Judäa und im cyrenaischen Afrika wachsen, hebt man auf, nicht aber die in Aegypten, Cypern^ Syrien und Seienden in Assyrien. Daher werden die Schweine und andere Thiere damit gemästet. Wenn die Frucht verdirbt oder alt wird, fällt die weisse Warze, wo- mit sie am Stengel fest gesessen hat, ab. Alexander'» Soldaten erstickten an grünen Palmfrüchten, und zwar war im Lande der Gedroser die Art, anderwärts die Menge der Früchte daran schuld; im frischen Zustande schmecken sie nämlich so angenehm, dass man nicht eher zu essen auf- hört, bis Gefahr sich zeigt. 10. In Syrien giebt es ausserdem noch andere diesem Lande eigenthtimliche Bäume. Unter den Arten mit Nüssen ist die Pistacie^) bekannt. Sie soll, im Getränk sowohl wie in Speisen genossen, ein Mittel gegen den Biss der Schlangen sein. Von Feigen giebt es dort die Caricae^), und eine kleinere Sorte davon, welche man Gott an a nennt; ferner Pflaumen, welche auf dem Berge Damascus wachsen^), und Sebesten^), welche beide in Italien schon ') tragemata. ^) Pistacia vera L. ^) Ficus Carica L, *) Prunus domestica L. ^) Myxae. Cordia Myxa L. 58 Dreizehntes Buch. ganz einheimisch sind. Aus den Sebesten macht man in Aegypten auch Wein. 11. Die Phönicier haben auch einen kleinen Cedernbaum, der dem Wachholder ähnlich ist. Es giebt 2 Arten davon, den lycischen und phönicischen. Sie unterscheiden sich durchs Blatt; der nämlich, welcher ein hartes, spitzes stach- liches hat, heisst Oxycedrus i), ist ästig und an den Knoten stechend. Der andere hat einen bessern Geruch 2). Sie tragen eine Frucht von der Grösse der Myrte, und süssem Geschmacke. Auch von der grössern Ceder^) giebt es 2 Arten. Welche blüht, trägt keine Frucht; die fruchttra- gende blühet nicht, und es folgt auf die vorhergehende Frucht sogleich wieder eine neue. Ihr Same ist dem der Cypresse ähnlich. Einige nennen sie Cedertanne 4). Von dieser kommt das beste Harz. Das Holz selbst aber ist unverweslich, daher hat man die Standbider der Götter aus demselben gemacht. Der sosianische Apollo in einem Tempel zu Rom, den man von Seleucien hergebracht, ist von Cedernholz. In Arkadien wächst ein Baum, welcher der Ceder gleicht; in Phrygien wird ein Strauch Cedris genannt. 12. In Syrien wächst auch die Terebinthe^). Der Stamm derselben trägt keine Früchte. Weibliche giebt es 2 Arten, eine mit röthlicher Frucht von der Grösse einer Linse, die andere mit blasser Frucht, welche mit der Weinbeere zugleich reif wird, nicht grösser als eine Bohne ist, angenehmer riecht und sich harzig anfühlt. Am Ida in Troas und in Macedonien ist dieser Baum niedrig und strauchartig, in Damascus aber gross. Sein Holz ist sehr zähe, empfieht sich durch seine Dauer und hat einen ^) luniperus Oxycedrus L. 2) Scheint Juniperus phoenicea L. zu sein. 3) Pinus Cedrus L. '') Cedrelate. 5) Terebinthus. Pistacia Terebinthus L. Dreizehntes Buch. 59 schwarzen Glanz; die Blüthe ist traubig wie beim Oelbaum, aber röthlich; die Blätter stehen dicht. Er trägt kleine Anschwellungen i) aus dene u mückenartige Thiere kriechen, und die ein ähnliches zähes Harz, wie es aus der Rinde her- vorbricht, ausschwitzen. 13. In Syrien trägt nur der männliche R h u s 2) Früchte, der weibliche nicht. Sein Blatt ist etwas länger als das der Ulme und haarig, die Blattstiele stehen an einem dünneu und kurzen Aste einander stets gegenüber, und dienen zum Weissmachen der Häute. Der Same gleicht einer Linse, und ist, wenn er mit der Traube roth wird, in welchem Zustande er Rhus heisst, ein nothwendiger Bestandtheil der Arzneimittel. 14. In Aegypten giebt es viele Arten von Bäumen, wel- che anderswo nicht vorkommen. Vor allen gehört dahin der Feigenbaum 3) welcher daher auch den Beinamen der ägyptische erhalten hat. Er ist im Blatte, Ansehn und in der Grösse dem Maulbeerbaume ähnlich, und trägt die Frucht nicht an den Aesten sondern am Stamme selbst. Diess ist die sehr süsse Feige, welche inwendig keine Körner hat, und in ausserordentlicher Menge vorkommt, man muss sie jedoch nur mit eisernen Nägeln ritzen, sonst wird sie nicht reif. Am 4, Tage aber, nachdem diess ge- schehen, wird sie gepflückt, indem sogleich wiederum eine neue nachwächst, und diese Vermehrung dauert so fort bis zum 7. Nachwüchse, denn der Baum enthält im Sommer stets einen grossen Vorrath von Milchsaft. Das Nach- wachsen findet auch statt, wenn man nicht ritzt, und zwar 4 mal im Sommer, dabei stösst die folgende Frucht die erstere noch unreif ab. Das Holz ist von eigenthümlicher Art und gehört zu den nützlichsten. Sobald es gehauen ist, wird es ins Wasser gesenkt, was man sein Trocknen nennt; anfänglich sinkt es nämlich unter, begiebt sich aber später in die Höhe, und man darf nicht zweifeln, •) folliculi, eine Art Galläpfel. ^) Rhus. Rhus Coriaria L. ^) Ficus. Ficus Sycomorus L. 60 Dreizehntes Buch. dass ein fremdartiger Saft, der sonst alles andere Holz feucht macht, dasselbe aussaugt (d, h. das Holz verlässt.) Sobald es anfängt zu schwimmen, ist es zur Verarbeitung hinreichend vorbereitet. 15. Ihm sieht der sogenannte cyprische Feigenbaum i) in Greta einigermaassen ähnlich, denn auch dieser trägt die Früchte am Stamme selbst, jedoch auch an den Aesten wenn sie gehörig dick sind. Er treibt einen Sprössling ohne alle Blätter und vom Ansehn einer Wurzel. Der Stamm sieht dem der Pappel und das Blatt dem der Ulme ähnlich. Er setzt 4 mal Früchte und ebenso oft Knospen an. Die Frucht wird aber nur dann reif, wenn durch einen Einschnitt die Milch abgelassen wird. Sie hat den angenehmen Geschmack und das Innere einer andern Feige, und die Grösse einer Sorbus-Frucht. 2) 16. Ein ähnlicher Baum, den die Jonier Johannisbrot- baum 3) nennen, trägt auch am Stamme selbst Früchte, aber Schoten, und ist von Einigen, jedoch offenbar irrthüm- licherweise, der ägyptische Feigenbaum genannt worden, denn er wächst nicht in Aegypten, sondern in Syrien, Jonien, bei Gnidus und auf Rhodus, hat beständig grüne Blätter, weisse starkriechende Blüthen, treibt unten Schöss- linge und sieht, weil diese ihm den Saft nehmen, ganz unten blassgelb aus. Wenn man die Frucht vom vorigen Jahre beim Aufgange des Hundssterns abnimmt, so wächst sogleich eine neue; nachher, beim Aufgange des Arcturus. kommt die Blüthe, und den Winter über entwickelt sich die Frucht. 17. In Aegypten wächst auch eine besondere Art von Pfirsichbaum 4), der dem Birnbäume gleicht und sein •) Varietät des vorigen. 2) Vergl. XV. B. 23. Cap. 3) Ceraunia. Ceratonia Siliqua L. ■*) arbor persica. Amygdalus persica L. Dreizehntes Buch. Q\ Laub nicht abwirft. Er trägt beständig Früchte, indem den folgenden Tag schon wieder eine neue nachwächst; beim Wehen der Passatwinde werden sie reif. Die Frucht ist grösser als eine Birne, wird von einer der Mandel ähn- lichen Hülle eingeschlossen und hat eine grasgrüne Haut; doch während bei jener eine Nuss, ist hier eine Fleisch- frucht 1), die sich auch noch durch ihre Kürze und Weich- heit unterscheidet, und obgleich sie durch ihre angenehme Süssigkeit den Geschmack sehr reitzt, nicht schadet. Das Holz unterscheidet sich in der Güte, Festigkeit und Schwärze in nichts von dem des Lotusbaums. Man hat Statuen aus ihnen gemacht, die, obwohl dauerhaft, allerdings nicht so schön aussehen wie die von dem Baume, welchen wir Baianus genannt haben, und der grösstentheils gewunden ist. Es dient daher jetzt nur zum Schiffbaue. 18. Dagegen aber steht der Kokosbaum2) welcher den Palmen gleicht, in grossem Ansehn, denn seine Blätter gebraucht man auch zu Flechtwerken. Er unterscheidet sich nur dadurch, dass er seine Aeste armförmig ausbreitet. Die Frucht ist so gross, dass sie eine Hand füllt, von Farbe braungelb, und enthält einen Saft von angenehmem süsslich zusammenziehendem Geschmack. Der darin be- findliche Samen 3) ist gross, ausserordentlich hart und wird zu Siegelringen verarbeitet; er enthält einen in frischem Zustande süssen Kern, der aber durch Trocknen so hart wird, dass er nur dann gekauet werden kann, wenn er zuvor mehrere Tage lang eingeweicht war. Das Holz ist schön gemasert, und deshalb bei den Persern sehr hoch geschätzt. 19. Nicht minder berühmt ist in jenem Lande *) der Dor n- baum^), jedoch nur der schwarze, denn sein Holz hält ') prunum. -) Cuci. Cocos nucifera L. ^j Die eigentliche Nuss. "*) Nämlich in Aegypten. '') Spina. Acacia vera W. (32 Dreizehntes Buch. sich im Wasser unverändert, und giebt deshalb das beste Material zu Schiflfskielen. Der weisse fault leicht. Auch die Blätter haben Stacheln. Der Same liegt in Schoten und dient zur Bereitung des Leders statt der Galläpfel.. Die Blume nimmt sich schön in Kränzen aus und wird auch zu Arzneimitteln angewandt. Es fliesst auch ein Gummi aus diesem Baume, aber ganz besonders nützlich; wird er dadurch, dass er abgehauen im 3. Jahre wieder aufschiesst. Er wächst um Theben, wo auch die Eiche,, der Pfirsich- und der Oelbaum vorkommen, 300 Stadien vom Nile in einer waldigen Gegend, welche durch die Quellen dieses Flusses bewässert wird. Dort wächst auch die ägyptische Pflaume, welche dem eben erwähnten Dornbaume nicht unähnlich ist, eine der Mispel ähnliche,. im Winter reifende Frucht hat und die Blätter nicht ver- liert. Der Stein in der Frucht ist gross, das Fleisch aber liefert seiner Beschaffenheit und Menge nach den dortigen Bewohnern gleichsam eine Erndte. Nachdem sie es ge- reinigt haben, stossen sie es und bewahren es in Klossen auf. In einem waldigen Districte um Memphis giebt es. so starke Bäume davon, dass 3 Menschen sie nicht um-, spannen können. Einer von diesen ist besonders merk- würdig, nicht seiner Frucht oder seines Nutzens, sondern einer besondern Eigenthümlichkeit wegen; denn er hat das Ansehn eines Dornbaumes, Blätter wie Federn, welche, sobald ein Mensch die Aeste berührt, abfallen, und sicl^ hierauf wiedererzeugen. 20, Das Gummi vom ägyptischen Dorubaume, welches für das beste gehalten wird, ist wurmförmig, graugrün, rein, ohne Kindentheile und hängt sich an die Zähne. 1 Pfund desselben kostet 3 Denare. Schlechter ist das- jenige von dem bittern Mandel- und Kirschbaume, am schlechtesten das vom Pflaumenbaume. Auch aus den Weinstöcken fliesst ein Gummi, welches bei Geschwüren an Kindern die besten Dienste leistet; auch mitunter aus dem Oelbaume, was gut für Zahnweh ist, ferner liefert Dreizehntes Buch. 63 der Ulmenbaum auf dem Berge Corycum in Cilicien und der Wachholder Gummi, das aber nichts taugt. Aus dem Ulmengummi entstehen aber daselbst die Mücken. Auch aus der Sarkokolle i), einem Baume, fliesst Gummi, welches von den Malern und Aerzten viel gebraucht wird ; es sieht dem zerriebenem Weihrauche ähnlich, ist daher weiss besser als röthlich und hat mit dem obigen Gummi einen Preis. 21. Wir haben die Sumpfpflanzen und die an den Flüssen wachsenden Sträucher noch nicht berührt. Ehe wir jedocU Aegypten verlassen, müssen wir von der Papierstaude *) reden, weil hauptsächlich der Gebrauch des Papiers uns die Mittel an die Hand giebt, Kenntnisse zu erwerben und der Vergessenheit zu entziehen. Das Papier soll, wie M. Varro berichtet, durch den Sieg Alexanders des Grossen, als er Alexandrien in Aegypten erbau ete, erfunden sein; vorher habe man es nicht gekannt, sondern erst auf Palm- blättcr, später auf den Bast gewisser Bäume geschrieben; hierauf die öffentlichen Urkunden auf bleierne Rollen, dann die Privatnachrichten auf Leinwand oder auf Wachs ge- tragen; dass aber schon vor dem trojanischen Kriege die Schreibtafeln im Gebrauch gewesen sind, finden wir bei Homer angeführt. Nach Varro existirte aber damals noch nicht all' das Land, was wir jetzt Aegypten nennen, (er sagt nämlich, die Papierstaude wüchse nur im sebenny- tischen Distrikte Lais), sondern wurde später erst durch den Nil angeschwemmt; denn seiner Angabe nach musste man von der Insel Pharus aus, welche jetzt durch eine Brücke mit Alexandrien verbunden ist, einen Tag und eine Nacht lang segeln, um ans feste Land zu kommen. Eben- derselbe erzählt, dass bald darauf, als die Könige Ptole- mäus und Eumenes wegen ihrer Büchersammlungen eifer- *) Sarcocolla. Ist botanisch noch nicht festgestellt. 2) Papyruni. Cyperus Papyrus L. g4 Dreizehntes Buch. süchtig auf einander wurden, und Ptolemäus das Papier zurückhielt, die Schreibhäute zu Pergamus ^) erfunden sei- en. Nachher aber konnte sich Jeder ohne Unterschied eines Gegenstandes bedienen, der die Menschheit unsterb- lich gemacht hat. 22. Die Papierstaude wächst in Aegypten an sumpfigen Orten oder in stillstehendem Nilwasser, welches nach seinem Austreten Teiche bildet, in denen das Wasser nicht über 2 Cubitus tief ist. Die Wurzel wächst schräg, ist armdick, dreieckig, und treibt einen dünnen, höchstens 10 Cubitus hohen Schaft, dessen Spitze aber einen Strauss bildet, der weder Samen trägt, noch irgend einen andern Nutzen gewährt, als dass man die Götter damit bekränzt. Die Wurzel gebrauchen die Bewohner als Holz, und nicht bloss zum Brennen sondern auch zur Verfertigung nützlicher Geschirre. Aus dem Schafte flechten sie Fahrzeuge, aus dem Baste Segel, Decken, auch Kleider, Matratzen und Stricke. Sie kauen ihn auch roh und abgesotten, und ver- schlucken bloss den Saft davon. Diese Pflanze wächst auch in Syrien an dem See, wo der wohlriechende Calamus vorkommt, und der König Antigonus hatte keine anderen Seile an seinen Schiffen im Gebrauch als von ihr, weil das Pfriemenkraut ^) noch nicht bekannt war. Vor kurzem hat man gefunden, dass die am Euphrat bei Babylon wachsende Papierstaude ebenfalls zur Bereitung des Papiers brauchbar ist; und doch ziehen es die Parther vor, die Buchstaben in ihre Kleider einzuweben. 23. Man bereitet nun daraus das Papier, indem man die Pflanze mit Hülfe eines spitzen Instruments in äusserst dünne und möglichst breite Häute ^) zertheilt. Das beste kommt aus der Mitte, und von da ab nach Ordnung der Spaltung. Ehemals hiess dasjenige, welches bloss zu reli- •) Pergament. -) Spartum. Spartium junceum L. 3) Philurae. Dreizehntes Buch. t>5 .:giö8en Schriften bestimmt war, das heilige, jetzt benennt man es aus Schmeichelei gegen den Kaiser Angustus, mit seinem Namen, sowie die zweite Sorte nach seiner Gemahlin Livia. Daher hat jetzt das heilige den dritten Rang be- kommen. Die nächste Sorte, von dem Orte seiner Verfer- tigung das ampbitheatralische genannt, wurde in der sinnreichen Werkstätte des Fannius zu Rom durch beson- dere Handgriffe dünner gemacht, dadurch eine der besten Sorten und mit dem Namen dieses Mannes bezeichnet. Was diese Umarbeitung nicht erlitten hatte, behielt seinen alten Namen amphitheatralisches. Hierauf folgt das säi- tische, so genannt von der Stadt, wo es in grösster Menge und zwar von den schlechtem Schnittsein bereitet wird. Noch näher der Rinde ist das leneotische, welches den Namen von einem benachbarten Orte hat, und das schon nach dem Gewichte, nicht nach der Qualität verkauft wird. Das Packpapier taugt nicht zum Schreiben, und wird bloss zu Umschlägen für anderes Papier, sowie zum Ein- wickeln der Waaren gebraucht; daher hat es auch den Zunamen von den Kaufleuten bekommen. Nach diesem kommt das Papier von der äussersten Rindensubstanz, welches Binsen ähnlich ist, und nur zu Stricken taugt, die der Feuchtigkeit ausgesetzt sind. Alles Papier wird auf einer Tafel mittelst Nilwasser bereitet; das trübe Wasser vertritt dabei die Stelle des Leims. Zuerst klebt man ein abgelöstes möglichst langes Blatt, an welchem zu beiden Seiten die Schnitzel entfernt sind, auf die Tafel, legt dann eine Lage der Quere nach auf, presst hierauf das Ganze, trocknet die Bogen an der Sonne, und verbindet sie untereinander, indem man bei den besten anfängt und bei den schlechtesten aufhört. Niemals sind mehr als 20 Bogen in einer solchen Rolle. 24. Die Breite des Papieres ist sehr verschieden; das beste ist 13, das heilige 11, das fannianische 10, das am- pbitheatralische 9 Finger breit, das saitische noch schmäler, hält auch die Hammerschläge nicht aus, und das Packpa- Wittstein: Pliuius. III. Bd. 5 QQ Dreizehntes Buch. pier misst nichf über 6 Zoll. Ausserdem berücksichtigt- man bei dem Papiere die Dünne, Festigkeit, Weisse und Glätte. Die erste Sorte, das augustische hat der Kaiser Claudius verändern lassen, denn es war zu dünn um dem Drueke der Feder zu widerstehen; zu dem schlug es durch, sodass man befürchten musste, auf der andern Seite etwas ausgestrichen zu sehen, und sah auch, weil es sehr durch- scheinend war, nicht schön aus. Man gab ihr daher eine Unterlage von der zweiten Haut, und machte aus der ersten Haut Gewebe. Auch seine Grösse hat man vermehrt. Das Regalpapier ^) war einen Fuss breit und l Cubitus lang, allein man sah den Nachtheil davon ein, weil man durch Abreissen eines Blättchens viele Bogen beschädigte.. Daher zog man das claudische Papier allen andern vor, bei Briefen hält man noch das augustische in Ehren; das livianische hat sein Ansehn, als 2. Sorte behalten. 25. Das rauhe Papier wird mit einem Zahne oder einer Muschel geglättet, aber die Schrift hält sich nicht lange darauf. Geglättetes Papier zieht weniger an, und glänzt mehr. Die Nässe, welche ihm zuerst aus Nachlässigkeit gegeben worden, wirkt nachtheilig darauf ein, und diess zeigt sich beim Daraufschlagen mit dem Hammer, oder auch durch den Geruch, wenn noch weniger Sorgfalt dabei verwandt ist. Das fleckige erkennt man am Ansehn , die Streifen aber an den Stellen, wo es zusammengeleimt ist; und wenn es, gleich einem Schwämme, Feuchtigkeit ein- saugt, so fliesst die Schrift aus. Soviel Betrug findet da- bei statt! Man hat nun die Arbeit, es zu verleimen, von Neuem. 26. Der gemeine Leim wird aus dem feinsten Mehle mit siedendem Wasser und etwas wenigem Essig bereitet, denn der Tischlerleim und das Gummi sind zu zerbrechlich. Noch besser thut man, wenn man sich des durchgeseiheten> ') macrocollum. Dreizehntes Buch. g7 Wassers von gesäuertem Brote bedient, denn auf diese Weise kommt am wenigsten Unreinigkeit darunter; auch ist diess besser als Leimsamenschleim. Aller Leim darf nicht älter und nicht frischer als einen Tag sein. Hierauf wird das Papier mit dem Hammer dünn geschlagan, noch- mals durch den Leim gezogen, wenn es sich gerunzelt hat geebnet, und wiederum geschlagen. Durch diese Bearbei- tung haben sich die Schriften von der Hand der Gracchen Tiberius und Cajus, welche ich bei Pomponius Secundus, einem hochbertihmten Dichter und Bürger, fast 200 Jahre nachher gesehen habe, so lange gehalten. Die Schriften des Cicero, Kaiser Augustus und Virgilius habe ich oft Gelegenheit zu sehen. 27. Gegen die oben ^) mitgetheilte Meinung Varro's über das Papier liegen aber gewichtige Thatsachen vor. Cas- sius Hemina ^), der älteste Annalenschreiber , erzählt näm- lich im 4. Buche derselben, der Schreiber Cn. Terentius habe, als er seinen Acker auf dem Janikulus-Berge umgrub, eine Kiste gefunden, in welchem der römische König Nu- ma, gelegen sei. In eben derselben Kiste habe man auch unter den Consuln P. Cornelius, L. F. Cethegus, M. Bäbius unter Q. F. Tamphilus, bis zu deren Zeit von Numa's Re- gierung an 535 Jahre verstrichen waren, dessen Bücher gefunden, und diese seien von Papier gewesen. Noch mehr muss man sich wundern, dass sie sich so viele Jahre hindurch in der Frde vergraben erhalten haben, ich will deshalb bei dieser so wichtigen Begebenheit Hemina's eig- nen Worte anführen. Einige fanden es nämlich wunderbar wie die Bücher so lange hätten unversehrt bleiben können; er erklärt es aber auf folgende Weise: Es habe mitten in der Kiste ein viereckiger Stein gelegen, welcher allent- halben mit Talglichtern umwunden gewesen sei; die Bücher ') Im 21. Cap. 2) Lebte zur Zeit des 2. punischen Krieges; seine Annalen sind verloren. 6g Dreizehntes Buch. hätten in diesen Steine gelegen, und deshalb, wie er glaube^ nicht faulen können. Auch wären die Bücher mit Citro- nenöl bestrichen gewesen, und daher möchten sie die Motten vielleicht nicht angefressen haben. In diese Bücher war die Philosophie des Pythagoras eingeschrieben, und sie sollen, weil es philosophische Schriften waren, von dem Prätor Q. Petilius verbrannt worden sein. Dasselbe be- richtet L. Piso Censorius im ersten seiner Commentare doch sagt er, 7 Bücher hätten vom Priesterrechte gehan- delt, und ebenso viele wären pythagorischen Inhalts ge- wesen. Tudetanus ^) giebt im 14. Buche seiner Schriften an, sie hätten die Gesetze Numa's enthalten; selbst Varro sagt im 7. Buche seiner menschlichen Alterthumskunde, und Antias im 2, es wären 12 lateinische Bücher vom Priesterrechte, und ebenso viele griechische, welche die Lehren der Philosophie enthalten hätten, gewesen. Letz- terer meldet noch im 3., man habe den Beschluss gefasst sie zu verbrennen. Darin aber stimmen alle überein, eine gewisse Sibylle habe dem Tarquinius Superbus 3 Bücher gebracht; von diesen sind 2 von ihm selbst, das dritte aber mit dem Capitolium zu den Zeiten Sulla's verbrannt. Ausserdem schreibt Mutianus, welcher dreimal Consul war, er habe neulich, als er Lycien verwaltete, in einem Tem- pel einen von Troja her auf das Papier geschriebenen Brief Sarpedon's gelesen. Ich wundere mich hierüber um so mehr, wenn zu der Zeit, als Homer sein Gedicht schrieb, Aegypten noch nicht da war; 2) oder warum er, wenn man schon den Gebrauch des Papiers kannte, auf bleierne oder leinene Rollen schrieb? Ferner, warum Homer sagt, dass selbst in diesem Lycien dem Bellerophon eine Schreibtafel und nicht ein Brief mitgegeben sei? — Auch die Papier- staude missräth zuweilen, und man sah sich schon unter der Regierung des Tiberius aus Mangel am Papier veran- lasst, von Seite des Senats Schiedsrichter zur Vertheilung ') Ein unbekannter Schriftsteller. 2) D. h. in der jetzigen Ausdehnung Vgl. Cap. 21. dieses Buches. Dreizehntes Buch. 69 desselben zu ernennen, sonst wäre das ganze Leben in Verwirrung gerathen. 28. Aethiopien, welches an Aegypten grenzt, hat beinahe gar keine ausgezeichneten Bäume, ausser den wolletra- genden, von denen schon bei Beschreibung Indiens und Arabiens die Rede war. Diese Wolle nähert sich jedoch mehr der Natur der Schafwolle, die Fruchtkapsel ist grösser als ein Granatapfel, und die Bäume selbst sind unter sich einander gleich. Ausserdem giebt es daselbst auch Palmen, wie wir sie beschrieben haben. Die Bäume der um Aethiopien liegenden Inseln und die wohlriechenden Wälder sind schon bei diesen Inseln selbst angeführt worden. 29. Man erzählt von einem auf dem Berge Atlas befind- lichen merkwürdigen Walde, dessen wir bereits erwähnt haben i). An diesen grenzen die Mauren, in deren Lande der Citrusbaum^) sehr häufig wächst, aus dem man Tische verfertigt, die zu unsinniger Verschwendung Anlass geben, und deren Anschaffung die Weiber ihren Perlen gegenüber den Männern zum Vorwurfe machen könnten. Noch jetzt existirt ein solcher Tisch des M. Cicero, der beidem damaligen Geldmangel, und was noch mehr zu bewun- dern ist, in jenem Zeitalter für L Million Sesterzen gekauft wurde. Auch wird eines Tisches des Gallus Asinius ge- dacht, der 1,100,000 Sesterzen kostete. Ferner sind 2 Tische des Königs Juba verkauft worden, von denen der eine um 1,200,000 Sesterzen, der andere zu einem etwas geringern Preise wegkam. Neulich verbrannte ein von dem Cethegern herstammender, der um 1,400,000 Sesterzen erstanden war — eine Summe, für welche man ein grosses Landgut kaufen könnte. Der grösste unter allen war bis jetzt der des Königs Ptolemäus in Mauritanien, welcher ') V. B. 1. Cap. ^) Citrus. Thuja articulata Vahl, 70 Dreizehntes Buch. aus 2 halben Zirkeln zusammengesetzt war, 41/2 Fuss im Durchmesser und 1/4 Fuss in der Dicke hatte. An ihm musste man die Kunst bewundern, denn die Fugen waren so verborgen, als wenn die Natur sie gemacht hätte. Des- gleichen einer aus einem Stücke, welcher von Nomius, einem Freigelassenen des Kaiser Tiberius, einen Beinamen erhielt, 4 Fuss weniger 3/^ ZolP) gross und V2 Fuss we- niger 3/4 Zoll dick war. Hierbei glaube ich nicht uner- wähnt lassen zu dürfen, dass der Kaiser Tiberius einen Tisch gehabt hat, der ^6 Sicilicus mehr als 4 Fuss gross, durchaus aber nur anderthalb Zoll dick, und mit einer Platte tiberdeckt war, während -doch sein Freigelas- sener einen so vorzüglichen besass. Das Material zu diesen Tischen ist der knollige Auswuchs einer Wurzel, und derjenige Theil davon, welcher ganz unter der Erde steckt, wird am meisten geschätzt, aber weit seltener gefunden, als ein über der Erde oder auch an den Zweigen befindlicher. Was zu so hohen Preisen gekauft wird, ist eigentlich ein krankhaftes Erzeugniss der Bäume, deren Umfang und Wurzeln man aus den Ringen beurtheilen kann. Sie sind aber dem wilden Cypressenbaume im Blatte, Gerüche und Stamme ähnlich. Ein Berg im diesseitigen Mauritanien, genannt der Anker- berg 2), lieferte die besten Citrusbäume, ist aber jetzt er- schöpft. 30. Die Tische mit krausen Adern oder kleinen Wirbeln haben den Vorzug. Jene laufen längs dem Holze, woher letzteres denn auch getigert genannt wird, diese entstehen durch Einwärtsdrehen, und solches Holz heisst gepanthert. Es giebt auch Tische mit wellenförmig krauser Zeichnung, und diese sind noch beliebter, wenn sie den Pfauenfeder- augen gleichen. Nächst ihnen stehen auch, ausser den schon genannten, die im Ansehen, welche wie mit einem dichten Haufen Körnern gesprengt sind, und aus diesem Grunde die getüpfelten 3) genannt werden. Ihr höchster ') Tres sicilici. -) ancorarins. ^) apiatae. Dreizehntes Buch. 71 Weith beruht aber bei allen auf der Farbe; am beliebte- sten ist die Farbe des Mostes, welche aus seinen Adern schimmert. Dann folgt ihre Grösse; man hat sie entweder aus einem Stamme, oder aus mehreren Stämmen verbunden. Fehler eines Tisches sind; das Holz d. i. der todte Stamm, oder die ungeordnete Einfachheit, oder die Ver- theilung nach Art der Platanenblätter; ferner die Aehn- lichkeit mit den Adern oder der Farbe der Eiche, sowie Risse oder Rissen gleiche Fasern, welche sie durch Ein- fiuss von Hitze und Wind bekommen haben. Sodann ein durchlaufender schwarzer Streif), die Einfassung mit ver- schiedenen krummen Punkten gleich Mohnsaamen, und überhaupt die dem Schwarzen sich mehr nähernde Farbe oder mehrfarbige Flecke. Die Barbaren vergraben das grüne Holz in die Erde, und bestreichen es mit Wachs; die Künstler aber legen es 7 Tage lang in Getreidehaufen, und ebenso lange heraus, und es ist merkwürdig, wie viel dadurch am Gewichte abgeht. Neulich sind wir durch Schiffbrüche belehrt worden, dass diess Holz auch im Meere austrocknet, und, ohne Verminderung seiner Härte, auf keine andere Weise dichter wird. Man conservirt diese Tische am besten und erhält sie glänzend, wenn man sie mit trockner Hand, besonders gleich nach dem Bade, reibt; auch macht der Wein auf ihnen kleine Flecke, wie er es auf seinem eignen Holze thut. Dieser Baum gehört unter die seltenern Geräthe eines glänzendem Hausstandes; daher wollen wir noch ein wenig bei ihm verweilen. Auch Homer kannte ihn; im Griechi- schen heisst er Thyon ^), bei Andern Thya, und seiner Aus- sage nach wird das Holz nebst anderen Rauch werken, zu Ehren der Circe, welche er für eine Göttin ausgiebt, an- gezündet. Wer aber unter jenem Worte Thya Parfüme versteht, irret sehr, denn er spricht vorzüglich in diesem Verse vom Brennen der Ceder und Lärchentanne, und es ') muraena. 2) Der göttliche. 72 Dreizehntes Buch. ist klar, dass nur von Bäumen die Rede ist. Theophrastus^ der nächste Schriftsteller nach dem Zeitalter Alexanders des Grossen, um das Jahr 440 nach Rom's Erbauung, er- weist diesem Baume schon grosse Ehre, und meldet, dass aus ihm das Gebälk der alten Tempel gemacht sei, und dass das Holz wegen seiner Fehlerlosigkeit und Dauer- haftigkeit ein unverwesliches Material zu Häusern abgebe. Nichts sei krauser als seine Wurzel, und nichts liefere kostbarere Werke. Von . vorzüglicher Beschaffenheit aber sei er beim Tempel des Hammon, doch wachse er auch im untern Theile der cyrenaischen Provinz. Von Tischen sagt er jedoch nichts, auch findet man vor dem ciceronianischen keines älteren erwähnt, woraus hervorgeht, dass sie etwas Neues sind. 31. Ein anderer Citrusbaum trägt eine Frucht; die- bei Einigen wegen ihres Geruchs und ihrer Bitterkeit ver- hasst, bei Andern beliebt ist, auch zur Ausschmückung der Häuser dient; doch wollen wir uns nicht länger dabei aufhalten. 32. In dem uns gegenüberliegenden Theile Afrikas wächst auch der berühmte Baum Lotus, den man Celtis i) nennt^ und der auch in Italien bekannt, aber durch den Boden verändert ist. Am besten findet er sich bei den Syrten. und den Nasamonen. Er hat die Grösse eines Birnbaumes,- obgleich Cornelius Nepos ihn für niedrig ausgiebt. Sein Blatt ist mehrfach eingeschnitten, wie das der Eiche. Es giebt verschiedene Abarten, die am besten durch die Frucht bestimmt werden. Diese hat die Grösse einer Bohne, eine safranartige Farbe, erscheint jedoch vor der Reife bald so,. bald so gefärbt, wie man es bei den Weintrauben sieht. Er wächst mit dichten Zweigen gleich der Myrte, nicht,, wie in Italien, gleich dem Kirschbaum, und giebt doit auch.. ') Celtis australis L. Dreizehntes Bach. 73 eine so süsse Speise ')» dass das Volk und Land, deren grosse Gastfreundschaft die Ankömmlinge ihr Vaterland vergessen lassen, den Namen davon bekommen hat. Die, welche davon essen, sollen kein Bauchgrimmen bekommen. Sie ist besser ohne den Innern Kern, der bei einer andern Art Knochenhärte hat. Man presst auch einen Wein daraus, der dem Moste ähnlich ist, und nach demselben Nepos sich nicht über 10 Tage halten soll; auch werden die Beeren zerschnitten und mit Graupen zur Speise in Fässer gepackt. Ja wir haben selbst erfahren, dass ganze Kriegs- heere auf ihren Zügen durch Afrika sich davon genährt haben. Das Holz hat eine schwarze Farbe, und wird zur Verfertigung von Flöten sehr gesucht. Aus der Wurzel macht man Messergriffe und andere kleine Geräthschaften. Diess ist die Natur des dortigen Baumes Lotus. Unter demselben Namen giebt es auch ein Kraut 2)^ und in Aegypten unter den Sumpfgewächsen ein Stengel- gewächs 3). Wenn nämlich das ausgetretene Nilwasser wieder abnimmt, so kommt ein bohnenähnlicher Stengel hervor, der dicht mit Blättern besetzt ist, nur dass diese dünner und kürzer sind wie bei der Bohne, und an der Spitze eine Frucht trägt, welche durch ihre Einschnitte sowohl wie in jeder andern Hinsicht dem Mohne gleicht und im Innern hirseartige Samen hat. Die Einwohner lassen die Köpfe auf einem Haufen faulen, trennen dann die Samen durch Waschen, trocknen, stossen sie, und be- dienen sich derselben statt des Brotes. Ausserdem erzählt man noch folgendes Merkwürdige davon: diese dem Mohn ähnlichen Köpfe schliessen sich beim Untergange der Sonne *) Plinius verwechselt hier Celtis australis mit anderen Pflanzen, denn erstere hat eine unschmackhafte Frucht. Der Lotus mit süsser Frucht ist entweder Zizyphus Lotus W, oder Diospyros Lotus, oder man begriff darunter beide zusammen. ^) Melilotus messanensis L. 3) caulis. Hierher gehören 2 Species , Nymphaea Lotus und' Nymphaea Nelumbo (Nelumbium speciosum). 74 Dreizehntes Buch. und bedecken sich mit den Blättern, bei Sonnenaufgange aber öffnen sie sich, bis sie endlich reifen, und die Blüthe, welche weiss ist, abfällt. Ferner wird berichtet, der Kopf und die Blume tauchen im Euphrat vom Abend bis Mitternacht unter, und gehen ganz in die Tiefe hinab, so dass mau sie mit ausgestreckter Hand nicht fassen könne. Dann kehre die Pflanze um, er- hebe sich allmählig, steige beim Aufgange der Sonne wiederum aus dem Wasser, öffne ihre Blume, und erhöbe sich soweit, dass sie hoch über dem Wasser stehe. Diese Lotuspflanze hat eine Wurzel von der Grösse eines Quitten - apfels, welche mit einer schwarzen Rinde, ähnlich der, welche die Kastanien umschliesst, bedeckt ist. Inwendig befindet sich ein weisses, angenehm schmeckendes Fleisch, das jedoch in Wasser gekocht oder auf Kohlen gebraten noch besser mundet. Die Abfälle davon sind die beste Mästung für die Schweine. 33. In der cyrenaischen Provinz zieht man den Paliurus^) dem Lotus vor. Er hat mehr das Ansehen eines Strauchs, die Frucht ist röthlicher (der Kern wird nicht mitgegessen), schmeckt an und für sich schon ange- nehm, aber noch angenehmer mit Wein, ja ihr Saft erhöht den Geschmack des Weines. Das innere Afrika bis zu dem Gebiete der Garamanter und die Wüsten sind durch ihre grossen und schönen Palmbäume, von denen die auö- gezeichnetsten beim Tempel des Hammon stehen, bekannt. 34. Aber um Carthago behauptet der punische Apfel 2) selbst durch seinen Beinamen, den ersten Rang. Er heisst auch Granatapfel und wird in mehrere Arten getheilt. Diejenige, welche keinen holzigen Kern hat, heisst die kernlose, ist von Natur weisser, die Kerne milder, und durch weniger bittere Häute getrennt. Sonst besitzen sie *) Rhamnus Paliurus L. ^) Punicmii malum. Punica Granatum. Dreizehntes Buch. 75 alle gemeinschaftlich einen besondern, dem der Bieuen- scheiben ähnlichen Bau. Fünf Arten haben Kerne, nemlich süsse, scharfe, vermischte, saure, weinige. Die samnische und ägyptische unterscheidet man als rothlaubige und weisslaubige. Von den herben eignet sich die Einde besser zum Gerben. Die Blume heisst Balaustium, dient zu Arzneien und zum Färben der Kleider, deren Farbe davon benannt wird. 35. In Asien und Griechenland wachsen unter andern folgende Sträucher : Epipactis 1), welche Einige Helleborine nennen, mit kleinen Blättern, aus denen man einen Trank gegen Gifte bereitet; ebenso dienen die derErice^) gegen den Schlangenbiss. Ferner die Pflanze, auf welcher das gnidische Korn wächst, das verschiedene Namen führt, nämlich: Linum, Thymeläa, Chameläa, Pyrosachne, Cnestron, Cneoron^). Der Strauch selbst ist dem wilden Oelbaume ähnlich, hat aber schmalere Blätter, die gekauet Harzgehalt zeigen, und die Grösse einer Myrte. Der Same gleicht in der Farbe und Gestalt dem Getreide. Es wird nur in der Medicin Anwendung davon gemacht. 36. Der Strauch Tragion*) wächst allein auf der Insel €reta, gleicht der Terebinthe, auch im Samen, und dieser soll das wirksamste Mittel gegen die Pfeilwunden sein. Auch kommt dort der Bocksdorn'') mit einer der des •) Epipactis grandiflora Sm. 2) Erica arborea L. 3) Plinius verwechselt hier mehrere Arten Daphne mit einander. Das gnidische Korn und die Thymelaea ist D. Gnidium L.; Chame- laea und Cnestron ist D. oleoides L.; Cneoron ist D. Tartonraira L. die übrigen Namen im Texte gehören der einen oder andern dieser Arten an, nur lässt sich bei der mangelhaften Beschreibung nicht sagen welcher? *) Ohne Zweifel ein Astragalus. ^) Tragacanthe. Astragalus Tragacantha L. (A. aristatus L'Her. und A. creticus Sibth). 76 Dreizehntes Buch. weissen Dornstrauchs gleichen Wurzel vor , welche der in Medien und Achaja wachsenden weit vorgezogen wird. 10 Pfund davon kosten 3 Ass. 37. Auch Asien hat einen Tragus ') oder sogenannten Scorpion, einen Dornstrauch ohne Blätter, und mit röth- lichen Trauben, der in der Medicin gebraucht wird. In Italien wächst die Myrice, welche Einige Tamarisce^) nennen; in Achaja die wilde Brya, an welcher das merk- würdig ist, dass nur die angebauete eine dem Galläpfel ähnliche Frucht trägt. In Syrien und Aegypten wächst diese Pflanze häufig; ihr Holz nennen wir das unglückliche^), jedoch hat Griechenland ein noch unglücklicheres Gewächs, nämlich den Baum Ostrys, von Einigen auch Ostrya*) genannt, einzeln an Klippen im Wasser, dessen Rinde und Aeste denen der Esche, dessen Blätter denen des Birn- baumes ähnlich sehen, nur dass sie etwas länger und dicker sind, Einschnitte und Runzeln, welche ganz hindurch laufen, haben. Der Same gleicht in Gestalt und Farbe der Gerste, Sein Holz ist hart und fest, und soll in ein Haus gebracht schwere Geburten und einen kläglichen Tod bewirken, 38. Eben so unheilbringend ist der sogenannte Spindel- baum 5) auf der Insel Lesbos, der dem Granatbaum etwas gleich sieht; sein Blatt hält das Mittel in der Grösse zwischen dem des Granatbaums und des Lorbeers, hat aber die Gestalt und Weichheit des erstem, die Blume mehr weiss. Er ist stets der Verkündiger der Pest. Seine Schoten sind denen des Sesams ähnlich, die darin befind- lichen Körner viereckig, dicht und den Thieren tödtlich; die Blätter haben dieselbe Wirkung. Zuweilen hilft eine schnelle Ausleerung des Leibes dagegen. ') Ephedra distachya L. "■') Tamarice. Tamarix africana Desf^ ^) Nämlich zu Vorbedeutungen. ^) Ostrya vulgaris W, die Hopfenbuche. ^) Evonymus. Evonymus latifolius Scop. Dreizehntes Buch. 77 39. Alexander Cornelius neunt den Baum, aus welchem das Schiff Argo gemacht sei, Eon; er sei der Eiche, welche die Mistel trägt *■), ähnlich, und könne gleich der Mistel weder durch Wasser noch durch Feuer zerstört werden. So viel ich weiss, kennt ihn Niemand weiter. 40. Den Namen Andrachle übersetzen fast alle Griechen mit Portulaca, während dieses doch ein Kraut ist, und, durch einen einzigen Buchstaben unterschieden, Andrachne genannt wird. Uebrigens ist der Andrachle 2) ein wilder Baum, der nicht in Ebenen wächst, und dem Unedo gleicht, nur dass sein Blatt kleiner ist und niemals abfällt. Seine Rinde ist zwar nicht rauh, scheint aber rundum beinahe wie gefroren, so traurig ist sein Ansehen. 41. Der Coccygia^) gleicht ihm im Blatte, ist aber kleiner. Er besitzt die Eigenschaft, die Frucht zu verlieren, wenn dieselbe eine wollige Krone (das sogenannte Pappus) hat, was man bei keinem andern Baume findet. Ihm ähnlich ist der Apharce, der gleich dem Andrachle 2 mal trägt; die erste Frucht wird reif, wenn die Weintraube anzusetzen beginnt, die zweite im Anfange des Winters; wie sie be- schaffen sind, ist nicht angegeben. 42. Es wird auch passend sein, das wir die Ferula unter den ausländischen Gewächsen abhandeln und den Bäumen zurechnen, denn einige Bäume haben (wie wir den Unter- schied gefunden haben) alles Holz an der Stelle der Rinde, •) Die eigentliche Mistel, Viscum album, kommt fast nie auf Eichen, sondern auf Aepfel- Birnbäumen, Pappeln Linden und Tannen vor; dagegen findet sich ein der Mistel sehr verwandtes Schmarotzergewächs, di« Riemenblume, Loranthus europaeus auf Eichen, namentlich auf Quercus pubesceus W. und austriaca W. in Oesterreich, Schlesien. ■^) Arbutus Andrachne. ^) Rhus Cotinus L. 78 Dreizehntes Buch. d. h. auswärts, statt des Holzes aber inwendig ein schwammiges Mark, wie die Hollunderbäume; andere da- gegen sind inwendig leer, wie die Schilfe. Die Ferula wächst in warmen Gegenden jenseits des Meeres, und hat einen knotig geknieeten Stengel. Es giebt 2 Arten davon; die, welche hoch aufschiesst nennen die Griechen Nartheca ^), die andere, niedrige aber Narthecya 2). Die grössten Blätter stehen der Erde am nächsten, und entspringen an den Knieen. Uebrigens kommt die Pflanze mit dem Anethum^) überein, auch sehen sich die Früchte einander ähnlich; ferner ist keine Staude leichter als diese, daher sie auch, alten Leuten als Stock dient. 43. Den Samen der Ferula haben Einige Thapsia ge- nannt, allein sie täuschten sich dadurch, dass die Ferula unbezweifelt eine Thapsia ist; jedoch begreift man unter letzterm Namen wiederum eine besondere Gattung mit fenchelartigen Blättern, hohlem Stengel von der Länge eines Spazierstocks, Samen ähnlich der Ferula und weisser Wurzel"*). Beim Einschneiden fliesst Milch daraus; zer- stösst man sie, so bekommt man einen Saft. Auch die Kinde verwirft man nicht. Alle Theile sind giftig, ja selbst denen, welche sie graben, schadet sie; wenn der geringste Luftstrom entsteht, schwillt ihr Leib auf, und im Gesichte entsteht die Rose, daher sie dasselbe zuvor mit einer Wachssalbe bestreichen. Doch soll sie nach Aussage der Aerzte, wenn sie mit andern Stoffen vermischt wird, in einigen Krankheiten Hülfe leisten, auch beim Ausfallen der Haare, bei Beulen und blauen Flecken gut sein, als ob es an Heilmitteln fehle, um so gefährliche Dinge zu gebrauchen! Aber man liebt es, schädlichen Mitteln ein unschuldiges Gewand anzuziehen, und ist so unverschämt, die Leute glaubend zu machen, Gift gehöre mit zur Kunst. In Afrika^ ') Ferula communis L. ^) Ferula nodiflora L. ^) Anethuni '') Thapsia garganica L. graveolens L. Dreizehntes Buch. 79 ist die Thapsia am giftigsteo. Einige ritzen den Stengel zur Zeit der Erndte, höhlen ihn an der Wurzel aus, damit der Saft zusammenfliesst, und wenn dieser trocken ge- worden ist, nehmen sie ihn heraus. Andere zerstossen. Blätter, Stengel und Wurzel in einem Mörser, lassen den Saft an der Sonne verdicken und bilden daraus kleine Kuchen- Der Kaiser Nero hat im Anfange seiner Regierung dieser Pflanze Ruf erworben; ihm wurde nämlich bei seinen nächtlichen Schwärmereien das Gesicht damit zerschlagen, er aber bestrich es sich mit Weihrauch und Wachs, und konnte nun am folgenden Tage, dem Gerüchte zuwider, seine unbeschädigte Haut zeigen, Dass sich in dem Stecken- kraute das Feuer am besten hält 1), und dass es in Aegypten deshalb andern dergl. Mitteln vorgezogen wird, ist gewiss- 44. Dort wächst auch die Capparis^), ein Strauch mit ziemlich hartem Holze, dessen Same eine allgemeine Speise ausmacht und mit dem man auch meistentheils den Zweig abnimmt. Man muss sich vor den ausländischen Arten hüten,, denn die arabische ist giftig, die afrikanische schadet dem Zahnfleische, die marmarische den weiblichen Geschlechts- theilen und macht Blähungen, die apulische erregt Brechen,, und schadet dem Magen und Unterleibe. Einige nennen sie Cynosbatos 3), Andere Opheostaphylos. 45. Auch das Sari 3), welches am Nile wächst, gehört zu den Sträuchern, ist beinahe 2 Cubitus hoch, einen Daumen dick, hat Blätter wie der Papyrus, und wird wie dieser gegessen. Die Wurzel wird in den Schmieden sehr ge- schätzt, weil sie harte Kohlen giebt. 46. Auch dürfen wir den Strauch nicht übergehen, welcher zu Babylon auf die Dornbäume gesäet wird, weil er, gleich. ') Das Mark der Ferula communis diente nämlich als Zunder. 2) Capparis spinosa L, ä) Diess ist Rosa sempervirens L. ■*) Cyperus comosus L. .gQ Dreizehntes Buch. wie die Mistel auf Bäumen, sonst nirgends anders fort- kommt; man trifft ihn aber nur auf den sogenannten könig- lichen Dornbäumen. Merkwürdig ist, dass der Same an demselben Tage, wo er darauf geworfen wird, schon keimt — diess geschieht aber beim Aufgange des Hunds- sterns — und äusserst schnell in den Baum eindringt. Man würzt den Wein damit und cultivirt ihn deshalb. Jener Dornbaum i) wächst auch in Athen an den langen Mauern. 47. Strauchartig ist auch der Cytisus 2), welcher von dem Athenienser Aristomachus ^) mit ausserordentlichem Lobe als Futter für die Schafe, trocken aber auch für die Schweine gepriesen wird, und von einem Morgen selbst mittelmässigen Bodens jährlich 1000 Sesterzen Einkünfte liefert. Er hat denselben Nutzen wie die Erve*), sättigt aber mehr, und vierftissige Thiere werden von einer massigen Quantität so fett, dass das Zugvieh selbst die Gerste nicht anrührt. Der Genuss keines andern Futters giebt mehr und bessere Milch, und ausserdem ist es ein Arzneimittel bei allen Vieh- krankheiten. Ja er empfiehlt sogar, es den Ammen bei Mangel an Milch, getrocknet in Wasser gekocht, mit Wein zu trinken zu geben; die Kinder würden dadurch kräftiger und grösser. Auch den Hühnern soll man es grün oder, ist es trocken, angefeuchtet geben. Democritus und Aristo- machus versichern, wo der Cytisus wachse, würde es nie an Bienen fehlen. Kein anderes Futter kostet weniger. Man säet es mit der Gerste im Frühlinge, wie das Porrum, oder setzt die Pflanze im Herbste vor dem December. Der Same muss feucht erhalten, und bei Mangel an Regen begossen werden. Die Pflanzen werden, wenn sie 1 Cubi- ') Nämlich der königliche. ") Medicago arborea L. 3) Schrieb über Wein- und Pflanzenkultur , seine Schriften sind ;aber verloren gegangen. *) Ervum, eine Hülsenfrucht, Ervum Ervilia L. Dreizehntes Buch. gl -tus lang sind, in fusstiefe Löcher gesetzt; diess geschieht zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche, wo der Strauch noch zart ist, und in 3 Jahren ist er völlig ausgewachsen. Man schneidet ihn im Fröhlings-Aequinoctium, wenn er ausge- blühet hat, ab, und diess ist die leichteste Arbeit für einen Knaben oder eine alte Frau. Er sieht grau aus, und ist, will man die Aehnlichkeit kurz ausdrücken, ein Strauch mit kleinem Dreiblatt. Man giebt ihn den Thieren allemal nach 2 Tagen, im Winter aber, wo er trocken ist, ange- feuchtet. Pferde werden von 10 Pfunden, und die kleinern Thiere nach Verhältniss von geringern Mengen satt. Säet man zwischen die Reihen Knoblauch und Zwiebeln dünn aus, so vermehrt diess den Ertrag. Man fand diesen Strauch zuerst auf der Insel Cythnus, brachte ihn dann auf alle Cycladeu, später in die griechischen Städte, wodurch die Bereitung des Käse sich sehr vermehrte; ich wundere mich daher nicht wenig, dass er in Italien so selten vorkommt. Er leidet weder von der Hitze, noch von der Kälte, dem Hagel oder dem Schnee. Hyginus i) fügt hinzu, auch von Feinden habe er nichts zu fürchten, denn sein Holz stehe in keinem Werthe. 48. Auch im Meere wachsen Sträucher und Bäume, doch sind die in dem unsrigen kleiner, das rothe Meer und- der ganze östliche Ocean aber mit Wäldern augefüllt. In keiner andern Sprache giebt es ein Wort für das, was die Griechen Phycos2) nennen, denn mit dem Worte alga be- zeichnet man mehr ein krautartiges Gewächs; jenes aber ist ein Strauch. Er hat breite grüne Blätter, welche Einige Prason, Andere Zostera3) nennen. Eine andere ähnliche Art mit haarartigem, dem Fenchel gleichem Blatte, wächst auf Felsen, das vorige au seichten Orten nicht weit vom •j C. Julius Hjginus aus Spanien oder Alexandrien, um 10 n. Chr., Freigelassener des Augustus, Freund Ovids, Aufseher über die palatin. Bibliothek. -) Fucus, Seetang. ») Zostera niarinä L. Wittstein: Pliiuiis. III. Bd. c g2 Dreizehntes Buch. Ufer, beide im Fiühlinge, und vergehen im Herbste. Mit dem, was bei der Insel Greta an Felsen wächst, färbt man auch Purpurzeuge, und am besten ist das, was gegen Norden oder an Schwämmen wächst. Die dritte Art sieht dem» Grase gleich, hat eine knotige Wurzel und einen rohrartigen Stängel. 49. Eine andere strauchartige Gattung nennt man See- moos^), es hat ein dem Lattich ähnliches, aber runzliges Blatt, und wächst schon weiter ins Meer hinein. Auf dem hohen Meere aber finden sich die Seetanne und Seeeiche von der Höhe eines Cubitus. An ihren Aesten hängen Muscheln. Die Seeeiche soll zum Färben der Wolle ange- wandt werden; auch sollen einige, wie Schiffbrüchige und Taucher gefunden haben, Eicheln tragen. Noch andere bei Sicyon vorkommende giebt man für ausserordentlich gross aus. Der Weinstock wächst an mehreren Orten, der Feigenbaum aber ohne Blätter und mit rother Rinde. Auch eine strauchartige Palme wächst im Meer, Jenseits der Säulen des Herkules steht ein Strauch mit Blättern wie Lauch, ein anderer mit Lorbeer- und Thymianblättern ; werden diese beiden vom Wasser ausgeworfen, so ver- wandeln sie sich in Stein 2). 50. Merkwürdig ist im Oriente, dass unmittelbar von Copto s an in den Wüsten nichts als ein Dornbaum, welcher der Durstende heisst, und selbst dieser nur selten vorkommt; ferner, dass es im rothen Meere ganze Wälder, nament- lich von Lorbeer- und Oelbäumen, welche Früchte tragen, und, wenn es regnet, Schwämme gibt, die von der Sonne beschienen zu Stein werden. Die Höhe der Sträucher selbst beträgt 3 Cubitus; sie sitzen voller Haifische, welche kaum aus dem Schiffe zu sehen gestatten und sehr oft die Ruder anfallen. *) Bryon. ^) pumex. Dreizehntes Buch. 83 51. Alexander's Soldaten, welche zu Schiffe nach Indien gekommen waren, erzählten, das Laub der Seebäume sei im Wasser grün, vertrockne aber, so bald es herausge- nommen würde, an der Sonne zu einer Salzmasse. Auch gäbe es au den Küsten steinerne, den ächten ähnliche Binsen, und in der Tiefe einige Bäume von der Farbe der Ochsenhörner, ästig, und an den Spitzen röthlich; sie Hessen sich wie Glas brechen, im Feuer aber glüheten sie wie Eisen, und wenn sie abgelöscht wären, kehrte ihre vorige Farbe wieder zurück. Ebendaselbst bedeckt die Fluth auf Inseln ganze Wälder, obgleich sie höher als die Platanen und höchsten Pappeln sind. Diese Bäume haben Blätter wie der Lorbeer, Blüthen gleich den Violen an Geruch und Farbe, Beeren wie Oliven, welche auch angenehm riechen und im Herbste reifen. Die Blätter fallen niemals ab. Die kleinen Bäume bedeckt das Meer gänzlich; von den grössten ragen nur die Gipfel hervor, an welche man die Schiffe befestigt, und ist Ebbe eingetreten, so bindet man sie unten an die Stämme. Ebendieselben haben auch erzählt, man sehe auf dem hohen Meere Bäume, welche be- ständig ihre Blätter behielten, und deren Frucht der Wolfs - bohne gleiche. 52. Juba schreibt, bei den Inseln der Troglodyten wachse im Meere ein Strauch, der Isis haar hiesse, einer Koralle gleiche, und keine Blätter habe; schneide man ihn ab, so werde er schwarz und hart, und wenn er falle, so zerbreche er. Ein anderer, das sogenannte Liebesauge ^) sei wirk- sam in Liebessachen; die Weiber sollen sich daraus Arm- bänder und Halsgeschmeide machen. Dieser Strauch soll es merken, wenn er gefasst wird, und so hart wie ein Hörn werden, auch die Schneide eiserner Werkzeuge stumpf machen. Wenn er den Nachstellungen nicht entgangen ist, soll er sich in Stein verwandeln. ') Charitoblephavon. Vierzehntes Buch. Von dem Weinstocke und dem Weine. 1. Wir haben bis jetzt die ausländischen Bäume und die, welche nur da gedeihen, wo sie entsprossen sind und nicht in fremde Länder einwandern, fast sämmtlich kennen ge- lernt. Nun erlaube ich mir, von den allgemein verbreiteten zu reden, für deren aller besonderes Vaterland Italien an- gesehen werden kann. Kenner mögen sich indessen erin- nern, dass wir nur von ihrer Beschaffenheit, nicht von ihrer Cultur reden, obgleich der grösste Theil ihrer Wartung auf ihrer Natur beruht. Ich kann mich nicht genug da- rüber wundern, dass die Nachrichten von einigen, ja selbst die Keuntniss der von den Schriftstellern angegebeneu Namen verloren gegangen sind. Denn wer sollte nicht meinen, dass, nachdem der ganze Erdkreis unter dem Scepter des römischen Reichs vereinigt ist, auch dem Leben Vortheile aus dem gegenseitigen Verkehr und dem geselli- gen Frieden erwachsen, und alles, was vorher vorborgen war, in allgemeinen Gebrauch gekommen sein müsste? Aber wahrlich, man findet Niemanden, der viel von dem, was die Alten uns überliefert haben, weiss. Wie viel fruchtbarer war dagegen die Sorgfalt der Alten, wie viel glücklicher ihr Fleiss, denn schon vor ICOO Jahren, wo die Wissenschaften erst anfingen, gab Hesiodus Vorschriften für die Ackerleute heraus, und ihm sind nicht Wenige mit gleicher Sorgfalt nachgefolgt. Daher kommt es, dass uns Vierzehntes Buch. 85 die Arbeit gewachsen ist, denn nicht allein das was nach- her erfunden wurde, sondern auch das von den Alten Er- fundene muss wieder aufgesucht werden, weil durch den Verlust des Andenkens eine gewisse Unthätigkeit darin Platz gegriffen hat. Wer kann von dieser Schläfrigkeit andere, als allgemeine Welt-Ursachen angeben? Es sind nämlich andere Gebräuche aufgekommen, der menschliche Geist wird von andern Dingen gefesselt, und man übt nur die Künste der Habsucht. Früher als die Eeiche der ein- zelnen Völker mit ihnen selbst ein abgeschlossenes Ganze bildeten, mithin auch ihre geistigen Anlagen innerhalb der- selben blieben, machte es gleichsam die Unfruchtbarkeit des Glücks ') nothwendig, den Geist in Thätigkeit zu setzen; sehr viele Könige wurden als Verehrer der Künste gepriesen, sie suchten einen Ruhm darin, diese höher zu stellen als Reichthümer, und glaubten, sich dadurch die Unsterblichkeit erwerben zu können. Daher waren sowohl Vortheile als Arbeiten im Leben zum Ueberflusse vorhan- den. Den Nachkommen gereichte die Weitläufigkeit der Welt und die Menge der Dinge zum Schaden, nachdem man angefangen hatte, einen Senator nach seinem Ver- mögen zu wählen. Jemand durch seinen Reichthum zum Richter wurde, und nichts eine Magistratsperson und einen Feldherrn mehr zierte als Geld, nachdem das höchste An- sehn und die höchste Gewalt verloren gegangen, dagegen ein Streben nach dem reichsten Gewinne an die Stelle getreten sind, und die einzige Freude im Besitzen besteht. So sind denn die Vortheile des Lebens zu Grunde gegan- gen, alle nach dem höchsten Gute ^) sogenannte Künste in das Gegentheil verfallen, und nur aus der Sclaverei hat man Nutzen zu ziehen begonnen. Diese verehrt der Eine so, der Andere so, doch streben Aller Wünsche dahin, ihre Hoffnungen erfüllt zu sehen. Zuweilen wollen selbst vor- ') D. h. es fehlte an Gelegenheit zu Eroberungen. -) Nämlich der Freiheit. 86 Vierzehntes Buch. treffliche Männer lieber fremde Laster üben als ihre eigenen Güter benutzen. Also hat in der That die Wollust ihr Leben begonnen, und das Leben selbst hat aufgehört. Aber wir wollen auch das längst Vergessene erforschen, und die Geringfügigkeit mancher Gegenstände soll uns hier ebenso wenig abschrecken, wie sie es bei den Thieren gethan hat, obgleich wir sehen, dass der vortreffliche Dichter Virgil aus diesem Grunde die Beschreibung der Erzeugnisse der Gärten vermieden, und von so wichtigen Dingen, die er behandelte, nur das Vornehmste berührt hat. Ihn machte schon der Beifall glücklich, obgleich er im Ganzen nur 15 Arten Trauben, 3 Arten Oliven, ebenso viele Birnen, und unter den Aepfeln nur den assyrischen genannt, die übrigen aber übergangen hat. 2. Wo aber können wir passender anfangen als beim Weinstocke ^), wodurch Italien so ausserordentlich bevor- zugt ist, dass es scheinen möchte, dieses Land übertreffe durch ihn allein schon alle Güter, ja selbst die wohlrie- chenden der übrigen Völker, denn nichts riecht angenehmer als die (in Blüthen) ausbrechenden Stöcke! Der Weinstock wurde seiner Grösse wegen von den Alten mit Recht zu den Bäumen gezählt. In der Stadt Populonium sieht mau eine Statue Jupiters, die aus einem Stamm geschnitzt, und viele Jahrhunderte hindurch unversehrt geblieben ist. Ebenso befindet sich zu Massilia eine Schale aus einem Stücke. Zu Metapontus steht ein Tempel der Juno auf Säulen von Weiuholz. Auf das Dach des Tempels der Diana zu Ephesus steigt man noch jetzt auf einer Treppe, die, wie man sagt, aus einem Weinstocke von der Insel Cypern wo sie zu einem ausserordentlichen Umfange heran- wachsen, gefertigt ist. Kein Holz ist unverweslicher. Ich glaube aber, dass man wilde Weinstöcke dazu genommen hat. ') \ itis. Vitis vinifera L. Vierzehntes Buch. 87 3. Die andern (zahmen) Weinstöcke werden durch das jährliche Beschneiden im Wachsthum gehindert, alle ihre Kraft geht in die Sprösslinge und Ableger, und diess ge- schieht bloss deshalb, um einen angenehmen, nach dem Klima und dem Boden verschiedenen Saft daraus zu ge- winnen. In Campanien vereinigen sie sich mit den Pappeln; sie umschlingen deren Weibchen, und steigen mit ihren geilen Armen durch deren Zweige im gedreheten Laufe bis zu solcher Höhe hinan, dass der gedungene Winzer bei seiner Arbeit wie auf Seheiterhaufen und Hügeln steht. Sie wachsen ohne Aufhöreu, und können von denselben weder getrennt, noch losgerissen werden. Auch Valerianus Cornelius hat es vor allem für bemerkenswerth gehalten, dass durch die Zweige und biegsamen Ranken einzelne Weinstöcke ganze Land- und andere Häuser umkleidet werden. Ein Weinstock in den Gallerien der Livia zu Rom schützt die offenen Spaziergänge durch sein dichtes Laub- werk vor den Sonnenstrahlen, und liefert 12 Amphoren Most. Fast überall werden sie höher als die Ulmen, und man sagt, Cineas, der Gesandte des Königs Pyrrhus, habe zu Aricia ihre Höhe bewundert, und im Scherze über den herben Geschmack des Weines mit den Worten gespottet: „ Die Mutter desselben i) hinge mit Recht au einem so hohen Kreuze". Rumbotinus wird die italienische Pappel jenseits des Po genannt; dessen rund herum offenstehende Zweigreihen füllen sie aus, und vertheilen, wenn sie durch eine alte Rebe 2) auf dessen Hauptstamm gelangt sind, ihre Rauken unter den aufgerichteten Reisern der Aeste. Sie stehen auch, durch Pfähle gestüzt, in mittlerer Höhe eines Menschen gerade auf, und bilden so einen Weinberg; andere kriechen kühn umher, und bedecken durch ihre grosse Menge von Ranken die Mitte der Vorhöfe in weiter Ausdehnung. So grosse Verschiedenheiten hat Italien ') Nämlich des Weines. '•') Draco. 88 "Vierzehntes Buch. allein aufzuweisen. In einigen Provinzen steht der Wein- stock ohne alle Bepfählung frei, zieht seine Bogen mehr in sich zusammen, und ersetzt in der Dicke, was ihm an Länge abgeht. An andern Orten verhindern diess die Winde, wie in Afrika und in einigen Distrikten der narbo- nensischen Provinz. Wenn man sie nicht über ihre jähr- lichen Sätze 1) schiessen lässt, und sie den behackten immer gleich hält, so verbreiten sie sich gleich den Kräu- tern über die Felder, und ziehen zuweilen durch die Trauben den Saft aus der Erde, welche daher in dem innern Theile Afrika's kleine Kinder an Grösse übertreffen. Nirgends giebt es schlechtere Weine als dort, aber ande- rerseits empfiehlt sich keine andere Traube mehr durch ihre harte Haut, daher sie auch mit dem Namen der hart- häutigen belegt wurde. Die durch Grösse, Farbe, Geschmack und Beeren ver- schiedenen Arten von Trauben sind unzählig, und werden noch durch die Weine vermehrt. Hier sind sie purpurn, dort rosenroth, dort grün; denn die weissliche und schwarze Farbe gehören zu den gemeinen. Die grossbeerigen stro- tzen gleich Brüsten. Die Dactylen tragen sehr lange Bee- ren. Es ist ein Spiel der Natur, dass an sehr grossen kleine, angenehme und. mit jenen im Geschmacke wett- eifernde hängen, die man Zwergbeeren 2) nennt. Einige halten sich den Winter über, wenn sie an einer Schnur an der Decke aufgehängt werden. Andere werden nur in ihrer eigenen Ausdünstung erhalten, wenn man sie in ir- dene Töpfe und diese noch in Fässer, welche mit schwit- zenden 3) Weintrestern umgeben sind, einschliesst. Andern giebt, sowie den Weinen, der Rauch aus den Schmieden einen angenehmen Geschmack, und diesen hat in den Oefen Afrikas das Ansehn des Kaiser Tiberius ganz be- sondern Ruhm verschafft. Vor ihm hatten die rhätischen und die im veronensischen Gebiete wachsenden Trauben ') pollices. ') leptorages. ^) D, i. gährenden. Vierzehntes Buch. 89- den Vorzug auf den Tischen. Ja die getrockneten i) Bee- ren haben sogar von der Geduld 2) ihren Namen bekommen. Auch bewahrt man Trauben im Moste, und berauscht sie selbst mit ihrem eigenen Weine. Andere werden durch Kochen in Most versüsst; andere aber erwarten, in ein durchsichtiges Glas eingeschlossen, an der Mutter selbst einen neuen Zuwachs, und Pech auf den Stengel gegossen giebt durch seine Schärfe den Beere© dieselbe dauernde Festigksit, die sie in Fässern und Krügen bekommen. Jetzt kennt man auch eine Art Trauben, deren Wein an und für sich schon nach Pech schmeckt; durch ihn ist das vienuensische Gebiet berühmt geworden, welches sich auch durch die arvernische, sequanische und helvische Art aus- zeichnet. Diese waren zu Zeiten des Dichters Virgil, der vor 90 Jahren starb, unbekannt. Und sind sie nicht jetzt im Lager eingeführt und halten die höchsten Angelegen- heiten und das Reich zusammen? Der Weinstok befindet sich in den Händen der Centurionen, führt mit reichlichem Lohne die trägen Reihen zu den langsamen Adlern, und ehrt selbst die Strafe beim Verbrechen. Die Weinstöcke haben uns auch eine gewisse Art von Belagerung ver- schafft. Ferner behaupten sie unter den Arzneimitteln einen so ansehnlichen Platz, dass sie selbst durch ihren Wein schon als Arzneien dienen. 4. Nur Democritus hat geglaubt, man könne die Arten des Weinstocks in einer Zahl umfassen; indem er vor- gab , alle in Griechenland vorkommenden wären ihm be- kannt. Die übrigen Schriftsteller haben sie für unzählig und unendlich gehalten, und dass diess wahrer sei, wird aus den Weinen erhellen. Ich will aber nicht alle, sondern ') passae d. i. Rosinen. ^) patientia. Die hier von Plinius gegebene Etymologie ist un- richtig, denn passus muss hier nicht von patior passus suni, pati dulden, sondern von pando, pandi, pansum und passum, pandere. ausbreiten, trocknen, abgeleitet werden. 90 Vierzehntes Buch. nur die ausgezeichnetsten anführen, denn es giebt ihrer beinahe ebenso viele, als Aeker. Daher wird es hinreichend sein, nur die berühmtesten Weinstöcke, und die, welche durch besondere Eigenthümlichkeit Bewunderung verdienen, anzuzeigen. Den ammineischen räumt man wegen ihrer Festig- keit und weil ihr Wein durchs Alter an Güte gewinnt, den Vorzug ein. Es giebt 5 Arten davon; die ächte hat kleinere Beeren, blühet besser ab, und erträgt leicht Regen und Stürme; die grössere thut diess nicht, doch leidet sie weniger davon an Bäumen als auf Bergen, Die Zwillings- trauben, welche deshalb so heissen, weil immer 2 Trauben beisammen stehen, sclimecken am herbsten, haben aber vorzügliche Kräfte. Den kleinem davon schadet der Süd- wind, die übrigen gedeihen beim Winde besser, wie z. B. die auf dem Vesuv und auf den surrentinischen Hügeln. Im übrigen Italien ist sie nur gewohnt an Bäumen zu wachsen. Die fünfte Art ist die wollichte, welche, damit wir die Serer und Indier nicht zu bewundern brauchen, ganz mit Wolle umkleidet ist. Die Trauben des amminei- schen Weinstocks werden am frühesten reif und am schnell- sten faul. Den nächsten Rang haben die nomentanischen, deren Holz röthlich ist, daher Einige diese Weinstöcke die röth- lichen nennen. Sie geben weniger Ausbeute, denn sie ent- halten zu viel Hülsen und Hefen; gegen Reife sind sie am empfindlichsten, und leiden durch Trockniss oder Hitze mehr als durch Regen oder Kälte. Daher behaupten sie in kalten und feuchten Gegenden den Vorrang. Die Art, welche kleinere Beeren und ein weniger eingeschnittenes Blatt hat, ist fruchtbarer. Die apianischen haben diesen Beinamen von den Bienen bekommen, welche sehr begierig danach sind. Es giebt 2 Arten, und diese sind ebenfalls wollig. Ihr Unter- schied besteht darin, dass die eine früher reift, obgleich die andere auch zu den zeitigen gehört. Sie gedeihen auch jin kalten Gegenden, und dennoch werden keine andern Vierzehntes Buch. 91 schneller reif; Regen macht sie aber faul. Der davon be- reitete Wein ist anfangs süss, bekommt aber nach Jahren -einen herben Geschmack. Am meisten findet sieh dieser Weinstock in Etrurien. Die bis hieher als die besten ge- nannten Gewächse sind in Italien einheimisch und ihm eigenthümlich. Die übrigen sind von Chios und Thasos zu uns ge- kommen. Der griechische steht dem ammineischen an Güte nicht nach, hat eine sehr zarte Beere, und selbst die Traube ist so klein, dass es nur auf dem fettesten Boden der Mühe lohnt, ihn zu bauen. Von den taurominitanischen Hügeln haben wir den mit einem edlern Beinamen ge- nannten „Eugenischen" erhalten, jedoch nur für das alba- nische Gebiet, denn wird er von da versetzt, so verändert er sich bald. Einige lieben nämlich ihre Standörter so sehr, dass sie all' ihren Ruhm zurücklassen, und nirgends- hin ganz unverändert übergehen. Diess ist auch der Fall mit dem rhätischen und allobrogischen, die wir oben die gepichten genannt haben, denn zu Hause sind sie edle Ge- wächse, anderswo erkennt man sie nicht wieder. Sie sind jedoch sehr fruchtbar und ersetzen das, was ihnen an Güte abgeht, durch die Menge, und zwar der eugenische an beissen, der rhätische an gemässigten, der allobrogische an kalten Orten. Letzterer reift bei der Kälte und hat eine schwarze Farbe. Die Weine von den bis jetzt genannten Arten, ja selbst von den schwarzen Arten werden durchs Alter weiss. Die übrigen werden nicht geschätzt, dennoch aber zuweilen durch Hülfe der Witterung und des Bodens dauerhaft, wie die fecenische und die mit ihr blühende biturigische, deren Beeren dünner stehen, und in der Bltithe nicht leiden, weil sie früher kommen, auch Wind und Regen widerstehen; sie gerathen aber besser an kalten und feuchten als an warmen nnd trocknen Orten. Der visu- lische Stock leidet mehr durch unbeständige Witterung als durch zu reichlichen Ertrag an Trauben, ist hingegen bei lortdauernder Kälte oder Hitze gesund. Die kleinere Sorte von dieser Art ist die bessere. Bei der Wahl des Bodens 92 Vierzehntes Buch. zeigt er sich eigensinnig, denn in einem fetten fault er, und in einem magern kommt er gar nicht fort. Zärtlich ver- langt er eine mittlere Temperatur, und ist deshalb auf den sabinischen Bergen ganz zu Hause. Seine Traube sieht hässlich aus, schmeckt aber angenehm, und wenn man sie nicht gleich abnimmt, so fällt sie, auch ohne gefault zu sein, ab. Gegen Hagel schützen sie seine breiten und harten Blätter. Ausgezeichnet durch die Farbe sind die röthlichen, welche das Mittel zwischen den purpurnen und schwarzen halten, öfters die Farbe ändern, und deshalb von Einigen die vielfarbigen genannt sind. Unter ihnen wird die schwärzere Art vorgezogen; beide tragen ein Jahr um das andere, und je weniger, um so besser wird der Wein. Auch von den Frühtrauben unterscheidet man 2 Arten durch die Grösse der Beeren; sie haben das meiste Holz, ihre Trauben bewahrt man am besten in Töpfen auf, ihr Blatt gleicht der Petersilie, die Dyrrachiner preisen die sogenannte Königstraube, welche die Spanier Coccolobis nennen; sie ist lockerer, erträgt Hitze und Südwinde, giebt reichliche Erndte, verursacht aber Kopfweh. In Spanien unter- scheidet man zwei Arten davon, eine mit länglichen, die andere mit runden Beeren; die letztern keltern sie. Je süsser die Coccolobis, um so besser ist sie. Aber auch die herbe wird durchs Alter süss, und die, welche süss war, herbe; hierin kommen sie mit dem albanischen Weine überein. Dieser Wein soll wider Blasenkrankheiten am dienlichsten sein. Der albulische Stock ist oben, und der visulische unten an den Bäumen fruchtbarer; wenn man sie daher um sie pflanzt, so geben sie wegen ihrer verschie- denen Natur eine reichliche Erndte. Von den schwarzen hat man eine Art die träge genannt, welche vielmehr den Namen der nüchternen verdient; sie empfiehlt sich durch den aus ihr gewonnenen und altgewordenen Wein, der zwar kräftig aber unschädlich ist, denn es ist der einzige, der keinen Schwindel bewirkt. Die übrigen empfehlen sieh durch ihre Fruchtbarkeit^ Vierzehntes Buch. 93 vorzüglich der blasse. Es giebt 2 Arten davon, die grössere, welche Einige die lange, und die kleinere, welche sie Emarcum nennen; letztere ist nicht so fruchtbar, liefert aber einen angenehmer schmeckenden Wein. Man unter- scheidet sie durch ihr zirkelruudes Blatt, beide sind aber schwach, müssen durch Gabeln gestützt werden, wenn sie reichlich tragen sollen, lieben den Wind vom Meere her, und duften nach Thau. Kein Weinstock hat sich weniger in Italien accUmatisirt, denn er ist hier selten, klein und fault leicht; auch der Wein, der von ihm kommt, hält sich nicht länger als einen Sommer; ferner liebt keiner mehr einen magern Boden. Gräcinus i), der sonst den Cornelius Celsus abgeschrieben hat, glaubt, seine Natur widerspreche dem Boden und Klima Italiens nicht, sondern seine Cultur, denn man sei zu sehr bemüht, ihn in Reben schiessen zu lassen; dadurch werde aber seine Fruchtbarkeit verändert, wenn nicht ein äusserst fetter Boden das matie Gewächs erhielte. Man sagt, er leide nicht vom Brande — ein grosser Vorzug, wenn es wahr ist, dass das Wetter keinen Einfluss auf eioen Weinstock ausübe. Der Spionia, den Einige den Dornigen nennen, erträgt Hitze, und erstarkt im Herbste und durch Regen. Ja selbst durch Nebel wird er allein ernährt und ist deshalb im ravennatischen Lande zu Haus. Den veniculischen, der unter die am besten abblühenden und zur Aufbewahrung geeig- netsten gehört, wollen die Campauer lieber Scircula, Andere Stacula genannt wissen. Bei Terracina ist der numisia- nische, der keine eigenen Kräfte hat, sondern dessen Werth sich ganz nach dem Boden richtet. Doch die Surrentiner haben bis an den Vesuv hin die besten zum Aufbewahren, denn dort ist der murgentinische, der stärkste aus Sicilien, den Einige den pompejanischen nennen, und der auch in Latium trägt; sowie der horconische nur in Campanien. ') Julius Giaecinus, Senator, Philosoph und Redner, sollte den • Silanus anklagen und wurde, diess verweigernd, hingerichtet. 94 Vierzehntes Buch. Dagegen macht der argeische, von Virgil Argistis ') ge- nannt, den Boden sogar fruchtbarer, und leidet weder durch Regen noch durch Alter, der von ihm gewonnene Wein aber hält sich kaum ein Jahr und taugt seiner geringen Güte wegen bloss zu Speisen, wird aber in reichlicher Menge erhalten. Der metische dauert auch mehrere Jahre, wider- steht allen Einflüssen der Atmosphäre am kräftigsten, hat schwarze Beeren und der Wein wird durchs Alter röthlich. Bis jetzt haben wir bloss die allgemein verbreiteten Arten genannt; die übrigen gehören besondern Gegenden und Orten, oder sie sind aus diesen durch Propfen unter einander entstanden. Bloss bei den Tuscern nämlich ist der tudernische, sowie der tudernisch-florentinische ein- heimisch. Aretium hat den hewlichen talponischen, ete- sischen und gemengten 2). Die schwarze talponische Traube giebt einen weissen Most. Der etesische ist trüglich, je- mehr er trägt, desto besser wird der Wein davon, und, was zu bewundern ist, wenn er reichlich getragen hat, liefert er nichts mehr. Der gemengte ist schwarz, sein Wein hält sich gar nicht , dagegen die Traube sehr lange; man nimmt sie 15 Tage später als alle anderen ab, sie giebt eine reichliche Erndte, dient aber bloss zu Speisen. Die Blätter dieser Art werden, gleich denen der wilden Rebe, blutroth, bevor sie abfallen. Dasselbe tritt bei einigen andern Arten ein, und ist ein Beweis, dass sie zu den schlechtesten ge- hören. Die irtiolische ist in Umbrien, dem nevanatischen und picenischen Gebiete einheimisch, die Pumula zu Ami- terninum. Ebendaselbst gedeihet der bannauische nicht immer, und dennoch liebt man ihn. Die Traube dieser Freistadt heisst die pompejauische, obgleich sie bei den Clusinern häufiger wächst. Auch die Tiburter haben nach ihrer Freistadt eine Traube benannt, obgleich sie dieselbe, von der Aehnlichkeit der Olive, olivenartig befunden haben. Diess ist die neueste unter den Trauben, welche bis jetzt ') D. h. ein Weinstock mit weissen Trauben. 2) conseminia. .Vierzehntes Buch. 95, bekannt geworden sind. Die vinaciolische kennen nur die Sabiner und Laurentier; denn ich weiss, dass die gaurani- schen, welche man vom falernischen Gebiete dahin gebracht hat, die falernischen genannt werden. Diese arten überall sehr schnell aus. Einige nennen auch eine tarentinische Art mit sehr süsser Traube. Die, welche Capnias, Bucco- niatis und Tarrupia heissen, werden auf den thurinischen Hügeln nicht eher gelesen, bis Frost eingetreten ist. Pisa hat die parische Traube, Mutina die prusinische mit schwarzen Beeren, deren Wein innerhalb 4 Jahren weiss wird. Als Merkwürdigkeit führe ich eine dortige Traube an, welche sich mit der Sonne dreht, und deshalb die Wendetraube heisst; ebenso, dass in Italien die gallische, jenseits der Alpen aber die picenische beliebt ist. Virgil hat noch die thasischen, mareotidischen und hasenfarbigen Trauben, und noch mehrere auswärtige, welche in Italien nicht vorkommen, angeführt. Doch es sind noch einige Weinstöcke ihrer Trauben, nicht aber ihres Weines wegen bemerkenswerth, als die ambrosische und die harte, welche sich ohne alles Geschirr am Stocke aufbewahren lässt, so sehr widersteht sie der Kälte, Hitze und andern atmosphärischen Einflüssen. Der sogenannte gerade Stock bedarf keines Baumes oder Pfahls, sondern hält sich selbst aufrecht, nicht aber der Finger- stock, der nicht dicker als ein Finger ist. Die Tauben- trauben sind die vollsten, und die mehr purpurrothen haben den Namen zweibrüstige, da sie keine neuen Trauben, sondern nur neue Beeren führen. Desgleichen der drei- füssige, welcher von seiner Länge so genannt ist. Der Scirpula mit trocknen Beeren. Der in den Seealpen vor- kommende sogenannte rhätische, welcher dem schon ange- führten nicht gleicht, denn dieser ist klein, voll von Beeren, welche sciilechten Wein geben, aber von allen die dünnste Haut, einen einzigen äusserst kleinen Kern, welchen man den chiischen nennt, und hie und da eine sehr grosse Beere haben. Es giebt auch einen schwarzen aramineischen, der '96 Vierzehntes Buch. den Namen syrischer bekommen hat. Ferner eine spanische Alt, die unter den unedlen noch die beste ist. Zu Weingeländern werden die sogenannten escarischen gesetzt, welche zu den Harten gehören, und schwarze und weisse Trauben haben; ferner die grosstraubigen, welche in denselben Farben vorkommen, und die noch nicht ge- nannten ägischen, rbodischen und die zweilöthigen, die diesen Namen von dem Gewichte der Beeren haben. Des- gleichen die Pechtraube, welche von allen die schwärzeste ist, die von einem Spiele der Natur sogenannte bekränzte, zwischen deren Beeren das Laub durchläuft, und die soge- nannten Markttrauben, welche schnell heranwachsen, durch ihr Ansehen zum Kaufe einladen, und leicht zu tragen sind. Dagegen verwirft man die, welche aschgrau, grauschwarz und eselsgrau aussehen; weniger jedoch die von der Aehn- lichkeit mit einem Fuchsschwänze sogenannte Alopecis-Art. Der sogenannte alexaudrinische Weinstock wächst um Pha- lacra, ist klein, hat ellenlange Aeste, schwarze Beeren von der Grösse einer Bohne, mit einem weichen sehr kleinen Kerne, die Trauben stehen schief und schmecken sehr süss, das Blatt ist klein, rund und ungetheilt. Vor 7 Jahren ward zu Alba Helvia in der narbouensischen Provinz ein Weinstock gefunden, der in einem Tage abblühet und da- her der sicherste von allen ist! Man nennt ihn den narbo- nischen, und pflanzt ihn jetzt dort in der ganzen Provinz. 5. Cato, der erste unter den Männern dieses Namens, vor allem ausgezeichnet als Triumphator und Censor, noch mehr aber durch seineu wissenschaftlichen Ruhm und durch die Vorschriften, welche er dem römischen Volke über alle zu erzielenden Dinge, namentlich über den Ackerbau gab, und der nach dem Geständnisse seiner Zeitgenossen der beste und erfahrenste Ackersmaun war, hat nur wenige Arten des Weinstocks angeführt, von deren einigen selbst die Namen schon verschollen sind. Dieses Mannes Ansichten müssen wir in dieser ganzen Abhandlung berücksichtigen, damit man bei jeder Art erfahre, welches im 600. Jahre • Vierzehntes Buch. 97 Eoms um die Zeit der Eroberung Carthago's und Corinths, wo er starb, die berühmtesten waren, und was für Vor- theile das Leben in den 230 Jahren später in dieser Be- ziehung gewonnen hat. Cato schreibt also über Weinstöcke und Trauben Fol- gendes: Bepflanze den für den Wein geeignetsten, an der Sonnenseite gelegenen Ort mit kleinen ammiueischen, zwillingseugenischen und kleinen helvinischen Stöcken; -einen dumpfigem oder nebligem hingegen mit grossen ammineischen, murgentinischen, apicischen oder lucanischen. Die übrigen eignen sich meistens ohne Unterschied für Jeden Boden. Man bewahrt den Wein zweckmässig in Schläuchen. Die harten, grössern ammineischen Trauben hebt man am besten auf, wenn man sie aufhängt oder in ^iner Schmiede austrocknen lässt. Aeltere Vorschriften hat man über diese Gegenstände in lateinischer Sprache nicht; so nahe sind wir dem Ursprünge derselben. Den so eben genannten ammineischen nennt Varro den scantianischen. Zu unserer Zeit gab es noch wenige Beispiele von Vollkommenheit in dieser Kunst, wir dürfen sie aber um ^0 weniger übergehen, damit wir auch ihren Nutzen kennen lernen, worauf .man doch immer am meisten sehen muss. Den grössten Ruhm darin hat Acilius Sthenelus, ein Frei- gelassener aus der gemeinen Klasse, erlangt, der im nomen- tanischen Gebiete Weinberge von nicht grösserm Umfange als 60 Jugern bebauete und für 40,000,000 Sesterzen ver- kaufte. Auf gleiche Weise machte sich der freigelassene Vetulenus Aegialus im literninischen Districte von Cam- panien berühmt, und zwar noch mehr durch die Gunst der Menschen, denn er bauete selbst den Verbannungsort des Africanus ') an. Allein das grösste Lob erwarb sich, durch Hülfe des genannten Sthenelus, Rhemmius Palämon (der «onst auch als Grammatiker ausgezeichnet war), denn dieser kaufte in den letzten 20 Jahren in eben demselben nomen- *) Scipio Africanus. wittstein: Plinius. III. Bd. 98 Vierzehntes Buch. anischen Gebiete, 10 Meilensteine von Rom entfernt, ein Land für 60,000,000 Sesterzen. Nun ist aber bekannt, wie wenig alle Landgüter, zumal dort kosten, und er wählte ge- rade solche, welche aus Nachlässigkeit heruntergekommen waren und unter den schlechtesten nicht einmal solche, die einen bessern Boden hatten, denn seine Absicht ging dahin,, sie zu cultiviren, aber nicht etwa aus Liebe zur Sache,, sondern Anfangs aus Eitelkeit, die er bekanntlich in hohem Grade besass. Er liess also durch Sthenelus die Wein- berge von Neuem umackern, wobei er einem Landwirthe nachahmte, und trieb sie zu einem fast unglaublichen Werthe, denn im 8. Jahre wurden die am Stocke hängen- den Trauben einem Käufer für 40,000,000 Sesterzen zuge- schlagen. Auch kam Jemand dahin, um die Haufen von Trauben in diesen Weinbergen zu sehen, und entschuldigte sich gegen den Anschein, er sei ein fauler Nachbar, damit,, dass er höhere Wissenschaften übe; und vor nicht langer Zeit wurde Annäus Seneca, damals der erste Gelehrte und vermöge seiner Macht, die ihn zuletzt unterdrückte, gewiss^ kein Bewunderer unbedeutender Dinge, so sehr von jenem Landgute eingenommen, dass er sich nicht schämte, dem Besitzer, obgleich er ihn hasste und dieser mit seinem Gute nur prahlen wollte, einen solchen Vorziis: zu geben, dass er jene Weinberge, nachdem sie beinahe 10 Jahre lang cultivirt waren, um den 4 fachen Preis kaufte. Dergleichen Sorgfalt wäre werth, auf die cäcubischen und setinischen Aecker verwandt zu werden, denn später gab noch jeder Morgen 7 Culei d. 1. 140 Amphoren Most. Doch damit Niemand glaube, das Alterthum sei hierin übertroffen, so bemerken wir noch aus Cato's Schriften, dass aus 1 Morgen zehn Culei gewonnen wurden, — kräftige Beispiele, dass. weder die beunruhigten Meere, noch die von den Küsten des rothen und indischen Meeres geholten Waaren dem Kaufmann mehr einbringen als eine fleissig betriebene Landwirthschaft. 6. Den ältesten Ruf hat der maroneische Wein, der, wie ■Vierzehntes Buch. 99 Homer berichtet, in dem Küstenstriche von Thracien wächst; denn wir folgen keinen fabelhaften oder über den Ursprung von diesem oder jenem auf verschiedene Weise erzählten Nachrichten, und führen nur noch an, dass Ari- stäus unter jenem Volke der erste war, welcher Honig unter den Wein mischte, weil beide, von der Natur von selbst hervorgebrachte Erzeugnisse eine besondere Lieb- lichkeit besitzen. Homer sagt, man müsse den maroneischen Wein mit der 20fachen Menge Wasser mischen; und doch behält dieser im Lande noch eben dieselbe Stärke und das unbezwingliche Feuer. Auch hat Mucianus, der 3 mal Consul war, unter Denen, welche erst ganz kürzlich darüber geschrieben haben, selbst in jenem Laude erfahren, dass man unter 1 Sextar Wein 8 Sextar Wasser mische; der Wein sei aber schwarz, starkriechend und werde durchs Alter fett. Auch der von Homer gespriesene pramnische Wein steht noch in hohem Ansehen, und wächst in der Gegend von Smyrna neben einem Tempel der Cybele. Von den übrigen Sorten ist keine recht berühmt gewesen. In dem 633. Jahre Roms, wo L. Opimius Consul war und der Tribun C. Gracchus, welcher das Volk zum Aufruhr reitzte, umgebracht wurde, gerieth aller Wein gut, denn die Sonne bewirkte, dass diejenige gemässigte Witterung herrschte, welche man das Kochen nennt. Man hat noch jetzt Weine von beinahe 200 Jahren her, die wie ein rauher Honig aus- sehen (denn so sind die Weine im Alter beschaifen), auch für sich nicht getrunken werden können, wenn sie nicht zuvor mit Wasser vermischt sind, denn das Alter hat ihnen eine ausserordentliche Bitterkeit verliehen. Aber werden sie den übrigen Weinen in sehr geringer Menge zugesetzt, so verbessern sie sie und sind ihnen gleichsam eine Arznei. Damals kostete eine Amphore 100 Sesterzen, und ich habe durch ein merkwürdiges Beispiel gezeigt, als ich das Leben des Dichters Pomponius Secundus und das Gastmahl, was er dem Sohne des Cajus Cäsar Germanicus gab, beschrieb, dass, wenn die Zinsen, zu V2V0 gerechnet, was bürgerlich und gerecht ist, hinzugezählt werden, nach 100 Vierzehntes Buch. 160 Jahren 1 Uncia desselben Weines ebensoviel kostet. So viel Geld steckt in den Weinkellern. Kein anderer Gegenstand vertbeuert sieb bis zum 20. Jahre mehr, oder bringt, wenn der Preis niebt steigt, mehr Verlust. Selten, und nur bei Scbwelgereien, bat bisber eine Flascbe Wein 1000 Sesterzen gekostet. Man glaubt, die Viennenser allein verkauften ihre gepichten Weine, deren Arten wir ange- führt babeu, höher, jedoch aus Patriotismus nur unter sich. Diese Weine werden, kalt getrunken, für kälter gebalten. 7, Die Wirkung^) des Weines besteht darin, dass er getrunken durch seine Wärme die Eingeweide erhitzt, aussen aufgegossen kühlt. Es dürfte nicht unpassend sein, bei dieser Gelegenheit das anzuführen, was Androcydes, ein berühmter Weise, an Alexander den Grossen geschrieben hat, um dessen Unmässigkeit Einhalt zu thun: „Erinnere dich, König, dass du im Weine das Blut der Erde trinkst; der Schierling ist ein Gift für die Menschen und der Wein ein Gift für den Schierling." Hätte er diese Lehren be- folgt, wahrlich dann hätte er seine Freunde nicht in der Trunkenheit getödtet. Man kann daher wohl mit Recht, sagen, nichts sei den Kräften des Körpers dienlicher, nichts aber auch für die Schwelgsucht verderblicher, wenn das Maass überschritten wird. 8. Wer wird aber bezweifeln, dass ein Wein angenehmer als der andere sei? oder, dass aus ein und demselben Be- hälter einmal ein besserer hervorgeht als das andere Mal, liege es nun an dem irdenen Geschirre oder an zufälligen Umständen? Daher mag ein Jeder selbst über die Weine, welche die besten sind, entscheiden. Die Kaiserin Julia brachte die 82 Jahre ihres Lebens auf Rechnung des puci- nischen Weines, denn sie trank keinen andern. Dieser wächst an einem Busen des adriatischen Meeres, nicht weit von der Quelle Timavus, an einem steinigen Hügel, und ') Das Wesen, natura." •Vierzehntes Buch. 101 liefert wegen der Seeluft nur wenige Amphoren reife Aus- beute. Kein Wein soll besser zu Arzneien sein. Diess ist wahrscheinlich derselbe Wein, den die Griechen aus einem adriatischen Busen geholt, Prätetianum genannt und mit ausserordentlichen Lobsprüchen verherrlicht haben. Der Kaiser Augustus zog den Setinischen allen übrigen Sorten vor und ihm ahmten alle seine Nachfolger hierin nach, weil die Erfahrung zeigte, dass er nicht leicht schädliche Be- standtheile im Speichel zurück lässt. Er wächst hinter Forum Appii ^). Früher behauptete der cäcubische Wein aus den sumpfigen Pappelwäldern im amyelanischen Busen den ersten Rang, doch ist derselbe jetzt durch die Nach- lässigkeit der Anbauer und den engen Raum des Lokals, noch mehr aber durch den Graben, welchen Nero vom avernischen See an bis nach Ostia schiffbar zu machen be- absichtigte, ganz zurückgekommen. Den zweiten Rang behauptete das falernische Land, in ihm vorzüglich der faustianische Distrikt, und diesen hatte es sich selbst durch die darauf verwendete Sorgfalt und Pflege geschaffen. Auch er verliert, weil man jetzt mehr auf die Menge als auf die Güte bedacht ist. Das falenische Land beginnt bei der Campanischen Brücke da, wo man links nach der sullanischen Colonie Urbana, die kürzlich zu Capua geschlagen ist, geht; der faustianische Districkt aber ungefähr 4 Meilen von einem bei Cediciae liegenden Dorfe, welches von Sinuessa 6000 Schritte ent- fernt liegt. Kein Ort ist berühmter durch seinen Wein, der sich auch einzig dadurch auszeichnet, dass er sich anzünden lässt. Es giebt 3 Arten davon, herben, süssen und leichten. Einige unterscheiden ihn also: oben auf den Hügeln wachse der caucinische, mitten der faustianische und unten der falernische Wein. Wir wollen es auch nicht unbemerkt lassen, dass von keinem Stocke, dessen Wein geschätzt wird, die Trauben angenehm schmecken. ') Flecken in Etrurien. hiess später Regeta: jetzt Dorf Foro Ajijüo. 102 Vierzehntes Buch. Zum dritten Range sind abwechselnd die albanischen Weine gekommen, welche in der Nähe von Rom wachsen, sehr süss und selten herbe schmecken; ferner die surren- tinischen, welche nur in Weinbergen wachsen, und, wegen ihrer Leichtigkeit und heilsamen Wirkung sich für Recon- valescenten am meisten eignen. Der Kaiser Tiberius sagte, die Aerzte hätten beschlossen, den surrentiuischen edel zu machen, denn er sei sonst nur ein guter Essig. Der Kaiser Cajus, welcher ihm folgte, nannte ihn einen berühmten kahmigen Wein *). Mit diesen streiten um den Rang die massischen Weine, und die, welche von der nach Puteoli und Bajä gerichteten Seite des Berges Gaurus kommen. Denn die statanischen Weine von der falernischen Grenze sind ohne Zweifel zur höchsten Ehre gelangt, und haben dadurch klar gezeigt, dass alle Länder, gleichwie der Ur- sprung und Untergang der Dinge, ihre Zeiten haben. Der ihm benachbarte calenische und der fundanische, welcher in Weinbergen und an Bäumen wächst, pflegten zuweilen noch vorgezogen zu werden. Andere Weine aus der Nähe Roms sind der veliterninische und der privernatische. Denn der, welcher zu Signia gewonnen, und seiner ausser- ordentlichen Herbigkeit wegen gegen den Durchfall ge- braucht wird, ist ein Arzneimittel. Den vierten Rang bei den öffentlichen Gastmählern hat der mamertinische, der bei Messana in Sicilien wächst, von Julius Cäsar erhalten, denn er verschaffte ihm, wie aus seinen Briefen erhellt, zuerst dieses Ansehen. Nächst ihm wird der von seinem Erfinder sogenannte potulanische, welcher von einem, Italien zunächst liegenden Distrikte kommt, am meisten geschätzt. Auch steht der tauromini- tanische in Sicilien in Ansehen, und werden die damit ge- füllten Flaschen sehr oft dem mamertinischen untergeschoben. Unter den übrigen aber sind diejenigen zu nennen, welche am obern Meere zu Prätutia und Ankona wachsen, ') vappa. Vierzehntes Buch. 103 und welche wir, weil sie von einer Palme und zwar viel- leicht von einer Art derselben kommen, palmensische ge- nannt haben. Mitten im Lande aber der cäsenatische und mäcenatianische. Ferner im Veronesischen der rhätische, ■der von Virgil nur dem falernischen nachgesetzt wird. Nicht sehr fern davon, an dem innersten Theile des Meer- husens der adrianische; am untern Meere aber der latinien- «ische, graviscanische, statoniensische. In Etrurien hat Luna den Vorzug, in Ligurien Genua. Massilien, welches zwischen den Pyrenäen und den Alpen liegt, hat Wein von doppeltem Geschmacke, denn dort wächst auch einer, der fetter ist, daher zur Verbesserung anderer dient und ■der saftige genannt wird. Inneröalb Gallien steht der Wein von Bäterrä im Ansehen. Von den übrigen in der narbonensischen Provinz vorkommenden Arten kann man diess nicht sagen, denn man hat dort eine Fabrik ange- legt, um ihn zu räuchern. Wollte Gott, sie thäten es nicht auch mit schädlichen Kräutern und Arzneimitteln; denn sie kaufen sogar Aloe, um Geschmack und Farbe damit zu verfälschen. Doch auch die entfernten italienischen Weine sind nicht unrühmlich bekannt, als die vom ausonischen Meere, der tarentinische, servitianische, der zu Consentia, Tempsa, Babia und Thurini, welcher letztere vor dem lucanischen den Vorzug hat. Unter allen aber behaupten der zu Mes- sala und der lagarinische, welcher nicht weit von Grumen- tum wächst, den ersten Rang hinsichtlich ihres Geschmacks und ihrer Zuträglichkeit für die Gesundheit. In Campanien haben neulich, entweder durch Sorgfalt oder durch Zufall, neue Namen Ansehen bekommen, nemlich vier Meilensteine von Neapolis der trebellische, bei Capua der cauliuische, und auf ihrem eignen Acker der trebulanische, Sorten, die sonst nur unter den gemeinen und bei den Trifolinern «inigen Ruf haben. Der Pompejanische gewinnt höchstens bis zum 10. Jahre an Güte, ein höheres Alter hilft ihm nichts; auch verursacht er Kopfweh, welches bis zur sech- sten Stunde des folgenden Tages dauert. Diese Beispiele 104 Vierzehntes Bach. beweisen, wenn ich nicht irre, dass bei den Weinen da& Vaterland und der Boden, nicht die Traube, von Einfluss ist, und dass es eine unnütze Arbeit sein würde, die Sorten, alle aufzuzählen, da ein und derselbe Weinstock an ver- schiedenen Orten verschiedene Kräfte zeigt. In Spanien schätzt man den laletanischen wegen seiner Einträglichkeit^ den tarraconensischen und lauronensischen aber wegen seiner Vortrefflichkeit, und der von den balearischen Inseln wird den ersten Weinen Italiens zur Seite gesetzt. Ich weiss wohl, dass Viele glauben werden, ich habe vieles ausgelassen, denn einem Jeden gefällt das Seinige, und wohin man geht, findet man mährchenhafte Berichte. Einer von den Freigelassenen des Kaisers Augustus, der dessen Urtheil und Geschmack am besten kannte und den Wein zu dessen Gastmählern aussuchte, soll zu einem Gaste in Bezug auf einen einheimischen Wein gesagt haben: Der Geschmack desselben komme ihm zwar neu vor, und es sei keine von den bessern Sorten, allein der Kaiser würde keinen andern trinken. Ich will nicht leugnen, dass auch andere Sorten ruhmwürdig sind, aber diejenigen, welche unser Zeitalter einstimmig gut befunden, habe ich an- geführt. 9. Nun wollen wir auch die überseeischen Weine nennen. Nächst dem homerischen, von dem schon oben die Rede war, standen der thasische und chiotische, und von letzterm der sogenannte arvisische im höchsten Ruhme. Zu diesen hat Erasistratus '), der grösste Arzt, etwa um das Jahr 450 nach Roms Erbauung, den lesbischen zuge- sellt. Jetzt hat der clazomenische vor allen den Vorzugs seitdem er weniger mit Seewasser vermischt wird. Der lesbische schmeckt von Natur salzig. Der tmolitische wird an und für sich nicht als Wein geschätzt, sondern, da er süss ist, unter andern gemischt, wodurch diese ihre Rauh- ') Aus Julis auf Cos, Schüler des Chrysippus , lebte um 300 \v Chr. erst am Hofe des Seleukos Nikator. dann zu Alexandrien. yierzehntes Buch. 105 igkeit verlieren und einen angenehmen Gesehmacii be- kommen, auch dann gleich älter zu sein scheinen. Auf die eben genannten folgen zunächst der sicyonische, cy- ])rische, telmesische, tripolitische, berytische, tyrische, se^ bamytische. Letzterer wächst in Aegypten, und zwar giebt es daselbst 3 sehr edle Arten Trauben, welche die 3 Sorten, den thasischen, aethalischen und Peuce liefern. Nach diesen stehen im Ansehen: der Hippodamantische , mysti-. sehe, comtharitische, gnidische Protopus^), catacecaume- nitische, petritische, mycouische. Denn dass der mesogi- tische Kopfschmerzen verursacht, hat die Erfahrung gelehrt ; auch der ephesische ist nicht gesund, weil er mit See- wasser und eingekochtem Most 2) vermischt wird. Der apamenische soll, gleich wie der prätutische in Italien zu Weinmeth sich besonders eignen. Auch dadurch entstehen eigenthümliche Arten, dass die süssen nicht gänzlich unter sich übereinkommen. Auch der Protagion, welchen die Schulen des Asclepiades den italienischen zunächst gestellt hatten, ist ausser Gebrauch gekommen. Der Arzt Apollo^ dorus 3) hat in dem Buche, worin er dem Könige Ptole- mäus rieth, was er für Weine trinken sollte, da die ita^ lienischen damals noch unbekannt waren, in Pontus den naspercenitischen, dann den oretischen, öneatischen, leuca- di sehen, ambraciotischen, und den peparethischen, welchen er allen andern vorzog, empfohlen, doch sagt er, dieser stehe weniger im Rufe, weil er vor dem sechsten Jahre nicht besonders schmecke. 10. Bis hieher wurden den Völkern gute Weine zu Theil, Bei den Griechen erhielt der sogenannte Lebenswein mit Recht den berühmtesten Namen, der, wie wir in dem medicinischen Abschnitte sagen werden, zur mannigfaltig- sten Anwendung für die Gesundheit erfunden worden ist. ') protopus, ein Wein der ohne Presse abläuft. ■■*) detrutum. ') Von Lemnos, übrigens nicht näher bekannt. 106 Vierzehntes Buch. Er wird auf folgende Art bereitet: die Trauben werden kurz vor der Reife abgenommen, an der Sonne getrocknet, 3 Tage lang täglich 3 mal umgewendet, am 4. Tage aus- gedrückt, und der Saft in Gefässen an der Sonne gezeitigt. Die Coer mischen hiezu eine reichliche Menge Seewasser, (ein Zusatz, der von dem Diebstahle eines Sclaven, um das richtige Maass wieder herzustellen, herrührt), und wenn diess Gemisch zu weissem Moste gegeben ist, bekommt es den Namen weisser coischer Wein. Bei andern Völkern heisst der auf dieselbe Weise dargestellte Salzwein; man nennt ihn aber Seewein, wenn die mit Most gefüllten Fässer ins Meer versenkt werden, wodurch er eher alt wird. Auch bei uns hat Cato ein Verfahren angegeben, aus italienischem Weine coischen zu machen, wobei er unter andern vorschreibt, ihn 4 Jahre lang der Sonne aus- zusetzen. Der rhodische Wein gleicht dem coischen. Der phorineische ist salziger als der coische. Alle übersee- ischen Weine sollen in 7 oder 6 Jahren ihr mittleres Alter erreichen. 11. Aller süsse Wein hat weniger Geruch; je dünner aber der Wein, um so stärker riecht er. Der Wein hat 4 Farben, es giebt nämlich weissen, gelben, rothen und schwarzen. Der psythische und melampsythische sind Rosinenweine 1), die einen eigenen und keinen Weinge- schmack haben; der Scybilites aber ist eine Art Most, der in Galatien, sowie das Aluntium in Sicilien gewonnen wird. Der siräische, den Einige Hepsema, wir aber Sapa nennen, ist ein Werk der Kunst und nicht der Natur, nemlich ein bis zum dritten Theile seines Maasses eingekochter Most; geschieht diess nur bis zur Hälfte, so nennen wir ihn defrutum. Alle diese hat man zur Verfälschung des Honigs ausgedacht; die erstem aber bestehen aus Trauben und Erde. Nächst dem cretischeu Rosinenweine ist der •) passum sc. vinum. Vierzehntes Buch. 107 cilicische und afrikanische sowohl in Italien als auch in den angrenzenden Provinzen der beliebteste. Man weiss mit Sicherheit, dass er aus einer Traube , welche die Griechen Sticha, wir aber Apiana nennen, sowie aus der Scirpula, welche beide längere Zeit am Stocke durch die Sonne oder aber in einem heissen Fasse gedörrt werden, bereitet wird. Einige machen ihn aus jeder süssen Traube, indem sie vorher den weissen Most absieden, dann die Beeren an der Sonne trocknen, bis noch etwas mehr als die Hälfte des Gewichts übrig ist, stossen und gelinde aus- drücken. Nachdem sie nun ausgepresst haben, geben sie unter die Weintrester Brunnenwasser, um so eine zweite Sorte Rosiuenwein zu bekommen. Aufmerksamere Leute trocknen sie ebenso, pflücken aber die Beeren ab, be- feuchten dieselben, ohne die Stiele, mit einem vorzüglichen Weine, bis sie aufschwellen und pressen dann. Letztere Sorte hat den Vorzug vor den übrigen, und aus ihren Pressrückständen macht man ebenfalls durch Zusatz von Wasser eine zweite Sorte. Ein Mittelding zwischen den süssen Getränken und dem Weine nennen die Griechen Aigleucos i), d. h. be- ständiger Most. Dieser wird durch besondere sorgfältige Behandlung gewonnen, denn man lässt ihn nicht gähren; unter gähren versteht man nemlich den Uebergang des Mostes in Wein. Sobald der Most aus der Kelter gelaufen, wird er sogleich in Fässer gefüllt und diese versenkt man ins Meer bis der kürzeste Tag vorüber und der Wein die Kälte gewohnt ist. Man hat noch eine andere eigenthüm- liche Sorte der Art, welche man in der narbonensischen Provinz, und hier namentlich bei den Vocontiern findet und den süssen nennt. Dieserhalb lässt man die Traube längere Zeit am Stocke und verdrehet den Blüthenstiel. Von Einigen wird der Zweig selbst bis aufs Mark einge- schnitten, von Andern die Traube auf Ziegelsteinen ge- ') aSL immer und yhtvxoq Most. 108 Vierzehntes Buch. trocknet, und zu diesem Endzwecke benutzt man die Hel- venacischen Weinstöcke. Einige setzen noch das sogenannte diachyton hinzu, welches entsteht, wenn die Trauben an einem verschlossenen Orte 7 Tage lang auf 7 Fuss hoch von der Erde stehenden Hürden an der Sonne getrocknet, des Nachts vor dem Thaue geschützt, und am 8. gekeltert werden. Dadurch soll der Wein den besten Geruch und Geschmack erhalten. Zu den süssen Getränken gehört auch der Honigwein. Er unterscheidet sich vom Methe dadurch, dass er aus Most bereitet wird; man siedet näm- lich 5 Congii herben Most, 1 Congius Honig und 1 Cyathus Salz miteinander. Er schmeckt herbe. Aber unter diese Arten von Getränken muss ich auch den Protopus setzen, — so heisst nämlich bei Einigen der von selbst aus den Trauben fliessende Most, bevor sie gekeltert werden. Man zieht ihn sogleich auf Flaschen, lässt ihn abgähren, und setzt ihn dann im folgenden Sommer beim Aufgange des Hundssterns 40 Tage lang der Sonne aus. 12. Was die Griechen Deuteria ^), Cato und wir aber Lora nennen, und aus den Weintrestern durch Einweichen in Wasser bereitet wird, können wir füglich nicht Wein nennen, demungeachtet aber rechnet man dieses Getränk unter die Weine der Arbeitsleute. Es giebt 3 Sorten da- von. Die eine wird erhalten, wenn man den Trestern den zehnten Theil des erhaltenen Mostes Wasser hinzufügt, das Ganze einen Tag und eine Nacht stehen lässt und dann wiederum presst; die zweite, wenn man, wie es die Griechen gemacht haben, den 3. Theil des Mostes Wasser nimmt, und das Ausgepresste bis auf ein Drittheil ein- kocht; die dritte wird aus den Weinhefen gepresst, und heisst bei Cato Hefenwein. Keine derselben hält sich länger als ein Jahr. 13. Hiebei fällt mir ein, dass, während es auf dem ganzen ') Von dfvTfQog, der zweite, also Weine zweiter Qualität. Vierzehntes Buch. 109 Erdkreise beinahe 80 edle Sorten von dem, was wir eigent- lich unter Wein verstehen, giebt, 2/3 von dieser Anzahl Italien angehören, und dieses Land in dieser Hinsicht also den übrigen weit voran steht. Es lässt sieh daher schwer begreifen, woher es kommt, dass Italien nicht von Anfang an, sondern erst 600 Jahre nach Erbauung Roms zu diesem Ansehen gelangt ist. 14. Dass Romulus nicht mit Wein, sondern mit Milch opferte, beweisen die von ihm angeordneten Opfer, welche noch heutigen Tages ebenso beobachtet werden. Das po- stumische Gesetz Numa's lautet: den Scheiterhaufen sollst du nicht mit Wein benetzen. Und Niemand wird bezwei- feln, dass er diess aus Mangel an Wein verordnet habe. Durch dasselbe Gesetz hat er es für ein Vergehen er- klärt, wenn man den Göttern Wein von einem unbe- schnittenen Stocke weihe, und zwar aus dem guten Grunde, um diejenigen, welche bloss Ackerbau trieben und zu faul waren sich der Baumzucht anzunehmen, zum Beschneiden der Reben zu zwingen. M. Varro berichtet, der etrurische König Mezentius i) habe für die Hülfe, welche er den Ru- tulern wider die Lateiner geleistet, den Wein, der damals im lateinischen Gebiete war, bekommen. Den Weibern in Rom war es nicht gestattet, Wein zu trinken. Unter andern finde ich einen Fall, wo die Gattin des Egnatius Macenius, welche Wein aus einem Fasse ge- trunken hatte, von ihrem Manne todtgeprügelt, und dieser durch Romulus von dem Morde freigesprochen wurde. Fabius Pictor erzählt in seinen Jahrbüchern, eine Frau vom Stande sei, weil sie einen Schrank, worin die Schlüssel zum Weinkeller waren, geöffnet hatte, von ihren Ange- hörigen zum Hungertode verdammt worden. Cato sagt, Frauenzimmer würden deshalb von ihren Verwandten ge- *) Tapferer aber grausamer Fürst zu Caere in Etrurien, Vater des Lausus, wurde von seinen Unterthanen verjagt und focht im Heere des Turnus gegen Aeneas, der ihn erlegte. 110 Vierzehntes Buch. kiisst, damit diese erführen, ob sie nach berauschendem Getränke ^) röchen. So hiess damals der Wein, und davon hat der Rausch -) seinen Namen. Der Richter Cn. Domitius bestrafte eine Frau, die ohne Vorwissen ihres Mannes mehr, als der Gesundheit zuträglich war, getrunken hatte, mit dem Verluste der Mitgift. Lange Zeit war der Wein spar- sam in Gebrauch. Als der Oberfeldherr L. Papirius gegen die Samniter streiten wollte, gelobte er, im Falle ihm der Sieg zu Theil würde, dem Jupiter einen kleinen Becher Wein. Endlich finde ich, dass man zum Geschenke einen Sextarius Milch, niemals aber Wein gab. Als ebenderselbe Cato nach Spanien, von wo er im Triumphe zurückkehrte, segelte, trank er keinen andern Wein, als die Ruderknechte; so sehr war dieser Mann von denen verschieden, welche sogar den Gästen andern Wein als sich selbst vorsetzen, oder während der Tafel unterschieben. 15. Die geschätztesten Weine der Alten waren die, welche man mit -Myrrhe versetzt hatte, wie aus dem Schauspiel des Plautus ^), das den Titel Persa hat, erhält, obgleich er sagt, man solle auch Calmus dazu thun. Daher glauben Einige, sie hätten den gewürzten Wein am meisten geliebt. Allein Fabius Dossennus^) entscheidet die Sache in folgen- den Versen: „Ich sandte schönen Myrrhen- Wein." Und im Acharistion: „Brot, Graupen und Myrrhen-Wein." ') temetum. ^) temulentia. 3) M. Accius Plautus aus Sarsina in Umbi-ien, 227 bis 184 v. Chr., lebte zu Rom, Unternehmer und Vorsteher eines komischen Theaters. ■') Fabius Dossennus Mundus, ein alter römischer Dichter, schrieb Atellanen (Schauspiele, nach der oscischen Stadt Atella in Campa- nien benannt, weil sie angeblich in der oscischon Mundart aufge- führt wurden. Die Darsteller waren keine Histrionen, sondern junge freie Römer). Vierzehntes Buch. 111 Ich sehe, dass auch Scävola i), Lälius 2) und Attejus Capito 3) derselben Meinung gewesen sind, weil im Pseudo- lus steht: „Wenn es nöthig ist, dass er hernach etwas Süsses gebe, hat er auch wohl dergleichen? Char: Du fragst? Myrrhenwein, Rosinenwein, Meth, Honig " Es ist demnach klar, dass der Myrrhenwein nicht nur unter die Weine, sondern selbst unter die süssen ge- rechnet wurde. 16. Der opimianische Wein giebt den unzweifelhafte- sten Beweis, dass bereits im 633. Jahre der Stadt Wein- keller^) existirten und Wein auf Flaschen gezogen wurde, Italien also schon damals sein Gut erkannte. Jedoch standen jene vielen Arten noch nicht im Rufe, und führten sie alle den einzigen Namen des Consuls. Auch wurden noch lange nachher, und zwar bis zu unserer Grossväter Zeiten, ja selbst als man den falernischen schon kannte, die überseeischen Weine geschätzt, wie folgender Vers jenes Lustspieldiehters besagt: „Ich hole 5 Flaschen thasischen und 2 Flaschen faler- nischen Weines herbei." Die Censoren P. Licinius Crassus und L. Julius Cäsar erliessen im Jahre 665 der Stadt eine Verordnung mit fol- genden Worten: Niemand solle ein Quadrantal griechischen und ammineischen Weines um 8 Ass verkaufen. Der grie- chische Wein ward aber so hoch gehalten, dass jeder Gast nur einmal davon zu trinken bekam. 17. Welche Weine bei Tische beliebt waren, sagt uns ') Es gab mehrere berühmte Römer dieses Namens; welcher hier gemeint ist, lässt sich nicht bestimmen. ^) C. Laelius, Freund des Scipio Aeniilianus, Held , Staatsmann, Gelehrter, Philosoph, 140 Consul. ^) L. Attejus Capito, berühmter Jurist, Consul unter Augustus. '') apothecae. 112 Vierzehntes Buch. M. Vasi'o mit folgenden Worten: „L. Lucullus sab als Knabe bei seinem Vater nie ein prächtiges Gastmahl, bei welchem mehr als einmal griechischer Wein gereicht wurde. Als er aus Asien zurückkehrte, theilte er 1100 Ca- dus zum Geschenke aus. C. Sentius, den ich als Prätor gekannt habe, sagte, erst damals sei chiischer Wein in sein Haus gebracht worden, als ihm der Arzt davon gegen Magenbeschwerden gegeben hätte. Horteusius hinterliess seinem Erben über 10,000 Cadus Wein." Soweit Varro. Doch, hat nicht auch der Dictator Cäsar bei seinem Sieges- mahle für die Tafeln Amphoren falernischen, und Cadi chiischen Weines aufsetzen lassen? Bei seinem spanischen Triumphe gab er chiischen und falernischen Wein, bei seinem dritten Consulate falernischen, chiischen, lesbischen und mamertinischen, und es ist bekannt, dass zu dieser Zeit zum ersten Male 4 Sorten Wein auf die Tafel gesetzt worden sind. Nachher, etwa im 700. Jahre der Stadt, kamen alle übrigen in Ruf. • 18. Ich wundere mich daher nicht, dass schon vor vielen Jahrhunderten fast unzählige Arten gekünstelter Weine er- funden sind, welche wir nun anführen wollen, und die alle zum Arzneigebrauch dienen. Wie das Omphacium bereitet wird, haben wir im vorigen Buche, der Salben wegen, an- gegeben. Das sogenannte Oeuanthinum wird aus der Labruscai), d. h. der wilden Rebe gewonnen, indem man von ihren Blumen 2 Pfund in einem Cadus Most einweicht, und nach 30 Tagen wieder herausnimmt. Ausserdem dienen die Wurzel und die Beeren des wilden Weinstocks zur Bereitung des Leders. Die Beeren sind kurz nach dem Abblühen ein vorzügliches Mittel, um bei Krankheiten die körperliche Hitze zu mildern, da sie von äusserst kalter Natur sein sollen. Ein Theil davon geht durch die Hitze zu Grunde, und zwar eher als die übrigen, welche man Sommerbeeren nennt. Alle werden niemals reif, und wenn •) Vitis Labrusca L. yierzehntes Buch. 113 } hydromeli. "VN'assenneth. ^) Oxymeli. 3) Arzt aus Laodicea, kui-z-v. Chr.. Schüler des Asclepiades, Gründer der methodischen vSchule. Seine Schriften sind verloren. Vierzehntes Buch. 117 ebendenselben heisst ein Weinstock der giftwidrige, weil dessen Wein und Traube gegen den Schlangenbiss helfen. Der Libanios riecht nach Weihrauch, und von ihm spendet man den Göttern. Der Aspendios hingegen wird zum Ge- brauche auf Altären verworfen; auch soll ihn niemals ein Vogel berühren. In Aegypten wächst eine Traube, welche die thasische heisst und den Leib öffnet; in Lycien hin- gegen ist eine, welche die entgegengesetzte Wirkung hat In Aegypten wächst auch der Ecbolas, der die Frucht ab- treibt. Beim Aufgange des Hundssterns werden einige Weine in den Kellern verändert, nehmen aber nachher ihre vorige Beschaffenheit wieder an. Ebenso bemerkt man beim Fahren auf dem Meere, dass das Schütteln denen, welche schon ausgedauert haben, dasjenige, was sie gehabt hatten, wieder giebt. 23. Weil das Leben im Dienste der Götter besteht, so hält man es für sträflich, ihnen Wein von einem unbeschnittenen Stocke, einem, den der Blitz getroffen, neben welchen ein Mensch an einem Stricke gehangen hat, oder der mit ver- wundeten Füssen getreten ist, dessen Beeren zerschnitten und ausgelaufen sind, oder der durch etwas von oben Heruntergefallenes verunreinigt ist; desgleichen die grie- chischen Weine, weil sie Wasser enthalten, — zu opfern. Auch der Weinstock selbst wird gegessen; man kocht nem- lich die obersten Schösslinge ab und macht sie in Essig und Salzwasser ein. 24. Aber ich muss nun auch von den bei der Bereitung (los Weines gebräuchlichen Materialien reden , da die Griechen besondere Vorschriften dazu gegeben und eine eigene Kunst daraus gemacht haben, wie Euphronius i), Aristomachus, Commiades 2) und Hicesius 3) berichten. In ') Ein nicht näher bekannter Schriftsteller. '^) Ebenfalls unbekannt. ä) Desgleichen. 118 Vierzehntes Buch. Afrika benimmt man ihm die Rauhigkeit durch Gyps, und in einigen Gegenden daselbst durch Kalk. Die Griechen machen ihn durch Thon, Marmor, Salz oder Seewasser milde; Ein Theil von Italiens Bewohnern durch schwarzes Pech, und sie, nebst den angrenzenden Provinzen, behan- deln gewöhnlich den Most mit Harz. An einigen Orten versetzt man denselben mit Hefen vom früheren Weine oder mit Essig. Auch selbst aus dem Moste macht man Arz- neien; man kocht ihn, damit er im Verhältniss seiner Kräfte süss werde. Ein solcher soll sich aber nicht über ein Jahr lang halten. An einigen Orten siedet man den Most bis zur Sapa ^) ein, und durch Zugiessen desselben benimmt man dem Weine das Feuer. Doch bei dieser und jeder andern Art thun die Fässer selbst durch ihre Aus- pichung Dienste, und wie man diese bewerkstelligt, wollen wir im nächsten Abschnitte sagen. 25. Von den Bäumen, aus denen gleich einem Safte Pech und Harz fliesst, haben einige den Orient, andere Europa zum Vaterlande. Asien, welches dazwischen liegt, hat auf beiden Seiten einige. Im Oriente geben die Terebinthen das beste und dünnste, die Mastixbäume den sogenannten Mastix, ferner die Cy pressen das schärfste vom Geschmack. Alle diese Bäume enthalten einen flüssigen Saft, der nur Harz ist, die Ceder aber einen diekern und zur Bereitung von Pech geeigneten. Das arabische Harz ist weiss, von scharfem Geruch und schwer zu schmelzen, das jüdische ist zäher, der Terpenthin noch stärker riechend; das syrische sieht dem attischen Honige gleich; das cyprische übertrifft alle andern, ist aber honigfarben und fleischig; das colopho- nische dunkler als die übrigen, wird durch Reiben weiss, hat einen starken Geruch und wird deshalb von den Salben- händlern nicht gebraucht. Was man in Asien von der Picea 2) macht, ist sehr weiss und heisst Spagas. Alles Harz löst sich in Oel auf. Einige glauben, diess geschehe ») Vergl. 11. Capitel. ■'') Pinus Abies L. die Rothtanne. Vierzehntes Buch. 119 auch durch Töpferkreide. Ich schäme mich zu sagen, dass es jetzt am meisten wegen seines Gebrauchs, die Haare am Körper des Mannes auszurotten, geschätzt wird. Der Most wird verbessert, wenn man zu Anfang der Gährung, welche meistens nach 9 Tagen zu Ende ist, Pech hineinstreuet, damit der Wein davon Geruch und einen scharfen Geschmack annimmt. Man glaubt, diess werde durch den rohen Anbruch des Harzes in noch höherra Orade bewirkt und der Wein dadurch milde. Andererseits werde durch abgesottenes Pech •) seine allzugrosse Wild- heit gemildert, und sein Feuer geschwächt, oder wenn er matt und fade ist, ihm dadurch Feuer gegeben. In Ligurien und den Gegenden um den Po wird der Nutzen der Crapula beim Moste auf folgende Art unterschieden: In starkbrau- senden Most wird mehr, in schwachen weniger gethan. Einige wollen, man solle ihn auf beiderlei Weise verbessern. Aber das Pech besitzt ausser seiner Einwirkung auf den Most auch noch andere gute Eigenschaften. An einigen Orten hat der Most den Fehler, nochmals von selbst zu gähren; er verliert dadurch den Geschmack, und bekommt dann den Namen Vappa, womit man auch einen Menschen, dessen Gemiith verdorben ist, schimpflicherweise benennt Verdorbener Wein hat die Kraft des Essigs, welcher so mannigfaltige Anwendung findet und ohne welchen das feinere Leben nicht bestehen könnte. Uebrigens trägt man für die Verbesserung der Weine so grosse Sorge, dass er bei Einigen durch Asche, bei Andern durch Gyps, oder auf die bereits angeführten Weisen verbessert wird. Man zieht aber die Asche von Weinstock- reisern oder von der Eiche vor. Sogar wird vorgeschrieben, man solle zu diesem Behufe Seewasser vom hohen Meere holen, dasselbe vom Frühlings -Aequinoctium an aufbe- wahren, oder wenigstens in einer Nacht zur Zeit der Sonnenwende oder während der Aquilo wehet, schöpfen. ') ci-apula. 120 Vierzehntes Bach. oder aber, wenn es um die Zeit der Weinlese geschöpft werde, absieden. Zu Weinfässern wird in Italien das bruttische Pech am meisten geschätzt. Man bereitet es aus dem Harze der Rothtanne; in Spanien aus wilden Fichten, aber diess wird gar nicht gelobt, denn das Harz derselben ist bitter, trocken und stark riechend. Den Unterschied und die Bereitungs- art wollen wir im nächsten Buche bei den wilden Bäumen angeben. Seine Fehler sind, ausser den angezeigten, eine gewisse Schärfe und ein rauchiger Gestank, bei dem Peche aber das Angebranntsein. Man erkennt diess, wenn die Bruchstücke etwas glänzen, zwischen den Zähnen weich werden, und dabei eine angenehme Schärfe entwickeln. Die Asiaten halten das idäische Pech für das beste, die Griechen das pierische, Virgil das narycische. Sorgfältigere Landwirthe mischen schwarzen Mastix hinzu, der im Pon- tus gewonnen wird und dem Erdpech gleicht, ferner die Wurzel und das Oel der Iris hinzu, denn die Erfahrung hat gelehrt, dass, wenn man W^achs in die Fässer thut, die Weine sauer werden. Dagegen ist es besser, den Wein in solche Fässer zu bringen, in denen Essig gewesen ist, als in solche, welche süssen Wein oder Meth enthielten. Cato befiehlt, den Wein mit dem 40. Theile Aschenlauge, die mit gesottenem Weine gekocht ist oder mit Vj^ Pfund Salz, zuweilen auch mit zerstossenem Mamor in einem Culeus zu beschicken ^) (denn dieses Wortes bedient er sich). Er erwähnt auch des Schwefels, des Harzes aber nur zuletzt. Vor allem aber soll man dem Weine, wenn er zeitig wird, Most hinzuthun, den er Keltermost 2) nennt; wir verstehen aber darunter den zuletzt gepressten. Auch setzt mau, um ihn zu färben, verschiedene Farbstoffe hin zu, wodurch er dann auch fetter werden soll. Durch s(v viele schädliche Künsteleien bestrebt man sich, den Wein angenehm zu machen und wir wundern uns noch, dass er ') concinnari. ■-*) tortivum. Vierzehntes Buch. 121 schädlich ist. Die Probe, ob ein Wein verderbe, ist, wenn eine Bleiplatte in demselben ihre Farbe verändert. 26. Unter den Flüssigkeiten hat der Wein die Eigentbüm- lichkeit, kahmig zu werden und sich in Essig zu ver- wandeln, und es existiren ganze Bücher darüber, wie man ihm helfen soll. Die getrocknete Weinhefe fängt Feuer, und brennt ohne andere Nahrung von selbst. Die Asche hat die Natur des Natrons und dieselben Kräfte, ja noch mehr, je fetter sie sich zeigt. 27. Hinsichtlich des nun eingebrachten Weines zeigt sich ein grosser Unterschied in dem Keller. Am Fusse der Alpen verwahrt man ihn in hölzernen Gefässen, umgiebt diese mit Reifen, und hält in starken Wintern durch Feuer die Kälte davon ab. Es klingt wunderbar, ist aber doch zuweilen beobachtet worden, dass, wenn die Gefässe ge- sprungen waren, der Wein eine eisige Masse bildete, und so als ein Wunderzeichen galt, denn der Wein hat von Natur die Eigenschaft nicht, zu Eis zu gefrieren, sondern erstarrt nur bei starker Kälte. In milderen Himmelsstrichen hält man ihn in Fässern, und vergräbt diese ganz oder zum Thei], je nach der Lage, in die Erde. Auch lässt man ihn unter freiem Himmel, an andern Orten aber macht man Dächer darüber. Ferner werden folgende Vorschriften gegeben: Eine Seite des Kellers oder wenigstens die Fenster sollen nach Norden, oder gegen den Aequinoctial-Aufgang gerichtet sein. Misthaufen und Baumwurzeln sollen fern davon sein, und Gerüche aller Art, weil sie leicht in den Wein übergehen, ferner zahme und wilde Feigenbäume ver- mieden werden. Zwischen den Fässern soll man Raum lassen , damit das Verderben nicht weiter greife, weil ein Wein den andeni äusserst schnell ansteckt. Auch von der Gestalt der Gefässe hänge viel ab, denn die bauchigen und weiten wären minder gut. Beim Aufgange des Hunds- sterns müsse man sogleich auspichen, sodann mit See- oder Salzwasser ausspülen , hierauf mit Reiserasche oder Thon 122 Vierzehntes Buch. bestreuen; wären sie darauf abgewischt, sie und öfters auch die Keller mit Myrrhe ausräuchern. Schwache Weine soll man in Fässern, welche in die Erde vergraben sind, aufbe- wahren, starke dagegen in solchen, die an der Luft stehen. Nie soll man die Fässer ganz anfüllen, und den leeren Raum mit Rosinenweine oder abgesottenem Weine, worunter man Safran, altes Pech und eingedickten Most gethan, aus- streichen; ebenso müsse man mit den Deckeln der Fässer verfahren, und ausserdem noch Mastix und bruttisches Pech darunter mischen. Die Gefässe öffne man nur an heitern Tagen, auch nicht bei Südwinde oder Vollmonde. Der Schaum i) des Weines soll weiss sein; die rothe Farbe des- selben ist ein trauriges Zeichen, wenn der Wein selbst nicht diese Farbe hat; ebenso, wenn die Fässer warm werden und die Deckel schwitzen. Der Wein, welcher schnell zu schäumen anfängt, und einen Geruch bekommt, soll sich nicht lange halten. Gesottenen und eingekochten Most soll man nur an Tagen, wenn kein Mond am Himmel ist, d. h. bei der Zusammenkunft dieses Gestirns, und sonst nicht, bereiten, ferner dieses nicht in kupfernen sondern in bleiernen Gefässen vornehmen, auch welsche Nüsse hinzu- fügen, denn diese zögen den Rauch an sich. Es scheint am zweckmässigsten, dass man die edelsten Weine Cam- paniens der freien Luft, und dem Einflüsse der Sonne, des Mondes und Regens aussetze. 28. Wahrlich, bei reiflichem Nachdenken wird man finden, dass die Menschen in keiner andern Hinsicht emsiger sind, als ob uns die Natur nicht das Wasser, dessen sich alle übrigen Thiere bedienen, zum Getränke gegeben hätte. Aber wir zwingen selbst die Lastthiere Wein zu trinken, und soviel Mühe, soviel Arbeit und Kosten macht dasjenige? was des Menschen Verstand verwirrt, und bei denen, welche ihm ergeben sind, eine unsinnige Lust zu tausend Lastern erzeugt, denn sie finden ein solches Vergnügen darin, dass ') flos. Vierzehntes Buch. 123 die Meisten unter ihnen nichts Anderes des Lebens werth- achten. Ja, wir schwächen sogar, um desto mehr nehmen zu können, seine Stärke durch Durchseihen; man ersinnt noch andere Reizmittel und bereitet Gift, um es zu trinken, denn Einige nehmen vorher Schierling zu sich, damit die Todesfurcht sie zum Trinken zwinge, Andere gestossenen Bimsstein, und noch andere Dinge die ich mich zu nennen schäme. Wir sehen, dass die vorsichtigsten unter ihnen in den Bädern fast gekocht, und halbtodt herausgetragen werden; Andere können nicht einmal das Lager oder ihr Kleid erwarten, sondern noch nackend greifen sie sehn- süchtig nach den grossen Humpen, als wenn sie ihre Kräfte zeigen wollten, giessen sie in sich hinein, um das Genommene sogleich wieder von sich zu geben und dann wieder zu trinken, und wiederholen diess noch zwei- oder dreimal. Als wenn diese Menschen dazu auf der Welt wären, um die Weine zu verderben, und der Wein nicht anders als durch den menschlichen Körper gegossen werden könne! Dahin gehören auch die fremdartigen Uebungen, das Herum- wälzen im Koth, das Vorstrecken der Brust und das Zurück- biegen des Halses. Durch alles diess, heisst es, mache man sich Durst. Und hat man nicht selbst an den Trinkge- schirren ehrbrecheiische Bilder angebracht? Als wenn die Trunkenheit nicht schon an und für sich Wollust erzeuge. Man trinkt also Wein aus Geilheit, ladet durch Belohnungen zur Trunkenheit ein, und erkauft sie also. Dieser bekommt, wenn er so viel isst als er getrunken hat, nach dem Ge- setze eine Belohnung für seine Trinkbegierde; Jener trinkt so viel, als er im Spiele gewonnen hat. Dann suchen die gierigen Augen die Ehefrau, und die matten verrathen sich dem Manne; dann werden die Geheimnisse der Seele aus- gesprochen. Einige machen ihr Testament, Andere führen verderbenbringende Reden und halten die Worte nicht in ihrer Kehle zurück, wenn auch noch so Viele auf solche Art ums Leben gekommen sind. Schon allgemein hat man dem Weine Wahrheit zugeschrieben. Wenn es noch gut abgeht, sehen die Trinker die aufgehende Sonne nicht, und 124 Vierzehntes Buch. erreichen kein hohes Alter. Daher die Blässe, die hängen- den Wangen, die eiternden Augen, die vom Ausleeren der vollen Becher zitternden Hände, und (was die unmittelbare Strafe ist) die schrecklichen Träume, die nächtliche Un- ruhe, endlich — der grösste Lohn der Trunkenheit — eine unbändige Wollust und ein Vergnügen zu sündigen. Den folgenden Tag die Ausdünstung vom Weinfasse aus dem Munde, Vergessenheit aller Dinge und der Verlust des Ge- dächtnisses. Sie rühmen sich, auf solche Weise schneller zu leben, da sie den vorigen Tag jedesmal verlieren, allein auch den bevorstehenden verlieren sie. Unter der Regierung des Kaisers Tiberius Claudius, vor 40 Jahren, fing man an, nüchtern zu trinken, und den Wein dem Essen vorangehen zu lassen. Diess war auch eine von den fremden Künsten, und eine Vorschrift von Aerzten, welche sich durch Neuerungen beliebt machen wollen. Die Parther suchen hierin einen Ruhm, bei den Griechen erwarb sich Alcibiades dadurch einen Ruf, und bei uns hat Novellius Torquatus ein Mailänder, der die Ehrenstellen von der Prätur an bis zum Proconsulate ver- waltete, sogar einen Beinamen davon erlangt, denn er trank 3 Congius (von denen er den Beinamen erhielt) auf einmal aus. Ihm sah der Kaiser Tiberius, der damals schon alt und mürrisch und zuweilen selbst grausam, in seiner Jugend aber auch ein grosser Liebhaber vom Weine war, Wunders halber zu. Man hat geglaubt, dass L. Piso sich eben dadurch bei ihm beliebt gemacht und die Verwaltung der Stadt Rom bekommen habe, weil er bei ihm, als er schon Kaiser war, 2 Tage und Nächte hindurch in einem Trinkgelage ausgehalten hätte. Man will wissen, Drusus Cäsar habe in keiner andern Hinsicht seinem Vater Tiberius mehr geglichen. Dem Torquatus ward der seltene Ruhm (denn auch diese Kunst hat ihre Gesetze) in der Rede nicht gestockt, noch sich durch Brechen oder durch einen andern Theil des Körpers erleichtert zu haben, während er trank; ferner hat er seine Frühwachen gehalten, das Meiste in einem Zuge getrunken, ausserdem noch am Vierzehntes Buch. 125 meisten in andern kleinern Trunken hinzugefügt , am auf- richtigsten das Nichtabsetzen beim Trinken und das Nicht- ausspucken gehalten, und, um auf dem Fussboden einen Schall hervorzubringen i), nichts von dem Weine zurück- gelassen, denn diess ist ein Hauptgesetz, um dem Betrüge beim Trinken zu begegnen. Tergilla 2) wirft dem Jüngern Äl. Cicero vor, er habe gewöhnlich 2 Congius getrunken, und im Taumel dem Marcus Agrippa einen Becher an den Hals geworfen. Das sind nämlich die Werke des Rausches. Allein, gewiss hat Cicero dem Mörder seines Vaters, dem M. Antonius, diese Ehre streitig machen wollen; denn dieser hatte vor ihm sehr begierig darnach gestrebt, und sogar von seiner Trinksucht ein Buch herausgegeben, und da er in demselben sich selbst zu vertheidigen versuchte, so be- wies er (meines Bedtinkeus) klar, welches Unheil von ihm durch die Trunkheit über den Erdkreis gebracht worden ist. Kurze Zeit vor der Schlacht bei Actium vollendete er das Buch, man sieht also leicht ein, dass er schon vom Bürgerblute berauscht und um so begieriger nach dem- selben war, denn dieses Laster hat die noth wendige Folge, dass die Gewohnheit zu trinken die Begierde danach ver- mehrt; und sehr richtig sind die Worte eines scy tischen Gesandten: jemehr die Parther trinken, desto mehr dürstet sie- 29. Die Völker des Occidents haben ebenfalls berausch e ad e Getränke und zwar von benetztem Getreide 3); man macht sie in Gallien und Spanien auf verschiedene Weise, giebt ihnen auch mehrere Namen, doch sind sie in der Haupt- sache einerlei. Die Spanier haben auch schon gelehrt, die- selben lange aufzubewahren. In Aegypten bereitet man ähnliche Getränke aus Getreide, kurz es fehlt nirgends in der Welt an dergleichen. Man trinkt sie unvermischt, ver- ') Nämlich durch das Niedersetzen des Trinkgefässes. ■-) Ein nicht näher bekannter Autor. •■') D. h. Malz. Plinius meint also hier das Bier. 126 Vierzehntes Buch. dünnt sie nicht wie Wein durch Wasser; und in der That scheint die Erde dort nichts als Getreide hervorzubringen. — Ach, über die grenzenlose Sucht nach Lastern! Man hat sogar das Wasser berauschend machen gelernt! Zwei Flüssigkeiten sind dem menschlichen Körper die angenehm- sten, inwendig Wein, auswendig Oel, beide die vornehm- sten aus dem Geschlechte der Bäume; das Oel aber ist noth wendig, und der Mensch hat nicht wenig Fleiss darauf verwendet. Allein wie viel erfindungsreicher erscheint er nicht hinsichtlich- der Getränke, da es 195 Gattungen, und, wenn man die Species mitrechnet, beinahe doppelt so viele, vom Oele aber um so wenigere giebt, und von diesem wollen wir im folgenden Buche handeln. Fünfzehntes Euch. Von den obsttragenden Bäumen. Theophrastus , einer der berühmtesten griechischen Schriftsteller, etwa um das Jahr 440 nach der Erbauung Roms, sagt, der Oelbaumi) wachse nur innerhalb einer Entfernung von 40,000 Schritten vom Meere; Fenestella aber berichtet, er sei zur Zeit der Regierung des Tarqui- nius Priscus, 170 Jahre nach der Gründung des römischen Reichs, in Italien, Spanien und Afrika noch gar nicht vor- gekommen, während er jetzt sogar über die Alpen mitten nach Gallien und Spanien gewandert ist. Im 505. Jahre der Stadt, unter den Consuln Appius Claudius, des Cäcus Enkel, und L. Junius, kosteten 12 Pfund Oel einen Ass. Bald darauf im 680. Jahre verschaffte M. Sejus, des Lucius Sohn, als Aedilis curulis dem römischen Volke das ganze Jahr hindurch 10 Pfund Oel für 1 Ass. Man wird sich weniger darüber wundern, wenn man weiss, dass 22 Jahre später während des 3. Consulats des Cn. Pompejus von Italien aus Oel in die Provinzen geschickt wurde. Hesio- dus, welcher ganz besonders darauf bedacht war, den Menschen den Ackerbau zu lehren, sagt, dass ein Oelbaum- pflanzer nie Früchte 2) von seinen Bäumen gehabt habe. So langsam entwickelte sich damals diess Geschäft. Jetzt ') Olea. Olea europaea. 2) D. h. keinen Nutzen. 128 Fünfzehntes Buch. säet man sie in Baumschulen, und pflückt von den versetzten schon im zweiten Jahre Früchte. 2. Nach Fabianus wächst der Oelbaum weder in sehr kalten, noch in sehr heissen Ländern. Virgil giebt 3 Arten davon an, Orchites, Radii und Posiä, und sagt, man brauche • sie weder zu behacken, noch zu beschneiden, noch sonst zu warten. Ohne Zweifel kommt bei ihnen am meisten auf den Boden und das KUma an. Jedoch werden sie auch beschnitten, und zwar zu gleicher Zeit mit den Wein- stöcken; auch nützt ihnen das Auflockern des Bodens. Die Olivenerndte folgt auf die der Trauben, und die Kunst gutes Oel zu bereiten, ist noch grösser als die Erzielung eines guten Weines. Die Säfte aus ein und der- selben Olive sind nämlich von verschiedener Art. Zuerst macht man Oel aus der rohen, welche noch nicht zu reifen angefangen hat, und dieses schmeckt am vortrefflichsten. Von diesem ist wiederum das zuerst aus der Presse fliessende das beliebteste, hernach nimmt es immer mehr an Güte ab; das Pressen geschieht entweder in geflochtenen Körben oder, nach neuerer Erfindung, zwischen Platten. Je reifer die Beere, desto fetter und weniger angenehm fällt ihr Saft aus. Die beste Zeit zum Pflücken, hinsichtlich der * Menge und Güte ist, wenn die Beeren anfangen schwarz zu werden. Wir nennen die Früchte Drupä i), die Griechen aber Drypetä. üebrigens ist es nicht einerlei, ob die Beere jene Keife in der Presse oder am Baume bekomme ob der Baum nass gewesen sei, oder ob die Beere bloss ihren eigenen Saft und nichts anderes als den Thau des Himmels aufgenommen habe. 3. Durchs Alter verdirbt das Oel, nicht so der Wein, und sein höchstes Alter, wo es gut bleibt, beträgt 1 Jahr. Die Natur hat darin (wenn man es nur einsehen will) weise gehandelt; denn, da die Weine zur Schwelgerei wachsen, ') Steinfrüchte. Fvinfzehntes Buch. 129 ist ihr Gebrauch nicht nothwendig, vielmehr reizt ihre durch Altwerden gewinnende Annehmlichkeit, sie aufzube- wahren. Das Oel dagegen wollte sie nicht geschont wissen, und brachte es wegen des unausbleiblichen Verderbens häufig und allgemein hervor. Den Vorzug in diesem Gute erhielt vor allen Ländern Italien, besonders das veuafra- nische Gebiet und der Theil desselben, welcher das lici- nianische Oel liefert. Daher ist auch die Olive von Lici- nien die berühmteste. Die Salben haben ihr diesen Ruhm verliehen, da ihr Geruch sich am besten für dieselben eig- net. Auch im Geschmacke stehen sie, nach der Meinung feiner . Zungen, oben an. Sonst rührt kein Vogel die lici- nische Beere an. Uebrigens kämpfen ^) Istrien und Biitika mit gleichen Waffen. Die Oliven der Provinzen kommen diesen an Güte nahe, mit Ausnahme des getreidereichen Bodens von Afrika, welchen die Natur gänzlich dem Ge- treide eingeräumt hat, nicht etwa, weil sie ihm Oel und Wein missgönnte, sondern weil sie dessen Ruf in seine reichen Erndten setzte. Die übrigen Nachrichten sind voll Irrthum, und wir werden zeigen, dass derselbe in keinem Zweige des menschlichen Lebens häufiger auftritt. Die Oliven bestehen aus dem Kerne, dem Oele, dem Fleische und der Oelhefe^). Letztere ist ein bitterer Saft desselben, entsteht durch Wasser, ist daher in trocknen Zeiten nur gering, bei Nässe dagegen in grösserer Menge vorhanden. Der eigeuthümliche Saft der Olive ist das Oel und diess ersehen wir besonders an den unreifen, wie bei der Beschreibung des Omphaciums^) gezeigt wurde. Das Oel vermehrt sich bis zum Aufgange des Arcturus, am 15. September, nachher nehmen die Kerne und das Fleisch zu. Wenn auf Dürre häufige Regenschauer folgen, verdirbt das Oel und verwandelt sich in die Amurca. Die Farbe derselben macht die Olive schwarz; sobald also diese an- fängt schwarz zu werden, enthält sie eine geringe Menge ') Wegen der Güte der Oliven, ^) amurca. Oelsatz. 3) XII. B. 60. C. Wittstein: Pliuius. in. Bd o 130 Fünfzehntes Buch. davon, vorher aber gar nichts. Es ist mithin ein offen- barer Irrthum, wenn man das für den Anfang der Reife hält, was die beginnende Verderbniss anzeigt; ferner, dass das Oel mit dem Wachsen des Fleisches zunähme, da doch aller Saft in die festen Theile übergeht, und inwendig der Same gross wird. Daher werden sie dann am meisten be- gossen. Geschieht diess häufig, oder fällt viel Regen, so wird alles Oel verzehrt, wenn nicht heiteres Wetter darauf folgt, welches die festen Theile auflockert. Ueberhaupt ist, nach Theophrastus Meinung, die Wärme die Ursache des Oeles. und man bedient sich daher beim Pressen und schon in den Kellern des Feuers. Ein drittes Verfahren liegt in dem Geize, weil man, um die Kosten des Abpflückens zu ersparen, die Zeit abwartet, wenn die Olive abfällt. Die- jenigen, welche hierin den Mittelweg gehen, schlagen sie mit Stangen ab, schaden aber den Bäumen, und haben im nächsten Jahre Verlust. Ein uraltes Gesetz der Oliven- bauer sagt nämlich: den Oelbaum sollst du weder streifen noch schlagen. Am vorsichtigsten verfahren die, welche mit einem Rohrstocke sanft abschlagen und die Aeste nicht berühren. So wird auch der Baum gezwungen, wenn die Sprösslinge entfernt sind, neue Früchte anzusetzen; ebenso, wenn man wartet bis sie abfallen, denn wenn sie über ihre Zeit hängen bleiben, nehmen sie den neu ankommenden die Nahrung, und halten ihren Ort besetzt. Ein Beweis dafür ist, dass, wenn sie vor dem Frühlinge nicht ge- sammelt sind, sie wiederum neue Kräfte bekommen und nun schwieriger abfallen. 4. Die erste also, welche durch einen Fehler ihrer War- tung und nicht der Natur im Herbste gesammelt wird, ist die Posia, und diese hat das meiste Fleisch; hierauf die Orchites, mit dem meisten Oele und dann die Radius. Letztere werden nämlich, weil sie die zartesten sind, im Sommer am schnellsten von der Amurca ergriffen und fallen ab. Das Sammeln der dickhäutigen aber verschiebt man sogar bis in den Monat März, denn sie widerstehen der Fünfzehntes Buch. 131 Feuchtigkeit und sind deshalb am kleinsten, als die licini- sche, cominische, contische, sergisebe, die von den Sabinern die königliehe genannt wird. Alle diese werden vor dem Wehen des Favonius, d. i. vor dem 7. Februar, nicht schwarz. Dann, glaubt man, werden sie reif, und weil aus ihnen das beste Oel gewonnen wird, so scheint der Irr- thum einen Grund zu bekommen. Auch soll durch Kälte eine schlechte, durch Reif aber eine reichliche Erndte ent- stehen, allein jene Güte liegt nicht in der Zeit sondern in der Art, welche sehr langsam in den fauligen Zustand über- geht. Ebenso ist es ein Fehler, die gesammelten Früchte auf Böden zu bewahren, und nicht eher auszupressen, bis sie schwitzen, weil jede Stunde einen Verlust an Oel mit sich bringt und die Amurca vermehrt. Daher sagt man, dass gewöhnlich nicht mehr als 6 Pfund Oel aus 1 Modius gepresst werden; aber keiner misst die Amurca, welche sich mit Zunahme der Tage in ein und derselben Art um so häufiger findet. Ueberhaupt irren die Menschen allgemein darin, dass sie glauben, mit dem Wachsen der Olive vermehre sich auch ihr Oel; während doch die Oliven, welche königliche, oder majorinische oder auch phaulische genannt werden, zum Beweise dienen, das die Menge des Oels nicht in der Grösse besteht, und die grössten oft am wenigsten Oel haben. Auch in Aegypten haben die fleischigsten sehr wenig Oel. Zu Decapolis in Syrien giebt es sehr kleine, die nicht grösser als Kappern, aber ihres Fleisches wegen geschätzt sind. Daher werden die überseeischen den itali- enischen zu Speisen vorgezogen, obgleich sie hinsichtlich des Oeles von ihnen tibertroffen werden; selbst in Italien giebt man den picenischen und sidicinischen vor den übrigen den Vorzug. Diese werden eigends in Salz eingemacht, und wie die übrigen in Amurca und gesottenen Wein, ei- nige, die sogenannten Colymbaden i), schwimmen auch ohne weitere Würzung in ihrem eigenen Oele; man zerbricht sie ') Von ieoXvpßaiu schwimmen. 132 Fünfzehntes Buch. und macht sie mit schmackhaften grünen Kiäutern ein, zeitigt sie auch duTch Aufgiessen siedenden Wassers, wenn sie noch nicht reif sind; und es ist merkwürdig, dass die Oliven einen süssen Saft in sich ziehen und einen fremden Geschmack annehmen. Es giebt auch unter ihnen purpur- farbene, welche, wie die Trauben, ins Schwarze übergehen, nämlich die posischen. Ferner: edle, ausser den schon ge- nannten; sehr süsse, die für sich getrocknet werden, süsser als Rosinen, aber sehr selten sind, in Afrika und bei Emerita in Portugal vorkommen. Das Oel selbst wird durch Salz von dem Verderben geschützt. Durch zer- schnittene Oelbaumrinde bekommt es den Geruch eines Arzneimittels, wie der Wein, hat aber sonst keinen sehr angenehmen Geschmack. Jedoch giebt es nicht so zahl- reiche Sorten davon, sondern man unterscheidet höchstens 3 gute. Das Dünne hat einen scharfem Geruch; dieser ist jedoch, selbst bei dem besten, nicht dauernd. 5. Das Oel hat die Eigenschaft den Körper zu erwärmen und ihn gegen Kälte zu schützen, auch die Hitze des Kopfes abzukühlen. Die Griechen, die Erfinder aller Laster, haben seinen Gebrauch auf die Ueppigkeit erstreckt, denn sie bedienen sich desselben allgemein in den Fechterschulen. Es ist bekannt, dass Magistratspersonen, die eine grosse Ehre darein setzten, solche Oelschmiere ') für 80 Sesterzen gekauft haben. Der hohe römische Staat hat dem Oelbaume grosse Ehre erwiesen, denn er lässt am 15. Julius die Reiter-Geschwader damit bekränzen; auch die im kleinen Triumphe einziehenden werden damit bekränzt. Athen krönt auch seine Sieger mit Oelzweigen, die Griechen aber die olympischen Sieger mit Laube vom wilden Oelbaum. ') Strigmenta olei. Die Fechter bestrichen sich bekanntlich mit Oel. Wenn sie nun beim Ringen zufällig mit dem Körper an den Wänden rieben, so wui'den diese davon schmutzig. Diesen Schmutz, der eine Heilkraft besitzen sollte, Hessen die Aufseher sorgfältig abkratzen und verkauften ihn theuer. Fünfzehntes Buch. 133 6. Nun wollen wir Cato's Ansichten von den Oliven an- führen. Die grössere radisehe, salentinische, orehitische, posische, sergianische, cominianische und gelbweisse solle man in einen warmen und fetten Boden pflanzen; und mit grosser Klugheit setzt er hinzu, welche unter ihnen man in den einzelnen Arten für die besten hält. In einem kalten und magern Boden mttsse die licinische stehen, denn in einem fetten und heisseu verderbe ihr Oel, und der Baum selbst sterbe durch zu grosse Fruchtbarkeit ab. Ausserdem schade ihm das rothe Moos. Die Oelbaumgärten sollen gegen Abend an einem der Sonne zugänglichen Orte liegen; jede andere Lage derselben tadelt er. Zum Ein- macheu eigneten sich am besten die Orchiten und Posiä, entweder grün in Salzwasser, oder, zerbrochen in Mastix- baum-Oel. Die herbeste Olive gebe das beste Oel. Ue- brigens müssen sie sobald als möglich von der Erde auf- gelesen, und, wenn sie schmutzig sind, gewaschen werden. Ein Stägiges Trocknen sei hinreichend. Wenn es fröre, mtissten sie am 4. Tage gepresst werden und dann be- streue mau sie mit Salz. Durch Liegen auf dem Boden vermindere sich das Oel und werde schlechter, ebenso, wenn sie Amurca oder zu viel Fraces enthalten; dieses ist nämlich das Fleisch, jenes ein Abschaum. Daher müsse man es täglich mehrere Male abgiessen, und zwar in Mu- scheln und bleierne Kessel, denn Kupfer werde davon an- gegriffen. Alles diess müsse in heissen und verschlossenen Kelterstuben, in denen so wenig als möglich Zugwind herrscht, geschehen. Aus diesem Grunde solle man kein Holz darin hauen, und am passendsten sei ein Feuer aus den Steinkernen der Oliven. Aus den Kesseln müsse das Oel in Wannen gegossen werden, damit es von dem Ab- schäume und den Fleischtheilen befreiet werde. Daher soll man oft die Gefässe wechseln, und die Körbe mit einem Schwämme abtrocknen, damit es recht rein und lauter werde. Später hat man erfunden, die Oliven mit heissem Wasser zu waschen, sogleich ganz unter die Presse zu 134 Fünfzehntes Buch. bringen, um die Amurca zu entfernen, und dann erst, nach- dem sie gestossen sind, nochmals zu pressen. Man soll nicht mehr als 100 Modius pressen, und er nennt diess den Presssatz. Was in der Mühle zuerst ausfliesst, heisst die Blume. 3 Presssätze können von 4 Menschen in 1 Tage und 1 Nacht mit 2 Gefässen recht gut bewerkstelligt werden. T. Damals hatte man noch keine gekünstelten Oele; daher erkläre ich mir das Schweigen Cato's darüber. Jetzt giebt es mehrere Arten davon. Zuerst will ich die an- führen, welche ihren Ursprung von Bäumen haben, und unter diesen vor allen die vom wilden Oelbaume i). Das- selbe ist dünner und weit bitterer als das vom Oelbaume, und wird nur als Medicament benutzt. Ihm am ähnlichsten ist das von der Chamelaea, einem auf Felsen wachsenden, nicht über 1 Fuss hohem Strauche, mit Blättern und Beeren gleich denen des Oleaster. Das diesem am nächsten stehende kommt von dem Cici, einem in Aegypteu häufig wachsen- dem Baume, den Einige Cr o ton. Andere Sili, noch Andere wildenSesamum nennen; erst unlängst hat man dort ange- fangen, es zu bereiten. Er wächst auch in Spanien schnell zu der Höhe eines Oelbaumes heran, hat einen dem Stecken- kraute ähnlichen Stengel, Blätter wie der Weinstock, und Samen gleich denen kleiner und blasser Trauben. Bei uns nennt man ihn wiegen der Aehnlichkeit seines Samens Läusebaum -). Man kocht den Samen mit Wasser und schöpft das obenschwimmende Oel ab. In Aegypten da- gegen, wo derselbe in reichlicher Menge vorkommt, presst man ihn, nachdem er mit Salz bestreuet ist, ohne Anwen- dung von Feuer und Wasser aus. Zu Speisen eignet es sich nicht, wohl aber zum Brennen. Das Mandelöl, welches ') Oleaster, ohne Zweifel ist hier eine wilde Spielart der Olea europaea gemeint, nicht Elaeagnus angustifolia, deren Frucht durch Pressen kein Oel giebt. ^) Ricinus: Ricinus communis L, Fünfzehntes Buch. 135 Einige Metopium nennen, wird aus bittern Mandeln, welche zuvor gedörrt, kleingestossen, mit Wasser besprengt und wiederum gestossen sind, gepresst. Auch vom Lorbeerbaum macht man Oel, indem man Oel von Steinfrüchten hinzu mischt. Einige pressen es bloss aus den Beeren, Andere bloss aus den Blättern, noch Andere aus den Blättern und Schalen der Beeren, thun auch Styrax und andere wohl- riechende Stoffe hinzu. Am besten eignet sich der breit- blättrige wilde Lorbeer mit schwarzen Beeren zu diesem Behuf. Aehulich ist das Oel von der schwarzen Myrte, und auch hier hat die breitblättrige den Vorzug. Man stösst die Beeren unter Zusatz von warmem Wasser und kocht sie dann aus. Andere kochen die zartesten Blätter in Oel und drücken aus; noch Andere legen sie in's Oel und lassen sie an der Sonne ausziehen. Ebenso verfährt man auch mit der Gartenmyrte ') ; man zieht aber die wilde Myrte 2) mit kleinern Samen vor, die von Einigen die Spitzenmyrte 3), von Andern die Zwergmyrte *), von Andern, wegen der Aehnlichkeit, Acoros genannt wird; denn sie ist niedrig und strauchartig. Andere Oele sind: von der Citrone, Cypresse, den welschen Nüssen, welches Kernöl heisst, und von den Cedern- Aepfeln, das sogenannte Kienöl •'). Ferner: aus dem gnidischen Samen, nachdem er gereinigt und gestossen ist; vom Mastix. Vom Cyprinusöl und dem aus der ägyptischen Eichel, welche des Wohlgeruchs wegen bereitet werden, ist schon die Kede gewesen. Die Indier sollen Oel aus Kastanien, Sesam und Reis machen, die Ichthyophagen aus Fischen. Das Bedürfniss zwingt auch zuweilen die Menschen, um Licht zu haben, dergleichen aus Platanen-Beeren, die mit Salzwasser eingeweicht werden, zu bereiten. Das wilde Rebenöl wird aus der Pflanze ^) selbst gemacht, wie bei den Salben bereits gesagt ist. In ') Myrtus communis L. 2) Myrtus sylvestris; Ruscus aculeatus L. 3) Oxymyrsine. *) Chamaemyrsine. *) Pisselaeon. ^) Oenanthe. 136 Fünfzelintes Buch. das Mostöl wird bei gelindem Feuer Most eingekocht; An- dere thun diess ohne Feuer, indem sie 22 Tage hindurch, jeden Tag 2 mal Weinhülsen herum legen, wodurch der Most vom Oele verzehrt wird. Andere setzen nicht nur Majoran, sondern auch noch kostbarere Specereien hinzu. Auch in den Fechtschulen versetzt man es mit dergleichen, aber von sehr geringem Werthe. Ferner bereitet man Oel: aus Aspalathum, Calamus, Balsambaum, Iris, Cardamom, Steinklee, gallischer Narde, Panax, Majoran, Alant und Zimmtwurzel, deren Säfte alle durch Oel ausgezogen, und dann durch Pressen geschieden werden. So auch das Eosenöl von den Rosen, das Binsenöl von den Binsen, welches dem Rosenöle am meisten gleich kommt; desgleichen vom Bilsen , den Wolfsbohnen und der Narcisse. Am häufigsten wird aber in Aegypten Oel aus den Rettigsamen oder einem Grase bereitet, was sie Grasöl nennen; auch aus Sesam und Nesseln, welches sie Nesselöl nennen. Anderswo bereitet man Oel aus Lilien unter freiem Himmel, welches durch Sonne, Mond und Reif gezeitigt wird. Zwischen Cappadocien und Galatien ver- fertigt man ein Oel aus besondern Kräutern, welches sel- gisches heisst und die Nerven stärkt. Ein ähnliches macht man in Italien zu Iguvinum. Das Pechöl bereitet man durch Kochen von Pech, über dessen Dampf man Felle ausspannt und dann ausdrückt; das beste kommt aus Bru- tien, denn diess ist am fettesten und harzigsten. Die Farbe dieses Oeles ist braungelb. An der Küste von Syrien er- zeugt es sich von selbst und heisst Oelhonig. Es flies st aus Bäumen, ist fett, dicker als Honig, dünner als Harz, von süssem Geschmacke, und wird von den Aerzten ge- braucht. Altes ist auch bei manchen Krankheiten von Nutzen; ferner glaubt man, dass es das Elfenbein vor dem Anfressen schütze, wenigstens ist das Standbild des Saturn, in Rom inwendig mit Oel ausgefüllt. 8. Ueber alles aber erhebt Cato die Oelhefe*) mit Lob- •) amurca. Fünfzehntes Buch. 137 Sprüchen. Mit derselben würden die Oelfässer und Töpfe angefeuchtet, damit sie kein Oel anziehen; auch bestriche man die Tennen, auf denen das Getreide gedroschen wird, damit, um Risse zu verhüten und die Ameisen abzuhalten, ja man besprenge selbst mit ihr den Leim der Wände, die Decken und Böden der Kornmagazine, und die Kleider- schränke zur Abhaltung der Motten und anderer schädlichen Thiere. Ferner tränke man damit die Saatkörner, heile die Krankheiten der vierfüssigen Thiere und Bäume, und sie sei ein wirksames' Mittel gegen Geschwüre, welche sich im Munde des Menschen erzeugen. Man schmiere damit, nachdem sie gesotten worden, Riemen, alles Lederwerk, Schuhe und Räderachsen ein, auch kupferne Geschirre, um den Grünspan abzuhalten und ihnen ein glänzenderes An- sehen zu geben, desgleichen alles hölzerne Hausgeräth und irdenen Gefässe, in denen man trockne Feigen aufbewahren, oder wenn man die Blätter und Beeren an Myrtenzweigen oder andern ähnlichen Arten erhalten will. Endlich soll Holz, welches von Amurca durchdrungen ist, beim Brennen keinen lästigen Rauch verbreiten. M. Varro sagt, wenn eine Ziege den Oelbaum mit ihrer Zunge belecke, und die ersten Sprossen abfrässe, so bliebe er unfruchtbar. Soweit vom Oelbaum und vom Oele. 9. Die übrigen Baumfrüchte können kaum nach ihrem Ansehen und ihrer Gestalt, geschweige denn nach ihrem Geschmacke, und ihren so vielfältig gemischten und einge- sogenen Säften aufgezählt werden. Die Frucht der Pinien *) ist am grössten und hängt am höchsten; inwendig schliesst sie in hohlen Lagern kleine Kerne ein, die ausserdem noch mit einer rostfarbigen Hülle bekleidet sind, — so wunderbar sorgfältig verfährt die Natur, um den Samen ein weiches Bette zu gehen. Eine zweite Art derselben sind die terentinischen, deren Schale mit den Fingern zerbrochen werden kann, und ') Pineae. Pinus Pinea L. 138 Fünfzehntes Buch. welche die Vögel vom Baume rauben. Eine dritte sind die sappinisehen, von der zahmen Tanne, deren Kerne mehr eine Haut als eine Schale haben, die so weich ist, dass sie mitge^essen wird. Eine vierte hat den Namen pityidi- sche, kommt von dem Piuaster i), und ist ein ausgezeich- netes Mittel wider den Husten. Die in Honig abgekochten Kerne nennen die Tauriner Aquiceli. Mit einem Pinien- kranze werden die Sieger auf dem Isthmus gekrönt. 10. Hinen kommen die Quitten 2) in der Grösse, welche von den Griechen cydonische Aepfel genannt werden, und von der Insel Greta stammen, am nächsten. Der Baum schiesst krumme Aeste, und verhindert daher den Haupt- stamm zu wachsen. Es giebt mehrere Arten: Goldquitten, mit Einschnitten und einer ins Goldgelbe sich neigenden Farbe. Die weissem, welche wir inländisohe nennen, haben den herrlichsten Geruch. Auch die neapolitanischen stehen im Ansehen; die kleinem von dieser Art, welche Sperlings - äpfeP) heissen, riechen durchdringender, kommen spät, reifen aber bald. Wenn man auf die Sperlingsäpfel andere Quitten propft, so erhält man eine besondere Art, die mul- vianische, welche unter diesen allein auch roh gegessen wird. Alle Arten bewahrt man in den Besuchszimmern der Männer, und legt sie auf die Bilder derer, welche man Abends erwartet. Es giebt auch noch kleine wilde, die nächst den Sperlingsäpfeln am stärksten riechen und in Hecken wachsen. 11. Auch andere Früchte nennen wir Aepfel, obgleich sie verschieden davon sind, wie die Pfirsiche^) und Granaten, von welchen letztern wir bei den Granatbäumen 9 Arten angeführt haben. Diese haben unter der Schale inwendig Kerne, jene einen Holzkern in ihrem Fleische. Von den •) Pinus Pinaster L. 2) Mala cotonea: Pyrus Cydonia L. 3) struthea. ^) Mala persica. Amygdalus persica L. Fünfzehntes Buch. I39 Birnen hat man einige Pfundbirnen genannt, weil sie so schwer wie ein Pfund wiegen. Unter den Pfirsichen steht die harthäutige oben an; die gallische und asiatische haben von den Völkerschaften diese Namen. Sie reifen nach dem Herbste, die zeitigen schon im Sommer; man kennt sie erst seit 30 Jahren und verkaufte Anfangs das Stück um 1 Denar. Die feinen kommen von den Sabinern, die gewöhnlichen allenthalben her. Es ist ein unschädliches Obst, welches auch die Kranken geniessen können, keins aber wohl je theurer gewesen, denn ein Stück hat schon 30 Sesterzen gekostet, worüber man sich wundern muss, da keine Frucht vergänglicher ist. Sie hält sich gepflückt längstens 2 Tage, und zwingt den Besitzer, sie zu ver- kaufen. 12. Nun folgt eine grosse Anzahl Pflaumen i): die bunte, schwarze, weisse, die von der zu gleicher Zeit mit der Gerste erfolgenden Reife sogenannte Gerstenpflaume. Es giebt noch andere von derselben Farbe die später kommen und grösser sind, und wegen ihrer geringen Qualität Esels- pflaumen genannt werden. Ferner: onyxfarbige, doch sind die wachsgelben und purpurfarbigen beliebter; desgleichen die von einem fremden Volke benannten armenischen -), welche sieh schon durch ihren Geruch empfehlen. Dieje- nigen, welche auf Nussbäume gepropft sind, haben das Eigenthümliche, in der Gestalt der Mutter und im Safte dem neuen Stamme zu gleichen, und werden daher Nuss- pflaumen genannt. Diese, sowie die Pfirsiche, die wachs- gelben und wilden 3) Pflaumen halten sich, wenn sie wie die Trauben in Töpfe eingemacht werden, so lange, bis wieder neue wachsen; die übrigen reifen schnell, halten sich aber nicht lange. Kürzlich hat man auch in Bätica -angefangen, durch Propfen auf Apfelbäume sogenannte ') Pruni. Prunus domestica und P. insititia L, wo keine andere Namen angegeben sind. ^) Prunus armeniaca L. Die Aprikose. ') Prunus spinosa L., die Schlehe. 140 Fünfzehntes Buch. Aepfelpflaumen, sowie auf Mandelbäumen sogenannte Mandel- pflaumeu zu ziehen. Diese haben innerhalb des Steines einen Mandelkern, und kein anderes Obst ist sinnreicher gepaart worden. Unter den fremden Bäumen haben wir die damascener Pflaumen, sogenannt von Damascus 'in Sy- rien, aufgefühlt, welche aber bereits in Italien einheimisch sind; sie haben einen grössern Stein, weniger Fleisch, und bekommen beim Trocknen niemals Runzeln, weil ihnen die eigenthümliche Wärme fehlt. Die Sebesten i), welche man jetzt zu Rom auf Sorbi -) gepropft hat, können hier zu- gleich als die Landsleute der Damascener genannt werden. 13. Ueberhaupt ist es aus dem Namen augenscheinlich, dass die Pfirsiche auch in Asien und Griechenland Fremd- linge und von Persien dahin gebracht worden sind; hin- gegen wachsen die wilden Pflaumen sicherlich allenthalben. Um so mehr wundert es mich, dass Cato dieses Obstes gar nicht erwähnt, da er doch angiebt, wie man auch wilde Früchte einmachen solle. Die Pfirsichbäume sind spät und mit vielen Schwierigkeiten in andere Länder gebracht worden, so z. B. tragen sie auf Rhodus nichts, weil sie zu- erst von Aegypten dahin gekommen waren. Es ist un-, richtig, dass sie in Persien giftig sind und grosse Schmerzen erregen, daher zur Vollziehung von Strafen von den Königen nach Aegypten gebracht, und durch den Boden milder ge- worden sind; denn genauere Schriftsteller melden diess von der Persea^), einem ganz anderen Gewächse, ähnlich den rothen Sebesten, und der noch nirgends anders als im Oriente fortgekommen ist. Gelehrtere sagen auch, er sei niemals wegen Strafen aus Persien ausgeführt, sondern von Perseus zu Memphis gepflanzt worden. Deshalb habe auch Alexander zu Ehren seines Urältervaters angeordnet, dass die Sieger damit gekrönt würden. Dieser Baum hat beständig Blätter und Früchte, da immer neue nachwachsen.. ') Myxae, Cordia Myxa L. -) S. 23. Cap. ^) Die bereits genannte Cordia Myxa. Fünfzehntes Buch. 141 Es ist aber auch offenbar, dass alle Pflaumen erst nach "Cato's Zeitalter aufgekommen sind. 14. Aepfel *) giebt es mehrere Arten. Von den Citronen haben wir schon bei ihren Bäumen geredet; die Griechen nennen sie nach dem Vaterlande medische Aepfel. Gleich- falls fremd sind die ßrustbeeren 2) und die Tuberes, welche beide erst kürzlich, diese aus Afrika, jene aus Syrien nach Italien gekommen sind. Sex. Papinius, den ich als Consul gekannt habe, brachte sie zuerst zu uns in den letzten Lebensjahren des Kaisers Augustus, und Hess sie im Lager anpflanzen. Sie gleichen mehr den Beeren als den Aepfeln, dienen aber den Wällen zur grossen Zierde, denn sie reichen jetzt schon bis an die Dächer. Von den Tuberes giebt es 2 Arten, eine weisse, und eine von ihrer Farbe sogenannte syrische 3). Sie sind fast als Fremdlinge zu betrachten, und in ganz Italien wachsen nur im veronen- sischen Gebiete sogenannte wollige, mit einem ähnlichen Wollüberzuge, wie er an den Vogelquitten und Pfirsichen sehr häufig ist, und wovon sie, da sie sich durch nichts , anderes besonders empfehlen, jenen Beinamen führen. 15. Warum sollte ich nicht gern die übrigen Apfelarten noch namentlich anführen, da sie ihren Entdeckern, gleich- ; sam als eine herrliche That ihres Lebens, ein ewiges An- ; denken gestiftet haben? Wenn ich nicht irre, so datirt ; • sich hieraus die Kunst des Propfens, und dass nichts so '; klein sei, was nicht den Keim eines Ruhmes in sich ^ schliesse. Sie haben also ihren Ursprung vom Matius, Cestius, Mallius und Scandius. Diejenigen, welche von ^ Appins, aus dem Claudischen Geschlechte, auf Quitten ge- \ propft sind, heissen appianische, riechen wie Quitten, sind \ so gross als die scandianischen und von röthlicher Farbe. ') Mala. Pjrus Malus L. -) Zizipha. Rhamnus Ziziphus L. ^) Die syrische Farbe war röthlich. 142 Fünfzehntes Buch. Damit aber Niemand glaube, dieser Name sei aus Schmeichelei gegen eine berühmte Familie angenommen worden, so bemerken wir, dass es auch sceptianische giebt, so geuannnt nach ihrem Erfinder, einem Freigelassenen, und ausgezeichnet durch ihre Kunde. Cato fügt noch die quirinianischen und die scandianischen, welche man in Fässern aufbewahren soll, hinzu. Ganz kürzlich sind noch kleine, von sehr angenehmem Geschmacke, welche petisi- sche genannt werden, hinzugekommen. Die amerinischen und gräculischeu haben ihr Vaterland berühmt gemacht. Die übrigen führen ihre Namen aus andern Ursachen ; von ihrer Verbindung die Zusammenhängenden und Zwillinge, weil die Frucht nie einzeln steht; von der Farbe die sy- rischen; von ihrer Aehnliclikeit die Birnenäpfel; von der Schnelligkeit im Reifen die Jüngern, welche jetzt wegen ihres Honiggeschmacks Houigäpfel heissen. Kreisrunde, von der Gestalt einer runden Scheibe; dass diese in Epirus zuerst waren, beweisen die Griechen, welche sie epirotische nennen. Hochbrüstige, von der Gestalt der Brüste. Wegen der Beschaffenheit des verstümmelten Samens nennen die Beiger einige die verschnittenen. Den Blattäpfeln wächst mitten an der Seite eins oder zuweilen auch 2 Blätter heraus. Die Eunzeläpfel welken bald und bekommen Falten. Die Lungenäpfel schwellen eigenthttmlich dick auf. Die Blutfarbigen haben ihre Farbe vom Propfen auf Maul- beerbäume bekommen. Die übrigen sind an der, der Sonne zugekehrten Seite röthlich. Es giebt auch kleine, die ihres Geschmackes und schärfern Geruchs wegen wilde heissen, also von schlecbter Beschaffenheit und so sauer sind, dass der Saft ein scharfes Schwerdt stumpf macht. Den schlechtesten hat ihre mehlige Beschaffenheit einen Namen gegeben; sie kommen am frühesten und müssen schnell gepflückt werden. 16. Eben diesen Umstand tadelt man an den sogenannten. Fünjfzehntes Buch. 143 Muscatellerbiinen ^), welche klein sind, aber sehr schnell reifen. Unter allen Birnen 2) aber empfehlen sich die crustumischen am meisten. Dann kommen zunächst die falernischen, sogenannt von dem Weine, weil sie eine so ausserordentliche Menge Saft (der Milch genannt wird) ent- halten; unter ihnen giebt es einige von schwarzer Farbe, welche in Syrien vorkommen. Die übrigen werden an einem Orte so, am andern so genannt. Allein folgende haben durch Benennungen, welche von Rom ausgegangen sind, ihre Urheber berühmt gemacht; die decimianischen, und die von ihr abstammenden pseudodecimianischen, die dolabellianischen mit den längsten Stielen, die pomponia- nischen mit dem Beinamen der zitzenförmigeu, die liceria- nischeu, sevianischen und die von diesen abstammenden turranianischen, welche sich durch die Länge des Stiels unterscheiden. Die rothen favonianischen, etwas grösser als die Muscateller, die laterianischen, anitianischen, die im Spätherbst kommen und augenehm sauer schmecken. Tiberianische heissen die, welche dem Kaiser Tiberius am besten gefallen haben; sie färben sich mehr an der Sonne und werden gross, sonst kämen sie mit den licerianischen überein. Die nach ihrem Vaterlande benannten sind die spätesten von allen, nämlich die amerinischen, picentini- schen, numantinischen, alexandrinischen, uumidianischen, griechischen und unter diesen die tarentinischen, die signi- nischen, welche Andere von der Farbe die erdfarbigen, onychinischen und purpurnen nennen. Nach dem Gerüche benannt sind die Balsam-, Lorbeer- und Myrtenbirne; nach der Zeit die Gerstenbirne; nach ihrem Halse die Flaschen- birne; nach ihrer Güte die coriolanische, bruttische; nach ihrer Aehnlichkeit die Kürbisbirne, und nach ihrem Safte die säuerliche. Warum man einige Birnen barbarische, andere Venusbirnen oder gefärbte nennt, ist nicht mit Be- stimmtheit anzugeben; ebense ist es mit den königlichen, welche an sehr kleinen Stielen sitzen, den patricischen *) Superbiae. ^) Pyri. Pyrus communis L. 144 Fünfzehntes Buch. voconischen, grünen und länglichen. Ausserdem nennt Virgil eine Sorte Volema i), ein Ausdruck den er vom Cato entlehnt hat, giebt ihnen aber auch den Namen Saatbirnen und Mostbirnen. 17. Diese Seite des Lebens hat schon längst den Gipfel erreicht, denn die Menschen haben darin alles versucht. So sagt Virgil, man propfe den Arbutus mit Nüssen, die Platane mit Aepfeln, die Ulme mit Kirschen. Weiter kann nichts mehr ausgedacht werden, und man findet auch in d(Br That seit langer Zeit kein neues Obst mehr. Jedoch muss man nicht alles ohne Unterschied durch Propfen ver- mischen, sowie keine Dornbusche bepropfeu, weil man da- durch die Blitze nicht leicht abwenden kann, denn so viele Arten man gepropft hat, so oft hat sich der Blitz durch einen Schlag angekündigt. Die Birnen haben eine mehr ki'eiselförmige Gestalt. Die späten unter ihnen hängen bis zum Winter am Baume, und werden durch die Kälte reif, als: die griechischen, Flaschen- und Lorbeerbirnen, unter den Aepfeln die ameri- nischen und scandianischen. Die Birnen bewahrt man auf eben die Weise wie die Trauben auf, und kein anderes Obst, ausser den Pflaumen, in Flaschen. Die Aepfel und Birnen haben (in ihrem Safte) die Eigenschaft des Weines, und ebenso wie bei diesem, geben auch bei jenem die Aerzte den Kranken Vorschriften; sie werden auch in Wein und Wasser gekocht und vertreten die Stelle des Gemüses, jedoch nur die grossen und Sperlingsquitten. 18. Ueberhaupt giebt man folgende Vorschriften für die Aufbewahrung des Obstes; Die Obstböden müssen an einem kühlen und trocknen Orte angelegt werden, die Fenster sollen gegen NoMen liegen und an heitern Tagen offen stehen; die Südwinde, auch der Nordwind, '■) Faustbirne. Fünfzehntes Buch. 145 durch welchen das Obst zusammenschrumpft, durch Glas- scheiben abgehalten werden. Das Obst muss nach dem Herbst- Aequinoctium, und weder 16 Tage vor Neumond, noch vor der ersten Stunde i) gesammelt werden. Das abgefallene soll man von dem übrigen trennen, und Stroh, Matten oder Spreu unterlegen. Es soll nicht zu dicht ge- legt werden, damit die Luft überall Zutritt habe. Die amerinischen Aepfel halten sich am besten, die Honigäpfel am wenigsten. Die Quitten soll man zur Abhaltung aller Luft ver- sah Hessen, oder in Honig einkochen und untertauchen. Die Granatäpfel müssen in siedendem Seewasser gehärtet, dann 3 Tage lang an der Sonne getrocknet, aufgehängt, doch so, dass der nächtliche Thau sie nicht berührt, und wenn man will, in heissem Wasser ausgewaschen werden. M. Varro empfiehlt, sie in mit Sand gefüllten Fässern aufzubewahren, und die unreifen in Töpfen, deren Boden herausgeschlagen ist, in die Erde zuvergraben, doch keine Luft hinzuzulassen und den Stiel mit Pech zu verschmieren; sie wüchsen so grösser, als sie am Baume werden könnten. Die übrigen Aepfel müsse man einzeln in Feigenblätter, aber keine ab- gefallene, wickeln, und in Körben aufbewahren oder mit Töpferkreide bestreichen. Die Birnen müssen in verpichten umgekehrten Gefässen in Gruben verscharrt werden. Die tarentinischen sind am spätesten einzusammeln. Die anicianischen werden auch in Rosinenwein aufbewahrt. Die Speierlinge thue man auch in Gruben, verschliesse den Deckel mit Gyps, und werfe zwei Fuss hoch Erde darüber; wähle aber einen sonnigen Ort, kehre die Gefässe um, und in Fässern hänge man sie, gleich den Weintrauben, mit den Aesten auf. Einige der neuesten Schriftsteller verlangen eine noch grössere Sorgfalt; sjie schreiben nemlich vor, man solle zu diesem Behufe die Aepfelbäume und die Weinstöcke so- gleich bei abnehmendem Monde, nach der 3. Stunde des *) D. h. vor 6 Uhr Morgens. Wittstein: Pliniue. III. Bd. 10 146 Fünfzehntes Buch. Tages, bei heitern Himmel und trocknen Winden abnehmen, ferner solche von trocknen Orten und vor der vollständigen Reife, wenn der Mond unter der Erde sei, auswählen; die Trauben mit einem Theil harten Reises, nachdem die an- gegangenen Beeren mit einer Zange entfernt worden, in einem neuen gepichten Fasse aufhängen, und alle Luft durch einen Deckel und Gyps abhalten. Eben so solle man mit den Birnen und Speierlingen verfahren, bei allen aber die Stiele mit Pech verstreichen. In der Nähe der Fässer darf kein Wasser sein. Einige bewahren sie so mit dem Zweige in Gyps, dass sie die Enden desselben in eine Meerzwiebel stecken. Andere hängen sie in Wein- fässer, doch so, dass die Trauben den Wein nicht berühren. Andere bringen auch Aepfel, die in irdenen Geschirren schwimmen, hinein, und glauben, dass auch der Wein einen Geruch davon annehme. Andere ziehen es vor, alle diese Früchte in Hirse zu legen. Die Meisten legen das Obst in Gruben auf eine 2 Fuss hohe Lage von Sand, verschliesseu mit einem irdenen Deckel, und bringen auf diesen noch Erde. Einige bestreichen auch die Trauben mit Töpfer- kreide, trocknen an der Sonne und hängen sie auf; beim Gebrauche spülen sie die Kreide wieder ab. Bei den Aepfeln vermischen sie die Kreide mit Wein. Die edel- sten Aepfel überziehen sie ebenso mit Gyps oder Wachs; wenn sie aber nicht ganz reif waren, wachsen sie fort und durchbrechen die gemachte Hülle. Stets jedoch werden sie auf den Stiel gestellt. Einige pflücken sie mit kleinen Zweigen ab, stecken diese in Hollundermark, und vergraben sie auf die oben beschriebene Weise. Andere nehmen zu jedem Apfel und jeder Birne ein besonderes irdenes Ge- schirr, verpicben ihre Deckel und verschliessen sie sämmt- lich in ein Fass; Andere in Wolle und Kästen, die sie mittelst Leim, dem Spreu beigemischt ist, verstreichen; Andere in irdenen Schüsseln, oder in Gruben mit einer Unterlage von Sand, und bedecken sie sogleich trocken mit Erde. Manche bestreichen die Quitten mit pontischem Wachse und tauchen sie in Honig. Columella sagt, man Fünfzehntes Buch. 147 solle sie in Brunnen und Cisternen, welche gut ausgepicht wären, versenken. In Ligurien, welches am Meere und den Alpen sehr nahe liegt, trocknet man die Trauben an der Sonne, wickelt sie in Binsenbündel ein, legt sie in Fässer und verschliesst diese mit Gyps. Ebendiess^) thun die Griechen mit Platanen- oder Wein- oder Feigenblättern, trocknen sie 1 Tag im Schatten und legen im Fasse Wein- trester dazwischen. Auf diese Weise werden die coischen und berytischen Trauben,, welche keinen andern an ange- nehmem Geschmacke nachstehen, aufbewahrt. Einige tunken die Trauben, um sie den ebengenannten ähnlich zu machen, in Aschenlauge sobald sie vom Stocke genommen sind, trocknen sie darauf an der Sonne, tauchen die ge- trockneten in warmes Wasser und legen sie abermals au die Sonne; dann wickeln sie dieselben auf die oben be- schriebene Weise in Blätter und legen sie mit Weintrestern zusammen. Manche ziehen es vor, die Trauben in Säge- und andern Spähnen von Tannen. Pappeln, Eschen zu be- wahren. Andere schreiben vor, man solle sie fern von Aepfeln und sogleich auf Speichern aufhängen, weil es am besten sei, wenn sie im Hängen vom Staube bedeckt werden. Gegen die Nachstellungen der Wespen bespritzt man sie mit Oel aus dem Munde. Von den Palmen haben wir schon geredet. 19. Unter den übrigen Obstarteu sind die Feigen'^) die stärkste, denn manche gleichen den Birnen au Grösse. Von den Wundern Aegyptens und Cyperns in dieser Be- ziehung haben wir bei den ausländischen Bäumen ge- sprochen. Die idäische Feige ist roth, so gross wie eine Olive, nur etwas runder und schmeckt wie die Mispel. Dort heisst diejenige die alexaudrinische, deren Stamm die Dicke einer Elle, viele Aeste, hartes zähes Holz, keinen Milchsaft, eine grüne Rinde und ein lindenartiges, aber *) Nämlich das Einwickeln. -) Flcus. Ficus Carica L. 10* 148 Fünfzehntes Buch. weiches Blatt hat. Onesicritus erzählt, in Hyreanien fanden; sieh weit süssere und fruchtbarere Feigenbäume als bei uns, von denen einer 270 Modius trüge. Zu uns sind sie von andern Ländern, z. B. von Chalcis und Chios ge- kommen. Es giebt mehrere Arten; so hat man lydische, welche purpurfarben sind, und warzenförmige, welche ihnen gleichen; ferner schöngeformte i) , welche etwas besser schmecken, aber unter allen Feigen die kältesten sind. Von den afrikanischen, welche Viele den übrigen vorziehen, ist die Frage noch unentschieden, und da diese Art erst neuerdings nach Afrika gekommen ist, so behält sie den Namen des Vaterlandes bei. Die alexandrinische gehört unter die schwarzen, hat einen weisslichen Streifen und führt den Beinamen der köstlichen. Auch die rhodische ist schwarz und die tiburtinische gehört zu den frühzeitigen. Einige führen auch die Namen von Schriftstellern, wie die livische und pompejische; letztere eignet sich nebst den Mariscen, und denen, welche ein Fleck vom Blatte des Schilfes färbt, zum Trocknen an der Sonne für den jähr- lichen Gebrauch am besten. Es giebt auch eine hercu- lauische, wachsartig weisse und weisse aratische, welche den kleinsten Stiel hat, aber am grössten ist. Zuerst ent- wickelt sich die purpurfarbige, mit dem längsten Stiele.. Sie begleitet eine von den kleinsten und schlechtesten, die gemeine genannt. Am spätesten hingegen im Winter reift die Schwalbenfeige. Ausserdem sind oft ein und dieselben spät und frühtragend, doppeltragend, weiss und schwarz, welche zugleich mit dem Getreide und den Trauben reif werden. Die Spätlinge werden auch nach ihrer harten Haut benannt. Von den chalcidischen tragen einige drei- mal. Zu Tarent wachsen nur ganz süsse, welche Onä heissen. Cato giebt für die Feigen folgende Regeln: Die Maris- cen säe an einen kreidigen oder freien Ort; an einen fettern und gedüngten aber die afrikanischen, herculanischen^ ") Kalistruthiae. Fünfzehntes Buch. 149 saguntinischen, die Winterfeigen und die schwarzen tela- nischen mit langem Stiele. Später sind so viele Namen und Arten aufgekommen, dass, wenn man nur diess allein erwägt, es schon einleuchtet, dass die Lebensweise sich ge- ändert habe. Es giebt auch in einigen Ländern, wie in Mösien, Winterfeigen, allein sie sind es nicht von Natur, sondern durch Kunst. Man bedeckt nach dem Herbste eine Art kleine Bäume und die im Winter hervorkömmende unreife Frucht mit Mist, gräbt beide bei milderem Wetter wieder auf und bringt sie ans Licht, wo sie dann die Sonnenstrahlen, welche ihnen neu und von anderer Art sind als die, bei denen sie früher lebten, begierig und gleichsam neu geboren anziehen und mit der Ankunft der Blüthe reif werden, also in dem ihnen nicht eignen Jahre, auch in der kältesten Gegend zeitig erscheinen. 20. Aber die schon damals von Cato genannte afrikanische Feige erinnert mich au Afrika, weil er sich dieser Frucht zu einem Beweise bediente, der wichtige Folgen nach sich zog. Denn er, der einen tödtlichen Hass gegen Carthago hegte, und, für das Wohl der Enkel besorgt, in jeder Se- natsversammlung rief, Carthago müsse zerstört werden, brachte eines Tages eine frühzeitige Feige aus jenem Lande in den Rath, zeigte sie der Versammlung und sprach: Ich frage Euch, wann glaubt Ihr, dass diese Frucht vom Baume gepflückt sei? Da nun Alle darin überein- kamen, dass sie noch frisch sei, fuhr er fort; So wisset denn, dass sie vor 3 Tagen zu Carthago gepflückt ist; so nahe bei unsern Mauern haben wir den Feind. Gleich darauf unternahm mau den dritten punischen Krieg, in welchem Carthago zerstört wurde, was aber Cato nicht mehr erlebte, denn er starb im folgenden Jahre. Was sollen wir hiebei zuerst bewundern? seinen tiefen Scharf- sinn oder die zufällige Gelegenheit, die schnelle Fahrt oder den Eifer dieses Mannes? Vor allem aber halte ich das für das Wunderbarste, dass jene grosse Stadt, welche in der Weltherrschaft 120 Jahre lang die Nebenbuhlereien 150 Fünfzehntes- Buchi Rom's war, durch den Beweis eines Stück Obstes zerstört worden ist, was weder Trebia, noch der trasymenische See noch Cannä, welche Orte i) durch die Gräber der Römer berühmt geworden sind, nicht haben vollbringen können; auch nicht das verschanzte punische Lager 3 Meilen von Eom, nicht Hannibal selbst, der bis ans collinische Thor ritt. So viel näher hat Cato durch jenes Obst Carthago gebracht. Mau unterhält einen Feigenbaum, der auf dem Markt- und Versammlungsplatze zu Rom selbst hervorgewachsen ist, und durch die darin verborgenen Blitze (?), noch mehr aber zum Andenken an die Amme des Romulus und Remus heilig gehalten und Ruminalis genannt wird, denn unter demselben fand man die Wölfin,^ welche den Kindern das Euter 2) (so nannte man die Zitzen) gab. Daneben hat der Augur Attus Navius diese wunderbare Begebenheit in Erz so dargestellt, als wenn sie von selbst auf den Platz gekommen wäre. Er vergeht immer in Folge einer Weissagung, wird aber von den Priestern jedesmal wiederum sorgfältig gepflanzt. Ehemals stand auch einer vor dem- Tempel des Saturn, kam aber im 260. Jahre der Stadt, als die Vestalinnen eine Feier hatten, weg, wobei er das Standbild des Silvanus umriss. Ein anderer, von selbst aus der Erde gewachsen, steht mitten auf dem Forum, dav wo Curtius die durch ein unglückliches Wunderzeichen - sinkenden Grundvesten des Reiches durch die grössten Güter des Lebens d. i. durch Tapferkeit und Vaterlandsliebe und durch den Tod wieder hergestellt hatte. Ebenso be- finden sich an demselben Orte zufällig ein Weinstock und. ein Oelbaum, welche beide des Schattens wegen vom Volke gepflanzt sind. Der Altar ist wegen des vom göttlichen Julius gegebenen Fechterspiels, welches jüngst auf dem Forum gehalten wurde, von da weggenommen. •) An diesen 3 Orten wurden die Römer geschlagen. *) rumen. Fünfzehntes Buch. 151 21. Zu bewundern ist das schnelle Wachsen dieser Frucht, welche einzig unter allen durch die Kunst eher zur Reife gelangt. Eine wilde Feigenart, welche Caprificus ge- nannt wird, trägt nie reife Früchte, giebt aber andern, was sie selbst nicht bat, denn der Uebergang der Wirkungen liegt in der Natur, und aus faulenden Stoffen wird wiederum etwas anderes hervorgebracht. Jener wilde Feigenbaum erzeugt nämlich Mücken ^) ; wenn diese in ihrer Mutter ^), welche in Fäulniss übergegangen ist, keine Nahrung mehr finden, so fliegen sie zu der verwandten Art hin, öffnen durch häufiges Anbeissen, d. h. durch begieriges Fressen davon ihre Flächen, dringen dann hinein und lassen auf diese Weise die Sonnenstrahlen, und die reifende Luft in das Innere. Sie verzehren dann den milchichten Saft ,d. h. die Kindheit der Frucht, der auch von selbst ausfliesst. Man setzt daher den Caprificus dahin, wo der Wind nach den Feigengärteu zieht, damit derselbe die aus- fliegenden Insekten auf die Feigenbäume bringe. Noch ein anderes Mittel hat man ausfindig gemacht; man legt nemlich jene, wenn man sie anderswo her bringt, zusammen- gebunden auf den zahmen Baum. Doch ist diess auf einem magern und gegen Norden gelegenen Boden nicht nöthig, weil sie dort von selbst trocken werden, und die entstehen- den Risse dieselbe Wirkung, wie durch die Thiere hervor- bringen; auch da nicht, wo viel Staub ist z. B. neben einer fahrbaren Strasse, denn der Staub hat ebenfalls die Kraft auszutrocknen und den Milchsaft zu absorbiren. Diess Ver- fahren durch Caprification sowie durch Staub hat noch den Vortheil, dass die Früchte nicht abfallen, wenn ihr zarter, unbeständiger und schwerer Saft verzehrt ist. Die Feigen fühlen sich alle weich an; im reifen Zu- stande haben sie Körner 3) in sich; während des Reifens ') Culices. Das Insect heisst: Cynips Psenes L. =*) Nämlich der Frucht des Capiificus. 3) frumenta. 152 Fünfzehntes Buch. ist ihr Saft milchartig, wenn sie aber reif sind, honigartig. Sie werden auf den Bäumen alt, und schwitzen eine gummi- artige Feuchtigkeit in Thränen aus. Von den trocknen be- wahrt man die guten der Ehre wegen in Kästen auf; die besten und grössten kommen von der Insel Ebusus, und auf sie folgen die von den Marrucinen. Wo sie aber in Menge vorkommen, füllt man Tonneu damit an wie in Asien, oder Töpfe wie in der Stadt Ruspina in Afrika. Trocken vertreten sie zugleich die Stelle des Brotes und. des Zubrotes, denn Cato sagt, da wo er den Arbeitsleuten auf dem Felde ihre Kost gleichsam gesetzlich bestimmt, man solle sie zur Zeit der Feigenreife vermindern. Man hat neulich erfunden, gesalzene Speisen mit frischen Feigen statt Käse zu essen. Zu dieser Obstart gehören , wie wir bereits gesagt haben, die Cottaneu und Caricä, und die ver- hängnissvollen 1), welche dem M. Crassus, als er wider die Parther zu Schiffe ging, ein böses Omen wurden, denn es rief sie gerade Jemand zum Verkaufe aus. Alle diese Sorten hat L. Vitellius, welcher später Censor war, in der letzten Lebenszeit des Kaisers Tiberius, aus Syrien, wo er die Statthalterschaft bekleidete, in das albanische Gebiet gebracht. 22. Den Aepfeln und Birnen werden mit Recht auch die Mispeln 2) und Speierlinge 3) beigezählt. Von der Mis- pel giebt es 3 Arten: Anthedon^), die setanische und die gallische "■), welche ausartet, jedoch der erstem ähnlich sieht. Die setanische trägt einen grössern und weissem Apfel mit weichern Kernen; die übrigen haben eine klei- nerne, aber besser riechende und haltbarere Frucht. Der Baum selbst gehört unter diejenigen, welche den grössten ') caunaeae, von xavvoq Loos. 2) Mespila. Mespilus germanica L. 3) Sorba. Sorbus domestica L. ■*) Anthedon. Crataegns tanacetifolia Pers. ^) Mespilus Chamaemespilus L. (?). Die setanische ist M. ger- manica. Fünfzehntes Buch. I53 Umfang einnehmen. Die Blätter werden, bevor sie abfallen, rotii; die Wurzeln sind in zahlreicher Menge vorhanden und gehen so tief, dass man sie nicht ausrotten kann. Zu den Zeiten Cato's war dieser Baum in Italien noch nicht. 23. Von den Speierlingen hat man 4 verschiedene Arten ; einige sind nämlich rund wie ein Apfel, andere kreisei- förmig wie die Birne, einige eirund i) wie manche Aepfel. Letztere werden leicht sauer. Im Geruch und Geschmack sind die runden am besten; die übrigen haben einen Wein- geschmack. Am edelsten sind diejenigen, deren Stiele mit zarten Blättern umgeben sind. Die vierte Art heisst die Grimmbeere 2); sie dient wahrscheinlich nur zu Arzneien, trägt beständig, hat die kleinste Frucht und sieht den an- dern nicht ähnlich, denn ihr Blatt gleicht dem der Platane. Keine von diesen Arten trägt vor dem dritten Jahre. Cato sagt, die Speierlingsäpfel würden auch im gesottenen Wein eingemacht. 24. Auf diese folgen nun zunächst ihrer Grösse wegen die welschen Nüsse ^), stehen ihnen aber an Werth nach, obgleich sie bei den muthwilligen Hochzeitsgesängen ^) eine Rolle spielen. Sie sind weit kleiner als die ganze Pinien- frucht, jedoch übertrifft ihr Kern den der letztern. Auch hat ihnen die Natur den besondern Vorzug verliehen, eine doppelte Schale zu besitzen, nemlich eine äussere weiche, und eine innere holzige. Aus diesem Grunde haben sie eine heilige Bedeutung bei Hochzeiten bekommen, weil die Frucht im Mutterleibe ebenso vielfach geschützt wird, und >) Hier scheint Crataegus Oxyacantha L. gemeint zu sein, wäh- rend die kugeh-unden und kreiseiförmigen zu Sorbus domestica ge- hören. -} Torminalis. Crataegus torminalis L. Der Elzbeerbaum. 3) Nuces juglandes. luglans regia L. *) Nuptiales Fascennini, so genannt von Fescenna, einer Stadt in Etrurien, welche wegen ihrer muthwilligen, schäckerhaften, auch theils unzüchtigen Gedichte und Lieder bekannt war. 154 Fünfzehntes Buch. diess ist wahrscheinlicher, als, weil sie beim Fallen springen und Geräusch machen. Dass sie ebenfalls von den Königen aus Persien zu uns gebracht sind, beweisen die griechischen Namen, denn die beste Art heisst die persische und könig- liche, und hierait bezeichnete man sie am frühesten. All- gemein nimmt man an, dass sie wegen der Beschwerde, welche ihr starker Geruch dem Kopfe verursacht, Caryon genannt worden ist. Mit ihrer Schale färbt man Wolle, und mit den eben hervorkommenden Nüsschen macht man das Haar braun, ein Verfahren, auf welches man durch das Braunwerden der Hände, worin man die Früchte hält, kam. Durchs Alter werden sie fetter. Der ganze Unterschied der Arten besteht in der harten oder zerbrechlichen, dünnen oder dicken, mehrfächrigen oder einfachen Schale. Es ist die einzige Frucht, welche die Natur mit aufeinander passenden Deckeln verschlossen hat, denn die Schale theilt sich in 2 nachenartige Hälften, der Kern ist vierfach getheilt und von hölzernen Häuten durchzogen. Bei den übrigen Nüssen ist die Schale durch- aus fest, und der Kern ein Ganzes, wie z. B. bei den Haselnüssen!) und derjenigen Art, welche früher nach ihrem Vaterlande abellinische genannt wurden. Andere sind aus Pontus nach Asien und Griechenland gekommen und deshalb pontische Nüsse genannt worden. Diese um- giebt noch ein weicher Bart, allein Schale und Kern bilden jeder ein rundes Ganze. Sie werden auch geröstet. Ihr Nabel ist mitten am Bauche. Eine dritte Art sind die Mandeln 2), deren äusserste Bedeckung derjenigen der Nussschale gleich, aber dünner ist. Auch ihre zweite Schale gleicht derjenigen bei der Nuss. Der Kern ist ihr wegen seiner Breite unähnlich und hat eine bittere Haut. Ob dieser Baum zu Cato's Zeiten schon in Italien gewesen sei, ist ungewiss, denn er nennt seine Früchte griechische Nüsse, mit welchem Namen Einige auch die welschen •) Avellanae. Corylus Avellana L. *) Amj^gdali. Amygdalus communis L. Fünfzehntes Buch» 155> Nüsse noch belegen. Er führt ausserdem noch die Hasel- nüsse, die Galbae und pränestinischen an,, welche letztere er am meisten lobt und von denen er anführt, man thue sie noch grün in Töpfe und vergrabe diese in die Erde.. Jetzt rühmt man die thasischen, albensischen und 2 Arten der tarentinischen mit zerbrechlicher und harter Schale, welche zugleich die grössten und am wenigsten runden sind. Es giebt ferner dünnschalige, deren Schale berstet. Einige erweisen ihnen grosse Ehre, indem sie sie ^) Jupiters- Eichel nennen. Kürzlich sagte mir ein Consular, er habe auch welsche Nussbäume, die zweimal im Jahre trügen. Von den Pistacien und den Nussarten selbst ist schon die Rede gewesen 2); diese brachte zu derselben Zeit eben jener Vitellius 3) nach Italien, und der römische Ritter Fla'ccus Pompejus, welcher mit ihm diente, nach Spanien. 25. Auch die Kastanien*) nennen wir Nüsse, obgleich: sie eher zu den Eicheln gehören. Sie sind von einer stach- lichen Hülle umgeben, während die Eicheln nur zum Theil' umhüllt werden. Man muss sich wundern, dass die Natur die gemeinste Frucht so sorgfältig verwahrt hat. Eine Hülle enthält zuweilen 3 Kerne, deren jede eine zähe Rinde umgiebt. Aber die dem Kerne nächste Haut verdirbt bei diesem wie bei den Nüssen den Geschmack, wenn sie nicht abgezogen wird. Es ist besser, sie zum Speisen zu rösten; auch werden sie gemahlen, und beim Fasten der Frauen vertreten sie die Stelle des Brotes. Die ersten kamen aus Sardes; sie heissen daher bei den Griechen, sardianische Eicheln und den durch Cultur verbesserten gaben sie später den Namen Jupiters-Eichel. Jetzt giebt ') Die welschen Nüsse. 2) Im XIII. B. 10. Cap. ^) Plinius meint wahrscheinlich den kurz vorher genannten Con- sular. Lucius Vitellius war 34 n. Chr. Consul, dann Proconsul ia Syrien. -*) Castaneae. Castanea vesca. Gaertn. 156 Fünfzehntes Buch. es mehrere Arten davon. Die tarentinisehen sind leicht, gut zu verdauen und flach von Gestalt. Die sogenannte Balanitis ist runder, springt von selbst heraus und lässt sich am leichtesten reinigen. Unter ihnen ist die salaria- nische auch rein und flach, die tarentinische nicht so gut; besser ist die corellianische und die von ihr auf die beim Propfen angezeigte Weise abstammende eterejanische mit röthlicher Schale, welche den dreieckigen und gemeinen schwarzen, die Kochkastanien heissen, vorgezogen werden. Das Vaterland der besten ist Tarent und Neapel in Cam- panien. Die übrigen, welche auch zwischen den Kernen Rinde haben, dienen zum Füttern der Schweine. 26. Das süsse Johannisbrot i) möchte hievon nicht sehr verschieden sein, nur isst man bei diesem die Schale selbst mit. Es hat die Länge eines menschlichen Fingers, ist zuweilen sichelförmig gekrümmt, und einen Daumen breit. Die Eicheln kann man nicht unter das Obst rechnen, wir wollen deshalb besonders von ihnen reden. 27. Die übrigen Obstarten sind fleischig, und unter- scheiden sich durch ihre Beeren und ihr Fleisch. Anders ist das Fleisch bei Traubenbeeren 2), Maulbeeren, Meer- kirschen 3); anders bei erstem zwischen der Haut und dem Safte, anders bei den Sebesten und den den Oliven ähn- lichen Früchten. Die Maulbeeren 4) haben einen weinigen Saft in ihrem Fleische, und eine dreifache Farbe, zuerst die weisse, dann die rothe und, wenn sie reif sind, die schwarze. Sie blühen am spätesten und werden am frühe- sten reif. Der Saft der reifen färbt die Hände, der der unreifen macht sie wieder rein. Der Erfindungsgeist hat bei diesem Baume am wenigsten geleistet, weder, was Namen, noch Propfen, noch etwas Anderes anbelangt; bloss *) Praedulces siliquae. Ceratoaia Siliqua L. 2) acini. ^) unedones. *) Mori. Morus alba L. nigra L. Fünfzehntes Buch. 15T' die Grösse der Früchte hat mau vermehrt. In Rom unter- scheidet man die ostiensischen und tusculanischen. Es wachsen auch deren auf den Brombeersträuchen i), sind aber durch die Haut unterschieden. 28. Von anderer Beschaffenheit sind die Erdbeeren ^), sowie die ihnen verwandten Meerkirschen 3), welche das einzige Obst sind, das einer Erdfrucht^) gleicht. Der Baum selbst ist strauchig. Die Frucht wird in einem Jahre reif; während die eine blühet, reift die andere. Ob der männliche oder weibliche Stamm unfruchtbar sei, darüber sprechen sich die Schriftsteller nicht bestimmt aus. Diese Frucht wird nicht geachtet, denn sie hat ihren Namen (unedo) davon bekommen, dass man nur eine davon essen solle. Jedoch geben ihnen die Griechen 2 Namen, Cornaron und Memecylon, woraus hervorgeht, dass es auch 2 Arten davon giebt. Der andere bei uns gebräuchliche Name ist Arbutus. Nach Juba soll es in Arabien 50 Ellen hohe geben. 29. Es giebt auch sehr verschiedene Traubenbeeren ^).. Zuerst unter den Weinbeeren selbst hinsichtlich der Zart- heit und Dicke der Haut, des Innern Holzkerns, der bei einigen klein, bei andern selbst doppelt ist, und diese letztern geben sehr wenig Most. Am meisten unterschieden sind die Epheu- und Hollunderbeerenj der Gestalt nach auch die Granatbeeren, welche allein eckig sind. Eine jede hat auch nur eine Haut, die weiss ist. Sie bestehen, namentlich diejenigen, welche nur einen kleinen Kern haben, ganz aus Saft und Fleisch. Auch bei den einzelnen Beeren^) findet grosse Ver- *) Rubi. Rubus fruticosus L. 2) Fraga teiTestria. Fragaria vesca L. 3) Unedones. Arbutus Unedo L. ■*) D. h. der Frucht einer kleinen krautartigen Pflanze. *) acini. *) baccae. '9.58 Fünfzehntes Buch. sehiedenheit statt. Andere hat der Oelbaum, der Lorbeer, der Lotus, der Kornelkirsclienbaum, die Myrte, der Lentis- -iius. Die der Stechpalme und des Dornbaums sind saftlos'; die Kirschen aber stehen mitten zwischen den Trauben und einzelnen Beeren. Die genannten Bäume haben zuerst eine weisse Frucht und fast alle einzelne Beeren; bei ei- nigen wird sie bald darauf grün, wie bei den Oliven und Lorbeeren, bei andern aber roth, wie bei den Maulbeeren, Kirschen und Kornelkirschen, hierauf bei den Maulbeeren, Kirschen und Oliven schwarz. 30. Die Kirscheubäume ^) waren vor dem Siege des L. Lucullus über Mithridates noch nicht in Italien. Lucullus brachte sie im 680. Jahre der Stadt zuerst aus Pontus mit, und 120 Jahre später kamen sie über den Ocean bis nach Britannien. In Aegypten hat man sie, wie schon erwähnt, nicht acclimatisiren können. Die apronianischen Kirschen sind am röthesten, die lutatischen am schwärzesten, die cäcilianischeu aber zugleich rund. Die junianischen schmecken angenehm, aber fast nur unter ihrem Baume, denn sie lei- den, ihrer Zartheit wegen, durch den Transport. Den ersten Rang behaupten die harthäutigen, welche mau in Cam- panien die plinianischen, in Belgien die lusitanischen nennt. An den Ufern des Eheins giebt es auch welche von einer dritten Farbe, nemlich aus schwarz, roth und grün gemischt, gleichsam als ob sie stets reiften. Es sind noch keine 5 Jahre her, dass die sogenannten Lorbeerkirscheu, welche auf Lorbeerbäume gepropft werden, und angenehm bitter schmecken, aufgekommen. Es giebt auch macedonische '^), von einem kleineu, selten über 3 Ellen hohen Baume, und die Zwergkirschen ^) von einem noch kleinern Strauche. Dieses Obst gehört vorzüglich unter diejenigen, welche dem Landmann jährlich eine reichliche Erndte bringen. Es liebt *i Ceiasi. Prunus Cerasus L. und Prunus avium L. -) Prunus Mahaleb L. •*j ChamaecerasT. Prunu.s prostrata Bill. Fünfzehntes Buch. 159 die Nordseite und kalte Lage, wird auch an der Sonne getrocknet, und, gleich wie die Oliven, in Töpfe einge- macht. 31. Dieselbe Sorgfalt verwendet man auf die Kornel- kirsche 1) und den Mastixbaum 2), damit es den Anschein habe, dass alles für den menschlichen Leib geschaffen sei. Man mischt verschieden schmeckende Dinge zusammen, und das eine muss das andere verbessern. Aber selbst Länder und verschiedene Himmelsstriche werden vermischt. Zu einer Art Speise wird Indien, zu einer andern Aegypten, Greta, Cyrene und andere Länder in Anspruch genommen. Der Mensch greift selbst zu Giften, um nur alles zu ver- schlingen. Diess wird sich bei Beschreibung der Kräuter iioch deutlicher herausstellen. 32. Inzwischen findet man 13 Arten des Geschmackes, welche dem Obste und allen Säften zukommen: den süssen, angenehmen, fetten, bittern, herben, scharfen, stechen- den, strengen, sauren, salzigen. Die übrigen 3 sind von wunderbarer Beschaffenheit. Einer, in welchen mau mehreres zugleich zu schmecken glaubt, wie z. B. beim Weine; denn in ihm findet mau den herben, stechenden, süssen und au- genehmen — lauter einander fremdartige — vereinigt. Der zweite ist derjenige, in welchem sich zwar auch ein fremd- artiger, aber auch ein eigener und besonderer Geschmack befindet, wie z. B. in der Milch, denn sie enthält etwas, was streng genommen weder süss, noch fett, noch auge- nehm genannt werden kann, und das Milde, was dem Ge- schmacke folgt und seine Stelle vertritt, waltet vor. Keine von diesen Arten besitzt das Wasser, nicht einmal einen saftigen, jedoch schmeckt es nach etwas, und bildet daher eine eigeue Art. Es ist sogar ein Fehler, wenn das Wasser irgend einen Geschmack besitzt. Bei allen diesen Ge- ') Com US uiascula L. -) Lentiscu?. Pistaria Lentiscus L. 160 Fünfzehntes Buch. schmäcken spielt der Geruch eine bedeutende Rolle, und beide stehen in genauer Verwandtschaft zu einander. Das "Wasser hat auch keinen Geruch, und taucht nicht, wenn es riecht. Merkwürdigerweise sind die 3 vornehmsten Ele- mente der Natur, Wasser, Luft und Feuer, geschmack- upd geruchlos. 33. Einen weinigen Saft haben die Birnen, Maulbeeren und Myrten; die Weintrauben (was zu bewundern ist) am we- nigsten. Fett ist er bei den Oliven, Lorbeeren, welschen Nüssen, Mandeln; süss bei den Weinbeeren, Feigen, Datteln; wässrig bei den Pflaumen. Auch in ihrer Farbe sind die Säfte verschieden. Blutroth ist er bei den Maulbeeren, Kirschen, Kornelkirschen, schwarzen Weinbeeren; weiss aber bei den weissen Weinbeeren. Im obern Theile der Feige ist er milchig, nicht aber in der Mitte; schaumähn- lich bei den Aepfeln, ungefärbt bei den Pfirsichen, unter denen die harthäutigen sehr saftreich sind; aber Wer wird diesen nach irgend einer Farbe benennen können? Auch hinsichtlich des Geruchs findet sich manches Merkwürdige. Die Aepfel haben einen stechenden, die Pfirsiche einen schwachen, die süssen Früchte gar keinen Geruch; auch der süsse Wein ist geruchlos, der dünne dagegen riecht schon weit mehr, und dringt schneller in die Nase als die fetten Sorten. Früchte, welche stark riechen, empfehlen sich nicht durch den Geschmack, denn Geruch und Ge- schmack sind nicht ein und dasselbe. Daher haben die Citronen, welche sehr durchdringend riechen, einen äusserst rauhen Geschmack; die Quitten gewissermaassen auch. Die Feigen riechen gar nicht. 34. Soweit von den Arten des Obstes; wir wollen nun noch ihre verschiedene Beschaffenheit etwas kürzer zusammen fassen. Einige, die an sich süss sind, aber einen bittern Samen einschliessen, wachsen in Schoten; während in den meisten Früchten die Samen verwendet werden, verwirft man die in den Schoten befindlichen. Fünfzehn tes Bück 161 -Andere biMen Beeren, bei den«n inwendig ein Holzkern, aussen das Fleisch ist, wie bei den Oliven und Kirschen; bei einigen ist innen der weiche, aussen der harte Theil, z, B. diejenigen, welche, wie wir gesagt haben, in Aegypten wachsen. Wie die Beeren, so sind auch die Aepfel be- schaffen. Bei einigen ist inwendig das Fleisch, auswendig der Holzkern, z.B. den Nüssen; bei andern aussen das Fleisch, innen das Holz, wie bei den Pfirsichen und Pflaumen; hier ist das Unnütze von der Frucht umgeben, während sonst das Un- ' nütze die Frucht umgiebt. Die Nüsse sind in eine harte Schale, die Kastanien in eine lederartige Hülle einge- schlossen; diese zieht man sich vorher ab, aber bei den Mispeln wird sie mitgegessen. Die Eicheln umgiebt eine Kruste, die Weinbeeren eine Haut, die Granatäpfel eine lederartige Hülle und dünne Haut. Die Maulbeeren be- stehen aus Fleisch und Saft, die Kirschen aus Haut und Saft. Einige sondern sich gleich vom Kerne, wie die Nüsse und Datteln; andere sitzen fest daran, wie die Oliven und Lorbeeren. Bei einigen, z. B. den Pfirsichen, trifft man beides, denn die harthäutige sitzt fest, und lässt sich nicht von dem Steine ablösen, die übrigen aber trennen sich leicht davon. Einige haben weder innen noch aussen Holz, wie z. B. manche Palmfrüchte. Bei andern wird der Kern selbst als Obst benutzt, z. B. bei derjenigen Art Mandeln, welche, wie oben gesagt, in Aegypten wächst. Bei einigen, z. B. den Kastanien, Mandeln und welschen Nüssen, findet man 2 äussere, nutzlose Decken. Einige bestehen aus 3 Theilen, dem Fleische, dem darauf folgenden Steine und dem in diesem befindlichen Samen, z. B. die Pfirsiche. Einige sitzen zahlreich beisammen, wie die Weinbeeren und Speierlinge, welche die Aeste umgeben, und überall in Trauben herabhängen. Andere wachsen einzeln, wie die Pfirsiche. Einige befinden sich in einer Hülle, wie die Gra- naten; andere hängen an Stielen, wie die Birnen; andere an Kämmen, wie die Weinbeeren und Palmfrüchte ; andere an Stielen und Kämmen, wie die Epheu- und Hollunder- beeren; andere an Zweigen, wie die Lorbeeren; andere Wittstein: Plinius. III. Bd. H 162 Fünfzehntes Buch. auf beiderlei Art, wie die Oliven, denn sie haben kurze- und lange Stiele. Einige enthalten Samenkapseln wie die Granaten, Mispeln und der Lotus in Aegypten und am Euphrat. Die Güte der Früchte ist sehr verschieden und auf eben so mannigfaltige Weise empfehlen sie sich. An den Datteln liebt man das Fleisch, an den thebaischen die Schale, an den Weinbeeren und Caryoten i) den Saft, an den Birnen und Aepfeln die harte Haut, an den Honig- äpfeln das Fleisch, an den Maulbeeren das Knorpelige, an den Nüssen den Kern, an einigen Früchten Aegyptens, z. B. den Feigen, die Haut. Letztere zieht man, wie eine Schale, den grünen Feigen ab, und an den trocknen schätzt man sie am meisten. An der Papierpflanze, der Ferula und dem weissen Dornstrauche ist der Stengel selbst das Obst.. Es giebt auch feigenartige Stengel. Unter den Sträuchern ist es die Kapper, bei welche der Stiel die Frucht be- gleitet; was wird aber an den Schoten anderes, als Holz, gegessen? Hiebei dürfen wir die Beschaffenheit ihrer Samen nicht zu erwähnen vergessen, denn man kann sie weder Fleisch, noch Holz, noch Knorpel nennen, noch einen an- dern Namen für sie ausfindig machen. 35. Besondere Bewunderung verdient der Saft in der Myrte 2), denn er ist der einzige, woraus 2 Sorten Oel und Wein bereitet werden; auch geht er in das schon erwähnte Myrtidanum^) ein. Der Beeren bedienten sich die Alten, ehe der Pfeffer bekannt wurde, an dessen Statt, und daher schreibt sich der Name eines köstlichen Zugemüses, welches noch jetzt das myrtenhaltige genannt wird. Ferner beruht hierauf der gepriesene Wohlgeschmack des wilden Schweine- fleisches, denn zu der Sauce setzte man meistentheils Myrte. 36. Der Myrtenbaum soll in dem diesseitigen Theile Europa's, welcher von den ceraunischen Bergen anfängt,. ') Eine Art grosser Datteln, wie Nüsse aussehend. 2) Myrtus communis L. 3) XIV. B. 19. Cap. Fünfzehntes Buch. 163 zuerst zu Civceji auf dem Grabe Elpenor's i) gesehen worden sein; er hat seinen griechischen Namen behalten, ein Beweis, dass er ein Fremdling ist. Wo jetzt Rom steht, war er schon, als die Stadt gebauet wurde; man berichtet nemlich, die Römer und Sabiner wären, als sie wegen der geraubten Jungfrauen hätten streiten wollen, nach Ablegung der Waffen an demselben Orte, wo jetzt die Bildnisse der cluacinischen Venus stehen, durch einen geheiligten Myrten- zweig gereinigt; cluere nannten aber die Alten reinigen. An diesem Baume befindet sich auch eine Art Rauchwerk. Man wählte denselben damals deshalb , weil Venus sowohl die Ehen als auch diesen Baum schützt. Ich weiss nicht, ob er nicht unter allen zuerst aus Anlass einer Weissagung und merkwürdigen Vorbedeutung an öffentliche Orte Rom's gepflanzt ist. Unter die ältesten Tempel gehört nemlich der des Quirinus, d. i. des Romulus; vor demselben standen lange Zeit hindurch 2 heilige Myrten, von denen die eine die patricische, die andere die plebejische genannt wurde. Viele Jahre hindurch, so lange der Senat im Flore stand, hatte die patricische den Vorzug, denn sie wuchs üppig und lebhaft heran, während die plebejische dürr und unan- sehnlich war. Als diese sich aber im marsischen Kriege wieder erholte, wurde die andere gelb, und auch die Sena- toren verloren am Ansehen; kurz nachher welkte der statt- liche Baum und ward dürre. Es gab auch einen alten Altar, welcher der Venus Myrtea, welche jetzt Murcia heisst, geweihet war. 37. Gate nennt 3 Arten der Myrte, die schwarze, weisse und die eonjugulische (vielleicht so genannt von den Heit rathen'-), welche zu jener clucianischen gehört. Jetzt theil- man sie auch noch anders ein, nemlich in zahme und wilde, und bei beiden unterscheidet man wieder die breit- blättrigen. Unter die wilden gehört besonders der Myrten- *) Gefährte des Ulysses, schlief betrunken auf dem Dache des Palastes der Circe, fiel herunter und starb. -) conjugia. 11* 164 Fünfzehntes Buch. dorn'). Die zabineu Arten verdanken ihr Entstehen den Kunstgärtnern, als die tarentinische mit kleinen Blättern; die unsrige mit breiten; die sechsreihige mit den dichte- sten, denn sie bilden 6 Reihen. Letztere wird nicht ge- braucht; die beiden andern sind ästig. Ich glaube die con- jugulische heisst jetzt die unsrige. Die Myrte riecht in Aegypteu am schönsten. Cato hat uns gelehrt, aus der schwarzen einen Wein zu bereiten; man solle sie uemlich im Schatten völlig austrocknen und dann in Most thun. Wenn die Beeren nicht zuvor getrocknet würden, erzeuge sich daraus Oel. Nachher hat man erfunden, aus der weissen einen weissen Wein zu machen, wenn man 2 Sex- tarius davon stösst, in 3 Hemina Wein einweicht und aus- presst. Die getrockneten Blätter gebraucht man zu Pulver gestossen als Heilmittel für Geschwüre am menschlichen Körper; diess Pulver ist etwas beissend und kühlt den Schweiss ab. Ja selbst das Oel hat merkwürdigerweise einen weinartigen Geschmack, und besitzt in hohem Grade die Eigenschaft, den Wein zu verbessern, wenn die Seihe- tücher vorher damit durchfeuchtet sind. Es enthält nem- lich Satz 2), lässt daher nur die reine Flüssigkeit hindurch- gehen, und verleihet letzterer, indem es sich damit ver- einigt, einen sehr angenehmen Geschmack. Dünne Zweige davon in der Hand gehalten leisten einem Fussgänger auf langem Wege gute Dienste. Ja, Ringe die aus seinen lleiseru geflochten sind, heilen, wenn kein Eisen daran ist, die Geschwulst der Schamtheile. 38. Auch bei Kriegsangelegenheiten wird die Myrte ge- braucht. Als Postumius Tubertus (der erste welcher zu Pferde in Rom einzog ^), weil er den Krieg milde, ohne •) Oxymyi-sine. Ruscus aculeatus L. 2) faeces. 3) ovans. Eine ovatio, kleiner Triumph, war ein solcher, wo der Feldherr nach erhaltenem Siege nur zu Pferde oder zu Fuss seinen Einzug hielt, und einen MjTtenkranz auf dem Kopfe hatte. Fünfzehntes Buch. 165 Blutvergiessen geführt hatte) währeud seines Consulats über die Sabiner Triumph hielt, war er mit einer Myrte der Venus Victrix bekränzt, und machte dadurch auch den Feinden diesen Baum wünschenswerth. Später diente er zum Kranze der kleineu Triumphatoreu, mit Ausnahme des M. Crassus, der nach dem Siege über die Flüchtlinge und den Spartacus mit einem Lorbeerkranze einzog. Ma- surius erzählt, auch die im Wagen Triumphirenden hätten Myrtenkränze getragen. Nach L. Piso's Berichte pflegte Papirius Maso, welcher zuerst auf dem albanischen Berge über die Corsen triumphirte, mit Myrte bekränzt die cir- censischen Spiele anzusehen. Diess war der Grossvater des zweiten Afrikanus mütterlicher Seite. Marcus Valerius trug in Folge eines Gelübdes 2, einen Lorbeer- und einen Myrtenkranz. 39. Der Lorbeer 1) ist ganz besonders den Triumphen gewidmet, und bildet gewiss den schönsten Pförtner der Wohnungen der Kaiser und Hohepriester; er allein schmückt die Häuser, und bewacht die Schwellen. Cato führt 2 Arten von ihm an, den delphischen und cyprischen. Pom- pejus Lenäus 2) fügt noch eine Art hinzu, die er Mustace nennt, weil er zu den Kuchen 3) gesetzt wird; dieser soll ein sehr grosses, schlaffes und weissliches Blatt haben, der delphische von ähnlicher Farbe, aber mehr grün sein und sehr grosse grünrothe Beeren tragen. Hiermit wurden die Sieger zu Delphi und die Triumphatoreu zu Rom gekrönt. Der cyprische soll kurze, schwarze, am Rande schuppige und krause Blätter haben. Später sind noch folgende Arten hinzu gekommen: Tinus*), worunter Einige den wilden Lorbeer, Andere eine eigne Art verstehen ; und der blaue Beeren hat. Ferner die königliche, welche man jetzt Augusta nennt, deren Stamm und Blatt am grössten unter allen sind, und deren Beeren auch keinen rauhen ') Laurus. Laurus nobilis L. *) Ein nicht näher bekannter Autor. •') Mustacea. sc. liba. '*) Tinus occidentalis L. 166 Fünfzehntes Buch. Geschmack besitzen. Einige meinen, diese beiden seien nicht eins, und sie machen den königlichen zu einer eige- nen Art mit längern und breitern Blättern, nennen ferner einen andern, der am gemeinsten ist und die meisten Beeren trägt, den Beerenlorbeer, den unfruchtbaren aber (was mich sehr wundert) den Siegeslorbeer, weil die Triumphatoren sich desselben bedienten; es sei denn, dass diess vom Kaiser Augustus an mit dem Lorbeer auf- gekommen sei, welcher, wie wir noch anführen werden, ihm vom Himmel gesandt wurde, und der unter allen die geringste Höhe, kleine krause Blätter hat, und selten ist. Hiezu kommt noch in den Kunstgärten der Taxlorbeer, aus dessen Blatte in der Mitte noch ein kleines, wie ein Läppchen heraus wächst. Ausserdem noch der verschnittene, welcher den Schatten ganz vorzüglich liebt, und im Schatten sich weithin ausbreitet. Es giebt auch noch einen wilden strauchigen Zwerg- lorbeer i); ferner den alexandrinischen 2), den Einige den idäischen, Andere Hipoglottion, Danae, Caryophyllon, Hy- pelate nennen. Er schickt spannenlange Aeste von der Wurzel aus, eignet sich für Kunstgärten und zu Kränzen, hat ein spitzeres, weicheres und weisseres Blatt als die Myrte, und zwischen den Blättern rothe Samen. Er wächst sehr häufig auf dem Ida und bei Heraclea in Pontus, je- doch immer nur auf Bergen. Auch diejenige Art, welche die lorbeerartige ^) heisst, hat mehrere Namen; denn Einige nennen sie die pelasgische, Andere das Schönblatt, Andere die Alexanderskrone. Dieser Strauch ist gleichfalls ästig, sein Blatt, welches dicker und weicher als beim echten Lorbeer ist, entzündet beim Kauen Mund und Kehle; die Beeren sind schwarzroth. Die Alten führen an, früher sei in Corsica keine Art Lorbeer gewesen, jetzt wird er dort gepflanzt und gedeihet auch. •) Chamaedaphne. Ruscus hypoglossum L. 2) Ruscus h^'pophyllum L. ^) Daphnoides. Daphne alpina L Fünfzehntes Buch. 167 40. Der Lorbeerbaum ist ein Zeichen des Friedens, und bewirkt selbst, wenn man ihn unter bewaffneten Feinden vorzeigt, Ruhe, Bei den Kömern namentlich wird er als Freuden- und Siegesbote an die Briefe, sowie an die Lanzen und Öpiesse der Soldaten gesteckt. Auch ziert er die Gerichtsbündel der Kaiser. Von diesen wird er in den Schooss des grossen Jupiter niedergelegt, so oft ein neuer Sieg Freude verkündigt, Diess geschieht aber nicht, weil er beständig grünt oder der Friedensbote ist, denn in beiden Stücken musste ihm der Oelbaum vorgezogen werden, sondern weil er der ansehnlichste Baum auf dem Berge Parnassus ist. Aus demselben Grunde liebt ihn auch Appollo, dem nach L. Brutus i) Zeugniss, schon die römi- schen Könige Geschenke zu schicken und um Orakel an- zugehen pflegten. Vielleicht auch zum Beweise, dass dieser Mann, der nach dem göttlichen Ausspruche jenes lorbeer- tragende Land küsste, die öffentliche Freiheit verdient hätte; oder auch deshalb, weil dieser Baum mit der Hand gesäet und in ein Haus aufgenommen, der einzige ist, welcher vom Blitze nicht getroffen wird. Ich wenigstens glaube, dass ihm mehr der eben angeführten Gründe wegen die Ehre bei Triumphen widerfahren sei, als weil er, wie Masurius angiebt, nach der Niederlage des Feindes als Rauchwerk und Reinigungsmittel diene. Es ist daher nicht erlaubt, sich des Lorbeers und Oelbaums zu unheiligen Gebräuchen zu bedienen, und nicht einmal zur Versöhnung der Götter darf davon auf Altären gebrannt werden. Der Lorbeer zeigt (beim Brennen) durch lautes Knistern eine Art Widerwillen oder Abscheu vor dem Feuer; das Holz belästigt auch kranke Eingeweide und Nerven. Der Kaiser Ti- berius soll jedesmal bei Gewittern, aus Furcht vom Blitze er- schlagen zu werden, einen Lorbeerkranz aufgesetzt haben. ') Derselbe, welche die Vertreibung des letzten römischen Kö- nigs Tarquinius im Jahre R. 245 veranlasste , und so die römische Republik begründete. 168 Fünfeebntes Buch. Hiebei müssen wir auch einige merk würdige^ Begeben* heiten aus dem Leben des Kaisers Augustus erzählen. Als Livia Drusilla, welche nach ihrer Verheirathung den Namen« Augusta annahm, mit diesem Kaiser versprochen war, warf ihr ein Adler eine schneeweisse Henne unverletzt aus der Luft in den Schooss. Während sie sich unerschrocken darüber verwunderte, zeigte sich, noch eine Merkwürdig- keit, denn die Henne hielt einen Lorbeerzweig voller Beeren in ihrem SchnabeL Die Vogeldeuter riethen, das Thier und dessen Nachkommenschaft zu erhalten, den. Zweig aber zu pflanzen und sorgfältig zu bewahren. Diess geschah auch auf dem kaiserlichen Landgute, welches an dem Flusse Tiber nahe bei dem 9; Meilensteine auf der flaminischen Strasse liegt, und davon den Namen „ das Haus zu den Hennen" bekommen hat. Der Zweig hat merkwürdigerweise einem ganzen Walde sein Entstehen, gegeben. Aus diesem hielt später der Kaiser beim Tri-- umphe einen Zweig in der Hand, und trug einen Kranz, welche Sitte alle nachfolgenden Kaiser, wenn sie siegreich zurückkehrten, beibehielten. Ebenso wurden die von ihnen . getragenen Zweige jedesmal gepflanzt; es existiren davon, noch die nach ihnen benannten Wälder,, und vielleicht hat man deswegen die Siegeszeichen verändert. Nur allein der Name dieses Baumes wird in der lateinischen Sprache den Männern beigelegt. Bloss sein Laub wird, durch eine eigene Benennung von ihm unterschieden, denn wir nennen es laurea. In Rom giebt es auch einen nach ihm be- nannten Ort, nemlich Loretum auf dem Aventinisehen Berge, wo ehemals ein Lorbeerwald war. Derselbe Baum dient endlich noch zu (feierlichen); Reinigungen, und im Vorbeigehen will ich nur bemei'ken, das« er durch Zweige fortgepflanzt wird, weil Democrit und Theophrast daran, gezweifelt haben. Nun wollen wir von den wilden Bäumen handeln... Sechszehntes Buch. Von den wilden Bäumen. 1. Die unter den bis jetzt beschriebenen Bäumen befind - liehen obsttragenden haben vermöge ihrer milden Säfte den Speisen zuerst einen angenehmen Geschmack ertheilt, und den nothwendigen Nahrungsmitteln Leckerbissen bei- zumischen gelehrt, sei es nun, dass sie ursprünglich diese Lieblichkeit in sich tragen, oder durch den Menschen ihnen dieselbe erst mittelst Annahme anderer oder durch Ver- mischung verschiedener Arten entlockt worden ist, — ein Geschenk, welches auch die wilden Thiere und Vögel von uns empfangen haben. Es läge nun am nächsten, auch die eicheltragenden Bäume aufzuzählen, welche den Menschen zuerst ernährten, als er sich noch in einem arm- seligen und wilden Zustande befand, wenn uns nicht die durch die Erfahrung begründete Bewunderung nöthigte, zu- vor anzugeben, wie diejenigen, in deren Ländern kein Baum oder Strauch wächst, ihr Leben hinbringen. Wir haben viele Völker im Oriente und am Welt- meere angeführt, welchen die Bäume fehlen. Unter andern leben im Norden die sogenannten grossen und kleinen Chaucer, woselbst auf einer Ungeheuern, 2 Tage- und 2 Nachtreisen grossen Strecke der Ocean weit und, breit übertritt, dadurch einen ewigen Streit der Natur her- vorruft und es zweifelhaft lässt, ob dieser Strich zum Fest- lande oder zum Meere gehöre. Hier bewohnt diess armselige^ 170 Sechszehntes Buch. Volk hohe Hügel oder Bühnen, die nach den Erfahrungen, wie hoch die Fluth steigt, mit den Händen errichtet sind und auf welchen ihre Hütten stehen. Sie gleichen den Schwimmenden, wenn das Wasser rund umher alles be- deckt, den Schiffbrüchigen aber, wenn es zurückgetreten ist, und auf die mit dem Meere forteilenden Fische machen sie bei ihren Hütten Jagd. Sie können weder Vieh halten noch Milch trinken wie ihre Nachbarn, ja nicht einmal mit wilden Thieren streiten, denn alles Gesträuch ist aus ihrer Nähe verbannt. Sie flechten sich aus Seetangen und Sumpf- binsen Stricke, um den Fischen Netze zu stellen, trocknen den mit den Händen aufgenommenen Schlamm mehr durch den Wind als durch die Sonne, versetzen damit ihre Nahrung, und erwärmen dadurch ihre von der nördlichen Kälte starren Glieder. Zum Getränk dient ihnen bloss Kegenwasser, welches sie vor ihren Häusern in Gruben aufbewahren. Und dennoch, sollten diese Völker von den Eömern besiegt werden, so würden sie sich für Sclaven halten. Aber so ist es; das Glück verschont Viele zu ihrer eigenen Strafe. 2. Ein anderer Gegenstand der Bewunderung sind die Wälder. Sie erstrecken sich über das ganze übrige Deutschland, und machen es kalt und schattig, der entfern- teste Theil davon ist jedoch nicht weit von den genannten Chaucern, und liegt grösstentheils an 2 Seen. Selbst an den Küsten stehen Eichen im üppigsten Wachsthum; werden diese von den Wogen untergraben oder von den Winden fortgerissen, so nehmen sie vermöge ihres starken Geflechts von Wurzeln ganze Inseln mit sich. Auf diese Weise schiffen sie im Gleichgewichte stehend mit ihren grossen, dem Takelwerk gleichenden Zweigen, haben auch schon oft unsere Flotten in Schrecken gesetzt, denn sie wurden, gleichwie mit Fleiss, von den Wellen auf die Vordertheile der des Nachts vor Anker liegenden Schiffe getrieben und die Mannschaft wusste kein anderes Mittel, als wider die Bäume ein Seetreffen anzustellen. Sechszehntes Buch. 171 In derselben nördlichen Gegend, und zwar in dem liercynischen Walde, übertrifft die ungeheuere Grösse der Eichen, welche Jahrhunderte hindurch nicht berührt worden sind, und mit der Welt gleiches Alter haben, durch ihr fast unsterbliches Loos alle Wunder. Um vieles Andere, was sich nicht verbürgen lässt, zu übergehen, so ist doch so viel bekannt, dass durch die sich begegnenden und zurückprallenden Wurzeln ganze Hügel entstehen, oder da, wo die Erde nicht mitgehobeu ist, sich dieselben bis zu den Zweigen hinauf zu Bögen, gleich offenen Thoren, krümmen, unter denen ganze Keiterhaufen durchkommen können. Alle diese Bäume gehören zu den eichel- tragenden und werden von den Römern stets in Ehren gehalten. 3. Von ihnen machte man die Bürgerkrone i), das rühmlichste Ehrenzeichen eines tapfern Soldaten, seit längerer Zeit auch schon der Gnade der Feldherren, nach- dem mau in den schaudervollen Bürgerkriegen es für ein Verdienst zu halten anfing, einen Bürger nicht zu tödten. Diesen stehen die Mauerkronen 2), Wallkronen 3) und goldenen nach, während sie ihnen dem Werthe nach vorangehen. Auch die Schiffsschnabelkronen *) werden nicht so hoch geschätzt, obgleich sie bis zu unserer Zeit durch 2 Männer hochberühmt geworden sind, nemlich durch M. Varro, der sie, nach den Kriegen mit den Seeräubern, von dem grossen Pompejus erhielt, und durch M. Agrippa, dem sie der Kaiser'') nach den sicilischen Kriegen, welche gleichfalls gegen die Seeräuber geführt waren, zuertheilte. Früher wurden die Schnäbel von den eroberten Schiffen vor dem Rathhause zur Zierde des Marktes aufgestellt, und bildeten so gleichsam eine Krone für das römische Volk selbst. *) Corona ci\-ica. -) murales, welche denen, die im Kriege zuerst die Mauern einer •Stadt erstiegen hatten, verliehen wurden. 3) vallares, für Ersteigung eines Walles verliehen. *; rostratae. *) Augustus. 172 Sechszehntes Buch. Als man aber bei den tribunitischen Aufständen sie zu,- betreten und zu verunreinigen angefangen batte, als die Kräfte des Staates mebr zu besondern Vortbeilen und für einzelne Bürger in Anspruch genommen wurden, und alles unverletzlich Heilige zum Gemeinen herabgewürdigt ward, da wanderten die Schnäbel von den Füssen auf die Köpfe der Bürger. Augustus gab diese Krone dem Agrippa, er selbst aber empfing von der Menschheit die Btirgerkrone. 4. In alten Zeiten gab man nur den Göttern Kränze; Homer theilt sie daher auch bloss dem Himmel und der ganzen Schlacht, nicht aber einem einzelnen Manne, selbst nicht beim Zweikampfe zu. Bacchus soll sich zuerst einen Kranz von Epheu aufgesetzt haben. Nachher bedienten sich ihrer auch diejenigen, welche den Göttern zu Ehren opferten, und schmückten auch zugleich die Opferthiere damit. Seit kurzem haben sie auch in den heiligen Kampf- spielen Eingang gefunden, und heutigen Tages giebt man sie darin nicht dem Sieger, sondern sein Vaterland wird als von ihm gekrönt ausgerufen. Daher entstand der Ge- brauch, dass sie von denen, welche triumphiren wollen, ge- tragen werden, um sie hernach in die Tempel zu weihen; bald darauf wurden sie auch in den Fechterspielen gegeben. Es wäre zu zeitraubend vyid unserm Zwecke entgegen, wenn wir untersuchen wollten, wer unter den Römern zu- erst einen Kranz empfangen habe; denn sie kannten keine andern, als militairische. So viel aber ist gewiss, dass dieses Volk mehr Arten Kränze hat, als alle übrigen Na- tionen zusammen. 5. Romulus setzte dem Hostus Hostilius, dem Grossvater des TuUus Hostilius, einen Laubkranz auf, weil dieser zuerst in Fidena eingedrungen war. Im samnitischen. Kriege, in welchem der Consul Cornelius Cossus den Ober- befehl hatte, wurde der Kriegstribun P. Decius der Vater von dem durch ihn geretteten Kriegsheere mit einem Laub- kranze beschenkt. Die Bürgerkrone war zuerst von Stech- Sechszehntes Buch. 173 eichenlaub '), spä ter zog man es vor, sie aus dem Laube der Speiseiche 2), welche dem Jupiter geheiligt ist, zu machen. Man hat auch abwechselnd die gemeine Eiche dazu genommen, und überall das, was gerade da war, ver- wendet, jedoch behielten nur die eicheltragenden Bäume diese Ehre. Man gab in dieser Hinsicht strenge und hoch- trabende Gesetze, welche man mit jenem höchsten Gesetze der Griechen vergleichen kann, wo der Kranz unter freiem Himmel verliehen wird, und das Vaterland dem, der ihn trägt, freudig die Mauern einreisst. Die Bedingungen, unter welchen ein Kranz ertheilt wird, sind nemlich folgende : Man muss einen Bürger gerettet, einen Feind getödtet, und dieser den Ort, wo es geschehen, noch an demselben Tage inne gehabt haben; der Gerettete muss das Factum aus- sagen, denn Zeugen gelten dabei nicht, und er muss ein römischer Bürger gewesen sein. Die Hülfsvölker verhelfen zu dieser Ehre nicht, selbst wenn einem Könige darunter das Leben gerettet wäre. Auch gewinnt die Ehre nicht dadurch, dass ein Feldherr gerettet ist, weil die Gründer derselben einen jeden Bürger im höchsten Werthe er- scheinen lassen wollten. Der Empfänger darf sich des Kranzes immer bedienen. Kommt er in's Schauspiel, so steht Jeder, selbst der Senator, vor ihm auf; auch darf er sich den Senatoren zunächst niedersetzen. Er ist von allen Diensten frei, und diess erstreckt sich auch auf seinen Vater und Grossvater von väterlicher Seite. Siccius Den- tatus erhielt, wie wir an seinem Orte gesagt haben, 14; der Capitolinus 6, unter diesen auch einen wegen Rettung des Feldherrn Servilius. Africanus wollte wegen der Ret- tung seines Vaterlandes bei der Trebia keinen annehmen. 0, ewig würdige Sitten, welche so wichtige Thaten bloss mit der Ehre belohnten, und, während sie den Werth der übrigen Kronen durch Gold erhöheten, für die Erhaltung eines Bürgers keinen Preis bestimmen wollten! Sie gaben ') iligna. Quercus Ilex L. *) Esculus. Quercus Esculus L. 174 Sechszehntes Buch. dadurch deutlich zu erkennen, dass die Rettung eines Menschen um des Gewinnes willen ein Verbrechen sei. 6. Es ist ausgemacht, dass noch jetzt die Eicheln der ganze Reichthum vieler Völker, auch in Zeiten des Friedens, sind. Jedoch dörret man sie auch bei Mangel an Getreide, macht Mehl daraus, und bäckt diess zu Brot. Ja noch heutigen Tages wird in Spanien die Eichel mit dem Nach- tische aufgesetzt. In Asche gebraten schmeckt sie süsser. Uebrigens ist es durch ein Gesetz in den 12 Tafeln ver- boten, Eicheln, die auf fremden Grund fallen, aufzulesen. Es giebt viele Arten davon. Sie unterscheiden sich durch Gestalt, Vorkommen, Geschlecht und Geschmack, denn an- ders ist die Gestalt der Buchen-, Eichen- und Stecheichen- frucht, und jede Art bietet selbst wieder unter sich Ab- weichungen dar. Sodann sind einige wild, andere zahmer, und diese werden angebauet. Ferner ist es nicht einerlei, ob sie auf Bergen oder in Ebenen stehen; auch giebt es Bäume männlichen und Bäume weiblichen Geschlechts, und endlich weichen sie im Geschmacke von einander ab. Die süsseste Frucht unter ihnen hat die Buche i), mit welcher sich nach Cornelius Alexander die in der Stadt Chius belagerten Einwohner genährt haben. Mir scheint es nicht passend, die Arten durch Namen zu unterscheiden, denn sie heissen hier so, dort so. Während wir nemlich die gemeinen Eicheln überall wachsen sehen, bemerken wir die Speiseiche seltener, und die sogenannte Cerreiche ■■^), die vierte dieser Arten, ist in dem grössten Theile Italiens nicht einmal bekannt. Wir wollen sie daher zur Unter- scheidung ihre Eigenschaften, und da, wo es nöthig ist, auch ihre griechischen Namen zu Hülfe nehmen. 7. Die Bucheiehel gleicht den Kernen, und wird von einer dreieckigen Haut eingeschlossen. Das Blatt ist dünn,. •) Fagus. Fagus hyluatica L. ^) Cerrus. Quercus Cen-is L. Sechszehntea Buch. 175 sehr leicht, dem der Pappel ähnlich, und wird schnell gelb; auf der Mitte desselben entsteht oberhalb sehr häufig eine kleine grüne, an der Spitze stachlichte Beere ^). Die Buch- eicheln lieben die Mäuse ganz vorziiglicl), daher kommen diese mit ihnen zugleich hervor; auch die Siebenschläfer -) werden davon fett, und die Drosseln suchen sie auf. Die Fruchtbarkeit wechselt fast bei allen Bäumen, am meisten aber bei der Buche. 8. Diejenige Frucht, welche man im engern Sinne Eichel nennt, wächst auf der gemeinen Eiche 3), Speiseiche, Cerr- eiche, Stecheiche und Korkeiche^). Sie sitzt in einem rauhen Kelche, der in den einzelnen Arten mehr oder we- niger Haut umschliesst. Die Blätter sind, mit Ausnahme der Stecheiche, schwer, fleischig, lang, an den Seiten aus- geschweift, werden nicht, wie bei der Buche, gelb, wenn sie abfallen, und sind bei den verschiedenen Arten kürzer oder länger. Von der Stecheiche giebt es 2 Arten; das Blatt der in Italien wachsenden weicht nicht viel vom Oel- blatte ab, und diese heisst hei einigen Griechen Smilax '"). Die in den Provinzen wachsende hat stachliche Blätter. Die Frucht dieser beiden Arten ist kürzer und dünner; Homer nennt sie Acylos, und unterscheidet sie durch die- sen Namen von der gewöhnlichen Eichel. Die männlichen Stecheichen sollen nicht tragen. Die beste und grösste Eichel wächst auf der gemeinen Eiche; dann folgt die der Speiseiche; die der Robur ist klein, die der Cerreiche hässlich, rauh und mit stachlichem Kelche wie die Kastanie umgeben. Aber auch unter den eigentlichen Eicheln sind einige süsser, die weiblichen weicher, die männlichen fester. Am meisten werden die sogenannten breitblättrigen geschätzt. Unter sieh weichen. •) Diess ist eine durch Insektenstiche bewirkte Anschwellung des - Blattes. *) Glires. Sciurus Glis L. 3) Robur. Quercus Robur L. und Q. pedunculata Erh. ^) Suber. Quercus Suber L. ^) Diess ist Quereus Ballota Desf. . 176 Sechszehntes Buch. sie in der Grösse und in der mehr oder weniger dünnen Haut, ferner dadurch von einander ab, dass bei einigen die Haut inwendig rostroth und rauh ist, bei andern sogleich ■das weisse Fleisch folgt. Auch lobt man die, an deren Eichel das äusserste Ende an beiden Seiten der Länge nach steinhart, und noch mehr, wenn diess an der Schale, als wenn es am Fleische der Fall ist; beides zeigt sich indessen nur beim Männchen. Ueberdiess haben einige eine eiförmige, andere eine runde, noch andere eine spitzige Gestalt. So giebt es auch dunkler und hellergefärbte, von denen die letztern den Vorzug verdienen. An den äusser- sten Enden sind sie bitter, in der Mitte süss. Ja selbst die verschiedene Länge des Fruchtstiels giebt einen Unter- schied ab. Unter den Bäumen selbst wird derjenige, welcher die :grössten Früchte trägt, Hemeris^) genannt; er ist niedriger als andere, rundum belaubt, und seine ausgebreiteten Aeste sind hohl gebogen. Die gemeine Eiche hat stärkeres und dauerhafteres Holz, sie ist auch sehr ästig, jedoch höher und dicker im Stamm. Am höchsten steigt aber die Knoppereiche 2) , welche gern an unbebaueteu Plätzen wächst. Ihr kommt in der Höhe die breitblättrige am nächsten, eignet sich aber nicht besonders zu Bauten und zu Kohlen. Nach dem Behauen ist sie verschiedenen Fehlern unterworfen, daher wendet man sie ganz an. Die Kohle gebraucht man nur in den Werkstätten der Kupfer- schmiede, und da sie, wenn das Blasen aufhört, sogleich verlöscht, so kann sie öfters wieder angebrannt werden, giebt übrigens sehr viele Funken. Besser ist die Kohle von Jüngern Stämmen. Zur Gewinnung der Kohlen bauet man ganze Haufen von frischen Scheiten mittelst Lehm, wie einen Ofen auf, zündet den Stoss an, und sticht mit Stangen in die hartwerdende Decke, um dem Schweisse ') Quercus pubescens W. Vielleicht gehört auch Q. infectoria "Oliv, hierher. 2) Aegilops. Quercus Aegilops L. Seöhszehntes Buch. 177 (dem Rauche und der Feuchtigkeit) einen Ausweg zu ver- schaffen. Der schlechteste Baum sowohl zu Kohlen als auch zu Bauten ist der sogenannte Haliphlöus ') ; er hat die stärkste Rinde und den stärksten Stamm, und ist meistens hohl und schwammig. Kein anderer aus dieser Gattung als dieser fault schon bei Lebzeiten. In ihn schlägt sogar der Blitz am häufigsten, obgleich er nicht sehr hoch ist; daher darf man sich seines Holzes beim Opfern nicht bedienen. Er trägt selten Eicheln, und im günstigen Falle bittere, die, ausser den Schweinen, kein Thier anrührt, und selbst diese nicht, wenn sie anderes Futter haben. Das gehört auch noch unter die Ueberbleibsel des vernachlässigten Gottes- dienstes, dass man nach verlöschter Kohle opfert. Die Bucheicheln machen die Schweine munter, das Fleisch leicht kochbar, leicht verdaulich und gesund für den Magen; von der Stecheichel werden sie schmal, glän- zend, mager und schwer; von der gemeinen Eichel, welche die schwerste und süsseste ist, am dicksten. Ihr zunächst stellt Nigidius die Cerreichel, denn keine andere hätte ein festeres Fleisch, aber es sei hart. Von der Stech eichel sollen die Schweine krank werden, wenn man sie ihnen nicht nach und nach giebt. Diese fiele am spätesten ab. Das Fleisch der Speiseichel, gemeinen und Korkeichel sei schwammig. 9. Alle Bäume, welche Eicheln tragen, haben auch Gall- äpfel, und ein Jahr um das andere Eicheln. Die Gall- äpfel von der Hemeris sind aber die besten und zur Be- reitung des Leders geeignetsten. Die der breitblättrigen gleichen diesen, sind aber leichter und weit weniger ge- schätzt. Letzterer trägt auch schwarze, (denn es giebt 2 Arten) und diese haben den Vorzug in der Färberei. — Die Galläpfel entstehen, wenn die Sonne aus dem Zeichen *) D. h. Meeninde, die schon oben genannte Korkeiche : Quercus Suber. Wittstein: Plinius. III. Bd. 12 178 Sechszehntes Buch. der Zwillinge tritt, und brechen alle zugleich des Nachts aus; schon nach eintägigem Wachsen werden sie weisser, und wenn sie die Hitze getroffen hat, vertrocknen sie auf der Stelle und bilden sich nicht gehörig aus, d. h. dann haben sie einen Kern von der Grösse einer Bohne. Die schwarzen erhalten sich länger grün, und wachsen zuweilen bis zur Grösse eines Apfels heran. Die besten sind die commagenischen, die schlechtesten die von der gemeinen Eiche. Ihre Güte erkennt man an den durchscheinenden Höhlen. 10. Die gemeine Eiche trägt ausser ihrer Frucht noch vieles Andere; denn auf ihr finden sich beide Arten Gall- äpfel, ferner eine Art Maulbeeren, von denen sie sich aber dui-ch ihre Trockenheit und Härte unterscheiden, welche gewöhnlich Aehnlichkeit mit einem Stierkopfe haben, und eine den Olivenkernen gleichende Frucht einschliessen. Auch Avachsen auf derselben kleine, den Nüssen nicht un- ähnliche Kügelchen, in denen sich weiche Flocken befinden, welche zum Brennen in den Laternen gebraucht werden können, denn sie brennen auch ohne Oel wie die schwarzen Galläpfel. Noch ein anderes, behaartes, Kügelchen trägt sie, welches aber keinen Nutzen hat, jedoch im Frühlinge einen honigartigen Saft enthält. Auch die Verzweigungen der Aeste tragen Kügelchen, die, ohne Stiel, mit dem Körper selbst daranhängen; sie sind am Nabel weiss, in der Mitte scharlachroth, übrigens aber schwarz gefleckt, im Geschmacke bitter und inwendig hohl. Zuweilen kommen auch auf der Eiche steinartige Körper i), ferner aus Blättern zusammengewickelte Kügelchen und auf den rothwerdendcB Blättern wässrige, weissliche und so lange sie noch weich sind, durchscheinende Kerne vor, in welchen sich Fliegen erzeugen, und die, nach Art der Galläpfel, reif werden. 1) Pumices. Se,chszehntes Buch. 179 11. Die gemeinen Eichen tragen auch die Cachrys^), so heisst nemlich ■ ein Kügelchen, welches Brennen verur- sacht und in der Medicin gebraucht wird. Sie wächst auch auf Rothtannen, dem Lerchenbaume, der Weisstanne, der Linde, dem Nussbaume und der Platane, nachdem die Blätter abgefallen sind und dauert den Winter über aus. Sie enthält einen den Pinien ähnlichen Kern, wächst im Winter, im Frühlinge aber öffnet sich das ganze Gewächs und fällt ab, wenn die Blätter auszuschlagen anfangen. So vielerlei tragen die Eichen ausser den Eicheln! Ja selbst essbare Pilze und gemeine Erdschwämme erzeugen sie; diess sind die neuesten Reizmittel des Gaumens, welche an ihren Wurzeln wachsen. Die von der gemeinen Eiche sind am besten, von der Cypresse und Fichte aber schäd- lich. Auch soll auf Eichen die Mistel 2) wachsen, und nach Hesiodus Honig vorkommen. So viel ist bekannt, dass der Honigthau, welcher, wie wir gesagt haben, vom Himmel herabfällt, sich auf kein anderes Laub mehr als auf dieses setzt. Auch weiss man, dass die Eichenasche natron- haltig ist. 12. Doch alle diese Vorzüge werden von der Stecheiche durch die Kermesbeere^) allein übertroffen. Dieses Korn, welches, zuerst wie ein rauher Körper, auf der kleinen stachligen Stecheiche ^) sitzt, heisst Ousculium, und ver- schafft den armen Leuten in Spanien die Hälfte ihrer Ab- gaben. Von ihrer nützlichen Anwendung habe ich bei Ge- legenheit der Muscheln gesprochen^). Sie wächst in Ga- latien, Afrika, Pisidien, Cilicien, die schlechteste in Sardinien. ') Siehe auch XXIV. B. 59 und 60. Cap. -) Viscum. Diess ist nicht Viscum album, sondern Loranthus europaeus. 3) Coccus. *) Hex aquifolia parva. Quercus coccifera L. Die Kermeseiche. *) Vergl. IX. B. 65. Cap. 12* 180 Sechszehntes Buch. 13. Den Agaricus^) bringen vorzüglich die eiclieltragen- den Bäume Galliens hervor. Es ist diess ein weisser, wohlriechender Pilz, der ein wirksames Gegengift abgiebt, auf den Gipfeln der Bäume sitzt und Nachts leuchtet. Durch letztere Eigenschaft ist man im Stande ihn im Fin- stern abzubrechen. Unter den eicheltragenden Bäumen trägt allein die Knoppereiche trockne, von moosartigem grauem Filze bedeckte Lappen, die sowohl von der Rinde, als von den Aesten 1 Cubitus lang herabhängen und, wie bei den Salben angeführt wurde, wohlriechend sind. Der Korkbaum ist der kleinste, und trägt die schlechte- sten und wenigsten Eicheln; nur seine Rinde, welche sehr dick ist, sich wieder ersetzt und nach allen Seiten bis zu 10 Fuss ausbreitet, wird benutzt. Man bedient sich der- selben am meisten zu den Ankertauen der Schiffe, zu Fischernetzen und zu Fassspunden, auch zu Winterschuhen für Frauen. Daher nennen ihn die Griechen nicht un- passend den Rindenbaum; Einige heissen ihn auch den weiblichen Hex, und da wo kein Hex wächst, soll man sich statt seiner des Korkbaumes zu den Arbeiten der Stell- macher bedienen, wie z. B. um Elis und Laeedämon. Er wächst aber weder in ganz Italien, noch überhaupt in Gallien. 14. Auch die Rinden der Buche, Linde, Tanne werden auf dem Lande vielfältig benutzt. Man macht daraus Ge- schirre, Körbe und noch grössere Geräthschaften zur Ein- sammlung des Getreides und der Trauben; auch dienen sie zu Zäunen um die Hütten. Auf die frischen Rinden schreibt der Kundschafter an den Feldlierru, indem er die Buch- staben hineinschneidet, welche dann der Saft kenntlich macht. Auch zu gewissen heiligen Gebräuchen ist die Buchenrinde bestimmt; der Baum (das Holz) selbst aber hält sich nicht. ') Asaiicus drvinus Pers. .Sechszehntes Buch. 281 15. Die eichenen Schindeln sind die besten, dann folgen die von den übrigen eicheltragenden Bäumen und der Buche. Sie lassen sich am leichtesten von den harzführen- den Bäumen machen; diese nutzen sich aber, bis auf die- jenigen von der Fichte, sehr bald ab. Cornelius Nepos be- richtet, Rom sei 470 Jahre lang bis zum Kriege mit Pyr- rhus, mit Schindeln gedeckt gewesen. Wenigstens ist so viel gewiss, dass mehrere Wälder dastanden, durch welche es getrennt wurde; so steht noch jetzt der Jupiter Faguta- lus da, wo ein Buchenhain war; ferner hatte man ein Eichenthor, einen Hügel, von welchem man Reisholz holte, und viele andere Haine, unter ihnen auch einige doppelt '). Der Dictator Q. Hortensius gab, als das Volk sich auf den Janiculus gezogen hatte, auf dem Esculetus das Gesetz, dass alles, was dasselbe befohlen hätte, die Römer thun sollten. 16. Damals hielt man die Fichte, Tanne und alle Bäume, welche Pech tragen, für fremde, weil sie sich nicht bei der Stadt befanden, und von diesen wollen wir jetzt reden, da- mit man zugleich den Ursprung derjenigen Stoffe, die zur Aufbewahrung des Weines dienen, kennen lerne. Einige unter den vorgenannten erzeugen in Asien und im Oriente Pech; in Europa tragen 6 Arten verwandter Bäume das- selbe. Von diesen haben die Fichte 2) und der Pinaster^) ein Blatt, welches so dünn wie ein Haar, lang und stachel- spitzig ist. Die Fichte führt am wenigsten Harz, zuweilen an den Zapfen selbst, von denen wir bereits geredet haben, so dass sie kaum dieser Art zugeschrieben wird *). ') Plinius will wohl damit sagen, manche Haine hätten aus zweierlei Holzarten bestanden. '^) Pinus. Pinus sylvestris L., Kiefer. *) Pinus Pinaster Ait. *) Nämlich den harzfiihrenden Bäumen. 182 Sechszehntes Buch. 17. Der Pinaster ist nichts anderes als ein wilder Fichten- baum, erreicht eine bedeutende Höhe, und breitet sich von der Mitte, die Fichte dagegen erst vom Gipfel an ästig aus. Er giebt mehr Harz, dessen Gewinnungsweise später angezeigt werden soll, gedeihet auch in ebenen Gegeudeu. Die Meisten glauben, diese Bäume wären dieselben, welche unter anderen Namen an der Küste Italiens wachsen und Tibuli heissen, aber letztere sind dünner, kürzer und knoten- los, werden zu liburnischen Fahrzeugen verwendet und enthalten fast gar kein Harz. 18. Die Rothtanne 1) liebt bergige und kalte Plätze; sie ist ein Trauer verkündender Baum; denn man setzt ihn, wenn sich eine Leiche im Hause befindet, vor die Thtir, und bringt ihn grün auf die Scheiterhaufen; jedoch hat man ihn jetzt auch in die Häuser aufgenommen, weil er sich leicht beschneiden lässt. Er liefert das meiste Harz, unter dem auch weisse Kugelchen vorkommen, die dem Weihrauche so ähnlich sind, dass sie, unter diesen gemischt, durch das Auge nicht zu erkennen sind. Hierauf beruht der Betrug mit den seplasischen Salben'-). Die Blätter aller dieser Arten bilden kurze dicke und harte Borsten, ähnlich denen der Cypresse. Die Aeste der Rothtanne hängen gleich von der Wurzel an in massiger Grösse gleich Armen an den Seiten; auf dieselbe Weise auch an der Weisstanne^), deren Holz zum Schiffbau dient. Ihr Stand ist auf den Gipfeln der Berge, als wenn sie vor dem Meere flöhe; auch weicht sie in ihrem Aeussern (von jener) nicht ab. Das Holz passt ganz vorzüglich gut zu Balken und vielen andern Dingen im Leben. Das Harz ist eine Krankheit an ihnen, und vertritt die Stelle der Frucht; bei Sonnenschein quillt es mitunter sparsam her- ') Picea. Pinus Abies L. -) Seplasia. sc. platea, eine Gasse in Capua, wo Salben verkauft wurden. 3) Abies. Pinus Picea L. (Abies pectinata Dec)? Sechszehntes Buch. 183 vor. Dahingegen wird das Holz, welches bei der Weiss- tanne am schönsten ist, von der Rothtanne zu gespalteneu Schindeln, Fässern und noch einigen andern Gegenständen gebraucht. 19. Die fünfte Art hat denselben Standort und dieselbe Gestalt; sie heisst Lärchenbaum i). Sein Holz ist weit vortrefflicher, verdirbt nicht, stirbt nur sehr langsam ab, hat ausserdem eine röthliche Farbe und einen scharfem Geruch. Aus ihm bricht etwas mehr Feuchtigkeit hervor, die die Farbe des Honigs hat, aber zäher ist und nie hart wird. Die sechste Art ist die eigentlicii sogenannte Harz- Fichte'^), welche mehr Saft als die vorige, aber weniger und ihn flüssiger als die Weisstanne hat, auch gern zum Feuer und zu Fackeln bei Opfern gebraucht wird. Dieser, aber nur das Männchen, trägt auch das, was die Griechen Syce nennen, und äusserst stark riecht. Beim Lärchen- baume ist es eine Krankheit, wenn er zum Harzbaume wird. Alle diese Arten brennen mit starkem Rauche, werfen unter knisterndem Geräusche die Kohlen aus und weit um sich her, der Lärchenbaum ausgenommen, der weder brennt, noch sich verkohlt, und durchs Feuer nicht anders verzehrt wird als die Steine. Sie grünen beständig, und werden selbst von Kennern nur schwierig an ihrem Laube unterschieden; so gross ist die Vermischung ihres Ursprungs. Die Weisstanne aber ist weniger hoch als der Lärchen- baum. Dieser hat eine dickere und leichtere Rinde, wolligere, fettere, dichter stehende, weichere und biegsamere Blätter; die Rothtanne dagegen hat einzelne, trocknere, dünnere und steifere Nadeln, ist weit rauher, und mit Harz durchtränkt; das Holz gleicht dem der Weisstanne. Wenn die Wurzeln des Lärchenbaumes verbrannt sind, schlägt er nicht wieder aus, wie es auf Lesbos geschah, als der pyrrhäische Wald in Brand gerathen war. ') Larix. Pinus Larix L. 2) Taeda. Pinus Taeda L. 184 Sechszehntes Buch. Hinsichtlich des Geschlechts bieten diese Arten noch einen andern Unterschied dar. Das Männchen ist niedriger und härter, das Weibchen höher, hat fettere, einfache und nicht steife Nadeln. Das Holz des Männchens ist hart und zeigt sich beim Zimmern gewunden, das des Weibchens weicher, und unter der Axt erkennt man den Unterschied stets ganz deutlich, denn diese dringt in das männliche Holz nur schwierig ein, erzeugt beim Hauen einen grössern Schall und lässt sich nicht so leicht wieder herausziehen. Das Holz selbst ist dürr, und die männlichen Bäume haben eine schwärzere Wurzel. Am Ida in Troas unterscheidet man auch die auf Bergen und die an der Meeresküste wachsenden. Aber in Macedonien, Arkadien und um Elis verwechselt man die Namen, und die Schriftsteller stimmen in dem Namen, welchen sie einer jeden Art beilegen, nicht tiberein; wir unterscheiden sie nach dem Urtheile der Römer. Die Weisstanne ist unter allen die breiteste, und ihr Weibchen streckt die Aeste noch weiter vor; ihr Holz ist weicher und tauglicher, am Stamme runder, die Blätter stehen dicht und gefiedert, so dass sie den Regen nicht durchlassen, und überhaupt hat sie ein gefälligeres Aeussere. Von den Aesten dieser Arten hängen, gleich Büscheln, schuppig vereinigte Nüsse herab, ausgenommen vom Lärchen- baume. Bei der männlichen Weisstanne haben dieselben i) am vordem Theile Kerne, nicht aber bei der weiblichen. Die Rothtannen aber tragen in ihren ganzen Zapfen, welche kleiner und schmaler sind, sehr kleine, schwarze Kerne, werden daher von den Griechen Phthirophoros 2) genannt. An eben diesen stehen bei den Männchen die Früchtchen dichter beisammen, und sind nicht so klebrig von Harz. 20. Ihnen gleicht auch noch im Aeussern, damit wir nichts übergehen, der Eibenbaum 3), welcher schmutziggrün, dünn, traurig und Unglück verkündend ist, keinen Saft ') Nämlich die Früchte (Zapfen). -) Läuseträger. 3) Taxus. Taxus baccata L. Sechszehntes Buch. Ig5 führt, und allein unter allen diesen eine Beere trägt. Die Frucht des Männchens ist schädlich, in den Beeren befindet sich nemlich, besonders in Spanien, ein Gift. Auch hat man die Erfahrung gemacht, dass aus seinem Holze in Gallien gefertigte Reiseflaschen dem darin aufbewahrten Weine tödtliche Eigenschaften verliehen. Sextius ^) sagt, die Griechen nennten ihn Smilax, und in Arkadien sei der- selbe so giftig, dass Personen, welche unter ihm schliefen oder speiseten, stürben. Nach Einigen soll von diesem Baume das Gift, in welches die Pfeile getaucht werden, das taxische genannt sein, das nun den Namen toxisches bekommen hat. Man hat gefunden, dass es unschädlich wird , wenn man einen ehernen Nagel in den Baum ein- schlägt. 21. Den The er 2) bereitet man in Europa aus der Harz^ flehte, und gebraucht ihn zum Dichtmachen der Fahrzeuge und zu vielen andern Zwecken. Das Holz wird in Stücke gesägt, und in einem Ofen, der von aussen allenthalben mit Feuer umgeben ist, geschwelt. Das zuerst Uebergehende läuft wie Wasser in einer Rinne ab, heisst in Syrien Ce- drium und besitzt eine solche Kraft, dass man in Aegyp- ten menschliche Leichname damit übergiesst und dadurch conservirt. 22. Die nachfolgende Flüssigkeit ist schon dicker nnd liefert den The er. Dieser wird auf's Neue in kupferne Pfannen gegossen, und durch Essig verdickt; wenn er ge- ronnen ist, bekommt er den Beinamen brutischer, wird bloss zu Fässern und andern Geräthschaften gebraucht, und unterscheidet sich von dem andern Theer durch seine Zähigkeit, röthliche Farbe und grössere Fettigkeit. Zu allen diesen Operationen dient die Rothtanne; das Harz *) Ein von Plinius häutig benutzter Schriftsteller, dessen Lebens- verhältnisse uns aber nicht bekannt sind. ■■*) Pix liquida. 186 Sechs zehntes Buch, schmilzt man durch heisse Steine in Trögen von starkem Eichenholz oder, wenn man keine Tröge hat, in meiler- artigen Haufen, wodurch es eine schwärzere Farbe be- kommt, stösst es dann zu feinem Mehle #ind thut es in den Wein. Wenn man eben dasselbe Harz mit Wasser gelinde kocht und dann durchseihet, wird es braunroth und zähe, und heisst Tropfharz. Hiezu verwendet man aber in der Regel nur das schlechtere Harz und die Rinde. Das ge- sottene Pech 1) bereitet man auch noch auf andere Weise. Man nimmt nemlich das feinere, rohe Harz nebst vielen kleinen und zarten Spähnen vom Baume ab, zerkleinert und siebt es durch, und kocht es hierauf mit Wasser aus. Das davon durch Auspressen erhaltene Fett giebt ein vor- zügliches, seltenes Harz, was bloss an wenigen Orten Ita- liens in der Nähe der Alpen zu ärztlicher Anwendung ge- wonnen wird. Man kocht dort 1 Congius Harz mit 2 Con- gius Regenwasser. Einige halten für besser, es ohne Wasser einen ganzen Tag hindurch bei gelindem Feuer zu schmelzen, und anderswo bedient man sich dazu eines kupfernen Gefässes. Ferner siedet man dort den Terpen- thin, den man den übrigen Harzen vorzieht, in einer Pfanne. Nach diesem folgt zunächst das Harz des Mastix- baumes. 23. Wir dürfen nicht unberührt lassen, dass eben dieselben unter dem Namen Zopissa das von den Seeschiffen abge- kratzte und mit Wachs vereinigte Pech verstehen (da denn im Leben nichts unversucht gelassen wird), welches sich in jeder Beziehung wirksamer als Pech und Harz zeigt, wenn man es mit einer Schicht Salz bedeckt. Die Rothtanne wird an der Sonnenseite, aber nicht durch einen Längsschnitt, sondern durch das Abziehen der Rinde, meistens in einer Weite von 2 Fuss und in einem Abstände von mindestens 1 Cubitus von der Erde, geöffnet. •) crapula. Sech§zehntes Buch. 187 Mau schont auch selbst des Holzes nicht, wie bei den übrigen Bäumen, weil die Spähne gleichfalls benutzt weiden. Doch schätzt man diese nur, wenn sie dicht von der Erde sind, höher hinauf schmecken sie bitter. Nachher fliesst aller Saft aus dem ganzen Baume in die Wunde und eben- so ist es bei der Harzfichte. Wenn die Wunde nicht mehr fliesst, wird auf dieselbe Weise au einer andern Seite eine neue gemacht, und hierauf noch eine. Dann hauet man den ganzen Baum um, und brennt das Mark aus. So wird auch in Syrien die Kinde von den Aesten und Wurzeln der Terebinthe abgezogen, während man (bei uns) das Harz von diesen Theilen verwirft. In Macedonien brennt man den männlichen Lärchenbaum, von dem weiblichen aber nur die Wurzeln. Theopompus berichtet, im Gebiete der Apolloniater werde ein fossiles Pech gefunden, welches dem macedonischen nicht nachstehe. Das beste Pech wird von Bäumen, welche an sonnigen, gegen Norden gelegenen Orten stehen, gewonnen; das aus schattigen Gegenden ist rauher und führt einen schädlichen Stoff bei sich. In kalten Wintern erhält man es schlechter, in geringerer Menge und bleich. Einige glauben, an bergigen Orten sei es häu- figer, von besserer Farbe, auch süsser und rieche ange- nehmer, so lange es noch Harz sei; durch Absieden liefere es aber weniger Pech, weil es in eine Art Wasser i) über- gehe. Selbst die Bäume wären hier dünner als in Ebenen, und diese sowohl als jene bei heiterm Wetter unfrucht- barer. Einige tragen im nächsten Jahre nach ihrem An- schnitte Frucht, andere im zweiten, noch andere im dritten. Die Wunde füllet sich aber mit Harz an, nicht mit Einde oder durch Vernarbung, denn letztere findet bei diesen Bäumen nicht Statt. Einige haben unter diesen Arten noch eine eigene, Sapium, aufgestellt, weil sie aus der Vermischung jener ebenso entsteht, wie wir es bei den Kernfrüchten gesagt haben; die untersten Theile dieses Baumes nennen sie ') Serum. 188 Sechszehntes Buch. Fackelholz ^). Allein er [ist nichts anderes als ', eine Roth- tanne, deren Wildheit durch die Cultur etwas gemildert ist, denn das Sapiumholz wird, wie ich noch zeigen werde, aus den gefällten Stämmen der übrigen Arten ge- macht. 24. Die übrigen Bäume aber, und ganz vorzüglich die Esche 2), hat die Natur des Holzes wegen hervorgebracht. Die Esche ist hoch und rund, trägt gefiederte Blätter, und ist durch das Lob Homer's und den daraus verfertigten Spiess des Achilles zu grosser Berühmtheit gelangt. Ihr Holz hat vielfache Anwendung. Dasjenige, was auf dem Ida in Troas wächst, gleicht dem Cedernholze so sehr, dass man damit nach abgezogener Einde die Käufer be- trügt. Die Griechen unterscheiden 2 Arten, die lange ohne Knoten, und die kurze, welche härter, dunkler ist und lor- beerartige Blätter hat. Diejenige, welche sich am weitesten ausbreitet und am zähesteu ist, heisst in Macedonien die grosskopfige ^). Andere theilen sie nach ihren Standörtern ein; die in Ebenen wachsenden sollen nämlich krauses und die auf den Bergen dichtes Laub haben. Griechischen Berichten zufolge sind die Blätter dem Zugvieh tödtlich, den übrigen Wiederkauern hingegen unschädlich. In Italien schaden sie selbst dem Zugvieh nicht. Gegen den Biss der Schlangen erweist sich der ausgepresste Saft im Tranke und auf Geschwüre geschlagen heilsam, und zwar mehr als jedes andere Mittel. Der Baum hat eine solche Kraft, dass die Schlangen weder früh Morgens noch Abends in seinen Schatten kommen, dieser mag sich noch so weit ausdehnen, ja selbst weit vor ihm fliehen. Als Augenzeuge berichten wir, dass wenn in einen Kreis dieses Laubes eine Schlange und Feuer eingeschlossen wird, dieselbe eher ins Feuer als in das Eschenlaub läuft. Die Natur zeigt ') Taedae. ^) Fraxinus. Fraxinus excelsior L. 3) ßumelia. Sechszehntes Buch. 189 sich darin ganz besonders gütig, dass der Eschenbaum blühet, bevor die Schlangen hervorkommen, und sein Laub nicht eher fallen lässt , bis diese sich wieder verborgen haben. 25. Der männliche und w^eibliche Lindenbaum i) sind in jeder Hinsicht von einander verschieden; denn das Holz des erstem ist hart, röther, knotig und geruchvoller, die Rinde ist dicker, und nach dem Abziehen vom Stamme unbiegsam, er trägt auch keinen Samen oder Blüthe wie der weibliche, welcher einen dickern Stamm, weisseres und besseres Holz hat. Es ist merkwürdig, dass die Frucht dieses Baumes von keinem Thiere angerührt wird, obgleich der Saft der Blätter und Rinde süss schmeckt. Zwischen der Rinde und dem Holze befinden sich vielfache Lagen dünner Häute, von welchen die Lindenbinden ihren Namen haben; die zartesten von ihnen heissen Philyrae und sind durch die Kranzbinden, welche bei den Alten sehr im An- sehen standen, berühmt geworden. Das Holz wird von Würmern nicht angefressen, ist zwar nicht besonders lang, aber sehr nützlich. 26. Der Ahornbaum 2) wird fast ebenso gross, und steht, was Schönheit und Zartheit der daraus verfertigten Ar- beiten betrifft, nur dem Citrus ^) nach. Es giebt mehrere Arten. Der weisse, von vorzüglicher Schönheit, heisst der gallische, und wächst in Italien jenseits des Po's, sowie hinter den Alpen. Die zweite Art hat krausdurchlaufende Flecke; die bessere Varietät davon führt von der Aehnlich- keit mit dem Pfauenschwanze diesen Namen und findet sich am besten in Istrien und Rhätien. Die schlechtere Art heisst die grobaderige. Die Griechen unterscheiden sie nach ihren Standorten. Die auf Ebenen wachsende soll nämlich weiss, nicht kraus sein, und heisst Glinon*); ') Tilia. Tilia argentea Desf. -) Acer. .^) Vergl. XIII. B. 29. Cap. *) Acer creticum. 190 Sechszehntes Buch. der Bergahorn i) dagegen sei krauser und härter , auch habe der männliche mehr Masse und die daraus gefertigten Arbeiten verdienten den Vorzug. Eine dritte Art, Zygia 2), sei roth, habe ein leicht spaltbares Holz, und eine bleifar- bige, rauhe Rinde. Andere verstehen hierunter eine eigene Gattung, und nennen sie im Lateinischen Carpinus ^). 27. Von besonderer Schönheit ist das Bruscum, und noch viel vortrefflicher das Molluscum; beide sind Auswüchse des Ahorns, das erstere mehr krausgedrehet, das Mollus- cum einfacher geädert, und hätten sie die zu Tischen er- forderliche Grösse, so würden sie ohne Zweifel dem Citrus vorgezogen werden. So aber sieht man sie nur selten an Schreibtafeln und Stühlen als kleine Platten eingelegt. Auch an der Erle 4) findet sich ein Auswuchs, der aber um so viel schlechter ist, als sich die Erle von dem xlhorn selbst unterscheidet. Die Männchen des Ahorns blühen eher; auch zieht man die an trocknen Stellen wachsenden denen von nassen vor, wie diess ebenfalls bei der Esche geschieht. Jenseits der Alpen wächst ein dem weissen Ahorn sehr ähnlicher Baum, welcher Pimpernuss^) heisst und Schoten trägt, deren Kerne wie Haselnüsse schmecken. 28. DerBuxbaumß) steht besonders seines Holzes wegen sehr im Ansehen, denn dasselbe ist selten, und nur in der Wurzel knorrig, empfiehlt sich auch durch eine gewisse milde Ruhe, durch Härte und Blässe, der Baum selbst aber zu Gartenanlagen. Es giebt 3 Arten: den gallischen, der zu Spitzsäulen und auch wohl etwas breiter gezogen wird; ') Acer luontanum L. (A. Pseudoplatanus) und A, platanoides. -) Acer campestre L. ^) Carpinus Betulus L., die Hainbuche. ■*) Alnus. Betula Alnus L. ^) Staphylodendron. Staphylea pinnata L. '') Buxus. Buxus sempervirens L. Sechszehntes Buch. 191 den Oleaster, welcher zu nichts taugt und einen starken Geruch besitzt; endlich den sogenannten unsrigen, welcher, wie ich glaube, ein durch Cultur verbesserter wilder ist, sich mehr ausbreitet, dichte Wände bildet, beständig grünt und sich beschneiden lässt. Der Buxbaum wächst sehr häufig auf den pyrenäischen und cytorischen Grebirgen und in dem berecynthischen Distrikte, wird in Corsika am dick- sten, seine Blüthe ist nicht unansehnlich, macht aber den Honig bitter, und seinen Samen meiden alle Thiere. Auf dem Olymp in Macedonien ist er schlanker aber niedriger. Er liebt kalte, sonnige Standplätze. Im Feuer ist er so hart wie Eisen, giebt weder eine Flamme noch brauchbare Kohle. 29. Zwischen diese und die fruchttragenden Bäume stellt man wegen ihres Holzes und ihrer Freundschaft mit dem Weinstock, die Ulme^). Die Griechen kennen zwei Arten, eine auf Bergen wachsende, welche grösser, und eine in Ebenen, die strauchartig ist. In Italien neunt man die höchsten atinische 2), und zieht unter diesen die trocknen nicht feucht stehenden vor. Die zweite Art heisst die galli- sche, die dritte, welche dichteres Laub und daher mehr Stiele hat, die unsrige, die vierte die wilde. Die atinischen tragen keine Flügelfrüchte (so heisst nämlich der Samen der Ulme) und pflanzen sich durch Wurzelschösslinge fort, während die übrigen aus dem Samen entstehen. 30. Nachdem wir nun die vornehmsten Bäume angeführt haben, müssen wir von allen einige allgemeine Bemerkungen einschalten. Die Ceder, der Lärchenbaum, die Harzfichte und die übrigen, welche Harz liefern, lieben die Berge; desgleichen die Kermeseiche, der Buxbaum, die Stecheiche, der Wachholder, die Terebinthe, Pappel, die Mannaesche ^), M Ulmus. Ulmus campestris und effusa L. 2) Die Varietät Ulmus suberosa Wild. ^) Ornus, Fraxinus Ornus L. 192 Sechszehntes Buch. die Kornelkirsche, die Hainbuche. Auf dem Apennin findet sich ein Strauch, der Cotinus ^ heisst und durch die von ihm kommende Conchylienfarbe bekannt ist , welche aber nur zu leinenen Bändern gebraucht wird. Berge und Thäler liebt die Tanne, Eiche, Kastanie, Linde, Stecheiche und Kornelkirsche. Auf wasserreichen Bergen gedeihen der Ahorn, die Esche, der Speierling, die Linde und Kirsche gut. Nicht leicht sieht man auf Bergen die Pflaume, Gra- nate, den wilden Oelbaum, die welsche Nuss, die Maulbeere, den Hollunder. Auch in die Ebenen steigen herab: die Kornelkirsche, die Haselnuss, die Eiche, Mannaesche, der Ahorn, die Esche, Buche, Hainbuche. Ebenso findet man auch auf Bergen: die Ulme, den Apfelbaum, Birnbaum, Lorbeer, die Myrte, die blutrothen Sträucher -), die Stech- eiche und den zum Färben dienenden Ginster ^), Einen kalten Standort liebt der Speierling, und noch mehr die Birke ^). Diess ist ein gallischer Baum von ausgezeichneter Weisse und Zartheit (der äussersten Rindenschicht), und schreckbar durch die obrigkeitlichen Ruthen; er lässt sich wegen seiner Biegsamkeit zu Tonnenreifen, sowie zu Korbrippen gebrauchen. Die Gallier kochen aus ihr ein Bitumen^). Dort wächst auch ein Dornbaum, welcher zu Hochzeitsfackeln das glückbringendste Gewächs ist, weil, wie Masurius berichtet, die Hirten, welche die Sabinerinnen raubten, die ihrigen daraus gemacht hatten. Jetzt gebraucht man zu Hochzeitsfackeln am meisten die Hainbuche und die Haselstaude. 3L Die Cypresse, welsche Nuss, Kastanie und der Bohnen- baum''') lieben die Nässe nicht. Letzterer ist ein nicht allgemein bekannter Alpenbaum mit hartem, weissem Holze, ») Rhus Cotinus L.? 2) Wahrscheinlich Cornus alba und sanguinea. 3) Genista, G. tinctoria L. ") Betula. B. alba L. ^) Den Birkentheer. ^) Laburnum, Cytisus Laburnum L. Sechszehntes Buch. 193 dessen ellenlange Blütbeu ') die Bienen nicht berühren. Auch steht nicht gern uass der sogenannte Jupitersbart 2), der sich als Zierpflanze empfiehlt, beschneiden lässt, rund und dicht wächst und ein silberfarbiges Blatt hat. Nur an wässrigen Plätzen gedeihen: die Weiden, Erlen, Pappeln, der Siler 3) und die Rainweide, welche die besten Würfel liefert. Ferner die Vaccinia ^), welche man in Italien zum Verkauf pflanzt; in Gallien giebt es aber rothe •■) , mit denen die Kleider der Sclaven gefärbt werden. Alle Bäume, welche auf Bergen und in Ebenen wachsen, werden in diesen grösser und bekommen ein besseres Ansehen; da- gegen haben sie auf Bergen besseres und mehr gemasertes Holz mit Ausnahme der Aepfel- und Birnbäume. 32. Ferner fallen von einigen Bäumen die Blätter ab, andere sind immerwährend grlinbelaubt. Jedoch noch ein anderer Unterschied muss diesem vorhergehen; denn einige Bäume sind gänzlich wild, andere milder, und nach diesen Namen wollen wir sie unterscheiden. Zahme Bäume sind aber diejenigen, welche durch ihre Früchte, ihren Schatten oder durch sonst etwas dem Menschen nützlich werden, und daher nicht unpassend städtische genannt werden könnten. 33. Folgende Arten verlieren ihre Blätter nicht: Der Oelbaum, der Lorbeer, die Palme, Myrte, Cypresse, Fichte, der Epheu, Oleander 0) und (obgleich er ein Kraut ge- nannt wird) der Sadebaum ^). Der Oleander kommt, wie aus dem Namen erhellet, von den Griechen. Einige nennen ihn Neriuni, Andere Rhododaphne; er behält beständig ') Worunter der ganze (traubige) Blüthenstand zu verstehen ist. 2) Jovis barba. Anthyllis cretica W. 3) Siler. Nach Caesalpin: Der Spindelbaum, Evonymus euro- paeus L. *) Vaccinium Myrtillus L. ^) Vaccinium Vitis idaea L. ") Rhododendron. Neriuni Oleander L. ') Sabina. Juniperus Sabina L. Wittstein: PliniuB. III. Bd. J3 194 Sechszeimtes Buch. sein Laub, hat Aehnliclikeit mit der Rose, und einen strauch- artigen Stengel. Für das Zugvieh, die Ziegen und Schafe ist er ein Gift; der Mensch aber gebraucht ihn als Heil- mittel gegen das Gift der Schlangen. Unter den wilden Bäumen behalten die Blätter: Die Tanne, der Lärchenbaum i), der Pinaster, Wachholder, die Ceder, Terebinthe, der Buxbaum, die Stecheiche, Kermes- eiche, Korkeiche, der Eibenbaum, die Tamariske. Das Mittel zwischen beiden Reihen halten der Andrachne in Griechenland und der Unedo allenthalben, denn diese ver- lieren alle Blätter mit Ausnahme der obersten. Auch unter den Sträuchern wirft sie ein Rubus und das Rohr nicht ab. Im thurinischen Gebiete, da wo Sybaris stand, sah man von der Stadt aus eine Eiche, welche die Blätter niemals verlor, auch immer erst nach der ersten Hälfte des Sommers ausschlug; und es ist zu bewundern, dass griechische Schriftsteller diess berichtet, und die unsrigen davon geschwiegen haben. Manche Gegenden besitzen in der That eine solche Kraft, dass z. B. um Memphis in Aegypten und zu Elephantine in Thebais kein Baum, nicht einmal der Weinstock, das Laub verliert. 34. Ausser den früher genannten verlieren alle übrigen (welche aufzuzählen zu lange dauern würde) die Blätter, und man hat bemerkt, dass nur allein die dünnen, breiten und weichen Blätter vertrocknen, und dass die nicht abfal- lenden dick und schmal sind. Es ist eine falsche Meinung, die Bäume, deren Saft fett sei, verlören sie nicht; denn wie lässt sich diess auf die Stecheiche einwenden? Der Mathematiker Timäus glaubt, die Blätter fielen, wenn die Sonne durch den Scorpion gehe, durch die Wirkung des Gestirnes und ein gewisses Gift der Luft, ab. Allein da müssen wir mit Recht bewundern, warum diese Ursache nicht auf alle Bäume gleichen Einfluss ausübe. Von den •) Dieser verliert allerdings jährlich die Nadeln. S^chszehntes Buch. 5^95 meisten Bäumen fällt das Laub im Herbste; einige ver- lieren es später und behalten es bis zum Winter. Die^s richtet sich jedoch nicht nach dem frühem Ausschlagen, denn einige, obwohl sie sehr früh ausschlagen, werden mit am spätesten kahl, wie die Mandeln, Eschen, Hollun- der. Der Maulbeerbaum aber schlägt am spätesten aus, und ist einer der ersten, die die Blätter wieder verlieren. Der Erdboden übt hierbei auch seinen Einfluss aus Von Bäumen, welche an trocknen und magern Plätzen stehen, fallen die Blätter eher ab, desgleichen von alten Bäumen, auch von vielen, ehe die Frucht reif ist; so kann man an der späten Feige, der Winterbirne und dem Grauatbaum3 das blosse Obst an der Mutter hängen sehen. Aber auch auf den Bäumen, welche ihr Laub behalten, bleiben nicht fortwährend dieselben Blätter, sondern es wachsen andere nach, während die alten trocken werden, und diess geschieht vorzüglich in den längsten Tagen. 35. Eine jede Pflanzenart hat nur Blätter von einerlei Beschaffenheit, ausgenommen die Pappel, der Epheu und der Wunderbaum, der, wie wir gesagt haben 1), auch Cici genannt wird. Es giebt drei Arten Pappeln, weisse 2), schwarze^), und die sogenannte Libj^sche*), welche die kleinsten Blätter hat, die schwärzeste ist, und wegen der an ihr wachsenden Schwämme am meisten geschätzt wird. Das Blatt der weissen Pappel ist zweifarbig, oben weiss unterhalb grün. Diese, die schwarze und der Wunderbaum haben anfangs cirkelrunde Blätter, werden dieselben jedoch älter, so gehen sie in Ecken aus. Dahingegen werden die anfangs eckigen Blätter des Epheus rund. Von den Pap- pelblättern fliegt eine sehr grosse Menge Wolle in die Luft''); von der weissen, die, wie schon erwähnt, dichter •) XV. B. 7. Cap. -') Populus alba L. 3) Populus nigra L. ■*) Populus treraula L. 5) Die herumfliegende Wolle kommt nicht von den Blättern, sondern aus den berstenden Früchten. 13* 19(3 Sechszelmtes Buch. belaubt ist, bildet dieselbe weisse lauge Zotteu. Die Blätter des Granat- uud des Mandelbaums sind röthlieh. 86. Ich muss hier eines besonders merkwürdigen Umstan- des erwähnen, den man bei der Ulme, Linde, dem Oel- baume, der weissen Pappel und Weide bemerkt. Ihre Blätter drehen sieh nämlich nach der Sonnenwende herum, und diess ist der sicherste Beweis, dass diess Ge- stirn seinen Lauf vollendet hat; sie bieten auch noch einige allgemeine Unterschiede dar, denn die untere Fläche hat eine grasgrüne Farbe, die obere ist glatter und auf ihr befinden sich die Rippen, die stärkere Haut und die Glieder, die Einschnitte aber unterhalb wie bei der mensch- hchen Hand. Die Blätter des Oelbaums und Epheus sind oben weisser und weniger glatt. Alle Blätter aber wenden sich täglich nach der Sonne, denn auch die untern Theile wollen erwärmt sein. Die obere Fläche hat immer einen wollartigen Ueberzug, der bei einigen Völkern die Stelle der Wolle vertritt. 37. Es wurde bereits angeführt, dass man im Oriente aus Palmenblättern starke Stricke macht, die besonders in der Kasse sehr brauchbar sind. Auch bei uns sammelt man solche Blätter nach der Erute von Palmen ein. Unter diesen sind diejenigen, welche sich nicht zertheilt haben, die bessern. Man trocknet sie 4 Tage lang unter einem Dache, breitet sie dann an der Sonne aus, lässt sie auch des Nachts an der Luft, bis sie weiss und dürr ge- worden sind, und spaltet sie dann zur weitern Verarbeitung. 38. Die breitesten Blätter hat die Feige, der Weiustock und die Platane; schmale die Myrte, der Grauatbaum uud Oelbaum; haarartige die Fichte und Ceder; stachliche die Kermeseiche und die Stecheiche, und der Wachholder statt der Blätter Dornen; fleischige die Cy presse und Ta- mariske; sehr dicke die Erle; lange das Rohr und die Weide; sogar doppelte die Palme; runde die Birne; kurz- Öcchszehntes Buch. 197 stachlichte der Apfelbaum; eckige der Epheii; lappige die Platane; kamraartig eiiigesclinittene die Tanuen; am ganzen Umfange buchtige die gemeine Eiche; auf der Fläche dornige der Brombeerstrauch. Stechende Blätter haben die Fichte, die Tannen, der Lärchenbaum, die Ceder und die Kermeseichen. Einen kurzen Stiel haben die Blätter des Oelbaums und der Stecheiche; einen langen die des Weinstocks, einen zitternden die der Pappeln, welche allein unter sich ein Geräusch machen. Ja selbst aus Früchten, z. B. aus einer Art Aepfeln, wachsen ein, zuwei- len auch zwei Blätter heraus. Bei einigen sitzen sie an den Aesten herum, bei andern an der Spitze derselben, bei der Eiche am Stamme selbst. Bald stehen sie dicht, bald einzeln; die breiten stehen stets mehr vereinzelt. An der Myrte finden sie sich regelmässig geordnet, am Bux- baume hohl, den Apfelbäumen ohne Ordnung. An den Apfel- und Birnbäumen kommen mehrere aus einem Stiele hervor. Bei der Ulme und dem Cytisus sind sie voll kleiner Aeste. Hierzu fügt Cato noch die abfallenden wnd sagt, man solle die Pappel- und Eichenblätter dem Vieh nicht zu trocken geben, und dem Rindvieh auch das Laub von der Feige, Stecheiche und dem Epheu. Man giebt ihnen auch das vom Schilfe und Lorbeer. Vom Speierlings- baume fällt alles Laub auf einmal, von den übrigen Bäumen nur nach und nach ab. So viel von den Blättern. 39. Die jährliche Ordnung in der Natur ist aber fol- gende. Zuerst findet die Befruchtung statt, und zwar wenn der Westwind zu wehen anfängt, etwa am 18. Fe- bruar. Durch ihn wird alles, was aus der Erde hervor- kommt, befruchtet, ja selbst die Stuten in Spanien, wie wir bereits gesagt haben. Er ist der erzeugende Hauch des Weltalls, und hat daher auch, wie Einige glauben, vom brüten i) seinen Namen erhalten. Er wehet gerade von Westen her und eröffnet den Frühling. Die Bauern nennen es die Brunstzeit, wenn die Natur begierig ist, ') favere, davon Favonius. 198 Sechszehntes Buch. Samen zu empfangen und dem ganzen Gewächsreiehe Le- ben damit einzuhauchen. Die Pflanzen werden in ver- schiedenen Tagen und eine jede ihrer Natur gemäss be- fruchtet. Einige tragen bald darauf Früchte, wie manche Thiere; andere erst später und gehen gleichsam länger damit schwanger, was daher das Hervorsprossen *) genannt wird. Sie gebären aber, wenn sie blühen, und ihre Blüthe besteht aus zerrissenen Bälgen. Die Erziehung findet an der Frucht statt; diess ist nämlich auch ein Act des Sprossens. 40. Die Blüthe zeigt den vollen Frühling und das wieder neugeborene Jahr an; sie ist die Freude der Bäume. Dann zeigen diese sich neu und anders als zuvor; dann schwelgen sie bis zum Wettstreite in üppigem Farben- wechsel. Jedoch ist dieser Vorzug sehr vielen unter ihnen versagt, denn nicht alle tragen Blüthen, sondern manche sind traurig, und fühlen die Freuden des Jahreswechsels nicht. Denn weder die Stecheiche, noch die Tanne, Lärche und Fichte freuen sich der Blüthen oder versprechen das Entstehen ihrer Früchte durch jährliche Wiederkehr von bunten Vorboten; auch die zahmen und wilden Feigen blühen nicht, denn mit den Blüthen kommt auch zugleich die Frucht. Bei den Feigen ist das Fehlschlagen mancher Früchte, die reif werden, merkwürdig. Auch der Wach- holder^) blüht nicht. Einige geben 2 Arten davon an, von denen angeblich eine blühe und nicht trage, an der- jenigen aber, welche nicht blühe, entständen sogleich Beeren, die 2 Jahre lang hängen blieben. Allein diess ist unrichtig ^), denn sie sehen alle beständig widrig aus. So entbehrt denn auch das Schicksal vieler Menschen der Blüthe. *) germinatio. -) Juniperus. Juniperus comuiunis L. '•>) Im Gegentheile ist hier des Plinius Ansicht falsch, und das Gesagte richtig. Sechszehntes Buch. 199 41. Alle Bäume aber, selbst die welche nicht blühen, schlagen aus, jedoch findet dabei hinsichtlich des Stand- ortes ein grosser Unterschied statt. Diejenigen von ein und demselben Geschlechte, welche in Sümpfen stehen, kommen zuerst, dann die auf Ebenen und zuletzt die in Wäldern; die Holzbirnen überhaupt aber später als die übrigen Bäume. Sobald der Westwind zu wehen beginnt, schlägt die Kornelkirsche aus, dann zunächst der Lorbeer, kurz vor dem Aequinoctium die Linde, der Ahorn. Unter die ersten gehört ferner die Pappel, Ulme, Weide, Erle und die Nuss. Auch die Platane kommt zeitig. Die übrigen beim Beginn des Frühlings, als die Kermeseiche, Terebinthe, der Judendorn i), die Castanie und die Eichel- bäume. Später der Apfelbaum und am spätesten die Kork- eiche. Bei einigen findet ein doppeltes Ausschlagen statt, was entweder von zu grosser Fruchtbarkeit des Bodens oder von der reizenden Wollust der Luft herrührt; doch trifft man diess mehr bei dem Kraute der Feldsaaten. Bei Bäumen verursacht das zu starke Treiben eine gewisse Erschlaffung. Manchen Bäumen sind, ausser dem im Frühlinge statt- findenden, noch andere Arten des Sprossens natürlich eigen, welche mit ihren Gestirnen im Zusammenhange stehen, und wovon wir die Ursache passender im dritten auf dieses folgenden Buche angeben werden. Der Wiutertrieb ge- schieht beim Aufgange des Adlers, der Sommertrieb beim Aufgange des Hundssterns, der dritte beim Aufgange des Arcturs. Einige glauben, die beiden letzteren seien allen Bäumen gemein, man bemerke sie aber am meisten bei der Feige, dem Weinstock und der Granate, denn um diese Zeit brechen z. B. die Feigen in Thessalien und Macedonien am meisten aus. Doch findet diess in Aegyp- ten am augenscheinlichsten Statt. Die übrigen Bäume ') Paliurus Rhamnus Paliurus L. 200 Sechszehntes Buch. setzen ihren Trieb, wie sie ihn angefangen haben, fort. Die Eiche, Tanne und Lärche setzen 3 mal ab, und treiben 3 Knospen, daher sie auch 3 mal aus der Rinde Augen treiben, was bei allen Bäumen während des Triebes erfolgt, weil durch das Strotzen die Rinde zersprengt wird. Ihr erster Trieb geschieht mit dem Anfange des Frühlings in etwa 15 Tagen; dann treiben sie vom Neuem, wenn die Sonne durch die Zwillinge geht. Daher kommt es, dass die ersten Spitzen von den nachfolgenden durch einen gelenkartigen Anwuchs fortgetrieben zu werden scheinen. Der dritte und kürzeste Trieb fällt in die Zeit der Sonnen- wende , und dauert nicht länger als 7 Tage. Alsdann sieht man auch deutlich die Gliederung der heranwachsen- den Spitzen. Nur der Weinstock treibt zweimal, zuerst wenn er die Trauben ansetzt und zweitens, wenn deren Saft sich ausbildet. Diejenigen, welche nicht blühen, zeigen bloss den Fruchtansatz und ihr Reifwerden. Einige blühen, sobald sie ausschlagen und eilen damit, bringen aber spät reife Früchte, wie z. B. die Weinstöcke. Einige blühen bei sehr spätem Ausschlagen, und reifen schnell, wie der Maulbeerbaum, welcher unter den zahmen am spätesten, und nicht eher, bis keine Kälte mehr eintritt, sich belaubt; daher wird er auch der klügste Baum genannt. Fängt er aber einmal au, so dauert sein ganzes Ausschlagen nicht länger als eine Nacht und ist sogar mit Geräusch verbunden. 42. Von denen, welche, wie wir gesagt haben, im Winter beim Aufgange des Adlers treiben, blühet der Mandelbaum zuerst unter allen im Januar, seine Frucht kommt aber erst im März zur Reife. Demnächst blühen die armeni- schen, knolligen und frühen Pflaumen, jene als Fremdlinge, diese als getrieben. In natürlicher Ordnung aber unter den wilden zuerst der Hollunder, welcher das meiste Mark hat, und der männliche Kornelkirscheubaum, in welchem gar keins ist; unter den zahmen der Apfelbaum, und kurze Zeit darauf, so dass man es zugleich sehen kann, der Sechszehntes Buch. 201 Biiii', Kirsch- und Pflaumenbaum. Nun folgt der Lorbeer, auf diesen die Cypresse, dann die Granate und Feige. Der Weinstoek und Oelbaum aber schlagen erst aus, wenn jene schon blühen; sie treiben beim Aufgange des Sieben- gestirns, diess ist nämlich ihr Gestirn. Der Weinstock, blühet bei der Sonnenwende, und etwas später der Oel- baum. Alle Bäume blühen nicht schneller als in 7 Tagen ab, einige brauchen noch länger dazu, jedoch niemals mehr als 14 Tage, und zwar stets noch vor dem 8. Juli, welcher den Passatwinden vorhergeht. 43. Bei einigen Bäumen folgt auf die Bliithe nicht sogleich die Frucht. Der Kornelkirschenbaum ') bringt um den längsten Tag seine Frucht, und zwar ist sie erst weiss, dann roth. Das Weibchen derselben Art trägt nach dem Herbste herbe und für alle Thiere ungeniessbare Beeren; auch ist sein Holz schwammig und unbrauchbar, während das der Männchen zu den festesten gehört. So gross ist der Unterschied in ein und derselben Art. Aber auch die Terebinthe, der Ahorn und die Esche haben erst zur Zeit dei" Ernte reifen Samen; der Nuss-, Apfel- und Birnbaum, das Winterobst und das frühzeitige ausgenommen, im Herbste. Die . eicheltragenden Bäume noch später, beim Untergange des Siebengestirns, die Speiseiche nur im Herbste, beim Beginn des Winters aber einige Apfel- und Birnarten und die Korkeiche. Die Weisstanne trägt zur Zeit der Sonnen- wende safranfarbige Blüthen und nach dem Untergange des Siebengestirns Samen. Die Fichte und Rothtanne kommen ihm mit dem Ausschlagen beinahe 15 Tage zuvor,, führen aber auch erst gleichzeitig mit ihm Samen. 44. Von dem Citrus, dem Wachholder und der Stecheiche glaubt man, dass sie ihre Früchte 1 Jahr lang tragen, denn die neue hängt zugleich mit der vorjährigen an ihnen. Die meiste Bewunderung verdient aber die Fichte, ') Cornus. Coinus mascula L. 202 Sechszehntes Buch. denn sie trägt zugleich reifende Früchte, solche die im nächsten, und solche die im 3. Jahre reif werden; kein Baum wächst auch begieriger. In demselben Monate, wo man eine Nuss von ihm abbricht, wird wieder eine andere reif, und es ist so eingerichtet, dass in jedem Monate einige reif werden. Diejenigen, welche sich auf dem Stamme selbst aufschlitzen, heissen Dürräpfel i); werden diese nicht abgenommen, so verderben sie die übrigen. ' 45. Unter allen Bäumen sind es folgende, welche keine Frucht, d. h. nicht einmal Samen tragen: die Tamariske, welche bloss um der Besen willen wächst, die Pappel, Erle, atinische Ulme, der Alaternusstrauch 2), dessen Blätter das Mittel zwischen denen der Stecheiche und des Oel- baums halten. Man bezeichnet aber die Bäume, welche weder gepflanzt werden noch Früchte tragen, für unglück- lich und durch die Religion verworfen. Cremutius berich- tet, der Baum, au welchen sich die Phyllis aufgehängt habe, grüne niemals. Die Harzbäume werden nach dem Ausschlagen geöffnet, das Harz aber wird nicht eher dick, bis die Frucht abgenommen ist. 46. Junge Bäume haben, so lange sie wachsen, keine Frucht. Der Palmen-, Feigen-, Mandel-, Apfel- und Birn- baum verlieren ihre Frucht sehr leicht vor der Reife ; ebenso der Granatbaum, von dem sogar durch zu viel Thau und Reif die Blüthen abfallen. Daher biegen sich seine Aeste einwärts, um nicht, in aufrechter Stellung, die schäd- liche Feuchtigkeit aufzunehmen und zurückzuhalten. Der Birn- und Mandelbaum verlieren, auch wenn es nicht regnet, sondern schon bei Südwind und nebligem Himmel ihre ') Azaniae von at^avoj ausdörren. Andere Lesarten haben: Za- iniae von t,7ifiia: Schaden. 2) Alaternus. Rhamnus Alaternus. Dass Phnius die eben ge- nannten Bäume für unfruchtbar hält, beweist nur die OberflächUch- keit seiner Beobachtungen. Öechszehntes Buch. 203 ßliithen und, wenn nach dem Abblühen solche Tage ein- treten, ihre ersten Früchte. Am schnellsten aber verliert die Weide ihren Samen, denn er fällt schon vor der völ- ligen Eeife ab, daher sie auch Homer die Fruchtabv^er- fende ^) nennt. In der Folge hat die Lasterhaftigkeit der Menschen diesem Ausspruche seine Deutung gegeben, denn bekanntlich wird der Same als ein Mittel zur Unfruchtbar- keit der Weiber angewendet. Aber auch hierin zeigte sich die Vorsehung der Natur dadurch, dass sie bei der Weide, welche leicht, und schon aus einem einge- steckten Reise hervorwächst, sorgloser hinsichtlich des Sa- mens verfuhr. Eine Weide jedoch, welche auf der Insel Greta, am Eingange in die Höhle des Jupiters steht, soll ihre Samen zur Reife bringen, diese sind aber hässlieh, holzig und von der Grösse einer Kichererbse. 47. Einige sind in Folge eines fehlerhaften Bodens un- fruchtbar, wie z, B. die, welche im Walde Parus gehauen werden und nichts tragen. Die Pfirsichbäume auf Rhodus blühen bloss. Ein solcher Fall rührt auch von dem Ge- schlechte her, denn die männlichen Bäume bringen keine Früchte hervor. Andere Leute kehren diess um und sagen, die Männchen seien es, welche trügen. Eine andere Ur- sache der Unfruchtbarkeit ist die Dichtigkeit. 48. Unter den fruchtbringenden tragen einige au den Seiten und Spitzen der Aeste, wie die Birn-, Granaten-, Feigen- und Myrtenbäume, übrigens auf dieselbe Weise wie bei den Feldfrüchten; denn bei diesen entsteht auch die Aehre an der Spitze, die Schote an den Seiten. Die Palme allein hat, wie wir gesagt haben, ihre Früchte in Scheiden, aus welchen sie traubig herabhängen. 49. Bei den übrigen sitzt die Frucht unter dem Blatte, damit sie geschützt werde, mit Ausnahme der Feige, denn M Frugiperda. 204 Sechszehntes Buch. diese hat das grösste und schattenreichste Blatt und daher die Frucht über demselben; auch kommt ihr Blatt spä- ter als die Frucht. Man erzählt als eine Merkwürdig- keit von einer Art Feigen in Cilicien, Cyperu und Hellas, welche unter den Blättern sitzen, aber erst nach der Ent- wicklung der Blätter kommen. Es giebt auch Frühfeigen, welche zu Athen die Vorläufer heissen. Unter der la- conischen Art giebt es die grössten. 50. Es giebt Feigenbäume, welche zweimal (jährlicli) tragen. Auf der Insel Cea tragen die wilden Feigen- bäume dreimal. Durch die erste Frucht wird die zweite, uud durch diese die dritte hervorgerufen, und zwar ge- schieht diess durch die Caprification. Die wilden Feigen wachsen auch den Blättern gegenüber. Auch unter den Apfel- und Birnbäumen giebt es solche, welche zweimal tragen, sowie frühe. Der wilde Apfelbaum trägt zweimal; seine zweite Frucht erscheint, besonders an sonnigen Stellen, nach dem Aufgange des Arcturus. Es giebt sogar Weinstöcke, welche dreimal tragen, uud deswegen die un- bändigen heissen, denn man findet au ihnen zugleich reife Früchte, wachsende und Blütheu. M. Varro erzählt, zu Smyrna bei Matrous habe ein Weinstock, uud im consen- tinischen Gebiete ein Apfelbaum zweimal getragen. Diess ge- schieht aber fortwährend in Afrika im tacapensischem Ge- biete (worüber wir später noch ausführlicher reden werden); so gross ist die Fruchtbarkeit jenes Bodens. Auch die Cy- presse trägt dreimal; denn man sammelt von ihr die Kerne im Januar, Mai und September, und diese sind von dreier- lei Grösse. Auch hinsichtlich der Vertheilung der Früchte auf den Bäumen finden sich Verschiedenheiten. Der Erdbeerbaum und die Eiche sind an ihrer obern Hälfte am fruchtbarsten, die Wallnuss- und ordinären Feigenbäume an ihrer untern. Alle Bäume tragen um so zeitiger, je älter sie werden, und namentlich an sonnigen Plätzen, nicht aber in einem fetten Boden; alle wilden Bäume hingegen später. Einige von Sechszehntes Buch. 205 diesen bringen gar nichts zur Reife. Die, welche behackt und an der Wurzel gesäubert werden, tragen schneller als solche, bei denen diess nicht geschieht, sind auch frucht- barer. 51. Einen Unterschied macht ferner das Alter; denn der Mandel- und Birnbaum sind im Alter am fruchtbarsten, ebenso die eicheltragenden Bäume und eine Art Feigen. Die übrigen und die später reifenden in der Jugend, was man am meisten an den Weinstöcken bemerkt, denn die alten geben bessern, die jungen aber mehr Wein. Der Apfelbaum aber altert sehr schnell und trägt im Alter schlechtere Früchte; diese sind nemlich dann kleiner und dem Wurmstich unterworfen, ja die Würmer entstehen so- gar im Baume selbst. Die Feige ist die einzige Frucht, welche durch Insekten zur Reife gebracht wird; sie gehört zu den Seltsamkeiten, weil alles Verkehrte einen höhern Werth hat. Alle Bäume, welche allzu fruchtbar sind, werden schneller alt; ja einige gehen sogleich aus, wenn die Wit- terung alle ihre Fruchtbarkeit hervorgelockt hat, ein Um- stand, der sich bei den Weinstöckeu vorzüglich ereignet. Der Maulbeerbaum hingegen, der durch seine Frucht nicht erschöpft wird, altert sehr langsam; desgleichen werden die Bäume mit aderigem Holze, wie der Ahorn, die Palme und Pa])pel, spät alt; diejenigen aber, welche mau unten aufackert, früher, sehr spät hingegen die wilden. Im Ganzen kann man annehmen, dass Sorgfalt die Fruchtbar- keit, und diese das Alter herbeiführt; daher blühen solche auch früher, schlagen früher aus, und sind überhaupt zeitiger, weil alles, w^as schwach, der Einwirkung der Witterung mehr unterworfen ist. 52. Viele Bäume tragen mehrerlei, wie wir bereits bei den eicheltragenden gesagt haben. Unter diesen hat der Lorbeer seine Trauben, und der, w'elcher nichts weiter trägt, ist sehr unfruchtbar und wird daher für das Männchen gehalten. Auch die Haselsträuche tragen in eine Haut ein- 206 Sechszehntes Buch. geschlossene Kätzchen, welche zu nichts gebraucht werden können. Der Buxbaum aber trägt das meiste Verschieden- artige, nämlich seinen Samen, ferner ein Korn, welches Cratägus genannt wird, gegen Norden die Mistel und gegen Süden den Hyphear i), worüber wir bald mehr sagen werden. Zuweilen enthält er diese 4 Gegenstände zugleich. 53. Einige Bäume wachsen einfach, indem von der Wurzel nur 1 Stamm und (oben) zahlreiche Aeste ausgehen, wie die Oel- und Feigenbäume und Weinstöcke. Andere sind strauchig, wie der Paliurus, die Myrte und die Haselnuss; letztere trägt sogar bessere und häufigere Früchte, wenn sie in viele Aeste zertheilt ist. Andere haben gar keinen Samen, wie eine Art Buxbaum und der überseeische Lotus . Einige haben 2 Stämme , ja man trifft sogar 5 theilige Stämme an. Einige sind getheilt und nicht ästig, wie der HoUunder; andere ungetheilt und ästig, wie die Tannen. An einigen sitzen die Aeste in einer gewissen Ordnung, z. B. an den Tannen; an andern ohne Ordnung, wie an der Eiche, dem Apfel- und Birnbäume. Die Tanne beson- ders zeigt eine gerade Theilung und zum Himmel gerich- tete, nicht flach liegende Aeste. Merkwürdig ist, dass, wenn man die Spitzen derselben abhauet, der Baum ver- trocknet, hingegen am Leben bleibt, wenn sie ganz weg- genommen werden; auch wenn er unterhalb der Zweige abgehauen wird, gedeihet er fort, nimmt man ihm aber nur den Gipfel, so stirbt er. Einige Bäume th eilen sich von der Wurzel an armförmig aus, wie die Ulme. Andere sind an der Spitze ästig, wie die Fichte und der Lotus oder die griechische Bohne 2)^ welche man in Rom von ihrer wohlschmeckenden, zwar wilden aber den Kirschen nahe kommenden Frucht, Lotos nennt. Man zieht ihn be- sonders gern an Häusern, weil er einen kurzen Stamm hat ') Im 93. Cap. dieses Buches. -) Die Dattelpflaume, Diospyros Lotus L Sechszehntes Buch. 207 und durcb seine ausscbweifenden Aeste, die sieh oft bis zu den Nachbarhäusern erstrecken, viel Schatten verbreitet. Kein Baum verleihet auf kürzere Zeit Schatten, denn im Winter hält er die Sonne nicht ab, weil er dann keine Blätter bat; keiner hat eine angenehmere und für die Augen gefälligere Rinde, und keiner längere und stärkere oder mebr Aeste, so dass man sie eben so viele Bäume nennen könnte. Mit seiner Rinde färbt man Häute, und mit der Wurzel Wolle. Von den Aepfeln hat man noch eine bO' sondere Art, die wilden nämlich, welche wie Schnäbel aus- sehen, denn an einem grossen hängen noch mehrere kleine. 54. Einige Aeste sind blind und schlagen nicht aus; diess iceschieht entweder von Natur, wenn sie nicht kräftig genug dazu sind, oder zur Strafe, wenn beim Abhauen die Wunde nicht sorgfältig wieder vernarbt ist. Den Aesten der ge- theilten Bäume entsprechen die Augen des Weinstocks und die Gelenkknoten des Robrs. Alle Theile, welche der Erde am nächsten stehen, sind dicker. In die Länge wachsen die Tanne, Lärche, Palme, Cy presse, Ulme, und die sonst einstämmig sind. Unter die ästigen gehört auch der Kirsch- baum, von dem man 40 Cubitus lange, und überall 2 Cu- bitus dicke Balken findet. Einige breiten sich sogleich in Aeste aus, wie die Apfelbäume. 55. Die Rinde ist an einigen dünn, z. B. am Lorbeer, der Linde; an andern dick, wie an der Eiche; au andern glatt ^ wie am Apfel- und Feigenbaume; an andern rauh, wie an der Eiche und Palme. Bei allen ist sie im Alter runzliger . Bei einigen, z. B. dem Weinstocke, platzt sie von selbst; von einigen fällt sie ab, wie vom Apfelbaume und dem Unedo; bei einigen ist sie fleischig, z. B. bei der Korkeiche und Pappel; häutig, wie bei dem Weinstock und Schilfe ; bastähnlich beim Kirschbaume; vielhäutig beim Weinstock, der Linde und Tanne; einfach beim Feigenbaume und Schilfe. 208 Sechszehntes Buch. 56. Die Wurzeln sind sehr verschieden unter einander. Sehr zahlreiche haben die Feige, Eiche und Platane; kurze und dünne der Apfelbaum; ganz besondere die Tanne und Lärche, denn sie stützen sich darauf, obgleich die kleineu auf die Seiten vertheilt sind. Der Lorbeer hat dickere und ungleiche, ebenso der Oelbaum, bei dem sie auch ästig sind. Die Eiche hat fleischige, tief in die Erde gehende. Wenn wir Virgil glauben wollen, so steigt die Speiseiche mit ihrer Wurzel so tief, als sie mit dem Stamme über der Erde hervorragt. Die Wurzeln des Oelbaumes, des Apfelbaumes und der Cypresse verbreiten sich nur oben unter dem Rasen. Einige laufen gerade aus wie die des Lorbeers und Oelbaumes, andere in Krümmungen, wde die des Feigenbaumes. Einige sind durch kleine Haarfasern rauh wie bei der Tanne und vielen wilden Bäumen, aus denen die Gebirgsbewohner ansehnliche Flaschen und an- dere Gefässe flechten, nachdem sie die dünnen Fasern ab- geschnitten haben. Manche sagen, die Wurzeln gingen nur so tief, als die Sonne sie erwärmen könnte, und diess hänge von dem lockern oder festern Boden ab; allein ich halte diess für unrichtig. Wenigstens findet man bei mehreren Schriftstellern angeführt, dass eine Tanne, welche versetzt wurde, 8 Cubitus tief gehende Wurzeln hatte, und nicht einmal ganz ausgegraben, sondern abgerissen war. Der Citrus hat die ausgedehnteste und vollste Wurzel; hierauf folgen die Platane, Eiche und die übrigen eichel- tragenden Bäume. Bei einigen zeigt sich die Wurzel lebens- kräftiger als der Obertheil, wie z. B. beim Lorbeer; ist daher sein Stamm vertrocknet und man hauet ihn ab, so wächst bald wieder ein neuer hervor. Manche sind der Meinung, dass Bäume mit kurzen Wurzeln eher alt würden; dem widersprechen jedoch die Feigenbäume, welche sehr lange Wurzeln haben und sehr schnell altern. Ich halte auch das, was Andere berichtet haben, für falsch, dass näm- lich die Wurzeln der Bäume durchs Alter sich vermindern; denn ich habe eine alte durch den Sturmwind umgerissene Sechszehntes Buch. 209 Eiche gesehen, deren Wurzeln ein Jugerum Landes ein- nahmen. 57. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass umgeworfene Bäume sich erholt, und in einem Erdrisse wieder ausge- schlagen haben. Bei den Platanen tritt diess oft ein, weil die Aeste wegen ihrer dichten Stellung sehr viel Wind fassen; nachdem diese abgeschnitten sind, werden die da- durch erleichterten Bäume in ihre (selbst gemachte) Grube wiederum eingesetzt. Auf gleiche Weise ist man auch schon mit den Wallnuss-, Oel- und andern Bäumen ver- fahren. Man hat Beispiele, dass viele Bäume ohne Mit- wirkung des Sturmes oder einer andern Ursache als durch ein Wunder niedergefallen und sich von selbst wieder auf- gerichtet haben. Ein solches Ereignis« widerfuhr den rö- mischen Bürgern im cimbrischen Kriege zu Nuceria im Haine der Juno mit einer Ulme, deren Spitze, nachdem sie abgehauen war, weil sie auf den Altar herabhiug, sich von selbs't wieder herstellte, so dass sie bald darauf Blüthen trug, und von dieser Zeit an hob sich das Ansehen des römischen Volkes wieder, welches vorher durch mehrere Niederlagen geschwächt war. Etwas ähnliches soll zu Phi- lipp! mit einer umgefallenen und abgebrochenen Weide, desgleichen zu Stagira im Museum mit einer weissen Pap- pel geschehen sein. Alles diess waren gute Vorbedeutungen. Aber das grösste Wunder ist, dass eine Platane zu Autan- drus von 15 Cubitus Länge und 4 Ellen Dicke, welche s^chon ringsum behauen war, sich von selbst wieder aufge- richtet und gegrünt hat. 58. Bäume, welche uns die Natur liefert, entstehen auf dreierlei Weise, von selbst, aus dem Samen oder aus der Wurzel. Die Kunst kennt noch zahlreichere Methoden, von denen wir jedoch in einem eigenen Buche reden werden i), ') Im XVII. B. VVittstein: Pliuius. III. Bd. 14 210 Sechszehntes Buch. denn jetzt beschäftigen wir uns noch mit der Natur, die uns so vieles Merkwürdige und Wunderbare darbietet. Wir haben nemlich schon gezeigt, dass nicht Jedes überall wächst, und dass Manches, was versetzt wird, nicht fort- kommt. Diess rührt bald von dem Widerwillen, bald von dem Eigensinn, öfters noch von der Zartheit dessen, was versetzt wird, mitunter auch von widerstrebendem Klima oder Boden her. 59. Der Balsambaum wächst nirgends anders, der assyrische Apfelbaum trägt nirgends anders (als in seinem Vaterlande); ebenso geht es mit dem Wachsen oder Tragen der Palme, ja, wenn sie Früchte bekommt, so werden sie nicht reif, gleichsam als wenn sie sie wider Willen hervorgebracht hätte. Der Zimmtstrauch hat nicht die Kraft, in die Nach- barschaft Syriens zu kommen. Die Gewürze Amomum und Nardus vertragen es nicht, zu Schiffe aus Indien nach Arabien zu wandern; einen derartigen Versuch machte nemlich Seleucus. Am meisten muss man sich darüber wundern, dass man Bäume beim Transporte lebend erhält, und zuweilen dem Boden eine solche Beschaffenheit geben kann, dass fremde Bäume darin gedeihen; das Klima aber lässt sich durch kein Mittel verändern, In Italien lebt der Pfeffer bäum, die Cassia selbst im nördlichen Theile dieses Landes; in Lydien ist auch der Weihrauchbäum fortge- kommen. Allein woher soll man die Sonnenstrahlen nehmen, welche allen Saft aus ihnen ziehen, und das Harz voll- kommen ausbilden? Fast ebenso merkwürdig ist es, dass die Natur dieser Bäume sich verändert, und daher in ihren Wirkungen ohne Unterschied dieselbe ist. Die Ceder gab sie den heissen Ländern; sie wächst aber auch auf den lycischen und phry- gischen Bergen, Den Lorbeer hatte sie zur Feindin der Kälte gemacht, und doch ist kein Baum häufiger auf dem Olymp. Am cimmerschen Bosporus in der Stadt Pantica- paeum gaben sich der König Mithridates und die übrigen Einwohner alle mögliche Mühe, wenigstens um der Opfer Sechszehntes Buch. 211 willen Lorbeer und Myrte zu ziehen, allein es glückte ihnen nicht, obgleich es dort warm genug für Bäume ist, auch Granaten, Feigen und die köstlichsten Birnen und Aepfel daselbst wachsen. Auch hat die Natur dort keine an Kälte gewöhnte Bäume erzeugt wie die Fichten und Tannen. Doch was haben wir nöthig bis nach dem Pontus zu gehen? Selbst in der Nähe von Rom kommen die Ka- -stanien und Kirschen, im Tusculanischen die Pfirsiche schwer fort, und kaum lassen sich daselbst die Mandeln acclimatisiren, während es zu Terracina ganze Wälder da- von giebt. 60. Die Cypressei) war vormals bei uns ein Fremdling und gedieh nur sehr mühsam, so dass Cato ausführlicher und öfter von ihr redet, als von allen andern Bäumen. Sie wächst schwer, trägt überflüssig viele Früchte, welche herbe Beeren darstellen, hat bittere Blätter, einen sehr starken Geruch, giebt wenig Schatten, und hat wenig Holz, so dass sie fast zu den Sträuchern gehört. Sie ist dem Pluto geweihet und wird daher vor die Häuser zum Zeichen einer darin befindlichen Leiche gesetzt. Das Weibchen bleibt lauge unfruchtbar. Endlich hat man ihn doch in Form von Spitzsäulen nicht verschmähet, um dadurch we- nigstens die Reihen der Fichtenbäume zu unterscheiden; jetzt aber beschneidet man ihn zu dichten Wänden, und zwingt ihn gleichsam dadurch immer dünn und zart zu bleiben. Man nimmt ihn auch zu Landschafts-Gemälden, und bekleidet Jagden, Flotten und Bilder anderer Gegen- stände mit seinen dünnen, kurzen und immer grünen Blättern. Es giebt 2 Arten : die pyramidenförmige, welche bis zur Spitze hinauf gewunden ist, und das Weibchen ge- nannt wird. Die andere, das Männchen, breitet ihre Aeste nach aussen hin, und wird beschnitten. Von beiden hauet man die Aeste und versetzt sie zu Pfählen und Latten, von denen im 13. Jahre das Stück 1 Denar kostet. Ein ') Cupi-essus. C. sempervirens L. 14* 212 Sechszehntes Buch. Wald solcher Bäume bringt durch seine Anpflanzung ausser- ordentlichen Gewinn; daher nannten auch die Alten solche Pflauzschulen die Mitgift der Töchter. Das Vaterland der Cypresse ist die Insel Greta; zwar nennt Cato sie die ta- rentinische, und, wie ich glaube, deshalb, weil man sie zu- erst dahin gebracht hat. Auf Aenaria wächst sie wieder, wenn man sie abgehauen hat. Auf Creta entsteht sie selbst durch die Kraft der Natur, wenn man irgendwo die Erde aufwühlt, und schiesst bald daranf hervor; anch sogar ohne Bearbeitung des Bodens gedeihet sie, und diess nament- lich auf den idäischen Bergen, den sogenannten weissen Bergen, und den höchsten Jochen, welche immer mit Schnee bedeckt sind, — was merkwürdig ist, da sie anderswo nur iu einem warmen Himmelsstriche fortkommt, und nicht jeder Erdboden ihr zusagt. 61. Bei den Bäumen kommt es nicht nur auf die Be- schaffenheit des Bodens und des Klimas an, sondern auch die zu Zeiten fallenden Regen üben ihren Einfluss aus. Die Wasser führen nemlich meistens Samen mit sich, und enthalten bald diese bald jene Art, zuweilen selbst eine unbekannte. Der letztere Fall ereignete sich im Cyre- naischen, wo zuerst das Laserpitium, wie wir bei den Kräutern noch anführen werden i), hervorkam. So ist auch nahe bei Rom, ungefähr im 430. Jahre der Stadt, ein Wald in Folge eines pechschwarzen dichten Regens entstanden. 62. Der Epheu2) soll jetzt in Asien wachsen; Theophrastus hatte diess geleugnet und gesagt, er fände sich auch nicht in Indien, sondern nur auf dem Berge Meros. Ja Harpalus soll sich alle Mühe gegeben haben, ihn in Medien anzu- pflanzen, doch vergebens; Alexander aber soll der Selten- heit wegen sein Heer damit haben bekränzen lassen und so, gleich dem Bacchus, als Sieger aus Indien zurückgekehrt «) Im XIX. B. 15. Cap. 2) Edera. Hedera Halix L. Se'chszelmtes Buch. / 213 sein. Jetzt schmückt der Epheii den Stab, Helm und Schild dieses Gottes bei den feierlichen Opfern der thracischen Völker. Er ist ein Feind der Bäume und aller Saaten, durchbricht Grabmäler und Mauern, und verschafft den Sehlaugen eine angenehme Kühle, so dass es zu bewundern ist, warum man ihn so in Ehren hält. Seine beiden Hauptarten sind, wie bei den übrigen, das Männchen und. das Weibchen. Das Männchen soll einen grössern Stamm, härtere und fettere Blätter und eine ins Purpurrothe übergehende Blüthe haben. Die Blüthe beider gleicht aber der wilden Rose, nur dass sie nicht riecht. Von diesen Arten giebt es noch 3 Unterarten, denn man hat einen weissen, schwarzen Epheu, und sogenannten Helix. Selbst diese Unterarten werden noch in andere eingetheilt, nemlich in solche mit weissen Früchten, und solche die auch weisse Blätter haben. Von denen mit weisser Frucht haben einige, festere und grössere Beeren, und Trauben, welche in einen Kreis gestellt sind und Doldentrauben genannt werden. Ferner der Mondepheu, mit kleinern Beeren und lockerern Trauben. Eben diess findet sich auch bei den schwarzen. Einige haben schwarzen, andere safrangelben Samen. Derjenige, dessen sich die Dichter zu Kränzen bedienen, hat minder schwarze Blattei- die grössten Doldentrauben unter den schwarzen, und heisst bei Einigen der nysische, bei andern der bacchische. Ei- nige griechische Schriftsteller unterscheiden ausserdem noch 2 Arten nach der Farbe der Beeren, nemlich die rothe und goldfarbige. Der Helix bietet jedoch, und zwar hinsichtlich der Blätter, die meisten Unterschiede dar; diese sind nemlich klein, eckig und netter, während die der übrigen Arten einfach sind. Er weicht ferner ab in der Länge der Ge- lenkschüsse, vorzüglich aber durch seine Unfruchtbarkeit, denn er trägt nichts. Einige meinen, der Grund davon läge im Alter und nicht in der Art, denn was erst Helix sei, werde später Edera. Diess ist ein offenbarer Irrthum, denn man findet mehrere Arten des Helix, aber 3 beson- 214 Sechszebntes Buch. ders kenntliche: eine krautartige und grüne am häufigsten, zweitens eine mit weissen Blättern, und drittens eine bunte, welche die thracische heisst. Auch sind die Blätter der krautartigen zarter, in gewisse Ordnung gestellt und dichter. Bei der andern Art^) sind alle diese Theile ganz anders. Auch unter den bunten findet sich eine Abart mit dünnern und gleichfalls geordnet und dichter stehenden Blättern; bei der andern Art ist diess alles nicht der Fall. Die Blätter sind ferner grösser oder kleiner und ungleich ge- fleckt; bei den weissen auch einige weisser. Die kraut- artige wächst am meisten in die Länge; die weisse aber tödtet die Bäume, und da sie allen Saft in sich zieht, nimmt sie so sehr in der Dicke zu, dass sie selbst ein Baum wird. Man erkennt dieselbe an den sehr grossen und breiten Blättern, an den aufwärts gerichteten Erhöhungen der Rinde 2), die bei den übrigen einwärts gebogen sind, an den stehenden und aufrechten Trauben. Obgleich alle Arten des Epheus wurzelständige Aeste haben, so sind sie doch an dieser am ästigsten und stärksten, und nächst ihr steht in dieser Beziehung der schwarze. Der weisse Epheu hat das Eigenthümliche, mitten zwischen den Blättern Aeste auszuschiessen, und dadurch überall Alles zu umfassen, und diess findet auch an Mauern statt, obgleich er diese nicht umfassen kann. Wenn er auch an mehreren Stellen ab- geschnitten wird, so bleibt er dennoch am Leben, denn er hat so viele Wurzelansätze, als Banken, womit er sich er- hält und feststeht, andere Bäume aussaugt und erstickt. Auch die Frucht bietet einen Unterschied zwischen dem weissen und schwarzen Epheu dar, denn einige haben so bittere Beeren, dass sie kein Vogel anrührt. Es giebt noch einen steifen Epheu, der ohne Stützen steht, und deshalb unter allen Arten allein Cissus genannt wird. Dahingegen heisst der, welcher auf der Erde hinkriecht, Zwergepheu ^). •) Nämlich der Edera. -) maminae. ■'') Chamaecissos. Antirrhinum Asarina L. Sechszehntes Buch. 215 63. Dem Epheu ähnlich ist die zuerst aus Cilicien ge- kommene, in Giiechenlaud aber häufigere sogenannte Stechwinde^); sie hat dichte knotige Stengel, buschichte Zweige mit Dornen, epheuartige, kleine, nicht eckige Blätter, Ranken welche vom Fruchtstiele ausgehen, weisse Blüthen und riecht wie Lilien. Ihre Trauben gleichen denen des wilden Weinstocks, nicht des Epheu, sind roth gefärbt, die grösseren Beeren haben jedesmal 3 Kerne, die kleinern nur einen, welche hart und schwarz sind. Man hält sie bei allen heiligen Gebräuchen und in Kränzen für uuglückbringend, weil sie einen traurigen Ursprung hat; eine Jungfrau dieses Namens wurde nemlich aus Liebe zu einem Jünglinge Crocus in diesen Strauch verwandelt. Der gemeine Mann, der diess nicht weiss, verunreinigt dadurch meistens seine Feste, indem er ihn für einen Epheu hält; denn wer weiss nicht, dass sie sich damit als Dichter, Bacchus oder Silenus bekränzen? Aus der Stechwinde macht man Schreibtafeln, und das Holz hat die Eigenschaft, einen gelinden Laut von sich zu geben, wenn man es au's Ohr hält. Der Epheu soll eine merkwürdige Eigenschaft haben, die ihn zur Prüfung der Weine fähig mache; ein aus seinem Holze gefertigtes Gefäss soll nemlich den reinen Wein hindurch lassen, und das etwa beigemischte Wasser zurückhalten. 64. Unter den Pflanzen, welche einen kalten Standort Heben, müssen wir billig auch die Wassersträucher an- führen. Von diesen nimmt das gemeine Rohr 2), welches durch die Erfahrung im Kriege und Frieden noth wendig geworden, und selbst als Leckerbissen beliebt ist, den ersten Platz ein. Die nördlichen Völker decken damit ihre Häuser, und dergleichen hohe Dächer erhalten sich ganze Menschenalter hindurch. In den übrigen Theilen des Erd- kreises hängt man es an die Decken. Die Halme beson- ') Smilax. Smilax aspera L. ^) Arando. Arundo phragmites L., Schilf. 21^ Sechszehntes Buch. ders der ägyptischen, welche gewissermaassen verwandt mit der Papierstaude sind, dienen zur Bereitung von Pa- pier; doch hält man das gnidische und das, was in Asien am anoitischen See wächst, für besser. Das unsrige ist schwammiger, die Haut zieht Feuchtigkeit an, der Stiel ist innen hohl, zeigt aussen dünnes trocknes Holz, lässt sich spalten, bildet schneidend scharfe Stöcke, und hat Knie- gelenke; ist übrigens dünn, durch Knoten abgetheilt, geht allmählig nach oben spitz zu, und trägt einen dicken Schopf, der nicht ohne Nutzen ist. Man füllt nemlich da- mit, statt der Federn, die Betten in den Wirthshäusern aus; oder, man stösst es wo es holziger und härter ist, wie in Belgien, und kalfatert damit die Schiffe, denn es macht die Fugen dicht, ist zäher als Leim, und eignet sich besser zum Ausfüllen der Ritze, als Pech. 65. Die Völker des Orients führen Kriege mit Rohren i), an welche sie Spitzen befestigt haben, die der daran be- findlichen Widerhaken wegen nicht wieder aus der Wunde gezogen werden können. Den Tod beschleunigen sie da- durch, dass sie das Rohr befiedern 2), und bricht der Pfeil «elbst in den Wunden ab, so wird aus ihm ein neuer. Mit diesen Geschossen verdunkeln sie sogar die Sonne; daher wünschen sie auch vorzugsweise heitere Tage und hassen Wind und Regen, welche sie Friede untereinander zu halten zwingen. Und wenn man nun die Aethiopier, Aegypter, Araber, Indier, Scythen, Bactrier, die vielen sar- matischen und orientalischen Völkerschaften und alle Reiche der Parther zusammenrechnet, so ist ein fast gleich grosser Theil der Menschen auf der ganzen Welt durch Rohr überwunden. Hauptsächlich sind durch seinen Ge- brauch die Krieger in Greta berühmt geworden. Sowie aber in allen übrigen Dingen, besitzt auch in diesem Ita- lien die Krone, denn kein Rohr eignet sich besser zu *) Calami. ^) Weil dadurch der Pfeil schneller fliegt und sein Ziel erreicht» Sechszebntes Buch. 217 Pfeilen, als das im Rhenus, einem bononiensi sehen Flusse wachsende, welches am meisten Mark enthält, dieses Ge- wichts wegen sehr schnell fliegt und selbst gegen den Wind das Gleichgewicht behauptet. Das belgische hat diese Vorzüge nicht. Das cretische gehört zu den bessern, doch wird ihm das indische vorgezogen, unter welchem manches von anderer Beschaffenheit zu sein scheint, da es mit langen Spitzen beschlagen wird und die Stelle der Wurfspiesse vertritt. Das indische Rohr i) ist so gross wie ein Baum, und wir sehen dergleichen häufig in den Tem- peln der Götter. Wie die Indier sagen, unterscheidet sich auch hier das Männchen von dem Weibchen, jenes soll nemlich dichteres, und dieses mehr Holz haben. Wenn wir den Berichten glauben wollen, so dienen einzelne Schüsse -) als Fahrzeuge. Es wächst am meisten um den Fluss Acesines. Aus einem Stocke kommen stets viele Rohre, und schneidet mau sie ab, so wachsen sie noch zahlreicher nach. Die Wurzel ist sehr lebenskräftig, und gleichfalls voller Gelenke. Nur das indische Rohr hat kurze Blätter; diese wachsen aber allemal aus einem Knoten und über- ziehen sich rund herum mit einer dünnen Haut, doch hört diese Bekleidung meistens vom mittelsten Schusse an auf, und sie senken sich nieder. Das Schilf und Rohr haben in der Runde zwei Seiten, da ein ums andere über den Knoten ein Auge ^) ist, so dass abwechselnd eins zur Rechten, das andere an dem höhern Gelenk zur Linken liegt. Hier kommen zuweilen Aeste heraus, welches dünne Rohre sind. 66. Es giebt vom Rohre viele Arten. Eins ist dichter, hat mehr Knoten und kurze Internodien; ein anderes, we- nigere und grössere, und das Rohr selbst ist dünner. Noch ') D. i. Bambusrohr, Bambusa arundinacea L. ^) internodia. ^) inguen. 218 Sechszehntes Buch, ein anderes aber, das sogenannte syringische, ist durchaus hohl, und eignet sieh am besten zu Pfeifen, weil es keinen Knorpel und kein Fleisch hat i). Dasorchomenische ist sogleich mit einer Oeflfnung versehen, und heisst daher das Flötenrohr; es dient besonders zu Flöten, jenes zu Pfeifen. Ein anderes hat einen dickem Holzkörper, eine kleinere Oeffmmg, und ist ganz mit schwammigem Marke angefüllt. Eins ist kürzer, ein anderes grösser, eins dünner und eins dicker. Das strauchigste ist das sogenannte donax -), welches nur im Wasser wächst; denn auch hierin liegt ein Unterschied, weil das an trocknen Stellen vorkommende weit mehr vorgezogen wird. Das Pfeilrohr bildet, wie be- reits erwähnt, eine eigene Art, doch hat das cretische die längsten Internodien, und lässt sich, warm gemacht, be- liebig biegen. Auch die Blätter bieten Unterschiede dar, nicht durch ihre Menge, sondern durch ihre Farbe. Das lakonische hat bunte und an ihrem untersten Theile dich- tere Blätter; solches soll überhaupt am stehenden Wasser wachsen, dem Flussrohre unähnlich, von langen Häuten umkleidet sein, und nach oben an Dicke zunehmen. Es giebt auch ein schiefes Kohr, welches nicht gerade in die Höhe wächst, sondern sich, wie ein Gesträuch auf der Erde ausbreitet, und wegen seiner Zartheit von den Thieren sehr gesucht wird. Einige nennen es das vorzügliche 3). In Italien wächst auch eins, Namens Adarca, in Sümpfen, dessen unmittelbar unter dem Schöpfe befindliche Rinde sehr gut für die Zähne ist, denn sie besitzt dieselbe Kraft wie der Senf. Die Bewunderung des Alterthums nöthigt mich, von den Rohrgebüschen des orchomenischen See's etwas aus- führlicher zu reden. Das dickere und stärkere nennt mau Pfahlrohr 1), das schwächere aber Schwimmrohr''); dieses ist auf schwimmenden Inseln, jenes an den Ufern des aus- getretenen See's entstanden. Eine dritte Art ist das zu *) Saccharum Ravennae L. ^) 6ova§, der gi-iechische Name des Rohrs. Arund o Donax L. 3) elegia. ^) Characias. *) Plotias. Sechszehntes Buch. 219 Flöten dienende Rohr, welches auch deshalb Flötenrohr heisst. Dieses entstand im 9. Jahre; der See erreichte nemlich in diesem Zeiträume seinen hohen Stand, und man hielt es für ein Wunder, wenn er einmal innerhalb 2 Jahren angeschwollen war, was man bei Chaeronea, in der un- glücklichen Schlacht der Athenienser, und öfters zu Lebadia beim Einflüsse des Cephissus bemerkt hat. Wenn nun die Ueberschwemmung 1 Jahr gedauert hat, so bekommt es eine solche Stärke, dass es zum Vogelfange gebraucht werden kann, und heisst alsdann Sprenkelwehr i). Da- gegen fand sich, wenn das Wasser früher zurücktrat, das dünne Seidenrohr 2), dessen Weibchen breitere und weissere Blätter, wenig oder gar keine Wolle haben und wovon die besten den Namen Verschnittene führen. Diess lieferte das Material zu den Flöten, und wir wollen die auf diesen Zweig der Kunst verwendete wunderbare Sorgfalt, welche es verzeihlich macht, dass man jetzt auf silbernen Flöten bläst, nicht mit Stillschweigen übergehen. Bis zur Zeit des Flötenspielers Antigenides, als man sich noch der ein- fachen Spielkunst bediente, pflegte man diess Rohr zur rechten Zeit, wenn der Arcturus scheint, zu schneiden, und so vorbereitet fing es nach einigen Jahren an, brauchbar zu werden. Alsdann musste man es noch durch viele Hebung brauchbar machen, und durch Zusammenziehung der Häutchen ^) die Flöten gleichsam selbst zum Spielen abrichten, wodurch sie geeigneter bei den Schauspielen wurden. Als aber die Veränderung eintrat, dass selbst die Musik zur Ueppigkeit wurde, fing man an, es vor dem längsten Tage abzuschneiden, wodurch es im 3. Jahre seine Brauchbarkeit erlangte, denn die Hautfalten standen jetzt mehr offen, um die Töne zu brechen, und so ist es auch noch heutigen Tages. Damals war man aber noch der Meinung, dass nur Flöten aus ein und demselben Rohre zusammenstimmten, und dass die der Wurzel zunächst ge- ') Zeugites. -) Bombycia. ^) ligulae. 220 Sechszehntes Buch. standene sich zur linken ^), und die der Spitze nächste sich zur rechten eigne. Hiebei gab man denen, welche der Ce- phissus selbst bespühlt hatte, einen weit grösseren Vorzug. Jetzt macht man die Opferflöten der Tuscer aus Buxbaum, die Schauspielflöteu aus Lotus, Eselsknocheu und Silber. Zum Vogelstellen ist das panhormische, und zum Fisch- fange das abaritanische aus Afrika das beste. 67. Das italienische Kohr wird am meisten in den Wein- bergen benutzt. Nach Cato soll man es in feuchtes Erd- reich, welches zuvor mit dem Doppelspaten umgegraben ist, einsetzen, die Augen aber 3 Fuss weit von einander legen. Daneben soll der wilde Spargel 2), aus dem der essbare wird, stehen, denn beide hielten freundschaftlich zusammen; um dasselbe herum aber die Weide, ein Baum, der keinem Wassergewächse an Nützlichkeit nachsteht, während die Pappeln den Weinstöcken gefallen und den cäcubischeu Wein aufziehen, die Erlen, ans Wasser ge- pflanzt, das Land durch ihre Verzäunung schützen, und die Felder gegen den Andrang der anschwellenden Flüsse gleichwie eine Ufermauer bewahren, und, wenn sie behauen sind, noch durch ihre dichtstehenden und zahlreichen Schösslinge nützlich werden. 68. Von der Weide 3) führen wir sogleich mehrere Arten an. Einige nemlich schiessen hoch auf, liefern für die Weingärten die Querlatten, und von ihrer gürtelartigen Rinde Bänder. Andere geben Ruthen, welche die zum Binden nöthige Zähigkeit besitzen; von andern, sehr dünnen, werden feine Flechtwerke gemacht. Noch andere, welche fester sind, dienen zu Körben und viele andere zum Haus- ') Tibia laeva (sinistra) hielt der Pfeifer in der Unken Hand; sie war kürzer als die rechte, hatte mehrere Löcher, und gab einen höhern Ton an. T. dextra hielt er in der rechten; sie war länger, hatte weniger Löcher, und gab einen tiefern Ton an. ^) Corruda. Asparagus acutifolius L. ^) SaUx. Mehrere Species, als fragilis, alba, HeUx etc. Sechszehntes Buch. 221 geräth der Landleute. Nach Hinwegnahme der Riude sind sie weisser, lassen sich leicht biegen, und geben wohlfeilere Geschirre, welche so fest wie aus Leder bereitet, sind, eignen sich auch besonders gut zu bequemen Lehnsesseln. Durch das Behauen wird die Weide fruchtbar, der behauene Theil wird dichter und treibt eher aus einem kurzen Knollen, als Aeste. Dieser Baum verdient daher, wie mir scheint, eine besondere Beachtung; denn keiner giebt sicherere Einkünfte, macht weniger Unkosten, und trotzt der Witterung mehr. 69. Cato räumte der Weide bei der Schätzung eines Land- guts den dritten Platz ein, und setzte ihn vor die Oelbäume, das Getreide und die Wiesen; aber nicht etwa deshalb, weil es au sonstigem Bindwerke fehlt, denn auch die Ginster, Pappeln, Ulmen, rothen Sträucher, Birken, das gespaltene Rohr, die Rohrblätter wie in Ligurien, selbst der Weinstock, die von den Stacheln befreieten Brombeer- sträuche, und der einwärts gedrehete Haselstrauch dienen zum Binden, und es ist merkwürdig, dass, wenn man das Holz von einer dieser Arten klopft, die bindende Kraft er- höhet wird. Die Weide hat jedoch hierin einen besondern Vorzug. Die griechische röthliche wird gespalten; ebenso die weissere amerinische 0, doch ist diese etwas zerbrech- licher, man bindet daher mit dem ganzen Zweige. In Asien kommen 3 Arten vor: die schwarze, welche die besten Flechtruthen liefert, die weisse zum Gebrauche der Land- leute, und die dritte, welche am kleinsten ist und Helix heisst. Bei uns belegen Viele ebenso viele Arten mit Namen; die eine nennen sie Flechtweide oder die purpur- rothe, die zweite, welche zarter ist, die eichhornfarbige, und die dritte, dünnste, die gallische. 70. Die zerbrechlichen Sumpfbinsen 2), welche zu Dächern ') Diess ist keine Weide, sondern Vitex Agnus castus. ^) Scirpi palustres. 222 Sechszelintes Buch. und Decken gebraucht werden, kann man weder zu den Sträuchern, noch zu den Dornen, Stengeln, Kräutern oder sonst wozu rechnen, sondern muss eine eigene Gattung aus ihnen machen. Sie dienen auch, nachdem man die Rinde abgezogen hat, zu Lichtern in Lampen und bei Leichenbegängnissen. An manchen Orten sind sie etwas steifer und fester; denn mit ihnen segeln nicht nur die Schiffer auf dem Po, sondern auch der afrikanische Fischer, welcher, verkehrter Weise, die Segel zwischen den Mast- bäumen aufspannt. Auch bedecken die Mauren ihre Hütten damit, und der genauere Beobachter wird finden, dass diese Binsen dasselbe sind, was am untern Theile des Xils den Gebrauch der Papierstaude vertritt. 7L Unter die strauchartigen Wassergewächse werden auch die Brombeere') und der HoUunder-) gerechnet, welche zu den schwammigen Arten gehörigen, aber doch anders als die Gartenstauden beschaffen sind, denn der Hollunder hat wenigstens mehr Holz. Die Hirten glauben, er gäbe eine besser klingende Trompete und Hörn, wenn sie ihn da abschneiden, wo er das Krähen des Hahnes nicht hört. Die Brombeersträuche tragen maulbeerartige Früchte 3), und auf einer andern Art wächst etwas der Rose ähnliches, welche Hagebutte^) heisst. Die dritte Art heisst bei den Griechen nach ihrem Yaterlaude die idäische ^), ist dünner als die übrigen, hat nicht so viele und weniger gekrümmte Stacheln. Hire Blüthe wendet man mit Honig zum Auflegen auf triefende Augen und auf die Rose an; gegen Magenübel trinkt man auch eine wässrige Abkochung davon. Der Hollunder trägt kleine schwarze Beeren, welche eine zähe, zum Färben der Haare sehr taugliche Feuchtig- keit enthalten; auch werden sie mit Wasser gekocht gegessen. *) Rubus. -) Sambucus. Sambucus nigra L. 3) Diess ist Rubus fruticosus L. ^) Cynosbatos. ^) Rubus idaeus L. Sechszehntes Buch. 223 72. Auch in der Rinde der Bäume befindet sich eine Feuchtigkeit, welche als ihr Blut angesehen werden kann, jedoch nicht bei allen gleich ist. Die Feigen haben einen milchigen Saft, und dieser besitzt die Kraft des Labs beim Käsemachen; die Kirschen einen gummigen, die Ulmen einen speichelartigen, die Aepfel einen zähen und fetten, die Weinstöcke und Birnen einen wässrigen. Die mit zähen Safte begabten leben länger. Ueberhaupt sind die Bäume, gleich den übrigen Thieren, mit Haut, Blut, Fleisch, Nerven, Adern, Knochen und Mark versehen, und ihre Rinde ver- tritt die Stelle der Haut. Eine merkwürdige Erscheinung ist, dass, wenn die Aerzte im Frühling Morgens um die zweite Stunde vom Maulbeerbaume Saft holen wollen, der- selbe durch Anschlagen mit einem Steine ausfliesst, sammelt man ihn dagegen später, so erscheint er trocken. Dann folgt bei den meisten zunächst das Fett, was von seiner Farbe der Splint genannt wird, den weichen und schlech- testen Theil des Holzes bildet, selbst an der Eiche leicht fault, und dem Wurmfrasse ausgesetzt ist, daher stets hin- weggenommen werden muss. Unter diesem liegt das Fleisch, und darunter die Knochen, d. h. der beste Theil des Holzes. Die Früchte wechseln bei denjenigen Bäumen, welche trockenes Holz haben, wie bei den Oelbäumen, mehr ab, als bei denen mit saftigerm Holze, wie z. B. den Kirschen. Auch haben manche Bäume, ebenso wie die reissendsten Thiere, nur wenig Fett und Fleisch. Der Bux- baum, die Kornelkirsche und der Oelbaum haben keins von beiden, auch kein Mark und nur äusserst wenig Blut. Die Speierlinge haben keine Knochen, die Hollunder kein Fleisch, (beide aber sehr viel Mark) und die Rohre fast gar keins. 73. In dem Fleische^) einiger Bäume sind weichere ') D. i. Holze. 224 Sechszehntes Buch. Theile^) und Adern (härtere Fasern). Beide lassen sieh leicht von einander unterscheiden, denn in dem spaltbaren Holze sind die Adern breiter und die weichem Theile weisser. Daher kommt es, dass, wenn man das Ohr an das Ende eines sehr ^angen Balkens hält, man den am andern Ende, selbst mit einem Griffel gethauen Schlag hört, denn der Schall dringt durch die geraden Gänge. Ebenhieraus wird man auch gewahr, ob das Holz gedreht oder durch Knoten unterbrochen ist. An einigen befinden sich Auswüchse, sowie im Fleische Drüsen; in diesen sind weder Adern noch weiche Theile, weil hier das harte Holz gleichsam in sich selbst zusammengewickelt ist. Diess ist eben das schätzbarste an dem Citrus und dem Ahorn. Die übrigen Tische werden aus Bäumen, welche den weichern Theilen entlang gespalten sind, gedrehet, denn das in der Quere geschnittene Holz wäre wegen der Adern zu zerbrechlich. Bei der Buche gehen Querfasern durch weichere Theile, daher standen die daraus bereiteten Ge- fässe bei den Alten im Ansehen. Manius Curius schwor, er habe von der Beute nichts angerührt als eine buchene Giesskanne, um damit zu opfern. Das Holz wird der Länge nach immer lockerer, denn der der Wurzel zunächst befindliche Theil ist der festere. Bei einigen haben die weichern Theile keine Adern, sondern bestehen bloss aus dünnen Fasern, und diese lassen sich am besten spalten. Andere, denen die weichern Theile fehlen, brechen leichter als sie sich spalten, wie die Oelbäume und Weinstöcke. Dahingegen besteht der ganze Körper des Feigenbaumes aus Fleisch. Ganz knochenartig ist es bei der Stecheiche, Kornelkirsche, der gemeinen Eiche, dem Cytisus, dem Maul- beerbaum, dem Ebenbaum, dem Lotos, und denen, welche, wie schon gesagt wurde, kein Mark haben. Die übrigen haben eine schwärzliche Farbe, das Fleisch der Kornelkirsche eine gelbliche, welche an Jagdspiessen schön aussieht, wenn es zur Zierde gelenkweise eiuge- ') Pulpae. Sechszehntes Buch. 225 schnitten ist. Die Ceder, der Lärchenbaum und Wachhol- der haben röthliches. Das Fleisch der weiblichen Lärche, welches bei den Griechen Schildholz heisst, ist von honig- gelber Farbe, liegt zunächst dem Marke, und man hat ge- funden, dass dasselbe für die Tafeln der Maler ewig hält, denn es bekommt keine Risse. Bei der Tanne nennen es die Griechen das steinige. Auch an der Ceder ist das dem Marke am nächsten liegende das Härteste, sowie am Körper die Knochen, wenn man nur den Schleim davon abschabt. Ferner soll das Innere des Holländers ausserordentlich hart sein, denn die Verfertiger von Jagdspiessen ziehen es allen andern vor, weil es aus Haut und Knochen besteht. 74. Diejenigen Bäume, welche geschält, und zu Tempeln und anderm Behufe gerundet werden sollen, muss man fällen, wenn sie ausschlagen, denn sonst kriegt man die Rinde nicht los, der Wurm entsteht darunter, und das Holz wird schwarz. Bauholz und solches, denen die Axt die Rinde nimmt, fällt man vom kürzesten Tage an bis zum Favonius, oder wenn man eher dazu genöthigt ist, beim Untergange des Arcturus, und vor ihm bei Untergange der Leyer i), nach neuestem Dafürhalten aber im Solstitium. Die Tage dieser Gestirne sollen gehörigen Orts angeführt werden 2). Gewöhnlich glaubt man, es sei hinreichend, wenn Bäume nicht eher gehauen werden, bis sie ihre Früchte getragen haben. Im Frühlinge gefälltes Eichen- holz wird wurmstichig, im Winter darf es weder gefahren, noch an die Luft gelegt werden, sonst ist es leicht dem Fehler, sich zu krümmen und zu reissen, ausgesetzt, was bei der Korkeiche selbst dann stattfindet, wenn sie zur rechten Zeit gefällt war. Auch auf den Mond kommt sehr viel an, und man soll nur vom 20. bis zum 30. Tage Holz schlagen; Alle kommen aber darin überein, es geschehe am zweckmässigsten bei der Zusammenkunft dieses Ge- ») Fidicula. -) Siehe XVIII. B. 59. Cap. Wittsteiu: Pliimis. III. Bd. I5 226 Sechszehntes Buch. stirns, welchen Tag Einige den Neumond, Andere den schweigenden Mond nennen. Wenigstens befahl der Kaiser Tiberius, als die Schiffkampfbriicke abgebrannt war, dass die zur Wiederherstellung derselben erforderlichen Lärchen- bäume in Rhätien um jene Zeit gefällt werden sollten^ Einige sagen, es müsse geschehen, wenn der Mond in der Zusammenkunft und unter der Erde sei; diess (letztere) kann aber nur des Nachts eintreten. Fällt die Zusammen- kunft auf den kürzesten Tag, so soll das Holz unveränder- lich bleiben, und ihm zunächst stehe das, was zur Zeit der obengenannten Gestirne geschlagen ist. Einige fügen noch den Aufgang des Hundssterns hinzu und zu dieser Zeit soll das Holz zum Forum des Augustus gefällt worden sein. Doch eignen sich weder ganz junge, noch ganz alte Bäume gut zu Nutzholze. Manche lassen die bis auf's Mark an- gehauenen Bäume noch einige Zeit stehen, was den Nutzen hat, dass alle Feuchtigkeit von ihnen abläuft. Merkwürdig ist die Thatsache, dass im ersten punischen Kriege die Flotte des Feldherrn Duillius schon am 60. Tage, nachdem das Holz dazu gehauen war, absegelte. L. Piso schreibt sogar, eine gegen den König Hiero i) bestimmte Flotte von 220 Schiffen sei in 45 Tagen gezimmert worden. Auch im 2. punischen Kriege war die Flotte des Scipio 40 Tage nach c'er Fällung des dazu verwendeten Holzes segelfertig. Soviel vermag selbst in der grössten Eile die rechte Zeit. 75. Cato, der unter den Männern, welche nützliche Anwei- sungen gaben, den ersten Rang behauptet, sagt über die verschiedenen Hölzer noch folgendes. „Die Presse mache vorzugsweise aus der schwarzen Tanne. Ulmen, Fichten, Nussbüume und alles andere Bauholz musst du im abneh- menden Monde Nachmittags wenn kein Südwind weht, und zwar dann ausgraben, wenn der Same reif ist. Hüte dich, ') Hiero II. Sohn des Hierokles, ward -270 König von Syrakus und regierte bis 215 v. Chr. Er soll Bücher über den Ackerbau ge- schrieben haben. S'echszehntes Buch. 227 es durch Thau zu ziehen, oder in demselben zu behauen." Weiter fügt derselbe hinzu: „Rühre das Holz nur beim Neumonde oder halben Monde an. Grabe es alsdann nicht aus oder haue es an der Erde ab; die nächsten sieben Tage nach Vollmond sind, die besten zum Ausgraben. Hüte dich überhaupt, schwarzes Holz zu behauen, zu fällen oder zu berühren, wenn es nicht trocken, auch dann nicht, wenn es gefroren oder bethauet ist." Tiberius liess sich immer nur beim Neumonde die Haare schneiden. M. Varro räth wider das Ausfallen der Haare, man solle sich die- selben gleich nach dem Vollmonde schneiden lassen. 7(3. Aus der gefällten Lärche und noch mehr aus der Tanne, fliesst der Saft noch lange Zeit aus; sie sind unter allen Bäumen die höchsten und geradesten. Zu Mastbäu- men und Segelstangen zieht man, der Leichtigkeit wegen, die Tanne vor. Sie haben das mit der Fichte gemein, dass sie 4theilige oder 2 theilige oder bloss einzelne Ader- läufe enthalten. Zu den innern Arbeiten der Tischler lässt sich das Mark zerschneiden. Das beste Holz haben die 4 aderigen; auch ist es weicher als an andern Bäumen. Sachkundige sehen diess ^) gleich an der Rinde. Der der Erde zunächst stehende Theil der Tanne hat keine Kno- ten; er wird auf die bereits angezeigte Weise gewässert und geschält und heisst nun Saftstück 2). Der obere Theil ist knotig, härter und heisst das Knorrenstück 3). An den Räumen selbst aber ist die Nordseite die kräftigere. Ue- berhaupt liefern die auf feuchtem und schattigem Boden wachsenden Bäume schlechteres, die von sonnigem Boden dagegen dichteres und dauerhafteres Holz. Daher werden zu Rom die Tannen aus Unteritalien denen von Oberitalieu vorgezogen. Auch ist es nicht einerlei, aus welcher Gegend sie kommen. Auf den Alpen und dem Apennin, in Gallien auf dem Jura und den Vogesen, ferner in Corsica, Bithy- ') Nämlich, ob ein Stamm 4aderig ist. -) Sapinus. ^) Fusterna von fustis, Knüttel. 15* 228 Sechszehntes Buch. uien, Pontus uud Macedouieu fiudeu sich die besten. Schlechter sind die äueatisclien und arcadischen, am schlech- testen die parnassischen und euböischen, weil diese viel Aeste und Knorren haben und leicht faul werden. Die Ceder von Greta, Afrika und Syrien ist die beste. Holz, was mit Cederöl bestrichen ist, wird weder wurmstichig noch faul. Dieselbe schützende Kraft besitzt der "Wach- holder. Dieser wird in Spanien, besonders im Gebiete der Vaccäer sehr gross; sein Mark ist auch überall fester als das der Ceder. Ein allgemeiner Fehler alles Holzes sind die Krümmungen '), wo sich die Adern und Knoten in ein- ander gewickelt haben. In einigen Bäumen finden sich auch, ebenso wie im Marmor, sogenannte Härten -), welche so hart wie ein Nagel sind und den Sägen sehr schaden; einige von diesen kommen zufällig in den Baum, wenn ein Stein oder ein Ast eines andern Baumes ins Holz ein- wächst. Zu Megara stand lange Zeit hindurch ein wilder Oel- baum auf dem Markte, an welchem tapfere Männer ihre Waffen befestigt hatten, die mit der Zeit durch die da- rüberwachseude Rinde verborgen wurden. Dieser Baum ward unheilbringend für die Stadt, denn das Orakel hatte ihr den Untergang prophezeihet, wenn ein Baum Waffen trüge; diess war denn auch der Fall, als man den Baum umhieb, denn mau fand darin Beinharnische uud Helme. Man sagt, die Steine welche man in Bäumen fände, wären ein Mittel, die Frucht zu erhalten. Für den grössten Baum bis auf diese Zeit wird der gehalten, welchen man in Rom gesehen hat, und den der Kaiser Tiberius der Merkwür- digkeit wegen auf derselben Schiffkampfbrücke *) nebst dem übrigen Holze hatte ausstellen lassen, und der daselbst bis zum Bau des Amphitheaters des Kaisers Nero blieb. Man hatte auch einen Balken von einem Lärchenbaume, der 120 Fuss lang und überall 2 Fuss dick war. Hieraus ') Spirae. ^j Centra. 3) pons iiauniachiarius, von der im 74. Cap. die Rede war. Sechszehntes Buch. 229 konnte man abnehmen, dass seine ganze Höhe bis zuv Spitze fast ins Unglaubliche ging. In unserer Zeit fand sich auch einer, den M. Agrippa in den Gallerien der .Schranken i) der Merkwürdigkeit wegen liegen gelassen hatte,- der bei dem Bau des Diribitorium's 2) übrig geblieben, 20 Fuss kürzer, und anderthalb Fuss dick war. Eine ganz besonders bewuudernswerthe Tanne sah man auf einem Schifife, welches auf Befehl des Kaisers Cajus den auf dem vaticanischen Circus errichteten Obelisk und 4 Steinblöcke zu dessen Grundlage aus Aegypten brachte; und gewiss trug das Meer nie etwas Staunenswertheres als dieses Schiff, denn es führte 120,000 Modius Linsen als Ballast. Seine Länge nahm grösstentheils den linken Raum des ostiensischen Hafens ein, denn dort Hess es der Kaiser Claudius nebst drei auf demselben aus puteolanischer Erde erbaueten thurmhohen Massen versenken. Um den Baum zu umspannen, waren 4 Menschen nothwendig. Man hört insgemein, dass Stämme zu Mastbäumen für 80 und mehr Sesterzen, die meisten daraus zusammengesetzten Flösse aber für 40,000 Sesterzen verkauft werden. Die Könige in Aegypten und Syrien sollen aus Mangel au Tannen, Cedern zu ihren Flotten genommen haben. Die grösste von diesen war angeblich in Cypern zu der elfrudrigen Galeere des Demetrius gefällt, 130 Fuss lang, und so dick, dass erst 3 Männer sie umspannen konnten. Die deutschen Seeräuber fahren in einzelnen ausgehöhlten Bäumen, von denen manche 30 Menschen tragen. Für das dichteste, mithin auch das schwerste Holz hält man den Eben- und Buxbaum, welche beide von Na- tur dünn sind; keines von beiden schwimmt in Wasser, auch nicht das Korkholz nach hinweggenommener Rinde, und das Lärchenholz, Von den übrigen hat der in Rom sogenannte Lotus das trockenste; auf diesen folgt die vom ') septa, innerhalb welchen das römische Volk in Comitiis votirte. ■-) sc. aedificium, ein Gebäude, wo die Täfelchen zum Votiren ausf'etheilt wurden. 230 Sechszehntes Buch. Splinte befieiete Eiche, deren Farbe schwärzlich ist, noch mehr aber ist diess beim Cytisus der Fall, welcher dem Ebenholze am nächsten zu kommen scheint. Doch behaup- ten Viele, die syrischen Terebinthen seien schwärzer. Auch rühmt man einem gewissen Thericles, der aus Tere- binthenholze Becher mit dem Dreheisen, welches zum Untersuchen des Holzes dient, verfertigt habe. Dieses Holz ist das einzige, welches mit Oel geschmiert und da- durch besser wird. Seine Farbe wird dadurch sehr ver- fälscht, dass man Holz vom Nussbaum und der wilden Birne färbt und in irgend einem Mittel abkocht. Alle eben genannten Hölzer sind dicht und fest. Ihnen zunächst kommt die Kornelkirsche; da ihr Holz aber so ausseror- dentlich dünn ist, kann man es fast zu nichts andern als zu Radspeichen, oder wenn etwas im Holze zu verkeilen oder wie mit eiserneu Nägeln zu befestigen ist, gebrauchen ; desgleichen die Stecheiche, der wilde und zahme Oelbaum, die Kastanie, Hainbuche und Pappel. Letztere hat, gleich dem Ahorn, krauses Holz, und eignet sich ganz besonders zum Bauen, wenn man die Aeste oft abhauet; durch eine solche Verstümmlung werden ihr aber die Kräfte genommmen. Uebrigens haben die meisten von diesen, namentlich aber die Eiche, eine solche Härte, dass sie nur im befeuchteten Zustande gebohrt werden können, und ein eingeschlagener Kagel nicht wieder heraus zu reissen ist. Dahingegen haftet kein Nagel im Cederholze. Am weichsten und wie es scheint auch am wärmsten, ist das Lindenholz, denn es macht, wie mau sagt, die Aexte sehr schnell stumpf. Auch die Maulbeere, der Lorbeer, der Epheu und alle die, aus denen man Feuerzeuge fertigt, haben warmes Holz. 77. Die Kundschafter im Lager und die Hirten erfanden den Gebrauch der Feuerzeuge, weil mau nicht immer Steine zum Feuerschlagen bei der Hand hat. Man reibt nämlich Holz an Holz, bis es Feuer fasst, und fängt diess in trocknem Zunder, Schwämme oder Blatte sehr leicht auf. Nichts eignet sich besser, um gerieben zu werden als Sechszehntes Buch. 231 Epheu-, und zum Reiben als Lorbeerliolz. Auch eine Art wilden Weins, aber verschieden von der Labrusca, welche ebenso wie der Epheu an Bäumen hinauf klettert, passt recht gut dazu. — Alle Wassergewächse sind sehr kalt, aber sehr zähe, und daher zur Verfertigung von Schilden ganz besonders verwendbar, denn ein hineingekommener Hieb- riss zieht sich bald wieder zusammen , und die Wunde schliesst sich, daher Eisen nur mit Mühe hindurchgeht. Hierher gehören die Feigen, Weide, Linde, Birke, derHoUunder und die Pappeln. Unter diesen ist die Feige und Weide am leich- testen,unddaher am nützlichsten; alle aber eignen sich zu Kisten und zu geflochtenem Behältern. Sie sind auch weiss, steif und leicht zu Schnitzwerken zu verarbeiten. Die Platane und Erle sind zähe aber nass. Letztere ist trockner als die Ulme, Esche, Maulbeere und Kirsche, aber schwerer. Die Ulme behält ihre Steifigkeit am längsten, daher i3as8t sie sehr gut zu Angeln und dichten Besetzungen i) der Thüren, weil sie sich fast gar nicht krümmt, nur muss man sie so stellen, dass ihre Spitze nach der untern Angel, ihre Basis nach der obern gerichtet ist. Das Holz der Palme und Korkeiche ist weich; das des Apfel- und Birnbaumes dicht; desgleichen das des Ahorns, aber zerbrechlich wie alles Maserholz, Unter allen vermehren die wilden und männ- lichen Bäume die Unterschiede einer jeden Art. Auch sind unfruchtbare fester von Holz als fruchtbare, wenn sie nicht in einer Art Männchen tragen, wie die Cy presse und Kornelkirsche. 78. Weder faul noch alt werden die Cy presse, Ceder, der Ebenbaura, Lotus, Buxbaum, Taxus, Wachholder, wilde und zahme Oelbaum; von den übrigen am spätesten die Lärche, gemeine Eiche, Korkeiche, Kastanie, welsche Nuss. Weder Spalten noch Risse kriegt von selbst die Ceder, Cypresse, der Oelbaum und Buxbaum. 79. Für die unvergänglichsten Hölzer hält man das ') crassamenta. 232 ;Sechszehntes Buch. des Ebenbaumes, der Cypresse und Ceder, wozu die Be- weise am Tempel der Diana zu Epbesus klar vorliegeu> welcher mit Hülfe von ganz Asien in 400 Jahren vollendet wurde. Darüber ist man einig, dass das Dach aus Ceder- balken besteht; wegen des Bildnisses der Göttin selbst walten noch Zweifel ob; Andere sagen, es sei von Eben- holz, Mucianus aber, der 3 mal Consul war, berichtet laut Denen, welche nach eigner Anschauung darüber geschrie- ben haben, es sei von Weinrebenholze, und, während der Tempel 7 mal wieder aufgebauet wurde, niemals verändert worden. Er nennt sogar einen Künstler Pandemion, der diess Holz ausgesucht habe, was mich sehr wundert, da er ihm ein höheres Alter nicht nur als dem Bacchus, sondern auch als der Minerva beigelegt. Er setzt noch hinzu, diess Standbild werde durch viele Löcher mit Nardenöl befeuch- tet, damit es nicht verderbe, und die Fugen dicht bleiben — W'Obei ich wiederum bewundere, dass ein so massiges Bild dergleichen i) hat. Die Thorflügel sollen von Cypres- senholz sein und, obschon nun fast 400 Jahre alt, noch wie neu aussehen; auch bedenke man, dass sie 4 Jahre lang im Leim 2) gestanden haben. Man wählte Cypressen- holz dazu, weil bei ihm allein der Glanz unvergänglich ist. Existirt nicht noch die aus Cypressenholz gefertigte Statue Jupiter's auf der Burg, welche im 55L Jahre der Stadt eingeweihet wurde? Merkwürdig ist auch der Tem- pel des Apollo zu Utika, worin die Balken von numidi- schen Cedern noch ganz so, wie sie bei Erbauung dieser Stadt vor 1178 Jahren gelegt wurden, beschaffen sind. Auch soll, wie Bocchus =^) erzählt, zu Sagunt in Spanien ein Tempel der 200 Jahre vor der Zerstörung Troja's mit den Erbauern von Zacynthus her dorthin gekommenen Göttin Diana unterhalb der Stadt stehen, den Hannibal aus Ehrfurcht verschonte, und dessen Wachholderbalken noch jetzt vorhanden sind. Vor allem aber wird eines ') Nämlich Fugen. -) In glutinis compage. 3) Ein nicht näher bekannter römischer Schriftsteller. Sechszehntes Buch. 233 Tempels derselben Göttin in Aulis erwähnt, der mehrere Jahrhunderte vor dem trojanischen Kriege erbauet worden ist, und dessen Holzwerk man nicht mehr kennt. Ueber- haupt kann man sagen, dass alles Holz, welches einen starken Geruch besitzt, ewig dauert. Auf die vorgenannten folgt hinsichtlich der Güte zu- nächst der Maulbeerbaum, dessen Holz durch Alter schwarz wird. Doch zeigt sich manches Holz zu einem Behufe dauerhafter, wie zum andern. Die Ulme ist fest in freier Luft, die Steineiche in der Erde, die geraeine Eiche im Wasser; die aus letzterer gefertigten Gegenstände bekom- men über der Erde Risse und krümmen sich. Die Lärche und schwarze Erle sind besonders da brauchbar, wo es feucht ist. Das Eichenholz verdirbt durch Seewasser. Auch die Buche und welsche Nuss eignen sich zu Wasser- bauten, aber vielleicht am besten zum Einsetzen in die Erde; ebenso der Wach holder, welcher auch zu Bauten in freier Luft ganz vorzüglich ist. Die Buche und Cerreiche werden schnell welk (morsch). Auch die Speiseiche ver- trägt keine Nässe. Wird hingegen die Erle an sumpfigen Orten in die Erde getrieben, so hält sie ewig, und trägt jede Last. Das Kirschholz ist fest; Ulmen- und Eschen- holz sind zähe aber leicht hin und her zu biegen, und wenn sie rund herum angeschnitten auf dem Stamme ge- trocknet sind, noch besser. Man sagt, in Seeschiffen sei das Lärchenholz, ja selbst alles aus dem wilden und zah- men Oelbaume dem Wurmstiche unterworfen. Das eine verdirbt nämlich eher im Meere, das andere eher auf dem Lande. 80. Es giebt vier Arten Würmer, welche das Holz an- fressen. Der Teredo, welcher einen verhältnissmässig sehr grossen Kopf hat, nagt mit den Zähnen, lebt nur im Meere, und ist der einzige seines Namens. Die auf dem Lande befindlichen heissen Tineae und die, welche den Mücken gleichen, Thripä. Die vierte Art gehört ebenfalls zu den Würmern; einige von ihnen entstehen aus dem 234 Sechszehntes Buch. faulenden Safte des Holzes selbst, andere, wie z. B. die auf Bäumen, werden von dem sogenannten Kornkäfer er- zeugt. Wenn dieser so weit um sich gefressen hat,, dass er sich umdrehen kann, so erzeugt er ein Junges. In manchem Holze wird die Entstehung dieses Ungeziefers durch dessen Bitterkeit verhütet, s. B. in der Cypresse; in andern durch die Härte z. B. im Buxbaum. Man sagt auch, dass die Tanne, wenn sie in dem von uns gegebe- nen Mondesstande während ihres Ausschiagens geschält wird, in Wasser nicht verderbe. Die Gefährten Alexanders des Grossen haben erzählt, auf der Insel Tylus im rothen Meere gebe es Bäume, aus denen man Schiffe baue, die 200 Jahre lang brauchbar wären, und, wenn sie untergin- gen, niclit verfaulten. Eben daselbst wachse auch ein Strauch, der Stämme nicht dicker als ein gewöhnlicher Stock trüge, welche tigerartig gefleckt und schwer wären; fielen diese auf etwas hartes, so zerbrächen sie wie Glas. 81. Bei uns spaltet sich manches Holz von selbst, daber lassen die Baumeister solches mit Mist bedecken und so trocknen, damit ihm die Luft nicht schade. Zum Tragen von Lasten sind am stärksten: die Tanne und der Lär- chenbaum, auch wenn sie quer gelegt werden. Die Eiche und der Oelbaum krümmen sich und geben nach; jene aber halten, brechen nicht leicht, und werden eher morsch, als dass sie ihre Kräfte verlieren. Auch die Palme ist gleich- wie die Pappel stark, aber sie krümmt sich i^der Last) entgegen und wölbt sich, während alle übrigen Bäume sich nach unten beugen. Die Fichte und Cypresse werden am wenigsten morsch und wurmstichig. Das Wallnussholz krümmt sich leicht (denn auch aus ihm macht man Balken) und zeigt durch Krachen an, dass es brechen will — ein Vorfall, der sich zu Antandrus ereignete, wo die Leute, durch das Geräusch geschreckt, aus den Bädern flohen. Die Fichte, Rothtanne und Erle werden auch zu Wasser- leitungsröhren au!?gebohrt. Unter der Erde bleiben sie viele Jahre hindurch brauchbar; sind sie aber nicht damit Sechszehntes Buch. 235 bedeckt, so verderben sie bald, halten sich dagegen un- gleich länger, wenn sie auch von aussen Wasser haben. 82. Das Tannenholz ist zu Dächern das festeste, sowie es sich am besten zu Thürriegeln, und allen Holzsachen im Innern des Hauses eignet, und den griechischen, campa- nischen und sicilischen Tischlerarbeiten ein schönes An- sehen giebt, denn bei dem schnellen Ansätze des Hobels drehen sich die Spähne stets in lankenförmigem Kreise. Es lässt sich auch mittelst Leim sehr gut zu Wägen ver- binden, so dass es sogar eher im festen Holze als an den verleimten Theilen reisst. 83. Hinsichtlich der Gegenstände welche mit Holzplatten und auf andere Weise belegt werden, kommt sehr viel auf den Leim an. Man wählt besonders zu diesem Behuf die fadigen Streifen, und nennt sie überall, weil sie franzig kraus sind, der Aehnlichkeit wegen die ferulaartigen. Manche Holzarten nehmen den Leim nicht an, und lassen sich durch denselben weder unter sich noch mit andern vereinigen, wie z. B. das Eichenholz. Auch haften Dinge von verschiedener Natur nicht leicht aneinander; so z. B. wird Niemand Holz und Stein durch Leim verbinden kön- nen. Mit der Kornelkirsche hängt am leichtesten der Speierling, die Hainbuche, der Buxbaum und hiernach erst die Linde zusammen. Die Holzarten, welche wir zähe nannten, sind alle biegsam und leicht zu jeder Arbeit zu gebrauchen; dahin gehören ferner noch der Maulbeer- und wilde Feigenbaum. Holz, was nicht zu feucht ist, lässt sich leicht sägen und schneiden; das trockne wird von der Säge nicht so leicht angegriffen, das grüne aber, ausser dem Eichen- und Buxbaumholze, widersteht ihr noch mehr, und füllt durch seine träge Gleichartigkeit die Zähne der Säge an, daher man durch abwechselndes Neigen das Sägemehl herausschaffen muss. Die Esche lässt sich in jeder Beziehung am besten bearbeiten; zu Spiessen ist sie besser als der Haselstrauch, leichter als die Kornelkirsche, 23t3 Sechszehntes Buch. und zähev als der Speierling. Die gallische passt auch wegen ihrer Biegsamkeit zu Wagen. Die Ulme würde dem Weinstocke gleichen, wenn sie nicht zu schwer wäre. 84. Die Buche bearbeitet sich leicht, obgleich sie zer- brechlich und zart ist; biegt sich in dünnen Brettern, und passt daher nur zu Kisten und Schränken. Auch die Stecheiche sägt man in ganz dünne Bretter; sie hat auch keine üble Farbe und liefert das beste Material zu solchen Gegenständen, welche der Reibung ausgesetzt sind, wie zu Radaxen. Zu diesen erweist sich die Esche wegen ihrer Zähigkeit, die Stecheiche wegen ihrer Härte, und um beider Eigenschaften willen die Ulme nützlich. Manche Bäume sind aber auch wegen ihres Nutzens zu kleineu Gegen- ständen der Holzarbeiter bemerkenswerth, denn man findet angegeben, dass vom wilden Oelbaum, Buxbaum, der Stecheiche, Ulme, Esche die besten Griffe zu Bohrern ge- macht werden; ebenso auch zu Hämmern, jedoch die grös- sern von der Fichte und Stecheiche. Diese muss man auch der Festigkeit wegen eher zu rechter Zeit, als zu früh fällen, denn man weiss, dass Thürangeln, aus dem Oelbaume, dem härtesten Holze, verfertigt, welche längere Zeit unbewegt standen, wie ein Baum ausgeschlagen sind. Nach Cato soll man Hebebäume aus der Stecheiche, dem Lorbeer und der Ulme, und nach Hyginus die Handheben für die Bauern aus der Hainbuche, Steineiche und Ceri- eiche machen. Hölzer, welche in dünne Blätter gesägt und zur Ue- berkleidung andern Holzes gebraucht werden, sind vor- nehmlich das des Citrus, der Terebinthe, der Ahorne, des Buxbaumes, der Palme, Kermeseiche, Stecheiche, HoUunder- wurzel und Pappel. Auch giebt die Erle, wie schon ge- sagt, gleich dem Citrus und dem Ahorn, eine Maser zum Furnireu. Andere Maserarten werden nicht geschätzt. Der mittlere Theil des Holzes ist krauser, und je näher der Wurzel, um so kleiner und verschlungener sind die Flecken. Das war der Anfang des Luxus, dass man einen Baum Secliszehntes Buch. 237 mit einem andern überkleidete und diejenigen, welche schlechteres Holz haben, durch einen Ueberzug werthvoller machte. Damit also ein Baum mehrere Male verkauft werde, hat man dünne Blätter von Holz zu verfertigen er- dacht. Noch nicht genug! Man hat angefangen, die Hörner der Thiere zu färben, ihre Zähne zu zersägen, das Holz mit Elfenbein auszulegen und zu überdecken. Hierauf holte mau das Holz aus dem Meere; indem man die Schild- kröten zerschnitt. Kürzlich unter der Regierung Nero's, haben sogar seltsame Köpfe erfunden, das Schildpatt durch Uebermalen zu verbergen, und es durch Nachahmung des Holzes noch theuerer zu machen. Auf solche Art macht man die Preise für die Betten, so bewirkt man, dass sich das Terebinthenholz selbst übertreffe, dass der Citrus werthvoller und der Ahorn betrogen werde. Der Luxus war mit dem Holze nicht allein zufrieden, denn jetzt bedient man sich an seiner Statt der Schildkröte. 85. Die Lebensdauer mancher Bäume kann man für un- endlich lange halten, wenn man die Grösse der Welt und die vielen noch unbetretenen Wälder in Anschlag bringt. Aber unter denen, von welchen die Menschen das Andenken erhalten haben, befinden sich im Literninischen die von dem altern Afrikanus mit eigner Hand gepflanzten Oel- bäume; ferner eine Myrte von bedeutender Grösse an dem- selben Orte. Bei derselben ist eine Höhle, wo, der Sage nach, ein Drache seine ^) Manen bewacht. Zu Rom aber steht ein Lotus auf der Area des Tempels der Lucina, w^elcher im 379. Jahre der Stadt, wo es keine Magistrats- pei sonen gab, erbauet wurde. Man weiss nicht, um wie viel älter der Baum ist; dass er aber älter, leidet keinen Zweifel, denn Lucina, deren Name jetzt ungefähr 350 Jahre alt ist, wurde nach jenem Haine -) benannt. Noch älter, allein von nicht gewiss zu ermittelndem Alter ist der so- ') Nämlich des Scipio Afrikanus. -) lucus. 238 Sechszehntes Buch. genannte Haaibaum, dem das Haar der vestalischen Jung- frauen dargebracht wird. So. Noch ein anderer Lotus steht auf dem Vulkanal, (welchen Romulus nach dem Siege aus den Zehnten ange- bauet hat), der, wie Massurius schreibt, in gleichem Alter mit unserer Stadt ist. Seine Wurzeln reichen bis auf das Forum Cäsars durch die Standplätze der Freistädte. Gleiches Alter mit ihm hatte eine Cypresse, die aber in der letzten Lebenszeit des Kaisers Nero vernachlässigt wurde und ausging. 87. Noch älter als die Stadt selbst ist eine Stecheiche auf dem Vatican, an welcher eine in Erz gegrabene etruscische Aufschrift besagt, dass sie schon damals der Gottesver- ehrung würdig gewesen sei. Die Tiburter, welche eben- falls schon lange vor Erbauung der Stadt Rom existirteu, haben 3 Stecheichen, die noch älter als ihr Stifter Tibur- tus sind, denn man sagt, er sei bei denselben eingeweihet; er selbst aber soll ein Sohn des Amphiaraus, der bei Theben um 1 Menschenalter i) früher, als der trojonische Krieg aus- brach, starb, gewesen sein. 88. Einige Schriftsteller berichten, die delphisehe Platane und noch eine andere im Haine zu Caphys in Arcadien sei von Agamemnon selbst gepflanzt. Noch jetzt stehen der Stadt Troja gegenüber am Hellesponte auf dem Grabmal des Protesilaus Bäume, welche jedesmal, wenn sie so hoch gewachsen sind, dass sie Troja sehen können, vertrocknen, und dann wiederum von Neuem ausschlagen. Bei dieser Stadt aber stehen auf dem Grabe des Bus Eichen, welche damals, als man die Stadt Blum zu nennen anfing, gepflanzt sein sollen. 89. Zu Argos soll jetzt noch der Oelbaum stehen, an ') 30 Jahre. Sechszehntes Buch. 239 welchen Argus die in eine Kuli verwandelte Jo ange- bunden habe. Bei Heraelea in Pontus stehen Altäre des Jupiter Stratius, und daneben Eichen, welche Hercules ge- pflanzt hat. In derselben Gegend ist ein Hafen durch die Ermordung des Amycus, eines Königs der Bebrycer, be- kannt; auf dessen Grabe steht seitdem ein Lorbeerbaum, den man den tollen nennt, denn wenn man etwas von ihm abreisst und mit auf das Schiff nimmt, so entsteht Zank, und dieser hört nicht eher auf, bis es weggeworfen wird. Wir haben von der Gegend Aulocrene, durch welche man von Apamia nach Phrygien kommt, geredet; hier zeigt man die Platane, an welcher der vom Apollo überwundene Mar- syos hing, und die sich schon damals durch ihre Grösse auszeichnete. Auch sieht man zu Delos eine Palme, welche noch aus dem Zeitalter dieses Gottes herstammt. Zu Olympia wird noch ein wilder Oelbaum, von welchem Her- cules zuerst bekränzt wurde, heilig aufbewahrt. Auch zu Athen soll noch der Oelbaum stehen, den Minerva in einem Wettstreite schuf. 90. Eine sehr kurze Lebensdauer dagegen haben die Granaten-, Feigen- und der Apfelbaum, und unter diesen eher die frühen als die späten, eher die süssen als die scharfen, und von den Granaten die süsseren. Ebenso ist es bei den Weinstöcken und besonders den fruchtbarem. Gräcinus sagt, der Weinstock lebe 60 Jahre. Auch die Wassergewächse scheinen schneller zu vergeheo. Der Lor- beer-, die Aepfel- und Granatbäume werden zwar schnell alt, sprossen aber aus der Wurzel wiederum hervor. Die Oelbäume sind also am lebenskräftigsten, denn die Schrift- steller kommen darin überein, dass sie 200 Jahre alt werden. 9L Auf einem der Stadt Rom naheliegenden Hügel des tusculanischen Gebietes liegt ein von den Lateinern der Diana aus religiöser Verehrung geweiheter Hain, Namens Corne, von Buchen, deren Kronen wie durch Kunst be- 240 Sechszehntes Buch. schnitten sind. Einen darin befindlichen Baum von bedeu- tender Grösse liebte in unserer Zeit Passienus Crispus, der 2 mal Consul sowie auch Eedner war, und hernach durch seine Hairath mit der Agrippina und durch seinen Stief- sohn Nero noch berühmter wurde; er pflegte ihn zu küssen, zu umarmen, unter ihm zu liegen und ihn mit Wein zu begiessen. Nahe bei diesem Haine steht auch eine ihres Stammes wegen berühmte Stecheiche, die 34 Fuss im Um- fange hat, zehn Bäume von ansehnlicher Grösse getrieben hat, und allein einen Wald ausmacht. 92. Dass der Epheu die Bäume tödtet, weiss man. Das- selbe thut die Mistel ^), doch soll es mit dieser, welche an den Bäumen, ausser ihren Früchten, keine der geringsten Merkwürdigkeiten ausmacht, etwas langsamer gehen. Ei- nige Gewächse, wie die Mistel, können nemlich nicht in der Erde, sondern nur auf Bäumen wachsen und leben, da sie keinen eigenen Wohnsitz haben, auf fremden. Auch in Syrien giebt es ein Kraut, Cadytas^), was sich nicht allein um Bäume, sondern auch um Dornen herumschlingt. Ebenso im thessalischen Tempe das sogenannte Engel- süss ^), das Dolichos^) und der Quendel^). Was auf abge- hauenem Oleaster wächst, heisst Phaunos. Das auf der Walkerdistel 6) heisst Hippophäston, hat leere Köpfe, kleine Blätter, und eine weisse Wurzel, deren Saft in der Epilepsie zu Abführungen aus dem Körper sehr geschätzt wird. 93. Von der Mistel giebt es 3 Arten. In Euböa nemlich nennt man die auf der Tanne und Lärche wachsende Stelis, die in Arcadien vorkommende heisst Hyphear. Von den Meisten wird aber die, welche auf der Eiche, der wilden Pflaume, der Terebinthe und auf sonst keinem an- 1) Viscum. ^) Cuscuta Epilinum W. 3) Polypodium. PoljTpodium vulgare L. ^) Phaseolus vulgaris L. ^) Serpyllum. Thymus Serpyllum L. ") Spina fullonia. Dipsacus fullonum L, Sechszehntes Buch. 241 dern Baume wächst, Vis cum genannt. Die am häufigsten auf der Eiche vorkommende heisst Hyphear Dryos. Auf allen Bäumen, mit Ausnahme der Stech- und gemeinen Eiche, giebt der Geruch, der Saft und der unangenehme Geschmack der Blätter den Unterschied. Beide sind bei der Mistel bitter und zähe. Der Hyphear dient vornehm- lich zum Mästen des Viehes; zuerst führt er die unreinen Stoffe hinweg, dann, nach vollbrachter Reinigung, macht er fett. Thiere, welche die Auszehrung haben, halten diese im Sommer 40 Tage lang dauernde Kur nicht aus. Man giebt noch folgenden Unterschied bei der Mistel an; auf Bäumen, welche ihr Laub abwerfen, solle sie das ihrige auch verlieren, dahingegen auf immergrünenden ebenfalls behalten i). Ueberhaupt aber wächst sie nicht, wenn sie ausgesäet wird, sondern nur, wenn Vögel, namentlich die wilden Tauben und Krammetsvögel, den Samen verzehren und durch den After wieder von sich geben. Er muss nemlich, um aufzugehen, zuvor im Leibe der Vögel zur Reife gelangen. Die Mistel wird nicht über eine Elle hoch, ist stets strauchig und grün, das Männchen fruchtbar, das Weibchen unfruchtbar, zuweilen trägt aber auch jenes nicht. 94. Den Vogelleim bereitet man aus den Beeren der Mistel, welche zur Zeit der Erndte unreif eingesammelt werden; denn kommt Regen dazu, so werden sie zwar grösser, aber am Stamme schlaff. Diirauf trocknet man sie, zerstösst sie, und legt sie zum Faulen beinahe 12 Tage lang in's Wasser (es ist die einzige Materie, welche durch Fäuluiss erst ihre Güte bekommt); hierauf klopft man sie aufs Neue mit einem Hammer in fliessendem Wasser, wodurch die Hülsen abfallen und das inwendige Fleisch zähe wird. Diess ist der Vogelleim, an dem die Federn *) Plinius vermengt hier 2 einander ähnliche Schmarotzerge- wächse, nämlich Loranthus europaeus und Viscum alhum. Ersteres findet sich fast nur auf Eichen und verliert alljährlich seine Blätter, dagegen letzteres immer grünend ist. Yergl. die Anmerkung im XIII. B. 39. Cap. vVittsteiu: Plinius. III. Bd. 16 242 Sechszehntes Buch. der Vögel beim Berühren festhaften, und den man mit Oel vermischt, wenn man dieselben fangen will. 95. Bei dieser Gelegenheit dürfen wir die wunderbaren Nachrichten von den Galliern nicht mit Stillschweigen über- gehen. Die Druiden (so heissen nemlich ihre Zauberer) halten nichts heiliger als die Mistel und den Baum, auf welchen sie wächst (namentlich wenn es eine Eiche ist). Sie wählen an sich schon die Eichenhaine, und verrichten ohne deren Laub kein Opfer, so dass es nach griechischer Deutung scheint, sie hätten davon den Namen Druiden erhalten. Ja sie glauben, alles was an den Eichen wächst, sei vom Himmel gesandt, und sehen diess als einen Be- weis an, dass die Gottheit selbst sich diesen Baum erwählt habe. Die Mistel ist aber nur sehr selten; hat man sie gefunden, so wird mit grosser Feierlichkeit dahin gezogen, und vor allem am 6. Tage nach dem (Neu)-Monde, welcher bei ihnen den Anfang der Monate und Jahre, und nach Verlauf von 30 Jahren den eines neuen Seculum's macht, weil alsdann der Mond schon Kräfte genug habe, und noch nicht halb voll sei. Sie nennen diesen Tag mit einem eigenen Worte den allheilenden, bereiten Opfer und Mahle unter dem Baume, und führen 2 weisse Stiere herbei, deren Hörner dann zum ersten Male umbunden werden. Der Priester in weissem Kleide besteigt hierauf den Baum und schneidet mit einer goldenen Sichel die Mistel ab, welche in einem weissen Tuche aufgefangen wird. Sodann opfern sie Thiere, und bitten die Gottheit, sie wolle ihr Geschenk Denen, welchen sie es gegeben hat, segnen. Sie glauben, ein von diesem Gewächs bereiteter Tränk mache ein jedes unfruchtbare Thier fruchtbar; auch sei es ein Hülfsmittel wider alle Gifte. Soviel Verehrung bezeugen oft ganze Völker den gewöhnlichsten Dingen. Siebenzehntes Euch. Von den angepflanzten Bäumen. 1. Wir haben bisher von den Bäumen gehandelt, welche auf dem Lande und im Meere wild vorkommen. Jetzt bleiben uns noch diejenigen übrig, welche eher der Kunst und dem menschlichen Scharfsinne ihr Dasein verdanken. Vorher aber sei es erlaubt, unsere Bewunderung darüber auszu- drücken, dass das was der Mensch aus Noth den wilden Thieren als ihr ungetheiltes Eigenthum entriss, indem er mit ihnen um die herabgefallenen Früchte und mit den Vögeln um die hängend gebliebenen stritt, unter den Gegenständen des Wohllebens zu so hohen Preisen gestiegen ist, wovon L. Crassus und Cn. Domitius Ahenobarbus den deutlichsten Beweis geliefert haben. Crassus war einer der berühmtesten Redner unter den Römern, und hatte ein prächtiges Haus; Q. Catulus, der mit C. Marius die Cim- bern schlug, besass auf demselben palatinischen Hügel ein noch prächtigeres; am schönsten aber war, nach Aller Meinung, in jener Zeit das auf dem viminalischen Hügel stehende des römischen Ritters C. Aquilius, der auch hierdurch berühmter als durch seine Kenntniss des bürger- lichen Rechts wurde, während mau dem Crassus das sei- nige zum Vorwurf machte. Beide, Crassus und Domitius, aus den vornehmsten Familien führten zugleich nach dem Consulate das Censoramt im 662. Jahre der Stadt, und wzar, wegen der Ungleichheit ihres Charakters, unter häufigen Zänkereien. Cn. Domitius, der von Natur heftig 16* 244 Siebenzeliutes Buch. und ausserdem vom Hasse (welcher durch die Eifersucht am heftigsten wird) entbrannt war, tadelte es laut, dass ein Censor so prächtig- wohne, und bot mehrere Male für dessen Haus 1,000,000, Sesterzen. Crassus hingegen, der sich stets zu helfen wusste, und erfinderisch in treffendem Witze war, antwortete, er wolle ihm das Haus abtreten, aber mit Ausnahme von 6 Bäumen. Nein, sagte Domitius, ich will es nicht für einen Denar, wenn diese weggenom- men werden. Wie Domitius, evwiederte Crassus, gebe ich nun ein so anstössiges Beispiel, um von meinem Amte selbst bestraft zu werden, dass ich in einem geerbten Hause angenehm wohne; oder du, der du 6 Bäume 1 Mil- lion Sesterzen werth hältst? Diess waren Lotusbäume, welche durch die Ausdehnung ihrer Aeste einen bedeuten- den Kaum beschatteten, und die in meiner Jugend Caecines Largus, einer der vornehmsten Männer, oft in seinem Hause zeigte. Sie blieben auch (wie wir denn bereits von dem Alter dieser Bäume geredet haben) bis zu der vom Kaiser Nero angelegten Feuersbruust, welche die Stadt einäscherte, 180 Jahre lang grün und gesund, und würden noch älter geworden sein, wenn dieser Fürst nicht auch ihren Unter- gang beschleunigt hätte. Damit übrigens Niemand das Crassushaus für gering halte, und glaube, Domitius habe nur der Bäume wegen seine Galle darüber ausgeschüttet so bemerke ich, dass jeuer in dem Vorhofe 4 Säulen von hymettischem Marmor zur Ausschmückung der Schaubühne bei Gelegenheit seines Aedilamtes bereits hatte errichtei; lassen, als an öffentlichen Plätzen dergleichen noch nicht von Marmor standen. So neu ist noch die grosse Pracht, und so viel ehrwürdiger machten damals Bäume ein Haus, dass ohne dieselben Domitius aus Feindschaft nicht ein- mal einem Hause seinen Werth zuerkannte. Von Bäumen führten die Alten auch Beinamen. Fron- ditius hiess jener Soldat, welcher mit einem über sein Haupt gelegten Zweige über den ^'ulturnus^) schwamm, *) Flu SS in Campanien. Sielienzelmtes Buch. 245 und lierrlicbe Thaten gegen Hannibal ausführte. Die lici- niscbe Familie hatte den Beinamen Stolonen; so heissen nemlich die unnützen Reiser an den Bäumen, und derjenige von ihnen, welcher die Ausschneidung derselben erfand, er- hielt zuerst den Namen Stolo. Selbst in den alten Ge- setzen ist der Sorgfalt für die Bäume gedacht; es lieisst nemlich in den 12 Tafeln, wer fremde Bäume unherech- tigterweise umhaue, solle für jeden 25 Ass Strafe geben. Was glauben wir nun wohl, sollten Jene, die die frucht- tragenden Bäume so hoch schätzten, vermuthet haben, dass die oben angeführten zu einem so enormen Preise steigen würden? Das Obst ist kein geringerer Gegenstand der Bewunderung, denn die Früchte mancher Bäume in der Nähe der Stadt werden jährlieh zu 2000 Sesterzeu ver- pachtet, und ein Baum bringt jetzt mehr Gewinn als bei den Alten ein ganzes Landgut. Darum ist das Propfen und der Ehebruch unter den Bäumen ausgedacht, damit für die Armen kein Obst wachse. Wir wollen daher jetzt anführen, auf welche AVeise man hieraus den grössten Ge- winn zieht, und wie diese Art der Cultur am besten und vollständigsten betrieben wird. Jedoch werden wir weder ganz gewöhnliche, noch bereits bekannte Gegenstände, son- dern nur solche abhandeln, die ungewiss und zweifelhaft sind, und am meisten zu Irrungen im Leben veranlassen; denn es ist unsere Sache nicht, da, wo es unnöthig er- scheint, einen unzeitigen Fleiss zu zeigen. Vor allem soll nun überhaupt von dem Einfluss des Himmels und der Erde, und im Allgemeinen von dem, was auf alle Arten von Bäumen Bezug hat, die Rede sein. 2. Die Bäume stehen am liebsten gegen Nordost, und werden durch den aus dieser Himmelsgegend kommenden Wind dichter, schöner und fester. Gerade hierin irren die Meisten, denn in den Weinbergen müssen die Pfähle diesem Winde nicht entgegen gesetzt werden, sondern diess soll man nur gegen -Mitternacht beobachten. Ja selbst Kälte, wenn sie zu rechter Zeit kommt, giebt den Bäumen 246 Siebenzehntes Buch. viel Festigkeit, und macht, dass sie am besten ausschlagen; werden sie aber von lauen Südwinden ange wehet, so ver- lieren sie, und zwar vorzugsweise in der Blütbe, ihre Kräfte. Folgen sogleich nach dem Abblühen starke Regenschauer, so geht das Obst gänzlich verloren. Daher verlieren Mandel- und Birnbäume, wenn es beständig neblig ist und der Süd- wind wehet, ihre Früchte. Regen zur Zeit des Siebenge- stirns ist dem Weinstock und Oelbaum äusserst schädlich, weil sie sich dann befruchten; diess ist für die Oelbäume der entscheidende 4tägige Zeitpunkt, diess ist die Periode des schlechten, nebligen, von Südwinden begleiteten Wetters, von denen wir bereits geredet haben. Das Getreide wird auch bei Südwind nicht so gut, obgleich schneller reif. Die Kälte, welche von Korden oder zur unrechten Zeit kommt, ist schädlich. Wenn im Winter der Wind aus Nordost wehet, gedeihen die Saaten am besten. Dass aber alsdann der Regen wüuschenswerth sei, ist einleuchtend, denn die Bäume haben sich durch die Frucht erschöpft, sind durch den Verlust der Blätter matt geworden, und fühlen also natürlich heftigen Durst; der Regen aber ist ihre Nahrung. Man hält daher nach längerer Erfahrung einen milden Winter, in welchem die Bäume sogleich nach abgenommener Frucht wieder eine neue Befruchtung erleiden, d. h. aus- schlagen, imd worauf dann eine neue Entkräftung durch das Blühen erfolgt, für sehr schädlich. Ja, wenn mehrere solcher Jahre auf einander folgen, sollen die Bäume sogar absterben, denn ein Jeder weiss, dass die Folge davon Hungersnoth unter den Landleuten ist. Wer also heitere Winter wünscht, der hat dabei das Beste der Bäume nicht im Auge. Dem Weinstocke schadet auch bei der Sonnen- wende der Regen. Dass durch den Winterstaub die Erndten besser ausfallen, hat wohl ein witziger Kopf aus Muth- willen gesagt. Uebrigens muss mau den Bäumen sowohl wie dem Getreide wünschen, dass der Schnee lange liegen bleibe, und zwar nicht allein, weil er das belebende Prin- cip der Erde, welches durch die Ausdünstung verloren gehen würde, einschliesst und zurückhält, und zu den Kräften der Siebenzehntes Buch. 247 Saaten und den Wurzeln zurückführt, sondern auch, weil -er ihnen allmählig eine reine und äusserst leichte Feuchtig- keit mittheilt, denn der Schnee ist der Schaum des himm- lischen Wassers. Diese Feuchtigkeit also dringt nicht gänz- lich hinein und zertheilt, sondern tröpfelt nur nach Bedürf- niss zu, und nähret gleichwie aus einer Brust alles, was sie bedeckt. Die Erde wird selbst auf diese Weise locker, von Safte erfüllt, für die saugenden Saaten nicht entkräftet, und lacht, wenn sie sich später öffnet, den warmen Tagen entgegen. So wird das Getreide am fettesten, ausgenommen da, wo die Luft beständig warm ist, wie in Aegypten, denn Dauer und Gewohnheit bewirken das, was anderwärts das Maass thut, und allenthalben besteht der grösste Nutzen in der Abwesenheit aller schädlichen Elemente. Auf dem grössern Theile des Erdkreises werden die sehr früh aus- gebrochenen Knospen, welche durch milde Witterung her- vorgelockt sind, durch später eintretende Kälte zerstört. Daher schaden späte Fröste auch den wilden Bäumen, und diese leiden noch mehr dadurch, dass ihr Schatten sie ver- grössert, und kein Hülfsmittel dagegen schützt, denn bei den wilden ist es nicht rathsam, die zarten mit Stroh zu umwickeln. Daher kommt das Wasser rechtzeitig, zuerst in den Winterregen, sodann in denen, welche der Keimung vorangehen, drittens, wenn die Frucht ansetzt, jedoch nicht im Anfange, sondern wenn dieselbe nicht ganz klein mehr ist. Denjenigen Bäumen, welche ihre Früchte lauge be- halten und längere Zeit Nahrung bedürfen, wie dem Wein- stock, Oelbaum und der Granate, ist später Regen zuträg- lich; doch bedürfen die verschiedenen Arten der Bäume diesen Regen auf verschiedene Weise, da die einen zu dieser, die andern zu jener Zeit reife Früchte bringen. Daher sieht man, dass durch ein und denselben Regen dem einen geschadet, dem andern genützt wird, ja diess sogar bei einer Art, wie bei den Birnen, denn die Winter- birnen bedürfen den Regen zu einer andern Zeit, als die Frühbirnen, haben ihn also gleichsam zu allen Zeiten nöthig. Die Winterzeit geht dem Ausschlagen voraus, und dieses 248 Siebenzelintes Buch. erfolgt besser beim Nordost als beim Südwinde. Daher zieht man auch die Gegenden mitten im Lande denen an der Seeküste (denn diese sind meistens kälter), ferner bergichte Gegenden den Flächen und nächtlichen Regen dem täglichen vor. Die Saaten haben mehr Nutzen von dem Wasser, wenn es nicht sogleich wieder von der Sonne weggenommen wird. Bei der Anlage von Weinbergen und Baumpflanzungen wird auch erwogen, nach welcher Himmels- Gegend hin sie sehen sollen. Virgil widerräth, sie gegen Abend an- zulegen; Andere dagegen ziehen diese Lage derjenigen gegen Osten vor. Ich finde, dass die Meisten die Mittags- gegend gut heissen, glaube aber, dass sich hierüber nichts allgemein Gültiges bestimmen lässt. Man muss vielmehr die Beschaifenheit des Bodens, die örtlichen und klimati- schen Verhältnisse hiebei in Erwägung ziehen. Die Lage der Weinberge in Afrika gegen Mittag ist dem Weinstocke schädlich und dem Landmanne unzuträglich, weil das Land selbst in der Mittagslinie liegt; legt er ihn aber gegen Abend oder Mitternacht an, so wird er eine glückliche Mischung zwischen dem Boden und dem Himmel bewirken, obgleich Virgil die Abendseite nicht lobt. Wegen der Mitter- nachtseite scheint kein Zweifel mehr übrig zu sein, denn in dem diesseits der Alpen belegenen Italien haben die Weinberge grösstentheils diese Lage, und doch sind, wie man weiss, keine fruchtbarer. Sehr viel kommt ferner auf die Winde an. In der narbonensischen Provinz, in Ligurien und einem Theile von Etrurien hält man es für einen Beweis von Unerfahren- heit, Weinberge gegen Nordnordwest anzulegen, hingegen von Vorsichtigkeit, denselben zur Seite zu haben; denn er mildert dort die Hitze, aber meistens mit solcher Heftig- keit, dass er die Häuser abdeckt. Einige zwingen den Himmel, der Erde zu gehorchen, indem das, was sie an trockne Orte säen, gegen Morgen und Mitternacht, und w^as sie an feuchte säen, gegen Mittag liegen muss. Selbst bei den Weinstöcken borgen sie fremde Ursachen, indem sie Siebenzehntes Buch. 249 an kalte Orte die frühen pflanzen, damit sie vor dem Ein- tritt der Kälte reif werden. Die Obstbäume und Wein- stöeke, welchen der Thau schadet, setzen sie gegen Osten, damit ihn die Sonne sogleich wegnimmt; die, welchen der Thau wohlthut, gegen Abend, oder selbst gegen Mitter- nacht, damit sie ihn um so länger geniessen können. Die Uebrigen sind, fast immer den Regeln der Natur gefolgt, und haben Weinstöcke und Bäume gegen Nordost zu setzen empfohlen. Democrit meint auch, ein solche Frucht bekomme einen besseren Geruch. Die Lage des Aquilo und der übrigen Winde haben wir bereits im 2. Buche angegeben; im nächstfolgenden werden wir noch mehr auf den Himmel Bezügliches sagen. Inzwischen scheint in dessen i) Lage ein offenbarer Beweis seiner Gesundheit begründet, denn von Bäumen, welche gegen Mittag stehen, fällt das Laub immer früher ab. Aehnlich verhält es sich mit den Küstenländern; denn in einigen Gegenden sind die vom Meere her webenden Winde schädlich, in den meisten aber von günstiger Wir- kung. Einigen Pflanzen ist es dienlich, das Meer von ferne im Angesicht zu haben, näberhin schadet ihnen dessen Ausdünstung. Gleiche Rücksichten erfordern die P'lüsse und Seen; sie zerstören durch ihre Nebel oder erkälten die hitzigen. Einige, welche wir bereits genannt haben, lieben den Schatten und selbst Kälte. Daher muss man den Er- fahrungen den meisten Glauben schenken. 3. Nächst der Luft müssen wir zuerst von der Beschaffen- heit des Erdreichs handeln, eine Materie, deren Durch- führung nicht geringere Schwierigkeiten darbietet, denn in den meisten Fällen eignet sich ein und derselbe Boden nicht für Bäume und Getreide. Selbst die schwarze, welche in Campanien vorkommt, oder die, welche feine Nebel aus- haucht, ist für den Weinstock nicht überall die beste; auch. *) Nämlich des Aquilo. 250 Siebenzehntes Buch. ivird die rothe von Vielen nicht gelobt. Den Kalk im Ge- biete der pompejanischen Albenser und den Thon zieht man in Weinbergen allen übrigen Arten vor, obgleich beide sehr fett sind, was bei diesem Gewächse eine Ausnahme macht. Dahingegen ist im Ticinensischen der weisse, und an vielen Orten der schwarze und rothe Sand, wenn er auch mit fetter Erde vermischt wird, unfruchtbar. Die Schlüsse der darüber Urtheilenden trügen auch öfters. Fruchtbar ist nicht gerade ein Boden, in welchem hohe Bäume prangen, sondern es liegt an diesen Bäumen selbst. Denn was ist höher als die Tanne? Und, welcher andere Baum kann an derselben Stelle ausdauern? Auch sind reiche Weiden nicht immer ein Beweis eines fetten Bodens; denn welche Futterkräuter sind besser als die deutschen? Und gleichwohl findet man dort unter einer sehr dünnen Rasenschicht sogleich Sand. Nicht immer ist das Erdreich, auf welchem hohe Kräuter wachsen, bewässert; gewiss nicht mehr, als das, was au den Fingern hängen bleibt, fett ist, wie die Thonarten beweisen. Erde, welche in ein ausgegrabenes Loch wieder zurückgeworfen wird, füllt dasselbe nicht wieder ganz aus; man kann daher eine dichte und lockere auf diese Weise nicht erkennen, und jede Erdart überzieht das Eisen mit Rost. Auch lässt sich eine schwerere oder leichtere nicht wohl durchs Gewicht bestimmen, denn welches Gewicht wäre als das richtige der Erde zu betrachten? Auch das durch Flüsse ange- schwemmte Land kann man nicht immer loben, weil einige Pflanzen durch das Wasser matt werden. Selbst die Erde, welche man gut nennt, erweist sich, ausgenommen bei den Weiden, nicht auf lange Zeit dienlich. Ein Beweis davon sind unter andern die Halme, welche in dem berühmten laborinischen Felde Canpaniens so stark werden, dass sie die Stelle des Holzes vertreten. Aber dieser Boden ist müh- sam zu beackern und zu bestellen, und quält den Land- mann durch seine Vorzüge fast mehr, als er es durch Fehler thuu könnte. Die sogenannte Carbunkel-Erde soll durch magere Weinstöcke verbessert werden. Selbst der Siebenzelintes Buch. 251 rauhe, von Natur leicht zerreibliche Tofstein wird von den Schriftstellern nicht verworfen. Virgil hält die, in welcher Farnkraut wächst, für nicht unpassend zu Weinstöcken. Viele Gewächse sollen zweckmässiger in salzige Erde ge- pflanzt werden, weil sie darin vor den Nachstellungen der in der Erde wohnenden Thiere sicherer sind. Die Hügel werden, wenn man vorsichtig gräbt, durch die Bearbeitung nicht entblösst. Alle Felder bekommen nicht weniger Sonne und Wind, als uöthig ist. Dass einigen Weiustöcken Reif und Nebel zur Nahrung dienen, haben wir bereits ge- sagt. Alle Dinge haben ihre tiefen Geheimnisse, welche ein Jeder mit seinem Verstände erforschen muss. Verändert sich nicht oft das, was man für gut hielt, und durch lange Erfahrung bewährt fand? Die Gegend um Larissa iu Thessalien wurde, nachdem man einen See ab- gelassen hatte, kälter und die dortigen Oelbäume gingen aus. Ebenso erfroren um dieselbe Zeit die Weinstöcke der Stadt Aenos, als der Hebrus näher geleitet war. Bei Phi- lippi trocknete man den Boden aus, und darauf änderte sich das Klima. Im syracusanischen Gebiete aber verlor ein neu angekommener Landwirth, der sein Feld von Steinen befreiet hatte, sein Getreide so lange im Kothe, bis er die Steine wieder zurückbrachte. In Syrien zieht man mit der Pflugschar nur eine schmale Furche, weil Felsen darunter sind, die im Sommer die Saat verbrennen würden. An einigen Orten gleichen sich die Wirkungen einer über- mässigen Hitze und Kälte. Thracien ist durch die Kälte, Afrika und Aegypteu durch die Hitze fruchtbar an Ge- treide. Auf Chalcia, einer Insel der Rhodier, ist eine Stelle so fruchtbar, dass man die zur gewöhnlichen Zeit gesäete Gerste abmähen, das freie Feld sogleich wieder damit be- säen, und mit andern Getreide noch einerndten kann. Der kiesige Boden erweist sich im Venafranischen, und der fetteste in Bätica für die Oelbäume als der beste. Der pucinische Wein reift auf Felsen, der cäcubische iu den pontinischen Sümpfen. So . grosse Unterschiede zeigt der Boden in seiner Natur und so verschieden sind die Beweise 252 Siebenzehntes Buch. für seine (gute oder schlechte) Beschaffenheit. Als Cäsar- Vopiscus seine Rechtssache bei den Censoren vertheidigte, sagte er, die Felder von Rosea seien das Fett Italiens, denn das Gras auf denselben bedecke eine gestern dort zurlickgelassene Stange; allein man schätzt sie nur als Viehweiden, Doch wollte uns die Natur nicht unwissend lassen, denn sie zeigte uns da, wo sie das Gute nicht deut- lich an den Tag gelegt hatte, die Fehler, und von diesen wollen wir zuerst reden. Einen bittern und magern Boden erkennt man an den schwarzen und entarteten Kräutern, einen kalten an den dürren, einen sumpfigen an den traurig aussehenden, einen röthelartigen und thonigen an den Augen. Letztere beiden Erdarten sind am schwersten zu bearbeiten, und beschweren die Hacken und Pflüge, an welche sie sich in grossen Klössen anhängen; indessen erstreckt sich das Widerwär- tige bei ihrer Bestellung nicht auf die in ihnen gezogenen Früchte. Das Gegentheil findet bei der aschartigen und weissen sandigen statt. Eine unfruchtbare erkennt man leicht an ihrer dichten Oberschicht, sowie beim Einstechen mit einem Spiesse. Cato bezeichnet die Fehler auf kurze und ihm eigeuthtimliche Weise: „Treibe weder Wagen noch Vieh auf dürre Erde." Was glauben wir wohl, warum er in diesen Worten eine solche Furcht zu erkennen giebt, dass er beinahe verbietet, den Fuss darauf zu setzen? Wir wollen zur Fäulniss des Holzes zurückkehren, und werden dann die Fehler finden, welche er so sehr verabscheuet; sie bestehen in der Trockenheit, Löcherigkeit, Rauheit, der grauen Farbe, dem Ausgefressen- und dem Blasigsein. Er hat durch eine Bezeichnung mehr gesagt, als er mit vielen Worten hätte ausdrücken können. Bei der Besprechung der Fehler ist zu errinnern, dass manche Erde nicht durch's Alter (denn davon kann bei ihr keine Rede sein) sondern von Natur veraltet und mithin in jeder Beziehung unfrucht- bar und schwach ist. Ebenderselbe hält denjenigen Acker für den besten, welcher am Fusse eines Berges liegt und gegen Mittag Siebenzehntes Buch. 253 eben ausläuft. Ganz Italien hat diese Lage. Die Erde aber soll nach ihm die zarte, sogenannte schwarze sein. Diese wird sich also zur Bearbeitung und für die Gewächse am besten eignen. Wenn man nun erwägt, dass sie mit dem wunderbaren Ausdruck „die zarte" belegt worden ist, so wird man in diesem Worte alles, was man nur wünschen kann, vereinigt finden. Sie ist gemässigt fruchtbar, weich und leicht zu bearbeiten, weder nass noch dürre, und glänzt, nachdem die Pflugschar sie durchschnitten; Homer, die Quelle des Scharfsinns, sagt, sie sei von einem Gotte auf den Waffen eingeprägt, und fügt als ein Wunder hinzu, sie habe, obgleich in Gold gearbeitet, schwärzlich ausge- sehen. Frisch abgeschnitten wird sie von den unersättlichen Vögeln, welche die Pflugschar begleiten, durchspähet, wobei die ßaben fast die Fersen des Pflügenden benagen. Bei dieser Gelegenheit müssen wir auch einen Aus- spruch, der sich auf Gegenstände des Luxus bezieht, sowie einiges andere hierher Gehörige anführen. Cicero, der zweite Stern der Gelehrsamkeit, sagt: „Die Salben, welche nach Erde schmecken, sind besser, als die, welche nach Safran schmecken." Er sagte diess nämlich lieber, als: „welche — riechen". Wahrlich, so ist es; diejenige Erde, welche nach Salben schmeckt, wird die beste sein. Wenn wir veranlasst sind, anzugeben, von welcher Art der Geruch der Erde sei den Avir suchen, so gelingt uns diess auch oft, wenn sie ruhet, gegen den Untergang der Sonne hin, da, wo der Regenbogen sich mit seinen Enden hingeneigt hat; ferner, wenn die Erde nach anhaltender Dürre durch Kegen nass geworden ist, denn dann haucht sie ihren von der Sonne empfangenen himmlischen Dunst, welcher eine unver- gleichliche Anmuth besitzt, aus. Eben dieser Geruch muss in ihr sein, wenn sie aufgegraben wird, und ist er vorhan- den, so kann- er Niemandem entgehen. Der Geruch fällt das sicherste Urtheil über die Erde. Von solcher Be- schaffenheit findet er sich auf neuen Aeckern, wo ein alter Wald ausgehauen ist, und wird hier allgemein als ein gutes "Merkmal angesehen. 254 Siebenzehntes Buch. In Betreff der Feldfrüchte hält man ein und dieselbe Erde für besser, wenn sie durch Brachliegen ausgeruhet hat; was bei den Weinbergen nicht der Fall ist. Um so sorgfältiger muss man sie aussuchen, damit nicht die Mei- nung Derer, welche geglaubt haben, der Boden von Italien sei schon erschöpft, Wurzel fasse. Die Möglichkeit des Feldbaues beruht bei einigen Erdarten auch auf der Witte- rung, denn manche kann nach dem Regen nicht gepflügt werden, weil sie durch zu viel Feuchtigkeit zähe wird. Dahingegen haben wir im Byzacischen Gebiete von Afrika ein bis zum 150. Korne fruchtbares Feld gesehen, welches trocken durch keine Stiere gepflügt werden konnte, nach dem Regen aber durch einen schlechten Esel, an dessen anderer Seite ein altes Weib den Pflug mit zog, beackert ward. Erde aber durch Erde zu verbessern, (wie Einige lehren), indem man auf magere Erde fette, oder auf feuchte und allzufette magere und sandige werfen solle, ist ein thörichtes Bemühen; denn was kann der hoffen, der eine solche Erde bebauet? Eine andere Methode, Erde durch Erde zu düngen, haben die Britannier und Gallier erfunden, und nennen diese Erdart Mergel. Er besitzt eine dichtere "Reichhaltig- keit und ist gleichsam das Schmalz der Erde, in welcher sich, wie in den Drüsen des Körpers, ein Kern von Fett verdichtet. Auch diess ist den Griechen nicht entgangen, denn was haben die nicht alles versucht? Leucargillon nennen sie einen weissen Thon, dessen sie sich in dem megarischen Gebiete, jedoch nur in feuchter und kalter Erde, bedienen. Jene Erde, welche Gallien und Britannien reich machen, müssen Avir sorgfältig in Betracht ziehen. Früher gab es nur 2 Arten davon; kürzlich aber hat man in Folge der fortgeschrittenen Kenntnisse, noch mehrere einzuführen an- gefangen, denn es giebt eine weisse, röthliche, taubenfarbige, thonartige, tofartige und sandige. Ihre Beschaffenheit ist zweifach, entweder rauh oder fett; Beides erkennt man. Siebenzehntes Buch. 255- durch die Hand. Auch ihr Gebrauch ist zweifach, ent- weder dienen sie bloss zum Ernähren der Feld- früchte oder sie bringen auch Viehfutter hervor. Früchte ■wachsen auf der weissen tofartigen, und findet sie sich zwischen Quellen, so ist sie ins Unendliche fruchtbar; sie fühlt sich aber rauh an und wird zu viel davon auf den Boden gebracht, so verbrennt sie ihn. Ihr am nächsten steht die röthliche, welche Rauchmergel genannt wird, und aus Steinen mit untermischter feiner, sandiger Erde besteht. Die Steine werden auf dem Felde selbst zerstossen, und in den ersten Jahren lassen sich deshalb die Halme schwierig abmähen. Er wird jedoch mit den geringsten Kosten her- beigeschafft, da er um die Hälfte leichter als die übrige ist. Man streuet ihu dünn aus; er soll mit Salz vermischt werden. Wenn diese beiden Arten nur einmal auf den Acker gestreuet sind, so zeigt sich ihre Wirkung 50 Jahre lang durch den bedeutenden Ertrag von Getreide und Heu. Unter den sogenannten fetten ist die weisse die vor- züglichste, und zerfällt wieder in mehrere Arten. Von der fressendsten haben wir schon oben geredet. Die zweite Art der weissen heisst Tripel ^); man holt sie tief aus der Erde hervor, zu welchem Behuf man gegen 100 Fuss tiefe Schächte gräbt, die oben enge sind, und innerhalb, gleich- wie in den Bergwerken, weite Gänge haben. Dieser be- dient man sich in Britannien am meisten. Sie hält 80 Jahre lang an, und man kennt kein Beispiel, dass Jemand die- selbe 2 mal auf sein Land gebracht hat. Die dritte Art der weissen heisst Gleissmergel 2), ist eine mit fetter Erde vermischte Walkerkreide, und giebt mehr Futterkräuter als Getreide, dergestalt, dass nach vollendeter Erndte vor der neuen Saatzeit noch eine reichliche j\[euge davon er- halten werden kann. Ist sie auf einem Kornfelde, so lässt sie kein anderes Gras aufkommen; sie hält 30 Jahre lang an, liegt sie aber zu dicht, so erstickt sie wie die Signi- nische den Boden. Den taubenfarbigen Mergel nennen die ') Greta argentaria, zum Poliren des Silbers. -) Glyssomarga. von Altdeutschen: glizen d. h, gleissen, glänzen. 25(3 Siebenzehntes Buch. Gallier in ihrer Sprache Eglecopala; er wird wie Steine in grossen Klösseu ausgegraben, durch Sonne und Kälte aber so locker gemacht, dass er in sehr dünne Blätter zerfällt, und ist ebenso fruchtbar wie der vorige. Des sandigen bedienen sie sich, wenn sie keinen anderen haben, auf sumpfigem Boden aber stets, auch wenn es an anderen nicht fehlt. Die Ubier sind die einzigen Völker, welche den fruchtbarsten Boden bebauen, jeden Acker über 3 Fuss tief ausgraben, und durch 1 Fuss hoch darüber gestreueten Mergel düngen; aber er nützt nicht länger als 10 Jahre. Die Heduer und Pictoner haben ihre Aecker durch Kalk sehr fruchtbar gemacht, und in der That findet man den- selben für Oelbäume und Weinstöcke sehr zuträglich. Aller Mergel muss aber auf gepflügtes Land geworfen werden, damit dieses Verbesserungsmittel schnell eindringe; der- jenige, welcher anfangs mehr rauh ist, sowie der, welcher nicht auf Gras geworfen wird, erfordert ein wenig Mist, sonst schadet er, von welcher Art er auch sei, durch seine Keuheit dem Boden, den er zeigt sich nicht einmal im nächst- folgenden Jahre fruchtbar. Es ist auch nicht einerlei, auf welchen Boden er gebracht wird, denn der trockene eignet sich eher für einen feuchten, der fette für einen trockenen, die Greta oder der taubenfarbige Mergel aber für einen nicht zu feuchten und zu trockenen. 5. Die Völker jenseits des Po's lieben den Gebrauch der Asche so sehr, dass sie dieselbe dem Miste des Zugviehs vorziehen, und da dieser sehr leicht ist, so brennen sie ihn aus. Jedoch bedienen sie sich beider nicht zugleich auf ein und demselben Felde, auch, wie wir bereits gesagt haben, der Asche nicht in "Weingärten ^) oder auf gewissen Saatfeldern. Einige sind der Meinung, die Trauben er- nährten sich vom Staube, bestreuen daher die heranwach- senden und die Wurzeln der Weinstöcke und Bäume damit. Soviel ist gewiss, dass in der narbonensischen Provinz der M Avbusta. in denen der Wein an Bäumen sezo^en wird. Siebenzehnte^ Buch. 257 Wein eher dadurch reif wird, denn dort trägt der Staub mehr dazu bei als die Sonne. 6. Der Mist bietet mehrere Unterschiede dar; sein Ge- brauch selbst ist sehr alt. Schon bei Homer findet man einen königlichen Greis, welcher auf diese Weise seinen Acker mit seinen Händen düngt. Man sagt, der König Augias in Griechenland habe seine Anwendung erfunden, Herkules sie aber in Italien verbreitet, und dieses Land erkannte seinem Könige Stercutus, einem Sohne des Faunus, wegen jener Erfindung die Unsterblichkeit zu. M. Varro giebt dem Drosselmiste aus den Vogelhäusern den Vozug vor allen anderen; auch zur Weide für Ochsen und Schweine schätzt er ihn hoch, und versichert, dass sie bei keinem anderen Futter schneller fett würden. Man kann aus unseren Sitten gute Hoffnungen schöpfen, wenn unsere Vorfahren so grosse Vogelhäuser gehabt haben, um daraus die Felder düngen zu können. Den nächsten Rang räumt Columella dem Tauben- und nach diesem dem Hühnermiste ein, ver- wirft aber den der Schwimmvögel. Die übrigen Schrift- steller bezeichnen einstimmig den Menschenkoth als ein vorzügliches Düngemittel. Einige von diesen ziehen den Urin vor, mit welchem in den Gerbereien die Haare ange- feuchtet waren. Andere wenden ihn für sich an, mischen aber Wasser hinzu, und zwar noch reichlicher als man es trinkt; denn hier giebt es noch mehr Böses zu mildern, weil zu dem Gifte des Weines auch noch das des Menschen kommt. Diess sind die eifrigen Bemühungen, denen sich die Menschen hingegeben haben, um die Erde zu ernähren. Nächstdem loben sie den Koth der Schweine, nur Colu- mella verwirft ihn. Andere loben den Mist eines jeden vierfüssigen Tliieres, welches Cytisus frisst. Andere ziehen den Taubenmist vor. Dann folgt der der Ziegen, hierauf der der Schafe, des Rindvieh's und endlich der Pferde. Diess waren die verschiedenen Miste bei den Alten, diess (wie ich finde) die Vorschriften zu seiner Anwendung, und man muss gestehen, dass es auch hierin früher besser wittstein: Plinius. lU. Bd. 17 258 Siebenzehntes Buch. stand als jetzt. Bei einigen Bewohnern der Provinzen^ welche eine bedeutende Menge Vieh besitzen, sieht man- sogar, dass der Mist gleich dem Mehle durch Siebe ge- schlagen wird, nachdem der Geruch und das Ansehen durch die Kraft der Zeit eine gewisse Annehmlichkeit bekommen, haben. Neulich fand man, dass die Asche aus Kalköfen der beste Dünger für die Oelbäume ist. Vavro fügt diesen Vorschriften noch hinzu, mit Pferde-^ mist, welcher am leichtesten sei, solle mau die Saaten düngen; die Wiesen aber mit schwererem, der aus dem Ge- nuss der Gerste hervorginge und viel Gras erzeuge. Einige^ ziehen den Mist des Zugvieh's dem Kuhmiste, den Schaf- mist dem Ziegenmiste, den Eselsmist aber allen anderen vor, weil diese Thiere am langsamsten kauen; allein nichts gegen beides spricht die Erfahrung. Gewiss ist aber besser als das Kraut der Wolfsbohne, ehe es Schoten treibt, mit dem Pfluge oder der Hacke unterzuackern, oder Hände voll davon abzuschneiden und an die Wurzeln der Bäume und Weinstöcke zu verscharren. Auch da, wo kein Vieh sei, düngt man, wie es heisst, selbst durch Stroh oder Farnkraut. Cato giebt folgende Vorschriften zur Bereitung de» Düngers: Man nehme Stroh, Wolfsbohne, Spreu, Bohnenkraut,. Laub von Stecheichen und gemeinen Eichen; ferner sammele man von den Saatfeldern: Attich, Schierling, sowie d) D. i. im Neumonde. ^) S. XXV. B. 40. Cap. Siebenzehntes Buch. 277 Stamm durch das Mark hindurch zu spalten, in dieses die (auf die bereits angegebene Weise) zugespitzten Reiser zu stecken, und so Mark mit Mark zu vereinigen. Die zweite wird angewandt, wenn die Weinstöcke einander berühren; man soll nämlich die entgegengesetzten Seiten beider schräg abschaben, Mark an Mark bringen, und sie so zusammen- binden. Nach der dritten soll mau den Stamm schräg bis aufs Mark anbohren, ein 2 Fuss langes Reis einstecken^ verbinden, und, wenn dasselbe gerade in die Höhe gerichtet ist, aiit durchkneteter Erde bestreichen. In unserer Zeit ist diese Methode verbessert worden, man bedient sich nämlich eines gallischen Bohrers, welcher das Holz aushöhlt und nicht erhitzt, denn alle Erhitzung schwächt. Auch muss man ein Reis nehmen, was schon anfängt auszu- schlagen; dasselbe muss von der Stelle an, wo es hervor- steht, nicht mehr als 2 Augen haben, mit Ulmenruthen festgebunden und von 2 Seiten in eine doppelte Spitze zu- schärft werden, damit der Schleim, welcher den Weinstöcken sehr schadet, besser abtröpfele. Wenn nun die Reben- schösslinge 2 Fuss hoch geworden sind, muss mau den Verband einschneiden, damit auch das Wachsthum in die Dicke stattfinden kann. Die Zeit zum Pfropfen der Wein- stöcke hat man vom Herbstäquinoctium bis zum Anfange des Ausschiagens festgesetzt. Zahme Pflanzen werden auf Wurzeln von wilden, welche von Natur trockener sind, ge- pfropft. Pfropft man zahme auf wilde, so arten sie in wilde aus. Das Uebrige wird durch die Witterung bedingt. Trocknes Wetter eignet sich für die Reiser am besten; zu ihrer Erholung setzt man neben sie irdene Gefässe, aus welchen durch Asche etwas Feuchtigkeit tröpfelt. Inocu- lirte Gewächse gedeihen gut bei massigem Thau. 26. Die Methode, ein Rindenpflaster i) einzulegen, scheint aus der Inoculation entstanden zu sein. Sie ist am anwend- barsten bei einer dicken Rinde, dergleichen der Feigen- •) Emplastrum. 278 Siebenzehntes Buch. bäum hat. Mau schneidet nämlich alle Aeste ab, damit diese den Saft nicht an sich ziehen, nimmt an der besten Stelle, da wo der Baum am gesundesten aussieht, eine 4 eckige Scheibe aus der Rinde (doch so, dass das Messer nicht tiefer geht), drückt in die Stelle ein gleiches Stück Rinde von einem andern Baume, woran eine schwellende Knospe ist, und verdichtet die Fuge so, dass keine Ritze übrig bleibt, alles gleich gemacht ist, und weder Nässe noch Wind hinzutreten können. Besser aber, man verstreicht noch mit Lehm und umbindet das Ganze. Leute, welche den Neuerungen mehr huldigen, sagen, diese Methode sei erst vor Kurzem erfunden; allein man findet sie schon bei den alten Griechen und bei Cato, welcher den Oel- und Feigenbaum so zu pfropfen lehrt, und dabei, seiner gewöhn- lichen Sorgfalt gemäss, sogar das Maass vorschreibt. Man soll nämlich mit einem Messer ein 4 Finger breit langes und 3 Finger breites Stück ausschneiden, wie oben gesagt einfügen, und mit gekneteter Erde überstreichen. Eben so soll mau beim Apfelbaume verfahren. Manche haben die Spalte an den Weinstöcken mit dieser Art vermischt, weil man zuvor ein 4 eckiges Stück Rinde hinwegnimmt, wenn ein Reis an der flachen Seite angebracht werden soll. Ich habe bei den tullianischen Tiburten einen auf so vielerlei Weise gepfropften Baum ge- sehen, der mit allen Arten von Obst behangen war, an einem Aste waren nämlich Nüsse, an einem andern Beeren, da Weintrauben, dort Feigen, Birnen, Granaten und andere Arten von Aepfeln; er lebte aber nicht lange. Durch unsere Experimente können wir jedoch der Natur nicht in jeder Beziehung gleich kommen; einige Bäume nämlich gedeihen nicht anders als von selbst, und kommen nur an unge- baueten und wüsten Orten vor. Auf die Platane soll man am leichtesten pfropfen können, dann folgt die gemeine Eiche, allein beide verderben den Geschmack (der Früchte). Auf einige, wie z. B. die Feige und Granate, kann man alles pfropfen. Der Weiustoek, ferner solche Bäume, welche eine dünne, hinfällige oder rissige Rinde haben, nehmen Siebenzehntes Buch. 279 das Rindenpflaster nicht an. Zur Inoculation eignen sieh keine trockene, oder wenig Feuchtigkeit enthaltende Bäume. Die Inoculation ist unter allen Methoden die fruchtbarste, dann folgt das Emplastriren; beide aber sind am unzuver- lässigsten, denn wenn die Rinde dünn ist oder die Luft stark wehet, geht das Auge zu Grunde. Am sichersten ist das Pfropfen, und es zeigt sich fruchtbarer als das Säen. Ein Beispiel darf ich der Seltenheit wegen nicht über- gehen. Corellius, ein römischer Ritter aus Ateste, pfropfte im Neapolitanischen Gebiete eine Kastanie mit ihrem eigenen Reise. Daraus ward eine der besten Arten von Kastanien, welche nun nach ihm den Namen erhielt. Später pfropfte der Freigelassene Eterejus wiederum die corellianische. Zwischen beiden findet nun der Unterschied statt, dass jene mehr, die eterejanische dagegen bessere Früchte trägt. 27. Auch auf die übrigen Arten der Vermehrung undVeredlung verhalf der Zufall, denn als man sah, dass eingeschlagene Pfähle Wurzeln treiben, fing man auch an, abgebrochene Zweige zu pflanzen. Auf diese Weise pflanzt man viele Bäume, und besonders den Feigenbaum, der auf jede Art, nur nicht durch einen Schnittling gezogen werden kann; am besten kommt er fort, wenn ein starker Zweig, wie ein Pfahl zugespitzt, tief in die Erde gesetzt wird, so dass nur ein kurzer Theil über der Erde bleibt, den man gleichfalls mit Sand bedeckt. Auch vom Granatbaum werden Zweige gepflanzt, nachdem man zuvor ein Loch mit einem Pfahle gemacht hat; ebenso die Myrte. Alle diese Aeste müssen S Fuss lang, fast wie ein Arm dick sein, die Rinde muss sorgfältig in Acht genommen und das Stämmchen selbst zugespitzt werden. • 28. Die Myrte wird auch durch Schnittlinge fortgepflanzt; der Maulbeerbaum nur durch diese, weil die Furcht vor dem Blitze ihn auf die Ulme zu pfropfen hindert. Wir müssen daher jetzt von dem Pflanzen der Schnittlinge reden. 280 Siebenzehntes Buch. Dabei ist vor allem zu beobachten, dass man die Schnitt- linge von tragbaren Bäumen nehme, dass sie weder krumm, noch gabelig, noch ästig seien, ferner nicht dünner, als die Hand zu füllen, nicht kürzer als einen Fuss, dass die Rinde nicht verletzt sei, dass allemal der untere Schnitt, und was der Wurzel nahe ist, gesetzt werde, und dass man die Knospen so lange mit Erde überdecke, bis die Pflanze kräftig zu werden anfängt. 29. Was Cato in Betreff der Cultur der Oelbäume vor- schreibt, können wir am besten mit seinen eigenen Worten wiedergeben. Die Schnittliuge der Oelbäume, welche in eine Grube gepflanzt werden sollen, nehme man 3 Fuss lang, und verfahre beim Abhauen oder Abschneiden mit Vorsicht, damit die Rinde nicht beschädigt wird. Die für die Pflanzschule bestimmten mache man 1 Fuss lang und setze sie folgendermaassen ein: Der Platz muss umgegraben und wohl aufgelockert sein. Wird der Schnittling einge- setzt, so trete man ihn mit dem Fusse ein; geht er nicht gut hinein, so treibe man ihn mit dem Hammer oder dem Schlägel ein, aber hüte sich, dass man dabei den Bast nicht spaltet. Macht man zuvor mit einem Pfahle ein Loch zum Einsetzen des Schnittlings, so wird er besser angehen. Sind die Pflanzen nun 3 Jahre alt, so muss man darauf Acht haben, wohin sich der Bast wendet i). Pflanzt man in Gräben oder Furchen, so stecke man jedes Mal 3 Schnitt- linge, und decke soviel Erde darüber, dass sie nicht mehr als 4 Finger breit herausstehen, und die Knospe oder das Auge verwahrt sei. Den Oelbaum muss man behutsam ausgraben, und an den Wurzeln muss so viel Erde wie möglich hängen bleiben. Die Wurzeln bedecke man gut und trete die Erde rund herum fest, damit sie keinen Schaderi leiden. ') D. h. nach welcher Himmelsgegend er gerichtet ist, damit das Stämmchen beim Versetzen wieder dieselbe Stellung bekommt. Siebenzehntes Buch. 281 30. Auf die Frage, welches die rechte Zeit zum Pflanzen sei, antworte ich: auf trocknen Acker während der Säezeit, auf fruchtbaren im Frühlinge. Einen Oelgarten fange man 15 Tage vor dem Frtihlingsäquinoctium an zu beschneiden, und von dieser Zeit an kann es 40 Tage lang geschehen. Das Beschneiden selbst wird auf folgende Art ausgeführt. An recht fruchtbaren Plätzen nehme man alles was trocken ist und was der Wind zerbrochen hat, weg; an unfrucht- baren schneide man mehr weg, und mache durch Pflügen und Ausschneiden der Knoten die Stämme leicht. Um die Oel- bäume mache man Gruben und umgebe sie mit Mist. Wer seinen Oelgarten häufig und tief umarbeitet, wird die zar- testen Wurzeln herauspflügen. Kommen die Wurzeln in die Höhe, so werden sie dicker, denn dann gehen die Kräfte des Oelbaumes in die Wurzeln über. Welches die verschiedenen Arten des Oelbaumes sind, in was für einer Erde sie leben und gepflanzt werden, und welche Lage die Oelgarten haben müssen, haben wir be- reits bei der Beschreibung des Oelbaumes augegeben. Mago sagt, man solle sie auf Hügeln, trocknem Boden und Thon zwischen dem Herbste und Winter, in dichter, nasser oder etwas feuchter aber von der Erndtezeit an bis zum Winter pflanzen. Es ist augenscheinlich, dass er diese Vorschriften nur in Bezug auf Afrika gegeben hat. In Italien pflanzt man sie jetzt meistens im Frühjahre. Will man es aber im Herbste thun, so geschehe es 40 Tage nach dem Aequinoctium bis zum Untergange des Sieben- gestirns. Bloss 4 Tage giebt es, welche dem Anpflanzen schädlich sind. Nur in Afrika pfropft man den zahmen Oelbaum auf den wilden. Sie behalten bei ihrem Altwerden doch eine gewisse Unvergänglichkeit, denn zur nächsten Fortpflanzung schiesst aus ihnen ein Zweig hervor, ein anderer, junger Baum erhebt sich aus ihm, und diess ge- schieht jedesmal so oft es nöthig ist, so dass ein und der- selbe Baum Jahrhunderte lang besteht. Man pfropft einen wilden Oelbaum durch ein Reis oder durch Inoculation. 282 Siebenzehntes Buch. Ein Oelbaum darf nicht dahin gesetzt werden, wo eine Eiche ausgegraben ist, denn in der Eichenwurzel entsteht eine Art Würmer, welche Raucä heissen und in den neuen Baum übergehen. Man hat es für besser befunden, die Schnittlinge nicht in die Erde zu scharren oder zu trocknen, bevor sie gepflanzt werden. Ferner hat es sich vortheil- haft bewiesen, einen alten Oelgarten vom Frühlingsäqui- noctium an während dem Aufgange des Siebengestirns ein Jahr um das andere umzuackern, Moos um die Wurzeln zu legen, um diese aber alle Jahr vom Solstitium an einen 2 Cubitus breiten und 1 Fuss tiefen Graben zu machen, und im 3. Jahre zu düngen. Mago räth, die Mandelbäume vom Untergange des Arc- turus an bis zum kürzesten Tage, alle Birnen aber nicht zu ein und derselben Zeit zu pflanzen, weil sie nicht zu gleicher Zeit blühen, die länglichen und runden vom Unter- gange des Siebengestirns an bis zum kürzesten Tage, die übrigen, gegen Norden und Osten hin stehenden, mitten im Winter nach dem Untergange des Schützen; den Lorbeer vom Untergange des Adlers an bis zum Untergange des Schützen. Die Pflanzzeit beruhet nämlich gleichfalls auf Gründen. Man hat geglaubt, das Pflanzen müsse vorzüg- lich im Frühjahre und Herbste geschehen; es giebt aber noch eine andere, in den Aufgang des Hundssterns fallende (günstige) Zeit, die nur Wenigen bekannt ist, weil man sie nicht an allen Orten gleich nützlich befunden hat, und die wir nicht übergehen dürfen, weil wir nicht von der Be- schaffenheit einer einzelnen Gegend, sondern der ganzen Natur handeln. In der cyrenaischen Provinz und in Griechen- land pflanzt man nämlich beim Wehen der Passatwinde, in Laconien namentlich den Oelbaum und auf der Insel Cos auch die Weinstöcke. Die übrigen Griechen tragen kein Bedenken, zu inoculiren und zu pfropfen, allein Bäume pflanzen sie nicht. Hierbei hängt von der Beschaffenheit des Ortes das Meiste ab; denn in Aegypten und wo im Sommer kein Regen fällt, wie in Indien und Aethiopien Siebenzehntes Buch. 283 säet man alte Monate. Nächstdem werden die Bäume nothwendigerweise im Herbste gepflanzt. Drei Zeiten sind sich also hinsichtlich des Ausschiagens gleich : der Frühling, der Aufgang des Hundssterns und der Aufgang des Arcturus; denn nicht allein die Thiere haben eine Begierde sich zu begatten, sondern diese ist in der Erde und in allen Pflanzen noch viel stärker, und sie recht- zeitig zu benutzen, trägt sehr viel zur Fruchtbarkeit bei. Oanz besonders gewahrt mau sie bei den Pfropfreisern, wo sich von beiden Seiten ein Streben zur Vereinigung zeigt. Diejenigen, welche den Frühling vorziehen, fangen gleich vom Aequinoctium an, denn sie sagen, jetzt trieben die Pflanzen Knospen, und daher fasse die Rinde alles leicht. Welche den Herbst vorziehen, beginnen gleich nach dem Aufgange des Arcturus, weil dann die Reiser gleich einige Wurzeln schlügen, also zubereitet in den Frühling kämen, und das Ausschlagen ihnen nicht sobald die Kräfte raube. Doch haben einige Bäume tiberall eine bestimmte Jahres- zeit, in der sie gepflanzt oder gepfropft werden, wie z. B. die Kirschen und Mandeln um den kürzesten Tag. Bei vielen wird die Lage der Gegend die beste Entscheidung abgeben; denn solche Gegenden, welche kalt und feucht liegen, muss man im Frühlinge, dagegen trockne und warme im Herbste bepflanzen. In Italien theilt man allgemein die Zeiten zum Pflanzen etc. auf folgende Weise ein: den Maulbeerbaum pflanzt man vom 13. Februar bis zum Aequinoctium; die Birne im Herbste, und zwar nicht weniger als 15 Tage vor dem kürzesten; die Sommeräpfel, Quitten, Speierlinge und Pflaumen nach der Glitte des Winters bis zum 13. Februar; das Johannis- brot und die Pfirsiche den Herbst über vor dem kürzesten Tage; die Nussarten, als die welschen, Pinien-, Hasel- und griechischen Nüsse und die Castanien vom 1. bis 15. März; die Weide, den Ginster um den ersten März, und dieser wird, wie wir bereits gesagt haben, aus Samen an trock- nen Orten, jene aus Stecklingen an feuchten Orten ge- zogen. 284 Siebenzehntes Buch. Um nun wissentlich nichts von dem, 'was ich ge- funden habe, zu tibergehen, so führe ich noch eine neue Art zu pfropfen an, welche Columella nach seiner eignen Versicherung erfunden hat, und durch welche Bäume von verschiedener und widerstrebender Natur, wie Feigen- und Oelbäume, miteinander verbunden werden. Man soll näm- lich neben einen Oelbaum einen Feigenbaum pflanzen, je- doch nicht weiter davon entfernt, als der Oelzweig welcher sehr biegsam ist und nachfolgt, jenen erreichen kann und ihn die ganze Zeit hindurch durch Krümmen zu gewöhnen suchen. Nachdem nun der Feigenbaum gehörige Kräfte gesammelt hat (was im 3. oder spätestens im 5. Jahre ein- einzutreten pflegt), so nimmt man seine Krone hinweg, schabt auf die schon angezeigte Weise die Fläche glatt, befestigt jenen Ast in den Stamm des Feigenbaumes, und bindet ihn fest, damit er der Krümmung wegen nicht wie- der herausschnellt. So muss er, als ein Mittelding zwischen Senker und Propfreis, 3 Jahre lang zwischen den beiden Mutterstämmen wachsen. Im 4. Jahre schneidet man ihn ab, und nun gehört er ganz der neuen Mutter. Diese Me- thode ist, so viel ich wenigstens weiss, noch nicht allgemein verbreitet. 31. Ausserdem hat jene bereits oben angeführte Berück- sichtigung in Bezug auf warmen und kalten, feuchten und trocknen Standort uns auch gelehrt. Pflanzgruben anzu- legen. An wässrigen Orten wird man wohl thun, sie weder tief noch weit zu machen; anders ist es auf warmem und trocknem Boden, damit sie eher das Wasser anziehen und behalten können. Auf diese Weise pflegt man auch alte Bäume; denn an heissen Stellen behäufelt und bedeckt man Wurzeln, damit sie die Sonnenhitze nicht verbrennt. Anders- wo zieht man Gräben um sie, damit die Luft Zutritt hat, und schützt sie im Winter durch Behäufeln vor der Kälte. Jene dagegen decken im Winter die Erde von ihnen auf, und suchen ihnen, wenn sie trocken sind, Feuchtigkeit zu verschaffen. Das Aufgraben der Erde unter den Bäumen Siebenzehntes Buch. 285 geschieht überall 3 Fuss im Kreise herum, jedoch nicht auf Wiesen, weil die Wurzeln aus Neigung zum Sonnen- scheine und zur Feuchtigkeit oben unter der Erdlläche hinkriechen. So viel von den Bäumen, die der Früchte wegen ge- pflanzt und gepfropft werden müssen. 32. Jetzt sind noch diejenigen Bäume übrig, welche mau um anderer Willen und besonders wegen der Weinberge bauet, und deren Holz deshalb gefällt wird. Unter ihnen behaupten die Weiden den ersten Platz; man pflanzt sie an feuchte Orte, die man aber 2^/2 Fuss tief aufgräbt, und nimmt dazu 1^2 Fuss lange Schnittliuge oder Stämme, welche je voller, desto besser sind. Sie müssen 6 Fuss weit von einander stehen. Wenn sie 3 Jahre alt sind, werden sie 2 Fuss von der Erde durch Beschneiden gezwungen, sich in die Breite auszudehnen, um sie ohne Leiter schneiden zu können. Die Weide ist nämlich um so fruchtbarer, je näher sie der Erde steht. Man schreibt auch vor, sie all- jährlich im Monat April umzugraben. Diess ist die Wartung der Ruthenweiden. Die Stangenweiden werden als Zweig oder Schnittling in dieselbe Grube gepflanzt. Das vierte Jahr ist die rechte Zeit, Stangen aus ihr zu hauen. Sie ersetzen aber die Stelle der altern durch neue Schüsse, wenn man eine Stange hineinsteckt und nach einem Jahre abschneidet. Ein Morgen Ruthenweiden reicht für 25 Morgen Weinland hin. Aus gleicher Ursache wird auch die weisse Pappel gepflanzt; man gräbt zu diesem Behuf 2 Fuss tief, steckt 11 2 Fuss lange Schnittlinge, die 2 Tage lang ge- trocknet sind, in einem Abstände von 1^4 Fuss ein, und wirft 2 Ellen hoch Erde darüber. 33. Das Rohr liebt einen noch lockerern (nassern) Boden als jene. Man pflanzt dessen Wurzelzwiebeln, welche Einige Augen nennen, in spannegrosse Löcher 2V> Fuss weit von einander. Es wächst, wenn das alte Rohr ausgerissen ist, von selbst wieder, und diess hat sich besser bewährt, als 286 Siebenzehntes Buch. das früher hier befolgte Abschneiden, denn in letzterem Falle schlingen sich die Wurzeln in einander, und werden dadurch erstickt. Die Zeit, dasselbe zu pflanzen ist, bevor die Augen gross werden d. i. vor dem ersten März, Es wächst bis in den Winter, und hört auf, wenn es anfängt zu erhärten. Dieses ist der rechte Zeitpunkt, dasselbe zu schneiden, und es geschieht so oft man glaubt den Wein- berg umgraben zu müssen. Das Rohr wird auch schräg in die Quere gepflanzt, und nicht tief gelegt; aus jedem Auge bricht eine eigene Pflanze hervor. Man pflanzt ferner abgebrochenes Rohr in fussgrosse Furchen, so dass 2 Augen mit Erde bedeckt werden, und der 3. Knoten die Erde nur berührt; die Spitze wird gebogen, damit sie keinen Thau annimmt. Man schneidet es bei abnehmendem Monde. Für Weinberge ist das, was ein Jahr getrocknet hat, besser als das grüne. 34. Die Kastanie wird zu Pfählen allen andern Holzarten vorgezogen, weil sie sich leicht behandeln lässt, sehr dauer- haft ist, und der Stamm, nachdem er abgehauen, im Wie- derausschlagen die Weide noch übertrifft. Sie verlangt einen leichten, aber nicht trocken sandigen, sondern beson- ders einen feuchten sandigen, oder schwärzlichen sowie toffigen Boden, wenn er auch noch so schattig, nördlich, kalt oder abschüssig liegt. Dahingegen gedeihet sie nicht auf Kies, Röthel, Greta oder sonst irgend einem frucht- baren Boden. Wir haben bereits gesagt, dass sie durch die Nüsse fortgepflanzt wird, aber nur die grössten sind keimungsfähig, und auch nur dann, wenn ihrer 5 zusammen- gelegt werden. Die darüber befindliche Erde muss vom Monat November bis in den Februar durchbrochen werden; sie fallen um diese Zeit vom Baume und wachsen, wenn sie dann in. die lockere Erde kommen, hervor. Sie müssen 1 Fuss weit von einander entfernt, und in einer allenthalben Spannengrossen Furche stehen. Aus dieser Pflanzschule werden sie nach mehr als 2 Jahren in einen andern Boden gesetzt, und zwar je 2 Fuss weit von einander. Kein Baum Siebenzehntes Bucli. 287 bekommt leichter Wurzelschösslinge. Wenn man die Wurzel entblösst, und ihn ganz in einen Graben hinstreckt, so wächst er aus der über der Erde gelassenen Spitze wieder hervor, und aus der Wurzel entsteht noch ein anderer Baum. Versetzt man ihn aber, so gewöhnt er sich nicht leicht an den neuen Platz, scheuet die neue Veränderung und schiesst erst fast zwei Jahre danach in die Höhe. Da- her bauet man in die zu behauenden Pflanzschulen lieber Nüsse, als Wurzelreiser. Er braucht keine andere Wartung, als dass man ihn 2 Jahre lang umgräbt und unten be- schneidet; hernach zieht er sich selbst und tödtet durch seinen Schatten die überflüssigen Schösslinge. Im 7. Jahre wird er gehauen. Sein Pfahlholz von 1 Morgen reicht für 20 Morgen Weinland hin, wenn auch die Pfähle aus 2 mal gespaltenen Stämmen gemacht werden, und dauert länger als zum Wiedereintritt der folgenden Hauungszeit. Die Speiseiche gedeihet unter ähnlichen Umständen, wird 3 Jahre später gehauen, wächst aber weniger langsam. Sie kann in jedes Erdreich gesetzt werden, wächst aus der Eichel, jedoch nur aus der ihrigen, in spannenweiten und zwei Fuss von einander entfernten Gruben. Man pflanzt sie viermal im Jahre dünn aus. Ausserdem lassen sich auch noch andere Bäume, welche wir bereits angeführt haben, nämlich die Esche, der Lorbeer, der Pfirsich, die Haselnuss, der Apfelbaum behauen, allein sie wachsen zu langsam, ertragen kaum die Erde, in welche sie gesetzt sind, und ebenso wenig die Feuchtigkeit. Der Hollunder hingegen ist sehr dauerhaft zu Pfählen, und wird wie die Pappel aus Schnittlingen gezogen. Von der Cypresse haben wir schon ausführlich geredet. 35. Nachdem wir im Vorigen gleichsam die Hülfs-Materia- lien für die Weinberge genannt haben, bleibt uns noch die Beschaffenheit der letztern und die auf sie zu verwendende Sorgfalt näher zu betrachten übrig. An den Reisern der Weinstöcke und einiger andern Bäume, welche im Innern etwas schwammig sind, durch- 288 Siebenzehntes Buch. setzen die Gelenkknoten das Mark. Die dünnen Zweige selbst sind kurz, gegen den Gipfel zu noch kürzer, und schliessen gewöhnlich ihre Schüsse in 2 Gelenkknoten ein. Das Mark, welches vielleicht das belebende Organ ist, schiebt vor sich her und treibt in die Länge, so lange die Röhre an den Knoten den Durchgang gestattet. Wem aber die verwachsenen Gelenke ihm den Durchgang verwehren, wird es zurückgetrieben und bricht an seinem untersten Ende neben dem vorhergehenden Knoten, und zwar wie bereits beim Schilfe und Gartenkraute gesagt wurde, an den Stellen, wo die Aeste sitzen (die sich immer an den abwechselnden Seiten befinden), von denen man die rechte am untersten Gliede, die linke an dem darauf folgenden u. s. w. wahrnimmt. Diese Stelle nennt man am Wein- stocke die Knospe, wenn sie sich daselbst grünend aus- breitet. Bevor diess aber geschieht, liegt das Auge in einer Höhlung, und die Knospe selbst an der Spitze. So ent- stehen die Zweige, Trauben, Blätter und Ranken; und es ist merkwürdig, dass das, was auf der rechten Seite wächst, stärker ist. Beim Pflanzen der Reiser nun werden die Knoten in der Mitte durchgeschnitten, damit das Mark nicht heraus- fliesst. Vom Feigenbaume nimmt man sie spannenlaug und macht vor dem Einsetzen ein Loch mit einem Pflock in die Erde, dergestalt, dass das, was dem Baume am nächsten war, in die Erde kommt, und 2 Augen aus der Erde her- vorragen. Augen nennt man aber an den Zweigen die Stelleu, wo sie ausschlagen. Daher tragen sie auch in den Pflanzschulen zuweilen in demselben Jahre die Früchte, welche sie auf dem (vorigen) Baume getragen haben wür- den, denn werden sie in ihrem vollen Triebe zu rechter Zeit verpflanzt, so bildet sich die begonnene Frucht auch anderswo aus. Feigen, die auf diese Weise gepflanzt sind, können leicht im 3. Jahre versetzt werden. Zum Ersatz für das schnelle Altern dieses Baumes hat er das Gute, äusserst schnell aufzukommen. Bei den Weinstöcken ist das Pflanzen häufiger. Vor Siebenzehntes Buch. 289 allen Dingen wird von ihnen nur das verpflanzt, was un- tauglich ist und sich beim Beschneiden unter den Schöss- iingen findet. Man schneidet aber dasjenige ab, was zuletzt Früchte getragen hat. Ehemals pflegte man Reiser aus hartem Holze, die an beiden Enden knotig waren, zu pflan- zen; und daher heissen sie noch jetzt Hämmerchen. Nach- her fing man an, sie mit ihrem Ansätze abzutrennen, wie es z. B. beim Feigenbaum geschieht, und so wächst er am besten empor. Eine dritte Art geht noch schneller, ohne Ansatz, und heisst Pfeilrebe, weil sie eingekrümmt gepflanzt wird; wird sie aber nicht gebogen, so heisst sie die drei- iiugige. Auf diese Weise entstehen aus einem Reise mehrere Stämme. Fruchtlose Zweige geben unfruchtbare Stöcke, daher müssen tragende zum Pflanzen genommen werden. Zweige mit langen Schüssen werden gleichfalls für unfruchtbar gehalten; wogegen dichte Knospen ein Zeichen von Fruchtbarkeit sind. Einige geben an, man solle nur solche Reiser, welche bereits geblühet haben, pflanzen. Pfeilreben zu pflanzen ist weniger vortheilhaft, weil das, was gekrümmt war, beim Versetzen leicht bricht. Man pflanzt sie nicht kürzer als 1 Fuss lang und mit 5 bis 6 Knoten, und von dieser Länge können keine weniger als 3 Augen haben. Am besten ist es, sie an demselben Tage, wo sie geschnitten sind, zu setzen. Wenn man ge- nöthigt ist, sie aufzuheben und lange Zeit nachher erst zu pflanzen, so muss man sich, wie bereits gezeigt wurde, hüten, dass sie nicht ausserhalb der Erde liegen und von der Sonne trocken- werden, oder durch Wind und Kälte verkümmern. Welche längere Zeit trocken gelegen haben, müssen vor dem Einsetzen mehrere Tage lang in Wasser aufgefrischt werden. In der Pflanzschule oder im Weinberge soll der Boden gegen die Sonne hinliegen und möglichst geräumig sein; «r muss mit einem 3 Fuss langen Doppelspaten aufge- graben, und mit einem 4 Fuss langen Haken aufgeworfen werden, so dass der Graben 2 Fuss tief fortläuft. Der Graben muss gereinigt und geräumig gemacht, damit nichts Wittstein: Plinius. III. Bd. 19 290 Siebenzehntes Buch. Fremdartiges darin bleibt, hiebei aber auch das Maass be- rücksichtigt werden. Schlecht gegrabenes Land erkennt man an den ungleichen Tritten. Auch muss man den Theil der Rabatten, der dazwischen liegt, messen. Die Setzlinge pflanzt man in Gruben und längere Furchen und wirft die lockerste Erde darüber; aber von einem magern Boden würde man vergebens etwas hoffen, wenn nicht eine fettere Schicht darunter gelegt wird. Man darf nicht weniger als 2 einsetzen, und diese müssen die nächste Erdschicht ^) berühren, i^it ein und demselben Pflocke eingetrieben und fest gestampft werden. In der Pflanzschule muss zwischen je 2 Reben ein Raum von Vj^ Fuss in der Breite, und halb so viel in der Länge bleiben. Die so gepflanzten Reben müssen im 24. Monate bis zum untersten Gliede^ wenn man dasselbe nicht schonen will, abgeschnitten wer- den; dann brechen die Augen hervor, und mit diesen ver- setzt man das Stämmchen im 36. Monate. Es giebt auch eine üppige Methode, Weinstöcke za pflanzen; man bindet nämlich 4 Reiser an ihren frucht- barsten Theilen zusammen, steckt sie durch den Beinknochen eines Ochsen oder ein irdenes Geschirr, und vergräbt sie so, dass nur 2 Augen hervorragen. Auf diese Weise ziehen sie Feuchtigkeit an, und schiessen in einen Stamm hervor. Später zerbricht man die sie umgebende Röhre, die nun freie Wurzel schöpft Kräfte, und die nachher kommenden Trauben tragen alle Arten Beeren der gepflanzten Reiser. Bei einer andern Weise neuerer Erfindung wird das Reis gespalten, das Mark herausgekratzt, und die beiden Stücke wieder zusammengebunden, doch so dass die Knospen mög- lichst geschont werden. Darauf setzt mau das Reis in mit Mist vermengte Erde, schneidet es, wenn sich Aeste bilden wollen, ab, und gräbt oft um. Die Beeren von solchen Trauben sollen, wie Columella versichert, keine Kerne ent- halten; und es erscheint schon wunderbar, dass dergleichen ') Unterhalb nämlich. Siebenzehntes Buch. 291 des Markes beraubte Reiser, am Leben bleiben. Wir dürfen auch nicht anzuführen unterlassen, dass selbst Reiser, denen die Gliederung des Baumes fehlt, wachsen; denn wenn man 5 oder 6 sehr dünne Zweige vom Buxbaume zusammen- bindet und einsetzt, so kommen sie fort. Ehemals nahm man sie nur von einem unbeschnittenen Buxbaume, in der Meinung, dass sie anders nicht gedeihen würden; allein Versuche haben gezeigt, dass diess nicht gerade nothwen- dig sei. Nach Besprechung der Pflanzschulen lassen wir jetzt die Besorgung der Weinberge folgen. Es giebt 5 Arten Weinberge, die Reben stehen nämlich zerstreut im Lande, oder für sich aufrecht, oder auf Stützen ohne Querlatten, oder bepfählt und an einfachen Querlatten oder an in vier- eckiger Gestalt zusammengefügten Querlatten. Wie die be- pfählten, ebenso werden auch die ohne Stützen stehenden Stöcke behandelt, denn bei diesen iässt man die Pfähle bloss aus Mangel daran weg. Die mit der einfachen Querlatte be- stehen aus einer langen Reihe, welche man Weingeländer nennt. Ein solches eignet sich dann eher für den Wein, wenn es sich selbst keinen Schatten macht, beständig den Sonnenstrahlen ausgesetzt ist, dem Winde freien Durchzug gestattet, und den Thau rasch verliert. Auch Iässt es sich leicht abblättern, behacken und gestattet, auch die übrigen Arbeiten daran leicht auszuführen. Vor allen andern blühet es besser ab. Die Querlatte macht man aus Stöcken, Rohr, Haaren oder Stricken wie in Spanien und zu Brundusium. Die durch Vierecke vereinigten Stöcke sind ergiebiger an Wein; sie haben ihren Namen von den hohlen (leeren) vier- eckigen Höfen der Tempel. Wir wollen die Methode, wie sie gesetzt werden, jetzt angeben, denn sie gilt für alle Arten, und es findet nur der Unterschied statt, dass bei jener zahlreichere Modificationen vorkommen. Das Setzen geschieht auf folgende 3 Weisen; am besten in umgegrabenem Lande, nächstdem in einer Furche, und hierauf in einer Grube. Vom Umgraben war schon die Rede. Zu einer Furche ist die Breite des Spatens hin- 19* 292 Siebenzehntes Buch. reichend, die Grube aber muss überall 3 Fuss breit sein, die Tiefe in jedem Falle 3 Fuss betragen, daher auch kein kürzerer Stock versetzt werden darf, denn 2 Knospen sollen noch hervorragen. Es ist nothweudig, die Erde in der Grube durch kleine Furchen aufzulockern und mit Mist zu ver- mengen. Ein hügeliger Boden erheischt tiefere Gruben, und ausserdem muss man die abschüssigen Seiten noch durch Aufwerfen von Rändern erhöhen. Diejenigen Gruben, welche so laug gemacht werden, dass sie 2 Stöcke hinter- einander aufnehmen können, heissen Betten. Die Wurzel des Weiustocks muss in der Mitte der Grube stehen, der Stock selbst aber, da wo er auf etwas Festes gestützt ist, gegen Osten gerichtet sein und seine erste Stütze vom Rohr erhalten. Man muss durch die Weinberge einen Hauptgang von 18 Fuss Breite, um mit dem Wagen hindurch fahren zu können, auch mitten durch die Morgen noch andere Gänge von 10 Fuss Breite machen. Hat mau mehr Platz, so macht man die Nebeugänge eben so breit wie den Hauptgang. Stets aber muss man von 5 zu* 5 pflanzen, d. h. zwischen je 2 Reihen muss ein Raum bleiben, der so breit ist, als 5 mit einander verbundene Pfähle einnehmen. Nur in einen festen Boden soll man ein Wurzelreis setzen, und auch dann nur, wenn er gehörig umgegl'aben ist; in einem zarten und lockern auch wohl ein Senkreis in eine Furche oder Grube. Auf Anhöhen ist es besser Querfurchen zu ziehen, als umzuackern, damit die dadurch gebildeten Seitenwäude das abfliessende Wasser aufnehmen können. Senkreiser kann man bei regnigem Wetter oder bei trocknem Boden im Herbste pflanzen, es sei denn, dass die Beschaffenheit der Gegend es anders erheischt. Denn trockne und warme Landstriche müssen im Herbste, feuchte und kalte im Ausgange des Frühjahrs bepflanzt werden. In einen trocknen Boden wird ein Wurzelreis umsonst ein- gesetzt, auch kommen die Senkreiser auf trocknem Lande schlecht fort, und am besten noch nach einem Regen. In feuchtem Erdreich aber geht selbst der belaubte Weinstock, Siebenzehntes Buch. 293 und zwar bis zum Solstitium, wie z. B. in Spanien an. Am besten ist es, wenn an dem Tage, wo gepflanzt wird, kein Wind wehet. Die Meisten wünschen dabei Südwind, Cato hingegen verwirft ihn. Das mittlere Maass zwischen 2 Weinstöcken soll 5 Fuss, auf einem fruchtbaren Boden aber mindesten 4, und auf einem magern höchstens 8 sein. Die Umbrer und Marser lassen in den sogenannten Weinbeeten des Pflügens wegen einen bis zu 20 Fuss breiten Raum. An einem feuchten und dunkeln Orte muss man die Stöcke weitläufiger, an einem trocknen dagegen dichter setzen. Der Scharfsinn hat der* Sparsamkeit einen Vortheil erdacht, nämlich bei Anlage eines Weinbergs auf beackertem Boden zugleich eine Pflauzschule einzurichten, so dass das Wurzelreis an seinen Platz und das zu verpflanzende Senkreis zwischen die Weinstöcke und Reihen gesetzt wird. Auf diese Weise bekommt man auf einen Morgen 16,000 Wurzelreiser. Nur erfolgt die Frucht um 2 Jahre später, weil der Stock da, wo er gepflanzt wird, später trägt, als da, wohin er versetzt wird. Ein Wurzelreis, welches in einen Weinberg gesetzt ist, wird nach einem Jahre bis an die Erde abgeschnitten, so dass nur 1 Auge hervorragt, sodann ein Pfahl daneben gesteckt und Mist hinzugebracht. Ebenso schneidet man ihn im 2. Jahre ab, wodurch er kräftig wird und die Fähig- keit behält, künftig Früchte zu tragen; lässt man ihn aber schnell heranwachsen, so wird er schwach und dünn, und geht, wenn man ihn nicht durch den Schnitt zurückhält, ganz in Knospen über. Nichts wächst begieriger, und würde man seine Kräfte nicht für die Frucht aufbewahren, so ent- ständen lauter Ranken daraus. Das beste Pfahlwerk ist das bereits von mir angeführte. Die Weinpfähle macht man aus Eichen und Oelbäumen, oder in Ermangelung dieser, aus Waehholder, Cypressen, dem Bohnenbaum und Hollunder. Die Pfähle anderer Holzarten werden alle Jahre nachgespitzt. Zu Querlatten eignet sich das in Bündel gebundene Rohr am besten; es hält 5 Jahre aus. Wenn kürzere Reben durch Reiser, wie durch Stricke, 294 Siebenzehntes Buch. verbunden werden, so heisst der daraus gebildete Bogen gebundener Wein. Im 3. Jabre schickt der Weinstock einen schnellen und kräftigen Stamm hervor, der mit der Zeit zum eigentlichen Weinstocke wird, und dieser rankt an den Querlatten hin. Einige nehmen ihn alsdann mit dem Messer die Augen weg, um ihn länger zu treiben, — ein Verfahren, dass keine Billigung verdient. Besser ist es, ihn Früchte treiben zu lassen, und ihn, wenn er bepfählt ist, von der zu grossen Menge Laubwerk zu befreien, so lange man ihn will Kräfte sammeln lassen. Einige wollen, dass man ih» im 1. Jahre nach seiner Versetzung nicht anrühre, und nicht vor dem 60. Monate beschneide, dann aber alles bis auf 3 Augen wegnehme. Andere beschneiden ihn zwar schon im ersten Jahre, lassen ihm aber jedes Jahr 3 bis 4 Schüsse mehr, und ziehen ihn im 4. Jahre an die Querlatten. Diess bei- des liefert in Folge des zwergigen Wuchses späte, dürre und knotige Früchte. Am besten ist ein kräftiger Stock, von dem dann auch eine kräftige Frucht kommt. Nicht immer liefern die Stöcke, welche voll Narben sind, sichere Resultate, wie Unerfahrene irrigerweise glauben. Bei sol- chen findet das Wachsen aus den Seiten und nicht aus dem Stamme statt. Der Weinstock hat aber alle Kräfte bei- sammen, wenn man ihn stark werden lässt, und bekommt ganz den jährlichen Zuwachs, wenn er sich frei entwickeln kann. Die Natur bringt nichts stückweise hervor. Wenn er nun gehörig ausgewachsen ist, muss er sogleich an die Querlatten gebracht werden, und sollte er ja noch etwas schwach sein, so beschneide man ihn, nachdem er schon unter den Latten steht. Man entscheidet hierbei nach den Kräften, nicht nach dem Alter. Es ist unbesonnen, den Weinstock, bevorer die Dicke einesDaumenshat,zwingeuzuwol- len. Im folgenden Jahre muss man, je nach den Kräften des Stammes, 1 oder 2 Zweige stehen lassen ; im zweiten ebenso viele unter halten, wenn die Schwäche des Stocks es fordert, undim dritten endlich noch 2 mehr. Niemals aber dürfen mehr als 4 bleiben, — kurz, man darf hierbei nichts ausser Siebenzehntes Buch. 295 Acht lassen, sondern muss das Fruchttreiben verhindern, denn er will von Natur lieber Früchte treiben als (lange) leben. Alles was ihm am Holze entzogen, wird durch die Frucht ersetzt. Er will lieber Samen erzeugen als Frucht, weil diese etwas Vergängliches ist. So treibt er auf tippige Weise zu seinem Verderben, und erweitert sich nicht, son- •dern entleert (entkräftet) sich. Auch die Kenntniss der Beschaffenheit des Bodens wird uns hierbei von Nutzen sein. In einem magern Erdreiche muss der Stock, auch wenn er kräftig ist, beschnitten unter der Querlatte bleiben, damit alle Triebe unter derselben aus- gehen. Jedoch soll der Abstand von der Latte nur sehr gering sein, so dass er sie kaum erreicht, aber doch nicht ganz fasst, mithin weder darauf liegen, noch sich ihr an- schmiegend ausbreiten kann. Auf diese Weise suche man es dahin zu bringen, das er lieber wächst als trägt. Die Rebe muss unter der Querlatte (Joch) 2 oder 3 Augen haben, aus welchem das Holz wächst, dann bis zur Querlatte steigen und fest gebunden werden, so dass sie von derselben untersttitzt wird und nicht herbhängt. Beim 3. Auge muss sie bald durch ein Band befestigt werden, denn hierdurch wird auch der Trieb des Holzes beschränkt, und das Entstehen stärkern Laubes bezweckt. Die Spitze will man nicht angebunden wissen. Beim Weinstocke giebt der niedergedrückte oder ungebundene Theil, namentlich aber die Krümmung selbst die Frucht. Was darunter ist, treibt Holz, weil, wie ich glaube, die Luft und das Mark, von dem bereits die Rede war, daselbst Widerstand finden. Der so hervorgekommene Holztrieb wird im folgenden Jahre Früchte tragen. Demnach giebt es 2 Arten Rebenschüsse; kommt er aus hartem Holze und erhält er schon im folgenden Jahre Holz, so heisst er Rankenrebe; befindet er sich aber über der Narbe, Fruchtrebe. Der andere kommt immer aus ein- jährigen Stöcken, ist stets eine Fruchtrebe, wird stets unter dem Joche gelassen und heisst der Wächter; er ist ein neuer Schoss, nicht länger als 3 Augen, und setzt im fol- 296 Siebenzehntes Buch. genden Jahre Holz an, wenn der Stock durch üppiges Wachsthum sich aufgerieben hat. Noch ein anderer neben ihm hat die Grösse einer Warze, lieisst der Räuber, und wird gesetzt, wenn vielleicht der Wächter ausgehen sollte. Bevor der Weinstock, vom Reise au gerechnet, das siebente Jahr zurückgelegt hat, darf man ihn keine Früchte tragen lassen, sonst wird er dürr und stirbt ab. Auch taugt es nicht, eine alte Rebe in die Länge und bis zum vierten Pfahle zu ziehen, was Einige Drachen, Andere Juniculi nennen, und diese bilden die sogenannten Masculata i). Wenn der Weinstock schon hart geworden ist, darf man ihn nicht mehr in den Weinberg verpflanzen. Im 5. Jahre werden die Reben gekrümmt, treiben, jede für sich,^ Holzschüsse, diess geht so fort aus den nächstfolgenden^ und die früheren schneidet man ab. Man muss stets den. Wächter stehen lassen, dieser aber dem Stocke am nächsten^ und nicht länger sein als bereits gesagt wurde; auch soll man ihn krümmen, wenn die Reben zu sehr gewuchert haben, damit er 4 oder 2 Holzschüsse treibe, wenn der Weinberg einjochig ist. Wenn man den Weinstock für sich ohne Pfahlwerk anpflanzt, so muss er im Anfange irgend eine Stütze haben, bis er allein stehen und gerade aufsteigen kann. Uebrigens kommt seine erste Behandlung mit der vorigen überein. Beim Beschneiden aber müssen die kurzen Zweige überall gleichmässig vertheilt werden, damit die Frucht nicht nach einer Seite hin zu schwer werde, denn wenn letztere zu- gleich herabdrückt, so hindert sie das Wachsen in die Höhe. Derartige Stöcke nicken schon, wenn sie höher als 3 Fuss sind, die übrigen bei 5 Fuss Höhe, dürfen daher die ge- wöhnliche Mannshöhe nicht überschreiten. Auch die Reben, welche auf der Erde zerstreuet liegen, umgiebt man zur Stütze mit kurzen Rohren, und macht Vertiefungen rund um sie herum, damit sich die kriechenden Ranken nicht 1) D. i. Orte, wo Weinstöcke männlichen Geschlechts gepflanzt sind. Siebenzehntes Buch. 297 durch Begegnen hindern. In den meisten Ländern, nämlich in Afrika, Aegj'pten, Syrien, ganz Asien und an vielen Orten in Europa ist dieser Gebrauch, auf der Erde liegende Trauben zu sammeln, vorherrschend. Hier muss also der Stock an die Erde gedrückt werden, während die Wurzel auf eben dieselbe Weise genährt wird, wie in einer Joch- pflanzung; man darf stets nur kurze Zweige lassen (besser viele Zweige, als lange), und diese in einem fruchtbaren Boden mit 3 Augen, in einem magern aber mit 5. Was wir von der Beschaffenheit des Badens gesagt haben, wird, gehörig befolgt, um so wirksamer sich zeigen, je näher die Traube der Erde ist. Es ist sehr zweckmässig, die verschiedenen Arten zu trennen, und einer jeden ein besonderes Terrain anzuweisen. Denn ihre Vermischung erweist sich nicht bloss im Moste sondern auch im Weine nachtheilig. Will man sie aber doch vermischen, so dürfen wenigstens nur solche, welche zugleich reifen, vereinigt werden. Je fruchtbarer und flacher der Boden ist, um so höber müssen die Geländer sein; hohe Geländer eignen sich auch für feuchte, neblige und weniger windige Orte, hingegen niedrige für ein mageres, trocknes, heisses und den Winden ausgesetztes Erdreich. Die Quer- latten muss man möglichst fest an die Pfähle binden, die Weinstöcke aber nur locker daran legen. Welche Arten des Weinstocks, in was für einen Boden und in welchem Klima sie gepflanzt werden müssen, haben wir schon früher angeführt, als von ihnen und den Weinen die Rede war *). In Bezug auf die übrige Behandlung herrschen sehr abweichende Ansichten. Die Meisten wollen, man solle den ganzen Sommer hindurch nach jedesmaligem Thauen den Weinberg umgraben. Andere verbieten diess während der Zeit des Ausschiagens, denn sonst würden die Augen ab- geschlagen, und von den zwischen den Stöcken durchgehen- den Arbeitern abgetreten. Aus gleicher Ursache müsse man ») Im XIV. B. 298 Siebenzehntes Buch. auch alles Hornvieh, namentlich die Schafe nicht hinein- lassen, weil diese die Augen gern abfressen. Ferner sei es nicht gut, während dem Heranwachsen der Trauben zu hacken, und es reiche hin, wenn der Weinberg jährlich 3 mal umgegraben würde, nämlich nach dem Frühlingsäqui- noctium beim Aufgange des Siebengestirns, beim Aufgange des Hundssterns, und wenn die Beere anfange sich dunkel zu färben. Einige machen folgende Bestimmungen: man beackere einen alten Weinberg einmal nach der Weinlese vor dem Eintritt des Winters, während Andere das Gäten und Düngen für hinreichend halten; ferner nachdem 13. April, vor dem Ausschlagen, d. i. vor dem 9. Mai; hierauf bevor der Stock anfängt zu blühen, wenn er abgeblühet hat, und wenn die Traube sich färbt. Erfahrene Landwirthe be- haupten, wenn man zu oft umgrabe, so würden die Beeren so zart dass sie platzten. Das Graben geschieht zweck- mässig, ehe die Tageshitze zu gross wird. Weichen (ko- thigen) Boden muss man weder pflügen noch graben. Der Staub, welcher durch das Graben entsteht, soll wider die Sonnenhitze und Nebel gut sein. Das bekannte Abblättern im Frühjahre geschieht nach dem 15. Mai, innerhalb 10 Tagen, bevor die Blüthe erscheint, und zwar muss es unterhalb der Querlatten vorgenommen werden. Ueber das nun Folgende sind die Meinungen ge- theilt. Einige sagen, man müsse nach der Blüthezeit, An- dere, man müsse während dem Reifen der Trauben ab- blättern. Doch hierüber können Cato's Vorschriften ent- scheiden, denn wir müssen auch vom Beschneiden sprechen. Man beginnt damit sogleich nach der Weinlese, wenn die Witterung günstig ist; niemals aber darf es, aus natür- lichen Gründen, vor dem Aufgange des Adlers geschehen, wie wir im nächsten Buche bei den Wirkungen der Ge- stirne lehren werden. Es kann selbst zu Anfang des Fe- bruars vorgenommen werden, weil zu grosse Eilfertigkeit leicht Nachtheil bringen möchte. Wenn die durch den an sich heilsamen Schnitt erzeugten Wunden von der Kälte ergriffen werden, so leiden sicherlich davon die Augen, die Siebenzehntes Buch. 299 Schnittstellen klaffen, und die Augen, aus welchen der Saft tröpfelt, vertrocknen. Denn wer weiss nicht, dass sie vom Froste zerbrechlich werden? Auf grossen Landgütern ver- fahren die Arbeiter eigennützigerweise auf jene Art, die Natur aber treibt sie nicht zu solcher Eile. Je zeitiger die Weinstöcke an passenden Tagen beschnitten werden, desto mehr Holz setzen sie an, und je später, desto reichlichere Früchte tragen sie. Es ist daher besser, die schwächern zuerst, und die stärkern zuletzt zu beschneiden. Jeder Schnitt muss schräg geschehen, damit der Regen davon leicht ablaufen kann, ferner nach der Erde zu gehen, die Narbe möglichst schwach, was durch grosse Schärfe des Messers bezweckt wird, und der Schnitt glatt sein. Man muss stets zwischen zwei Augen schneiden, damit an dem beschnittenen Theile kein Auge verwundet werde. Man glaubt, dieser sei schwarz, und man müsse so lange schnei- den, bis man auf gutes Holz komme, weil aus verdorbenem kein gutes wachsen könne. Wenn ein schwacher Stock keine guten Reben habe, sei es am besten ihn dicht an der Erde abzuschneiden, und neue treiben zu lassen. Beim Ab- blättern soll man das Laub (die Ranken), was um die Trauben sitzt, nicht wegnehmen, denn dadurch fallen die Trauben ab, ausgenommen in einem neuen Weinberge. Das aus den Seiten und nicht aus einem Auge kommende Laub, sowie die Traube, welche aus einem harten steifen Stiele hervorwächst, so dass sie nur mit Hülfe eines Messers ab- genommen werden kann, hält man für unnütz. Einige sind der Meinung, es sei besser, das Pfahlwerk zwischen zwei Weinstöcke zu stellen; auf diese Weise können sie leichter behackt werden, auch ist diess Verfahren zweck- mässiger für einen einjochigen Weinberg, wenn anders die Querlatten stark genug sind, und die Gegend dem Winde nicht ausgesetzt ist. In einem vierfach bepfählten muss die Stütze der Last sehr nahe sein, doch, damit man beim Behacken nicht gehindert werde, nicht mehr als eine Elle Raum bleiben. Man soll aber das Behacken eher vornehmen als das Beschneiden. 300 Siebenzehntes Buch. Cato spricht sich über die ganze Cultur der Wein- stöcke folgendermaassen aus: Lege den Weinberg so hoch wie möglich an, binde die Stöcke gut, jedoch nicht zu fest an, und behandle sie also. Umgrabe die beschnittenen Spitzen der Weinstöcke, und fange an zu pflügen; führe diess- und jenseits fortlaufende Furchen. Zarte Stöcke pflanze sobald als möglich fort, alte beschneide so wenig als möglich, ziehe sie vielmehr, wenn es nöthig ist, abwärts und schneide sie nach 2 Jahren ab. Die rechte Zeit, einen jungen Stock abzuschneiden, wird sein, wenn er kräftig genug ist. Wenn der Weinberg von Stöcken entblösst ist, ziehe Furchen, und setze Wurzelableger hinein. Von den Furchen entferne allen Schatten, und grabe öfters. In einen alten Weinberg säe Basilienkraut ^); ist er mager, so säe nichts was Samen bringt, und lege um die Ranken Mist, Spreu, Weinhtilsen oder dergleichen. Wenn der Weinstock grün geworden ist, so blättere ab. Junge Stöcke binde fleissig an, damit die Stämme nicht abbrechen. Stöcke, deren Stamm schon pfahlartig wird, binde an den zarten Ranken gelinde fest, und führe diese weiter; wenn diese recht stehen, und die Traube angefangen hat sich zu färben, 80 binde die Stöcke unten an. Eine Pfropfung des Weinstocks geschieht im Frühjahre, eine andere während der Blüthezeit, und diese ist die beste. Wenn du einen alten Weinstock an einen andern Ort ver- setzen willst, so musst du wenigstens zuerst den dicken Stamm abschneiden, nicht mehr als 2 Augen sitzen lassen, mit den Wurzeln wohl ausgraben und dich hüten, dieselben zu beschädigen. Ist diess geschehen, so setze ihn in eine Grube oder Furche, und bedecke ihn gut mit Erde. Auf dieselbe Weise bepflanze einen (neuen) Weinberg, binde die Stöcke fest, biege sie wie sie vorher waren, und grabe oft um. Das Basilienkraut, welches Cato in den Weinberg gepflanzt wissen will, nannten die Alten Futterkraut; es kann im Schatten stehen und kommt schnell fort. ') Ocimum. Ocimum basilicum L. Siebenzehntes Buch. 301 Wir kommen nun auf die Art und Weise, den Wein- stock an Bäumen zu ziehen i), die von Saserna Vater und Sohn'-), gänzlich verworfen, von Scrofa gepriesen wird — beide sind nächst Cato die ältesten und erfahrensten Männer ; Scrofa ^) erachtet sie aber nur für Italien zulässig. Man schliesst aus langjähriger Erfahrung, dass die edlen Weine nur an Bäumen wachsen, und zwar geben die höch- sten Trauben den besten, die niedrigsten den meisten Wein. So viel Vortheil bringt die Höhe. Daher wählt man auch die Bäume zum Anbinden der Stöcke. Den ersten Raug unter ihnen hat in dieser Beziehung die Ulme, ausgenom- men die atinische, wegen ihres starken Laubes, Dann folgt die schwarze Pappel, welche aus demselben Grunde nicht zu dicht belaubt sein darf. Viele verachten auch die Esche, den Feigenbaum und Oelbaum nicht, wenn ihre Zweige nicht zu viel Schatten geben. Die Pflanzung und Cultur dieser Bäume haben wir schon ausführlich beschrieben. Man darf solche Stöcke nicht vor dem 36. Monate mit der Sichel berühren. Man lässt einen Zweig um den andern stehen, be- schneidet ein Jahr um das andere, und zieht im sechsten Jahre den Stock an dem Baume hinauf. In dem jenseits des Po gelegenen Theile von Italien bepflanzt man die Weinäcker, ausser oben genannten Bäumen, mit Kornel- kirschen, Pappeln, Linden, Ahorn, Eschen, Hainbuchen, Eichen; zu Venedig, wegen des sumpfigen Bodens, mit Wei- den. Die Ulme wird auch in der Mitte abgehauen, in Ast- absätze vertheilt, und dadurch kein Baum höher als 20 Fuss. Die Stockwerke davon verbreitet man auf Hügeln und trocknen Aeckern vom 8. Fusse ihrer Höhe an, auf flachen und feuchten Feldern aber vom 12. Fusse an. Die höchsten Stämme müssen gegen die Mittagssonne gerichtet sein; die Aeste an ihren hervorragenden Spitzen aufgerichtet, und das Laub der dünnen Zweige beschnitten werden, damit sie keinen Schatten machen. Der richtige Zwischenraum zwischen den Bäumen, wenn der Boden gepflügt wird, ist ') Arbusti ratio. ^) Nicht näher bekannte römische Schriftsteller. 3) Ebenfalls unbekannt. 302 Siebenzehntes Buch. nach hinten und vorn je 40 Fuss, und nach den Seiten 20 Fuss; wird nicht gepflügt, überall zwanzig. Oft zieht man an einem Baume zehn Stöcke, und man tadelt den Landmann, der weniger als 3 zieht. Man darf nur starke Bäume zu diesem Behufe nehmen, denn sonst werden sie durch das schnelle Wachsthum der Weinstöcke erstickt. Man muss diese in eine 3 Fuss breite Grube pflanzen, so dass sie unter sich und vom Baume immer 1 Fuss abstehen. Hierbei hat man keine Mühe mit den Schösslingen und keine Unkosten für das Behacken und Graben, und diese Methode des Weinbaues hat noch den besondern Vortheil, dass man in denselben Boden Getreide säen kann, was den Weinstöcken sehr zuträglich ist. Ueberdem braucht man, da die Höhe hier ein Schutzmittel abgiebt, nicht wie in Weinbergen, theuere Schutzwehren als Zäune, Hecken oder Gräben, um das Eindringen des Viehes abzuhalten. Beim Ziehen der Weinstöcke an Bäumen bedient man sich bloss der Wurzelsprossen, sowie der Ableger und dieser doppelt, wie wir bereits angegeben haben. Sie in Körben auf das Stockwerk selbst zu legen, wird für das beste ge- halten, weil sie dann vor dem Vieh am sichersten sind. Ein anderes Verfahren besteht darin, den Weinstock oder einen Zweig davon neben seinen Baum, oder um den näch- sten noch unumschlungenen nieder zu biegen. Was von dem Mutterstamme über der Erde ist, muss abgeschnitten werden, damit es nicht buschig ausschlage. In der Erde werden nicht weniger als 4 Augen, um Wurzel zu fassen, bedeckt, und nur 2 aussen frei gelassen. Der Weinstock an einem Baume erfordert eine Furche von 4 Fuss in der Länge, 3 Fuss in der Breite, und 2V2 Fuss Tiefe. Nach einem Jahre wird das Reis bis aufs Mark eingeschnitten, damit es sich allmählig an seine Wurzeln gewöhne; den Stengel schneidet man bis auf 2 Augen ab. Im 3. Jahre wird der ganze Senker abgeschnitten, und tiefer in die Erde gesetzt, damit er an dem beschnittenen Ende nicht austreibe. Das Wurzelreis muss gleich nach der Weinlese ausgehoben werden. Siebenzebntes Buch. 303 Kürzlich hat man die Erfindung gemacht, einen Drachen neben einen Baum zu pflanzen, — so nennt man nämlich eine ausgediente Rebe, weche schon mehrere Jahre hindurch erhärtet ist. Man schneidet diese recht weit ab, schabt auf 3 Theile seiner Länge die Rinde, so weit sie in die Erde kommen soll (daher man sie auch die Schaberebe nennt), ab, senkt sie in eine Furche und lehnt den übrigen Theil an einen Baum hinauf. Auf diese Weise geht es mit dem Weinstocke am schnellsten. Wenn der Stock oder die Erde unkräftig ist, so pflegt man ihn nahe an der Erde abzuschneiden, bis sich die Wurzel befestigt, ihn auch an keinen feuchten oder dem Nordwinde ausgesetzten Ort zu pflanzen. Die Stöcke selbst müssen gegen Nordost, ihre Reben aber gegen Mittag stehen. Mit dem Beschneiden eines jungen Stocks darf man nicht sehr eilen, sein Stamm soll sich vielmehr erst rund um den Baum schlingen, und nur die bereits kräftigen soll man beschneiden. An Bäumen gezogene Stöcke tragen fast ein ganzes Jahr später Früchte als die an Geländern. Einige sagen, man solle sie nicht eher beschneiden, bis sie die Höhe des Baumes erreicht haben. Zuerst werden sie 6 Fuss von der Erde beschnitten; unten bleibt ein Schoss stehen, und diesen zwingt man durch Krümmung des Stammes zum Wachsen. Beim Beschneiden darf man nicht mehr als 3 Augen übrig lassen. Die aus diesen getriebenen Schösslinge müssen im nächsten Jahre bis zu den untersten Astabsätzen getrieben werden, und so jedes Jahr um einen höher steigen, wobei man ihnen in jedem Stockwerk eine verholzte Rebe und eine erst jüngst entstandene, welche man nach Belieben leitet, lässt. Uebrigens müssen bei jedesmaligem Beschneiden diejenigen Ranken, welche zu- letzt getragen haben, hinweggenommen und neue auf den Stockwerken ausgebreitet werden. Bei uns nimmt man den Aesten der Weinstöcke die Gabeln '), umkleidet den Baum, und entblösst selbst die Trauben von den Gabeln; in Gal- ') crines. 304 Siebenzelintes Bucli. lien wird diess sogar auf die Senkreben ausgedehnt, und am ämiliselien Wege auf die Wurzeln der die atiuisclien Ulmen umschlingenden, weil man deren Laub fürchtet. Einige begehen die Unklugheit, den Weinstock unter- halb des Zweiges an einem Bande aufzuhängen, denn hier- durch wird er erstickt; er muss vielmehr durch eine Ruthe angehalten, aber nicht festgeschnürt werden. Diejenigen, welche Weiden genug haben, ziehen zu jenem Behufe dieses weiche Bandwerk, sowie ein Kraut, welches die Sicilier Weiubund ^) nennen, vor; in ganz Griechenland aber be- dient man sich der Binsen, des Cypergrases und Wasser- grases. Man löst auch wohl ihre Baude, lässt sie einige Tage hindurch frei, sich nach Belieben ausbreiten, und auf die Erde, welche sie das ganze Jahr hindurch angesehen haben, niederlegen; denn sowie dem Zugvieh nach dem Ausspannen, und den Hunden nach dem Laufen das Wälzen wohlthut, ebenso strecken sich die Weinstöcke auch gern einmal aus. Selbst der Baum freuet sich dann über die Abnahme seiner beständigen Last und scheint sich wieder zu erholen. Es giebt nichts in der Natur, was nicht, gleich dem Beispiele von Tag und Nacht, einigen Wechsel zum Ruhen begehrte. Daher wird das Beschneiden gleich nach der Weinlese nicht für gut gehalten, weil 4ann die Stöcke noch von dem Fruchttragen ermüdet sind. Die beschnittenen Stöcke müssen an einer andern Stelle festgebunden wer- den, denn sie fühlen bei der offenbaren Reibung die Ringe ihrer Bande. Nach der in Gallien befolgten Cultur sind an beiden Seiten 2 Senkreben, wenn der Raum vom Stamme ab 40 Fuss beträgt, 4 aber bei 20 Fuss Entfernung; sie werden da wo sie sich begegnen, vermischt, und so vereinigt an- gebunden; auch da wo es nöthig ist, durch angebrachtes Ruthenwerk steif gehalten, oder, wenn sie zu kurz sind, durch einen angebundenen Haken nach einem ledigen Baume hingeleitet. Dort pflegte man früher eine zweijäh- ') Ampelodesmos. Siebenzehntes Buch. 305 i'ige Senkrebe abzuschneiden. Es ist aber besser, alten Bäumen, wenn es ihre Dicke erlaubt, Zeit zu lassen, damit sie einen vorspringenden Schuss machen; sonst muss man die dicken Schüsse zu Drachen ziehen. Es giebt noch eine Art, welche zwischen dieser und den Ablegern das Mittel hält, nämlich, ganze Weinstöcke in die Erde zu pflanzen, sie mit Keilen zu spalten, aus einem mehrere zugleich in Furchen zu ziehen, die einzelnen dünnen Stämme an Pfählen zu befestigen, und die seit- wärts auslaufenden Ranken nicht abzuschneiden. Die Land- leute zu Novara sind mit vielen Senkreben und Zweigen noch nicht zufrieden, sondern bringen noch Staugen darüber an und wickeln die Keben darum. Daher werden die Weine, ausser durch den nacbtheiligen Einfluss des Bodens, auch noch durch die Cultur herbe. Einen andern Fehler begeht man in der Nähe von Rom mit den varracinischeu Stöcken, w^elche ein Jahr um das andere beschnitten werden, nicht, weil ihnen diess zuträglich, sondern weil er so schlecht ist, dass die Unkosten die Einkünfte übersteigen. Im Carseo- lauischen schlägt man den Mittelweg ein; man schneidet nämlich nur die laubigen Theile des Stocks und die, welche trocken werden wollen, ab, und lässt das Uebrige bei der Traube zurück; hierdurch wird die über- flüssige Last entfernt, und statt der Ernährung dient das seltene Beschneiden. Diese Behandlungsweise veranlasst aber das Ausarten in wilden Wein, wenn der Boden nicht fett ist. Die mit Bäumen verpflanzten Weinfelder *) müssen sehr tief gepflügt werden, wenngleich das darauf gesäete Ge- treide diess nicht erheischt. Man pflegt sie nicht abzulauben, und dadurch erspart man sich eine Mühe. Man beschnei- det sie zugleich mit den andern Weinstöcken, und lichtet die dichtsteheuden Zweige, welche überflüssig sind und die Nahrung wegziehen. Wir haben gesagt, sie dürften nicht gegen Norden oder Süden stehen; besser wäre es auch, *] arbusta. Wittstein: Pliaius. III. Bd. 20 306 Siebenzelintes Buch. wenn sie nicht gegen Westen ständen. Schnitte, welche bei zu starker Kälte oder Hitze gemacht sind, bleiben lange wund und heilen schwer. Mit den gewöhnlichen Weinstöcken darf man nicht so fein umgehen, wie mit den an Bäumen gezogenen, denn hier ist es leichter, gewisse Theile zu ver- bergen und zu drehen, wohin man will. Die Bäume muss man von oben herunter in Form eines Kelchs beschneiden, damit die Feuchtigkeit nicht auf ihnen stehen bleibt. 36. Man muss dem Weinstocke Stützen geben, welche gross genug sind, dass er an ihnen hinaufsteigen kann. Man räth, die Geländer edler Weine am fünftägigen Minerva- feste ^) und die, deren Trauben man aufbewahren will, im abnehmenden Monde zu beschneiden; welche aber beim Wechsel des Mondes beschnitten wären, würden von keinem Thiere beschädigt. Andere meinen, das Be- schneiden müsse des Nachts beim Vollmonde, und zwar wenn dieser im Löwen, Scorpion, Schützen oder Stiere stehe, geschehen, und überhaupt müsse mau den Weinstock bei vollem oder zunehmendem Monde pflanzen. In Italien reichen 10 Arbeiter auf 100 Morgen Weinland aus. 37. Nachdem wir von der Pflanzung und Wartung der Bäume, sowie unter den fremden Bäumen, von den Palmen und dem Cytisus ausführlich gehandelt haben, müssen wir der Vollständigkeit wegen auch der übrigen Umstände ge- denken, welche mit dem bisher Vorgetragenen im engen Verbände stehen. Die Bäume werden nämlich auch von Krankheiten befallen; denn welches Geschöpf bleibt wohl frei von diesen Uebeln? Zwar sagt man, den wilden Bäumen seien sie nicht gefährlich, und sie litten bloss während des Ausschiagens oder Blühens vom Hagel; aber ihnen schaden Hitze oder kalte Winde zu unrechter Zeit, denn die Kälte ist, wie wir bereits gesagt haben, zu ihrer ') Quinquatria, begonnen den 19. März. Siebenzehntes Buch. 307 Zeit auch dienlich. Wie? erfrieren nicht selbst Weinstöcke? Diess ist es eben, woran man den Fehler des Bodens er- kennt, denn nur in kaltem Erdreiche widerfährt ihm diess. Daher haben wir den Winter über gern Kälte in der Luft, aber nicht im Erdboden. Es sind nicht die schwächsten, sondern die grössten Bäume, denen die Kälte schadet, und an ihnen vertrocknen zuerst die Gipfel, weil die durch die Kälte gebundene Feuchtigkeit nicht dahin gelangen konnte. Einige Krankheiten treffen alle Bäume, andere nur gewisse Arten. Allgemein sind: der Wurmstich, der Brand i), der Gliederschmerz, woher die Schwäche der Theile kommt, — lauter Namen, deren Bedeutungen mit den Uebeln der Menschen übereinstimmen. Wir sagen auch, die Körper sind verstümmelt, die Augen der Sprossen sind ausgebrannt, und andere ähnliche Redensarten. Ebenso leiden die Pflan- zen auch Hunger, und an Unverdaulichkeit, beides wegen zu vieler Feuchtigkeit. Andere haben zu viel Fett; so werden alle Harzführenden durch die grosse Menge Fett in Kienholz verwandelt und sterben, und wenn die Wurzeln auch anfangen, fett zu werden, wie die Thiere durch das allzuviele Fett. Zuweilen verbreitet sich unter manchen Arten eine ansteckende Seuche, wie unter den Menschen bald die Sclaven, bald die gemeine Classe, bald die Bauern von dergleichen befallen werden. Einige Bäume leiden mehr, andere weniger vom Wurm- stiche, doch ganz wird keiner davon verschont, und diess erkennen die Vögel an dem Schalle der hohlen Rinde. Solche Würmer sind schon ein Gegenstand der Schwelgerei geworden, die grossen im Eichenholze (welche den Namen cossi führen) gehören unter die feinen Gerichte und, da man sie sogar schon mit Mehl mästet, bereits unter das Mastvieh. Unter den Bäumen leiden die Birn-, Aepfel- und Feigenbäume am meisten davon; weniger die, welche bitter und wohlriechend sind. Von den Würmern, welche sich auf den Feigenbäumen befinden, wachsen einige aus ihnen selbst ') sideratio. 20* 308 Siebeuzeliates Buch. heraus, andere erzeugt der sogenannte Kornkäfer, alle aber werden in Hornkäfer verwandelt, und geben einen gelinde rauschenden Ton von sich. Auch der Speierling wird von rothen haarigen Würmern (Raupen) angefressen, und stirbt dadurch ab. Der Mispel bäum ist im Alter derselben Krank- heit unterworfen. Der Braud entsteht ausschliesslich durch atmosphä- rische Einflüsse; daher muss man zu den Ursachen seiner Erzeugung auch den Hagel, die Bereifung und andere aus dem Reif entspringende Uebel rechnen. Dieser setzt sich auf die zarten Pflanzen, welche durch die Frühlings wärme gelockt hervorbrechen wollen, verbrennt die milchenden Augen der Knospen, und diess nennt man bei den Blüthen den Carbunkel. Der Reif ist von Natur um so verderb- licher, weil er da, wo er hinfällt, festsitzt, anfriert, und durch die Luft nicht weggetrieben wird, weil er nur bei stiller und heiterer Luft sich erzeugt. Das eigentliche Wesen des Brandes jedoch ist die dürre Ausdünstung beim Aufgange des Hundssterns, woran die gepfropften und jungen Bäume, besonders Feigen und Weinsöcke sterben. Der Oelbaum wird ausser dem Wurmstich, woran auch der Feigenbaum leidet, auch noch vou der Warze ^) (die man auch wohl Schwamm oder Schüssel nennen kann) befallen, welche durch die Sonnenhitze entsteht. Cato sagt, auch das rothe Moos sei schädlich. Die Weinstöcke und Oelbäume leiden grösstentheils durch zu grosse Fruchtbarkeit. Von der Räude werden alle befallen. Die Flechte -) und die ge- wöhnlich daran wachsenden Schnecken sind eigenthümliche Krankheiten des Feigenbaums, jedoch nicht überall, denn einige Uebel finden sich nur an gewissen Orten. Aber so wie den Menschen die Nerven schmerzen, so auch den Baum, und gleichfalls auf zweierlei Weise, denn der Krankheitsstoff kommt entweder in die Füsse, d. i. in die Wurzeln, oder in die Glieder, d. i. in die dünnen Ver- ') clavus. -I Impetigo. Siebenzehntes Buch. - ' 309 zweiguDgen der Krone, welche am längsten vom Stamme ausgehen. Alsdann vertrocknen sie, und die Griechen ha- ben für beide Uebel besondere Namen. Zuerst entstehen überall Schmerzen, darauf folgt Abnahme und Zerbrechlich- keit der Theile, zuletzt Auszehrung und der Tod, wenn entweder der Saft nicht eindringt oder nicht durchkommen kann. Am meisten tritt diess bei den Feigenbäumen ein; der wilde Feigenbaum hingegen wird von allen den bis jetzt ge- nannten Uebeln nicht befallen. Die Räude entsteht durch den klebrigen Thau nach dem Aufgange des Siebengestirns. Wenn er seltener fällt, durchnässt er den Baum, frisst ihn jedoch nicht an; fällt er aber stark oder regnet es sehr häufig, so leidet der Feigenbaum, weil dann seine Wurzeln nass stehen, an einem andern Uebel. Die Weinstöcke haben ausser dem Wurmstiche und dem Brande noch eine besondere Krankheit, nämlich an den Knoten. Sie entsteht aus 3 Ursachen; erstens, wenn dm-ch stürmisches Wetter die Knospen abgerissen, zweitens, nach Theophrast's Bemerkung, wenn sie von hinten ausge- schnitten, und drittens, wenn sie unvorsichtiger Weise ver- letzt werden. Alle ihnen widerfahrene Verletzungen haben auf die Knoten Einfluss. Eine Art Brand an den Wein- stöcken, wenn sie ausgeblühet haben, ist das Thauen, oder, wenn die Beeren, bevor sie wachsen, sich in einen harten Kör- per verwandeln. Die Weinstöcke erkranken auch, wenn sie Frost gelitten haben, und die Augen der beschnittenen durch Brand verletzt sind. Diess geschieht auch durch un- zeitige Hitze, denn bei Allem muss ein gewisses Maass und Mittelweg sein. Auch kommt es wohl von einem Versehen der Bebauer her, wenn sie sie, wie bereits gesagt wurde, zu fest schnüren, oder wenn der Gräber sie durch einen heftigen Stoss verletzt, oder auch, wenn der, welcher unter ihnen pflügte, aus Unachtsamkeit die Wurzeln beschädigt, oder die Rinde abgelöst hat. Auch wirkt ein stumpfes Messer nachtheilig. Unter diesen Umständen ertragen sie Kälte und Hitze weit schwieriger, weil alle nachtheiligen Einflüsse von aussen in die Wunde dring-en. Der schwächste 310 Siebenzehntes Buch. aller Bäume ist der Apfelbaum, und besonders der süsse. Bei einigen wird durch Schwäche Unfruchtbarkeit, aber nicht der Tod herbeigeführt, z. B. wenn man einer Fichte oder Palme den Gipfel nimmt, denn dann sterben sie zwar n icht ab, werden aber unfruchtbar. Zuweilen erkrankt auch das Obst an sich ohne den Baum, wenn der nöthige Regen, Wind oder Wärme fehlten, oder im Gegentheil sich zu viel davon einstellte; denn alsdann fällt es ab und wird schlech- ter. Das grösste aller Uebel ist, wenn ein Platzregen auf einen abblühenden Weinstock oder Oelbaum fällt, weil da- durch zugleich auch die Frucht verloren geht. Dieselbe Ursache veranlasst die Entstehung der Raupen, eines scheusslicheu Thieres, von denen einige das Laub, andere die Blüthen und zwar selbst von den Oliven, wie zu Milet abnagen, und den abgefressenen Baum in einem hässlichen Ausehen hinterlassen. Dieses Ungeziefer entsteht bei feuchter und anhaltender Wärme, und aus ihm noch ein anderes, wenn die darauf folgenden heissen Sonnen- strahlen das Schadhafte (gleichsam) einbrennen und somit verändern. Die Oliven und Weinstöcke sind noch einer be- sondern Krankheit, dem sogenannten Spinnengewebe, aus- gesetzt, wobei eine Art Gewebe die Frucht einhüllt und verzehrt. Ferner schaden manche Winde den Oliven sehr, jedoch auch andern Früchten. Wurmstichig wird auch das Obst selbst an sich in manchen Jahren, z. B. die Aepfel, Birnen, Mispeln, Granaten. Bei der Olive ist der Erfolg des Wurmstichs zweifach; kommt nämlich der Wurm nach ihrer Entstehung unter die Haut, so verdirbt die Frucht, ist er aber in dem Kern selbst gewesen und hat ihn zer- fressen, so vergrössert sich die Frucht. Regen, der nach dem Arcturus kommt, verhindert die Entstehung der Würmer; kommt er aber von Süden, so erzeugt er sie, und selbst in den Steinfrüchten, welche dann am meisten abfallen. Letz- teres ereignet sich mehr in feuchten Gegenden, und fallen sie dann auch nicht ab, so schmecken sie doch nicht gut. Auch einige Arten von Mücken schaden manchen Früchten, wie z. B. den Eicheln und Feigen, und jene scheinen aus Siebenzehntes Buch. 311 dem alsdann unter der Rinde befindlichen süssen Safte zu entstehen. Diess sind so ziemlich die Krankheiten der Bäume. Manche Wirkungen, welche in der Zeit und 0 ertlich- keit ihre Ursachen haben, können nicht füglich Krankheiten genannt werden, weil sie sogleich tödten, sowie z. B. ein Baum von der Auszehrung, oder Dörrung oder einem irgend einer Gegend eigenthümlichen Winde, wie der Atabulus in Apulien, der Olympias in Euböa ist, ergriffen wird. Wenn letzterer um den kürzesten Tag wehet, dörrt und verdirbt er alles durch Kälte, so dass nachher die Sonnenstrahlen die Pflanzen nicht wieder ins Leben zurückrufen können. Diesem Unfälle sind die Thäler und an Flüssen gelegenen Gegenden, und unter den Gewächsen besonders der Wein- stock, Oelbaum und Feigenbaum ausgesetzt. Man entdeckt ihn sogleich beim Ausschlagen, bei der Olive jedoch später, bei allen aber ist es ein Beweis ihres Wiederauflebens, wenn sie die Blätter verloren haben, ausserdem sterben die, welche man fiir die kräftigsten halten sollte. Zuweilen vertrocknen die Blätter und werden wieder grün. Einige Bäume in nördlichen Gegenden, wie in Pontus, Phrygien, leiden von Frost und Kälte, wenn diese noch 40 Tage nach dem kürzesten anhalten. Dort aber und in andern Ländern wirkt ein bald nach Hervorbrechung der Frucht eintreten- der starker Frost, sogar in wenigen Tagen tödtlich. Eine zweite Art von Ursachen der Krankheiten sind die, welche aus den Verletzungen durch Menschen hervor- gehen. Pech, Oel, Fett schaden namentlich den jungen Bäumen. Wenn man rundherum die Rinde abschält, stirbt der Baum, mit Ausnahme der Korkeiche, der diess sogar dienlich ist, denn wenn deren Rinde dick wird, so schnürt sie den Stamm ein und erstickt ihn. Auch dem Erdbeer- baume schadet es nicht, wenn man nur nicht ins Holz schneidet. Ferner blättert sich auch vom Kirschbaume, der Linde und dem Weinstocke die Rinde ab, aber nicht die lebende und dem Holze zunächst liegende, sondern die, welche von der darunter nachwachsenden fortgeschoben 312 Siebenzehntes Buch. wird. Einge Bäume, z. B. die Platanen, haben von Natur eine rissige Rinde. Bei der Linde wächst sie nicht ganz wieder nach. Daher muss man den Bäumen, deren Rinden Narben hinterlassen, mit Lehm und Mist zu Hülfe kommen; und mitunter nützt es, wenn nicht zu starke Kälte oder Hitze darauf folgt. Einige sterben auf diese Weise nicht so schnell, z. B. die gemeine Eiche. Hierbei kommt es auch auf die Jahreszeit an. Denn nimmt man, wenn die Sonne durch das Zeichen des Stiers oder der Zwillinge geht, der Tanne oder Fichte um die Zeit des Ausschiagens die Rinde, so gehen sie auf der Stelle aus. Thut mau es hingegen im Winter, so halten sie länger aus. Ebenso verhalten sich die Stech-, Wald- und gemeine Eiche. Er- streckt sich die Abschälung nicht weit, so schadet sie den genannten Bäumen nicht; wird aber schwächern oder auf einem magern Boden wachsenden nur an einer Seite die Rinde abgezogen, so gehen sie aus. Gleiche Bewandtniss hat es mit der Abköpfung der Cypresse, Rothtanne und Ceder, denn wird diesen der Gipfel genommen oder durch Feuer angebrannt, so sterben sie. Dasselbe erfolgt durch das Abfressen der Thiere. Der Oelbaum soll, wie Varro sagt und wir bereits angeführt haben, sogar schon absterben, wenn ihn eine Ziege beleckt. Einige sterben von dieser Beschädigung, andere arten nur aus, wie die Mandeln, welche aus süssen in bittere verwandelt werden; noch an- dere verbessern sich sogar, wie der sogenannte phocische Birnbaum bei den Chieru. Welchen Bäumen das Abstam- men dienlich ist, haben wir bereits gesagt. Die Meisten sterben auch, wenn der Stamm gespalten wird, mit Aus- nahme des Weinstocks, Apfel-, Feigen- und Granatbaums. Einige sterben schon an einer blossen Wunde, aber dem Feigenbaume, sowie allen harzführenden schadet diess nicht. Dass durch Abschneiden der Wurzeln der Tod erfolgt, ist nicht zu verwundern; die meisten sterben jedoch nur, wenn ihnen nicht alle, sondern die grössten oder die, welche unter ihnen die Lebenswuraeln sind, abgeschnitten werden. Die Bäume tödten sich selbst unter einander durch Siebenzehntes Buch. 313 den Schatten, oder durch ihr dichtes Beisammensein, oder durch das Entziehen der Nahrung. Auch der Epheu tödtet sie durch Umschlingen; die Mistel nützt ebenfalls nicht, und der Cytisus wird durch das, was die Griechen Hali- mon ') nennen, getödtet. Manche Gewächse tödten zwar als solche nicht, schaden aber durch ihren Geruch oder die Einmischung ihres Saftes, wie der Rettig und Lorbeer dem Weinstocke, denn man bemerkt den scharfen Geruch, der ihn so wunderbar ergreift; er soll daher, wenn er jenen nahe steht, zurückweichen und den feindlichen Geruch fliehen. Hierin erkannte Androcydes ein Mittel wider die Trunken- heit, und schrieb zu diesem Behufe vor, Rettig zu essen. Der Weinsiock hasst auch den Kohl, alle Küchenkräuter, die Haselstaude; stehen sie nicht weit von ihm entfernt so ist er traurig und krank. Endlich sind auch Natron, Alaun, warmes Meerwasser und Bohnen- oder Erbsenhülsen Gifte für die Bäume. 38. Unter den Fehlern oder Gebrechen der Bäume nehmen auch die seltsamen Erscheinungen einen Platz ein. Wir finden nämlich Bäume, welche ohne Blätter aufge- wachsen sind; Weinstöcke und Granaten, welche ihre Früchte nicht an Aesten oder Ranken, sondern am Stamme tragen; Weinstöcke mit Trauben und ohne Blätter; Oel- bäume, welche die Blätter verlieren, während die Früchte hängen bleiben. Ferner giebt es zufällige Wunder; denn ein Oelbaum, der ganz angebrannt war, lebte wieder auf, und in Böotien schlugen von den Heuschrecken abgefressene Feigenbäume wiederum aus. Die Bäume ändern auch ihre Farbe, und aus echwarzen werden weisse, ohne dass diess allemal was Wunderbares wäre; am meisten kommt der- gleichen bei solchen vor, welche aus dem Samen wachsen, wie denn die weisse Pappel in die schwarze übergeht. Einige meinen auch, der Speierling werde, wenn er in wärmere Gegenden komme, unfruchtbar. Wunderbarer ») Atriplex Halimus L. S. auch XXII. B. 33. Cap. 14 Siebenzehntes Buch. Weise entsteht aber aus süssem Obste saures, oder aus saurem süsses, aus wilden Feigen zahme, oder umgekehrt, durch ein mächtiges Wunderzeicben, wenn sie sich in schlechtere Sorten umwandeln, wie echte Oelbäume in wilde, weisse Trauben und Feigen in schwarze. So wurde bei der Ankunft des Xerxes zu Laodicea eine Platane in einen Oelbaum verwandelt. Von solchen Wundern strotzen — damit wir uns nicht zuweit darin verlieren — bei den Griechen Aristanders ^) Buch, bei uns aber C. Epidius' 2) schriftliche Aufsätze, in denen man sogar von Bäumen liest, welche geredet haben. Im Cumanischen Gebiete ver- sank durch ein mächtiges Wunderzeichen, kurz vor den Bürgerkriegen des grossen Pompejus, ein Baum so weit, dass nur noch wenige Zweige hervorragten. Man fand nämlich in den sibyllinisehen Büchern aufgezeichnet, es würde eine grosse Niederlage von Menschen kommen, und diese um so viel grösser werden, je näher sie bei Rom wäre. Zu den Wundern gehört auch, wenn Bäume an un- gewöhnlichen Orten hervorwachsen, wie auf den Köpfen von Bildsäulen, auf Altären, oder wenn auf Bäumen selbst fremdartige Dinge wachsen. So wuchs zu Cyzicum, vor der Belagerung, eine Feige auf einem Lorbeerbaume, zu Tralles eine Palme auf dem Fussgestelle des Dictators Cäsar zur Zeit seiner Bürgerkriege. Eine zweimal aus einem Kopfe hervorgewachsene Palme zu Rom auf dem Capitolium im Kriege gegen Perseus bedeutete Sieg und Triumphe; nach- dem diese durch Sturm umgeworfen war, wuchs, als die Censoren M. Messala und C. Cassius das Sühnopfer hielten, an eben derselben Stelle ein Feigenbaum hervor. Von dieser Zeit an sei, schreibt Piso, ein angesehener Schrift- steller, alle Sittsamkeit vernichtet, lieber alles, was jemals ge- hört worden ist, geht aber das Wunder, was sich zu unsern ') Von Telmessus, Günstling Philipps und dessen Sohnes Alexanders (den er nach Indien begleitete) wegen Traumdeutungen; schrieb ein (verloren gegangenes) Buch de portentis. =*; Ein nicht näher bekannter Autor. Siebenzehntes Buch. 315 Zeiten beim Sturze des Kaisers Nero im marrucinischen Gebiete ereignet hat; der ganze Oelgarten des Vectius Marcellus, eines der ersten aus dem Ritterorden, ging näm- lich über den öffentlichen Weg auf die Felder, und die Felder nahmen die Stelle des Oelgartens ein. 39. Nachdem wir von den Krankheiten der Bäume geredet haben, müssen wir auch die Hülfsmittel gegen dieselben anführen. Von diesen passen einige für alle, andere aber nur für einzelne. Allgemeine Hülfsmittel sind: das Ab- blättern, das Behäufeln, das Lüften oder Bedecken der Wurzeln, dass. man denen, welche begossen werden, Wasser giebt oder nimmt, sie durch Mistjauche erquickt, und durch Beschneiden ihrer Last entledigt. Einige heilt man durch Ablassen des Saftes, gleichsam wie durch einen Aderlass, durch Beschälung der Rinde; die Weinstöcke durch Aus- schneiden und Zurückhalten der Reben. Sind die Knospen durch die Kälte struppig und rauh geworden, so hilft man ihnen durch Glätten und Putzen. Einige Bäume lieben diese Mittel mehr, andere weniger, wie denn der Cypressen- baum weder bewässert, noch gedüngt, noch umgraben, noch beschnitten sein will, und alle Mittel hasst, ja sogar davon stirbt. Der Weiustock und die Granate werden besonders durch Begiesseu erhalten; dem Feigenbaume selbst ist das Begiessen heilsam, sein Obst aber welkt dadurch. Wenn die Mandelbäume umgraben werden, verlieren sie die Blüthen. Gepropfte Bäume muss man nicht eher umgraben, bis sie stark sind und angefangen haben zu tragen. Die Meisten aber wollen, dass man ihnen alles Lästige und Ueberflüssige nehme, gleich wie wir es mit den Nägeln und Haaren machen. Alte werden ganz gekappt und schlagen in einem Reise wieder aus; doch thun diess nicht alle, sondern nur die, deren Beschaffenheit es, wie wir ge- sagt haben, zulässt. 40. Das Begiessen ist während der Sommerhitze von Nutzen, im Winter schädlich, im Herbst von veränderlicher 316 Siebenzehntes Buch.. Wirkung und richtet sich nach der Natur des Bodens, wie denn der Winzer in Spanien die Trauben abschneidet, wenn der Boden ganz unter Wasser steht. Uebrigens ist es auf dem grössten Theile der Erde gut, das herbstliche ßegen- wasser abzuleiten. Das Begiessen bewährt sich am besten um die Zeit, wenn der Hundsstern aufgeht, aber auch dann darf es nicht zu reichlich geschehen, weil die Wurzeln da- durch Schaden leiden. Auch nach dem Alter der Bäume richtet sich das Maass der Bewässerung; denn junge Bäume verlangen weniger, diejeoigen aber, welche daran gewöhnt sind, fordern am meisten. Dahingegen bedürfen die an trock- nen Orten stehenden Gewächse nicht mehr als die noth- wendige Feuchtigkeit. 41. In sulmonensischen Kreise Italiens, im Fabianischen Bezirke, wo man auch die Felder bewässert, müssen die rauhern Weine begossen werden; merkwürdigerweise ster- ben die Kräuter von dem Wasser, das Getreide aber wird dadurch ernährt, und die Bewässerung dient ihm statt des Behackens. Ebendaselbst begiesst man mitten im Winter, und um so mehr wenn Schnee liegt und es friert, die Wein- stöcke rundherum, damit sie nicht erfrieren, und nennt diess dort das Erwärmen. Hierbei ist besonders die Beschaffen- heit des Wassers dieses Flusses zu bewundern; aber eben dasselbe besitzt im Sommer eine fast unerträgliche Kälte. 42. Die Mittel wider den Carbunkel und Eost \ .^hn wir im nächsten Buche angeben. Unter die Hülfsmittel gehört auch eine Art Schröpfen i). Wenn nämlich die kranke dörrende Rinde sich zusammenzieht und die lebenden Theile des Baumes zu sehr presst, so drückt man eine recht scharfe Sichel mit beiden Händen hinein, führt einen ununter- brochenen Schnitt hindurch, und öffnet so gleichsam die Haut. Als Beweis, dass diess geholfen, dienen die erwei- *) scarificatio. Siebenzehntes Buch. 317 terteu Narben, welche durch dazwischen gewachsenes Holz ausgefüllt sind. 43. Die Heilung der Menschen und der Bäume istsichgrössten- theils gleich, denn man durchbohrt auch deren Knochen (Aeste etc.). Aus bittern Mandeln werden süsse, wenn man den Stamm umgräbt, unten ringsum einbohrt, und den aus- fliessenden schleimigen Saft wegnimmt. Auch den Ulmen nimmt man den schädlichen Saft, wenn man sie im Alter oder auch wenn man merkt, dasssiezu viel Saft haben, über der Erde bis aufs Mark anbohrt. Auch den Feigenbäumen entzieht man ihn durch schräge Einschnitte in die strotz- ende Rinde, und bewirkt dadurch, dass die Frucht nicht abfällt. Obstbäume, welche grünen und keine Früchte tragen, macht man dadurch fruchtbar, dass man die Wurzel spaltet und einen Stein hineinlegt. Dasselbe bewirkt man bei den Mandelbäumen durch Hineintreiben eines Keils von Eichenholz. Bei den Birnen und Speierlingen nimmt man einen von Kienholz und bedeckt ihn mit Asche und Erde. Es ist auch gut, die Wurzeln der üppig wachsenden Wein- stöcke und Feigenbäume ringsherum zu beschneiden, und Asche an die Stellen zu streuen. Die Feigen werden spät reif, wenn die ersten unreifen, sobald sie grösser als eine Bohne sind, abgebrochen werden, denn die dann noch wach- senden reifen später. Wenn die Feigenbäume Laub be- kommen, und man jedem Zweige die Spitze nimmt, werden sie stärker und fruchtbarer. 44. Offenbar werden in denjenigen Feigen, welche durch die Fliegen reif werden, wenn sie noch unreif sind, jene Fliegen erzeugt, denn nach ihrem Ausfliegen findet man keinen Kern mehr darin, ein Beweis, dass diese in jene verwandelt sind. Diese Thiere haben eine solche Be- gierde auszufliegen, dass die meisten von ihnen mit Zurtick- lassung eines Fusses oder Flügels zugleich hervorbrechen. Es giebt noch eine andere Art Fliegen, welche Spornfliegen heissen, an Faulheit und Bösartigkeit den Hummeln gleichen, 318 Siebenzehntes Buch. und wie diese zum Untergange der ächten und nützlichen da sind, denn sie bringen die letztern um und sterben dann selbst. Auch die Motten verderben die Samen der Feigen. Ein Mittel gegen sie ist, dass man in dieselbe Grube ein Reis vom Mastixbaume eingi*äbt, jedoch so, dass das obere Ende nach unten zu stehen kommt. Am reichlichsten tra- gen aber die Feigenbäume, wenn man um die Zeit, wo sie zu grünen anfangen, verdünnten rothen Oelschaum nebst Mist an die Wurzeln giesst. Unter den wilden Feigen- bäumen lobt man am meisten die schwarzen, und die auf felsigen Plätzen stehenden, weil soicue die meisten Kerne haben. Die Caprificatiou selbst geschieht nach einem Regen. ^) 45. Vorzüglich muss man sieh hüten, dass die Hülfsmittel keinen Schaden verursachen, ein Umstand, der sich ereignet, wenn sie zu reichlich und zur Unzeit angewandt werden. Das Lichtmachen nützt den Bäumen, aber das alljährige Niedermetzeln schadet ihnen. Nur der Weinstock muss alljährig beschnitten werden, ein Jahr um's andere aber die Myrte, Granate, der Oelbaum, weil sie schnell strauchig werden. Die übrigen Bäume werden seltener und niemals im Herbste beschnitten; auch dürfen sie nur im Frühjahre beim Beschneiden abgeputzt werden. Alle überflüssigen Schnitte bedrohen das Leben. 46. Mit dem Miste hat es dieselbe Bewandniss, die Bäume haben ihn gern, aber man muss sich hüten, ihn bei Sonnen- hitze, oder unreif, oder stärker als nöthig ist, hinzuzubringeu. Der Schweinemist verbrennt die Weinberge, wenn er nicht zuvor 5 Jahre lang gelegen hat und durch Wasser ver- dünnt worden ist; eben die Wirkung hat der Abgang der Lederarbeiter, wenn kein Wasser hinzugesetzt wird; des- gleichen zu reichlicher Mist. 3 Modius auf 10 Quadratfuss ') Ueber die Caprification siehe auch im XV. B. 21. Cap. Siebenzehntes Buch. 319 hält man für die richtige Menge. Doch entscheidet hier die Beschaffenheit des Bodens. 47. Durch Tauben- und Schweinemist heilt man auch die Wunden an Bäumen. Wenn die Granatäpfel sauer sind, räumt man um die Wurzel die Erde weg und bringt Schweinemist hinzu, wodurch sie in demselben Jahre weiu- säuerlich und im nächsten süss werden. Andere rathen, man solle sie mit Wasser, dem Menschenurin zugemischt ist, 4 mal im Jahre und jedesmal mit einer Amphora voll, oder die Spitzen mit Wein, worin Teufelsdreck aufgelöst worden, befeuchten. Wenn sie sich auf dem Baume spalten, soll man den Stiel umdrehen. An Feigenbäume giesse man besonders Oelschaum, an andere kranke Bäume Weinhefe, oder man pflanze Wolfsbob nen um ihre Wurzeln. Auch das Wasser von gekochten Wolfsbohnen wirkt um die Bäume gegossen vortbeilhaft auf das Obst. Die Feigen fallen ab, wenn es zur Zeit der Vulcanalien i) donnert; ein Hülfsmittel dagegen ist, dass man vorher die Plätze mit Gersten Stroh umgiebt. Kalk an die Wurzeln gebracht macht frühzeitige Kirschen, und zwingt sie zu reifen. Noch besser ist es, wenn man von ihnen, sowie von allen andern Obst- arten einige abpflückt, damit die zurückgebliebenen gross werden. Einige Bäume werden durch Strafe verbesserf, oder durch beissende Dinge angereizt, wie die Palmen und Mastixbäume, denn sie gedeihen gut durch Salzwasser. Die Asche hat gleichfalls die Kraft des Salzes, ist aber milder; daher streuet man sie an die Feigenbäume und die Raute, damit sie nicht wurmstichig werden, und die Wurzeln nicht faulen. Man soll sogar an die Wurzeln der Weiustöcke Salzwasser giessen, wenn sie thränen; wenn aber ihre Frucht abfällt, soll man Asche mit Essig befeuchten, und sie damit bestreichen, oder mit Sandarach^), wenn die ') Im August. 2) Schwefelarsen. 320 Siebenzehntes Buch. Traube fault. Sind sie aber nicht fruchtbar, so soll man sie mit durch starken Essig versetzter Asche bestreichen. Wird die Frucht nicht reif, und eher trocken, so schneide man die Stöcke an der Wurzel ab, benetze die Schnittfläche und die Fasern mit scharfem Essig und altem Urin, be- decke sie mit demselben Leime und grabe oft um. Wenn die Oelbäume nicht viel Frucht versprechen, so setzt man die entblössten Wurzeln der Winterkälte aus, und durch diese Art von Züchtigung werden sie verbessert. Alle diese Mittel richten sich in ihrer Anwendung nach dei- Witte- rung, und müssen daher mitunter früher, mitunter später angewandt werden. Auch das Feuer hilft etwas, wie z. B. bei dem Schilfe, denn, wenn es rundum etwas angebrannt ist, wächst es dichter und milder hervor. Auch Cato führt einige Arzneimittel an, und unter- scheidet dabei selbst das Quantum, nämlich: für die Wurzeln grösserer Bäume eine Amphora, kleinerer eine Urne voll Oelsatz und ein gleiches Maass Wasser, und diese Flüssig- keit soll nach und nach an die zuvor abgeräumten Wurzeln gegossen werden. Ferner solle man um den Oel- und Feigenbaum zuvor Stroh legen. Namentlich bei den Wur- zeln des letztern müsse mau die Erde im Frühjahre an- häufen, denn dann fielen die unreifen Früchte nicht ab, ihre Anzahl würde grösser, und es wüchsen keine rauhen. Eben- so müsse man, damit die Wickelraupe nicht im Weinberge ent- stehe, 2 Congius Oelsatz zur Dicke des Honigs einkochen, und darauf mit 1/3 Erdpech und 1/4 Schwefel kochen, aber unter freiem Himmel, weil die Masse unter einem Dach Feuer fängt. Hiermit müssten die Spitzen und Zweig- achseln der Weinstöcke bestrichen werden, und dann ent- stehe keine Wickelraupe. Einige begnügen sich, mit dem Rauche von jener Mischung die Weinberge 3 Tage hin- durch bei günstigem Winde zu räuchern. Sehr Viele ver- sprechen sich von dem Urine denselben günstigen Erfolg, wie Cato von der Oelhefe, wenn nur ein gleiches Mass Wasser hinzugesetzt würde, dann allein schade er. Einige nennen ein gewisses Thier, welches die reifenden Trauben Siebenzehntes Buch. 321 Ibenagt, die Spinnraupe ; zu deren Abwehr wischen sie die Sicheln, nachdem sie gewetzt sind, mit Bieberfell ab, und beschneiden alsdann; nach dem Schneiden solle man die Stöcke mit Bärenblut bestreichen. Auch die Ameisen sind den Bäumen verderblich. Man vertreibt sie durch Be- schmieren der Stämme mit Röthel und Theer; auch bringt man sie durch Aufhängen eines Fisches in ihrer Nähe auf einen Punkt zusammen, oder man bestreicht die Wurzeln mit in Oel abgeriebenen Wolfsbohnen. Viele tödten auch die Maulwürfe durch Oelsatz, und rathen, gegen die Raupen und das Faulen des Obstes, die Gipfel mit der Haut einer grünen Eidechse zu berühren. Besonders zur Vertreibung der Raupen soll eine Weibsperson, welche die monatliche Reinigung hat, mit blossen Füssen um jeden Baum gehen. Ferner, damit kein Thier durch schädliche Bisse das Laub abnage, soll man die Blätter, so oft ein Regen fällt, mit Rindermistjauche besprengen, weil dadurch der giftige Stoff weggespült werde. Alles diess hat der menschliche Scharf- sinn wunderbar ausgedacht. Ja, viele Menschen glauben sogar, man könne durch eine Zauberformel den Hagel ab- wenden. Ich getraue mir nicht, die Worte eines Schrift- stellers im Ernste anzuführen, obgleich sie Cato aufgezeich- net hat, nämlich : um verrenkte Glieder zu heilen, soll man dieselben in die Spalte eines Rohrs stecken. Ebenderselbe hat auch erlaubt, geheiligte Bäume und Haine zu fällen, wenn man vorher geopfert hätte, wovon er in eben dem- selben Buche die Art und Weise sowie die Gebetformeln iinsiiebt. "Wittsteiu: Plinius. III, Ed. 21 Achtzehntes Euch. Von den Feldfrüchten. 1. Nun folgt die Naturgeschichte der Feldfrüchte, der Gärten, Blumen und was sonst, ausser Bäumen und Sträu- chern, aus der gütigen Erde hervorkommt. Hiervon ist allein schon die Betrachtung der Kräuter von ungeheuer m Umfange, wenn man ihre Verschiedenheit, Anzahl, ihre Blumen, Gerüche, Farben, Säfte und Kräfte, welche von der Natur zum Heile und Vergnügen der Menschen erzeugt werden, in Erwägung zieht. In dieser Beziehung will ich gern zuerst die Erde in Schutz nehmen und der Mutter aller Dinge beistehen, obgleich sie schon im Eingange des Werkes vertheidigt worden ist. Weil aber ihr innerer Stoff uns zu der Meinung verleitet, sie erzeuge auch schäd- liche Dinge, so beladen wir sie nichts desto weniger mit unsern Verbrechen, und rechnen ihr unsere Schuld an. Sie hat Gifte erzeugt; gut, aber wer anders als der Mensch hat sie aufgefunden? Den Vögeln und wilden Thieren reicht es hin, sich davor zu hüten. Die Elephanten wetzen und schärfen ihre Zähne, die Ure ihre Hörner an Bäumen, die Riüocerosse ihre Hörner an Felsen, die Eber die Spitzen ihrer Zähne an beiden, und diese Thiere wissen, dass sie sie, um andern zu schaden, in Vertheidigungsstand setzen; wer also, ausser dem Menschen, taucht seine Waffen in Gift? Wir benetzen auch die Pfeile damit, und geben dem Eisen eine noch schädlichere Eigenschaft, als es schon hat. Wir vergiften die Flüsse und die Elemente der Natur. Achtzehntes Buch. 323 Selbst die Luft, in der wir leben, machen wir verderblich. Wir dürfen nicht glauben, dass diess die Thiere nicht wis- sen; wir haben bereits angeführt, was sie gegen den Kampf mit den Schlangen zubereiten, und was sie nach dem Streite zur Heilung ausdenken. Kein Geschöpf, ausgenommen der Mensch, streitet mit fremdem Gifte. Bekennen wir also unsere Schuld, denn wir sind nicht einmal mit dem zu- frieden was wächst, sondern bereiten noch mehrere andere Gifte mit unsern Händen. Ja, werden nicht selbst Men- schen mit Giften geboren? Ihre schwarze Zunge zischt gleich der der Schlangen, und die Pest ihrer Seele verdirbt alles, was sie berühren; gleich den Schuldigen und schreck- lichen Vögeln hüllen sie sich auch in Finsterniss, miss- gönnen selbst den Nächten die Ruhe, und verhindern durch ihr Stöhnen, gleich jenen unglückbringenden Vögeln, wem sie begegnen, zu handeln oder dem Leben nützlich zu sein. Hir schändliches Herz kennt auch keinen andern Geuuss, als alles zu hassen. Aber darin zeigt sich die Hoheit der Natur, dass sie um so mehr gute Menschen geschaffen hat, als sie in Erzeugung derjenigen Gewächse, welche nützen und ernähren, fruchtbarer war. In Anerkennung und Freude darüber wollen wir jener Klasse von Menschen ihren Eifer lassen, uns bemühen, die guten Seiten des Lebens zu stu- dieren, und hierbei um so mehr verharren, da wir mehr nach Thätigkeit als nach Ruhme streben. Denn wir werden jetzt vom Lande und von nützlichen ländlichen An- gelegenheiten handeln — eine Materie, in deren Ausübung die Alten die höchste Ehre ihres Lebens setzten. 2. Ackerpriester hat zuerst Romulus errichtet, und sich unter ihnen den zwölften Bruder genannt. Diesen wurde in ihrem Priesterthum, von seiner Amme Acca Laurentia zum feierlichsten Zeichen ein mit einer weissen Binde versehener Aehrenkranz gegeben. Dieser war der erste Kranz bei den Römern; die Ehre ihn zu tragen, endigt nur mit dem Leben, und begleitet auch Verbannte und Gefangene. Da- mals begnügte sich das römische Volk mit 2 Jugern Land, 21* 324 Achtzehntes Buch. und es verlieli auch Keinem mehr; dagegen haben kurz vor meiner Zeit die Sclaveu des Kaisers Nero Gärten von dieser Grösse verachtet, und noch gössere Fischteiche haben wollen; und es ist viel, dass man nicht schon so grosse Küchen ver- langt hat. Numa ordnete an, die Götter mit Feldfrüchten zu verehren, Getreide mit Salz zu opfern, und, wie Hemina schreibt, Dinkel ^) zu rösten, weil er sich dann besser zur Nahrung eigne. Diess allein hatte zur Folge, dass man hernach sagte, nur das geröstete sei zum Gottesdienste i-ein. Derselbe setzte auch die Fornacalien2) zur Feier des Korn- röstens ein, die eben so heilig gehalten werden, wie die Grenzen der Aecker. Dergleichen Gottheiten kannte man damals am besten; eine nannte man Seja vom Säen, eine andere Segesta von den Saaten. Ihre Standbilder sehen wir noch jetzt im Circus. Die dritte von diesen im Hause zu nennen ist bedenklich. Auch kostete man damals nicht eher die neuen Früchte und Weine, bis die Priester die Erstlinge geopfert hatten. 3. Jugum nannte man eine Strecke, welche mit einem Joch Ochsen in einem Tage umgepflügt werden kann. Actus hiess der Weg, in welchem die Ochsen in einem Zuge gehalten wurden; dieser Weg betrug 120 Fuss, und noch einmal so lang machte er ein Jugerum aus. Die reichsten Geschenke für Feldherren und tapfere Bürger waren so viel Land, als Jemand in einem Tage umpflügen konnte; ferner mit Korn gefüllte Quartarii oder Heminä, welche das Volk zusammenschoss. Daher schreiben sich auch die Beinamen: Pilumnus, der die Stampfkeule in der Mühle erfunden hatte, Piso, vom Stampfen, die Fabier, Lentuler, Ciceronen, von denen Jeder die nach ihm benannten Früchte am besten baute. Die Familien der Junier nannten den, welcher die Stiere am besten zu gebrauchen wusste, Bubulcus. Ja 1) far. Triticuni Spelta L. -) Zu Ehren der Göttin Fornax , die man wegen des Backens verehrte. Achtzehntes Buch. 325 selbst unter den heiligen Gebräuchen war nichts feierlicher als ein durch Opfergetreide geschlossenes Eheband, und hierbei trug man vor der neu Vermählten einen Dinkel- kuchen her. Seinen Acker schlecht bestellen, hielt man für eine grosse Schande; und wen man (wie Cato sagt) einen guten Landmann nannte, dem glaubte man die meiste Ehre erwiesen zu haben. Daher nannte man auch die- jenigen reich i), welche viele Plätze d. h. Aecker besassen^). Selbst das Geld ward nach dem Vieh s) benannt. Auch noch jetzt heisst in den Listen der Censoren alles das- jenige Weiden^), woraus das Volk seine Einkünfte zieht, weil jene lange Zeit hindurch die einzige Quelle ihres Ge- winns waren. Auch wurden bloss Strafen auf Kosten von Schafen und Ochsen auferlegt, und hierbei ist die Milde der alten Gesetze nicht zu übersehen, denn es war festge- setzt, dass der, welcher die Strafe anzeigte, nicht eher einen Ochsen als ein Schaf nennen sollte. Spiele, welche um Ochsen gehalten wurden, hiessen Bubetii. Der König Servius Hess zuerst Münzen mit den Bildnissen von Ochsen und Schafen prägen. Wer heimlich des Nachts Feldfrüchte, die mit dem Pfluge bestellt waren, abweidete oder abschnitt, wurde, falls er schon erwachsen war, nach den 12 Tafeln mit dem Tode bestraft, und zwar sollte er der Ceres auf- gehängt werden, erlitt also eine schwerere Strafe wie Einer, der einen Mord begangen hatte. Ein Unmündiger dagegen sollte nach dem Gutbefinden des Prätors gegeisselt und in die doppelte Schadenerstattung verurtheilt werden. Damals suchte man die Auszeichnung und Ehre der Stadt noch in nichts Anderm. Unter denjenigen Einwohnern, welche Länder hatten, waren die ländlichen Tribus die an- gesehensten; die städtischen dagegen hiessen der Faulheit zum Schimpfe so, und es war eine Schande, in diese ver- setzt zu werden. Daher gab es auch nur 4, welche von den Theilen der Stadt, in welchen sie wohnten, benannt waren, nämlich die suburranische, palatiuische, collinische •) locupletes. '^) loci plenos. ^) pecus : pecunia. ^) pascua. 326 Achtzehntes Buch. und exquilinische. Alle 9 Tage ^) besuchten sie die Stadt wieder, und es war nicht gestattet, an Markttagen Volks- versammlungen zu halten, damit den Landleuten kein Hinderniss in den Weg gelegt werde. Man ruhete und sehlief auf Stroh. Den Ruhm selbst nannte man zur Ehre des Dinkels den Dinkelruhm. Ich bewundere auch die alte Bezeichungsweise durch Wörter. So heisst es in den Priesterverordnuugen: Die Tage zum Weissagen aus Hun- den sollen gehalten werden, ehe das Getreide aus seinen Scheiden geht, und ehe es in Aehren ausgewachsen ist. 4 Unter solchen Umständen reichten, obgleich Italien von keiner andern Provinz her Zufuhr erhielt, die Feldfrüchte zum Unterhalte nicht nur hin, sondern sie standen auch in unglaublich niedrigem Preise. Der Volks- Aedil Manius Marcius gab zuerst den Modius Getreide für ein Ass. Minutius Augurinus, der elfte Volks-Tribun, welcher gegen Sp. Melius gezeugt hatte, brachte den Preis des Dinkels an 3 Markttagen auf 1 Ass; darum setzte ihm das Volk vor dem dreifachen Thore eine Ehrensäule, deren Kosten durch eine veranstaltete Collecte bestritten wurden. Tre- bius verschaffte während seines Adilamtes dem Volke Ge- treide für 1 Ass, daher ihm auf dem Capitolium und Pala- tium Bildsäulen geweihet, und er selbst nach seinem Tode von dem Volke auf den Schultern zum Scheiterhaufen ge- tragen wurde. Man berichtet, dass in dem Jahre, wo die Mutter der Götter 2) nach Rom gefahren wurde, die Erndte reichlicher als in den vorhergehenden 10 Jahren ausge- fallen sei. Nach M. Varro kostete um die Zeit, als L. Me- tellus mehrere Elephanten im Triumphe mit sich führte, der Modius Dinkel, ferner 1 Congius Wein, 30 Pfund trockne Feigen, 10 Pfund Oel, 12 Pfund Fleisch, jedes nur 1 Ass. Diess kam auch nicht von den grossen Landgütern Ein- zelner her, welche die Nachbarn vom Verkauf ausschlössen. *) Jedesmal den neunten Tag war Markt. 2) Cybele. Achtzehntes Buch. 327 •denn nach dem Gesetze des Stolo Licinius war die Grösse derselben auf 500 Morgen eingeschränkt, und er wurde selbst nach seinem eignen Gesetze bestraft, weil er unter der eingeschobenen Person seines Sohnes mehr besass. Und diess war schon das Maass eines üppigen Staates. Es ist ja die Rede des Manius Curius bekannt, welche er nach mehreren Triumphen, in Folge deren das römische Reich einen Ungeheuern Zuwachs an Ländern bekam, hielt, und worin er sagte: Der Bürger, dem 7 Morgen nicht genügten, müsse für gefährlich gehalten werden. Dieses Maass wurde aber dem Volke nach Vertreibung der Könige zuertheilt. Was war nun die Ursache so grosser Fruchtbarkeit? Die Feldherren bebaueten damals die Aecker mit ihren eigenen Händen, und es ist wohl glaublich, dass die Erde sich über die lorbeerbekränzte Pflugschar und den im Triumph eingezogenen Ackersmann freuete; sei es nun, dass jene mit derselben Sorgfalt den Samen behandelten wie die Kriege, und die Felder ebenso fleissig bestellten als die Lager; oder sei es, dass unter ehrenvollen Händen alles besser gedeihet, weil es zugleich mit mehr Sorgfalt geschieht. Den Seranus fand man bei Uebertragung der Ehrenstellen mit Säen beschäftigt, und daher kommt sein Zuname. Als Cincinnatus seine 4 Morgen auf dem vati- canischen Hügel, welche die quinctischen Wiesen hiessen, beackerte, brachte ihm ein Gerichtsbote die Dictatur, und zwar soll er gerade nackend, und sein Gesicht voll Staub gewesen sein. Der Bote sprach zu ihm: bekleide dich, damit ich die Befehle des Senats und des römi- schen Volks dir vortragen kann. Solche Gerichtsboten hatte man auch damals, denn ihren Namen i) erhielten sie, weil sie zuweilen Senatoren und Feldherren von 'den Aeckern zusammen rufen mussten. Jetzt aber ver- richten diess alles gefesselte Füsse, verurtheilte Hände und Lgebranntmarkte Gesichter; jedoch ist die Erde, welche Mutter *) viator. 328 Achtzehntes Buch. genannt und selbst verehrt wird, nicht taub dagegen, dass man diesen die Ehre anthut und glaubt, sie sähe diess nicht ungern und werde nicht unwillig darüber. Und doch wundern wir uns, dass die Arbeit der Selaven nicht den Vortheil schafft, wie vormals die der Feldherren. 5. Auch bei den Ausländern gehörte es zu den fürstlichen Beschäftigungen, über den Ackerbau zu schreiben; denn die- Könige Hiero, Attalus Philometor, Archelaus, ferner die Feld- herren Xeuophou^) und der Carthaginienser Mago haben diess gethan. Letzterem erwies auch unser Senat nach der Einnahme von Carthago so viel Ehre, dass er bei Verschenkung der Büchersammlungen an die kleinen Könige in Afrika die 28 Bücher dieses Mannes allein in die lateinische Sprache übersetzen zu lassen beschloss (obgleich M. Cato damals schon seine Vorschriften entworfen hatte), und diese Arbeit den in der punischen Sprache bewandertsten Männern, unter denen D. Silanus 2)^ aus einer berühmten Familie, alle andern übertraf, übergeben Hess. Es haben aber viele gelehrte Männer, welche wir im Inhaltsverzeichniss dieses Buches der Reihe nach genannt, in diesem Fache gearbeitet, und unter ihnen müssen wir dankbar den M. Varro nennen, welcher selbst noch im 81. Jahre darin, thätig war. Die Römer begannen den Weinbau viel später und be- stellten zuerst, der Nothwendigkeit wegen, bloss die Felder. Wir wollen jetzt diesen Gegenstand nicht allzu gewöhnlich behandeln, sondern wie wir bisher gethan, Altes sowohl, als Neues mit aller Sorgfalt erforschen, und die Ursachen > und Gründe zugleich zu ermitteln suchen. Wir wollen auch von den Sternen reden, und von ihnen selbst unzweifelhafte Zeichen für die Erde angeben , weil es sonst scheinen könnte, als wenn Diejenigen, welche mit noch mehr Fleiss •) Aus Athen, der bekannte Philosoph und Historiker , geb. 446 T. Chr., starb 356 zu Skillos in Elis. Er schrieb unter andern eine Philosophie des Hauswesens. 2) Vielleicht der Consul Decius Junius Silanus, 62 v. Chr. Achtzehntes Buch. 32^ davon gehandelt haben, eher für jeden andern als für den Landmann geschrieben hätten. 6. Vor allem müssen wir uns grösstentheils nach weisen Aussprüchen, welche in keinem andern Verhältnisse des Lebens zahlreicher und gewisser sind, richten. Denn warum sollen wir das nicht als Orakel betrachten, was von einem ganz bestimmten Tage und von der bewährtesten Erfahrung ausgeht. Den Anfang machen wir aber bei Cato. Die tapfersten Männer, die dauerhaftesten Soldaten und die besten Charakter werden unter den Landleuten gezogen. Kaufe nicht begierig ein Landgut. Spare keine Mühe in der Landwirthschaft, am wenigsten beim Ankauf eines Ackers. Was übel gekauft ist, reuet stets. Die, welche einen Acker anschaffen wollen, müssen vor allen auf das "Wasser, den Weg und das Nachbarland sehen, denn diese Dinge geben zu wichtigen und unzweifelhaften Aufklärungen Anlass. Nach Cato soll man unter den an- grenzenden Ländern dasjenige um so höher schätzen, wel- ches mehr glänzt, denn, sagt er, in einer guten Gegend glänzen die Acker stark. Attilius Regulus, der im punischen Kriege zweimal Consul war, sagte, man müsse weder an sehr fruchtbaren Orten einen schlechten, noch an erschöpften den besten Acker wählen. Die gesunde Lage einer Gegend erkennt man nicht immer an der Farbe der Einwohner, denn Leute, die daran gewöhnt sind, können auch an un- gesunden Orten leben. Ueberdiess sind manche Gegenden nur zu gewissen Zeilen des Jahres gesund; keiner aber verdient gesund genannt zu werden, welcher es nicht das das ganze Jahr hindurch ist. Das ist ein schlechter Acker,, mit welchem der Eigenthümer zu kämpfen hat. Cato rätb, man solle vorzüglich darauf sehen, dass der Boden durch seine Wirksamkeit gelte, d. h. dass viele Arbeiter und eine ansehnliche Stadt in der Nähe seien, dass man zu Schiffe oder auf guten Wegen dazu gelangen könne, und dass er gut bebauet und beackert sei — ein Punkt, worin die Meisten sich betrügen. Sie glauben nämlich, die Faulheit :330 Achtzehntes Buch. -des vorigen Herrn komme dem Käufer zu statten. Nichts ist übler als ein verwahrloster Acker. Daher meint Cato, man kaufe besser von einem guten Herrn, und müsse nicht geradezu den Fleiss Anderer verachten; es gehe dem Acker v^rie dem Menschen, wenn viel Einnahme und grosser Auf- wand zusammenkomme, so bleibe nicht viel übrig. Er hält den Weinstock für das vortheilhafteste Gewächs auf einem Acker und mit Recht, denn dieser sichert vor allen die Deckung der Unkosten. Nächstdem nennt er die bewässer- ten Gärten, wenn sie in der Nähe einer Stadt sind. Die Wiesen i) nannten die Alten parata. Als Cato gefragt wurde, welches der gewisseste Gewinn sei, antwortete er: „Wenn du gute Weide hast." Was folgt dann zunächst? „Wenn du mittelmässige Weide hast." Es handelte sich wohl hierbei hauptsächlich darum, dass dasjenige, was die wenig- sten Unkosten verursache, am meisten einbringe. Je nach den verschiedenen Gegenden urtheilt man hier so, dort so. Dahin gehören auch seine Worte: ein Landmann müsse gern verkaufen. Ein Gut muss man in der Jugend unver- weilt besäen, aber nicht eher bauen 2), als bis der Acker bestellt ist; auch dann muss es noch langsam geschehen, und am besten ist es (wie das Sprichwort sagt), aus den Thorheiteu Anderer Nutzen zu ziehen, jedoch so, dass die Unterhaltung der Landhäuser einem nicht zur Last falle. Derjenige, welcher gut wohnt, kommt oft auf den Acker, und die lügen nicht, welche sagen, die Stirn des Herrn nütze mehr als sein Hinterhaupt. 7. Das richtige Verhältniss besteht darin, dass man bei einem Landgute nicht das Landhaus, und bei diesem nicht den Grund und Boden zu suchen braucht. Man muss es nicht machen, wie L. Lucullus und Q. Scävola zu ein und derselben Zeit in entgegengesetzter Richtung, denn das Land des Scävola war ohne Gebäude, und das Landhaus ') prata. ^) aedificare. Achtzehntes Buch. 331 lies LucuUus ohne Land. Ehemals bestraften die Censoren den, der weniger säete als fegte. Und diess erfordert auch Kunst. Ganz kürzlich hat C. Marius, der 7 mal Con- sul war, im Gebiete von Misenum ein Landgut, ganz in der Art wie ein Lager errichtet wird, angelegt, so dass Sulla der Glückliche Andere im Vergleich mit diesem blinde nannte. Darin ist man einig, dass ein Landgut weder bei Sümpfen, noch einem Strome entgegen liegen müsse, ob- schon Homer sehr richtig alle vor Aufgang der Sonne aus einem Flusse steigende Dünste ungesund nennt. In heissen Gegenden muss es gegen Norden, in kalten gegen Mittag und in gemässigten gegen Nordost liegen. Ob es gleich scheinen kann, dass wir, als von den Erdarten die Rede war, die Merkmale, woran die Güte eines Bodens erkannt wird, hinreichend angegeben haben, so wollen wir doch noch die darüber niedergelegten Bemerkungen, und zwar vorzüglich mit Cato's Worten, hier anzeigen. Attich, wilde Pflaumen, Brombeeren, kleine Zwiebeln, Klee, Gras, Eichen, wilde Birnen oder wilde Aepfel, ferner schwarze und asch- graue Erde sind Merkmale eines Getreidebodens. Jede Kalkart zeitigt, wenn sie nicht zu mager, Sand, wenn er nicht zu fein ist, und alles diess zeigt sich wirksamer auf flachem Boden als auf hügeligem. Die Alten waren der Ansicht, man müsse nicht zu viel Land haben, und sagten, es sei besser, weniger säen und besser pflügen. Ich finde, dass Virgil derselben Meinung ist. Wenn wir die Wahrheit sagen sollen, so haben die ausgedehnten Ländereibesitzungen Italien, ja selbst schon die Provinzen zu Grunde gerichtet. Sechs Herren besassen die Hälfte von Afrika, als der Kaiser Nero sie tödtete. Auch hierin zeigte sich (wir dürfen es nicht verschweigen) die Grösse des Pompejus, dass er niemals einen an den seinen grenzenden Acker kaufte. Mago sagt, man müsse nach Ankauf des Ackers sein Haus ohne Schonung und ohne Nutzen davon dem Publikum entziehen zu wollen verkaufen; mit diesem Eingänge beginnt er seine Lehren 332 Achtzehntes Buch. vorzutragen, und man sieht daraus, dass er anhaltenden Fleiss verlangt. Demnächst mnss man sieh um einen erfahrenen Guts- verwalter umsehen; Cato giebt hierüber viele Vorschriften. Wir begnügen uns zu bemerken, er soll nächst dem Herrn der klügste sein , sich selbst aber dieses Ansehen nicht geben wollen. Die Bestellung des Landes durch Sclaven, sowie überhaupt alles, was von verzweifelten Menschen ge- schieht, taugt nicht. Es dürfte verwegen scheinen, einen Ausdruck der Alten anzuführen, der vielleicht für ganz un- glaublich gehalten werden möchte, nämlich: nichts sei weniger zuträglich als sein Land aufs Beste anbauen. L. Tarius Kufus, ein Mann von ganz geringem Herkommen^ der sich durch seine ausgezeichneten Militärdienste das Consulat erworben hatte, und sonst nach Art der Alten sehr sparsam war, brachte durch Ankauf und Anbau von Aeckern im Picenischen gegen 1 Million Sesterzen, die er der Freigebigkeit des Kaisers Augustus verdankte, so weit durch, dass Niemand sein Erbe sein wollte. Sollen wir nun Verlust des Vermögens und Hunger für etwas Rühm- liches halten? Ja wahrlich, Massigkeit ist in jeder Be- ziehung das beste. Den Acker wohl zu bauen, erscheint nothwendig, aber ihn aufs Beste bestellen, schädlich, es sei denn durch seine Hausgenossen, Pächter oder Leute,, die man doch ernähren muss. Ferner bringt es dem Acker- bau treibenden Herrn auch keinen Nutzen, einige Male zu erndten, wenn man die Kosten der Arbeit rechnet. Man soll nicht zu rasch in der Olivenkultur sein, auch manches Land nicht oft bebauen, wie z. B. in Sicilien; denn die Ansiedler würden dadurch betrogen werden. 8. Auf welche Weise werden nun die Aeckeram besten bebauet? Nach dem Ausspruch eines Orakels: durch gute Uebel *). Ich muss aber hier unsere Vorfahren verthei- digen, deren Vorschriften für das Leben sorgten; denn was ') malis bonis. Achtzehntes Buch. 333 sie Uebel nannten, sollte das Wohlfeilste bedeuten. Am meisten sahen sie darauf, dass die Unkosten gering waren. Solche Verordnungen gaben Männer, welche es Einem, der triumphirt hatte, zum Verbrechen anrechneten, wenn er 10 Pfund silbernes Hausgeräth besass; welche verlangten, man solle, wenn der Verwalter mit Tode abgegangen sei, die Siege verlassen und zu seinen Ländereien zurückkehren; deren Güter der Staat zu bebauen übernahm, und die der Senat verwaltete, während sie Kriegsheere anfahrten. Da- her schrieben sich auch die übrigen denkwürdigen Aus- sprüche: Der sei kein guter Landmann, welcher etwas kaufe, was ihm sein Acker liefern könne. Das sei ein schlechter Hausvater, der bei Tage thäte, was er des Nachts thun könne, wenn die Witterung ihm nicht hinderlich wäre; der sei noch schlechter, welcher das, was an Feiertagen geschehen könne, an Werktage verrichte; und der am "schlechtesten, welcher an heitern Tagen mehr im Hause als auf dem Felde arbeite. Ich kann nicht umhin, wenigstens ein Beispiel aus dem Alterthume anzuführen, woraus man ersehen mag, dass es auch unter dem Volke üblich war, über den Ackerbau zu verhandeln, und wie dergleichen Männer in Schutz genommen zu werden pflegten. Als C. Furius Cresinus nach seiner Befreiung aus der Sclaverei, auf seinem kleinen Acker weit mehr Früchte erndtete als seine Nachbaren auf ihren weitläufigen Gründen, beneidete man ihn deshalb und be- schuldigte ihn, er brächte fremde Früchte durch Zauberei auf sein Feld. Er wurde deshalb von Sp. Albinus vor Gericht geladen, und aus Furcht verurtheilt zu werden (weil die Zünfte darüber stimmen mussten), brachte er all sein Acker- geräth auf den Marktplatz, nahm seine kräftige und (wie Piso sagt) wohlgenährte und gekleidete Familie, ferner vor- trefflich gemachtes Eiseuzeug, starke Hacken, gewichtige Pflugscharen, und gemästete Ochsen mit sich, und sprach : „Diess, Römer, sind meine Zaubermittel; mein nächtliches Arbeiten, mein Wachen und meinen Schweiss kann ich Euch aber nicht zeigen oder auf das Forum briuseu." Er wurde 334 Achtzehntes Buch. emstimmig freigesprochen. Wahrlieh, der Ackerbau fordert keine Unkosten, sondern Fleiss. Daher sagten auch die Alten, das fruchtbarste auf dem Acker sei das Auge des Herrn. Die übrigen Vorschriften sollen an den ihnen zukom- menden Orten angeführt werden; indessen wollen wir die allgemeinen, welche uns beifallen, hierhersetzen. Vor allen ist folgende des Cato höchst nützlich und nachahmungs- würdig: Trachte dahin, dass die Nachbarn dich lieben. Er giebt auch Gründe dafür an, welche meiner Meinung nach Jedem einleuchten werden. Ganz besonders hebt er hervor, die Leute im Hause sollen nicht böse gegeneinander gesinnt sein. Alle stimmen darin überein, beim Ackerbau dürfe nichts zu spät geschehen, und alles müsse zu rechter Zeit vollbracht werden, denn das Versäumte könne nicht wieder nachgeholt werden. Dass Cato eine zu trockne Erde verwirft, haben wir zur Genüge angegeben, schweigen also jetzt, obgleich er gar nicht aufhört, davon zu reden. Alles was durch einen Esel verrichtet werden kann, kostet am wenigsten. Das Farnkraut stirbt nach 2 Jahren ab, wenn man es nicht Blätter treiben lässt. Diess geschieht am sichersten, wenn man in der Periode des Ausschiagens die Zweige mit einem Stocke abschlägt, denn der Saft, welcher ihm entquillt, tödtet die Wurzel. Auch sollen sie nicht wieder wachsen, wenn man sie zur Zeit der Sonnen- wende abreisst; ferner nicht, wenn man sie durch Rohr anschneidet, oder durch einen mit Rohr belegten Pflug aus- pflügt. Ebenso solle man das Rohr durch Farnkraut, welches auf den Pflug gelegt worden, auspflügen. Ein mit Binsen bewachsener Acker muss mit einem Spaten, ein steiniger mit einer zweizinkigen Hacke bearbeitet werden. Strauch- werk entfernt man am besten durch Feuer. Wird ein zu feuchter Acker mit Gräben durchschnitten und dadurch ausgetrocknet, so bringt er grossen Nutzen. Die Gräben aber muss man an kalkigen Stellen offen lassen, in einem zu losen Boden jedoch mit Zäunen befestigen, damit sie nicht einfallen, oder die Seiten müssen nicht zu sehr ge- Achtzehntes Buch. 335. neigt liegen. Einige muss man bedecken und in grössere und breitere leiten und womöglich mit Kieselsteinen und Kies auspflastern. Ihre Mündungen müssen auf beiden Sei- ten mit 2 Steinen gestützt und mit einem andern überdeckt werden. Wie man einen Wald ausrottet, hat Democrit an- gegeben; es wird nämlich die Blüthe der Wolfsbohne einen Tag lang in Schierlingssaft eingeweicht, und mit diesem besprengt man die Wurzeln. 9. Nachdem nun der Acker zugerichtet ist, wollen wir auch die Feldfrüchte näher angeben. Es giebt vorzüg- lich 2 Arten derselben, nämlich Getreide wie z. B. der Weizen, die Gerste, und Hülsenfrüchte, wie die Bohnen und die Futtererbsen. Wie sich beide von einander unter- scheiden, ist zu bekannt, als dass es hier angegeben zu werden braucht. 10. Vom Getreide selbst giebt es wieder ebenso viele Arten, welche sich durch die Zeit der Aussaat unterschei- den. Wintergetreide heisst das, was gegen den Untergang des Siebengestirns gesäet und den Winter über durch die Erde genährt wird, wie der Weizen, der Dinkel i), die Gerste. Sommergetreide wird im Sommer vor dem Aufgange des Siebengestirns gesäet, wie die Hirse 2), Mohrenhirse 3)^ Sesam ^), Horminum^), Irio*'); jedoch ist diess nur in Italien gebräuchlich. Anderswo, wie in Griechenland und in Asien wird alles beim Untergange des Siebengestirns gesäet;. Manches aber in Italien zu beiden Zeiten, ja Einiges auch zu einer dritten Zeit, nämlich im Friihlinge. Einige nennen, die Hirse, Mohrenhirse, Linse ^), Kicher ^), Alica'^) Früh-. •) far. Triticum Spelta L. 2) Milium. Panicum miliaceum L. ^) Panicum. Holcus Sorghum L. '') Sesama. Sesamum Orientale L. *) Salvia Horminum L? ^) Irio. Sisymbrium Irio. '') Lens. Ervum Lens L. *) Cicer. Cicer arietinum L. ») Eine Art Dinkel. 33G Achtzehntes Buch. flüchte; den Weizen, die Gerste, Bohne i), Napus^), Rapa^) Saatfrüchte. Unter dem Weizen giebt es eine Art, welche nur zum Futtern der vierfüssigen Thiere dient, und Farrago heisst; unter den Hülsenfrüchten vertritt die Wicke diese Stelle. Die Wolfsbohne*) aber wird zum Gebrauche für Menschen und Vieh gebauet. Alle Hülsenfrüchte, ausser der Bohne, haben einfache holzige Wurzeln, die sich nicht in mehrere zertheilen, die tiefsten hat die Kicher. Die Getreidearten dagegen wurzeln mit vielen Fasern ohne Zweige. Die Gerste bricht am 7. Tage nach der Aussaat hervor, die Hülsenfrüchte am 4., spätestens am 7.; die Bohne am 15. bis 20., die Hülsen- früchte in Aegypten am 3. Tage. Von dem Gersteukorne geht das eine Ende in die Wurzel, das andere in den Stengel über, und dieser blühet auch zuerst; das dickere Ende wird zur Wurzel, das dünnere zur Blüthe. Bei den übrigen Samenkörnern bildet ein und derselbe Theil die Wurzel und Blüthe (den Stengel). Das Getreide hat im Winter nur Blätter; im Frühjahre wächst das Wintergetreide in den Stengel aus, aber die Hirse und Mohrenhirse in einen knotigen, hohlen, der Se- sam in einen ruthenartigen (doldigen) Halm. Die Frucht aller Saaten befindet sich entweder in Aehren, wie die des Weizens, der Gerste, und wird durch eine vierfache Be- deckung von Grannen geschützt; oder sie ist in Hülsen eingeschlossen wie bei den Hülsenfrüchten, oder aber in Gehäusen wie beim Sesam, Mohn. Nur die Hirse und Mohrenhirse sind ein gemeinschaftliches Gut, und den kleinen Vögeln zugänglich; sie haben nämlich keine Waffen, sondern sind nur in Häuten enthalten. Das Panicum hat seinen Namen von den Büscheln ^), welche an seiner Spitze schlaff niederhängen, denn sein Halm verdünnt sich all- . niälig in ein feines Reis, wovon sehr dichte Körner in einer 1) Faba. Vicia faba L. -) Brassica campestris Napobrassica L. 3) Brassica Rapa L. ^) Lupinus. L. hirsutus L. und L. angustifoUus L. ^) paniculae, Risj)en. Achtzöliiltes Buch. 337 ■fusslangen Doldentraube i) angehäuft sind. Die feinen Fa- sern, welche die Körner der Hirse umfassen, endigen in ge- krümmte und gefranzte Haare. Vom Panicum giebt es mehrere Arten; man hat nämlich ein zizenförmiges, wo aus einer Anschwellung kleine traubenartige Büschel ausgehen und die Spitze doppelt ist. Ja selbst in der Farbe findet ein Unterschied statt, denn es giebt weisses, schwarzes, röthliches und purpurfarbiges. Aus der Hirse bäckt mau auf vielerlei Weise Brot, aus dem Panicum selten; kein Getreide aber ist schwerer oder schwillt beim Kochen mehr auf als dieses. Ein Modius giebt 60 Pfund Brot, und 3 Sextare geben durch Anwässern 1 Modius Teig. Während der letzten 10 Jahre ist aus Indien eine Art Hirse nach Italien gekommen, welche eine schwarze Farbe, eiu grosses -Korn und einen rohrartigen Halm hat^). Sie treibt sehr lange Halme, erreicht eine Höhe von 7 Fuss, heisst Lobä und ist unter allen Feldfrüchten die fruchtbarste, denn ein Korn liefert 3 Sextarieu. Sie verlangt eiu feuchtes Erdreich. Einige Getreidearten beginnen am 3. Knoten die Aehre zu treiben, andere am 4., doch ist sie dann noch verborgen. Der Weizen hat 4 solche Halmknoteu, der Dinkel 6, die Gerste 8. Vor der so eben genannten Anzahl Knoten be- ginnt die Aehre nicht; sobald sie aber hervorbrechen will, fäugt die Pflanze am 4. oder spätestens am 5. Tage darauf IUI zu blühen, und in ebenso viel oder etwas mehr Tagen tragen blühet sie ab; die Gerste hingegen spätestens in 7. Varro sagt, die Feldfrüchte erlangten in 36 Tagen ihre Vollkommenheit und würden im 9. Monate eingeerntet. Die Bohnen brechen in Blättern hervor, und treiben ■dann einen Stengel ohne Knoten. Die übrigen Hülsenfrüchte haben staudige ^) Stengel, und unter ihnen die Kicher, Erve ^) ') obba, eigentlich ein Trinkgeschirr mit weitem Bauche; hiei- im figurlichem Sinne. 2) Ohne Zweifel eine Varietät des Holcus Sorghum. ^) surculosus, holzig (fest). *) Ervum. Vicia Ervilia L. Wittstein: Pliuius. III. Bil. '>•) 338 Achtzehntes Buch. und Linse ästige. Die Stengel mancher breiten sich auf der Erde aus, wenn sie keine Stützen haben, wie z. B. die der Erbsen 1); und fehlen sie ihnen, so arten sie aus. Unter den Hülsenfrüchten haben nur die Bohne und Wolfsbohne einen einfachen Stengel; bei den übrigen ist er hart und ästig, bei allen aber hohl. Einige treiben die Blätter an der Wurzel hervor, andere an der Spitze. Die Getreidearten, Gerste, Wicke und alles, was Halme hat, trägt am Ende nur 1 Blatt. Die Gerste hat rauhe, die übrigen glatte Blätter; vielfach sind sie da- gegen bei der Bohne, Kicher und Erbse. Die Getreide- arten haben ein schilfartiges Blatt, die Bohne und die meisten Hülsenfrüchte ein rundes; bei der Ervilie 2) und Erbse sind die Blätter mehr länglich, bei der Schwert- bohne 3) aderig, beim Sesam und dem Irio blutroth. Nur von der Wolfsbohne und dem Mohne fallen die Blätter ab. Die Hülsenfrüchte blühen länger als andere, besonders die Erve und Kicher, am längsten aber die Bohne, nämlich 40 Tage, jedoch nicht jeder Blüthenstiel so lange, denn wenn der eine aufgehört hat, fängt der andere an; auch nicht das ganze Feld auf einmal, wie beim Getreide. Sie. setzen aber alle in verschiedenen Tagen und zwar am untersten Ende zuerst, Hülsen an, während allmählig neue Blüthen nachkommen. Wenn das Getreide verblühet ist, schwillt es und wird längstens in 40 Tagen reif; ebenso die Bohne, die Kicher aber in sehr wenigen Tagen, denn diese ist schon 40 Tage- nach der Aussaat reif. Hirse, Panicum, Sesam und alle» Sommergetreide wird in 40 Tagen, von der Blüthe an ge- rechnet, reif; dabei sind aber Boden und Klima von grossem Einflüsse. Denn in Aegypten schneidet man die Gerste im 6. Monate nach der Aussaat, das übrige Getreide im 7.; in Hellas die Gerste im 7., im Peloponnes im 8., und das ') Pisa. Pisum sativum L. 2) Lathyrus Cicera L. ') Faseoli. Phaseolus vulgaris L. Achtzehntes Buch. 339 Übrige noch später. Die Körner sitzen auf dem Halme in von haarigem Gewebe umgebenen Aehren. Die Bohne und die Hülsenfrüchte tragen die Schoten abwechselnd. Das Getreide zeigt sich dauerhafter gegen den Winter. Die Hülsenfrüchte dienen zur Speise. Das Getreide hat mehrere häutige Hüllen. Die Gerste und die Arincai) sind am nacktesten; ebenso der Hafer. Das übrige Getreide hat längere Halme als die Gerste, diese aber schärfere Grannen. Auf der Tenne werden Wei- zen 2), Siligo^) und Gerste ausgedroschen. Man säet sie auch so rein, wie sie gemahlen werden, ohne vorherige Dörrung. Dagegen können Dinkel, Hirse, Panicum, ohne erst gedörrt zu sein, nicht gereinigt werden; und deshalb säet man diese roh, mit ihren Hüllen. Auch den Dinkel dörrt man nicht, sondern hebt ihn in den Hüllen zur Saat auf. 11. Am leichtesten unter allen diesen ist die Gerste, denn sie übersteigt selten das Gewicht von 15 Pfund; die Bohne wiegt 22 Pfund*). Schwerer ist der Dinkel und noch schwerer der Weizen. In Aegypten macht man Brot-Mehl^) aus der Olyra^^), welche dort die 3. Art der Aehrenfrucht ist. Auch in Gallien hat man eine Art Brot-Mehl, welches dort Brace, bei uns Sandala heisst, von sehr glänzendem Korne ist, und sich noch dadurch unterscheidet, dass es fast 4 Pfund Brot mehr giebt, als jedes andere Getreide. Verrius sagt, das römische Volk habe sich 300 Jahre lang bloss des (groben) Brot-Mehls vom Getreide bedient. 12. Vom Weizen giebt es mehrere Arten, welche ihre *) Ist nach Cap. 20 identisch mit Olyra (Triticum Zea Host). 2) Winterweizen. Triticum vulgare, «) hibernum L. ^) Sommerweizen. Triticum vulgare, ß) aestivum L. *) Das Gemäss, welches hierbei zur Norm diente, ist der Modius. ^) Far, Schrot oder grobes Mehl; also wohl zu unterscheiden von dem Dinkel, welchen Phnius auch far nennt. ^) Triticum Zea Host. 22* 340 Achtzehntes Buch. Entstehung den Völkern zu verdanken haben. Dem italie- nischen möchte ich keinen an Weisse und Schwere, welche Merkmale den Hauptunterschied ausmachen, gleich setzen, nnd nur dem auf den bergigen Aeckern Italiens wachsenden, den ausländischen, von dem der böotische den Vorzug ver- dient; dann folgt der sicilische und hierauf der afrikanische. Das dritte Gewicht i) hatte der thracische, syrische und ägyptische. Hiermit stimmt auch die Meinung der Athleten iiberein, welche in der Gefrässigkeit dem Rindvieh gleichen und die eben eingeführte Ordnung gemacht haben. In Griechenland lobt man auch den pontischen. der noch nicht nach Italien gekommen ist. Unter allen Arten schätzte man daselbst vorzüglich den dracontischen, strangischen und salenusischeu wegen des sehr dicken Rohres, und säete daher diese auf fetten Boden. Den leichtesten und leersten^ sowie denjenigen mit dünnstem Halme säete mau an feuchte Plätze, weil er der meisten Nahrung bedürfe. Diess waren die Meinungen Griechenlands, als Alexander der Grosse herrschte, als diess Land am berühmtesten, und auf der ganzen Erde am mächtigsten war; und doch ist nicht zu übersehen, dass beinahe vor dessen Tode der Dichter Sophocles in dem Schauspiel Triptolemus dem italienischen Getreide den Vorzug vor allem andern einräumte, und zwar mit den Worten: „ Und das durch weisses Korn beglückte Italien besingen. " Diess Lob gehört dem italienischen bis jetzt noch an, und ich wundere mich um so mehr, dass die spätem Grie- chen dessen gar nicht erwähnt haben. Jetzt ist von den Arten, welche nach Rom eingeführt worden, die gallische und die, welche vom Chersones kommt, die leichteste, denn es gehen, wenn man das Korn selbst wiegt, nicht über 20 Pfund auf den Modius. Der sardische Weizen wiegt V2 Pfund, der alexandriuische noch V^ mehr, und dasselbe Gewicht hat der sicilische. Der böotische ') D. h. den dritten Rang. Achtzehntes Buch. 341 wiegt noch 1 Pfund mehr, und der afrikanische ^U. Ich weiss, dass in Italien jenseits des Po ein Modius Brot-Mehl 25 Pfund wiegt, bei Clusium auch wohl 26 Pfund. Es ist ein natürlich begründetes Gesetz, dass in jeder Art Com- missbrot i) der dritte Theil zum Gewichte des Korns noch hinzukommt 2); und dasjenige Getreide ist am besten, wel- ches beim Kneten 1 Congius Wasser aufnimmt. Einige Arten haben ein besonderes Gewicht, wie die balearische, von welcher 1 Modius 35 Pfund Brot giebt; andere wenn sie zu zweien miteinander gemischt werden, wie die cyprische und alexandrinische, von denen das Brot nicht über 20 Pfund wiegt. Der cyprische Weizen ist braun und giebt schwarzes Brot; daher mengt man weissen alexandrinischen darunter und erhält dann 25 Pfund. Die thebaische giebt noch 1 Pfund mehr. Mit Seewasser zu kneten, was Viele in den Ktistenortschaften thuu, um das Salz zu sparen, taugt nicht, denn nichts disponirt den Körper mehr zu Krank- heiten als der Genuss eines solchen Brotes. In Gallien und Spanien bedient man sich statt des Sauerteigs des verdichteten Schaumes 3), welcher entsteht, wenn aus den bereits angegebenen Getreidearten ein Trank bereitet wird ; daher ist dort das Brot leichter als bei andern Völkern. Auch im Halme liegt ein Unterscheidungsmerkmal; der dickere deutet auf eine bessere Art. Der thracische Weizen ist mit vielen Hüllen umgeben, und eignet sich für dieses Land wegen der darin herrschenden grössern Kälte. Aus eben derselben Ursache erfand man, weil der Schnee so lange die Erde bedeckt, dreimonatlichen Weizen, welcher von der Saatzeit an im 3. Monate auch in den übrigen Ländern geschnitten wird. Dieser ist im ganzen Alpenge- birge bekannt, und kein Getreide wächst in diesen kalten Himmelsstrichen üppiger; es treibt nur einen Halm, breitet ') panis militaris. -) D. h. das Brot ist um Va schwerer, als das dazu genommene Getreide. 3) D. i. Hefe. 342 Achtzehntes Buch. sich nicht aus und wird nur in dünne Erdschicht gesäet. Es giebt auch bei Aenus in Thracien zweimonatlichen Weizen, welcher am 40. Tage nach der Aussaat reif wird, und merkwürdigerweise schwerer und an Kleie ärmer als jedes andere Getreide ist. Man bauet ihn in Sicilien und Achaja in bergigen Gegenden, auch in Euböa bei Carystus. Columella irrt sehr, wenn er glaubt, der 3 monatliche wäre nicht einmal eine besondere Art, während er doch schon sehr alt ist. Die Griechen nennen ihn Setanion. Man erzählt, inBactrien gebe es Weizenkörner von solcher Grösse, dass eins so'gross sei wie bei uns eine ganze Aehre. 13. Unter allen Getreidearten wird die Gerste i) zuerst gesäet. Wenn wir jede Art einzeln abgehandelt haben, wollen wir auch ihre Säezeit aageben. Die Indier haben eine angebauete und wilde Gerste, aus welch' letzterer sie hauptsächlich ihr Brot backen und Alica -) bereiten. Am meisten aber bauen sie Reis^), wovon sie einen Trank ^) darstellen, den alle übrigen Menschen aus Gerste machen. Die Blätter des Reises sind fleischig, dem Lauche ähnlich aber breiter, die Pflanze selbst hat 1 Cubitus Höhe, pur- purrothe Blumen, und eine knospenartig runde Wurzel. 14. Die Gerste ist am frühesten zur Speise angewandt worden, wie, dem Schriftsteller Menander zufolge, aus dem Gebrauche der Athenienser und aus dem Zunamen der Fechter, welche Gerstenesser hiessen, erhellet. Die Grie- chen ziehen auch die Graupen der Gerste^) allen andern vor. Man bereitet dieselbe auf mehrfache Weise. Die Griechen übergiessen die Gerste mit Wasser, lassen eine Nacht über stehen, trocknen sie dann, rösten und mahlen ') Horcleum. Hordeum vulgare, H. clistichon und H. hexasti- chum L. 2) Eine Art Graupen. Näheres im 29. Cap. 3) Oryza. 0. sativa L. ^) ptisana. ^) polenta. Achtzehntes Buch. , 343 sie. Manche rösten sie stärker, besprengen sie dann wie- derum mit etwas Wasser und trocken sie vor dem Mahlen; Andere aber reinigen die frisch aus den Aehren geschlagene Gerste, stampfen sie noch feucht in einem Mörser, waschen sie in Körben aus, stossen sie, nachdem sie an der Sonne getrocknet worden, wieder und mahlen sie. Was für ein Verfahren nun auch angewandt worden ist, so mischt man in der Mühle zu 20 Pfund Gerste, 3 Pfund Leinsamen, V2 Pfund Coriander und ein Acetabulum Essig. Wer sie länger aufbewahren will, der thut sie in neue irdene Ge- fässe und überdeckt sie mit Gerstenmehl und Gerstenkleie. In Italien röstet man sie ohne vorheriges Anbrühen und mahlt sie, nachdem derselbe Zusatz und ausserdem noch Hirse hinzugekommen, in der Mühle fein. Das bei den Alten gebräuchliche Gerstenbrot hat man zum Genuss für Menschen verworfen, so dass es fast nur noch ein Nahrungs- mittel für das Vieh ist. 15. Seitdem schätzt man den sehr kräftigen und gesunden "Gerstentrank 1) um so mehr. Hippocrates, einer der be- rühmtesten Aerzte, hat zum Lobe desselben ein ganzes Buch geschrieben. Der uticensische wird für vorzüglich gut gehalten; in Aegypten aber der, welcher aus zwei- eckiger (zweizeiliger) Gerste bereitet wird. Turranius nennt die Art, aus der man in Bätika und Afrika den Trank macht, die glatte; glaubt auch, Olyra und Oryza sei ein und dasselbe. Die Bereitungsart des Tranks ist allgemein bekannt. 16. Auf ähnliche Weise macht man, doch nur in Campanien und Aegypten, aus dem Weizeukorne das Tragum^). 17. Das Stärkmehl gewinnt man aus allen Weizen- arten und dem Siligo, das beste aber aus dem dreimonat- lichen. Diese Erfindung verdankt man der Insel Chios; ') ptisana. ^) ein gewisser Brei. 344 Achtzehntes Buch. auch noch jetzt kommt von dorther das beste. Den Nameit Amylum i) hat es daher bekommen, weil es ohne Mühle- bereitet wird. DienächstbesteSorte liefert derjenigedreimonat- liche Weizen, welcher zu den leichtesten gehört. Man ttbergiesst ihn in hölzernen Gefässen mit soviel süssem Wasser, dass er davon bedeckt ist, und rührt den Tag über 5 mal um. Besser ist es, wenn das Umrühren auch des Nachts geschieht, damit sich alles gleichförmig mische. Das so erweichte Gemisch wird, bevor es anfängt sauer za werden, durch Leinwand öder Körbe geseihet, auf Ziegeln, welche mit Hefe bestrichen sind, gegossen, und an der Sonne getrocknet. Nach dem chiischen Stärkmehle schätzt man das cretische am meisten; dann folgt das ägyptische. Seine Güte beurtheilt man nach der Glätte, Leichtigkeit und Frische, wie Cato schon angegeben hat. 18. Bei uns bedient man sich auch des Gerstenmehls in der Heilkunde. Es ist merkwürdig, welchen Nutzen dasselbe beim Zugvieh schafft; wenn man nämlich Gerste am Feuer dörrt, dann mahlt, Klösse daraus macht und diese mit der Hand ihnen einstopft, so werden sie kräftiger und beleibter. Manche Aehren haben 2 Reihen, manche mehrere bis zu 6. Das Korn ist dadurch unterschieden, dass es länger, leichter, oder kürzer, runder, weisser, schwär- zer oder purpurner ist. Letztere Sorte ist zur Bereitung der Graupen, die weisse gegen Sturmwind die schwächste. Die Gerste ist die weichste aller Feldfrüchte und darf nur in trocknes, lockeres und fruchtbares Erdreich gesäet wer- den. Ihre Spreu gehört zu der besten, und ihrem Strohe kommt kein anderes gleich. Die Gerste leidet von allen Getreidearten am wenigsten Wetterschaden, weil sie eher geschnitten wird als der Brand den Weizen befällt; daher sähen kluge Landleute den Weizen nur zum Futter. Man. sagt, die Gerste werde mittelst der Hacke in's Land ge- *) Zusammengesetzt aus « und fivXov. Achtzehntes Buch. 345 bracht; daher geht sie auch am schnellsten auf. Am frucht- barsten ist die, welche in Spanien und Carthago im Monat April geerndtet wird; in Celtiberien säet man sie in dem - selben Monate, und erndtet sie zweimal im Jahre. Alle Gerste wird sogleich nach der Reife eher geschnitten als die übrigen Getreidearten, denn ihr Halm bricht leicht und das Korn befindet sich in einer äusserst dünnen Hülle. Auch sollen bessere Graupen erhalten werden, wenn die Gerste vor völliger Reife abgeschnitten wird. 19. Nicht überall hat man ein und dieselben Arten von Getreide, und, wo sie sind, führen sie nicht einerlei Namen. Am gemeinsten sind der Dinkel, welchen die Alten Adoreum genannt haben, Siligo und Weizen, denn sie fin- den sich in den meisten Ländern. Die Arinca^) ist in Gallien einheimisch, wächst aber auch häufig in Italien. Zea2), Olyra, Tiphe3)sind in Aegypten, Syrien, Cilicien, Asien und Griechenland zu Hause. In Aegypten macht man aus dem dortigen Weizen ein feines MehH), was aber dem italienischen nicht gleichkommt. Diejenigen Völker,, welche sich der Zea bedienen, haben keinen Dinkel. Auch dieser wächst in Italien, namentlich in Campauien und wird „der Same" genannt. Diesen Namen führt, wie wir bald zeigen werden, ein berühmter Gegenstand, weshalb Homer ihn den frucht spenden den Acker ^) genannt hat, und nicht wie Einige glauben, weil er das Leben verliehe. Aus dem- selben macht man auch Stärkmehl, was sich von dem ge- ») S. im 10 Cap. 2) Ob hier Plinius Zea mit Olyra (Triticum Zea Host) verwech- selt, oder eine andere Art "Weizen, oder endlich gar Zea Mays L. (über dessen Vaterland man nicht einig ist, das aber höchst wahr- scheinhch den Alten schon bekannt war und nicht erst von der Ent- deckung Amerikas her datdirt) meint, lässt sich nicht entscheiden., 3) Triticum monococcum L. '*) Similago. *) ZsiöoDQoq l'QOVQa. 346 Achtzehntes Buch. wohnlichen nur durch etwas gröbere Beschaffenheit unter- scheidet. Der Dinkel ist das härteste und gegen den Winter dauerhafteste Getreide. Er verträgt das kälteste Klima und wächst in schlecht gepflügtem, heissem und trocknem Boden. Dass er bei den alten Bewohnern Latium's die erste Nahrung war, beweisen die Dinkelgeschenke, von denen wir bereits geredet haben. Dass aber die Kömer lange Zeit hindurch von Brei uud nicht von Brot gelebt haben, ist offenbar, denn noch heutigen Tages haben die Zugemüse^) davon ihren Namen. Eunius, der älteste Dichter sagt, indem er die Hungersuoth bei einer Belage- rung ausdrücken will, die Väter hätten den weinenden Kindern den Kloss'^) entrissen. Noch jetzt werden bei alten Feierlichkeiten und Geburtstagen Brei uud Kuchen bereitet, und es scheint, dass in Griechenland der Brei so unbekannt war, wie in Italien die Graupen. 20. Kein Same ist begieriger als der Weizen, und keiner zieht mehr Nahrung an sich. Den Siligo möchte ich wohl den leckern Weizen nennen, denn er ist weiss, ohne Kraft und Gewicht, und passt für feuchte Gegenden, wie sie in Italien uud in Gallia comata sind. Aber beständig zeigt er sich nur jenseits der Alpen im Lande der Allobroger uud Meminer, in den übrigen Ländern verwandelt er sich nach 2 Jahren in gewöhnlichen Weizen. Man verhütet diess, wenn man nur die schwersten Körner säet. Der Siligo giebt das beste Brot und die schönste Waare der Bäckereien. In Italien erhält man ganz vorzügliche Ge- bäcke, wenn man den campanischen zu dem pisanischeu mischt; jener ist mehr röthlich, der pisauische aber weisser lind der auf thonigen Boden gewachsene schwerer. Von demjenigen campanischen Korne, welches das gereinigte heisst, muss 1 Modius 4 Sextarien Mehl 3), oder von dem gemeinen, nicht gesiebten, 5 Sextarien und ausserdem noch ') pulmentaria. ^) offa. ') siligo. Achtzehntes Buch. 347 V2 Modius Blüthenmehl ^) geben; ferner vom Speisekorn Avelehes die zweite Sorte heisst, 4 Sextarien und ebenso- viel Kleien; vom pisanischen aber 5 Sextarien Mehl und, 4 Sextarien Kleie. Das clusinische und aretinische Korn giebt noch ein Sextarius Mehl mehr, kommt aber sonst mit den übrigen überein. Wenn man aber Staubmehl 2) machen will, so erhält mau 16 Pfund Brot, 3 Pfund Speisemehl und 1/2 Modius Kleien. Hier liegt der Unterschied im Mahlen; denn was trocken gemahlen wird, giebt mehr Mehl, was mit Salzwasser besprengt wird , einen weissem Kern, lässt aber mehr iu der Kleie zurück. Dass das Mehl ^) vom Dinkel^) benannt sei, erhellet schon aus dem Namen. 1 Modius gallisches Siligo-Mehl giebt 22 Pfund Brot, das italische 2 oder 3 Pfund mehr beim Bäckerbrote, denn bei Brot, was im Backofeu gebacken ist, rechnet man in jeder Art noch 2 Pfund hinzu. Das beste Semmelmehl*) giebt der Weizen. Von dem afrikanischen soll 1 Modiu^ einen halben und 5 Sex- tarien Staubmehl geben; so heisst nämlich das vom Weizen, was man vom Siligo Blüthenmehl nennt. Die Erzarbeiter und Papiermacher bedienen sich desselben. Ausserdem giebt es noch 4 Sextarien Nachmehl uud ebenso viel Kleien. Aus 1 Modius Semmelmehl bäckt man 122 Brote, aus 1 Modius Blüthenmehl 117. Der jährliche Mittelpreis eines Modius Mehl ist 40 Ass; gesiebtes Semmelmehl kostet 8 Ass mehr; gesiebtes Siligomehl doppelt so viel. Noch ein anderer Unterschied, der einmal zur Zeit des L. Paullus sich ereignete, findet statt; man machte nämlich damals die Beobachtung, dass von 17 Pfund, 18 Pfund Brot ge- wonnen wurden, vom dritten 19 V3, und vom Nachmehle 21/2 Pfund Brot, ebenso viel Speisemehl und 6 Sextarien Kleie. Der Siligo wird nie zugleich reif, und keine Saat leidet das Ausbreiten weniger als diese, denn sie ist sehr zart, und die zur Keife gelangten Halme lassen sogleich ihre 0 flos. -) poUeu. ^) farina. ^) far. ^j similago. 348 Achtzehntes Buch. Körner fallen. Aber weniger als die übrigen Getreide- arten leidet er geschnitten, denn er hat immer eine be- deckte Aehre, und hält den Thau, welcher leicht Brand verursacht, nicht an sich. Die Arinca giebt das süsseste Brot; sie selbst ist dichter als der Dinkel, die Aehre grösser und schwerer. Selten dass 1 Modius nicht volle 16 Pfund giebt. In Griechen- land lässt sie sich schwer austreten, daher man sie, wie Homer berichtet, dem Zugvieh giebt, denn diess ist es, was er Olyra nennt. In Aegypten lässt sie sich leicht austreten und ist fruchtbar. Der Dinkel hat keine Grannen; ebenso der Siligo, ausgenommen der, welcher lakonischer heisst.. Zu diesen Arten kommen noch: der Bromus i), der auser- lesene Siligo, und der Tragos, sämmtlich ausländische, aus dem Orient eingeführte und dem Reis ähnliche Gewächse. Auch die Tiphe gehört zu der Art, welche bei uns der Reis liefert. Bei den Griechen ist diess die Zea, und man sagt, dass diese und die Tiphe, wenn sie ausgeartet sind und zerstampft gesäet werden, zwar nicht sogleich, aber doch im dritten Jahre wiederum zu gutem Getreide werden. 21. Nichts ist fruchtbarer als der Weizen; die Natur gab ihm diese gute Eigenschaft, weil sie durch ihn den Men- schen am meisten ernährt, denn ein Modius giebt auf einem dazu geeigneten Boden, wie z. B. der im Byzacischen Ge- biete in Afrika ist, 150 Modius. Von daher schickte der Statthalter des Kaiser Augustus diesem aus 1 Korne (was unglaublich scheint) nahe an 40 Sprossen. Die Briefe darüber sind noch vorhanden. Ebenso sandte er dem Nero 360 Halme aus einem Korne. Das hundertste Korn geben die Leontinischen Felder in Sicilien und andere, ganz Bätika und namentlich Aegypten. Unter die fruchtbarsten Arten des Weizens gehört der ästige, oder der sogenannte hundertkörnige. Man hat auch schon Stauden gefunden, die 100 Bohnen trugen. ') Ist Avena sativa, der Hafer. Achtzehntes Buch. 349 22. Wir haben als Sommergetreide den Sesam, die Hirse und Mohrenhirse bezeichnet i). Der Sesam kommt aus Indien; man macht aus ihm auch ein Oel, und seine Farbe ist weiss. Diesen ähnlich sieht das in Asien und Griechen- land wachsende Erysimum, — dasselbe, was man bei uns Irio nennt, nur ist jenes fetter, und wird mehr zu den Arzneigewächsen als zu den Feldfrüchten gezählt. Dieselbe Beschaffenheit hat das von den Griechen sogenannte Hör - minum, sieht aber dem Cyminum^) ähnlich, und wird mit dem Sesam gesäet. Dieses und das Irio frisst kein Thier, so lange sie grün sind. 23. Nicht alles Getreide lässt sich leicht mahlen; in Etrurien nämlich stampft man die gedörrten Aehren des Dinkels mittelst einer mit Eisen beschlagenen Keule, einer mit Sägezähnen versehenen Röhre und eines inwendig ge- zähnten Sterns, so dass, wenn nicht vorsichtig gestampft wird, die Körner zu Grunde gehen und das Eisen zerbricht. In Italien bedient man sich grösstentheils eines unbeschla- genen Stempels, auch der Kader, welche von oben auf- fiiessendes Wasser umdrehet, und so das Mahlen bewirkt. In Betreff des Mahlens selbst will ich Mago's Ansicht hier anführen; er sagt nämlich, man solle zuvor den Weizen mit vielem Wasser begiessen, dann aushülsen, hierauf an der Sonne trocknen und mit dem Stempel bearbeiten. Ebenso werde die Gerste behandelt. Auf 20 Sextarien davon nähme man 2 Sextarien Wasser. Die Linsen müssen erst gedörrt, dann mit den Kleien leicht gestampft werden; oder man müsse zu 20 Sextarien 1 Stück Ziegelstein und 1/2 Modius Sand setzen. Die Ervilie wird wie die Linse behandelt. Den Sesam muss man in warmes Wasser legen, dass die Spreu oben schwimmt, wieder an der Sonne auf Tüchern ausbreiten; doch muss diess alles möglichst schnell ge- schehen, sonst bekommt er eine hässliche Farbe und schim- ') Sielje 10. Cap. -) Cuiiiinum Cj'miuuni L. 350 Achtzehntes Buch. melt. Aber auch die Getreidearten, welche ausgehülset wer- den, erleiden eine verschiedene Behandlung beim Stampfen. Hülse 1) sagt man dann, wenn bloss die Aehre für sich zum Gebrauche der Goldarbeiter gestossen wird; wenn sie aber auf der Tenne ausgedroschen wird, so heisst sie Spreu, wie es in den meisten Ländern zum Futtern des Viehes ge- schieht. Das was beim Reinigen der Hirse, des Panicums und Sesams abfällt, heisst Apluda, hat aber an andern Orten andere Namen. 24. In Campanien giebt es besonders viel Hirse 2), aus der man einen weissen Brei bereitet. Sie liefert ein sehr süsses Brot. Auch die Sarmater leben grossentheils von solchem Brei, sowie von rohem Mehle, welchem sie Pferde- milch oder aus Beinadern gelassenes Blut zumischen. Die Aethiopier kennen kein anderes Getreide als Hirse und Gerste. 25. Die Gallier und namentlich die Aquitanier bauen das Panicum; desgleichen die Italiener am Po, doch bedienen sich diese desselben nicht allein, sondern in Verbindung mit Bohnen, ohne welche sie nichts zurichten. Die pon- tischen Völker ziehen dem Panicum keine Speise vor. Uebrigens ist allem Sommergetreide das Begiessen zuträg- licher als viel Regen. Hirse und Panicum leiden sehr durch Wasser, wenn sie Blätter treiben; man will auch nicht, dass sie zwischen Weinstöcke oder Obstbäume gesäet werden, weil dadurch der Boden ausgesogen werde. 26. Hirse, welche mit Most angemacht ist, liefert einen guten Sauerteig, der sich ein Jahr lang hält. Einen ähn- lichen bereitet man aus der besten zerkleinerten Kleie des Weizens dadurch, dass man sie mit weissem, 3 Tage altem Moste ernährt und an der Sonne trocknet. Beim Brotbacken «) acus. ^) S. im 10. Cap. Achtzehntes Buch. 351 weicht man ein Stück davon ein, erhitzt es mit feinem Mehle und mischt dieses unter das übrige Mehl. So be- reitetes Brot hält man für das beste. Die Griechen sagen, auf 1 Modius Mehl reiche Vs Pfund Sauerteig hin. Diese Art Brot bäckt man nur während der Weinlese; zu jeder- andern beliebigen Zeit aber werden aus Wasser und Gerste gemachte Klumpen von 2 Pfund auf einem heissen Herde oder in einer irdenen Schüssel üßer Kohlen und Asche so lange geröstet, bis sie röthlich sind, hierauf in bedeckten Gefässen aufbewahrt bis sie sauer werden, und dienen dann als Sauerteig. Als man noch Brot aus Gerste backte, wurde aus dem Mehle der Erve oder Kicher der Sauerteig ge- macht, und von diesem nahm man 2 Pfund auf 5 halbe Modius. Jetzt macht man den Sauerteig aus dem Mehle selbst, welches vor dem Zusätze des Salzes geknetet, zum Brei eingekocht und dieser bis zum Sauerwerden hingestellt wird. Gemeiniglich aber erhitzt man ihn nicht, sondern bedient sich bloss des vom vorhergehenden Tage aufge- hobenen Teiges. Oifenbar entsteht die Gährung durch die Säure; und das sind die gesundesten Menschen, welche ge- säuertes Brot essen, wie denn auch die Alten den schwer- sten Weizen für den gesundesten gehalten haben. 27. Die verschiedenen Arten Brote selbst durchzugehen, scheint mir überflüssig. Entweder benannte man das Brot nach der Zuspeise, z. B. Austerbrot; oder nach seiner Fein- heit, z. B. Kuchenbrot; oder nach der schnellen Bereitung,^ z. B. Schnellbrot; ferner nach der Art und Weise des Backens, als Ofenbrot, in Artopten oder in Clibaneni) ge- backnes. Unlängst hat man auch eine Art Brot von den Parthern eingeführt, welches Wasserbrot heisst, weil es durch Wasser gezogen wird, dünn und hohl wie ein Schwamm ist, und von jenem Volke auch den Namen parthisches Brot führt. Die Güte des Brotes beruhet auf der des Mehles und auf der Feinheit des Siebes. Einige kneten es mit ') Artopta, clibanus, Geschirre für feine Bäckereien, 352 Aclitzelintes Buch. Eiern und Milch an; mit Butter aber einige in Ruhe lebende Völker, welche ihre Sorgfalt jetzt auf die Bäckerei wenden. Picenum ist noch immer wegen der Erfindung des Brotes aus demjenigen Getreide, welches auch zur Bereitung der Alica dient, berühmt. Man lässt nämlich dort dasselbe 9 Tage lang einweichen, knetet am zehnten den Teig mit Rosinensaft zu Broten, und bäckt diese in Oefen, nachdem sie in Töpfen gethan sind, welche darin zerspringen. Ge- gessen kann es nur werden, wenn es zuvor aufgeweicht ist, was grösstentheils mit Milch und Honig geschieht. 28. Bis zum persischen Kriege, mehr als 580 Jahre nach Erbauung der Stadt, gab es in Rom noch keine Bäcker. Die Römer backten sich ihr Brot selbst, und diess war, wie noch jetzt bei den meisten Völkern, das Geschäft der Wei- ber. Plautus nennt in dem von ihm unter dem Namen Aulularia geschriebenen Lustspiele einen Bäcker i), was unter den Gelehrten zu einem grossen Streite über die Frage: ob jener Vers auch diesem Dichter angehöre? An- lass gegeben hat. Soviel geht aus der Aussage des A. Atte- jus Capito hervor, dass die Köche damals für die Vor- nehmem Brot backten, und dass nur diejenigen, welche das Getreide stampften, pistores^) genannt wurden. Man hatte aber unter der Dienerschaft keine Köche, sondern miethete sie von der Fleischbank. — Die Gallier haben die Siebe aus Pferdehaaren, die Spanier die Beutelsiebe 3) und Staubsiebe ^) aus Leinwand, die Aegypter die Siebe aus Papyrus und Binsen erfunden. 29. Vor allen Dingen müssen wir auch der vortrefflichen und heilsamen Alica 5) gedenken, welche Krone aller Ge- treidearteu ohne Zweifel Italien gebührt. Gewiss ist, dass man sie auch in Aegypten bereitet, diese taugt aber nichts. 1) artopta. ^j D. i. Stampfei- von piso. 2) excussoria. '*) pollinaria. ^j Hier eine Art Graupen aus der gleichnamigen Pflanze (IJ. C.) Achtzehntes Buch. 353 In Italien giebt es mehrere Gegenden, wo sie bereitet wird, z. B. das veronensische, pisanische Gebiet, die beste aber liefert Campanieu. Dort befindet sich ein 40,000 Schritte grosses, am Fusse nebelumhüllter Berge belegenes Feld dessen Erdreich (damit wir sogleich auch die Beschaffen- heit des Bodens anführen) oben staubig, weiter unten locker und porös wie Bimsstein ist. Dadurch geschieht es, dass der Schaden, den sonst die Berge anrichten würden, hier zum Nutzen gereicht, denn der häufig fallende Regen sickert durch, und der Boden braucht nicht, um leichter bestellt zu werden, durchweicht und genässt zu werden. Er giebt die empfangene Feuchtigkeit nicht wieder an Quellen ab, sondern vertheilt sie, und hält sie verarbeitend gleichwie einen Saft an sich. Man besäet jenes Feld das ganze Jahr hindurch, einmal mit Panicum und zweimal mit Dinkel. Und dennoch geben die Saatfelder, welche brach gelegen haben, im Frtihlinge Rosen, welche angenehmer riechen als die angebaueten; diess Land hört also nicht auf zu tragen. Daher kommt das gewöhnliche Sprichwort: in Campanien giebt es mehr Balsam als anderswo Oel. Wie sehr aber Campanien alle Länder übertrifft, ebenso wird es selbst von einem Theile übertroffen, welcher La- boria 1), von den Griechen aber das phlegräische (Cam- panien) genannt wird. Laboria wird zu beiden Seiten von dem consularischen Wege, welcher von Puteoli und von Cumä nach Capua führt, begränzt. Die Alica bereitet man aus der Zea, einem bereits genannten Samen 2). Diese wird in einem hölzernen Mörser gestossen (denn mit einem harten Steine geht es nicht), die feinere Sorte aber bekanntlich mit einer Keule von Sträflingen als Zwangsarbeit zugerichtet. In dem Mörser befindet sich eine eiserne Büchse. Sind die Hülsen ausge- schüttet, so wird mit denselben Werkzeugen der innere Kern gestossen. Auf diese Weise bekommt man 3 Sorten Alica: die kleinste, die mittlere und die grösste oder soge- •) D. h. das arbeitsame. -) Siehe das 19. Cap. Wittstein: Plinius. III. Bd. 23 354 Achtzehntes Buch. nannte abgezogene i). Noch haben sie jetzt ihre Weisse^ die sie so auszeichnet, nicht, werden aber doch schon der alexandrinischen vorgezogen. Nun mischt man (merkwür- digerweise) Greta 2) hinzu, welche in das Korn einzieht und ihm Farbe und Zartheit ertheilt. Diese Greta findet sich zwischen Puteoli und Neapolis auf einem Hügel, welcher der weisserdige heisst. Es ist noch eine Verordnung des Kaiser Augustus vorhanden, nach welcher den Neapoli- tanern jährlich für denselben 20,000 Sesterzen aus dem kaiserlichen Schatze ausgezahlt werden, seitdem er eine Go- lonie nach Gapua brachte, und zwar, wie es in jener Ver- ordnung heisst, desshalb, weil die Gampaner gesagt hatten^ ohne diese Erde könnte sie keine Alica machen. Jener Hügel enthält auch Schwefel, sowie die Quellen des Oraxus^ welche klare Augen machen, Wunden heilen, und die Zähne befestigen. Unechte Alica wird zwar meistens von der Zea ge- macht, aber von der, welche in Afrika ausartet. Diese hat breitere und schwärzere Aehren und einen kürzern Halm. Man stösst sie mit Sand, und selbst dadurch gehen die Hülsen schwierig ab. Enthülset misst sie nur halb soviel als vorher. Hierauf streuet man den vierten Theil Gyps darunter, und sobald dieser haftet, schlägt man durch ein Mehlsieb ab. Was zurückbleibt heisst die aufgehaltene und sie ist zugleich die grösste. Die durchgegangene heisst, wenn sie durch ein noch engeres Sieb geschlagen ist, die mittlere; die in dem 3., engsten, Siebe zurückgebliebene, welche nur den Sand hindurchgelassen hat, die gesiebte. Ausserdem verfälscht man sie noch auf andere Weise. Man liest nämlich vom Weizen die weissesten und grössten Körner aus, kocht sie in Töpfen halb gar, trocknet sie dann erst etwas an der Sonne, feuchtet sie wiederum schwach an, und schrotet sie in Mühlen. Die Zea giebt ') aphaerema. 2) Greta ist nicht unsere Kreide sondern eine thonige Erde. S. XXXV. B. 57. Cap. Achtzehntes Buch. 355 ein schöneres Korn als der Weizen, obgleich diess ein Fehler der Alica ist. Weisse erhält sie aber statt durch Greta, durch die Vermischung mit darangekochter Milch. 30. Wir wollen nun von den Hülsenfrüchten reden, unter denendiegrosseB oh nei)ammeisten geachtet zu werden verdient, denn man hat sogar aus ihr Brot zu backen ver- sucht. Ihr Mehl heisst Lomentum, und übertrifft an Ge- wicht das der Getreidearten und aller übrigen Hülsen- früchte. Die Bohne wird bereits als Futter verkauft, und ist von vielfältigem Nutzen für alle vierfiissigen Thiere, ganz vorzüglich aber für den Menschen. Die meisten Völker mengen sie sogar unter das Getreide, am meisten ganz unter das Panicum, und noch besser gescbroten. Ja, einem alten Gebrauche zufolge, ist der Bohnenbrei ein würdiges Opfer bei gottesdienstlicheu Handlungen. Sie ist kräftiger als alles andere Zugemüse, und man glaubt, sie mache die Sinne stumpf und errege Schlaflosigkeit. Deshalb, oder, wie Andere angeben, weil die Seelen der Verstorbenen darin wären, verbot Pythagoras, sie zu essen. Aus letzterm Grunde nimmt man sie gewöhnlich zu den Todtenopfern. Varro berichtet, dieserhalb und weil in ihrer Blüthe trau- rige Buchstaben ständen, esse sie der Oberpriester nicht. Bei der Bohne beobachtet man einen eigenthümlichen reli- giösen Gebrauch; man bringt nämlich, eines guten Anfangs wegen, die Bohne unter allen Feldfrüchten zuerst ein, und davon führt sie den Namen die Vorgängerin, Man hält sie auch für Gewinn bringend, wenn sie bei Versteigerungen mitgenommen wird. Sie ist die einzige Frucht, welche, wenn gleich ausgefressen, doch bei zunehmendem Monde wieder vollwächst. In Seewasser oder anderm gesalzenem Wasser lässt sie sich nicht kochen. Die Bohne wird unter allen Hülsenfrüchten zuerst, vor dem Untergange des Siebengestirns gesäet, so dass sie noch dem Winter vorhergeht. Nach Virgil soll man sie im Frtih- ') faba. Vicia Faba L., die Saubohne. 23* 356 Achtzelintes Bucb. ling säen, wie es die Italiener am Po tliun; aber die Mei- sten wollen lieber zeitig bestellte Bolinenfelder, als in 3 Monaten die Frucht, denn ihre Hülsen und Stengel werden vom Vieh sehr gern gefressen. Während der Blüthezeit verlangen sie viel, späterhin aber nur wenig Wasser. Für den Boden, in welchem sie stehen, versehen sie die Stelle des Düngers; daher pflügt man in Macedonien und Thessa- lien die Felder um, sobald sie anfangen zu blühen. Sie wächst an vielen Orten wild, wie z. B. auf den Inseln des nördlichen Oceaus, welche wir daher die Bohuen- inseln nennen; ferner in Mauritanien, wo sie aber sehr hart ist und nicht weich gekocht werden kann. — In Aegypten wächst die Bohne i) an einem dornigen Stengel; daher wird sie von den Crocodilen, welche ihrer Augen wegen besorgt sind, gemieden. Ihr Stengel misst 4 Cubitus, ist sehr dick, hat keine Gelenke und eine weiche Consistenz; in einer dem Mohnkopfe ähnlichen rosenrothen Frucht sitzen nicht über 30 Bohnen. Die Blätter sind breit, die Frucht schmeckt bitter und riecht, aber die Wurzel ist roh oder gekocht eine beliebte Speise der dortigen Bewohner, und sieht der Rohr- wurzel ähnlich. Sie wächst auch in Syrien, Cilicien nnd am See Toro in Chalcis. 31. Unter den Hülsenfrüchten wird im November bei uns die Linse, und in Griechenland die Erbse gesäet. Die Linse liebt eher einen magern als fetten Boden und trockne Luft. Es giebt davon 2 Arten in Aegypten; die eine ist runder und schwärzer, die andere hat die gewöhnliche Ge- stalt. Von den Linsen hat man nach dem verschiedenen Gebrauche den Namen auf gewisse Geschirre 2) übertragen. Ich finde bei mehreru Schriftstellern angeführt, dass das Linsenessen die Menschen gelassen mache. Die Erbse muss an sonnige Plätze gesäet werden, weil sie sehr empfindlich gegen die Kälte ist; daher säet man sie in Italien und in 1) Diese ägyptische Bohne kommt von Nelumbium speciosum (Nymphaea Nelumbo). -) knticulae. Achtzehntes Buch. 357 rauhem Himmelsstriclien nur im Frühlioge, und zwar auf leichten und lockern Boden. 32. Zugleich mit der Kichererbse erzeugt sich ein sal- ziger Körper, und daher kommt es, dass sie den Boden ausdörrt. Sie darf nicht anders, als Tags vorher angenetzt, gesäet werden. Es giebt mehrere Arten und diese unter- scheiden sich durch die Grösse, Gestalt, Farbe und den Geschmack. Eine nämlich gleicht einem Widderkopfe, wo- her sie auch ihren Namen hat i), ist schwarz und weiss. Eine andere, Taubenkicher oder Venuskicher genannt, ist weiss, rund, leicht, kleiner als die widderköpfige, und dient bei gottesdienstlichen Handlungen in den Nachtwachen. Eine dritte 2) ist klein, ungleich und eckig wie die Erbse. Am süssesten aber ist die, welche der Erve gleicht. Die schwarze und röthliche ist fester als die weisse. 33. Die Kicher hat eine runde Schote, die übrigen Hülsen - gewäclise hingegen eine längliche, und nach der Gestalt ihres Samens breite; die Erbse eine cylindrische. Die Schoten von den Schwer tbohuen 3) isst man mit den Samen. Man kann sie in jedes beliebige Erdreich von Mitte October bis Anfang November säen. Die Hülsenfrüchte muss man, sobald sie reif werden, einbringen, weil sie bald aufspringen, und, einmal abgefallen, nicht gut zu finden sind. Dasselbe gilt von der Wolfsbohne. Doch, wir wollen erst von den Rüben reden. 34. Die weissen Rüben ^) sind von den römischen Schrift- stellern nur flüchtig berührt, von den Griechen etwas aus- führlicher, jedoch mit unter den Gartengewächsen beschrie- ben worden. Wenn es der Ordnung nach gehen sollte, so •) Cicer arietinum L. 2) Cicercula. Lathyrus sativus L. 3) faseoli. Phaseolus vulg, L. ^) Rapa. Brassica Rapa L, 358 Achtzehntes Buch. müsste man sie unmittelbar nach dem Getreide oder wenig- stens nach den Bohnen abhandeln, weil nächst diesen kein Gewächs nützlicher ist. Denn vor allen andern dienen sie zur Nahrung sämmtlicherThiere, und sind nicht das schlechteste Futter für das Federvieh auf dem Lande, zumal wenn sie in Wasser abgesotten werden. Die vierfüssigen Thiere fressen auch die Blätter gern. Selbst der Mensch liebt zu seiner Zeit das Kraut nicht weniger als die jungen Spros- sen, und sogar die gelblichen und in den Kellern fast ab- gestorbenen Rüben mehr als die frischen. Sie halten sich, wenn man sie in ihrer Erde i) aufbewahrt, und dann zum Trocknen hinlegt, so lange bis wieder neue da sind; auch beugen sie dem Hunger vor. Nächst dem Weine und Ge- treide ist die Rübe die dritte Frucht, welche den Völkern jenseits des Po Gewinn bringt. Sie bedarf keines sorg- fältig ausgesuchten Bodens, sondern wächst da, wo sonst nichts fortkommt. Selbst durch Nebel, Reif und Kälte ge- deihet sie zu ausserordentlichem Umfange; ich habe welche gesehen, die über 40 Pfund wogen. Zu unsern Speisen eignet sie sich auf mehrfache Weise; zu andern wird sie genommen, wenn dieselben durch die Schärfe des Senfs ge- mildert sind. Ferner wird sie, ausser ihrer eignen, noch mit 6 andern Farben, sogar mit Purpur, bemalt. Ausser- dem taugt das Färben für keine der übrigen Speisen. Die Griechen unterscheiden 2 Hauptarteii, ein Männchen und ein Weibchen, welche beide aus ein und demselben Samen entstehen; wird nämlich dieser etwas dicht gesäet, oder in einen schweren Boden gebracht, so wächst das Männchen daraus. Je feiner der Same, um so besser ist er. Ueberhaupt aber giebt es 3 Arten , denn entweder breiten sie sich weit aus, oder werden kugelrund, oder haben (und diese dritte Art heisst die wilde) eine lang auslaufende Wurzel, wie der Rettig, eckige rauhe Blätter und einen scharfen Saft, welcher, um die Zeit der Erndte entnommen und mit Frauenmilch vermischt, die Augen ') D. h. in welcher sie srewachsen sind. Achtzehntes Buch. 359 reinigt und klar macht. Man glaubt, die Rüben würden durch Kälte süsser und grösser; Wärme macht, dass sie in Blätter schiessen. Die besten wachsen im Nursinischen Gebiete, kosten pro Pfund 1 Sesterz, und, sind sie selten, zwei. Die nächste (2.) Sorte wächst im Algidischen. 35. Die amiterninischen Steckrüben i), welche jenen sehr nahe kommen, lieben gleichfalls die Kälte. Man säet sie vor Anfang März, und zwar auf 1 Jugerum 4 Sextarien. Genauere Landwirthe sagen, man müsse die Steckrübe in die fünfte, die weisse in die 4. Furche säen, und beide düngen. Die weissen Rüben sollen üppiger wachsen, wenn sie sammt den Hülsen gesäet werden. Der Säemann soll unbekleidet sein und beten: er säe für sich und die Nach- barn. Die rechte Säezeit für beide Arten liegt zwischen den Festen der beiden^ Gottheiten Neptun und Vulkan-). Einer scharfsinnigen Beobachtung zufolge sollen sie ausser- ordentlich gut gedeihen, wenn sie innerhalb der soeben festgesetzten Zeit an demselben Monatstage gesäet werden, an welchem im vergangenen Winter der erste Schnee ge- fallen war. In warmen und feuchten Gegenden säet man sie auch im Frtihlinge. 36. Hierauf folgt hinsichtlich des Nutzens die W o If s b o h n e 3), denn sie ist sowohl für die Menschen als auch für die klauen- fübrenden Vierfüsser ein Nahrungsmittel. Man muss darauf achten, dass sie den Schnittern nicht durch Aufspringen entwischt, oder vom Regen weggeführt wird. Keine andere Pflanze, welche gesäet wird, zeigt eine wunderbarere An- hänglichkeit an die Erde als diese. Erstens drehet sie sich täglich mit der Sonne herum, und giebt auch bei trübem Wetter dem Landmann die Tageszeit an. Ferner blühet sie dreimal; sie liebt die Erde und will nicht von der Erde *) Napi. Brassica campestris. var. Napobrassica L. 2) Das Fest des Neptun fiel in den August. •=•; Lupinus. Lupinus hirsutus L. und L. angustifolius L. 360 Achtzehntes Buch. bedeckt sein. Sie allein wird auf ungepflügtes Land ge- säet, liebt vorzüglich sandigen, trocknen, ja selbst steinigen Boden, und entbehrt am liebsten aller Wartung. Sie liebt die Erde so sehr, dass, wenn man sie auf einem mit Ge- sträuch überwachsenen Boden unter Laub und Dornen wirft, sie dennoch mit ihrer Wurzel zur Erde gelangt. Dass sie die Aecker und Weinberge dünge, haben wir bereits ge- sagt; und sie bedarf so wenig des Mistes, dass sie die Stelle des besten vertritt. Kein anderes Gewächs macht weniger Unkosten, denn man braucht sie nicht einmal da- hin zu bringen, wohin man sie säen will; das Säen ge- schieht gleich auf dem Felde, und da sie von selbst aus- fällt, so bedarf sie des Ausstreuens nicht. Sie wird zuerst gesäet und zuletzt eingeerntet; beides geschieht im Sep- tember, weil die Kälte ihr leicht Schaden bringen kann. Uebrigens liegt sie ganz sicher, wenn sie auch vergessen wird, vorausgesetzt, dass nicht plötzlich eintretende Regen- güsse sie in die Erde drücken, denn vor den Thieren schützt sie ihre Bitterkeit, Jedoch pflegt man sie in einer schwa- chen Vertiefung zu halten. Von den dichtem Erdarten liebt sie am meisten die rothe. Um diese zu düngen, muss -sie nach der dritten Blüthe, im Sande aber nach der zwei- ten unterpflügt werden. In thonigem, sowie in schlammigem Boden gedeihet sie nicht. In warmem Wasser eingeweicht dient sie auch dem Menschen zur Speise. Einen Ochsen macht 1 Modius satt und stark. Kindern auf den Leib ge- legt wirkt sie als Heilmittel. Am besten bewahrt man sie im Rauche auf, weil an feuchten Orten Würmer ihren Keim anfressen und sie unfruchtbar machen. Wenn man ihr Laub hat abweiden lassen, muss man das Feld sogleich umpflügen. 37. Auch die Wicke ^) macht den Acker fett und dem Landmann wenig Mühe. Sie wird in Furchen gesäet, weder behackt noch gedüngt, sondern nur beegget. Man säet sie^ 1) Vicia. Vicia sativa L. Achtzehntes Buch. 361 zu 3 Jahreszeiten: beim Untergange des Bären, um im December abgeweidet zu werden, welches die beste Zeit zum Samenziehen ist, denn sie trägt auch abgeweidet gut. Die zweite Periode fällt in den Januar, die letzte in den März, und diese eignet sich am besten zum grünen Futter. Unter allen Gewächsen, welche gesäet werden, liebt sie die Trockenheit am meisten, steht aber auch gern schattig. Ihre Samenhtilsen werden, wenn sie reif eingesammelt ist. allen andern vorgezogen. Den Weinstöcken entzieht sie den Saft, und diese werden entkräftet, wenn man sie auf Aecker, wo der Wein an Bäumen gezogen wird, säet. 38. Ebenso erfordert die Erve*) keine mühsame Wartung. Sie wird mehr als die Wicke gegätet, und besitzt selbst arzneiliche Kräfte. In den Briefen des Kaisers Augustus heisst es, er sei durch Erven genesen. Die Aussaat von .5 Modius reicht gerade für ein paar Ochsen hin. Die im März gesäete soll dem Rindvieh schädlich sein, die im Herbste gesäete erzeuge Schnupfen, aber die im Anfange des Frühlings gesäete sei unschädlich. 39. Auch der Bockshorn 2), das ist der griechische Heu- same, wird in Furchen, die nicht tiefer als 4 Finger breit sind, gesäet, und je schlechter er behandelt wird, desto- besser kommt er fort. Es ist gewiss eine seltsame Be- hauptung, dass es etwas gäbe, was durch Vernachlässigung am besten gedeihe. Das was man Seeale und Farrago nennt, braucht bloss geegget zu werden. 40. Das Seeale ^) heisst zu Turin an den Alpen Asia, ist eine der schlechtesten Kornarten und dient bloss zur Verhütung von Hungersnoth; sein Halm ist fruchtbar aber schwach, von traurig schwarzer Farbe, aber bedeutendem. ') Ervum Vicia Ervilia L. '■^) Silicia. Trigonella Foenum graecum L. 3) Secale cereale L., der Roggen. 362 Achtzehntes Buch. Gewichte. Um seine Bitterkeit zu mildern, vermischt man es mit Dinkel, und dessen ungeachtet bekommt es dem Magen nicht gut. Es giebt auf jedem Boden hundertfäl- tiges Korn, und dient sogar demselben zur Erfrischung. 41. Farrago heisst das Korn, was durch dichtes Aussäen des Abgangs vom Dinkel, dem mitunter auch noch Wicken beigemengt sind, gewonnen wird. In Afrika liefert die Gerste das Material dazu. Alles diess dient zum Futter für das Vieh, desgleichen die von den Hülsenfrüchten aus- artende sogenannte Vogelwicke ^), welche die Tauben sogern fressen, dass, wenn man sie einmal damit gefüttert hat, sie niemals von dem Orte wegfliegen. 42. Die Alten hatten eine Futterart, welche Cato Ocimum^) nennt, Avomit sie beim Kindvieh den Durchfall curirten. Es gehörte zu den Kräutern, welche man grün abmähen musste, bevor es fror. Sura Mamilius ^) spricht sich anders darüber aus, denn er sagt, man habe 10 Modius Bohnen, 2 Wicken und ebenso viel Ervilie^) untereinander gemischt und im Herbste auf 1 Jugerun Land gesäet. Besser sei es, griechi- schen Hafer (dessen Same nicht abfällt) darunter zu mischen. Dieses habe man Ocymum genannt und bloss für das Rindvieh gesäet. Varro glaubt, es sei wegen der Schnellig- keit seines Wachsthums, nach dem griechischen Worte <üiivg ^) benannt worden. 43, Die Luzerne 6) ist ebenfalls in Griechenland nicht einheimisch, sondern erst durch die Kriege der Perser, womit Darius Medien überzog, dort eingeführt, verdient aber einer besondern Erwähnung, deun sie giebt so reich- >) Cracca. Yicia Cracca L. ^) Das Basilienkraut, Ocimuui Basilicum L. kann hier unmöglich gemeint sein. ^) Ein nicht näher bekannter Autor. '*) Lathyrus Cicera L. ^) schnell, ß) Medica. Medicago sativa L. Achtzehntes Buch. 3()3 lieh aus, dass sie, einmal gesäet, mehr als 30 Jahre aus- ilauert. Sie gleicht dem Klee, Steugel und Blätter sind geknieet, und alles was au dem Stengel empor wächst, wird zu Blättern. Von ihr und dem Cytisus i) hat Amphi- loehus 2) ein Buch geschrieben, worin er sie mit einander verwechselt. Der Boden, in welchen man sie säet, wird von Steinen gereinigt und im Herbste umgeackert, nach dem Pflügen und Eggen aber nochmals und ein drittes Mal, jedes Mal nach 5 Tagen, unter Zusatz von Mist mit einer •Egge tiberfahren. Sie erfordert einen trocknen aber saft- reichen oder bewässerten Boden. Nach diesen Vorberei- tungen säet man sie im Mai; widrigenfalls leidet sie vom Reif. Der Same muss so dicht liegen, dass keine andern Kräuter neben ihm aufkommen können, was man erreicht, wenn man auf 1 Jugerum 20 Modius nimmt. Damit er sieb nicht brenne, muss er sogleich mit Erde bedeckt wer- den. Ist der Boden feucht oder grasig, so wird die Luzerne unterdrückt und das Land zur Wiese; daher muss sofort alles Gras, sobald es nur 1 Zoll hoch ist, entfernt werden, was besser mit der Hand als mit dem Spaten geschieht. Sie wird geschnitten, sobald sie zu blühen beginnt und so oft sie wieder Blüthen ansetzt, was jährlich 6 mal, min- destens aber 4 mal eintritt. Das Reifen des Samens ver- hüte man, denn bis in's dritte Jahr bringt sie als Futter mehr Nutzen. Im Frühlinge muss sie gesäet, auch von allen Kräutern befreiet werden; bis in's dritte Jahr säubere man sie am Boden mit Hacken. Auf diese Weise gehen die übrigen Kräuter zu Grunde, ohne dass sie selbst Scha- den leiden, denn ihre Wurzeln steigen tief hinab. Wenn das Unkraut die Oberhand bekommen hat, so hilft weiter nichts, als das Land so lange umzuackern, bis alle fremd- artigen Wurzeln vertilgt sind. Dem Vieh darf man nicht so viel davon geben bis es gesättigt ist, weil man ihm ') Medicago arborea L. 2) Aus Athen; seine übrigen Lebenverhältnisse sind unbekannt auch seine Schiiften nicht mehr vorhanden. 364 Achtzehntes Buch. sonst Blut lassen muss. Im grünen Zustande ist sie ein besseres Futter. Sie vertrocknet wie Holz und zerfällt zu- letzt zu einem unbrauchbaren Pulver. Vom Cytisus, der gleichfalls einen vorzüglichen Rang unter den Futterge- wächsen einnimmt, haben wir bei den Sträuchern schon ausführlich geredet. Jetzt wollen wir von der Natur aller Feldfrüchte handeln, und ein besonderes Capitel ihren Krankheiten widmen. 44. Die erste aller Untugenden des Getreides, in welche auch die Gerste ausartet, ist der Hafer ^). Er ist gleich- falls eine Art Getreide, denn die Völker Deutschlands bauen ihn und bedienen sich keines andern Teiges. Das Aus- arten in Hafer rührt hauptsächlich von feuchter Luft und Boden her. Eine zweite Ursache liegt in der Schwäche des Samens, wenn er zu lange in der Erde liegt bis er zu keimen beginnt und hervorbricht; desgleichen, wenn er schon beim Säen wurmstichig war. Man erkennt diesen Fehler aber sogleich beim Hervorbrechen aus der Erde, ein Beweis, dass das Uebel in der Wurzel liegt. Eine andere dem Hafer verwandte Untugend ist die, wenn das Korn angefangen hat zu quellen, aber in noch unreifem Zustande (bevor es stark genug geworden), durch schädlichen Luft- zug entleert wird, und so, gleichsam wie durch eine un- zeitige Geburt, in der Aehre verschwindet 2). Die Winde schaden zu 3 Zeiten dem Getreide und der Gerste: während der Blüthe, kurz nach derselben und beim Beginn der Fruchtreife. Im letztern Falle werden die Körner taub, in den beiden erstem wird ihre Bildung verhindert. Auch die Sonne schadet, wenn sie oft durch Wolken bricht. Ferner erzeugen sich Würmer an der Wurzel, wenn nach der Aussaat Regen gefallen ist, und plötzlich eintretende Wärme die Feuchtigkeit eingeschlossen hält; sie entstehen im Korne, wenn die Hitze die Regentropfen in der Aehre ') Avena. Avena fativa L. *) Plinius meint hier den tauben Hafer, Avena fatua L, Achtzehntes Buch. 365 erwärmt. Auch giebt es einen kleinen Käfer, welcher Can- tharis heisst, und das Getreide benagt. Alle diese Thiere sterben, sobald ihre Nahrung aufgezehrt ist. Oel, Pech und Schmalz schaden den Samen, man muss sich daher hüten, «olche zu säen, welche damit in Berührung gekommen sind. Regen ist nur dann dienlich, wenn die Pflanzen erst Blätter getrieben; sobald Getreide und Gerste blühen, schadet er ihnen, nicht aber den Hülsenfrüchten, mit Ausnahme der Kicher. Reifendes Getreide und noch mehr die Gerste leidet vom Regen. Es giebt auch ein weisses, dem Pani- cum ähnliches Kraut, welches die Aecker überzieht, und auf das Vieh tödtlich wirkt. Den Lolch i), den Felddorn 2), die Disteln und Kletten, desgleichen die Brombeersträuche, möchte ich dagegen eher zu den Krankheiten der Feld- früchte als zu den seuchenartigen Auswüchsen der Erde rechnen. Ein aus der Luft herrührendes, den Feldfrüchten und Weiustöcken nicht weniger schädliches Uebel ist der Brand. Er entsteht am häufigsten in thaureichen Gegenden, in Thäleru und da, wo kein Luftzug stattfindet; dahingegen trifft man ihn nicht in solchen, welche dem Winde ausge- setzt sind und hoch liegen. Zu den Fehlern des Getreides gehört auch das Wuchern, in Folge dessen es unter der Last seiner Frucht erliegt. Eine Krankheit aber, welche alle Saaten miteinander theilen, ist die sogenannte Raupe 3); sie befällt auch die Kicher, wenn der Regen ihren Salz- gehalt wegspült und sie dadurch süsser macht. Ein Kraut, Namens Ervenwürger *), tödtet die Kicher und Erve durch Umschlingen; der Weizen erleidet dasselbe Schicksal durch die Aera ^), die Gerste durch die Festuca, welche Aegilops ß) heisst, die Linse durch das Beilkraut ''), welches die Griechen wegen der Aehnlichkeit mit einem •) Lolium. L. temulentum L. -) Tribulus. Tr. ten-estris L. 3) urica. ^) Orobanche. Nicht unsere 0., sondern Lathyrus Aphaca L. Orobanche des Dioscorides ist dagegen die Schmarotzerpflanze Oro banche grandiflora Bory. ^) Aera. Ist Lolium temulentum L. ßj Aegilops ovata L. '} Securidaca. Coronilla securidaca L. 366 Achtzelintes Buch, Beil Pelecinon *) nennen. Alle diese tödten durch Um-^ schlingen. Bei Philippi nennt man ein Kraut, welches auf fettem Boden wächst und die Bohne tödtet, Ateramnon; Teramnon aber, wenn diess auf magerm Boden geschieht, wo dann der Wind die Feuchtigkeit heranwehet. Die Aera trägt äusserst kleine Körner in stachlichten Hüllen; im Brote genossen erregt sie bald Schwindel, und in Asien und Griechenland sollen die Bader, wenn sie zu viele Menschen vertreiben wollen, diesen Samen auf Kohlen streuen. In der Erve entsteht auch, wenn der Winter feucht ist, eine Art giftiger Spinnen. In den Wicken entstehen Schnecken, und zuweilen kommen aus der Erde kleine Schnecken, von welchen sie merkwürdigerweise ganz zer- nagt werden. — Diess sind so ziemlich die Krankheiten der Feldfrtichte. 45. Die Hülfsmittel dagegen sind in Bezug auf die Kräuter die Hacke, und, wenn der Same ausgeworfen wird, die Asche. Diejenigen Krankheiten aber, welche im Samen und der Wurzel ihren Sitz haben, müssen von vornherein sorgfältig vermieden werden. Samen, welche vorher in Wein gelegen, sollen weniger zum Erkranken geneigt sein. Virgil empfielt, die Bohnen in Soda und Oelsatz einzuwei- chen, wodurch sie zugleich recht gross würden. Einige aber sind der Meinung, sie wüchsen vorzüglich, wenn sie 3 Tage vor der Aussaat in Urin und Wasser eingeweicht würden. Wenn man sie 3 mal gäte, so gäbe 1 Modius ganze 1 Mo- dius geschrotete. Die übrigen Samen wären dem Wurm- frasse nicht ausgesetzt, wenn man sie mit zerstossenen Cypressenblättern vermische, oder auch wenn sie während des Neumondes gesäet würden. Viele geben an, man solle, um die Hirse zu schützen, des Nachts eine Kröte um das Feld tragen, bevor es gegätet würde, und dieselbe mitten darauf in einem irdenen Geschirr vergraben; diess halte die Sperlinge und Würmer ab. Die Kröte mtisste aber,. •) von TteXexvd Beil. Achtzehntes Buch. 367" vor dem Schneiden der Hirse, wieder herausgescharrt wer- den, sonst würde diese bitter. Ja, wenn man die Samen mit dem Vorderbug eines Maulwurfs berühre, so gäben sie eine reichere Erndte. Democritus sehreibt vor, alle Samen vor dem Säen mit dem Safte eines Krautes, welches Immer- grün 1), lateinisch aber Sedum oder Digitellum heisst, und auf Dächern und Brettern wächst, zu behandeln. Gewöhn- lich aber, wenn die Süssigkeit schädlich sein könnte oder Würmer sich an die Wurzeln setzen, hilft man dadurch^ dass man die Samen mit blossem Oelsatze ohne Salz be- sprengt, dann gätet, und wenn die Saat 1 Schuss getrieben hat, wieder reinigt, damit das Unkraut nicht überhand nimmt. Um die verderblichen Schwärme der Staare und Sperlinge von der Hirse und dem Panicum abzuhalten,, gräbt man, wie ich weiss, ein Kraut, dessen Name nicht bekannt ist, an den 4 Ecken des Saatfeldes ein, und merk- würdigerweise berührt dann kein Vogel dasselbe. Die Mäuse vertreibt man, wenn man die Samen mit der Asche eines Wiesels oder einer Katze, welche in Wasser eingerührt war, oder mit der Abkochung dieser Thiere in Wasser be- sprengt. Allein, da der üble Geruch dieser Thiere sich auch dem Brote mittheilt, so zieht man es vor, den Samen mit Ochsengalle zu befeuchten. Der Brand, dieses grösste Uebel der Saaten, geht aus dem Acker in die Blätter über, wenn man Lorbeerzweige in das Land steckt. Das wuchernde Wachsthum der Saaten wird, wenigstens so lange sie bloss Blätter getrieben haben, durch Rindviehzähne gedämpft, und wenn sie gleich öfter abgeweidet werden, so schadet diess der nachherigen Frucht doch nichts. So viel ist gewiss, dass nach einmaligem Schnitt das Korn länger aber taub wird, und keinen Samen bringt. Bei Babylon schneiden sie 2 mal, und zum dritten Male lassen sie abweiden; sonst triebe die Pflanze nichts als Blätter. So giebt selbst ein schlechter Boden fünfzigfachen, ja umsichtigem Landwirthen hundertfachen Ertrag. Es ist auch keine grosse Mühe, so •) Aizoon. Sempervivum tectorum L, Hauslauch. 368 Achtzelintes Buch. lange als möglieb zu begiessen, damit die allzufette und zu sehr angehäufte fruchtbare Materie vertheilt werde. Der Euphrat und Tigris führen keinen Schlamm zu wie der Kil in Aegypten; auch erzeugt das Land selbst keine Kräuter, (Unkraut); die dortige Gegend ist aber so fruchtbar, dass sich im folgenden Jahre die Saat von selbst wieder her- stellt, wenn die Samen durch Eintreten in die Erde ge- bracht sind. Diese grosse Verschiedenheit des Bodens be- stimmt mich, die Bodenarten nach den Feidfrüchten ein- zutheilen. 46. Cato's ürtheil darüber lautet: In dichten und frucht- baren Boden säe man Getreide, ist aber viel Nebel vor- handen, Rettig, Hirse, Panicum. An kalten und feuchten Orten müsse man zuerst säen, sodann an warmen. In roth- lehmigen, schwarzen oder sandigen Boden säe, wenn er nicht wässrig ist, Wolfsbohnen; in kalkigen, rotherdigen und wässerigen: Adoreum; in trocknen, nicht mit Unkraut, bewachsenen, auch nicht schattigen: Weizen; in kräftigen: grosse Bohnen. Wicken niemals in wässrigen und grasigen; Siligo und Weizen in offenen und hochliegenden, welcher der Sonne am längsten ausgesetzt ist; die Linse in mit Gebüsch bewachsenen und röthelartigeu, aber nicht grasigen; die Gerste in Brachland und solches, was jährlich wieder bebauet werden kann; dreimonatliches Korn aber, wenn die Aussaat nicht zur Reife gebracht werden kann und das Land so dicht ist, dass es das künftigie Jahr wieder zu bebauen ist. Auch folgende Ansicht zeugt von Scharfsinn: man müsse das, was nicht viel Saft nöthig hätte, z. B. den Cytisus, in lockeres Erdreich säen, und, mit Ausnahme der Kicher, müssten alle Hülsengewächse, welche aus der Erde gerissen werden, nicht abgeschnitten werden. Daher haben sie auch den Namen Legumina bekommen, weil sie auf diese Weise eingesammelt^) werden. In einen fetten Boden aber gehört das, was mehr Nahrung liefert, wie Kohl, Weizen, Siligo und Lein. Daher wird man der Gerste einen 'j leguntur. Achtzehntes Buch. 369 magern Boden geben, denn ihre Wurzel bedarf weniger Kahrung; dem Weizen ein leichteres und dichteres Erdreich. An einen niedrigen Ort soll man lieber Dinkel als Weizen säen, an einen gemässigten Weizen und Gerste. Auf Hü- geln wächst kräftigerer aber weniger Weizen. Dinkel und Siligo stehen gern in kalkigem und sumpfigem Boden. Mit den Feldfrüchten hat sich (so viel ich gefunden habe) einmal ein Wunder ereignet; in demselben Jahre, als Han- nibal unter dem Consulate des P. Aelius und Cn. Cornelius be- siegt ward, soll nämlich Getreide auf Bäumen gewachsen sein. 47. Nachdem wir von den Arten der Feldfrüchte und des Bodens ausführlich geredet haben, wollen wir vom Pflügen handeln, und zuerst der Leichtigkeit, mit welcher diese Ar- beit in Aegypten verrichtet wird, erwähnen. Der Nil ver- sieht daselbst die Stelle des Ackermannes; er fängt, wie früher gesagt, mit der Sonnenwende und dem Neumonde an erst langsam, hiernach stärker, und so lange als die Sonne im Löwen steht, zu steigen. Bald nachher, wenu die Sonne in's Zeichen der Jungfrau getreten ist, wird er träger, und wenn die Sonne in der Waage steht, bleibt er ganz ruhig. Wenn er nicht über 12 Ellen gegangen ist, erfolgt unausbleiblich Hungersnoth; ebenso wenn sein Stei- gen mehr als 16 Ellen beträgt. Denn je höher er gestiegen, um so langsamer fällt er wieder, und hindert das Säen. Man glaubte sonst allgemein, dass, sobald er zurückgetreten sei, die Einwohner gesäet, dann Schweine darauf getrieben hätten, welche die Saat mit ihren Füssen in den nassen Boden eintraten; und ich glaube auch, dass diess vor Zeiten geschehen ist. Jetzt giebt man sich indessen keine viel grössere Mühe, allein so viel ist gewiss, dass man das zuvor in den Schlamm des zurückgetretenen Flusses ge- brachte Korn, d. h. im Anfange des Novembers unterpflügt. Einige gäten nachher und nennen diese Operation Botauis- mus. Die Uebrigen sehen ihr Land nicht eher wieder als mit der Sichel in der Hand, kurz vor dem Anfange des Aprils. Die Erndte wird im Mai vollendet; die Halme sind Wittstein: Plinius. III. Bd. 24 370 Achtzehntes Buch. niemals 1 Elle hoch, denn unten liegt Sand, und der Same hält sich nur in dem Schlamm. Das Getreide im theba- nischen Gebiete ist vorzüglicher, weil Aegypten sumpfig ist. Eine ähnliche aber viel glücklichere Productionsweise bietet das seleucische Babylon, wo der Euphrat und Tigris überschwemmen, dar, weil dort die Bewässerung durch Menschenhände regulirt wird. In Syrien pflügt mau auch schwache Furchen, während in Italien oft 8 Ochsen vor 1 Pfluge keuchen. In jedem Theile des Ackerbaues, be- sonders aber in diesem, gilt der alte Spruch: dass eine jede Gegend ihre Mängel hat. 48. Es giebt mehrere Arten von Pflugscharen. Messer nennt man diejenige, womit man sehr festes Land durch- schneidet, bevor es völlig umgearbeitet wird, und womit man die Spur der künftigen Furchen durch blosse Ein- schnitte angedeutet, die der zurückgebogene Pflug später durchbrechen soll. Die zweite Art, mit vorstehendem Eisen, ist die gewöhnliche. Eine dritte, an welcher der Schar- baum nicht ganz fortläuft, sondern nur vorn eine kleine Spitze hat, wird in leichtem Boden gebraucht. Diese Spitze ist in der vierten Art breiter, aber vorn mehr zugespitzt und geschärft, um mit dieser Schneide den Boden und die Wurzeln des Unkrauts zu spalten. Diese letztere Art hat man unlängst im rhätischen Gallien erfunden; Andere geben ihr noch 2 kleine Räder, und nennen nun diese Art einen Flachpflug. Die Schneide hat die Gestalt eines Spatens. Sie säen also nur auf beackertes und gleichsam neues Land. Die breite Seite des Pfluges wendet die Käsen um. Den Samen werfen sie sogleich hinein und ziehen mit Eggen darüber hin. Bei diesem Verfahren darf die Saat nicht behackt werden. Sie pflügen aber auf die beschriebene Weise mit 2 oder 3 Zügen Ochsen. Auf 1 Paar Ochsen kann man jährlich vierzig Jugera leichten, dreissig Jugera aber schweren Boden rechnen. 49. Beim Pflügen beachte man wohl den weisen Aus- Achtzehntes Buch. 371 Spruch Catö's: Was ist das Erste? Den Acker wohl zu bearheiten. Was das Zweite? Gut zu pflügen. Was das Dritte? Gut zu düngen. Man pflüge nicht verschiedene Furchen. Man pflüge zu rechter Zeit. In warmen Gegen- den muss man das Land nach dem kürzesten Tage, in kältern nach dem Frühlings-Aequinoctium brechen; früher, wo es trocken, als wo es feucht ist; früher ein festes als lockeres Erdreich; früher ein fettes als mageres. Wo trockne und heisse Sommer herrschen, wird ein kalkiger oder magerer Boden besser zwischen dem (Sommer-) Solstitium und dem Herbst- Aequinoctium gepflügt. Wo gelinde Hitze, häufiger Hegen, fetter und grasiger Boden ist, da geschieht es zweck- mässig mitten in der heissen Zeit. Einen tiefen und schweren Boden ackere man auch im Winter auf; einen sehr leichten und trocknen kurz vor der Säezeit. Auch hierüber hat er Vorschriften gegeben. Einen kothigen Boden rühre nicht an. Pflüge mit aller Kraft; bevor du pflügst, schneide ein; diess hat den Nutzen, dass wenn der Käsen umgekehrt ist, die Wurzeln der Gräser absterben. Einige wollen, man solle in der Regel nach dem Frühlings-Aequinoctium einschneiden (brechen). Das Land, was im Frühjahre einmal gepflügt ist, wird nach dieser Zeit „das im Frühling gepflügte" genannt. Diese Behandlungsweise ist bei einem neuen Acker gleichfalls nothwendig. Neuen Acker (Brachacker) nennt man den, welcher ein Jahr um das andere bebauet wird. Die Pflug- ochsen muss man eng zusammenspannen, damit sie mit auf- gehobenem Kopfe ziehen, denn so scheuern sie sich die Hälse am wenigsten. Wird unter Bäumen und Weinstöcken gepflügt, muss man ihnen Maulkörbe anlegen, damit sie die zarten Schösslinge nicht abnagen. An der Pflugschar muss ein kleines Beil hängen, um damit die Wurzeln durchzu- hauen; denn diess ist besser, als wenn man sie mit dem Pfluge abreissen und die Ochsen zerren lässt. Beim Pflügen muss man die Furche vollenden, und nicht mitten in der Arbeit innehalten. An einem Tage lässt sich ein Morgen in spannengrossen Furchen brechen, und wenn der Boden 24* 372 Achtzehntes Buch. leicht ist, kann man IV2 Morgen nachpflügen; wo nicht, so breche man die Hälfte, und pflüge 1 Morgen nach, denn die Natur hat auch für die Arbeit der Thiere Gesetze ge- geben. In jedem Acker müssen erst gerade (Längs-) Furchen, dann Querfurchen gezogen werden. An Hügeln wird bloss in schräger Lage gepflügt, so dass die Spitze der Pflugschar bald nach oben, bald nach unten gerichtet ist. Der Mensch muss sogar mitunter die schwere Arbeit der Ochsen ver- sehen, denn die Gebirgsvölker bearbeiten ohne diese Thiere ihr Land, und zwar mit dem Spaten. Wenn der Pflüger nicht gekrümmt geht, hält er keinen geraden Strich ^), welcher Fehler auch auf gerichtliche Angelegen- heiten übertragen ist^). Man verhüte ihn daher da, wo er er- funden wurde. Die Pflugschar muss man zuweilen mit der am Ende des Treibstachels befindlichen Reute reinigen. Die Erhöhungen zwischen 2 Furchen sollen nicht roh blei- ben, und die Erdschollen nicht hervorstehen. Es taugt nicht ein Feld zu pflügen, wenn das Eggen für die Saaten aus- reicht. Der Acker ist dann gut bearbeitet, wenn man nicht sieht, wohin der Pflug gegangen ist. Man pflegt da, wo es erforderlich, Wasserrinnen in Form von breitern Furchen zu ziehen, welche das Wasser in die Gräben leiten. Nachdem das Pflügen in die Quere wiederholt worden, folgt das Eggen, je nach Umständen mit der Egge oder Karate, und wird nach erfolgter Aussaat wiederholt. Auch letzteres geschieht entweder mit der Egge oder mit einer an den Pflug befestigten Platte, welche die Samen bedeckt, und diese Operation heisst das Eineggen 3), Davon stammt die Benennung deliratio*) ab. Es scheint, Virgil will, man solle in die vierte Furche säen, denn er sagt, die Saat sei die beste, auf welche zweimal die Sonne und zweimal die Kälte 1) iDraevaricatur. -) Praevaricari hatte auch die Bedeutung: nicht recht handeln, seine Pflicht überschreiten, besonders vor Gericht, wenn man nur zum Scheine Jemanden anklagt oder vertheidigt, im Herzen es aber mit der Gegenparthei hält. ^) lirare. *) Wörtüch: Das Gehen aus der Furche. — Der Wahnwitz. Achtzehntes Buch. 373 eingewirkt hätte. In einem dichten Boden, wie er sich in Italien grösstentheils findet, wird zweckmässiger die fünfte Furche, in Thusoien aber die neunte besäet. Viel Mühe erspart man dadurch, dass man Bohnen und Wicken ohne Nachtheil in nicht gebrochenes Land säen kann. Noch eine Art des Pflügens, welche im transpadanischen Italien in Folge der Kriege entstanden ist, dürfen wir nicht tibergehen. Als die Salasser die am Fasse der Alpen ge- legenen Felder plünderten, fielen sie auch über hervorge- wachsene Hirse und das Panicum, und da die Natur ihr Vorhaben vereitelte, pflügten sie sie unter. Die dadurch vervielfältigte Ernte lehrte das, was man jetst artrare nennt d. h. aratrare, wie man wahrscheinlich damals gesagt hat. Die Zeit, wann diess geschieht, ist, wenn die Pflanze be- reits 2 — 3 Blätter getrieben und der Halm sich gebildet hat. Als eine Neuigkeit wollen wir ferner anführen, was man vor 3 Jahren im treverischen Gebiete beobachtete. Als nämlich die Feldfrüchte durch den sehr kalten Winter gelitten hatten, hackte man im März die Felder wieder um, säete von Neuem, und erhielt die reichlichste Ernte. Nun wollen wir das, was über die Kultur der Feld- früchte noch zu sagen übrig ist, nach den Arten derselben vortragen. 50. Siligo, Dinkel, Weizen und Gerste egge, behacke und gäte an den besagten Tagen. Zu jeder Art wird l Ar- beiter auf 1 Morgen Land ausreichen. Durch Behacken im Frühjahr wird der durch die Winterkälte verhärtete Boden wieder aufgeschlossen und den Sonnenstrahlen von Neuem der Zutritt gestattet. Wer behackt, hüte sich die Wurzeln des Getreides zu durchstechen. Es ist gut, den Weizen, die Gerste und die Bohne 2 mal zu behacken. Das Gäten befreiet, wenn die Saat Knoten setzt, durch Ausreissen des Unkrautes die Wurzeln und trennt die Saat von dem Reifen. Unter den Hülsenfrüchten erfordert die Kicher dieselbe Behandlung wie der Dinkel. Die Bohne braucht man nicht zu gäten, weil sie des Unkrauts Herr wird, und nur bei 374 Achtzelintes Buch. den Wolfsbolmen geschieht es. Die Hirse uud das Pani- cum egget und behackt man, und wiederholt diess nicht noch einmal, noch gätet man. Der Bockshorn und die Schwertbohne werden bloss geegget. Es giebt Aecker, deren Fruchtbarkeit es erforderlich macht, die Saat unter- zueggen i), — unter pecten versteht man nämlich auch eiue Art Egge, mit zahnartig gestellten eisernen Spitzen — und nichts destoweniger lässt man sie noch abweiden. Die abgeweideten Felder müssen wieder aufgehackt werden. In Baktrien, Afrika und Cyrene aber macht das günstige Klima alle diese Arbeiten überflüssig, und nachdem gesäet worden, geht man erst zur Zeit der Ernte wieder aufs Land, weil die Trockniss das Unkraut nicht aufkommen lässt, und die Saat durch den nächtlichen Thau ernährt wird. Virgil will, man solle ein Feld um das andere brach liegen lassen, was, wenn die Grösse der Ländereien es er- laubt, unbezweifelt das Beste ist. Gestatten diess die Um- stände nicht, so säe man Dinkel oder etwas anderes, was die Erde erfrischt, dahin, wo Wolfsbohnen, Wicken oder grosse Bohnen standen. Ganz besonders ist auch zu be- merken, dass Manches um andern willen zugleich gesäet wird; aber schon im vorigen Buche haben wir gesagt (damit wir nicht ein und dasselbe öfter wiederholen), dass dergleichen nicht gut gedeihet, denn die Beschaffenheit des Bodens hat gros- sen Einfluss darauf. 51. Ein Stadtbezirk in Afrika, Namens Tacape, mitten im Sande auf dem Wege zu den Syrten und Gross-Leptis ^) bat einen wunderbar glücklichen, feuchten Boden. Kings- um in einer Ausdehnung von 3000 Schritten befindet sich eine Quelle, welche zwar reichlich läuft, aber nach be- stimmten Stunden-unter die Bewohner sich vertheilt. Unter sehr hohen Palmen stehen Oelbäume, unter diesen Feigen- bäume, dann folgen Granaten und Weinstöcke; unter letztere säet man Getreide, hierauf Hülsenfrüchte und endlich Kohl, •) pectinari. 2) Vergl. V. B. 4. Cap.- Achtzehntes Buch. 375 alles in ein und demselben Jahre, und alles wächst in frem- dem Schatten. Von diesem Boden kosten 4 Quadrat-Cubitus, aber nicht solche, deren Länge sich auf die ausgestreckten Finger, sondern auf die eingezogenen (geballte Faust) be- zieht, 4 Denare, lieber alles aber geht die Thatsache dass der Weinstock 2 mal im Jahre trägt. Wenn nicht durch vielfachen Anbau die ausserordentliche Fruchtbar- keit etwas vermindert wird, so gehen die Früchte in zu tippigem Wachsthum verloren. So aber erndtet man das ganze Jahr hindurch etwas ein, und es ist ausgemacht, dass die Menschen die Fruchtbarkeit nicht beeinträchtigen. Auch im Wasser, welches zum Befeuchten des Bodens dient, liegt ein bedeutender Unterschied. In der narbonensischen Pro- vinz befindet sich eine berühmte Quelle, Namens Orge; in dieser wachsen Kräuter, welche die Ochsen so gern fressen, dass sie die Köpfe ganz untertauchen, um sie zu suchen; aber so viel ist gewiss, dass diese im Wasser wachsenden Kräuter nur durch den Regen ernährt werden. Daher muss ein Jeder sein Land und Wasser kennen. 52. In solche Erde, welche wir „zarte" genannt haben, kann nach dem Einerndten der Gerste Hirse gesäet wer- den; ist diese eingebracht, Raps, nach diesem wieder Gerste oder Weizen, wie z. B. in Campanien; und es reicht aus, wenn man diese Erde vor dem Säen pflügt. Nach einer andern Ordnung lässt man das Land, auf welchem Getreide gestanden, die 4 Wintermonate hindurch liegen, und bepflanzt es dann mit den Frtihbohnen, so dass es vor der Winterbohne in Thätigkeit ist. Ein zu fetter Acker kann dadurch gewechselt werden, dass man nach dem Ein- erndten des Getreides im 3. Jahre Hülsenfrüchte darauf säet; ein magerer kann auch bis in's dritte Jahr brach liegen. Nach Einigen soll man das Getreide nur in solchen Boden säen, der das Jahr zuvor brach gelegen hat. 53. Ein äusserst wichtiger Punkt ist das Düngen, wovon wir bereits im vorigen Buche geredet haben. Soviel wenig- 376 Achtzehntes Buch. stens steht fest; man darf nur in gedüngtes Land säen; doch finden auch hier besondere Gesetze statt. Hirse, Pani- cum, weisse Rüben und Steckrüben säe man nur in gedüng- ten Boden. In nicht gedüngten säe eher anderes Getreide als Gerste; ebenso auch in Brachland, obgleich man es vorzieht, in dieses, sowie in ein frisch gedüngtes Bohnen zu säen. Wer im Herbste säen will, der pflüge im Sep- tember nach einem Regen den Mist unter; und wer im Frühjahre säen will, vertheile während des Winters den Mist. Auf einen Morgen gehören 18 Fuder; man muss ihn aber ausstreuen bevor er. trocknet, oder wenn die Aussaat geschehen ist. Hat man diese Düngung unterlassen, so ge- schieht die folgende, vor dem Behacken, mit dem Staube aus Vogelhäusern. Um hierbei Alles recht sorgfältig zu bestimmen, fügen wir hinzu, dass das Fuder Mist 1 Denar kostet, dass auf jedes kleinere Thier 1 Fuder, auf jedes grössere aber 10 gerechnet werden, und dass, wenn diess nicht eintrifft, der Landmann offenbar nicht gut unterge- streuet hat. Einige sind der Meinung, der Dünger sei dann am besten, wenn das Vieh unter freien Himmel in Netze eingeschlossen verbleibe. Ein Acker, der nicht ge- düngt wird, erfriert; wird er zu stark gedüngt, so verbrennt er, und es ist besser, öfters als zu viel auf einmal zu dün- gen. Je hitziger der Acker, desto weniger darf gedüngt werden. 54. Der beste Same ist der jährige, schlechter der 2-, am schlechtesten der 3jährige, und der über diess Alter hinaus- geht ist unfruchtbar ^). Bei allen Arten von Samen gilt es als Regel; Was sich auf der Tenne zu unterst gesetzt hat, muss zur Saat aufbewahrt werden, denn der beste Same ist am schwerstsn, und lässt sich auf keine andere Weise besser unterscheiden. Die Aehre, welche nicht voll ist, sondern Zwischenräume zwischen den Samen hat, muss Eine übertriebene Behauptung. Achtzehntes Buch. 377 verworfen werden. Am besten ist das Korn, welches röthlich aussieht, und mit den Zähnen zerbissen diese Farbe behält; das inwendig mehr weisse steht ihm nach. Man weiss, dass diess Land mehr Samen, jenes wenige^* aufnimmt; in diesem Umstände erblicken die Landleute die erste Vorbedeutung, sie glauben nämlich, das Land sei hungrig, wenn es den Samen begierig aufnehme, und verzehre ihn. Das Aussäen muss an feuchten Orten schneller (eher) geschehen, damit der Samen vom Regen nicht faule, an trocknen hingegen später, damit der Regen auf dasselbe folge, denn liegt er zu lange vor dem Keimen, so vergeht er. Auch muss man bei frühem Aussäen dicht streuen, weil das Korn langsam keimt, bei spätem aber dünn, weil es sonst erstickt wird. Es gehört eine gewisse Kunstfer- tigkeit dazu, gleichmässig zu säen. Ueberhaupt muss die Hand mit dem Schritte zusammentreffen, und zwar allemal mit dem rechten Fusse. Einige wissen auf geheime Weise ihren Wurf glücklich und fruchtbar zu machen. Man darf den Samen aus kalten Gegenden nicht in warme, noch aus frühtreibenden in spättreibende bringen, während Manche in falschem Eifer das Umgekehrte anempfehlen. 55. Zum Besäen eines Jugerum von gemässigtem Bo- den reichen 5 Modius Weizen oder Siligo hin, 10 Modius Dinkel oder Samen (wie wir diese Art Getreide genannt haben), 6 Modius Gerste, 6 Bohnen, 12 Wicken, 3 Kicher, ihre kleinere Art und Erbsen, 10 Wolfsbohnen, 3 Linsen, doch letztere mit trocknem Miste vermengt; 6 Erven, 6 Bockshorn, 4 Schwertbohnen, 20 Futterkraut, 4 Hirse und 4 Sextarien Panicum — in einem fetten Bodenmehr, in einem magern weniger. Man macht noch einen andern Unter- schied. In einen dichten, thonigen oder sumpfigen Boden 6 Modius Weizen oder Siligo, in einen nakten, lockern, trocknen und frischen 4. Ein magerer Boden nämlich macht, wenn die Halme nicht dünn stehen, die Aehren klein und taub. Fette Felder treiben aus 1 Korne zahl- reiche Reiser, und liefern aus wenig Samen dichte Saat. 378 Achtzehntes Buch. Daher rechnet man je nach der Beschaffenheit des Bodens 4 und 6 Modius, Andere aber säen nicht weniger als 5 und noch mehr, auch in bepflanzten, bergigen oder magern Bo- den. Hierher gehört noch jener wohl zu beachtende, weise Ausspruch: Deinen Acker sollst du nicht überhäufen. Accius ^) fügt in seinem praktischen Rathgeber noch hinzu, man solle säen, wenn der Mond im Widder, den Zwilhn- gen, dem Löwen, der Wage und dem Wassermanne stehe. Nach Zoroaster ist die rechte Zeit, wenn die Sonne 12 Grade jenseits des Scorpions, und der Mond im Stiere steht. 56. Ich komme nun auf die bis jetzt verschobene, die grösste Sorgfalt bedürfende Untersuchung über die rechte Säezeit der Feldfrüchte, welche meistentheils mit dem Laufe der Gestirne im Zusammenhange steht, und will alle hierher gehörige Ansichten mittheilen. Hesiodus, der erste welcher über den Ackerbau handelte, setzte eine Saatzeit, nämlich nach dem Untergange des Siebengestirns fest. Er schrieb nämlich in Böotien, einem Theile von Hellas, wo, wie wir bereits gesagt haben, um jene Zeit gesäet wird. Die aufmerksamsten Landwirthe kommen darin überein, dass, sowie den Vögeln und vierfüssigen Thieren, auch der Erde ein gewisser Trieb zur Begattung innewohne, was die Griechen daran erkennen, wenn sie warm und feucht ist. Nach Virgil soll man den Weizen und Dinkel nach dem Untergange des Siebengestirns, die Gerste zwischen den Hei-bstäquinoctium und dem kürzesten Tage, die Wicke, Schwertbohne und Linse nach dem Untergange des Bootes säen. Daher müssen der Aufgang und Unter- gang dieser und anderer Gestirne auf ihre Tage zurück- geführt werden. Nach Einigen soll man, wenigstens in trocknes Land und in heissen Gegenden, schon vor dem Untergänge des Siebengestirns säen; denn der Same werde 1) Welcher Accius diess ist, lässt sich nicht entscheiden; vielleicht der Wahrsager Accius Naevins zu Rom unter Tarquinius Priscus. Achtzehntes Buch. 379 hier gegen die zerstörende Nässe geschützt, und breche nach dem nächsten Eegen in einem Tage hervor. Andere säen sogleich nach dem Untergange des Siebengestirns, denn sieben Tage später falle Regen. Einige schreiben vor, in kalten Gegenden nach dem Herbstäquinoctium, in warmen dagegen später zu säen, damit die Pflanzen vor dem Winter nicht üppig aufschiessen. Alle aber kommen darin tiberein, um die Zeit des kürzesten Tages müsse man nicht säen, und zwar aus dem wichtigen Grunde, weil die vor dieser Zeit in die Erde gekommenen Winter- saaten schon am 7., die nach den kürzesten Tage gesäeten kaum am 40. Tage hervorbrechen. Einige sind sehr eil- fertig, denn sie sagen, frühes Säen betrüge oft, spätes immer. Im Gegentheil sagen Andere: säe lieber im Früh- jahre als in einem schlechten Herbste, und wo es erforder- lich ist, in der Zeit zwischen dem Wehen des Favonius und dem Frühlingsäquinoctium. Manche lassen den Einfluss des Himmels als etwas Unnützes unbeachtet, und bestimmen die Säezeit nach den Jahreszeiten. Lein, Hafer und Mohn im Frühlinge, und wie es noch jetzt bei den Völkern jenseits des Po geschieht, bis zum Feste der Minerva; Bohnen und Siligo im Novem- ber; Dinkel am Schlüsse des Septembers bis zur Mitte des Octobers, nach Andern von hier an bis zum ersten No- vember. Man sieht, dass diese Leute sich um die Natur nicht kümmern, vielmehr eine ängstliche und daher blinde Genauigkeit beobachten. Aber diess darf nicht. Wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass den Landleuten welche so handeln, die Kenntniss der Gestirne und anderer Wissen- schaften abgeht. Gleichwohl muss man gestehen, dass fast Alles auf den Himmel ankommt. So sagt Virgil, man solle sich namentlich mit den Winden und dem Laufe der Ge- stirne vertraut machen, und sie ebenso wie die Seefahrer beobachten. Es ist eine schwierige und grossartige Hoff- nung, zu glauben, die himmlische Gottheit könne sich mit 380 Achtzehntes Buch. der Unwissenheit ') einlassen, nichtsdestoweniger aber muss man sie zu einem so bedeutenden Lebenszwecke zu erlangen suchen. Zuvor jedoch haben wir die Schwierigkeit bei der Beobachtung der Gestirne, welche selbst Unterrichtete eingesehen, in Erwägung zu ziehen, und dann erst möge man freudigeren Sinpes vom Himmel abgehen, und die Thatsachen wahrnehmen, welche man nicht vorher wissen kann. 57. Vor Allem bietet selbst die Berechnung der Tage des Jahres und der Bewegung der Sonne fast unauflösliche Schwierigkeiten dar. Zu den 365 Tagen zählt man noch eingeschaltete Viertel des Tages und der Nacht, und diess macht, dass die Zeiten der Gestirne nicht sicher an- gegeben werden können. Dazu kommt noch die anerkannte Dunkelheit des Gegenstandes, denn bald geht die Anzeige der Witterung vorher, und zwar nicht wenige Tage, was die Griechen mit dem Namen „vorhergehendes Winter- wetter" 2)^ bald folgt sie nach, was sie „nachfolgendes Winterwetter" ^) nennen. Die Wirkung des Himmels kommt also bald schnell, bald langsamer zur Erde, und wir hören, wenn gutes Wetter eingetreten ist , gemeiniglich sagen, das Gestirn sei wieder vollendet. Da diess alles sich auf die beständigen und am Himmel befestigten Sterne bezieht, und bei der Bewegung der Sterne Hagel und Regen, selbst unter nicht unbedeutender Wirkung, wie bereits angegeben wurde, zwischen sie treten, so entsteht dadurch eine Stö- rung der Ordnung und der gehegten Hoffnung, Man glaube aber nicht, dass dergleichen bloss uns Menschen begegen, nein auch die Thiere, welche doch in dieser Be- ziehung viel schlauer sind, weil ihre Existenz damit ver- knüpft ist, werden dadurch betrogen, denn unzeitige oder zu frühe Fröste tödten die Sommervögel, Hitze die Winter- vögel. Daher schreibt Virgil vor, man solle sich mit *) D. i. rait dem Menschen. ^) TtQOxeifiaaiq. ^) eTtixeifxaoig. Achtzehntes Buch. 381 den Irrsternen *) bekannt machen, uiid den Durchgang des kalten Sternes Saturn beobachten. Einige halten das Er- scheinen des Schmetterlings für das sicherste Zeichen des Frühlings, weil dieses Thier so schwach sei; allein selbst in dem Jahre, wo ich dieses schreibe, hat man beobachtet, dass ihre Brut 3 mal durch die Kälte vernichtet wurde und dass die am 27. Januar angelangten Vögel, von denen man sich einen baldigen Frühling versprach, bald darauf mit der heftigsten Kälte zu kämpfen hatten. Die Sache ist also zweifelhaft; zuerst muss man das Gesetz vom Himmel hernehmen, darauf dasselbe durch Gründe zu unterstützen suchen. Die Hauptsache liegt in der gewölbten Form des Himmels, und in der Verschieden- heit der Länder unseres Erdballes, denn ein und dasselbe Gestirn erscheint in dieser Zeit diesem, in. jener jenem Volke, und daher kommt es; dass dessen Wirkung in ein und denselben Tagen nicht überall gleich stark ist. Die Schriftsteller haben die Schwierigkeit noch dadurch ver- mehrt, dass sie theils an verschiedenen Orten beobachteten, theils an ein und demselben sogar Verschiedenes aufzeich- neten. Es gab in der Sternkunde 3 Schulen: die chal- däische, ägyptische und griechische. Dazu fügte der Dic- tator Caesar noch eine vierte; er regulirte nämlich unter Mitwirkung des in diesem Fache gelehrten Sosigenes ein jedes Jahr nach dem Laufe der Sonne. Aber auch die Berechnung selbst wurde, nachdem man den Fehler einge- sehen, verbessert, so, dass man 12 Jahre hintereinander nichts einschaltete, weil das Jahr, welches früher vorher- ging, angefangen hatte die Gestirne aufzuhalten. Und selbst Sosigenes trug, obgleich er gelehrter als die übrigen war, in 3 Abhandlungen kein Bedenken, seine Zweifel aus- zusprechen und sich selbst zu verbessern. Die Schrift- steller, welche wir vor diesem Buche angeführt haben, theilen diess mit, aber selten stimmt die Aussage des Einen mit der des Andern überein. Bei den übrigen ist ») D. i. Planeten. 382 Achtzehntes Buch. diess noch weniger zu verwundern, denn sie werden durch die verschiedenen Aufenthaltsorte entschuldigt. Von denen, welche in ein und derselben Gegend abweichen, will ich nur eine widersprechende Angabe als Beispiel anführen. Hesiodus nämlich (denn auch unter seinem Namen existirt eine Schule der Astrologie) sagt, der Morgenuntergang des Siebengestirns finde statt, wenn das Herbstäquinoctium vor- bei sei; Thaies, am 25. Tage nach demselben; Anaximander, am neunundzwanzigsten; Euctemon ^), am achtundvierzigsten. Wir wollen den Beobachtungen Caesar's folgen, weil sie für Italien wohl am zutreffendsten sein möchten; doch auch Anderer Meinungen sollen nicht verschwiegen werden, denn wir beschreiben ja nicht bloss ein Land, sondern die ganze Natur, nicht die Schriftsteller (denn diess würde sehr weitläufig sein), sondern die Gegenden. Nur mögen sieb die Leser erinnern, dass wenn Attika genannt wird, wir der Kürze wegen zugleich die Cycladischen Inseln mit verstehen; bei Macedouien auch Magnesien und Thracieu; bei Aegypteu auch Phönicien, Cypern und Cilicien; bei Böotien auch Locris, Phocis und stets die angrenzenden Landstriche; beim Hellesponte den Chersones und den Distrikt bis zum Berge Athos; bei Jonien auch Asien und dessen Inseln; beim Peloponnes auch Achaja und die gegen Abend gelegenen Länder. Die Chaldäer begriffen in ihre Beobachtungen zugleich auch Assyrien und Babylon. Dass wir von Afrika, Spanien und Gallien schweigen, wird Nie- manden wundern, denn in diesen Ländern hat von denen, welche den Aufgang der Gestirne angegeben, Keiner Beo- bachtungen angestellt; doch wird man sie auch hier nicht schwer erkennen, wenn man die Eintheilung der Himmels- striche, wie wir sie im 6. Buche gemacht haben, berück- sichtigt. Hieraus erkennt man die Verwandtschaft des Himmels, nicht nur mit den Völkern, sondern auch mit einzelnen Städten; bekannt ist sie bereits von den oben ') Atheniensischer Astronom um 432 v. Chr. Achtzehntes Buch. 383 genannten Ländern, wenn man die krumme Linie des Zir- kels, welcher zu den Ländern, die man sucht und die zu dem Aufgange ihrer Gestirne gehört , durch gleiche Schatten aller Zirkel zieht. Auch ist zu bemerken, dass die Wit- terung innerhalb 4 Jahren einen besondern Höhepunkt hat, und dass sie mit geringem durch die Sonne bewirktem Unterschiede wiederkehrt, in 8 Jahren aber, wenn der Mond zum hundertsten Male wieder scheint, vermehrt wird. 58. Diess ganze Verhalten hat man auf dreierlei Weise beobachtet, durch den Aufgang der Gestirne, durch ihren Untergang, und durch die Cardinalzeiten i) selbst. Den Aufgang und Untergang erkennt man auf zweierlei Weise; entweder werden die Sterne durch die Ankunft der Sonne verborgen und dadurch unsichtbar, oder sie treten bei deren Fortgänge wieder hervor. Letztere Erscheinung hätte man lieber den Austritt als den Aufgang, und erstere lieber die Verdeckung als den Untergang nennen sollen. Ferner beobachtet man, an welchem Tage sie erscheinen oder verschwinden, beim Aufgange oder Untergange der Sonne, daher man sie Morgen- oder Abendsterne nennt, je nachdem sich diess bei ihnen Frühmorgens oder Abends ereignet. Es sind wenigstens 3/4 Stunden Zeit vor dem Aufgange oder nach dem Untergange der Sonne erforder- lich, um sie zu sehen. Ausserdem gehen einige zweimal auf und unter. Alles diess bezieht sich auf solche Sterne, welche, wie wir gesagt haben, am Himmel festsitzen. 59. Die Cardinalzeiten beruhen auf der Eintheilung des Jahres in 4 Theile, nach der Zunahme des Lichts. Dieses vermehrt sich vom kürzesten Tage an, und kommt nach 90 Tagen, um 3 Stunden verlängert, in dem Frühlings- Ae- quinoctium, der Nacht gleich. Hierauf tibertrifft es nach 93 Tagen, zur Zeit des Sommer-Solstitiums , die Nacht um 12 Stunden, nimmt dann wieder ab, und verliert, nach- M D. i. Frühlings-, Sommers-, Herbst- und Winters-Anfang. 384 Achtzehntes Buch. dem im Herbst-Aequinoetium Tag und Nacht gleich ge- worden sind, bis zum kürzesten Tage, in 89 Tagen, noch 3 Stunden. Bei allen diesen Zunahmen werden Aequinoc- tial-Stunden, nicht solche eines jeden andern Tages gerech- net, und alle diese Abweichungen geschehen in den achten Theilen (Graden) der himmlischen Zeichen. Den kürzesten Tag haben wir im Steinbocke, am 23. December; das Frühhngs-Aequinoctium im Widder, das Solstitium im Krebse, das Herbst-Aequinoetium in der Waage. Diese Tage dienen nicht selten als Wetterpropheten. Diese Cardinalzeiten werden noch in einzelne Zeit- punkte getheilt, welche sich nach der mittleren Zeit aller Tage richten. Nämlich zwischen dem Solstitium und dem Herbst-Aequinoetium, am 46. Tage, beginnt mit dem Untei- gange der Leyer der Herbst; von diesem Aequinoctium an bis zum kürzesten Tage, am 44. Tage, mit dem Morgen- untergange des Siebengestirns der Winter; zwischen dem kürzesten Tage und dem Frühlings- Aequinoctium, am 45. Tage, mit dem Wehen des Favonius der Frühling; endlich beginnt am 48. Tage nach dem Frtihlings-Aquinoctium, mit dem Morgenaufgange des Siebengestirns der Sommer. Wir wollen mit der Säezeit des Getreides, d. h. mit dem Mor- genuntergange des Siebengestirns anfangen, ohne aber her- nach unsere Untersuchung durch Anführen der kleinern Gestirne zu zerstückeln, was die Schwierigkeit nur vermeh- ren würde, denn der heftige Stern Orion weicht an jenen Tagen weit ab. 60. Die Meisten benutzen die Zeiten zum Säen vorher, und bringen ihr Getreide 11 Tage nach dem Herbstäqui- noctium in die Erde, wenn sich die Krone ihrem Aufgange nähert, weil sie dann eines mehrtägigen Regens fast ge- wiss sind. Xenophon sagt, Gott müsse erst das Zeichen dazu gegeben hat. Cicero meint, darunter sei der Regen im November zu verstehen; denn man dürfe nicht eher säen, als bis die Blätter anfingen abzufallen. Einige meinen, wie bereits gesagt wurde, dass diess beim Untergange des Achtzehntes Buch. 385 Siebengestirns selbst, am 11. November geschehe. Diess Gestirn ist am leichtesten am Himmel zu bemerken, und auch die Kleiderverkäufer beobachten es; aus dessen Un- tergange nämlich schliessen die, welche, durch die Habsucht des Kaufmanns verleitet, Andere zu betrügen trachten, auf den Winter. Geht es neblicht unter, so deutet diess auf einen regnichten Winter und sogleich steigen die Preise der Eegenkleider. Ist der Untergang heiter, so wird der Winter strenge, und die Preise der übrigen Kleider gehen in die Höhe. Derjenige Landraann aber, welcher die himmlischen Zeichen nicht kennt, halte sich nur an das Zeichen in seinen Dornhecken, und wenn er auf seinem Boden abgefallene Blätter sieht. So kündigt sich die jähr- liche Witterung da früher, dort später an. Man säet daher nach der Beschaffenheit des Wetters und Bodens, und diess Verfahren verdient deshalb den Vorzug, weil es in der ganzen Welt allgemein anwendbar und einer jeden Gegend eigenthümlich ist. Wundern wird sich Der darüber, wel- cher nicht weiss, dass selbst am kürzesten Tage der Polei in den Speisekammern blähet. Die Natur wollte nichts verborgen sein lassen, gab daher diess Zeichen zum Säen. Dns ist die wahre Erklärung, welche den Beweis aus der Natur in sich schliesst; diese räth nämlich die Erde zu suchen, verspricht gleichsam eine Art Dünger, verkündigt sie wolle das Erdreich gegen Kälte und Winde schüzen, und mahnt zur Eile. 61. Varro hat vorgeschrieben, beim Säen der Bohnen die soeben erwähnte Betrachtung zur Kichtschnur zu nehmen. Nach Andern soll man sie zur Zeit des Vollmondes säen, die Linsen aber vom 25. bis zum 30. Tage, die Wicken an denselben Tagen; dadurch würden die Schnecken von ihnen abgehalten. Einige wollen, man solle sie zur Fütte- rung in der genannten Zeit, des Samens wegen aber im Frlihlinge säen. Es giebt eine noch augenscheinlichere Be- rechnung, welche uns die Vorsorge der Natur noch mehr Wlttstein : Plinius. lU. Bd. 25 386 Achtzehntes tJucü. bewundern lehrt, wesshalb wir den darauf bezüglichen Ausspruch Cicero's hier wörtlich wiedergeben wollen. Der stets grüne und stets beschwerte Mastixbaum pflegt dreimal befeuchtet zu schwellen; Dreimal trägt er Früchte, und zeigt die drei Zeiten des Pflügens an. Eine von diesen Zeiten ist die, wo der Lein und Mohni) gesäet werden muss. Cato sagt vom Mohne fol- gendes: dünne Stengel und Schösslinge, welche überflüssig sind, verbrenne auf dem Saatfelde. Auf die Stelle, wo du sie verbrannt hast, säe wilden Mohn. Wird dieser mit Honig gesotten, so giebt er ein vortrefi'liches Heilmittel gegen Halsübel. Der Gartenmohn hat auch die Kraft, Schlaf zu erregen. — Soviel von der Wintersaat. 62. Um gleichsam einen kurzen Abriss des ganzen Ackerbaues zu geben, so bemerken wir: Zu ein und derselben Zeit müssen die Bäume gedüngt und die Wein- stöcke gehäufelt werden; auf 1 Jugerum reicht ein Arbeiter aus. Da wo die Beschaffenheit der Gegend es erlaubt, müssen die Bäume in den Weingärten und die Weinstöcke beschnitten, ferner der Boden in den Pflanzschulen mit einem Spaten umgearbeitet, die Wassergräben geöffnet, das Wasser vom Acker geschafft und die Kelter gewaschen und aufbewahrt werden. Nach dem ersten November lege den Hühnern nicht eher wieder Eier unter, bis der kürzeste Tag vorüber ist. Von diesem Tage an lege jedesmal 13 den ganzen Sommer über, im Winter weniger, jedoch nicht weniger als 9 unter. Democritus glaubt, der Winter werd e so werden, wie der kürzeste und die ihm nächsten 3 Tage gewesen wären; ebenso habe die Sommersonnenwende Ein- fluss auf den Sommer. Um den kürzesten Tag ist meisten- theils 14 Tage lang, wo die Eisvögel hecken und kein Wind wehet, gelinde Witterung; aber zu dieser, sowie zu allen andern Zeiten müssen die Gestirne nach dem Erfolge ») S. XX. B. 76. 77. und 78. Cap Achtzehntes Buch. 387 der Anzeigen betrachtet, und Prophezeiungen der Witterung nicht auf bestimmte Tage erwartet werden. 63. Den Winter über lass den Weinstock ruhen. Hygi- nus sagt, zu dieser Zeit müsse man den Wein von der Hefe befreien, oder auch umfüllen, und zwar sieben Tage später, besonders wenn der siebente Tag des Monats be- damit zusammentrifft. Kirschen setze man um den kürze- sten Tag. Alsdann weiche man auch für das Rindvieh Eicheln, 1 Modius auf je zwei ein; reichlicher gegeben schaden sie ihnen, und werden sie, wann es auch sei, nicht 30 Tage lang hintereinander gereicht, so soll das Vieh dann die Krätze im Frühjahre bekommen. Diese Zeit haben wir auch zur Fällung des Holzes bestimmt. Die übrigen Arbeiten werden meistens bei nächtlicher Weile verrichtet, denn die Nächte sind um jene Zeit sehr lang. Da giebt es allerlei Körbe und Hürden zu flechten, Fackeln zu schneiden, viereckige Weinpfosten, bei Tage 30, und runde Pfähle, täglich 60 Stück zu machen; Abends bei Licht 5 Weinpfosten und 10 Pfähle und ebenso viele Morgens vor Tage. 64. Vom kürzesten Tage an bis zum Wehen des Favonius zeigen sich (regieren) nach Caesar drei wichtige Gestirne; am 30. December früh der untergehende Hunds- stern, an welchem Tage in Attika und den angrenzenden Ländern der Adler untergehen soll. Am vierten Januar früh Morgens geht nach Caesar der Delphin auf, den fol- genden Tag die Leier, und zu derselben Zeit geht in Ae- gypten der Schütze Abends unter. Den 8. Januar, wenn Abends der Delphin untergeht, ist in Italien mehrere Tage hindurch starke Kälte, desgleichen, wenn die Sonne in das Zeichen des Wassermanns treten will, was ungefähr in der Mitte des Januar geschieht. Am 25. Januar geht nach Tubero i) der sogenannte königliche Stern in der Brust *) Q. Aelius Tubero, Freund des Laelius und h-üher auch des Ti. Gracchus, war ein Anhänger der stoischen Philosophie, auch Jurist. •25* 388 Achtzehntes Buch. des Löwen unter, und den vierten Februar Abends die Leier. In den letzten Tagen dieses Zeitraums muss man, wenn das Klima es erlaubt, die Erde zum Setzen der Ro- sen und Weinstöcke mit einem Spaten umgraben; für 1 Jugerum reichen 60 Arbeiter aus. Auch die Gräben müssen gereinigt und neue gemacht werden. Morgens vor Tage schärfe man das Eisenwerk, mache die Handhaben zurecht, bessere die zerbrochenen Fässer aus, scheuere die Dauben ab und mache neue. 65. Vom Wehen des ersten Frühlings wind es an bis zum Frühliugs-Aequinoctium äussern sich um die Mitte des Februar nach Caesar drei Tage auf verschiedene Weise. Aehnlich gehe es mit dem 2L Februar, wo man die Schwalben sieht, mit dem folgenden Tage wo der Arc- tur Abends aufgeht, und mit dem 4. März beim Aufgange des Krebses; nach den meisten Schriftstellern aber, beim Aufgange des Winzersterns, mit dem achten März beim Aufgange des nördlichen Fisches und mit dem folgenden Tage beim Aufgange des Orions. In Attika bemerkt man, dass sich um diese Zeit der Geyer zeigt. Caesar hat auch den ihm tödtlichen 15. März ^) durch den Untergang des Scorpions bezeichnet; ferner zeigt sich nach ihm am 17. März in Italien der Geyer, und am 20. früh gehe das Pferd unter. Dieser Zeitraum setzt die Landleute am meisten in Bewegung und ist für sie der mühsamste, in welchem sie sich vornehmlich täuschen. Denn nicht an dem Tage, wo der Favonius wehen soll, sondern wo er anfängt zu wehen, werden sie zur Arbeit gerufen. Diesen Tag muss man sehr genau beachten. Gott gab, zufolge einer gewiss un- trüglichen oder unzweifelhaften Beobachtung, dem Aufmerk- samen solche Anzeige in jenem Monate. Woher aber die- ser Wind wehet, und aus welcher Weltgegend er kommt, das haben wir bereits im zweiten Baude ^) gesagt, und *) Wo er ermordet wurde. 44 J. v. Chr. ^j j^^ 4(3. Cap. Achtzehntes Buch. 389 bald werden wir noch mehr davon reden. Inzwischen müssen von dem Tage an (er sei nun welcher er wolle), wo er zu wehen anfängt, wenigstens nicht am 8. Februar, sondern entweder früher, im Falle der Frühling zeitig kommt, oder später, wenn der Winter lange anhält; unmit- telbar nach diesem Tage, sage ich, müssen d'ie Landleute ununterbrochen beschäftigt sein, und zuerst dasjenige voll- bringen, was nicht aufgeschoben werden kann. Die drei- monatlichen Saaten müssen in die Erde, die Weinstücke auf die bereits angegebene Weise beschnitten, die Oel- bäume besorgt, die Obstbäume gesetzt und gepfropft, die Weinberge umgehackt, die Schösslinge zurecht gesetzt, an- dere wieder erneuert, Rohr, Weiden, Ginster gesetzt und behauen werden. Ulmen, Pappeln und Platanen setze man auf die beschriebene Weise. Dann muss man auch die Saatfelder reinigen, und das Wintergetreide behacken, vor- züglich den Dinkel, und zwar dann, wenn er 4 Blätter ge- trieben hat; die Bohne nicht eher, bis 3 Blätter da sind; auch dann grabe man nicht, sondern behacke sie nur sanft. Während sie blühet, rühre man sie 15 Tage lang nicht an. Die Gerste behacke man nur bei trocknem Wetter. Das Beschneiden muss bis zum Aequinoctium vollbracht sein. 1 Jugerum Weinland beschneiden und binden 4 Ar- beiter; in den Wein-Baumgärten reicht für 15 Bäume Einer hin. In derselben Zeit besorgt man auch die Gärten uud Rosenhecken, worüber wir noch besonders im nächsten Buche reden werden; ferner die Kunstgärten. Alsdann macht man am besten die Gruben. Die Erde wird für spätere Zeit zertheilt, damit sie von der Sonne durchdrungen werde — eine Arbeit, die von Virgil vorzüglich angerathen wird. Gründlicher ist die Ansicht, nach welcher nur ein mittelmässiger Boden in der Mitte des Frühlinges gepflügt werden soll, denn in einem fetten nimmt das Unkraut so- gleich die Furchen ein, und ein magerer wird durch die nachfolgende Hitze ausgetrocknet; in beiden Fällen aber dem (später) hineinkommenden Samen der Saft entzogen. Solciie Aecker pflügt man zweckmässiger im Herbste. Cato 390 Achtzehntes Buch. setzt die Arbeitendes Frühlings folgendermaassen fest: Man mache Pflanzgruben, besorge die Baumschulen, setze an dichte und feuchte Orte Ulmen, Feigen-, Aepfel- und Oel- bäume, düage die Wiesen im Neumonde, wenn sie trocken liegen, schütze gegen denFavonius, reinige, reisse das Unkraut mit der Wurzel aus, putze die Feigenbäume ab, lege neue Pflanzschulen an und verbessere die alten. Alles diess ge- schehe, ehe der Weinstock anfängt zu blühen. Wenn der Birnbaum zu blühen beginnt, pflüge man die magern und sandigen Aecker, nachher die schweren und wasserreichsten. Die Pflügezeit hat daher folgende Merkmale: wenn der Mastixbaum die erste Frucht treibt, und wenn die Birne blühet. Noch ein dritter Zeitpunkt ist der, wenn die Meer- zwiebel gesetzt wird, desgleichen die Kranz-Narcisse, denn auch diese blühet dreimal. Ihre erste Blüthezeit zeigt die erste Zeit des Pflügens an, iure mittlere die zweite und ihre dritte die letzte. So dient Eins dem Andern unter sich zum Merkmale. Ganz besonders hüte man sich, wäh- rend die Bohnen blühen, den Epheu zu berühren, denn diese Zeit ist ihm schädlich und selbst tödtlich. Einige Gewächse, z. B. die Feigen haben auch ihre eigenen Merkmale; wenn nämlich enige Blätter am Gipfel in Form eines Essigfläsch- chens ausschlagen, dann muss man sie Yornehmlich pflanzen. 6Q. Die Frühlings-Tag- und Nachtgleiche scheint am 24. März beendigt zu sein. Von da bis zum Frühaufgange des Siebengestirns kommt nach Caesar der erste April. Am 3. April geht in Attika das Siebengestirn Abends unter, Tags darauf in Böotien, nach Caesar und den Chal- däern aber am 5.; in Aegypten fangen dann der Orion und das Schwert an sich zu verdunkeln. Nach Caesar deutet der 8. auf Regen, wenn die Wage untergeht. Am 17. Abends geht in Aegypten das Gestirn Suculae, welches sich äusserst heftig zeigt, und zu Land und Wasser stür- misch wirkt, unter; in Attika am 15. nach Caesar den 16. und nach ihm herrscht er 3 Tage hintereinander; in Assy- rien aber am 19. Diess Gestirn nennt man gewöhnlich Achtzehntes Buch. 391 den Geburtsstern, weil am 20. April der Geburtstag Rom's, und die Beobachtung, dass an diesem Tage fast immier schönes Wetter ist, hat ihn so berühmt gemacht; die Grie- chen hingegen nennen diess Gestirn wegen des dadurch herbeigeführten Regens „Die Hyaden". Die Römer glaubten wegen der Aehnlichkeit des Namens mit vg (Schwein), die Griechen hätten ihm davon denselben beigelegt, und nannten ihn in dieser irrigen Ansicht Suculae (von sus). Caesar giebt den 23. April an. Den 24. April gehen in Aegypten die Böcke auf. Den 25. Abends geht in Böotien und Attika der Hundsstern unter. Früh Morgens geht die Leier auf. Am 26. wird in Assyrien der Orion am 28. aber der Hunds- stern ganz unsichtbar. Den 2. Mai früh Morgens geht nach Caesar das Gestirn Suculae, und den 8. die regnichte Ziege auf. In Aegypten aber wird am Abende desselben Tages der Hundsstern unsichtbar. So durchlaufen denn die Ge- stirne bis zum 10. Mai, der Aufgangszeit des Siebengestirns, ihre Bahn. Während dieses Zeitraums, in den ersten 15 Tagen, muss sich der Landmann mit denjenigen Arbeiten, welche er vor dem Aequinoctium nicht vollenden konnte, beeilen; denn bekanntlich datirt sich daher der schimpfliche Vor- wurf gegen diejenigen, welche den Weinstock dann be- schneiden, wenn ein gewisser Zugvogel, den man Kukuk nennt, schreiet. Man hält es nämlich für schimpflich, wenn nach dem Erscheinen dieses Vogels eine Sichel am Wein- stocke bemerkt wird, und deshalb ergötzt man sich beim Beginn des Frühlings mit muthwilligen Scherzen. Dennoch scheinen diese Vögel zu Anspielen verwerflich. So beruhet auch das Geringste in der Landwirthschaft auf natürlichen Gründen. Am Schlüsse jener Zeit aber muss Panicum und Hirse gesäet werden. Es ist zweckmässig, diese zu säen, wenn die Gerste reif ist, und auf ebendenselben Acker, und, eine gemeinschaftliche Anzeige , dass diese reif ist und jene gesäet werden müssen, geben uns die des Nachts auf den Feldern leuchtenden Johanniswürmchen, welche bei den Bauern fliegende Sterne, bei den Griechen aber Leuoht- 392 Achtzehntes Buch. fliegen heissen. In diesen Geschöpfen hat uns die Natur einen neuen Beweis ihrer überschwenglichen Güte gegeben. 67. Das Siebengestirn hat die Natur am Himmel schon durch seine grosse Schaar bemerkbar gemacht, doch, damit nicht zufrieden, schuf sie noch andere irdische Sterne, gleichsam ausrufend: Warum, Landmann, schauest du den Himmel an? Bauer, warum suchst du die Sterne auf? Schon halten dich Ermüdeten die Nächte in kürzerm Schlafe. Siehe, ich streue unter deine Kräuter besondere Sterne, und zeige sie dir Abends, wenn du von der Arbeit gehst; und damit du nicht so vorbeigehen mögest, errege ich deine Aufmerksamkeit durch eine wunderbare Erscheinung. Siehst du nicht, dass ein feuerähnlicher Glanz durch da^ Zusammendrücken der Flügel bedeckt wird, und auch bei Nacht Licht in sich trägt? Ich habe dir Pflanzen gegeben, welche die Stunden anzeigen; und damit du nicht einmal der Sonne wegen deine Augen von der Erde zu wenden brauchst, so lasse ich das Heliotropium ^) und die Wolfs- bohne mit jener sich herumdrehen. Warum blickst du nun noch in die Höhe und spähest am Himmel? Siehe, vor deinen Füssen ist ja das Siebengestirn; es kommt an bestimmten Tagen zum Vorschein, bleibt im Bündniss mit jenem am Himmel, gleichlange sichtbar, und ist unbezwei- felt eine Ausgeburt desselben. Wer daher vor demselben die Sommerfrüchte säet, betrügt sich selbst. Auch zu die- ser Zeit zeigt die hervorkommende Biene an, dass die Bohne blühet, denn die blühende Bohne lockt jene hervor. Ich will noch eine andere Anzeige des Aufhörens der Kälte geben, und diess ist das Ausschlagen des Maulbeerbaums. Nunmehro ist folgendes zu besorgen: Man lege die Schnittlinge der Oelbäume, putze diese selbst aus, bewässere in den ersten Tagen nach dem Aequinoctium die Wiesen, halte das Wasser ab, wenn das Gras in Halme schiesst, ranke die Weiustöcke ab, und zwar letztere, wenn die ') Heliotropium villos^nni Dosf. Achtzehntes Buch. 393. Ranken 4 Fioger lang geworden sind. Ein Arbeiter rankt 1 Morgen Weinland ab. Ferner hacke man die Saatfelder wieder um, was 20 Tage hindurch geschehen kann; nach dem Aequinoctium soll es dem Weinpflanzungen und den Saaten schädlich sein. Um diese Zeit müssen auch die Schafe gewaschen werden. Nach dem Aufgange des Siebengestirns tritt nach Caesar Tags darauf der Friihuntergang des Avcturus ein, am 13. Mai der Aufgang der Leyer, am 20. Mai die Abends untergehende Ziege, und in Attika der Hundsstern. Am 21. fängt nach Caesar das Schwert des Orions an unter- zugehen; am 3. Juni sieht man nach Caesar und in Assy- rien den Adler des Abends; am 6. früh geht der Arcturus auf, in Italien am 8., am 10. Abends der Delphin, am 15. das Schwert des Orion, in Aegypteu jedoch 4 Tage später. Am 20. desselben Monats fängt nach Caesar das Schwert des Orions an unterzugehen. Am 23. Junlus aber tritt mit dem längsten Tage und der kürzesten Nacht die Sonnen- wende ein. In diesem Zeiträume werden die Weinstöcke abge- blattet, ein alter Weinberg einmal, ein neuer zvYeimal um- gegraben, die Schafe geschoren, die Wolfsbohneu behufs der Düngung umgegraben, die Erde gebrochen, die Wicke zur Fütterung gemähet, die Bohne geschnitten und ge- droschen. Die Wiesen werden zu Anfang des Junius gemähet. Von ihnen, deren Besorgung dem Landmann am wenigsten Mühe verursacht, müssen wir folgendes sagen. Solche, welche ein fruchtbares, feuchtes oder gewässertes Erdreich haben, überlasse man sich selbst, aber die an öffentlichen Wegen liegenden benetze man mit Regenwasser. Es ist zugleich für das Gras von grossem Nutzen, wenn man pflügt und dann egget, oder den Samen von den Heuböden und den, welcher vom Heu aus den Krippen gefallen i^t, säet, bevor man egget. Man darf dann aber im ersten Jahre nicht bewässern, und vor der zweiten Heuerndte kein Vieh darauf treiben, damit die Halme nicht ausgerissen 394 Achtzehntes Buch, und niedergetreten werden. Mit der Zeit nehmen die Wie- sen ab, und müssen daher durch Aussäen von Bohnen, ßtiben oder Hirsen verbessert werden. Im folgenden Jahre säet man Getreide darauf, und tiberlässt sie alsdann wie- derum sich selbst. Ausserdem muss jedesmal nachgemähet, d, h. was die Mäher stehen gelassen haben, geschnitten werden, denn es ist sehr nützlich, wenn ein Theil Gras zu Samen auswächst. Das beste Kraut auf den Wiesen ist der Klee, dann folgt das Gras, und am schlechtesten ist der Mimmulus, dessen Schoten sehr schädlich sind. Auch den Pferdeschwanz i), der von der Aehnlichkeit mit einem Pferdeschweif seinen Namen hat, sieht man ungern. Wenn die Aehren anfangen abzublühen und steif zu werden, ohne schon einzutrocknen, muss man mähen. Cato sagt: mähe das Gras nicht spät, sondern bevor der Same reif ist. Ei- nige netzen die Wiesen den Tag zuvor, wenn sie Wasser- gräben haben. Es ist besser, in thaureichen Nächten zu mähen. In mehreren Gegenden von Italien mähet man nach der Erndte. Auch diese Arbeit machte den Alten mehr Unkosten, denn damals kannte man nur cretische und andere über- seeische Wetzsteine, und schärfte die Sichel bloss mit Oel, daher auch die Mäher ein am Beine befestigtes Hörn zum Aufbewahren des Oeles trugen. Jetzt liefert Italien die Wasser Wetzsteine, welche, gleich einer Feile, das Eisen schärfen, aber leicht grün werden. Es giebt zweierlei Sicheln; die italienische ist kürzer, und kann auch zwischen Dornhecken gebraucht werden. Auf den grossen Gütern in Gallien verfährt man weit kürzer, denn dort mähet man die Halme mitten ab, und lässt die kürzern stehen. Der italienische Mäher schneidet bloss mit der rechten Hand. Ein Arbeiter muss in einem Tage 1 Morgen abmähen, und 1200 Bunde, jedes zu 4 Pfund, binden. Das gemähete Gras muss an der Sonne ausgebreitet und erst nach dem Trocknen aufgerichtet werden; versäumt man diese Vor- *) Equisetum, entweder unser Equisetum oder Hippuras. Achtzehntes Buch. 395 sieht, so kann man sicher sein, dass die Schober des Mor- gens Nebel ausstossen, dann durch die Sonne entzündet werden und verbrennen, i) Abgemähete Wiesen müssen wiederum bewässert werden, damit das Herbstbeu, welches Grummet heisst, geschnitten werden kann. Zu Interamna in Umbrien mähet man selbst die nicht gewässerten Wiesen viermal jährlich, an den meisten Orten aber dreimal, und nachher ist die Weide noch ebenso vortheilhaft als das Heu. Hierbei wird die Sorge für die Heerden, und die Rindviehzucht, am meisten aber der von den Pferden zu ziehende Nutzen einem Jeden den besten Rath an die Hand geben. 68. Wir haben bereits gesagt, dass die Sommer-Sonnen- wende im achten Grade des Krebses und am 24. Junius eintritt. Diess ist der grosse Wechsel des Jahres, die grosse Begebenheit im Laufe der Welt. Bis zu dieser Zeit haben vom kürzesten Tage an, die Tage 6 Monate lang immer zugenommen. Die Sonne selbst, welche .bis zum Adler (nach Osten) hinaufstieg und hoch empor ge- langte, beginnt von da an sich zu wenden und gegen Süden abzuweichen, um die 6 folgenden Monate hindurch die Nächte zu verlängern, und das Maass der Tage zu verkür- zen. Nun folgt die Zeit, wo bald diese bald jene Frucht abgenommen und eingefahren wird, wo man gegen den rauhen Winter schützende Maassregeln trifft, und es war billig, dass uns die Natur auf diesen Wechsel durch sichere Zeichen aufmerksam machte. Diese Zeichen legte sie da- her sogar dem Landmann in die Hände, indem sie an jenem Tage die Blätter umkehrte und hiermit den vollendeten Lauf des Gestirnes anzeigte. Jedoch sind es nicht bloss die wilden und entfernten Bäume, damit man die erwähnten Erscheinungen nicht in entlegenen Gebirgen zu suchen braucht, auch nicht die in Lustgärten gezogenen, obgleich sie auch an diesen wahrgenommen werden; sondern aucli *) Das feuchte Heu erhitzt sich bis zur Selbstentzündung. 396 Achtzehntes Buch. der Oelbaum, welcher dicht vor unsere Fiisse gepflanzt wird, auch die Linde, die zu tausend Zwecken dient, auch die weisse Pappel die vom Weinstocke umschlungen ist, drehet das Laub. Aber, spricht die Natur, diess ist noch zu wenig, du hast die mit dem Weinstocke umrankte Ulme, auch ihre Blätter will ich umwenden; ihre Blätter streifst du zum Futter ab, und den Weinstock beschneidest du. Siehe sie an, und du kennst den Lauf des Gestirns. Ihre Blätter sind jetzt mit der andern Fläche gegen den Himmel gerichtet, als am Tage zuvor. Mit der Weide, dem nie- drigsten Baume, den du selbst um einen Kopf hoch an Länge übertriffst, bindest du alles fest; auch ihre Blätter will ich umkehren. Worüber klagst du nun noch, Land- mann? Es liegt nicht an mir, wenn du vom Himmel und den himmlischen Zeichen nichts weisst. Auch deinen Oh- ren will ich ein Zeichen geben. Du wirst um jene Zeit gewöhnlich die Tauben girren hören. Glaube nicht, dass die Sonnenwende vorüber sei, ehe du die Ringeltaube hast brüten sehen. Von der Sonnenwende an bis zum Untergange der Leier, am 25. Juni geht nach Caesar der Orion auf, sein Gürtel aber am 4. Juli in Assyrien; in Aegypten früh Morgens der heisse Procyon auf, ein Gestirn, welches bei den Römern keinen Namen hat, wenn man nicht darunter die Canicula, d. h. den kleinen Hund, wie er unter den Sternbildern abgebildet wird, verstehen will. Dieser Stern bat einen gewaltigen Einfluss, wie wir bald nachher zeigen werden. Den 5. Julius geht bei den Chaldäern früh Mor- gens die Krone unter, in Attika wird an demselben Tage der ganze Orion sichtbar. Den 14. Juli fängt bei den Ae- gyptern der Orion an zu verschwinden; den 16. geht in Assyrien der Procyon auf. Den Tag darauf zeigt sich das vor allem bekannte Gestirn, welches wir den Hundsaufgang nennen, wenn die Sonne in den ersten Grad des Löwen getreten ist, nämlich am 23. Tage nach der Sonnenwende. Sein Einfluss erstreckt sich auf Meer und Land, ja selbst auf viele wilde Thiere, wie bereits angegeben wurde. Es Achtzehntes Buch. 3i)7 wird auch nicht minder verehrt, als diejenigen Sterne, welche den Göttern zugetheilt sind, erhitzt die Sonne, und hat bedeutenden Antheil an der grossen Hitze. Am 19. Juli früh geht in Aegypten der Adler unter, und nun kom- men die Vorläufer der Passatwinde, die, nach Caesars An- sieht, am 22. in ganz Italien herrschen. Der Adler geht in Attika früh Morgens unter. Am 29. wird nach Caesar der königliche Stern auf der Brust des Löwen unsichtbar. Am 6. August geht der mittlere Arcturus unter; am 11. beginnt, wie Ebenderselbe bemerkt, mit dem Untergange der Leier der Herbst; jedoch der wahren Berechnung zu- folge, am 8. desselben Monats. In diesem Zeiträume wird die wichtigste Arbeit an den Weinstöcken verrichtet, denn jenes sogenannte Hunds- gestirn bestimmt das Schicksal der Trauben. Daher sagt mau, sie haben Brandbeulen, wenn gewisse Stellen wie mir glühenden Kohlen ausgebrannt sind. Mit diesem Uebel ist weder Hagel, noch Sturmwind zu vergleichen, welche niemals zur Theuerung beigetragen haben. Letztere sind nämlich Unfälle, die dem Acker begegnen; die Brandbeulen aber erstrecken sich über ausgedehnte Landstriche, wären indessen leicht zu beseitigen, wenn die Menschen nur nicht lieber die Natur lästern, als sich selbst Nutzen schaffen wollten. Democritus, welcher zuerst den Zusammenhang zwischen Himmel und Erde einsah und zeigte, während die reichsten Leute diese Sorgfalt verachteten, soll, als er aus dem künftigen Aufgange des Siebengestirns eine Theue- rung des Oeles voraussah, (sowie wir es bereits angegeben haben und noch ausführlicher zeigen werden) bei dem we- gen der Hoffnung auf eine reiche Olivenerndte damals nie- drigen Preise alles Oel in der ganzen Gegend aufgekauft haben; worüber sich Die wunderten, welche wussten, dass er arm sei und ihm in seinen wissenschaftlichen Studien Ruhe am Herzen liege. Nachdem aber die Ursache davon und der ungeheuere Anwuchs seines Vermögens bekannt geworden war, soll er den in Angst und Reue versetzten Herren ihr Geld wiedergegeben, und sich damit begnügt 398 Acliizeüiiteri Uucu. haben, dass er den Beweis abgelegt, es sei ihm, wenn er wolle, leicht reich zu werden. Dasselbe that später Sex- tius, einer von den römischen Anhängern der Weltweisheit in Athen. So glänzende Gelegenheit haben die Wissen- schaften, sich geltend zu machen, und ich will suchen, sie so klar und verständlich wie möglich in die landwirthschaft- lichen Arbeiten einzuflechten. Die Meisten behaupten, der durch starke Sonnenhitze gebrannte Thau sei die Ursache des Rests am Getreide und der Brandbeulen am Weinstocke; doch diess halte ich zum Theil für unrichtig, glaube viel- mehr, dass aller Brand von der Kälte allein herrührt, und die Sonne keinen Einfluss in dieser Beziehung ausübt. Aufmerksamen wird diess leicht augenscheinlich werden, denn vor Allem werden sie wahrnehmen, dass es nur des Nachts und bevor der Tag heiss wird, geschieht. Alles aber kommt auf den Stand des Mondes an, denn jenes Uebel erscheint nur im Neumonde oder im Vollmonde d. h. wenn er das Uebergewicht bat, in beiden Fällen näm- lich ist er, wie schon oft gesagt wurde, voll^ im Neumonde aber führt er alles von der Sonne empfangene Licht dem Himmel wieder zu. Beide Stellungen bieten einen ebenso grossen als offenkundigen Unterschied dar, denn zur Zeit des Neumondes ist es im Sommer am wärmsten, im Winter am kältesten. Im Gegentheil haben wir während des Voll- mondes im Sommer kalte, im Winter laue Nächte. Die Ursache davon liegt klar, aber von Fabianus i) und den griechischen Schriftstellern wird eine andere angegeben. Im Sommer nämlich muss es während des Neumondes wärmer sein, weil der Mond mit der Sonne in einem uns sehr nahen Kreise läuft, und von dem so nahe empfangenen Feuer glühet; im Winter aber muss er im Neumonde entfernt sein, weil auch die Sonne von uns abgeht. Ebenso muss er im Vollmonde des Sommers, der Sonne entgegen, fern sein, im Winter aber durch den Sommerzirkel näher /u *) Ein nicht näher bekannter Schriftsteller. Achtzehntes Buch. 399 uns gelangen. Da er nun an sich schon bei niederer Tem- peratur den Thau befördert, so lässt sich daraus abnehmen^ wie sehr er dann fallenden Reif erkältet. 69. Vor allem aber muss man sich erinnern, dass es zwei Arten der durch den Einfluss des Himmels erzeugten Un- fälle giebt. Eine nennen wir Ungewitter, und verstehen darunter Hagel, Sturm und dergleichen, und wenn diese kommen, bezeichnen wir sie als die grössere Kraft; sie gehen, wie wir schon öfters gesagt haben, von rauhen Ge- stirnen, wie dem Aicturus, Orion und den Böcken aus. Die andern Unfälle entstehen bei ruhiger Luft in heitern Nächten, und werden nicht eher wahrgenommen, bis sie geschehen sind. Sie sind allgemein und sehr verschieden von den erstem, heissen bei Einigen Rost, bei Andern Brand, bei Andern Karbunkel, bei Allen aber Unfrucht- barkeit. Von dieser zweiten Art, welche vor mir noch kein Schriftsteller behandelt hat, wollen wir nunmehr re- den, vorher jedoch die Ursachen ihrer Entstehung angeben. Ausser dem Einflüsse des Mondes sind noch 2 Ursachen vorhanden, und diese bestehen nur an wenigen Stellen des Himmels. Das Siebengestirn nämlich wirkt ausschliesslich auf die Feldfrüchte, denn bei seinem Aufgange beginnt der Sommer, bei seinem Untergange der Winter, und es umfasst in diesem halbjährigen Zeiträume die Erndte, die Weinlese und das Reifwerden aller Früchte. Ferner befindet sich am Himmel die sogenannte Milchstrasse, welche schon mit blossem Auge leicht zu sehen ist. Durch ihren Ausfluss werden, wie aus einer Brust, alle Saaten genährt, wozu noch 2 Gestirne in Betracht kommen, der Adler in der nördlichen und der Hundsstern in der südlichen Region, dessen wir bereits an seinem Orte erwähnt haben. Sie selbst geht durch den Schützen und die Zwillinge, und schneidet im Mittelpunkte der Sonne zweimal den Aequinoctialzirkel, dessen Fugen an der einen Seite der Adler, an der andern der Hundsstern einnimmt. Desshalb also erstreckt sich beider Wirkung auf alle 400 Achtzehntes Buch. fruchttragenden Länder, weil bloss an diesen Orten die Mittelpunkte der Sonne und Erde zusammentreffen. Daher wachsen an den Tagen dieser Gestirne, wenn eine reine und milde Luft jenen schaffenden Milchsaft zur Erde sen- det, die Saaten fröhlich empor. Wenn aber der Mond auf die schon angegebene Weise seine thauige Kälte darunter mischt, so tödtet die hinzugekommene Bitterkeit, wie bei der Milch, die Frucht. Das Maass dieses Unfalls in den Ländern, welches er bei jeder Krümmung macht, ist von beiden Ursachen begleitet; daher nimmt man ihn nicht zu- gleich auf der ganzen Erde, auch nicht am Tage wahr. Wir haben gesagt, dass der Adler in Italien am 19. De- cember aufgeht, und die Natur leidet nicht, dass man vor diesem Tage sichere Hoffnung auf die Saaten baue. Wenn aber Neumond eintritt, müssen alle Winter- und Frühsaaten leiden. Das Leben der Alten war rauh und unwissenschaft- lich; dass aber ihre Beobachtungen nicht minder scharf- sinnig waren, als jetzt die Gründe, wird sogleich erhellen. Sie fürchteten nämlich für ihre Früchte 3 Zeiten, um deret- willen sie auch Feiertage und Feste anordneten: das Korn- brandfest, das Blüthenfest und das Weinfest. Das Korn- brandfest stiftete Numa im 11. Jahre seiner Regierung; jetzt wird es am 24. April gefeiert, weil etwa um diese Zeit die Saaten vom Brande befallen werden. Eben diesen Zeitpunkt setzt Varro, wie es damals die Rechnung mit sich brachte, in die Periode, wo die Sonne im 10. Grade des Stiers steht. Die wahre Ursache ist aber, dass 19 Tage nach dem Frühlings-Aequinoctium, jene 4 Tage hin- durch, nach verschiedener Völker Meinung am 27. April, der an und für sich heftige Hundsstern, vor welchem noch der kleine Hund untergehen niuss, verschwindet. Unsere Vorfahren setzten auch auf den 27. April nach dem Aus- spruche der Sibylla im 516. Jahre der Stadt, das Blüthen- fest ein, damit alles besser abblühete. Varro verlegt diesen Tag in die Zeit, wo die Sonne im 4. Grade des Stiers steht. Wenn also in diese 4 Tage der Vollmond fällt, so muss alles, was blühet, leiden. Das erste Weinfest, wel- Achtzehntes Buch. 401 ches vor diese Tage auf den 22. April zum Behuf des Weinkostens eingesetzt ist, hat mit den Früchten nichts gemein; ebensowenig die bisher angeführten Feste mit den Weinstöcken und Oelbäumen, weil deren Fruchtansatz mit ■dem Aufgange des Siebengestirns am 10. Mai, wie schon gesagt, beginnt. Diess ist ein anderer Zeitraum vou 4 Tagen, in dem selbst die Benetzung mit Thau schadet, denn jene Gewächse fürchten den Tags darauf untergehen- den kalten Arcturus; noch mehr Nachtheil aber bringt ihnen der Vollmond. Am 1, Juuius geht Abends der Adler wieder auf, und diess ist ein entscheidender Tag für die blühenden Oel- bäume und Weinstöcke, wenn gerade Vollmond eintritt. Ich möchte die Sonnenwende am 23. Juni aus demselben Grunde anführen, sowie den 23 Tage darauf erfolgenden Aufgang des Hundssterns, doch nur beim Vollmonde, weil in seinem Dunste die Schuld liegt, dass die Beeren hart werden. Wiederum nachtheilig ist der Vollmond am 4. Juli, wenn in Aegypten der kleine Hund aufgeht, oder we- nigstens am 16. Juli, wenn er in Italien sichtbar wird; des- gleichen am 19. Juli, wenn der Adler untergeht^ bis zum 22. desselben Monats. Ausserdem giebt es noch ein zwei- tes Weinfest am 19. August. Varro setzt es in die Zeit, wo die Leier anfängt, früh Morgens unterzugehen, nimmt auch damit zugleich den Beginn des Herbstes an, und sagt, dieser Festtag sei zur Milderung der üngewitter ein- geführt. Jetzt beobachtet man den Untergang der Leier am 8. August. In diese Periode fällt die Unfruchtbarkeit, welche vom Einflüsse des Himmels herrührt; doch will ich nicht in Ab- rede stellen, dass sie sich nach dem Gutachten der Leser, wenn sie die Beschaffenheit der Länder erwägen, ändere. Indessen genügt es, die Ursachen angegeben zu haben; das Uebrige richtet sich nach eines Jeden Beobachtung. Dass aber eins von beiden, entweder der Vollmond oder der Neumond, die Ursache sei, leidet keinen Zweifel. Hierbei kann man nicht umhin, die Güte der Vorsehung Wittstein: Plimus. III. Bd. 26 402 Achtzehntes Buch. ZU bewundern; denn erstens kann dieser Unfall sich wegem des bestimmten Laufes der Gestirne nicht alle Jahre, fer- ner nur in wenig Nächten ereignen, und man kann es leicht vorher wissen, wann er komipt. Und damit man nicht alle Monate in Furcht zu sein braucht, besteht die gesetzmässige Eintheilung, dass im Sommer die Neumonde, im Winter die Vollmonde, mit Ausnahme von 2 Tagen,, sicher sind; auch ist die Furcht nur in den kürzesten Sommernächten gegründet, am Tage dagegen überflüssig. Noch ist hierzu zu merken, dass die Ameise, ein ausser- ordentlich kleines Thier, bei Neumonde ruhet, bei Voll- monde aber selbst des Nachts arbeitet. Der Vogel Parra^) lässt sich, wenn der Hundstern aufgeht, am Tage nicht sehen, so lange bis jener untergeht; hingegen kommt der Vireo 2) am Tage der Sonnenwende zum Vorschein. Keiner von beiden Mondständen aber ist schädlich, selbst nicht bei Nacht, wenn diese nicht heiter sind und keine Luft geht, weil weder bei bewölktem Himmel noch beim Winde Thau fällt. Auch stehen uns noch einige Hülfsmittel dagegen zu Gebote. 70. Wenn du dergleichen besorgest, so zünde Reiser, Hau- fen von Spreu, ausgerissenes Gras und Strauchwerk in den Weinbergen und Feldern an; der Rauch davon hilft. Der Spreurauch erweist sich auch da nützlich gegen Nebel, wo diese schaden. Einige rathen, 3 lebendige Krebse in den Baum- Weingärten zu verbrennen, um die Karbunkeln un- schädlich zu machen; Andere, Fleisch vom Welse da, wo der Wind herkommt, langsam zu rösten, damit der Rauch durch die ganze Pflanzung verbreitet werde. Varro sagt wenn beim Untergange der Leier, d. i. zu Anfang des Herbstes, eine gemalte Taube zwischen den Weinstöcken geweihet werde, so sei das Ungewitter weniger schädlich. Archibius ^) schrieb an den König Antiochus von Syrien,, ') Der Grünspecht oder Kiebitz. ^) Grünfinke. 3) Griechischer Grammatiker um 80 v. Chr. Achtzehntes Buch. 403 das Ungewitter thäte keinen Schaden, wenn ein Laubfrosch in einem neuen irdenen Geschirre mitten im Felde ein- gescharrt würde. 71. Die Landarbeiten nach der Sommer-Sonnen- wende sind: aufackern der Erde, pflügen, umgraben der Bäume, und, in heissen Regionen, behäufeln. Alles was treibt muss man nicht umgraben, es sei denn in einem üppigen Boden. Die Baumschulen reinige man mit der Hacke. Ferner erndte man die Gerste ein. Nach Cato soll man die Dreschtenne mit Greta, welche mit Oelsatz durchknetet ist, belegen; Virgil hält diess jedoch für zu mühsam. Die Meisten ebnen sie bloss, und bestreichen sie mit magerm Kuhmist, was zur Verhütung des Staubens hinreichend erscheint. 72. Die Erndte selbst geschieht auf mehrfache Weise. Auf den grossen Gütern in Gallien, werden grosse, am Rande mit scharfen Zähnen versehene Wannen i) auf 2 Rädern von ein Paar hinten angespannten Ochsen durch das Getreidefeld getrieben, wobei die abgerissenen Aehren in die Wanne fallen. An andern Orten schneidet man die Halme in der Mitte mit der Sichel, und streift die Aehren zwischen zwei Gabeln 2) ab. Wiederum anderswo reisst man die Halme an der Wurzel ab, und nennt diess: den Acker an seiner Oberfläche brechen, wobei man aber den Saft auszieht. Wo die Häuser mit Stroh gedeckt werden, lässt man dasselbe so lang als möglich; wo Mangel an Heu ist, verwendet man Spreu zum Streuen. Mit Panicum- stroh deckt man nicht; Hirsestroh wird in der Regel ver- brannt. Gerstenstroh ist das beste Futter für's Rindvieh und wird zu diesem Zwecke aufbewahrt. In Gallien sam- melt man Panicum und Hirse besonders mit einer Hand- hechel. Das eingebrachte Getreide wird auf der Tenne an eini- gen Orten mit Dreschwalzen 3), an andern durch Stutenhufe *) valli. ^) mergites. ^) tribula. 26* 404 Achtzehntes Buch. an andern mit Flegeln ausgehülst. Je später der Weizen geschnitten wird, um so voller findet man ihn; je früher aber, um so schöner und kräftiger fällt er aus. Die passend- ste Zeit ist, bevor das Korn hart wird und wenn es sich schon gefärbt hat. Ein weiser Ausspruch aber ist: erndte lieber 2 Tage zu früh als 2 Tage zu spät. Der Siligo und gewöhnliche Weizen haben selbst ihre eigne Behandlungs- weise auf der Tenne und im Speicher. Der Dinkel muss, weil er schwer auszudrescheu ist^ sammt der Spreu auf- gehäuft werden, und wird bloss von den Halmen und Acheln befreiet. Die meisten Völker bedienen sich der Spreu statt des Heues. Am besten ist die dünne, kleine und dem Staube sich nähernde; daher wird sie von der Hirse am vorzüg- lichsten geliefert, dann folgt die der Gerste und am schlech- testen ist die des Weizens, ausgenommen für das arbeitende Zugvieh. Die Halme auf steinigem Boden bricht mau, wenn sie trocken sind, mit einem Stabe, und streuet sie dem Viehe unter. Wenn es an Spreu fehlt, werden auch die Halme zerrieben; man schneidet sie nämlich etwas früh, besprengt sie längere Zeit hindurch mit Salzwasser, trocknet sie hierauf, wickelt sie in Bündel und giebt sie so dem Rindvieh statt des Heues. Einige verbrennen das Stroh auf dem Felde, was Virgil sehr lobt; der Haupt- nutzen dabei ist aber, dass die Samen des Unkrauts zer- stört werden. Die verschiedenen Gebräuche haben ihren Grund in der Menge des Getreides und dem Mangel au Arbeitsleuten. 73. Hieran knüptt sich die Aufbewahrungsweise des Getreides. Nach Einigen soll man sich die Mühe geben, 3 Fuss dicke Magazine von Ziegelwänden zu erbauen, weder Luft zulassen, noch Fenster anbringen, und sie von oben anfüllen. Andere schreiben vor, sie nur gegen Mor- gen oder Mitternacht anzulegen, und keinen Kalk dabei zu verwenden, weil dieser dem Getreide sehr schädlich sei; was sie aber in Bezug auf den Oelsatz empfohlen Achtzehntes Buch. 405 haben, ist bereits von uns mitgetheilt worden. An manchen Orten bauet man hölzerne Kornböden auf Säulen, und lässt die Luft überall, selbst vom Boden aus hinzu. Andere glauben, auf schwebenden Böden werden die Körner klei- ner, und wenn sie unter Dach lägen, erhitzten sie sich. Viele widerrathen auch das Umschaufeln, denn der Korn- wurm gehe nur 4 Finger tief, und tiefer sei nichts zu fürchten. Nach Columella soll man den Westwind zum Getreide lassen, was mich sehr wundert, da dieser sonst der trockenste ist. Einige wollen, man solle, vor dem Ein- fahren des Getreides, an der Schwelle der Scheune einen Laubfrosch an einem der längern Öeine aufhängen. Wir glauben, es kommt am meisten auf die rechte Zeit des Einbringens an; denn, wenn es nicht trocken genug oder sehr kräftig oder warm ist, so müssen allerhand Schädlich- keiten darin aufkeimen. Es giebt mehrere Ursachen, die auf die Dauer Ein- fluss haben. Entweder liegt es an der Haut des Kornes selbst, wenn sie zu dick ist, wie bei der Hirse; oder an der Fettigkeit des Saftes, der allein schon zum Feucht- werden hinreicht, wie beim Sesam; oder an der Bittterkeit wie bei der Wolfsbohne und kleinen Kicher, Am meisten wachsen in dem Weizen Thiere, weil er sich seiner Dicke wegen leicht erhitzt, und mit einer dicken Kleie umgeben ist. Die Spreu der Gerste ist dünner, die der Hülsenfrüchte noch mehr, und daher entstehen sie nicht darin. Die Bohne erhitzt sich leicht, weil sie dicke Häute hat. Einige be- sprengen den Weizen, um ihn zu conserviren, mit Oelsatz und nehmen auf 1000 Modius 1 Quadrantal; Andere be- streuen ihn mit chaldäischer oder carischer Erde, oder auch mit Wermuth. Zu Olynthus und Cerinthus in Euböa giebt es eine Erde, welche vor dem Verderben schützt. Die in den Aehren aufbewahrten Samen verderben nicht leicht. Die beste Aufbewahrungsweise ist jedoch die in Gruben, welche man Siri nennt, wie in Cappadocien nnd Thracien geschieht. In Spanien und Afrika sorgt man besonders dafür, dass sie auf einem trocknen Boden angelegt werden, 406 Achtzehntes Buch. und dass Spreu die Unterlage bilde. Ausserdem bewahrt man das Getreide mit der Aehre auf, und so ist man, wenn keine Luft hinzutritt, sicher, dass nichts Schädliches sich darin erzeugt. Varro behauptet, auf diese Art verwahrter Weizen halte sich 50, Hirse aber 100 Jahre. Bohnen und andere Htilsentrtichte können in mit Asche verstrichenen Oelfässern lange Zeit conservirt werden. Derselbe sagt, es seien während des Seeräuberkrieges des grossen Pompejus in einer Höhle zu Ambracien gut erhaltene Bohnen gefun- den worden, welche aus der Zeit des Königs Pyrrhus, also ohngefähr 120 Jahre alt waren. Nur allein in der Kicher- erbse wächst kein Ungeziefer in den Scheunen. Einige häufen um mit Essig gefüllte Krüge, unter welche Asche gestreuet worden, und die damit bestreichen sind, Hülsen- früchte an, in der Meinung, dass dann kein Ungeziefer da- rin entstehe. Andere bringen sie in Fässer, in denen ge- salzene Fische waren, und verstrichen mit Gyps; noch An- dere besprengen die Linsen mit Essig, in welchem Laser- saft 2) aufgelöst ist, und tränken sie nach dem Trocknen mit Oel. Die beste Regel aber ist, alles was nicht verderben soll, sammele im Neumonde. Daher kommt sehr viel darauf an, ob man sein Getreide aufbewahren oder ver- kaufen will; denn mit dem zunehmenden Monde wird es grösser. 74. Nach der Eintheilung der Zeiten folgt nun der Herbst, dauert vom Untergange der Leier bis zum Aequinoctium, und weiter bis zum Untergange des Siebengestirns und zum Anfange des Winters. In diesen Zeitabschnitten sind das am 12. August in Attika Abends aufgehende Pferd, und der in Aegypten und nach Caesar untergehende Del- phin von Bedeutung. Am 21. August geht nach Caesar und in Assyrien der sogenannte Winzer-Stern früh auf, und kündigt das Reifwerdeu der Trauben an, denn von dieser Zeit an bekommen die Beeren eine andere Farbe. ») S. XIX. B. 15. Cap. Achtzehntes Buch. 407 -Am 2^7. geht in Assyrien der Schütze unter, und von da an hören die Passatwinde auf. Am 5. September geht in Aegypten der Winzer-Stern auf. In Attika geht früh Mor- gens der Arctur und der Schütze unter. Am 9. September geht bei Caesar die Ziege des Abends auf; der mittlere Stern des Arcturs aber am 12., zu Wasser und zu Lande 5 Tage lang die heftigsten Wirkungen drohend. Man schliesst darüber: wenn es beim Untergange des Delphins geregnet hat, so würde der Arctur keinen Regen bringen. Als ein Zeichen, dass dieses Gestirn aufgeht, merke man sich den Abzug der Schwalben, denn wenn es seinen Ein- fluss auf diese ausübt, so müssen sie sterben. Am 15. September geht in Aegypten die Aehre, welche die Jung- frau hält, früh auf, und zugleich lassen die Passatwinde nach. Eben dieses trifft nach Caesar am 17., in, Assyrien am 18. ein; am 20. geht nach Caesar die Fuge der Fische unter, und am 23. das Gestirn des Aequinoctii selbst. Hierauf stimmen (was eine Seltenheit ist) Philippus ^), Cal- lippus^), Dositheus^), Parmeniscus*), Conon^), Criton^), Democritus, Eudoxus darin tiberein, dass am 27. September früh die Ziege, und am 28. die Böcke aufgehen. Am 2. October früh geht in Attika die Krone auf. In Asien und nach Caesar geht am 26. September früh der Fuhrmann unter. Am 28. fängt nach Caesar die Krone an aufzugehen, und den folgenden Tag gehen Abends die Böcke unter. Am 8. October geht nach Caesar der glänzende Stern in der Krone, am 13. Abends das Siebengestirn und am 15. die ganze Krone auf. Am 26. geht Abends das Siebenge- stirn auf. Am 31. geht nach Caesar der Arctur unter, und ') Der Arzt Alexanders des Grossen, aus Akarnanien. ^) Aus Cyzicum, Astronom um 330 v. Chr. 3) Griechischer Grammatiker des 3. Jahrh. v. Chr. ■*) Ein nicht näher bekannter Gelehrter. 5) Aus Samos, Astronom um 300 v. Chr.; von ihm ward Bereni- •ce's Haupthaar an den Hmimel versetzt. 6) Aus Athen, 400 v. Chr.; Schüler und Freund des Socrates. 408 Achtzehntes Buch. das Siebengestirn mit der Sonne auf. Am 2. November Abends geht der Arctur unter. Am 9. fängt das Schwerdt des Orion an, unterzugehen. Endlich am 11. geht das Siebengestirn unter. In diesem Zeiträume sind die Landarbeiten: Steckrü- ben, Kettige säen an den bereits bezeichneten Tagen zu verrichten. Das gemeine Landvolk glaubt, die weisse Rübe müsse nicht nach dem Abzüge des Storchs gesäet werden; uns dünkt, es müsse jedenfalls nach dem Feste des Vulkan geschehen, die frühzeitigen aber zugleich mit dem Panicum. Nach dem Untergänge der Leier: Wicken, Schwerdtbohnen und Futterkraut, letzteres jedoch nur, wenn der Mond nicht scheint. Diess ist auch die Zeit, in welcher das Laub ge- sammelt wird. Ein Laubscheerer soll in 1 Tage 4 Laub- körbe voll sammeln. Es fault nicht, wenn es im abneh- menden Monde gesammelt wird. Trocknes muss man nicht lesen. Die Alten waren der Meinung, die Weintrauben seien vor dem Aequinoctium nicht reif zur Lese; jetzt sehe ich, dass man an verschiedenen Orten sehr damit eilt, und ich will daher auch die hiezu zweckmässigste Zeit durch bestimmte Merkmale und Gründe bezeichnen. Folgende Regeln sind dabei zu beobachten: Liess keine warme d. h. trockne Traube, und, wenn kein Regen inzwischen ge- fallen ist. Lies sie nicht bethauet, d. h. wenn es die Nacht zuvor gethauet, und nicht eher, als bis die Sonne den Thau verzehrt hat. Beginne die Weinlese, wenn das Blatt sich an die Rebe zu legen anfängt, oder wenn nach Herausnahme eines Kernes der Zwischenraum wegen Dich- tigkeit der Masse sich nicht auszufüllen scheint, und die Beere selbst nicht mehr wächst. Es ist von grossem Nutzen für die Beeren, wenn sie bei zunehmendem Monde gesam- melt werden können. Eine Kelterung muss 20 Culei an- füllen; diess ist das rechte Maass. Zu ebenso vielen Cu- leis und Kübeln reicht auf 20 Jugera 1 Kelter hin. Einige keltera nur mit einer, besser ist es aber mit zweien, wenn, eine auch noch so geräumig ist; denn hier kommt es auf Achtzehntes Buch. 409' die Länge und nicht auf die Dicke an. Geräumige Keltern sind besser. Die Alten zogen sie mit Stricken, ledernen Riemen und Hebebäumen. In den letzten 100 Jahren wurden die griechischen Keltern erfunden, an denen die Falten des Press-Baumes durch Schrauben gehen, mittelst Pfählen ein Kreuz an dem Baume befestigt ist, und der Baum an diesen Pfählen Steinkisten mit sich in die Höhe hebt. Diese Einrichtung wird sehr gut befanden. Innerhalb der verflossenen 22 Jahre hat man die Erfindung gemacht, mit kleinern Pressen und weniger auf einmal zu keltern; die ganze Maschine ist kürzer, der Baum steht in der Mitte fest, über die Weinbeeren werden Bretter gelegt, welche von oben herab mit ihrem ganzen Gewichte drücken, und über der Presse bringt man die Steinkisten an. Diess ist auch die Zeit der Obsterndte, dereu Zeit- punkt man daran erkennt, dass Obst der Reife wegen, nicht durch Sturm herabfällt. Ferner fällt in diese Zeit das Auspressen der Hefen, und das Kochen des Mostsaftes, Avas bei Neumonde des Nachts, bei Vollmonde am Tage, an den übrigen Tagen aber entweder vor dem Aufgange des Mondes oder nach dessen Untergange geschieht. Man nehme dazu keine Trauben von jungen oder sumpfig stehen- den Stöcken, auch nur reife, und schäume nur mit Blättern ab, denn wenn man das Gefäss mit Holz berührt, so soll er anbrennen und räucherich werden. Die rechte Zeit der AVeinlese dauert 44 Tage lang, vom Aequinoctium bis zum Untergange des Siebengestirns. Von diesem Tage an gilt der Spruch: was kalt gepicht wird, taugt nichts. Ich habe schon gesehen, dass Einige wegen Mangel an Fässern erst zu Anfange des Januar Weinlese hielten, dass man den Most in Fischbehältern aufbewahrte, oder den vorigen Wein ausgoss, um zweifelhaften einzufüllen. Diess geschieht nicht sowohl wegen allzureifer Erndte, sondern aus Wuth derjenigen, welche auf Theuerung lauern. Der Hausvater thut aber wohl, den Ertrag eines jeden Jahres zu benutzen ; und dabei steht man sich überhaupt am besten. Was noch von den Weinen zu sagen wäre, ist schon früher mitgetheilt 410 Achtzehntes Buch. worden; ebenso, dass man nach der Weinlese die Oliven schnell einsammeln müsse, ferner was das Oel betrifft, und was beim Untergange des Siebengestirns zu verrichten sei. 75. Wir wollen jetzt noch das Nöthige von dem Monde, d«n Winden und den Voranzeigen hinzulügen, um hiermit die ganze Materie von den Sternen abzuschliessen. Auch Virgil, welcher der Prahlerei Democrits gefolgt ist, hat ge- glaubt, nach den Mondeszahlen etwas eintheilen zu müssen. Der Nutzen dieser Gesetze zeigt sich uns, gleichwie in der ganzen Sache, so auch in diesem Theile. Alles was geschnitten, gebrochen und eingesammelt wird, geschieht besser im abnehmenden Monde als im zunehmenden. Dünger rühre man nur im abnehmenden Monde an; vorzüglich dünge man im Neumonde und im letzten Viertel. Eber, junge Stiere, Widder, Böcke verschneide im abnehmenden Monde. Eier lege im Neumonde unter. Pflanzgruben mache des Nachts bei Vollmonde. Baumwurzeln bedecke bei Vollmonde. An feuchten Orten säe im Neumonde und vier Tage später. Man räth auch, Getreide nnd Hülsen- früchte gegen Ende des letzten Viertels umzuschaufeln und einzufahren ; die Pflanzschulen zu machen, wenn der Mond über der Erde ist; Most zu bereiten, wenn der Mond unter der Erde ist; ebenso, Holz zu fällen und alles das zu ver- richten, was wir gehörigen Orts besprochen haben. Die Beobachtung selbst, von der schon im 2. Buche die Rede war, ist sehr leicht; aber damit auch der Landmann Kennt- niss davon bekomme, bemerke ich noch folgendes: So oft man den Mond gleich nach dem Untergange der Sonne sieht, und er in den ersten Stunden der Nacht scheint, nimmt er zu und erscheint dem Auge halb; wenn er aber bei untergehender Sonne gerade gegenüber aufgeht, so dass man beide Gestirne zugleich sieht, dann haben wir Voll- mond. Geht er nach dem Aufgange der Sonne hervor, entzieht ihr in den ersten Stunden der Nacht das Licht, und scheint bis zum Tage, so nimmt er ab und wird wie- der halb. In der Zusammenkunft, dem sogenannten Neu- Achtzehntes Buch. 411 monde, befindet er sieh, wenn er nicht mehr scheint; wäh- rend des Neumondes aber ist er so lange als die Sonne, und. den ersten ganzen Tag über der Erde; am zweiten Vio und V48 Stunde weniger, vom dritten bis fünfzehnten in derselben Weise weiter, indem diese Stundentheile sieh vervielfältigen; am 15. ist er die ganze Nacht unter, und den ganzen Tag über der Erde. Am 16. Tage bringt er 1/10 und 1/4S Stunde der Nacht unter der Erde zu, und diese Stundentheile kommen jeden Tag bis zum Neumonde hinzu. So viel er in den ersten Theilen der Nacht für das Verweilen unter der Erde abnimmt, ebensoviel fügt er den letzten von dem Tage über der Erde hinzu. Einen Monat um den andern macht er die Zahl 30 voll, oder nimmt eins davon ab. So verhält es sich mit dem Monde. 76. Die Kenntniss der Winde ist weit schwieriger. Man merke sich an einem beliebigen Tage die Gegend, wo die Sonne aufgeht, und stelle sich in der sechsten Tagesstunde^) so, dass man den Sonnenaufgang an der linken Schulter hat, so sieht man gerade gegen Mittag, und im Kücken ist Mitternacht. Die Grenze, welche in dieser Richtung durch den Acker geht, heisst die Hauptgrenze. Es ist besser, sich nun umzudrehen, damit man seinen Schatten sieht, denn sonst ist er hinter der Gestalt. Hat man sich also so weit umgedrehet, dass der Sonnenaufgang desselben Tages an der rechten Schulter, der Untergang an der lin- ken liegt, so ist dann Mittag, wenn mitten vor der Gestalt der kleinste Schatten sich zeigt. Mitten durch denselben der Länge nach ziehe man mit dem Spaten eine Furche, oder mit Asche einen Strich am besten von etwa 20 Fuss Länge; die Mitte desselben, d. h. von jedem Ende 10 Fuss entfernt, umgebe man mit einen kleinem Kreise, welcher Nabel genannt wird. Da wo der Scheitel des Schattens liegt, ist die Region des Nordwindes. Lass, Baumbeschneider, die Bäume nicht dahin sehen, ebensowenig die Weinbaum- ») Um Mittag. 412 Achtzehntes Buch. gärten und Weinberge, ausgenommen in Afrika, Cyrene und in Aegypten. Weht der Wind daher, so pflüge weder, noch versäume die Vorschriften, welche ich bereits darüber gegeben habe, zu befolgen. Der zu den Füssen des Schat- tens liegende Theil der Linie sieht nach Mittag, und von daher kommt der Südwind, welchen die Griechen, wie schon bemerkt, Notus nennen. Wehet dieser Wind, so be- arbeite der Landmann weder Holz noch Weinpflanzungen. In Italien ist er feucht und schwül; in Afrika bringt er brennende Hitze und heitern Himmel. Die Schösslinge der Reben sollen in Italien gegen ihn gerichtet sein, nicht aber die Bäume und Weinstöcke. Vor ihm hüte sich der Oel- baumpflanzer in den 4 Tagen des Siebengestirns, der Pfropfer der Reiser und Einsetzer der Augen. Es wird gut sein, wenn wir selbst über die Stunde dieser Gegend einige Worte vorausschicken. Der Baumgärtner haue um Mittag kein Laub ab. Wenn der Hirte merkt, dass es Mittag ist (um welche Zeit sich im Sommer der Schatten verkürzt), so soll er das Vieh aus der Sonne in den Schatten treiben. Wer im Sommer weiden lässt, der sehe vor Mittag gegen Abend, Nachmittags gegen Morgen, sonst wird er Nachtheil haben, ebenso wie im Winter und Frühlinge, wenn er das Vieh auf bethauete Plätze treibt. Auch treibe er nicht gegen den oben genannten Nordwind, denn sonst wird das Vieh lahm, bekommt triefende Augen, und erliegt schnell dem Durchfalle. Wer trächtige Weibchen haben will, lasse sie gegen diesen Wind gerichtet bespringen. 77. Wir haben gesagt, in der Mitte jener Linie solle ein Nabel gezeichnet werden. Quer mitten durch denselben ziehe man eine andere; diese geht vom Aequinoctial- Auf- gange zum Untergange, und die Grenze, welche auf diese Weise den Acker durchschneidet, heisst die grosse. Man zieht hierauf noch 2 Linien schräg ins Kreuz so, dass sie von der rechten und linken Seite des Nordens zur Rechten und Linken des Südens gehen. Alle gehen durch ein und denselben Mittelpunkt, alle müssen unter einander gleich. Achtzehntes Buch. 413 und zwischen allen gleiche Zwischenräume sein. Diese Anordnung muss man auch einmal auf dem Acker, oder, wenn man sich ihr öfter bedienen will, auf einer kleinen, runden Scheibe von Holz ausführen. Auf diese Weise muss man dem Verstände des Ungebildeten zu Hülfe kommen. Am besten ist es, die Mittagszeit zu erforschen, weil sie stets dieselbe bleibt; die Sonne aber gebt immer an einem andern Punkte des Himmels als den Tag zuvor auf, und man darf daher nicht glauben, den Strich nach dem Aufgange richten zu müssen. Ist die Gegend des Himmels erforscht, wo die Spitze des Striches dem Norden von Osten an gerechnet, zunächst liegt, so hat man den Solstitial-Aufgang, des längsten Tages nämlich, und den Nordostwind i), welchen die Griechen Boreas nennen. Ge- gen diesen setze man Bäume und Weinstöcke; pflüge aber nicht wenn er wehet, säe kein Getreide und werfe keinen Samen aus, denn er verdichtet und reitzt die Wurzeln der Bäume, die man versetzen will. Man bedenke, dass Diess für kräftige. Jenes für schwache passt. Ich erinnere mich auch, dass die Griechen in diese Richtung einen Wind setzen, welchen sie Caecias nennen. Aber eben jener scharfsinnige Aristoteles, der diess gethau, führt als Grund die convexe Gestalt der Welt au, vermöge dessen der Aquilo dem Südwestwinde 2) entgegen blase. Doch fürchtet ihn der Landmann bei den angeführten Arbeiten nicht das ganze Jahr hindurch. Mitten im Sommer mildert ihn die Sonne, und dann wechselt er seinen Namen und heisst Etesias. Daher hüte dich vor ihm, wenn es kalt wird ; und so sehr man auch vor dem Nordostwinde warnt, so ist der Nordwind doch noch verderblicher. Gegen diesen müssen die Weinbaumgärteu und Weinberge in Asien, Griechenland, Spanien, an der italienischen Küste, in Campanien und Apulien liegen. Wer gern männliche Zucht haben will, der weide das Vieh gegen diesen Wind, damit ihn dasselbe cinathme. Vom Winteruntergange her wehet dem Aquilo ') Aquilo. -) Afrious 414 Achtzehntes Buch, entgegen der Africus, welchen die Griechen Liba nennen. Wenn sich das Vieh beim Begatten gegen ihn wendet, so wirft es lauter Weibchen. Die dritte von Norden her gehende Linie, welche wir der Breite nach durch den Schatten gezogen und die grosse genannt haben, hält die Richtung des Aequinoctial-Aufganges, und bezeichnet den Ostwind ^), den die Griechen Apeliotes nennen. In gesunden Gegenden müssen ihn die Landhäuser und Weinberge im Angesicht haben. Er bringt gern Regen, doch ist der Westwind 2), welcher ihm entgegen weht, und der bei den Griechen Zephyr heisst, trockner. Nach Cato sollen die Oelbaumpflanzungen gegen den letztern gerichtet sein. Er bringt den Frühling, öffnet das Erdreich und ist seiner milden Kälte wegen gesund. Sobald er wehet, darf man die Weinstöcke beschneiden, die Feldfrüchte besorgen, die Bäume pflanzen, die Obstbäume pfropfen, die Oelbäume ausputzen, und er wird einen nährenden Einfluss ausüben. Die vierte Linie, von Norden an gezählt, welche von Morgen her dem Südwinde zunächst liegt, bezeichnet den Winteraufgang und den Südostwind 3) , bei den Griechen Eurus genannt, der trockner und wärmer ist. Die Bienen- stöcke und Weinberge in Italien und Gallien sollen nach ihm gerichtet sein. Dem Südostwinde entgegen wehet vom Solstitial-Untergange und der westlichen Seite des Nordens her der Nordwestwind ^), bei den Griechen Argestes ge- nannt, welcher gleichwie alle von Norden her wehenden, sehr kalt ist. Er bringt Hagel, und man muss sich vor ihm ebenso hüten wie vor dem Nordwinde. Wenn der Südostwind aus einer heitern Himmelsgegend wehet, so dauert er nicht bis zur Nacht; der Ostwind hingegen hält bis über die Hälfte der Nacht aus. Sobald ein Wind, gleichviel welcher, heiss ist, dauert er mehrere Tage hin- durch. Der Nordostwind wird durch das plötzliche Trocken- •) Subsolanus ^) Favonius. ^) Vulturnus. *) Corus. Achtzehntes Buch. 41; werden des Erdreichs, und der Südwind durch Feuchtwerden von unsichtbarem Thau vorher verkündigt i). 78. Nachdem nun die Winde abgehandelt sind, wollen wir,^ um nicht oft ein und dasselbe zu sagen, zu den übrigen Voranzeigen der Witterung übergehen, weil ich finde,^ dass Virgil sehr darauf gehalten hat, denn er sagt, selbst in der Erndte lieferten die Winde dem Unkundigen oft ge- fährliche Treffen. Man erzählt, der (bereits genannte) De- mocritus habe seinen Bruder Damasus, welcher in der brennendsten Hitze einerndtete, gebeten, das übrige Ge- treide stehen zu lassen und das bereits geschnittene schnell unter Dach zu bringen, und wenige Stunden später habe ein heftiger Platzregen seine Weissagung bestättigt. Man . soll sogar das Rohr nur säen, wenn Regen drohet, und das Getreide nach dem Regen. Wir wollen daher diesen Ge- genstand, der allerdings genau erforscht zu werden ver- dient, hier kurz behandeln. *) Zur leichtern Uebersicht der Winde setzen wir hier eine Wind- rose mit den Namen der in diesem Capitel abgehandelten Winde her. ^ o • Corus (Argestes) v / Aquilo (Caecias) Favonius \ / ^ Subsolanus (Zephyrus) / \ (Apeliotes) Africus / (Liba) 'S o > ^ Vulturnus (Eurus) 416 Achtzehntes Buch. Zuerst die Voranzeigen von der Sonne. Geht sie rein und feurig auf, so verkündet sie einen heitern Tag, ist sie blass, einen stürmischen Hagel. Wenn sie den Tag vorher heiter unterging und ebenso wieder aufgeht, kann man um so sicherer auf schönes Wetter bauen. Wenn sie hohl aufgeht, zeigt sie Regen an, ebenso wenn unter rothen Wolken schwarze sind, und Winde, wenn die Wol- ken vor ihrem Aufgänge roth werden. Wenn ihre Strahlen beim Auf- und Untergange roth sind, wird viel Regen fallen. Wenn die um ihr stehenden Wolken beim Untergange roth sind, wird der folgende Tag heiter sein. Stehen beim Auf- gange die Wolken gegen Süden und Nordost zerstreuet, so kündigen diese, wenn auch der Himmel um sie herum klar ist, Regen und Wind an. Wenn die Strahlen beim Auf- und Untergange kurz erscheinen, erfolgt Regen. Regnet es bei ihrem Untergange, oder ziehen die Strahlen Wolken an, so bedeutet diess ungestümes Wetter am folgenden Tage. Wenn die Strahlen beim Aufgange, auch ohne von Wolken umgeben zu sein, nicht schimmernd hervorbrechen, so kündigen sie Regen an. Wenn sich die Wolken vor dem Aufgange haufenweise vereinigen, so prophezeien sie einen rauhen Winter; werden sie aber von Morgen gegen Abend getrieben, heiteres Wetter. Wenn die Wolken die Sonne einschliessen, so wird die Witterung um so stürmi- scher, je weniger Licht sie durchlassen; ist aber der sie umgebende Kreis doppelt, um so heftiger. Findet solches beim Aufgange Statt, und sind dabei die Wolken zugleich roth, so darf man des heftigsten Sturmes gewärtig sein. Umgeben sie die Wolken nicht, sondern stehen sie über ihr, so zeigen sie, welcher Wind auch wehen mag, dasselbe an. Kommen sie von Süden, bedeuten sie Regen. Wenn die aufgehende Sonne mit einem Kreise umgeben ist, so darf man von der Seite, wo er sich öffnet, Wind erwarten ; vertheilt sich aber der Kreis gleichmäsbig, so erfolgt heite- res Wetter. Wenn die Sonne beim Aufgange ihre Strahlen weit durch die Wolken schickt, aber mitten frei davon ist, so zeigt diess Regen an; wem sich vor dem Aufgange Achtzehntes Buch. 417 "Strahlen zeigen, Nässe und Wind. Steht beim Untergange ein weisser Kreis um dieselbe, so tritt in der Nacht gelin- der Sturm ein; ist Nebel vorhanden, so wird der Sturm heftiger; scheint die Sonne durch denselben, so giebt es Wind. Ist der Kreis schwarz, so kommt starker Wind da- her, wo derselbe sich öflfnet. 79. Mit Recht lassen wir hierauf zunächst die Voranzei- gen des Mondes folgen. Den vierten Tag desselben be- rücksichtigt man am meisten in Aegypten. Wenn er mit reinem Glänze aufgeht und hell scheint, so verkündigt er heiteres Wetter; ist er röthlich. Wind; ist er schwarz, so vermuthet man Regen. Am fünften Tage deuten seine stumpfen Ausläufer (Enden) Regen an; sind dieselben hoch- gerichtet und spitz, stets Wind, doch meistens am 4. Ist seine nördliche Spitze scharf und starr, erfolgt Nordwind; ist die untere Spitze so beschaffen, wird Südwind kommen, und stehen sie beide gerade, gewärtigt man eine windige Nacht. Umgiebt ihn am 4. Tage ein röthlicher Kreis, so kündigt er Wind und Platzregen an. Varro sagt folgendes hierüber: Wenn der Mond am 4. Tage gerade steht, so deutet er auf grossen Seesturm, ausgenommen, wenn ihn ein klarer Kranz umgiebt, denn diess zeigt an, dass es vor dem Vollmonde nicht stürmt. Ist er im Vollmonde zur Hälfte klar, so folgen heitere Tage; ist er roth, Winde, und ist er schwarz, Regen. Schliesst sein dunkler Kreis eine Wolke ein, so erfolgt Wind, und zwar daher, wo jene sich bricht; umgeben ihn 2 Kreise, grosser Sturm, und noch grösserer, wenn 3 Kreise vorhanden, oder wenn sie schwarz, unterbrochen und zerrissen sind. Wenn der zunehmende Mond mit der obern verdunkelten Spitze aufgeht, bringt er beim Abnehmen Regen; findet diess an der untern Spitze Statt, so regnet es vor dem Vollmonde, und ist er in der Mitte schwarz, während des Vollmondes. Wenn der Voll- mond einen Kreis (Hof) um sich hat, bekommen wir Wind von der Seite, wo er am meisten glänzt. Sind beim Auf- gange die Spitzen dick, so stellt sich höchst rauhe Witte- Wittstein: Plinius. m. Bd. 27 418 Achtzehntes Buch. rung ein. Wenn er vor dem 4. Tage nicht zum Vorschein kommt, und der Westwind wehet, wird es den ganzen Monat hindurch kalt sein. Wenn er am 16. Tage feurig ist, kündigt er rauhe Witterung an. Auch hat der Mond selbst 8 Knoten i) ; er bildet nämlich mit der Sonne eben- soviele Winkel, und die Meisten beobachten seine Vorbe- deutungen nur innerhalb derselben, d. h. am 3., 7., IL, 15., 19., 23., 27. Tage und im Neumonde. 80. Den dritten Rang muss die Beobachtung der Sterne einnehmen. Sie scheinen zuweilen hin und her zu laufen, und bald darauf kommt Wind. Sie geben in dieser Beziehung; folgende Anzeigen: Wenn der ganze Himmel in den bereits genannten Zeitabschnitten gleichmässig glänzt, wird der Herbst heiter und kalt sein. Wenn der Frühling und Herbst etwas nass waren, machen sie den Herbst heiter, kräftig und minder windig. Einem heitern Herbste folgt ein windiger Winter. Wenn der Glanz der Sterne plötz- lich, und weder durch Wolken noch durch Finsterniss ver- dunkelt wird, erfolgt Regen und schweres Ungewitter. Wenn viele Sterne umherzufliegen scheinen, kündigen sie Wind aus derjenigen Gegend an, wohin sie mit weissem Lichte ziehen; wenn sie oft hin und her laufen, bestimmte^ wenn diess von vielen Seiten her geschieht, unbeständige Winde. Wird irgend ein Irrstern von Kreisen eingeschlos- sen, so entsteht Regen. Im Zeichen des Krebses befinden sich 2 Sterne, genannt die Eselchen, zwischen welchen ein dunkler Fleck ^j, die sogenannte Krippe, einen sehr kleinen Raum einnimmt; wird diese bei heiterm Himmel unsichtbar, so bekommen wir einen strengen Winter. Wenn der eine von diesen Sternen, der gegen Osten steht ver- dunkelt wird, tobt der Südwind; verdeckt sich der südliche, so stürmt der Nordostwind. Ein doppelter Regenbogen be- deutet Regen; nach dem Regen, nicht immer dauernde *) articuli, Zeitabschnitte. *) nubecula. Achtzehntes Buch. 419 Heiterkeit. Neue Kreise um gewisse Sterne kündigen Kegen an. 81. Wenn es im Sommer heftiger donnert als blitzt, so entsteht Wind, und zwar aus der Gegend woher der Schall kommt; ist hingegen der Donner schwächer, Regen. Wenn es bei heiterem Himmel blitzt und donnert, so wird Sturm eintreten, und dieser am heftigsten sein, wenn es in allen 4 Weltgegenden blitzt. Geschieht es bloss in Nordost, so regnet es den folgenden Tag; in Norden, so deutet es die- sen Wind an. Hat es im Süden, Westen oder Nordwesten bei heiterer Nacht geblitzt, so erfolgt aus der betreffenden Gegend her Wind und Regen. Donner des Morgens be- deutet Wind, des Mittags Regen. 82. Von wo bei heiterm Himmel die Wolken kommen, ist Wind zu erwarten: häufen sie sich daselbst, so werden sie sich bei Annäherung der Sonne zerstreuen. Geschieht diess in Nordost, so stellt sich Wind, im Süden Regen ein. Wenn beim Untergange der Sonne die Wolken von beiden Seiten des Himmels emporsteigen, entsteht Sturm. Ziehen schwarze Wolken von Osten heftig her, regnet es in der Nacht, und von Westen, den folgenden Tag. Wenn sich die Wolken, gleich der Schafwolle, von Osten her zerstreuen, fallt den dritten Tag nachher Regen. Senken sich die Wolken auf die Gipfel der Berge, wird es winterlich; er- scheinen aber diese wieder klar, erfolgt Heiterkeit. Er- scheint eine schwere weisse Wolke, welche man mit dem Namen weisses Ungewitter bezeichnet, so drohet Hagel. Entsteht ein noch so kleines Wölkchen an dem übrigens heitern Himmel, darf man auf stürmischen Wind rechnen. 83. Nebel, der von den Bergen herabsteigt oder vom Himmel fällt oder sich in Thäler lagert, verspricht heiteres Wetter. 84. Nächst diesen ist das irdische Feuer am bezeichnet- 27* 420 Achtzehntes Buch. sten für die Witterung. Brennt es nämlich blass und ge- räuschvoll, so deutet es auf Sturm. Regen zeigen auch die Dochte in den Lampen an; wenn die Flamme hin und her fliegt, auch wenn die Lichter Flammen aussprühen und sich mit Mühe anzünden lassen, kommt Wind. Ferner, wenn die daran hängenden Funken sich häufen, oder, wenn man einen Topf vom Feuer nimmt und es bleibt eine Kohle daran hängen; oder, wenn bedecktes Feuer glühende Asche ausstreuet oder Funken aussprühet; oder, wenn die Asche auf dem Herde zusammenbackt, und die Kohlen stark leuchten. 85. Auch das Wässer hat seine Bedeutung. Wenn das Meer nach dem Einlaufen in den Hafen ruhig steht und in sich murmelt, kündigt es Wind au. Geschieht es öfter, so erfolgt Sturm und Regen. Wenn die Küsten und Ufer bei ruhigem Wetter rauschen, so wird heftiger Sturm ein- treten; ebenso, wenn bei ruhigem Wetter das Meer rauscht, der Schaum sich weit zerstreuet oder das Wasser Blasen wirft. Wenn sich die sogenannten Seelungeu auf dem Meere zeigen, ist mehrere Tage lang anhaltendes ungestümes Wetter die Folge davon. Oft schwillt auch das Meer in der Ruhe an und zeigt dann durch das ungewöhnliche hohe Aufblähen, dass schon Wind in ihm enthalten ist. 86. Selbst das Geräusch in den Bergen, und das Getöse in den Wäldern sind weissagend; desgleichen das ohne merklichen Luftzug spielende Laub, die herumfliegende Wolle des Pappelbaums oder Dornstrauchs, und Federn, welche auf dem Wasser schwimmen. Sogar auf den Fel- dern verkündigt ein eignes Krachen (Reissen) einen heran- nahenden Sturm. Auch giebt das Summen in der Luft eine bestimmte Anzeige. 87. Auch Thiere prophezeien die Witterung. Wenn die Delphine bei ruhiger See umherspringen, deuten sie Wind von der Seite an, von welcher sie kommen; wenn sie bei stürmischer See Wasser umher spritzen, ruhiges Wetter. Achtzehntes Buch. 421 Wenn der Tintefisch springt, die Muscheln sich festhängen, die Seeigel sich ansaugen oder sich in Sand einscharren, tritt Sturm ein. Dasselbe erfolgt, wenn die Frösche unge- wöhnlich laut quaken, und die Blässhühner ^) des Morgens schreien. Wenn die Taucher und Enten niit dem Schnabel ihre Federn putzen, die übrigen Wasservögel sich schaaren- weise versammeln, die Kraniche auf das feste Land eilen, die Taucher das Meer oder die Teiche verlassen, kommt Wind. Wenn die Kraniche ruhig empor fliegen, tritt heiteres Wetter ein; ebenso, wenn die Nachteule beim Regen schreiet; thut sie diess aber bei schönem Wetter, so wird es stür- misch. Wenn die Raben beim Schreien gleichsam schluch- zen, und sich anhaltend schlagen, zeigen sie Wind an; wenn sie aber theilw eise .die Stimme an sich halten, Wind und Regen. Wenn die Krähen von ihrer Nahrung spät zurückkehren, tritt stürmisches Wetter ein. Desgleichen wenn die weissen Vögel sich versammeln, die Landvögel, vorzüglich die Krähen, gegen das Wasser gerichtet schreien und sich begiessen; auch wenn die Schwalben so nahe über dem Wasser hinfliegen, dass ihre Flügel zuweilen hin- durch schlagen. Ferner, wenn die auf den Bäumen leben- den Vögel in ihre Nester eilen, die Gänse zur ungewöhn- lichen Zeit fortwährend schnattern, und der Reiher mitten auf sandigem Boden traurig steht. 88. Es ist kein Wunder, dass Wasserthiere oder Vögel überhaupt die bevorstehenden Ereignisse in der Luft fühlen. Aber auch sogar das Hornvieh kündigt durch Springen und ungestüme Lustigkeit die Witterung an. Die Ochsen, wenn sie gegen den Himmel an schnauben und sich den Haaren entgegen lecken; die hässlichen Schweine, wenn sie die sonst unbeachteten Heubündel auseinanderzerren; die Ameisen, wenn sie träge und gegen ihren sonstigen ') fulicae. 422 Achtzehntes Buch. Fleiss, sich verbergen oder zusammenlaufen oder ihre Eier forttragen; die Erdwürmer, wenn sie hervorbrechen. 89. Es ist Thatsache, dass auch der Klee emporstarrt, und seine Blätter gegen den Sturm aufrichtet. 90. Bei unsern Gastmählern und auf unsern Tischen kün- digen die Gefässe in denen die Speisen aufgetragen wer- den, wenn sie auf ihren Gestellen Feuchtigkeit zurücklassen,, heftigen Sturm und Regen an. Neunzehntes Euch. Von dem Leine und der Cultur der Gartengewächse. 1. So haben wir denn auch das Verhalten der Gestirne •nnd der Witterung auf eine, selbst für die Unkundigen klare und leichtfassliche Weise auseinandergesetzt und gezeigt, dass dem Verständigen nicht weniger das Feld dazu dient, den Himmel zu erforschen, als dem Ackerbau die Sternkunde Nutzen schafft. Die meisten Schriftsteller sind nächst diesem auf den Gartenbau übergegangen; allein diess scheint mir etwas zu voreilig. Ich wundere mich selbst, dass Einige aus wissenschaftlichem Eifer, um den Ruhm ihrer Gelehrsamkeit daraus zu schöpfen, so Vie- les nicht berücksichtigt, so viele von selbst und durch Pflege emporwachsende Pflanzen unerwähnt gelassen habeu, da doch mehrere unter ihnen, ihres Werthes und ihres Gebrauches im Leben wegen, noch höher geschätzt werden als das Getreide. Und um sogleich mit den anerkannt nützlichen, welche sich nicht nur über alle Länder, sondern auch über die Meere verbreitet haben, zu beginnen — man bauet Lein'), ein Gewächs, was weder zu den Getreide- arten noch zu den Gartenpflanzen gezählt werden kann. Wo im Leben trifft man nicht den Flachs an? Wo giebt es ein grösseres Wunder, als, dass ein Kraut es ist, wel- ches Aegypten Italien nahe bringt, so zwar, dass Galerius *) Linum. Linum usitatissimum L., Flachs. 424 Neunzehntes Buch. aus der Meerenge von Sieilien am 7. Tage, Babilius ams 6. (Beide waren Feldherren), im letzten Sommer aber Va- lerius Marianus, einer von den früher das Amt eines Prä- tors bekleidenden Senatoren, von Puteoli bei sehr gelinden Winde am neunten Tage nach Alexandrien kam? Ein Kraut, welches Gades an den Säulen des Herkules am 7. Tage, das diesseitige Spanien am 4., die narbonensische Provinz am 3. und Afrika am 2. nach Ostia bringt, was C. Flavius, oberstem Amtsgehülfen des Proconsul Vibius Crispus glückte? Ob, verwegene, gottlose Menschheit, die etwas säet, um Wind und Sturm aufzufangen, der es nicht genügt, durch die Wellen allein fortgebracht zu werden. Schon reichen die Schiffe an Grösse übertreffenden Segel nicht mehr aus, denn obgleich ganze Bäume für die Länge der Segelstangen dienen, spannt man dennoch über diese noch andere Segel, ausserdem welche am Vorder- und Hin- tertheil auf, und lockt so auf mehrfache Weise den Tod herbei. Endlich muss man bewundern, dass das, was über den Erdkreis, bald hier bald dahin führt, aus einem so kleinen Samen entsteht, einen so schwachen Halm hat, und sich nur wenig über die Erde erhebt; dass es nicht ursprünglich diese Kraft besitzt, sondern erst durch Brechen, Stossen und Verwandeln in eine weiche Wolle, kurz durch Gewalt und ungeheuere Kühnheit, dahin gebracht wird. Keine Verwünschung gegen den Erfinder, welchen wir ge- hörigen Orts genannt haben, kann gross genug sein, denn ihm war es nicht hinreichend, dass der Mensch auf dem Lande sterbe, nein, auch unbegraben sollte er vergehen. Im vorigen Buche riethen wir, der Feldfrüchte und anderer Nahrungsmittel wegen sich vor Regen und Wind zu hüten, und siehe, jetzt säet des Menschen Hand und erndtet sein Witz das, was sich auf dem Meere den Wind wünscht. Doch, damit wir inne werden die Strafen zu fürchten, wächst nichts leichter; damit wir erfahren, es geschehe wider Wil- len der Natur, so saugt es den Acker aus, und verdirbt- den Boden. Neunzehntes Buch. 425^ 2. Der Lein wird meistentheils an sandigen Orten, und in eine Furche gesäet, und wächst schneller als alle an- dern Pflanzen. Im Frühjahre gesäet, reisst man ihn im Sommer aus, und diess ist gleichfalls ein Uebel, welches dem Erdreich widerfährt. Doch möchte sein Anbau Aegyp- ten noch verziehen werden, weil es die Waaren Arabiens und Indiens einführt; aber schätzt man nicht auch Gallien nach solchen Einkünften? Ist es nicht genug, dass dem Meere Berge entgegengesetzt sind, und dass nach der Seite des Oceans hin die sogenannte Leere sich befindet? Die Cadurcer, Caleter, Rutener, Bituriger und die für die ent- ferntesten Menschen gehaltenen Moriner, ja sogar ganz Gallien webt Segel. Schon sind unsere Feinde jenseits des Rheins vertraut damit, und ihre Frauen kennen keinen schönern Stoff zu Kleidern. Mir fällt bei dieser Gelegen- heit die Bemerkung M. Varro's ein, in der Familie der Se- raner sei es eingeführt, dass die Frauen keine leinenen Kleider tragen. In Deutschland verrichtet man diese Ar- beit in tief in die Erde gegrabenen Räumen; desgleichen in Italien in der allianischen Landschaft zwischen den Flüssen Po und Ticino, deren Lein unter allen europäischen den dritten Rang nach Setabis hat, während das dem Allia- nischen nahe Retovinische, und das Faventinische an der ämilischen Strasse den zweiten Rang einnimmt. Hinsicht- lieh der Weisse wird der faventinische Flachs dem allia- nischen stets vorgezogen; der retovinische ist am zartesten und dichtesten, ebenso weiss als der faventinische, aber nicht wollig, um deretwillen er dem Einen gefällt, dem Andern nicht. Der Faden ist stark und gleichartiger, fast so wie die Spinngewebe, und klingt, wenn man ihn zwi- schen den Zähnen versucht; sein Preis beträgt daher dop- pelt so viel als der der übrigen. Auch der Flachs im diesseitigen Spanien hat einen ausgezeichneten Glanz, welchen er durch Waschen in dem bei Tarragona vorbeifliessenden Strome erhält; er ist ferner höchst fein, und eben dort erfand man zuerst die feinen -426 Neunzehntes Buch. Gewebe, welche Carbasa beissen. Erst unlängst kam aus demselben Spanien der zölische nach Italien, welcher sich zu Jägernetzen sehr gut eignet. Die Stadt Zoelae liegt in Gallizien nicht weit vom Meere. Auch der cuma- nische in Campanien ist wegen seiner Anwendung zu Fisch-, Vogel- und andern Jagdnetzen berühmt, denn wir legen nicht minder allen Thieren wie uns selbst mit dem Leine Fallen. Mit den cumanischen Netzen fängt man sogar wilde Schweine, sie sind besser als Jägergarn i) und Schwer- ter, und ich habe sie schon so fein gesehen, dass sie sammt den Schnüren durch eines Menschen King gezogen werden konnten, und dass ein Mann so viele trug, um ein ganzes Revier damit zu umziehen. Ja, was noch merk- würdiger ist, ein einzelner Faden bestand aus 150 andern, von welcher Art diejenigen des Julius Lupus, der als Statthalter von Aegypten starb, waren. Doch darüber werden sich nur die wundern, welche nicht wissen, dass in einem Tempel der Minerva auf der Insel Rhodus ein Brustkleid des ehemaligen aegyptischen Königs Amasis ge- eigt wird, dessen Fäden 365 dräthig sind. Mucianus, der 3 mal Consul war, theilte uns neulich die Nachricht in Rom nebst dem Zusätze mit, dass er sich selbst davon überzeugt habe, und dass in Folge der Verletzungen, welche durch ähnliche Untersuchungen entstanden, nur noch we- nige Ueberbleibsel davon vorhanden seien. Noch einen brauchbaren Flachs giebt es in Italien und bei den Peli- gnern, dessen sich aber nur die Walker bedienen, und der -die übrigen Sorten an Weisse und Wolligkeit übertrifft. Der cadurcische wird vornehmlich zu Polstern angewandt, welche nebst den Stopfwerken von den Galliern erfunden sind. In Italien nennt man noch jetzt die Matratzen so. Der ägyptische Flachs besitzt am wenigsten Festigkeit, bringt aber den meisten Gewinn. Es giebt dort 4 Arten, der tanitische, pelusische, butische und tentyritische, welche Namen von den Distrikten, wo sie wachsen, hergeleitet *) casses. Neunzehntes Buch. 427 sind. In Ober-Aegypten, gegen Arabien hin wächst ein Strauch, welchen Einige Gossypioni), Andere Xylon und daher die davon bereiteten Gewebe, xylina nennen; er ist klein und trägt eine der Bartnuss ähnliche Frucht, in deren Innern sich die Baumwolle befindet, welche gleich der Wolle gesponnen wird. Sie übertrifft an Weisse und Weich- heit alle übrigen Arten. Die daraus bereiteten Kleider lieben die ägyptischen Priester ganz besonders. Die vierte Art heisst die orchomenische, und wird aus einem rohrartigen Sumpfgewächs, doch nur aus dessen Blüthenbüschel darge- stellt. In Asien bereitet man aus der Geniste, durch 10 tägiges Einweichen des Strauches, Flachs, der sich beson- ders zu Netzen für den Fischfang eignet, in Aethiopien und Indien von Apfelbäumen, in Arabien aus Kürbissen, welche, wie wir gesagt haben, auf Bäumen wachsen. 3. Die Reife des Flachses erkennt man bei uns auf zweifache Weise, an dem Anschwellen des Samens und an dem Gelb werden. Alsdann wird er ausgerissen und in Handbüschel gebunden an der Sonne getrocknet, indem man ihn am ersten Tage mit den Wurzeln nach Oben ge- richtet aufhängt, an den folgenden 5 Tagen aber so, dass die Spitzen der Büschel gegen einander zugekehrt sind, damit der Same in die Mitte falle. Letzterer hat medici- nische Kräfte, und in Italien jenseits des Po bereitet man daraus bei den Landleuten eine süsse Speise, die aber schon längst bloss noch bei Opfern gebräuchlich ist. Hier- auf taucht man nach der Weizenerndte die Bündel selbst in Wasser, was durch die Sonne lau geworden ist, und beschwert sie mit Gewichten, denn nichts ist leichter als diese Stengel. Den Zeitpunkt, wo er hinreichend einge- weicht ist, erkennt man an dem Ablösen der Oberhaut; man wendet ihn dann wieder um, trocknet ihn wie vorher an der Sonne, dörrt ihn dann noch auf Steinen und schlägt 1) Bombax gossypinus L. und auch wohl Gossypium arboreum L. 428 Neunzehntes Buch. ihn mit dem Flachsbläuel. Was zunächst unter der Ober- haut liegt, heisst Werg, ist schlechter als Flachs, eignet sich aber sehr gut zu Lampendochten. Man hechelt ihn auch, um alle äussere Haut davon zu entfernen. Das Mark ist hinsichtlich der Weisse und Weichheit sehr verschieden. Flachs zu spinnen, geziemt auch den Männern. Die ent- fernte Oberhaut (die Schabe) lässt sich in Back- und an- dern Oefen nützlich verwenden. Es ist eine Kunst gut zu hecheln und zuzurichten; aus 50 Pfund Leinbiindeln müssen 15 Pfund gekrämpelt werden. Das Garn wird noch einmal geglättet, indem man es anfeuchtet und wiederholt auf Steine schlägt; auch die Leinwand wird wiederum mit Hämmern geklopft, und durch dergleichen gewaltsame Be- handlung verbessert sie sich immer mehr. 4. Man hat auch Flachs entdeckt, welcher durch Feuer nicht verzehrt wird; er heisst der lebendige, und ich habe daraus bereitete Tischtücher gesehen, welche bei Gastmählern auf dem Heerde brannten, und nachdem der Schmutz verzehrt war, sauberer waren, als das Wasser sie gemacht haben würde. Man verfertigt daraus Kleider für die Leichname der Könige, um die Asche derselben von der übrigen getrennt zu erhalten. Dieser unverbrennliche Flachs kommt in den von der Sonne ausgebrannten Wüsten In- diens, wo kein Regen fällt, in der Nähe scheusslicher Schlan- gen vor, und ist es gewohnt, im Feuer nicht zu vergehen; findet sich aber selten, und lässt sich wegen seiner Kürze schwer weben (spinnen). Seine von Natur röthliche Farbe wird im Feuer weiss. Anfangs stand er mit den besten Perlen in gleichem Preise. Die Griechen nennen ihm seiner Eigenschaft wegen, Asbest i). Anaxilaus^) giebt an, wenn ein Baum damit damit umbunden und dann ge- *) asbestinum (sc. linum)von « und qßevvv/xi auslöschen, vertilgen.. Daher, unzerstörbarer Flachs. ^) Von Larissa, Neupythagoräer, beschäftigte sich viel ruit Magie; wurde, der Zauberei verklagt, von Augustus aus Rom ver- bannt. Neunzehntes Buch. 429 •fällt würde, so klängen die Hiebe so schwach, dass man sie gar nicht höre. Diese Leinwand wird daher überall jeder andern vorgezogen. Auf sie folgen zunächst die baumwollenen Zeuge ^), diese Lieblinge der Weiber, wozu Elis in Achaja das Material liefert, und wovon, wie ich finde, 1 Scrupel zu 4 Denaren, also dem Golde gleich, verkauft worden ist. Scharpie von Leinwand, besonders von den Segeln der Seeschiffe, wird viel in der Medicin gebraucht, und ihre Asche wirkt so kräftig wie Spodium 2). Es giebt eine Art Mohn, wodurch der Leinwand ein vor- züglicher Glanz ertheilt wird. 5. Man hat versucht, Flachs zu färben, um ihm die Pracht der Kleider zu geben. Diess geschah zuerst auf der Flotte Alexanders des Grossen, als er auf dem Indus fuhr, wo die vornehmsten Befehlshaber in einem gewissen Kampfe die Flaggen wechselten, und der Wind verschieden- farbige Segel anschwellte, worüber die Bewohner der Ufer in Staunen geriethen. Mit einem purpurfarbenen Segel kam Cleopatra mit M. Antonius nach Actium, und mit ebendemselben entfloh sie. Ein solches Segel war das Abzeichen des Admiralschiffes. 6. Später hat man bloss in den Theatern (mit Vorhän- gen) Schatten gemacht, was Q. Catulus bei der Einweihung des Capitoliums zuerst einführte. Hierauf soll zuerst Len- tulus Spinther carbasanische Vorhänge bei den apollina- rischen Spielen im Theater aufgehängt haben. Bald nach- her tiberzog der Dictator Cäsar das ganze Forum Roma- 11 um und den heiligen Weg von seinem Hause an bis zum capitohnischen Hügel (mit Leinwand), und diess soll sich merkwürdiger ausgenommen haben, als die Fechterspiele selbst. Darnach hat Marcellus, der Sohn der Octavia, einer Schwester des Augustus, während seines Aedilamtes, ') byssinum. •■') S. XXXIV. B. 34. und 52. Cap. 430 Neunzehntes Buch. und ohne Spiele zu halten, zur Zeit als sein Onkel zum elften Male Consul war, am 1. August das Forum mit Leinwand überschattet, damit die streitenden Personen ge- schützter ständen. Wie haben sich doch die Gebräuche geändert! denn der Censor Cato rieth, das Forum mit spitzigen Muscheln zu bestreuen ^). Kürzlich wurden im Amphitheater des Kaisers Nero himmelblaue gestirnte Segeltlicher über die Seile gezogen. Im Innern der Häuser sind sie von rother Farbe, und halten die Fliegen gegen die Sonnenseite hin ab. Uebrigeus behielt die weisse Leinwand doch stets den Vorzug. Schon im trojanischen Kriege stand die Leinwand im Ansehn, und warum sollte sie auch nicht ebenso gut in Schlachten wie bei Schiffbrüchen sein? Jedoch sollen damals, wie Homer bezeugt, nur Wenige in leinenen Wämm- sen gefochten haben. Gelehrtere Männer behaupten, schon damals sei das Tau- und Segelwerk der Schiffe aus Flachs gemacht gewesen, denn was Homer sparta nenne, be- zeichne den Lein. 7. Mehrere Jahrhunderte später, und nicht vor Beginn der Kriege mit den Carthaginiensern, welche zuerst in Spanien einfielen, fing der Gebrauch des Spartum^) an. Diess ist ein wildes Gewächs, welches nicht gesäet werden kann, eine Art Binse, wächst auf trocknem Boden und ge- reicht diesem zum Verderben, denn in solcher Erde kommt weiter nichts fort. Das, was in Afrika wächst, ist klein und untauglich. In dem Gebiete von Carthago, im dies- seitigen Spanien, bedeckt das Spartum ganze Berge. Aus ihm bereiten sich die dortigen Bauern ihre Betten, Lampen- dochte, Fackeln, Schuhe und die Hirten ihre Kleider; den Thieren ist sein Genuss, mit Ausnahme der zarten Gipfel, schädlich. Zu den übrigen Anwendungen wird es ausge- •) Damit das Volk vom Forum und dadurch von Zank und Streit abgehalten würde. 2) Spartium junceum L. Neunzehntes Buch. 431 rissen, was viele Mühe kostet, und man bedeckt bei dieser Arbeit die Füsse mit Stiefeln, die Hände mit Handschuhen, und wickelt es mit leinenen und hölzernen Werkzeugen zusammen. Jetzt geschiebt diess kurz vor dem Winter, am leichtesten aber von der Mitte des Mai bis zur Mitte des Juni, um welche Zeit es reif ist. 8. Nachdem es ausgerauft ist, lässt man es in Bündeln 2 Tage lang auf einem Haufen gähren, am dritten wird es wieder aufgebunden, ausgestreuet, an der Sonne getrocknet und abermals eingebunden unter Dach gebracht. Hierauf wird es am besten in Seewasser, oder auch, in Ermange- lung dessen, in süssem Wasser eingeweicht, an der Sonne getrocknet, und wiederum benetzt. Wenn man Eile hat, kann die Arbeit dadurch beschleunigt werden, dass man es in einem Kübel mit warmem Wasser anbrühet und stehend trocknen lässt. Zuletzt wird es noch gebrochen, und ist dann zur Anwendung vorbereitet. Die daraus verfertigten Stricke u. s. w. zeigen sich besonders dauerhaft in süssem und Seewasser, während man im Trocknen die Seile von Hanf vorzieht. Das Spartum verbessert sich sogar im Wasser, gleichsam als wollte es sich für die Dürre seines Standorts entschädigen. Es lässt sich auch ausbessern, und man kann nach Belieben altes mit neuem vermischen. Um zur Bewunderung hingerissen zu werden, bedenke man, wie viel von dieser Pflanze in allen Ländern, auf den aus- gerüsteten Schiffen, an den Baugerüsten und zu andern Lebensbedürfnissen in Gebrauch ist, und dass alles, was hierzu erfordert wird, auf einem Terrain wächst, welches sich von der Küste bei Neu-Carthago an kaum 30,00J Schritte weit ins Land erstreckt, und dessen Breite 100 Schritte weniger beträgt. Es wird nicht ausgeführt, weil die Unkosten zu bedeutend sind. 9. Dass sich die Griechen dieser Binse zur Verfertigung von Stricken bedient haben, erhellt aus dem Namen, wo- -432 Neunzehntes Buch. mit sie dieselbe benennen i); gewiss ist aber, däss sie sich nachher der Palmenblätter und des Lindenbastes be- dienten, und sehr wahrscheinlich führten die Carthager von dort den Gebrauch des Spartum ein. 10. Nach Theophrasts Angabe wächst an den Ufern der Flüsse eine Zwiebelpflanze, zwischen deren äusserster Haut und demjenigen Theile, welcher gegessen wird, sich eine Art Wolle befindet, aus welcher Schuhe und Kleider gemacht werden. Allein er theilt in den Exemplaren, welche ich vorgefunden habe, weder den Namen der Län- der, wo diess geschieht, noch etwas Näheres darüber mit, ausser, dass die Pflanze Eriophoron 2) heisse; auch erwähnt er gar keiner andern ähnlichen, obgleich er, wie wir schon an einem andern Orte gesagt haben, 390 Jahre vor uns alles mit grösster Sorgfalt beschrieben hat, woraus her- vorgeht, dass erst nach jener Zeit das Spartum in An- wendung gekommen ist. IL Weil ich einmal von wunderbaren Dingen zu reden angefangen habe, will ich auch gleich darin fortfahren, und «agen, was wohl am seltsamsten scheint, dass es Pflan- zen giebt, die ohne Wurzel entstehen und leben. Sie heissen Trüffeln 3), sind allenthalben von Erde umgeben weder mit Fasern noch mit Haaren besetzt, die Erde, in welcher sie wachsen, zeigt weder Erhabenheiten noch Risse; sie selbst hängen nicht mit der Erde zusammen, werden auch von einer Hülle umschlossen, daher man sie nicht wohl Erde, sondern einen Auswuchs der Erde nennen kann. Sie wachsen fast immer an trocknen, sandigen und strauchichten Plätzen, erreichen oft die Grösse einer Quitte und die Schwere von 1 Pfund. Es giebt 2 Arten, eine ') TOCnaQVOv lieisst nämlich der Strick. 2) Gossypium herbaceum L. 3) tubera. Plinius versteht unter diesem Namen, ausser Tuber cibarium, ohne Zweifel auch mehre Boletus-Arten. Neunzehntes Buch. 433 Teine, und eine sandige, welche den Zähnen schadet; die röthliche, schwarze und innen weisse Farbe liefern die Unterscheidungsmerkmale. Die beste wächst in Afrika. Ob dieses Uebel der Erde (denn als etwas anderes kann Juan es nicht wohl betrachten) wirklich wächst, oder von Anfang an dieselbe kugelartige Ausdehnung hat, wie es später erscheint, ob es lebt oder nicht, ist meiner Meinung «ach schwer zu entscheiden. Die Eigenschaft zu faulen theilt es mit dem Holze. Ich weiss, dass dem Lartius Li- cinius, der Prätor gewesen war und zu Carthagena in Spa- nien Processe führte, als er vor einigen Jahren in eine Trüffel biss, ein darin steckender Denar die Vorderzähne krumm bog, und dieser Vorfall beweist offenbar, dass die Erde selbst solche runde Ballen bilde. So viel steht fest, -dass dergleichen Dinge entstehen und nicht gesäet werden können. 12. Ein ähnliches Gewächs, in der cyrenäischen Provinz IVIisyi) genannt, hat einen sehr angenehmen Geruch und Oeschmack und mehr Fleisch als jenes. In Thracien heisst es Iton, und in Griechenland Geranion. 13. Von den Trüffeln ist noch folgendes zu bemerken. Sie entstehen im Herbste nach häufigem Regen und Donner, oind besonders gleich nach Gewittern, werden nicht über 1 Jahr alt, und sind im Frühlinge am zartesten. In einigen Gegenden kommen sie nach Ueberschwemmungen zum Vorschein, so z. B. giebt es zu Mitylene keine, wenn der Keim dazu nicht von Tiara herab durch die Flüsse ange- ■schwemmt wird. Die besten findet man in Asien um Lamp- «acus und Alopeconnesus, und in Griechenland um Elis. 14. Zu den Pilzen gehören auch die bei den Griechen so genannten Pezicä^), welche weder Wurzel noch Stengel baben. ') Boletus suaveolens? 2) gr. nei,iat, unser Bovist (Lycoperdon Bovista). Wittstein: Pliniua. III. Bd. 28 434 Neunzehntes Buch. 15. Hiernächst verdient das so überaus berühmte Laser- pitiumi) genannt zu werden, welches bei den Griechen Silphion heisst; es wächst in der cyrenaischen Provinz, sein Saft, Laser 2) genannt, wird viel und mit vortrefflichem Erfolge in der Medicin angewandt, und mit Silberdenar en aufgewogen. Schon seit vielen Jahren findet man es nicht mehr in diesem Lande, weil die Pächter, welche die Weiden miethen, den Ertrag des Viehfutters höher schätzen, und. daher jene Pflanze vertilgen. So lange ich denken kann,, hat man nicht mehr als 1 Stock davon gefunden, welcher an den Kaiser Nero geschickt wurde. Wenn etwa das- Vieh auf eine solche keimende Pflanze stösst, so merkt man diess am Schafe daran, dass es, nachdem es davon gefressen, sogleich in Schlaf fällt, an der Ziege, dass sie niest. Schon seit langer Zeit wird bei uns kein anderer Laser eingeführt, als der in Persien, Medien und Armenien reichlich vorkommende, der an Güte aber dem cyrenaischen sehr nachsteht, auch mit Gummi, Sagapenum oder gestos- senen Bohnen verfälscht wird. Daher dürfen wir um sa weniger zu erwähnen unterlassen, dass unter dem Consu- late des C. Valerius und M. Herennius 30 Pfund Laser auf Staatskosten von Cyrene nach Rom gebracht wurden; ferner dass der Dictator Cäsar zu Anfange des Bürgerkriege» unter Gold und Silber 1500 Pfund Laser aus der Schatz- kammer brachte. Bei den glaubwürdigsten griechischen Schriftstellern finde ich aufgezeichnet, dass diess Gewächs durch plötzliche Benetzung der Erde mit einem pechartigen Regen in der Nähe der Gärten der Hesperiden und der grossen Syrte, 7 Jahre vor Erbauung der Stadt Cyrenae- welche im 143. Jahre Roms gegründet wurde, entstanden sei, und die Wirkung davon sich bis auf 4000 Stadien ins- 1) Thapsia Silphium Viv. *) Oder cyrenaischer Saft, während unter den Namen syrischer, medischer, persischer Laser, der Saft der Ferula asa foetida zu ver- atehen ist. Neunzehntes ßuch. 435 Land hinein erstreckt habe. Auf diesem Terrain wachse nur vorzüglich das Laserpitium ; es sei eine wilde und widerspenstige Pflanze; wolle man sie cultiviren, so flöhe sie in die Wüsten, ihre Wurzel sei gross und dick, der Stengel gertenartig oder ebenso dick, als der des Gerten- krauts. Die Blätter, welche denen des Eppichs sehr ähn- lich sind, hiessen Maspetum; vom Vieh genossen reinigen sie erst, machen dann bald fett, und ertheilen dem Fleische einen äusserst angenehmen Geschmack. Nachdem die Blätter abgefallen sind, werden die Stengel von den Men- schen gekocht, gebraten und gedämpft gegessen, und auch diese reinigen die ersten 40 Tage hindurch den Körper von jedem Uebel. Den Saft gewann man auf doppelte Weise, nämlich aus dem Stengel und der Wurzel, und nannte diese Rhizias, jenen Caulias. Der letztere war von geringerer Güte und ging leicht in Fäulniss über. Die Wurzel hat eine schwarze Rinde, welche zur Verfälschung der Waare dient. Der Saft selbst wurde in ein Gefäss ge- than, Kleie hinzugemischt, und durch öfteres Umarbeiten zur Reife gebracht; ohne diese Behandlung faule er gern. Die gehörige Reife erkannte man an der Farbe und der Trockenheit nach beendigtem Schwitzen. Einige sagen, die Wurzel des Laserpitium sei über 1 Cubitus lang ge- wesen, und habe oberhalb der Erde einen Knollen getragen; beim Ritzen des letztern sei ein milchähnlicher Saft heraus- geflossen, und hierauf der Stengel darüber emporgewachsen welcher Magydaris genannt wurde. Die goldgelben Blätter, welche nach dem Aufgange des Hundssterns beim Südwinde fielen, hätten die Function des Samens vertreten, aus ihnen sei gewöhnlich die Pflanze entstanden, und Wurzel und Stengel hätten sich in Jahresfrist vollkommen ausge- bildet. Man habe auch die Pflanzen gewöhnlich umgraben ; auf das Vieh hätten sie nicht eröffend gewirkt, sondern die kranken wären entweder davon genesen oder sogleich gestorben, was aber nur in wenigen Fällen geschehen sei. Die erstere Ansicht passt auf das persische Silphium. 28* 436 Neunzehntes Buch. 16. Die andere Art, welche Mygdaris ') heisst, ist zarter, weniger scharf, saftlos, wächst in Syrien, und kommt in Cyrene nicht vor, aber häufig auf dem Berge Parnassus. Einige nennen sie Laserpitium, und durch dergleichen Ver- wechselungen wird das Vertrauen zu den heilsamsten und nützlichsten Dingen geschmälert. Die Aechtheit dieser Art erkennt man hauptsächlich an der massig rothen Farbe; auf dem frischen Bruche ist sie weiss und bald nachher durchscheinend, im Wasser oder Speichel zergeht sie. Sie macht einen Bestandtheil von vielen Arzneimitteln aus. 17. Es giebt noch 2 Arten, die bloss dem gemeinen Volke bekannt sind, nichts desto weniger aber viel einbringen. Eine von ihnen ist die Färberröthe^), welche man zum Färben der Wolle und des Leders braucht; die beste liefert Italien und namentlich die Umgegend von Rom, in fast allen Provinzen aber wird sie in reichlicher Menge gebauet- Sie wächst wild, wird auch gesäet und sieht der Ervilie ähnlich, ihr Stengel ist aber borstig, knotig und um jeden Knoten stehen 5 Blätter im Kreise. Der Same ist roth. Ueber ihre Anwendung in der Arzneikunde werde ich am gehörigen Orte reden. 18. Die sogenannte Radicula enthält einen Saft, welcher zum Waschen der Wolle gebraucht wird, die davon eine ausserordentliche Weisse und Weichheit erhält. Sie kann überall angebaut werden, wild findet sie sich besonders in Asien und Syrien an steinigen und rauhen Orten. Die jenseits des Euphrat wachsende ist aber die beste; diese hat einen gertenartigen, dünnen Stengel, der eine beliebte Speise der dortigen Bewohner ausmacht, zu Salben dient und alles, was damit gekocht wird, färbt; die Blätter glei- •) Ode^- Magydaris, wahrscheinlich der der Asa foetida sehr ähn- liche Saft von Ferula tingitana. ') Rubia. Rubia tinctorum L. Neunzehntes Buch. 437 eben denen des Oelbaums. Die Griechen nennen sie Stru- thioni); die Blüthen, welche im Sommer erscheinen, sehen schön aus, riechen aber nicht, der Stengel ist borsig und wollig. Sie trägt keinen Samen, hat aber eine grosse Wurzel, die zu dem genannten Zwecke gesammelt wird. 19. Es bleibt uns nun noch übrig, von dem Gartenbau zu reden, nicht allein desshalb, weil er an und für sich schon der Erwähnung werth ist, sondern auch, weil die Geschichte viele wunderbare Thatsachen davon aus frühern Zeiten überliefert hat, z. B. die Gärten der Hesperiden, der Könige Adonis und Alcinous, und die hängenden Gärten, welche entweder Semiramis oder der assyrische König Cyrus anlegte, und von denen wir in einem andern Buche reden wollen. Die römischen Könige bebaueten ihre Gärten selbst, und Tarquinius Superbus sandte jenen grausamen und blutdürstigen Boten aus dem Garten an seinen Sohn. In unsern 12 Gesetztafeln wird niemals der Name villa gebraucht, sondern statt dessen hortus, und statt „Garten" Erbgut. Hiermit stand auch ein gewisser religiöser Ge- brauch in Verbindung, die Gärten und Heerde wurden näm- lich gegen die Behexungen der Neider geweihet, und zwar mit satyrischen Zeichen, obwohl Plautus die Gärten unter den Schutz der Venus stellt. Jetzt besitzt man unter dem Namen der Gärten sogar in Rom selbst Lustplätze, Aecker und Landgüter. Epikur, der Lehrer des Müssiggangs, machte dergleichen Anlagen zuerst in Athen; denn bis zu seiner Zeit bewohnte man noch nicht in den Städten das Land, zu Rom wenigstens war der Garten der Acker eines Armen. Für den gemeinen Mann war der Garten sein Fleisch- und Gemüsemarkt, und wie unschuldig war diese Lebensweise, in Vergleich mit dem jetzigen Luxus! Gewiss besser, wie ') Saponaria officinalis L., Plinius wirft aber damit die levantische Seifenwurzel (von Gypsophila Struthium L.) zusammen, denn er sagt, sie habe eine grosse Wurzel, was doch nur auf diese, nicht auf Sa- ponaria oft", zu beziehen ist. 438 Neunzehntes Buch. ich glaube, als wenn man ins Meer taucht und Austern beim Sturme sucht, Vögeln hinter dem Flusse Phasis nach- stellt, die zwar der fabelhaften Schreckensnachrichten wegen sicher, aber desshalb um so kostbarer sind, andere in Nu- midien und auf den Gräbern in Aethiopien sucht, oder, als wenn man mit wilden Thieren kämpft, und derjenige gefressen wird, welcher das zu fangen wünscht, was ein Anderer verzehren soll. Und wie billig sind in der That alle jene Gartenspeisen, wie sehr sind sie zum Vergnügen und zur Sättigung geeignet:^ aber wie überall, verleidet auch hier derUebermuth ihren Genuss! Es möchte noch hingehen, dass Obstarten gezogen werden, die sich theils durch den Geschmack, theils durch ihre Grösse, theils durch ihre Seltsamkeit auszeichnen, und den Armen nicht zu gute kommen; dass man Weine alt werden lässt und in Schläu- chen verschneidet; dass Niemand so lange lebt, der nicht vor seiner Zeit gewonnenen "Wein trinkt; dass der Luxus sogar aus dem Getreide eine gewisse Speise, nämlich das blosse Mark desselben, zu ziehen gewusst hat; ja, dass man von den Arbeiten und Künsteleien der Bäcker lebt, die Vornehmen ein anderes Brot als die Armen haben, und dass das Korn seinen Weg in so vielen Arten bis zum gemeinen Manne nimmt. Hat man nicht auch unter den Kräutern einen Unterschied gefunden, hat der Reichthum nicht auch Speisen unterschieden, die man noch um 1 Ass kaufen kann? Der Bürger bekennet, dass selbst unter den Kräutern Manches wächst, was ihm zu kostbar ist, denn die Stengel werden durch Cultur von solcher Stärke ge- wonnen, dass sie den Tisch eines Armen nicht erreichen. Die Natur gab uns wilden Spargel *), damit sich ein Jeder davon ausstechen könne; doch siehe, jetzt hat man gemä- steten Spargel 2), und in Ravenna wiegen 3 Stück 1 Pfund. Oh, seltsame Begierde des Magens! Es wäre ein Wunder, wenn es dem Vieh nicht gestattet sei, Disteln zu fressen, *) Corruda sylvestris. Asparagus acutifolius L. 2) Asparagus altilis. Asparagus officinalis L. Neunzehntes Buch. 439 der gemeine Mann aber kann sie nicht haben 0- Sogar das Wasser wird geschieden, und somit Kraft des Geldes selbst das natürliche Element sortirt. Diese trinken Schnee- wasser, jene Eiswasser, und die Uebel der Berge gebraucht man zum Kitzeln des Gaumens. Kälte wird für die Hitze aufbewahrt 2), und man bringt es dahin, dass der Schnee in aussergewöhnlichen Monaten kalt macht. Einige kochen das Wasser und kühlen es bald darauf ab. Dem Menschen gefällt also nichts in der Art, wie es die Natur geschaffen hat. Und wachsen denn gewisse Pflanzen bloss für die Reichen? Niemand sieht sich nach dem heiligen und aven- tinischem Berge und nach den entfernten Plätzen des er- bitterten Pöbels um, denn der Tod wird gewiss die gleich- stellen, welche das Geld unterschieden hat. Daher betrug in der That keine Marktsteuer zu Rom mehr als diese, bis endlich, nachdem das Volk bei allen Fürsten seinen Unwillen durch Tumult zu erkennen gegeben hatte, die auf dieser Waare lastende Abgabe erlassen war; und die Erfahrung hat gezeigt, dass der Census kein vortheilhaf- teres, sichereres und weniger vom Glücke abhängiges Re- sultat liefert, als wenn eine solche Abgabe in den Händen der Armen bleibt. Hier befindet sich im Boden der Bürge, unter freiem Himmel das Einkommen, und die Oberfläche gedeihet in jeder Witterung. Cato rühmt die Stengel {Kohl) der Gärten. Nach der Kunst ihres Anbaues wurden vormals die Landleute taxirt, und man urtheilte, eine Haus- frau, deren Garten nicht gut bestellt wäre (denn diess ge- hörte zu den Geschäften der Frau) erfülle ihre Pflicht nicht, weil man dann genöthigt sei, die Lebensmittel aus der Speisekammer und von der Fleischbank zu holen* Man zog aber nicht, wie jetzt die Kohlärten allen andern vor, und verwarf die Zugemüse, welche noch eines andern Zugemüses bedürfen; diess geschah, um das Oel zu sparen, *) Wahrscheinlich eine Anspielung auf die Artischoke (Cynara Scolymus). *) D. h. Eis für den Sommer. 440 Neunzehntes Buch. und man schämte sich des Gelüstes nach kostbaren Fisch- brtihen. Den Gärten schenkten sie vorzügliche Aufmerk- samkeit, weil diese keines Feuers bedurften, Holz ersparten, und ihre Producte immer fertig zubereitet waren. Daher nannte man auch Salatkräuter diejenigen, welche leicht verdaulich sind, den Körper nicht belästigen, und die Be- gierde nach Brot am wenigsten reizen. Aus einem Theile derselben, den gewürzhaften, zog man den geeigneten Vor- theil für den Hausbedarf, und verlangte nicht indischen. Pfeffer, den wir über das Meer herholen. Ehedem hatte das Volk in der Stadt in seinen Gärten gleichsam ein. stetes Bild des Landes vor den Augen, bis endlich durch die Habgierde einer unzähligen Menge jede Aussicht ver- sperret wurde. Darum lasse man auch diesen Kräutern, einige Ehre, und benehme ihnen, ihres geringen Werthes- wegen, ihr Ansehn nicht; sehen wir doch sogar, dass die Beinamen einiger vornehmen Personen davon abgeleitet sind, z. B. in der Valerischen Familie einige nicht ver- schmähet haben, sich Lactuciner zu nennen, und in Be- tracht, dass selbst Virgil bekennt, wie schwer es sei so- geringe Dinge würdig zu rühmen, gebührt unserer Mühe und Sorgfalt allerdings einiger Anspruch auf Dank. 20. Man muss, diess ist kein Zweifel, die Gärten mit den) Landgütern vereinigen, und sie namentlich mit Wasser versehen, womöglich durch Hülfe eines vorbeifliessenden. Flusses , oder statt dessen dasselbe aus einem Brunnen mittelst Rädern, Pumpen oder Schwengeln schöpfen. Gleich, nachdem der Favonius zu wehen begonnen, muss der Bo- den gepflügt, 14 Tage nach Herbstanfang zubereitet und diess vor dem kürzesten Tage noch einmal wiederholt werden. Die Arbeiter müssen, je einer, 8 Morgen Land bepfählen, den Mist 3 Fuss tief mit der Erde vermischen,, die Beete abtheilen, ihre Erhöhungen abschüssig machen, und Gänge um dieselben ziehen, damit die Menschen hin-^ zukommen und das Wasser ablaufen könne. Neunzehntes Buch. 441 21. Unter den Gartengewächsen ist dieses wegen der Zwiebel, jenes wegen des Kopfes, des Stengels, des Blattes, oder beider wegen, wegen des Samens, der Rinde, der Haut, der knorpeligen Theile, des Fleisches oder der flei- schigen Häute beliebt. 22. An einigen befindet sich die Frucht in der Erde, bei andern auch ausserhalb, und an noch andern bloss aussen. Einige wachsen liegend, wie der Kürbiss und die Gurke. Ihre Früchte hängen, obgleich sie viel schwerer sind al» Baumfrüchte, die Gurke vermittelst ihrer zähen Theile, und nur dessen Rinde verwandelt sich beim Reifen in Samen. Von der Erde bedeckt werden die Rettige, Steckrüben, weissen Rüben, und, doch auf eine andere Weise, der Alant i), die Zuckerwurzel 2), der Pastinak 3). Einige wollen wir gertenartige (stabartige) nennen, wie den Dill*) und die Malve ^), denn die Schriftsteller berichten, in Arabien er- reichten die Malven im 7. Monate eine baumartige Höhe und würden dann zu Stäben benutzt. In einem Sumpfe ^) bei der Stadt Lixus in Mauritanien, wo die Gärten der Hesperiden gewesen sein sollen, 200 Schritte vom Ocean entfernt, neben einem Tempel des Herkules, der älter als der gaditanische ist, steht eine baumartige Malve '^) von 20 Fuss Höhe und so dick, dass Niemand sie umspannen kann. Zu jener Abtheilung kann auch der Hanf *) gerech- net werden. Mehrere andere wollen wir fleischige nennen, wie die Schwämme, welche auf feuchten Wiesen wachsen, denn von den Baumschwämmen haben wir, als vom Holze •) Inula. Inula Helenium L. ^) Siser. Sium Sisarum L. ') Pastinaca sativa L. *) Anethum. Anethum graveolons L. ') Malva sylvestris L. 6) aestuarixun, eine Vertiefung im Lande, in welche das Meer zur Fluthzeit tritt. ') Wahrscheinlich Lavatera arborea L. ») Cannabis. Cannabis sativa L. 442 Neunzehntes Buch. und den Bäumen die Rede war, und von den Erdschwäm- men erst vor Kurzem gesprochen. 23. Von knorpeliger 1) Beschaffenheit und ausserhalb der Erde ist die Gurke 2), welche ein besonderer Lecker- bissen des Kaisers Tiberius war, und keinen Tag auf seiner Tafel fehlte, denn die Gärtner schoben ihre hängenden Gärten auf Rädern an die Sonne, und brachten sie bei rauhem Wetter hinter Glaswände. Bei alten griechischen Schriftstellern findet sich angegeben, wenn man den Gur- kensamen 2 Tage lang in Milchmeth einweiche und dann säe, so würden die Früchte süsser. Die Gurken nehmen jede Gestalt, die man ihnen beim Wachsen giebt, an. Die italienischen sind grün und sehr klein, die in den Provinzen sehr gross, gelb und schwarz. Man liebt die afrikanischen, welche in bedeutender Menge vorkommen, und die mösi- schen, welche sehr gross sind. Die ausserordentlich grossen heissen Peponen ^). Wer sie gegessen hat, spürt sie noch am folgenden Tage im Magen, sie zergehen nicht unter andern Speisen, sind jedoch meistentheils nicht ungesund. Oel ist ihnen von Natur zuwider, Wasser hingegen lieben sie, denn selbst abgeschnitten kriechen sie zu demselben hin, wenn es nicht zu weit entfernt ist, und liegt etwas im Wege, so drehen oder krümmen sie sich darum. Diess kann man schon nach einer Nacht wahrnehmen; setzt man nämlich ein Gefäss mit Wasser in einer Entfernung von 4 Fingerbreit darunter, so sind sie noch, ehe es Tag wird, so weit herabgekommen, aber, nahm man statt des Wassers Oel, so haben sie *) sich hakenförmig gekrümmt. Steckt man sie, nachdem die Blüthe abgefallen ist, in eine Röhre, so wachsen sie zu einer bedeutenden Länge heran. Eine ganz neue Art davon kommt in Campanien in Form einer •) Unter .knorpelig" muss hier wohl die markig-fleischige Be- schaffenheit verstanden werden. 'j Cucumis. Cucumis sativus L. 3) Cucurbita Pepo L. ■<) D. h. die Fruchtstiele. Neunzehntes Buch. 443 Quitte vor; zufällig soll eine solche entstanden, und aus deren Samen hernacli jene besondere Art hervorgegangen sein. Man nennt sie Melonen i). Sie hängen nicht, son- dern runden sich auf der Erde. Ausser der Gestalt, der Farbe, und dem Gerüche ist an ihnen bemerkenswerth, dass sie gleich nach erlangter Reife vom Stengel sich ab- trennen, obgleich sie nicht hängen 2). Columella schreibt als seine eigene Erfindung vor, man solle, damit man die Melone das ganze Jahr hindurch haben könne, einen sehr ausgebreiteten Brombeerstrauch in den Tagen der Früh- lings- Tag- und Nachtgleiche an einen sonnigen Ort setzen, so weit beschneiden, dass nur 2 Finger hoch vom Stamme ü brig bleiben, in das Mark desselben den Samen einlegen, und das Ganze mit feiner Erde und Mist verwahren; da- durch blieben die Wurzeln vor dem Einflüsse der Kälte geschützt. Die Griechen uitterscheiden 3 Arten Gurken die lakonische, scytaliscke und böotische. Von diesen soll bloss die lakonische das Wasser lieben. Einige schreiben vor, den Gurkensamen mit dem zerriebenen Kraute Culix einzuweichen, wenn man Früchte ohne Kerne haben will. 24. Von ähnlicher Beschaffenheit, wenigstens hinsichtlich des Wachsens, sind die Kürbisse 3); sie vertragen keine Kälte, und verlangen Feuchtigkeit und Dünger. Beide säet man in anderthalbfussige Furchen, zwischen dem Frählings- Aequinoctium und dem Solstitium, am besten am Feste der Pares"*). Einige ziehen es vor, die Kürbisse am 1. März, die Gurken am 7. und während des Minervafestes ^) zu säen. Die Ranken beider steigen an rauhen Wänden bis zum Dache hinan, denn sie lieben von Natur die Höhe. Ohne Stützen können sie sich nicht aufrecht halten, sie ') Melopeponas. Cucumis Melo L. 2) Das ist die Springgurke s. XX. B. 2. C. 3) Cucurbitae. Cucurbita lagenaria L. *) Parilia, oder Palilia, Fest der Pales, der Göttin der Hirten und Heerden, das am 21. April, dem Stiftungstage Roms, gefeiert wurde. *) Quinquatrus. 444 Neunzehntes Buch. schiessen schnell empor und geben Zimmern und Lauben einen angenehmen Schatten. Hiernach unterscheidet man zuerst folgende 2 Arten, den Zimmerkürbiss und den ge- meinen, welcher auf der Erde kriecht. An der ersten Art hängt an einem äusserst dünnen Stiele eine schwere Last unbeweglich in der Luft. Auch der Kürbiss kann In jeder spitzigen Form erhalten werden, namentlich in geflochtenen schmalen Behältern (Scheiden), in welche man ihn nach dem Abblühen steckt, und nimmt beim Wachsen jede Ge- stalt, z. B. die eines gekrümmten Drachen an. Lässt man ihn frei hängen, so kann er, wie man aus Erfahrung weiss, sogar 9 Fuss lang werden. Die Gurke blüht theilweise i), ihre Frucht trägt noch die Blüthe an ihrer Spitze, kommt an mehr trocknen Plätzen fort und ist, am meisten während des Wachsens, mit einer weissen Wolle überzogen. Die Kürbisse benutzt man vielfältiger. Die ersten Ranken- schösslinge werden gegessen, und zeigen eine von den übrigen Theilen ganz verschiedene Beschaffenheit. Vor Kurzem hat man die Früchte in den Bädern statt der Krüge eingeführt, seit längerer Zeit aber dienen sie schon statt der Fässer zur Aufbewahrung des Weines. Die Schale der grünen ist zart, wird aber demungeachtet beim Ver- speisen entfernt. Man hält sie in mehrfacher Beziehung für eine gesunde und milde Nahrung, die zwar vom mensch- lichen Magen nicht (ganz) verdauet wird, aber doch auch nicht aufschwillt. Die zu oberst sitzenden Kerne bringen lange Früchte, auch die untersten, obgleich diese jenen weit nachstehen, die mittleren: runde, und die seitenständigen: dicke sehr kurze; man trocknet sie im Schatten, und weicht sie vor der Aussaat in Wasser ein. Je länger und dünner die Früchte sind, desto besser schmecken sie; die hängen- den sind am gesundesten, haben auch die wenigsten Kerne, denn durch deren Härte wird der Wohlgeschmack beein- trächtigt. Diejenigen Früchte, welche zur Aussaat bestimmt ') D. h. die ganze Pflanze blühet nicht zu gleicher Zeit. Neunzehntes Buch. 445 «ind, pflegt man vor dem Winter nicht abzuschneiden. Nachher trocknet man sie im Rauche, um die Samen, im Vorrath aufbewahren zu können. Man hat auch eine Me- thode ausfindig gemacht, sie ebenso wie die Gurken zum Essen aufzubewahren, bis es beinahe wieder neue giebt, und diess geschieht in Salzwasser. Aber auch in Gruben, die nn einem schattigen Orte liegen, soll man sie mit Sand überstreuet, mit trocknem Heu und hierauf mit Erde be- deckt, grün erhalten können. Es giebt von beiden Arten, sowie von fast allen Gartengewächsen, auch wilde, welche wir aber, da sie nur in der Arzneikunde Anwendung finden, später 1) abhandeln wollen. 25. Von den übrigen knorpelartigen 2) Gartengewächsen stecken die nutzbaren Theile in der Erde. Es könnte scheinen, dass wir die weissen Rüben genügend abgehan- delt hätten, wenn nicht die Aerzte die runden unter ihnen als männliche, die breiten und hohlen aber als weibliche unterschieden, welche schmackhafter, leichter zu würzen seien und nach mehrmaliger Aussaat in männliche über- gingen. Ebendieselben stellen 5 Arten Steckrüben auf, die corinthische, cleonäische, liothasische, böotische und die sogenannte grüne. Von diesen wächst die corinthische in die Breite, und ihre Wurzel steht fast ganz bloss, denn sie hat ein Bestreben nach Oben zu wachsen, und nicht in die Erde wie die andern. Die liothasische, von Einigem auch die thracische genannt, widersteht der Kälte am besten. Die böotische ist süss, und durch ihre Kürze und Runde ausgezeichnet, die cleonäische sehr lang. Ueberhaupt aber sind sie um so süsser, je zartere Blätter sie haben, und um «0 bitterer, je rauher, eckiger und steifer jene sind. Aus- serdem giebt es eine wilde Art, deren Blätter denen des weissen Senfs gleichen. In Rom schätzt man die amiter- nischen am meisten, dann folgen die nursinischen und ') Im XX. B. 1. 2. etc. Cap. '^) (fleischigen). 446 Neunzehntes Buch. hierauf unsere eigenen. Was sonst noch über ihren Anbau zu sagen wäre, ist bereits bei den Rüben i) mitgetheilt. 26. Die Rettige 2) bestehen aus Rinde und Mark, und viele haben selbst eine dickere Rinde als manche Bäume. Sie besitzen die meiste Bitterkeit (Schärfe), doch wechselt diese je nach der Dicke der Rinde; zuweilen finden sich auch holzige unter ihnen. Sie haben eine ausserordentliche Kraft, das Athmen und Aufstossen zu befördern, sind daher eine Anstand-widrige Speise, besonders wenn man gleich darauf Gemüse isst; werden sie aber gemeinschaftlich mit Oliven verzehrt, so ist das Aufstossen seltener und minder übelriechend. In Aegypten schätzt man sie besonders we- gen des reichlichen, aus ihren Samen erhaltenen Oeles, und möchte sie, wenn es nur anginge (erlaubt sei), gern noch mehr anbauen, weil die dortigen Bewohner mehr Ge- winn daraus ziehen als aus dem Getreide, weniger Abgaben dafür zahlen und mehr Oel als aus andern Pflanzen davon erhalten. Die Griechen unterscheiden 3 Arten, eine mit krausen, eine zweite mit glatten Blättern und eine dritte wilde, die zwar auch glatte, aber kürzere, runde und viele buschigstehende Blätter hat, rauh schmeckt und als Arznei- mittel zum Abführen dient. Doch weichen die beiden ersten Arten auch im Samen von einander ab, die krausblättrige nämlich trägt schlechten, oder nur wenig Samen. Die Römer nehmen andere Arten an: die algidensische, so ge- nannt nach dem Standorte, ist lang und durchscheinend; eine andere von der Gestalt der Rübe heisst die syrische, gehört zu den wohlschmeckendsten und zartesten und lässt sich überwintern. Die vorzüglichste aber scheint erst seit Kurzem aus Syrien zu uns gebracht zu sein, denn man findet sie bei den Schriftstellern nicht genannt; sie hält sich den ganzen Winter hindurch. Noch giebt es eine »)" Im X'VIII. Buche, Cap. 34 und 35. ') Raphani, Raphanus sativus L., der eigentliche Rettig. und R. Radicula (Radieschen). Neunzehntes Buch. 447 wilde, welche die Griechen Agrion, die Ponter Armon, Andere Leuce, die Römer Armoracia i) nennen, und deren Laub stärker als der Stamm ist. Im Allgemeinen berück- sichtigt man bei der Beurtheilung der Güte den Stengel; bei den rauhen ist er runder, dicker und langröhrig, die Blätter haben ein trauriges Ansehn und sind an den Ecken steif. Der Rettig muss in ein lockeres, feuchtes Erdreich ge- säet werden; Mist bedarf er nicht, sondern nur Spreu zur Düngung. In der Kälte gedeihet er so gut, dass z. B. in Deutschland solche von der Grösse kleiner Kinder 2) vor- kommen. Man säet ihn nach dem 13. Februar, und diess ist der frühzeitige; der aber um die Zeit des Vulkanfestes 3) gesäet wird, giebt eine bessere Sorte. Viele säen ihn auch im März, April und September. Wenn er anfängt zu schies- sen, muss man ein Blatt um das andere ringsum ein- scharren, die Pflanze selbst aber behäufeln, denn wenn die Wurzel aus der Erde hervorragt, wird sie hart und schwam- mig. Aristomachus empfieht, während des Winters die Blätter wegzunehmen und, damit sich kein Wasser darum ansammle, zu behäufeln; diese Fürsorge mache ihn im Sommer recht gross. Einige geben an, wenn man in einen Pfahl eine Höhlung mache, diese 6 Fingerbreit tief mit Spreu ausstreue, dann den Samen und hierauf Mist und Erde bringe, so werde der Rettig so gross als die Höhlung sei. Salzigen Boden lieben sie am meisten; man begiesst sie daher auch mit Salzwasser, und in Aegypten, wo sie am schmackhaftesten sind, mit Natronlauge. Ueberhaupt nimmt ihnen das Salz die Bitterkeit und macht sie den gekochten ähnlich, denn auch durch Kochen werden sie süss und schmecken dann ohngefähr wie die Rüben. Die Aerzte empfehlen, um die Schärfe der Eingeweide zu sam- meln, dieselben roh mit Salz nüchtern zu essen, wodurch der Weg zum Brechen gebahnt werde. Auch behaupten •) Meerrettig. Cochlearia Armoracia L. *) Nämlich der Köpfe kleiner Kinder. ') Im August. 448 Neunzehntes Buch. sie, der Saft sei ein nothwendiges Heilmittel für die Brust, denn die ina Innern des Herzens sitzende Schwindsucht könne durch nichts anderes gehoben werden; welche Er- fahrung in Aegypten gemacht worden sei, wo die Könige, um die Krankheiten zu erforschen, die Leichen seciren lassen hätten. Als eine griechische Windbeutelei erzählt man auch, dass in dem Tempel des Apollo zu Delphi der Rettig einen solchen Vorzug vor den übrigen Speisen gehabt habe, dass er in goldenen Gefässen, die Beta in Silber, und die Rübe in Blei geweihet sei. Und damit man wisse, dass der Feldherr Manius Curius nicht dort geboren sei, will ich anführen, was nnsere Annalen berichten, dass er nämlich gerade Rüben auf dem Heerde röstete, als er das Gold, was ihm die Gesandten der Samniter anboten, ausschlug. Ueber den Rettig hat auch ein Grieche, Namens Moschion i) geschrieben. Für am besten zum Verspeisen hält man sie zur Winterszeit; den Zähnen schaden sie jedoch immer, denn sie greifen dieselben an, und man weiss, dass Elfen- l)ein damit polirt werden kann. Zwischen den Rettigeu und dem Weinstocke besteht eine Art von Hass, denn dieser entfernt sich, wenn sie daneben gesäet werden. 27. Die übrigen Gewächse, welche wir unter die knorpeli- gen reihen, haben eine mehr holzige Beschaffenheit, merk- würdig aber ist es. dass sie alle scharf schmecken. Unter ihnen befindet sich eine wilde Art Pastinak, welche die Griechen Staphylinos 2) nennen. Die andere Art zieht man aus Wurzeln oder Samen im Frühlinge und im Herbste, nach Hygin im Februar, August, September und October, in einem möglichst tief aufgegrabenen Boden. Einjährig kann sie schon gebraucht werden, nach 2 Jahren ist sie aber besser, im Herbste verdient sie, namentlich zum Braten den Vorzug, und auch so (zubereitet) hat sie noch einen beissenden Geschmack. Der Eibisch 3) unterscheidet sich •) Arzt, zur Zeit Nero's. ^) Daucas Carota L. ^) Hibiscum. Althaea off. L. Neunzehntes Buch. 449 vom Pastinak durch seinen dünnen und schlanken Wuchs; er wird nicht verspeist, sondern nur in der Medizin ange- wandt. Noch eine vierte, gleichfalls dem Pastinak ähnliche Art nennen wir die gallische, die Griechen aber Daucos, aus welcher sie sogar 4 Arten gemacht haben, die unter den Arzneigewächsen angeführt werden sollen '). ' 28. Die Pflanze Siser^) verdankt ihren Ruf dem Kaiser Tiberius, der sie jährlich aus Deutschland kommen Hess. Die wohlschmeckendste wächst bei der am Rheine belegenen Festung Gelduba, was beweist, dass ihr ein kaltes Klima zuträglich ist. Sie enthält in ihrem Innern der Lauge nach einen Nerven, der aus der gekochten herausgezogen wird, jedoch einen grossen Theil der Bitterkeit zurücklässt; diese wird dann vor dem Essen durch Honigmeth gemil- dert, und dadurch der Geschmack verbessert. Auch die grössere Pastinaka, jedoch nur die einjährige, hat einen solchen Nerven. Das Säen des Sisers geschieht in den Monaten Februar, März, April, August, September und Oc- tober. 29. Niedriger als diese, aber dicker und bitterer ist der Alant 3), welcher an und für sich dem Magen schadet, aber mit Süssigkeiten vermischt sehr gut bekommt. Ist der unangenehme Geschmack beseitigt, was auf mehrfache Weise geschieht, so giebt er eine angenehme Speise ab. Zu diesem Behufe stösst mau ihn trocken zu feiuem Pulver, mischt eine süsse Flüssigkeit hinzu, giesst gekochten sauren Wein^) daran, und setzt eingesottenen Most, oder durch- kneteten Honig, oder Rosinen oder fleischige Datteln hinzu. Mit Quitten, Speierlingen oder Pflaumen, zuweilen auch mit Pfeffer oder Thymian gewürzt, dient er zur Stärkung eines schwachen Magens. Die grösste Berühmtheit hat er dadurch erlangt, dass er eine tägliche Speise der Julia ■ ») XX. B. 14. Cap. XXV. B. 64. C. -) Sium Sisarum L. ^) Inula. Inula Helenium L. •') posca. Wittstein: Plinius. III. Bd. 29 450 Neunzehntes Buch. Augusta war. Sein Same ist überflüssig, denn er lässt sich durch die aus der Wurzel kommenden Augen, gleich- wie das Schilfrohr, fortpflanzen. Ihr Anbau geschieht aber, wie beim Siser und Pastinak, in weiten Zwischenräumen zur Zeit des Frühlings und Herbstes, und zwar wenigstens 3 Fuss weit, weil er sich sehr strauchig ausbreitet. Der Siser muss übrigens umgesetzt werden. 30. Nächst diesen folgen die Zwiebelgewächse, welche Cato vorzüglich zum Aubau empfiehlt, und unter denen er die megarischen rühmt. Vor allen schätzbar ist aber die Meerzwiebel); ob sie gleich nur in der Medicin und zum Schärfen des Essigs gebraucht wird. Keine andere Zwiebel ist grösser und schärfer als diese. Es giebt 2 medicinische Arten, von denen die eine weisse -), die andere schwarze Blätter hat. Eine dritte, essbare Art heisst Epi- menidium ^) , hat schmälere und minder rauhe Blätter. Alle tragen viel Samen, lassen sich aber durch seitlich auswachsende Zwiebeln leichter ziehen. Um das Wachsen zu befördern, biegt man ihre grössten Blätter herab und bedeckt sie mit Erde, in Folge dessen die Köpfe allen Saft an sich ziehen. Sie wachsen in grosser Menge wild auf den Balearen, auf der Insel Ebusus^) und in Spanien. Der Philosoph Pythagoras hat über die Meerzwiebeln ein Buch geschrieben, welches ihre arzneilichen Kräfte enthält, von denen wir im nächsten Bande reden wollen. Die übrigen Zwiebelgewächse unterscheiden sich durch die Farbe, Grösse, den angenehmen Geschmack, sodass man einige sogar noch essen kann, wie die im taurischen Cher- sones vorkommenden, und nächst diesen die afrikanischen und apulischen. Die Griechen haben folgende Arten auf- gestellt: Bulbine^), Setanion, Pythion, Acrocorion, Aegilops, Sisyrinchium '^). An letzterer wachsen merkwürdigerweise ') Scilla. Scilla maritima L. ^) Diess ist Pancratium maritimum L. 3) Ornithogaium pyrenaicum L. '>) Ibiza. *) Ornithogaium umbellatum L. ^) Iris Sisyrinchium L. Neunzehntes Buch. 451 die Wurzeln im Winter tief in die Erde, werden aber im Frühling, wenn das Veilchen kommt, kleiner, ziehen sich zusammen und bilden eine fleischige Zwiebel. Hierher gehört auch das Gewächs, welches in Aegyp- ten Aron ^) heisst; es kommt in der Grösse der Meerzwie- bel am nächsten, hat Blätter wie der Ampfer, einen gera- den, zwei Cubitus langen Stengel von der Dicke eines Stockes, und eine so weiche Wurzel, dass man sie auch roh essen kann. Die Knollen werden vor dem Frühjahre ausgegraben, denn später sind sie nicht mehr so gut. Ihre Reife erkennt man daran, dass die Blätter von unten auf vertrocknen. Die alten, sowie die kleinen und langen tau- gen nichts; die röthlichen, runden und grossen aber werden geschätzt. Oben sind die meisten bitter, in der Mitte süss. Aeltere Schriftsteller geben an, die Zwiebeln entständen nicht anders als aus Samen, allein auf den Feldern bei Präneste, und in unzähliger Menge bei Remi wachsen sie wild. 31. Fast alle Gartenkräuter haben eine einfache Wur- zel; wie der Rettig, die Beta ^j, der Eppich 3), dieMalve^); die grösste hat der Ampfer s), welche 3 Cubitus tief geht, bei der wilden ist sie aber kürzer und saftig, und hält sich nach dem Ausgraben noch lange Zeit frisch. Einige haben faserige Wurzeln, wie der Eppich, die Malve; andere reisige, wie das Basilienkraut; andere: fleischige, wie die Beta, und noch mehr der Safran •»); bei andern bestehen sie aus Rinde und Fleisch wie beim Rettig und den weissen Rüben; andere haben knotige, wie das Gras. Diejenigen welche keine gerade Wurzel haben, bilden gleich viele Fasern , wie die Atriplex ") und das Blitum ^). Die Meer- *) Aus clei- Beschreibung folgt, dass hier Arum Dracunculus L. gemeint ist. 2) S. 40. Cap. 3) S. 37. Cap. ^) S. XX. ß. 74. Cap. 5) S. XX. B. 7.5. Cap. 6) S. XXI. B. 81. Cap. ■<) S. XX. B. 83. Cap. «) S. XX. B. 93. Cap. •29* 452 Neunzehntes Buch. Zwiebel aber, die Zwiebeln, die Zipolle i) und der Knob- lauch ^) treiben bloss gerade Wurzeln. Einige wilde haben mehr Wurzeln als Blätter, wie der Aspalax, das Perdicium ^), der Safran. Dicht gedrängt^) blühen der Quendel^) das Abrotanum ^) die Steckrübe, der ßettig, die Minze ^), die Gartenraute; sie und die übrigen fangen mit dem Aufbrechen auch schon an abzublühen, das Basilienkraut hingegen blühet stückweise und fängt damit von unten an, daher es auch am längsten Blüthen trägt. Dasselbe ist mit dem Heliotropium ^) der Fall. Einige haben weisse , andere gelbe, andere purpurrothe Blüthen. Die Blätter fallen von der Spitze an ab bei dem Origanum ^), dem Alant und zuweilen auch bei der Gartenraute, wenn sie verletzt ist. Hohle Blätter haben vornehmlich die Zipolle und das Ge- thyum to). 32. Den Knoblauch und die Zipollen rechnen die Aegypter beim Eidschwören unter die Götter. Die Griechen unter- scheiden folgende Arten der Zipolle: die sardische, sa- mothracische, alsidenische, setanische, gespaltene und die askalonische, welche diesen Namen von einer Stadt in Ju- däa bekommen hat. Alle und vorzüglich die cyprische, am wenigsten aber die gnidische, reizen, wenn man daran riecht, zu Thräneu. Alle bestehen ganz und gar aus einem fetten Knorpel. Die setanische ist, mit Ausnahme der tusculanischen, die kleinste unter ihnen, schmeckt aber süss. Die gespaltene und askalonische werden eingemacht. Die gespaltene lässt man im Winter mit den Blättern ste- hen, im Frühjahre aber nimmt man diese hinweg, und dann wachsen aus den Abschnitten neue nach, woher die ') Caepe. AUium Cepa L. die gemeine Zwiebel. •-) Allium. Allium sativum L. 3) S. XXII. B. 20. Cap. ■*) D. i. alle Blüthen entfalten sich auf einmal. 5) Serpyllum. Thymus Serpyllum L. c) S. XXI. B. 34. Cap. ^) S. 47. Cap. 8j S. XXll. B. 29. Cap. <>) S. XX. B. 62. Cap. '•') Allium fistulosum L. Neunzehntes Buch. 453 Pflanze auch benannt worden ist. Dieselbe Beliandlungs- weise empfiehlt man auch für die übrigen Arten, damit sie mehr in Knollen als in Samen übergehen. Die alkaloni- sche 1) ist von ganz eigentbümlicher Beschaffenheit, denn sie zeigt sich von der Wurzel an gleichsam unfruchtbar, und deshalb wollen die Griechen sie nicht, gesäet sondern gepflanzt wissen; ferner soll sie später im Frühlinge, wenn sie ausschlägt, versetzt werden. Hierdurch nimmt sie an Dicke zu und wiegt durch schnelles Wachsen den frühem Zeitverlust auf. Man muss sich aber mit ihnen beeilen, denn sobald sie reif geworden sind, fangen sie an zu faulen. Werden sie gepflanzt, so erzeugen sie Stengel und Samen, und verschwinden selbst ^). Auch die Farbe ist nicht gleich, denn bei Issus und Sardes giebt es schneeweisse. Die cretischen sind gleichfalls geschätzt; ob diese mit den as- kalonischen identisch sind, wird noch bezweifelt, denn sie bekommen dicke Köpfe, und wenn sie gepflanzt sind, Sten- gel und Samen. Bloss in ihrem süssen Geschmacke liegt ein Unterschied. Bei uns giebt es 2 vorzügliche Sorten, von denen die eine, welche bei den Griechen Gethyon, bei uns Pallanaca heisst, zum Würzen dient, und in den Mo- naten März, April und Mai gesäet wird. Die andere Art der kopftragenden ^) säet man nach dem Herbst-Aequinoc- tium oder zu Anfang des Frühlings. Hinsichtlich des scharfen Geschmacks folgen die Arten also: die afrikanische, gallische, tusculanische, askalouische und amiternische. Die rundesten sind auch zugleich die besten. Die röthlichen besitzen mehr Schärfe als die weissen, die trocknen mehr als die grünen, die rohen mehr als die gekochten, die dürren mehr als die eingemachten. Die amiternische bauet man an kalten und feuchten Stellen, und zwar nur, gleich dem Knoblauch, vermittelst des Kopfes, die übrigen dagegen durch den Samen. Im ersten Sommer treiben sie keinen ') Allium ascalonicum L. 2) Nämlich unten, d. h. der Wurzelstock nimmt ab. •'') Allium Porruni L. 454 Neunzehntes Buch. Samen, sondern nur den Kopf, welcher vertrocknet; im folgenden Jahre findet das Umgekehrte statt, der Same hildet sich aus und der Kopf geht zu Grunde. Daher wird alljährlich der Same um der Zwiebel, und die Zwiebel um des Samens willen gesetzt. Man verwahrt sie am besten in Spreu. Das Gethyum hat fast gar keinen Kopf, sondern gleichsam nur einen langen Hals, schiesst mithin ganz in's Laub, und wird, wie das Porrum, oft abgeschnitten. Aus diesem Grunde pflanzt man es auch nicht, sondern säet es. Die Zwiebeln soll man in einen 3 mal gegrabenen Boden, in welchem die Wurzeln des Unkrauts ausgerottet sind, und zwar 10 Pfund auf jeden Morgen säen, Saturey i) dazwischen bauen, weil dieser dann besser gedeihet, und wenigstens 4 mal gäten und behacken. Bei uns säet man die askalonische im Februar. Den Zwiebelsamen erndtet man ein, wenn er anfängt schwarz zu werden, und bevor er trocken ist. 33. Es wird auch schicklich sein, das verwandte Porrum hier anzuführen, zumal da der Kaiser Nero dieses Schnitt- lauch in Ruf gebracht hat, denn er ass dasselbe mit Oel zubereitet jeden Monat an bestimmten Tagen, und nahm dann ausserdem weiter nichts, nicht einmal Brot zu sich. Man bauet es durch den Samen nach dem Herbst- Aequi- noctium, und, wenn es Schnittlauch werden soll, etwas dichter. Es wird auf demselben Beete geschnitten und gedüngt, bis es aufgeht. Wird es vor dem Schneiden zu Köpfen gezogen, so pflanzt man es auch nach dem Auf- schiessen auf ein anderes Beet, schneidet jedoch zuvor die obersten Blätter bis auf die Basis ab, und zieht die Köpfe und die äussersten Häute weg. Die Alten erweiterten die Köpfe durch Auflegen von Kieselsteinen und Dachziegeln, und eben so behandelten sie die Zwiebeln. Jetzt werden die Wurzeln mit einer Hacke sanft aufgerissen, damit sie etwas gelähmt, bloss nähren und nichts zerstreuen. Es is;; ') Satureja. Satureja hortensis L. Neunzehntes Buch. 455 bemerkenswerth, dass diess Gewächs, während es Dünger und einen fruchtbaren Boden gern hat, Nässe verschmähet und dennoch in jedwedem Boden fortkommt. Das beste Porrum kommt aus Aegypten, dann folgt das von Ostia und Aricia. Es giebt 2 Arten Schnittlauch, das krautartige ^) mit deutlich eingeschnittenen Blättern, welches zu Medica- menten dient, und dasjenige mit blassern rundern Blättern und schwächern Einschnitten ^). Man sagt, der römische Ritter Mela habe, als er angeklagt und vom Kaiser Tibe- rius von seiner Verwaltungsstelle abberufen wurde, in höch- ster Verzweiflung eine 3 Silberdenare schwere Menge Por- rumsaft verschluckt, und gleich darauf ohne schmerzhafte Symptome den Geist aufgegeben. Eine grössere Quantität davon soll aber unschädlich sein. 34. Den Knoblauch 3) hält man für ein ausgezeichnetes Heilmittel unter den Landleuten. Er ist von leicht trenn- baren und sehr zarten allgemeinen Häuten eingeschlossen, unter welchen sich mehrere, wiederum besonders eingeklei- dete Knollen befinden. Er besitzt einen sehr scharfen und um so stärkern Geschmack, jemehr Knollen er hat. Sein Genuss ertheilt, gleichwie die Zipollen, dem Athem einen unangenehmen Geruch, doch nur dann, wenn er nicht ge- kocht war. Seine Arten unterscheiden sich nach der Jah- reszeit; der frühzeitige wird in 60 Tagen reif. Ein anderes Merkmal liegt in der Grösse. Die Art Ulpicum^) nennen die Griechen cyprischen Knoblauch, Andere Antiscorodon ; er steht besonders in Afrika als Landgemüse in Ruf und ist grösser als der gewöhnliche. Mit Oel und Essig abge- rieben macht er ausserordentlich viel Schaum. Diesen und den gewöhnlichen Knoblauch soll man nicht auf Ebenen sondern auf einzelne Erdhaufen, die 3 Fuss von einander entfernt sind, säen. Die Körner müssen fingerbreit von ') Allium Scorodoprasum L. ^) Alliuni Schoenoprasuni L. 3) Allium. A. sativum L. *) Nach Columella der ffrosszwiebelige Knoblauch. 456 Neunzehntes Buch. einander abstehen, und die Pflanzen, sobald 3 Blätter her- vorgebrochen sind, behackt werden. Je öfter man sie be- hackt, um so grösser werden sie. Ist der Stengel ausge- wachsen, so biegt man ihn herab und scharret ihn in die Erde, um den zu grossen Blatttrieb zu verhüten. In kalten Gegenden wird er zweckmässiger im Frühlinge als im Herbste gesäet. Uebrigens sollen alle diese Gewächse, damit sie nicht riechen, gesäet werden wenn der Mond unter der Erde ist, und gesammelt, wenn er sich in der Zusammenkunft befindet. Ausserdem sollen, dem griechi- schen Schriftsteller Menander i) zufolge, Personen, welche Knoblauch und hinterher auf Kohlen geröstete Beten essen, den Geruch verlieren. Einige halten es für das beste, das Ulpicum zwischen dem Feste der Lares compitales ^) und dem des Saturns zu säen. Der Knoblauch entwickelt sich auch aus dem Samen, aber langsam; im ersten Jahre näm- lich erlangt der Kopf (die Zwiebel) die Dicke des Porrum, im zweiten theilt er sich, und erst im dritten gelangt er zur vollständigen Ausbildung. Hier und da zieht man solches Gewächs vor. Man muss ihn nicht in Samen schiessen lassen, sondern den Stengel umbiegen, damit der Kopf, behufs der Fortpflanzung, stärker werde. Will man Knoblauch und Zipollen alt werden lassen, so taucht man sie in warmes Salzwasser; diess macht sie nun wohl dauer- hafter und zum häuslichen Gebrauch besser, vernichtet aber ihre Fähigkeit, sich fortzupflanzen. Einige begnügen sich damit, sie erst über glühende Kohlen zu hängen, und glau- ben dadurch das Auskeimen zu verhüten, aber diess er- reicht man auch, wenn sie ausserhalb der Erde sind, selbst der schon vorhandene Stengel vergeht dann. Andere glauben, der Knoblauch werde am besten in Spreu aufbewahrt. Es giebt auch eine Art Knoblauch, welche auf Feldern wild ') Ein nicht näher bekannter Autor, schrieb nach Plinius nütz- liche Bemerkungen für das Leben [Bio^Q-rioxa). -) Diese standen an den Scheidewegen. Das Fest wurde am Ende des Jahres gefeiert. Neunzehntes Buch. 457 wächst imd Alum genannt wird; diesen kocht man, damit er nicht wieder keimt, und streuet ihn für die Vögel, wel- che die Aussaat wegfressen. Sobald diese davon verzehrt haben, werden sie so betäubt, dass man sie mit der Hand fangen kann, und wenn man ein wenig wartet, so verfallen sie in tiefen Schlaf. Eine andere wilde Art, Bärenlauch i) genannt, hat einen milden Geruch, kleinen Knollen und grosse Blätter. 35. Unter den Gärtengewächsen schiesst am schnellsten: die Basilie, das Blitum, die Steckrübe und die Eruca 2)^ denn sie brechen schon am dritten Tage hervor; der Dill am vierten, der Lattich am fünften, der Rettig am sechsten^ die Gurke und der Kürbiss am siebenten, jedoch die Gurke etwas früher, das Nasturtium 3) und der Senf ^) am fünften, die Beta im Sommer am sechsten, im Winter am zehnten, die Atriplex am achten, die Zipolle am neunzehnten oder zwanzigsten, das Gethyum am zehnten oder zwölften, der Coriander •■^) etwas später, die Cunila»^) und das Origanum nach dem dreissigsten, am spätesten aber der Eppich, denn er braucht mindestens 40, gewöhnlich aber 50 Tage zum Aufbrechen. Einigen Einfluss hat auch das Alter der Sa-> men; vom Porrum, Gethyum, der Gurke und dem Kürbiss geht frischer Same früher auf, vom Eppich , der Beta dem Nasturtium, der Cunila, dem Origanum und Coriander hin- gegen treibt alter schneller. Merkwürdig ist es am Beten- Samen, dass er im ersten Jahre nur theilweise aufgeht, und von dem zurückgebliebenen ein Theil im zweiten, und der andere erst im dritten nachkommt; daher entspricht die Summe der aufgehenden Pflanzen in jedem Jahre keines- wegs den ausgestreueten Samen. Einige Gewächse tragen bloss in dem Jahre ihrer Entwicklung Samen ''), andere öfter, wie der Eppich, das Porrum, das Gethyum. Sind diese letztern einmal gesäet, so bleiben sie eine Reihe von Jahren hindurch fruchtbar^ ») ursinum. Allium ursinum L. ^) S, 44. Cap. ») s. 44. Cap. -») Sinapis. Sinapis alba L. ^) Coriandrura sativum L. 6) S. XX. B. 61. Cap. etc. ') D. h. es sind einjährige. 458 Neunzehntes Bucli, 36. Die meisten Gewächse haben runde Samen, einige längliche, nur wenige blattartige und breite, wie die Atri- plex, einige dünne und gerinnelte, wie das Cuminum. Auch durch die Farbe unterscheiden sie sich, denn es giebt schwarze und weisse, desgleichen durch die holzige Härte. In Kapseln eingeschlossen sind sie beim Rettig, dem Senf und der weissen Rübe. Nakte Samen hat der Eppich, Co- riander, Dill, Fenchel, das Cuminum; in eine Haut geklei- dete das Blitum, die Beta, Melde, das Basilienkraut; woll- haarige der Lattich. Keins ist fruchtbarer als das Basilien- kraut; man schreibt vor, dasselbe mit Fluchen und Ver- wünschungen zu säen, damit es leichter aufwachse. Nach- dem es gesäet, wird die Erde fest gestampft. Die das €uminum Säenden beten, damit er nicht ausgehe. Der Same, welcher in einer Hülle sitzt, trocknet schwierig aus, z. B. der des Basilienkrautes und Gith i); allderartiger Same wird künstlich getrocknet und ist fruchtbar. In der Regel wächst der Same besser, wenn er gehäuft, als wenn er dünn ausgestreuet liegt, nnd bekanntlich säet man das Porrum und den Knoblauch in kleinen Bündeln einge- schlossen, auch den Eppich in ein mit einem Pflock ge- machtes und mit Mist versehenes Loch. Alle Pflanzen aber wachsen entweder aus Samen oder aus Abreissern, einige aus Samen und Reisern, wie die Raute, das Origa- uum, das Ocimum; letzteres nämlich wird auch, wenn es handhoch ist, abgeschnitten. Andere hingegen aus der Wurzel und dem Samen, wie die ZipoUe, der Knoblauch, die Knollengewächse, und diejenigen, deren Wurzeln, wenn sie 1 Jahr getragen haben, in der Erde stehen geblieben sind. Diejenigen, welche aus der Wurzel hervorwachsen, haben eine dauerhafte und feste, wie die Knollengewächse, das Gethyum und die Meerzwiebel. Einige wachsen stau- denartig und ohne Köpfe, wie der Eppich, die Beta. Wenn •) S. 52. Cap. Neunzehntes Buch. 459 man den Stengel abschneidet, so sehlagen die meisten, ausgenommen die welche keinen rauhen Stengel haben, wieder aus. Diese Eigenschaft benutzt man beim Ocimum, dem Rettig und dem Lattich, und hält den nachgewachsenen Theil für wohlschmeckender. Der Rettig wird sicher schmack- hafter, wenn man ihm die Blätter nimmt, bevor der Stengel treibt. Ebenso die Steckrüben, denn auch sie wachsen, nach Wegnahme der Blätter, mit Erde bedeckt und halten sich den Sommer über. 37. Von folgenden Gewächsen giebt es nur eine Art: von Ocimum, Ampfer, Blitum, Nasturtium, Eruca, Atriplex, Co- riander, Dill, denn sie sind sich überall gleich, und an einem Orte nicht besser wie am andern. Nur glaubt man, gestohlene Raute sei fruchtbarer, wogegen gestohlene Birnen am schlechtesten gedeihen. Einige entstehen, ohne gesäet zu sein, wie die wilde Minze i), die Katzenminze 2), die Cichorie, der Poley. Viele Arten aberhaben die, welche wir bereits angeführt haben und noch nennen werden, be- sonders der Eppich. Diejenige Art davon, welche an teuchteu Plätzen wächst, heisst Helioselinum ^) und hat nur ein *), unbehaartes Blatt; die an trocknen Orten vorkommende heisst Hipposelinum •'), sieht jeuer ähnlich, hat aber meh- rere Blätter. Die dritte Art hat Blätter wie der Schierling, eine dünne Wurzel, Samen wie der Dill, nur etwas kleiner, und heisst Oreoselinum ß). Auch der angebauete kommt mit dichten, krausen, dünnen und schwachen Blättern, mit dünnem und dickem Stengel vor; letzterer ist ferner bei einigen weiss, bei andern purpurroth oder bunt. 38. ' Die Griechen unterscheiden 3 Arten Lattich; eine ») Mentastrum. ^} Nepeta. Nepeta cataria L. 3) Apium graveoleus L. <) In Theophrast steht /j.avo (fvklov, (dünnes Blatt), was Plinius wahrscheinlich für [xovo (pvXXov gelesen hat. ^) Smyrnium olusatrum L. •*) Seseli annuum L.? 460 Neunzehntes Buch. davon hat einen so breiten Stengel, dass daraus sogar kleine Gartenthüren gemacht werden sollen, die Blätter sind etwas grösser als Grasblätter und ganz sehmal, gleich- sam als wenn die Pflanze ihre Nahrung vorzüglich nur auf andere Theile tibertragen habe. Die zweite Art hat einen runden Stengel, die dritte sitzt (an der Erde) und heisst die laconische. Andere theilen die Arten nach der Farbe und Saatzeit ein, nämlich eine schwarze, die im Januar, eine weisse, die im März, und eine röthliche, die im April gesäet würde, und alle würden 2 Monate später versetzt. Genauere Landwirthe unterscheiden noch mehr Arten: eine purpurrothe, krause, cappadocische, griechisch» mit längern Blättern und breitem Stengel, ferner mit langen und schmalen Blättern wie die Cichorie. Die schlechteste Art ist wegen ihrer abscheulichen Bitterkeit Picris i) ge- nannt worden. Noch eine andere Art, die schwarze, heisst Mecoiiis wegen des in grosser Menge darin enthaltenen Schlaf erregenden Milchsaftes, doch sollen auch die übrigen diese Wirkung haben. Unsere Vorfahren in Italien kannten nur diese Art allein, und nannten sie desshalb Lactuca ^). Die purpurrothe, welche die grösste Wurzel hat, heisst die cäcilianische, die runde, mit der kleinsten Wurzel und breiten Blättern: die stengellose, nach Andern die entmannte, weil ihr Genuss der Liebe am meisten widerstehen machen soll. Doch sind sie alle von Natur kühlend und daher im Sommer eine angenehme Speise, benehmen auch den Ekel und machen Appetit. Man weiss, dass der Kaiser Augustus durch die Geschicklichkeit des Arztes Musa mittelst Lattich von einer Krankheit geheilt worden ist. Während die Alten den Lattich zu sehr vernachlässigten, ist er dagegen jetzt so ausserordentlich beliebt, dass man ausfindig gemacht hat, ihn in Sauerhonig für diejenigen Monate, in welchen er nicht frisch zu haben ist, aufzubewahren. Man glaubt auch, dass er das Blut vermehre. Es giebt noch eine Art ') Urospermum echioides L. -) von lac. Lactuca sativa L. Neunzehntes Buch. 461 der sogenannte Ziegenlattich, dessen wir unter den Arznei- gewächsen näher erwähnen wollen i). Unter den Garten- gewächsen beginnt die sehr beliebte Art Lattich, welche die cilicische heisst und ein der cappadocischen ähnliches jedoch krauses und breites Blatt hat, Eingang zu finden. 39. Die lutubi *) können weder zu derselben Art, noch zu einer andern gerechnet werden; sie sind nicht so em- j'^ndlich gegen den Winter, scheinen giftige Eigenschaften zu haben, liefern aber nicht minder wohlschmeckende Sten- gel. Es giebt auch einen sich weit ausbreitenden Intubus, welcher in Aegypten Cichorium heisst, von dem wir aber ein anderes Mal reden wollen ^). Man hat ausfindig gemacht, alle Sträusse und Blätter der Latticharten durch Einschlie- ssen in Krüge auf lange Zeit zu conserviren und die so frisch erhaltenen in Pfannen zu kochen. Lattich säet man das ganze Jahr hindurch auf fruchtbaren, feuchten und gedüngten Boden; zwischen der Aussaat und der Reife der Pfianze verlaufen 2 Monate. Doch soll man eigentlich gleich nach dem kürzesten Tage aussäen, und zu Anfang des Frühlings die Pflanzen versetzen, oder um diese Zeit säen, und im Frühlings- Aequinoctium versetzen. Die wei- ssen vertragen die Kälte am besten. Alle Gartengewächse lieben Feuchtigkeit und Dünger, vorzüglich der Lattich und noch mehr der Intubus. Es ist auch von Nutzen, die "Wurzel vor dem Setzen mit Mist zu bestreichen, und die durch Umgraben entstandenen Vertiefungen mit Erde aus- zufüllen. Einige befördern auch die Ausbreitung der Ge- wächse dadurch, dass sie dieselben, wenn sie V2 Fuss hoch sind, abschneiden, und mit frischem Schweinmiste bestrei- chen. Man glaubt, nur diejenigen würden weiss, welche aus weissem Samen wüchsen, wenn vom Beginn des Wach- sens an Ufersand zwischen sie gestreuet wird, und die ii S. XX. B. 24. Cap. ■•') Intubi. Cichorium Intylaif; L. und Cichorium Endivia L. =) S. XX. B. -29. Cap. 462 Neunzehntes Buch. sich ausbildenden Blätter an den Stengel hinaufgebunden werden. 40. Der Mangold 1) ist unter allen Gartengewächsen das leichteste. Die Griechen unterscheiden 2 Arten desselben nach der Farbe, die schwarze 2) und weisse^); letztere wird vorgezogen, hat sehr wenige Samen, heisst die sicilische, und wird, was die Farbe anbetrifft, noch dem Lattich vor- gezogen. Wir theilen denselben, nach der Zeit der Aus- saat, in den Frühlings- und Herbst-Mangold, doch säet man ihn auch im Juni. Er wird gleichfalls verpflanzt, und es ist zweckmässig, die Wurzeln mit Mist zu bestreichen und den Boden recht feucht zu halten. Man gebraucht ihn mit Linsen und Bohnen, und ebenso wie Kohl, namentlich aber in Verbindung mit Senf, um seine Milde mit Schärfe zu paaren. Die Aerzte sind der Meinung, er sei schädlicher als Kohl; ich erinnere mich auch nicht, ihn auf dem Tische gesehen zu haben, denn man hält es für bedenklich, ihn zu kosten, und nur für kräftige Personen möchte er sich eignen. Er ist von doppelter Natur, nämlich wie der Kohl und wie die Zwiebel, und die Güte hängt von der Breite ab. Diese erlangt er, wenn, wie beim Lattich, im Anbeginn der Färbung ein leichtes Gewicht darauf gelegt wird. Kein anderes Gewächs breitet sich mehr als dieses aus, mitunter bis auf 2 Fuss, was übrigens viel von der Beschaffenheit des Bodens abhängt. Im circeiensischen Gebiete findet man die grössten. Manche glauben, die beste Säezeit sei, wenn der Granatapfel blüht, uud die beste Verpflanzung, wenn 5 Blätter zum Vorschein gekom- men sind. Merkwürdig ist der, wenn anders gegründete Unterschied, dass der Genuss der weissen: Oefifnung, der der schwarzen: Verstopfung bewirkt, und dass, wenn der Geschmack des Weines in einem Fasse durch Kohl ver- ») Beta. 2) Beta vulgaris L.; die rothe Spielart. 3) Beta cicla L. Neunzehntes Buch. 465 dorben ist, eingetauchte Mangoldblätter ihn wieder ver- bessern. 41. Dass Kohl und Krauts), welche gegenwärtig die wichtigsten Gärtengewächse sind, von den Griechen beson- ders geachtet wurden, finde ich nirgends angeführt. Cato aber macht auf den Kohl grosse Lebenserhebungen, die wir bei den Arzneien gehörigen Orts anführen wollen. Er unterscheidet 3 Arten, eine mit ausgedehnten Blättern und grossem Stengel, eine andere mit krausen Blättern, welche er Eppichkohl ^) nennt , eine dritte mit kleinen Stengeln^ mild und zart, aber am werthlosesten. Kohl wird das ganze Jahr hindurch gesäet und geschnitten, am zweckmä- ssigsten säet man ihn jedoch nach dem Herbst-Aequinoctium^ und versetzt ihn, wenn er 5 Blätter hat. Die jungen Spro- ssen vom ersten Schnitte sind im folgenden Friihliuge am besten; diess sind nämlich an den Stengeln selbst wach- sende feinere und zartere Stengel, welche von dem Schwel- ger Apicius und durch diesen vom Drusus Cäser verschmä- het wurden, und weshalb dieser von seinem Vater Tiberius Strafe bekam. Nach jenen Sprossen schiessen aus derselben Kohlstaude die Sommer-, Herbst- und Winterstengelchen, dann wiederum Sprossen — denn keine Art ist so frucht- bar als diese — bis sie durch ihre eigene Fruchtbarkeit aufgerieben wird. Die dritte Art wird im Solstitium gesäet und bei feuchtem Boden im Sommer, bei trockuem im Herbste verpflanzt. Mangel an Mist und Feuchtigkeit be- dingen einen angenehmem Geschmack, und Ueberfluss au beiden grössere Fruchtbarkeit. Eselsmist leistet hier die besten Dienste. Auch diess Gewächs gehört zu den Lecke- reien, daher wir uns wohl etwas ausführlicher darüber verbreiten müssen. Ganz besonders schmackhaft und gross wird der Kohl, wenn man ihn in zweimal gegrabene Erde säet die über die Erde sich erhebenden Stengel au dem ' Olus et caules. Brassica oleracea L. und deren Varietäten. 2) apiana. 4(54 Neunzehntes Buch. Boden abschneidet und an die, welche sich im üppigen Wüchse vom Boden erheben, soviel andere Erde häuft, dass nur die Spitzen hervorragen. Man nennt diese Art, wobei man Unkosten und Verdruss doppelt rechnen muss, die dreifache. Der übrigen Arten sind noch eine ziemliche Anzahl. Die cumanische bat sitzende Blätter und einen offnen Kopf; die ariciniscbe ist nicht höher, hat mehr, aber weniger zarte Blätter, und wird für die beste gehalten, weil sie fast unter allen Blättern besondere Stiele treibt. Die pompejanische ist höher, der Stengel von der Wurzel an dünn, in der Nähe der Blätter aber dick, die Blätter sind weniger zahlreich und schmäler, aber ihrer Zartheit wegen geschätzt, verlieren jedoch durch Kälte. Dagegen ist die Kälte der brutianischen Art mit grossen Blättern, dünnem Stengel und vom scharfen Geschmacke zuträglich. Die sabellische Art hat ausgezeichnet krause Blätter, deren Dicke den Stengel selbst (scheinbar) dünne macht, und wird für die süsseste von allen gehalten. Vor Kurzem ist auch die seethurraige aus dem aricinischen Thale, wo ehe- mals ein See war und noch ein Thurm steht, bekannt ge- worden, welche einen sehr grossen Kopf und zahllose Blätter trägt, und von der einige sich rundum ausdehnen, andere in die Breite wachsen. Auch hat keine, nächst der dreifachen, einen grössern Kopf, der zuweilen 1 Fuss misst, und keine bekommt die Sprossen später. Alle Arten macht der Keif delikater, wenn aber das Mark nicht durch einen Querschnitt geschützt wird, so schadet er sehr. Kohl, der zur Saat bestimmt ist, wird nicht geschnitten. Auch derjenige, welcher den Habitus der Pflanze nie überschreitet, ist vorzüglich gut; er heisät Seekohl i), weil er nur am Meere wächst, und hält sich selbst auf langer Seefahrt grün. Nachdem er abgeschnitten, thut man ihn sogleich, ohne dass er die Erde berührt hat, in kurz zuvor getrock- nete Oelfässer, und verschliesst diese sorgfältig vor dem Zutritt der Luft. Einige glauben, die Pflanze komme schneller ') halniyviiHa. Crambe maritima L.? Neunzehntes Buch. 465 zur Reife, wenn man beim Versetzen Seegras und so viel Natron, als man mit 3 Fingern fassen kann, unter den Stengel lege. Andere streuen ein Gemenge von Kleesamen und Natron auf die Blätter. Ein Zusatz von Natron beim Kochen erhält sie auch grün, oder, wenn man sie, nach apicianischer Weise, vor dem Kochen in Oel und Salz ein- weicht. Auch bei den Kräutern bedient man sich einer Art Pfropfens, indem man die Sprossenaugen des Stengels abschneidet und in das Mark Samen von andern Pflanzen steckt. Diess geschieht unter andern bei der wilden Gurke. Es giebt noch einen wilden Kohl mit 3 Blättern, welcher durch die Gedichte des göttlichen Julius (Caesar) und durch Soldatenscherze berühmt geworden ist, denn in einem Verse um den andern warfen sie ihm vor, dass sie bei Dyrrachium von Lapsana i) hätten leben müssen, und spot- teten über seine Sparsamkeit bei Austheilung der Geschenke. Diese Pflanze ist aber der wilde Kohl. 42. Unter allen Gartengewächsen wird die meiste Sorgfalt auf den Spargel^) verwendet. Ueber seinen Ursprung wurde bei den wilden Kräutern genügend gesprochen und ebendaselbst angeführt, wie er, nach Cato's Anleitung, in Rohrgebüsche zu säen sei. Es giebt noch eine andere Art, welche weniger angebaut ist als der Gartenspargel, milder als der Corruda^) schmeckt, hin und wieder auf Bergen, und Felderweise im obern Deutschland wächst, und von dem der Kaiser Tiberius die witzige Aeusserung machte, es wachse dort ein dem Gartenspargel sehr ähnliches Kraut. Derjenige aber, welcher auf der campanischen In- sel Nesis wild wächst, wird für den besten gehalten. Man pflanzt den Gartenspargel durch Wurzeln *) fort, denn er hat deren sehr viele und geht sehr tief. Zuerst bricht ein Strunk hervor, der, zum Stengel aufwachsend, sich mit der •) Sinapis incana L., oder vielleicht eher Raphanus Raphanistrum. '■') Asparagus officinalis L. ») Asparagus acutifolius L. '*) spTongiae. Wittstein: Plinius. UI. Bd. 30 466 Neunzehntes Buch. Zeit hoch erhebt und in breite Büsche vertheilt. Man kann ihn auch aus dem Samen ziehen. Cato hat keine Materie fleissiger bearbeitet, und sie umfasst das Letzte seines Werks, woraus erhellet, dass dieser Mann dem Spargel auf einmal ganz zuletzt seine Sorge widmete. Man soll nach Ihm einen feuchten und dichten Boden zurichten, und den Spargel nach allen Seiten hin i;, Fuss weit von ein- ander pflanzen, damit er nicht zertreten werde. Ausserdem soll man der Schnur entlang 2 bis 3 Körner mittelst eines Pflockes (denn damals zog man den Spargel bloss aus Samen) und zwar nach dem Frühlings-Aequinoctium einsetzen. Man müsse ferner gut düngen, fleissig gäten, und sich vorsehen, dass mit dem Unkraute nicht auch der Spargel herrausgerissen werde. Im ersten Jahre bedecke man ihn im Winter mit Stroh, im Frühjahre lüfte man wieder, behacke und gäte, im dritten Frühlinge aber zünde man ihn an. Je zeitiger man ihn anzündet, desto besser gedeihet er. Daher steht er am zweckmässigsten in Rohr- gebüschen, weil diese früh angezündet werden. Cato sagt, man müsse ihn nicht früher behacken, bis er emporge- wachsen sei, damit die Wurzeln nicht verletzt würden. Hierauf müsse der Spargel nahe an der Wurzel abgerissen werden, denn bräche man ihn ab, so verholze er und sterbe ab. Dass Abreissen kann so lange geschehen, bis der Same ansetzt. Dieser werde aber im Frühjahre reif, dann wird angezündet, und wenn der Stengel neuerdings erscheint, behacke und dünge man. Nach neun Jahren setze man ihn in geackertes und gedüngtes Land, und pflanze ihn durch Wurzeln, welche 1 Fuss weit von einander entfernt sind, fort. Man soll namentlich Schafmist gebrauchen, weil aller andere leicht Unkraut erzeugt. Hernach fand man es am zweckmässigsten, um die Mitte des Februars Samen, welcher haufenweise vergraben, und besonders in Mist ein- geweicht ist, in kleine Gruben zu säen. Wenn dann die Wurzeln sich in einander verflochten haben, versetzt man nach dem Herbst-Aequinoctium 1 Fuss weit von einander, was eine zehnjährige Fruchtbarkeit zur Folge hat. Kein Neunzehntes Buch. 4(57 Boden eignet sich besser für ihn als das Gartenland zu Ravenna. — Unter dem bereits erwähnten Corruda verstehe ich den wilden Spargel, welchen die Griechen Hormenum, Myacanthum oder auch anderes nennen. Ich finde, dass der Spargel auch gut wachsen soll, wenn man ihn mit zerstossenen Widderhörnern düngt. 43. Es könnte nun scheinen, als haben wir alles, was ei- nigen Werth hat, angeführt, wenn nicht noch des bedeu- tenden Ertrags von einem Gegenstande, dessen man nicht ohne Schaam erwähnen kann, gedacht werden müsste. Man bauet nämlich, namentlich bei Carthagena und Cor- duba Disteln 0, welche von kleinen Feldern einen Ge- winn von 6000 Sesterzien abwerfen; denn wir bringen auch die hässlicben Ausgeburten der Erde, ja selbst das was die damit vertrauten Thiere vermeiden, zu Leckereien in die Küche. Man bauet diese Disteln auf zweierlei Weise, durch junge Pflanzen im. Herbste und durch Samen vor dem 7. März; die Pflanzen davon werden vor Mitte No- vember oder in kalten Gegenden im Februar versetzt, merkwürdiger Weise auch gedüngt und gedeihen dann besser, ferner in mit Essig vermischtem Honig eingemacht, und Laserwurzel nebst Rosskümmel zugesetzt, damit kein Tag ohne Disteln hingeht. 44. Die übrigen Gewächse brauche ich nur kurz anzu- deuten. Das Ocimum soll am Feste der Pales gesäet werden, doch kann diess auch im Herbste geschehen; wenn aber die Aussaat im Winter vorgenommen werden soll, so müsse man den Samen in Essig einweichen. Die Eruca 2) und die Brunnenkresse 3) säet naan gleichfalls um die- selbe Zeit, und beide wachsen im Sommer oder Winter am besten heran. Namentlich widersteht die Eruca der Kälte sehr gut, ist von dem Lattich verschieden und reizt zum ') Cardui. Cynara Scolymus L. die Artischoke. 2) Eruca sativa L. 3) Nasturtium. Nasturtium officinale Br. 30* 4ßg Neunzehntes Buch. Geschlechtstrieb, daher man sie mit jenem vermischt ver- speist, um allzugrosse Kälte durch Hitze zu massigen. Die Brunnenkresse hat ihren Namen von dem Reize, den sie auf die Nase ausübt i). Mau gebraucht daher diess Wort als Redensart zur Bezeichnung der Lebhaftigkeit, welche auf einen trägen (gleichsam der Betäubung ähn- lichen) Zustand erfolgt ist. In Arabien soll sie eine ausser- ordentliche Grösse erlangen. 45. Die Raute-) wird gleichfalls im ersten Frühlinge und nach dem Herbst- Aequinoctium gesäet; Kälte, Feuchtigkeit und Mist schaden ihr, an sonnigen und trocknen Plätzen sowie in Ziegelerde gedeihet sie gut. Sie muss mit Asche gedüngt werden, und zur Abhaltung der Raupen mischt man dieselbe unter den Samen. Bei den Alten stand diess Gewächs in besonderm Ansehn. Ich finde, dass Corne- lius Cethegus, der College des Quintius Flamininus im Consulate, dem Volke nach Beendigung des Wahlaktes Rautenmost reichen Hess. Die Raute ist dem Feigenbaume so befreundet, dass sie nirgends besser als unter diesem gedeihet. Sie wird auch durch Reiser fortgepflanzt, und diess geschieht zweckmässig dadurch, dass man ein solches in eine durchbohrte Bohne steckt, deren Saft den Steckling nährt. Endlich zieht man sie durch sich selbst; wenn man nämlich die Spitze eines Astes zur Erde biegt, so schlägt er gleich Wurzeln. Dieselbe Eigenschaft besitzt das Ba- silienkraut, nur wächst dieses nicht so leicht. Sobald die Pflanze einige Festigkeit erlangt, wird sie gesäubert, was etwas schwierig ist, weil sie leicht juckende Geschwüre erzeugt, wenn man die Hände nicht vorher mit Oel be- strichen hat. Man hebt die Blätter in Bändeln auf. 46. Den Eppich bauet man nach dem Frühlings-Aequinoc- tium, und stösst zuvor den Samen ein wenig im Mörser, denn durch diese Behandlung, oder auch, wenn man die >) -a narium tonnento. -) Ruta. Rata greveoleus L. Neunzehntes Buch. 469 Saat mit einer Walze oder mit den Füssen eintritt, soll er krauser werden. Er hat das Eigenthümliche, die Farbe zu wechseln. In Acbaja widerfährt ihm die Ehre, dass die Sieger in den heiligen Nemeischen Kampf-Spieleu damit bekränzt werden. 47. Um dieselbe Zeit wird die, Minze durch die Pflanze i) oder, wenn sie noch nicht ausgeschlagen ist, durch die "Wurzel gebauet. Sie liebt trocknen Boden. Im Sommer ist sie grttn, im Winter gelblich. Eine wilde Art, die Rossminze 2), wird entweder auf ähnliche Weise wie der Weinstock oder durch Umkehren der Aeste fortgepflanzt. Den Namen mentha hat sie bei den Griechen des ange- nehmen Geruchs wegen bekommen, denn sie hiess sonst mintha, und davon haben unsere Vorfahren den Namen abgeleitet. Seit Kurzem bezeichnet man sie auch mit 'HSvoafxog. Bei ländlichen Gastmahlen duften die Tische vom Aroma der Minze. Einmal gesäet dauert sie eine Reihe von Jahren hindurch aus. Ihr nahe steht der Poley 3), der, wie ich bereits angeführt habe, die Eigenschaft hat, in den Speisekammern nochmals zu blühen. Minze, Poley und Nepeta werden auf gleiche Weise aufbewahrt. Doch, wenn wir auch alle übrigen Gewürze verwerfen wollen, so bleibt doch der RosskümmeH) das beliebteste. Er wur- zelt nur in der obersten Erdschicht, sodass er kaum darin befestigt ist, und wächst hoch empor. Man muss ihn namentlich an warme, und faulende Stoffe enthaltende Plätze mitten im Frühlinge säen. Die wilde Art, welche Einige den Bauernkümmel, Andere den thebaischen nennen, hilft zerrieben mit Wasser getninken, gegen Magenschmerzen. In unserm Welttheile ist der carpetanische der beste, ausserdem hat der aethiopische und afrikanische den Vor- 1) D. i. durch Reiser. -) Mentastrum. Mentha sylvestris L. Unter der nicht wilden Art ist vorzüglich Mentha piperita L. zu verstehen. 3) Pulegium. Mentha Pulegium L. ^) Cuminum. Cuminum Cyminum L. 470 Neunzehntes Buch. zug, und Einige schätzen den ägyptischen noch höher als diesen. 48. Von ganz wunderbarer Beschaffenheit ist das Olusa- trum^), welches die Griechen Hipposelinum 2), Andere Smyrnium nennen. Es wächst aus dem Thränensafte seines Stengels, wird aber auch mittelst der Wurzel fortgepflanzt. Der davon gesammelte Saft soll wie Myrrhe schmecken, und nach Theophrast's Angabe wäre diess Gewächs aus gesäeter Myrrhe entstanden. Die Alten bauten die Pferde- silge an wüste, steinige Plätze neben Gartenmauern, jetzt geschieht es auf zweimal geackertem Boden vom Beginn des Frühlings bis nach dem Herbst-Aequinoctium. Ebenso säet man auch die Kapper in trocknes Erdreich, dessen Fläche man beim Graben hohl macht und allenthalben mit einer Steinwand umgiebt, weil sie sonst den Acker durch- wuchert und unfruchtbar macht. Sie blühet im Sommer, bleibt bis zum Untergange des Siebengestirns grün, und liebt besonders sandigen Boden. Die Fehler dieses über- seeischen Gewächses haben wir bei den fremden Stauden genannt. 49. Auch der FeldkümmeH), der nach einem Volke benannt ist, gehört zu den ausländischen Gewächsen. Er wird viel in der Küche gebraucht, und erfordert denselben Boden wie die Pferdesilge. Der beste kommt aus Carlen, und auf diesen folgt zunächst der phrygische. 50. Das wilde Ligusticum^) wächst auf den Bergen seines Vaterlandes Ligurien; man säet es überall, das angebauete ist zwar milder aber nicht kräftig. Einige nennen es Pa- *) Smyrnium Olusatrum L. -) Pferdesilge. 3) Careum. Carum Carvi L. ^) Laserpitium Siler L.; nach Dierbach ist es Trochiscanthes nodiflorus Koch. Neunzehntes Buch. 471 Dax. Unter den Griechen benennt Cratevas i) die Ochsen- Cuuila 2) mit diesem Namen, sonst alle Uebrigen die Conyza d. i. Cunilago; die Thymbra^) aber ist die (echte) Cunila- Letztere bat bei uns den Namen Satureja und gehört zu den Gewürzen. Man säet diess Kraut im Februar; es ist ein Nebenbuhler des Origanum, und wegen seiner ähnlichen Wirkung wendet man niemals beide zugleich an. Doch zieht man das ägyptische Origanum der Cunila vor. 51. Das Lepidium*) gehörte auch früher zu den fremden Gewächsen. Man säet es zu Anfang des Frühlings, schneidet es , nachdem sich ein Stengel gebildet hat, nahe an der Erde ab, behackt und düngt. Diese Behandlung wird zwei Jahre lang befolgt. Später benutzt man seine Stengel- schüsse, wenn die Winterkälte ihm nicht geschadet hat, denn gegen diese ist es sehr empfindlich. Es wird ein Cu- bitus hoch, hat Blätter von der Form des Lorbeerbaums, aber von weicher Consistenz und wird stets mit Milch ver- speist. 52. Das Gith^) wird in den Bäckereien, der Anis und Dill in den Küchen und zu Arzneien gebraucht. Das Sa- copenium'^) wird auch in Gärten gebauet, dient aber nur als Arzneimittel. 53. Einige Gewächse werden zusammen mit andern ge- säet, wie z. B. der Mohn mit dem Kohl und Portulak''), und die Eruca mit dem Lattich. Vom Mohn giebt es drei Arten; von dem weissen wurde der Samen bei den Alten geröstet, und mit Honig beim Nachtische aufgesetzt, auch >) Rhizotom zur Zeit des Mithridates, dem er ein Werk von den med. Kräften der Pflanzen zueignete. 2) S. XX. B. 61. Cap. ^) Satureja hortensis L. und Satureja Thymbra L. '') Lepidum latifolium L. und Lepidium sativum L., Kresse. 5) Nigella sativa L., der schwarze Kümmel. 6) S. XX. B. 75. Cap. ■>) S. XX. B. 81. Cap. ^72 Neunzehntes Buch. spreogt man ihn, mit einem Ei vermischt, auf die (obere) Rinde des Bauernbrotes, dessen untere mit Petersilie und Schwarzkümmel gewürzt wird. Die zweite Art ist der schwarze ^), aus dessen Stengel durch Ritzen ein Milchsaft gewonnen wird. Die dritte nennen die Griechen Rhöas^), die Römer den umherschweifenden 3); er wächst wild, be- sonders auf Aeckern zwischen der Gerste, ähnelt der Eruca, ist ein Cubitus hoch, seine Blüthe ist roth und fällt bald ab, daher die Griechen ihm obigen Namen gegeben haben ^). Von den übrigen Arten des wilden Mohns wollen wir bei den Arzneigewächsen reden ^). Dass aber der Mohn bei den Römern stets geschätzt worden ist, beweist Tarqui- nius Superbus, welcher in seinem Garten in Gegenwart der von seinem Sohne abgeschickten Gesandten die höchsten Mohnköpfe abschlug, und durch diese versteckte Hand- lungsweise jene blutdürstige Antwort gab. 54. Wiederum werden im Herbst-Aequinoctium zu- sammen gesäet: Coriander, Dill, Melde, Malve, Ampfer, KörbeP), den die Griechen Päderos nennen, und Senf welcher einen äusserst scharfen Geschmack, eine feurige Wirkung und heilsame Kräfte besitzt, keiner Cultur bedarf, aber besser gedeihet, wenn er versetzt wird. Ja, ist er einmal gesäet, so lässt sich das Feld kaum wieder davon befreien, denn ein jedes Korn, welches zur Erde fällt, fängt sogleich an zu keimen. Man speist ihn auch in kleinen Schüsseln gekocht als Gemüse, nimmt dann aber keine Schärfe mehr an ihm wahr. Ferner kocht man die Blätter gleich andern Kohlarten. Es giebt drei Arten; die eine ist dünn, die andere hat Blätter wie die Rübe, und die dritte solche wie die Eruca. Der beste Same kommt aus Ae- •) Papaver album et nigrum. Papaver somniferum L. ^) Papaver Argemone L. und Papaver Rhoeas L. 3) erraticum. ■*) von Qscj, fliessen, abfallen. *) S. XX. B. 76. Cap. etc. *) Caerefolium. ScanFix Cerefolium L. Neunzehntes Buch. 473 gypten. Die Athenienser nennen ihn Napy, Andere Thapsi^ und wieder Andere Saurion i). 55. VomSerpyllum2)und Sisymbrium ^) sind die meisten Berge bedeckt, z. B. in Thracien; von diesen, sowie von den Bergen bei Sieyon und vom Hymettus bei Athen trägt man die abgerissenen Zweige dieser Gewächse herunter und streuet sie aus. Das Sisymbrium wächst am tippigsten an den Seiten der Brunnen, an Fischteichen und Pfützen. 56. Die übrigen sind ruthenartige ^) Gewächse, wie der Fenchel ^), welchen, wie bereits angegeben wurde , die Schlangen sehr gern fressen, und der getrocknet häufig als Gewürz dient. Ihm ist die Thapsia, welche wir unter den fremden Stauden nannten ß), ähnlich. Der zur Verfertigung von Stricken viel benutzte Hanf ^) wird gleich zu Anfang des Frühlings gesäet. Je dichter er ist, um so feiner fällt er aus. Der Same wird nach seiner Reife im Herbst- Aequinoctium abgestreift und entweder an der Sonne oder im Winde oder im Rauche getrocknet, die Pflanze selbst nach der Weinlese ausgerissen und in den Abendstunden durch Abschälen gereinigt. Der beste ist der alabandische, und dient besonders zu Netzen. Es giebt dort 3 Arten; der schlechteste befindet sich zunächst der Rinde und dem Marke, am besten ist der mittlere, welcher Mittelhanf ge- nannt wird, und der zweite heisst mylaseischer. Hin- sichtlich seiner Höhe bemerke ich, dass der roseische im sabinischen Gebiete die Grösse der Bäume erreicht. Von der Ferula haben wir unter den fremden Stauden zwei Arten angeführt. Ihr Same wird in Italien gegessen; man macht ihn nämlich ein und erhält ihn so in Krügen etwa ein Jahr 1) Dfe angeblichen 3 Arten gehören wahrscheinlich sämmtlich zu Sinapis alba L. *) Thymus Serpyllum L. 3) Nasturtium offic. Br. Vielleicht möchte auch die Mentha aqua- tica L. hierher zu ziehen sein. ■*) ferulacea. *) Foeniculum. Anethum Foeniculum L. «) Vergl. XIII. B. 43. Cap. ') Cannabis. Cannabis sativa L. 474 Neunzehntes Buch. laug. Man unterscheidet Stengel und Traube; letztere nennt man Corymbia, und, was man einmacht, Corymbi. 57. Die Gartengewächse werden ebenso wie die übrigen Pflanzen von Krankheiten heimgesucht. Das Basilien- kraut geht im Alter in Quendel, und das Sisymbrium in Calaminthe ^) über. Aus altem Kohlsamen werden Rüben, und umgekehrt. Der Rosskümmel wird, wenn man ihn reinigt, Yom Limodorum 2) getödtet. Letzteres hat einen einfachen Stengel, eine zwiebelartige Wurzel, und wächst bloss auf magerm Boden. Eine andere Krankheit des Ross- kümmels ist die Räude. Das Basilienkraut wird beim Auf- gange des Hundssterns bleich. Alle Kräuter werden gelb, wenn ein menstruirendes Frauenzimmer sich ihnen nähert. Es entstehen auch mehre Arten kleiner Thierchen auf Pflanzen, Mücken auf den Steckrüben, Raupen und Würmer auf dem Rettig, dem Lattich und Kohl, und noch mehr als diese, verschiedene Schnecken. Ferner noch besondere Thiere, welche man am leichtesten durch Aufwerfen von Mist , in welchem sie sich verkriechen , fängt. Sabinus Tiro ^) sagt in seinem Buche „über den Gartenbau *)", welches er dem Mäcenas widmete, es sei nicht gut, Raute, Saturei, Minze und Basilienkraut mit Eisen zu berühren. 58. Eben derselbe hat auch wider die Ameisen, diese Plage derjenigen Gärten, welche ohne Wasser sind, ein Mittel angegeben, nämlich ihre Löcher mit Meerschlamm oder Asche zu verstopfen. Allein am besten vertilgt sie -das Kraut Heliotropium. Einige sind auch der Meinung, Wasser, in welches rohe Ziegelsteine geweicht, sei ihnen ') Unter diesem Namen begriffen die Alten mehrere Gewächse: Melissa altissima Sibth., Thymus Calamintha L., und Mentha tomen- tella Lk. Nehmen wir das im 55. Cap. genannte Sisymbrium für Mentha aquatica, so erklärt sich der angebliche Uebergang durch ) Nicht unser Aconitum, sondern Doronicum Pardalianches L. *) Hyoscyamus. 2^j Zwanzigstes Buch. kocht treibt er die Spulilwürmer und alle übrigen Einge- weidethiere aus. Er heilt den Stuhlgang in einem Breie gegeben, die Sehmerzen der Schläfen gekocht aufgelegt, das Roth lauf mit Honig gekocht und zerrieben; den Husten mit altem Fette oder Milch gekocht, oder bei Blut- und Eiterauswurf unter Kohlen gebraten und mit ebensoviel Honig, Verrenkungen und Bauchschäden mit Salz und Oel genommen. Mit Schmalz heilt er verdächtige Geschwulste. Mit Schwefel und Harz vermischt zieht er das Schädliche aus Fistelgeschwüren, und mit Pech die Pfeile heraus. Mit Dost allein, oder seine Asche mit Oel und Fischtunke auf- gelegt zieht er Krätze, Flechten, Sommerfiecken und die Rose aus und heilt sie. Gebrannt und mit Honig vermischt, giebt er aufgelaufenen und blauen Stellen ihre vorige Farbe wieder. Auch die Epilepsie soll geheilt werden, wenn der damit Behaftete Knoblauch isst, oder einen Trank davon nimmt, und ein Knollen mit 1 Obolus Laserpitium in herbem Wein genommen soll das 4tägige Fieber vertreiben. Husten und jegliche Brusteiterung heilt er, wenn man ihn mit zerbrochenen Bohnen kocht und diess Gemenge bis zur Genesung speiset. Er macht auch Schlaf und verleiht dem Körper eine röthere Farbe. Mit grünem Coriander zer- rieben und mit lauterm Weine getrunken reizt er zum Bei- schlafe. Seine nicht empfehlenden Eigenschaften bestehen darin, die Sehkraft zu verringern, Blähungen zu erregen, zu reichlich genommen den Magen zu schwächen und Durst zu erzeugen. Unter das Futterkorn gemengt heilt er den Pips bei den Hühnervögeln. Wenn mau die Zeugungstheile des Zugviehes mit zerriebenem Knoblauch bestreicht, so soll es den Harn leicht lassen und keine Schmerzen dabei haben. 24. Unter den wildwachsenden Arten des Lattichs ist diejenige die erste, welche man Ziegenlattich nennt; wirft man diesen ins Meer, so sterben die in der Nähe be- findlichen Fische augenblicklich. Von dem eingedickten Milchsäfte desselben giebt man den Wassersüchtigen 2 Zwanzigstes Buch. 17 Obolus schwer in Essig und mit 2 Bechern Wasser ver- setzt. Der zerstossenen und mit Salz bestreueten Stengel und Blätter bedient man sich zur Heilung zerschnittener Nerven. Spühlt man mit denselben in Essig zerriebenen Pflanzentheilen zweimal des Monats den Mund früh Morgens aus, so bekommt man kein Zahnweh. 25. Eine zweite Art nennen die Griechen Caesapon; sie kommt auf Aeckern vor, und ihre Blätter werden zerrieben und mit Gerstenbrei auf Geschwüre gelegt. Die dritte, in Wäldern wachsende Art heisst Waid^); ihre Blätter ge- braucht man, wie die der vorigen zur Heilung von Wunden. Die vierte Art wird von den Wollfärbern benutzt 2); ihre Blätter sind denen des wilden Ampfers ähnlich, aber zahl- reicher vorhanden und schwärzer. Diese Pflanze stillt das Blut, heilt um sich fressende und faulige Geschwüre, sowie Geschwulste, wenn sie noch nicht eitern. Gegen die Rose dienen Wurzel und Blätter, und ein Trank davon lindert Milzkrankheiten. Diess sind die Eigenschaften der einzelnen Arten. 26. Alle wildwachsenden Arten haben im Allgemeinen ein helleres Ansehn, und oft ellenhohe Stengel, welche, gleich den Blättern , rauhhaarig sind. Unter diesen heisst die mit runden, kurzen Blättern Habichtskraut 3), weil die Habichte es aufschlitzen, wenn sie nicht gut sehen können, und mit dem Safte die Augen benetzen. Bei allen ist der Saft weiss, und besitzt dem Mohne ähnliche Kräfte; er wird durch Einschneiden des Stengels gewonnen, in einem neuen irdenen Gefässe aufbewahrt, und leistet in vielen Fällen vortreffliche Dienste. Mit Frauenmilch vermischt heilt er alle Augenübel, Nebelflecken , Narben, alle Arten Entzün- dungen und besonders die Dunkelheit der Augen. Auch ,) Isatis. Isatis sylvestris L. 2) Diess ist Isatis tinctoria L. 3) Hieracia. Tragopogon picioicles L. Wittstein: Plinius. IV. Bd. ^Q Zwanzigstes Buch. gegen Flüsse im Auge wird er mit Wolle aufgelegt. In saurem Wein zu 2 Obolen schwer getrunken reinigt er den Leib, mit Wein vermischt heilt er die Schlangenbisse. Auch die Blätter und die Bltithenbüschel werden mit Essig zer- rieben getrunken; namentlich aber streicht man sie auf Wunden, die durch Scorpionbisse entstanden sind, und mit Wein und Essig auf Bissstellen von Spitzmäusen. Ferner vernichten sie ändere Gifte, mit Ausnahme derjenigen, welche durch Ersticken tödten oder welche der Blase schädlich sind, sowie des Bleiweisses. Zur Beseitigung der Unterleibsbeschwerden legt man sie mit Honig und Essig auf den Bauch. Der Saft hebt das schwere Harnen. Cra- tevas empfiehlt ihn den Wassersüchtigen zu 2 Obolen schwer mit Essig und einem Becher Wein zu geben. Einige sammeln auch einen, jedoch minder wirksamen Saft aus dem angebaueten Lattich. Die vorzüglichem Kräfte dieser Gewächse sind zum Theil schon angeführt, nämlich, dass sie Schlaf verursachen, die Lust zum Beischlaf benehmen,, die Hitze mildern, den Magen reinigen und das Blut ver- mehren; aber noch mehrere sind zu nennen übrig, denn sie vertreiben auch die Blähungen und befördern das Auf- stossen. Nichts reizt und stillt die Esslust mehr, und zu. ein und dem andern gehört ein gewisses Maass. So machen sie auch in Menge genossen Oeffnung, weniger davon be- wirkt das Gegentheil. Sie zertheilen den zähen Schleim, und nach Einigen reinigen sie die Sinne. Gegen verdor- benen Mägen zeigen sie sich sehr wirksam; zu diesem Be- hufe fügt man einige Obolen scharfe Tunke ^) und etwas Süsses zur Milderung hinzu; ist der Schleim sehr dick, Meerzwiebeln oder Wermuth-Wein, und wenn man Husten verspürt, Hyssop-Wein. Mit wilden Endivien giebt man sie bei Verstopfungen und gegen Verhärtungen der Brust. Melancholische und an Blasenübeln Leidende bekommen meistens die weissen Arten. Praxagoras gab sie auch gegen Durchfall. Mit Salz auf frische Brandwunden ge- *) Oxypori. Zwanzigstes Buch. 19 legt, bevor Blasen entständen sind, heilen sie. Um sich fressende Geschwüre werden aufgehalten, wenn ihre An- wendung erst mit Aphronitrum i), und später mit Wein geschieht. Auf die Rose legt man sie zerrieben. Die Stengel lindern mit Graupen und kaltem Wasser verrieben Verrenkungen und Bauchschäden, und mit Graupen und Wein den Ausbruch der Blattern. In der Gallensucht gab man sie sogar schüssel weise, und hiezu nahm man die, welche die grössten Stengel haben und bitter schmecken. Einige bereiten einen Aufguss mit Milch. Abgekocht sollen diese Stengel dem Magen sehr zuträglich sein, sowie der bittere und milchende Sommerlattich, welcher Mohnlattich 2) heisst, am meisten Schlaf erregt. Dieser Milchsaft soll, mit Frauenmilch früh Morgens auf den Kopf eingerieben, die Augen klar machen, auch diejenigen Augenkrankheiten, welche durch Erkältung entstanden sind, heilen. Ich finde noch verschiedene andere vorzüglichere Eigenschaften der- selben angeführt. Brustübel sollen dadurch ebenso wie durch das Abrotanum geheilt werden, zu welchem Behufe man attischen Honig damit vermischt; Frauen werden da- durch gereinigt. Den Samen des Gartenlattichs giebt man gegen Scorpionbisse; ferner nimmt man ihn in Wein gegen üppige Träume. Denen, welche Lattich essen, soll unge- sundes Wasser nicht schädlich sein. Doch sagen Einige, der zu häufige Genuss des Lattichs schade den Augen. 27. Die beiden Arten der Beta besitzen auch medicinische Kräfte. Die frische, angefeuchtete und an einem Faden aufgehängte Wurzel der weissen oder schwarzen Art soll gegen Schlangenbisse helfen; die weisse gekocht und mit rohem Knoblauch genommen, gegen die Würmer; die schwarze gleichfalls gekocht, vertreibt den Grind, und überhaupt soll diese am kräftigsten sein. Ihr Saft stillt altes Kopfweh, Schwindel, auch das Klingen der Ohren, >) Eine salzige Auswitterung an Mauern. 2) Meconis. 2* 20 Zwanzigstes Buch. wenn er in dieselben gegossen wird. Er treibt den Urin, heilt den Durchfall und die Gelbsucht, aufgestrichen die Zahnschmerzen; und, wenn er aus der Wurzel gepresst ist, die Schlaugenbisse. Der Absud der Pflanze selbst heilt die Frostbeulen. Der Saft der weissen hebt, auf die Stirn gestrichen, die Flüsse in den Augen; mit etwas Alaun vermischt, die Rose. Auch ohne Zusatz von Oel gerieben, heilt sie Brandschäden. Man wendet sie auch gegen den Ausbruch der Blattern an, und legt sie gekocht auf fressende Geschwüre; im rohen Zustande aber auf kahle Stellen und fliessende Geschwüre des Kopfes. Wird der Saft mit Ho- nig vermischt in die Nasenlöcher gestrichen, so reinigt er das Haupt. Mit Linsen und Essig gekocht dient sie zum Erweichen des Leibes. Stärker gekocht hemmt sie die Flüsse des Magens und Unterleibes. 28. Es giebt auch eine wilde Bete, welche Einige Limo- niumi), Andere Nervenkraut 2) nennen; sie hat viel kleinere, dünnere und dichtere Blätter, deren Zahl oft 11 beträgt, und einen lilienartigen Stengel. Die Blätter, wel- che beim Kauen den Mund zusammenziehen, heilen Brand- schäden. Der Same hilft zu 1 Acetabulum genommen, bei der Ruhr. Mit dem Absude der Wurzel soll man Fle- cken in den Kleidern und im Pergament vertilgen können. 29. Auch die Intubi sind nicht ohne arzneiliche Kräfte. Ihr Saft lindert mit Rosenessenz und Essig vermischt das Kopfweh, mit Wein genommen die Schmerzen der Leber und Blase; auch legt man ihn gegen Augenflüsse auf. Den wilden nennen bei uns Einige den Wanderer 3). In Ae- gypten heisst der wilde Cichorium, der zahme aber Seris *), und dieser ist kleiner und aderiger. 30. Die Cichorien) kühlt. Verspeist und aufgelegt, zer- *) Limorium: Statice Limonium L. -) Neuroicles. 3) Ambula. '■) Cichorium Enclivia L. 5) Cichorium: C. Tntubus L. Zwanzigstes Buch. 21 theilt sie Geschwülste, und ihr abgekochter Saft öffnet den Leib. Sie wirkt vortheilhaft auf Leber, Nieren und Magen; hebt in Essig gekocht die Schmerzen beim Urinireu, auch mit Houigtrank bereitet die Gelbsucht, wenn kein Fieber vorhanden ist. Blasenleiden werden dadurch gehoben. In Wasser gekocht zeigt sie sich zur Keinigung der Frauen so wirksam, dass sie sogar todte Kinder abführt. Die Magier sagen, wenn man sich mit dem mit Oel vermisch- ten Safte der ganze Pflanze bestriche, so würde man von Andern mehr Gunstbezeigungen, und alles, was man wollte, erhalten. Wegen ihrer besondern Heilkraft wird sie von Einigen die Nützliche ^j, von Andern die Allkräftige^) genannt. 31. Die wilde Art mit breitern Blättern nennen Einige Hedypnois. Sie stärkt gekocht den schwachen Magen; und stopft roh genossen den Durchfall. Sie heilt, besonders in Verbindung mit Linsen, die Kuhr. Zerrissene und ver- renkte Theile werden von beiden Arten geheilt; auch hilft sie denen, w^elche aus Schwäche, in Folge von Krankheit, den Samenfluss haben. 32. Der Salat 3) sieht dem Lattich selbst sehr ähnlich und hat 2 Arten, von denen die wilde, welche schwarz und ein Sommergewächs ist, den Vorzug verdient, während die schlechtere Art eine hellere Farbe hat und im Winter ge- deihet. Beide Arten sind für die mit Flüssen Behafteten vorzügliche Magenmittel. Mit Essig verspeist oder aufge- legt kühlen sie, und vertreiben auch andere Flüsse als die des Magens. Die Wurzeln der wilden werden mit Graupen für den Magen genommen, und gegen Magenübel auf die linke Brust gelegt. Alle diese erweisen sich auch den mit dem Podagra, Blutspeien, Samenfluss Behafteten, einen um den andern Tag getrunken wohlthätig. Petronius Diodo- ») Chrestos. "■') Pancijation 3) Seris. 22 Zwanzigstes Buch. tus 1), welcher Blumenlesen geschrieben hat, verwirft den Salat gänzlich und führt mehrere nachtheilige Wirkungen von ihm an; aber die Ansichten Anderer weichen sehr davon ab. 33. Vielseitig sind die Vorzüge des Kohls 2), denn der Arzt Chrysippus hat ihm ein eignes, über alle Glieder des menschlichen Körpers sich erstreckendes Buch gewidmet, und Dieuches, vor allen aber Pythagoras und Cato sind seines Ruhmes voll. In die Ansichten des letztern müssen wir um so genauer eingehen, damit mau wisse, welcher Arznei sich das römische Volk seit 600 Jahren bedient bat. Die ältesten Griechen unterschieden 3 Arten; den krausen, nach der Aehnlichkeit mit den Blättern des Eppichs der eppichartige 3) genannt, welcher dem Magen dienlich ist und auf den Unterleib gelinde erweichend wirkt. Die zweite heisst Lea^), hat breite aus dem Stengel gehende Blätter, weshalb ihn Einige den Stengelkohl ^) nennen, und ist in medicinischer Beziehung von keiner Bedeutung. Die dritte Art heisst Crambe, hat einfache, zartere und dicht stehende Blätter, schmeckt bitterer, ist aber die kräftigste. Cato schätzt am meisten den krausen, dann den glatten mit grossen Blättern und Stengel. Er rühmt ihn für Kopf- weh, Dunkelheit und Blinzeln der Augen, die Milz, den Magen und die Brust, zu welchen Zwecken man ihn roh mit Essig und Honig, Coriandei-, Raute, Minze und Laser- wurzel früh Morgens zu 2 Acetabeln nehmen soll; seine Kraft sei so gross, dass schon der, welcher diese Mischung bereite, sich dadurch gestärkt fühle. Um so grösser müsse die Wirkung sein, wenn die Mischung selbst oder der Kohl da hineingetaucht genommen werde. Gegen Podagra und Gliederkrankheiteu soll er mit Raute, Coriander, Salz und Gerstenmebl aufgelegt werden; und sein Absud den Nerven *) Ein unbekannter Arzt. ^) Brassica oleracea L. und deren Varietäten. ^) selinoidea. ^) von ?.eioq: glatt. ^) Caulades. Zwanzigstes Buch. 23 und Gelenken sehr zuträglieh sein. Umschläge davon auf neue und alte Wunden, selbst auf Krebsschäden gelegt, helfen, wenn auch kein anderes Mittel mehr anschlägt, zu diesem Behufe aber solle man ihn erst mit warmem Wasser anbrühen und dann zerquetscht zweimal des Tags auflegen. So heile man auch Fistelschäden, Verrenkungen, Flüsse und was sonst zu zertheilen ist. Gekocht und nüchtern reichlich mit Gel und Salz gegessen vertreibe er die Schlaflosigkeit; und nochmals gekocht, mit Zusatz von Gel, Salz und Graupen das Leibweh. Isst man ihn so zubereitet ohne Brot, so soll er noch wirksamer sein. Mit schwarzem Weine genommen vertreibt er auch die Galle. Den Harn Dessen, der Kohl gegessen hat, hebe man auf, denn er ist warm gemacht, gut für die ISferven. Der Deutlichkeit wegen will ich die eigenen Worte dieses Schriftstellers anführen: „Wenn du kleine Knaben in solchem Urin wäschst, werden sie nie schwächlich." Er räth auch, gegen das schwere Hören den Saft warm mit Wein vermischt in die Ohren zu tröpfeln, sowie gegen die Flechte anzuwenden, welche dadurch heile ohne Geschwüre zu bilden. 34. Nun wollen wir um Cato's willen auch die Verord- nungen der Griechen, wenigstens diejenigen, welche er ausgelassen hat, hier mittheilen. Ihrer Ansicht zufolge führt der nicht gekochte Kohl die Galle ab und öffnet, der zweimal gekochte (aufgewärmte) dagegen stopft. Er soll ein Feind des Weins und des Weinstocks sein; vor der Mahlzeit gegessen verhüte er das Trunkenwerden, nach derselben vertreibe er den Rausch. Diese Speise be- fördere sehr die Helligkeit der Augen, am meisten aber der Saft des rohen Kohls, wenn er mit attischem Honig vermischt in die Augenwinkel getupft wird. Er soll sehr leicht verdauet werden und die Sinne reinigen. Die Schüler des Erasistratus behaupten, nichts sei dem Magen und den Nerven dienlicher, weshalb sie ihn auch bei Lähmungen, Zittern und Blutspeien verordnen. Hippocrates empfiehlt ihn zweimal gekocht mit Salz den an Verstopfung, Ruhr, 24 Zwanzigstes Buch. Stuhlzwang und den Nieren Leidenden, auch vermehre er bei den Wöchnerinnen die Milch und reinige die Frauen^ Das Kauen des rohen Stengels befördert den Abgang todter Geburten. Apollodorus verordnet den Samen oder Saft gegen giftige Pilze, Philistion den Saft mit Ziegen- milch, Salz und Honig gegen Opisthotonie. Ich finde auch^ dass an Podagra Leidende durch Essen von Kohl oder Trinken der Kohlbrühe geheilt worden sind. Die Suppe giebt man terner mit Salz den mit Magenschmerzen und Epilepsie Behafteten, desgleichen den Milzsüchtigen mit weissem Weine 40 Tage lang. Gegen Gelbsucht, auch Wahnsinn soll man mit dem Safte der rohen Wurzel gur- geln und ihn trinken; gegen das Schlucken aber mit Co- riander, Dill, Honig, Pfeflfer und Essig. Bei Blähungen im Magen, gegen Schlangenbisse, alte und faule Geschwüre legt man entweder das (davon abgekochte) Wasser mit Gerstenmehl, oder den mit Essig bereiteten Saft nebst Bockshornsamen auf. Einige legen ihn auch auf gegen Gliederweh und Gicht. Hitzige Blattern oder andere um sich fressende Uebel heilt er durch Auflegen, desgleichen plötzliche Verdunkelung der Augen, wenn man ihn mit Essig verzehrt, blaue Flecken durch blosses Ueberschlagen des Krauts, Schorf und Krätze mit Zusatz von rundem Alaun und Essig. Auch befestigt er ausfallende Haare. Epicharmus i) empfiehlt ihn als vorzüglich wirksam gegen Hoden- und andere Krankheiten der Geschlechtswerkzeuge äusserlich angewandt, und noch besser in Verbindung mit Bohnenmehl; desgleichen gegen Verstauchungen mit Raute, gegen Fieberhitze, Magenübel und zum Abführen der Nach- geburt mit Rautensamen. Die Bisse der Spitzmäuse reinigt das Pulver der Blätter in beiderlei Weise angewandt. 35. Unter allen Kohlarten ist der Sprossenkohl 2) die ') Arzt, wahrscheinlich nicht identisch mit dem Philosophea Epicharmos aus Kos, der grösstentheils in Sicilien lebte und daselbst 477 V. Chr. starb. -) cyma, Blumenkohl? Zwanzigstes Buch. 25 lieblichste, doch wird sie für undienlich gehalten, kocht sich schwer und wirkt nachtheilig auf die Nieren. Auch will ich noch bemerken, dass die wässrige Abkochung des Kohls, welche so vielfältige nützliche Anwendung gestattet, auf die Erde gegossen übel riecht. Die Asche von getrock- neten Kohlstengeln ist ein Aetzmittel; man gebraucht sie mit altem Schmalze vermischt gegen Hüftschmerzen, und statt einer Haare vertilgenden Salbe mit Laser und Essig auf ausgerissene Haare gelegt hindert sie das Wachsen neuer Haare, Sie wird auch mit Oel erwärmt oder für sich allein gesotten bei innerlichen Verstauchungen und beim Fallen von einer Höhe eingenommen. Besitzt denn aber der Kohl gar keine üblen Eigenschaften? Allerdings, denn er soll schweres Athmen erzeugen, und den Zähnen und dem Zahnfleische schädlich sein. In Aegypten isst man ihn wegen seiner Bitterkeit nicht. 36. Den wilden oder Feld kohl rühmt Cato noch weit mehr, und versichert, dass wenn man ihn gepulvert in einer Büchse aufbewahre und nur den Geruch davon in die Nase ziehen lasse, dadurch die Krankheiten dieses Or- gans und der üble Geruch desselben gehoben würden. Diese Art, welche bei Einigen Steinkohl heisst, ist ein solcher Feind des Weines, dass der Weinstock selbst davor fliehet, und, wenn ihm diess unmöglich ist, ausgeht. Er hat gleichstehende, kleine, runde, glatte Blätter, sieht dem Küchenkohl mehr ähnlich, und ist heller und rauher als der Gartenkohl. Chrysippus sagt, er heile die Blähungen, auch die Melancholie und frische Wunden mit Honig, wenn sie vor dem siebenten Tage nicht neu verbunden würden; mit Wasser angestosseu Kröpfe und Fisteln. Nach Andern hemmt er das Umsichfressen der sogenannten Nomen-Ge- schwüre, vertilgt Auswüchse und ebnet Narben. Durch Kauen, Kochen und Gurgeln des Saftes mit Honig werden Mundgeschwüre und geschwollene Mandeln, durch Auflegen eines Gemisches von 3 Theilen Kraut und 2 Tbeilen Alaun in Essig alter Schorf und Krätze geheilt. Epicharmus hat 2Ö Zwanzigstes Buch. es für hinreichend, ihn gegen den tollen Hundsbiss aufzu- legen, besser aber ist es, wenn man Laser und Essig hin- zufügt; auch sollen die Hunde, welchen er mit Fleisch ge- geben wird, dadurch getödtet werden. Der geröstete Same hilft gegen Schlangen, Pilze und Ochsenblut. Die gekochten Blätter werden mit Vortheil den Milzsücbtigen gegeben, auch roh mit Schwefel und Natron hiebei sowohl wie gegen verhärtete Brüste anfgelegt. Die Asche der Wurzeln heilt durch Berühren das geschwollene Zäpfchen im Halse, un- terdrückt mit Honig aufgelegt die Geschwüre hinter den Ohren, und heilt die Schlangenbisse. Noch will ich einen bedeutenden und wunderbaren Beweis von der Kraft des Kohls anführen. Wenn Gefässe, in welchen bloss Wasser gekocht wird, inwendig ganz mit einer Rinde überzogen sind, und diese nicht losgemacht werden kann, so geht «ie, sobald Kohl darin gesotten wird, gleich ab. 37. Unter die wilden Kohlarten gehört auch die L ap sa- tt a^) welche 1 Fuss hoch wird, rauhe Blätter hat, und dem l!^apus sehr ähnlich ist, nur dass ihre Blüthen blässer sind. Man kocht sie zur Speise, und ihre Wirkung besteht im gelinden Erweichen des Unterleibes. 38. Der Meerkohl 2) reitzt unter allen Arten den Unter- leib am meisten. Seiner Schärfe wegen wird er mit fettem Fleische gekocht, schadet aber dem Magen sehr. 39. Unter den Meerzwiebelarten heisst die weisse das Männchen, die schwarze das Weibchen. Je weisser, um so besser ist sie auch. Man zieht ihr die trocknen Häute ab, schneidet die darunter liegenden lebenden Theile aus einander, und hängt sie an Fäden in geringem Abstände von einander auf. Hierauf taucht man die trocknen Stücke in ein mit scharfem Essig gefülltes Gefäss so, dass sie die *) Sinapis incana L. oder vielleiclit eher Raphanus Raphanistrum. -) Brassica marina. Crainbe maritima L,? Zwanzigstes Buch. 27 Wände des letztem nirgends berüliren. Diess geschieht 48 Tage vor dem Sommer-Solstitium. Das Gefäss wird nun mit Gyps verstrichen und unter ein Dach gestellt, welches den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt ist. Nach Verlauf dieser Zeit wird das Gefäss hinweggestellt, die Meerzwiebel herausgenommen und der Essig durchgeseihet. Er macht klare Augen, hilft alle 2 Tage in geringer Dosis genommen für Magen- und Seitenstechen, seine Kraft ist aber so gross, dass dem, welcher ihn etwas zu schnell trinkt, der Athem auszugehen drohet. Für das Zahnfleisch und die Zähne kauet man die Wurzel selbst. Mit Essig und Honig genommen vertreibt sie die Würmer und son- stigen Eingeweide-Thiere. Legt man sie den Wassersüch- tigen unter die Zunge, so fühlen sie keinen Durst. Man kocht sie auf verschiedene Weise, entweder in einem Toj^fe, der in ein anderes Gefäss oder in einen Ofen gesetzt wird, oder mit Fett und Leim bestrichen oder stückweise in Schüsseln. Sie wird auch roh getrocknet, dann zerschnitten, in Essig gekocht und auf Bisswunden von Schlangen ge- legt. Ferner röstet man sie, reinigt sie dann, und kocht den mittleren Theil davon nochmals in Wasser. So zuge- richtet findet sie in der Wassersucht Anwendung, und als Diureticum wird sie zu 3 Obolen schwer mit Honig und Essig eingegeben; auch gegen Milz- und Magenbeschwerden (wenn keine Geschwüre vorhanden sind) bei denen, welche an Verdauung leiden; gegen Bauchgrimmen, Gelbsucht und langwierigen mit Engbrüstigkeit begleiteten Husten. Die Blätter, alle 4 Tage neu aufgelegt, vertreiben die Kröpfe; mit Oel gekocht die Schuppen und nassen Geschwüre des Kopfes. Man kocht sie auch zum Verspeisen mit Honig um die Verdauung zu befördern, und die Innern Theile zu reinigen. In Oel gekocht und mit Harz vermischt heilt sie aufgebrochene Füsse. Bei Lendenweh wird ihr Same mit Honig aufgelegt. Pythagoras sagt, wenn man die Meerzwiebel an der Thürschwelle aufhänge, so verhindere sie den Eintritt von Gift und andern schädlichen Einflüssen. 28 Zwanzigstes Buch. 40. Ausserdem heilen die Zwiebeln i) mit Essig und Schwefel die Wunden im Gesicht; für sich zerrieben den Nervenkrampf, mit "Wein den Grind, mit Honig den Biss der tollen Hunde, wobei Erasistratus den Zusatz von Pech vorschreibt. Ebenderselbe giebt an, mit Honig aufgelegt stillten sie das Blut. Andere setzen, wenn das Blut aus der Nase kommt, Coriander und Mehl hinzu. Theodorus 2) heilte auch die Flechten mit Zwiebeln und Essig, und auf dem Kopfe aufbrechende Geschwüre mit saurem Wein und einem Ei; ferner legte er auf Augenflüsse Zwiebeln und heilte so das Triefen der Augen. Die röthlichen unter die- sen Zwiebeln heilen Fehler im Gesichte, wenn sie an der Sonne mit Honig und Natron, und die Sommersprossen, wenn sie mit Wein oder gekochten Gurken aufgelegt wer- den. Bei Wunden zeigen sie sich ganz besonders wirksam theils allein, theils, wie Damion ^) angiebt, mit Honigtrank, wenn der Verband alle 5 Tage erneuert wird. Dieser Arzt heilt ferner damit verletzte Ohren und Schleim an den Ho- den. Bei Gliederschmerzen vermischt man sie mit Mehl. In Wein gekocht und auf den Leib gelegt, machen sie die Brust weich. Den Ruhrkränken giebt man sie in Wein und Regenwasser eingeweicht; bei innerlichen Verrenkungen mit Silphium^) in Kügelchen von der Grösse einer Bohne. Für den Schweiss werden sie gestossen aufgelegt. Sie erweisen sich heilsam für die Nerven, daher man sie auch bei Lähmungen eingiebt. Die röthlichen heilen mit Honig und Salz Fussverrenkungen sehr schnell. Die, welche um Megara wachsen, reizen zum Beischlaf; die Gartenzwiebeln befördern mit eingekochtem oder Rosinenwein genommen die Geburt; die wilden heilen mit Silphium in Pillenform genommen innerliche Wunden und andere Fehler. Der Same der zahmen wird gegen Spitzmäuse mit Wein ge- *) bulbi. Muscari comosum L. 2) Ein nicht näher bekannter Arzt. ^) Desgleichen. '') Oder Laserpitium. Zwanzigstes Buch. 29 trunken ; die Zwiebeln selbst legt man mit Essig gegen Schlangenbisse auf. Die Alten gaben auch Rasenden den Samen in einem Tranke ein. Die zarteren Theile der Zwiebel werden zerrieben gegen Flecke an den Beinen und verschiedene andere durchs Feuer entstandene Fehler ange- wendet. Diocles glaubt, die Augen würden dadurch ge- schwächt; gesotten wären sie nicht so gut als gebraten, und im Allgemeinen schwer zu verdauen. 41. Bulbinei) nennen die Griechen ein Kraut mit lauch- artigen Blättern und röthlicher Zwiebel, welches besonders bei frischen Wunden wunderbare Dienste leisten soll. Das- jenige Zwiebelgewächs, welches wegen seiner Wirkung Brechzwiebel 2) heisst, hat schwarze und längere Blätter als die andern. 42. Der Spargel soll sehr gut für den Magen sein. Aller- dings vertreibt er mit Rossktimmel genommen die Blähun- gen, macht auch in Wein gekocht klare Augen, eröffnet gelinde, lindert Brust- und Rückenschmerzen und andere innerliche Uebel. Bei Lenden- und Nierenschmerzen nimmt man 3 Obolen des Samens mit gleichviel Rosskümmel im Tranke. Er reizt zum Beischlaf, ist ein vortreffliches Harn treibendes Mittel, macht aber die Blase wund. Die Wurzel führt sogar, nach Angabe Vieler, mit weissem Wein einge- geben die Blasensteine ab, und heilt Lenden- und Nieren- schmerzen. Einige verordnen auch dieselbe mit süssem Wein bei Schmerzen der weiblichen Geschlechtstheile. In Essig gekocht erweist sie sich nützlich beim Aussatz. Wer sich mit einem Gemisch aus Spargel und Oel bestreicht, soll von den Birnen nicht gestochen werden. 43. Den wilden Spargel nennen Einige den lybischen ') Grnithogalum umbellatum L, 2) Bulbus vomitorius. Omithogalum nutans L. 30 Zwanzigstes Buch. die Attiker Scharlei i). Er besitzt für die genannten Uebel noch grössere Kräfte, und ist namentlich dem weissen vor- zuziehen. Er vertreibt die Gelbsucht. Zur Beförderung des Beischlafs soll man den Absud zu 1 Hemina trinken, sowie 3 Obolen des Samens mit ebensoviel Dill nehmen. Der gekochte Saft wird auch gegen Schlangenbisse gegeben. Die Wurzel ist in Verbindung mit der des Fenchels eine der kräftigsten Arzneien. Nach Chrysippus soll man bei blutigem Harnen 3 Obolen Spargel-, Eppich- und Ross- kümmel-Samen in 2 Bechern Wein alle 5 Tage nehmen. Ihm zufolge schadet er den Wassersüchtigen, obgleich er urintreibend wirkt, auch dem Beischlafe und der Blase, wenn er nicht gekocht ist. Von dem Absude sollen Hunde getödtet werden. Wird der mit Wein gekochte Saft in Wunden gehalten, so vertreibt er das Zahnweh. 44. Die Kräfte des Eppichs (Sellerie) sind allgemein be- kannt, denn sein Kraut wird in reichlicher Menge in die Suppen gethan, und hat unter den Gewürzen einen beson- dern Werth. Mit Honig wird es zweckmässig auf die Augen gelegt, auch brühet man mit dem heissen Safte die Augen und andere Glieder. Flüsse werden gleichfalls dadurch geheilt; für sich zerrieben oder mit Brot oder Graupen auf- gelegt, leistet er vortreffliche Dienste. Auch den Fischen, welche in den Teichen erkranken, kommt man mit grünem Sellerie zu Hülfe. Doch herrscht bei den Gelehrten über nichts, was aus der Erde gegraben wird, eine grössere Meinungsverschiedenheit, als über diess Gewächs. Man unterscheidet ihn nach dem Geschlecht. Chrysippus nennt das Weibchen die Art mit krausern und harten Blättern, dickem Stengel, und brennend scharfem Geschmack, Dio- nisius die schwärzern, mit kürzerer Wurzel, welche Würmer erzeuge. Beide Autoren verbieten, diese Arten zur Speise zu gebrauchen, und halten es sogar für ein Verbrechen, *) Hormenum. Salvia Horminum L., was indessen eine von dem wilden Spargel ganz verschiedene Pflanze ist. Zwanzigstes Buch. 32 denn diess Kraut sei den traurigen Todtenmahlen geweihet^ und wirke nachtheilig auf die Augen. Im Stengel des Weibchens entstehen Würmer, und Alle die davon essenr es seien männliche oder weibliche Personen, werden un- fruchtbar, säugender Mütter Kinder aber bekommen in diesem Falle die Epilepsie. Die männliche Pflanze soll weniger schädlich sein, und daher zählt man sie nicht zu den verbotenen Kräutern. Durch Auflegen der Blätter werden harte Brüste weich. In Wasser gekocht ertheilt er demselben einen angenehmen Geschmack. Der Saft,, namentlich aus der Wurzel, lindert mit Wein die Lenden- schmerzen, und heilt, ins Ohr getröpfelt, die Schwerhörigkeit. Der Same treibt den Harn, den Monatsfluss und die Nach- geburt ab, und von dem gekochten Samen gemachte Umschläge geben blau angelaufenen Stellen ihre vorige Farbe wieder. Mit dem Weissen vom Ei aufgelegt oder mit Wasser gekocht und getrunken, heilt er die Nieren, mit kaltem Wasser zerrieben die Mundgeschwüre. Wird der Same mit Wein, oder die Wurzel mit altem Weine ge- nommen, so werden dadurch die Blasensteine zerkleinert. Den Samen giebt man auch mit weissem Wein den Gelb- süchtigen. 45. Das Apiastrum nennt Hyginus zwar Melissophyl- lum, es ist aber offenbar zu verwerfen und in Sardinien besitzt es giftige Eigenschaften. Wir müssen jedoch alles berücksichtigen, was bei den Griechen unter demselben Namen gemeint ist. 46. Das Olusatrum, welches auch Pferdesilge *) heisst ist den Scorpionen zuwider. Der aus dem Samen bereitete Trank heilt innerliche Schmerzen, und mit Honigmeth die Harnstrenge. Die Wurzel vertreibt mit Wein gekocht den Stein, sowie Lenden- und Seitenschmerzen. Tolle Hunds- bisse werden davon durch innerliche und äusserliche An- •) Hipposeljnum. 32 Zwanzigstes Buch. Wendung geheilt. Der Saft erwärmt Frierende. Einige machen daraus eine vierte Art, die Bergpetersilie i), deren Stengel 1 Palme hoch und aufrecht ist, der Same sieht dem Rossktimmel ähnlich. Sie erweist sich bei Urin- verhaltungen und beim Mouatsfluss wirksam. Der Sumpf- eppich 2) besitzt eine besondere Kraft gegen die Spinneu. Samen von Bergpetersilie in Wein getrunken reinigt die Weiber. 47. Eine andere Art nennen Einige Petersilie^), weil sie auf Felsen wächst; sie zeigt sich besonders wirksam bei Blutgeschwüren, wenn man 2 Löfifel voll Saft in einem Becher Andornsaft thut, und diess Gemisch mit 3 Bechern warmen Wassers einnimmt. Einige fügen noch den soge- nannten Ochseneppich 4) hinzu, der sich von dem ange- baueten durch den kurzen Stengel und die röthlich gefärbte Wurzel unterscheidet, aber ganz dieselbe Wirkung besitzt. Er soll, innerlich und äusserlich angewandt, ein gutes Mittel gegen die Schlangen sein. 48. Auch das Basilienkraut'^) hat Chrysippus nicht wenig mitgenommen; nach ihm soll es nämlich dem Magen, Urin und den Augen schädlich sein, Wahnwitz, Schlafsucht und Leberleiden erzeugen, und selbst von den Ziegen nicht augerührt werden, daher es auch von den Menschen nicht gebraucht werden müsse. Einige fügen noch hinzu, es er- zeuge zerrieben und mit einem Steine bedeckt, Scorpione, und gekauet an die Sonne gelegt, Würmer. Die Afrikaner sagen, wenn Jemand an demselben Tage, wo er Basilien- kraut gegessen habe, von einem Scorpione gestochen würde, so sei er unheilbar. Andere geben sogar an, wenn man 10 See- oder Flusskrebse mit diesem Kraute zerriebe, so kämen die in der Nähe befindlichen Scorpione heran. ') Oreoselinum. ^) Heleoselinum. 3) Petroselinum. Apium Petroselinuni L, •*) Buselinura. ^) Ocimum. Zwanzigstes Buch. 33 Diodotus 1) sagt in seinen praktischen Erfahrungen, der Genuss des Basilienkrautes erzeuge Läuse. In der nach- folgenden Zeit wurde es eifrig vertlieidigt, denn man be- hauptete, dass die Ziegen es frässen, dass Niemand dadurch irre geworden sei, und dass durch den Genuss desselben mit Wein und etwas Essig die Stiche der Land-Scorpione und Vergiftungen durch Seegeschöpfe geheilt würden. Die Erfahrung hat ferner bewiesen, dass Ohnmächtige, welche an den damit bereiteten Essig riechen, wieder zu sich selbst kommen, und dass es bei Schlafsucht und Eutzimdungeu Kühlung gewährt. Mit Rosenöl, Myrtenöl oder Essig auf- gelegt heilt es das Kopfweh, und mit Wein die Augenge- schwüre. Es ist auch dem Magen zuträglich, lindert in Essig genommen Blähungen und Aufstosseu, hemmt aufge- legt den Bauchfluss, reizt zum Harnen, soll auch gegen Gelbsucht und Wassersucht dienlich sein, Gallensucht und Durchfall heilen. Daher verordnete es Philistion bei Ver- stopfungen, und Plistouicus in der Abkochung bei Durchfall und Kolik; Einige mit Wein bei Stuhlzwang und Blut- speien, sowie bei verhärteter Brust. Auf die Brüste ge- legt vertreibt es die Milch. Für die Ohren der Kinder erweist es sich besonders mit Gänsefett sehr nützlich. Der gestossene Same in die Nase geschnupft erregt Niesen und auf den Kopf gelegt den Schnupfen; mit Essig eingenommen reinigt er die weiblichen Geschlechtstheile. Mit Schuster- schwärze vermischt, vertilgt er die Warzen, und reizt zur Begattung, daher er atich den Pferden und Eseln zur Zeit der Beschälung eingegeben wird. Das wilde Basilienkraut besitzt noch grössere Wirk- samkeit in denselben Fällen, besonders bei solchen Krank- heiten, welche durch häufiges Erbrechen entstanden sind, und seine Wurzel wird in Wein mit dem besten Erfolge gegen die Eiterbeulen der weiblichen Schaam und Bisse wilder Thiere angewandt. ') Petronius Diodotus. Wittstein: Pliuius. IV. Bd. 34 Zwanzigstes Buch. 49. Der Same der Eruea heilt die giftigen Bisse der Scorpione und Spitzmäuse. Er vertreibt alle im Körper befindlichen Thierehen, mit Honig aufgelegt die Hautschäden im Gesichte, mit Essig die Sommersprossen, macht mit Ochsengalle schwarze Narben wieder weiss. Man sagt, wenn Leute, welche geprügelt werden sollen, den Samen mit Wein tränken, so fühlten sie die Schläge nicht so sehr. Er ist ein so angenehmes Gewürz für die Zuspeisen, dass die Griechen ihm den Namen Tafelwürze ^) gegeben haben. Die Augen sollen mit Eruca gebrühet, klar werden, und die Kinder den Husten dadurch verlieren. Die mit Wasser gekochte Wurzel zieht zerl)rocheue Knochen aus. Von ihrer Wirkung, zum Beischlafe zu reizen, habe ich schon ge- sprochen 2); man bricht zu diesem Behufe 3 Blätter der wilden Art mit der linken Hand ab; zerreibt sie mit Wasser und trinkt diesen Brei. 50. Die Brunnenkresse 3) dagegen unterdrückt den Ge- schlechtstrieb, und belebt, wie schon erwähnt^) den Geist» Es giebt 2 Arten, die weisse reinigt und entfernt, mit dem zehnfachen Gewichte Wasser genommen, die Galle. Mit Bohnenbrei auf Kröpfe gelegt und mit einem Kohlblatt be- deckt, heilt sie vortrefflich. Die andere Art, welche dunkler ist, reinigt die Kopfübel, das Gesicht, beruhigt mit Essig genommen, aufgeregte Gemüther, stillt mit Wein oder Feigen Milzkrankheiten, und täglich nüchtefn mit Honig genommen den Husten. Der Same vertilgt mit Wein, oder besser wenn noch wilde Minze hinzugethan wird, alle Eingeweide- würmer. Er hilft auch mit Most und süssem Wein gegen Engbrüstigkeit und Husten, und in Ziegenmilch gekocht bei Brustschmerzen. Mit Pech zertheilt er Geschwulste, zieht Splitter aus dem Leibe, und mit Essig vertreibt er Flecken. Gegen Krebsgeschwüre wird das Weisse vom Ei >) enzomon. 2) s. XIX. B. 44. Cap. ^) Nasturtium. ") XIX. B. 41. Cap. Zwanzigstes Buch. 35 hiii'.ugesetzt. Mit Essig legt man ihn bei Milzleiden auf, den Kindern aber giebt man ihn am zweckmässigsten mit Honig. Sextius sagt, geröstet solle die Brunnenkresse die Sclilangen veitreiben und den Scorpionen zuwider sein, zerrieben mit Senf versetzt Kopfweh und Glatzen, mit Feigen auf die Ohren gelegt die Schwerhörigkeit, als Saft in die Ohren gegossen die Zahnschmerzen, und mit Gänse- schmalz vermischt Grind und andere Kopfgeschwüre ver- treiben. Kleine entzündliche Geschwüre heilt sie mit Sauer- teig, Karbunkeln bringt sie zur Reife und Oeffnung. Um sich fressende Geschwüre reinigt sie mit Honig. Auf Hüften und Lenden legt man sie mit Essig, desgleichen auf Flechten und böse Nägel, denn sie besitzt eine ätzende Kraft. Die beste wächst um Babylon; die wilde ist aber die kräftigste. 51. Zu den vorzüglichem Arzneikräutern wird auch die Raute gezählt. Die Gartenraute hat breitere Blätter und buschigere Zweige. Die wilde wirkt strenger und ist in jeder Beziehung schärfer. Der durch Zerstampfen der Pflanze mit etwas Wasser und Auspressen bereitete Saft wird in einer kupfernen Büchse aufbewahrt. In grössern Gaben wirkt derselbe giftig, und zwar besonders der von der am Flusse Aliacmon in Macedonien wachsenden Pflanze. Merk- würdigerweise wird sein nachtheiliger Einfluss auf den Organismus durch Schierlingssaft aufgehoben; so ist ein Gift dem andern entgegen, denn durch Schierlingssaft schützt man auch die Hände derer, welche Raute ein- sammeln. Sonst gehört sie, namentlich die galatische, zu den ersten Gegengiften; doch ist auch jede Raute schon an "und für sich ein Gegengift, wenn ihre Blätter zerrieben und mit Wein genommen werden, vorzüglich wider das Aconitum, Viscum, die Pilze, zu welchem Behuf mau sie entweder als Trank und in Substanz eingiebt; desgleichen wider die Schlangenbisse; ja selbst die Wiesel, welche mit ihnen kämpfen wollen, wafl'nen sich durch den Genuss von Raute. Ferner helfen die Blätter wider die Stiche der Scorpione, Spinnen, Bienen, Hornisse und Wespen, wider 3* 3(5 Zwanzigstes Buch. spanische Fliegen, yalamander und tolle Hundsbisse, zu welchen Zwecken man 1 Acetabulum voll Saft mit Wein trinkt, und die zerriebenen Blätter entweder gekauet mit Honig und Salz oder mit Essig und Pech gekocht auflegt. Wer sich mit dem Safte bestreicht oder das Kraut bei sich trägt, soll von jenen Thieren nicht verletzt werden, und die Schlangen sollen den Dunst von brennender Raute fliehen. Doch ist die Wurzel der wilden Raute am kräf- tigsten, und noch mehr, wie man sagt, wenn ein Trank davon unter freiem Himmel eingenommen werde. Pytha- goras unterscheidet männliche Raute mit kleinern gras- grünen, und weibliche mit breitern, heuern Blättern, hält sie für schädlich den Augen, jedoch mit Unrecht, denn die Steinschneider und Maler essen sie mit Brot oder Kresse zur Schärf iing der Augen, und wie man sagt, sollen die wilden Ziegen sie aus demselben Grunde verzehren. Viele sollen von blöden Augen dadurch befreit worden sein, dass sie den Saft mit attischem Honig oder mit Milch von einer Frau, die einen Knaben geboren, vermischten, oder auch allein in die Augenwinkel gestrichen. Mit Graupen auf- gelegt lindert sie die Augenflüsse, mit Wein getrunken oder mit Essig und Rosenessenz aufgelegt die Kopfschmerzen, anhaltendes Kopfweh aber mit Gerstenmehl und Essig. Sie hebt Unverdaulichkeit, Blähungen und langandauernde Leibschmerzen. Sie öffnet die Gebärmutter und bringt sie wieder in die rechte Lage, wenn sie mit Honig auf den ganzen Leib und die Brust gelegt wird. Mit Feigen zur Hälfte einge- kocht und mit Wein eingenommen wirkt sie wohlthätig bei der Wassersucht. Ebenso zubereitet bedient man sich ihrer bei Brust-j Seiten- und Lendenschmerzen, Husten, Engbrüstigkeit) Leiden der Lunge, Leber und Nieren, und kalten Schauern. Gegen Berauschung trinkt man einen Absud der Blätter. Auch roh, gekocht oder eingemacht verspeist ist sie dienlich, mit Hyssop und Wein gekocht heilt sie das Bauchgrimmen. Sie stillt das innerliche Blut und in die Nase gesteckt, das Nasenbluten, wirkt auch erhaltend auf die Zähne, wenn man den Mund damit ausspült. Bei Ohrenschmerzen wird Zwanzigstes Buch. 37 der Saft der wilden in dem besagten Maasse in die Ohren gegossen; bei Schwerhörigkeit und Klingen der Ohren aber mit Rosenöl, Lorbeeröl, oder Rosskümmel und Honig. Den Wahnsinnigen tröpfelt man den durch Abreiben mit Essig bereiteten Saft auf die Schläfen und das Gehirn; Einige fügen noch Quendel und Lorbeer hinzu, und bestreichen Kopf und Hals. Man giebt sie auch den Schlafsüchtigen mit Essig zum Riechen, den Epileptischen den gekochten Saft zu 4 Bechern vor den Anfällen, welche mit unerträg- licher Kälte verbunden sind, zum Trinken, den Frostigen roh zu essen. Sie treibt sogar den blutigen Harn ab, ferner, wie Hippocrates behauptet, mit schwarzem süssem Wein getrunken die Nachgeburt und todte Kinder. Zu demselben Zweck soll man auch die Schaam damit belegen und räuchern. Diocles legt sie bei Magenbeschwerden mit Essig, Honig und Gerstenmehl auf, auch gegen die Darm- gicht, wenn das Pulver derselben in Oel gekocht und in einem Felle aufbewahrt wird. Viele empfehlen, bei eite- rigem Auswurf 2 Drachmen trockne Raute mit anderthalb Drachmen Schwefel, und beim Blutspeien 3 Zweige in Wein gekocht zu nehmen. In der Ruhr giebt man sie mit Käse und Wein vermischt, bei schwerem Athem mit Pech als Trank, und ist jemand von einer Höhe gefallen, so ver- ordnet man ihm 3 Unzen Samen. Auf verbrannte Stelleu legt man die Blätter, nachdem sie in 1 Pfunde Oel und 1 Sextarius Wein gekocht sind. Wenn sie harntreibend wirkt, wie Hippocrates sagt, so ist zu verwundern, dass Einige sie als, das Trinken verhindernd, gegen die Unenthaltsamkeit des Urins empfehlen. Grind und Krätze heilt sie mit Honig und Alaun aufgelegt, desgleichen Leberflecken, Warzen, Kröpfe u. s. w. mit Strychnos i), Schweinefett und Ochsen- talg, die Rose mit Essig, Oel oder Blei weiss, Karbunkeln mit Essig. Einige lassen Laser mit auflegen, aber ohne denselben heilen sie die des Nachts ausbrechenden Hitz- blattern. Abgekocht werden sie auf geschwollene Brüste, ') S XXI. B. 1).-). Ciip. 38 Zwanzigstes Buch. Diit Wachs auf Schleimausbrüche, mit dünueu Lorbeer- zweigen auf Hodenflüsse gelegt, und ihre Wirkung auf diese Theile soll so eigenthümlich sein, dass Brüche durch äusser- liche Behandlung von wilder Raute und altem Fett kurirt werden. Auch gebrochene Glieder heilt man mit dem mit Wachs vermischten Samen. Die Wurzel der Raute würd äusserlich bei Anhäufungen von Blut an den Augen und zur Vertilgung von Narben und Flecken angewandt. Unter dem, was man noch von ihrer Wirksamkeit angiebt, ist das merkwürdig (da doch die Raute hifziger Natur ist), dass ein Bündel davon mit Rosenöl gekocht, mit 1 Unze Aloe versetzt und aufgelegt, den Schweiss unterdrücken soll. Auch soll ihr Genuss die Zeugung verhindern; daher giebt man sie denen, welche den Samenfluss und im Schlafe geile Vorstellungen haben. Schwangere dürfen diess Kraut nicht gebrauchen, denn es tödtet, wie ich angegeben finde, die Leibesfrucht. Unter allen angebaueten Gewächsen wird die Raute am meisten bei den Krankheiten der Säugethiere angewandt; wenn sie schwer athmeu oder von giftigen Thieren verletzt sind, giesst man ihnen einen weinigen Auszug in die Nase; wenn ein Blutegel sie angesogen hat, nimmt man statt Wein den Essig. Ausserdem dient sie zur Heilung derselben Krankheiten wie bei den Menschen. 52. Die wilde Minze heisst Mentastrum; sie unterscheidet sich durch die Gestalt der Blätter, welche denen des Ba- silienkrauts ähnlich sind und die Farbe des Polei haben, daher sie auch Einige wilden Polei nennen. Gekaut und aufgelegt soll sie den Aussatz, welcher Elephantiasis ge- nannt wird, heilen, und diese Entdeckung machte man zur Zeit des grossen Pompejus zufällig, als Jemand sich aus Schaam das Gesicht damit bedeckte. Man legt die Blätter auf und nimmt sie in Aufguss gegen die Bisse der Scolo- pender und Schlangen, zu 2 Drachmen in 2 Bechern Wein, gegen die Stiche der Scorpione mit Salz, Oel und Essig, sowie gegen die Scolopender im Absud. Gegen alle Arten von Gift hebt man die gepulverten Blätter auf. Ausge- Zwanzigstes Buch. 39 streuet und angezündet verscheuclit sie auch die Scorpione. Als Trank führt sie die Geburt ab, tödtet sie aber auch zugleich. Wider Brüche, Verrenkungen (jedoch weniger), wider das Uebel, nur im Stehen athmen zu können, bei Bauchgrimmen und Gallensucht zeigt sie sich sehr wirk- sam; desgleichen bei Lenden weh und Podagra aufgelegt. Der Saft wird in die Ohren getröpfelt, wenn Würmer darin sind. In der Gelbsucht nimmt man sie ein, und gegen Kröpfe schlägt man sie über. Sie hindert geile Träume, vertreibt mit Essig getrunken die Spuhlwürmer, und heilt, an der Sonne mit Essig auf den Kopf gelegt, den Grind. 53. Der Geruch der Minze >) erfrischt das Gemüth und ihr Genuss macht Appetit, daher sie gewöhnlich den Tunken zugesetzt wird. Sie verhindert das Sauer- und Dickwerden der Milch, dient daher als Zusatz zu den Milchtränken damit die Trinkenden nicht durch die geronnene erstickt werden. Man giebt sie in Wasser oder Meth. Ebenso soll sie der Zeugung entgegen wirken, weil sie die Geschlechts- theile nicht straff mache. Bei Männern und Frauen stillt sie das Blut, und verhindert die Reinigung der letztern; mit Stärkmehl und Wasser heilt sie Uuterleibsbeschwerden. Sie vertreibt die Geilheit und die Beulen der weiblichen Schaam, Leberleiden zu 3 Obolen in Meth genommen, und das Blutspeien. Geschwüre auf den Köpfen der Kinder heilt sie vortrefflich, trocknet feuchte Luftröhren, und zieht trockne zusammen. Bösartigen Schleim reinigt sie mit Meth und Wasser; der Saft verbessert die Stimme im Streite, bei geschwollenem Zapfen gurgelt man sich damit unter Zusatz von Raute, Coriander und Milch. Sie leistet auch gute Dienste bei geschwollenen Mandeln mit Alaun, bei rauher Stimme mit Honig, und für sich allein ])ei innerlichen Ver- renkungen und Lungenübeln. Das Schlucken und Erbrechen liemmt sie, wie Democrit angiebt, mit Granatsaft. Der Saft der frischen Minze in die Nase eingezogen heilt die Fehler ') D. h. der nicht wilden. 40 Zwanzigstes Buch, dieses Organs, das Kraut selbst zerrieben und mit Essig eingenommen die Gallensuelit; innere Blutfliisse mit Graupen aufgelegt die Darmgieht und geschwollene Brüste. Bei Kopfweh legt man es auf die Schläfe, gegen Scolopender Scorpione und fSchlangen nimmt man es ein. Gegen Flüsse, jede Art von Kopfausschlag, Afterübel wird es äusserlieh angewandt, hindert auch, bloss in der Hand gehalten, das Wundwerden beim Gehen, Mit Meth tröpfelt man es ins Ohr. Es soll auch die Milz heilen, wenn man davon, ohne es abzupflücken, 9 Tage lang in einem Garten isst und dabei sagt, man heile seine Milz. Von dem Pulver soviel in Wasser eingenommen, wie man mit 3 Fingern fassen kann, vertreibt die Magenschmerzen und die Eingeweide- würmer. 54. Der Pol ei kommt darin, dass er Ohnmächtige wieder zu sich selbst bringt, wenn man Zweige davon in Glas- flaschen mit Essig einweicht, der Raute sehr nahe; daher empfahl Varro einen Kranz von Polei als passender, wie einen Kranz von Rosen, für unsere Schlafzimmer, denn auf den Kopf gelegt soll er die Schmerzen desselben vertreiben. Sogar sein Geruch soll den Kopf gegen Kälte, Hitze und Durst bewahren, und Diejenigen, welche 2 Stengel Polei hinter den Ohren stecken haben, sollen in der Sonne nicht schwitzen. Gegen Schmerzen legt man ihn mit Graupen und Essig auf. Das Weibchen ist wirksamer und trägt purpurrothe Blüthen, das Männchen weisse. Mit Salz und Graupen in kaltem Wasser getrunken, benimmt er den Ekel, Brust- und Leibweh, Reissen im Magen mit Wasser und Erbrechen mit Essig und Graupen. Mit Honig und Natron gekocht, heilt er innere Uebel, mit Wein wirkt er harntreibend, und mit ammineischem Weine vertreibt er die Harnsteine und alle innerlichen Schmerzen, Mit Honig und Essig wirkt er heilsam auf den Monatsfluss und die Nachgeburt, bringt die Geschlechtstheile wieder in die rechte Lage und treibt todte Kinder ab. Die, welche die Sprache verloren haben , lässt man an den Samen riechen, Zwanzigstes Buch. 41 Epileptiscben giebt man 1 Becher voll davon in Essig. Verdorbenes Wasser macht man durch Hineinvrerfen des gestossenen Samens trinkbar; mit Wein eingenommen vermindert er die Salzigkeit der Säfte; für die Nerven, bei Krämpfen und Lähmung des Rückgrats zerreibt man ihn mit Salz, Essig und Honig. Den Absud giebt man gegen Schlangenbisse, das Pulver besonders desjenigen Samens, welcher an trocknen Plätzen gewachsen ist, gegen Scor- pionstiche. Bei Mundgeschwüren und Husten soll er gute Dienste leisten. Der Dunst von brennender frischer Polei- blüthe tödtet die Flöhe. Xeuocrates ^) empfiehlt, beim drei- tägigen Fieber einen Zweig Polei in Wolle einzuwickeln und vor dem Anfalle daran zu riechen, oder denselben auf das Lager und den Patienten darauf zu legen. 55. Der wilde Polei, welcher dem Origanum ähnlich ist, besitzt grössere Wirksamkeit, hat kleinere Blätter als der angebauete, und wird auch Dictammus 2) genannt. Schafe und Ziegen werden durch dessen Genuss zum Blöken ge- reizt, daher einige Griechen ihm den Namen Blechon 3) ge- geben haben. Er reizt so stark, dass er aufgelegt Ge- schwüre hervorbringt. Beim Husten ist es gut, sich vor dem Bade, ferner bei Krämpfen und Bauchgrimmen vor dem Anfalle damit zu reiben. Gegen Podagra leistet er vortreffliche Dienste. Bei Leberleiden giebt man ihn mit Honig und Salz im Tranke, und bei Lungeuübeln befördert er den Auswurf. Bei Milzkrankheiten wird er mit Salz, bei Blasenkrankheiten, Engbrüstigkeit und Blähungen ge- kocht angewandt, heilt auch die weibliche Schaam, die Bisse der Land- und See- Scolopender, der Scorpione und ganz besonders der Menschen. Gegen wachsende Geschwüre erweist sich die frische Wurzel am kräftigsten; die trockne aber verbessert die Narben. ') Arzt aus Aphrodisias in Cilicien, lebte im 1. Jahrhundert V. Chr. '^) Origanum Dictamnus L. ') von ßXrj/ao/.tai, blöken. 42 Zwanzigstes Buch. 56. Mit dem Polei hat auch die Nepeta eine gewisse üebeieinstimmung. Denn mit Wasser bis zu einem Drittel eingekocht, vertreiben sie die Kälte, und befördern den -Monatsfluss; im Sommer wirken sie kühlend. Die Nepeta besitzt auch Kräfte gegen die Schlangen; diese fliehen nämlich den Rauch und Geruch derselben. Man legt sie zweckmässig denen unter, welche vor dem Einschlafen furchtsam sind. Zerstosseu wird sie bei Thränenfisteln, frisch mit 1/3 Bj'ot in Essig eingeweicht bei Kopfweh auf- gelegt, der Saft bei Nasenbluten in die Käse getröpfelt; die Wurzel mit Myrtensamen in warmem Rosinenweiu ge- weicht, und mit diesem Aufgusse bei der Bräune gegurgelt. 57. Der wilde Rosskiimmel i) ist eine zarte Pflanze mit 4 bis 5 gezähnten Blättern, und wird, gleich dem ange- baueten, häufig und namentlich als Magenmittel gebraucht. Er zertheilt, zerrieben mit Brot genommen oder mit Wasser und Wein getrunken, Schleim und Blähungen, sowie Bauch- grimmen und Schmerzen in den Eingeweiden; der Genuss desselben erzeugt aber Blässe. Wenigstens erzählt man, die Anhänger des berühmten Lehrers der Beredtsamkeit, Porcius Latro, hätten damit dessen durch anhaltende Stu- dien zugezogene Blässe im Gesicht nachgeahmt, und etwas früher habe Julius Vindex, der uns von der Tyrannei des Nero befreiete, diesem dadurch mit der baldigen Hoffnung auf Erbschaft geschmeichelt. In Form von Zeltchen oder in Essig eingeweicht in die Nase gesteckt, stillt er das Blut. Auf Augeuflüsse legt man es für sich, und auf ge- schwollene Theile mit Honig. Kindern braucht man ihn bloss auf den Leib zu legen. In der Gelbsucht wird er nach dem Bade mit weissem Wein, der äthiopische meist in saurem Wein und in einem Lecksaft 2) mit Honig gege- 'j Cmninum sjlvestre. Nigella aiistata Sm. -) Ligiiia, von ?.iyjicm lecken; soviel als Looeb, Linctus. Zwanzigstes Buch. 43 ben. Der afrikanische soll die Unenthaltsamkeit des Urins etwas heben. Der Garten-Rosskümmel ') wird geröstet und mit Essig zerrieben bei Leberleiden, auch beim Schwin- del gegeben; denen aber, welche beim flarnen Brennen verspüren, in süssem Wein; bei Fehlern der weiblichen Schaam in Wein, wobei ausserdem die Blätter mit Wolle aufgelegt werden; bei angeschwollenen Hoden geröstet und mit Honig oder Rosenessenz und Wachs. Der wilde besitzt in jeder Beziehung grössere Wirksamkeit, und dient auch in Verbindung mit Oel bei Schlangen-, Scorpionen- und Scolopender- Wunden. Wenn man so viel, als man mit 3 Fingern fassen kann, in Wein einnimmt, so wird die Nei- gung zum Brechen und der Ekel gehoben. Gegen Kolik wird er innerlich gegeben und aufgelegt oder heiss mit Schwämmen und Binden angedrückt. Zu 3 Drachmen in 3 Bechern Wein genommen hebt er die Zusammenschnürung der Gebärmutter. Wider das Klingen und Sausen der Oluen wird ein Gemisch Rosskümmel, Kalbstalg und Honig ein- getröpfelt. Auf blaue Flecken legt man ihn mit Honig, Rosinen wein und Essig , und auf schwarze Sommer- sprossen mit Essig auf. 58. Mit dem Namen Amnii^) bezeichnen die Griechen eine dem Rosskümmel sehr ähnliche Pflanze; nach Andern soll diess der äthiopische Rosskümmel sein. Hippocrates nennt es den königlichen, weil er es für kräftiger als den ägyptischen hält. Die Meisten bezeichnen es als eine andere Art, weil es kleiner und heller ist. Doch ist seine Anwendung dieselbe, denn man setzt es den alexandrischen Broten und den Gewürzen hinzu. Es vertreibt Blähungen und Bauchgrimmen, reitzt zum Harnen und zur Menstruatiou, lindert unterlaufene Stellen und Augenflusse, heilt zu 2 Drachmen mit Leinsamen in AVein genommen die Stiche ') Cuminuni sativum. Cuminum Cj'minum L. -; Ammi majus L. und Ammi Visnaga L. 44 Zwanzigstes Buch. der Scorpione, und mit gleichen Theilen Myribe die Bisse der Hörn schlangen. Sein Gebrauch zieht ebenfalls eine blasse Farbe nach sich. Mit Rosinen und Pech geräuchert reinigt es die Mutter. Weiber, welche während des Bei- schlafs daran riechen, sollen leichter empfangen. 59. Vom Kappergewächse haben wir unter den auslän- dischen Sträuchern ^) bereits ausführlich gesprochen. Die überseeischen sind nicht zu gebrauchen, die in Italien vor- kommenden dagegen unschädlicher. Der tägliche Genuss derselben soll vor Lähmung und Milzschmerzen bewahren. Die Wurzel vertreibt die weissen Leberflecken, wenn man sie damit in der Sonne reibt. Wenn Milzstichtige 2 Drach- men der Wurzelrinde in Wein nehmen und sich des Ge- brauchs der Bäder enthalten, so werden sie geheilt, denn nach 35 Tagen soll durch den Urin und die Excremente die Milz gänzlich entfernt werden. Bei Lenden- und Gicht- schmerzen macht man einen Trank davon. Der in Essig gekochte Same oder die gekauete Wurzel stillt das Zahn- weh. Ein Absud in Oel wird bei Ohrenschmerzen" einge- gossen. Umsichfressende Geschwüre heilen die Blätter und die frische Wurzel mit Honig. Die in Wasser gekochte Wurzel vertreibt auch Kröpfe, Ohrengeschwüre und Würmer; hebt Leberleiden, führt mit Essig und Honig eingenommen den Bandwurm ab, heilt in Essig gekocht Mundgeschwüre, schadet aber nach dem übereinstimmenden Urtheile der Schriftsteller dem Magen. 60. Das Ligusticum, von Einigen Panax genannt, hilft für den Magen, für Convulsionen und Blähungen. Andere nennen ihn auch, jedoch, wie wir bereits gesagt haben, irrigerweise Ochsen-Cuuila^) 6L Ausser der Garten-Cunila werden noch mehrere andere 1) Im XIII. B. 44. Cap. 2) Im XIX. Buche, 50. Cap. Zwanzigstes Buch. 45 Alten in der Medicin gebraucht. Die sogenannte Oclisen- Cunila') trägt einen dem Polei ähnlichen Samen, welcher gekanet auf Wunden gelegt und am fünften Tage wieder abgenommen wird. Gegen Schlangenbisse wird er in Wein getrunken und zerrieben aufgelegt, auch reibt man solche Wunden damit ein. Ebenso schützen sich die Schildkröten, wenn sie mit den Schlangen kämpfen wollen, dadurch, und desshalb nennen Einige die Pflanze Heilkraut (Panax). Sie vertreibt Geschwulste und Wunden der männlichen Ge- schlechtslheile, wenn sie trocken oder die Blätter zerquetscht angewandt werden; zu jeglichem Gebrauch eignet sie sich am besten in Verbindung mit Wein. 62. Eine andere Art heisst Hühner-Cunila^) , bei den Griechen herakleotischer Dost. Mit Zusatz von Salz zerrie- ben wird sie bei den Augenkrankheiten gebraucht, heilt Husten und Leberleiden, mit Mehl, Oel und Essig zum Tranke bereitet Seitenstechen, besonders aber Schlangenbisse. 63. Die dritte Art, welche von den Griechen die männliche, bei uns aber Cunilago genannt wird, hat eine holzige Wurzel, rauhe Blätter und riecht unangenehm Sie soll die stärkste Wirkung besitzen; streuet man eine Hand voll davon aus, so kommen alle Schaben aus dem ganzen Hause zusammen. Besonders dient sie mit saurem Wein wider die Scorpionen. Wenn mau sich mit einem Aufguss von 3 Blättern in Oel einreibt, so werden die Schlangen ver- trieben. 64. Die weiche Cunila dagegen, welche haarigere Blätter imd stachliche Zweige hat, riecht zerrieben wie Honig, und klebt beim Berühren an den Fingern. Eine andere Art, die Weihrauch-Cunila, heisst Libanotis. Beide werden mit Wein oder Essig gegen Schlangen angewandt; mit ') Cunila bubula. Ein Origanum, und wahrgcheinlicb ebenso alle folgende Cunilae. ^) Cunila gallinacea. Origanum heracleoticuni L. 46 Zwanzigstes Buch. Wasser angerieben und dieses ausgesprengt tödten sie die Flöhe. 65. Auch die Garten-Cunila hat ihren Nutzen. Ihr Saft heilt mit Rosenessenz vermischt die Ohrläppchen, in Sub- stanz nimmt man sie gegen Schlangenbisse ein. Aus ihr entsteht die dem Quendel ähnliche Berg-Cunila, welche ein wirksames Mittel wider Schlangen ist, Sie treibt deu Harn und reinigt die Weiber nach der Geburt. Beide be- föidern die Verdauung und Esslust, wenn sie nüchtern im Getränk genommen werden. Auch bei Verrenkungen sind sie heilsam, namentlich aber in Verbindung mit Gerstenmehl und saurem Wein gegen die Stiche der W^espen und anderer Insekten. Von der Libauotis werden wir die übrigen Arten gehörigen Orts anführen. 66. Das Pfeffer kraut, welches wir auch Siliquastrum genannt haben i), wird gegen Epilepsie im Tranke genom- men. Nach Castor -) hat es einen rothen langen Stengel, dicke Kniegelenke, lorbeerartige Blätter, weisse kleine wie Pfeffer schmeckende Samen, stärkt das Zahnfleisch, macht angenehmen Athem und befördert das Aufstosseu. 67. Das Origanum, welches im Geschmack, wie erwähnt, der Cunila ähnlich ist, hat mehrere Arten, die in der Arz- neikunde gebraucht werden; eine davon heisst Onitis'j oder Prasion und sieht dem Hyssop ähnlich. Besonders wendet man ihn mit lauwarmem Wasser gegen Magenkräm- pfe und Unverdaulichkeit, mit weissem Wein gegen Spinnen und Scorpione, und mit Essig, Oel und Wolle gegen Ver- renkungen und Stossbeulen an. 68. Das Tragoriganum^) gleicht mehr dem wilden Quen- >) S. XIX. B. 62. Cap. *) Antonius Castor, ein nicht näher bekannter römischer Schrift- steller. 3) Origanum creticum L. ^) Thymus graveolens Sibth. und Satureja .Tuliana L. Zwanzigstes Buch 47 del; es treibt den Urin, vertheilt Geschwulste, wirkt sehr kräfti^^ gegen die Mistel, Vipernbisse, bei sauer aufstossen- dern Magen und für die Brust. Mit Honig giebt man ihu gegen Husten, Seitenstechen und Lungensucht. 69. Der herakleische Dost hat 3 Arten; eine dunkle, mit breiten und klebrigen Blättern; eine andere mit klei- nern weichern Blättern, ähnlich dem Majoran, und von Einigen Prasion genannt; die dritte hält das Mittel zwischen beiden, und besitzt die geringste Wirksamkeit. Die beste ist aber die cretische, welche auch zugleich angenehm riecht. Nächst dieser kommt die smyrnaische von stärke- rem Gerüche. Die herakleotische, mit dem Beinamen Oni- tis eignet sich besser zum Trank. Sie werden aber allge- mein gebraucht, um die Schlangen zu vertreiben, den Ge- bissenen giebt man sie im Absude zu essen. Sie treiben als Getränk eingenommen, den Urin, heilen zerrissene und verrenkte Theile mit der Wurzel des Pauax, Wassersüch- tige mit einer Abkochung von 1 Acetabulum nebst Feigen und Hyssop bis zum sechsten Theile; desgleichen Krätze, Schorf und Grind, wenn man beim Einsteigen ins Bad sich derselben bedient. Der Saft wird mit Milch in die Ohren gegossen. Geschwollene Drüsen, Zäpfchen und Kopfge- schwüre bringt das Kraut zum Heilen. Der Absud mit Asche und Wein getrunken tödtet die Giftigkeit des Opiums und Gypses. Ein Acetabulum voll führt gelinde ab, mit Honig und Natron wird es auf Stossbeulen, sowie beim Schmerzen der Zähne, die es auch weiss macht, aufgelegt. Es stillt das Nasenbluten. Zur Heilung der Ohrengeschwüre wird es mit Gerstenmehl gekocht, gegen rauhen Hals mit Gallapfel und Honig zerrieben; für die Milz giebt man die Blätter mit Honig und Salz. Dicken und schwarzen Schleim zertheilt es mit Essig und Salz gekocht, und zuweilen davon getrunken. Bei der Gelbsucht wird es mit Oel abgerieben in die Nase gebracht. Matte werden damit ein- gerieben, ohne dass man jedoch den Bauch dabei berührt. Es heilt mit Pech die Hitzblattern, öffnet mit Feigen ab- 48 Zwanzigstes Buch. gerieben die Schwären, vertreibt mit Oel, Essig und Ger- stenmehl die Kröpfe, mit Feigen aufgelegt die Seitenschmer- zen, mit Essig aufgelegt den Blutfluss der Geschlechtstheile und führt die Nachgeburt ab. 70. Die Kresse 1) wird unter die brennendscharfen Kräu- ter gezählt. Sie verbessert durch Wundmachen die Haut, welche dann mit Wachs und Kosenöl geheilt werden kann, vertilgt auch leicht Schorf, Grind und Narbeugeschwüre. Zahnweh soll sie vertreiben, wenn man sie an der Seite, wo der Schmerz ist, auf den Arm bindet. 71. Den schwären Kümmel-) nennen einige Griechen Schwarzkraut ^) andere Schwarzsame. Am besten ist derjenige, welcher am stärksten riecht und am schwärzesten aussieht. Er heilt die Stiche der Schlangen und Seorpione. Ich finde, dass mau ihn mit Essig und Honig auflegt und anzündet, um die Schlangen zu vertreiben. Gegen die Spinnen nimmt man 1 Drachme im Getränk. .Zerstosseu in ein Leintuch gebunden und davon gerochen heilt er den Schnupfen, mit Essig aufgelegt und in die Nase gebracht das Kopfweh, mit Schwertelsaft die Augenflüsse und Ge- schwulste, mit Essig gekocht die Zahnschmerzen, zerrieben oder gekauet die Mundgeschwüre; mit Essig Schorf und Sommersprossen, mit Natron eingenommen das beschwer- liche Athmen, aufgelegt alte verhärtete Geschwüre und Eiterwmnden. Einige Tage hintereinander genommen ver- mehrt er die Milch bei den Frauen. Sein Saft wird eben- so wie der des Bilsenkrauts gesammelt, und ebenso ist er in grösserer Menge ein Gift, was um so mehr auffallen muss, da der Same dem Brote eine angenehme Würze er- theilt. Er reinigt auch die Augen, befördert das Harnen und den Mouatsfluss, ja 30 Körner in ein Läppehen ein- gebunden sollen sogar die Nachgeburt abtreiben. Ferner behauptet man, mit Urin abgerieben heile er die Hühner- •) Lepidium. -) Gith. ^) Melanthiuiii. Zwanzigstes Buch. 49 äugen, und damit geräuchert tödte er die Mücken und Fliegen. 72. Auch der Anis') dient gegen die Scorpione mit Wein eingenommen, und gehört zu den wenigen Gewächsen, denen das Lob des Pythagoras zu Theil geworden ist. Man nimmt ihn sehr gern, roh oder gesotten, grün oder troclien zu allem, was gewürzt und eingemacht wird, streuet ihn auch auf die untere Rinde des Brotes, und legt ihn nebst bittern Nüssen (Mandeln) in Säckchen, um den Wein zu verbessern. Er macht den Athera wohlriechend und ver- treibt den üblen Geruch aus dem Munde, wenn man ihn früh Morgens mit Smyrnium und etwas Honig kauet, und hierauf den Mund mit Wein ausspühlt. Er giebt ein jün- geres Aussehen, erleichtert, wenn man ihn so über dem Bette aufhängt, dass die Schlafenden den Geruch davon einziehen können, das Träumen, und macht Appetit, wes- halb man sich seiner bedient, wenn man nach der Arbeit nicht mehr hungrig wird; daher haben ihm auch Einige den Namen der Unbesiegte 2) gegeben. 73. Der beste Anis ist der cretische, und dann folgt der ägyptische, welcher statt des Ligustieum als Gewürz benutzt wird. Kopfweh vertreibt er, wenn mau die Nase damit räuchert. Evenor 3) legt die zerstossene Wurzel gegen Augenflüsse auf, JoUas *) den Samen mit Safran und Wein und mit Graupen abgerieben gegen das Triefen der Augen und um das, was etwa hineingekommen ist, herauszuziehen. Mit Wasser aufgelegt vertreibt er die Krebsgeschwüre in der Nase; mit Honig, Hyssop und Essig gegurgelt heilt er die Bräune; mit Rosenöl bringt man ihn in die Ohren, und geröstet oder besser mit Honig eingenommen entfernt er den Schleim von der Brust. Bei Husten nehme man eiuen ') Anisum. Pimpinella Anisum L. '^) anicetum von avtxTJtog. ') Ein unbekannter Arzt. ^) Desgleichen. Wlttsteia: Pliaiua. IV. Bd A. 50 Zwanzigstes Buch. aus 1 Acetabulum Anis, 50 geschälten bittern Mandeln und Honig bereiteten Brei ein. Noch besser für diesen Zweck mischt man 3 Drachmen Anis, 2 Drachmen Mohnsamen und Honig, soviel wie eine Bohne gross, untereinander, und gebraucht diess 3 Tage lang. Er befördert ganz be- sonders das Aufstossen, daher er auch Blähungen, Bauch- grimmen und Verstopfung hebt. Er vertreibt, im Absude getrunken, das Schlucken und den üblen Geruch. Die ge- kochten Blätter sind gut gegen Unverdaulichkeit. Riecht man an einen mit Eppich gemachten Absud, so vergeht das Niesen. Ein Trank davon bringt Schlaf, führt die Bla- sensteine ab, hindert das Erbrechen und vertreibt Auf- schwellungen der Brust, wirkt auch heilsam auf andere Brustübel und die den Leib umgürtenden Nerven. Bei Kopfschmerzen wird der Absud mit Oel vermischt aufge- tröpfelt. Nichts soll besser für den Unterleib und die Ein- geweide sein, daher giebt man ihn geröstet gegen Ruhr und Stuhlzwang. Einige setzen noch Opium hinzu, bereiten daraus Pillen von der Grösse einer Wolfsbohue und nehmen ä glich 3 davon in einem Becher Wein. Dieuches bediente sich gegen Lendenschmerzen des Saftes; den Samen gab er mit Minze zerrieben gegen Wassersucht und Verstopfung, die Wurzel Evenor für die Nieren. Der Kräuterkenner Dalion ') machte den in den Kinds wehen Liegenden einen Umschlag davon mit Eppich, wandte dasselbe bei Schmerzen der Gebärmutter an, und verordnete der Patientin ein aus Dill und Anis bereitetes Getränk. Den Wahnsinnigen, auch Kindern, welche an Epilepsie und Krämpfen leiden, legt man ihn frisch mit Graupen auf; Pythagoras behauptet sogar, wer ihn in der Hand halte, werde von der Epilepsie nicht befallen, daher solle ihn jeder für sich recht reichlich an- bauen; die daran riechen, sollen leichter gebären, und gleich nach der Geburt soll man ihn der Mutter im Tranke nebst Graupen geben. Sosimenes 2) gab ihn mit Essig wider alle Verhärtungen , und mit Oel und Natron gekocht wider ') Desgleichen. -) Desgleichen. Zwanzigstes Buch. 51 Mattigkeit. Der Gebrauch des Samens als Getränk gewährt den Fussgängern Hülfe gegen Müdigkeit. Heraclides i) gab bei Blähungen des Magens ein Gemisch von einer Pugille -) Samen, 2 Obolen Bibergeil und Meth; ferner bei Blähungen im Bauche und den übrigen Eingeweiden, sowie bei Eng- brüstigkeit 1 Pugille Anis mit ebenso viel Bilsen und Eselsmilch. Viele rathen Denen, welche Neigung zum Brechen haben, 1 Acetabulum Anis und 10 Lorbeerblätter mit Wasser abzureiben, und diess während der Mahlzeit zu trinken. Der Anis hebt das Zusammenziehen der Ge- bärmutter, wenn man ihn kaut und warm auflegt, oder mit Bibergeil in Essig und Wein einnimmt. Zu 1 Pugille mit ebenso viel Gurken- und Leinsamen in 3 Bechern weissen Wein genommen, vertreibt er den nach dem Gebären ein- tretenden Schwindel. Tlepolemus ^) verordnete beim vier- tägigen Fieber 1 Pugille Anis und Fenchel mit Essig und Honig. Mit bittern Mandeln aufgelegt hilft er gegen Glie- derkrankheiten. Einige sind der Meinung, er hebe die Wirkung des Giftes der kleinen Giftschlangen auf. Er treibt den- Urin, stillt den Durst, reitzt zum Beischlaf, be- wirkt mit Wein genommen massigen Schweiss, hält auch die Motten von den Kleidern ab. Je frischer und dunkler um so besser ist er. Dem Magen bekommt er, ausser bei Blähungen, nicht gut. 74. Auch der DilH) befördert das Aufstossen, hebt das Bauchgrimmen, und hemmt den Durchfall. Mit Wasser oder Wein legt mau die Wurzeln auf Flüsse. Der heisse Same vertreibt durch Aufriechen das Schlucken. Mit Was- ser eingenommen heilt er die Unverdaulichkeit. Die Asche davon hebt Zäpfchen im Munde, schwächt die Augen und Geschlechtstheile. 75. Das Sacopenium, welches bei uns vorkommt, ist von Von Kos. -) So viel man mit 3 Fingern fassen kann. 3) Gleichfalls ein unbekannter Arzt. Anethum. 52 Zwanzigstes Buch. dem überseeischen ganz verschieden, denn diess ähnelt den Thränen des Ammoniakum und wird Sagapenum^) ge- nannt. Es hilft bei Seiten- und Brustschmerzen, Krämpfen, anhaltendem Husten, Auswurf, und geschwollenen Brüsten; vertreibt den Schwindel, das Zittern, die Opisthotonie, heilt Milz, Lenden- und Reibwunden. Man mischt auch Essig dazu, und lässt bei Zusammenziehuugen der Gebärmutter daran riechen. Andern giebt man es im Getränk und reibt CS mit Oel ein. Es ist auch ein Mittel wider Gifte. 76. Von dem Garteumohn haben wir 3 Arten angeführt, und dort versprochen, die des wilden Mohns nachzutragen 2). Von dem Garteumohn zerreibt mau die Kapsel des weissen mit Wein und nimmt davon zur Beförderung des Schlafes ein. Der Same heilt die Elephantiasis. Aus dem schwar- zen gewinnt man einen Saft durch Einschneiden des Sten- gels, nach Diagoras^), während er im vollen Wachsen, nach JoUas nach der Blüthe zu einer heitern Tageszeit, d. h. wenn der Thau schon abgetrocknet ist. Man schreibt auch vor, ihn unter dem Kopfe und diesen selbst zu ritzen, während bei keiner andern Art die Kapsel selbst einge- schnitten wird. Der Saft wird, wie es auch bei jedem an- dern Kraute geschieht, in Wolle, oder, wenn, wie beim Lattich, nur sehr wenig da ist, auf dem Daumennagel auf- gefangen, meistens aber erst am folgenden Tage das, was trocken geworden, abgenommen. Der reichlich ausfliessende Saft des Mohns wird eingedickt, in Kügelchen geformt und im Schatten getrocknet; er erregt nicht allein Schlaf, son- dern kann, in grösserer Menge genommen, selbst den Tod nach sich ziehen. Man nennt ihn Opium. So wissen wir, um nur ein Beispiel anzuführen, dass der Vater des Cou- sulars Licinius Caecina zu Bavilis in Spanien aus Lebens- überfluss in Folge einer bösen Krankheit sich damit das Leben genommen hat. Daraus entspann sich eine grosse •) Der Milchsaft von Ferula persica L. ■-) Im XIX. Buch. 53. Cap. 3) Ein unbekannter Arzt. Zwanzigstes Buch. 53 MeinuDgsverschiedenheit. Diagoras und Erasistratus ver- warfen ihn gänzlich als ein tödtliehes Gift, und warnten auch deshalb, ihn einzunehmen, weil er den Augen nach- theilig sei. Andreas i) fügt hinzu, man würde darum nicht so leicht davon blind, weil man ihn in Alexandrien ver- fälsche. Späterhin jedoch hat man keinen Anstand ge- nommen, ihn der berühmten Arznei, welche Diacodion heisst, hinzuzusetzen. Der Same wird zerrieben, in Kügelchen ge- formt und mit Milch für den Schlaf, auch mit Rosenöl gegen Kopfweh eingenommen; gegen Ohrenweh tröpfelt man letz- teres Gemisch in die Ohren. Mit Frauenmilch legt mau ihn (ebenso die Blätter) gegen Gift auf; mit Essig gegen die Rose und Wunden. Ich kann es nicht gutheisseu, ihn den Augensalben, und noch viel weniger den sogenannten Fieber-, Verdauungs- und eröffnenden Mitteln zuzusetzen. Der schwarze wird jedoch den an Verstopfung Leidenden mit Wein gegeben. Der Gartenmohn ist stets grösser und hat runde Köpfe, der wilde längliche und kleine, und be- sitzt mehr Wirksamkeit. Man kocht daraus einen Trank gegen die Schlaflosigkeit, und sptihlt damit den Mund aus. Der beste wächst in trocknen Gegenden und wo es selten regnet. Der aus den Köpfen und Blättern gekochte Saft heisst Meconium, und ist viel schwächer als das Opium. Das erste Prüfungsmittel des Opiums ist der Geruch, denn der des ächten ist fast unerträglich; nächstdem seine Ver- brennung, das reine nämlich giebt eine leuchtende Flamme und riecht nach dem Verlöschen; das verfälschte zeigt diese Merkmale nicht, lässt sich schwieriger anzünden und ver- löscht leicht wieder. Auch erzeugt das ächte in Wasser eine Trübung, das nachgemachte dagegen bildet Bläschen. Merkwürdigerweise lässt es sich auch an der Sonne prüfen, das ächte nämlich wird weich und zuletzt so dünn, wie der frische Saft. Mnesides 2) ist der Meinung, es lasse sich ') Aus Karystos, nach Andern aus Panormos, Leibarzt des Ptolemaeus Philopator. -) Ein unbekannter Arzt. 54 Zwanzigstes Buch. am besten mit Zusatz von Bilsensamen aufbewahren; An- dere empfehlen dazu eine Bohne. 77. Zwischen dem Garten- und wilden Mohn steht eine andere Art, welche sowohl auf Feldern als wild wächst, und Khoeas oder der umherschweifende genannt wird. Einige brechen ihn ohne Weiteres ab und kauen ihn sammt der Kapsel. Ein Absud von 5 Köpfen in 3 Hemiuen Wein macht OeffnuDg und Schlaf. 78. Eine andere wilde Art heisst gehörnter Mohn i); er ist schwarz, 1 Elle hoch, hat eine dicke, rindige Wurzel, eine hornartig gebogene Kapsel, und kleinere, dünnere Blätter als die übrigen. Der kleine Same wird zur Zeit der Erndte reif; ein halbes Acetabulum davon in Meth ge- nommen führt ab. Die mit Oel abgeriebenen Blätter heilen die kleinen Augengeschwüre des Zugviehes. Eine Ab- kochung von 1 Acetabulum der Wurzel in 2 Sextarien Wasser bis auf die Hälfte heilt Lenden- und Leberleiden. Gegen Karbunkeln gebraucht man die Blätter mit Honig. Einige nennen diese ArtGlaucium, Andere Paralium^), denn sie wächst am Gestade des Meeres oder an Plätzen, wo Natron vorkommt. 79. Noch eine andere wilde Mohnart heisst Heraclium, bei Andern Aphron ^); ihre Blätter sehen von fern betrach- tet wie Sperlinge aus, die Wurzel steht nahe an der Ober- fläche der Erde. Der schaumige Same verleihet der Lein- wand im Sommer ihren Glanz. Gegen Epilepsie stösst man die Pflanze mit 1 Acetabulum weissen Weines, und nimmt davon zum Brechen ein. Sie eignet sich am besten zu der Arznei, welche Diacodium oder Luftröhrentrank genannt wird, und die man also darstellt. 120 Kapseln dieses ') ceiatitis, Chelidonium Glaucium L. -) von 7ia(}aXiog: am Meere wachsend. 3) Euphorbia Peplus L.V Zwanzigstes Buch. 55 Mohns oder einer andern Art werden in o Sextarien Re- genwasser 2 Tage lang eingeweicht, hierauf gekocht, durch- geseihet, die Flüssigkeit abermals mit Honig bis zur Hälfte langsam eingedampft, und mit 6 Drachmen Safran, 1 Sex- tarius Hypocist, Weihrauch, arabischem Gummi und ere- tischem Rosinenwein versetzt. Doch ist diess ein Luxus, denn nach älterer, einfacher Vorschrift bereitet man das Mittel ebenso zweckmässig bloss aus Mohn und Honig. 80. Eine dritte Art heisst Tithymälum i), Mecon oder Paralium, hat weisse, dem Lein ähnliche Blätter und Kapseln von der Grösse einer Bohne. Man sammelt sie wenn der Weinstock blüht, und trocknet sie im Schatten. Ein halbes Acetabulum des Samens in Meth genommen führt ab. Die Kapsel jedweden Mohns frisch oder trocken aufgelegt, heilt die Augentlüsse. Wird Opium mit reinem Weine sogleich eingegeben, so heilt es die Scorpionsstiche. Einige schreiben diese Wirkung nur dem schwarzen Mohn zu, dessen Kapseln und Blätter zu jenem Zwecke zerrieben werden. 81. Die Porcilaca^), welche Peplis heisst, ist nicht viel wirksamer als die angebaute. Von ihr erzählt man merk- würdige Dinge; das Gift der Pfeile, Blut und Brenn-Schlan- gen soll sie, innerlich und äusserlich angewandt, vertilgen, ebenso das Bilsengift , wenn der ausgepresste Saft mit Rosinenwein getrunken wird. In Ermangelung der Pflanze selbst bedient man sich zu demselben Zweck des Samens. Mit Wein gestossen und aufgelegt hebt sie die schädlichen Wirkungen des Wassers, Kopfweh und Kopf-Geschwüre. Andere Geschwüre heilt sie, wenn man sie kauet und mit Honig auflegt. Den Kindern legt man sie auf den Kopf und- ausgetretenen Nabel, bei allen aber mit Polenta auf ♦) Euphorbia Characias L.? -) Portulaca oleracea L. Plinius verwechselt sie aber mit Eu- phorbia Peplis. 56 Zwanzigstes Buch. Flüsse, Stirn und Schläfe; auf die Augen mit Milch und Honig; wenn die Augen hervortreten, reibt man die Blätter mit Bohnenschalen, gegen Hitzblattern mit Polenta, Salz und Essig. Roh gekauet heilt sie Mundgeschwüre, geschwol- lenes Zahnfleisch und Zahnschmerzen; der Absud geschwol- lene Mandeln. Einige setzen ein wenig Myrrhe hinzu. Gekauet befestigt sie auch lose Zähne. Sie ist gut gegen Unverdaulichkeit, kräftigt die Stimme und stillt den Durst. Mit gleichen Theilen Gallapfel, Leinsamen und Honig heilt sie die Schmerzen des Genicks, mit Honig und cimolischer Kreide die kranken Brüste. Engbrüstige sollen den Samen mit Honig einnehmen. Als Salat gegessen stärkt sie den Magen. Bei hitzigen Fiebern wird sie mit Polenta aufge- legt. Roh gegessen kühlt sie die Eingeweide ab. Sie stillt das Brechen. Gegen Durchfall und Blutgeschwüre isst man sie mit Essig, oder bereitet einen Trank davon mit Zusatz von RosskUmmel. Beim Stuhlzwang leistet sie gekocht und in der Epilepsie in Substanz oder als Trank gute Dienste; 1 Acetabulum voll mit eingekochtem Most genommen reinigt die Weiber; gegen hitziges Podagra und die Rose legt man sie mit Salz auf. Ihr Saft wird für Nieren und Blase eingenommen, vertreibt auch die Einge- weide-Würmer. Mit Oel und Polenta legt man sie auf schmerzende Wunden. Steife Sehnen macht sie weich. Metrodorus i), welcher eine Schrift über das Kräutersammlen 2) verfasst hat, empfiehlt, sie zur Reinigung nach der Ent- bindung zu geben. Sie vertreibt die Geilheit und die gei- len Träume. Ich weiss, dass der Vater eines gewesenen Piätors, welcher die erste Stelle in Spanien bekleidete, wegen unleidlichen Schmerzen des Zäpfchens die Wurzel dieser Pflanze an einem Faden fortwährend, ausgenommen im Bade, am Halse trug, und dadurch von seinem Uebel befreiet wurde. Einige Autoren geben auch an, wer den Kopf damit bedecke, bekäme das ganze Jahr hindurch ') Ein nicht näher bekannter Arzt. Zwanzigstes Buch. 57 keinen Schnupfen. Den Augen soll sie jedoch nachtheilig^ sein. 82. Der Coriander') wird unter den wildwachsenden Kräutern nicht angetroffen. Am besten ist der ägyptische. Innerlich und äusserlich angewandt hilft er wider diejenige Art Schlangen , welche man Doppelgänger '^) nennt. Er heilt zerrieben auch andere Wunden, Hitzblattern und Bläs- chen, mit Honig oder Rosinen alle Arten Geschwulste und Anhäufungen, mit Essig zerrieben die Fettbeulen. Beim dreitägigen Fieber soll man 3 Samenkörner vor dem Anfalle verschlucken, oder auch einige mehr auf die Stirn binden. Einige empfehlen auch, sie vor Sonnenaufgang unter das Kopfkissen zu legen. Das frische Kraut besitzt eine sehr kühlende Kraft, heilt auch um sich fressende Geschwüre mit Honig und Rosinen, desgleichen die Hoden, Brandstellen ^ Karbunkeln und wunde Ohren; mit Frauenmilch die Augen- flüsse; der Same in Wasser genommen die Bauchflüsse. Mit Raute wird er im Tranke gegen die Gallensucht, mit dem Safte der Granatäpfel und Oel gegen die Eingeweide- würmer angewandt. Xenocrates erzählt eine merkwürdige Wirkung des Corianders (wenn sie gegründet ist); wenn nämlich Frauenzimmer 1 Korn davon einnähme, so bliebe ihr Monatsfluss 1 Tag aus, wenn sie zwei, 2 Tage, und sa fort. Marcus Varro sagt, mit Essig zerriebener Coriander schütze das Fleisch im Sommer vor dem Verderben. 83. Auch von der Melde ^) giebt es eine wilde und zahme. Pythagoras beschuldigt sie, sie erzeuge Wassersucht, Gelb- sucht und Blässe, sei schwer zu verdauen, und alles, was in den Gärten neben ihr stünde, wachse langsam. Nach Dionysius und Diocles sollen sehr viele Krankheiten da- ') Coriandrum sativum L. '*) Amphisbaenae, von denen man glaubte, sie hätten hinten und vorn einen Kopf. 3) Atriplex. Atriplex hortensis L. 5ii Zwanzigstes Buch. durch entstehen; das Wasser, worin sie gekocht werde, müsse man oft erneuern, sie schade dem Magen, und er- zeuge Sommerflecken und Blattern. Mich wundert, dass Solon von Smyrna ^) angiebt, sie komme in Italien schwie- rig fort. Hippocrates applicirt sie mit Bete bei kranken weiblichen Geburtsgliedern. Der Neapolitaner Lycus 2) giebt sie als Trank gegen die Canthariden. Gegen begin- nende Fettbeulen, hitzige Geschwüre und alle Arten von Verhärtungen solle man sie gekocht oder roh auflegen, ebenso mit Honig, Essig und Natron gegen die Rose und das Podagra. Sie soll schlimme Nägel ohne Schwären ausziehen. Einige geben gegen Gelbsucht den Samen mit Honig, reiben mit Zusatz von Natron Hals und Mandeln ein, und befördern damit die Oeffnung. Koh oder gekocht oder mit Malve und Linsen genommen erregen sie Brechen. Die wilde Melde gebraucht man zum Färben der Haare 80wie in allen den genannten Fällen gleich der zahmen. 84. Dahingegen steht die wilde und zahme Malve sehr im Euf. Die beiden Arten werden nach der Grösse der Blätter unterschieden. Die grössere unter den Gartenmalven nennen die Griechen Malope^); die andere soll von ihrer Eigenschaft, den Leib zu erweichen, Malache*) genannt worden sein. Unter den wilden heisst diejenige mit grossen Blättern und weisser Wurzel Althaea^), und, ihrer vor- trefflichen Wirkung wegen, Plistolochia'^), Sie machen den Boden fetter. Der Eibisch wird mit Erfolg gegen alle Stiche, besonders der Scorpione, Wespen und dergleichen, auch gegen die Bisse der Spitzmäuse gebraucht. Wer sich mit einem Gemisch einer dieser Arten und Oel bestreicht, oder sie nur bei sich trägt, wird nicht gestochen. Die >) Ein nicht näher bekannter Arzt. -) Desgleichen. 3) Lavatera arborea L., auch Althaea rosea L. ■*) Malva sylvestris u. M. rotundifolia L. die Käsepappel. •'') Althaea officinalis L. Eibisch. ®) Von n/MoTOQ (am meisten) und loyela (Reinigung der Kind- betterinnen). Zwanzigstes i5uch. 59 aufgelegten Blätter machen die Scorpione erstarren, dienen auch als Mittel wider Gifte, ziehen roh mit Natron auf- gelegt alle Stacheln aus, vernichten sammt der Wurzel ge- kocht und davon getrunken, das Gift des Seehasen, und sind nach Einigen gut wenn man bricht. Man erzählt noch andere, wunderbare Dinge von ihrer Wirkung; namentlich soll der, welcher täglich einen halben Becher des Saftes einer dieser Arten trinkt, von keiner Krankheit befallen werden. Längere Zeit in Urin geweicht heilen sie fliesseude Kopfgeschwüre, mit Honig Flechten und Mundgeschwüre; die abgekochte Wurzel vertreibt die Schuppen auf dem Kopfe und befestigt die Zähne. Mit der Wurzel derjenigen Art, welche nur einen Stengel hat, stochert man so lange um den leidenden Zahn, bis der Schmerz vergangen ist. Sie reinigt auch mit Zusatz von menschlichem Speichel Kröpfe, Ohrengesehwüre und Fettbeulen, ohne wund zu machen. Der Same befreiet in schwarzem Weine genommen von Schleim und Ekel. Die Wurzel heilt, in schwarzer Wolle aufgebunden, kranke Brüste, vertreibt in Milch ge- kocht und als Trank genommen, in 5 Tagen den Husten. Nach Sextius Niger taugt sie nicht für den Magen; nach Olympias •) aus Theben treibt sie mit Gänsefett die Leibes- frucht ab; die Blätter sollen, zu 1 Hand voll in Oel und Wein genommen, die Frauen reinigen. Gewiss ist, dass Schwangere, wenn man ihnen die Blätter unterlegt, leichter entbinden; gleich nach erfolgter Geburt müssen sie aber wieder weggenommen werden, sonst geht die Gebärmutter auch mit ab. Frauen, welche gebären wollen, giebt man nüchtern 1 Hemina mit Wein gekochten Saft. Sogar den Samen bindet man denen, welche den Samen nicht halten können, auf den Arm. Diese Kräuter wirken so sehr auf die Wollust, dass wenn man, wie Xenocrates erzählt, den Frauen die Samen der einstengligen Art an die Geschlechts- theile streuet, oder '6 Wurzeln daran bindet, diese im höch- *) Schiiftstellernde Hebamme, von der wir nichts weiter wissen. 60 Zwanzigstes Buch. sten Grade geil werden. Bei Stuhlzwang, Ruhr und wun- dem Hintern gebraucht man sie zum Trank oder auch zu Blähungen. Gegen Melancholie giebt man 3 und gegen Wahnsinn 4 Becher warmen Saft; gegen Epilepsie 1 Hemin?. gekochten Saft. Diesen sowie den am Stein, Bähunger.. Bauchgrimmen oder Rtickgiatkrampfe Leidenden schlägt man den Saft auch warm über. Gegen die Rose umi Brandstellen legt man die in Oel gekochten Blätter, und bei heftigem Schmerz der Wunden dieselben roh mit Honig auf. Eine Abkochung derselben ist gut für die Nerven, Blase und das Reissen in den Gedärmen. In Substanz ge- nossen oder mit Oel applicirt, erweichen sie die Gebär- mutter; der Absud erzeugt gelinden Seh weiss. Die Wurzel des Eibisch besitzt gegen alle genannten üebel noch grö- ssere Wirksamkeit, namentlich bei verrenkten und zerrisse- nen Gliedern. Die wässrige Abkochung derselben hemmt den Durchfall. Die Abkochung der Wurzel sowie der Blätter innerlich und äusserlich angewandt, vertreibt Kröpfe, Ohiengeschwüre, Entzündungen der Brüste und Fettbeulen: Trocken mit Milch gekocht heben sie sehr schnell den Husten. Hippocrates gab die Abkochung der Wurzel Ver- wundeten und denen, welche aus Mangel au Blut Durst leiden, und die Wurzel selbst äusserlich mit Honig und Harz gegen Wunden; ebenso legte er sie bei Contusionen, Verrenkungen, geschwollenen Muskeln, Sehnen und Gliedern auf, und liess sie mit Wein gegen Asthma und Ruhr ein- nehmen. Merkwürdig ist, dass das Wasser, worin diese Wurzel liegt, unter freiem Himmel dick und milchig wird. Je frischer, um so kräftiger ist sie auch. 85. Das Lapathumi) besitzt ähnliche Wirkungen. Die wilde Art 2), welche Einige Oxalis nennen, schmeckt wie die zahme, hat spitze Blätter, die Farbe der weissen Bete, eine sehr kleine Wurzel, und heisst bei uns Rum ex, bei ') Der Ampfer. ^ ^) sylvestre. Rumex bucephalophovvis L. Zwanzigstes Buch. Q\ Andern Lapathum cautherinum i); mit Fett liefert sie ein wirksames Mittel gegen Kröpfe. Eine andere Art, Oxy lapathum 2) sieht dem Gartenampfer sehr ähnlich, hat aber spitzigere und röthere Blätter und wächst nur in Sümpfen. Einige führen auch eine in Wasser wachsende Art unter dem Namen Hydrolapathum ^) an; ferner das Hippolapathum^), welches grösser, hellerund fleischiger als der Gartenampfer ist. Die wilden Arten heilen die Scorpionsstiche und wer sie bei sich trägt, wird nicht ge- stochen. Der mit Essig bereitete Absud der Wurzel ist ein Mittel gegen Zahnweh, und innerlich genommen gegen Gelbsucht. Der Same hebt unheilbare Magenübel. Die Wurzeln des Hippolapathum dienen noch besonders zum Ausziehen schlimmer Nägel. Der Same heilt zu 2 Drach- men mit Wein genommen die Ruhr. Der mit Regenwasser gewaschene Same des Oxylapathum wird mit Zusatz eines 1 Linse grossen Stückes Acaciensaft gegen Blutspeien ge- braucht. Aus den Blättern und Wurzeln bereitet mau mit Zusatz von etwas Natron und Weihrauch die vortrefflichsten Zeltchen, welche beim Gebrauch mit Essig versetzt werden. 86. Den Gartenampfer 5) legt man gegen Augenflüsse auf die Stirn. Mit der Wurzel heilt man Flechte und Grind; in Wein gekocht Kröpfe, Ohrengeschwüre und Steinbeschwerden; mit Wein genommen und aufgelegt die Milzkrankheiten, Verstopfung, Durchfall und Stuhlzwaug. Gegen alle diese Uebel erweist sich die Ampfersuppe wirk- samer; sie macht Aufstossen, treibt den Harn, giebt den Augen Klarheit und hebt das Jucken am Körper, wenn man sie in die Badewannen legt oder vorher ohne Zusatz von Gel auflegt. Die Wurzel gekauet befestigt die Zähne, mit Wein gekocht, hebt sie den Durchfall; die Blätter da- ') Rossampfer. -) Rumex crispus L, 5) Rumex maritimus L.? ') Rumex aquaticus L. '') Lapathum sativum. Rumex Patientia L. 62 Zwanzigstes Buch. gegen machen offenen Leib. Selon führt (damit wir nichts übergehen) noch das Bulapathum*) an, welches sich nur durch seine ansehnliche Wurzel auszeichnet, und mit Wein eingenommen, die Ruhr heilt. 87. Der Senf, von welchem wir unter den Gartengewächsen 3 Arten angeführt haben 2), nimmt nach Pythagoras den ersten Platz unter denjenigen Pflanzen ein , deren Kräfte nach oben gehen , denn nichts dringe mehr in die Nase und das Gehirn. Man legt ihn, mit Essig eingerieben, auf Wunden, die durch Schlangen und Scorpione entstan- den sind. Er vernichtet das Gift der Pilze. Gegen Schleimansammlung hält man ihn so lange im Munde, bis er zergangen ist, oder benutzt ihn mit Milch zum Gurgeln. Gegen Zahnweh wird er gekauet, und bei geschwollenem Zapfen in Essig und Honig zum Gurgeln benutzt. Er ist ein vorzügliches Mittel gegen alle Magen- und Lungenübel. Sein Genuss befördert den Auswurf; man giebt ihn gegen Engbrüstigkeit und lauwarm mit Gurkeusaft gegen Epilepsie. Er reinigt die Sinne und durch Niesen den Kopf, macht weiche Stuhlgänge, befördert den Monatsfluss und die Urin- absonderung. Mit 3 Theilen Feigen und Rosskümmel an- gestossen, legt man ihn den Wassersüchtigen auf. Gegen Epilepsie, Gebärmutterkrankheit und Schlafsucht giebt man ihn mit Essig zum Riechen, thut auch wohl Tordylium, d. i. Seselsamen, hinzu. Sind die Schlafsiichtigen schwer zu erwecken, so legt man ihnen Senf mit Feigen und Essig auf Schienbeine und Kopf. Anhaltende Schmerzen der Brust, Lenden, Hüfte, Schulter und alle körperlichen üebel, die aus dem Innern herausgezogen werden müssen, lindert er, aufgelegt, durch seine ätzende Kraft, indem er Blasen erzeugt. Bei bedeutenden Verhärtungen legt man ihn ohne Feigen, und, wenn man zu starke Reizung besorgt, in dop- pelten Tüchern auf. Gegen Glatzen, Schorf, Grind, Läu^e- ») Rumex scutatus? -) XIX, B. 54. Cap. Zwanzigstes Buch. 63; sucht, Steinbeschwerden und Rückgratskrampf wird er mit Röthel angewandt. Auf rauhe Wangen und trübe Auge» streicht man ein Gemisch von Senf und Honig. Den Saft des Senfes presst man auf dreierlei Art aus, und stellt ihn in einem irdenen Geschirr an die Sonne. Der Stengel giebt einen Milchsaft, welcher eingetrocknet gegen Zahn- weli gebraucht wird. Der Same und die Wurzel werden mit Most zerrieben und zu einer Handvoll zur Stärkung-^ des Schlundes, Magens, der Augen, des Kopfes und aller Sinne , auch gegen Mattigkeit der Frauen mit dem besten Erfolge eingenommen. In Essig getrunken, zerkleinert er die Blasensteino. Auf Stoss- und Quetschbeulen legt man ihn mit Honig und Gänsefett oder cyprischem Wachse. Aus dem Samen presst msn, nachdem er in Oel eingeweicht ist , ein Oel , welches zum Einreiben der steifen Sehnen^ Lenden und Hüfte benutzt wird. 88. Die Adarcai), welche in Wäldern, an der Rinde des Rohrs unter dem Blüthenbüschel wächst, soll die Natur und Wirkung des Senfs haben. 89. Den Andorn^), welchen die meisten Schritsteller zu den vorzüglichsten Kräutern zählen, nennen die Griechen Pra- sion, Andere Linostrophon, Einige Philo päs oder Philo- chares; er ist so bekannt, dass eine nähere Beschreibung überflüssig erscheint. Seine Blätter und Samen zusammen- gerieben , sind ein gutes Mittel gegen Schlangen , Brust- und Seitenschmerzen , und anhaltenden Husten. Auch denen, welche Blut ausbrechen, ist er sehr heilsam, und zu diesem Zwecke wird er mit Panicum in Wasser ge- kocht, um seine Schärfe etwas zu mildern. Mit Fett legt man ihn auf Kröpfe. Einige kochen wider den Husten Alldornsamen, soviel man mit 2 Fingern fassen kann, mit einer Pugille Dinkel , setzen etwas Oel und Salz hinzu *) Vielleicht Typha latifolia L., die Rohrkolbe. Maviubium. Marrubium albiim und M. creticum L. ^4 Zwanzigstes Buch. und trinken davon nüchtern. Nach Andern ist in dies'em Falle nichts besser, als wenn man Andorn und Fenchel «.uspresst , 3 Sextarien dieses Saftes auf 2 einkocht, 1 Sextarius Honig zusetzt, wiederum auf 2 einkocht , und täglich davon 1 Löffel voll in 1 Becher Wasser einnimmt. Mit Honig verrieben heilt er vortrefflich die kranken männlichen Geschlechtstheile. Mit Essig reinigt er die Flechten; dient auch zur Heilung zerrissener, verrenkter und krampfhaft zusammengezogener Adern. Mit Salz und Essig genommen öffnet er, befördert den Abgang des monatlichen Blutflusses und der Nachgeburt. Das trockne Pulver davon wird mit Honig bei trocknem Husten, Krebs lind einer gewissen Augenkrankheit i) mit dem besten Er- folge angewandt. Der Saft ist mit Honig vermischt ein Mittel für Ohren, Nase, Gelbsucht, zur Verminderung der Galle, und namentlich gegen Gifte. Das Kraut, mit Schwertel und Honig eingenommen, reinigt den Magen und die Brust vom Schleime; es wirkt auch harntreibend, jedoch darf man es nicht bei wunder Blase und bei Nieren- leiden gebrauchen. Der Saft soll die Augen klar machen. Castor führt 2 Arten Andorn an, eine schwarze, welche zugleich die bessere ist, und eine weisse. Ebenderselbe thut den Saft in ein leeres Ei, setzt gleiche Theile Honig hinzu, erwärmt, und rühmt diess Gemisch zum Aufziehen, Reinigen und Heilen der Eiterbeulen; auch empfiehlt er das Kraut zu stosseu und mit altem Fett . auf Bisswunden von Hunden zu legen. 90. Der Quendel'-) soll seinen Namen von dem kriechen- den Wachsthum haben , was allerdings bei dem wilden, namentlich dem auf Felsen wachsenden der Fall ist. Der zahme kriecht jedoch nicht, sondern wächst wie eine Palme hoch empor. Der wilde ist fetter, hat hellere Blätter und Zweige, und wird, in Wein gekocht, gegen Schlangen, ua- ') pteiygium. 2) Serpyllum. Zwanzigstes Buch. 65 meiitlich die Kenchris, Land- und See-Scolopender und Scorpione gebraucht. Angezündet vertreibt sein Rauch alle diese Thiere. Er hilft auch gegen die giftigen Seethiere. In Essig gekocht und mit Rosenöl auf Schläfe und Stirn gelegt, vertreibt er Kopfweh, Wahnsinn und Schlafsucht; wider Bauchgrimmen, Urinbeschwerden, Bräune, und Erbrechen werden 4 Drachmen eingegeben. Gegen Leberleiden bereitet man einen wässrigen Trank. Für die Milz verordnet man 4 Obolen Kraut mit Essig. Bei Blut- auswurf bedient man sich eines Gemisches von Quendel und 2 Bechern Essig mit Honig, 91. Das wilde Sisymbrium^) oder Thymbraeum wird nur 1 Fuss hoch. Dasjenige, welches an nassen Plätzen wächst, heisst Brunnenkresse'-). Beide sind wirksame Mittel gegen gestachelte Thiere, als Hornisse u. s. w. Das auf trocknem Boden vorkommende hat schmalere Blätter, ist wohlriechend und wird in Kränze eingeflochten. Beide stillen Kopfschmerzen, und, nach Philinus^), Augenflüsse. Einige setzen Brot sinzu. Andere kochen es für sich mit Wein. Es heilt auch Hitzblattern und Hautschäden ioi Gesichte der Frauen, wenn es 4 Nächte lang aufgelegt und am Tage abgenommen wird. Verspeist oder als Saft getrunken hebt es das Erbrechen , Schlucken und Bauch- grimmen und die Schwäche des Magens. Schwangere dürfen es nicht essen, denn es tödtet die Leibesfrucht; sogar aufgelegt treibt es dieselbe ab. Mit Wein ge- nommen, treibt es den Harn, das wilde auch den Stein. Um wach zu bleiben, giesst mau einen Aufguss davon in Essig auf den Kopf. 92. Der Leinsamen wird auch mit andern Mitteln ge- meinschaftlich angewandt; für sich allein verbessert er die Haut im Gesichte der Frauen. Sein Saft schärft die Seh- kraft. Mit Weihrauch und Wasser oder mit Myrrhe und ') Mentha aquatica L.V ^) Nasturtiuiu. 3) Von Kos, Arzt und Schüler des Herophüus. Wittstein: Plinius. rv'. Bil. ^ gg Zwanzigstes Buch. Wein stillt er die Flüsse, mit Houig oder Fett oder Wacli8 die Ohrengeschwüre, nach Art der Polenta aufgestreuet, die Schwäche des Magens, in Wasser und Oel gekocht und mit Anis aufgelegt die Bräune. Gegen den Durchfall wird er geröstet, bei Verstopfung und Ruhr mit Essig auf- gelegt. Bei Leberschmerzen isst man ihn mit Rosinen; gegen Schwindsucht wendet man mit bestem Erfolge eine aus dem Samen bereitete Latwerge an. Verhärtungen der Muskeln, Nerven, Glieder und des Nackens, sowie die Häute des Gehirns erweicht ein Gemisch aus Leinsamen- mehl, Natron oder Salz oder Asche. Ebendieselben Theile werden mit Leinsamen und Feigen zur gehörigen Reife gebracht. Mit wilder Gurkenwurzel zieht er alles, was im Körper steckt, sogar gebrochene Knochen, aus. In Wein gekocht hindert er das Umsichfressen der Geschwüre, uud mit Honig den Schleimauswurf. Gleich wie die Brunnen- kresse heilt er schlimme Nägel, mit Harz und Myrrhe Hoden und Brüche, mit Wasser den Krebs, mit 1 Sextarius Bockshornsamen in Meth gekocht , Magenschmerzen, mit Oel oder Honig im Klystier Brust- und Eingeweide- Schäden. 93. Das Blitumi) besitzt keinen besondern Geschmack und scheint ohne alle Kräfte zu sein, daher die Ehemänner bei Menander ihn zum Schimpfwort auf die Frauen ge- brauchen. Für den Magen taucht er nicht, und Einigen macht er so viel Unruhe, dass daraus die Cholera entsteht. Jedoch soll er, in Wein getrunken, gegen Scorpione, auf- gelegt gegen Fussbeulen, und mit Oel augewandt gegen Milz- und Schläfeschmerzen gut sein. Hipporates sagt, sein Genuss hemme den Monatsfluss. 94. Das Meum2) wird in Italien nur von Aerzten und auch bloss von wenigen gesäet. Es giebt 2 Arten; die ') Amarantus Blitum L. =*) Meum athamanticura Jacq. Zwanzigstes Buch. (57 bessere heisst das athamantische, nach Einigen, weil Athamas es zuerst entdeckt hat, nach Andern, weil das beste zu Athamas vorkommt. Die Blätter sind denen des Anis ähnlich, der Stengel wird mitunter 2 Cubitus hoch, die zahlreichen, mitunter sehr langen Wurzeln haben eine schwärzliche Farbe , keine röthliche wie die der anderen Art. Ein Trank von der Wurzel, oder sie selbst zerklei- nert oder abgekocht genossen treibt den Urin. Die Blä- hungen des Magens vertreibt sie vortrefflich , ebenso das Bauchgrimmen und die Blasenleiden; mit Honig auf die Schaam, und mit Eppich den Kindern aufgelegt, lockt sie den Urin tief aus dem Leibe hervor. 95. Der FencheD) hat durch die Schlangen Berühmtheit erlangt, denn diese sollen ihn fressen, um die alte Haut loszuwerden und ihre Augen zu stärken , was zu der Mei- nnng Anlass gab, dass auch bei den Menschen die trüben Augen dadurch geheilt werden könnten. Man sammelt ihn (den Saft) , wenn der Stengel ausgewachsen ist , trocknet ihn an der Sonne und streicht ihn mit Honig auf. Der Fenchel findet sich iiberall. Der beste Saft kommt aus Iberien, wird aus dem frischen Samen gewonnen und bildet Thränen. Man bereitet ihn auch aus der Wurzel, welche zu diesem Behufe bald nach dem Ausschlagen geritzt wird. 96. Hierher gehört noch ein wilder Fenchel, welchen Einige Hippomarathrum'^), Andere Myrsineum nennen; er hat grössere Blätter, einen schärfern Geschmack, einen höhern, armsdicken Stengel und eine weisse Wurzel. Man findet ihn an warmen, steinigen Plätzen. Diocles erwähnt noch eines andern Hippomarathrums') mit langen schmalen Blättern und dem Coriander ähnlichen Samen. Der Same des angebaueten ') Foeniculum. Anethum Foeniculum. 2) Seseli Hippomarathrum L.; Rossfenchel. 3) Anethum segetumV gg Zwanzigstes Buch. wild mit Wein gegen die Stiche der Scorpione und Schlangen eingenommen. Den Saft tröpfelt man in die Ohren, um die darin befindlichen Würmer zu tödten. Das Kraut selbst setzt man fast zu allen Würzen, am besten zu den sauren Tunken; auch wird das Brot von Aussen damit bestreuet i). Der Same stärkt den schwachen Magen und vertreibt das Fieber, In Wasser abgerieben vertreibt er den Ekel, und heilt Lungen- und Leberleiden. In kleinen Dosen genommen , hemmt er den Durchfall, treibt den Urin, mildert das Bauchgrimmen, und erfüllt die Brüste mit Milch. Die Wurzel mit Gerstentrank oder bloss als Absud, oder auch der Same als Substanz angewandt, reinigt die Nieren. Die mit Wein gekochte Wurzel hilft auch bei Wassersucht und Krämpfen. Die Blätter werden mit Essig auf brennende Geschwülste ge- legt, führen auch die Blasensteine ab. Wird die Pflanze auf was immer für eine Weise eingenommen, so vermehrt sie den Samen. Auf die Schaamglieder wirkt sie ganz besonders wohlthätig, wenn man dieselben entweder mit dem weinigen Absude der Wurzel berührt, oder letztere mit Oel abgerieben auflegt. Viele legen eine mit Wachs be- reitete Salbe auf Geschwülste^und Stossbeulen, nnd bedienen sich des Saftes der Wurzel mit Honig gegen Hundsbisse und mit Wein gegen die Vielfusse. Der Rossfenchel ist in jeder Beziehung kräftiger , namentlich führt er die Blasensteiue ab. Mit schwachem Weine heilt er die Blase und befördert den Monatsfluss. Sein Samen besitzt mehr Wirksamkeit als die Wurzel; von beiden wird aber soviel als man mit 2 Fingern fassen kann zum Tranke ge- nommen. Petrichus^), welcher über die Schlangen, und Micton ^), welcher über die Wurzeln geschrieben hat, sagen, gegen Schlangen sei nichts besser als der Rossfenchel. Auch Nicander zählt ihn zu den vorzüglichen Arznei gewachsen. ') Wie noch jetzt in Bayern. -) Ein unbekannter Arzt. ^) Desgleichen. Zwanzigstes Buch. 09 97. Der Hanf wuchs anfangs nur in Wäldern, seine Blätter sind dunkler und rauher'). Der Same soll die Zeugungskraft des männlichen Geschlechts vernichten. Der Saft desselben vertreibt die Würmer und andere Thiere aus den Ohren, macht aber Kopfweh; seine Kraft ist so gross, dass er, wie man angiebt, das Wasser verdickt, wiid daher in Wasser den Lastthieren mit Nutzen für den Leib gegeben. Die Wurzel in Wasser gekocht erweicht steif gewordene Glieder, heilt das Podagra und ähnliche Uebel. Eoh legt man sie auf Brandstellen , doch muss man sie jedesmal, b^yor sie trocken geworden, wegnehmen und er- neuern. 98. Das Steckenkraut-^) hat einen dem Dill ähnlichen Samen; dasjenige, dessen Stengel sich oben theilt, heisst das weibliche. Die Stengel werden gekocht verspeist, und mit Most und Honig für den Magen empfohlen; in zu grosser Menge genossen machen sie jedoch Kopfweh Die Wurzel zu 1 Denar in 2 Bechern Wein genommen, hilft gegen die Schlangen; auch legt mau sie selbst auf. Ebenso vertreibt sie das Bauchgrimmen , mit Oel und Essig übermässigen Schweiss und Fieber. Der Saft des Krautes, wie eine Bohne gross genommen, bewirkt Oeff- nung. Das Mark des grünen Krautes heilt alle Krank- heiten der Gebärmutter. Zur Stillung des Blutes werden 10 Samenkörner zerrieben und entweder für sich oder mit Wein eingenommen. Einige verordnen gegen Epilepsie einen Löffel voll am vierten, sechsten und siebenten Tage nach dem Vollmonde. Den Muränen ist das Steckenkraut höchst verderblich, denn, wenn man sie nur damit berührt, so sterben sie. Castor rühmt den Saft der Wurzel als ein Mittel, die Augen klar zu machen. 99. • Da wir bei den Gartengewächsen von dem Anbau der •) Als die des Fenchels. '^) Fei-ula. Fei-ula communis L. 70 Zwanzigstes Buch. Disteln 1) gesprochen habend), so wollen wir auch hiervon ihrer medicinischen Anwendung handeln. Es giebt 2 wilde Arten, eine davon breitet sich gleich vom Boden an strauchig aus, die andere hat nur einen oben dicken Stengel, beide nur wenige, stachelige und zugespitzte Blätter. Die eine treibt mitten aus Stacheln eine purpurrothe, schnell grau- werdende und in die Luft sich zerstreuende Bliithe; die Griechen nennen sie Scolymus^j. Diese wird vor der Blüthezeit zerstampft, ausgepresst und der Saft auf Glatzen gestrichen. Die Wurzel beider Arten in Wasser iiekocht, soll bei Trinkern Durst erregen. Sie stärkt den Magen, soll auch (wenn wir es glauben wollen), dergestalt auf die Gebärmutter wirken, dass Knaben geboren wer- den — so schreiben nämlich der Athenienser Chaereas und Glaucias*), welcher letztere die Disteln am sorg- fältigsten beschrieben zu haben scheint. Kauen von Disteln macht den Athem wohlriechend. 100. Ehe wir die Gartengewächse verlassen, wollen wir ein daraus bereitetes, berühmtes Gemisch gegen giftige Thiere anführen, welches an der Schwelle des Tempels des Aesculaps in Stein gehauen ist. Nimm Quendel, Opopanax und Meum, von jedem 2 Denare schwer, Bitter- klee 1 Denar, Anis-, Fenchel-, Amrai- und Petersilien- samen von jedem 6 Denare, Ervenmehl 12 Denare; stosse alles, siebe es durch, und bereite daraus mit der besten Sorte Wein Kügelchen von der Schwere einer Siegesmünze''). Ein einzelnes Kügelchen wird mit 3 Bechern gemischten Weines eingenommen. Dieses Theriaks soll sich der König Antiochus der Grosse gegen alle Gifte bedient haben. •) Cardui. -) XIX. B. 43 Cap. ^) Cynara Scolymus L. ^) Zwei unbekannte Schriftsteller. *) victoriatus, ein halber Denar. Eiziundzwanzigstes Euch. Von den Blumen und Kränzen. 1. Kianzblumeni) befahl schon Cato zu bauen. Ihre ausserordentliche Zartheit ist erstaunenswerth und nicht so leicht mit Worten auszudrucken, als die Natur sie zu färben vermag, welche sich hierin vorzüglich verschwen- derisch zeigt, und mit ihrer grossen Productivität ein so mannichfach freudiges Spiel treibt. Alles Uebrige schafft sie zur Nahrung und andern Zwecken , und ertheilt ihm daher Jahre, ja Jahrhunderte lange Brauchbarkeit; die Blumen aber und deren Riechstoff erzeugt sie nur auf Tagesdauer , und — was die Menschen wohl beherzigen mögen — diejenigen, welche am schönsten sind, werden am schnellsten welk. Und nicht zufrieden mit schönen Bildern und verschiedenen Tönen , worin die Farben der Blumen auftreten, schlingt sie das Colorit noch vielfältig und abwechselnd in einander, besondere Arten von Bän- dern laufen kreisförmig, schräg und am Rande hin, und Kränze winden sich durch Kränze hindurch. 2. Die Alten gebrauchten ganz dünne Kränze, welche sie Bänder^) nannten, und davon entstanden die Kränzchen^). Ja selbst dieser Name wurde erst spät allgemein, denn nur bei den Opfern und den Kriegs-Belohnungen bebaup- ') Coronamenta. -) stroppi. ^) strophiola. 72 Einund zwanzigstes Buch. leten die Kränze ihren Namen. Da man aber aus Blumen Guirlanden^) machte, so nannte man sie vom Zusammen- knüpfen Blumensträusse 2) , was bei den Griechen auch noch nicht sehr lange üblich ist. 3. Zuerst war es Sitte, die Sieger in den heiligen Kämpfen mit Baumzweigen zu bekränzen. Später ver- tauschte man sie mit einem bunten Gemisch von Blumen verschiedener Farben und Gerüche, nach der Erfindung des Malers Pausias von Sicyon und der von ihm heiss ge- liebten Kranzwinderin Glycera, deren Arbeit er durch Malen nachahmte, und der, indem er sie zur Mannigfaltig- keit in ihren Producten bewog , auch die Zahl seiner ver- schiedenen Gemälde vermehrte, so dass in dieser Beziehung ein Wettstreit zwischen Natur und Kunst hervorgerufen wurde. Derartige Gemälde jenes Künstlers sind jetzt noch vorhanden, und besonders zeichnet sich unter ihnen eins aus, die Kranzwinderin genannt, auf welchem er sie selbst abbildete. Diess geschah nach der hundertsten Olym- piade^). Als nun Kränze^) aus Blumen eingeführt waren, entstanden auch bald die sogenannten ägyptischen und dann die winterlichen, welche letztere, weil im Winter die Erde keine Blumen hervorbringt, aus gefärbten Stückchen von Hörnern gemacht wurden. Etwas später kam auch zu Kom jene Benennung auf, man nannte aber die Kränze anfangs wegen ihrer Kleinheit Kränzchen^), und hernach, als sie aus dünnen vergoldeten und versilberten Kupfer- blechen gefertigt wurden, Kranzgeschenke •*). 4. Der reiche Crassus ahmte zuerst die Blätter in Gold und Silber nach, und schenkte dergleichen Kränze in den von ihm veranstalteten Spielen. Später kamen noch die Bänder') hinzu, was eine besondere Auszeichnung, der hetrurischen, an welche nur goldene gebunden werden * serta. -) serviae. ^) 375 J. v. Chr. G. '') coronae. ') corollae. *) coiollaria. ') lemnisci. Einundzwanzigstes Buch. 73 durften, war. Lange Zeit hindurch machte man sie ganz einfach; P. Claudius Pulcher aber war der erste, der sie von getriebener Arbeit ausführen liess, und dem Bande noch Blätter hinzufügte. 5. Auch die in den Schauspielen erworbenen Kränze standen immer sehr in Ansehn; denn zu den dabei statt- findenden Kämpfen gingen entweder die Herren selbst in den Circus oder schickten ihre Sclaven hin. Darauf be- zieht sich ein Gesetz der 12 Tafeln: „Wer selbst oder für sein Geld einen Kranz gewinnt, der hat ein Unterpfand seiner Tapferkeit". Es war kein Zweifel, dass das Gesetz mit den Worten „für sein Geld" verstanden wissen wollte was die Sclaven und Pferde gewonnen hätten. Worin bestand nun die Ehre? dass, wenn die Sieger oder ihre Eltern starben, ihnen, während sie auf dem Paradebette lagen, oder hinausgetragen wurden, der Kranz ohne Scheu (Betrug) aufgesetzt werden konnte. Uebrigens durfte man sich nicht einmal der in den Scherzspielen gewonneneu ohne Unterschied bedienen. 6. Es herrschte nämlich beim Gebrauch der Kränze eine grosse Strenge. Der während des zweiten puni- schen Krieges lebende Wechsler L. Fulvius, welcher, mit einem Rosenkranze auf dem Haupte aus seinem Laden auf den Markt gesehen hatte, wurde auf Befehl des Senats ins Gefängniss gebracht, und erst nach Beendigung des Krieges wieder entlassen. Als P. Munatius dem Marsyas einen Blumenkranz abgenommen und sich selbst aufgesetzt hatte, und dieserhalb auf Befehl der Triumviren gefäng- lich eingezogen werden sollte, appellirte er an die Volks- Tribunen; allein diese legten sich nicht für ihn ins Mittel. Anders war es in Athen, wo die zusammenspeisenden Jünglinge selbst vor Mittag die Lehrstunden damit be- suchten. Bei uns kennt man kein anderes Beispiel solcher Freiheit , als die Tochter des vergötterten Augustus , bei 74 Einundzwanzigstes Buch. deren nächtlicher Schwelgerei, wie die Briefe dieses Mannes klagen, der Marsyas bekränzt wurde. 7. Nur allein den Scipio beehrte das römische Volk mit «inem Blumenkranze. Wegen seiner Aehnlichkeit mit einem gewissen ScLweinhändler bekam er den Namen Serapio. Deshalb liebte ihn das Volk während seines Amtes als Tribun und betrachtete ihn als ein würdiges Familienglied der Afrikaner. Da er nicht soviel hinterliess, um sein Begräbniss zu bestreiten, so gab ein Jeder 1 Ass her, und beim Hinaustragen der Leiche streuete man aus ^Uen Fenstern, wo sie vorbeikam, Blumen. 8. Noch damals waren die Kränze eine Ehrenbezeugung der Götter, der öffentlichen und häuslichen Laren, der Oräber und Manen, und im höchsten Ansehn stand die Friedenskrone. Zusammengebundene Kränze finden wir bei den Opfern der Priester des'Mars, und prachtvolle bei den Mahlzeiten. Hernach kamen die Rosenkränze auf, und die Ueppigkeit ging so weit, dass nur die aus blossen Blättern gemachten im Ansehn standen, und die zusammen- gebundenen aus Indien und noch weiter hergeholt wurden. Am beliebtesten und nobelsten sind die aus Narden- blättern gefertigten, oder bunt mit Seidenzeug durch- flochten en und mit Balsamen bestrichenen Kränze. Letz- tere verdanken ihr Entstehen der Prunkliebe der Weiber. 9. Unter den Griechen haben die Aerzte Mnesitheus und Callimachus *) über Kränze geschrieben, welche dem Kopfe schaden, denn auch hierin kommt die Gesundheit in so fern mit ins Spiel, dass bei Trank und Fröhlichkeit die Ausdünstung der Blumen leicht unvermerkt ihre verderbliche Wirkung ausüben kann. Ein Beispiel hiervon giebt uns die schändliche List der Cleopatra. Als nämlich zur Zeit ') Beide unbekannt. Einundzwanzigstes Buch. 75 der Zurüstung zum actianischen Kriege Antonius wegen der Gunst der Königin besorgt war und keine andere als zuvor gekostete Speise ass, soll sie seine Furcht zu einem Scherz benutzt haben, indem sie die äussersten Blumen eines Kranzes mit Gift bestrich, sich denselben aufsetzte und als man recht fröhlich war, den Antonius aufforderte, die Kränze zu trinken. Wer hätte hier etwas argwöhnen sollen? Sie zerpflückte hierauf ihren Kranz, warf die Stücke in den Becher , hielt aber , sobald er trinkan wollte , die Hand davor und sprach: Nun Marcus Antonius, ich bin die, welche du, wie aus der Thätigkeit deiner Vor- schmecker hervorgeht, fürchtest; du siehst, es fehlt mir nicht an Mitteln und Gelegenheit, wenn ich ohne dich leben könnte. Sie Hess darauf einen Gefangeneu vorführen, befahl ihm den Becher auszuleeren, und jener starb auf der Stelle. — Unter den Griechen schrieb , ausser den Obengenannten , auch Theophrastus über die Blumen. Von den römischen Schriftstellern haben einige ihren Werken den Namen Blumenlese i) gegeben, doch handelte Niemand, so viel ich weiss, darin von Blumen. Auch wir wollen jetzt keine Kränze winden (denn das sind Tände- leien), sondern von den Blumen dasjenige, was uns werth genug scheint, mittheilen. 10. Die Römer kannten unter den Gartengewächsen sehr wenige Arten , welche zu Kränzen gebraucht werden , ja fast nur die Violen und Rosen. Die Rose 2) ist mehr ein Dorngewächs als ein Strauch, kommt auch auf einem Rubus vor ^) , wo sie zwar angenehm aber schwach riecht. Jegliche Rose ist anfangs in eine drüsige Schale ge- schlossen; diese schwillt an, schiesst in einen birn formigen Kelch hervor, welcher allmählich sich erweiternd rötbliche 1) anthologicon. ') Rosa centifolia, R. gallica und die Spielarten derselben. 3) Plinius meint liier wahrscheinlich die Heckenrose: Rosa ca* nina L. 76 Einundzwanzigstes Buch. Blätter durchblicken lässt, sich endlich ganz aufschliesst, und in Mitte der von ihm umgebenen Blumenkrone gelbe Staubgefässei) enthält. Zu Kränzen wird sie fast gar nicht gebraucht. Man macht sie in Oel ein, was nach Homer schon zur Zeit des trojanischen Krieges geschah, bedient sie ihr auch, wie wir bereits gesagt haben 2), zu Salben, und selbst für sich allein besitzt sie schon Heil- kräfte. Ihrer gelinden Schärfe wegen geht sie in Pflaster und Augensalben ein , auch werden die Leckereien der Tafel ohne Gefahr damit parftimirt. Bei uns sind die pränestinische und campanische die berühmtesten Arten, Einige nehmen dazu noch die milesische, welche die feu- rigste Farbe und nicht über 12 Blumenblätter hat. Nächst dieser kommt die blassere trachinische, dann die alaban- dische mit weisslichen Blättern, und die allergeringste hat die meisten, aber sehr kleine Blätter und kleine Dor- nen; man unterscheidet nämlich die Arten nach der Menge, Rauheit, Glätte, Farbe und dem Gerüche der Blumen- blätter. Die geringste Zahl der Blumenblätter ist 5, ihre Menge steigt aber so sehr, dass eine Art die hundert- blättrige genannt wird, und diese kommt in Italien zu Campanien und in Griechendland um Philippi , jedoch nicht wild, vor. In der Nähe des Berges Pangaeus wächst eine Art mit zahlreichen kleinen Blättern, welche von den dortigen Bewohnern auf ihren Aeckeru gebauet wird uud ihnen einen Nahrungszweig verschafft. Doch besitzt weder diese, noch die mit den grössten Blättern den stärksten Geruch. Alle mit einem rauhen Kelche versehenen Rosen riechen am besten. Caepio^), welcher unter der Regierung des Kaisers Tiberius lebte, sagt, Rosen würden nicht zu Kränzen genommen, ausgenommen etwa an die äussersten Enden derselben. Eine Art, welche weder durch Geruch noch Ansehn ausgezeichnet ist, nennt man bei uns die griechische Rose, bei den Griechen Lychnis^), sie wächst ') apices. «) im XIII. Buche. ^) Ein nicht näher bekannter Schriftsteller. '') Agrostenima coronaria L? Einundzwanzigstes Buch. 77 mu- an feuchten Plätzen, hat nie über 5 Blumenblätter von der Grösse einer Viole, und riecht nicht. Eine andere Art, die kleine griechische genannt, erscheint immer mit zusammengeschlagenen Blättern, springt nur auf, wenn mau sie mit der Hand berührt, uud sieht stets aus, als wenn sie eben erst aufbräche; ihre (Blümen-)Blätter sind sehr gross. Noch eine andere Art bricht aus einem malven- artigen Stengel, hat Blätter wie der Oelbaum, und heisst die sprossende. Zwischen diesen steht die Herbstrose, welche Kranzrose genannt wird, hinsichtlich der Grösse in der Mitte. Nur allein diese und die auf dem Rubus wach- sende besitzen Geruch, — so viele unächte giebt es. Auch die echte Rose ist in ihrer Qualität gar sehr von dem Boden abhängig. Die zu Cyrene wachsende riecht am besten, daher kommt von dort die beste Rosensalbe; zu Carthago in Spanien blühet sie den ganzen Winter hin- durch. Auch hat die Witterung Einfluss darauf, denn nicht jedes Jahr riecht die Rose gleich stark. Sie liebt keine fette, thonige und feuchte Plätze, dagegen magere, und namentlich wüste. Die campanische blühet früh, die mile- sische spät und die pränestinische am spätesten. Man setzt sie tiefer als die Feldfrüchte, aber nicht so tief als die Weinstöcke. Der Same, welcher im Kelche unter der Blume in Wolle gehüllt liegt, geht sehr langsam auf, daher pflanzt man sie lieber durch Stecklinge und Wurzel- augen, wie das Schilf, fort. Nur eine Art der blassen, liinf blättrigen, vieldoruigen mit sehr langen Zweigen, welche unter den griechischen die zweite ist, säet man. Alle Rosen aber werden durch Beschneiden und Brennen ver- bessert; auch durch Versetzen kommen sie, gleich dem Weinstock, rasch fort, wenn man 4 Zoll oder darüber nach dem Untergange des Siebengestirns pflanzt, diese, zur Zeit des Favonius , 1 Fuss weit von einander versetzt und oft umgräbt. Um früh Rosen zu bekommen, macht man, wenn die Knospen sich zeigen, eine fusstiefe Grube um die Wurzel, und begiesst mit warmem Wasser. 78 Einundzwanzigstes Buch. 11. Die Lilie') steht an Weith der Rose am nächsten; auch bereitet man aus ihr eine ähnliche Salbe wie ein Oel, welches Lilienöl genannt wird. Sie ist eine Zierde der Rosenpflanzungen, wenn man sie dazwischen setzt, denn sie fängt dann an zu blühen, wenn jene in voller Pracht stehen. Keine andere Blume schiesst höher empor, denn der Stengel ist oft 3 Ellen lang, aber so schwach, dass er kaum die Krone zu tragen vermag. Sie besitzt eine blendende Weisse, die Kronblätter sind aussen gestreift, gehen aus einem engen Grunde allmählig ins Breite, nach Art eines Korbes, über, sind am äussern Rande umge- schlagen, und innerhalb stehen Samengehäuse und gold- farbige Fäden (Staubbeutel). Ihr Geruch ist ein doppelter, denn die Krone riecht anders als die Staubgefässe , doch ist der Unterschied nicht gross. Zur Bereitung der Salbe und des Oeles bedient man sich aber auch der Steugelblätter, Die Blume ist derjenigen, welche die in den Hecken wach- sende Windet) trägt, nicht unähnlich, aber letztere besitzt keinen Geruch , auch nicht die gelben Staubbeutel im In- nern, sondern bloss die weisse Farbe, und liefert nur ein Beispiel, wie die Natur eine Lilie zu bilden anfängt. Die weissen Lilien werden ganz ebenso wie die Rosen gebauet, aber auch, wie das Hipposelinum , durch den auströpfeln- den Saft, und nichts ist fruchtbarer, denn eine einzige Wurzel treibt oft 50 Zwiebeln. Es giebt auch eine rothe Lilie, welche die Griechen Crinon^), Andere, was die Blume selbst betrifft Cynorrhodon nennen. Die besten wachsen in Antiochien|, zu Laodicea in Syrien, ferner zu Phaseiis; den vierten Rang nimmt die in Italien vorkommende ein. 12. Es giebt auch purpurrothe Lilien, welche zuweilen einen zweifachen gespaltenen Stengel, eine fleischigere. ') Lilium candiclum L. ^) Convolvulus. Convolvulus sepium L. ^) Lilium bulbifevum L. Einundzwanzigstes Buch. T^ grössere, aber nur einfache Zwiebelwurzel haben, und Narcisseni) genannt werden. Eine andere Art hat eine weisse Blüthe und purpurrothe Kelche 2). Die Narcissen unterscheiden sich von den Lilien auch dadurch, dass ihre Blätter aus der Wurzel entspringen. Die vorzüglichsten wachsen auf den lycischen Bergen. Die dritte Art weicht nur darin ab, dass ihr Kelch grün ist ^). Alle blühen spät, nämlich erst nach dem Untergange des Arcturus und wäh- rend des Herbst-Aequinoctii. 13. Der Erfindungsgeist der Menschen hat auch folgende seltsame Fortpflanzungsw^eise ausgemittelt. Im Monat Juli werden nämlich die trocknen Stengel der Lilie abge- schnitten und in den Bauch gehängt. Wenn sich hiedurch die Samenkapseln geöffnet haben, nimmt man sie ab, weicht sie im März in Hefe von dunkeln oder griechischem Wein ein, damit sie die Farbe davon annehmen, säet sie in kleine Furchen und begiesst sie mit einer Hemina Hefen. Auf diese Weise entstehen rothe Lilien, und es ist merk» würdig, dass Gefärbtes Gefärbtes erzeugt. 14. Zunächst im Werthe folgen nun die Violen, von denen es viele Arten giebt, nämlich rothe, gelbe^) und weisse^), welche alle, wie der Kohl, aus Pflanzen gezogen werden. Unter denen aber, welche an sonnigen und ma- gern Plätzen wild vorkommen, schiessen die purpurrothen mit breiten Blättern unmittelbar aus einer fleischigen Wurzel hervor, und sie allein werden von den übrigen durch einen griechischen Namen 6) unterschieden , wovon die blauen Kleider ihre Benennung haben. Unter den an- gebaueten schätzt man die gelben am meisten; ihre Arten heissen die tuskulanische , und die Seeviole, deren Blatt ') Narcissus serotinus L.'? ^) Narcissus poeticus L. *) Narcissus Tazetta L. *) Cheiranthus Cheiri L. *) Cheiranthus incanus und Ch. annuus L. *) ia von lov das Veilchen. ^0 Einundzwanzigstes Buch. etwas breiter, die aber nicht so wohlriechend ist. Die Korbviolei) bat gar keinen Geruch, kleine Blätter und kommt im Herbste zur Blüthe, die übrigen im Frühlinge. 15. Die Caltha^), welche eine grosse einfarbige Krone trägt, steht der obengenannten am nächsten. Sie hat mehr Blätter als die Seeviole, deren Zahl nie über 5 geht, auch besitzt sie einen unangenehmem Geruch als letztere. Nicht minder widrig riechen die Stengelblätter des sogenannten königlichen Zweigs^). 16. Die Baccharis^), welche von einigen Bauernnarde^) genannt wird , riecht nur an der Wurzel. In früheren Zeiten bereitete man, nach dem Zeugniss des alten Schau- spieldichters Aristophanes , aus dieser Wurzel Salben. Einige nennen sie auch wohl aus Irrthum die barbarische. Ihr Geruch kommt dem des Zimmts sehr nahe. Sie wächst auf magerm, trocknem Boden. Eine ihr sehr ähnliche Pflanze ist das Combretum, welches Blätter so dünn wie ein Faden hat, aber höher wird. Die Ansicht Derer, welche die Baccharis Bauernnarde genannt haben, bedarf einer Berichtigung, denn unter diesem Namen existirt ein anderes Kraut, welches bei den Griechen Asarum heisst, und dessen wir bereits bei den Arten der Narde gedacht habend). Ihren Namen (asaron)^) soll sie daher haben, weil sie nicht zu den Kränzen genommen wird. 17. Der wilde Safran ist der beste; es ist nicht vortheil- haft, ihn in Italien zu bauen, denn die Aecker werden dadurch bis auf den Stein ausgesogen. Man bauet ihn *) calathiana. nach C. Bauhin: Digitalis lutea. ^) Caltha palustris L. seheint hier gut zu passen, demungeachtet deutet man gewöhnlich auf Calendula arvensis L. 3) scopa regia. Chenopodiura Scoparia L. Nach Andern Achillaea nobilis L. '*) Gnaphalium sanguineum L.? *) Nardum inisticum, welches Valeriana Dioscoridis Hawk. ist. *) Im XII. Buche. 27. Cap. ') von « nicht, und aaoovj fegen, also ungefegt. d. h. sclimutzig, unansehnlich. Einundzwanzigstes Buch. 81 durch Zwiebeln. Der Gartensafran ist breiter^), grösser und glänzender, aber viel schwächer und artet überall aus, ist auch selbst zu Cyrene, wo sonst immer die besten Blüthen wachsen, nicht immer fruchtbar. Im höchsten An- sehn steht der in Cicilien und hier namentlich auf dem Berge Cyricus wachsende , dann folgt der lycische , olym- pische und centuripinische in Sicilien. Andere geben dem phlegräischen den zweiten Rang. Nichts wird so sehr verfälscht als der Safran. Der echte muss, in der Hand gehalten, rauschen, als wenn er zerbräche; denn der feuchte, welcher diesen Zustand einer Künstelei ver- dankt, giebt beim Drücken nach. Eine andere Probe besteht darin, dass er, wenn man ihn ans Gesicht hält, Haut und Augen beissen muss. Unter den Arten des an- gebaueten Safrans giebt es eine allgemein beliebte, welche ihrer Farbe wegen die weissbunte genannt wird. Die cyrenaische hat den Fehler, dunkler zu sein als alle übri- gen Arten und schnell zu verwelken. Diejenige Sorte ist allemal die beste, welche am meisten Fett und kurze Fäden bat, am schlechtesten aber die, welche nach Schim- mel riecht. Nach Mucianus versetzt man in Lycien den Safran im siebenten oder achten Jahre in gepflügtes Land, und verhindert auf solche Weise das Ausarten. Zu Kränzen wird er nirgends genommen, denn seine Blätter sind schmal, fast herzförmig, aber als Zusatz zum Weine, na- mentlich dem süssen , eignet er sich vortrefflich. Sein Pulver wird als Parfüm in die Theater gestreut. Die Bltithe bricht beim Untergange des Siebengestirns zwischen den Blättern hervor, hält sich aber nur wenige Tage. Zur Zeit des kürzesten Tages steht er in voller Kraft, wird dann eingesammelt, und im Schatten, am besten an einem kalten Orte, getrocknet. Die fleischige Wurzel bleibt länger als bei andern Gewächsen kräftig. Durch Treten und Reiben wird sie besser, und dem Verderben schon nahe erholt sie sich dadurch wieder, daher ihr bester *) Crocus sativus L. Wittstein: Plinius. IV. Bd. 82 Einundzwanzigstes Buch. Standort Pfade und Quellen sind. Schon in den trojani- schen Zeiten wurde der Safran geschätzt, wenigstens rühmt Homer die drei Pflanzen Lotus , Safran und Hya- cinthe. 18. Alle geruchvollen Pflanzen und daher auch die Kräuter unterscheiden sich durch Farbe, Geruch und Saft. Rie- chende Gewächse schmecken fast alle bitter; hingegen be- sitzen die süssschmeckenden keinen Geruch. Daher riecht auch der Weib stärker als der Most, und alle wilden Pflanzen stärker als die angebaueten. Einige riechen in der Ferne angenehmer als in der Nähe, wie z. B. die Viole. Eine frische Rose riecht mehr in der Ferne, eine trockne mehr in der Nähe, alle aber stärker im Frühlinge und früh Morgens, denn gegen den Mittag hin wird der Geruch immer schwächer. Eine junge riecht auch weniger als eine alte; alle aber besitzen mitten im Sommer den stärksten Geruch. Rosen und Safran riechen stärker wenn sie bei heiterm Wetter gesammelt werden, ebenso riechen alle Gewächse mehr, die an warmen, als die an kalten Plätzen wachsen. In Aegypten besitzen die Blumen den schwäch- sten Geruch, weil da die Luft durch den Nil mit Nebel und Thau erfüllt ist. Mancher an sich angenehme Geruch hat etwas Beschwerliches. Einige riechen wegen allzu vieler Feuchtigkeit im lebenden Zustande nicht, wie das Foenum graecum. Einige sind starkriechend und zugleich saftig, wie die Viole, Rose, der Safran; bei denjenigen aber, welche keinen Saft haben, ist der Geruch unangenehm, Avie bei beiden Arten der Lilie. Das Abrotanum und der Majoran riechen scharf. Von einigen Pflanzen riechen nur die Blumen angenehm, die übrigen Theile gar nicht, wie bei den Violen und Rosen. Die trocknen Gartengewächse, und die, welche an trocknen Plätzen vorkommen, wie die Raute, Minze, der Eppich, riechen sehr stark. Einige wer- den durchs Alter wohlriechender, wie die Quitten, und diese noch mehr, wenn sie nicht mehr am Baume hängen. Einige riechen nur nach dem Zerbrechen oder Zerreiben, Einundzwanzigstes Buch. g3 andere nur, wenn die Schale abgezogen ist, wiederum an- dere nur beim Verbrennen, wie der Weihrauch und die Myrrhe. Zerriebene ßlüthen sind allemal bitterer als ganze. Einige behalten getrocknet den Geruch sehr lange, wie der Steinklee. Einige machen den Ort selbst, wo sie stehen, wohlriechend, wie die Iris, ja diese sogar den ganzen Baum, dessen Wurzeln sie berührt. Die Nachtviole i) riecht des Nachts stärker und hat daher ihren Namen bekommen. Kein Thier besitzt etwas Wohlriechendes, man miisste denn das, was ich von den Panthern 2) gesagt habe, für wahr halten. 19. Wir müssen auch des Umstandes gedenken, dass viele riechende Gewächse nicht zu den Kranzblumen gehören, wie die Iris^) und die Narde, obgleich beide vortrefflich riechen. Von der Iris wird nur die Wurzel benutzt, und zwar nur zu Salben und Arzneien. Die beste wächst in Illyrien, aber nicht am Meere, sondern in den Wäldern von Drilon und Naron; dann folgt die macedonische, deren Wurzel sehr lang, weiss und dünn ist. Die afrikanische bildet die dritte Sorte, ist am dicksten und schmeckt am bittersten, Die illyrische bildet 2 Arten, den Raphanitis, sogenannt von seiner Aehnlichkeit mit Retttg, und den Rhizotomos, welcher röthlich aussieht und besser als jener ist, Am besten ist die, welche beim Berühren Niesen er- regt. Ihr Stengel ist aufrecht und 1 Cubitus hoch; ihre Blüthen haben verschiedene Farben, ähnlich dem Regen- bogen, und diess war der Grund, sie Iris zu nennen. Auch die pisidische ist nicht zu verwerfen. Wenn man sie aus- graben will, giesst man 3 Monate vorher Honigwasser um sie herum, um durch Schmeichelei die Erde gleichsam zu ver- söhnen, zieht mit der Spitze eines Schwertes einen drei- fachen Kreis um sie , sticht die Wurzel aus und hält sie sogleich gegen den Himmel empor. Sie ist von Natur brennend, und erzeugt auf der Haut Blasen, wie wenn >) Hesperis. ■') Im VIII. B. 23. Cap. 3) Iris. Iris florentina L. und T. germanica L. S. auch 83. Cap. 6* g4 Einundzwanzigstes Buch. mau sich verbrannt hätte. Man soll sie nur durch keusche Leute sammeln lassen. Nicht nur trocken, sondern auch an ihrem Standorte selbst wird sie gern von Würmern angefressen. Das beste Irisöl wurde vormals aus Leu- cadien und Elis (wo man sie seit langer Zeit bauet) be- zogen; jetzt kommt es aus Pamphylien, aber dasjenige aus Cilicien und aus den nördlichen Ländern hält man für das beste. 20. Die Saliunca^) hat kurze Blätter, welche nicht (zu Kränzen) gewunden werden können, und mit zahlreichen Wurzeln zusammenhängen, ist eher ein Gras als eine Blume, dicht, als wenn sie mit der Hand zusammenge- drückt wäre — kurz eine besondere Art Rasen. Sie wächst auf sonnigen Plätzen in Pannonien, Noricum, den Alpen und um die Städte in Eporadia, und ist so beliebt wie ein Metall. Man legt sie gern zwischen die Kleider. 21. Das bei den Griechen unter dem Namen P o 1 i u m 2) bekann- te Kraut hat durch die Lobsprüche des Musaeus 3) und He- siodus Ruf erlangt, denn sie sagen, es sei zu Allem, beson- ders zu Ruhm und Würden dienlich; jedenfalls ist es merkwürdig, dass (wie sie sagen) die Blätter desselben des Morgens weiss, Mittags purpurroth und Abends blau aus- sehen. Es giebt 2 Arten, eine auf Aeckern, welche gross, und eine wilde, welche klein ist. Einige nennen es Teu- thrium. Die Blätter ähneln den grauen Menschenhaaren, entspringen unmittelbar aus der Wurzel und werden nicht länger als 1 Palme. 22. Hiermit schliesse ich die Beschreibung der wohlriechen- den Blumen. Sowie aber der Luxus dahin gelangt ist, *) "Valeriana Saliunca All. 2) Teucrium Polium L. Die grosse Art ist T. capitatum und riecht nicht. 2) Wahrscheinlich der Grammatiker, dessen Lebenszeit ungewiss ist. Einundzwanzigstes Buch. 85 hierin die Natur durch wohlriechende Salben zu übertreffeu, ebenso hat er versucht, die schöngefärbten Blumen in den Kleidern künstlich nachzuahmen. Ich finde, dass dazu namentlich 3 Arten gebraucht werden: rothe in der Scharlachfarbe, welche von den Rosen abgenommen ist und in den tyrischen Purpur, in die zweimal gefärbten und in die lacedämonischen Kleider eingeht. Die zweite in der Amethystfarbe, zu deren Typus die Viole dient und welche in die purpurnen und vielfarbigen Stoffe eingeht. (Ich spreche hier nur von Gattungen, welche noch in viele Arten zerfallen). Die dritte ist die eigentliche Muschelfarbe, von der es viele Nuancen giebt: eine heliotropartige helle und dunkle, eine mal venartige die sich in Purpur zieht, und eine herbstviolenartige welche die lebhafteste Muschel- farbe ist. Jetzt stellt man ähnliche Farben künstlich dar, sodass Natur und Luxus miteinander wetteifern. Die gelbe Farbe steht, soviel ich weiss, seit den ältesten Zeiten in Ansehn, und wurde von jeher nur allein für die Hochzeits- schleier der Bräute verwendet, und diess vielleicht der Grund, warum sie nicht unter die vornehmsten, das heisst, dem männlichen und weiblichen Geschlechte gemeinschaft- lichen gezählt wird, denn die Gemeinschaft ist es, welche den Vorzug bestimmt hat. 23. Der Amarant!) ^jj-d bekanntlich zu Kränzen genom- men. Er ist mehr eine purpurfarbene Aehre als eine Blume, und riecht nicht. Merkwürdig, dass die Aehre, wenn sie abgepflückt ist, sich kräftiger wieder erneuert. Im August bricht er aus und bleibt bis in den Herbst blü- hend. Der alexandrische ist am besten; diesen bewahrt man, dem Stengel entnommen, auf, und es bekommen die welkgewordenen Blumen durch Befeuchten wiederum ihre vorige Frische, daher man die Winterkränze daraus macht. ') amarantus. Amarantus caudatus L. lifxaQuv&oc des Diocori- des dagegen ist Gnaphalium Stoechas L., welches goldgelbe Blumen hat. 86 Einundzwanzigstes Buch. Seine Eigenschafi, nicht (dauernd) zu verwelken, gab ihm den Namen i). 24. In den Namen Cyanus^) und Holochrysus^) Hegt gleichfalls ihre Farbe. Alle diese Blumen waren aber zur Zeit Alezanders des Grossen noch nicht gebräuchlich, son- dern fanden offenbar erst später Eingang, denn die bald nach seinem Tode lebenden Schriftsteller erwähnen ihrer nicht. Wer möchte aber zweifeln, dass die Griechen sie zuerst kennen gelernt haben, da man sich in Italien ihrer Namen unverändert bedient? 25. Aber das Petilium hat in Italien seinen Namen be- kommen. Diese Pflanze wächst im Herbste um Dornsträu- che und hat nur einigen Werth wegen der Farbe ihrer Blüthe, die der wilden Rose gleicht. Die Blätter sind klein und stehen zu 5. An der Blume ist merkwürdig, dass die Blätter an der Spitze einwärts gebogen sind und nur um- gedrehet erscheinen. Der Kelch ist klein, scheckig und schliesst einen gelben Samen ein. Auch der gelbe Bellio*) trägt kuchenartige Bltithen, welche durch 55 Bärtchen ge- krönt sind. Diess sind Wiesenblumen, welche grösstentheils keinen Nutzen und daher auch keinen Namen haben; doch benennen sie Einige so, Andere so. 26. Die Chrysocome^), auch Chrysitis genannt, hat keinen lateinischen Namen, wird eine Palme hoch, trägt goldglänzende feine Blüthenbüschel ; ihre Wurzel ist schwarz und schmeckt süsslich herbe. Man findet sie auf steinigen und schattigen Plätzen. 27. Nachdem wir nun die vornehmsten Farben abgehan- ') von a nicht und ixaQalvio welken. ^) von xvavoq: blau. Centaurea Cyanus L. ') von oAo$: ganz und )^Qvooq golden. Gnaphalium Stoechas L. •*) BiUis perennis L. *) Chrysocoma Linosyris L. Einundzwanzigstes Buch. 87 delt haben, wollen wir uns zu denjenigen Kränzen wenden, welche nur bunt im Gebrauche sind. Es giebt 2 Arten, die eine besteht aus Bliithen, die andere aus Blättern, Die Genisten möchte ich eher eine Blume nennen (denn sie trägt gelbe), desgleichen die Rhododendra und die Brustbeerensträuche, welche auch cappadocische genannt werden, und ähnlich den Blüthen des Oelbaums riechen. In Dornsträuchen wächst auch das Cyclamen, von dem wir anderswo 1) ausführlicher sprechen wollen, und dessen grosse Blume zu Kränzen genommen wird. 28. Zu Kränzen gebraucht man die Blätter der Stech- winde und des Epheu, und ihre Blüthenbüschel stehen, wie wir bei der Beschreibung der Sträucher ausführlich gesagt haben 2) , gleichfalls im Ansehn. Es giebt noch andere Arten, welche ich mit griechischen Namen bezeichnen muss, weil die Römer es sich selten angelegen sein Hessen, dafür Namen aus ihrer Muttersprache zu bilden. Zwar wachsen die meisten von ihnen in andern Ländern, allein wir müssen sie dennoch berücksichtigen, denn unser Zweck hier ist Beschreibung der Natur und nicht bloss Italiens. 29. Es werden also ferner zu Kränzen genommen: die Blätter des Melothron^), der Spiräa^), des Origauum, des Cneorum, welches Hyginus Casia-^) nennt und einer anderen Art desselben: Cunilago oder Couyzaß); ferner des Melissophyllum'') oder Apiastrum, und des Melilotus^), welcher campanischer Kranz genannt wird. Von letzterm ist nämlich unter den italienischen der campanische , und unter den griechischen der sunische der beste, dann folgt der chalcidische und cretische, alle aber wachsen in rauhen ») XXV. B. 67. Cap. 2) XVI. B. 62. und 63. Cap. 3) Chematis Vitalba L.? ■*) Ligustrum vulgare? oder Viburnum. Lantana? *) Daphne Gnidium L. ") S. 32. Cap. '') Melissa altissima Sibth. ®) Melüotus neopolitana Lam. M. vulgaris L. und M. cretica gg Einundzwanzigstes Buct. waldigen Gegenden. Dass daraus schon seit langer Zeit Kränze geflochten werden, beweist sein Name*). Im Ge- ruch und der Blüthe ähnelt er dem Safran , die übrige Pflanze ist grau. Je kleiner und fetter die Blätter sind, um so mehr wird er geschätzt. 30. Auch das Dreiblatt'^) spendet seine Blätter zu Krän- zen. Es giebt davon 3 Arten; die eine mit grossen Blät- tern, von den Griechen die kurze Zeit blühende 3), von Andern die nach Judenpech riechende^) genannt, gebrauchen die Kranzflechter. Die zweite heisst nach der Form ihrer Blätter die spitzblättrige, die dritte aber ist die kleinste von allen''). Einige unter ihnen haben aderige Stengel, wie der Fenchel, Rossfenchel und der Mäusetod^). Man gebraucht sie in Verbindung mit den Zweigen, Büscheln und roihen Blüthen des Epheu. Eine andere Art ist der wilden Rose ähnlich. Bei ihnen kommt bloss die Farbe in Betracht, denn Geruch besitzen sie nicht. Vom Cneorum giebt es zwei Arten, eine schwarze'') und weisse ^); letztere riecht auch, beide aber sind vielästig und blühen nach dem Herbst-Aequinoctium. Ebenso viele Arten des Origanum nimmt man zu den Kränzen, die eine trägt keinen Samen und die andere, welche nicht riecht, heisst kretischer Dost''). 31. Auch der Thymian^o) hat 2 Arten, eine weisse und schwärzliche. Er blühet zur Zeit der Sommerweude, wo dann die Bienen ihn besuchen , und giebt uns schon eine Andeutung über die zukünftige Honigernte, denn, wenn er reichlich blühet, so hoffen die Bienenzüchter auf eine gute ^) sertula. -) trifolium. ^) minyanthes. ^) asplialtion. Psoralea bituminosa L. *) Die zweite und dritte Art sind wahrscheinlich Meliloten. *) myophonum. ') Passerima hirsuta L. ^) Daphne Tartonraira L. ^) Origanum creticum L. '•') Thymus vulgaris L., dann die wohlriechende Art Thymus inca- nus Sibth. Einundzwanzigstes Buch. 89 Ausbeute. Durch starke Regengüsse leidet er und ver- liert die Blüthen. Den Samen des Thymian sucht man vergebens, während man doch den des Dostes, wenn er auch sehr klein ist, bemerken kann. Doch was thuts, dass die Natur ihn verborgen hat? denn die Blume selbst ist es ja, welche durch Aussäen die Pflanze hervor- bringt. Was haben die Menschen nicht alles versucht? Der attische Honig behauptet unter allen Sorten den ersten Rang; daher holte man den Thymian aus Attika, und säete mühsam seine Blüthen aus. Allein ein Umstand stellte sich hiebei hindernd in den Weg, der attische Thymian ge- deihet nämlich nur in der Seeluft. Schon lange hatte man diese Ansicht von allen Arten Thymian, und deshelb wachse er auch nicht in Arcadien. Damals glaubte man auch, der Oelbaum wachse nicht weiter als in einer Ent- fernung von 300 Stadien vom Meere. Wir wissen aber, dass jetzt die steinigen Felder in der narbonensischen Provinz voll Thymian stehen, und dass er fast der einzige Nahrungszweig der dortigen Bewohner ist, denn aus fernen Gegenden wird das Vieh zu Tausenden dahin getrieben, um den Thymian zu fressen. 32. Zu Kränzen gebraucht man ferner 2 Arten Conyza, die männliche 1) und die weibliche 2), welche sich durch die Blätter von einander unterscheiden. Die weibliche Art hat nämlich dünne und schmale, die männliche dagegen schup- pige und stark aderige Blätter. Die Blume der letztern glänzt auch mehr, bei beiden kommt sie aber spät, näm- lich nach dem Scheinen des Arcturus. Das Männchen riecht unangenehm, das Weibchen scharf und eignet sich daher besser zum Gebrauch gegen die Bisse wilder Thiere. Die Blätter des Weibchens riechen wie Honig. Die Wurzel des Männchen nennen Einige Libanotis, wovon bereits die Rede war 3). ') Erigeron viscosus L. ^) Erigeron graveolens L. 3) Im XIX. Buche 62. Cap. 90 Einund zwanzigstes Buch. 33. Zu Kränzen bedient man sieh nur der Blätter von folgenden Arten: Jupitersblume^), Majoran, Hemero- callis^), Abrotanum, Helenium^), Sisymbrium, Quendel, welche alle, gleich der Rose, holzig sind. Die Jupiters- blume ist nur wegen ihrer Blume beliebt, denn Geruch be- sitzt sie nicht; ebenso diejenige Pflanze, welche den grie- chischen Namen Phlox 4) hat. Mit Ausnahme des Quendel, sind die Zweige und Blätter der genannten Arten wohl- riechend. Das Helenium soll aus den Thränen der He- lena entstanden sein, daher wächst auch das beste auf der Insel Helene; es ist ein Strauch mit spannenlangen auf der Erde liegenden Zweigen und quendelartigen Blättern. 34. Das Abrotanum^) riecht angenehm aber stark, und trägt eine goldfarbige Blüthe. Das unfruchtbare wächst wild, und pflanzt sich durch die Spitzen fort. Mau bauet es aber zweckmässiger aus dem Samen, als aus der Wur- zel und aus Ablegern, was jedoch einige Mühe kostet; die jungen Pflänzchen werden versetzt. Ebenso verfährt man mit der Adonis^);, und zwar bei beiden im Sommer, denn sie sind empfindlich gegen die Kälte, leiden indessen auch von zu starker Sommerhitze; wo sie aber einmal aufge- kommen sind, breiten sie sich gleich der Raute aus. Das Leucanthemum^) riecht ähnlich wie das Abrotanum, und trägt eine weisse blattreiche Blume. 35. Den Majoran nennen der Arzt Diocles und das sicilia- nische Volk Amaracus ^), die Aegypter und Syrier Samp- ') rios Jovis. Dianthus arboreus Sibtb. -) HemerocoUis fulva. ') Hier ist Thymus incanus Sibth gemeint, nicht Inula Helenium. ■*) Silene vespertina Retz und ähnliche Arten. ^) Artemisia Abrotanum L. S. auch 92. Cap. ®) Adonis antumnalis L. '') Matricaria Chamomilla? *) Origanum Majorana L. Einundzwanzigstes Buch. 91 suchus. Man bauet ihn auf zweierlei Weise, durch Samen und Ableger, er wächst rascher als die vorherge- nannten Arten und riecht angenehmer, trägt ebenso zahl- reiche Samen wie das Abrotanum, aber letzteres hat eine tief in die Erde gehende Wurzel, während diese bei den übrigen nur mit einer dünnen Erdschicht bedeckt ist. Die übrigen werden mit Beginn des Herbstes, oder auch an Plätzen, wo Schatten, Feuchtigkeit und Dünger ist, im Frtihlinge gesäet. 36. Die Nachtblume ^) gehört zu den wenigen Gewächsen welche Democritus bewundert hat; sie ist, wie er sagt, feuerfarbig, hat Blätter wie Dornen, erhebt sich nicht hoch über die Erde, und gedeihet am besten in Gedrosien. Man zieht sie nach dem Frühlings- Aequinoctium mit der Wurzel aus, trocknet sie 30 Tage lang am Monde, und ertheilt ihr dadurch die Eigenschaft bei Nacht zu leuchten. Die Ma- gier und parthischen Könige sollen sich derselben bei Aus- sprechung von Gelübden bedienen. Man nennt sie auch Gänseschreck 2), weil die Gänse bei ihrem Anblick in Furcht gerathen ; Andere nennen sie Nachtlicht 3) weil sie des Nachts von ferne leuchtet. 37. Der Melilotus^) wächst überall, der beste aber in Attica; frisch ist er gewöhnlich nicht weiss, sondern sieht dem Safran sehr ähnlich, doch kommt in Italien auch wei- sser vor und dieser riecht besser. 38. Die erste unter den Blumen, welche den Frühling verkündigen, ist die weisse Viole; in wärmern Gegenden bricht sie auch im Winter hervor. Hernach kommt die purpurrothe, dann die brennende, welche auch Phlox heisst und nur wild wächst. Das Cyclamen blüht zweimal des Jahres, im Frühlinge und Herbste, denn der Sommer und ') nyctegretum, nach Harduin: Lunaria. ') chenomyehe. ^) nyctalops. ■*) S. 29. Cap. 92 Einundzwanzigates Buch. Winter ist ihm nicht zuträglich. Etwas später erscheinen die überseeische Narcisse und Lilie, iu Italien aber erst nach der Rose, wie wir gesagt haben i). Noch später kommt in Griechenland die Anemone, ein wildes Zwiebelgewächs und nicht zu verwschseln mit derjenigen, von welcher wir bei den Arzneien reden werden 2). Nun folgt die Oenan- the^), das Melianthum^), unter den wilden das Helio- chrysum^) ferner eine andere Art Anemone, welche Li- monia^) heisst, der Gladiolus^), die Hyacinthe ^) und endlich die Rose. Letztere blüht auch, mit Ausnahme der angebaueten, am frühesten ab; unter den übrigen hält sich die Hyacinthe, weisse Viole und Oenanthe am längsten, doch letztere nur, wenn mau durch häufiges Abschneiden die Bildung des Samens verhindert. Sie wächst an war- men Plätzen, und hat ihren Namen 0) daher, dass sie wie die Blüthe des Weiustocks riecht. Au die Hyacinthe knüpfen sich zwei Fabeln; nach der einen nämlich zeigt sie die Trauer des Jünglings, welchen Apollo liebte; nach der an- dern ist sie aus dem Blute des Ajax entstanden, denn die x\dern ihrer Blüthe sind so gestellt, als wenn die griechi- schen Buchstaben A I darauf geschrieben wären. Das Heliochrysum hat goldfarbige Blüthen, zarte Blätter und einen dünnen aber harten Stengel. Hiermit bekränzen sich die Magier, und sagen, wenn man Salben aus Gold bereitet, welches noch nicht am Feuer gewesen ist, dazu nähme, so verstriche das Leben angenehm und ruhmvoll. Soweit die Frühlingsblumen. 39. Es folgen nun die Sommerblumen: die Lychnis, Jupitersblume, die zweite Art der Lilie, das Tiphyumi")^ ') Im 11. und 12. Cap. •-) Im 94. Cap. ^) Phytolacca decandra L.? oder Spiraea Ulmaria L.? ^) Nigella sativa L.? ^) Gnaphalium Stoechas L. '') Anemone coronaria L. ') Gladiolus communis L. ») Gladiolus segetum Gawl. '••) von oLVOq und avöoq. '•>) Scilla antumnalis L.? Einundzwanzigstes Buch. 93 der phrygische Majoran. Am ansehnlichsten aber ist der Pothos, wovon es 2 Arten giebt. die eine mit hyaciuthar- tiger'), und die andere mit weisser 2) Bltithe, letztere auf Hügeln und von längerer Dauer, Auch die Jris blühet im Sommer. Diese welken und sterben ab, andere kommen im Herbste wieder hervor. Die dritte Art der Lilie und beide Arten Safran, von denen die eine riecht, die andere nicht, brechen bei den ersten Eegenschauern aus. Die Kranzflechter bedienen sich auch der Dornblüthe; von dem weissen Dornstrauch werden die zarten Stengel eingemacht und als ein Leckerbissen verspeist. Diess ist die Reihen- folge des Aufbrechens der überseeischen Blüthen. In Italien folgt auf die Violen die Rose, dazwischen kommt die Lilie, nach der Rose die Kornblume und nach dieser der Ama- rant. Die Vincapervinca 3) grünt ununterbrochen, ist an den Knoten von den Blättern gleich einer Schnur um- gürtet, ein Kraut der Kunstgärtner, und ersetzt mitunter den Mangel an Blumen. Die Griechen nennen sie Chamae- daphne. 40. Am längsten hält sich die Viole, nämlich 3 Jahre hin- durch; später artet sie aus. Die Rose dauert 5 Jahre aus, ohne geschnitten und gebrannt zu werden; durch diese Operationen wird sie nämlich wieder verjüngt. Doch hat auch, wie wir gesagt haben 4), das Erdreich grossen Ein- fluss, denn in Aegypten sind alle diese Gewächse geruch- los, und bloss die Myrten riechen dort stark. In manchen Gegenden findet das Ausschlagen 2 Monate früher statt. Rosengärten müssen zu Anfang des Frühlings und mitten im Sommer umgegraben, und in der Zwischenzeit gegätet werden. 4L Doch Garten- und Kranzblumeu passen am besten für ') Silene Sibthorpiana Rchb. 2) Silene Otites L. ^) Vinca minor L. *) Im 10. Cap. 94 Einundzwanzigstes Buch. die Bienen und die Bienenzucht, — ein Geschäft, welches im günstigen Falle viel Gewinn bringt. Zu diesem Zwecke muss man Thymian, Apiastium, Kosen, Violen, Lilien, Cy- tisus, Bohnen, Wicken, Saturei, Mohn, Conyza, Casia, Stein- klee, Melissophyllum und Wachsblumen i) bauen. Letz- tere ist ein ellenhohes Kraut mit weissen krummen Blättern und einer hohlen Blumenkrone, worin sich ein honigartiger Saft befindet. Die Bienen sind nach diesen Blumen, und, was zu bewundern, auch nach denen des Senfs sehr be- gierig, während sie bekanntlich die des Oelbaumes nicht anrühren; daher steht dieser Baum besser nicht zu nahe bei den Bienenstöcken, während man andere, wodurch die ausfliegenden Schwärme angelockt werden, zweckmässig in ihre Nähe pflanzt, damit sie keinen zu weiten Weg zu machen brauchen. 42. Auch die Kornelkirsche muss man aus der Nähe der Bienen bringen, denn wenn sie deren Blumen aussaugen^ so bekommen sie den Durchfall und sterben. Man heilt sie wieder, wenn man ihnen gestossene Ariesbeeren mit Honig, oder Urin vom Menschen oder Ochsen, oder Granat- apfelkörner mit amineischem Weine benetzt vorsetzt. Am besten zur Pflanzung um die Bienenstöcke passt der Ginster. 43. Wunderbar und mittheilungswürdig ist, was ich von der Ernährung der Bienen erfahren habe. Am Po liegt ein Dorf Hostilia. dessen Einwohner, weil es rings umher an Futter gebricht, die Bienenkörbe auf Schiffe setzen und sie bei Nacht 5000 Schritte weit gegen den Strom hiuan- fahren. Mit Anbruch des Tages fliegen die Bienen aus^ sammeln ein und kehren täglich zu den Schiffen zurück ; letztere wechseln ihren Ankerplatz so lange, bis die Stöcke voll sind, worauf zurückgefahren und der Honig ausgenom- men wird. Aus gleicher Ursache führt man sie in Spanien auf Mauleseln aus. ') cerinthe. Cerinthe major und minor L. Einundzwanzigstes Buch. 95 44. Das Futter ist so verschieden, dass sogar giftiger Honig daraus entstehen kann. Zu Heraclea im Pontus ist er in manchen Jahren höchst schädlich, obgleich er immer von ein und denselben Bienen zubereitet wird. Kein Autor giebt an, welche Blumen schuld daran sind; ich will daher meine Erfahrungen darüber mittheilen. Es giebt ein Kraut, welches von der tödtlichen Wirkung auf das Hornvieh und namentlich die Ziegen, Ziegenpest *) ge- nannt wird. Wenn dessen Blumen in einem nassen Frilh- linge welk werden, so erzeugt sich ein schädliches Gift in ihnen; daher tritt auch das Uebel nicht jedes Jahr auf. Man erkennt den giftigen Honig daran, dass er nicht dick wird, eine mehr röthliche Farbe besitzt, fremdartig riecht. Niesen erregt und schwerer als der nicht giftige ist. Men- schen, welche davon gegessen haben, werfen sich auf die Erde nieder und suchen sich abzukühlen, denn sie triefen von Schweiss. Es giebt viele Hülfsmittel dagegen, wel- che wir gehörigen Orts anführen werden. Um aber doch wegen der Grösse der Gefahr sogleich mit einigen bekannt zu machen, so bemerken wir, dass alter, aus dem besten Honig bereiteter Meth nebst Raute gut dagegen ist, ferner eingesalzene Fische, doch dürfen diese nicht oft gegessen werden, weil sie dann schaden. Gewiss ist auch, dass diess Gift durch die Excremente auf Hunde übergehen und sie ebenso quälen kann. Doch thut der Geuuss von Meth, welcher aus dergleichen Honig bereitet war und längere Zeit gelagert hat, keinen Schaden, und mit Kostus ange- wandt soll nichts besser für die Haut der Frauen sein; mit Aloe aber legt man ihn auf Stossbeulen. 45. Bei den Saunern, deren Gebiet ebenfalls im Pontus liegt, kommteineandere Art Honig vor, welcher Raserei bewirkt und deshalb der rasende genannt wird. Die Ursache seiner schädlichen Eigenschaft sollen die Blüthen des Rhododendron 2) ') aegolethron, von ca§ und okeÖQoq. Azalea pontica L. ^) Nerium Oleander L. 96 Einundzwanzigstes Buch. sein, welches dort häufig in den Wäldern wächst. Jenes Volk bringt den Römern das Wachs als Tribut, den Honig aber verkauft es nicht, weil er giftig ist. Auch in Persien und in der zum cäsariensischen Mauritanien gehörigen Landschaft Gätulien, welche an das Gebiet der Massäsyler grenzt, giebt es giftigen Honig, doch nicht durchgängig; und nicht leicht existirt etwas, was trügerischer wäre als solcher Honig, denn nur am Ansehen kann man ihn er- kennen. Was für einen Zweck mag die Natur dabei im Auge haben, dass ein und dieselben Bienen nicht jedes Jahr und nicht in allen Stöcken giftigen Honig bereiten? Wäre es nicht genug, dass sie etwas erzeugte, worin am leich- testen Gift beigebracht wird, und musste sie es noch im Honig so vielen Thieren verleihen? Was wollte sie anders, als die Menschen vorsichtiger und weniger begierig machen? Denn gab sie nicht schon den Bienen selbst Stacheln und sogar giftige? Um diese Stiche zu heilen, ist es am besten, den Saft von Malven oder Epheublättern einzureiben, oder dieselben zu stossen und einzunehmen. Merkwürdig bleibt es aber, dass Thiere, welche Gift im Munde tragen und es erzeugen, nicht daran sterben; doch verlieh die Beherr- scherin aller Dinge den Bienen jenes Vertheidigungsmittel, sowie unter den Menschen den Psyllern und Marsern ein solches gegen die Schlangen. 46. Eine andere merkwürdige Art Honig kommt in Greta vor. Auf dieser Insel liegt der 9000 Schritte im Umfange haltende Berg Carina, an welchem keine Fliegen ge- troffen werden, die den dort erzeugten Honig anrühren. Aus diesem Grunde wählt man den letztern gern zu Arzneien. 47. Die Bienenstöcke müssen gegen Osten hin stehen, denn der Nordost- und Westwind ist ihnen uachtheilig. Die besten Bienenkörbe macht man aus Baumrinde, eine zweite Sorte aus Ruthen, eine dritte aus dünnen Reisern; Manche haben auch welche aus Marienglas angefertigt, um die Thiere bei ihrer Arbeit beobachten zu können. Es ist sehr zweck- Einundzwanzigstes ßu(;h. 97 massig, die Körbe mit Kuhmist zu umgeben und den Deckel hinten und verschiebbar anzubringen, um ihn hineinschieben zu können, wenn der Korb zu gross ist oder nicht viel durch die Arbeit beschafft wird, damit die Bienen nicht aus Ver- zweiflung träge werden; nimmt ihr Fleiss zu, so kann man den Deckel allmäh lig wieder nach Aussen ziehen. Im Winter muss man die Körbe mit Stroh bedecken, und öfters, na- mentlich mit Kuhmist räuchern; letzterer eignet sich des- halb sehr gut dazu, weil er die etwa aufgekommenen fremd- artigen Thiere als Spinnen, Schmetterlinge, Maden tödtet, die Bienen selbst aber ermuntert. Die Spinnen sind nicht so schädlich als die Schmetterlinge: diese vertreibt man aber, wenn man zur Zeit der Malvenblüthe, bei Nacht, Neumond und heiterem Himmel vor die Körbe ein bren- nendes Licht hält, in welches sie hineinfliegen. 48. Glaubt man, dass es den Bienen an Nahrung fehle, so muss man vor die Oeffnungen trockene Rosinen und zer- stossene Feigen, auch mit Rosinenwein abgesottenen Wein oder mit Meth getränktes Wollenzeug, sowie rohes Hühner- fleisch legen. Auch ist man in manchem Sommer genöthigt, ihnen diese Speise zu geben, wenn sie wegen anhaltender Dürre in den Blumen keine Nahrung finden. Soll der Honig ausgenommen werden, so muss man das Flugloch der Körbe mit zerstossenem Melissophyllum oder Ginster verstopfen, oder dieselben in der Mitte mit weissen Weinruthen um- binden, damit die Bienen nicht davonfliegen. Um einen vortrefflichen Essig zu bekommen, soll man die Honiggefässe und Waben mit Wasser abwaschen, und diese Flüssigkeit einkochen. 49. Das Wachs erhält mau durch Auspressen der Waben; man reinigt nämlich dieselben zuvor mit Wasser, trocknet sie 3 Tage lang an einem finstern Orte, bringt sie am vierten Tage in einem neuen irdenen Geschirr mit Wasser bedeckt aufs Feuer und seihet durch Körbe. Das Wachs wird nun abermals in demselben Geschirr und mit dem- Wittstein: Plinius. IV. Bd. ' 9 g Einundzwauzigstes Buch. selben Wasser gekocht und in ein anderes, mit Honig aus- gestrichenes kaltes Geschirr» gegossen. Die heste Sorte ist das| punische, dann folgt das dunkelgelbe, nach Honig riechende, welches aus Pontus kommt und vom giftigen Honig ab- stammt, hierauf das cretische, worin viel Verstoss (dessen wir bei Beschreibung der Bienen gedacht haben i) enthalten ist. Nächstdem das corsikanische, welchem man, weil es vom Buxbaum bereitet wird, mediciuische Kräfte zuschreibt. Das punische Wachs wird auf folgende Art bereitet: das dunkelgelbe Wachs legt man oft an die frische Luft, siedet es dann in Seewasser, was aus der Tiefe geholt ist, mit Zusatz von Natron, schöpft mit einem Löffel die Blume d. i. den weissesten Theil ab, und giesst in ein Gefäss, worin sich etwas kaltes Wasser befindet. Mau kocht es nun abermals mit Seewasser allein, und kühlt das Gefäss selbst ab; wenn diese Operation dreimal gescheheu ist, trocknet man es auf Binsenhiirden unter freiem Himmel bei Sounen- und Mondeschein (denn der Mond macht es weiss, die Sonne trocknet es) und bedeckt es mit dünner Leinwand, damit es nicht flüssig wird. Am weissesten wird aber das Wachs, wenn man es nach dem Bleichen noch einmal kocht. Das punische eignet sich am besten zur medicinischen Anwen- dung. Zusatz von Papierasche macht das Wachs schwarz, Ochsenzungenwurzel roth; durch verschiedene Zusätze er- zeugt man allerlei Farben, um Aehnlichkeiten mit andern Dingen zu erzielen; die Menschen machen zahlreiche Anwen- dungen davon, schützen auch die Wände und Waffen damit. Was sonst noch vom Honig und den Bienen zu wissen nöthig ist, haben wir bereits am gehörigen Orte mitgetheilt. Und soweit wäre auch die Lehre von den Gärten und ihren Ge wachsen fast ganz vollständig geschlossen. 50. Es folgen nun die wildwachsenden Kräuter, deren sich die meisten Völker zur Speise bedienen, namentlich die Aegypter, deren Land schon so reich an Getreide ist, ob- «) Im XI. Buche, 6. Cap. Einundzwanzigstes Buch. 99 gleich sie desselben bei dem grossen Ueberfluss an Gemüse- kiäutern fast gänzlich entbehren könnten. In Italien kenneu wir nur wenige, als Erdbeeren i), Tamnus^), Ruscus^ Meer-Batis3), Garten-Batis*), welchen Einige gallischen Spargel nennen, ferner Wiesen-Pastinak^) und Weiden- Hopfen"), welcher eher eine Leckerei als Speise ist, 51. In Aegypten wird die Colocasia^) welche Einige Cyamos nennen, sehr hoch geschätzt. Man holt sie aus dem Nile; der Stengel wird gekocht, zeigt aber beim Kauen etwas Sandiges; der zwischen den Blättern hervorragende Blüthenbtischel ist sehr gross, die Blätter haben in Vergleich mit Baumblättern, eine bedeutende Oberfläche, und gleichen denjenigen, welche in unsern Flüssen vorkommen nnd mas- kirte genannt werden. Die Aegypter schätzen die Gaben ihres Nils so sehr, dass sie z. B. die Blätter der Colocasia in allerhand Formen von Trinkgeschirreu bringen und sich mit grosser Vorliebe solcher zum Trinken bedienen. Jetzt bauet man sie auch schon in Italien. 52. Zunächst im Werthe steht in Aegypten die Cichorie, welche wir wilden Intubus genannt haben. Sie entsteht nach dem Scheine des Siebengestirns und blühet stellen- weise. Die Wurzel wird wegen ihrer Zähigkeit zum Binden gebraucht. Das Anthalium^) wächst weiter vom Flusse ab, trägt Früchte von der Grösse und Gestalt der Mispel, aber ohne Kern und Kelch, und seine Blätter gleichen denen des Cypergrases. Am Feuer zubereitet geniesst man es gleich dem Kraute Oetum, welches nur wenige und sehr gleiche Blätter, aber eine grosse Wurzel hat. Auch isst man dort die Kräuter Arachidna^) und Ar acosio)^ welche zahlreich •) Fraga. Fragaria vesca L. -) Tamus communis L. ^) batis marina. Chrithmum maritimum L. "*) Crambe maritima? *) Pastinaca sativa L.? ß) lupus salictarius. Humulus Lupulus L. ') Nicht Arum Colocosia, sondern Nymphaea Nelumbo L. •) Cyperus esculentus L. *) Arachis hypogaea L. "•) Lathyrus tuberosus L. 100 Einundzwanzigstes Buch. verästelte Wurzeln, aber weder Blätter noch sonst etwas über der Erde befindliebes tragen. Die Namen der übrigen bei ibnen als Speise gebräuchlicben Kräuter sind: Condrilla i), Hypobaeris2), Caucalis^), Anthriscus^), Scandix 5), welche von andern Tragopogon^) genannt wird und Blätter wie der Safran hat, Parthenium^), Strychnum^), C or- chorus'^) und die zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche wach- sende Aphaceio)^ Acinos") und das sogenannte Epi- petroni2), welches niemals blühet. Am Acinos dagegen bricht den ganzen Winter und Frühling hindurch bis zum Sommer, sobald eine Blüthe welk wird, eine andere hervor. 53. Ausserdem giebt es dort viele unansehnliche Kräuter, in grossem Ansehen steht aber der in Italien unbekannte Cni- cus, dessen man sich zwar nicht zur Speise, wohl aber zur Bereitung eines Oels bedient. Den nächsten Unterschied macht man zwischen dem wilden und angebaueten. Von dem wilden giebt es 2 Arten, die eine fühlt sich milde an, ihr Stengel auch, ist aber steif und diente vormals den Frauen zu Spin- deln, wesshalb einige sie auch Spiudelkraut^^) nennen; der Same ist weiss, gross und bitter. Die andere Art^^) ist rauh, der Stengel knotig und liegt fast auf der Erde, der Same klein. Diess Gewächs gehört zu den stachlichteu, denn auch solche Arten muss man unterscheiden. 54. Es giebt nämlich Gewächse mit Stacheln und solche ohne Stacheln, und von den erstem haben wir viele Arten. Ganz stachelig sind der Spargel und das Scorpionkraut i^), ») Chondrilla s. XXII. B. 45. Cap. 2) Hyoseris lucida? ^) Pimpinella Saxifraga L. ^) Scaudix australis L. ^} Scandix Pecten L. ^) Tragopogon porrifoLius L. also eine ganz andere Pflanze wie Scandix. '') Matricaria Parthenium L. ^) S. 105 Cap. ") Auagallis arvensis L. ^°) Vicia Cracca L. 'M Thymus acinos L. *^) Frankenia pulverulenta L. ") atractjlis. Carthamus lanatus L. '■') Cnicus benedictus Vaill. '5) Genista acanthoclada Sni. Einundzwanzigstes Buch. 101 denn ihnen fehlen die Blätter. Einige haben stachelige Blätter, "wie Carduus, Mannstreu i), Süssholz^), Nessel; an den Blättern aller dieser Pflanzen befinden sich scharfe Stacheln. Einige haben auch neben den Stacheln die Blätter, wie der Tribulus^) und die Ononis^). Andere haben die Stacheln an den Blättern und am Stengel wie die Phleos»), die auch den Namen Stoebe führt. Die Hip- pophaes6) trägt die Stacheln an den Gelenken; der Tri- bulus sogar auch an der Frucht. 55. Unter allen diesen Arten ist die Urtica am bekann- testen; sie wird oft zwei Ellen hoch, und in ihrer Blüthe entwickelt sich ein Acetabulum voll purpurrother Wolle. Es giebt mehrere Arten: eine wilde ^), welche auch das Weibchen heisst, ist milder, eine andere, auch Hundsnessel ^) genannt, ist schärfer, der Stengel besitzt gleichfalls Schärfe und die Blätter sind gefranzt. Die Art aber, welche riecht, heisst die herculanische''). Alle tragen zahlreiche, schwarze Samen. Merkwürdig ist, dass nicht bloss die Stacheln son dern auch die Wolle gefährlich ist, und bei der leisesten Berührung Jucken und Blasen wie beim Verbrennen, erzeugt. Ein bekanntes Hülfsmittel dagegen bietet Oel. Durch das Kraut selbst entsteht nicht allemal gleich ein Brennen, sondern erst dann, wenn es durch die Sonnenhitze steif ge- worden ist. Zur Zeit des Frühlings, wo es sich erst ent- wickelt, ist es eine nicht unangenehme Speise, von der Viele glauben, dass sie das ganze Jahr hindurch vor Krank- heiten schütze. Die Wurzeln der wilden Arten sind un- schädlich, und mit dem Stengel gekocht machen sie diesen zarter. Diejenige Art, welche nicht sticht, heisst taube Nessel^o), Vom Scorpionkraut werde ich bei den Arz- neien handeln 11). ') Eryngiuni-Axten. '^) Glycyrrhiza. G. echinata und G. glabra L. 3) Tribulus ten-estris L. ^) Ononis antiquorum L. *) Poterium spinosum L. ^) Euphorbia spinosa L., nicht unsere Hippophae rhamnoides L. ') Urtica urens L. *) Urtica dioica L. ^j Urtica püulifera L. '") lamiuni. Lamium albuni L. '*) Im XXII. Buche, 17. Cap. 102 Einundzwanzigstes Buch. 56. Carduus, Acornai), Leucacanthus^), Cbalceus^), Cnieus, Polyacanthus, Onopyxus, Helxine*) und Sco- lymus^) haben stachelwoUige Blätter und Stengel. Das Chamaeleon^) hat keine Stacheln an den Blättern. Diese Gewächse unterscheiden sich dadurch, dass einige mehrere Stengel und Aeste haben wie der Carduus, andere nur 1 Stengel und keine Aeste wie der Cnieus. Einige tragen nur an der Spitze Stacheln, wie das Eryngium. Einige blühen im Sommer, wie die Tetralix^) und die Helxine. Der Scolymus blühet spät und lange. Die Acorna unter- scheidet sich bloss durch ihren röthlichen Stengel und fettern Saft. Das Spindelkraut ist heller von Farbe und hat einen blutrothen Saft. Die Acorna nennen auch Einige die böse, weil sie unangenehm riecht und der Same erst spät (im Herbste) reif wird, was man indessen von allen stachligen Gewächsen sagen kann. Alle aber können aus Samen und Ablegern gezogen werden. Der Scolymus unterscheidet sich von den übrigen Distelarten dadurch, dass seine Wurzel gekocht und verspeist wird. Merkwürdig ist, dass diese Pflanze den gan- zen Sommer hindurch ununterbrochen blühet, denn während eine Blüthe Samen setzt, bricht eine andere auf und eine dritte entwickelt sich. Wenn die Blätter trocken werden, verlieren die Stacheln ihre Eigenschaft zu stechen. Die Helxine findet sich sel- ten und nicht in allen Ländern; sie ist gleich von der Wurzel an stark beblättert, und mitten aus derselben ragt gleich- sam das UebeP) bedeckt von den Blättern hervor. Ganz oben aus den Blättern schwitzt eine angenehm schmeckende Feuchtigkeit, welche Dornen-Mastixio) genannt wird. ') Cnieus Acama L. '^) Centaurea dalmatica Petter. 3) Carlma corymbosa L.? *) s. XXII. B. 19. Cap. ^) Scolymus maculatus und Cynara Scolymus L. ß) Atractylis gummifera L. ') Centaurea solstitialis L. *) phonos; (povog: Mord. 8) Die Stacheln nämlich. '°) mastiche acanthice, bezieht sich aber eher auf Atractylis gum- mifera. Einundzwanzigstes Buch. X03 57. Der Cactus^), welcher nur in Sicilien wächst, hat ebenfalls sein Eigenthümliches; seine Stängel kriechen gleich von der Wurzel an auf der Erde, die Blätter sind breit und dornig. Die Stengel heissen Caeti und werden, wenn auch alt, zu Speisen genommen, Sie haben einen geraden Stengel, welcher P t e r n i x heisst, und zwar ebenso angenehm schmeckt, aber durchs Alter unbrauchbar wird. An dem Samen hängt ein wollartiger Körper, Pappus genannt; wird dieser und die äussere (Kelch-) Hülle hinweggenommen, so findet man ein zartes, dem Gipfelmark der Palmen ähnliches Fleisch, welches den Namen Ascalia bekommen hat. 58. Der Tribulus wächst nur in sumpfigen Gegenden, wird fast überall verworfen, an den Flüssen Nil und Stry- mon aber verspeist; er hängt ins Wasser, seine Blätter sehen denen des ülmenbaumes ähnlich und sind langgestielt. Ausserdem giebt es noch zwei Arten, eine mit kicherartigen, die andere mit stachligen Blättern. Letztere blüht später und findet sich häufig an den Zäunen der Landhäuser; ihr Same ist rundlich, schwarz und steckt in einer Schote, der der andern Art sandartig. Noch ein anderes stachliges Ge- wächs ist die Hauhechel^); ihre Stacheln sitzen an den Zweigen, die Blätter stehen ähnlich wie die der Raute und bedecken den ganzen Stengel wie einen Kranz. Sie kommt gleich nach der Getreideernte hervor, hindert beim Pflügen und wächst üppig heran. 59. Die Stengel mancher Stachelgewächse kriechen auf der Erde hin, wie z. B. der Krähen fuss ^). Andere stehen aufrecht, wie die Ochsenzunge*) deren Wurzel zum Fär- ') Gegen Cactus Opuntia spricht die (übrigens noch sehr zweifel- hefte) Annahme, dass er aus Amerika stamme. Also wahrscheinlich irgend ein Carduus, dessen genauere Deutung bis jetzt nicht gelun- gen ist. ^) ononis. ^) coronopus. Lotus ornithopodioides L. ■*) anchusa. Anchusa tinctoria L. 104 Einundzwanzigstes Buch. ben des Holzes und Wachses dient, und unter den mildern (nicht stachligen) die Anthemis i), Phyllanthes, Anemone und Aphace. Beblättert ist der Stengel bei Crepis und Lotus 2). 60. Die Verschiedenheit der Blätter beruhet auch hier, wie bei den Bäumen, auf der Länge oder Kürze des Stiels, auf der Schmalheit des Blattes selbst, auf der Breite, den Ecken, Einschnitten, dem Geruch und der Bliithe. Letztere ist bei einigen, welche nach und nach blühen, z. B. dem Basilienkraut, Heliotropium 3), der Aphaca und Onochilis ^), von längerer Dauer. Viele haben, gleich manchen Bäumen, fortwährend Laub, namentlich das Heliotropium, das Adiantum^) und das Polium^). 61. Zu den Aehren tragenden Kräutern gehören: Cy- nops^), Alopecurus ^), Stelephurus 9) (auch Ortyx oder Plantago genannt, wovon wir bei den Arzneien ein Mehreres sagen werden) und Tryallis^o^. Unter diesen hat der Alopecurus eine weiche, wollige und dichte Aehre, die einem Fuchsschwänze ähnlich sieht und die Ursache des Namens dieser Pflanze ist. Ihm am ähnlichsten steht der Stelephurus, nur mit dem Unterschiede, dass jeuer theiweise blühet. Die Cichorie und ähnliche Arten haben Blätter, welche rings umher auf der Erde liegen; sie schla- gen nach dem Siebengestirn aus. 62. Das Kebhühnerkraut 11), welches seinen Namen von dem Vogel, welcher es vorzüglich ausscharrt, bekommen hat, wird ausser den Aegyptern auch von andern Völkern gegessen; es hat zahlreiche, dicke Wurzeln. Ferner die ') S. XXII. B. 26. Cap. -) Melilotus messanensis L. ^) Heliotropium villosmn Desf. ^) Ecliium rubrum Jacq. 5) s. XXII. B. 30. Cap. «) Teucrium Polium L. ') Plantago Cynops L. *) Polypogon monspeliensis Desf. ^) Plantago Lagopus L. 'oj Sanguisorba off. L.? ") perdicium. Parietaria diffusa L. Einundzwanzigstes Buch. 105 Vogelmilch i), welche einen zarten weissen Stengel und eine halbfusslange, zwieblige weiche Wurzel, an welcher noch 3 oder 4 andere sitzen, hat. Man kocht sie zu einem Brei ein. 63. Merkwürdig ist, dass der krautartige Lotus und der Aegilops erst nach einem Jahre aus dem Samen her- vorwächst; ferner, dass die Anthemis von oben zu blühen beginnt, während doch bei allen übrigen, deren Blumen sich nach und nach entwickeln, diess von unten herauf ge- schieht. 64. Auch von der Klette 2), welche sich (an die Kleider) anhängt, ist bemerkenswerth, dass die Blume derselben nicht sichtbar ist sondern ganz eingeschlossen bleibt, so dass die Samen sich, gleich wie bei den Thieren welche lebendige Junge gebären, im Innern der Hülle entwickeln. Um Opus wächst die schmackhafte Opuntia^), welche durch die Blätter fortgepflanzt wird, denn diese schlagen, in die Erde gesteckt, Wurzeln. 65. Die Jasione^) bat nur ein Blatt, diess ist aber so ineinander gefaltet, dass es wie mehrere aussieht. Die Chondrylla^) ist bitter und der Saft der Wurzel schmeckt scharf. Bitter ist ferner die Aphace und die sogenannte Picris 0), welche ihren Namen von dem bittern Geschmacke bekommen hat, und das ganze Jahr hindurch blühet. 66. Die Meerzwiebel und der Safran bilden zuerst den Stengel und dann die Blätter, während bei allen übri- gen Kräutern erst die Blätter und dann der Stengel ') ornitliogale. Ornithogalum umbellatum L. -) lappa. Arctium Lappa L. 3) Cynara Cardunculus L.? Oder Cactus Opuntia L.? ■*) Convolvulus sepium L. ^} Chondrilla juncea L. ") Urospermuni echioides L. 106 Einundzwanzigstes Buch. kommt; und zwar wird beim Safran die Blüthe mit dem Stengel hervorgetrieben, bei der Meerzwiebel dagegen ent- steht erst der Stengel und dann brechen aus diesem die Blüthen hervor. Letztere blühet, wie wir bereits gesagt haben i), dreimal, und zeigt damit die 3 Zeiten des Pflü- gens an. 67. Zu den Zwiebeln zählen Einige auch die Wurzel des Cypirus d. h. des Gladiolus; sie ist süss, macht das Brot wohlschmeckender und zugleich auch schwerer. Das The- sium2) sieht ihr ähnlich, schmeckt aber rauh. 68. Die übrigen Gewächse der Art unterscheiden sich durch die Blätter. Der AffodilP) hat lange und schmale Blätter, die Meerzwiebel breite und biegsame, der Schwertel seinem Namen entsprechende. Vom Affodill wird sowohl der geröstete Same als auch die Zwiebel gegessen, letztere dörrt man aber in Asche, und setzt ihr hernach Salz und Oel hinzu; ausserdem stösst man sie auch mit' Feigen, und sie soll so bereitet nach Hesiodus ein Leckerbissen sein. Wenn man sie vor die Thüren der Landhäuser pflanzt, dient sie als Htilfsmittel gegen Zauberei. Auch Homer ^) gedenkt des Affodills; seine Wurzel hat die Grösse mittle- rer Rüben, und gedeihet so zahlreich, dass mitunter 80 Zwiebeln in einem Haufen beisammen sind. Theophrastus und fast alle Griechen, namentlich Pythagoras nennen seinen 1 — 2 Ellen langen, mit Blättern, welche dem wildem Porrum gleichen, besetzten Stengel Antherikus, die Wurzel (Zwiebel) aber Affodill. Wir Römer nennen dagegen jenen Albucus, den Affodill aber Königsspiess; letzterer hat einen drüsigen Stengel und bildet 2 Arten. Der Albucus hat einen ellenlangen, dicken, nackten und glatten Stengel, den man nach Mago im Ausgang März oder Anfang Aprils, ') Im XIX. B. 30. Cap. 2) Thesium linophyllum L. ^) Asphodelus. Asphodelus ramosus L. ') Odyssee XI. 539. XXIV. 13. Einundzwanzigstes Buch. 107 wenn er geblühet hat aber noch keinen reifen Samen t ragt, absehneidet, spaltet, am vierten Tage an die Sonne legt und nach dem Trocknen in Bündel bringt. Ebenderselbe sagt auch, die Griechen nennten ein Kraut Pistana, wel- ches wir unter den Wassergräsern aufgeführt und mit dem Namen Pfeilkraut bezeichnet haben; diess solle man von der Mitte des Mai bis zum October abschälen und an der Sonne laugsam trocknen lassen. Auch den andern Schwer- tel oder Cypirus, welcher gleichfalls in Sümpfen wächst, lässt er während des ganzen Monats Juli bei der Wurzel abschneiden und vom 3. Tage an der Sonne so lange aus- setzen, bis er weiss ist; täglich müsse man ihn aber vor Sonnenuntergang unter Dach bringen, weil den Sumpfge- wächsen die nächtlichen Thaue schaden. 69. Aehnliche Vorschriften giebt Mago in Bezug auf die- jenige Binse ^) welche er Mariscus^) nennt und aus der man Decken macht; sie wird vom Juni bis zur Mitte des Juli gesammelt und ebenso getrocknet, wie wir bei dem Wassergrase gesagt haben. Eine andere Art Binse ist nach ihm die Seebinse, welche die Griechen Oxyschönus nennen. Von dieser giebt es 3 Arten: eine spitze ^) un- fruchtbare, bei den Griechen die männliche oder spitze ge- nannt; die übrigen sind weiblich, eine davon trägt schwarze Samen, heisst Schwarzknopf 4), und ist dick und strauchig. Noch stärker ist die 3. Art, welche Holoschönus 5) genannt wird. Von diesen wächst der Schwarzkuopf für sich allein, der Oxyschönus und Holoschönus dagegen kommen in ein und demselben Rasen vor. Der weiche fleischige Holoschö- nus wird vorzüglich zu Flechtwerken benutzt; seine Frucht . sieht aus wie ein Knäuel Eier. Die männliche Art pflanzt sich selbst fort, wenn man ihre Spitze in die Erde steckt, der Schwarzkuopf aber vermehrt sich durch Samen, Ue- brigens sterben die Wurzeln aller Arten jedes Jahr ab. ') juncus. 2) Schoenus Mariscus L. 3) Juncus maritimus L. '') melancranis. Schoenus nigricans L. ^) Scirpus Holoschoenus L. 108 Einundzwanzigstes Buch. Man bedient sich ihrer zu Fischreusen, zierlichen Geflech- ten (Körben), ihres Markes, welches in den Seealpen 1 Zoll im Durchmesser beträgt, vorzüglich zu Lampenkerzen, und in Aegypten werden aus den langen Stengeln Siebe ver- fertigt, wozu sie sich vor allen andern vortrefflich eignen. Einige führen noch eine dreieckige Binse an, welche sie Cyperus nennen; Viele verstehen darunter den Cypirus,. weil beide Namen einander so ähnlich sind; wir aber un- terscheiden sie als zwei besondere Arten. Der Cypirus ist nämlich, wie bereits gesagt, ein Gladiolus mit zwiebelarti- ger Wurzel:^ der beste wächst auf der Insel Greta, dann folgt der auf Naxos und nächstdem der tu Phönicien vor- kommende. Der cretisehe gleicht an "Weisse und an Ge- ruch der Karde, der naxische riecht schärfer, der phönici- sche wenig und der ägyptische gar nicht, (denn auch in diesem Lande kommt er vor). Er zertheilt Verhärtungen im Körper. Wir wollen nämlich jetzt auch der Arzneimittel gedenken, denn die Blüthen und riechenden Kräuter werden in der Medicin vielfach angewendet. Hinsichtlich des Cy- pirus will ich zwar dem Apollodorus folgen, welcher sagt, man dürfe ihn nicht einnehmen, dennoch gesteht er, es sei das kräftigste Mittel gegen den Stein, und lässt den Mund damit ausspühlen. Er sagt ferner, es entständen dadurch unzeitige Geburten, und erzählt als ein merkwürdiges Fac- tum, die Barbaren zögen mit dem Munde den Rauch des Krautes ein, um die Milz zu vertreiben, und gingen keinen Tag eher aus, als bis sie diesen Rauch eingenommen hätten, denn diess mache sie munterer und kräftiger. Beim Wundgehen, bei schlimmen Achseln und Reibungen legt man es zweckmässig mit Oel auf. 70. Der Cyperus i) ist eine Art Binse, eckig, an der Ba- sis weiss, au der Spitze schwarz und fleischig, die untersten Blätter sind dünner als beim Lauch, die obersten sehr klein und zwischen ihnen sitzt der Samen. Die Wurzel ') Cyperus longus L., zum Tbeil auch C. rotundus L. Einundzwanzigstes Buch. 109 gleicht den schwarzen Oliven, heisst, wenn sie länglich ist, Cyperis und wird häufig in der Medicin gebraucht. Am besten ist der hammonische Cyperus, dann tolgt der rho- dische, theräische und endlich der ägyptische, mit welchem der ebenfalls dort wachsende Cypirus verwechselt wird. Der letztere ist aber sehr hart und besitzt kaum etwas Geruch, während die andern Arten der Narde ähnlich rie- chen. Auch in Indien giebt es ein Kraut, welches Cypira^) genannt wird, dem Ingwer gleicht, und beim Kauen die Kraft des Safrans zeigt. Der Cyperus dient als Haarwuchs beförderndes Mittel. Mau legt ihn auf kranke Augeu, Ge- schwüre an den Geschlechtstheileu, im Munde und auf sol- che, welche nass sind. Die Wurzel ist ein gutes Mittel gegen Schlangenbisse und Scorpionstiche. Im Trank ge- nommen öfinet sie die Gebärmutter, nimmt man aber zu reichlich davon, so treibt sie dieselbe ab. Sie treibt auch den Harn und die Blasensteine aus, daher sie bei Wasser- süchtigen mit besten Erfolge angewandt wird. Man legt sie auf fressende Geschwüre, besonders solche, welche im Magen sind, mit Wein und Essig. 71. Die Wurzel der Binse wird mit 3 Heminis Wasser zu einem Dritttheil eingekocht gegen den Husten gebraucht; der Same geröstet und in Wasser bei Husten und bei fehlerhaftem Monatsfluss der Weiber genommen. Der soge- nannte Holoschönus macht Kopfweh; die der Wurzel am nächsten liegenden Theile aber werden gegen die Bisse der Spinnen gekauet. Noch finde ich einer Art Binse ge- dacht, welche Euripice genannt wird, dessen Same Schlaf macht; doch muss man nicht zu viel davon nehmen, um nicht betäubt zu werden. 72. Auch der Avoblriechenden Binse,, welche (wie wir bereits gemeldet haben 2) in Syria Coele wächst, müsseu 1) Curcuma longa L. -) Im XII. B. 48. Cap. ■\^\0 Einundzwanzigstes Buch. wir in medicinischer Beziehung erwähnen. Die beste ist die nabatäische, mit dem Beinamen die Gewaffnete*), dann kommt die babylonische 2), am schlechtesten und ohne Ge- ruch ist die afrikanische von runder Gestalt und weinartigem Geschmack. Die ächte bildet beim Keiben röthliche Stück- chen und riecht wie Kosen. Sie vertreibt die Blähungen, ist daher sehr gut für den Magen sowie beim Auswerfen von Galle und Blut, hebt das Schlucken, befördert das Aufstossen, treibt den Urin und heilt die Blasenleiden. Zum Gebrauch bei Frauenkrankheiten wird sie gekocht. Gegen Rückgrat- krampf legt man sie mit trocknem Harz auf, um Erwärmung zu bewirken. 73. Die Rose zieht zusammen und kühlt. Bei ihrer An- wendung unterscheidet man Blätter, Blüthen und Köpfe. Die weissen Blatttheile heissen Nägel. Au der Blüthe unter- scheidet man den Samen ^J und die Haare ^), an den Knos- pen (Bltithenknospen oder Kapseln) die Rinde und den Kelch. Die Blätter werden getrocknet oder auf dreierlei Weise aus- gepresst: für sich allein, ohne die Nägel (in welchen sich die meiste Feuchtigkeit befindet) abzuziehen, oder, nach Entfernung der Nägel, mit Oel oder mit Wein in Glasge- fässen an der Sonne digerirt. Einige setzen noch Salz hinzu, Andere Ochsenzunge, Aspalathnm oder wohlriechende Binse, weil diese sich bei Gebärmutter- Krankheiten und Ruhr sehr wirksam zeigt. Das Ausdrücken der von den Nägeln befreiten Blätter geschieht durch dichte Leinwand, den Saft lässt man in ein kupfernes Gefäss laufen und kocht ihn darin bei gelindem Feuer so lange, bis er die Dicke des Honigs hat. Hiezu müssen die stark riechenden Blätter ausgewählt werden. Von der Bereitung des Rosen- weins haben wir beim Weine gesprochen 5), Den Saft ge- braucht mau für die Ohren, den Mund, das Zahnfleisch, die ') teuchites. -) Alpinia Galanga L. ? 3) Die Staubbeutel. ^) Die Staubfäden. 5) Im XIV. Buche, 19. Cap. Einundzwanzigstes Buch. Wl Mandeln am Halse, zum Gurgeln, für'den Magen, die Gebär- mutter, Lenden- und Kopfsclimerzen; bei Fiebern für sich allein oder mit Essig bei Schlaflosigkeit und Uebelkeit. Die Blätter werden zur Bereitung eines Augenmittels gebrannt. Trocken streuet man sie auf die Schenkel und lindert da- mit die Augenflüsse. Die Blumen machen Schlaf, in saurem Weine genommen heilen sie die Flüsse der Weiber, beson- ders den weissen und das Blutspeien, auch in 3 Bechern Wein die Magenschmerzen. Am besten ist derjenige Same, welcher die Farbe des Safrans hat und nicht über ein Jahr alt ist : man trocknet ihn im Schatten. Der schwarze taugt nichts. Aufgelegt hilft er gegen Zahnweh, treibt den Urin, wirkt auch äusserlich gut auf den Magen und die Rose, wenn sie nicht schon alt ist. In die Nase gezogen reinigt er den Kopf. Ein aus den Köpfen bereiteter Trank stillt den Durchfall und das Blut. Mit den Nägeln der Rose heilt man Augenflüsse; denn die Augengeschwüre werden durch Rosen aufgezogen, ausgenommen zu Anfang des Flusses, wo man trockenes Brot auflegt. Die Blätter wendet man zu Umschlägen bei Magenübeln und Krankheiten der übrigen Eingeweide an. Zum Essen macht man sie ebenso wie den Ampfer ein, hat aber dabei zu beachten, dass sich gerne eine Schimmelbaut darauf bildet. Trocken und ausgepresst haben sie gleichfalls ihren Nutzen. Man bereitet daraus ein Pulver zur Verminderung des Schweisses, welches man nach dem Bade auf dem Körper ein trocknen lässt, und hierauf mit kaltem Wasser abwäscht. Kügelcheni) von wilden Rosen mit Bärenfett vermischt, legt man mit bestem Erfolge auf Glatzen. 74. Die Wurzeln der Lilie haben zum Ruhme ihrer Blüthen nicht wenig beigetragen, denn mit Wein genommen helfen sie gegen Schlangenbisse und giftige Pilze. Zur Vertreibung der Hühneraugen werden sie in Wein gekocht und 3 Tage lang liegen gelassen. Mit Schmalz und Oel gehocht rufen feie an Brandstellen die Haare wieder hervor. Mit Meth ») pilulae, vielleicht die Samen. 112 Einundz wanzigstes Buch. eingenommen führen sie das verdorbene Blut wieder durch den After ab, dienen auch für die Milz, Brüche, Verrenk- ungen und zur Beförderung der Menstruation. In Wein ab- gekocht und mit Honig aufgelegt heilen sie zerschnittene Nerven. Sie wirken wohlthätig gegen Flechte, Grind und Schuppen im Gesichte, und befreien den Körper von Run- zeln. Die in Essig gekochten Blätter legt mau auf Wunden, auch mit Bilsen und Weizenmehl auf eiternde Hoden. Der Same wird auf die Rose, Blüthen und Blätter auf alte Ge- schwüre gelegt. Der aus den Blüthen gepresste Saft, von Einigen Honig, von Andern syrischer Saft genannt, dient zur Erweichung der Gebärmutter, zur Erzeugung von Schweiss und zur Reifung von Geschwüren. 75. Von der Narcisse gebrauchen die Aerzte 2 Arten, von denen die eine purpurrothe Blüthen hat, die andere krautartig ist. Letztere taugt nicht für den Magen, dient daher zum Brechen und Purgiren, schadet den Nerven, nimmt den Kopf ein und hat von dieser Eigenschaft des Betäubens^), nicht aber von jenem fabelhaften Knaben ihren Namen. Die Wurzel beider Arten schmeckt wie Meth; mit etwas Honig legt man sie auf Brandstellen, mit Honig und Hafer- mehl als Brot auf sonstige Wunden und verrenkte Theile, und in derselben Form applicirt zieht sie alles, was im Körper steckt, heraus. Als Polenta mit Oel zerrieben heilt sie gequetschte und durch Werfen mit Steinen verletzte Stellen, Mit Meth vermischt reinigt sie die Wunden, und vertilgt die schwarzen Leberflecken. Aus der Blüthe be- reitet man das Narcissenöl, welches zum Erweichen ver- härteter und zum Erwärmen erfrorener Theile gebraucht wird. Gegen Ohrenübel ist dasselbe ein gutes Mittel, macht aber Kopfweh. 76. Es gibt wilde und Garten -Vi ölen. Die purpurrothen bewirken Kühlung. Wider Entzündungen legt man sie auf ') narce, vaQxt] i. q. torpor. Einundzwanzigstes Bucli. 113 den Magen (Leib), auch auf die Stirn, namentlich aber auf Augenflüsse, ausgetretenen Mastdarm und eiternde Ge- schwüre. Legt man die daraus geflochtenen Kränze auf den Kopf oder riecht daran, so verschwinden Rausch und Schwere des Kopfes; ein Absud davon in Wasser innerlich genommen heilt die Bräune. Die purpurnen Theile der Violen heilen mit Wasser eingegeben die Epilepsie, beson- ders bei Kindern. Der Same ist den Scorpioneu zuwider. Die Blüthe der weissen Art öfi'net die Geschwüre, das Kraut derselben heilt sie. Die weisse sowohl wie die gelbe ver- mindern den Monatsfluss und treiben den Urin. Im frischen Zustande besitzen sie weniger Kraft, daher man sie trocken nach Jahresfrist anwenden muss. Ein halber Becher voll der gelben mit 3 Bechern Wasser genommen befördert die Menstruation. Die Wurzel derselben mit Essig aufgelgt heilt die Milz, das Podagra, mit Myrrhen und Safran aber Augenentzündungen. Die Blätter mit Honig applicirt rei- nigen die Kopfgeschwüre , mit Wachssalbe aufgesprungene Lenden und sonstige feuchte Stelleu. Mit Essig aber heilen sie Anhäufungen von Säften. 77. Die Baccharis, welche zumArzneigebrauch dient, nennen einige römische Schriftsteller die gedrückte i). Sie ist ein Mittel gegen Schlangen, Kopfweh, Hitze und Flüsse. Mau legt sie auf die geschwollenen Brüste der Wöchnerinnen, auf Thränenfisteln und die Nase. Ihre Ausdünstung be- fördert den Schlaf Der Absud der Wurzel wird mit Er- folg gebraucht bei Krämpfen, Verdrehungen und Engbrüstig- keit. Gegen anhaltenden Husten kocht man 3 bis 4 Wurzeln zu Vs ein. Ebenderselbe Trank reinigt auch die Frauen nach einer unzeitigen Geburt. Sie vertreibt Seitenstechen und Blasensteine. Zum Gebrauch als Kräuterkissen 2) zer- störst man sie. Ihres Geruches wegen streuet mau sie zwischen die Kleider. Das Combretum, welches, wie wir ') perpressa. 2) diapasmata. Wittstein: Plinius. IV. Bd. ]^J4 Einundzwanzigstes Buch. gesagt haben i), ihr ähnlich ist, heilt mit Sehmalz vermischt die Wunden vortrefflich. 78. Die Haselwurz 2) soll, zu 1 Unze in 1 Heraina ge- mischten Meths genommen, gegen Leberleiden sehr wirksam sein. Sie reinigt gleich dem EUeborus den Leib, hilft gegen Wassersucht, Brustkrankheiten, Fehler der Gebärmutter und Gelbsucht. Setzt man sie dem Moste hinzu, so bekommt der daraus gewonnene Wein harntreibende Eigenschaften. Sobald die Blätter zum Vorscheine kommen, gräbt man sie aus und trocknet sie im Schatten. Sie ist dem Schimmeln sehr unterworfen. 79. Da, wie oben erwähnt, Einige die Wurzel der Baccharis Bauernnarde genannt haben, so will ich die Arzneien der gallischen Narde, von der unter den ausländischen Bäu- men die Rede war^), auch gleich hier anknüpfen. Gegen Schlangenbisse nimmt man 2 Drachmen mit Wein, gegen Entzündungen des Mastdarms, der Leber, Nieren und gegen ausgetretene Galle mit Wasser oder Wein, gegen Wasser- sucht dieselbe allein oder mit Wermuth. Sie mildert die zu heftige Reinigung der Weiber. 80. Die Wurzel des ganzen Gewächses, welches wir an demselben Orte Phu genannt haben, giebt man zerrieben im Tranke oder in der Abkochung gegen Ersticken, Brust- und Seitenschmerzen. Sie befördert auch die Menstruation und wird mit Wein getrunken. 81. Der Safran wird weder vom Honig noch sonst einem Stoffe, wohl aber vom Wein oder Wasser aufgelöst, und findet in der Arzneikunde vielfache Anwendung. Man be- '.'^ahrt ihn in einer hörnernen Büchse auf. Mit Eiern auf- ') Im 16. Cap. 2) Asarum. ») Im XII. B. 26. Cap. Einundzwanzigstes Buch. 115 gelegt, vertreibt er alle Entzündungen, namentlich die der Augen. Ferner bebt er die Zusammensehnürungen der Ge- bärmutter, die Geschwüre des Magens, der Brust, Nieren, Leber, Lunge, Blase, wirkt namentlich der Entzündung dieser Tb eile entgegen und befreiet von Husten und Seitenstechen Er vertreibt auch das Jucken, und befördert die Absonde- rung des Harns. Wenn man Safran eingenommen hat, so bekommt man keinen Rausch, denn er widersteht der Trunken- heit. Auch daraus gemachte Kränze mildern die Trunken- heit. Er macht Schlaf, erregt den Kopf sanft und reizt zum Beischlaf. Die Safranbltithe legt man mit cimolischer Lvreide auf die Rose. Ausserdem bildet der Safran einen Bestand- theil vieler anderer Arzneien. 82. Dem Safran verdankt auch eine Augensalbe ihren Namen. Der Satz seines ausgepressten Saftes wird nämlich dazu benutzt, und diess Präparat, welches den Namen Safran- gemisch führt, wendet man bei unterlaufenen Augen und Urinverhaltungen an. Es erwärmt mehr als der Safran allein. Der beste Safran ist der, welcher beim Kauen Speichel und Zähne färbt. 83. Die röthliche Iris ist besser als die weisse. Kindern, welche Zähne bekommen, hängt man sie (die Wurzel) mit Erfolg um, und wenn sie an Husten oder Würmern leiden, giebt man ihnen davon ein. Uebrigens kommen ihre Wirk- ungen fast mit. denen des Honigs überein. Sie reinigt Kopf- geschwüre und alte Eiterwunden. 2 Drachmen mit Honig genommen machen Oeffnung; als Getränk vertreiben sie Husten, Bauchgrimmen und Blähungen, mit Essig Milzkrank- heiten. Mit saurem Wein heilt sie Schlangen- und Spinnen- bisse; 2 Drachmen mit Brot oder Wasser Scorpionstiche; gegen Hundsbisse, Reibungen und Nervenschmerzen legt man sie mit Oel, gegen Lenden- und Hüftschmerzen mit Harz auf. Hire Wirkung besteht im Erwärmen. Geschnupft erregt sie Niesen und reinigt den Kopf. Gegen Kopfweh wird sie mit grossen oder kleinen Qnittenäpfeln aufgelegt. Sie 8* l\Q Einundzwanzigstes Buch. befreiet von Rausch und schwerem Athem, erregt, zu 2 Obolen genommen, Brechen, und zieht mit Honig aufgelegt zerbrochene Knochen heraus. Als Pulver gebraucht man sie zur Heilung von Nietnägeln, mit Wein gegen Hühneraugen und Warzen, zu welchem Behuf man das Gemisch 3 Tage lang liegen lässt. Gekauet vertreibt sie den üblen Geruch aus dem Munde und unter den Achseln. Ihr Saft vertreibt alle Verhärtungen. Sie macht Schlaf, verzehrt aber den Samen, heilt ge- borstene After, Geschwüre und alle Auswüchse am Leibe. Einige nennen die wilde Art Xyris ^), diese zertheilt Kröpfe, Geschwulste und aufgelaufene Schaamtheile. Zu diesem Be- hufe soll sie mit der linken Hand ausgezogen werden, und die sie sammeln, sollen dabei sagen, um wessen Menschen Willen sie diess thun. Hiebei zeigt sich auch der Betrug der Kräütersammler; sie heben nämlich einen Theil dieser Pflanze sowie anderer z. B. der Plantago auf, und graben, wenn sie zu wenig verdient zu haben glauben und neuerdings Arbeit suchen, die aufbewahrten Theile an derselben Stelle wieder ein, um, wie ich glaube, die Gebrechen derer, welche von ihnen geheilt worden sind, wieder hervorzurufen. Die in Wein gekochte Wurzel der Saliunca stillt das Brechen, und stärkt den Magen. 84. Mit dem Pol in m sollenj sich nach Musaeus und He- siodus die, welche nach Würde und Ruhm streben, salben; auch sollen sie es selbst bauen. Ferner empfehlen sie, diess Gewächs gegen Schlangen unterzustreuen, zu verbrennen oder bei sich zu tragen, auch frisch oder trocken in Wein abzukochen und aufzulegen. Milzsüchtigen reicht man es mit Essig, Gelbstichtigen mit Wein, denen, welche anfangen an Wassersucht zu leiden, in Wein gekocht; auch legt man es in dieser Form auf Wunden. Es treibt die Nachgeburt und todte Leibesfrucht ab, hebt auch die Leibschmerzen, entleert die Blase, wird auch auf Flüsse gelegt. Kein an- deres Kraut passt besser zu derjenigen Arznei, welche Gegen- ') Iris foetidissiina L. Einundzwanzigstes Buch. 117 gift genannt wird. Dass es jedoch, wie Einige behaupten, dem Magen schade, den Kopf einnehme und unzeitige Ge- burtsn bewirke, wenn man einen Trank davon nähme, wird von Andern verneint. Der Abergkiube schreibt vor, man solle es da. wo es vorkomme, sogleich aufbinden, um trie- fende Augen zu heilen, und sich vorsehen, damit es nicht auf die Erde falle. Seine Blätter sollen denen des Thymians ähnlich, aber weicher und weisswollichter sein. Mit wilder Raute in Regenwasser zerrieben, soll es das Schlangengift unschädlich machen, und ebenso wie die Granatapfelblüthe zieht es Wunden zusammen und hindert ihr Umsichfressen. 85. Das Holochrysum heilt mit Wein genommen die Harnstange und aufgelegt die Augeuflüsse, mit Weinhefe oder mit Graupen gebrannt wirkt es wohlthätig auf Flech- ten. Die Wurzel der Chrysocorae erwärmt und zieht zu- sammen. Man gibt sie im Tranke bei Leiden der Leber, Lunge, und in Meth gesotten gegen Gebärmutterschmerzen Sie befördert die monatliche Reinigung, und treibt, roh ge- gessen, das Wasser der Wassersüchtigen ab. 86. Wenn man die Bienenkörbe mit Melissophyllum oder Bienenkraut 1) reibt, so fliegen die Bienen nicht aus, denn keine Blüthe ist ihnen lieber als diese, und hat man es in hinreichender Menge, so bleiben die Schwärme leicht bei- sammen. Es ist auch das beste Mittel gegen die Stiche der Bienen, Wespen und ähnlicher Thiere, sowie der Spinnen und Scorpione. Gegen die Zusammenschuürungen der Ge- bärmutter wandet man es mit Natron, und gegen Bauch- grimmen mit Wein an. Die Blätter werden auf Kröpfe und mit Salz auf kranke After gelegt. Der Absud reinigt die Frauen, hebt die Entzündungen und heilt Geschwüre, Gliederkrankheiten und Hundsbisse. Die Pflanze ist ferner gut für anhaltende Ruhr, Verstopfung, Engbrüstikeit, Milz- ') melittaena. 118 Einundzwanzigstes Buch. leiden und Brustgeschwüie. Ihr Saft dient mit Honig als ein vorzügliches Mittel gegen trübe Augen. b7. Mit dem Melilotus heilt man unter Zusatz des Gelben vom Ei oder Leinsamen schlimme Augen. Derselbe lindert auch mit Kosenöl Kinnladenschmerz und Kopfweh , des- gleichen mit Rosinenwein Ohrenschmerz, geschwollene und aufgebrochene Hände, mit Wein gekocht oder roh zerrieben Magendrücken. Ebendieselbe Wirkung hat er auf die weib- liche Schaam; alle Fehler der Hoden und des Afters heilt er frisch mit Wasser oder Rosinenwein gekocht. Auf Krebs- geschwüre legt man ihn mit Rosenöl. Man brühet ihn mit süssem Wein an. Gegen die Honiggeschwulste zeigt er sich namentlich sehr wirksam, 88. So viel ich weiss, hält man das Dreiblatt für ein wirksames Mittel gegen Verletzungen durch Schlangen und Scorpione, und nimmt zu diesem Behuf 20 Samenkörner mit gewöhnlichem oder saurem Weine, oder kocht die Blätter und Stengel ab; auch soll man niemals Sehlaugen im Drei- blatt finden. Ferner wird von berühmten Schriftstellern be- hauptet, 25 Samenkörner des sogenannten Minyanthes seien ein Antidot gegen alle Gifte, und ausserdem besitze er noch viele andere heilsame Wirkungen. Allein gegen diese An- sichten spricht das Urtheil eines sehr gewichtigen Mannes, nämlich des Dichters Sophokles, welcher sagt, das Dreiblatt sei giftig; auch der Arzt Simus^) giebt an, der Saft des gekochten oder zerquetschten Dreiblatts bewirke, auf den Körper gegossen, ein ähnliches Brennen, wie es nach dem Bisse der Schlangen entstehe. Ich denke daher, dass mau es nie anders als wider Gifte anwenden sollte, denn viel- leicht besitzen diese Gifte eine dem Dreiblatte entgegen- gesetzte Natur , wie wir dergleichen Fälle mehr haben. Auch finde ich, dass die Samen derjenigen Art, welche die M Nicht näher bekannt. Einundzwanzigstes Buch, \\^ kleinsten Blätter hat, aufs Gesicht der Frauen gestrichen, die Haut zart und schön erhält. 89. Der Thymian muss während seiner Blüthezeit ge- sammelt und im Schatten getrocknet werden. Es giebt 2 Arten, eine weisse mit holziger Wurzel, welche auf Hügeln wächst und besser ist, und eine dunklere mit dunkeln Blüthen. Beide sollen, sowohl verspeist als medicinisch angewandt, die Augen klar machen, auch langwierigen Husten vertreiben, und als Latwerge mit Essig und Salz genommen, den Aus- wurf befördern. Mit Honig gebraucht hindert er die Ver- dickung des Blutes, vertreibt äusserlich mit Senf aufgelegt die Flüsse der Kehle, sowie Magen- und Bauchübel. Doch darf sein Gebrauch nur massig sein, denn er erhitzt, hemmt aber den Durchfall; ist im Unterleib ein Geschwür, so nimmt man 1 Denar schwer Thymian nebst 1 Sextarius Essig und Honig. Dieselbe Mischung dient gegen Schmerzen in der Seite, zwischen den Schultern, in der Brust, am Herzen, bei Wahnsinn und Melancholie. Auch gegen Epi- lepsie giebt man den Thymian, und wenn der daran Kranke einen Anfall bekommt, hält man ihm demselben unter die Nase; Einige meinen, es sei auch nöthig, dass er darauf schlafe. Er ist ferner gut für Engbrüstige, Keuchende, zu- rückbleibende Menstruation und todte Leibesfrüchte, zu welchem Behufe man ihn mit Wasser zu einem Drittel ein- kocht. Bei Männern wird er mit Honig und Essig gegen Blähungen, bei Anschwellungen des Bauches und der Hoden oder bei Blasenschmerz gegeben; Mit Wein vertreibt er Geschwulste und Entzündungen, mit Essig Schwielen und Warzen. Gepulvert und mit Zusatz von Gel in Wolle ge- than legt man ihn bei Gliederkrankheiten und Verrenk- ungen, mit Wein gegen Hüftweh auf. Man giebt auch den Gliederkranken 3 Obolen schwer Thymian mit Essig und Honig, bei üebelkeit Thymian mit Salz. 90. Die Hemerocallis hat blassgrüne, weiche Blätter, und eine wohlriechende, zwiebelige Wurzel, welche mit Honig ]^20 Einundzwanzigstes Buch. auf den Unterleib gelegt, das Wasser und unnütze Blut ab- treibt. Die Blätter werden auf Augenflü.sse und Brüste, welche nach der Geburt schmerzen, gelegt. 91. Das Heleninmi), welches von der Helena, wie wir bereits gesagt haben, seinen Namen hat, soll die Schönheit befördern, die Haut im Gesichte und an den übrigen Körper- tbeilen der Weiber frisch und zart erhalten, und ihnen An- mutli und Liebe zum andern Geschlecht ertheilen. Auch soll es fröhlich machen und in Wein genommen ganz die- selbe Wirkung hervorbingen, welche das von Homer 2) ge- priesene Nepenthes hatte, wodurch alle Traurigkeit ver- scheucht werde. Der Saft des Helenium schmeckt süss. Aus der Wurzel wird ein Trank bereitet und dieser von Engbrüstigen Morgens nüchtern getrunken. Die Wurzel selbst ist inwendig weiss und süss^). Man giebt sie in Wein gegen Schlangenbisse, und zuweilen soll sie die Mäuse ver- tilgen. 92. Vom Abrotanum werden 2 Arten angeführt, von denen die eine auf Feldern^), die andere auf Bergen wächst 5), jene ist das Weibchen, diese das Männchen. Beide schmecken so bitter wie Wermuth. Die beste Sorte kommt aus Sicilien, die zweite aus Galatien. Mau bedient sich zum Erwärmen wohl auch der Blätter, aber mehr des Samens, denn er er- weist sich kräftig bei Husten, Engbrüstigkeit, Krämpfen, Verrenkungen der Lenden und Harnstrenge. Man bereitet einen Trank, welcher aus einer Handvoll Abrotanum mit Wasser zu einem Drittel eingekocht ist, und trinkt zur Zeit 4 Becher voll davon. Ferner giebt man 2 Drachmen Samen in Wasser zerrieben; er wirkt woblthätig auf die Gebärmutter. Mit Gerstenmehl zertheilt es Geschwulste, und mit gekochten Quitteuäpfelu legt man es bei Augenentzündungen auf. Es ') S. 33 Cap. ■-•) Odyssee IV. 220, 3j Hier scheint wieder Inula Helenium L. gemeint zu sein. ■*) Artemisia campestris L.? ^) Artemisia Abrotanum L. Einundzwanzigstes Buch. 121 verscheucht die Schlangen; gegen ihren Biss nimmt mau es mit Wein und macht Umschläge davon. Es ist das kräftigste Mittel gegen diejenigen Thiere, deren Gift Zittern und Frost erregt, wie Scorpione und Spinnen; auch ver- tilgt es andere Gifte, wenn es im Trank genommen wird, vertreibt den Frost, Eingeweideübel und zieht alles, was im Körper steckt, heraus. Ein Zweig davon unter das Kopf- kissen gelegt, soll zum Beischlaf reitzen, und das Kraut das wirksamste Mittel wider alle Zauberei, womit man den Beischlaf hindern kann, sein. 93. Das Leucanthemum mit 2 Theilen Essig vermischt, hilft gegen schweren Athem. Der Majoran, welcher auf Cypern am besten und wohlriechendsten vorkommt, heilt mit Essig und Salz aufgelegt die Scorpionstiche. Auch befördert er aufgelegt die monatliche Reinigung, wogegen er im Tranke genommen weniger Wirksamkeit besitzt. Mit Polenta an- gewandt, heilt er die Augeuflüsse. Der gekochte Saft hilft gegen Bauchgrimmen, Urinkrankheiten und Wassersucht. Trocken ist er ein Niesemittel. Mau bereitet auch ein Oel daraus i), welches zur Erweichung und Erwärmung der Nerven und Gebärmutter dient. Die Blätter werden mit Honig auf Stossflecken und mit Wachs auf verrenkte Theile gelegt. 94. Von der Anemone 2) haben wir bisher nur in Bezug auf ihre Anwendung zu Kränzen geredet; jetzt wollen wir nun auch ihre arzneilichen Wirkungen anführen. Sie wird von Einigen Phrenium genannt und zählt 2 Arten, eine wilde und angebauete, die aber beide sandigen Boden lieben. Letztere zerfällt wieder in mehrere Unterarten , denn es giebt eine mit scharlachrothen (die am häufigsten ist), mit purpurrothen und mit milchweisen Blüthen, deren Blätter aber alle denen des Eppichs ähnlich sind. Sie werden selten *) sampsuchinum aut ainaracinum. 2) Windblume. Die weiterhin beschriebenen Arten sind Anemone coronaria L. und A. hortensis L. 122 Einuiidzwauzigstes BucTi. über V2 Fuss hoch und haben einen Gipfel wie der Spargel. Die Blüthen öffnen sich nur, wenn der Wind weht und ebendaher rührt ihr Name, Die wilde ist grösser, hat brei- tere Blätter und rothe Blumen. Einige halten dieselbe irriger Weise für den Feldmohn i), Andere für den Klatsch- mohn 2), allein diese beiden unterscheiden sich schon dadurch von jener, dass sie später blühen. Die Anemonen geben auch keinen Saft wie jene, haben auch keinen Kelch, son- dern einen spargelartigen Gipfel. Sie sind ein gutes Mittel für Kopfweh, Entzündungen, die weibliche Schaam und Milch. Mit Ptisane eingenommen oder mit Wolle aufgelegt, befördern sie den Monatsfluss, die Wurzel befördert gekauet die Absonderung des Schleimes, heilt die Zähne und gekocht Augeufiüsse und Narben. Die Magier ertheilen ihnen viele Heilkräfte; sie sagen, man müsse sie, sobald man sie im Jahre zum ersten Male sehe, herausnehmen und gegen das drei- und viertägige Fieber aufbewahren. Die Blumen solle man in ein rosafarbiges Tuch binden, an einen schattigen Ort legen und nöthigenfalls den Kranken auflegen. Legt man die zerstossene Wurzel der rothblüthigen Art einem Thiere auf, so erzeugt sie vermöge ihrer beissenden Eigen- schaft ein Geschwür, daher sie auch zur Reinigung der Ge- schwüre angewandt wird. 95. Das Kraut Oenanthe^) wächst auf Felsen, hat Blätter wie der Pastinak und grosse zahlreiche Wurzeln. Stengel und Blätter mit Honig und schwarzem Weine eingenommen bewirken eine leichte Geburt, treiben die Nachgeburt ab befreien mit Honig vom Husten und befördern die Abson- derung des Harns, Die Wurzel heilt auch die Blasenleiden. Das Heliochrysum, von Einigen Chrysanthemum ge- nannt, hat weisse Zweige, weissliche, dem Abrotauum ähn- ') argemone. ^) rhoeas. 3) S. 38. Cap. Einundzwanzigstes Buch. 123 liehe Blätter, und kreisförmig steheudeDoldeutrauben, welche von der Sonne beschienen, goldartig glänzen und niemals welk werden, weshalb man auch die Götter damit be- kränzt, was der ägyptische König Ptolemaeus am sorgfäl- tigsten beobachtet hat. Es wächst in Gesträuchen; treibt mit Wein genommen den Urin und den Monatsfluss, zer- theilt Verhärtungen und Entzündungen, wird mit Honig auf Brandwunden gelegt und gegen Schlaugenbisse und Lenden- übel getrunken. Mit Meth gegeben entfernt es das im Bauche oder in der Blase befindliche geronnene Blut. Die Blätter zu 3 Obolen schwer mit weissem Wein genossen, stillen die Blutflüsse der Frauen. 97. Die Hyacinthe kommt in Gallien am häufigsten vor und wird dort zum Dunkelrothfärben benutzt. Die zwiebel- artige Wurzel ist den Sklavenhändlern wohl bekannt, denn wenn sie mit süssem Wein aufgelegt wird, so tritt die Mann- barkeit nicht hervor. Sie heilt Bauchgrimmen und Spinnen - bisse, treibt den Harn; der Same wird nebst Abrotanum gegen Schlaugen, Scorpione und Gelbsucht gegeben. 98. Auch von der glänzenden Lychnis wird der Same mit Wein gegen Schlangen, Scorpione, Hornisse und ähnliche Thiere eingenommen. Die wilde Art taugt nicht für den Magen. Sie macht Oeffuung, führt zu 2 Diachmeu genom- men die Galle am kräftigsten ab, und ist den Scorpioueu so zuwider, dass sie schon bei ihrem Anblick erstarren. Die Wurzel, welche von den Asianern Bolites genannt wird, soll auf die Augen gebunden die weissen Flecken vertreiben. 99. Das Sinngrün 1) oder der Zwerglorbeer wird getrock- net, zerstossen und den Wassersüchtigen zu 1 Löffel mit Wasser eingegeben, worauf sehr bald Wasserentleeiung er- folgt. In Asche gebraten und mit Wein benetzt, trocknet *) Vincapex'vinca. 124 Einundzwanzigstes Buch, es die Geschwulste aus. Sein Saft heilt schlimme Ohren. Beim Durchfall aufgelegt soll es gute Dienste leisten. 100. Der Absud der Wurzel des Ruscus wird bei Steinkrank- heiten, schmerzhaftem und blutigem Harnen einen um den andern Tag getrunken. Die Wurzel muss zu diesem Zweck den Tag vorher ausgegraben, am Morgen darauf gekocht, und 1 Sextarius des Absuds mit 2 Bechern Wein vermischt werden. Manche nehmen auch die rohe mit Wasser zer- riebene Wurzel ein, und allgemein hält man nichts wirk- samer für die männlichen Geschlechtstheile als die mit Essig abgeriebenen kleinen Zweige. 101. DieBatis wirkt auch eröffnend. Roh und zerkleinert legt man sie beim Podagra auf. Den Acinos bauen die Aegypter zur Nahrung und zu Kränzen; er sieht dem Ba- silienkraut sehr ähnlich, hat aber rauhere Aeste und Blätter und riecht stark. Er befördert don Monatsfluss und |das Harnen. 102. Das Colocasia soll nach Glaucias die Schärfe im Körper mildern und dem Magen zuträglich sein. 103. Vom Anthalium weiss ich sonst keine Nutzanwendung, als dass es in Aegypten gegessen wird. Aber von dem Kraute Anthylliumi), welches andere Anthyllum nennen, giebt es 2 Arten; seine Blätter und Zweige gleichen denen der kleinen Linse, seine Grösse beträgt 1 Palme, es wächst auf sandigen, sonnigen Plätzen und schmeckt etwas salzig. Die zweite Art 2) ist der Chamaepitys^) ähnlich, aber kleiner und rauher, blühet purpurfarbig, riecht unangenehm und wächst auf steinigen Plätzen. Die erstere heilt mit Rosenöl und Milch aufgelegt die Gebärmutter und Wunden. Gegen Harn- strenge und Nierenleiden gebraucht man einen aus 3 Drach- i) Cressa cretica L. ^) Frankema birsuta L.? 3) S. XXIV. B. 20. Cap. Einundzwanzigstes Buch. 225 men bereiteten Trank. Die zweite Art nimmt man gleich als Trank zu 4 Drachmen mit Honig und Essig gegen Ver- härtungen der Gebärmutter, Bauchgrimmen und Epilepsie. 104. Das Parthenium nennen Einige Leucanthes, Andere Amnacum, unter unsern Landsleuten Celsus Rebbübuer- und Mauerkraut 1). Es wächst in Gartenzäunen, blübt weiss, riecbt wie Aepfel und schmeckt bitter. Bei Verhärtungen und Entzündungen der Gebärmutter wird ein Absud davon bereitet, über welchen der Kranke sich setzt. Trocken mit Honig und Essig aufgelegt treibt es die schwarze Galle ab; daher auch sein Nutzen bei Schwindel und Nierenkrank- heit. Mit altem Fett legt man es auf die Nase und auf Kröpfe. Die Magier schreiben vor, gegen das dreitägige Fieber das Mutterkraut mit der linken Hand auszuziehen, dabei zu sagen, warum man es ausziehe und nicht rück- wärts zu sehen; darauf dem Kranken ein Blatt davon unter die Zunge zu legen, und es ihn bald nacher mit 1 Becher Wasser verschlucken zu lassen. 105. Es wäre zu wünschen, dass sich die Kranzflechter in Aegypten des Trychnon'-), welchen Einige Strychnon nennen, nicht bedienten; die Aehnlichkeit der Blumen bei beiden Arten verleitet sie dazu. Die eine derselben, welche rothe Beeren und körnige Balgkapseln hat, nennen Einige Halicacabum^), Andere Gallium, wir aber Blasengewächs, weil es für Blase und Steine gut ist. Es ist eher ein Strauch als ein Kraut und hat grosse kegelförmige Balgkapseln, in welcher sich eine grosse Beere befindet, die im November reif wird. Die dritte Art hat Blätter wie das Basilienkraut und verdient von denen, welche Arzneimittel und keine Gifte ') Plinius verwechselt hier offenbar mehrere Pflanzen miteinan- der, welche allerdings silramtlich Parthenium hiessen. In diesem Cap. ist aber speciell nur von der Matricaxia Parthenium L. (Mutterkraut) die Rede. 2) Etwa Solanum nigrum L.? 3) Meerkirsche. Physalis somnifera L. 226 Einundzwanzigstes Buch. beschreiben, nicht berücksichtigt zu werden, denn ihr Saft erzeugt, selbst in geringer Menge genommen, Wahnsinn^ Die griechischen Schriftsteller machen zwar einen Scherz daraus, indem sie sagen, 1 Drachme desselben bewirke, dass man mit der Schaamhaftigkeit sein Spiel treiben könne, denn man bekäme dann allerlei Gestalten und Vorstel- lungen in den Kopf; verdopple man aber die Dosis, so wäre ein völliger Wahnsinn die Folge davon, und nehme man noch mehr, so müsse man sterben. Diess ist dasselbe Gift, welches die glaubwürdigsten Schriftsteller Dorycniumi) genannt haben, weil damit in den Gegenden, wo es häufig wächst, die in den Kriegen dienenden Lanzen benetzt wur- den. Diejenigen, welche nicht so sorgfältig nachforschten, nannten es Manicon^); welche es böswilligerweise verhehl- ten, Erythron^) oder Neuras^), Andere Perisson^), — was alles sorgfältig anzuführen ich für nothwendig halte, damit man sich davor in Acht nimmt. Auch die zweite Art, welche Halicacabum heisst, erregt Schlaf und führt noch schneller als das Opium zum Tode; es wird von einigen Morion^), von Andern Moly genannt. Diocles und Evenor dagegen loben diess Gewächs, undTimaristus^) sogar in einem Gedichte, wobei man sich über ihr Nichtbeachten von dessen Schädlichkeit wundern muss, weil sie einen weinigen Auf- guss davon zum Ausspühlen des Mundes, um lose Zähne zu befestigen, als ein schnell wirkendes Mittel empfehlen; doch soll, wie sie hinzufügen, diese Kur nicht zu lange dauern, denn sonst entstehe dadurch Wahnsinn. Mau empfiehlt also Mittel, deren Anwendung ein noch grösseres üebel nach sich ziehen kann! So rechnet man auch die dritte Art zu den essbaren Gewächsen und die in Gärten wachsenden werden ihres Geschmackes wegen vorgezogen. Xenocrate^ ') Lanzengift. Convolvulns Dorycnium L. ? 2) Tollkraut. Atropa Belladonna L.? 3) Rothkraut. *) Nervenkraut. ^) Nutzloses Kraut. Datura Stramonium L.? ^) Narrenkraut. ■') Ein nicht näher bekannter Arzt. Einundzwanzigstes Buch. ]^27 sagt, es gebe kein körperliches Uebel, für welches das Strychnon nicht heilsam sei; allein sein Nutzen ist nicht der Art^ dass ich mich ausführlich darüber verbreiten kann, zumal wir eine so grosse Anzahl unschädlicher Medika- mente besitzen. Die, welche im Wahrsagen bewandert sind, nehmen einen aus der Wurzel der Meerkirsche bereiteten Trank zu sich, um sich, zur Bestärkung des Aberglaubens, das Ansehen eines Wahnsinnigen zu geben. Ein Hülfs mittel dagegen (was ich um so lieber hier mittheile) ist häufiges Trinken von warmem Meth. Ferner will ich nicht übergehen, dass die Meerkirsche den Giftschlangen so zu- wider ist, dass, wenn man die Wurzel ihnen nähert, sie einschlafen und dadurch ihre gefährlichen Eigenschaften verlieren. Daher legt mau auch die mit Oel abgeriebene Wurzel auf solche Bisswunden. 106. Der Corchorus ist ein Kraut mit zusammengerollten, dem Maulbeerbaume ähnlichen Blättern, welches in Alexan- drien zur Speise dient; es soll für Brust, Kahlköpfigkeit und Sommersprossen gut sein. Auch finde ich bei Nican- der, dass es, vor der Blüthezeit gesammelt, die Räude des Rindviehs und die Bisse der Schlangen aufs schnellste heilt. 107. Des Cnicus oder Atractylis, eines ägyptischen Krautes, brauchte ich uicht weiter zu erwähnen, wenn es nicht ein bewährtes Mittel wider giftige Thiere und Pilze gäbe. Wenn Menschen, die von Scorpionen gestochen sind, diess Kraut in die Hand nehmen, so fühlen sie, so lange sie es halten, keinen Schmerz. 108. Die Persoluta wird in den ägyptischen Gärten um der Kränze willen gebauet. Es giebt 2 Arten, eine männ- liche und weibliche; beide sollen untergelegt bei Männern die Lust zum Beischlafe benehmen. 109. Weil wir uns bei Maass und Gewicht häufig grie- 128 Einundzwanzigstes Buch. chischer Namen bedienen müssen , so wollen wir jetzt die- selben bier ein für allemal näber bezeichnen. Die attische Drachme (denn die attische gebrauchen die Aerzte fast durchgehends) ist 1 Silberdeuar schwer und gleich 6 Obo- len, 1 Obolus zu 10 Chalci gerechnet. 1 Becher; wiegt 10 Drachmen. 1 Acetabulum ist der vierte Theil einer Hemina oder 15 Drachmen. 1 Mna, welche wir Mina nennen, wiegt 100 attische Drachmen. •) cyathus. Zweiundzwanzigstes Buch. Von dem Ansehn und Werthe der Kräuter und Feldfrüchte. 1. Erwägt man bloss die zahlreichen; im vorigen Buche genannten Kräuter, welche zum Nutzen nud Vergnügen der Menschen geschaffen sind, so muss man gestehen, dass Natur und Erde schon darum ihre Wunder vollendet haben. Allein wie vieles weit Erstaunenswertheres bleibt uns noch übrig? denn jene Gewächse verdanken ihre zahlreiche An- wendung grösstentheils ihrer Geniessbarkeit, sowie ihrem Gerüche und ihrer Schönheit, die übrigen aber beweisen durch ihre Kräfte, dass die Natur nichts ohne, wenn auch weniger offenkundige Ursache erzeugt. 2. Ich finde ferner, dass mehrere auswärtige Völker sich verschiedener Kräuter wegen ihrer Gestalt und nach alter Sitte an ihren Körpern bedienen. Wenigstens be- streichen manche Frauen unter den Barbaren das Gesicht und unter den Daciern und Sarmaten die Männer den Leib damit. In Gallien wird ein dem Wegebreit ähnliches Kraut Trauerkraut 1) genannt; mit diesem färben sich die alten und jungen Weiber in Britanien bei gewissen religiösen Handlungen den ganzen Körper nach Art der Mohren und gehen dann nackend einher. •) glastum, von xkaiu) weinen. Isatis tinctoria L, s. XX. 25. wittstein: Plinius. IV. Bd. 9 y^Q Zweiundzwanzigstes Buch. 3. Bekanntlich werden jetzt die Kleider äusserst schön purpurn gefärbt und nicht zu gedenken der zu den Kaiser- mänteln angewandten Coccusfarbe aus Galatien, Afrika und Lusitanien, so bringt man jetzt im transalpinischen Gallien die tyrische, die Conchylien- und alle andern Farben mit Kräutern hervor. Die dortigen Bewohner suchen keine Stachelschnecken in der Tiefe des Meeres, bieten nicht selbst ihr Leben feil, um den Meerungeheuern etwas zu entreissen, und durchspähen nicht die von den Ankern noch unberühten Gründe, um etwas zu finden, wodurch die Frau dem Ehe- brecher sich gefällig macht, und der Verführer die Ehe- gattin heranlockt; sondern sie sammeln das Material gleich den Feldfrücbten im Trocknen. Allein leider ist dessen Gebrauch nicht allgemein geworden, sonst könnte der Luxus sich recht glänzend und doch vorwurfsfreier darin zeigen. Unsere Absicht geht jetzt nicht dahin, diess Kapitel weiter zu besprechen, sondern wir wollen, den Luxus weniger be- achtend, solidere Dinge in Untersuchung ziehen, denn sonst müssten wir auch von dem Färben der Steine und dem Bemalen der Wände mit Kräutern reden. Wir würden jedoch die Färbekunst nicht übergangen haben, wenn sie jemals zu den freien Künsten gezählt worden wäre. Indessen steigt hiedurch das Ansehen der Kräuter, nnd in welchem Grade es selbst den tauben, d. h. unansehnlichen zukomme, wer- den wir angeben. Die Stifter des römischen Reichs wähl- ten nämlich aus diesen ihren bedeutenden Bedarf, denn wozu anders gehören die als allgemeine Heilmittel ge- brauchten Sagmina und die bei Opfern und Gesandschaften dienenden Verbenen? Wenigstens bezeichnen beide Namen ein und dasselbe, d. i. Gras, welches auf einer Anhöhe mit der Erde ausgerissen ist, und jedesmal hiess einer von den Gesandten , welche zum Feinde geschickt wurden um Ge- nugthuung ') d. h. die Wiedererstattung der geraubten Sachen mit lauter Stimme zu verlangen, der Grasträger. 2) *) adclarigatum. ^) Verbenarius. Zweiunclzwanzigstes Buch. 131 4. Zur Bezeichnung der Würde des miicbtigsten Volks auf Erden und zu Belohnungen für erworbenen Ruhm stand kein Kranz mehr im Ansehn als der Graskranz. Später kamen die mit Gold und Edelsteinen besetzten, die Wall-, Mauer-, Schiffs-, Bürger- und Triumphkiionen auf, aber erst lange Zeit nacher, und sehr verschieden unter sich selbst. Alle übrigen gaben einzelne Personen selbst Feldherren und Kaiser ihren Soldaten und mitunter auch ihren Amts- genossen, die Triumphkrone aber ward durch Beschluss des Senats, wenn er der Kriegssorge enthoben war, und des in Ruhe lebenden Volks, und die Graskorue nicht anders als in der höchsten Noth, wenn Jemand z. B. ein ganzes Kriegs- heer gerettet hatte, erhielt. Die übrigen gab der Feldherr, letztere allein der Soldat dem Feldherrn. Die sogenannte Belagerungskrone bezieht sich auf die Befreiung eines ganzen Lagers von der Belagerung und einem schmäh- lichen Untergange. Wenn man schon die Ehre der Bürger- krone für die Rettung eines wenn auch noch so geringen Bürgers für ansehnlich und heilig hält, wie hoch verdient dann die Rettung eines ganzen Heeres durch eines Einzigen Tapferkeit angeschlagen zu werden? Die für solche Fälle bestimmte Krone wurde aus Gras, welches da, wo die That geschehen war, geflochten; es galt nämlich bei den Alten als ein Zeichen des vollständigsten Sieges, wenn die Be- siegten Kraut überreichten, d. i. die Erde, ihre Ernährerin und Grabstätte, abtraten, welche Sitte, soviel ich weiss, jetzt noch bei den Germanen besteht. 5. Mit einem Graskranze ist nur einmal L. Siccius Den- tatus, welcher schon 14 Bürgerkronen verdient und in 120 Schlachten stets als Sieger gefochten hatte, beschenkt worden; so selten ist es, dass die Geretteten den Retter beschenkten. Mehrere Feldherrn haben sie öfter bekommen, z. B. der Kriegs- tribun P. Decius Mus eine von dem Heere, eine zweite von denen, welche in der Festung belagert waren; und wie gross die ihm damit bewiesene Ehre war, bewies er dadurch, dass er 9* 232 Zweiundzwanzigstes Buch. dem Mars einen weissen Ochsen und 100 gelbliehe, die er zuo-leich von jenen erhalten hatte, weibete. Derselbe Decius opferte sieh später als Consul unterj der Tyrannei seines CoUegen für den Sieg auf. Auch der Senat und das römische Volk verlieh (was ich für das Ruhm würdigste und Erhabenste unter allen Dingen halte) eine Graskrone dem Fabius, welcher, ohne zu streiten, das römische Reich wiederher- stellte; er bekam sie dagegen nicht, als er den Oberbefehls- haber der Reiterei und das Heer gerettet hatte. Damals hielt man es für besser, ihm einen neuen Namen zu geben, und die Geretteten nannten ihn Vater; aber nachdem er Hannibai aus Italien vertrieben, ward ihm die besagte Ehren- bezeugung einstimmig zu Theil. Dieser Kranz ist noch der einzige, welcher mit den Händen des Staats, und, was eigen- thümlich erscheint, allein von ganz Italien aufgesetzt wird. 6. Ausserdem ward die Ehre dieser Krone dem P. Cal- purnius Flamma, einem Kriegstribun in Sicilien, bis auf diese Zeit aber nur einem einzigen Centurio, dem Cn. Petrejus Atinas, im cimbrischen Kriege zu Theil. Letzterer, welcher unter Catulus als erster Hauptmann diente, feuerte seine vom Feinde abgeschnittene Legion an, tödtete seinen Obersten, welcher Bedenken trug, das feindliche Lager zu durch- brechen und führte das Heer glücklich hindurch. Ich finde ferner aufgezeichnet, dass derselbe ausser dieser Ehrenbe- zeugung mit einer Prätexta bekleidet in Gegenwart der Consuln Marius und Catulus auf einem kleinen eigens errichteten Altare beim Klange der Flöten geopfert. Der Dictator Sulla schreibt, dass auch er und zwar bei Nola als Unterfeldherr (legatus) im marsischen Kriege vom Heere damit bekränzt worden sei, und diese Begebenheit Hess er sogar in seinem Landhause zu Tusculum, welches später dem Cicero gehörte, bildlich darstelleu. Wenn diess wahr ist, so erscheint er in meinen Augen noch verabscheuungs- würdiger, denn durch seine Achtserklärung riss er sich die Krone selbst vom Haupte, weil er später um so mehr Bürger umbrachte, als er früher wenige gerettet hatte. Zweiundzwanzigstes Buch. 133 Mochte er auch dieser Ehre noch den stolzen Beinamen des Glücklichen hinzufügen, so musste er doch, da die Be- lagerten auf dem ganzen Erdkreise verachtet werden, jene Krone dem Sertorius überlassen. Varro berichtet, auch Aemi- lianus Scipio sei unter dem Consulate des Manilius mit einer Belagerungskrone in Afrika, wo er 3 Coborten gerettet und zu diesem Zwecke eben so viele ausgeführt hatte, beschenkt worden. Der Kaiser Augustus Hess diess Ereigniss an seiner auf dem Forum errichteten Bildsäule eingraben. Dem Au- gustus selbst schenkte der Senat am 13. September unter dem Consulate des Jüngern Cicero die Belagerungskrone, denn die Bürgerkrone schien ihm keine hinreichende Be- lohnung. Ausserdem ist mir Niemand bekannt, der damit beschenkt worden sei. 7. Zu einer solchen Ehrenbezeugung gebrauchte man aber keine besfimmten Kräuter, sondern die, welche gerade an dem Orte der Gefahr wuchsen, denn, so unansehnlich und unbedeutend sie auch waren, gereichten sie doch zu hoher Ehre. Dass diess bei uns so unbekannt ist, nimmt mich wenig Wunder, weil ich sehe, dass man selbst das verachtet, was zur Erhaltung der Gesundheit, zur Entfernung der kör- perlichen Uebel und Abhaltung des Todes dient. Doch wer möchte nicht mit Recht unsere Sitten strafen? Leckerei und Luxus haben den Werth des Lebens erhöht. Niemals war die Sucht zu leben grösser und die Sorge dafür geringer als jetzt. Wir glauben, Anderen käme diese Mühe zu. An- dere mtissten diess auch ohne unsern Befehl thun, und den Äerzten läge die Sorge für unser leibliches Wohl ob. Wir selbst geniessen die Vergnügungen und (was ich für das Schändlichste halte) wir leben im Vertrauen auf Andere. Ja ich, der ich diess schreibe, werde sogar den Meisten zum Gelächter, man beschuldigt mich, ich beschäftige mich mit unnützen Dingen, und verachtet den mit einer so unge- heuren Arbeit verbundenen Trost sammt der Natur selbst; doch ich will wenigstens zeigen, dass diese mir nicht fremd ist, und dass sie unscheinbaren Kräutern, sogar stachlich- j^34 Zweiundzwanzigstes Buch. ten, Heilkräfte verliehen hat, Sie schliessen sich zunächst an die in vorigem Buche genannten, und reissen mich zur Bewunderung und Verehrung der Vorsehung hin, denn sie schuf, wie bereits angeführt, weiche und schmaclvhafte, malte die Arzneimittel in die Blumen gleichsam hinein und lud durch deren Aussehn die Menschen ein, verband also Heil und Freude miteinander. Ferner brachte sie solche hervor, welche rauh aussehen, gefährlich anzurühren sind, und uns fast die Stimme des Schöpfers und seine Absicht vernehmen lassen; denn er schützte dieselben mit Stacheln und waffnete sie mit Geschossen, damit die gefrässigen Thiere sie nicht verzehren, muthw^illige Hände sie nicht abreissen, keine Fustritte sie vernichten, keine Vögel sich darauf setzen und sie zerbrechen, sondern ihre Heilkräfte unversehrt erhalten werden. So ist auch das, was wir an ihnen hassen, um der Menschen willen vorhanden. 8. Unter den stachlichten Gewächsen ist ganz besonders die Mannstreu^) berühmt, denn sie wird gegen Schlangen und alle andern Gifte gebraucht. Wider Stiche und Bisse nimmt man ihre Wurzel zu 1 Drachme mit Wein, oder wenn Fieber damit verbunden, mit Wasser. Man legt sie auf Wunden und besonders wirksam ist sie gegen Land- hydern und Frösche. Der Arzt Heraclides hält sie in Gänse- brühe gekocht für das wirksamste Mittel gegen Aconitum und andere Gifte. Apollodorus lässt sie wider Gift mit Fröschen absieden, die Uebrigen bloss mit Wasser. Das Ge- wächs selbst ist hart, staudig, 1 Elle und darüber hoch, weisslich oder schwarz, hat einen gegliederten Stengel, stachlichte Blätter, eine wohlriechende Wurzel und wird angebauet, kommt jedoch auch wild an rauhen steinigten Plätzen und an der Meeresküste vor, erscheint dann aber noch fester und dunkler; ihre Blätter sehen denen des Eppichs ähnlich. •)EryngesivcEryngiuni.Eryngium campestre, maritimum, graecum. Zweiundzwanzigstes Buch. 135 9. Die weisse Art derselben nennt man bei uns Hundert- kopf. Sie besitzt ganz dieselben Wirkungen; Stengel und Wurzel werden bei den Griechen rohoder gekocht verspeist, i) Merkwürdig ist es, was davon erzählt wird; die Wurzel soll nämlich in der Gestalt Aehnlichkeit mit einem Menschen (männlichen oder weiblichen Geschlechts) haben, schwer zu finden sein, und die Männer, wenn sie das Männchen be- kommen, liebenswürdig machen. Diess sei auch die Ursache, warum Sappho den Phaon aus Lesbos geliebt habe. Nicht nur die Magier, sondern auch die Pythagoräer haben mit dieser Wurzel viele Thorheiten begangen. Ausser in den oben genannten P'ällen dient sie bei Blähungen, Bauch- grimmen, Herz-, Magen-, Leber- und Brustleiden in Meth, und für die Milz in saurem Wein genommen; ferner mit Meth bei Nierenleiden, Harnstrenge, Rückgratkrämpfen, Lendenweh, Wassersucht, Epilepsie, unterdrückter und zu reichlicher Menstruation, und allen Krankheiten der Gebär- mutter. Mit Honig zieht sie alle^s, was im Körper steckt, heraus. Mit gesalzenem Fett und Gerat heilt sie Kröpfe, Ohrengeschwüre, Geschwulste, das von den Knochen sich ablösende Fleisch und Bruchschäden. Vorher genommen hindert sie das Berauschtwerden, hemmt auch den Durch- fall. Einige römische Schriftsteller sagen, sie müsse wäh- rend der Sonnenwende eingesammelt werden; mit Regen- wasser aufgelegt heile sie alle Krankheiten des Nackens, und aufgebunden die weissen Flecken auf den Augen. 10. Einige rechnen zu der Mannstreu das Acanum^), ein kleines stachlichtes breites Kraut mit breiten Stacheln; es soll aufgelegt die Kraft, das Blut zu stillen, in hohem Grade besitzen. ») Die Arten Eryngium graecum und maritimnm. ^) Onopordon Acanthium und 0. illyricum. 23g Zweiundzwanzigstes Buch. 11. Andere sind der irrigen Ansicht, Mannstreu und Süss- holz*) seien ein und dasselbe Gewächs, daher wir von letzterem sogleich das Nöthige mittheilen wollen. Das^ Süssholz gehört unbezweifelt auch zu den stachlichten Pflanzen, denn es hat stachlichte Blätter, die sich fett und schleimig anfühlen, ein strauchiges Ansehn, eine Höhe von 2 Ellen, Blüthen wie |die Hyacinthe und Früchte von der Grösse der Platanenkugeln. Das beste wächst in Cicilien dann folgt das pontische, die Wurzel ist süss und nur allein im Gebrauche, wird beim Untergange des Siebengestirns gegraben und hat die Längo der Weinranken; die buchs- baumfarbige und zähe ist besser als die dunkle und spröde. Zum Unterlegen kocht man sie zu einem Drittheil ein, ausserdem bis zur Consistenz des Honigs, zuweilen zerstösst man sie auch und legt sie in dieser Form auf Wunden und und alle Fehler im Schlünde. Der verdickte Saft wird zur Verbesserung der Stimme unter die Zunge gestrichen, auch für Brust und Leber angewandt. Dass die Wurzel Hunger und Durst stille, haben wir bereits gesagt. Darum nannten sie auch Einige die du rstver treibende 2) und verordneten sie den Wassersüchtigen gegen den Durst, Man kauet sie ferner als Magenmittel und streuet sie auf Mundgeschwüre und das Fell im Auge. Sie heilt Blasengeschwüre, kranke Nieren, Geschwulst am After und Geschwüre an den Ge- schlechtstheilen. Einige geben sie im Tranke, zu 2 Drach- men mit Pfeffer und 1 Hemina Wasser gegen das vier- tägige Fieber. Gekaut hemmt sie den Blutfluss aus Wun- den. Nach der Behauptung Einiger soll sie auch die Blasen- steine abtreiben. 12. Vom Tribulus wächst eine Art in den Gärten, die andern nur an Flüssen. Der Saft wird zu Augenmitteln und wegen seiner kühlenden Eigenschaft namentlich gegen ») Glycyi-rhiza. ^) Adipsos. Zweiundzwanzigstes Buch. 137 Entzündungen und Zusammenbäufungen von Haften ange- wandt. Die von selbst aufbrechenden Geschwüre, besonders im Munde, sowie die geschwollenen Mandeln am Halse heilt er mit Honig, im Tranke genommen zerkleinert er den Blasenstein. Die Thracier, welche am Strymon wohnen> füttern ihre Pferde mit den Blättern; sie selbst leben von, den Samenkernen, aus welchen sie ein sehr süsses Brot be- reiten, das Verstopfung bewirkt. Wenn die Wurzel von keuschen und reinen Personen gesammelt wird, so lassen sich die Kröpfe damit zertheilen. Der Same stillt aufge- bunden die Schmerzen in den Krampfadern und tödtet, in Wasser vertheilt, die Flöhe. 13. Die Stoebe*), welche von Einigen Pheos genannt wird, heilt mit Wein abgekocht eitrige Ohren, blutig geschlagene Augen und aufgegossen Blutfltisse und Durchfall. 14. Die Hippophyes2) wächstauf sandigen Stellen sowie am Meere und hat weisse Dornen. Sie trägt Trauben wie der Epheu. mit weissen und röthlichea Beeren. Die Wurzel trieft von Saft und wird entweder für sich oder in Mehl- brötchen aufbewahrt. Zu 1 Obolus schwer eingenommen, namentlich in Meth, treibt sie die Galle ab. Eine zweite Art hat weder Stengel noch Blüthen und nur sehr kleine Blätter; ihr Saft wird, mit Erfolg bei Wassersüchtigen an- gewandt. Diese Gewächse müssen den Pferden zuträglich sein und davon ihren Namen bekommen haben; denn manche Pflanzen sind als Heilmittel für die Thiere da, und wir sehen hieraus, wie unerschöpflich die Gottheit in der Spen- dung von Hülfe ist. Ja, wir können ihre Weisheit nicht genug bewundern, da sie ihre Hülfe nach den Arten, Ur- sachen und Zeiten einrichtet, das eine zu dieser, das andere ') Poterium spinosum L. ^) von Innoq Pferd und ) Im XXI. ß. 65. Cap. 2) Im XXI. B. 68. Cap. I^Q Zweiund zwanzigstes Buch. für die hässlichen Beingeschwüve und alle Arten von Rissen am Kör}3er. Man sammelt sie im Herbste, wo sie am heil- kräftigsten sind. Der durch Stossen, Kochen und Aus- pressen erhaltene Saft hilft mit Honig genommen gegen Leibschmerz, und wird nebst trockener Iris und etwas Salz von denen gebraucht, welche ihren Körper wohlriechend machen wollen. Die Blätter heilen ausserdem in Wein ge- kocht, Kröpfe, Geschwulste und Geschwüre im Gesichte. Die zu Asche gebrannte Wurzel wird für Kablköpfigkeit und aufgesprungene Füsse, und der Saft der in Oel ge- kochten gegen Frost- und Brandbeulen gebraucht. Gegen Schwerhörigkeit giesst man davon in die Ohren, und bei Zahnweh in das entgegengesetzte Ohr. Ein aus der Wurzel bereiteter Trank wird bei Urinverhaltungen , gestörtem Monatsfluss und Seitenschmerzen genommen; bei Verrenk- ungen, Bruchwunden und Husten 1 Drachme mit Wein. Gekauet befördert sie das Brechen. Der Same wirkt auf- regend auf den Leib. Chrysermus^) hat mit der in Wein gekochten Wurzel die Ohrengeschwüre, und mit Zusatz von Cachrys die Kröpfe geheilt. Einige geben an, wenn man einen Theil der aufgelegten Wurzel in Rauch hänge und am vierten Tage wieder wegnehme, so solle mit der Wurzel zugleich der Kropf vertrocknen. Sophocles bediente sich der rohen und gekochten gegen das Podagra; gegen Frostbeulen gab er sie mit Oel gekocht und den Gallenkranken und Wassersüchtigen mit Wein. Mit Wein und Honig genommen soll sie auch zum Beischlaf reitzen. Xenocrates sagt, die in Essig gekochte Wurzel vertreibe Flechte, Schorf und Krätze; ferner mit Bilsen und Theer gekocht die Fehler unter den Armen und an den Schenkeln, und wenn der Kopf abrasirt und mit der Wurzel gerieben würde, so wüchse das Haar krauser. Simus trieb mit einer weinigen Abkochung der- selben die Nierensteine ab. Hippocrates empfiehlt den Samen innerlich gegen Milzbeschwerden. Wird die Wurzel oder ihr gekochter Saft auf schwärende und räudige Stellen ') Ein unbekannter Arzt. Zweiundzwanzigstes Buch. 151 am Zugvieh gestrichen, so wachsen aus denselben die Haare wieder. Die Mäuse werden dadurch vertrieben und, wenn mau ihre Löcher damit verstopft, so kommen sie um. 33. Einige sind der Meinung, der Affodill werde von He- siodus A lim um genannt, was ich aber für unrichtig halte, •denn dieser Name bezeichnet ein eigenes Kraut, über welches die Schriftsteller sehr irrige Ansichten haben. Einige sagen nämlich, es sei ein dichter, weisser, dornloser Strauch mit Blättern, ähnlich denen des Oelbaums aber weicher, und werde als Speise gekocht. Die Wurzel zu 1 Drachme in Wassermeth genommen, vertreibe Bauch- grimmen, Verrenkungen und Brüche. Andere verstehen darunter einen salzigen Meerkohl (daher der Name ^) mit länglich-runden Blättern, der ein beliebtes Gericht sei. Es giebt übrigens 2 Arten, eine wilde und eine zahme; beide sollen mit Brot gegen Durchfall und Geschwüre, mit Essig aber für den Magen sehr dienlich sein. Man legt sie roh auf alte Geschwüre, lindert damit den heftigen Schmerz frischer Wunden, verrenkter Füsse und der Blase. Die wilde Art hat dünnere Blätter, ist aber wirksamer, heilt auch die Krätze bei Menschen und Vieh. Durch Reiben mit der Wurzel macht man den Körper glatt und die Zähne weiss; legt man den Samen unter die Zunge, so wird man nicht durstig. Letzteren kauet man auch, und beide wer- den eingemacht. Cratevas erwähnt noch einer dritten Art mit längern, rauheren Blättern und Cypressen ähnlichem Gerüche; sie soll vorzüglich unter dem Epheu wachsen, und zu 3 Obolen in 1 Sextarius Wasser genommen den Rück- gratskrampf und die Contraction der Nerven heilen. 34. Der Acanthus findet sich in Kunstgärten und Städten, hat aufrechte, lange Blätter und bekleidet die Erhöhungen der Feldränder, sowie die Rabatten. Es giebt 2 Arten, •) aXifioq salzig. Atriplex Halimus L. 252 Zweiundzwanzigstes Buch, eine stachlichte und krause, i) welche kleiner ist, und eine glatte,2)dievonEinigen Päderos, auch Melamphyllum ge- nanntwird. Die Wurzeln der letzteren leisten als Speise, beson- ders mit Ptisane gekocht, vortreffliche Dienste bei verrenkten, verbrannten, zerbrochenen und verdrehten Gliedern, sowie wenn man die Schwindsucht zu bekommen fürchtet. Zerrieben und erwärmt legt man sie auch gegen hitziges Podagra auf. 35. Das Bupleurum,^) welches die Griechen zu den wild- wachsenden Kohlarten zählen, hat einen ellenhohen Stengel, zahlreiche lange Blätter, einen dem Dill ähnlichen Kopf (Blüthenstand), und wird von Hippocrates als Gemüse, von Glaucon und Nicander als Arzneimittel gerühmt. Der Same hilft wider die Schlangenbisse. Zur Beförderung des Ab- gangs der weiblichen Nachgeburt legt man die Blätter oder den mit Wein bereiteten Saft, zur Vertreibung der Kröpfe die Blätter mit Salz und Wein auf. Die Wurzel giebt man mit Wein gegen die Schlangen und gegen Harnstrenge. 36. Die Buprestis*) wird, jedoch mit wenig Ueberein- stimmung, von den Griechen zu den beliebten Gemüsearten gerechnet; auch hält man sie für heilkräftig wider Gifte» Allein ihr Name 5) zeigt schon an, dass sie wenigstens für das Rindvieh ein Gift ist, denn wenn diess davon frisst, soll es bersten. Aus diesem Grunde wollen wir auch nicht weiter davon reden. Wir haben aber Ursache, auch unter den Kranzkräutern die giftigen anzuzeigen; vielleicht möchte sie auch Jemand aus Wollust einsammeln, denn nichts soll dieselbe mehr reizen, als ein daraus bereiteter Trank. *) Acanthus spinosus L. -) Acanthus mollis L, 3) Bupleurum protractum Lk. ■*) Identisch mit dem Bupleurum. *) ßövq Stier und TtQijd^u) brennen, anschwellen. Zweiundzwanzigstes Buch. 153 37. Das sogenannte Hirschfuttei-i) ist eine fingersdicke gertenartige Pflanze mit Knoten, deren Samen traubenartig herabhängen, an Gestalt denen des Silis gleichen, aber bitter schmecken, und deren Blätter dem Olusatrum ähnlich sind. Es ist eine beliebte Speise; eingemacht hält man sie vorräthig zur Beförderung des Hamens, zur Vertreibung der Seitenschmerzen, Heilung von Brüchen und Verrenkungen, Blähungen und Bauchgrimmen, Schlangenbissen und Stichen gestachelter Thiere. Auch sollen es die Hirsehe zum Schutze gegen Schlangen fressen. Die Wurzel dient mit Natron aufgelegt zur Heilung der Fistelschäden; zu diesem Behuf muss sie aber zuvor getrocknet werden, damit sie ihren Saft, wecher sie für die Schlangen verderblicher macht, nicht verliert. 38. Auch die Scandix^) wird, wie Opion und Erasistratus angeben , von den Griechen zu den wilden Kohlarten gezählt. Gekocht hemmt sie den Durchfall, der Same mit Essig genommen vertreibt augenblicklich das Schlucken. Man legt sie auf Brandschäden , gebraucht sie auch zur Beförderung des Hamens. Der Absud derselben ist ein Mittel für den Magen, die Leber, Nieren und Blase. Diess ist dieselbe Pflanze, womit Aristophanes dem Dichter Euripides^) scherzend vorwirft: seine Mutter habe statt ächten Kohl, Scandix verkauft. Der Anthriscus*) ist ihr am ähnlichsten, hat aber dünnere und wohlriechendere Blätter. Ihr besonderer Ruf besteht darin, dass sie den durch häufigen Beischlaf ermatteten Körper wieder kräftigt und schwache alte Leute noch zum Liebesgenuss reizt. Sie hemmt auch den weissen FIuss der Frauen. •) elaphoboscon. Pastinaca sativa L. 2) Scandix Pecten L. ^) Geb. 480 V. Chr. auf Salamis, starb 407 am Hofe des Königs Archelaus v, Macedonien. *) Scandix australis L. 254 Zweiundzwanzigstes Buch. 39. Für eine wilde Kohlart hält man ferner die Jasione, welche auf der Erde kriecht, eine bedeutende Menge Milch- saft hat, weisse Blumen trägt und der Gesellschafter i) genannt wird. Man empfiehlt sie als Reizmittel zum Beischlaf. Roh mit Essig verspeist, verleihet sie den "Weibern reich- liche Milch. Auf das Haupt der Kinder gelegt, befördert sie den Haarwuchs und macht die Haut fester. 40. Auch die Caucalis^) wird gegessen, sieht dem Fenchel ähnlich, hat einen kurzen Stengel, weisse Blüthen, und wird für das Herz angewendet. Auch ihren Saft trinkt man für den Magen, Urin, gegen Steine, Gries und Blasenjucken. Sie vermindert den Schleim der Milz, Leber und Nieren. Der Same befördert die Menstruation und trocknet die Galle nach der Geburt; wird auch gegen den männlichen Samen- fluss gegeben. Chrysippus sagt, mit Wein nüchtern genommen befördere er die Empfängniss. Wie Petrichus in seinem Gedichte angiebt, wird ein Umschlag davon gegen das Gift der Seethiere gebraucht. 41. Hierher gehört auchdasSium,^) welches breiter, fetter und dunkler als die Petersilie ist, im Wasser wächst, vielen Samen trägt und im Geschmack der Brunnenkresse gleicht. Es wird roh oder gekocht oder als Absud oder der Same zu 2 Drachmen mit Wein für den Harn, die Nieren, Milz und Menstruation gegeben. Es zermalmt den Harnstein und wirkt dem Wasser, welches ihn erzeugt, entgegen. Ein Aufguss davon ist gut gegen die Ruhr; zur Vertreibung der Sommersprossen und anderer Fehler im Gesichte der Weiber legt man es über Nacht auf, denn es verbessert die Haut augenblicklich, heilt auch Brüche und Räude bei Pferden. *) conciliuni, walirscheinlich weil sie gruppenweise vorkommt. 2) Pimpinella Saxifraga L. 3) Sium latifolium L. Zweiundzwanzigstes Buch. 155 42. Das Silybum^), welches dem weissen Chamaeleon ähnlich und ebenso stachlicht ist, verlohnt nicht einmal in Cilicien, Syrien oder Phönicien, wo es wächst, des Kochens, denn seine Znrichtung wird als sehr mühsam geschildert Arzneiliche Anwendung hat es nicht. 43. Das Scolimum2), welches auch Limoniura heisst. wird im Oriente verspeist. Es wird nicht üher eine Elle hoch, die Blätter sind kammartig eingeschnitten, die Wurzel schwarz und süss; Eratosthenes empfiehlt es zur Nahrung für arme Leute. Es soll den Harn treiben, mit Essig Flechte und Ausschlag heilen, und nach Hesiodus und Alcäus^) in Wein genommen zum Beischlaf reizen. Nach denselben Schriftstellern zirpen um die Zeit, wenn diess Gewächs blühet, die Cicaden am lautesten, sind die W^eiber am geilsten und die Männer zum Beischlafe am wenigsten geneigt, wesshalb die Vorsehung demselben in jener Periode die grösste Wirksamkeit verliehen habe. Gegen den Übeln Geruch unter den Armen nimmt man eine Unze von der Wurzel, welche vom Marke befreit worden ist, kocht sie mit drei Heminis falernischen Weines zu einem Drittbeil ein und trinkt davon nach dem Bade nüchtern oder nach dem Essen einen Becher voll. Merkwürdig ist , was Xeuocrates aus Erfahrung gestützt mittheilt; jenes Uebel unter den Armen soll nämlich durch den Urin abgehen. 44. Ferner isst man den Sonchus*) (welchen beim Calli- machus Hecale dem Theseus vorsetzt) und zwar beide ') Weil Plinius diese Pflanze als eine schlechte Speise schildert, so scheint er nicht Silybum marianum (Carduus marianus), sondern Carhna corymbosa oder Acarna cancellata gemeint zu haben. 2) Scolymus maculatus L. 3) Aus Mitylene, um 600 v. Chr., Ij'rischer Dichter, Zeitgenoss der Sappho. '') Sonchus oleraceus und arvensisL; auch Helminthiai echioides L. Die weisse Art ist S. oleraceus. 256 Zweiunclzwanzigstes Buch. Arten, den weissen und schwarzen; beide gleichen dem Lattich, tragen aber Stacheln, ihre Stengel werden eine Elle hoch, sind eckig, innen hohl und geben beim Verletzen eine bedeutende Menge Milchsaft von sich. Der weisse, welcher sein Aussehen dem Milchsafte verdankt, wird gegen Engbrüstigkeit wie die Latticharten in einer Tunke gegessen. Erasistratus sagt, er treibe die Steine durch den Urin ab und diene gekauet zur Verbesserung des üblen Geruchs aus dem Munde. Der Saft zu 3 Bechern mit weissem Wein und Oel erwärmt befördert die Entbindung, so dass die Wöchnerinnen gleich nachher wieder umhergehen können. Man reicht ihn auch als Brühe. Der gekochte Stengel giebt den Ammen reichliche Milch, den Kindern ein gesundes Aussehen, und ist besonders denen zu empfehlen, welche fühlen, dass ihre Milch gerinnt. Der Saft wird in die Ohren getröpfelt, gegen Harnstrenge zu 1 Becher warm getrunken und gegen Magendrücken mit Gurken- und Piniensamen genommen. Gegen Flüsse am After legt man das Kraut auf. Gegen Schlangen- und Scorpionstiche wird ein Trank davon bereitet, die Wurzel aber aufgelegt. Letztere wird gegen Ohrenkrankheiten mit Granatapfelschale in Oel gekocht. Zu allen ebengenannten Zwecken dient die weisse Art. Cleemporus^) stimmt damit überein und warnt vor dem Genüsse der schwarzen, welche Krankheiten erzeuge. Agathocles^) empfiehlt auch den Saft gegen die Wirkung des Rindsbluts. Doch ist soviel ausgemacht, dass die schwarze Art kühlende Kräfte besitzt, daher sie auch mit Polenta zu Umschlägen gebraucht wird. Zeno^) sagt, die Wurzel der weissen Art heile die Harnstrenge. 45. Das Condrillum oder die Condrille^) trägt Blätter, welche denen des Intubus ähnlich und rundum wie abge- ') Unbekannter Schriftsteller. 2) Von Chios, ein nicht näher bekannter Schriftsteller. 3) Welcher Zeno hier gemeint ist, lässt sich nicht bestimmen; es gab mehrere Aerzte dieses Namens. ") Chondrilla juncea L. und Cbondrilla ramosissima Sm. Zweiundzwanzigstes Buch. 157 nagt sind, der Stengel wird nicbt ganz 1 Fuss hoch und stiozt von bitterem Safte, die Wurzel gleicht einer Bohne und ist mitunter in zahlreicher Menge vorhanden. Zunächst der Erde findet sich am Stengel ein Harz von der Grösse einer Bohne, welches aufgelegt den Monatsfluss der Frauen befördern soll. Die ganze Pflanze sammt der Wurzel wird zerstossen und zu Kügelchen wider die Schlangen geformt, denn man weiss, dass die von Schlangen gebissenen Feld- mäuse diess Gewächs fressen. Der mit Wein bereitete Ab- sud hemmt den Durchfall. Statt eines Gummi angewandt, werden dadurch die Haare der Augenlider in Ordnung ge- halten. Dorotbeus i) lobt die Pflanze in seinen Gedichten als Magen- und Verdauungsmittel. Einige glauben, sie schade den Frauen, den Augen und Zeugungstheilen der Männer. 46. Zu denjenigen Gewächsen, welche ohne Weiteres ge- gessen werden, kann ich zwar mit Recht auch die Boleti rechnen, denn sie sind eine köstlicbe Speise, allein sie haben, wie aus vielen Beispielen erhellet, auch zu verbreche- rischen Absichten gedient; unter anderm vergiftete damit Agrippina ihren Ehegatten, den Kaiser Tiberius Claudius, und bereitete dadurch der Welt und sich selbst ein noch grösseres Gift, ihren Sohn Nero. Die giftigen Arten dieser Pilze erkennt mau leicht an der blassrothen Farbe, dem hässlichen Ansehen, der bläulieben Farbe im Innern, den furchigen Streifen und dem ringsum bleichen Kande. Bei einigen findet man diese Merkmale nicht; solche sind aber trocken, dem Natron ähnlich, und haben oben auf ihrer Haut weisse Tropfen - ähnliche Tupfen. Zuerst bildet sich nämlich an denselben die Hülle, und später in dieser, wie in einem Eie das Gelbe, der Kern. An den jungen Pilzen ist diese Haut gleichfalls wohlschmeckend. Letztere berstet, so wie der Pilz hervorkommt, dessen ganze Substanz später in den Stiel (welcher selten zu zweien erscheint) übergeht. Die erste Ursache ihrer Bildung liegt in dem Schlamme *) Aus Athen, übrigens nicht näher bekannt. J58 Zweiundzwanzigstes Buch. und der scharfen Feuchtigkeit der Erde oder einer eichel- tragenden Wurzel; Anfangs sind sie zäher als Schaum, dann stellen sie einen häutigen Körper dar und endlich bilden sie sich gänzlich aus. Diese Giftpilze müssen, wie gesagt, durchaus verworfen werden. Denn wenn da, wo sie wachsen, ein Schuhnagel, ein rostiges Stück Eisen oder ein morsches Stück Tuch liegt, so ziehen sie sogleich allen fremden Saft und Geschmack in sich und bilden daraus Gift; wer aber anders als die Landleute und die, welche sie sammeln, kann das wissen? Sie ziehen auch noch andere Gifte ein, z. B. wenn sich neben ihnen eine Schlangenhöhle befindet, oder wenn eine Schlange einen eben sich öffnenden Pilz anhaucht, denn ein Gift besitzt die Fähigkeit, noch ein an- deres aufzunehmen. Es ist daher Vorsicht anzurathen, ehe Schlangen sich verkriechen; diess merkt man an einer Menge von Kräu:jern, Bäumen und Sträuchern, welche von ihrem Hervorkommen an bis zu der Zeit, wo sie sich verkriechen, grünen und schon allein die Blätter der Esche zeigen es an, da sie weder nachher wachsen, noch vorher abfallen. Die ganze Lebensdauer der Boleten erstreckt sich auf 7 Tage. 47. Die Pilze 1) bilden zahlreichere Arten, sind milder und entstehen nur aus dem Schleime der Bäume. Am unschäd- lichsten sind die mit rother, und zwar dunklerer Haut 2) als bei den Boleten; dann folgen die weissen, mit ansehn- lichen den Priestermützen ähnlichen Stielen. Die dritte Art wird Saupilze genannt, und passt am besten zu Vergiftungen, denn durch diese sind kürzlich ganze Familien und Gast- gesellschaften ums Leben gekommen, wie Annaeus Serenus, der Befehlshaber der Leibwache des Nero, die Tribunen und Centurionen. Wie kann man eine so gefährliche Speise lieben? Einige unterscheiden die Pilze nach den Bäumen, nämlich der Feige, der Ferula nnd den Gummi tragenden- den, oder wie bei uns nach der Buche, Eiche, Cypresse, wie fungi. 2) Boletus edulis. Zweiundzwanzigstes Buch. 159 wir gesagt haben. Aber wer steht gut dafür, dass nur diese verkauft werden? Alle haben eine bläuliehe i) Farbe, und diese zeigt dann die giftige Beschaffenheit an, wenn sie der Farbe der Feigenfrucht ähnlich ist. Hülfsmittel dagegen haben wir schon angeführt uud werden deren in der Folge noch nennen; inzwischen gebraucht man einige Pilze auch als Heilmittel. Glaucias sagt, die Boleteu wären gut für den Magen. Die Saupilze werden an Binsenhalme gereihet zum Trocknen aufgehängt und in solchen Bündeln aus Bi- thynien gebracht. Man gebraucht sie gegen diejenigen Bauchflüsse, welche Eheumatismen genannt werden und gegen die fleischigen Auswüchse am After, welche dadurch nach und nach gänzlich verschwinden; ferner gegen Som- mersprossen und andere Fehler im Gesichte der Frauen. Gleich dem Blei dienen sie zum Waschen der Augen. Auf eiternde Geschwüre und Ausbrüche des Kopfes, sowie auf Hundsbisse legt man sie mit Wasser. In Bezug auf das Kochen der Pilze will ich noch einige allgemeine Regeln bei jeder Art anführen, denn die Leckerei geht soweit, dass man nur allein diese Speise mit eigenen Händen bereitet und, bernsteinene Messer und silberne Geschirre dabei ge- brauchend, sie schon vorher in Gedanken schmeckt. Die- jenigen Pilze, welche beim Kochen härter werden, sind ver- dächtig; kochen sie sich aber unter Zusatz von Natron ganz weich, so kann man sie ohne Gefahr essen. Noch sicherer ist es, sie mit dem Fleische oder den Stielen der Birnen zu kochen; zweckmässig isst man auch gleich darauf Birnen. Desgleichen vernichtet der Essig ihre schädliche Wirkung, denn er ist ihnen von Natur zuwider. 48. Alle Pilze schiessen nach Regengüssen hervor. Das- selbe ist der Fall beim Silphium, welches, wie wir gesagt haben 2), zuerst aus Cyrene gebracht wurde. Jetzt kommt es meistens aus Syrien, ist aber schlechter als das pan- *) lividus. 2) XIX. B. 15 Cap. jßO Zweundzwanzigstes Buch. thische, jedoch besser als das medische, denn das cyrenischc kommt, wie schon angeführt, nicht mehr vor. Es wird in der Arzneikunde gebraucht; die Blätter werden in weissem wohlriechendem Wein gekocht und von diesem Absude giebt man 1 Acetabulum voll nach dem Bade zur Reinigung der Gebärmutter und zur Abtreibung todter Kinder. Die Wurzel dient für rauhe Luftröhren, wird auf Stellen, wo sich das Blut augesammelt hat, gelegt, ist aber schwer zu verdauen, verursacht BlähungeUj Aufstossen und schadet dem Urine. Mit Wein und Oel legt man sie zweckmässig auf blaue Flecken, mit Wachs auf Kröpfe, und wenn die Warzen am After damit geräuchert werden, so fallen sie ab. 49. Der Laser, welcher, wie wir angegeben i), aus dem Silphium fiiesst, gehört zu den vorzüglichsten Geschenken der Natur und geht in sehr viele Mischungen ein. Für sich genommen vertreibt er den Frost und als Trank die Krankheiten der Nerven. Den Frauen giebt man ihn in Wein. In weiche Wolle gewickelt legt man ihn an die weibliche Schaam, um die Menstruation zu befördern. Mit Wachs vermischt zieht er die Hühneraugen aus, wenn sie zuvor mit einem eisernen Instrumente ringsum gelöst wor- den. Eine Erbse gross aufgelöst genommen, befördert das Harnen, Andreas versichert, sein öfterer Gebrauch verur- sache keine Blähungen, befördere besonders bei alten Leuten und Weibern die Verdauung, bekomme im Winter besser als im Sommer, namentlich denen, welche Wasser trinken; doch müsse man sich desselben enthalten, wenn im Körper ein Geschwür sei. Zur Beförderung des Geuesens nach Krankheiten setzt mau ihn zweckmässig den Speisen zu. Zu rechter Zeit angewandt, besitzt er die Kraft eines Aetz- mittels, ist ferner denen zuträglicher, welche daran gewöhnt sind als Anderen. Auch als Mittel gegen äusserliche Uebel des Körpers hat sich sein Ruf fest begründet. Im Trank genommen vernichtet er das Gift der Pfeile und Schlangen; >) XIX. B. 15. Cap. Zweiundzwanzigstes Bu(;h. Jßl mit Wasser vermischt streicht man ihn um derartige Wun- den, mit Oel nur auf Scorpioustiche, mit Gerstenmehl und trockenen Feigen auf unreife Geschwüre; mit Raute und Honig oder für sich, vermittelst Vogelleims zum Zweck des Festhaftens, auf Karbunkeln und Hundsbisse; mit Granat- apfelschalen in Essig gekocht auf Auswüchse am After, mit Zusatz von Natron auf Leichdornen, welche abgestorbene genannt werden. Ein Gemisch aus Natron und Laser, mit Wein und Safran oder Pfeffer oder Mäusekoth und Essig versetzt, erfüllt kahle Stellen auf dem Kopfe wieder mit Haaren. Mit Wein oder Oel gekocht wird er auf Frost- beulen und Schwielen gelegt. Besonders gut ist er für Leichdornen, wenn sie zuvor abgeschält sind; ferner wider schlechtes Wasser, ungesunde Gegenden und Tage, Husten, geschwollenes Zäpfchen, lange dauernden Austritt der Galle, Wassersucht und Heiserkeit, denn er reinigt sogleich den Hals nnd stellt die Stimme wieder her. In saurem Weine gelöst und mit einem Schwämme aufgelegt, lindert er das Podagra. Gegen Seitenstechen nimmt man ihn in einer Brühe ein und trinkt Wein nach; gegen Zusaramenziehungen und Rückgratskrämpfe legt man ein erbsengrosses Stück mit Wachs bestrichen auf. Gegen die Bräune setzt mau es dem Gurgelwasser zu. Denen, welche schwer athmen und anhaltend husten, giebt man ihn mit Lauch und Essig auch denen, welche geronnene Milch getrunken haben; in Wein gegen Brustleiden, Abzehrung und Epilepsie, in Wassermeth gegen Lähmung der Zunge. Gegen Hüften- und Lendenschmerzen wird er mit gekochtem Honig auf- gelegt. Ich kann dem, was die Schriftsteller unter andern angeben, nämlich, man solle gegen Zahnweh ein Stück Laser mit Wachs umgeben in den hohlen Zahn stecken, nicht beipflichten, denn ich weiss, dass sich ein Mensch in Folge dieser Anwendung von einer Höhe herabgestürzt hat. Wird er den Stieren auf die Nase gestrichen, so macht er sie gleichfalls wüthend, und wenn Schlangen (die sehr begierig nach Wein sind) in Wein aufgelösten Laser verschluckt haben, so müssen sie bersten. Auch möchte Wittsteiii. Plinius. IV. Bd. ^^ 1Q2 Zweiundzwanzigstes Buch. ich nicht rathen, ihn mit attischem Honig zu vermischen, wie Einige vorschreiben. Es würde ins Unendliche gehen, alle die nützlichen Anwendungen, deren er in Verbindung mit andern Stoffen fähig ist, anzuführen; wir handeln hier bloss von einfachen Arzneien, denn diese bieten uns ihre natürlichen Heilkünste dar, die zusammengesetzten dagegen täuschen oft die von ihnen gehegten Erwartungen, weil die Eintracht und Zwietracht der Naturkörper in den Ge- mischen noch nicht hinreichend erkannt worden ist. Ueber diese Materie werden wir bald mehr reden. 50. Der Honig würde ebenso hoch geschätzt werden als der Laser, wenn er weniger häufig vorkäme. Der Laser wird von der Natur ursprünglich erzeugt, zu jenem aber dient bekanntlich ein Tljier und seine Anwendung geht ins Unzählige, wenn man bedenkt, wie oft er vermischt wird. Das Stopfwachs (von dem früher die Rede war') zieht Stacheln und alles, was sonst im Körper steckt, heraus, zertheilt Geschwülste, erweicht Verhärtungen, lindert die Schmerzen der Nerven, und überzieht Geschwüre, an deren Heilung man schon verzweifelt, mit einer Narbe. Der Honig selbst hat die Eigenschaft, das Faulen der Körper zu ver- hüten, schmeckt milde und angenehm, und unterscheidet sich in seiner Natur von dem Salze; er ist ein vortreffliches Mittel für Hals, Drüsen, Bräune, alle Mundkraukheiten und Trockenheit der Zunge bei Fiebern; gekocht für Lungen- sucht, Seitenweh, Schlangenbisse und giftige Pilze. Bei Lähmungen dient er in der Form des Meths, dessen Nütz- lichkeit auch in andern Fällen hinlänglich bekannt ist. Mit Rosenessenz wird der Honig in die Ohren getröpfelt; Nisse und Ungeziefer auf dem Kopfe vertilgt er. Zweck- mässiger bedient man sich immer des abgeschäumten; es muss jedoch bemerkt werden, dass er den Magen aufblähet die Galle vermehrt, Ekel verursacht, und, wie manche glauben, den Augen schadet. Andere dagegen empfehlen ihn zum «) XI. B. 6. Cap. Zweiundzwanzigstes Buch. 163 Bestreichen gescliworener Augenwinkel Von den verschie- denen Sorten des Honigs, ihrem Vaterlande u. s. w. haben wir bereits bei den Bienen und Blumen gesprochen, i) denn die Anlage unseres Werkes machte es nöthig, für diejenigen, welche die Naturdinge kennen lernen wollen, das zu ver- theilen, was wir nun wiederum verbinden. 51. Bei Gelegenheit des Honigs müssen wir auch des Wassermeths gedenken, von dem man zwei Arten, frischen und alten, unterscheidet. Der aus abgeschäumtem Honig schnell bereitete, eignet sich vorzüglich zu leichter Kranken- speise, nämlich zu gewaschener Alica, um die verlorenen Kräfte wieder zu ersetzen, Mund und Magen geschmeidig zu machen, und die Hitze zu vertreiben; denn die Schrift- steller sagen, er müsse, um den Leib zu erweichen, kalt getrunken werden. Desselben Trankes sollen sich Frostige, Kleinmüthige und Aengstliche (denen man den Namen Mikropsychi-) gegeben hat) bedienen. Plato stellte nämlich mit grossem Scharfsinn den Satz auf, dass das Glatte, Rauhe, Eckige und Runde der Körper zu der (ähnlichen) Beschaffenheit anderer mehr oder weniger passe; daher ein und dasselbe nicht für einen Jeden bitter oder süss sei. So sollen auch müde und durstige Menschen leichter zum Jähzorn geneigt sein. Daher wird jene Rauheit des Geistes oder vielmehr des Athems durch einen süssen Saft gemildert. Er erleichtert den Durchgang der Luft, denn er macht den Weg weich und hindert die Unterbrechung im Ein- und Ausathmen. Ein Jeder kann an sich selbst die Erfahrung machen, denn Zorn, Betrübniss und alle Art Gemüthsbewe- gungen werden durch seinen Genuss gemildert. Wir sehen also, dass auch diejenigen Mittel Beachtung verdienen, welche nicht bloss den Körper heilen, sondern auch die Sitten verbessern. •) Im XI. und XXI. Buche. 2) von /xixQoq klein und xpi'xv die Seele. iß^ Zweiundzwanzigstes Buch. 52. Der Wassermeth vertreibt den Husten; erwärmt be- fördert er das Brechen. Die giftige Wirkung des Bleiweisses vernichtet er mit Zusatz von Oel; die des Bilsen mit Esels- milcli und, wie bereits angeführt, des Halicacabum. ') Man tröpfelt ihn in die Obren und in die Fistelscbäden der Gescblechtstbeile. Auf die weiblicbe Scbaam, plötzlicb entstehende Gescbwulste und Verrenkungen wird er zur Linderung mit weichem Brot gelegt. Spätere Autoren verbieten den Gebraucb des alten Metbs, denn er sei scbäd- licber als Wasser und weniger kräftig als Wein. Durcb sehr langes Liegen aber verwandelt er sich bekanntlicb in Wein, scbadet jedoch aucli dem Magen und den Nerven. 53. Metb aus altem Wein ist immer der beste und lässt sich mit Honig am leichtesten vereinigen, was bei dem süssen niemals angeht. Der aus herbem Weine, sowie der aus gekochtem Honig bereitete, beschwert den Magen nicht, macht auch, was sonst häufig geschieht, keine Blähungen, und stellt den Appetit nach Speisen wieder her. Kalt getrunken macht er Oeffnung, warm bei den Meisten Ver- stopfung, und giebt dem Körper Stärke und Festigkeit. Viele haben bloss durch den Genuss des Weinmeths und nichts anderem ein hohes Alter erreicht. Unter diesen ist Pollio Romilius ein berühmtes Beispieh Als derselbe, nach bereits zurückgelegtem hundertstem Lebensjahre, einst beim Kaisei Augustus zu Gaste war, und dieser ihn fragte, wo- durch er sich so lebenskräftigen Geist und Körper erhalten hätte, antwortete er: innerlich durch Weiumeth, äusserlieh durch Oel. Varro sagt, die Gelbsucht sei deshalb die königliche Krankheit 2) genannt worden, weil sie mittelst Weinmeth curirt werde. 54. Wie der aus Honig und Most bestehende Honigtrank «) Im XXI. B. 105. Cap. *) morbus arquatus. Zweiundzwanzigstes Buch. Iß5 bereitet wird, haben wir bei der Beschreibung des Weines mitgetheilt.i) Ich glaube, dass dieses so leicht Blähungen verursachende Getränk schon seit Jahrhunderten nicht mehr gemacht wird. Man gab es gewöhnlich alt bei Fiebern zur Oeifuung, ferner in der Gliederkrankbeit, Per- sonen, welche schwache Nerven haben und Weibern, die keinen Wein trinken. 55. An den Honig knüpft sich zunächst das Wachs, über dessen Ursprung, Güte, Sorten wir bereits gesprochen haben. 2) Alles Wachs, besonders das frische, erweicht erwärmt und füllt den Körper aus. Man giebt es in einer Brühe gegen die Ruhr, auch die Waben selbst in einem Brei von gerösteter Alica. Es widersteht von Natur der Milch , und wenn man 10 Hirsekörner grosse Krumen Wachs einnimmt, so wird die Gerinnung der Milch im Magen verhindert. Die Geschwulst der Schaamtheile kann durch Auflegen von Wachs auf die Haare vertrieben werden. 56. Die verschiedenen medicinischen Anwendungen, deren das Wachs mit andern Stoffen verbunden fähig ist, lassen sich ebenso wenig aufzählen, wie die der übrigen Mittel in ihren Mischungen. Sie beruhen, wie wir gesagt haben, 3) alle auf dem Erfindungsgeiste, denn die Gerate, Umschläge, Pflaster, Augeiisalben und Gegengifte sind keine Geburten jener göttlichen Schöpferin, sondern der Officinen oder, richtiger gesagt, der Habsucht. Die Werke der Natur gehen fertig und vollkommen aus ihrem Schoosse hervor; nur wenige Stoffe dienen aus Gründen, nicht aus Muthmaas- sungen, zu ihrer Bildung, um das Trockne mit dem Feuchten oder in andern Fällen das Feuchte mit dem Trocknen zweckmässig zu verschmelzen. Aber die Kräfte nach ») Im XIV. Buche. 2) XXI. B. 49. Cap. 3) In diesem Buche. Cap. 49. IßQ Zweiundzwanzigstes Buch. Scrupelgewicht zu sammeln und zu vermischen, ist nicht das Werk menschlicher Deutung, sondern der Unverschämt- heit. Wir benutzen weder die Arzneikräfte der indischen und arabischen Waaren , noch die der aus entferntem Ländern kommenden; wir lieben so entfernt wachsende Heilmittel, die unserm Vaterlande fehlen, nicht, aber auch bei jenen Bewohnern sind sie nicht beliebt, denn sonst würden sie sie nicht verkaufen. Zu Parfümen, Salben und anderen Luxus-Gegenständen, selbst aus Aberglauben mag man sie kaufen, denn wir huldigen den Göttern mit Weihrauch und Kostus. Dass die Gesundheit auch ohne dieselben bestehen könne, wollen wir besonders desshalb beweisen, damit sich der Luxus seiner selbst wegen schäme. 57. Nachdem wir nun die Heilkräfte der Blumen, Kranz,- Garten- und essbareu Kräuter augeführt haben, wäre es wohl billig, der Feldfrüchte nicht zu gedenken? Nein, auch diese verdienen berücksichtigt zu werden. Bekanntlich sind diejenigen Thiere, welche von Feldfrüchten leben, am klügsten. Geröstete und mit ammineischem Weine geriebene Körner vom Siligo stillen äusserlich angewandt, die Augen- flüsse, in eisernem Geschirr geröstete Triticum-Köruer aber sind ein bewährtes Mittel gegen erfrorene Glieder. Mit Essig gekochtes Weizenmehl heilt Nerven- Contractionen, die Kleien aber wendet man mit Rosenessenz, trocknen Feigen und gekochten Sebesten als Gurgelwasser für ge- schwollene Mandeln und Hals an. Als Sextus Pomponius, der Vater des gewesenen Prätors und vornehmste Mann im diesseitigen Spanien, einst in seiner Scheune sass, wo man Getreide umstach, und vom Podagra sehr geplagt wurde, steckte er die Beine bis über die Knie in den Weizen, wodurch dieselben trocken wurden und er sich so bedeutend erleichtert fühlte, dass er sich dieses Mittels auch nachher bediente. Seine Kraft ist so gross, dass er volle Weinfässer austrocknet. Auch empfehlen erfahrene Männer, warme Spreu vom Weizen oder Gerste auf Brüche zu legen, und mit der Abkochung davon Umschläge zu Zweiundzwänzigstes Buch. 167 machen. In demFav findet sich eine Art Holzwurm, welcher mit Wachs in hohle Zähne gesteckt oder auch daran ge- rieben bewirkt, dass dieselben ausfallen. Was Olyra oder Arinca genannt wird, haben wir schon angezeigt, i) Hiervon bereitet man eine Arznei, wxlche die Aegypter Athera nennen, und die sich besonders für Kinder eignet; doch legt man sie auch erwachsenen Personen auf. 58. Das Mehl der Gerste zertheilt, lindert und reift roh oder gekocht Anschwellungen und sonstige Anfälle. Ausser- dem kocht man es mit Wassermeth oder trocknen Feigen. Gegen Leberschmerzen muss man es mit saurem oder gutem Weine absieden. Verfährt man aber beim Kochen und Zu- richten mit Sorgfalt, so geschieht es besser mit Essig, Essighefen, gesottenen Quitten oder Birnen. Wider die Bisse der Asseln gebraucht man es mit Honig, wider die der Schlangen mit Essig, zur Reinigung eiternder Gesebwüre mit saurem Wein, Harz und Galläpfeln; zum Reifen alter Geschwüre mit Harz, gegen Verhärtungen mit Taubenmist, trocknen Feigen oder Asche; gegen Entzündungen der Nerven, Eingeweide und Seiten, Schmerzen des männlichen Gliedes und wenn sich das Fleisch von den Knochen ab- löst, mit Mohn oder Steinklee; gegen Kröpfe mit Pech und dem Harn eines unmündigen Knaben, sowie mit Oel; gegen Brustanschwellungen mit Bockshorn; gegen Fieber mit Honig oder altem Fett. Für Eiterwunden eignet sich das Weizenmehl wegen seiner Milde besser. Mit Bilsensaft vermischt streicht man es auf die Sehnen, mit Essig und Honig auf Sommersprossen. Das Mehl der Zea, welche, wie wir schon früher gesagt haben, 2) die Alica liefert, scheint noch wirksamer zu sein als das Gerstenmehl. Die nach drei Monaten reifende Art ist aber zarter. Gegen Scorpionstiche, Blutspeien und Fehler der Luftröhre wird es in rothem Wein erwärmt; gegen Husten mit Bockstalg ») XVIII. B. 19 Cap. 2) XVIII. B. 29. Cap. 168 Zweiundzwanzigstes Buch. der Butter. Der Bockshorn liefert das allerzarteste Mehl; es heilt mit Wein und Katron gekocht fliessende Geschwüre, Schuppen am Körper, Magenschmerzen, wehe Ftisse und Brüste. Mehl von Aera reinigt und heilt am besten alte Geschwüre und Krebsschäden, mit Rettig, Salz und Essig Flechten, mit natürlichem Schwefel die Krätze, und mit Gänsefett auf die Stirn gelegt Kopfweh. Mit Taubenmist, Leinsamen und Wein gesotten, zertheilt es Kröpfe und andere Geschwulste. 59. Von den verschiedenen Arten Polen ta haben wir unter den Feldfrüchten in Bezug auf die Länder, wo sie bereitet werden, hinreichend gesprochen, i) Sie unterscheiden sich von dem Gerstenmehle dadurch, dass sie gedörrt werden, und sind daher zuträglich für den Magen. Sie hemmen den Durchfall ucd heilen entzündliche Geschwulste. Mit Minze oder anderen kühlenden Kräutern legt man sie wider schlimme Augen und Kopfweh auf, mit Wein auf Frostbeulen, Schlangenbisse und Brandschäden. 60. Das feine Staubmehl besitzt die Kraft, Feuchtigkeiten anzuziehen, daher es von mit Blut unterlaufenen Stellen das Blut bis in die Binden führt; durch dickgekochten Most wird seine Wirkung erhöhet. Man legt es auch auf Fussbeulen und Leichdornen. Mit altem Oele und Pech gekocht und so warm als möglich auf Geschwulste und andere Uebel des Afters gelegt, heilt es dieselben auf bewunderungswerthe Weise. Der davon bereitete Brei macht den Körper stark. Das Mehl, womit das Papier zusammen geklebt wird, giebt man als Suppe zweck- mässig gegen Blutspeien. 6L Die Alica wurde vor nicht sehr langer Zeit von den Eömern erfunden; sonst hätten die Griechen ihre Ptisane, «) XVIII. B. 14. Cap. • Zweiundzwanzigstes Buch. 169 nicht so sehr gerühmt. Ich glaube, sie war noch nicht einmal zur Zeit des grossen Pompejus in Gebrauch, daher die asclepiadische Schule kaum etwas Schriftliches von ihr aufzuweisen hat. Niemand stellt in Abrede, dass sie sehr brauchbar ist; man giebt sie entweder gewaschen mit Wassermeth oder zur Brühe gekocht oder auch als dicken Brei. Zur Hemmung des Durchfalls wird sie erst geröstet und hierauf mit dem Wachse der Bienenwaben gekocht, wie wir oben gesagt haben. Besonders wohltliätig wirkt sie auf solche, welche in Folge einer langen Krankheit ab- gezehrt sind; zu diesem Behuf kocht man 3 Becher voll davon mit 1 Sextarins Wasser langsam so lange ein, bis alles Wasser verdampft ist, setzt dann 1 Sextarins Ziegen- oder Schafmilch während eines Zeitraumes von mehreren Tagen, und endlich Honig hinzu. Dieser Trank ist gut gegen Entkräftung. 62. Die Hirse stopft und vertreibt das Bauchgrimmen, wenn sie zuvor geröstet wird. Bei Schmerzen der Nerven und anderen Theilen legt man sie heiss in einem Säckchen auf, und sie ist wegen ihrer Leichtigkeit, Zartheit und Fähigkeit, die Hitze an sich zu halten, zu diesem Zwecke das beste Mittel, wird daher in allen Fällen, wo Wärme von Nutzen ist, angewandt. Fein gestossen und mit Theer vermischt, legt man sie auf Wunden, die durch Schlangen und Asseln entstanden sind. 63. Das Panicum nennt der Arzt Diocles den Honig der Feldfrüchte. Es besitzt dieselben Wirkungen wie die Hirse; mit Wein genommen heilt es die Ruhr, auch wird es, gleich jener, erwärmt auf solche Theile gelegt, die heiss werden sollen. Mit Ziegenmilch gekocht uud täglich zweimal davon getrunken hemmt es den Durchfall und vertreibt das Bauchweh. 64. Der Sesam wird zerrieben mit Wein wider das Er- brechen eingenommen. Er wird auf entzündete Ohren und ^^YO Zweiundzwanzigstes Buch. Brandwunden gelegt, und zwar schon mit demselben o-iinstigen Erfolge, wenn er auch erst Blätter getrieben hat. Ferner legt man ihn in AVein gekocht auf die Augen. Für den Magen taucht er nicht, macht auch den Athem übelriechend, ist aber gut wider die Bisse der Sterneidechsen und die sogenannten unheilbaren Geschwüre. Das daraus bereitete Oel tröpfelt man in die Ohren. Das Kraut Sesamoidesi) verdankt seinen Namen der Aehnlichkeit mit jenem; es hat aber kleinere Blätter, bittere Samen und wächst an kiesigen Stellen. Mit Wasser genommen führt es die Galle ab; der Same wird auf die Rose gelegt, ver- theilt auch die Fettbeulen. — Noch ein anderes ähnliches Kraut wächst zu Anticyra, hat daher von einigen den Namen Anticyricum bekommen, sieht übrigens fast wie das Erigeron, von dem wir später reden werden, aus, und trägt Samen wie der Sesam. Man giebt davon soviel man mit drei Fingern fassen kann mit süssem Wein zum Abführen, setzt auch wohl anderthalb Obolen weisse Nies- wurz hinzu und verordnet diess Purgirmittel besonders den an Wahnsinn, Melancholie, Epilepsie und Podagra Leidenden. Auch für sich allein zu 1 Drachme genommen macht es Ausleerung. 65. Die beste Gerste ist die hellste. Sie wird mit Regen- wasser gekocht, in Kügelchen geformt, und diese gegen innerliche Geschwüre und kranke Gebärmutter eingenommen. Die durch Verbrennen gewonnene Asche streuet man auf Brandwunden, auf Fleisch was sich von den Knochen ablöst, auf Schleimflüsse und Biss wunden der Spitzmäuse; mit Salz und Honig vermischt dient sie um die Zähne weiss und glänzend und den Athem wohlriechend zu macheu. Wer Gerstenbrot isst, soll keine Fusskrankheit bekommen. Ferner wird angegeben, wenn man neun Gerstenkörner in die ') Aubrietia deltoidea Dec. — Dioscorides unterscheidet noch ein grosses Sesamoides, welches Reseda undata L., und vielleicht das Anticyricum des Plinius ist. Zweiundzwanzigstes Buch. 171 liuke Hand nehme, dreimal damit um entzündliche Geschwüre fahre und sie dann ins Feuer werfe, so erfolge sofortige Heilung. — Ein anderes Kraut, welches die Griechen das phöuicischei) nennen, heisst bei uns Mauergerste; es befördert zerrieben und mit Wein getrunken die monatliche Reinigung. 66. Alle Lobsprüche auf die aus der Gerste bereitete Ptisana, welche Hippocrates in einem Buche niedergelegt bat, gehen nunmehr auf die Alica über, denn um wie viel unschädlicher ist diese? Hippocrates rühmte jene zum l'ranke, weil sie wegen ihrer Schlüpfrigkeit leicht zu nehmen sei, den Durst stille, keine Blähungen verursache, leicht wieder abginge und denen, welche daran gewöhnt sind, bei Fiebern zweimal des Tages als einzige Nahrung gegeben werden könne; so sehr wich er von denen ab, welche durch Hunger die Kranken curiren. Er warnte jedoch vor dem Genüsse des ganzen Breies, sondern empfahl nur die Brühe davon, und Hess, so lange die Füsse kalt waren, auch diese nicht einmal trinken. Aus dem Weizen bereitet man eine Ptisane, welche klebriger ist und gegen Geschwüre in der Luftröhre mit günstigem Erfolge gebraucht wird. 67. Das Stärkmehl macht blöde Augen, und ist, gegen die gewöhnliche Ansicht, schädlich für den Hals. Ferner hemmt es den Durchfall, wirkt den Augenflüssen entgegen, heilt Geschwüre, Blutblasen und Blutflüsse, und erweicht harte Backen. Gegen Blutspeien wird es mit einem Eie, gegen Blasenschmerzen zu 1/2 Unze mit einem Eie und drei Unzen Rosinenwein erwärmt, nach dem Bade genommen. Auch das in Essig gekochte Mehl des Hafers vertreibt Muttermale. Selbst das Brot, wovon man lebt, dient in unzähligen Fällen als Arzneimittel. Mit Wasser und Oel oder Rosen- •) Ist Lolium perenne L. 172 Zweiundzwanzigstes Buch. essenz vermengt erweicht es allerlei Anschwellungen, und mit Wassermeth am besten die Verhärtungen. Mit Wein gieht man es, um alles was im Umsichfressen gehemmt werden muss, zu vertheilen, und bei grösserer Gefahr mit Essig gegen die scharfen Schleimflüsse, welche die Griechen Rheumatismen nennen. Desgleichen bei Schlagwunden und Verrenkungen, Zu allen diesen Zwecken verdient das gesäuerte Brot, welches man selbstgebackenes i) nennt, den Vorzug. In Essig geweicht legt man es auf Nietnägel und Fussschwielen. Altes Brot oder Schiffszwieback hemmt, gestossen und abermals gebacken, den Durchfall. Diejenigen, welche eine reine Stimme behalten wollen, und an Schnupfen Leidende müssen es bei Tische immer zuerst und zwar trocken essen. Brot von dreimonatlichem Getreide heilt mit Honig die Schlagwunden und Schuppen im Gesichte am besten. Weissbrot in warmes oder kaltes Wasser ge- weicht ist für Kranke die leichteste Speise. Mit Wein legt man es auf geschwollene Augen; in eben derselben Form oder mit Zusatz von trockner Myrte auf Blasen am Kopfe. Menschen, welche zittern, sollen gleich nach dem Bade nüchtern Brot und Wasser verzehren. Im Schlaf- zimmer verbrannt vertreibt es den üblen Geruch; der Wein wird durch Einhängen eines mit Brot gefüllten Beutels verbessert. 69. Auch die Bohne wird als Medicament gebraucht. Ganz geröstet und noch heiss in scharfen Essig geworfen, vertreibt sie das Bauchgrimmen. Zerrieben und mit Knob- lauch gekocht wird sie wider unheilbaren Husten und Ge- schwüre in der Brust täglich genossen, auch mit nüchternem Munde gekauet auf hitzige Geschwüre zum Reifen und Vertheilen, und in Wein gekocht aufgeschwollene Geschlechts- theile gelegt. Mit Bohnenmehlbrei, welcher mit Essig bereitet worden, bringt man Geschwulste zur Oeffnung und Reife, heilt auch damit blaue Flecken und Brandwunden. •) autopyrus. Zweiundzwanzigstes Buch. I73 VaiTO giebt an, durch Bohnen würde die Stimme hell und rein. Die Asche von Bohnenstengeln und Hülsen wird mit altem Schweinefett vermischt, zweckmässig gegen Hüft- und anhaltende Nervenschmerzen aufgelegt. Die Hülsen allein hemmen, zum dritten Theile eingekocht, den Durchfall. 70. Die besten Linsen sind die, welche sich leicht weich kochen und viel Wasser verschlucken. Sie vermindern zwar die Schärfe der Augen und verursachen Blähungen, hemmen aber verspeist, wenn sie mit Regenwasser gekocht sind, den Durchfall; öffnen dagegen, sobald sie noch nicht völlig weich geworden. Sie öffnen den auf den Geschwüren sitzenden Schorf, reinigen die Fehler des Mundes und heilen sie. Alle Arten von Anhäufungen, besonders die eiterigen und rissigen, vertreiben sie aufgelegt; die Augeufiüsse mit Steinklee und Quitten. Mit Polenta gebraucht man sie äusserlich gegen Schwären. Die davon erhaltene Abkochung wendet man bei Geschwüren des Mundes und der Geschlehts- theile an, für den After mit Rosenessenz oder Quitten; gegen Uebel, welche ein kräftigeres Mittel erfordern, mit Granatapfelschale und Honig an, wozu noch, um das rasche Trocknen zu verhüten, Ruukelrübenblätter gesetzt werden. In Essig gekocht legt man sie auf Kröpfe und Fettge- schwulste, die entweder schon reif sind oder erst werden; mit Wassermeth bereitet auf Risse, mit Grauatsehalen auf Krebsschäden; mit Pofenta auf das Zipperleiu, die weibliche Schaam, Nieren, Frostbeulen und schwierig vernarbende Geschwüre. Gegen Schwäche des Magens nimmt mau 30 Liusenkörner ein. Bei der Galleusucht und Ruhr ist ihre Wirkung kräftiger, wenn sie drei mal in Wasser gekocht und noch besser, wenn sie zuvor gedörrt und gestossen werden, damit sie möglichst fein vertheilt in den IMageu gelangen; in diesen Fällen wendet man sie nun entweder für sich allein, oder mit Quitten, Birnen, Myrte, wilder Endivie, schwarzer Bete oder Wegebreit an. Schädlich sind die Linsen für die Lunge, Nerven, Galle, bei Kopfweh, bewirken auch Schlaflosigkeit, zeigen sich aber, in Meer- 274 Zweiundzwanzigstes Buch. wasser gekocht, wirksam für Bläschen, die Rose uud Brüste, und vertheilen in Essig gekocht Verhärtungen uud Kröpfe. Für den Magen streuet man sie, gleich der Polenta, in den Trank. In Wasser halb weich gekocht, dann zerrieben und durch ein Sieb von den Hülsen befreit benutzt man sie gegen Brandschäden , und wenn die Heilung schon voranschreitet, setzt man noch Honig hinzu. Für die Kehle kocht man sie mit saurem Wein. — Es giebt auch Sumpf- linsen 1), welche wild, in stehenden Gewässern vorkommen, kühlende Eigenschaften besitzen, und daher für sich allein oder mit Polenta gegen Geschwulste und Podagra aufgelegt werden. Auch befestigen sie die vortretenden Eingeweide. 71. Zu den wilden Linsen gehört auch die Art, welche von den Griechen Drehlinse,^) von Anderen Sphacus genannt wird; sie ist leichter als die angebauete, hat kleinere, trocknere, und geruch vollere Blätter. Eine zweite Abart dieser wilden riecht unangenehm, ist aber milder, hat Blätter ähnlich denen der Quitte, aber kleiner und heller von Farbe; man siedet dieselben mit den Zweigen ab. Sie befördert den Monatsfluss und das Harnen, und heilt die Stiche des Stachelrochen, lähmt aber die gestochene Stelle. Man trinkt sie mit Wermuth für die Ruhr. Mit Wein befördert sie die Menstruation, ist aber der Blutfluss zu stark, so trinkt man einen Absud davon. Das Kraut stillt für sich aufgelegt das Bluten der Wunden. Heilt auch die Schlangenbisse und vertreibt in Wein gekocht das Jucken der Hoden. Unsere jetzigen Kräuterkenner nennen die Drehlinse Salvia und sagen, sie sei der Minze ähnlich, graufilzig und rieche stark. Aufgelegt befördert sie den Abgang todter Kinder, vertreibt die Würmer aus den Ohren und Geschwüren. 72. Auch die Kichererbse wächst wild, hat der ange- ') Lens palustris. Lemna minor L. 2) elelisphacus. Salvia pomifera, calycina und officinalis L. vorzüglich aber die erstere Art. Zweiundzwanzigstes Buch. 175 baueten ähnliche Blätter und einen unangenehmen Geruch. In reichlicher Gabe genommen, öffnet sie den Leib, vertreibt Blähungen und Bauchgrimmen, wird jedoch im gerösteten Zustande für wirksamer gehalten. Die kleine Kicher leistet noch bessere Dienste für den Leib. Das Mehl von beiden, besonders der wilden, heilt nasse Kopfgeschwüre, Epilepsie, Lebergeschwulste und Schlangenbisse. Den Monatsfluss und das Harnen befördert am besten der Same. Mau heilt damit Flechten, entzündete Hoden, Gelbsucht und Wassersucht, schadet aber damit eitrigen Nieren und Blasen. Gegen Krebs und sogenannte unheilbare Geschwüre bedient man sich ihrer besser mit Honig. Zur Vertreibung aller Arten von Warzen berührt man im Neumonde eine jede mit einem besondern Samenkorne der Kicher, bindet dann diese Körner in ein Läppchen, wirft sie hinter sich, und glaubt, dass das Uebel nun fortgehe, l^ömische Schrift- steller verordnen gegen Harnstrenge, die Widderkicheri) mit Salz und Wasser zu kochen und zwei Becher davon zu trinken. In derselben Form treibt sie auch die Blasensteine ab und heilt die Gelbsucht. Der aus den Blättern und Zweigen durch Kochen mit Wasser bereitete Brei heilt, so warm als möglich übergeschlagen, die Krankheiten der Füsse, zu welchem Behuf man auch die ganze Pflanze zerreibt und erwärmt. Die Taubenkicher mit Wasser gekocht soll den Schauer im drei- und viertägigen Fieber vertreiben; die schwarze aber mit der Hälfte Galläpfel und Rosinen - wein vermischt heilt die Augengeschwüre. 73. Von der Erve haben wir bereits Einiges mitgeth'eilt^). Die Alten hielten sie für ebenso wirksam als den Kohl. Sie dient mit Essig gegen die Bisse der Schlangen, Kroko- dile und Menschen. Wer täglich nüchtern Erven isst, verliert nach Versicherung der glaubwürdigsten Schriftsteller die Milz. Das Mehl vertreibt Maale und Flecken am ganzen >) d. h. dessen Same einige Aehnlichkeit mit einem Widderkopfe hat. 2) XVIir. B. 38 Cap. j^yg Zweiundzwanzigstes Buch. Körper, bindert das Umsicbfressen der Geschwüre, bietet ein vortreffliches Heilmittel für die Brüste dar und öffnet mit Zusatz von Wein die Feuerbeulen. Geröstet und zu einer Haselnuss gross mit Honig vermischt eingenommen ist sie ein gutes Mittel gegen Harnstrenge, Blähungen, Leberleiden, Stuhlzwang, Schwindsucht, und mit Essig ge- kocht aufgelegt und am vierten Tage abgenommen, gegen Flechten. Mit Honig auf Fettbeulen applicirt verhindert sie das Schwären derselben. Umschläge von Wasser, worin Erven gekocht worden, heilen die Frostbeulen und das Jucken. Wer täglich nüchtern Erventrank zu sich nimmt, soll am ganzen Körper eine bessere Farbe bekommen. Als Speise ist sie nicht sehr zu empfehlen, denn sie erregt Brechen, Bauchgrimmen, beschwert den Kopf und Magen und ermüdet die Kuiee. Durch mehrtägiges Einweichen wird sie dagegen milde, ist ein gutes Futter für das Rind- und übrige Zug- vieh. Die grünen weichen Hülsen, Stengel und Blätter können zerrieben zum Schwarzfärben der Haare angewandt werden. 74. Es giebt auch w'ilde Wolfsbohnen; sie stehen in jeder Beziehung den angebaueten nach, sind aber bitterer. Unter allen Feldfrüchten wiegt keine im trocknen Zustande leichter, und ist nützlicher. Durch Asche oder warmes Wasser werden sie milde. Wer sie oft isst, bekommt eine frische Farbe. Die bittern sind gut wider die Giftschlangen. Getrocknet, abgeschält, zerrieben und. in einem Tuche eingeschlagen aufgelegt, machen sie die Stellen, wo sich schwarze Ge- schwüre befinden, wieder gesund. In Essig gesotten ver- theilen sie Kröpfe und Ohrengeschwüre. Die mit Raute und Pfeffer bereitete Abkochung giebt man Personen unter 30 Jahren selbst im Fieber zur Abtreibung der Würmer; Knaben legt mau sie nüchtern auf den Leib, röstet sie auch und lässt sie mit gesottenem Most oder Honig einnehmen. Sie machen Appetit und benehmen den Ekel. Das i\[ehl wird mit Essig vermengt beim Baden wider die Blattern und das Jucken aufgelegt, trocknet auch, für sich angewandt, die Geschwüre aus. Es vertreibt die blauen Flecken und mit Zweiundzwanzigstes Buch. 177 Polenta die Entzündungen. Die wilde Art besitzt grössere Wirksamkeit gegen Schwäche in den Hüften und Lenden. Der Absud davon vertreibt durch Brühen die Sommersprossen und sonstigen Hautfehler; kocht man aber bis zur Honig- dicke ein, so nimmt selbst die angebauete die schwarzen Hautflecken und den Schorf weg. Die zahmen Wolfsbohnen öffnen auch aufgelegt die Karbunkeln, vermindern die Fett- beulen und Kröpfe oder machen sie reif, und verleihen mit Essig gekocht den Narben die weisse Farbe wieder; siedet mau sie aber mit Regenwasser, so bekommt man eine Art Salbe, welche man mit bestem Erfolge gegen Krebs, Schleim- ausbrüche und eiternde Geschwüre anwendet. Für die Milz und den stockenden Mouatsfluss werden sie mit Honig ein- genommen; im ersten Falle auch roh mit trocknen Feigen in Essig vermischt aufgelegt. Die Wurzel befördert, in Wasser gekocht, das Harnen. Als Vieharznei werden die Wolfsbohnen mit dem Kraute Chamaeleon gekocht und in das Getränk gethan. Mit Oelschaum gekocht, oder für sich gesotten und mit ersterem vermischt heilen sie die Räude aller vier- füssigen Thiere. Der beim Brennen derselben aufsteigende Rauch tödtet die Mücken. 75. Bei Beschreibung der Feldfrüchte haben wir gesagt i), dass der Irio dem Sesam ähnlich sei, von den Griechen Erysimum und von den Galliern Vela genannt werde. Er ist strauchig, hat Blätter wie die Eruca, nur etwas schmäler, und Samen wie das Nasturtium. Man gebraucht ihn mit Honig gegen Husten und eitrigen Brustauswurf; ferner gegen Gelbsucht, Lenden-, Seiten-, Bauchweh und Verstopfung. Wider Ohrengeschwüre, Krebs und entzündete Hoden legt man ihn mit Wasser, sonst mit Honig auf. Auch Kindern bekommt er gut; auf kranken After und Gliederleiden wendet man ihn mit Honig und Feigen an. Als Trank ist er wider Gifte wirksam. Leute, die mit Engbrüstigkeit uud «) XVIII. ß. 22. Cap. Wittstein: Plinius. IV. Bd. 12 J78 Zweiundzwanzigstes Buch. Fistelschäden behaftet sind, müssen sieh derselben mit altem Fett, jedoch nicht innerlich, bedienen. 76. Das Horminum hat (wie erwähnt i) im Samen Aehn- lichkeit mit dem Rosskümmel, sieht übrigens dem Porrum gleich und wird eine Spanne hoch. Es giebt 2 Arten, deren eine mit dunklerm, länglichem Samen, als Reizmittel zum Beischlaf, für entzündete nnd blöde Augen gebraucht wird. Die andere Art hat weisse runde Samen. Beide ziehen, zerstossen und mit Wasser aufgelegt, die Splitter aus dem Körper, die Blätter werden mit Essig oder mit Honig zum Vertheilen der Fettbeulen, feurigen Geschwulste, bevor die- selben eine Spitze bekommen, und jede Art von Schärfe aufgelegt. 77. Selbst Kräuter, welche den Feldfrüchten verderblich sind, wendet man arzneilich an. So wird der Lolch 2), den Virgil den unglücklichen nennt, gemahlen, mit Essig ge- kocht und gegen Räude aufgelegt; die Heilung erfolgt um so schneller, je öfter mit dem Umschlage gewechselt wird. Auch mit Sauerhonig dient er für Podagra und andere Schmerzen. Diese Behandlung ist von andern verschiedeu; man muss nämlich auf 2 Unzen Honig 1 Sextarius Essig nehmen, von diesem Gemisch 3 Sextarieu mit 2 Sextarieu Lolchmehl dick einkochen, und die Masse noch warm auf die schmerzenden Theile legen. Elx'n dieses Mehl zieht auch zerbrochene Knochen aus dem Körper. 78. Hirsetodä) nennt man ein Kraut, welches die Hirse erstickt. Es soll zerrieben und mit Wein in ein Hörn ein- gegossen die kranken Beine des Zugviehes heilen. 79. Der Bromus^) ist ein ährentragendes Gewächs; welches ') XVIII. B. 22. Cap. 2) Lolium. L. temulentum L. 3) miliaria. Wahrscheinlich eine Cuscuta. ■*) Bromus secalinus L. und ähnliche Arten. Zweiundzwanzigstes Buch. I79 ZU den dem Getreide schädlichen Gewächsen gehört, sieht dem Hafer ähnlich und hat Blätter und Halm wie der Weizen. An der Spitze hängen gleichsam kleine Heuschrecken herab i). Der Same wird, wie die Gerste und ähnliche, zu Umschlägen gebraucht. 80. Orobanche^) nennen wir eine Pflanze, welche die Erve und Hülsenfrüchte erstickt; Andere nennen dieselbe wegen ihrer Aehulichkeit mit dem Zeugungsglied der Hunde, Hunde- glied3). Der Stengel ist saftlos und bei den Blättern röth- lich. Das noch junge und zarte Gewächs wird gekocht und aus Schüsseln gegessen. 81. Auf den Hülsenfrüchten kommen auch kleine gif- tige Thiere aus dem Geschlechte der Giftameisen ^) vor, welche in die Hände stechen und das Leben in Gefahr bringen. Man gebraucht gegen diese dieselben Hülfsmittel, wie gegen die Erdspinnen und ähnliche giftige Geschöpfe. — Hiemit schliessen wir die Betrachtung der medicinisch gebräuchlichen Feldfrüchte. 82. Man bereitet aus ihnen auch ein Getränk, welches in Aegypten Zythus, in Spanien Celia und Ceria, in Gallien und andern Ländern cerevisia^) genannt wird, und dessen Schaum (Hefe) die Haut im Gesichte der Frauen conservirt. Was aber die Getränke selbst betrifft, so wollen wir jetzt zur Betrachtung des Weines übergeheu und mit dem Wein- stocke die Arzneien der Bäume vorzuführen anfangen. ') nämlich die grünlichen Aehrchen. 2) XVIII. B. 44 Cap. 3) Cynomorion. ^) solipugae. *) Bier. 12* Dreiundswansigstes Buch. Arzneimittel von den cultivirten Bäumen. 1. Somit haben wir nun aucli die Betrachtung der Heil- kräfte des Getreides, aller essbaren Kräuter und solcher, welche der Blumen oder des Geruchs wegen aus der Erde hervorkommen, vollständig durchgeführt. Hinter ihnen ist aber Pomona nicht zurückgelieben, denn sie hat selbst den hängenden Früchten Arzneikräfte verliehen, nicht da- mit zufrieden, die genannten Gewächse im Schatten der Bäume zu schützen und zu nähren, ja gleichsam entrüstet darüber, dass die, welche weiter vom Himmel entfernt sind und erst später in Gebrauch kamen, mehr Wirksamkeit besitzen sollten; da bekanntlich die Menschen sich An- fangs von den Bäumen ihre Nahrung holten und dadurch veranlasst wurden, den Himmel anzuschauen, auch jetzt noch ohne Feldfrüchte leben könnten. 2. In der That stattete sie den Weinstock vor allem mit Arzneikräften aus, obgleich sie ihm schon in dem Ompha- cium, der Oeuanthe und Massaris (von denen bereits die Rede war i) nicht wenig Annehmlichkeit und balsamischen Duft gegeben hatte. „Von mir, spricht sie, rührt grössten- theils die Annehmlichkeit des menschlichen Lebens her; ich schaffe Traubensaft, Oel, Palmen, so viele Arten Obst, ') Till XU. B. 60. und 61. Cap. Dreiundzwanzigstes Buch. X81 und alles diess nicht, wie die Erde, auf eine mühevolle Weise durch Pflügen mit Stieren, Dreschen auf Tennen, Zerkleinern zwischen Steinen, um endlich nach einer Reihe von Arbeiten verspeisbar zu sein! Nein, von mir kommt alles zubereitet; meine Erzeugnisse brauchen nicht müh- sam gebauet zu werden, sondern bieten sich von selbst dar, und fallen, wenn man sie nicht abnehmen will, auch so- gar ab." Sie bat auch mit sieh selbst gewetteifert und mehr zum Nutzen als zum Vergnügen geschaffen. 3. Die Blätter und Ranken des Weinstocks lindern mit Polenta Brustweh und Entzündungen, die Blätter allein mit kaltem Wasser die Hitze im Magen, mit Ger- stenmehl aber die Gliederkrankheiten. Die Ranken wer- den zerrieben aufgelegt, um alle Arten von Geschwulsten auszutrocknen; den Saft derselben gebraucht man inner- lich gegen Ruhr. Die Thränen des Weinstocks, welche eine Art Gummi sind, heilen mit Natron vermischt Schorf, Flechte und Krätze; wirken mit Oel ins Haar gestrichen haarvertilgend, noch besser aber bedient mau sich zu die- sem Zweck, sowie zur Vertreibung der Warzen, der durch Anzünden der grünen Weinreben ausschwitzenden Tropfen. Die Rauken dienen im Tranke gegen Blutspeien und gegen Ohnmächten der Frauen nach der Entbindung. Die Rinde des Weinstocks und die trocknen Blätter stillen das Bluten der Wunden und heilen die letztern zu. Der durch Stossen der frischen weissen Weinrebe") erhaltene Saft vertreibt die Flechte. Die Asche der jungen Schösslinge, Zweige und Trester heilen mit Essig die Beulen und andere Uebel des Afters, mit Rosenessenz, Raute und Essig Verren- kungen, Brandschäden und die geschwollene Milz. Auch wird sie ohne Oel mit Wein auf die Rose und durch Reiben wundgewordene Stellen gelegt, sowie zur Vertil- gung der Haare gebraucht. Ferner giebt mau für die ») 16. Cap. 182 Dreiundzwanzigstes Buch. Milz einen Trank aus Weinrebenasehe, welche mit etwas Essig versetzt worden ist, nämlich 2 Becher in lauwarmem Wasser, wobei der Patient sich auf die Seite, wo die Milz sitzt, legen muss. Selbst die Gabeln, mittelst deren der Weinstock emporkriecht, vertreiben, mit Wasser genommen, das öfter wiederkehrende Erbrechen. Die mit altem Fett vermischte Asche des Weinstocks ist gut gegen Geschwulste, reinigt die Fisteln und heilt sie bald, desgleichen die durch Erkältung entstandenen Nervenschmerzen und Con- tractionen, gequetschte Theile aber mit Oel, an den Kno- chen ausgewachsenes Fleisch mit Essig und Natron, Scor- pionstiche und Hundebisse mit Oel. Die Asche der Rinde allein ruft auf verbrannten Stellen die Haare wieder hervor. 4. Wie das Omphacium aus eben hervorsprossenden Trauben bereitet wird, haben wir bei den Salben i) mit- getheilt; jetzt wollen wir von seiner arzneilichen Anwen- pung reden. Es heilt die feuchten Geschwüre des Mundes, der Mandeln und Geschlechtstheile, macht klare Augen, hilft auch gegen rauhe Wangen, geschworne Augenwinkel. Nebelflecke, alle Arten triefender Geschwüre, verschrumpfte Narben und schleimig eiternde Knochen. Mit Honig oder Kosinenwein wirkt man seiner zu starken Kraft entgegen Ferner dient es gegen Ruhr, Blutspeien und Bräune. 5. Mit dem Omphacium ist die auf dem wilden Wein- stocke vorkommende Oenanthe, von der wir ebenfalls bei den Salben sprachen, verwandt. Die beste kommt in Syrien, besonders auf den Bergen von Antiochien und Laodicea an dem weissen Weinstocke vor; sie kühlt, zieht zusammen, wird auf Wunden und den Magen gelegt, hilft gegen Urinbeschwerden, Leberleiden, Kopfweh und Ruhr. Um den Ekel zu vertreiben, nimmt mau 1 Obolus schwer mit Essig. Sie trocknet fliessende Kopfwunden, wirkt sehr kräftig gegen Uebel an feuchten Stellen, daher auch gegen ») XIII. B. Dreiundzwanzigstes Buch. 183 Geschwüre im Muüde, an den Sehaamtheilen und am After mit Honig und Safran. Sie hemmt den Durchfall, heilt den Ausschlag auf den Wangeu und das Thränen der Augen, mit Wein die Schwäche im Magen und mit kaltem Wasser das Blutspeien. Ihre Asche benutzt man zu Augensalben, zur Reinigung der Geschwüre, gegen Nietnägel und das Fell auf dem Auge. Sie wird in einem Ofen so lange er- hitzt, als zum Brotbacken nothig ist. Die Massaris dient bloss als Parfüm; dergleichen Dinge sucht aber der mensch- liche Erfindungsgeist begierig auf und verleihet ihnen da- durch Werth. 6. Unter den reifen Trauben sind die schwarzen am strengsten, daher der daraus bereitete Wein auch weniger mundet; die weissen schmecken angenehmer, denn sie nehmen wegen ihrer Durchsichtigkeit die Luft leichter auf. Die frischen blähen den Magen und die Luftröhre auf, und verursachen Bauchgrimmen, daher ihr zu reichlicher Genuss bei Fiebern schadet, denn sie machen schläfrig und den Kopf schwer. Wenn sie nach dem Abpflücken längere Zeit in der Luft gehangen haben, sind sie weniger nachtheilig für den Magen und bekommen wegen ihrer Eigenschaft gelinde zu kühlen und die Appetitlosigkeit zu benehmen, selbst den Kranken gut. 7. Die in süssem Wein eingemachten Trauben nehmen den Kopf ein. Den aufgehäugten kommen die welche man in Spreu eingemacht hat, am nächsten, während die in den Trestern gelegenen für Kopf, Blase und Magen schäd- lich sind; doch hemmen sie den Durchfall und Blutaus- wurf. Noch schädlichere Eigenschaften besitzen die im Moste eingemachten, und ebendasselbe gilt von denen in eingekochtem Moste. Die Aerzte halten die in Regen- wasser aufbewahrtem für die gesundesten, wenn ihr Ge- schmack nicht besonders ist; ihre heilsame Wirkung zeigt sich besonders bei Magenbrennen, Bitterkeit der Leber, Erbrechen von Galle, Wassersucht und hitzigen Fieber- ;lg4 Dreiundzwanzigstes Buch. krankheiten. Die in Töpfen aufbewahrten aber schmecken angenehm und machen Appetit; doch hält man sie wegen der Ausdunstung der BeerenhUlsen für schwer verdaulich. Wenn man den Hühnern Weinblüthen unter das Futter mengt, so rühren sie die Trauben nicht an. 8. Die Stiele der Weinbeeren besitzen adstriugierende Eigenschaften, und sind in Töpfen aufbewahrt noch kräf- tiger. 9. Die Kerne der Beeren haben dieselbe Kraft. Von ihnen bekommt der Wein die Eigenschaft, Kopfweh zu er- zeugen. Geröstet und zerrieben sind sie ein gutes Magen- mittel. Das Mehl derselben wird, wie die Polenta, gegen Ruhr, Verstopfung und Magenschwiicbe unter das Getränk gemischt. Ein davon bereiteter Absud wird mit Erfolg zu Umschlägen gegen Schorf und Jucken angewandt. 10. Die Weiubeer hülsen schaden an und für sich dem Kopfe und der Blase weniger als die Kerne. Mit Salz zu- sammeugerieben gebraucht man sie mit Erfolg bei entzün- deten Brüsten, und ein' Absud davon wird innerlich und äusserlich gegen anthaltende Ruhr und Darmgicht gegeben. 11. Die Theriaktraube, von der wir gehörigen Orts geredet haben, wird gegen Schlangenbisse gegessen. Auch empfiehlt man, deren Ranken zu geniessen und aufzulegen; ferner soll der daraus bereitete Wein und Essig ganz die- selbe Kraft besitzen, 12. Die getrockneten Trauben, welche Rosinen^) heissen, würden den Magen, Unterleib und Eingeweiden schaden, wenn nicht die in ihnen befindlichen Kerne gerade ein Hülfsmittel dagegen wären- nach Entfernung letzterer wendet man sie bei Blasenbeschwerden und die weisse Art wider den Husten an. Sie sind ferner der Luftröhre und ') astaphis. Dreiundzwanzigstes Buch. X85 den Nieren zuträglicb, und der daraus gesottene Wen wirkt besonders kräftig gegen die Bisse der Blutschlangen. Auf entzündete Hoden legt man sie mit gestossenem Ross- kümmel oder Koriander; nach Entfernung der Kerne mit Raute auf Karbunkeln und kranke Glieder; Geschwüre muss man zuvor mit Wein bähen. Mit den Kernen dienen sie zur Heilung der Hitzblattern, Cerien und der Ruhr. In Oel gekocht werden sie mit Rettigschaleu und Honig auf den Krebs gelegt. Gegen Gicht und lose Nägel kauet man sie mit Panax, und zur Reinigung des Mundes und Kopfes mit Pfeffer. 13. Die wilde Astaphis oder Staphis'), welche Einige irrigerweise taminische Traube^) nennen (denn sie ist eine eigene Art mit schwarzen aufrechten Stengeln und der Labrusca ähnlichen Blättern), trägt grüne, den Kicher- erbsen ähnliche, eher den Kamen Kapseln als Beeren ver- dienende Früchte, in welchen sich dreieckige Samen befin- den. Die Früchte werden zur Zeit der Weinlese reif und sehen dann schwärzlich aus, während bekanntlich die Ta- minien rothe Beeren haben, jene an sonnigen, diese an schattigen Orten wachsen. Vor dem Gebrauch ihrer Beeren zum Abführen muss ich warnen, denn sie bewirken ge- fährliche Zusammenschnürungen; auch hüte man sich, den Schleim im Munde damit auszutrocknen, weil sie den Schlund angreifen. Zerrieben für sich, noch besser aber mit Realgar 3) angewandt, tödten. sie die Läuse auf dem Kopfe und an den übrigen Tlieilen des Körpers, vertrei- ben auch das Jucken und den Schorf. In Essig kocht man sie wider Zahnschmerzen, Ohrenübel, rheumatische Wunden und nasse Geschwüre. Die Blüthen werden zer- rieben mit Wein gegen Schlangenbisse eingenommen; den Samen dagegen möchte ich wegen seiner brennenden Schärfe nicht hiezu empfehlen. Einige nennen diese Pflanze ') Delphinium Staphisagria L. 2) S. das folgende Cap. ') Sandaracha, rother Schwefel arsenik. 186 Dreiundzwanzigstes Buch. auch Schleimkraut,!) und legen sie auf Schlangenbisse. 14. Auch die Labrusca^) trägt die oft genannte Oenanthe; jene, von den Griechen auch wilde Rebe genannt, hat dicke weissliche Blätter, Kniegelenke und eine rissige Rinde. Ihre kermesrothen Trauben reinigen die Haut und Flecken im Gesichte der Weiber, und der durch Zerstos- sen derselben sammt den Blättern erhaltene Saft zeigt sich heilsam bei Hüften- und Lendenleiden. Die in Was- ser gekochte und mit 2 Bechern coischen Weines genom- mene Wurzel entfernt die (überflüssige) Feuchtigkeit aus dem Leibe und wird daher den Wassersüchtigen gegeben. Ich halte diese Pflanze für die, welche man gemeinhin ta minische Traube nennt. Man bedient sich derselben als Amulet, auch gegen Blutspeien, doch nur als Gurgel- arznei, mit der Vorsicht, dass man nichts hinunterschlukt, und unter Zusatz von Thymian, Salz und Essigmeth. Ihre Anwendung als Abführmittel scheint bedenklich. 15. Es giebt eine der vorigen ähnliche Pflanze, welche zwischen Weidengebüsch wächst, und, da sie zu denselben Zwecken (wie die Weide) gebraucht wird, den Namen Salicastrum führt. Mit Essigmeth dient sie als wirk- sames Mittel wider Krätze und Grind bei Menschen und Säugethieren. 16. Die Vitis alba^) nennen die Griechen Ampeloleuce, Andere Ophiostaphylos, Melothrus, Psilothrus, Ar- chezostis, Cedrostis oder auch Madus. Ihre langen dünnen Ranken sind mit weit abstehenden Knoten ver- sehen und wachsen klimmend heran; die Blätter haben die Grösse der Epheublätter und dem gewöhnlichen Weinblät- tern ähnliche Einschnitte. Die Wurzel ist weiss, gross, fast dem Rettig gleich und schickt Spargel- ähnliche Stengel ') Pituitaria. ^) Vitis Labrusca L. Oder etwa Bryonia dioica L? 3) Bryonia cretica L. Dreiundzwanzigstes Buch. lg 7 aus. Letztere bewirken^ gekocht verspeist, Oefifnung und reichliches Harnen. Blätter und Stengel erregen Geschwüre am Körper; doch werden sie auf fressende Geschwüre, Krebs und übelriechende Beinwunden mit 8alz gelegt. Die Beeren bilden eine lockere hängende Traube und enthal- ten einen erst röthlichen, dann safraufarbigen Saft. Die Samen werden von den Lederbereitern benutzt; auch legt man sie auf Grind und Schorf, und ein mit Zusatz von Weizen daraus bereiteter Trank befördert die Secretiou der Milch. Die Wurzel steht ihrer zahlreichen nützlichen An- wendungen wegen sehr in Ruf; gegen Schlangenbiss giebt man 2 Drachmen derselben zerrieben im Tranke. Sie ver- bessert, in Oel gekocht, die Fehler der Haut im Gesichte, als Maale und Sommersprossen, sowie blaue Flecken und Narben. Denen, welche an Epilepsie, Geisteskrankheiten und am Schwindel leiden, reicht man ein ganzes Jahr hin- durch täglich einen aus einer Drachme Wurzel bereiteten Trank. In grösserer Gabe genossen reinigt sie die Sinne. Wie die Zaunrübe besitzt sie die vortreffliche Eigenschaft, mit Wasser aufgelegt zerbrochene Knochen herauszuziehen, und wird daher auch wohl weisse Zaunrübe 1) genannt. Eine andere, schwarze Art aber erweist sich mit Honig und Weihrauch zu demselben Zwecke noch wirksamer. Sie zertheilt junge Eitergeschwüre, reift und reinigt alte; be- fördert auch die monatliche Reinigung und die Harnent- leerung. Eine daraus bereitete Latwerge gebraucht man gegen Engbrüstigkeit. Seitenschmerzen, Verrenkungen und Brüche. Zu 3 Obolen 30 Tage lang im Getränk genommen verzehrt sie die Milz. Mit Feigen legt man sie auf die Finger, wenn sich die Haut mit Schmerz davon ablöst. Mit Wein aufgelegt zieht sie die Nachgeburt der Frauen, und zu 1 Drachme mit Wassermeth eingenommen, den Schleim hervor. Der Saft der Wurzel muss vor der Reife des Sommers gesammelt werden; für sich oder mit Erven auf- gelegt, schmückt er den Körper mit einer lebhaften Farbe *) Bryonia alba. Igg Dreiundzwanzigstes Buch. und macht die Haut zarter. Die Wurzel selbst dient, mit fleischigßn Feigen gestossen, zur Vertreibung der Runzeln, wenn man gleich darauf 2 Stadien weit geht; ausserdem brennt sie, wenn sie nicht mit kaltem Wasser abgewaschen wird. Noch besser ist zu diesem Zweck die schwarze Art, denn die weisse bewirkt Jucken auf der Haut. 17. Die Vitis nigra^), welche eigentlich Bryonia, oder auch Chirouia, Gyuäcanthe, Apronia genannt wird, ist also, ausgenommen in der Farbe, der vorigen ähnlich. Die jungen Schösslinge sind nach Diocles, zum Zweck der Urin- absonderung und Milzverminderung, eine noch wirksamere Speise als der wahre Spargel. Sie wächst meistentheils zwischen Gesträuchen und Schilf. Die aussen schwarze und innen buxbaumfarbige Wurzel zieht noch besser als die oben angeführte Knochen aus dem Körper. Ausserdem ist sie ein Specificum zur Heilung des Nackens beim Zugvieh. Wenn man sein Landhaus damit bepflanzt, so sollen sich die Habichte nicht nähern und das Plausgeflügel keiner Gefahr ausgesetzt sein. Man heilt auch damit durch An- binden beim Menschen und Zugvieh Schleim und Blut, welche bis zu den Fersen hinabgerounen sind. — Soweit von den Weinstöcken. 18. Der Most ist von Natur darin verschieden, dass er entweder schwarz oder weiss aussieht oder das Mittel zwischen beiden hält, dass man aus dem einen Wein, aus dem andern gekochten Most 2) bereitet. Die Kunst hat aber unzählige Unterschiede ins Leben gerufen, was wir hiemit ein für allemal ohne weitere Ausfülirung gesagt haben wollen. Alle Arten Most sind nicht gut für den Magen, den Adern hingegen zuträglich. Wird er nach dem Bade unmittelbar, ohne sich vorher etwas erholt zu haben, getrunken, so wirkt ') Bryonia alba L. ') passum. Dreiundzwanzigstes Buch. 189 er tödtlich. Den spanischen Fliegen, Schlangen, besonders den Blutschlangen und Salamandern ist er von Natur zu- wider. Er enegt Kopfweh und wirkt nicht gut auf den Hals, aber wohlthätig auf die Nieren, Leber und Blase. Er dient ferner wider den Buprestis >), das Meconium, die Gewinnung der Milch, Schierling, Lanzen- und andere Gifte, zu welchem Behuf er mit Oel getrunken und wieder ausgebrochen wird. Der weisse Most ist weniger kräftig, der eingesottene schmeckt angenehmer und macht weniger Kopfweh. li). Die vielen Arten des Weines und deren Eigenschaften haben wir schon ausführlich besprochen'-). Keine Materie ist wegen ihrer Reichhaltigkeit schwieriger zu behandeln, und dann kommt noch der bedenkliche Umstand hinzu, ob es mehr nütze als schade. Ueberdem lässt sich nicht so leicht entscheiden, ob sein Genuss Hülfe oder Gift dem Körper zufahrt (denn wir reden jetzt bloss von den medi- cinischen Wirkungen auf den Körper). Asclepiades hat ein eigens benanntes Buch über die Anwendung des Weines geschrieben; unzählig sind aber die, welche später über jenes verfasst wurden. Wir wollen nun mit römischer Ernsthaftigkeit und jeuer Vorliebe für die freien Künste nicht als Aerzte sondern als Richter über das menschliche Wohl das hieher Gehörige genau mittheilen. Von deu ein- zelnen Arten ausführlich zu handeln, würde bei den wider- sprechenden Ansichten der Aerzte eine unermessliche ja un- mögliche Arbeit sein, 20. Vor Alters nahmunter den Weinen der surrentinische, später der albanische oder falernische den ersten Rang ein. In der Folge zogen Einige diese, Andere jene Sorte vor, allein es muss höchst unbillig erscheinen, wenn Einer •) ein Insekt, dessen Gift die Kühe aufbläht. 2) Im XIV. Buche. 190 Dreiundzwanzigstes Buch. den Wein, welcher nach seiner Ansicht der beste ist, vor allen Uebrigen als solchen genommen wissen will. Gesetzt aber auch, die Meinungen stimmten überein, wie viele Menschen würden davon Gebrauch machen können? Jetzt gemessen schon nicht einmal die Reichen mehr reine Sorten. Es ist schon so weit gekommen, dass die blossen Namen aus den Kellern verkauft und die Weine schon in den Keltern ver- fälscht werden. Ja wahrlich, so wunderbar es klingt, so richtig ist es, je schlechter die Sorte desto reiner. Indessen scheinen doch die Arten, deren wir oben gedachten, stets obenan zu stehen. Um einen Unterschied anzugeben, so bemerken wir, dass der falernische weder zu jung noch zu alt gut bekommt, sein mittleres Alter beginnt mit dem fünfzehnten Jahre, und er darf weder zu kalt noch zu warm getrunken werden. Bei anhaltendem Husten und im vier- tägigen Fieber nimmt man ihn unvermischt nüchtern. Kein Wein erhitzt das Geblüt so sehr, als dieser. Er stillt den Durchfall und nährt. Man glaubt, er mache dunkle Augen, schade den Nerven und der Blase. Der albanische Wein ist den Nerven zuträglicher; die süssen Sorten passen nicht für den Magen, die herben aber sind besser als der faler- nische. Zur Verdauung eignen sie sich weniger, denn sie machen den Magen zu voll. Der surrentinische besitzt diese Nachtheile nicht, nimmt auch den Kopf nicht ein, und beugt den Rheumatismen des Magens und der Gedärme vor. Cä- cubischen Wein giebt es nicht mehr. 21. Der noch vorhandene setinische Wein hilft zur Ver- dauung der Speisen. Der surrentinische ist kräftiger, der albanische herber und der falernische schwächer; letzterm kommt der statanische am nächsten. Der signinische wird zweckmässig gegen den Durchfall getrunken. 22. Die übrigen Weine wollen wir insgesammt abhandeln. Der Wein verschafft den Menschen Kräfte, Blut und eine gesunde Farbe. Hiedurch unterscheidet sich auch der mittlere Theil des Erdkreises und die mildere Zone von den an- Dreiundswanzigstes Buch. J91 grenzenden; was den Bewohnern der letztern Länder die Rauheit des Klimas an Kräften verleihet, das giebt uns jener Saft. Die Milch ernährt die Knochen, die Feldfrucht die Nerven und das Wasser das Fleisch; daher besitzt der Körper jener Menschen weniger Röthe, weniger Stärke und weniger Ausdauer im Arbeiten. Durch massigen Genuss des Weines werden die Nerven und Augen gestärkt, durch allzureichen geschwächt. Der Magen wird dadurch erquickt Appetit erregt, Traurigkeit und Sorge verscheucht, Harn und Kälte ausgetrieben und Schlaf hervorgerufen. Ferner stillt er das Brechen, und vertreibt, äusserlich mit Wolle auf- gelegt, die Flüsse. Asclepiades sagt, der Nutzen des Weines könne beinahe der göttlichen Macht gleich geachtet werden. Alter Wein wird mit viel Wasser vermischt und wirkt mehr harntreibend, stillt aber den Durst nicht so gut. Der süsse berauscht weniger, bleibt aber länger im Magen, während der herbe leichter verdauet wird. Am leichtesten ist der, welcher am schnellsten alt wird. Der durchs Alter süss werdende greift die Nerven nicht sehr an. Der fette dunkle ist nicht gut für den Magen, nährt aber besser; der dünne herbe nährt weniger, bekommt aber dem Magen wohl. Je schneller er durch den Harn wieder abgeht, um so mehr nimmt er den Kopf ein, — was, wie ich hier ein für allemal bemerkt haben will, gleichfalls von einem jeden andei-n Safte gilt. Im Rauche alt gewordener Wein ist höchst un- gesund. Die Weinhändler haben diese Erfahrung i) in ihren Vorrathskellern gemacht; auch schon die Familienväter wissen dem schimmlig gewordenen künstlich ein gewisses Alter zu ertheilen. Die Alten sind uns hiebei mit gutem Rathe voran gegangen, denn sie fanden, dass der Rauch den Schimmel im Holze zerstört; wir aber lassen uns bereden, dass der Wein durch die Bitterkeit des Rauches an Alter gewinne. Sehr blasse Weine werden durch langes Liegen ungesund. Je edler der Wein ist, um so dicker wird er durchs Alter, ')' nämlich, den Wein durch Rauch zu behandeln. 2^2 Dreiundzwanzigstes Buch. und zugleich nimmt er eine dem Körper wenig zusagende Bitterkeit an. Es taugt niclit, einen jungem Wein damit zu versetzen. Bei einer jeden Sorte Wein ist der ihm eigene natürliche Geschmack am unschädlichsteu, und das mittlere Alter am besten. 23. Wer am Körper zunehmen oder Oeffnung haben will, muss den Wein während des Essens trinken; um das Gegen- theil zu bemerken, trinke man ihn erst nach der Mahlzeit und massig. Aber, wie man ganz neuerlich angefangen hat, den Wein nüchtern zu trinken, ist für die, welche mit Sorg- falt und aufgewecktem Geiste an ihre Geschäfte gehen wollen, ganz unzuträglich; dass jene Helena bei Homer ihn vor der Tafel reichte, hatte offenbar den Zweck, Schlaf und Sorglosigkeit zu bewirken. So ist denn das Sprichwort ent- standen, der Wein verdunkle die Weisheit. Dem Weine haben wir Menschen es zu danken, dass wir unter allen lebenden Geschöpfen allein trinken, ohne durstig zu sein. Es ist sehr gut, zwischen dem Weine Wasser, oder auch beide vermischt zu trinken; auch vertreibt ein Trunk kalten Wassers sofort den Rausch. Hesiodus empfiehlt, 20 Tage vor und ebenso- lange nach dem Aufgange des Hundsterns reinen Wein zu trinken. Der reine Wein ist ein Hülfsmittel wider Schier- ling, Coriander, Aconitum, Viscum, Meconium, Quecksilber, Bienen, Wespen, Hornisse, Spinneu, Schlangen, Scorpione und alles, was durch Erkältung schadet, namentlich wider Hämorrboiden-Schlangen, Brennschlangeni) und Pilze; ferner gegen Blähungen und nagenden Schmerz in der Brust, Nei- gung zum Erbrechen und Flüsse im Leibe. Unversetzter Wein dient weiter gegen Ruhr, starkes Schwitzen, anhal- tenden Husten und Augenflüsse; gegen Herzkrankheiten legt man einen damit getränkten Schwamm auf die linke Brust. Zu allen diesen Zwecken verdient alter weisser Wein den Vorzug. Das männliche Glied der Zugthiere wäscht ') presteres, deren Biss brennenden Durst verursacht. Dreiundzwanzigstes Buch. 193 man zweckmässig mit warmem Weine; giesst man ihnen davon mittelst eines Hornes ein, so sollen sie wieder munter nnd kräftig werden. Affen und andere Vierhänder sollen, wenn sie öfters Wein trinken, nicht wachsen. 24. Nun wollen wir von dem Weine in Bezug auf die Krankheiten handeln. Dem frei Geborenen ist jede leichte campanische Sorte, dem niedern Volke aber jede kräftige Sorte am zuträglichsten. Allen bekommt derjenige am besten , dessen Kräfte durch ein Säckchen gebrochen sind. Wir müssen bedenken, dass der Wein eine Flüssigkeit ist, welche durch Gährung die Kräfte des Mostes sich angeeignet hat. Ein Gemisch aus mehreren Sorten kann niemals ge- sund sein. Am heilsamsten ist der Wein, dessen Most keinen Zusatz bekommen hat, und dessen Gefäss kein Pech ent- hält, denn, sollte nicht selbst der Gesunde vor einem Weine erschrecken, der mit Marmor, Gyps oder Kalk versetzt ist? Ganz besonders erweist sich der mit Seewasser vermischte Wein ungesund für Magen, Nerven und Blase. Die Harz enthaltenden sollen für Kälte im Magen gut sein aber Denen, welche leicht brechen, ebenso wenig helfen wie Most, eingesottener Wein und Rosinenwein. Junger mit Harz zugerichteter Wein bekommt Niemandem gut, macht Kopfweh und Schwindel und ist die Ursache, dass man den Rausch mit dem Worte crapula^) bezeichnet. Für Plusten, Rheumatismus, Verstopfung, Ruhr und monatliche Reinigung w'endet man die genannten Sorten mit Nutzen au, und unter ihnen erweist sich der rothe oder schwarze mehr befestigend und erwärmend. Am unschuldigsten ist der mit Pecli, d. h. geschmolzenem und gebranntem Plarz, zugerichtete Wein, denn er wirkt erwärmend, verdauend, reinigend für die Brust, den Unterleib, Schmerzen in der Gebärmutter, weun kein Fieber vorhanden ist, für andauernden Rheumatismus, Geschwüre, zerrissene, eitrige und verrenkte Theile, schwache Nerven, Blähungen, Husten und schweren Athem, weun man ^) von xuQCi Kopf und naXXio zittern. Wittstein Plinius. IV. Bd. 194 Dreiundzwanzigstes Buch. ihn mit frisch geschorner Wolle auflegt. Noch empfehlender für diese Uehel ist diejenige Sorte, welche schon von Natur Pech enthält und Pechwein genannt wird. Doch nimmt der blassrothe, in zu reichlichem Maasse genossen, den Kopf ein. Bei Fieber darf er nur alten Leuten und wenn die Krank- heit in der Abnahme begriffen ist, gegeben werden. In acuten Krankheiten nur Denen, welche (Fieber)-freie Perio- den haben, denn die Gefahr ist nur halb so gross, wenn sie ihn des Nachts d. h. in der Hoffnung, dass Schlaf ein- trete,nehmen; ferner nicht: den Wöchnerinnen, den aus Geil- heit Kranken, den an Kopfweh Leidenden, Denen, deren Anfälle mit Kälte der Extremitäten beginnen, beim Husten in Fiebern, beim Zittern und Nerven- oder Schlundscbmerzen oder wenn dieser Zustand bedenklich erscheint; nicht bei Brustverhärtung, Entzündung der Adern, Rückgratkrampf, Schlucken und schwerem Athmen während des Fiebers. Eben- sowenig bei starrenden Augen, steifen, schv/achen und schweren Wangen, wenn die Augenlider geschlossen, aber die Augen doch sichtbar sind, wenn die Augenlider sich gar nicht sehliessen, auch, wenn diess während des Schlafes stattfindet, wenn die Augen mit Blut unterlaufen oder voll Eiter sind; wenn die Zunge schwammig ist und das Sprechen nur schwer und zuweilen unvollständig von Statten geht; bei schwerem Harnen, plötzlichem Erschrecken, Zuckungen und darauf folgendem Erstarren und Abgange des Samens im Schlafe 25. Es ist ausgemacht, dass die Herzkranken ihre einzige Hoffnung im Weine finden. Einige meinen, man müsse ihn nur beim Anfalle, Andere, man müsse ihn nur in der freien Zeit reichen; Jene beabsichtigen damit den Seh weiss zu mindern, diese halten die Kur für wirksamer, wenn die Krankheit den heftigen Charakter verloren hat, und diess scheint die allgemeinste Ansicht zu sein. Er darf auch nicht anders als mit Speisen gegeben werden, nicht nach dem Schlafe, nicht wenn man schon etwas Anderes getrunken hat, d. h. beim Durst, und nur in der äussersten Noth; auch eher einem Manne als einer Frau, eher einem Greise als Dreiiindzwanzigstes Bucb. I95 einem Jünglinge, eher einem Jünglinge als einem Knaben, eher im Winter als im Sommer, eher Denen, die daran ge- wöhnt sind als Anderen. Die Dosis richtet sich nach der Stärke und Mischung des Weines, gewöhnlich mischt man zu einem Becher Wein zwei Becher Wasser. Man muss ihn geben, wenn der Magen schwach ist und die Speisen nicht hinabgehen wollen. 26. , Von denjenigen Wein Sorten, welche, wie ich schon früher sagte ^), künstlich dargestellt, jetzt aber, wie ich glaube, nicht mehr bereitet werden, will ich noch den (nun überflüssigen) Nutzen und die Bestandtheile, welche zu ihrer Darstellung dienen, mittheilen. Die Aerzte gingen hiebei in ihrer Prahlerei zu weit, denn sie sagten, Wein aus Rüben sei gut für die durch Waffenübuug und Reiten herbeigeführte Müdigkeit, ebenso, um nur noch Eines zn erwähnen, der Wachholderweiu. Wer möchte es aber wohl für besser halten, lieber den Wermuthwein als den Wermuth zu gebrauchen? Unter andern wollen wir auch den Palmwein übergehen, welcher dem Kopfe schadet und bloss einigen Werth bei hartem Stuhlgang und beim Blutspeien hat. Der sogenannte Lebenswein kann nicht zu den künstlichen gerechnet wer- den, denn bei ihm kommt statt der Kunst nur die Eile in Betracht. Er hilft für Schwäche des Magens oder für Un- verdaulichkeit, bei Schwängern, Ohnmächtigen, Lahmen, Zit- ternden, bei Schwindel, Bauchgrimmen und Hüftsschmerzen. Auch bei Seuchen und auf Wanderungen soll er sich äusserst wirksam zeigen. 27. Auch der verdorbene Wein 2) gehört zu den Heilmitteln. Der Essig wirkt hauptsächlich kühlend und zertheilend, daher das Schäumen, wenn man ihn auf die Efrde giesst^). Wir haben seiner schon oft gedacht, und werden ihn, so oft er mit andern Dingen angewandt wird, noch nennen. 1) Im XIV. ß. 19. Cap. '■^) Vitium vini. ^) cl. h. eine Erde, welche kohlensaure Verbin- dungen enthält. 13* ^(jß Dreiundzwanzigstes Buch. Für sich genommen vertreibt er den Ekel, das Schlucken, und daran gerochen, das Niesen. Während des Bades im Munde gehalten, mässigt er die Hitze. Man trinkt ihn auch mit Wasser. Er ist ein zweckmässiges Gurgelmittel für den Magen, fördert die Wiedergenesung, kühlt die Sonnenhitze und stärkt die Augen. Innerlich genommen heilt er die Stiche der Blutigel, die Krätze, Schuppen auf der Haut, fliessende Geschwüre, Hundsbisse, Stiche der Skorpione, Skolopender, Spitzmäuse und anderer giftigen Stachelthieve, das danach folgende Jucken sowie den Biss des Vielfusses. Zur Heilung des kranken Afters thut man zu drei Sextaiien Essig einen Sextarius Schwefel oder ein Büschel Hyssop und legt in einem Schwämme auf; bei Blutflüssen nach dem Steinschnitt und in allen andern Fällen legt man ihn äusser- lich in einem Schwämme auf und trinkt zwei Becher von der schärfsten Sorte. Ferner zertheilt er geronnenes Blut, heilt innerlich und äusserlich angewandt die Flechte, stillt ein- genommen den Durchfall, Bauchfluss, und verhindert das Austreten des Mastdarmes und der Gebärmutter. Er ver- treibt anhaltenden Husten, Ausflüsse des Schlundes, Eng- brüstigkeit und befestigt lose Zähne. Bei Schwäche der Blase und Nerven ist er schädlich. Seine Heilkraft wider die Giftschlangen blieb den Aerzten bis jetzt unbekannt. Vor Kurzem trat Jemand, der einen Schlauch voll Essig trug, auf eine Schlange und wurde von ihr gebissen; so oft er nun den Schlauch ablegte, fühlte er den Biss, nahm er ihn wieder auf, so war es ihm, als sei er nicht gebissen, und hiedurch kam man auf den Gedanken, in solchem Falle Essig als Hülfsmittel zu trinken. Diejenigen, welche Gift aussaugen, spülen mit nichts anderm als mit Essig den Mund aus. Ueberkaupt besitzt der Essig die Kraft, nicht nur die Speisen, sondern auch andere Dinge zu bändigen. Fels- stücke, die nicht durch Feuer bezwungen werden können zerkleinert er. Keine andere Flüssigkeit macht die Speisen schmackhafter und pikanter, zu welchem Zwecke er durch gebranntes Brot oder Wein geschwächt, oder durch Pfeffer und Laser geschärft wird. Auch Salz macht ihn gelinder. Dreiundzwanzigstes Buch. 197 Hiebei können wir nicht umhin, ein merkwürdiges Faktum mitzutlieilen. M. Agrippa litt nämlich in seinen letzten Lebens- jahren sehr heftig an der Fussgieht, und da der Schmerz zu sehr überhand nahm, steckte er auf den Eath eines seiner Aerzte und ohne Wissen des Augustus, die Beine in warmen Essig, indem er lieber den Gebrauch und die Empfindung seiner Füsse aufgeben, als die Qualen länger erdulden wollte. 28. Der Meerzwiebelessig nimmt mit dem Alter an Güte zu. Ausser in den vorgenannten Fällen ist er gut für sauer- werdende Speisen (denn sein Genuss hebt die nachtheilige Wirkung derselben) und für Personen, welche sich nüchtern erbrechen, denn er macht den Schlund und Magen weniger reizbar; vertreibt ferner den üblen Geruch aus dem Munde, stärkt das Zahnfleisch, befestigt die Zähne und verleihet eine bessere Hautfarbe. Als Gurgelwasser angewandt, reinigt er die Ohren und öffnet die Gehörgange. Er schärft auch das Gesicht, ist gut für Epilepsie, Melancholie, Schwindel, Zusammenschnürungen der Gebärmutter, Geschlagene und Gefallene bei denen das Blut geronnen ist, schwache Nerven und kranke Niereu. Bei Eiterwunden darf man ihn nicht gebrauchen. 29. Den Sauerhonig bereiteten, wie Dieuches berichtet, die Alten auf folgende Weise: 10 Minen Honig, 5 Heminä alten Essig und I1/4 Pfund Seesalz kochten sie mit 5 Sex- tarien Seewasser in einem Kessel zehnmal auf, gössen aus und Hessen längere Zeit stehen. Asclepiades verwarf diese Zubereitung gänzlich, denn man gab sie auch bei Fiebern. Doch soll der Sauerhonig gegen die Art von Schlangen, welche Sepae heissen, gegen Meconium undViscum, gegen Bräune warm damit gegurgelt, gegen Ohren-, Mund- und Schlundweh gute Dienste geleistet haben, welche Uebel alle jetzt mit Salzbrühe, die am kräftigsten aus frischem Essig und Salz ist, behandelt werden. 30. Dem Weine verwandt ist die Sapa, ein bis zum dritten 19b DreiuiidzAvanzigstes Buch. Theile eingekochter Most. Der von weissen Trauben bereitete bat den Vorzug. Man gebraucht ihn wider die Cantbariden, Buprestisi), die Ficbtenraupen, welche Pityo- campä^) heissen, die Salamander und andern giftig beissen- den Tbiere. Mit Zwiebel eingenommen treibt er todte Leibesfrüchte und unzeitige Geburten ab. Fabianus sagt, er wirke giftig, wenn er nüchtern nach dem Bade getrunken würde. 31. Hierauf lassen wir die Weinhefe folgen, die je nach der Beschaffenheit des Weines verschieden ist. Sie besitzt eine solche Kraft, dass Die, welche in die Fässer steigen, davon getödtet werden^). Man steckt daher zuvor ein bren- nendes Licht hinein, welches, so lange es noch verlöscht, Gefahr anzeigt. Man mischt die Weinhefe ungewaschen unter die Arzneien, Mit gleichen Theilen Violenwurzel legt man sie auf Schleimflüsse, trocken oder feucht wider Erd- spinnen, entzündete Hoden und Brüste, oder auch andere körperliche Uebel. Ferner wird sie mit Gerstenmehl, Weih- rauchstaub und Wein gekocht, eingetrocknet und gebrannt. Ob sie gehörig gekocht ist, erkennt man daran, dass sie nach dem Erkalten auf die Zunge gebracht ein gewisses Brennen verursacht. Nicht sorgfältig verschlossen verliert sie bald ihre Kraft. Durchs Brennen wird ihre Wirksam- keit erhöht. Mit Feigen gekocht heilt sie die Flechten und Hautschuppen vortrefflich; auch auf Schorf und nasse Ge- schwüre wird sie mit Erfolg gelegt. Als Getränk oder noch besser roh genommen vernichtet sie die giftige Wirkung der Pilze. Augenmitteln setzt man sie gekocht und gewaschen zu. Aufgelegt heilt sie kranke Geschlechtstheile, mit Wein getrunken die Harnstrenge. Auch dann, wenn sie ausge- dunstet hat, dient sie noch zum Waschen des Körpers und der Kleider, und wird dann wie der Acaciensaft gebraucht. ') Ein Insekt, welches die Kühe sticht und aufblähet. ^) von TtiTvg Fichte und xafin?] Raupe. 3) Das Tödtliche ist das in den Fässern verbreitete kohlen- saure Gas. Dreiundzwanzigstes Buch. 199 32. Die Essighefe muss ihrer Natur nach schärfer sein und mehr zum Schwären wirken. Aufgelegt hemmt sie das zu starke Eitern und wirkt wohlthätig auf den Magen, die Eingeweide und den Unterleib, stillt auch die Flüsse dieser Theile und die (zu starke) monatliche Reinigung. Sie ver- theilt mit Wachs vermischt die noch nicht schwärenden Ge- schwulste, die Halsdrüsen und die Rose. Brüste, welche zu viel Milch enthalten, heilt sie, und schadhafte Nägel nimmt sie weg. Wider die Hornschlangeu ist sie in Verbindung mit Polenta, wider die Bisse des Krokodils und Hundes mit schwarzem Kümmel am kräftigsten. Durch Brennen (Rösten) wird ihre Wirkung gleichfalls verstärkt; streicht man sie ^ so vorbereitet mit Mastixöl in die Haare, so färbt sie dieselben in einer Nacht roth, und mit Wasser in einem Läppchen aufgelegt reinigt sie die weibliche Schaam. 33. Mit Hefe von gekochtem Moste heilt man, am besten unter Zusatz von Schilfwolle, Brandschäden, und mit einem Absude derselben innerlich anhaltenden Husten. Man kocht sie auch mit Salz und Fett und legt sie auf geseh wollene Kinnladen und Nacken. 34. Die nächste Beachtung verdienen nun billigerweise die Oelbäume. Ihre Blätter ziehen ausserordentlich zusam- men, reinigen und stopfen. Daher werden sie zur Heilung von Geschwüren gekauet und gegen Kopfweh mit Oel auf- gelegt. Ein Absud derselben mit Honig versetzt heilt die Theile, welche die Aerzte gebrannt haben, auch Entzündungen des Zahnfleisches, Nietnägel, schmutzige und faule Geschwüre, und verhindert den Blutfluss aus nervösen Theilen. Der Saft der Blätter zeigt sich wirksam bei feurigen Geschwüren um die Augen, Bläschen und Vortreten der Pupille, daher er den Augensalben hinzugesetzt wird; heilt auch anhaltendes Thränen der Augen und zernagte Wangen. Man bereitet den Saft durch Zerstossen der Blätter unter Zusatz von Wein und Regenwaser, Auspressen, Eintrocknen der Flüssigkeit 200 Dreiundzwanzigstes Buch. und Formen zu Ktigelchen. In Wolle der weibliehen Schaam angebunden hemmt er den (zu starken) Mouatsfluss, heilt ferner eitrige Wunden, Geschwulste am After, die Rose, um- sichfressende Greschwtire und bösartige Blattern. 35. Die Blüthen des Oelbaums besitzen dieselben Wir- kungen. Man verbrennt sie sammt ihren Stielen und bedient sieh der Asche anstatt des Hütteurauchs i); diese übergiesst man auch mit Wein und brennt sie abermals. Mit dieser Asche nun, oder auch mit den mit Honig angestossenen Blättern belegt man eiternde und geschwollene Theile, in Verbindung mit Polenta aber die Augen. Der von einem frischen angezündeten Oelstrauche tröpfelnde Saft heilt Flechten, Schuppen auf der Haut und feuchte Geschwüre. Aber wundern muss ich mich sehr darüber, dass Einige die Thränen, welche aus dem Baume selbst, namentlich der äthiopischen Art, fliessen, an schmerzende Zähne zu legen empfohlen haben, da sie doch sagen, sie seien ein Gift, was auch der wilde Oelbaum enthalte. Die von der Wurzel eines noch ganz jungen Oelbaums abgeschälte Rinde heilt, oft mit Honig gegessen, das Blutspeien und den Auswurf von Eiter. Die mit Fett vermischte Asche des Holzes zieht aus Fisteln die Unreinigkeiten und heilt diese sowie auch Geschwülste. 36. Die weissen Oliven sind gut für den Magen, aber nachtheilig für den Unterleib. Frisch vor dem Einmachen genossen besitzen sie vortreffliche Wirkung, denn sie heilen den griesigen Harn und die durch das Kauen des Fleisches abgeriebenen und lose gewordenen Zähne. Die schwarzen Oliven bekommen dem Unterleibe besser als dem Magen, taugen auch nicht für den Kopf und die Augen. Beide legt man in zerriebenem Zustande mit Nutzen auf Brandwunden. Wenn man die schwarzen kauet und unmittelbar aus dem ») spodium s. XXXIV. B. 34. Cap. Dreiundzwanzigstes Buch. 201 Munde genommen applicirt, entstehen keine Blasen. Ein- gemachte Oliven!) reinigen schmutzige Geschwüre, dürfen aber bei Harnstrenge nicht angewandt werden. 37. Es könnte scheinen, dass ich, auf Cato's Autorität ge- stützt, den Oelsatz2) bereits hinreichend besprochen hätte; allein auch seine medicinischeu Kräfte verdienen erwähnt zu werden. Er ist ein vortrefi"liches Mittel für das Zahn- fleisch, Mundgeschwüre und zum Befestigen der Zähne, desgleichen für Rothlauf und um sich fressende Geschwüre. Für Frostbeulen, sowie für Bähungen bei Kindern eignet sich der Oelsatz von schwarzen Oliven besser; der von weissen gewonnene wird mit Wolle auf die weibliche Schaam gelegt. Aller Oelsatz ist aber im eingekochten Zustande kräftiger; das Einkochen selbst geschieht in einem kupfernen Gefässe und wird bis zur Honigdicke fortgesetzt. Mit Essig, altem Wein oder Most dient er, je nach Erforderuiss zur Heilung des Mundes, der Zähne, Ohren, eiternder Geschwüre, der Geschlechtstheile und der aufge- sprungenen Haut. Auf Wunden legt man ihn mit Leinwand, auf verrenkte Stellen mit Wolle; auch wenn er sehr alt ist, leistet er noch sehr gute Dienste, namentlich bei Fisteln als Aufguss bei Geschwüren am After, an männlichen und weiblichen Geschlechtstheilen, aufgestrichen bei anfangendem Podagra und Gliederkraukheiten. Mit Omphacium zur Honig- dicke eingekocht, besitzt er die Eigenschaft, lose Zähne heraus- zuziehen, und mit Wolfsbohnen und Chamäleonkraut gekocht, die Käude des Hornviehs zu heilen. Den rohen Oelsatz wendet man auch zweckmässig zu Bähungen beim Podagra an. 38. Die Blätter des wilden Oelbaums besitzen ähnliche Eigenschaften. Die aus den Stielen bereitete Asche hilft gegen Rheumatismus, Augenentzündungen, reinigt Geschwüre, füllt leergewordene Stellen wieder aus, ätzt sanft das wilde Fleisch, trocknet und heilt Wunden. Im Uebrigen gilt hier dasselbe, was bei den (zahmen) Oelbäumen gesagt worden ') calymbades. '*) amurca. 202 Dreiundzwanzigstes Buch. ist. Die Blätter des wilden zeichnen sich noch dadurch aus, dass sie mit Honig gekocht und löffelweise genommen ein gutes Mittel gegen Blutspeien sind. Das Oel aber ist schärfer und wirksamer; zum Befestigen der Zähne spült man den Mund damit aus. Mit Wein legt man die Blätter auf Nagelgeschwüre, Hitzblattern und alle Arten von Saft- ansammhmgen, mit Honig auf Stellen, welche gereinigt werden sollen. Den Absud der Blätter und den Saft des Baumes setzt man den Augenmitteln zu, tröpfelt ihn ferner mit Honig in die Ohren, namentlich wenn aus denselben Eiter fliesst. Die Blüthe des Baums schlägt man auf Ge- schwulste und schnell ausbrechende Hitzblattern, mit Gersten- mehl auf den Unterleib bei Rheumatismus, mit Oel auf den Kopf bei Kopfweh. Wenn die Haut auf dem Kopfe sich von der Hiinschaale ablöst, schlägt man einen Absud der Stiele mit Honig über. Die reife Frucht wird gegen Diarrhoe ge- gessen; geröstet und mit Honig vermischt, reinigt sie fres- sende Geschwüre und öffnet die Hitzblattern. 39. Von dem Oele und seinen Kräften habe ich bereits genügend gesprochen. Zum medicinischen Gebrauche eignet sich das Omphaeiumi) am besten, dann folgt das grüne; übrigens muss es möglichst frisch (es sei denn, dass man es ausdrücklich recht alt verlaugt), dünn, wohlriechend und milde (ganz entgegengesetzt dem zu Speisen dienenden) sein. Das Omphacium ist gut für das Zahnfleisch. Im Munde gehalten, conservirt es die (weisse) Farbe der Zähne mehr als jedes andere Mittel; vermindert auch den Schweiss. 40. Das Oel aus den Trauben des wilden Wein- stocks^) besitzt dieselbe Wirksamkeit wie das Rosenöl. Eine jede Art von Oel erweicht den Leib, macht munter und stark, ist aber dem Magen nicht dienlich. Es vergrössert die Geschwüre, bewirkt Rauhigkeit des Halses; schwächt die Wirkung aller Gifte, besonders des Bleiweisses und ') Oel aus unreifen Oliven. 2) oenantliinum. Dieiundzwanzigstes Buch. 203 Gypses, wenn es mit Wassermeth oder einem Absud trockener Feigen, des Meconiums, der Cantbaviden, Rinderbremsen, Salamander und Fichtenraupen, wenn es mit Wasser ein- genommen wird; für sich genommen und wieder ausge- brochen hat es dieselben Wirkungen. Auch bei Schlaffheit der Glieder und Erkältung tbut es gute Dienste. Zu sechs Bechern warm getrunken und noch mehr, wenu es mit Raute gesotten ist, vertreibt es das Bauchgrimmen und die Würmer. Eine Hemina voll mit Wein und Wasser oder Ptisane getrunken, bewirkt Stuhlgang. Auch dient es zu Mundpflastern und reinigt das Gesicht. Den Ochsen in die Nasenlöcher gegossen, bis sie aufstossen, befreiet es sie von Blähungen. Altes Oel aber erwärmt den Körper und ver- theilt den Schweiss mehr. Verhärtungen werden dadurch vertheilt. Schlaf süchtige ermuntert und die Krankheits-Krisen beschleunigt. Mit gleichen Theilen ungeräuchertem Honig i) vermehrt es die Klarheit der Augen. Mit Wasser dient es gegen Kopfweh und Fieberhitze. Steht kein altes Oel zu Gebote, so koche man neues; es erhält dadurch die Eigen- schaften des alten. 41. Das CiciöP) trinkt man mit gleichen Theilen warmen Wassers zum Abführen; namentlich aber soll es das Zwerchfell reinigen. Auch hilft es bei Gliederkrankheiten, allen Arten von Verhärtungen, bei Krankheiten der weiblichen Schaam, der Ohren , bei Brandwunden, in Verbindung mit der Asche der Stachelschnecke aber bei Entzündung des Afters und bei Krätze. Es verbessert die Farbe der H^ut und bewirkt, dass auf Glatzen das Haar wieder wächst. Den Samen, woraus es bereitet wird, rührt kein Thier an. Aus den Trauben macht man hellbrennende Lampendochte. Das Oel selbst aber giebt wegen seiner zu grossen Fettig- keit nur ein dunkles Licht. Die Blätter legt man frisch auf Brüste und Augenflüsse, mit Essig auf die Rose, in •) mel acapnon, Honig der ohne (Vertreibung der Bienen durch) Rauch aus den Waben genommen ist. 2) "Vom Cicibaume (Ricinus communis) s. XV. B. 7. Cap. 204 Dreiundzwanzigstes Buch, Wein gekocht mit Zusatz von Gerstengraupen und Safran auf entzündete Tbeile. Für sieh drei Tage lang aufs Gesicht gelegt, reinigen sie dasselbe. 42. Das Mandelöl reinigt, erweicht den Körper, glättet die Haut, verleihet ihr ein gefälliges Ansehn, und nimmt mit Zusatz von Honig die Flecken aus dem Gesichte. Mit Kosenöl, Honig und Granatapfelkernen gekocht, tödtet es die kleinen Würmer in den Ohren, vertreibt Schwer- hörigkeit, Summen und Klingen in denselben , und gleich- zeitig damit Kopf- und Augenweh. Mit Wachs heilt es entzündliche Geschwüre und von der Sonne verbrannte Stellen. Mit Wein reinigt es eiternde Geschwüre und die Haut von Schuppen, mit Steinklee Aftergeschwüre. Für sich auf den Kopf gestrichen, führt es Schlaf herbei. 43. Das Lorbeeröl ist je frischer und grüner, um so besser. Es besitzt erwärmende Eigenschaften, wird daher bei Lähmungen, Krämpfen, Hüftweh, Contusiouen, Kopfweh, anhaltendem Katarrh, Ohrenweh in einer Granatschale warm aufgelegt. 44. Aehnlich verhält sich das Myrtenöl; es zieht zusammen, verhärtet, heilt mit Kupferschlacken und Honig angewandt Zahnfleisch, Zahnweh, Dysenterie, Geschwüre der weiblichen Schaam, Blasenleiden, alte und eiternde Geschwüre, Aus- schlag und Brandübel. Eingerieben vertreibt es die Schuppen und Sprünge auf der Haut, Aftergeschwüre, Verrenkungen, und übelriechende Leibesausdünstungen. Es wirkt den Canthariden, Rindsbremsen und anderen, durch Ausseh wären schadenden Giften entgegen. 45. Das Zwerg- oder SpitzmyrteuölO besitzt dieselben Kräfte, ebenso das Cypressenöl und CitronenöL Das Oel der luglans, welches ich Nussöl genannt habe, erweist •) Chamaemyrsine sive oxymyrsine, s. XV. B. 7. Cap. Dreiundzwanzigstes Buch. 205 sich wirksam bei Glatzen, Schwerhörigkeit und Kopfweh, zeigt aber ausserdem wenig Wirkung, schmeckt unangenehm, und enthielte]! die Kerne, woraus es bereitet ist, faule Theile, so nützt es gar nichts. Das Gnideröl reihet sich an das Ciciöl. Das Mastix öl ist ein vorzügliches Mittel gegen Müdigkeit; dem Rosenöle steht es nur darin nach, dass es sich etwas härter (weniger geschmeidig) erweist. Man gebraucht es ferner wider starke Schweisse und die daraus entstehenden Blattern. Die Räude des Rindviehs wird dadurch vollkommen vertrieben. Dattelnöl reinigt die Flecken im Gesichte, Hitzblatteru, Sommersprossen und das Zahnfleisch. 46. Was der C^'prus ist und wie mau daraus ein Oel bereitet, habe ich bereits mitgetheilt.i) Es hat die Eigen- schaft zu erwärmen und die Sehnen zu erweichen. Die Blätter legt man auf die Magengegend und mit dem Safte bestreicht man die entzündete weibliche Schaam, Frische, gekauete Blätter heilen die feuchten Geschwüre auf dem Kopfe und am Munde , auch die Zusammenhäufungen von Säften und die Aftergeschwüre. Eine Abkochung der Blätter ist gut für Brandwunden und Verrenkungen. Werden die Blätter zerstampft und mit Quittensaft versetzt, so geben sie ein Mittel zum Rothfärben der Haare ab. Die Blüthen vertreiben, mit Essig aufgelegt, das Kopfweh; in einem neuen Topfe verbrannt heilen sie für sich oder mit Honig krebsartige Wunden und faule Geschwüre. Der Geruch der Blüthen ist stark und macht schläfrig. Das mit Most vermischte Oel'^) kühlt ähnlich wie das Oel aus den Trauben des wilden Weinstocks. 47. Das Balsam öl ist, wie ich bereits bei den Salben erwähnt habe, das vortrefflichste aller Oele, und ein wirk- sames Mittel gegen alle Arten Schlangen. Es macht die ») XII. B. .51. Cap. 2) gleuciuum. 206 Dreiundzwanzigstes Buch. Augen klar, erleichtert das Athmen, erweicht Geschwulste und alle Verhärtungen, verhütet die allzugrosse Verdickung des Blutes, reinigt die Geschwüre, und erweist sich auch sehr dienlichbei Ohrenschmerzen, Kopfweh, Zittern, Krämpfen und innerlichen Verletzungen. Mit Milch genommen ver- nichtet es die giftigen Wirkungen des Aconits. Bestreicht man sich damit, so mildert es die mit Schauder verbundenen Fieberanfälle. Sein Gebrauch erfordert jedoch Vorsicht, denn es macht Hitze und verschlimmert sogar die Uebel, wenn man zuviel davon nimmt. 48. Das Malobathrumöl wurde ebenfalls schon in Betreff seiner Natur und verschiedenen Arten besprochen. Es treibt den Urin; mit Wein ausgepresst legt man es mit Nutzen bei Augenflüssen auf, desgleichen auf die Stirn um Schlaf hervorzurufen, und seine Wirkung wird noch erhöhet, wenn man die Nase damit bestreicht oder es mit Wasser trinkt. Legt man die Blätter des Gewächses unter die Zunge, so wird der Athem wohlriechend; ebenso ver- leihen sie den Kleidungsstücken einen angenehmen Geruch. 49. Das Bilsenöl ist ein gutes Erweichungsmittel, schadet aber den Nerven. Innerlich angewandt regt es das Gehirn auf. Das Wolfsbohnenöl erweicht ebenfalls und schliesst sich an das Rosenöl. Des Narcissenöls wurde bei diesen Blumen gedacht. Das Rettigöl vertreibt die durch lang- wierige Krankheit entstandene Läusesucht und die Rauheit der Haut im Gesichte. DasSesamöl heilt Ohrenschmerzen, umsichfressende und sogenannte unheilbare Geschwüre. Das Lilienöl, welches ich auch mit dem Namen Bohnenöl und syrisches Oel bezeichnet habe, ist gut für die Nieren macht Seh weiss, erweicht die Gebärmutter und befördert die Verdauung. Das selgitische Oel sowie dasjenige Kräuteröl, welches die Iguviner an der flamiuischen Strasse verkaufen, besitzt, wie bereits erwähnt, gleichfalls nerven- stärkende Kräfte. Dreiundzwanzigstes Buch. 207 50. Das Honigöl, von dem ich früher berichtet habe, dass es aus den Oelbäumen selbst quillt, schmeckt wie Honig, obschon etwas widrig und bewirkt Stuhlgang; zwei Becher davon mit einer Hemina Wasser getrunken führen die Galle ab; die Patienten verfallen dabei in Erstarrung und fahren häufig auf. Personen, welche einen Wettstreit im Trinken eingehen wollen, nehmen zuvor von diesem Oele einen Becher voll zu sich. Das Pech öl erweist sich nützlich bei der Räude der Thiere. 51. Nach den Weinstöcken und Oelbäumen gebührt den Palmen die vorzüglichste Beachtung. Frische Palmeufrüchte (Datteln) berauschen und verursachen Kopfweh; trockne sind milder, aber, wie es scheint, nicht gut für den Magen, vermehren den Husten , nähren jedoch. Den gekochten Saft, namentlich der thebaischen Früchte, gaben die Alten statt Honigmeth den Kranken zur Stärkung und zum Stillen des Durstes. Als solche verspeist, erweisen sie sich bei Blutspeien heilsam. Bei Uebeln des Magens, der Blase, des Unterleibs und der Eingeweide legt man die nussartigen Datteln 1) mit Quitten, Wachs und Safran auf. Unterlau- fene Schäden werden dadurch geheilt. Wenn man die Kerne in einem neuen irdenen Geschirr verbrennt und den Rückstand auslaugt, so erhält man eine Art Spodium, welches den Augensalben beigemischt wird und mit Zusatz von Narde ein gutes Mittel für die Augenlider abgiebt. 52. Diejenige Palme, auf welcher die Myrobalane wächst, findet sich am vorzüglichsten in Aegypteu und ist daran kenntlich, dass die Frucht keinen Stein in ihrem Innern hat. Man verordnet die Frucht mit herbem Wein zur Be- förderung des Stuhlgangs und des weiblichen Monatsflusses^ auch zur Heilung von Wunden. ') caryotae. 208 Dreiundzwanzigstes Buch. 53. Von der Palme Elate oder Spathe gebraucht man ) pilula. 2) cynorrhodon S. XXV. B. 6. Cap. 3) Rosa sempervirens L. Vierundzwanzigstes Buch. 2(55 Kopfhaar. Die liubusblütbe sammelt man zur Zeit der Ernte; die weisse verordnet man als weinigen Trank be- sonders bei Seitenstechen und Darmgicht. Die Wurzel hemmt, 7ai einem Drittel eingekocht, den Durchfall und Blutfluss; bei Zahniibeln spült man mit demselben Absude den Mund aus, und Geschwüre am After und an den Ge- schlechtstheilen bähet man damit. Die Asche der Wurzel drückt das Zäpfchen herunter. 7ö. Der ßubus idaeus hat seinen Namen dem Umstände zu verdanken, dass er nirgend anders als auf dem Berge Ida wächst!). Er ist zart, klein, hat wenige schwach stache- lige Stengel, und wächst im Schatten der Bäume. Seine Blumen legt man mit Honig auf Augengeschwüre und die Rose; für den Magen bereitet man einen massigen Trank daraus. Im Uebrigen dient er zu denselben Zwecken wie die oben genannten Arten. 76. Eine weissere und strauchartigere ßubusart heisst bei den Griechen Rhamnus. Derselbe blühet, hat Aeste mit geraden, nicht wie die übrigen mit krummen Dornen und grössere Blätter 2). Eine andere Art 3) wächst wild, ist dunkler, fast röthlich und trägt eine Art Hülse; aus der Wurzel bereitet man durch Kochen mit Wasser das sogenannte Ly- cium; der Same treibt die Nachgeburt ab. Jene weissere Art zieht mehr zusammen, kühlt und eignet sich besser für Geschwulste und Wunden. Die Blätter beider Arten wer- den roh oder gekocht mit Oel aufgelegt. 77. Das Medicament Lycium soll wirksamer sein, wenn es aus demjenigem Dorngewächs bereitet wird, welches chironischer Pyxacanthus^) heisst und dessen ich bei den *) Worin Plinius gewaltig irrt , wenn sein R. idaeus unsere Himbeere ist. -) Rhamnus saxatilis L. ^) Rhamnus Paliurus L. und R. oleoides L. ^) S. XII. B. 15. Cap. Rhamnus infectoria L. 266 Vierundzwanzigstes Buch. indischen Bäumen gedacht habe; in der That scliätzt man auch das indische Lycinm am höchsten. Man erhält es durch dreitägiges Kochen der höchst bitter schmeckenden, zerkleinerten Aeste und Wurzeln mit Wasser und nachheriges Eindicken des Absudes zur Honigconsistenz. Man verfälscht es mit bittern Säften, Oelhefe und Ochsengalle. Der sich oben absetzende Schaum oder die sogenannte Blüthe setzt man den Augenmitteln hinzu. Der Saft selbst reinigt das Gesicht, heilt die Krätze, angefressene Augenwinkel, alte Flüsse, eiternde Ohren, geschwollene Drüsen, das Zahn- fleisch, Husten und Blutspeien, wenn man eine Bohne gross davon nimmt; äusserlich wendet man ihn bei fliessenden Wunden, Bissen in der Haut, Geschwüren an den Geschlechts- theilen, durch Reiben entstandenen Wunden, frischen, fressen- den und fauligen Geschwüren, Warzen in der Nase und Eiterbeulen an. Frauenzimmer trinken ihn mit Milch wider Blutflüsse. Das indische Lycium zeichnet sich dadurch aus, dass die Klös^se aussen schwarz, innen röthlich sind, aber bald, nachdem sie auseinandergebrochen, schwarz werden. Es ist sehr abstringirend und bitter, dient zu all' den Zwecken wie jenes, erweist sich aber ganz besonders wirksam bei den Geschlechtstheilen. oz. Die SarcocoUei), welche von Einigen für die Thränen eines Dorngewächses gehalten wird, sieht dem Weihrauch- staube ähnlich, schmeckt bitterlich süss und gummiartig; hemmt mit Wein angestossen die Flüsse, wird auch Kin- dern aufgelegt. Je weisser um so besser ist sie; mit dem Alter wird die Farbe dunkler. 34. Aus Arzneimitteln von Bäumen bereitet man noch ein schätzbares Mittel, die Oporice, zur Heilung von Dysen- terie und Magen Übeln auf folgende Weise: In einem Congius weissen Most kocht man bei a^elinder Wärme fünf Quitten ') Abstammung noch unbekannt; die bisher angenommene (von Penaea mucronata L.) ist falsch. Vierundzwanzigstes Bucli. 267 mit den Kernen, ebensoviele Granatäpfel, einen Sextar Vogel- beeren, ebensoviel syrischen Sumach und eine halbe Unze Safran bis zur Honigdicke ein. 80. Jetzt sollen diejenigen Gewächse folgen, von denen es die Griechen, indem sie die Namen mitgetheilt, zweifelhaft gelassen haben, ob sie zu den Bäumen gehören. Chamaedrysi) ist ein Kraut, welches im Lateinischen Trixago heisst, von Einigen auch Chamaerops oder Teuer i um genannt wird; es hat Blätter von der Grösse der Minze und von der Farbe und Getheiltheit der Eiche. Einige geben an, es sei gesägt und von da datire sich der Ursprung der Säge; die Blumen sind fast purpurfarbig. Man sammelt es zur Zeit wo es recht saftreich ist, von steinigen Standorten, und verwendet es innerlich und äusser- lich mit bestem Erfolge ge.geTx Schlangengift, Magenübel, anhaltenden Husten, im Halse festsitzenden Schleim, zer- brochene und verrenkte Glieder; es befördert die Absonde- rung des Harns und des Monatsflusses, ist daher auch bei anfangender Wassersucht von Nutzen; man kocht zu diesem Behufe eine Handvoll Stengel mit drei Hemiuis Wasser auf ein Drittel ein, oder formt daraus durch Anstossen mit Wasser Ktigelchen. Es heilt ferner mit Honig Eiterbeulen, alte und schmutzige Geschwüre. Gegen Brustübel bereitet man daraus einen weinigen Trank. Der Saft der Blätter vertreibt mit Oel das Flimmern vor den Augen. Für die Milz nimmt man es mit Essig. Es erwärmt, wenn man sich damit einreibt. 81. Die Chamaedaphne2) hat nur einen Stengel, der fast ellenlang ist, und lorbeerähnliche, aber dünnere Blätter. Der rothliche, an den Blättern haftende Same wird im frischen Zustande gegen Kopfweh aufgelegt; er kühlt und vertreibt mit Wein genommen das Bauchgrimmen. Sein ') Teucrium lucidum L., auch wohl T. flavum L. ^) Ruscus racemosus L. 2t)8 Vierundzwanzigstes Buch. Saft befördert innerlich die Menstruation und das Harnen, und mit Wolle aufgelegt erleichtert er das Gebären. S2. Die Blätter der Chamaeleai) haben Aehnlichkeit mit denen des Oelbaums. Diese Pflanze wächst auf steinigem Boden, wird nicht über eine Hand hoch, riecht angenehm und schmeckt bitter. Einen aus den Blättern nebst zwei Theilen Wermuth bereiteten und mit Honig versetzten Absud trinkt man zur Keinigung des Unterleibes, um Schleim und Galle zu entferneu. Geschwüre werden durch Auflegen der Blätter gereinigt. Wenn Jemand die Pflanze vor Sonnenaufgang sammelt und dabei sagt, er thue diess um damit die weissen Flecken in den Augen zu vertreiben, so soll sie wirklich diese Wirkung haben, wenn man sie aufbindet; für die Augen des Zug- und Rindviehs soll sie aber, auf was immer für eine Weise gesammelt, gut sein. Ö3. Die Chamaesyce^) hat linsenähnliche, herabhängende Blätter, wächst auf trocknen, steinigen Plätzen, und ist ein vorzügliches Mittel wider trübe und unterlaufene Augen, befördert auch die Vernarbungen, wenn man sie mit Wein kocht und auflegt. In einem Säckchen aufgelegt vertreibt sie die Schmerzen der weiblichen Schaam; ferner alle Arten von Warzen, bekommt auch Engbrüstigen gut. 84. Der Chamaecissus3) hat weizenähnliche Aehren, gewöhnlich fünf Zweige, viele Blätter, Blüthen wie die weisse Viole und eine dünne Wurzel. Gegen Hüftweh nimmt man sieben Tage lang drei 0 holen von den Blättern mit zwei Bechern Wein. Dieses Mittel schmeckt sehr bitter. 85. Die Chamaeleuce^) heisst bei uns Farfarum oder ') Daphne oleoides L. -) Euphorbia chamaesyce L. ^) Antirrhinum Asarina. ^) Tussilago Farfara L. Vierundzwanzigstes Buch. 269 Fai'fugium. Es wächst an Flüssen und hat pappelähnliche aber grössere Blätter. Ihre Wurzel legt man auf Kohlen von Cypressenholz und zieht den davon aufsteigenden Dampf mittelst eines Trichters ein, um anhaltenden Husten zu vertreiben. 86. Die Chamaepeuce^) mit lärchenbaumähnlichen Blät- tern ist ein gutes Mittel gegen Lenden- und Rückgrat- schmerzen. Vom Chamaecyparissus^) benutzt man das Kraut zu einem weinigen Tranke gegen die Gifte aller Schlangen und Scorpione. Das Ampeloprasum^) wächst in Weingärten, hat lauchähnliche Blätter, verursacht unan- genehmes Aufstossen, zeigt sich wirksam gegen Schlangen- bisse, befördert innerlich und äussevlich angewandt das Harnen und den Monatsfluss und hindert den Abgang des Bluts durch die Geschlechtstheile. Man giebt es auch den Frauen nach der Entbindung sowie gegen tollen Hundsbiss. Die sogenannte Stachj^s^) sieht dem Lauch ähnlich, hat aber längere und zahlreichere Blätter, einen angenehmen Geruch und eine gelbliche Farbe. Man wendet sie zur Beförderung der monatlichen Reinigung au. 87. Das Clinopodium'^), auch Cleonicium, Zopyrum, Ocymoides^) genannt, ist dem Serpyllum ähnlich, strauchig, handhoch, wächst auf steinigem Boden, die Blätter sind kreisrund und die Pflanze selbst hat Aehnlichkeit mit Bettfüssen. Man bereitet daraus einen Trank oder Saft gegen Krämpfe, Zerreissungen, Harnstrenge und Schlangen- bisse. 88. Nun will ich auch noch die wunderbaren, aber weniger •) Serratula Chamaepeuce L. -) Santolina Chamaecyparissus L. 3) Allium Ampeloprasum L. *) Stacliys germanica L. *) Clinopodium Plumieri. ") Diess ist Silene gallica L. 270 Vierundzwanzigstea Buch. berühmten Kräuter anführen, die edleren jedoch für die folgenden Bücher versparen. Eins derselben, welches wir Centuuculusi) , die Griechen Clematis nennen, hat Blätter, welche den Kopf- bedeckungen 2) ähnlich sehen, und liegt platt auf dem P'elde. Mit herbem Weine genommen stopft es kräftig den Durch- fall. Ein Denar schwer davon mit fünf Bechern Sauerhonig oder warmem Wasser genommen, stillt das Blut, treibt auch die Nachgeburt ab. 89. Die Griechen unterschieden aber noch andere Arten von Clematis; eine derselben heisst Echite, Lago oder kleine ScammoniaJ) Sie hat zwei Fuss lange, beblätterte, der Scammonia ähnliche Zweige , doch sind die Blätter dunkler und kleiner; wächst in Weingärten und auf Feldern. Man verspeist sie wie Kohl, mit Oel und Salz, und bekommt Oeffnung davon. Mit Leinsamen und herbem Wein wird sie gegen Dysenterie eingenommen. Die Blätter legt man in einem feuchten leinenen Tuche auf Augengeschwüre. Auch bringen sie Kröpfe zum Schwären, und setzt man später noch Schmalz hinzu, so heilen sie dieselben auch aus. Mit grünem Oele dienen sie gegen Hämorrhoiden, mit Honig gegen Schwindsucht. Verspeist befördern sie die Secretion der Milch, Kindern auf den Kopf gelegt das Wachsthum der Haare, und mit Essig genossen reitzen sie zum Beischlaf. 90. Eine andere Cl ematis, mit dem Beisatz ägyptische •*), auch Daphnoides oder Polygonoides genannt, ist lang und schmächtig, hat lorbeerähnliche Blätter, und wird mit Essig gegen Schlangen, besonders die Aspiden getrunken. 91. Auch das Arum, dessen ich bei den Zwiebelgewächsen *) Polygonum Convolvulus L. -) penulae capitis. 3) Convolvulus Scammonia L. *) Vinca major L. Vieiundzwanzigstes Buch. 271 gedacht habe, kommt in Aegypten vor. Ueber dessen Beziehungen zum Dracontiumi) sind die Ansichten wider- sprechend; einige behaupten nämlich, beide seien ein und dasselbe, Glaucias unterscheidet sie nach dem Anbau und hält das Dracontium für wildes Arum, Andere nennen die Wurzel Arum, den Stengel aber Dracontium, der aber doch etwas ganz anderes ist, insofern dieser Stengel mit dem übereinstimmt, was bei uns Dracunculus genannt wird. Das Arum hat nämlich eine schwarze, flachrunde, viel grössere, eine ganze Hand ausfüllende Wurzel, der Dracun- culus hingegen eine röthliche, wie ein Drache aufgerollte Wurzel-), welchem Umstände er auch seinen Namen verdankt. 92. Selbst die Griechen haben hierbei einen wesentlichen Unterschied hervorgehoben, da sie sagen, der Same des Dracunculus sei hitzig und beissend und von so heftiger Wirkung, dass Schwangere, wenn sie nur daran röchen, abortirten; während sie dagegen das Arum 2) gewaltig lobpreisen. Zunächst geben sie dem weiblichen Arum den Vorzug zu Speisen , denn das männliche sei härter und schwieriger weich zu kochen; es reinige die Brust und befördere, trocken in einem Tranke oder einer Latwerge genommen, das Harnen und die Menstruation. Mit Sauer- honig soll man es für den Magen, mit Schafmilch für innerliche Geschwüre, mit Oel in heisse Asche gekocht für den Husten trinken. Einige empfehlen das Arum mit Milch zu kochen und diesen Absud zu trinken. Es wird für sich auf Augengescliwüre, Stossbeulen und geschwollene Drüsen, mit Oel auf Hämorrhoiden, mit Honig auf Leber- flecken gelegt. Cleophantus rühmt dasselbe auch als Gegen- gift, ferner gegen Seitenstechen und Lungenübel auf dieselbe Weise wie beim Husten, und bei Ohrenschmerzen soll man ') Arum Dracunculus. L. ^) Diess ist wohl Polygonum Bistorta L. '■') Arum maculatum L., A. italicum Lam. und A.Dioscoridis Sibth. 272 Vierundzwanzigstes Buch. eine Mischung des Samens mit Oel oder Rosenöl eintröpf ein. Dieuelies verordnet das Arum mit Mebl vermischt und zu Brot gebacken bei Husten, Engbriiistigkeit und Eiteraus- wurf; Diodotus mit Honig in einer Latwerge bei Schwind- sucht und andern Lungenübeln, äusserlich bei Knochen- brüchen. Reibt man es um die Geschlechtstheile herum, so bewirkt es bei allen Thieren den Abgang der Leibes- frucht. Der Saft der Wurzel vertreibt mit attischem Honig die Blödigkeit der Augen und die Fehler des Magens, und eine Abkochung der Wurzel mit Honig den Ilusten. Der Saft ist ein vorzügliches Heilmittel für fressende und krebs- artige Geschwüre und für Nasenpolypen. Die Blätter dienen mit Wein und Oel gekocht bei Brandwunden, frisch oder trocken mit Honig bei Verrenkungen, mit Salz bei Gicht. Mit Salz und Essig eingenommen führen sie ab. Hippo- crates empfiehlt, sie mit Honig auf alle Arten von An- schwellungen zu legen. Um die Menstruation zu befördern, genügen zwei Drachmen Samen oder Wurzel mit zwei Bechern Wein; derselbe Trank führt auch die Nachgeburt ab. Hippocrates lässt in diesen Fällen die Wurzel selbst an die Geschlechtstheile legen. Gegen die Pest soll sie, den Speisen zugesetzt, gut sein. Sie vertreibt den Rausch. Der von der brennenden Wurzel aufsteigende Rauch verjagt die Schlaugen und unter diesen besonders die Aspiden oder betäubt sie so , dass sie ganz starr da liegen. Auch fliehen sie, wenn sie mit Lorbeeröl, worin Arum eingeweicht war, bestrichen werden; daher hält man einen mit schwarzem Weine daraus bereiteten Trank auch für ein gutes Mittel gegen Schlangenbisse. Käse wird am besten in Arumblättern aufbewahrt. 93. Der oben erwähnte Dracunculus wird zur Zeit der Gerstenreife bei zunehmendem Monde ausgegraben. Von dem, der die Pflanze bei sich trägt, fliehen schon die Schlangen; daher empfiehlt man die grössere Art als Trank gegen Schlangenbisse, sowie sie auch, wenn kein Eisen damit in Berührung gekommen ist, den Monatsfluss mässigt. Vieruudzwanzigstes Buch. 273 Den Saft wendet man ge2:en Ohrensch merzen an. Das aber, was die Griechen Dracontium nennen, ist mir unter dreierlei Gestalt gezeigt worden, nämlich eins mit beteu- ähnlichen Blättern, nicht ohne Büschel^) und mit purpur- rothen Blättern, welches dem Arum ähnlich sieht; ein zweites mit langer, gleichsam gliederartig geformter Wurzel und drei Stengeln, dessen Blätter mit Essig gekocht gegen Schlaugenbisse verordnet werden; endlich ein drittes mit Blättern grösser als die des Cornus, schilfartiger Wurzel mit so vielen Knoten als sie Jahre alt sei und mit ebenso vielen Blättern, welch' letztere man mit Wein oder Wasser gegen Schlangen giebt. 94. Auch der in Aegypten vorkommende Aris-) hat Aehn- lichkeit mit dem Arum, ist jedoch kleiner, hat kleinere Blätter und Wurzel, letztre erreicht aber doch die Grösse einer ausgewachsenen Olive. Die weisse Abart treibt zwei, die andere nur einen Stengel. Mit beiden heilt man flies- seude Geschwüre, Brandschäden und Fisteln, wenn man sie unter Salben mischt. Mit Wasser gekocht und hierauf mit Rosenöl versetzt, hindern sie das Weiterfressen ge wisser Geschwüre. Berührt man damit die Geschlechtstheile irgend eines weiblichen Thieres, so soll dasselbe seltsamer weise zu Grunde gehen. 95. Das Myriophyllum^)^ bei uns Millefolium ge- nannt, hat einen zarten, dem Fenchel ähnlichen Stengel, zahlreiche Blätter, welchem Umstände es auch den Namen verdankt, fachst in Sümpfen und erweist sich bei Wunden sehr wirksam. Man trinkt es mit Essig bei Fehlern des Harns und der Blase, Engbrüstigkeit und wenn man von einer Höhe herabgefallen ist. Die Blätter sind besonders gut bei Zahnsehmerzen. Mit obigem Namen bezeichnet man ') thyrsus. -) Arum Arisarum L. '■*) Myriophj-lluni spicatuiii L. VVittstein: Pliiüus. IV. Bd. ly 274 Vierundzwanzigstes Buch. in Etrurien ein auf Wiesen wachsendes zartes Krauti), welches seitwärts stehende, haarartige Blätter trägt und ebenfalls ein grosses Wundmittel ist, denn es soll mit Zusatz von Schmalz die durch die Pflugschaar abgeschnittenen 'Sehnen der Ochsen wieder vereinigen und kräftigen. Das Pseudobunium'^) hat der Steckrübe ähnliche Blätter, wächst strauchig, bis zur Höhe einer Hand und ist am besten auf Greta. Gegen Leibschmerzen, Harnstrenge, Seiten- und Herzstiche nimmt man einen aus fünf oder sechs Zweigen bereiteten Trank ein. 97. Die Myrrhis, Myrrhiza oder Myrrha^) hat in Stengel, Blättern und Blüthen viel Aehnlichkeit mit dem Schierling, ist aber kleiner und schmeckt nicht unangenehm. Mit Wein befördert sie die Menstruation und Entbindungen, soll auch als Trank gegen die Pest heilsam sein und den Schwind- süchtigen gut bekommen, macht Appetit und die Bisse der giftigen Spinnen unwirksam. Der Aufgoss, den mau durch dreitägiges Einweichen der Pflanze in Wasser erhält, heilt die Geschwüre im Gesicht und auf dem Kopfe. Die Onobrychis^) hat der Linse ähnliche, aber längere Blätter, röth liehe Blumen, eine kleine dünne Wurzel und wächst an Quellen. Man trocknet sie, stösst sie fein wie Mehl und nimmt dieses mit weissem Wein gegen Harn- strenge ein. Sie hemmt auch den Durchfall. Reibt mau sie mit dem mit Oel versetzten Safte ein, so geräth man in Schweiss. 99. Da ich gerade von wunderbaren Kräutern rede, so darf ich auch die zauberischen nicht mit Stillschweigen >) Etwa Achillea Millefolium? 2) Bunium pumilum Sm.? 3) Myi'i-his odorata L. *) Onobrychris Caput galli und 0. crista galli L, Vierundzwanzio'stes Buch. 275 übergehen, denn verdienen nicht die mei.sten unsere Be- wunderung? In unserem Welttheile sind es Pythagoras und Democritus, welche dieselben zuerst, rühmend erwähnt Imben uud ihnen folgten die Magier. Pythagoras giebt an, durch die Coracesia und Callicia würde das Wasser zum Gefrieren gebracht, doch theilt er über diese Pflanzen nichts weiter mit; auch finde ich ihrer bei anderen Schritt- stellern nicht gedacht. 100. Eine andere Pflanze, welche erMinyas oder Cory- sidia nennt, soll die Schlangenbisse augenblicklich heilen, wenn man die Wunde mit einem Absude derselben bähef. Wer aber auf Gras, auf welches dieser Absud gegossen ist, tritt oder zufällig davon bespritzt wird, soll unrettbar ver- loren sein — sonderbare Wirkung eines Giftes, welches nur anderen Giften widersteht. 101. Derselbe Pythagoras führt unter dem Namen Aproxis ein Kraut an, dessen Wurzel schon in einiger Entfernung, wie die früher von mir erwähnte Naphtha, Feuer fängt. Ferner: wenn ein Mensch während der Blüthezeit dieser Pflanze erkranke und wieder genese, so werde er doch so oft, als sie wieder blühe, an jene Krankheit durch das Ge- fühl erinnert. Dieselbe Wirkung besitze auch das Getreide, der Schierling und die Viole. Es ist mir zwar nicht un- bekannt, dass Einige den Arzt Cleemporus^) als Verfasser des in Rede stehenden Buches bezeichnen, allein zahlreiche Nachrichteii und das Alter beweisen, dass es Pythagoras geschrieben. Ein Beweis für den Werth dieses Werkes liegt schon darin, dass man es dieses Mannes würdig er- achtet hat; wie kann man aber den Cleemporus für den Autor halten, da er andere Werke unter seinem Namen herausgegeben? 102. Dass die sogenannten Handbücher'-) dem Democritus '; Nicht näher bekannt. ^) chirocmeta. 18* 27(3 Vierundzwanzigstes Buch. aDgeliören, ist ausser Zweifel. Aber um wie viel seltsamere Dinge theilt er uns darin mit, er der nach Pythagoras die Magier am eifrigsten studirte! Ein Kraut Aglaophotis, welches diesen Namen wegen seiner überaus schönen Farbe bekommen habe, in den Marmorbrüchen Arabiens an der Grenze von Persien wächst und daher auch Marmaritis heisse, sollen die Magier gebrauchen, wenn sie die Götter anrufen wollen. Die Achaemenis von bernsteingelber Farbe und blattlos, wachse in Indien im Lande der Tardis- tiler; forme man deren Wurzel zu Kügelchen und nehme die- selben am Tage mit Wein ein, so bekenne man, wenn man Böses gethan habe, bei Nacht unter Qualen und mannigfaltigen Gedanken an die Götter alle Vergehungen. Dieselbe Pflanze nennt er auch Hippophobas, weil die Pferde leicht scheu davor werden. Das Theombrotium soll 3ü Schoenus weit von Choaspe vorkommen, pfaueuartig gefärbt, äusserst wohl- riechend sein und von den persischen Königen wider alle Beschwerden des Leibes und schwachen Verstiind gegessen und getrunken werden; es heisse auch Semnium wegen der Erhabenheit seiner Wirkung. Ein anderes, Adamautis, in Armenien und Cappadocien zu Haus, soll, wenn man es Löwen vorhält, diese mit offenem Kachen rücklings um- werfen; seinen Namen habe es davon, weil es nicht zer- neben werden könne. Die Arianis soll in Ariana vor- kommen, die Farbe des Feuers haben, zur Zeit wenn die Sonne im Löwen steht, gesammelt werden und die Eigen- schaft besitzen, Holz, welches mit Oel bestrichen ist, durch blosse Berührung anzuzünden. Durch die in Cappadocien und Mysien vorkommende Therionarca sollen alle wilden Thiere in Erstarrung gerathen und nur durch Besprengen mit Hyänenharn wieder zu sich kommen. Die Aethiopis, welche in Meroe wächst und daher auch Merois heisst, hat lattichartige Blätter und soll mit Meth getrunken die Wassersucht heilen. Die Ophiusa in der äthiopischen Provinz Elephantine, hässlich vom Ansehen, soll als Trank genommen dem Menschen Schrecken und Drohungen gegen Schlangen verleihen, dergestalt dass diese sich aus Furcht Vierundzwanzigstes Buch. 277 unibringeu; daher soll man auch den Tenipelräubeni davon zu trinken geben; Palmwein habe aber diese Wirkung auch. Die Thalasse gle am Flusse Indus und wegen des Stand- orts auch Potamocys (Potamas) genannt, macht Men- schen, welche einen daraus bereiteten Trank zu sich neh- men, wahnsinnig und bewirkt, dass ihnen allerlei wunder- bare Dinge vorschweben. Die Theangelis, welche auf dem Libanon, auf den cretischen Bergen Dicte, um Babylon und Susa in Persien vorkommt, soll den Magiern die Kraft der Weissagung verleihen. Die Gelotophyllis in Bactrien nud am Borysthenes soll, mit Myrrhe und Wein genommen, bewirken, dass man allerlei Gestalten sehe und nicht eher zu lachen aufhöre, bis man Palmwein mit Pinienker- nen, Pfeffer und Honig getrunken habe. Die Hestiatoris in Persien hat ihren Namen von den Schmausereien, weil sie munter macht; sie heisst auch Protomedia, weil man sich dadurch bei Königen in Gunst setzen kann. Ca Si- gnete heisst ein Kraut, weil es einsam, nicht in Gesell- schaft anderer wächst; es wird auch Dionysonymphas genannt, weil es sich gut zum Wein eignet. Helianthes heisst ein anderes Kraut in Themiscyrena in den am Meere gelegenen Gebirgen Ciliciens mit myrtenartigen Blättern, woraus durch Kochen mit Löwenfett, nachherigen Zusatz von Safran und Palm wein eine Salbe bereitet wird, mit welcher sich die Magier und persischen Könige den Körper einreiben, um ihm ein gefälliges Ansehen zu geben, und dieses Zweckes wegen führt es auch den Namen Helio- callis. Was Democrit Hermesias nennt und als ein Mittel zur Erzeugung schöner und guter Kinder empfiehlt, ist keine Pflanze sondern eine Composition aus zerriebenen Pinienkernen, Honig, Myrrhe, Safran, Palmwein, Theom- brotium und Milch ; hievon sollen die Männer vor dem Bei- schlaf und die Frauen nach der Empfängniss trinken. Allen diesen Dingen giebt er auch magische Namen. Apollodorus, sein Nachfolger in der Magie, fügt noch das Kraut Aeschy- n 0 m e n ei)hiuzu,welches diesen Namen führt,weil es bei Berüh- ') Mimosa pudica? 278 Vierundzwanzigstes Buch. rung mit der Hand (vor Scbaam) seine Blätter zusammen- faltet, ferner die Crocis, durch deren Berührung die Erd- spinnen getödtet werden, Cratevas: die Oenotheris i), welche die Wildheit aller Thiere zähme wenn mau Wein damit auf dieselben sprenge; der ebengenannte berühmte Grammatiker 2), die Anaeampseros, durch deren blosse Be- rührung die Liebe, auch wenn an ihre Stelle Hass getreten sei, wiederkehre. So viel vorläufig von den seltsamen Berichten der Magier über diese Gewächse; an einem andern Orte \verde ich wieder darauf zurückkommen. 103. Ueber die Eriphia^) sind viele Nachrichten vorhan- den; in ihrem Halme befindet sich ein Käfer, der darin mit dem Laute eines Bocks auf- und abläuft, und die Ursache jenes Namens ist. Nichts soll besser für die Stimme sein als dieses Kraut. 104. Das Wollkraut^) giebt man den Schafen nüchtern, um mehr Milch zu bekommen. Ebenso bekannt ist der Lactoris, welcher viel Milchsaft hat, und deren Genuss Blechen erregt. Einige geben an, sie sei dieselbe Pflanze, welche Militaris heisst, nach Andern sieht sie ihr nur ähnlich; letzterer Name rührt nur daher, weil sie mit Oel aufgelegt alle durch Eisen entstandenen Wunden innerhalb fünf Tagen heilt. 105. Aber auch die Griechen schätzen eine mit ähnlichen Eigenschaften begabte Pflanze, welche sie daher Stratio- tes^) nennen. Sie findet sich nur in Aegypten und zwar an vom Nil überschwemmten Plätzen, ist dem Aizoon ähn- lich, hat aber grössere Blätter, kühlt vortrefflich, heilt mit ') Epilobium hirsutura L. -) Apollodorus. ^) von igufoq Bock. '') lanaria, soll die Radicula XIX. 18. sein. '0 Pistia stratiotes L. Vierundzwanzigstes Buch. 279 Essig aufgelegt Wunden, die Rose und Vereiterungen. Mit niäimlichem Weihrauch als Trank genommen stillt sie das au.s den Nieren fliessende Blut aufs beste. 1013. Das auf dem Haupte einer Bildsäule gewachsene Kraut soll, in einem Kleidungsstück gesammelt und in einem röthlichen Stück Leinwand auf den Kopf gebunden, die Sehmerzen sogleich vertreiben. 107. Jedwedes aus Bächen und Flüssen vor Sonnenauf- gang und ohne Beisein einer andern Person gesammelte Kraut heilt das dreitägige Fieber, wenn man es dem Kran- ken auf den linken Arm bindet, doch muss er nicht wissen, was es ist. 108. Das Zungenkrauti) wächst an Bächen. Die Wurzel desselben verbrennt man, mischt sie mit Schweinefett und bestreicht damit au der Sonne die Glatze. Es soll auch eine schwarze unwirksame Art geben. 109. Wenn man ein Sieb auf eine Grenzscheide legt, die darin-) wachsenden Kräuter abrupft und Schwangern um- bindet, so wird die Entbindung beschleunigt. 110. Das Kraut, welches auf Misthaufen wächst, ist als wässeriger Trank ein sehr wirksames Mittel gegen die Bräune. 111. Das Kraut, neben welches die Hunde pissen, heilt sehr schnell Verrenkungen, wenn mau es ohne Mithülfe eines Eisens sammelt. 112. Bei der Beschreibung der Baumanlagen in Weingärten habe ich des rumbotiuischen Baumes gedacht. Neben diesem ') Lingua. Ranunculus Lingua. L.? -) d. h. durch dessen Löcher. 280 Vierundzwanzigstes Buch. wächst, Avenn )*ich keine Weinranken darum schlingen, ein Kraut, das die Gallier Rodarum nennen; dasselbe hat einen nach Art eines Feigenreises knotigen Stengel, nessel- ähnlicbe, in der Mitte weissliche, mit der Zeit aber roth werdende Blätter, silberfarbige Blüthen und ist ein vorzüg- liches Mittel gegen Geschwülste, Entzündungen, Ansamm- lungen, wenn man es mit altem Fett vermischt und kein Eisen damit in Berührung bringt. Wer sich damit einge- rieben hat, spuckt dreimal in seine rechte Hand. Es soll noch kräftiger wirken, wenn drei Menschen von drei ver- schiedenen Nationen rechter Hand damit einreiben. 113. Impiai) heisst ein graufilziges, dem Rosmarin im An- sehen ähnliches, wie ein Thyrsus bekleidetes und Köpfchen tragendes Kraut, von welchen aus noch mehrere, ebenfalls Köpfchen tragende Zweige emporsteigen; hier erheben sich also gleichsam die Kinder über den Vater und diess ist der Grund zu jener Benennung (das gottlose Kraut), während Andere angeben, es sei deshalb so genannt worden, weil kein Thier es anrühre. Man reibt es zwischen zwei Steinen, wobei es sich erhitzt und verordnet den Saft mit Zusatz von Milch und Wein gegen Bräune; ja wer nur einmal davon gekostet hat, soll nie wieder von dieser Krankheit befallen werden. Zu demselben Zwecke giebt man es auch den Schweinen, und wenn sie es nicht fressen, sollen sie an der Krankheit sterben. Mau räth auch, dieses Kraut in die Vogelnester zu stecken, damit die Jungen, wenn sie zu gierig fressen, nicht ersticken. 114. Der Venuskamm^), eine Pflanze, welche einem Kamme ähnlich sieht, besitzt in der Wurzel, wenn man sie mit Malve anstösst, die Kraft, alles was im Leibe steckt, herauszu- ziehen. *) 8antolina rosmarinifolia? 2) Pecten Veneris. Scanclix Peeten L. Vierundzwanzigstes Buch. 281 115. Das Exedum, auch Nodia, Mularis u. s. w. genannt, dessen man sich in den Gerbereien häufig bedient, heilt die Schlafsucht, auch die Eiterbeulen und mit Wein oder Nach- bier genommen aufs beste die Scorpionstiche. 116. Philanthropus nennen die Griechen ein rauhes Kraut, weil es sich gern an die Kleider hängt. Setzt man einen daraus gemachten Kranz auf, so vergeht das Kopfweh. Die sogenannte Hundsklette ^ heilt, mit Wegebreit und Tausend- blatt in Wein abgerieben und alle drei Tage aufgelegt, den Krebs. Ohne Hülfe eines Eisens gesammelt, mit Milch und Wein angemacht und in das Spühlig der Schweine gethan, macht es diese Tbiere gesund. Einige geben an, der welcher es ausgrabe, solle dabei sagen: diess ist das Kraut Argemon, welches Minerva als Mittel für die Schweine erfunden hat. 117. Einige geben an, das Tordylum2) sei der Same des Sil, Andere: es sei ein eigenthümliches Kraut und nennen es auch Syreum. Alles, was ich davon aufgezeichnet finde, ist, dass es auf Bergen wachsen soll. Verbrannt und als Trank genommen, befördere es den Monatsfluss und den Auswurf bei Brustleiden, am besten eigne sich dazu die Wurzel; drei Obolen des Safts heilen die Nieren und die Wurzel setze man den erweichenden Pflastern zu. 118. Das Gras selbst ist das gemeinste Kraut. Es wächst kriechend, hat knotige Absätze und treibt von diesen und von der Spitze häutig neue Wurzeln aus. Seine Blätter endigen fast überall in schmalen Fäden, nur auf dem Par- nass findet man sie dicker, epheuartig, die Blüthen wohl- riechend und weiss. Es ist frisch oder getrocknet und mit Wasser besprengt, das beste Futter für das Zugvieh. Die auf dem Parnass wachsende Art enthält eine reichliche •) Lappa canaria. ^) Tordylium officinale L. 2öJ Vierund zwanzigstes Buch. Menge süssen Saftes, welchen mau auffängt. Statt dieses Saftes kocht man au andern Orten die Pflanze aus und wendet den Absud zum Vereinigen der Wundränder an; aber auch das Kraut selbst besitzt diese Kraft und schützt die Wunden vor Entzündung. Dem Absude setzt man noch Wein und Honig, auch wohl ein Drittheil Weihrauch, Pfeffer und Myrrhe hinzu, kocht nochmals in einem kupfernen Kessel und gebraucht diess Mittel gegen Zahnschmerzen und Augengeschwtire. Die in Weiu gekochte Wurzel be- seitigt Bauchgrimmen, Htirnstreuge, Blasengeschwüre, und zerkleinert die Harnsteine. Der Same treibt den Harn noch kräftiger aus, stillt Durchfall und Erbrechen, leistet aber besonders gute Dienste bei den Bissen der Drachen. Gegen Kröpfe und Fettbeulen empfiehlt man, neun Knoten von einem, zwei oder di ei Halmen (je nach der Zahl der daran befindlichen Knotei.) in schwarze Wolle einzuwickeln uud aufzulegen; der die Knoten sammele, müsse nüchtern sein, während der Abwesenheit des zu Heilenden in dessen Haus gehen, wenn dieser darüber zukomme, dreimal sagen, ein Nüchterner bringe einem Küchteiuen ein Medicameut, hie- rauf es ihm anbinden und diese Procedur drei Tage hinter- eluiinder wiederholen. Die sieben Knoten führenden Halme bindet man gegen Kopfschmerzen mit bestem Erfolge auf. Einige verordnen gegen Blasenschmerzen, Gras mit Wein bis zur Hälfte einzukochen und diess Dekokt nach dem Bade zu trinken. 119. Von dem stachlichteu Grase unterscheidet man drei Arten; finden sich an der Spitze Stacheln und zwar meist fünf, so heisst es Dactylus^); man wickelt dieselben zu- sammen, steckt sie in die Nase und zieht sie wieder heraus, um das Bluteu zu befördern. Die zweite dem Aizoon ähn- liche Art wendet man mit Schmalz bei Nagelgeschwüren, Kietnägelu und daransitzendem wildem Fleische an; wegen ') Cynodon Dactylon Pers. Vierundzwanzigstes Buch. 283 dieses Gebrauchs bei Fehlern der Finger heisst es auch Dactylus. Die dritte Dactylus-Art ist klein, wächst auf Dächern und an Wänden, hat ätzende Eigenschaften und heilt umsichfressende Geschwüre, Legt man Gras um den Kopf, so hört das Nasenbluten auf. Dasjenige, welches um Baby- lon an Wegen wächst, soll die Kameele tödten. 120. Nicht weniger Werth hat das Foenum graecum, welches auch Telis, Carphus, Buceras, Aegoceras (wegen der hornähulichen Samen), bei uns Silicia heisst; von seinem Anbau habe ich bereits gesprochen i). Es trocknet, erweicht und löst auf (zertheilt). Der eingedickte Absud wird bei den meisten Weiberkrankheiten, nämlich bei Ver- härtung, Geschwulst oder bei Zusammeuziehung der Gebär- mutter, umgeschlagen, eingespritzt, oder die Leidende setzt sich darüber. Es vertreibt die Hautschuppen im Gesichte, heilt mit Zusatz von Natron oder mit Essig gekocht und aufgelegt die Milz und Leber. Diocles verordnet bei schweren Entbindungen, als ein ausgezeichnetes Mittel, ein Acetabu- lum voll Samen mit neun Bechern gesottenen Weins abzu- reiben, ein Drittheil davon einzugeben und die Kreisende in ein Bad zu bringen; sobald Schweiss eingetreten ist, soll man ihr von dem noch übrigen Tranke die Hälfte und nach dem Bade den Rest geben. Gegen Krämpfe in der Gebär- mutter legt er das mit Zusatz von Gersten- und Leinsameu- mehl in Wassermeth gekochte Pulver von Foenum graecum entweder auf die Schaam selbst oder auf den Unterleib. Um Krätze und Leberflecken zu heilen, reinigt er zuvor die Haut mit Soda, und lässt dann täglich mehrere Male mit einer Mischung von gleichen Theilen Foenum graecum- Pulver und Schwefel einreiben. Theodorus mischt gegen Krätze zu dem Pulver des Foenum den vierten Theil mit schärfstem Essig gereinigten Nasturtiums. Dämon giebt zur Beförderung der Menstruation V> Acetabulum voll Samen mit neun Becher gesottenen Weins und Wassers als Getränk. •) XVIII. B. 39. Cap. 234 Vierundzwanzigstes Buch. Es ist kein Zweifel, dass ein Absud der Ptiaüze für schwä- rende Gebärmutter und andere Eingeweide, der Same für die Glieder und das Zwerchfell sehr dienlich sei. Ein durch Abkochung- mit Malve und nachherigen Zusatz von Meth bereiteter Trank wird bei Fehlern der Gebärmutter und anderer Innern Theile besonders gerühmt, auch wenn man nur den Dampf des Dekokts anwende. Ein Absud des Foe- num vertreibt auch den üblen Geruch unter den Achseln. Das Pulver dient mit Wein und Natron zur schnellen Ent- fernung des Grinds und der Schuppen vom Kopfe. Mit Honig- meth gekocht und Schmalz versetzt heilt es die Geschlechts- theile, Fettbeulen, Ohreugeschwüre, Gicht an Händen und Füssen, Gliederkrankheiten, das von den Knochen sich ab- lösende Fleisch, mit Essig aber Verrenkungen. Mit Essig und Honig gekocht legt man es auf die Milzgegend. Mit Wein versetzt reinigt es die Krebsgeschwüre, und setzt man später noch Honig hinzu, so heilt es sie auch. Ein mit dem Pulver bereiteter Trank wird bei Geschwüren in der Brust und anhaltendem Husten eingenommen; man lässt zu diesem'Behufe so lange kochen, bis der bittere Geschmack vergangen ist, und fügt dann noch Honig hinzu. Nun wollen wir von dem eigentlichen Ruhme der Kräuter handeln. Fünfundzwanzigstes Buch. Von der Beschaffenheit, dem Ansehen und Werthe der wild- wachsenden Kräuter. 1. Selbst der Ruhm der Kräuter, von welchem wir jetzt handeln -wollen — denn die Erde liefert sie uns nur zu arz- neilichen Zwecken — führt mich zur Bewunderung des Fleisses und der Sorgfalt der Alten. In der That, sie haben nichts unversucht und unerforscht gelasseu, nichts verhehlt, was ihren Nachkommen Nutzen bringen kann. Aber wir trachten das von ihnen U eberlieferte zu verbergen und zu unterdrücken und sogar das Leben um fremde Güter zu bringen. Gewiss, diejenigen verbergen, welche etwas we- niges wissen und es Andern nicht gönnen; Niemanden zu belehren, halten sie für wissenschaftlich erhaben. Soweit ist unser Zeitalter von Erfindung neuer Dinge und Schaffung der Mittel zur Erhaltung des Lebens entfernt, uud der mensch- liche Geist hat schon lange darin seine höchste Beschäftigung gesucht, die schönen Erzeugnisse der Alten dem Untergange zu weihen. Und doch waren einzelne Erfindungen der Art, dass die Erfinder unter die Götter versetzt wurden; wenig- stens machten sie^) das Leben Aller durch die Beinamen der Kräuter berühmt und so trug das Andenken den ge- bührenden Dank ab. Der Fleiss der Alten in Bezug auf solche Gewächse, welche schön aussehen und den Gaumen kitzeln, wäre nicht so sehr zu bewundern; aber nein, sie •) Die Erfindungen. 286 Fünfundzwanzigstes Buch. haben selbst unwegsame Bergspitzen, entlegene Einöden und das Innere der Erde durchsucht und ermittelt, was jede Wurzel für Kräfte hat, zu welchem Nutzen die Blätter der Kräuter tauglich sind, ja sogar Pflanzen, welche von Thieren nicht gefressen werden, nutzbar zu machen gewusst. 2. In dieser Beziehung haben wir Römer, die wir sonst auf alles, was Nutzen und Tapferkeit betrifft, wahrhaft räube- risch ausgehen, uns weniger Ruhm erworben, als recht wäre. Der erste und lange Zeit einzige Mann, welcher, wenn auch nur wenig darin wirkte, aber selbst die Thierarzneikunde nicht unberücksichtigt liess, war M. Cato, der Lehrer aller nützlichen Künste. Nach ihm hat unter berühmten Männern nur einer, C. Valgiusi), ein ausgezeichneter Gelehrter, sich in diesem Fache versucht, nämlich in einem unvollendeten Buche an den Kaiser Augustus, welches mit einer ehrfurchts- vollen Vorrede beginnt, worin er die Majestät des Fürsten als das kräftigste Heilmittel aller menschlichen Uebel be- zeichnet. 3. Früher hatte, soviel ich in Erfahrung bringen konnte, bei uns nur Pompejus Lenaeus, ein Freigelassener des gross^en Pompejus, ähnliche Gegenstände behandelt, und, wie ich be- merke, ist damals diese Wissenschaft erst zu uns gekommen. Mithridates nämlich, der grösste König seines Zeitalters, welcher uns, abgesehen von seinem übrigen Ruhme, durch seinen alle vor ihm Geborenen übertreffenden Fleiss als ein Vorbild nützlicher Lebensthätigkeit erscheint, wurde vi n Pompejus besiegt. Er war es, der die Erfindung machte, täglich, nach vorhergenommenen Gegenmitteln, Gift zu ver- schlucken und sich so nach und nach daran ohne Nachtheil zu gewöhnen. Zuerst wurden die verschiedenen Gegenmittel ausfindig gemacht, von denen noch eins seinen Namen führt. Sein Geheimniss soll darin bestanden haben, das Blut der pontischen Enten den Gegenmitteln beizumischen, weil diese ') Er war Arzt in Rom. Fünfundzwanzigstes Buch, 287 von Giften leben. Es sind noch die von dem berühmten Arzte Asciepiades an ihn gerichteten Schriften vorhanden, welche dieser ihm an seiner Statt zuschickte, als M. ilin einhul, von Rom aus zu ihm zu kommen. Man weiss mit Sicherheit, dass dieser König — was als einzig zu allen Zeiten dasteht — zweiundzwanzig Sprachen verstand, und in den 56 Jahren seiner Regierung mit keinem der ihm unter- worfenen Völker durch Hülfe eines üolmetsQ^iel-s redete. Trotz seiner grossen Gelehrsamkeit suchte er sich auch noch in der ]\Iediciu Kenntnisse zu verschaffen, forschte bei allen seinen Unterthanen (welche über viele Länder verbreitet waren) in dieser Beziehung nach, und hinterliess in seinen innersten Gemächern einen Schrank voll dergleichen Auf- zeichnungen, Proben und Gegenproben. Pompejus, welcher sich dieser Beute bemächtigte, Hess die Schriften von seinem Freigelassenen, dem Grammatiker Lenaeus, in die lateinische Sprache übersetzen und nützte auf solche Weise durch seinen Sieg nicht weniger dem menschlichen Leben als dem Staate. 4. Ausser diesen schrieben auch Griechen übei" Arznei- kunde und diese habe ich gehörigen Orts angeführt. Unter ihnen sind Cratevas, Dyonysius, Metrodoras auf die be- quemste und bestechendste Weise verfahren, aus ihrer Arbeit erkennt man indessen fast niclits weiter als die Schwierig- keit der Sache, denn sie haben die Kräuter abgebildet und die Wirkungen darunter gesciirieben. Aber theils ist die Malerei trügerisch, theils verlässt bei so zahlreichen Farben, besonders in Bezug auf die Nachahmung der Natur, den Copirenden nicht selten das Glück. Dann hat es auch wenig Werth, die Pflanzen nur in einem Alter gemalt zu sehen, denn ihr Aeusseres wechselt ja zu jeder Jahreszeit. 5. Daher bedienten sich die Uebrigeu bei der Beschreibung der Pflanzen nur der Sprache. Einige umgingen sogar die Beschreibung und begnügten sich meist mit der Anführung der blossen Namen, denn sie glaubten schon das Ihrige gethan zu haben, wenn sie Denen, welche die Pflanzen 288 Fünfundzwanzigstes Buch. suchen wollten, die Kräfte und Wirkungen davon anzeigten. Es ist auch nicht schwer, sie kennen zu lernen. Mir we- nigstens ist es geglückt, fast alle hieher gehörigen Gewächse in Augenschein nehmen zu können, und zwar in dem Gar- ten des sehr gelehrten Antonius Castor, der dieselben mit iSorgfalt cultivirte, und obschon über 100 Jahre alt, mit keinem körperlichen Uebel behaftet war, auch sich noch eines guten Gedächtnisses und einer bedeutenden Lebens- frische erfreuete — Erscheinungen, welche von jeher die grösste Bewunderung erregt haben. Man ist schon lauge im Stande, nicht bloss die Tage und Nächte, sondern selbst die Stunden, in welchen Sonnen- und Mondfinsternisse eintreten, voraus zu bestimmen und doch steht bei den meisten Menschen noch die Ansicht fest, solche Naturereignisse würden durch Zaubereien und Kräuter heraufbeschworen und die Weiber verständen sich auf diese Kunst ganz besonders. Welche Fabeln knüpfen sich nicht an die colchische Medea und an andere, namentlich die an italienische Circo, welche auch zu den Göttinnen ge- zählt wird? Hieraus erklärt es sich meiner Ansicht nach, dass Aeschylos, einer der ältesten Dichter, den Kräutern Italiens ganz besondere Kräfte zuschreibt, dass viele Schrift- steller ein Circäi nennen, wo jene Zauberin gewohnt habe, und dass noch jetzt die Marser, von denen es bekannt ist, dass sie die Schlangen zähmen können, behaupten, sie stam- men von einem Sohne der Circe. Docli schon Homer, der Vater der Wissenschaften und des Alterthums, giebt, wenn auch ein Bewunderer der Circe, Aegypten die Palme in Bezug auf werth volle Kräuter, obgleich das Land, was er meint, vielleicht das jetzt bewässerte und durch den Fluss- sclilamm überdeckte Aegypten war. Wenigstens führt er sehr viele äg^^ptische Pflanzen an, von denen die Gemalin des Königs seiner Helena Nachricht gegeben, unter anderen die berühmte Nepenthe, welche die Kraft besitzt, Trübsal vergessen zu machen und Verzeihung zu erwirken, und billigerweise von der Helena allen Sterblichen zugetrunken werden sollte. Fünfundzwanzigstes Buch. 289 So weit die Geschichte reicht, war Orpheus der erste, welcher über Kräuter mit einiger Umsicht schrieb. Ihm folgten Musaeus und Hesiodus in ihrer Lobpreisung des Polium, von dem schon früher in diesem Werke die Rede war. Orpheus und Hesiodus empfahlen die Räucherungen. Homer erwähnt rühmend noch anderer Kräuter, die ich am geeigneten Orte näher besprechen werde. Später schrieb der weise Pythagoras ein Werk über die Wirkungen der Kräuter, worin er den Apollo, Aesculap und die unsterb- lichen Götter überhaupt als die Erfinder und Schöpfer der- selben bezeichnet; ein ähnliches verfasste Democritus, denn dieser sowohl wie jeuer reisten bei den Magiern in Persien, Arabien, Aethiopieu und Aegypten umher. Die Erzählungen der letztern übten aber früher eine so zauberische Kraft aus, dass man die unglaublichsten Dinge für wahr ausgab. Der Historiker Xanthus^) berichtet in dem ersten Buche seiner Geschichte, ein junger Drache sei von seinem 2) Vater durch die Pflanze Balis wieder ins Leben zurückgerufen worden, und eben dieselbe Pflanze habe auch den von einem Drachen getödteteu Thylo wieder belebt. Auch Juba giebt an, in Arabien sei ein Mensch durch Hülfe eines Krautes von den Todten auferstanden. Demoerit behauptete und Theophrast glaubte, es gäbe ein Kraut, welches von einem Vogel (den ich früher genannt habe) herbeigebracht würde und, mit den von den Hirten in die Bäume getriebeneu Keilen in Berührung gesetzt, diese sogleich austreibe. Wenn nun auch alle diese Dinge nicbt wahr sind, so erregen sie • doch Verwunderung und nöthigen zu dem Bekenntniss, dass noch viel Ueberflüssiges (Unrichtiges, Unwahres) existirt. Ich sehe hieraus, dass Viele glauben, durch die Kräuter könne man alles erreichen, aber die Kräfte der meisten seien noch unbekannt; zu diesen Männern gehörte auch der berühmte Arzt Herophilus, der gesagt haben soll, vielleicht hätten selbst einige von den Kräutern, auf welche man •) Aus Sardes, Historiker im 6. Jahrb. v. Chr. ■-) Des Drachen? Wittstein: Plinius. VI. Bd. Ifi 290 Fünfundzwanzigstes Buch. trete, ihren Nutzen. So viel wenigstens steht fest, dass Wunden und Krankheiten durch Dazwischenkunft von Per- sonen, welche eine Fussreise gemacht haben, an Heftigkeit zunehmen. 6. So stand es mit der Arzneikunde der Alten, deren all- einiges Organ die griechische Sprache war. Der Grund, aber, warum man nicht mehr davon weiss, ist, weil nur Landleute und in den Wissenschaften Unerfahrene, also solche, welche allein unter den Kräutern leben, sich damit beschäftigten, und weil man ihr Aufsuchen vernachlässigt, obgleich an Aerzten kein Mangel ist. Ferner haben viele aufgefundene Kräuter noch keine Namen, und nicht besser geht es dem Gewächse, dessen ich bei den Feldfrüchten gedacht habe und von dem man weiss, dass es, an die Ecken der Saatfelder gesetzt, die Vögel abhält. Der be- klagenswertheste Grund unserer Unwissenheit in dieser Be- ziehung besteht aber darin, dass Diejenigen, welche etwas wissen, ein Geheimniss daraus machen, als ob das, was sie Andern mittheilten, für sie verloren ginge. Dazu gesellt sich noch die Unsicherheit der Erfindung, denn in einigen Fällen war der Zufall der Erfinder, in andern war es (um die Wahrheit zu sagen) ein Gott. Bis auf die neueste Zeit war der Biss eines tollen Hundes unheilbar, und bewirkte Scheu vor dem Wasser und Widerwillen gegen jede Art von Getränken. Vor Kurzem träumte nun der Mutter eines Sol- daten von der Leibwache, sie schicke ihrem Sohne die Wurzel von der wilden oder sogenannten Hundsrose^), an deren Anblick sie sich Tags zuvor geweidet hatte, zur Bereitung eines Tranks; diess geschah in Lacetanien, dem nächsten Distrikte Spaniens, der Zufall wollte, dass der Soldat, welcher von einem tollen Hunde gebissen war uud schon vor dem Wasser scheuete, gerade einen Brief von seiner Mutter erhielt, worin sie ihn bat, dem göttlichen Winke zu gehorchen, und siehe da, er wurde gerettet. ') Cynorrhodos. Rosa canina L. Fünfundzwanzigstes Buch. 291 Seitdem hat sich diess Mittel in jedem ähnlichen Falle be- währt. Sonst findet man bei den Schriftstellern nur ein ein- ziges Mittel von der Hundsrose erwähnt, nämlich die kleinen schwammigen Körper, welche mitten zwischen den Dornen wachsen und deren Asche mit Honig auf Glatzen die Haare wieder hervorufen. Ich habe in Erfahrung gebracht, dass man in derselben Provinz auf dem Acker eines Fremden einen sogenannten Dracunculus - Stengel gefanden hat, der daumendick, schlangenartig gefleckt ist^) und gegen alle Bisse helfe. Er ist nicht derselbe Dracunculus, dessen Arten ich im vorigen Buche beschrieben habe, denn letzterer bat eine ganz andere Gestalt und das Merkwürdige, dass er im Früh- ling zur Zeit der Schlaugen 2 Fuss hoch aus der Erde her- vorschiesst und sich mit denselben wieder in die Erde zu- rückzieht. Wenn er verschwunden ist, lässt sich keine Schlange mehr sehen, und schon durch diesen Umstand allein leistet er den Menschen einen grossen Dienst; es wäre nur zu wünschen, dass er auch warnte und die Zeit der Furcht vorher anzeigte. Nicht bloss die wilden Thiere besitzen die Mittel, uns zu schaden, sondern zuweilen auch die Gewässer und Land- plätze. Als Caesar Germanicus in Deutschland sein Lager auf das jenseitige Ufer des Rheins verlegte, fand man in der Nähe des Meeres eine einzige Quelle süssen Wassers, welches bewirkte, dass allen, die davon tranken, innerhalb zwei Jahren die Zähne ausfielen und die Kniesehnen ge- lähmt wurden. Die Aerzte nannten diese Krankheiten die Mundfäule und Knielähmung. Ein Mittel dagegen erkannte man in demKraute B r i t a u n i c a'-),welches sich aber auch gegen Bräune und Schlangen bewährt, längliche schwarze Blätter und eine schwarze Wurzel hat, und zur Gewinnung eines Saf- tes ausgepresst wird. Seine Blüthe, welche man Vibo nennt, wird gesammelt, ehe man es donnern hört und bewahrt den, der sie verschluckt, vor allen Gefahren. Die Friesen, in deren •) Wahrsclieinlich ein Stengel eines Echium. 2) Inula britannica? 19=^ 292 Fünfundzwanzigstes Buch. Gebiete damals das Lager stand, Laben uns mit dem Mittel bekannt gemacht; nur begreife ich nicht, warum es obigen Namen führt, es mtisste denn sein, dass ihre in dem dem Ocean zunächst liegenden Theile Britanniens wohnenden Grenznachbarn sie damit bekannt gemacht hätten. Denn so viel ist gewiss, dass es dort sehr häufig wächst, wenn auch jener Theil von Britannien jetzt noch frei ist. 7. Der Ehrgeiz machte sich ehedem auch in diesem Fache geltend, denn selbst Könige verliehen, wie ich zeigen werde, ihre Namen den Kräutern ; es schien ihnen wichtig genug, ein Kraut zu entdecken und so dem Leben hilfreiche Hand zu reichen. Jetzt werden vielleicht Manche meine Sorgfalt hierin für unnütz und albern halten, denn die Leppigkeit zieht selbst die Mittel zur Erhaltung des Lebens in den Staub. Allein die Billigkeit erfordert, dass ich die Erfinder der Arzneigewächse nenne, und deren Wirkungen nach den verschiedenen Krankheiten durchgehe. Hierbei kann ich indessen nicht umhin, das menschliche Geschick zu be- jammern, denn nicht bloss durch Zufall und besondere Er- eignisse, nein, zu jeder Stunde sind Namen für Tausende von Krankheiten, die der Mensch zu fürchten hat, ausge- dacht worden. Es wäre fast thöricht, zu unterscheiden, welche von diesen Krankheiten die schwersten sind, da gegenwärtig einem Jeden die seinige auch die heftigste zu sein scheint. Unsere Vorfahren haben sich allerdings da- hin ausgesprochen, die schmerzlichsten Qualen verursachte die Harnstrenge beim Blasensteine, denen folgten die Magen- übel, drittens die Kopfschmerzen, denn fast um keiner anderen willen sei man zum Selbstmord verleitet worden. Ich wundere mich, dass von den Griechen auch die schäd- lichen Kräuter hieher gerechnet sind; der Gifte nicht zu gedenken, weil unser Leben so beschaffen, dass der Tod oft die Zuflucht des besten Menschen ist. So erzählt M. Varro, der römische Kitter Servius Clodius habe, von den heftigsten Gichtschmerzen gefoltert, seine Beine mit Gift eingerieben und dadurch alles Gefühl in diesen Gliedern Fünfundzwanzigstes Buch. 293 verloren, aber auch keine Sehmerzen mehr empfunden. Aber ich frage, kann man es verzeihen, dass Mittel empfohlen worden sind, welche wahnsinnig machen, welche die Leibes- frucht abtreiben und dergleichen mehr? Ich werde nicht von Abtreibemitteln, nicht einmal von Liebestränken sprechen, denn ich weiss, dass der berühmte Feldherr Lueullus an einem Liebestranke gestorben ist; auch übergehe ich die Seltsamkeiten der Magier, ausgenommen in den Fällen, wo ich mich genöthigt sehe davor zu warnen, wo ich sie wide- legen und den Glauben daran verwerfen kann. Genug der Mühe, genug der Sorge für das Leben, die heilsamen und später entdeckten Kräuter besprochen zu haben. 8. Nach dem Zeugniss Homer's ist das Moly^) das 2"e- schätzteste aller Kräuter; er glaubt es habe seinen Na .len von den Göttern bekommen, sei von Mercur entdeckt, und hält es für das stärkste aller Gegengifte. Es soll noch jetzt am Peneus und in der arkadischen Landschaft Cyllene wachsen, in Uebereinstimmung mit Homer's Beschreibung eine runde schwarze Wurzel von der Grösse einer Zwiebel, uieerzwiebelähnliche Blätter haben und schwierig auszu- graben sein. Die griechischen Schriftsteller haben es mit gelber Blume abgebildet, während Homer sagt, sie sei weiss. Ein pflanzenkundiger Arzt sagte mir, es wachse auch in Italien; später erhielt ich ein Exemplar, welches man in Campanieu binnen einigen Tagen mit vieler Mühe aus felsigem Boden gegraben, und das eine dreissig Fuss lange Wurzel hatte, die aber nicht einmal ganz, sondern nur ein abgerissener Theil war. 9. Den nächsten Platz nimmt eine Pflanze ein, welche als das Sinnbild der Majestät aller Götter betrachtet und daher Dodekatheon 2) genannt wird. Sie hat eine gelbe Wurzel und sieben, der Wurzel entspringende, lattichähnliche ') Allium magicum L. LiJiura Martasror. L.? 294 Fünfundzwanzigstes Buch. Blätter. Ein daraus bereiteter Trank soll alle Krankheiten heilen. 10. Die Paeonia^) ist eine schon sehr lange bekannte und den Namen des Entdeckers 2) führende Pflanze, heisst aber auch Pentorobus und Glycysis. Auch das ist ein Uebelstand, dass ein und dieselbe Pflanze an andern Orten anders benannt wird. Sie wächst an schattigen Bergen, zwischen den Blättern steigt ein 4 Finger hoher Stengel empor , der an einer Spitze vier bis fünf mandelähnliche Kapseln trägt, worin viele rothe und schwarze Samen ein- geschlossen sind. Man wendet sie gegen die Neckereien, welche die Faunen im Schlafe erregen, an. Sie muss zur Nachtzeit ausgegraben werden, weil sonst leicht der Schwarz- Specht zu ihrem Schutze herbeieilt und den Gräber nach den Augen hackt. 11. Der Panax verräth schon durch seinen Namen, dass er ein Heilmittel für alle Krankheiten ist; er hat zahlreiche Arten und man schreibt seine Erfindung den Göttern zu. Eine Art heisst der asclepische^), weil Asclepius seine Tochter Panacea nannte. Sie enthält einen dicken Saft wie die früher besprochene Ferula, die Wurzelrinde ist dick und salzig. Wenn man die Wurzel ausgerissen hat, muss man — um das der Erde schuldige Sühnopfer zu bringen — das entstandene Loch mit allerlei Feldfrüchten wieder aus- füllen. Wo und wie der Saft behandelt wird und welcher am besten ist, habe ich bei den Arzneien von fremden Gewächsen auseinander gesetzt. Der aus Macedonien kommende heisst Bucolicus, weil die Hirten dort den von selbst ausquellenden sammeln, der sich aber sehr schnell verflüchtigt. Auch bei den andern Arten verwirft man ') Paeonia corallina Retz und P. officinalis L. -) Arzt Paeon, der damit den Pluto heilte. ^i Echinophora tenuifolia L. Diess ist die Pflanze des Dioscorides. Die Theophrastsche ist Ferula geniculata Guss. Fünfundzwanzigstes Buch. 295 namentlich den schwarzen und weichen, weil sie nämlich mit Wachs verfälscht sind. 12. Die andere Art heisst der heraclische Panax^), weil er von Hercules entdeckt sein soll; Einige nennen dieselbe heracleotisches Origanum, weil sie einem Origanum ähnlich sieht; sie hat eine unbrauchbare Wurzel und ich habe schon beim Origanum davon gesprochen. 2) 13. Die dritte Art wird nach dem Entdecker der chiro- nische Panax^) genannt. Seine Blätter sind denen des Ampfers ähnlich, aber grösser und rauher, die Blütheu gold- gelb, die Wurzel klein. Er wächst an fetten Plätzen; die Blüthe ist äusserst wirksam, und daher hat diese Art ent- schiedenen Vorzug vor der vorigen. 14. Die vierte, von demselben Chiron entdeckte Art heisst der centaurische Panax*), aber auch der pharnacische, weil Einige den König Pharnax als den Entdecker be- zeichnen. Seine Blätter sind länger als die der übrigen Arten und gesägt; die geruchvolle Wurzel wird im Schatten getrocknet und dem Weine zugesetzt, um ihm einen ange- nehmen Geschmack zu ertheilen. Man unterscheidet noch zwei Varietäten, eine mit glatten und eine mit dünnern Blättern. 15. Das siderische Heracleum^), von Hercules selbst entdeckt, hat einen zarten, vier Finger hohen Stengel, granatrothe Blüthen und coriauderähnliche Blätter, w^ächst ') Des Dioscorides: Ferula Opoponax Spr.; des Theophrast: Heracleum Sphondylimn L. -) XX. ß. 69. Cap. PI. wirft hier offenbar wieder durcheinander. 3) Des Theophrast: Ferula Opopanax und Inula Heleniuxn L. '^) Wahrscheinlich eine grössere Spielart der vorigen Ferula oder Inula. 5) Geranium coriandrifolium? 296 Fünfundzwanzigstes Buch. an Seen und Flüssen und heilt alle durch Eisen entstandenen Wunden aufs kräftigste. 16. Es giebt auch einen von Chiron entdeckten Weinstock, der daher der chironische genannt wird und von welchem ich schon bei den Weinstöcken gesprochen habe; ferner ein Kraut, das von Minerva entdeckt sein soll. 17. Eine andere, dem Hercules zugeschriebene Pflanze heisst Apollinaris, bei den Arabern Altere um, bei den Griechen Hyoseyamus, und hat mehrere Arten. Die eine Art^) ist stachlicht, trägt fast purpurrothe BUithen und schwarze Samen und kommt in Galatien vor. Die zweite oder gemeine Art 2) ist weisser, staudiger und höher als Mohn. Der Same der dritten Art 3) ist dem des Irio ähnlich, alle drei aber verursachen Wahnsinn und Schwindel. Die vierte Art 4) ist weich, wollig, fetter als die vorigen, bringt weisse Samen, wächst am Meere und wird arzneilich ange- wandt. Auch giebt es eine Art mit röthlichem Samen; ferner erscheint jener weisse Same vor gehöriger Reife zu- weilen röthlich und taugt dann nicht. Uebrigeus geschieht die Einsammlung niemals vor völligem Trockenwerden der Pflanze. Die Pflanze wirkt wie der Wein auf Kopf und Sinne; der Same wird für sich und als ausgepresster Saft gebraucht. Man presst auch den Stengel und die Blätter separat aus, benutzt auch die Wurzel; doch halte ich diese Art Arznei für bedenklich, weil man weiss, dass auf den Genuss von mehr als vier Blättern Wahnsinn eintritt. Die Alten waren sogar der Meinung, sie vertrieben mit Wein ge- nommen das Fieber. Wie ich schon früher gemeldet, berei- tet man aus den Samen auch ein Oel, welches selbst in die Ohren gegossen den Verstand verwirret. Merkwürdigerweise ') Hyoseyamus niger L -) Hyoseyamus albus L. ^) Hyoseyamus aureus L. •'•) Hyoseyamus mutieus? Fünfundzwanzigstes Buch. 297 hat man diesen Samen als Hülfsmittel wider Gift, mithin ein Gift wider das andere empfohlen, das Experinientiren hörte also nicht eher auf, bis man die Gifte gezwungen hatte, Arzneimittel zu sein. 18. Die Pflanze Linozostis oder Parthenium hat Mercur entdeckt; bei vielen Griechen heisst sie Hermupoa, bei uns stets Mercurialis. Es giebt zwei Arten, eine männliche i) und eine weibliche 2) wirksamere; hat einen ellenhohen, zu- weilen oben verzweigten Stengel, schmälere Blätter als das Ocimum, dichte Gelenkknoten, vertiefte Achseln, Samen welche von den Gelenkkuoten ausgehen und bei der weiblichen Art frei und zahlreich herabhängen, bei der männlichen aber dicht neben den Knoten stehen, der Zahl nach wenig, kurz, gekrümmt und dunkler sind. Auch haben die Blätter des Männchens eine dunklere Farbe als die des Weibchens. Die Wurzel ist nutzlos und klein. Sie finden sich auf be- bauten Feldern. Von diesen beiden Arten erzählt man wunderliche Dinge; das Männchen soll bewirken, dass Knaben, und das Weibchen, dass Mädchen geboren werden, und zwar soll die Mutter zu diesem Zweck gleich nach der Empfängniss den ausgepressten Saft mit gesottenem Weine trinken, oder die gekochten Blätter mit Oel und Salz, oder auch dieselben noch mit Essig verspeisen. Einige sieden auch die Pflanze in einem neuen irdenen Gefässe mit Heliotropium und zwei oder drei Aehren, bis sie weich ist, lassen den Absud und das Kraut selbst den ersten Tag nach der monatlichen Keinigung drei Tage hintereinander nehmen, und empfehlen am vierten Tage nach dem Bade den Beischlaf. Hippocrates empfiehlt die beiden Arten dringend den Weibern; unsere Aerzte kennen jedoch diese Art von Anwendung nicht. Er lässt sie zur Beförderung der Menstruation und des Abgangs der Nachgeburt mit •) Mercurialis perennis L. -) Mercurialis annua L. 298 Fünfundzwanzigstes Bucli. Honig, Rosen-, Iris- oder Lilieiiöl auf die Schaam legen, als Trank oder auch als Bähung anwenden. Den Saft lässt er in übelriechende Ohren tröpfeln, auch damit nach Zusatz von altem Wein einreiben. Die Blätter lässt er auf den Unterleib, auf Augengeschwüre, bei Harnstrenge und Blasenübeln auflegen, und einen Absud davon mit Myrrhe und Weihrauch reichen. Zur Eröffnung des Leibes, auch gegen Fieber soll man eine Handvoll davon mit zwei Sextaren Wasser zur Hälfte einkochen, und den Absud mit Salz und Honig, oder noch besser mit Zusatz von Schweins- klauen oder Hühnerfleisch gekocht trinken. Einige meinen, man müsse zur Reinigung beide Zubereitungen oder einen mit Malve bereiteten Absud geben. Diese Pflanzen reinigen auch die Brust und entfernen die kranke Galle, beschweren aber den Magen. Von sonstigen Anwendungen wird später die Rede sein. 19. Auch Achilles, der Schüler des Chiron, hat ein Kraut entdeckt, womit mau Wunden heilt und das daher das achilleische 1) genannt wird. Er soll damit den Telephus geheilt haben; Andere geben an, er habe den zu Pflastern so nützlichen Grünspan erfunden, und bilden ihn ab, wie er gerade denselben an der Spitze seines Schwertes in die Wunde des Telephus hiuablässt; wiederum Andere meinen, er habe beide Mittel angewandt. Einige nennen diese Pflanze auch Panax heracleus. Andere Sideritis, bei uns heisst sie Millefofium, ist ellenhoch, ästig und von unten an mit Blättern bekleidet, welche kleiner als die des Fenchels sind. Wieder Andere geben zwar zu, dass jene Pflanze bei Wunden von Nutzen sei, sagen aber, die wahre achilleische habe einen blauen, fusshohen, einfachen, überall mit runden Blättern schön besetzten Stengel; von Andern wird der Stengel viereckig, der Blütenkopf andornähnlich und die Blätter eichenähnlich bezeichnet, und mau benutzt sie zum Zusammenheilen durchgeschnittener Sehneu. Einige ') Achillea Millefolium L„ toraentosa und magna. Fünfundzwanzigstes Buch. 299 berichten, die an Mauern vorkommende Sideritis entwickle beim Reiben einen üblen Geruch; es gäbe noch eine andere ähnliche Art, die aber hellere und fleischigere Blätter, einen dünnern Stengel habe und an Mauern wachse. Noch eine dritte sei zwei Ellen hoch, habe dünne dreieckige Aeste, dem Farrnkraut ähnliche Blätter, lange Blattstiele, Samen wie die Bete und alle seien gute Wundmittel. Bei uns heisst die mit den breitesten Blättern versehene Scopa regia und wird gegen die Bräune der Schweine angewendet. 20. Zu derselben Zeit hat Teucer das Teucrium, auch Hemioniumi) genannt, entdeckt, welches dünne binsen- artige Stengel treibt, keine Blätter hat, an wüsten Orten wächst, herbe schmeckt, weder blühet noch Samen giebt. Es heilt die Milz und ist bekanntlich dadurch entdeckt worden, dass es sich von den darauf geworfenen Einge- weiden eines Thieres an die Milz hing und diese ganz aus- leerte; daher nennen es auch Einige Splenium. Man er- zählt, Schweine, welche die Wurzel frässen, verlören die Milz. Einige bezeichnen mit demselben Namen eine dem Hyssop ähnliche Pflanze mit bohnenähnlicheu Blättern und lassen sie während der BUUhezeit einsammeln; sie setzen also keinen Zweifel darin, dass sie blühe und geben der auf den Bergen Ciliciens und Pisidiens wachsenden den Vorzug. 21. Der Ruf des Melampus-) gründet sich auf die Künste der Wahrsagerei. Nach ihm heisst eine Art des EUeborus: Melampodion. Andere gaben an, ein Hirt dieses Namens hätte sie und zwar dadurch entdeckt, dass Ziegen, welche davon gefressen, gereinigt wurden, und hätte dann mit der Milch dieser Thiere die wüthenden Töchter des Praetus geheilt. Ich will daher von allen ihren Arten jetzt gleich reden. Die beiden ersten sind eine weisse^) und eine ') Aspleniuiu Cetaracli L. 2) Sohn des Amythaon und der Adomene, Wahrsager und Gott- versöhner, der die Sprache der Thiere verstand. ^j Veratrum album L. 300 Fünfundzwanzigstes Buch. schwarze 1), die meisten Autoren geben an, diese könnten nur durch die Wurzel unterschieden werden; Andere sagen, die Blätter der schwarzen Art wären denen der Platane ähnlich, aber kleiner, dunkler und vielfach getheilt; die der weissen ähnelten den jungen Blättern der Bete, wären aber auch dunkler und auf der Unterseite an den Rippen röthlich; der Stengel von beiden wäre gertenartig, handhoch, in der Nähe des Wurzelkopfs mit Häuten umgeben und die Wurzel faserig wie die der Zwiebeln. Die schwarze tödtet Pferde, Ochsen und Schweine, wird daher von ihnen nicht ange- rührt, während sie die weisse Art fressen. Zur Erntezeit soll sie (die weisse) die rechte Beschaffenheit haben; sie wächst sehr häufig auf dem Berge Oeta, ist aber an einer Stelle desselben, bei Pyra, am besten. Die schwarze findet sich überall, man zieht aber die vom Helicon vor, sowie man auch andere auf diesem Berge vorkommende Kräuter sehr schätzt. Dem Eange nach folgt auf die weisse ätolische die pontische, dann die eleatische, welche an Weinstöcken wachsen soll, dann die parnassische, welche durch die be- nachbarte ätolische verfälscht wird. Diejenige von diesen Varietäten, welche dunkler aussieht, heisst Melampodium, dient zum Räuchern und Reinigen der Häuser, zum Be- sprengen des Viehs unter feierlichem Gebete, wird daher auch mit mehr religiösem Ceremoniell gesammelt. Zuerst nämlich zieht man mit dem Schwerte einen Kreis um die- selbe, dann wendet sich der, welcher sie abhauen will nach Morgen, bittet die Götter ihm diess zu gestatten, und beobachtet den Flug des Adlers, denn dieser findet sich stets dabei ein und wenn er ganz nahe hiuzufliegt, so deutet diess an, dass der Sammler noch in demselben Jahre sterben werde. Auch die weisse lässt sich nicht so leicht sammeln, denn sie nimmt den Kopf sehr ein, besonders wenn man nicht vorher Knoblauch isst, zuweilen einen Schluck Wein trinkt und das Ausgraben beschleunigt. Die schwarze nennen Einige die eingeschnittene, Andere die vielwurzelige; ') Helleborus offic. Salisb. und H. niger L. Fünfundzwanzigstes Buch. 301 sie reinigt durch den Stuhlgang, die weisse hingegen durch Erbrechen und beseitigt die Ursachen der Krankheiten. Anfangs fürchtete man sie, später machte man keinen Unter- schied mehr zwischen beiden, und Viele nahmen sie ein, um ein richtigeres Urtheil über ihre Wirkung abgeben zu können. So Carneades, als er auf die Bücher Zeno's Ant- ^vort geben wollte; auch w^urde bekanntlich der berühmte Volkstribuu Drusus (dem vor allen das Volk stehend Bei- fall klatschte, dem die vornehme Klasse aber den marsischen Krieg Schuld gab) auf der Insel Anticyra durch dieses Mittel von der Epilepsie befreiet. Dort kann dasselbe auch ohne Gefahr gewonnen werden, weil man (wie ich ange- geben) das Sesamoides darunter mischt. In Italien nennt man die Pflanze Veratrum. Das daraus oder auch mit Zusatz der Wurzelfasern bereitete Mehl, womit bekanntlich die Wolle gewaschen wird, erregt Niesen, beide Theile aber machen Schlaf. Man sammelt die dünnsten und die kurzen gleichsam abgebrochenen Wurzeln, denn der oberste, knollige Theil der Wurzel wird bloss den Hunden zur Reinigung ein- gegeben. Die Alten schälten die fleischige Rinde der Wurzel ab, bedeckten den inneren markigen Theil mit feuchten Schwämmen, schlitzten ihn, wenn er aufgequollen war, mittelst einer Nadel der Länge nach in Fäden, trock- neten letztere im Schatten und wendeten sie in diesem Zustande an. Jetzt hingegen verordnet man von der dick- schaligsten Wurzel die Fasern selbst. Am besten ist die Wurzel (Faser), wenn sie scharf und brennend schmeckt, und beim Brechen stäubt. Sie soll ihre Wirksamkeit 30 Jahre lang -behalten. 22. Die schwarze Art heilt Lähmungen, Wahnsinn, Wasser- sucht, wenn kein Fieber zugegen ist, anhaltendes Podagra und Gliederkrankheiten, führt Galle und Schleim durch den After ab. Um gelinde abzuführen, nimmt man meistens eine Drachme, je zu vier Obolen mit Wasser; setzt auch wohl Scammonium, besser aber Salz hinzu. Mit süsser Sahne ein- genommen schadet sie nicht selten. Bähet man trübe Augen 302 Fünfundzwanzigstes Buch. damit, so werden sie hell; denselben Zweck erreicht man durch Einreiben. Alle drei Tage frisch aufgelegt zeitigt und reinigt sie Kröpfe, Eiterungen, Verhärtungen und Fisteln. Mit Kupferasche und Sandarach vertreibt sie die Warzen. Mit Gerstenmehl und Wein legt man sie den Wassersüch- tigen auf den Bauch. Den Rotz des Rind- und Zugviehs heilt man auf die Weise, dass man eine Wurzelfaser durch's Ohr steckt und am folgenden Tage um dieselbe Stunde wieder herauszieht, die Räude durch ein Gemisch von Nies- wurz, Weihrauch oder Wachs uud Pech oder Pechöl. 23. Die weisse Art ist dann am besten, wenn sie recht schnell Niesen erregt, wirkt aber viel heftiger als die schwarze, was man schon aus den Zurüstungen erkennen kann, welche die Alten bei ihrer Anwendung gegen Schau- der, Erstickungen, Schlafsucht, unaufhörliches Schlucken und Niesen, schlechten Magen, langsame oder andauernde, unbedeutende oder übermässige Erbrechungen gemacht haben. Sie pflegten nämlich noch andere Dinge zu geben, welche zum Brechen reitzen und den Elleborus selbst durch inner- liche Mittel oder Klystiere, ja selbst durch einen Aderlass ausziehen (wieder hinausschaffen) sollten. Wenn ein solches Experiment nun auch glücklich abläuft, so machen die ver- schiedenfarbigen Erbrechungen und die nachfolgenden Stuhl- gänge einen widrigen Anblick, und die alle dem voraus- gehenden Vorschriften zu Bädern und sonstigen sorgfältig zu treffenden Maassregeln für den Körper sind recht geeignet, mit dem Rufe des Mittels zugleich Schrecken zu verbreiten. Ja man giebt sogar an. Fleisch, was man damit koche, werde verzehrt. Aus Furcht begingen die Alten den Fehler, dasselbe in zu geringer Dosis zu geben, während es doch desto eher durchbricht, je reichlicher es genommen wird. Themison verordnete nicht mehr als zwei Drachmen, seine Nachfolger bis zu vier und Herophilus that den berühmten Ausspruch, der Elleborus sei einem tapfern Feldherrn zu vergleichen; wenn er alles im Leibe in Bewegung gesetzt hätte, ginge er selbst, allen andern voraus, wieder ab. Fünfundzwanzigstes Buch. 303 Ausserdem ist die Erfindung merkwürdig, dass man ihn mit Scheeren zerschneidet und dann siebt; hiebei bleibt näm- lich die Rinde zurück, welche ausleerend, während das durchfallende Mark den zu starken Erbrechungen entgegen wirkt. 24. Auch bei einer glücklichen Kur muss man sich hüten, sie an einem neblichten Tage zu geben, weil sonst unleid- liche Schmerzen eintreten; ja es ist nicht zu bezweifeln, dass ihre Anwendung im Winter bedenklicher als im Som- mer. Den Körper muss man sieben Tage vorher durch scharfe Speisen und Enthaltung des Weins, den vierten und dritten Tag durch Brechmittel und Tags vorher durch Fasten darauf vorbereiten. Die weisse Art gibt man mit süssem Safran, oder besser mit Linsen oder irgend einem Brei ein. Seit Kurzem räth man, Rettig in Scheiben zu schneiden, gepulverten Elleborus dazwischen zu streuen, jene Wurzel wieder zusammenzudrücken, um ihr die Schärfe mitzutheilen und die dadurch milder gemachte Arznei einzugeben; nach Verlauf von vier Stunden finge sie an wieder abzugehen, und binnen sieben Stunden sei die ganze Kur abgemacht. Auf diese Weise heilt man Epilepsie, Schwindel, Melancholie, Raserei, Wahnwitz, weisse Elephantiasis, Krätze, Starrkrampf, Zittern,Podagra,anfangendeWassersucht,Mageuübel,Krämpfe, lange Bettlägrigkeit, Hüftweh, viertägiges Fieber, welches keinem andern Mittel weicht, anhaltenden Husten, Bläh- ungen und öfter wiederkehrendes Bauchgrimmen. 25. Den Elleborus darf man weder Greisen noch Kin- dern, weder Leuten von weichem und weibischem Körper oder Gemüthe, noch kleinen oder zartgebaueten Personen, noch weniger Weibern als Männern, auch keineswegs Furcht- samen, ferner nicht bei Geschwüren und Geschwülsten der Brust, Blutausvvurf, Seiten- und Halsübeln geben. Aeusser- lich verordnet mau ihn mit Fett und Salz als Salbe bei schleimigen Ergüssen und alten Eiterungen. Zum Tödten der Mäuse setzt man ihn der Polenta hinzu. Die Gallier 304 Fünfundzwanzigstes Buch. bedienen sich auf der Jagd in EUeborus getauchter Pfeile, schneiden die dadurch entstandene Wunde heraus und ver- sichern, das Fleisch der auf diese Weise erlegten Thiere schmecke zarter. Um die Fliegen zu tödten, übergiesst man die Wurzel der weissen Art mit Milch; auch verordnet man sie gegen die Läusesucht. Ein von Mithridates genanntes und daher von Crate- vas Mithridatiai) genanntes Kraut hat zwei Blätter, welche aus der Wurzel entspringen und denen des Acanthus ähn- lich sind, und einen zwischen demselben mit rosenrother Blüthe emporsteigenden Stengel. 27. Eine andere von Mithridates entdeckte und von Lenaeus mit dem Namen Scordotis oder Scordium^) bezeichnete Pflanze ist ellenhoch, hat einen vierkantigen Stengel, ver- zweigt sich nach Art des Eichenbaums, trägt wollige Blät- ter, wächst im Pontus auf fetten und feuchten Feldern und schmeckt bitter. Eine Abart davon hat breitere Blätter, ähnelt der wilden Minze; beide werden häufig sowohl für sich als auch zu Gegengiften angewandt. 28. Die PolemoniaS) nennen Einige, wegen des Streites der Könige über ihre Erfindung, Philetaeria^), die Cappa- docier aber Chiliodynama^); sie hat eine dicke Wurzel, dünne Zweige, von deren Enden Blüthenbüschel herab- hängen, schwarze Samen, ist übrigens der Raute ähnlich und wächst in bergigen Gegenden. 29. Auch die Eupatoria^) ist eine königliche Entdeckung ^); ihr Stengel ist holzig, schwärzlich, eine Elle hoch oder höher, ') Teucrium Scoi'dium L. *) Teucrium Scorodonia L. ^) Polemonium coeruleum L. Fraas hält Hypericum olympicum L. für die Polemonia der Alten. *) Die Kameradenliebe. 5) Die mit tausend Tugenden Begabte. ^) Agriraonia Eupatoria L. ") Des syrischen Königs Antiochus V, der den Beinamen Eupator hatte. Fünfundzwanzigstes Buch. 305 die Blätter stehen in Zwischenräumen je zu fünf, wie beim Hanf, sind fünfmal eingeschnitten, dunkelgrün und federig. Die Wurzel hat keinen Nutzen. Der Same wird in Wein mit ausgezeichnetem Erfolge gegen Dysenterie angewandt. 30. Mit dem Centaurium^) soll Chiron, als er bei Her- cules auf Besuch dessen Waffen in die Hand nahm und ihm ein Pfeil auf den Fuss gefallen war, geheilt worden sein, weshalb Einige es auch Chironium nennen. Die Blätter stehen an der Wurzel dicht beisammen, sind breit, länglich, gesägt, die Stengel drei Ellen hoch, geknieet und tragen mohnartige Köpfe. Die Wurzel ist gegen zwei Ellen lang, röthlich, zart und zerbrechlich, voll bittersüssen Saftes. Man findet es auf fetten Hügeln, am besten in Arcadien, Elis, Messenien, Pholoe und Lycien, selbst auf den Alpen u. a. Orten. In Lycien bereitet man daraus auch das Ly- cium. Seine Kraft im Heilen von Wunden ist so gross, dass Fleisch, welches man damit kocht, fest aneinander haften soll. Man gebraucht nur die Wurzel und zwar zwei Drachmen davon als Trank in Wein, bei Fieber aber in Wasser; zu denselben Zwecken dient auch eine Abkochung. 31. Eine andere Art, Centaurium leptum'^) oder klein- blättriges, auch wegen seines vStandorts an Quellen Liba- dium genannt, ist dem Origanum ähnlich, hat aber schma- lere und längere Blätter, einen eckigen, nicht zu niedrigen, staudigen Stengel, Blumen wie die Lychnis, eine dünne un- brauchbare Wurzel und enthält einen wirksamen Saft. Man sammelt es im Herbste und presst aus den Blättern den Saft. Einige zerschneiden die Stengel, weichen sie 18 Tage lang ein und pressen dann aus. Bei uns heisst diese Pflanze wegen ihrer ausserordentlichen Bitterkeit Erdgalle, bei den Galliern Exacum, weil sie alle schädlichen Theile auf dem Wege des Stuhlgangs aus dem Körper schafft. •) Erythraea Centaurium Pers. 2) Exacum filiforme L. Wittstein: Pliniua. IV. Bd. ,306 Fünfundzwanzigstes Buch. 32. Eine dritte Art ist das dreihodige Centauiium. Wer dasselbe schneidet, verwundet sich gewöhnlich dabei. Es enthält einen blutrothen Saft. Theophrastus sagt, der Falke Triorchis^) (von dem es den Beinamen bekommen hat) schütze es und wehre die es Sammelnden ab. Uner- fahrene vermengen diese Art irrigerweise mit der erstge- nannten. 33. Das Kraut Clymeuus^) ist nach einem Könige be- nannt worden, hat epheuähnliche Blätter, einen ästigen, hohlen, gegliederten Stengel, Samen wie der Epheu, einen unangenehmen Geruch, wächst in Wäldern und Gebirgen. Welche Krankheiten ein daraus bereiteter Trank heilt, werde ich später angeben; hier will ich nur bemerken, dass es bei Männern gleichzeitig mit der Heilung Unfruchtbarkeit ver- ursacht. Nach Angabe der Griechen soll es der Plautago ähnlich sein, einen viereckigen Stengel und, wie die Fang- arme der Polypen, in einander verschlungene Fruchtbälge haben. Auch den Saft, welcher sehr kühlend ist, wendet man an. 34. Die Gentiana^) hat der illyrische König Gentius ent- deckt; sie kommt überall, namentlich häufig in den feuch- ten Voralpen vor, ist aber in lUyrieu am besten, hat eschenartige, aber an Grösse denen der Lactuca ähnliche Blätter, einen zarten, daumdicken, hohlen, zuweilen drei Ellen hohen, in Zwischenräumen belaubten Stengel, eine zähe, dunkle, geruchlose Wurzel. Man gebraucht davon die Wurzel und den Saft; erstere erwärmt, darf aber Schwän- gern nicht gegeben werden. 35. Lysimachus hat die nach ihm benannte und von Era- ') Falco Buteo L. -) Calendula arvensis L. '■') Gentiana lutea L. Fünfundzwanzigstes Buch. 307 sistratus gepriesene Lysimachia') entdeckt. Sie wächst am Wasser, ist staudig, die Zweige stehen aufrecht, die Blätter sind denen der Weide ähnlich, die Blumen purpur- roth, der Geruch scharf. Wenn Ochsen nicht zusammen an einem Joche ziehen wollen, so kann man sie durch Auf- legen dieser Pflanze auf dasselbe leicht sanft und verträg- lich machen. 36. Auch Weiber haben nach Entdeckungen von Pfianzeu gestrebt, unter andern A r t e m i s i a, des Mausolus Gattin, nach welcher eine, die früher Parthenishiess, benannt worden ist. Einige geben an, ihr Name rühre von der Artemis Ilithya^) her, weil sie besonders zur Heilung von Frauenkrankheiten diene. Uebrigens wächst sie staudig wie der Wermuth, hat aber grössere und fleischige Blätter, und bildet zwei Arten, eine mit breitern 3) und eine zarte^), nur am Meere vor- kommende mit kleinern Blättern. Denselben Namen giebt man auch einer weit vom Meere entfernt wachsenden Pflanze mit einfachem Stengel, sehr kleinen Blättern, zahl- reichen, zur Zeit der Traubenreife erscheinenden und nicht unangenehm riechenden Blumen; diese heisst auch Botrys oder Ambrosia^) und findet sich in Cappadocien. 37. Die Nymphaea soll aus einer, vor Eifersucht gegen Hercules gestorbenen Nymphe entstanden sein. Ebendarum heisst sie auch bei Einigen Heracleum, bei Andern wegen der Aehnlichkeit der Wurzel mit einer Keule Rhopalum, und wer sie zwölf Tage lang einnehme, verlöre die Fähig- keit zur Zeugung. Die Boeotier nennen sie Madum und geniessen den Samen. Sie findet sich am kräftigsten in Orchomenum und Marathon, wächst im Wasser, hat einen dünnen Stengel, grosse, von der Wurzel ausgehende und auf M Lythrum Salicana L. '■^) (Jeburtshelferin Diana. 3) Artemisia arborescens L. *) Avteinisia compestris *) Ist Ambrosia maritima L. 20* 308 Fünfundzwanzigstes Buch. dem Wasser schwimmende Blätter, lilieuähnliche Blumen i), mohuähnliche Fruchtkaspeln und wird im Herbste einge- sammelt. Die schwarze, au der Sonne getrocknete Wurzel wendet man bei Unterleibsbeschwerden au. In Thessalien im Flusse Peneus kommt eine Nymphaea mit weisser Wurzel und gelber Blume 2) von der Grösse einer Rose vor. 38, Zur Zeit unserer Väter hat auch der König Juba eine Pflanze entdeckt, welche nach seinem Arzte, einem Bruder des Musa, von dem ich berichtete, dass er dem Kaiser Au- gustus das Leben gerettet, Euphorbia^) benannt wurde. Eben denselben Brüdern verdankt man auch die Einrich- tung, den Körper nach dem Bade durch Anwendung viel kalten Wassers zusammenzuziehen; früher nämlich war es, wie wir bei Homer finden, Sitte, nur in warmem Wasser zu baden. Wir besitzen von Juba auch eine Schrift über die Euphorbia, worin er ihr das grösste Lob spendet. Er fand sie auf dem Berge Atlas von thyrsusartigem Ausehen und mit dornigen Blättern. Ihre Kraft ist so gross, dass man sie schon von ferne wittert; sticht man sie mit einem Spiesse an, so läuft eine Art Milch heraus, die in untergesetzten Gefässen von Bocksmagen aufgefangen wird und getrock- net das Ansehen des Weihrauchs hat. Wer sich mit dem Sammeln derselben befasst, bekommt ein schärferes Gesicht. Der Milchsaft heilt Schlangenbisse, mögen sie sich wo immer befinden, wenn man die Spitze der Wunde einschneidet und das Mittel hineinthut. Die Gaetuler, welche ihn sammeln, verfälschen ihn mit Ziegenmilch, was mau aber beim Er- hitzen erkennt, denn der unächte verbreitet dabei einen widrigen Geruch. Viel werthloser ist der Saft, welcher in Gallien aus der Chamelea^) die Scharlachbeeren trägt, be- reitet wird, auf dem Bruche dem Ammoniakum gleicht, nur schwach gekostet ein heftiges, in Zwischenräumen sich ein- ') Nymphaea alba L. -) Nymphaea lutea L. ^) Euphorbia ot'ticinaiuin L. *) Daphne oleoides 1. FnnfHnclzwajizigstes Buch. 309 stellendes Brennen verursacht und endlich den Schlund trocken macht. Der Arzt Themison hat, gleichsam als Entdecker, das gemeine Kraut Plantagoin einer eigens darüber verfassten Schrift gepriesen. Man kennt davon zwei Arten; die eine') wächst auf Wiesen, hat einen kantigen, zur Erde gebogenen Stengel, und schmale, dunklere, schafzungenförmige Blätter, die andere 2) wächst an feuchten Plätzen, ist grösser, ellen- hoch mit rübenähnlichem Stengel, durch die Blätter von allen Seiten eingeschlossen, heisst auch, weil davon sieben da sind, Siebenseite und besitzt weit mehr Wirksamkeit. Sie trocknet und verdichtet wunderbar, und vertritt die Stelle eines Aetzmittels; nichts stillt auch die von den Griechen mit dem Namen Rheumatismen bezeichneten Flüsse besser. 40. Hieran schliesst sich die Buglossus^), welche der Zunge eines Ochsen ähnlich ist und sich dadurch auszeichnet, dass sie in Wein geweicht das Gemüth heiter stimmt. Sie heisst auclr Euphrosine. 41. Ferner die einer Hundszunge ähnliche Cyuoglossus^), welche in cten Kunstgärten sehr beliebt ist. Die drei Samenbüschel treibende Art soll, wenn man die Wurzel mit Wasser einnimmt, das dreitägige Fieber, die vier Samenbttschel treibende Art das viertägige Fieber heilen. Die Wurzel einer andern Art mit sehr kleinen Kletten ^^) ist, mit Wasser eingenommen, ein Mittel gegen Frösche und Schlangen. 42. Ferner der einem Ochsenauge ähnliche Buphthalmus"), ') Plantago asiatica L. -) Plantago luaritima L. 3) Anchusa italica Retz. *) Cynoglossum pictum Ait. *) mit Häkchen besetzten 8ameB(*\ Diese Art ist wohl Cyno- glossum officinale L. Die Gestalt des sJ^Saß^s ist natürlich bei beiden Arten gleich. ") Chrysanthemum coronänum L. 310 Fünfundzwanzigstes Buch. er wächst um Städte, hat einen staudigen Stengel, fenchel- ähnliehe Blätter; sein Stengel wird gekocht gegessen und mit Wachs zertheilt man damit die Leberverhärtungen. Einige nennen diese Pflanze Cachla. 43. Auch ganze Völker haben Kräuter entdeckt. Erstens die Scythen das sogenannte scythische Kraut'), welches in Boeotien vorkommt, sehr süss schmeckt und sich bei Krämpfen sehr heilsam zeigt. Wer es in den Mund nimmt, fühlt weder Hunger noch Durst. 44. Dieselbe Wirkung bei Pferden hat ein anderes Kraut, welches deshalb bei jenem Volke Hippace heisst. Mit Hülfe dieser beiden Kräuter sollen die Scythen im Stande sein, zwölf Tage lang ohne Speise und Trank auszuharren. 45. Die Thracier haben die Ischaemone^) entdeckt, womit man das Blut, es fliesse aus einer geöffneten oder abgeschnittenen Ader, soll stillen können. Sie kriecht aus der Erde wie die Hirse, hat rauhe und wollige Blätter und wird in die Nase gesteckt. Die in Italien wachsende Art stillt aufgebunden das Blut ebenfalls. 46. Die Vettonen in Spanien haben eine Pflanze entdeckt, welcbe in Gallien Vettonica^), in Italien Serratula, in Griechenland Cestrus oder Psychotrophum genannt und sehr heilsam ist. Sie hat einen zwei Ellen hohen, kantigen Stengel, von der Wurzel ausgehende, gesägte Blätter und purpurrothe Samen. Die Blätter werden getrocknet und als Pulver vielfach angewandt, unter undern mit Wein und Essig für den Magen und die Augen. Ein Haus, in welches dieselbe gepflanzt ist , soll vor allem Ungemach bewahr bleiben. ') Astragalus glycyphyllusV *) Panicum sanguinale L. ^) Betonica Alopecurus L. oder Sideritis syriaca L. Fünfundzwanzigstes Buch. 311 47. Ebenfalls in Spanien haben die Cantabrer zur Zeit des Kaiser Augustus ein Kraut entdeckt, welches nach ihnen den Namen cantabrisches führt. Es kommt überall vor, hat einen fusshohen binsenartigen Stengel, auf diesem k'eine längliche kelchartige Blumen und sehr kleine Samen. Auch ausserdem ist man in Spanien in Auffindung von Pflanzen sehr emsig gewesen, so z. B. bedient man sich dort bei grossen Gastmählern eines aus hundert Kräutern mit Meth bereiteten, sehr angenehm schmeckenden und gesun- den Trankes; niemand kennt zwar diese Arten näher, doch erhellet ihre Zahl aus den verschiedenen Namen. 48. Auch die Marser haben in gegenwärtigem Zeitalter ein Kraut entdeckt, welches im Lande der Aequicoler beiniFlecken Nervesia wächst, Consiligo heisst, und wie wir gehörigen Orts zeigen wollen, den an der Schwindsucht hoffnungslos danieder Liegenden mit Nutzen verordnet wird 49. Vor Kurzem hat auch Servilius Democrates, einer der ersten Aerzte, eine Pflanze entdeckt, mit dem fingirten Na- men Iberis^) bezeichnet und seine Entdeckung mit einem Gedichte begleitet. Sie wächst häufig um altej Denkmäler, an Mauern, wüsten Plätzen und Wegen, hat einen ellenhohen Stengel, eine kressenartig riechende Wurzel, kressenähnliche Blütben und kleine, kaum sichtbare Samen. Im Sommer ist sie kräftiger, überhaupt aber nur in frischem Zustande brauchbar, lässt sich schwierig stossen, und wird besonders gegen Hüft- und Gliederweh mit Fett angewandt, dergestalt, dass Männer etwa alle vier, Frauen alle acht Stunden da- von auflegen, dann ein warmes Bad nehmen, hierauf den Leib mit Oel und Wein einreiben und nach Verlauf voh zwanzig Tagen dieselbe Kur wiederholen, wenn noch nicht alle Schmerzen beseitigt sind. Auf ähnliche Weise heilt ') Iberis amara L. 312 Fünfundzwanzigstes Buch. man auch alle Arten verborgener Rheumatismen. Bei Ent- zündungen selbst wird sie nicht aufgelegt, sondern erst, nachdem diese etwas nachgelassen haben. 50. Selbst von Thieren sind Kräuter entdeckt worden, z. B die Chelidonia, womit die Schwalben ihren im Neste sitzenden Jungen das Gesicht wieder geben, angeblich selbst dann, wenn diesen die Augen ausgekratzt sind. Es giebt zwei Arten, eine grössere *) von weisslicher Farbe, mit stau- digem, zwei Ellen hohem Stengel, Blättern, welche grösser als die des wilden Pastinaks-) sind und gelben Blumen, und eine kleinere^), nicht so weisse mit rundern Blättern als der Epheu. Sie haben mohnartige Samen, einen safran- gelben scharfen Saft, blühen bei Ankunft der Schwalben und vertrocknen beim Abzug derselben. Man presst den Saft aus den blühenden Pflanzen, kocht ihn in einem ku- pfernen Geschirre mit attischem Honig auf heisser Asche langsam ein und wendet diese Zubereitung gegen trübe Augen an. Den Saft setzt man auch für sich zu Augen- salben, welche dann chelidonische genannt werden. 51. Das Kraut Canaria kauen die Hunde bei Mangel au Fresslust vor unsern Augen, ohne dass man erfährt, was es für eins ist, denn man findet es nur abgefressen. Noch grösser zeigt sich die Bosheit dieses Thieres bei einem andern Kraute; ist es nämlich von einer Schlange gebissen, so soll es sich mit einer gewissen Pflanze heilen, dieselbe aber nicht anrühren, wenn ein Mensch zugegen ist. 52. Aufrichtiger sind die Hirschkühe, welche uns auf das Elaphaboscum^)undSeseli^) aufmerksam gemacht haben, welche beide sie nach dem Werfen begierig aufsuchen. *) Chelidonium majus L. ^) Daucus Carota L. 3) Ficaria ranunculoides. *) Pastinaca sativa L. *) Tordylium officinale L. Fünfundzwanzigstes Buch. 313 53. Wenn die Hirschkühe angeschossen sind, fressen sie (wie schon früher gesagt) den Dictamnus, worauf so- gleich die Pfeile vom Leibe abfallen. Diess Gewächs i) findet sich nur in Creta, aber auch hier nicht häufig, ist dem Polei ähnlich, hat sehr dünne Aeste, weder Stengel, Blüthen noch Samen , eine schwache unwirksame Wurzel, schmeckt scharf und brennend und wird demungeachtet von den Ziegen gern gefressen. Nur die Blätter werden davon benutzt. Statt dessen gebraucht man auch den falschen Dictamnus, der in vielen Ländern vorkommt, ähnliche Blät- ter, kleinere Zweige hat und von Einigen Choudris ge- nannt wird. Dass er geringere Wirksamkeit besitzt, merkt man gleich am Geschmacke, denn der echte brennt wie Feuer, wenn man auch noch so wenig davon in den Mund nimmt, und die ihn sammeln, binden ihn sogleich mit Ger- ten oder Kohr in Bündel und verwahren ihn gut, damit seine Kräfte nicht entweichen. Einige geben au, beide Arten va- riiren sehr, seien von fettem Boden stets verwerflich, die wahre aber finde sich nur in rauhen Gegenden. Man unter- scheidet noch eine dritte Art Dictamnus, die aber dem ech- ten weder in der Gestalt, noch Wirkung ähnlich ist, grös- sere Zweige und Blätter wie Sisymbrium hat. Soweit geht aber das Vorurtheil, dass man glaubt, alles was in Creta wachse, sei bei gleicher Art unendlich besser als anderswo her; den zweiten Rang hinsichtlich der Güte räumt man den Pflanzen auf dem Parnäss ein. Auch soll der Berg Pelius in Thessalien, der Berg Telethrius in Euboea, ganz Arca- dien und Laconien reich an Kräutern sein. Die Arcadier sollen keine Arzneimittel, sondern Milch einnehmen und zwar im Frühjahre, weil zu dieser Zeit die Kräuter sehr saftreich sind und das Euter auf den Weiden die mediei- nischen Kräfte derselben empfängt; sie ziehen aber die Milch der Kühe vor, weil diese Thiere alle Kräuter fressen. Die energische Wirkung der Pflanzen auf Thiere erhellet ') Origanum Dictamnus L. 314 Füntundz wanzigstes Buch. noch aus zwei Beispielen; bei Abdera und der sogeoannteii Grenze des Diomedes werden die weidenden Pferde, bei Potniae die weidenden Esel rasend. 54. Zu den edelsten Gewächsen gehört auch die Aristo- lochia, welche ihren Namen von den Schwängern erhalten zu haben scheint, weil sie das Beste für die Wöchnerinnen ^) sei. Bei uns heisst sie Erdapfel und man unterscheidet vier Arten. Eine'^) hat runde Wurzelknollen und Blätter, welche theils der Malve, theils dem Epheu ähnlich, aber dunkler und weicher sind 3); die zweite oder männliche hat eine vier Finger lange, stockdicke Wurzel; die dritte^) ist am längsten und dünnsten, etwa wie ein junger Weinstock, besitzt die grösste Wirksamkeit, heisst auch Clematitis oder Cretica. Sie haben alle die Färbe des Buxbaums, kleine Stengel, purpurrothe Blumen, bringen kleine Beeren wie die Capper, aber nur die Wurzel wird geschätzt. Eine vierte Art, Plistolochia''), noch zarter als die dritte, ist etwa so dick wie eine ausgewachsene Binse, hat dicht- stehende haarige Wurzeln und heisst auch die viel wur- zelige. Sie riechen alle kräftig, die länglichen und dünnen Wurzeln aber angenehmer. Die Rinde ist fleischig und dient zu Nardensalben. Sie wachsen in fetten und flachen Gegenden, werden am besten zur Zeit der Ernte ausge- graben und von den äussern Unreinigkeiten befreit aufbe- wahrt. Am meisten schätzt man die pontische, von jeder Art die am Gewicht schwerste. Die runde dient gegen die Schlangen; die längliche aber steht im höchsten Rufe, sie soll nämlich, wenn sie nach gepflogenem Beischlaf in Rindfleisch gewickelt an die weibliche Schaam gebunden wird, bewirken, dass Knaben entstehen. Die Fischer in Campanien nennen die runde Wurzel Erdgift ; ich habe ge- '^) Aristolochia pallida W, =*) Aristolochia parvifolia Sibth. *) Aristolochia baetica L. ») Aristolochia Plistolochia L. Fünfundzwanzigstes Buch. 315 sehen, dass, wenn sie dieselbe gestossen und mit Kalk ver- mengt ins Meer warfen, die Fische sogleich gierig herbei schwammen , aber auch eben so schnell starben. Die Wurzel der vielwurzeligen Art soll mit Wasser eingenommen gegen Verrenkungen, Quetschungen und ähnliche Uebel, der Same gegen Seitenstechen helfen, auch die Nerven stärken und erwärmen; auch soll diese Pflanze mit dem Satyrium über- einkommen. 55. Doch ich muss auch von den Wirkungen und Nutzen der Pflanzen in einzelnen Fällen reden und will bei dem ärgsten aller Uebel, dem Schlangenbisse, den Anfang machen. Man heilt ihn also mit dem Kraute Britannica und der Wurzel aller Arten Panax in Wein; mit den Blumen und Samen des Chironium in Wein und Oel getrunken oder aufgelegt; mit der Cunila bubula, der Polemonia oder Phile- taeria zu 4 Drachmen in lauterm Wein; mit dem Teucrium, Sideritis und Scordotis in Wein, besonders bei den Anguiden, innerlich und äusserlich entweder als Saft, Blatt oder Ab- sud; mit der Wurzel des grösseren Centaurium zu einer Drachm6 in drei Bechern weissen Weins; mit der Gentiana, besonders bei den Anguiden, zu zwei Drachmen der frischen oder trocknen Wurzel nebst Pfeffer und Raute in sechs Bechern Weins. Auch fliehen die Schlangen den C4eruch der Lysimachia. Gebissenen giebt man ferner die Cheli- donia in Wein; auf die Bisse selbst legt man vor allem das vettonische Kraut, welches überhaupt in dieser Be- ziehung so kräftig ist, dass, wenn die Schlaugen in einen davon gemachten Kreis eingeschlossen sind, sie sich selbst todtschlagen. Gegen die Bisse wird sein Samer zu einem Denar schwer in drei Bechern Wein gegeben, oder das Pulver davon zu drei Drachmen in einem Sextar Wasser aufgelegt. Das cantabrische Kraut, deu Dictamnus und die Aristolochia nimmt man öfter zu einer Drachme in einer Hemina Wein. Letztere, sowie die Plistolochia, wird auch in Essig aufgelegt; ja sie verjagt sogar alle Schlangen aus dem Hause, wenn man sie über dem Herde aufhängt. 31B Füntundzwanzigstes Buch. 56. Auch die Wurzel der Argemonia') wird zu einem Denar in drei Bechern Wein getrunken. Es scheint passend, über diese sowie über die übrigen Arten, welche ich erst namhaft machen will, später ausführlicher zu reden, und diejenige, welche sich bei irgend einer Krankheit am wirk- samsten zeigt, zuerst anzuführen. Die Argemonia hat anemonenähnliche, wie der Eppich getheilte Blätter, Kopf (Kapsel) und Wurzel wie der Mohn, einen safrangelben scharfen Saft und wächst bei uns auf Feldern. Bei uns unterscheidet man drei Arten und zieht nur die in Ge- brauch, deren Wurzel nach Weihrauch riecht. 57. Der Agaricus^) wächst wie ein Schwamm an Bäumen in der Gegend des Bosporus, und hat eine weisse Farbe. Man giebt ihn zu vier Obolen in zwei Bechern Essigmeth. Der in Gallien vorkommende soll weniger kräftig sein. Die männliche Art ist dichter und bitterer, verursacht auch Kopfweh; die weibliche ist lockerer, schmeckt erst süss und dann bitter. 58. Beide Arten des Echius^) gleichen in den Blättern dem Polei und werden zu zwei Drachmen in vier Bechern Wein gegeben. Die zweite Art ist wollig und stachlicb, oben vom Ansehen einer Viper und wird auch mit Essig genommen. Einige nennen sie den maskirten Echius; sie hat sehr breite Blätter und klettenartige Samen. Die Wurzel wird in Essig gekocht als Trank benutzt. Die Blätter stösst man mit Bilsen und Wein und giebt sie mit Erfolg gegen die Bisse der Aspiden. 51). Keine Pflanze ist aber bei den Römern zu g-rösserer ') Papaver Argemone L. *) Boletus igniarius oder laricis. 3) Echium vulgare L. und verwandte Arten. Fünfundzwanzigstes Buch. 317 Berühmtheit gelangt als die Hierabotane, auch Peris- tereum und Verbanecai) genannt. Es ist dieselbe, von der ich gesagt habe, sie würde von den Gesandten zum Feinde getragen. Man kehrt damit den Opfertisch Jupiter's ab, reinigt und weihet die Häuser ein. Es giebt zwei Arten, eine starkbeblätterte, welche man für die weibliche hält und eine männliche mit weniger Blättern; beide haben eine lange dünne Wurzel, zahlreiche, ellenlange, dünne, kantige Zweige, Blätter kleiner, schmäler und tiefer einge- schnitten als die der Eiche, graublaue Blüthen, und wachsen auf feuchten Ebenen. Einige unterscheiden keine zwei Arten, sondern fassen sie in eine zusammen, weil die Wirkung gleich sei. Die Gallier benutzen beide zum Loosen und Wahrsagen; die Magier aber treiben wahren Unsinn damit. Wenn man sich nämlich damit salbe, so erlange man was man wolle; sie vertreibe Fieber, stifte Freund- schaft und heile alle Krankheiten; man müsse sie beim Aufgange des Hundsterns, wenn weder Sonne noch Mond scheine, einsammeln, zuvor aber die Erde mit Wachs- scheiben und Honig versöhnen, mit Eisen einen Kreis um die Pflanze ziehen, sie dann mit der linken Hand aus- graben, hoch in die Luft halten, und Blätter, Stengel und Wurzel getrennt im Schatten trocknen. Wenn ein Speise- zimmer mit Wasser, worin die Pflanze gelegen hat, ge- sprengt wird, so sollen die Gäste fröhlicher gestimmt werden. Gegen Schlangen verordnet man sie mit Wein abgerieben. 60. Ein dem Verbascum ähnliches Kraut, welches oft irriger- weise dafür gehalten wird, dunklere Blätter, mehrere Stengel und gelbe Blüthen hat, zieht die Motten'^) an sich, wenn man es irgendwo hinlegt, heisst daher in Rom Blattarias). *) Verbena officinalis L. Zum Peristereum des Dioscorides gehört auch Lycopus exaltatus L. , den aber PL, wie aus den angegebenen Merkmalen hervorgeht, hier nicht meint. S. 78. Cap. -) blattae. ^) Verbascum Blattaria L. 318 Fünfundzwanzigstes Buch. 61. Das an feuchten Plätzen wachsende LemoniumM eut- lässt einen Milchsaft, der zu einem Gummi eintrocknet und zu einem Denar schwer mit Wein eingenommen wird. 62. Das Quinquifolium,2) sogenannt wegen der Fiinfzahl der Blätter, ist wegen seiner erdbeerartigeu Frucht allge- mein bekannt; bei den Griechen heisst es Pentapet^s oder Pentaphyllum. Die frisch ausgegrabene "Wurzel sieht roth aus, wird aber beim Trocknen schwarz und eckig. Die Blätter erscheinen und vergehen mit denen des Wein- stocks. Man reinigt damit die Häuser. 63. Die Wurzel des Sparganium^) wird mit weissem Wein gleichfalls gegen die Schlangen getrunken. 64. Vom Daucus unterscheidet Petrouius Diodotus vier Arten, die ich aber nicht weiter berücksichtigen will, denn es giebt nur zwei. Die beste wächst in Greta ^), dann folgt die attische ^) und die auf trocknem Boden wachsende, vom Ansehen des Fenchels, aber mit helleren, kleineren und haarigen Blättern, aufrechtem fusshohem Stengel und einer sehr angenehm riechenden und schmeckenden Wurzel ; in letzterer Beziehung zeichnet sich besonders die auf gegen Mittag gelegenen Felsen wachsende aus. Die übrigen Arten findet man überall auf Erdhügeln und Grenz scheiden nur in fettem Boden, sie haben corianderähnliche Blätter, einen ellenhohen Stengel, oft mehr als drei runde Blüthenkopfe und eine holzige, nach dem Trocknen unwirksame Wurzel; der Same gleicht dem des Cuminum. Der Same der ersten Art ist hirseartig, weiss, scharf, sehr- wohlriechend, von brennendem Geschmack, wirkt heftiger als jener und muss ') Statice Liuioiiium L,? *) Potentilla leptaus L. ^: Sparganium ramosum L. "*) Athamanta cietensis L. '') Peucedanum Cervaria L. . auch Lophotaenia aurea Urieseb. Fünfundzwanzigstes Buch. 31i* daher in geringerer Dosis genommen werden. Will mau noch eine dritte Art i) gelten lassen, so gleicht sie dem Staphylinum oder sogenannten wilden Pastinak, hat einen länglichen Samen und eine süsse Wurzel. Alle diese Arten rührt weder im Winter noch im Sommer ein vierfüssiges Thier an, ausser wenn es zu früh geworfen hat. Während man von den übrigen den Samen, benutzt man von der eretischen die Wurzel, welche zu einer Drachme in Wein gegen Schlangenbisse getrunken, auch verwundeten Thiereu eingegeben wird. (35. Die Therionarca (eine andere als die der Magier) kommt auch bei uns vor, ist staudig, hat grünliche Blätter, rosenrothe Blumen, tödtet Schlangen und macht reissende Thiere, denen man die Pflanze nähert, erstarren. 66. Die allgemein bekannte Persolata-) oder, wie die Griechen sie nennen, Arcium^) hat grössere, rauhere, dunklere und dickere Blätter als der Kürbis und eine grosse weisse Wurzel, welche man zu zwei Denaren mit Wein trinkt. 67. Die Wurzel des Cyclamen^) ist ein Mittel gegen alle Schlangen. Die Blätter desselben sind kleiner, dunkler und dünner als die des Epheus, ohne Ecken, weissgefleckt, der Stengel klein, blattleer, die Blumen purpurroth, die Wurzel breit, rübenartig mit dunkler Rinde. Es wächst an schattigen Stellen, heisst bei uns Erdknollen, und sollte in jedem Hause gezogen werden, wenn es wahr ist, dass dadurch alle üblen Wirkungen giftiger Substanzen beseitigt werden. Man nennt es daher auch Amulet; ferner wird berichtet, wenn man es in den Wein thue, könne man sogleich berauscht werden. Man hebt sie, wie die Scille getrocknet und i^e- >) Amiui niajus L. 2) Wohl richtiger Personata, denn die Pflanze entspricht der nQiooojTtiq des Dioscoi'ides. ^) Arctium Lappa L. '') Cyclamen graecum Lk. 320 Fünfundzwanzigstes Buch. schnitten auf oder kocht sie aus und verdunstet zur Honig- consistenz. Doch hat diess Gewächs auch giftige Eigen- schaften, denn wenn eine schwangere Frau über die Wurzel schreitet, soll sie abortiren. 68. Eine zweite Art Cvclamen ist das epheuartige i), mit gekuieten unbrauchbaren, um Bäume sich schlingen- den Stengeln, epheuähulicheu, aber weicheren Beeren, schönen weissen Blumen und unbrauchbarer Wurzel. Nur die Beeren finden Anwendung; sie schmecken scharf, aber auch in ge- wissem Grade milde, und werden nach dem Trocknen im Schatten zu Hustenkügelchen verarbeitet. 69. Noch eine dritte Art, welche mir mit dem Beinamen kleine epheuartige gezeigt wurde, hat nur ein einziges Blatt und eine ästige Wurzel, womit die Fische getödtet werden. 70. Zu den berühmtesten Pflauzen gehört das Peuce- danum2), welches am besten in Arcadien, dann in Samo- thracieu vorkommt. Es hat einen langen, dünneu, dem Fenchel ähnlichen, an der Basis beblätterten Stengel, eine dunkle, dicke, saftreiche unangenehm riechende Wurzel, wächst auf schattigen Bergen und wird zu Ende des Herbstes ausgegraben. Man zieht die dünnsten und längsten Wurzeln vor; diese schneidet man mit einem beinernen Messer in vier Finger breite Stücke und lässt im Schatten den Saft daraus fliesseu, doch muss man sich Kopf und Nase zuvor mit Rosenöl einreiben, weil man sonst leicht schwindelig wird. Noch ein anderer Saft findet sich am Stengel oder quillt beim Einschneiden in denselben heraus. Seine Güte erkennt man au der Honigdicke, der röthlichen Farbe, dem starken aber angenehmen Gerüche und brennenden Ge- schmack. Er dient wie die Wurzel und ein Absud der- *) Lonicera Periciymenum L. ^) Peucedanum officinale L. Fünfundzwanzigstes Bach. 321 selben zu vielen Medicamenten. Am wirksamsten ist der Saft mit Zusatz von bittern Mandeln oder Raute; man trinkt ihn gegen Sehlangen und schützt sich vor ihnen durch Ein- reiben des mit Oel versetzten Saftes. 71. Mit dem bekannten Ebulus^) räuchert man, um Schlangen zu vertreiben. 72. Die Wurzel der Polemonia^) wird mit Erfolg gegen Scorpione, Erdspinnen und dergleichen kleine Giftthiere auf- gebunden; gegen Scorpione nimmt man auch die Aristo- lochia, oder den Agaricus zu vier Obolen mit ebensoviel Wein ein, gegen die Erdspinnen: die Verbenaca, das Quin- quefoliMm und den Daucus mit Wein oder Nachbier. 73. Das Verbascum nennen die Griechen Phlomus. Es hat zwei Hauptarteu , eine weisse, männliche 3) und eine schwarze, weibliche*); die dritte Art^) findet man nur in Wäldern, die beiden andern auch auf Feldern. Die Blätter sind breiter als die des Kohls, haarig, der Stengel aufrecht, mehr als ellenhoch, der Same schwarz und unbrauchbar, die Wurzel fingerdick. Die wilde Art hat lange, dem Elelisphacus ähnliche Blätter und holzige Zweige. 74. Auch von der Phlomis giebt es zwei Hauptarten, welche niedrig sind, und runde, rauhe Blätter haben. Eine dritte Art heisst Lychnitis, auch Thryallis •^), hat nur drei oder höchstens vier dicke, fette, zu Lampendochten brauchbare Blätter. In den Blättern derjenigen Art, welche ich Weibchen genannt habe, sollen die Feigen niemals faul werden. Die nähere Charakteristik der Art ist wegen ihrer übereinstimmenden Wirkung überflüssig. Die Wurzel trinkt man mit Raute in Wasser gegen Scorpione. «) Sambucus Ebulus L. '•') S. 28. Cap. ') Verbascum Thapsus L. '') Verbascum sinuatum L. ^) Verbascum plicatum Sibth. ®) Verbascum limnense Fraas. Wittsteiu: Pliniua. IV. Bd. o] 32iJ Füntündzwanzigstes Buch. 75. Das Thelyphouum nennen einige Scorpionkraut 0> weil die Wurzel einige Aehnlichkeit mit diesem Thiere hat, und letzteres stirbt, wenn es sie berührt. Daher trinkt man es auch gegen dessen Stiche. Wenn ein todter Scorpion mit dem weissen Elleborus bestrichen wird, soll er wieder aufleben. Das Thelyphonum tödtet ein jedes vierfüssige Thier, wenn es auf die Geschlechtstheile gelegt wird; wendet man dazu die Blätter (welche denen des Cyclameu gleichen) an, so erfolgt der Tod noch an demselben Tage. Die Pflanze selbst ist knotig und wächst an schattigen Plätzen. Auch der Saft des vettonischen Krauts und der Plantago wirkt gegen die Scorpione. 76. Auch die Frösche, namentlich die Laubfrösche sind giftig, doch habe ich gesehen, dass die Psyller bei einem Wettstreite sie in Schüsseln heiss machten und sich an- setzten, obgleich ihr Gift schneller wirkt als das der Aspiden; diese Menschen wissen aber dasselbe mit Hülfe des Krautes Phrynium, welches sie in Wein trinken, un- schädlich zu machen. Einige nennen diess Kraut Neuras, Andere Poterium 2); es hat zahlreiche, zähe, wohlriechende Wurzeln und weisse Blumen. 77. Unter den Namen Alisma^), Damasouium oder Lyrum existirt auch ein Kraut mit wegebreitähnlichen, aber schmälern, tiefer eingeschnittenen und zur Erde ge- bogenen, übrigens ebenso gerippten Blättern, dünnem, ein- fachem, ellenhohem Stengel, straussigem Blüthenkopfe, wie beim schwarzen Veratrum dichtstehenden, dünnen, scharfen, wohlriechenden und fetten Wurzeln. Es wächst im Wasser. Eine andere Art, welche dunkler ist und grössere Blätter hat, findet sich in Wäldern. Die Wurzel beider nimmt mau *) Scorpiurus sulcata L.? ■^) Astragalus Poterium Pall. 3) Alisnui Plantago L. Fünfundzwanzigstes Buch. 323 zu eijaer Drachme mit Wein gegen Frösche und Seehasen. Gegen den letztern hilft auch das Cyclamen. Auch die Bisse eines tollen Hundes wirken giftig, und dass dagegen die Hundsrose mit Erfolg angewandt wird, habe ich schon oben gesagt. Die Plantage hilft innerlich und äusserlich, das vettonische Kraut mit lauterm altem Weine gegen alle Bisse von Thieren. 78. Peristereus 1) heisst eine Pflanze mit hohem, be- blättertem, oben verzweigtem Stengel, welche die Tauben sehr lieben, daher man es auch nach ihnen benannt hat. Wer sie bei sich trägt, soll von Hunden nicht angefallen werden. 79. Ich komme nun zu den Hülfsmitteln wider diejenigen Gifte, welche sich die Menschen selbst ausgedacht haben. Wider alle diese und die magischen Künste erweist sich das homerische Moly am besten, dann folgt das Mithridates- kraut, Scordotis und Centaurium. Der Same des vettonischen Krautes, in Meth oder Rosinenwein oder auch zu einer Drachme als Pulver in vier Bechern alten Weines genommen, treibt alle Gifte durch den After ab; zugleich muss man das Erbrechen mit Gewalt hervorzubringen suchen und das Mittel wiederholt nehmen lassen. Wer es täglich zu sich nimmt, soll von schlechten Arzneien nie eine üble Wirkung verspüren. Wer Gift verschluckt hat, kann sich mit der Aristolochia in derselben Dosis wie sie gegen Schlangen gebraucht wird, retten; denselben Zweck erreicht man mit dem Safte des Quinquefolium und dem Agaricus, den man nach dem Erbrechen zu einem Denar mit drei Bechern Wassermeth nimmt. 80. Das Antirrhinum, Anarrhinum^) oder Lychnis agria^) gleicht dem Lein, hat keine Wurzel, Blüthen wie ') Lycopus exaltatus L. *) Antirrhinum majus L. 3) Diese ist Agrostemma Githago L. 21* 324 Fünfandzwanzigstes Buch. die Hyaciathe und Samen von der Gestalt einer Kalbs- nase. Wer sich damit einreibt, wird nach Angabe der Magier hübscher, und trage man es am Arme, so hätten weder schlechte Arzneien noch Gifte eine nachtheilige Wirkung. 81. Aehnlich soll ihnen zufolge die Euplea sein, welche dem damit Eingeriebenen einen bessern Ruf verschaffe. Auch sollen denen, welche Artemisia bei sich tragen, weder schlechte Arzneimittel, noch böse Thiere, noch die Sonnen- hitze schaden. Letztere Pflanze nimmt man auch mit Wein gegen das Opium ein; aufgebunden oder auch als Trank benutzt soll sie ganz besonders wirksam gegen Frösche sein. 82. Das Pericarpum ist ein Zwiebelgewächs und bildet zwei Arten, eine mit rother und eine mohnartige mit schwarzer Schale; letztere besitzt mehr Kräfte, beide aber erwärmen, werden daher gegen Schierling angewandt, gegen welchen man auch den Weihrauch und die Panax-Arten, namentlich den chironischen, verordnet. Letzterer ist auch ein Mittel gegen Giftpilze. 8o. Ich will hier die besonderen Mittel für die Krankheiten der einzelnen Glieder des Körpers anschliessen und mit dem Kopfe den Anfang machen. Gegen Glatzen hilft die Wurzel der Nymphaea und des Schierlings, welche man zusammen zerreibt und auflegt. Das Kraut Polythrix'), welches sich von der Callitriche dadurch unterscheidet, dass es weisse binsenartige Stengel, viel grössere Blätter hat und überhaupt höher ist, macht das Haar fester und dichter. 84. Aehnliche Kräfte hat die an Quellen wachsende Lingulaca, deren Wurzel verkohlt und mit dem Fette einer schwarzen Sau vermischt wird; doch will man, dass ') Aspleniuui Trichoinanes L. Fünfund/waiizigstes Buch. ;^25 das Fett von einem Tbiere genommen werde, welches noch nicht geferkelt hat, und die Wirkung soll grösser seiu, wenn das Auftragen der Salbe in der Sonne geschieht. Zu demselben Zwecke dient die Wurzel des Cyclamen. Die Wurzel des Veratrum vertreibt, mit Oel oder Wasser ge- kocht, den Grind. Die W^urzel aller Arten von Pauax heilt mit Oel abgerieben die Kopfsciimcrzcu; dasselbe tbut die Aristolochia und Iberis, wenn man sie eine Stunde oder, wenn mau es aushalten kann, länger aufbindet und gleich- zeitig ein Bad nimmt, desgleichen der Daucus. Die Wurzel des Cyclamen reinigt den Kopf, wenn man sie mit Honig gemischt in die Nase steckt, und heilt Kopfgeschwüre, wenn man sie aufstreicht. Letztere Wirkung liat auch die Pflanze Peristereus. 85. Die Cacalia') oderLeontice wächst gewöhnlich auf Bergen, und hat kleine perlartige zwischen grossen Blättern herabhängende Samen, von denen fünfzehn Stück in Oel eingeweicht gegen das Ausfallen der Haare auf den Kopf gelegt werden. Die Callitrix -) wächst an schattigen feuchten Plätzen, hat eine sehr kleine W^urzel, einen dünnen binsenartigeu Stengel, binsenähnliche Blätter, schmeckt brennend und dient als Schnupfmittel. 87. Der Hyssopus ^) hilft mit Oel abgerieben gegen Läuse- sucht und Kopfgrind. Der beste wächst in Cilicien auf dem Berge Taurus, dann folgt der pamphylische und smyr- naische, welcher aber dem Magen nicht gut bekommt. Mit Feigen eingenommen reinigt er durch den Stuhlgang, mit Honig durch Erbrechen. Mit Honig, Salz und Kümmel zu- sammengerieben soll er auch die Schlangenbisse heilen. •) Cacalia verbascifolia Sibth. 2) Callitriche autumnalis L. ^) Nicht unser Hyssopos . gondern Origanuiu smyrnaeum vel sjriacum L. 326 Fünfundzwanzigstes Buch. 88. Die Lonchitisi) ist nicht, wie man häufig annimmt, identisch mit dem Xiphium oder Phasganium, wenn auch der Same die Form eines Spiesses hat. Denn die Blätter sind lauchähnlich, in der Nähe der Wurzel röthlich und zahlreicher als am Stengel, die Köpfe gleichen den die Zunge etwas ausstreckenden Masken der Komiker, und die Wurzeln haben eine bedeutende Länge. Die Pflanze wächst an trocknen Orten. 89. Das Xiphium oder Phasganium-) hingegen findet sich an feuchten Plätzen; gleich bei seinem Hervorbrechen hat es die Gestalt eines Schwertes, der Stengel eine Höhe von zwei Ellen, die Wurzel die Gestalt einer Haselnuss und Fasern; es muss vor der Ernte ausgegraben und im Schatten getrocknet werden. Den oberen Theil derselben reibt man mit Weihrauch und einem gleichen Gewichte Wein zu- sammen und legt die Mischung auf den Kopf um zer- brochene Knochen herauszuziehen, oder auch auf eiternde Theile des Körpers, oder wenn man auf Schlangenknochen getreten hat; auch ist sie ein wirksames Mittel gegen Gifte. Gegen Kopfweh wendet man das Veratrum mit Oel oder Rosenöl, das Peucedanum mit Oel oder Rosenöl und Essig äusserlich an. Letzteres erweist sich auch nützlich bei ein- seitigem Kopfweh und Schwindel, und wegen seiner kaustischen Eigenschaften zur Hervorrufung des Schweisses. 90. Das Psyllium'), auch Cynoides, Crystallium, Sicelicum und Cyuomyia genannt, hat eine dünne, un- brauchbare Wurzel, einen reisigen Stengel, an der Spitze bohnenähnliche Köpfe, hundskopfähnliche Blätter und floh- ähnliche Samen, denen es auch seinen Namen verdankt; der Same sitzt in einer Art Beere, die Pflanze selbst findet sich in Weingärten, wirkt sehr kühlend und zertheilend, ») Serapias Lingua L. -) (Jladiolus communis L. ') Plantago Psyllium L. Fünfundzwanzigstes Buch. 327 aber nur der Same wird gebraucht. Man legt ihn mit Essig und Rosenöl oder saurem Wein auf Stirn und Schhife, um die Sehmerzen zu vertreiben. In andern Fällen wird ein Acetabulum voll mit einem Sextar Wasser aufgelegt um zu verdichten und zusammen zu ziehen; auch reibt man den Samen mit Wasser und legt den entstandenen Schleim auf alle schmerzhafte, geschwollene und entzündete Stellen. Auch die Aristolochia und Plistolochia heilen Kopfwunden und ziehen zerbrochene Knochen überall heraus, besonders aus dem Kopfe. Die Wurzel des dem Apium einiger- maassen ähnlichen Thysselinum i) kauet man, um den Kopf vom Schleime zu befreien. 91. Die Augen sollen durch Bähen mit dem grossen Centaurium schärfer werden, Trübheit und Flecken darin durch das kleine Centaurium mit Zusatz von Honig ver- schwinden, Narben dadurch mehr geebnet werden und das weisse Fell auf den Augen des Zugviehs mit der Sideritis zu heilen sein; doch eignet sich für alle diese Fälle die Chelidonia noch weit besser. Auf Augengeschwüre legt man die Wurzel des Panax mit Polenta; um ihre Entstehung zu verhindern, nimmt man einen aus einem Obolus Bilsen- samen, ebensoviel Meconium und Wein bereiteten Trank. Den Saft der Gentiana mischt man statt Meconium unter die schärferen Augensalben. Auch das Euphorbium ver- leihet in Salben den Augen mehr Klarheit, der Saft der Plantago wird in triefende Augen getröpfelt. Trübheit der Augen vergeht durch den Gebrauch der Aristolochia. Iberis und Quinquefolium bindet man gegen Geschwüre und sonstige Fehler der Augen auf den Kopf. Auf Augenge- schwüre selbst legt man Verbascum sowie Peristereus mit Rosenöl oder Essig. Gegen den Staar und undeutliches Sehen empfiehlt man Kügelchen von Cyclamen, wie auch den mit Meconium und Rosenöl versetzten Saft des Peuce- *) Selinum palustre L. 32§ Fünfundzwanzigetes Buch. danum. Das Psyllium hält, auf die Stirn gelegt, die Augen- geschwiiie zurück. 92. Von derAnagallis, auch Corchorus genannt, unter- ,scheidet man zwei Arten, eine männliche mit rother ^) und eine weibliche mit blauer '^) Blume; beide werden nicht über eine Hand hoch, haben einen zarten Stengel, kleine, runde, auf der Erde liegende Blätter, wachsen in Gärten und feuchten Orten. Die blaue Art blühet zuerst. Der Saft beider vertreibt mit Honig die Dunkelheit der Augen, das in Folge von Schlägen zusammengelaufene Blut und die röthlichen Augengeschwüre, und noch mehr wenn dazu attischer Honig genommen wird. Er erweitert auch die Pupille, wird daher zu diesem Zwecke benutzt, wenn eine Staar-Operation gemacht werden soll. Auch die Augen des Zugviehs werden damit geheilt. Um den Kopf zu reinigen, zieht man den Saft in die Nase ein und spült ihn hernach mit Wein wieder heraus. Gegen die Schlangen trinkt man eine Drachme des Saftes. Sonderbar, dass das Kindvieh die weibliche Pflanze nicht anrührt; wenn es aber, durch die Aehnlichkeit getäuscht (denn die Blume giebt ja den einzigen Unterschied ab), davon gefressen hat, so sucht es schnell das Kraut Asyla, welches wir Wildauge nennen, als Arzneimittel auf Einige schreiben vor, die Pflanze vor Sonnenaufgang zu sammeln, zuvor aber nichts zu reden, sie dreimal zu grüssen, dann auszuheben und auszudrücken; auf diese Weise erhielte man sie im kräf- tigsten Zustande. Vom Safte des Euphorbiums habe ich schon ausführlich gehandelt. Gegen Augentriefen mit gleich - .zeitiger Geschwulst wendet man Wermuth mit Honig, so- wie auch das vettonische Kraut an. 93. Die Thränenfistelu ^) heilt ein Kraut, welches danach den Namen Aegilops^) bekommen hat, zwischen der Gerste ') Anagallis aT-vensis L. -) Auagallis coerulea L. ') aegilopas. *) Aegilops ovata und cylindrica L. Fünfundzwanzigstes Bucb. 329' wächst, Blätter wie Weizen hat, und dessen Samen zu jenem Zwecke mit Mehl vermischt aufgelegt werden. Aus dem Stengel und den saftigen Blättern, mit Ausnahme der Aehre, presst mau den Saft, vermischt ihn mit Mehl, lässt den Brei drei Monate lang stehen, formt ihn in Kttgelche» und benutzt diese ebenso. 94. Einige haben dazu auch die Mandragora^) gebraucht^ doch jetzt bedient man sich ihrer zu diesem Zwecke nicht mehr. Gewiss ist aber, dass das Pulver der Wurzel mit Kosenöl und Wein Augengeschwiire und -Schmerzen ver- treibt. Auch den Saft setzt man vielen Augenmitteln zu. Man unterscheidet von der Mandragora, welche Einige auch Circaea nennen, zwei Arten, eine weisse oder männliche und eine schwarze oder weibliche; letztere hat lattichähu- liche, aber schmalere Blätter, rauhe Stengel, zwei bis drei •röthliche, innen weisse, fleischige, lockere, fast ellenlange Wurzeln, haselnussgrosse Früchte und Samen wie die Birnen. Die weisse heisst auch Arsen-), Morium oder Hippophlomus, hat weisse und breitere Blätter als die andere Art, etwa wie der Garteulattich. Das Ausgraben geschieht, nachdem man sich überzeugt hat, dass kein ent- gegenwehender Wind herrscht, und nachdem man, das Gesicht gegen Westen gerichtet, mit einem Schwerte drei Kreise gezogen. Sowohl aus den Früchten, wie aus dem von der Spitze befreitem Stengel der Wurzel und den dünnen Zweigen gewinnt man durch Anritzen oder Kochen einen Saft. Man schneidet auch die Wurzel in Scheiben und legt sie in Wein. Nicht überall enthält die Pflanze Saft, ist es aber der Fall, so sammelt man ihn zur Zeit der Weinlese; er riecht unangenehm, am unangenehmsten von der Wurzel und Frucht. Die reifen Früchte der weissen Art trocknet man im Schatten; den Saft derselben wie auch der zerstampften oder in dunkelm Weine zum einem Dritt- ^) Atropa Mandragonx L. ') arsena = a()(itjr: das Männchen. 330 i'iinfund/, wanzigstes bucü. theil eingekochten Wurzel lässt man an der Sonne dick werden. Die Blätter bewahrt man zweckmässiger in Salz- wasser auf, denn der Saft der frischen ist giftig und folglich auch schädlich. Der blosse Geruch der Früchte verursacht Kopfbeschwerden, nichtsdestoweniger geniesst man sie in einigen Ländern; wer aber, die Wirkung nicht kennend, zu oft daran riecht, wird betäubt, und wer zu viel davon geniesst, stirbt. Je nach der Constitution des Einnehmen- den richtet man die Dosis ein, wenn man Schlaf erregen will; das gewöhnliche Maass ist ein Cyathus als Trank. Auch nimmt mau den Trank gegen Schlangen und vor dem Schneiden oder Stechen (am eigenen Körper) ein, um keine Schmerzen zu empfinden: ja Manche verfallen zu diesem Zwecke schon in Schlaf, wenn sie nur daran riechen. Ferner nimmt mau, statt des EUeborus zwei Obolen Mandragora in Meth, doch besitzt der EUeborus mehr Kraft Brechen zu erregen und die schwarze Galle zu entfernen. 95. Auch die Cicuta^) ist ein Gift; zwar verhasst wegen ihrer Anwendung bei den Atheniensern als öflfentliches Straf- mittel, hat sie doch auch viele schätzbare Eigenschaften, die wir nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Der Same wirkt schädlich, der Stengel aber wird selbst frisch von Vielen ohne Nachtheil schüsselnweise gegessen. Er ist glatt, knotig wie ein Rohr, dunkelgrün, oft über zwei Ellen hoch, oben verzweigt, die Blätter sind zarter als die des Corian- der und von unangenehmem Gerüche, der Same grösser als Anis, die Wurzel hohl und unbrauchbar. Blätter und Samen besitzen kühlende Eigenschaften; wer davon tödtlicb ver- giftet ist, fängt von den Extremitäten an zu erkalten. Ein Hülfsmittel dagegen, welches aber nur dann Erfolg hat, wenn die edleren Theile des Körpers noch nicht ergriffen sind, ist Wein, weil er erwärmt; trinkt man dagegen den Schier- ling in Wein selbst, so soll kein Mittel dagegen helfen. •) Coniuiu maculatum L., Schierling. Fünfundzwauzigstes Buch. 331 Aus den Blättern und Blüthen wird ein Saft gepresst (zur Zeit der Blüthe ist er nämlich am kräftigsten), desgleichen aus den Samen; letzterer wird an der Sonne verdunstet und in Kügelchen geformt, seine tödtliche Wirkung übt er da- durch aus, dass er das Blut verdickt und darin besteht seine zweite Kraft, daher denn auch an dem Körper des Vergif- teten Flecken wahrgenommen werden. Man bedient sich des Saftes statt Wasser zum Auflösen von Arzneien, bereitet auch daraus einen weichen Umschlag zum Abkühlen des Magens, doch erstreckt sich sein vornehmster Gebrauch auf die im Sommer erscheinenden Augengeschwüre und Augen- schmerzen. Man setzt ihn zu Augensalben und vertreibt da- mit alle Arten rheumatischer Flüsse. Auch die Blätter selbst haben ähnliche Wirkungen. Anoxilaus giebt an, die weib- lichen Brüste blieben stets fest und steif, wenn man die- selben zur Zeit der Pubertät damit belege. Soviel ist ge- wiss, dass der Schierling auf die Brüste einer Wöchnerin gelegt, die Milch vertreibt, und um die Hoden gelegt, die Lust zum Beischlaf nimmt. Ich unterlasse es, die Hülfs- mittel anzuführen, welche Diejenigen gebrauchen könnten, denen das Trinken des Schierlings durch richterlichen Spruch befohlen wird. Am kräftigsten findet sich die Pflanze bei Susa im Lande der Parther, dann in Laconien, Greta und Asien; in Griechenland aber in Megara und Attica. 96. Der wilde Grethmus^) entfernt aufgelegt den Eiter aus den Augenwinkeln und mit Zusatz von Polenta die Ge- sehwulste. 97. Die Molybdaena oder Plumbago^) findet sich häufig selbst auf Aeckern, hat ampferartige Blätter, eine dicke rauhe Wurzel und vertilgt, wenn man sie kauet und die Augen zuweilen damit ausreibt, das Blei (ein Augentibel). ') Crethmus agria. Crithmum inaritimum L. ~] Plumbago exiropaea L. 332 Kiint'iindzwnnzi^'stet; Buch. 1)8. Die erste Capnus'), auch Hübnerfuss genannt, wächst an Mauern und Zäunen, hat feine, zerstreut stehende Zweige, purpurrothe Blumen; der frischgepresste Saft macht die Augen hell, wird daher auch den Augenmitteln zugesetzt. 99. Aehnlich im Namen und in der Wirkung ist die st rau- chige Capnus^); sie hat ein noch zarteres Ansehn, asch- graue corianderähnliclie Blätter, purpurrothe Blumen, wächst in Gärten und Gerstenfelderu. Sie reizt aber auch die Augen zum Thränen, wie der Rauch, und verdankt diesem Um- stände ihren Namen. Sie verhindert ferner das Wieder- wachsen ausgerissener Augenliderhaare. 100. Das Acorum^) bat irisartige, aber schmalere und länger gestielte Blätter, schwarze und weniger faserige Wurzeln, die aber doch denen der Iris ähnlich sind, scharf schmecken, nicht unangenehm riechen und leicht Aufstossen bewirken. Die besten kommen aus Pontus, namentlich vom Flusse Phasis in Colchis, dann aus Galatien und Creta, wachsen übrigens überall im Wasser. Frisch sind sie kräf- tiger, als wenn sie schon lauge gelegen haben ; die cretischen haben eine hellere Farbe als die pontischeu; man schneidet sie in fingerdicke Stücke und trocknet sie im Schatten. Einige Autoren nennen die Wurzel der Oxymyrsine^j Aco- rum, und Andere schlagen daher für diese Oxymyrsine den Namen wildes Acorum vor. Das Acorum wirkt sehr wärmend und verdünnend, man trinkt daher seinen Saft gegen unterlaufene und trübe Augen und gegen Schlaugen. 101. Der Cotyledon^) ist ein kleines grünes Gewächs mit zartem Stengel, fetten und hüftähnlich hohlen Blättern, olivenförmiger Wurzel und findet sich am Meere und auf 1) Fuinaria bulbosa L. -) Fumaria ott'icinali» L. 3) Acorus Calamus L. *) Ruscus aculeatus L. *) Colyledon Umbilicu» L Fünfundzwanzigstes Buch. 333 Felseu. Sein Saft heilt die Augen. Es giebt noch eine andere Art') mit schmutziggefärbten, breitern, dichtem, in der Nähe der Wurzel gleichsam ein Auge einsehliessenden Blättern, längerm aber äusserst dünnem Stengel, von sehr herbem Geschmacke und in ähnlichen Fällen wie die Iris gebräuchlich. 102. Das Aizoon bildet zwei Arten; das grosse^), welches in irdenen Töpfen gezogen wird, heisst auchBuphthalmum, Zdophthalmum, Stergethrum weil es sich zu Liebes- tränken eignet, Hypogesum, weil es meist auf Dachrinnen wächst, Ambrosia, Amerimnum grosses Sedum, Auge oder Fingercheu. Das kleine Aizoon^) hat folgende Sy- nonyme: Erithales, Trithales, weil es dreimal blühet, Chrysothales, Isoetes; beide aber werden wegen ihres steten Grünseins auch Sempervivum genannt. Das grosse erreicht eine Höhe von einer Elle und darüber, sein Stengel eine Dicke von einem Daumen; die Blätter sind an der Spitze zungenförmig, fleischig, fett, saftreich, daumenbreit, theils abwärts gebogen, theils aufrecht, ihrem Umfange nach wie ein Auge gestaltet. Das kleine wächst auf Mauern, Zäu- nen und Dächern, ist handhoch, von der Wurzel an staudig und bis zur Spitze beblättert, die Blätter sind schmal, kurz- stachelig, saftig; die Wurzel besitzt keine Kräfte. 103. Aehnlich ist die in Griechenland wilde Andrachne, in Italien Illecebra^) genannte Pflanze, nur dass diese kleiner ist und breitere Blätter hat. Sie wächst auf Felsen und wird verspeist. Alle diese Gewächse kommen darin tiberein, dass sie kühlen und zusammenziehen. Die Blätter oder der Saft heilen äusserlich angewandt Augeuflüsse, reinigen, füllen aus und vernarben Augengeschwüre, öffnen ') Saxifraga media Gouan. var. Sibthorpiana Grleseb. -) Sempervivum arboreum L. ^j Sempervivum tectorum S. oder Sedum amplexicaule DC. *] Illecebrniu verticillatum [.. 334 Fünfundzwanzigstes Buch. die zusammeDgeklebteu Augenlider, heilen auf die Schläfe gelegt, Kopfschmerzen, widerstehen den Bissen der Erd- spinnen, das grosse Aizoon aber vorzüglich dem Aconitum ; wer dasselbe auch nur bei sich trägt, soll von Scorpiouen nicht gestochen werden. Sie erweisen sich ferner nützlich bei Ohrenschmerzen; zu demselben Zwecke dient der massig aufgestrichene Saft des Hyoscyamus, der Achillea, des kleinen Centaurium und der Plantago, des Peucedanum mit Eoseu- öl und Meconium, des Acorum mit Rosen. Jeder dieser Säfte wird warm mit Hülfe eines Striegels eingegossen, der Coty- ledon aber mit Hirschmark erwärmt in eiternde Ohren ge- steckt. Die Wurzel des Ebulus zerreibt mau, drückt den Saft durch Leinwand, lässt ihn au der Sonne verdunsten, versetzt ihn nöthigenfalls wieder mit Rosenöl und benutzt ihn erwärmt zur Heilung der Ohrengeschwüre: ebenso wird die Verbenaca, Plantago und Sideritis mit Zusatz von altem Fett angewendet. 104. Nasengeschwüre werden mit Aristolochia und Cyperus beseitigt. 105. Zahnschmerzen vertreibt man durch Kauen der Wurzel des Panax, namentlich des chironischen, auch spühlt man zu demselben Zwecke den Mund mit ihrem Safte aus; ferner durch Kauen der Wurzel des Hyoscyamus und der Polemonia mit Essig, ingleichen der Wurzel der Plantago und Ausspühlen des mit dem Safte gekochten Essigs. Die Blätter der letztern wendet man an, wenn aus dem Zalm- fleisch blutiger Eiter fliesst, und der Same heilt sonstige Geschwüre und Anhäuf uugen am Zahnfleische. Die Aristo- lochia befestigt Zahnfleisch und Zähne. Die Verbanaca kauet mau mit der Wurzel, uud deu mit Wein oder Essig daraus bereiteten Saft gebraucht mau zum Ausspühlen. Ebenso die Wurzel des Quinquefolium, welche man zuerst mit Salzwasser abwäscht, dann mit Wein oder Essig zum Drittel einkocht, den Absud muss man aber lauge im Munde halten; Einige rnthen, die Zäline mit der Asche dieser Fünfundzwanzigstes Buch. 335 Pflanze zu reiben. Als Mundwasser dient auch ein weiniger Absud der Wurzel des Verbascum; ferner der Saft des Hys- sopus und Peucedanum mitMeconium, endlich der Saft der Wurzel der Anagallis, namentlich der weiblichen, den man in das dem schmerzenden Zahne entgegengesetzte Nasen- loch einzieht. 106. Der Er ig er on, bei uns Senecio') genannt, bewirkt, dass der, welcher mit einem Eisen einen Kreis darum zieht, ihn dann ausgräbt, den (schmerzenden) Zahn damit berührt, abwechselnd dreimal ausspuckt und die Pflanze wieder au ihren Platz setzt, so dass sie fortgriint, später nicht mehr an Zahnweh leidet. Die Pflanze selbst hat die Weichheit und das Ansehn der Trixago, röthliche Stengel, wächst auf Dä- chern und Mauern. Ihr griechischer Name soll darauf hin- deuten, dass sie schon im Frühjahre ein graues Ansehn hekommt. Der Blüthenkopf enthält viele, stachelig aus- sehende, zwischen den Theilungen sich erhebende Wolle; daher nennt sie Callimachus: Acauthis, andere Pappus. Die Griechen geben nichts Näheres darüber an. Einige sagen, die Blätter seien denen des Senfs, Andere, sie seien denen der Eiche ähnlich aber viel kleiner. Einige halteu die Wurzel für unwirksam, Andere für nervenstärkend, noch Andere für zusammenziehend. Im Widerspruch damit hat man sie mit Wein gegen Gelbsucht, alle Arten von Blasen-, Herz- und Leberkrankheiten verordnet; auch soll sie den Sand aus den Nieren ziehen. Bei Hüftweh lässt mau eineDrachme mit Sauerhonig nach einem Spaziergange nehmen, bei Bauch- grimmen soll sie mit Rosinenwein, bei Brustbeschwerden mit Essig verspeist wirksam sein und man hat zu diesem Behufe ihren Anbau in Gärten empfohlen. Auch ist, jedoch ohne nähere Beschreibung, einer zweiten Art Erwähnung geschehen, welche gegen Schlangen in Wasser getrunken und gegen Epilepsie gegessen gute Dienste thue. Römische Erfahrungen haben gezeigt, dass die Wolle des Erigerou ') Senecio vulgaris L. 336 Fünfundzwanzigstes Buch. mit Safran und etwas kaltem Wasser aufgelegt die triefen- den Augen, mit etwas Salz geröstet die Kröpfe heilt. 107. Das Ephemerumi) hat lilienähnliche aber kleinere Blätter, einen ähnlichen Stengel, blaue Blumen, unwirksame Samen und eine fingerdicke Wurzel, welche zerschnitten und mit Essig gekocht ein gutes Mundwasser für die Zähne ab- giebt; auch befestigt sie lose Zähne, wird in hohle und aus- gefressene eingedrückt. Die Wurzel der Chelidonia hält man, mit Essig angerieben im Munde. Auf ausgefressene Zähne legt man das schwarze Veratrum; jede von beiden befestigt in Essig gekocht lose Zähne. 108. Labrum Venereum^) heisst eine in Flüssen wach- sende Pflanze, in der ein Wurm steckt, welcher um die Zähne gelegt stirbt; auch steckt man ihn in hohle Zähne und ver- schliesst die Oeffnung mit Wachs. Nur muss man sich hüten, mit dem ausgerissenen Kraute die Erde zu berühren. 109. Was die Griechen Batrachium nennen, heisst bei uns Ranunculus. Man unterscheidet vier x^rten. Die erste^) hat Blätter, welche fetter als die des Coriander, fast so breit als die der Malve und bläulichgrau sind, einen weissen dünnen Stengel, eine weisse Wurzel, und wächst auf feuch- ten schattigen Grenzscheiden. Die zweite^) hat einen hohen Stengel, zahlreichere und mehrfach getheilte Blätter. Die dritte'') ist am kleinsten, riecht unangenehm und hat gold- gelbe Blumen; die vierte") endlich ist der dritten ähnlich, die Blumen sind aber hellgelb. Alle vier besitzen ätzende Eigenschaften und erzeugen, wenn man auch nur die rolieu Blätter auflegt, gerade wie das Feuer Blasen; man bedient sich ihrer. daher bei Ausschlag, Krätze, zur Entfernung der Narben und mischt sie allen ätzenden Mitteln bei. Glatzen werden dadurch bald wieder behaart. Kauet man die Wurzel *) Iris pumila? ■^) Dipsacus sylvestris L. ') Ranunculus asiaticus L. *) Ranunculus lanuginosus L. '•>) Ranunculus muricatus L. ^) Ranunculus aquatilis L. Fünfundzwanzigstes Buch. 337 bei Zahnschmerzen zu lange, so werden die Zähne zerstört; trocken benutzt man sie als Schuupfmittel. Unsere Kräuter- kenner nennen sie Strumus, weil man damit, wenn sie kurze Zeit im Rauche gehangen hat, Kröpfe und Fettbeulen heilt. Es herrscht auch der Glaube, wenn sie von neuem gebauet würde, kehrten alle damit geheilten Gebrechen wieder, ein Umstand, den man schändlicherweise bei der Plantago benutzt. Geschwüre im Munde heilt der Saft der Plantago, auch deren Blätter und Wurzeln gekaut, selbst dann wenn der Mund gleichzeitig an Flüssen leidet; Geschwüre und stinkenden Athem das Quinquefolium: erstere auch das Psyllium. 110. Ich will noch einige Mittel wider das schämenswertheste Uebel, den stinkenden Athem, mittheiieu. Man reibe gleiche Theile Myrten- und Mastixblätter und einen halben Theil syrische Galläpfel mit etwas altem Wein oder gleiche Theile Epheubeeren, Cassia und Myrrhe mit Wein zusam- men, und esse von einer dieser Mischungen alle Morgen etwas. Gegen Nasenübel, auch wenn sie zu den sogenannten un- heilbaren gehören, wendet man mit Erfolg den Samen des Dracontium in Honig an. Unterlaufene Stellen werden mit Hyssop, Maale im Gesichte mit Mandragora beseitigt. Wittstein: Pliiiius. IV. Bd. Sechsundzwanzigstes Buch. Von den übrigen Arzneimitteln aus Kräutern, nach den ver- schiedenen Krankheiten zusammengestellt. 1. Auch neue, in früheren Zeiten gänzlich unbekannte Gesichtskrankheiten haben sich nicht bloss in Italien sondern fast durch ganz Europa eingestellt, anfangs aller- dings nicht überall, z. B. nicht durch ganz Italien, auch nicht in lUyrien, Gallien, Spanien oder anderen Ländern, sondern nur zm Rom und in dessen Umgegend, — Krank- heiten, welche zwar schmerzlos und nicht lebensgefährlich, aber so scheusslich sind, dass man ihnen jede Todesart vorziehen möchte. 2. Die schwerste derselben hat man mit dem griechischen Namen Flechten^) bezeichnet; im Lateinischen aber nannte man sie anfangs einen scherzhaften Muthwillen (denn der Mensch spottet nur zu gern über das Elend Anderer), später aber, weil sie fast immer am Kinn beginnt, Kiunkrankheit. Bei Vielen verbreitet sie sich über das ganze Gesicht mit Ausnahme der Augen, steigt auch auf Hals, Brust und Hände hinab und bedeckt die Haut mit hässlichen Schuppen. 3. Unsere Voreltern und Eltern kannten diese Seuche noch nicht. Erst mitten in der Regierungszeit des Kaisers Tiberius Claudius hat sie sich in Italien eingeschlichen und zwar war es ein gewisser, aus Perusia stammender rönii- *) lichenae. Sechsundzwanzigstes Buch. 339 scher Ritter, der in Asien die Stelle eines Secretairs bei einem Quästor versah , und sie von dort einschleppte. Weiber, Diener, die niedere und Mittel-Klasse werden nicht davon befallen, sondern nur die Vornehmen, unter denen sie sich durch den Kuss schnell verbreitete, und von denen Viele, welche Geduld genug besassen sich einer anhaltenden Kur zu unterwerfen, in Folge der zurückgebliebenen Narben hässlicher geworden waren, als sie während der Krankheit aussahen. Man wandte nämlich zu ihrer Bekämpfung kau - stische Mittel an, erreichte aber nur dann den Zweck, wenn das Fleisch bis auf die Knochen ausgebrannt wurde. Aus Aegypten, dem Vaterlaude von dergleichen Uebeln, fanden sich Aerzte ein, welche bloss diese Krankheit behan- delten, und ihren »Säckel reichlich füllten; wie es denn be- kannt ist, dass der in der Provinz Aquitanien als kaiser- licher Statthalter fungirende Prätorianer Manlius Cornutus für seine Heilung zweihundert Sestertia (200 000 Sestertii) ausgegeben hat. Und nicht selten stellten sich darauf eine Menge neuer Krankheiten ein. Ist es nicht wunderbar, dass manche Uebel ganzer Länder au gewissen menschlichen TLeilen und Gliedmaassen, bei einem gewissen Alter oder bei gewissen Glücksumständen auftauchen, gleichsam als ob dieselben eine Auswahl träfen, da einige bei Kindern, andere bei Erwachsenen, wieder andere bei Vornehmen, und abermals andere bei Armen wüthen! 4. Die Jahrbücher des Staats berichten, dass der Kar- bunkel, eine der narbonensischen Provinz eigene Krank- heit, sich zuerst unter den Censoren L. Paullus und Q. Marcius in Italien gezeigt hat, und dass zwei gewesene Consuln, Julius Rufus und Q. Lecanius, in eben demselben Jahre daran gestorben sind, jener in Folge eines Schnittes durch einen unwissenden Arzt, dieser nachdem er sich mit einer Nadel am linken Daum verletzt hatte und obgleich die dadurch entstandene Wunde kaum sichtbar war. Der Kar- bunkel entsteht an den verborgensten Theilen des Körjiers und meistens unter der Zunge, ist hart und mannigfaltig •22* ;^() ^jechsumizwuuzigstes Buch. loth, an der Spitze schwärzlich, zuweilen auch blaugrau, greift den ganzen Körper an, schwillt nicht auf, erregt weder Schmerz noch Jucken, giebt sich nur durch Schlaf zu erkennen, und tödtet die darin Verfallenen binnen drei Tagen. Zuweilen stellen sich auch Schauder und ringsum kleine Bläschen, seltener Fieber ein; wenn aber das Uebel den Schlund und Magen angegriffen hat. erfolgt der Tod auf der Stelle. 0. Ich habe schon angegeben, dass die Elephantiasis vor dem Zeitalter des grossen Pompejus in Italien unbekannt war. Sie entspinnt sich auch in der Regel auf dem Gesichte, nämlich auf der Nase in Form einer kleinen Linse, geht dann trocknend über den ganzen Körper hin, bildet ver- schiedenfarbige Flecke, macht die Haut uneben, hier dick, dort dünn, dort hart wie bei der bösartigen Krätze, zuletzt schwarz, drückt das Fleisch au die Knochen, schwellt die Finger und Zehen an. Sie ist in Aegypten endemisch, und wenn Könige davon befallen wurden, trauerte das ganze Volk, denn dann wurden, zum Behuf der Heilung, die Wannen zu den Bädern mit Menschenblut erwärmt. Diese Krankheit ist in Italien bald wieder verschwunden;, ebenso sammt dem Namen diejenige, welche die Alten Gemursa nannten und die sich zwischen den Zehen ent- M'i ekelte. (5. Auch ist merkwürdig, dass einige Krankheiten bei uns verschwinden, andere hingegen nicht, wie z. B. die Kolik. Sie zeigte sich zum ersten Male unter der Regie- rung des Kaisers Tiberius und gerade er selbst wurde zuerst davon befallen, wobei ich noch bemerken will, dass damals die ganze Stadt im Zweifel blieb, als man in dem öffentUchen Ausschreiben, worin er sich wegen Unwohlseins entschuldigte, einen unbekannten Namen i) las. Wie soll ich dieses Uebel charakterisiren und welche Art des gött- ') co]uiu: Kolik. Sechsufidzwanzigstes Buch. o41 liehen Zorns wird dadurch geoffenbart? War es nicht genug, dass der Mensch bereits gegen dreihundert Kranklieiteu hatte, musste er noch mit neuen erschreckt werden? Doch, der Mensch bürdet sich ja durch seine eigenen Benitiliungen nicht weniger Lasten auf. Die Arzneimittel, welche ich nun anführen will, sind die, deren sich die Alten bedienten, zur Zeit als die Katur gleichsam den Arzt machte, und in der That erfreueten sich jene einer langen Dauer (ihrer alleinigen Anwendung). Wenigstens finde ich in den Schrif- ten des Ilippocrates, welcher die Heilmethoden zuerst am klarsten beschrieben hat, überall der Kräuter gedacht ebenso in denen des Diocles von Carystus, seines nächsten- würdigen Nachfolgers, ferner des Praxagoras, Chrysippus und Erasistratus. Herophilus dagegen verfiel, obgleich er eine scharfsinnigere Sekte stiftete und vor allem das Studium der Kräuter empfahl, allmälig durch die Erfahrung, die kräftigste Lehrerin aller Dinge und namentlich der Mediciu, in Wortschwall und Plauderei; denn in diesen Schulen hielt man es für bequemer, still zu sitzen und zuzuhören, als einsame Gegenden zu durchwandern und täglich neue Pflanzen zu sammeln. 7. Die alte Weise hielt sich aber demungeachtet und hatte noch bedeutende Ueberreste dieser reellen Wissen- schaft gerettet, als zur Zeit des grossen Pompejus: Asde- piades'), der ursprünglich Lehrer der Beredsamkeit war, aber in dieser Kunst keine hinreichende Subsistenz fand und ausser der Rednerbühne auch für alles andere ein ausserordentliches Talent besass, sich plötzlich derselben zuwandte und (da es erforderlich war, dass ein Mensch, der sich nie damit abgegeben hatte und die Arzneimittel nicht kannte, alles durch eigne Anschauung und Uebuug lernen musste), ungeachtet des Beifalls der ihm wegen seiner fliessenden und wohldurchdachten Reden täglich zu Theil ward, seine bisherige Laufbahn gänzlich verlassend die ') Aus Prusa in Bithynien am Pontus. 342 Sechsundzwanzigstes Buch. gesanimte Medicin auf gewisse Theorien zurückführte. Er stellte nämlich fünf Grundsätze auf und lehrte, die allge- meinen Heilmittel seien fünferlei Art, Enthaltung von Speisen, von Wein, Reibung des Körpers, Spazierengehen und Be- wegung durch Tragen. Da ein Jeder einsah, dass er sich auf solche Weise leicht selbst helfen könne, und alle wünschten, dass die am leichtesten auszuführenden Mittel die wahren seien, so verehrte man ihn fast allenthalben wie einen vom Himmel Gesandten. 8. Ausserdem verschaffte er sich durch einen besondern Kunstgriff, indem er nämlich den Kranken Wein versprach, zur passenden Zeit auch gab, dann aber kaltes Wasser reichte, grossen Anhang. Während Herophilus früher die Ursachen der Krankheiten zu erforschen bemühet war, Cleophantus bei den Alten die Beschaffenheit des Weines erläutert hatte, wählte, wie M. Varro erzählt, Asclejtiades wegen seiner Verordnung des kalten Wassers einen Bei- namen'). Er dachte noch verschiedene andere angenehme Mittel aus, z. B. Aufhängen der Betten, um durch das Schwanken derselben die Krankheiten zu mildern oder den Schlaf zu befördern, Errichtung von Bädern, welche den grössten Anklang fanden u. s. w. Sein Ansehn und Ruf wuchsen dadurch sehr, und nahmen noch mehr zu, als er einer ihm unbekannten Leiche begegnete, welche eben auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, sie zurückbrin- gen Hess und ihr das Leben wieder gab; die nähern Um- stände dieser Begebenheit mögen zugleich die Meinung niederhalten, als seien dabei seichte Beweggründe im Spiele gewesen. Nur erfüllt es mich mit Unwillen, wenn ich be- denke, dass ein Mensch aus dem leichtsinnigsten Volke, der uhne alles Vermögen anfing, des Gewinnes wegen den Menschen so schnell Gesundheits-Gesetze gegeben hat, die doch später von Vielen wieder abgeschafft sind. Dem Asclepiades kam vieles zu Statten, was die Alten zu ängst- ') Dieser Beiname war JooixpvxQOC, der Wasserspender. Sechsundzwanzigstes Buch. 343 lieh betrieben hatten, wie das Bepacken des Kranken mit Kleidern, das Austreiben des Schweisses auf jede Weise, das dem Rösten nahe Erhitzen des Körpers am Feuer, das beständige Aufsuchen des Sonnenscheins in einer schattigen Stadt, endlich der damals in ganz Italien zuerst eingeführte und die Menschen äusserst behagende Gebrauch hängender Bäder. Ueberdem umging er bei mehreren Krankheiten das bisher beobachtete martervolle Verfahren, z. B. bei der Bräune, welche man durch Einstecken einer Röhre in den Hals heilte. Ferner verwarf er und zwar mit Recht das Brechen, was damals übermässig angewandt wurde; desgleichen die dem Magen schädlichen Arznei- tränke, was auch grösstentheils verboten ist. Ich will daher zuerst die dem Magen dienlichen Mittel aufzählen. y. Vor allem kamen ihm die Thorheiten der Magier zu Statten, welche so weit gingen, zu behaupten, sie könnten allen Kräutern ihre Zuverlässigkeit nehmen; werfe man das Kraut Aethiopis') in Flüsse und Teiche, so trockneten sie aus, berühre man was verschlossen wäre damit, so öffne es sich; werfe man die Achaemeuis unter die feindlichen Schlacht-Reihen, so geriethen sie in Furcht und Zittern und ergriffen die Flucht; das Kraut Latace hätten die persischen Könige gemeiniglich ihren Gesandten mitgegeben, damit sie überall, wo sie hinkämen, an jedem Bedürfniss Ueberfluss hätten u. dgl. m. Aber, frage ich, wo waren jene Kräuter, als die Cimbern und Teutonen in ihrem mörderischen Kampfe heulten, oder als Lucullus so viele Könige der Magier mit wenigen Legionen schlug? Warum haben die römischen Feldherrn in Kriegen ihre nächste Sorgfalt stets auf die Herbeischaffung des Proviants gerichtet? Warum mussten die Soldaten Cäsars bei Pharsalus Hunger leiden, wenn die Kraft eines Krautes Ueberfluss an allem schaffen konnte? Wäre es nicht besser gewesen, Aemilianus Scipio hätte die Thore Carthagos mit einem Kraute geöffnet, ') Salvia Aflhiopis I.. S. auch XXVII. B. :'.. Cap. 344 Sechsundzwanzigstes Buch. als sie so viele Jahre lang mit Kriegsmaschinen zu erschüt- tern? Man könnte ja jetzt die pontinischen Sümpfe mit einem Kraute austrocknen und dadurch so bedeutende Strecken der Stadt Rom naheliegenden Feldes der Land- wirthschaft überliefern. Warum hat die von Democrit be- schriebene Arznei, wodurch schöne, gute und glückliebe Kinder erzeugt werden sollen, niemals einem persischen Könige diesen Dienst geleistet? Es wäre in der That zu bewundern, wie die aus den heilsamsten Quellen entsprun- gene Grausamkeit der Alten soweit hätte gedeihen können, wenn man nicht bedächte, dass es dem menschlichen Geiste nun einmal nicht möglich ist, das rechte Maass zu halten, und wenn ich nicht gehörigen Orts den Beweis liefern könnte, dass das von Asclepiades erfundene System in der Medicin die Magier noch übertroffen habe. Aber so handelt der Mensch in allen Dingen, anfangs beschränkt er sich nur auf das Nothwendige, nach und nach versinkt er in Ueberfluss. — Ich will daher die übrigen Wirkungen der im vorigen Buche abgehandelten Kräuter besprechen und hinzufügen, was ein richtiges Urtheil uns darüber gelehrt hat. 10. In Bezug auf die Flechte, diese so scheussliche Krankheit, will ich alle vorgeschlagenen Mittel hier zusam- menfassen, obgleich ich schon viele davon angezeigt habe. Man wendet also dagegen an: zerriebenen Plantago, Quiu- quefolium, die Wurzel des Albucus mit Essig, die Sprossen des Feigenbaums in Essig gekocht, die Wurzel des Hibiscus mit Leim und scharfem Essig bis zum vierten Theile ein- gekocht; zerriebenen Bimsstein, die Wurzel des Ampfers mit Essig, die Blumen des Viscum mit Kalk durchknetet, einen Absud des Tithymalus mit Harz, vorzüglich aber das Flechtenkraut 1), welches eben diesem Gebrauche seinen Namen verdankt. Dasselbe wächst auf Felsen, hat «inen kurzen Stengel, ein breites Blatt in der Nähe der ') liehen. Die Beschreibung passt am besten auf Marchantia polymorpha. Die andere Art scheint eine wirkliche Flechte zu sein, nur lässt sich aus den mangelhaften Angaben nichts Sicheres bestimmen. Seclisundxwanzigstes Buch. 845 Wurzel, die übrigen Blätter sitzen am Stengel, sind lang und hängen herab; es wird mit Honig abgerieben und be- seitigt auch die Narben. Es giebt noch eine andere Art Flechtenkraut, welches wie ein Moos ganz fest an den Steinen sitzt, ebenfalls aufgelegt wird, das aus Wunden fliessende Blut stillt, Saftanhäufungen vertheilt, mit Honig auf die Zunge oder überhaupt in den Mund gebracht die Gelbsucht heilt. Die dieser Kur unterworfenen Kranken sollen sich in Salzwasser baden, mit Mandelöl einreiben und keine Gartengewächse geniessen. Gegen Flechten gebraucht man auch die Wurzel der Thapsia mit Honig. 11. Gegen die Bräune verwendet man innerlich die Arge- raouia mit Wein, Hyssop mit Wein gekocht als Gurgel- wasser, das Peucedanum mit gleichen Theilen Coagulum vom Seekalbe; die Proser pinaca mit Salzwasser vom Seefisch Maena und Oel abgerieben und unter die Zunge gelegt, den Saft des Quinquefolium zu drei Bechern getrunken. Letzterer zeigt sich auch als Gurgelwasser bei allen Hals- übeln wirksam, für die geschwollenen Halsdrüsen aber ist ein wässriger Trank des Verbascum am besten. 12. Mittel gegen die Kröpfe sind: die Plantago, Cheli- douia mit Honig und Fett, das Quinquefolium, die Wurzel der Persolata mit Fett aufgelegt und mit dem Blatte der- selben Pflanze bedeckt; die Artemisia, die Wurzel der Mandragora mit Wasser; die breiten Blätter der Sideritis, wenn man mit einem Nagel der linken Hand auf ihnen herumgefahren ist, und die nach erfolgter Heilung von dem Genesenen aufbewahrt werden müssen, damit nicht durch Wiederanpflanzen das Uebel von neuem ausbreche (welches schändlichen Knifts sich einige Kräuterkenner bedienen), wie ich denn auch finde, dass Diejenigen, welche mit Arte- misia und Plantago geheilt sind, dieselbe Vorsicht gebrau- chen sollen. Das Damasonium, auch Alcea genannt, wird zur Zeit des Sommer-Solstitii gesammelt, entweder das Blatt mit Regenwasser oder die Wurzel mit Fett aufgelegt und 346 Sechsundzwauzigstes Buch. im letztern Falle noch das Blatt darübergedeckt; diese Pflanze hat auch ihren Nutzen bei Nackenscbmerzen und allen Arten von Geschwulsten. 13. Die Bellisi), eine Wiesenpflanze mit weisser ins Röthliche spielender Blume, soll mit Artemisia aufgelegt noch besser wirken. 14. Condurdum, ein Sommergewächs mit rother Blume, soll am Halse getragen den Kropf kleiner machen; des- gleichen die Verbenaca mit Plantago. Alle Krankheiten der Finger, namentlich die Nagelgeschwüre heilt das Quin- quefolium, 15. Das beschwerlichste aller Brustübel ist der Husten; man vertreibt ihn durch die Wurzel des Panax mit süssem Wein, bei gleichzeitigem Blutspeieu durch den Saft des Hyoscyamus; desgleichen durch den Rauch des brennenden Krautes, durch die Scordotis mit Zusatz von Nasturtium, Harz und Honig. Auch das grössere Centaurium und der Saft der Plantago steuern dem Blutspeien. Auch das vetto- nische Kraut dient zu drei Obolen in Wasser genommen gegen eiterigen und blutigen Auswurf; ebenso die Wurzel der Persolata zu einer Drachme mit elf Piuienkernen. Der Saft des Peucedanum und des Acorum mildern die Schmerzen der Brust, werden daher auch den Gegengiften zugesetzt. Für den Husten ist das Daucum und das scy- tische Kraut gut; letzteres wird bei allen Brustübeln und Eiterauswurf zu drei Obolen in Rosinenwein gegeben. Von dem hellgelbblühenden Verbascum nimmt man ebensoviel; dieses besitzt eine solche Kraft, dass es das Zugvieh, ins Saufen gethan, nicht bloss vom Husten befreit sondern auch bewirkt, dass ihre Eingeweide wieder in Ordnung kommen, was man auch von der Gentiana behauptet. Die Wurzel der Cacalia kauet man und erweicht sie in Wein bei Husten > Bellis perennis L. Sechsundzwanzigstes Buch. 347 und Halsweh. Fünf Zweige Hyssop, zwei Zweige Raute und drei Feigen kocbt mau zusammen und wendet diess Mittel zur Reinigung der Brust au. 16. Das B e c li i um, auch T u s s i 1 ag o') genannt, ist gleichfalls ein Medicament für den Husten. Man unterscheidet davon zwei Arten. Wo die wilde wächst vermuthet man Wasser und die Brunnenmeister nehmen danach ihre Maassregeln. Die Blätter derselben sind etwas grösser als beim Eplieu, fünf bis sieben an der Zahl, unten weisslich, oben blass- grün, man sieht weder Stengel, noch Blume, noch Samen und die Wurzel ist zart. Einige halten diess für das eigentliche Bechium und nennen es auch Cbamaeleuce. Anhaltenden Husten soll man dadurch vertreiben; dass man die ganze Pflanze trocknet, anzündet, den dadurch entstehenden Rauch vermittelst eines Rohres einzieht und hinunterschluckt; aber bei jedem Zuge müsse man einen Schluck Rosinenwein nehmen. 17. Die andere Art heisst bei Einigen Salvia^) und sieht dem Verbascum ähnlich. Sie wird zerquetscht, durchgeseihet, die Flüssigkeit erwärmt und gegen Husten und Seitenste- chen, auch mit Erfolg gegen Scorpionen und Seedrachen getrunken. Gegen Schlangen bereitet man daraus eine Salbe mit Oel zum Einreiben. Gegen Husten kocht man ferner ein Büschel Ysop mit dem vierten Theile Honig. 18. Schmerzen in der Seite und Brust heilt das Ver- bascum mit Raute in Wasser gekocht, oder das Pulver des vettonischen Krauts mit warmem Wasser. Den Magen stärkt der Saft der Scordotis, das Centaurium, die Gentiana mit Wasser getrunken, die Plantago entweder für sich oder mit Linsen- oder Graupensuppe verspeist. Das vettonische Kraut ist zwar etwas schwer für den Magen, wirkt aber ') Tussilago Farfaia L. -) Salvia officinalis L.? Eher scheint mir hier Tussilago Peta- sites L. gemeint zu sein. 348 Sechsundzwanzigstes Buch. (loch heilend, wenn man die Blätter kauet oder einen Trank davon einnimmt; ebenso die Aristolochia als Trank, der Agaricus trocken gekauet und zwischendurch etwas lauterer Wein getrunken, der Saft des Peucedanum und die herac- lische Nymphaea aufgelegt. Das Psyllium, Cotyledon mit Polenta oder Aizoum legt man zum Kühlen auf 19. Das Mol um oder Syrum hat einen gestreiften Schaft, kleine weiche Blätter, und eine vier Finger lange Wurzel, an deren Ende ein Zwiebelkopf sitzt. Es wird in Wein für den Magen und bei Engbrüstigkeit genommen, zu dem- selben Zwecke dient das grosse Centaurium in einer Lat- werge, die Plantago als solche oder ihr Saft, das vetto- nische Kraut zu einem Pfunde zerstampft, mit einer halben Unze Honig, der gehörigen Menge warmen Wassers ver- setzt und von diesem Getränk täglich Gebrauch gemacht. Aristolochia oder Agaricus zu drei Obolen mit warmem Wasser oder Eselsmilch getrunken. Den Cissanthemus wendet man als Getränk bei schwerem Athem, den Hysso- pus bei Engbrüstigkeit, den Saft des Peucedanum bei Schmerzen in der Galle, Brust und Seite, wenn kein Fieber zugegen ist, an. Auch den Blutspeienden hilft der Agaricus, zu einem halben Denar in fünf Bechern Meth genommen. Denselben Zweck erreicht man mit dem Amomum. Ein Spe- cificum für die Leber ist die Teucria frisch zu vier Drachmen in einer Hemina saurem Dünn wein, die Vettonica zu einer Drachme in drei Bechern warmem Wasser und bei Herz- krankheiten in zwei Bechern kaltem Wasser genommen. Der Saft des Quinquefolium wird innerlich mit Erfolg bei Leber- und Lungenleiden, Blutauswurf und jeder Art krank- haften Blutes angewandt. Die Arten der Anagallis sind ausgezeichnete Leberarzneien. Wer Capnus verspeist, bei dem geht die Galle durch den Harn ab. Das Acorum heilt die Leber, Brust und das Zwergfell. 20. Die Ephedra oder Anabasis^) wächst fast immer an *) Ephedra fragilis L. Sechsundzwanzigstes Buch. 349 Orten, welche dem Winde sehr ausgesetzt sind, klimmt an den Bäumen empor und hängt von den Zweigen herunter, hat keine Blätter aber zahlreiche Wickelranken von knotigem binsenartigem Aussehn, und eine blasse Wurzel. Man giebt sie mit dunkelm herbem Wein abgerieben, sowie als Trank, dem man etwas Wein zusetzt, gegen Husten, schweren Athem, Bauchgrimmen; zu demselben Zwecke wird die Gentiana gebraucht, und zwar weicht man einen Denar sicliwer davon Tags zuvor ein und nimmt sie dann mit drei Bechern Wein abgerieben ein. 21. Das Geum') hat dünne, schwarze, wohlriechende Würzelchen; es schmeckt angenehm und heilt nicht nur die Brust- und Seitenschmerzen, sondern befreiet auch von der Unverdaulichkeit. Die Verbeuaca ist ein Hülfsmittel für alle innerlichen Organe des Körpers, die Seiten, Lunge, Leber, Brust, also auch für Schwindsüchtige. Die Wurzel der Consiligo, einer wie bemerkt erst kürzlich entdeckten Pflanze , ist ein zuverlässiges Mittel bei Lungenübeln der Schweine und des Rindviehs, wenn man sie auch nur durch die Ohrenlappen zieht. Gegen die obengenannten Fehler bei Menschen bedient man sich ihrer als wässrigen Tranks und hält sie beständig im Munde unter der Zunge. Ob der oberirdische Theil dieser Pflanze anwendbar sei, weiss mau noch nicht. Bei Nierenleiden verspeist man die Plan- tago, oder nimmt einen aus dem vettonischen Kraute oder dem Agaricus bereiteten Trank zu sich. 22. Das Tripolium'-) wächst auf Steinen, die vom Meere bespült werden, nicht im Meere selbst, auch nicht an trocknen Stellen, hat Blätter, welche dicker als die der Isatis, handlang und an der Spitze getheilt sind, eine weisse, dicke, wohlriechende und erwärmend schmeckende Wurzel. Man giebt es mit Roggenmehl gekocht bei Leberleiden. ') Geum urbanum L. -) Statice Liinoniuni L 350 Sechsundzwanzigstes Buch. Einige halten diese Pflanze für identisch mit dem bereits von mir erwähnten Polium. 23. Die Gromphaena 1), welche am Stengel abwechselnd grüne und rosenrothe Blätter trägt, heilt in Verbindung mit saurem Dünnwein das Blutspeien. 24. Für die Leber reibt man das Malundrum, welches auf Feldern und Wiesen wächst und weisse, wohlriechende Blumen hat, mit altem Wein ab. 25. Ebenso legt man das in den Weingärten vorkommende Chalcetum zerrieben auf. Leichtes Brechen erregt, wie der Elleborus, die Wurzel des vettonischen Krautes, wenn man sie, zu vier Drachmen in llosinenwein oder Meth ein- nimmt; Hyssop mit Honig ist noch besser, wenn mau vor- her Nasturtium und Iris genommen hat; vom Molemonium gebraucht man einen Denar schwer. Das Silybum-) ent- hält einen Milchsaft, welcher nach dem Eintrocknen zu einem Denar schwer mit Honig zur Abführung der Galle verordnet wird. Das Erbrechen stillen dagegen das wilde Cuminum und das fein gestossene vettonische Kraut, beide mit Wasser. Den Ekel vertreiben und die Verdauung be- fördern das Daucum und das feingestossene vettonische Kraut mit Wassermeth, die Plantago wie Kohl gekocht. Das Schlucken vertreiben das Hemionium und die Aristo- lochia, das Aufseufzen der Clymenus. Gegen Seitenstechen und Engbrüstigkeit hilft das grosse Centaurium und der Hyssop, gegen Seitenstechen allein der Saft des Peucedanum. 26. Das Kraut welches die Gallier Halus, die Venetiauer Cotonea nennen, heilt Seitenstechen, Niereu, verrenkte und zerrissene Glieder. Es ist der Cunila bu'r.la ähnlich, an der Spitze dem Thymian, schmeckt süss, sti'.l: den Durst, hat eine bald weisse, bald schwarze Wurzel. ') Amarantus tricolor L. '') Carduus marianus L. Sechsundzwanzigstes Buch. 351 27. Aehnliche Wirksamkeit gegen Seitenstechen besitzt die Chamaerops; sie trägt um den Stengel herum je zu Zweien stehende myrtenartige Blätter, Blüthenköpfe wie die griechische Rose und wird als weiniger Trank einge- nommen. Die Schmerzen der Hüfte und des Rückgrats mildert das Agaricum , wenn man es wie beim Husten anwendet; ferner das feingestossene vettonische Kraut und die Stoechas^) mit Wassermeth. 28. Am meisten jedoch macht den Menschen der Unter- leib 2) zu schaffen, um desswillen allein der grössere Theil derselben lebt. ^) Bald nämlich hält er die Speisen zurück, bald nicht, bald kann er sie nicht fassen, bald nicht ver- dauen, und die Sittenverderbniss ist bereits so weit gekom- men, dass die Mehrzahl der Menschen den Speisen ihren Tod zu verdanken haben. Der schlechteste Behälter unsers Körpers verfolgt uns wie ein Gläubiger und klopft täglich mehrere Mal an. Seinetwegen regt sich vorzüglich der Geiz, ihm verdankt man die Schvvelgerei, für ihn schifft man nach Phasis und durchsucht die Meere, und Niemand überlegt, ob denn aus diesem schändlichen Treiben auch irgend ein Nutzen hervorgehe. Die Heilkunde hat daher in dieser Beziehung die allerschwierigste Aufgabe zu erfüllen. Die Scorodotis zu einer Drachme mit Wein abgerieben oder als Absud genommen, hemmt den Durchfall; die Polemonia giebt man ebenfalls bei Dysenterie mit Wein, ferner die Wurzel des Verbascum von zwei Fingern Länge mit Wasser getrunken, den Samen der heraclischen Nymphaea mit Wein getrunken, die obere Wurzel des Xiphium zu einer Drachme mit Essig, den Samen der Plantago mit Essig abgerieben oder mit Essig gekocht oder ihren Saft mit Graupen genommen, oder mit Linsen gekocht, oder das ') Lavandula Stoechas L. '^) alvus, hier besonders als Magen zu verstehen. ^) d. h. den meisten Menschen ist der Bauch ihi- Gott. 352 Sechsunclz.wanzigste8 Buch. feingestossene Kraut nebst geröstetem und- zerriebenem Mohn ins Getränk eingerührt, oder den Saft derselben sowie auch den des vettonischen Krauts mit Wein, der durch heisses Eisen erwärmt worden ist. Das letztgenannte Kraut wird auch in herbem Wein gegen Darmgicht gegeben und die Iberis zu demselben Zwecke aufgelegt. Bei Stuhlzwang nimmt man die Wurzel der heraclischen Nymphaea mit Wein, das Psyllium mit Wasser, die Wurzel des Acorum als Absud. Der Saft des Aizoon hemmt den Durchfall und führt die runden Würmer ab; erstem Zweck erreicht man auch mit der Wurzel des Symphytum und des Daucum. Die mit Wein abgeriebenen Blätter des Aizoon, sowie das in Wein genommene Pulver der getrockneten AIcea ver- treiben das Bauchgrimmen. 29. Der Astragalusi) hat lange Blätter mit zahlreichen Einschnitten, welche schräg um die Wurzel herum stehen, drei bis vier dichtbeblätterte Stengel, hyacinthähnliche Blumen, zottige, verwickelte, rothe, sehr harte Wurzeln wächst auf steinigen, sonnigen und oft mit Schnee bedeckten Boden, wie z. B. in dem pheneischen Distrikte von Arkadien. Er besitzt verdichtende Kräfte. Die Wurzel trinkt man mit Wein gegen Abweichen; indem sie, sowie fast alle übrigen zu diesem Zwecke dienenden Mittel, das Flüssige (aus dem Mastdarm) zurücktreibt, bewirkt sie zugleich ver- mehrten Harnabgang. Mit rothem Wein angestossen (was aber etwas schwierig auszuführen ist) heilt sie die Dysen- terie; eiterndes Zahnfleisch bäht man zweckmässig damit. Man sammelt sie gegen Ende des Herbstes nach dem Ab- fall ihrer Blätter und trocknet sie im Schatten. 30. Auch beide Arten des Ladanum-), welche zwischen den Saaten wachsen, hemmen den Durchfall, wenn man sie im feingestossenen Zustande mit Wassermeth oder gutem *) Orobus sessilifolius Sibth. 5) S. XII. B. 37. Cap. Sechsundtwanzigstes Buch. 353 Weine einaimmt. Die Pflanze, welche auf Cypern das Ladanum liefert und das sich au den Bart der Ziegen hängt, heisst Ledum. Eine bessere Sorte kommt aus Ara- bien; aber auch in Syrien und Afrika gewinnt man schon etwas ähnliches, welches den Namen Pfeilsaft *) führt, denn ipan setzt es der Wolle hinzu, womit man die Sehnen an den Bogen umgiebt, damit dieselbe recht fest daran hafte. Bei den Salben habe ich mich ausführlicher darüber ausge- sprochen. Diese Sorte riecht sehr unangenehm und besitzt wegen der reichlichen Beimischung von erdigen Tiieilen eine bedeutende Härte, während die reinere Sorte wohl- riechend, weich, grün und harzig ist. Es hat die Eigen- schaft zu erweichen, zu trocknen, die Verdauung zu beför- dern und Schlaf zu erregen; hindert das Ausfallen der Haare und schützt sie vor dem Grau werden. Mit Honig- meth oder Rosenöl giesst man es in die Ohren, mit Zusatz von Salz heilt es die schuppige Haut und fliessende Ge- schwüre, mit Styrax innerlich anhaltenden Husten, bewirkt auch am besten das Aufstossen. 31. Die Chondris oder der falsche Dictamnus^) hemmt den Durchfall. Der Hypocistis^) oder das Orobethrum (wie ihn Einige nennen) sieht einem unreifen Granatapfel ähnlich und wächst wie schon erwähnt unter dem Cistus, daher sein Name. Man trocknet ihn im Schatten und wendet beide Arten — es giebt nämlich eine weisse und rothe Art — mit dunkelm herbem Wein gegen den Durchfall an. Seine Kraft liegt in dem verdichtenden und trocknenden Safte. Die rothe Art dient mehr für Magen und Flüsse; ferner zu drei Oboleu mit Stärkemehl getrunken gegen Blutspeien, als Trank und Aufguss gegen Dysenterie. Ebenso gebraucht man die Verbenaca mit Wasser oder bei Abwesenheit von Fieber zu fünf Löffeln voll mit drei Bechern ammineischen Weines. ') toxicum. "-) Marrubium Pseudodictamnus. ^) Cytinus Hypocistis L. Wittstein: Pliuius. VI. Bd 2:J '354 Sechsundzwanzigstes Buch, 32. Auch das in Bächen wachsende Laver 0 vertreibt eingemacht und gekocht das Bauchgrimmen. 33. Der Potamogeton^), welcher betenähnliche, aber kleinere und rauhere Blätter hat und sich etwas über dem Wasser erhebt, wird ebenfalls mit Wein gegen Dysenterie und Darmgicht angewandt. Die Blätter kühlen, verdichten und werden besonders gegen Fehler der Schienbeine und sogenannte anheilbare Geschwüre mit Honig oder Essig vortheilhaft gebraucht. Castor beschreibt eine andere Art=^), welche feine, fast pferdehaarartige Blätter, einen langen, glatten Blumenstiel hat, ebenfalls in Wasser wächst und mit deren Wurzel er Kröpfe und Verhärtungen heilte. Der Potamogeton ist den Krokodilen zuwider; daher trägt mau ihn bei Jagden auf diese Thiere bei sich. Auch die Achillea wirkt gegen den Durchfall, und ähnliche Kräfte besitzt die Statice^), welche sieben in rosenähnliehe Köpfe endigende Stengel treibt. 34. Die Ceratia, welche nur ein Blatt und eine grosse knotige Wurzel hat, heilt ebenfalls Dysenterie und Darra- gieht. Das Leontopodium^), auch Leuceorum, Dori- petrum, Thorybetrum genannt, wächst auf flachem, magerm Boden und ist ein gutes Mittel gegen Durchfall und zur Reinigung der Galle; zwei Denare der Wurzel werden zu diesem Behuf in Wassermeth genommen. Der Same dieser Pflanze soll unsinnige Träume hervorrufen. Der Lagopus **) wächst in Saatfeldern, hemmt mit Wein oder bei Fieber mit Wasser genommen ebenfalls den Durchfall, und wird bei Geschwulsten auf den Unterleib gebunden. ') Sium latifolium L. -) Potamogeton natans L. '■') Potamogeton pectinatus oder eine ähnliche Alt. *) Statice Limonium und sinuata L. ^) Evax pygmaeus G. (Filago). ") Trifolimn iirv»'n.se L. lSechsmi»lzwan/-igstes Bucli. 'dob Viele rühmen gegen das lieftigste Stadium der Dysenterie das Quinquefolium und zwar lassen sie die Wurzeln mit Milch kochen und den Absud trinken, ferner die Aristolochia zu einem halben Denar schwer in drei Bechern Wein. Was von obigen Mitteln warm genommen werden muss, erwärmt man am besten mittelst eines glühenden Eisens. Dahingegen führt der Saft des kleinen Centaurium , zu einer Drachme in einer Hemina Wasser mit etwas Salz und Essig genommen, ab und entfernt die Galle; das grosse Centaurium mildert das Bauchgrimmen, Das vettonische Kraut führt zu vier Drachmen mit neun Bechern Wassermeth gleichfalls ab; ebenso das Euphorbium und Agaricum, zu zwei Drachmen aus Wasser mit etwas Salz oder zu drei Obolen in Meth; der Cyclaminus aus Wasser allein oder mit Zusatz von Datteln, und die Frucht vom Chamaecissus. Eine Handvoll Hyssop zu einem Drittel eingekocht und mit Zusatz von Salz aufgelegt oder mit Sauerhonig und Salz vermischt, entfernt den Schleim und führt die Würmer ab. Schleim und Galle werden auch durch die Wurzel des Peuee- danum entfernt. 35. Den Unterleib reinigt ferner die Anagallis mit Wasser- meth und das Epithymum. i) Letzteres ist eine aus dem Thymus hervorgegangene Blüthe, welche der Satureja ähn- lich, aber nicht grün und krautartig, sondern weiss aus- sieht, heisst auch Hippopheus, taugt weniger für den Magen, erregt nicht leicht Brechen, vertreibt aber Baucli- grimmen und Blähungen. Gegen Brustübel nimmt man ess mit Honig und zuweilen auch mit Iris in einer Latwerge. Zum Abführen reichen vier bis sechs Drachmen, denen man etwas Honig, Salz und Essig hinzusetzt, aus. Einige geben an, das Epithymum habe keine Wurzel, sei zart, einem Mäntelchen ähnlich, roth, werde im Schatten ge- trocknet und zur Beseitigung von Schleim und Galle als wässriger Trank zu einem halben Acetabulum voll ge- ') CuBCuta Epithymum Jj. •23* 35) Galium Aparine L. Siebenundzwanzigstes Buch. 397 oder Philanthropus nennt, ästig, rauh, hat in Zwischen- räumen fünf bis sechs rund um die Zweige stehende Blätter, runde, hohle, harte, süsslich schmeckende Samen, wächst in Kornfeldern, Gärten, Wiesen und hängt sich gern an die Kleider. Man nimmt den Samen zu einer Drachme in Wein gegen Schlangen und Spinnen. Die Blätter legt man auf Wunden, um das Blut zu stillen, den Saft tröpfelt man in die Ohren. 16. Das Arctium') oder Arcturum hat Blätter, welche denen des Verbascum ähnlich, aber rauher sind, einen hohen weichen Stengel, cuminumähnliche Samen, eine zarte, weisse, süsse Wurzel und kommt auf steinigem Boden vor. Ein weiniger Absud davon wird gegen Zahnweh im Munde ge- halten; innerlich dient es gegen Hüftweh und Harnstrenge; in Wein geweicht legt mau es auf Brandstellen und Frost- beulen, und zu demselben Zwecke macht man auch Bähungen aus der Wurzel und dem Samen mit Wein. 17. Das Asplenum oder Hemionium'^) hat zahlreiche, 1(3 Fuss lange Blätter, eine weiche, höhlige, farnkraut- ähnliche, weisse, rauhe Wurzel, weder Stengel, noch Blumen, noch Samen, wächst zwischen Steinen und an feuchten, schattigen Mauern und ist in Greta am kräftigsten. Wer einen Absud der Blätter in Essig vierzig Tage lang ge- braucht, soll die Milz verlieren; man legt sie auch auf um den Schlucken zu vertreiben. Weiblichen Personen darf mau es nicht geben, denn es macht unfruchtbar. 18. Die Asclepias-*) hat epbeuähnliche Blätter, lange Zweige, zahlreiche, dünne wohlriechende Wurzeln, widrig riechende Blumen, Samen wie die Securidaca und findet sich auf Bergen. Die Wurzeln wendet man innerlich und äusserlich gegen Bauchgrimmen und Schlangenbisse an. ♦) Verbascum liinnense Fraas. -) Asplenium Ceterach L. ') Asclepias Dioscoridis Fraas. 398 Siebenundzwanzigstes Buch. 19. Der Aster 1) heisst auch Bubouium, weil er ein gutes Mittel für die Schaamtheile ist, hat einen kleinen Stengel, zwei bis drei längliche Blätter, an der Spitze strahlig wie ein Stern gestellte Köpfchen und wird gleichfalls^ gegen die Schlangen verordnet. Gegen Fehler der Schaamtheile soll man ihn mit der linken Hand abbrechen und neben den Gürtel binden. Hilft auch aufgebunden bei Hüftweh. 20. Das Ascyrum und Ascyroides^) sind unter sich und dem Hypericum ähnlich, das Ascyroides hat aber längere, gertenartige, durchaus rothe Zweige, kleine gelbe Blüthen- köpfe, kleine, schwarze, harzreiche Samen. Wenn man die Blattbüschel zerreibt, geben sie einen blutrothen Saft von sich, daher Einige die Pflanze auch Androsaemum ge- nannt haben. Bei Hüftweh verordnet man zwei Drachmen des Samens mit einem Sextar Honigwasser; er wirkt auch eröffnend, treibt die Galle ab und wird auf Brandwunden gelegt. 21. • Die Aphaca^) hat sehr kleine Blätter, ist etwas grösser als die Lenticula, trägt grössere Hülsen, in denen drei bis vier Samen, schwärzer und weicher als die der Lenticula, sitzen, und wächst auf Feldern. Sie verdichtet besser als die Linse, wirkt aber übrigens ganz ebenso. Der gekochte Same stillt den Durchfall. 22. Was das Alcibium *) für eine Pflanze ist, finde ich bei keinem Schriftsteller näher angegeben; Wurzel und Blätter werden aber innerlich und äusserlich gegen Schlangenbisse empfohlen, und zwar soll man von den Blättern eine Hand voll mit drei Bechern starken Weins, von der Wurzel drei Drachmen mit ebenso viel gewöhnlichen Weins abreiben. ') Aster Amellus L. 2) S. 10. Cap. 3) Vicia Cracca L. * Alcibiafliuin? Letzteres ist Echiuiii rubniiu .Tacq. Siebenundzwanzigstes Buch. 39t^ 23. Der Alectorolophus 1), bei uns Crista genannt, hat zahlreiche, einem Hahnenkamm ähnliche Blätter, einen dünnen Stengel, schwarze in Schoten steckende Samen, und wird gegen Husten und trübe Augen mit grob zerkleinerten Bohnen gekocht und mit Honig versetzt verordnet. Den ganzen Samen schiebt man ins Auge, um dessen trübe Theile anzuziehen; er verändert dabei seine Farbe, wird weisslicb, schwillt an und fällt von selbst heraus. 24. Die bei uns Alum, bei den Griechen Symphytum petraeum^) genannte Pflanze ähnelt der Cunila bubiila, hat kleine Blätter, drei bis vier gleich bei der Wurzel aus- schiessende Zweige, oben Aehnlichkeit mit dem Thymian, eine lange röthliche Wurzel, riecht angenehm, schmeckt süss, zieht den Speichel an und wächst auf Felsen (daher sein Beiname petraeum). Es ist ein gutes Mittel für Seiteuweh, Nieren, Bauchgrimmen, Brust, Lunge, Blutaus- wurf und rauhen Hals. Man verordnet die Wurzel in Wein gekocht innerlich, bereitet aber auch Umschläge davon. Gekaut stillt sie den Durst und kühlt die Lunge ab. Auf- gelegt heilt sie Verrenkungen, Contusionen und dergleichen. Man kocht sie in Asche, zieht die Schale ab, setzt neun Pfefferkörner hinzu, und lässt diess mit Wasser gegen Durch- fall nehmen. Diese Pflanze zeigt solche wundenheilende Kräfte, dass, wenn man sie zu kochendem Fleische setzt, dasselbe zusammenbackt, und diess ist auch der Grund ihres griechischen Namens. Sie heilt auch Knochenbrüche. 25. Die rothe Alge heilt die Stiche der Scorpione. 26. Die Actaea^) hat übelriechende Blätter, rauhe knotige Stengel, schwarze Samen, weiche Beeren wie der Epheu, ') Alectorolophus alpinus Baurag. ^) Symphytum Brochum Bory. Im XIX. B. 34. Cap. kommt auch ein Alum vor, das aber zu AUium gehört. ^) .\ctaea spicata L. 400 Siebenundzwanzigstes Buch. Wächst an schattigen, wüsten und nassen Plätzen und wird zu einem Acetabulum voll bei innerlichen weiblichen Krank- heiten gegeben. 27. Wilder Weinstock heisst eine schon bei den Saaten erwähnte Pflanze 0 niit harten aschgrauen Blättern, langen, dichten, röthlichen Ranken, ähnlichen Blumen wie die bei den Violen genannte Jovis flamma^), und Samen, welche in Beeren sitzen und denen des Granatapfels ähnlich sind. Die Wurzel siedet man in drei Bechern Wasser, setzt, zwei Becher coischen Wein hinzu und giebt diese Arznei den Wassersüchtigen als gelindes Abführmittel. Sie hilft auch gegen Gebrechen der weiblichen Schaam und Gesichtshaut. Gegen Hüftweh legt man die sammt den Blättern zer- quetschte Pflanze auf. 28. Vom Absinthium giebt es mehrere Arten, die san- tonische^) hat ihren Namen von einer Stadt in Gallien; die pontische^) vom Pontus, wo das Rindvieh durch seinen Genuss fett und daher ohne Galle gefunden wird, ist die beste und im Innern süss, die italienische aber weit bitterer. 5) Ich muss von dieser Pflanze, welche so leicht herbeizuschaffen, so ausserordentlich nützlich und durch ihren Gebrauch bei den Opfern des römischen Volks so berühmt geworden ist, etwas ausführlicher reden. Bei den lateinischen Festlichkeiten ß) fahren nämlich vierspännige Wagen im Wettlauf zum Capitol und der Sieger bekommt einen Absinthium-Trank; die Alten urtheilten dabei, wie mich dünkt, würdig, als sie ein solches Symbol der Gesundheit zum Lohne festsetzten. Es stärkt den Magen, wird daher auch, wie bereits angegeben, mit Wein angesetzt. Man ') S. XXIII. B. 13. Cap. -) S. XXI. B. 38. Cap. 3) Artemisia judaica L.? *) Artemisia pontica L. ^) Artemisia Absinthium L. ^) Ein Fest, welches im Frühjahr von den lateinischen Städten dem Jupiter Latiaris m Ehren vier Tage lang gehalten wurde. Siebenundzwanzigstes Buch. 401 kocht sechs Drachmen der Blätter mit den Zweigen in drei Sextaven Regen wasser, lässt den Absud eine Nacht und einen Tag lang unter freiem Himmel abkühlen, setzt etwas Salz hinzu und trinkt ihn dann; diess ist die älteste An- wendungsweise. Man bereitet auch einen schwächern Trank auf die Weise, dass man drei Tage lang in Wasser (welche Menge auch davon genommen werde) und bedeckt mace- riren lässt. Im zerriebenen Zustande sowie als ausge- pressten Saft verordnet man es selten. Um den Saft zu bekommen, lässt man es so lange in Wasser liegen, bis der Same aufgequollen ist, frisches drei, getrocknetes sieben Tage lang; dann kocht man 10 Heminä in 45 Sextaren Wasser in einem kupfernen Kessel zum dritten Theile ein, seihet durch und dickt weiter bis zur Consisteuz des Honigs ein, gerade so wie man aus dem kleinen Centaurium den Saft bereitet. Aber dieses Extrakt des Absinthium be- kommt dem Magen und Kopfe nicht gut, während obiger Absud sehr beilsam ist, denn er zieht den Magen zusammen, entfernt die Galle, treibt den Harn, macht weichen Stuhl- gang und entfernt die Schmerzen im Unterleibe, führt die Würmer ab, zertheilt mit Zusatz von Sil, gallischer Narde und etwas Essig die Blähungen im Magen, benimmt die Appetitlosigkeit und befördert die Verdauung, fübrt mit Raute, PfeflFer und Salz die unverdaueten Stoffe weg. Die Alten gaben zum Abführen sechs Drachmen des Samens mit drei Drachmen Salz und einem Becher Honig in einem Sextar alten Seewassers; noch kräftiger wirkt diess Mittel, wenn man die Quantität des Salzes verdoppelt, doch ist es jedenfalls nothwendig, dass alles längere Zeit gerieben w^erde. Einige haben auch die obigen Gewichtsmengen in Polenta mit Zusatz von Polei, Andere den Kindern in einer trocknen Feige (damit es ihnen nicht so bitter schmeckt) verordnet. Mit der Iris genommen reinigt es die Brust. Gegen Gelbsucht wird es roh mit Apium und Adiautum gegeben. Gegen Blähungen trinkt man einen warmen Auf- guss, bei Leberleiden mit gallischer Narde, bei Milzleiden mit Essig, einem Breie oder einer Feige. Gegen Pilze und WittBtein: Plinius. IV. Bd. 26 402 Siebenundzwanzigstes Buch. Viscum wendet mau es in Essig, gegen die Cicuta, die Bisse der Spitzmäuse, Seedrachen und Scorpionstiche in Wein an. Es trägt viel zur Klarheit der Augen bei. Mit Kosinenwein legt man es auf Augengeschwüre, mit Honig auf blaue Flecke. Der von dem Absude des Absinthium aufstei- gende Dampf heilt die Ohren; wenn sie eiterartig rinnen, reibt man es mit Honig ab. Drei oder vier Zweige nebst einer Wurzel der gallischen Narde in sechs Bechern Wasser ge- nommen befördern das Harnen und die Menstruation; der letztere Zweck wird noch besonders erreicht, wenn mau das Absinthium mit Honig nimmt und in Wolle auflegt. Gegen die Bräune dient es mit Honig und Natron. Hitz- blattern heilt es in Wasser eingeweicht, auch frische Wunden, bevor dieselben mit Wasser in Berührung ge- kommen sind, ferner Kopfgeschwüre. Auf die Weichen legt man es mit cyprischem Wachs oder mit Feigen. Das Jucken wird ebenfalls dadurch vertrieben. Bei Fiebern ist seine Anwendung nicht rathsam. Auf Seereisen als Trank gebraucht, bewahrt es vor der Schiffskrankheit. Trägt man es im Bauchgürtel, so vergeben die Geschwulste an den Schaamtheilen. Riecht man daran oder legt man es Je- mandem ohne sein Wissen unter den Kopf, so erfolgt Schlaf. Zwischen die Kleider zerstreuet vertreibt es die Motten. Wer sich mit Oel, worin Absinthium eingeweicht ist, ein- reibt oder wer damit räuchert, bleibt von den Mücken be- freiet. Schreibtinte, die man mit einem Aufguss von Ab- sinthium versetzt hat, schützt die Schriften vor den Mäusen. Eine aus der Asche der Pflanze mit Fett und Rosenöl be- reitete Salbe färbt das Haar schwarz. 29. Es giebt auch ein Meer- Absinthium ^), welches Einige Seriphium nennen und das am wirksamsten zu Taposiris in Aegypten vorkommt. Die Priester der Isis halten es für feierlich, einen Zweig davon vor sich her zu tragen. Es ') Arteiiiisia luaiitiiua L. Siebenundzwauzigstes Buch. 4(j3 ißt schlanker als die vorige Art, nicht so bitter, bekommt dem Magen nicht gut, macht Oeffnung und treibt die Würmer aus. Mau verordnet es als Trank mit Oel und Salz oder mit einer aus dreimonatlichem ^) Mehle bereiteten Brühe. Zu einem Sextar Wasser nimmt man eine Handvoll (les Krautes und kocht zur Hälfte ein. 3ü. Die Ballota'^) oder, wie die Griechen diese Pflanze nennen, das schwarze Porrum ist staudig, hat schwarze kantige Stengel, rauhe Blätter, welche grösser und dunkler als beim Porrum sind und stark riechen. Die Blätter werden mit Salz zerrieben auf tolle Hundsbisse, ferner in Asche gekocht nnd in ein Kohlblatt geschlagen auf Aftergeschwüre, mit Honig auf unreine Geschwüre gelegt. 31. Die Botrys^) ist staudig, hat hellgelbe Zw^eige, cichorienähnliche Blätter, zahlreiche Samen, findet sich an den Ufern von Giesbächen und wird gegen Engbrüstigkeit angewandt. Die Cappadocier nennen es Ambrosia, Andere: Artemisia. 32. Die Brabyla besitzt die Kraft zu verdicken wie die Quitte; diess ist alles, was ich von ihr angegeben finde. 33. Das Bryum marinum^) ist unstreitig eine krautartige Pflanze, hat lattichähnliche, aus der Wurzel entspringende Blätter, ein runzliges gleichsam zusammengezogenes Ansehn, keinen Stengel und wächst in der Regel auf Klippen und in der Erde steckenden Scherben. Es wirkt besonders trocknend und verdickend, verhütet alle Arten von Saftan- sammlungen und Entzündungen, heilt das Podagra und alles was Kühlung bedarf. ') d, h. was innerhalb drei Monaten reif geworden ist. *) Ballota nigra L. 3) Chenopodium Botrys L. '') Ulva Lactuca L. •26* 404 Siebenund zwanzigstes Buch. U. Der Same des Bupleurum wird, wie ich finde, gegen Schlangenbisse und das Kraut mit Zusatz von Maulbeer- oder Origanum-Blättern gekocht zu Bähungen von Wunden empfohlen. 35. Was die thessalische Catanance für eine Pflanze ist, halte ich für überflüssig näher auseinander zu setzen, da sie nur zu Liebestränkeu angewendet wird. Ich führe die- selbe nur an, um die Thorbeiten der Magier aufzudecken, denn man nahm sie für den genannten Zweck deshalb in Gebrauch, weil sie sich beim Vertrocknen ähnlich wie die Krallen eines getödteten Geiers zusammenziehen soll. Aus demselben Grunde übergehe ich auch die Pflanze Cemus. 36. Die Calyx hat zwei Arten; die eine ist dem Arum ähnlich, wächst auf gepflügten Feldern, wird vor dem Trocken- werden gesammelt und wie das Arum angewandt. Auch verordnet man die Wurzel zum Abführen und bei Menstrual- Verhalten; Stengel und Blätter heilen mit Hülsenfrüchten gekocht, den Stuhlgang. 37. Die andere Calyx, auch Anchusa^) oder Onoclea genannt, hat federige, die des Lattichs an Länge über- treffende Blätter und eine rothe Wurzel, welche man mit Polenta auf die Rose legt, gegen Leberleiden aber mit weissem Wein einnimmt. 38. Die Circaeä') gleicht dem zahmen Strychnus, hat kleine dunkle Blumen, kleine hirseähnliche Samen in horn- artigen Kapseln, eine halbfusslange, drei- bis vierfache, weisse, wohlriechende und erwärmend schmeckende Wurzel und wächst auf sonnigen Felsen. Bei Schmerzen und andern Fehlern der weiblichen Schaam, sowie zum Abtreiben der Nachgeburt giebt man sie mit Wein, dergestalt, dass man ') Echium ditt'usum Sm.V ^) Cynanchum monspeliacum? Siebenundzwanzigstes Buch. 405 ein Viertelpfund der zerquetschten Wurzel 24 Stunden lang in drei Sextaren maceriren lässt. Wird der Same mit Wein oder Honigwasser eingenommen, so verliert sieh die Milch. 39. Das Cirsium') hat einen dünnen zwei Ellen langen dreikantigen, mit stachlichen Blättern umgebenen Stengel; die Stacheln sind weich, die Blätter einer Ochsenzunge ähnlich, nur kleiner, weisslich, die Blütenköpfe purpur- farben und sich in eine Wollkrone auflösend. Kraut und Wurzel dieser Pflanze sollen aufgebunden die Schmerzen der Krampfadern vertreiben. 40. Das Crataeogonum ■-) sieht wie die Weizenpflanze aus, denn aus einer Wurzel steigen mehrere knotige Halme hervor. Es wächst an schattigen Plätzen und hat einen hirseähnlichen, sehr herbe schmeckenden Samen; wenn Mann und Frau vierzig Tage lang vor dem Beischlaf jedes- mal vor der Mahlzeit drei Obolen dieses Samens in drei Bechern Wasser einnehmen, so sollen Knaben geboren weiden. Es giebt noch eine andere Art, welche Thely- gouum genannt wird und milder schmeckt. Frauen, welche die Blumen des Crataeogonum einnehmen, sollen innerhalb vierzig Tagen empfangen. Beide Arten heilen mit Honig alte schwarze Geschwüre, füllen die Vertiefungen in den Geschwüren aus, bewirken den Wiederansatz von Fleisch, reinigen Eiterbeulen, zertheilen Fettbeuleu, lindern Podagra und alle Saftansammlungen, namentlich in den Brüsten. Theophrast hat mit dem Namen Crataegus oderCrataegou^) einen Baum bezeichnet, der in Italien Aquifolia heisst. 41. Das Crocodilium ^) hat das Ansehn des schwarzen Chamaeleonkrauts , eine lange, gleicbraässig dicke, widrig riechende Wurzel und wächst auf sandigem Boden. Ein ') Carduus tenuit'loius L. -) (Jrucianella inonspeliaca L. ^) Crataegus AzaroUa Grieseb. ") Cnicus benedictus. 40fi Siebenundzwanzigstesi Buch. aus der Wurzel bereiteter Trank treibt das Blut reichlich und von dicker Consistenz aus der Nase und soll auf diese Weise die Milz verzehren. 42. Die Cynosorchis, auch Orchis genannt, wächst in Weingärten, hat denen des Oelbaums ähnliche, weiche, zu dreien V^ Fuss lang auf der Erde hingestreckte Blätter, eine doppelte, knollige, längliche Wurzel, deren oberör knoUen härter ist als der untere, und die wie andere Knollen gekocht verspeist werden. Wenn Männer den grösseren Knollen essen, sollen Knaben, und wenn Frauen den kleinern, Mädchen geboren werden. In Thessalien nehmen die Männer den weichern Knollen mit Ziegenmilch ein, um die Lust zum Beischlaf zu erhöhen, und den härtern, um dieselbe zu zähmen; also ist der eine dem andern in der Wirkung entgegen. 43. Das Chrysolachanum ist der Lactuca ähnlich, wächst in Fichtenwäldern und heilt eingeschnittene Sehnen, wenn man sie sofort verwendet. Es soll noch eine andere Art mit goldgelben Blumen und kohlartigen Blättern geben. Man bereitet und isst sie wie Kohl. Wenn man sie Gelb- süchtigen anbindet, so dass sie die Pflanze sehen können, sollen sie genesen. Das Chrysolachanum verdiente wohl noch eine weitere Besprechung, allein ich finde nichts weiter davon angegeben; unsere neueren Kräuterkenner begingen nämlich den Fehler, bekannte Pflanzen als geraeine nur ganz kurz und bloss mit dem Namen anzuzeigen, so z. B, auch das Coagulum terrae, welches mit Wein oder Wasser genommen den Durchfall hemmen und die Harnstrenge ver- treiben soll. 44. Der Culicusi) auch Strumus oder Strychnus ge- nannt, hat schwarze Beeren. Die Blätter wendet man mit Essig zerquetscht gegen die Stiche der Scorpiouen und •) In verschiedenen Ausgaben auch Cuculus. CuUculüs, Cucubalus genannt. Solanum nigrum L.? Siebenundzwanzigstes Buch. 407 Schlangen an. Ein Becher voll des Beerensaftes mit zwei Bechern Meth heilt die Lendenschmerzen, desgleichen mit Rosenöl aufgegossen Kopfweh; die Pflanze selbst wird auf den Kropf gelegt. 45. Die Conferva findet sich besonders in den in den Alpen entspringenden Flüssen, ist eher ein Süsswasser- schwamm als ein Moos oder Kraut, dicht, filzig und röhrig und hat ihren Namen vom Zusammenlöthen oder Zusammen- leimen 1) bekommen. Ich selbst weiss, dass ein Baumbe- schneider, welcher von einem hohen Baum herabgefallen war und fast alle Knochen gebrochen hatte, dadurch aufs schnellste wieder hergestellt wurde, dass man seinen ganzen Körper mit Conferva belegte, dieselbe, so oft sie anfing zu trocknen, mit Wasser besprengte, und nur selten, wenn nämlich ihre Kraft erloschen war, wieder erneuerte. 46. Das Coccum Gnidium^) hat die Farbe des Coccus, ist etwas grösser als ein Pfeiferkorn und besitzt brennende Kräfte; daher wird es in Brot gesteckt verschluckt, damit es in der Kehle kein Brennen verursache. Es wirkt der Cicuta rasch und kräftig entgegen. 47. Der Dipsacus^), eine stopfende Pflanze, hat lattich- ähnliche auf der Mitte des Rückens mit stachligen Höckerli versehene Blätter, einen zwei Ellen hohen, mit ähnlichen Stacheln reichlich besetzten Stengel, an jedem Knoten zWei entgegengesetzte, denselben umfassende und durch ihre Ver- einigung eine Höhlung bildende Blätter, in welcher sich ein salziger Thau findet, an der Spitze des Stengels stach- lige Köpfe und wächst auf nassen Plätzen. Er heilt diö Risse am After, die Wurzel aufch die Fisteln, wenö man sie so lange in Weiu kocht, bis der Absud so dick wie ') a conferruminando. -) Die Frucht der Daphne (Jnidium L. ^) Dipsacus sylvestris L. 408 Siebenunclzwanzigstes Buch. Wachs geworden ist, um das Präparat in die Fisteln ein- schieben zu können; ferner alle Arten Warzen. Auf letztere streicht man auch den in den oben erwähnten Höhlungen befindlichen Saft. 48. Die Dryopteris^) wächst an Bäumen, gleicht der Filix, die Blätter haben zarte Einschnitte und schmecken süsslich und die Wurzel ist rauh. Sie besitzt kaustische Eigenschaften; man bedient sich daher der zerquetschten Wurzel als haarbeizenden Mittels, indem man sie bis zum Erscheinen von Schweiss auflegt und diess noch zwei oder drei Mal wiederholt ohne den Schweiss abzutrocknen. 49. Eine ähnliche Pflanze ist das Dryophonum; es hat dünne, ellenlange Stengel, welche allenthalben mit zoll- grossen, der Oxymyrsine ähnlichen, aber helleren und weicheren Blättern besetzt sind, und weisse Blumen wie der Sambucus. Die Stengel isst man gekocht, des Samens bedient man sich statt Pfeffer? 50. Die Elatine^) hat kleine, haarige, runde Blätter wie die Helxine, fünf bis sechs von der Wurzel an beblätterte, halbfusslange Zweige, wächst in Saatfeldern, schmeckt herbe und dient daher für Augenflüsse, zu welchem Behufe man die Blätter mit Polenta abreibt und in einem Leinen- tuch auflegt. Wenn man die Pflanze mit Leinsamen kocht und die Brühe davon trinkt, so wird man von der Dysenterie befreit. 5L Der Empetrus^*), bei uns Calcifraga genannt, wächst auf Bergen in der Nähe des Meeres, und beinahe auf nackten Steinen; je näher er dem Meere steht, um so weniger salzig schmeckt er, und führt dann innerlich angewandt Galle und *) Asplenium Adiantum nigrum L. 2) Linaria graeca Bory. ^) Friuikenia pulverulenta L. Siebenundzwauzigstes Buch. 409 Schleim ab; je weiter vom Meere, um so erdiger ist und um so bitterer schmeckt er. Er entzieht auch dem Körper das Wasser, und wird entweder in einer Suppe oder in Honigwasser genommen, verliert aber durchs Alter seine Kräfte. Frisch in Wasser gekocht oder zerrieben wirkt er harntreibend und zermalmt die Blasensteine. Um der letztern Angabe mehr Glaubwürdigkeit zu geben, fügt man noch hinzu, Steine, welche damit zusammen erhitzt würden, zersprängen. 52. Die Epip actis oder Ellebor ine ist eine kleine Pflanze mit kleinen Blättern, und wird innerlich gegen Leberleiden und Gifte verordnet. 53. Das Epimedium hat einen nicht sehr hohen Stengel, zehn bis zwölf epheuähnliche Blätter, niemals Blüthen, eine dünne, schwarze Wurzel, einen unangenehmen Geruch, wächst au feuchten Stellen, wirkt verdickend und kühlend, darf aber von weiblichen Personen nicht gebraucht werden. Die in Wein abgeriebenen Blätter verhindern die Ent- wicklung der Brüste bei Jungfrauen. 54. Das Enneaphyllum hat neun lange Blätter und be- sitzt kaustische Eigenschaften. Man legt es gegen Schmerzen der Lenden und Hüfte, aber, damit es nicht zu sehr brenne, in Wolle eingewickelt auf, denn es zieht fortwährend Blasen. 55. Die beiden Arten der Filix wachsen allenthalben, namentlich in kalten Gegenden und haben weder Blumen noch Samen. Die eine Art i) heisst bei den Griechen Pteris, bei Andern: Blechnos, soll das Männchen sein und treibt mehrere, oft über zwei Ellen lange, nicht unan- genehm riechende Stengel aus einer Wurzel. Die andere Art 2) wird Thely pteris oder Pteris nymphaea genannt, ist einfach, nicht staudig wie jene, kleiner, weicher und ') Aspidium Filix iiias L. =*) Pteris aquilina L. 410 Siebenundzwanzigstes Buch. dichter, und die Blätter haben in der Nähe der Wurzel Rinnen. Beider Wurzeln machen die Schweine fett, beider Blätter sind an den Rändern gefiedert und darauf deuten die griechischen Namen. Die Wurzeln stecken schräg in der Erde, sind lang, schwarz besonders nach dem Trocknen, und müssen an der Sonne getrocknet werden; die rechte Einsammlungszeit ist beim Untergange des Siebengestirns, doch sollen sie wenigstens drei Jahre alt, aber auch nicht älter sein. Sie vertreiben die Eingeweidethiere, die Spuhl- wtirmer mit Honig, die übrigen, wenn man drei Tage lang davon in süssem Weine einnimmt. Beide Arten bekommen übrigens dem Magen durchaus nicht, öffnen den Leib, führen zuerst die Galle, dann das Wasser ab, die Spuhlwürmer noch kräftiger mit gleichem Gewicht Scammonium. Von der Wurzel giebt man zwei Obolen in Wasser, nachdem Patient einen Tag zuvor gefastet hat, doch kann er auch zur Ab- wehr kalter Flüsse vorher Honig zu sich nehmen. Frauen darf die Wurzel beider Arten niemals gegeben werden, denn schwangere abortiren danach und nicht schwangere werden unfruchtbar. Das Pulver der Wurzeln streuet man auf stinkende Geschwüre und auf den Nacken des Zug- viehs. Die Blätter tödten die Wanzen und halten die Schlangen ab, daher ist es zweckmässig, sie an verdächtige Orte zu streuen. Auch der beim Brennen der Blätter sich entwickelnde Rauch vertreibt jene Thiere. Nach Angabe der Aerzte hat auch diese Pflanze nicht überall gleiche Wirksamkeit; die beste wächst in Macedonien, dann folgt die cassiopische. 56. Femur bubulum^) heisst eine Pflanze, welche frisch mit Essig und Salz zerrieben, den Nerven gut bekommt. 57. Die Galeopsis2), Galeobdolon oder Galium^) gleicht ') Ochsenschenkel. -) Scrophularia peregrina L. 3) Jedenfalls wirft Plinius hier mehrere Pflanzen zusammen, denn Cralium (6. verum) hat gelbe Blumen und ist überhaupt von der Galeopsis sehr verschieden. Siebenuiidzwanzigsites Buch. 411 in Stengel und Blättern der Urtica, nur sind beide nicht so rauh, entwickelt beim Reiben einen unangenehmen Ge- ruch, hat purpurrothc Blumen und wächst überall an Zäunen und Wegen. Blätter und Stengel heilen, mit Essig abgerieben, und aufgelegt, Verhärtungen, Krebsgesehwüre, Kröpfe, vertheilen Fettbeulen und Ohrengeschwüre. Auch bedient man sieh eine« Absudes desselben zum Bähen. Zur Heilung fauliger und brandiger Schäden setzt man noch Salz hinzu. 58. Die Ghiux '), in früheren Zeiten Eugalacton genannt, hat Blätter wie der Cytisus und die Lenticula, welche auf der Rückseite heller sind, fünf bis sechs aus der Wurzel entspringende, dünne, auf der Erde kriechende Zweige, pur- purrothe Blumen und wächst am Meere. Zur Beförderung der Milchsecretion kocht man sie mit feinem Weizenmehl zu einer Brühe, lässt davon trinken und dann ein Bad nehmen. 59. Das Glaucium^) wächst in Syrien und Parthieu, ist liiedrig, hat dichte, fast mohnähnliche, aber kleinere, schmutzigere, widrig riechende, bitter und zusammenziehend schmeckende Blätter und safrangelbe Körner. Letztere er- wärmt man in einem irdenen, mit Lehm verstrichenen Topfe im Ofen und jiresst dann einen Saft daraus, der denselben Namen ') führt. Diesen Saft sowohl wie auch die zer- riebenen Blätter legt man auf Augengeschwtire, welche als- bald dadurch geheilt werden. Der Saft dient zu einer Augensalbe ^), welche die Aerzte Diaglaucium nennen. Die Pflanze befördert ferner die Milchsecretion und wird zu diesem Behuf mit Wasser eingegeben. 60. Die Glycysis, welche Einige Paeouia oder Pento - ') Cochlearia Coronopus L. ■■*) Chelidonium Glaucium L. 3) nämlich Glaucium. *) collyrium. 412 Siebenundzwanzigstes Buch. robum nennen, hat einen zwei Ellen hohen Stengel, neben welchem noch zwei oder drei andere hervorschiessen , eine röthliche Farbe, eine dem Lorbeer ähnliche Oberhaut, Blätter wie die Isatis, doch fleischiger, runder und kleiner, in Schoten sitzende, bald rothe bald schwarze Samen. Es giebt zwei Arten. Für die weibliche i) hält man die, an deren Wurzeln sechs bis acht eichelähnliche Knollen hängen; die männliche 2) hat mehr, weil sie nicht auf einer einzigen Wurzel (welche handlang und weiss ist) steht, und schmeckt zusammenziehend. Die Blätter der weiblichen Art riechen nach Myrrhe und stehen dichter. Beide wachsen in Wäldern. Man soll sie des Nachts ausgraben, denn am Tage sei es gefährlich, weil der Schwarz-Specht sonst herbeiflöge und nach den Augen hacke; ferner, wenn man sie ausgrabe, müsse man befürchten, dass der Mastdarm austrete. Ich halte aber diese Angaben für falsch und für Ausgeburten der Eitelkeit und Wichtigthuerei. Die Anwendung dieser Pflanzen ist maunichfaltig. Gegen zu starken Monatsfluss verordnet man etwa 15 rothe Samen in dunkelrothem Wein, gegen andere Fehler der weiblichen Geschlechtstheile ebenso viele schwarze Samen in Kosinenwein oder gewöhnlichem Wein. Die Wurzel vertreibt in Wein genommen alle Schmerzen des Leibes, reinigt den Unterleib, heilt Opistho- tonie, Gelbsucht, Nieren- und Blasenkrankheiten; in Wein gekocht die Luftröhre uud den Magen, hemmt den Durch- fall, wird auch gegen Gemüthskrankheiten gegessen; die Dosis ist vier Drachmen. Die schwarzen Samen verschafi'en auch, in der angegebenen Zahl mit Wein genommen, Lin- derung wider das nächtliche Alpdrücken; bei Verletzungen im Magen empfiehlt man sie innerlich und äusserlich. Frische Eiterwunden werden durch den schwarzen, alte durch den rothen Samen zertheilt. Beide Arten helfen gegen Schlangenbiss und gegen Steinbeschwerden bei Knaben, wenn Harnstrenge eintritt. 'y Paeonia ot'ficinalis L. -) Paeonia corallina Retz. Siebenundzwanzi^stes Buch. 413 61. Das Gnaphalium oder Chamaezelum ') hat weisse, weiche Blätter, welche statt Stopfwerk benutzt werden und dasselbe auch in der That gut vertreten. Man giebt es in herbem Wein gegen Dysenterie, Durchfall und zu reich- lichen Monatsfluss, ferner als Aufguss gegen Stuhlzwang und legt es auf faulige Geschwüre. 62. Gallidraga"^) nennt Xenocrates eine dem Leucan- themum ähnliche, in Sümpfen wachsende, stachlige Pflanze mit hohem ruthenartigem Stengel, auf dessen oberster Spitze eine Art Ei sitzt, worin mit der Zeit kleine Würmer entstehen. Diese letztern soll man, um Zahnschmerzen schnell zu vertreiben, nebst Brot in eine Büchse gesteckt an den Arm derjenigen Seite, wo sich der leidende Zahn befindet, binden. Doch soll das Mittel nur ein Jahr lang helfen, auch nur dann, wenn es die Erde nicht berührt hat. 63. Der Hole US wächst auf trocknen Felsen, hat einen dünnen Halm wie die Spätgerste 3) , auf dessen Spitze die Aehren stehen. Bindet man ihn um den Kopf oder Ober- arm, so zieht er alle Stacheln aus dem Leibe, daher ihn auch Einige Stachelkraut ^) nennen. 64. Die Hyoseris^) ist dem Intubus ähnlich, aber kleiner, fühlt sich rauher an, und wird im zerstampften Zustande mit Nutzen zur Heilung der Wunden angewandt. 65. Das Holosteum**) ist durchaus nicht hart und von den Griechen im Widerspruch mit seiner Beschaffenheit so bezeichnet worden, gerade so als wenn man die Galle süss nennen wollte. Es ist dünn wie ein Haargewebe, grasartig. ') Santolina maritima L. -*) Sparganium? 3) Hordeura restibile. '■) Aristis. *) Hyoseris lucida I. '•' Hnlosteum umbellatum L. 4:14 Siebenundzwanzigstes Buch. vier Finger hoch, hat schmale Blätter, schmeckt adstringireiid, wächst auf Erdhügeln, wird in Weiu gegen Verrenkungen und Zerreissungen eingenommen, schliesst auch Wunden und vereinigt Fleischtheile miteinander. Das Hippophaestum 1) entsteht zwischen Stacheln, welche zu den ehernen Walkergeräthen benutzt werden, hat keinen Stiel, keine Blumen, sondern nur leere Köpfe, zahl- reiche, kleine grüne Blätter, weisse weiche Wurzeln. Man presst die Wurzeln im Sommer aus und benutzt den Saft zu drei Obolen zum Abführen, noch mehr aber gegen Epilepsie, Zittern, Wassersucht, Schwindel, Engbrüstigkeit und in den ersten Stadien von Lähmung. 67. Die Hypoglossa^) hat der wilden Myrte ähnliche, concave, stachlige, mit einem zuugenartigen, gleichsam ein neues kleines Blatt bildenden Fortsatze versehene Blätter. Einen davon gemachten Kranz setzt man gegen Kopf- weh auf. 68. Das Hypecoumä) wächst zwischen der Saat, hat rautenähnliche Blätter und kommt in seinen Eigenschaften mit dem Mohnsafte überein. 69. Die Idaea hat Blätter wie die Oxymyrsine; an ihnen hängen rankenartige Orgaue, an denen sich die Blüthe be- findet. Die Pflanze verdickt und hemmt, wird daher gegen Durchfall, zu reichliche Menstruation und audere Biutflüsse angewandt. 70. Das Isopyrum^) nennen Einige Phaseolus, weil das Blatt, welches dem Anis gleicht, sich rankenartig drehet; ') Centaurea spinosa L. 2) Ruscus Hypoglossum L. ^) Hypecoum procumbens L. *) Fumaria capreolata f/. Siebenundzwanzigstes Buch. 415 oben auf dem Stengel stehen dünne Köpfchen mit vielen, dem Melanthium ähnlichen Samen. Man gebraucht es gegen Husten, Brustbeschwerden mit Honig oder Honigwasser, auch gegen Leberleiden. 71. Die Lathyris') hat zahlreiche lattichähnliche, doch kleinere Blätter, zahlreiche Sprossen, an welchen der Same in häutigen Hüllen enthalten ist wie bei der Capparis; der Same wird aus den vertrockneten Hüllen genommen, hat die Grösse eines Pfefferkorns, weissliche Farbe, süssen Geschmack und lässt sich leicht reinigen. Zwanzig Stück davon in reinem oder Honigwasser genommen heilen die Wassersucht. Auch führt er die Galle ab. Wer stark ab- führen will, nimmt ihn mit der Hülle ein, denn allein schadet er dem Magen, und aus letzterm Grunde hat man auch vorgeschlagen, ihn mit Fischen oder Hühnerbrühe ein- zunehmen. 72. Das Leontopetalum oder Rhapeion^) hat einen halb- fusshohen, geflügelten Stengel, kohlähnliche Blätter, an der Spitze cicerähnliche Samen in Schoten, eine grosse, schwarze, rübenähnliche Wurzel und wächst auf Aeckern. Die Wurzel in Wein genommen ist das am schnellsten wirkende Hülfs- mittel gegen die Bisse aller Arten Schlangen, wird auch gegen Hüftweh verordnet, 73. Der Lycapsus^) hat längere und dickere Blätter als der Lattich, einen langen, rauhen, mit ellenlangen Zweigen versehenen Stengel, kleine, purpurrothe Blumen und wächst auf Feldern. Man legt ihn mit Gerstenmehl gegen die Rose auf; bei Fiebern giebt man den Saft mit Zusatz von warmem Wasser als schweisstreibendes Mittel. 74. Eins der merkwürdigsten Kräuter ist das Lithosper- ') Euphorbia Lath^iis L. ') Roemeria hybrida Dec. ') Echium italicum L. 416 Siebenundzwanzigstes Buch. raum ^), auch Exonychum, Diospyrus oder Heracleum genannt. Es erreicht eine Höhe von fünf Zoll, die Blätter sind noch einmal so gross als die der Raute, die Aeste reisig, von der Dicke der Binse, bei jedem Blatte steht eine Art Bart und auf der Spitze des letztern sitzen kleine steinharte Körper von der Weisse und Runde der Perlen und von der Grösse einer Kichererbse, welche da, wo sie an den Stielchen hängen, etwas ausgehöhlt sind und einen Samen einschliessen. Es wächst auch in Italien, am besten ist aber das cretische. In der ganzen Pflanzenwelt ist mir kein grösseres Wunder vorgekommen als diese Pflanze. Man glaubt zwischen den Blättern weisse von Ktinstlerhand gefertigte Perlen zu sehen und nun erwäge man die Schwierigkeit, dass aus einer Pflanze ein Stein hervorgehe. Einige Autoren geben an, sie liege und krieche auf der Erde hin; ich habe sie aber selbst gesammelt und nicht liegen sehen. Eine Drachme dieser Steincheu giebt man mit Erfolg in Wein zum Zermalmen und Abtreiben der ßlasensteine und gegen Harnstrenge. Kein anderes Kraut zeigt in dem Grade schon durch sein Aeusseres an, zu welchem medicinischen Zwecke es da ist, als dieses; auch lässt es sich ohne nähere Beschreibung leicht erkennen. 75. Auf den gemeinen, an Flüssen liegenden Steinen findet man ein trocknes, graues Moos. Dieses wird unter Zusatz von menschlichem Speichel mit einem andern Steine zer- rieben; mit jenem Steine berührt man Krätzschädeu und der diess thut, spricht dabei die Worte: „Fliehet Käfer, der wilde Wolf verfolgt euch." 76. Limeum nennen die Gallier ein Kraut, womit sie die zur Jagd bestimmten Pfeile vergiften, weshalb sie es auch Hirschgift nennen. Hiervon setzt man soviel als zu einem Pfeile genommen wird, zu drei Modius Trank 2), und giesst ') Lithosperraum tenuiflorum und oföcinale L. '■') salivatum. Siebenundzwanzigstes Buch. 417 diese Mischung krauken Ochsen in den Schlund. Man muss aber die Thiere sodann au die Krippen fest binden, bis sie Oeffuung bekommen haben (denn sie gerathen gewöhnlich dadurch in Wuth), und wenn Schweiss eintritt, sie mit kaltem Wasser übergiessen. 77. Die Leuce ') gleicht der Mercurialis und verdankt ihren Namen dem Umstände, dass mitten durch das Blatt eiu weisser Streifen läuft; aus demselben Grunde heisst sie auch Mesoleuce. Ihr Saft heilt Fisteln, sie selbst im zerquetschten Zustande Krebsschäden. Vielleicht ist sie dieselbe Pflanze, welche Leucas genannt und gegen alle Gifte des Meeres mit Erfolg augewandt wird. Die Schrift- steller beschreiben sie nicht näher, sondern sagen nur, die wilde Art habe wirksamere Blätter, die andere eineu scharfem Samen. 78. Die Leucographis finde ich uirgeuds uäher be- schrieben, was mich um so mehr wundert, weil man sie zu drei Obolen mit Safran gegen Blutspeieu und Vei- stopfung, mit Wasser zerquetscht und aufgelegt gegen weibliche Blutflüsse rühmt, auch zu Augenmitteln und zur Ausfüllung der an den zartern Theilen des Körpers ent- stehenden Geschwüre angewandt wissen will. 79. Das Medium 2) hat Blätter wie die Garteniris, einen drei Fuss hohen Stengel, auf diesem eine grosse, rothe runde Blume, kleine Samen, eine halbfusslange Wurzel und wächst auf schattigen Felsen. Zwei Drachmen der Wurzel giebt man in einer Latwerge mit Honig einige Tage hin- durch gegen zu reichlichen Monatsfluss; zu demselben Zwecke dient der mit Wein abgeriebene Same. 80. Die Myosota oder Myosotis^) ist glatt, treibt aus ') Lamium striatum L.? -) Convolvulus althaeoides. ^) Asperugo procuinbens L. Wittsteiu: PliniuB. IV. Bd. 27 41^5 Siebeminclzwanzigstes Buch. einer Wurzel mehrere, röthliche, concave Stengel, welche von unten an mit schmalen, länglichen, auf dem Rücken scliarfen, dunkeln, stufenweise immer zu zwei stehenden Blättern besetzt sind, aus deren Achseln dünne Stiele mit blauen Blumen hervorgehen; die Wurzel hat die Dicke eines Fingers und zahlreiche Fasern. Sie besitzt beizende urid Geschwüre zeitigende Kräfte, heilt daher auch die Thränenfisteln. Die Aegy])ter geben an, wenn man sich am 2^. Tage ihres Monats Thotis (der ohngefähr in unsern Monat August fällt), und zwar früh Morgens ehe man ein Wort gesprochen habe, mit dem Safte dieser Pflanze ein- reibe, so litte man in demselben Jahre nicht an triefenden Augen. 81. Myagrusi) ist eine gertenartige, drei Fuss hohe Pflanze mit Blättern, welche denen der Rubia ähnlich sind. Der daraus gepresste Saft heilt Mundgeschwüre. Der Same enthält viel fettes Oel und wird auch darauf benutzt. 82. Die Pflanze Nyma^) mit Blättern wie der Jntubus verleihet den Narben ihre natürliche Farbe wieder, 83. Die Natrix hat eine Wurzel, welche im frischen Zu- stande wie ein Bock stinkt. Hiemit treibt man im Pice- nischen die sogenannten Gespenster s) aus den Weibern; ich glaube eher, dass diese Gespenster eine gewisse Klasse wahnsinniger Menschen sind, denen durch eine solche Kur geholfen werden könnte. 84. Die Odontites'*) gehört zu den Heuarten, wächst auf Wiesen, schickt aus der Wurzel mehrere, knotige, drei- kantige, schwarze Stengel; an den Knoten sitzen kleine *) Neslia paniculata Desv. 2) Andere Schreibarten sind: Njgina, Nygma, Nyga, Nuga. 3) Fatui. ") Euphrasia Odontites L.? Siebenundzwanzigstes Buch. 4n* Blätter, welche jedoeli länger als die des Polygonum sind; die Blumen sind purpurroth, klein, die Samen stecken in den Achseln und gleichen der Gerste. Gegen Zahnweh bereitet man aus einer Handvoll Stengel mit herbem Wein einen Absud und hält denselben eine Zeit lang im Munde. 85. Die Othonna wächst in Syrien, gleicht der Eruca, die Blätter sind häufig durchlöchert, die Blüthen safranähnlich und daher nennen Einige dieselbe Anemone. Ihr Saft wird zweckmässig zu Augenmitteln gesetzt, denn er beizt gelinde, erwärmt, zieht zusammen und trocknet; er reinigt die Narben, Flecken u. s. w. Man trocknet ihn auch und formt ihn in Kügelchen. 86. Die Onosmal) hat drei Finger lange, wie bei der Anchusa eingeschnittene, auf der Erde liegende Blätter, weder Stengel, Blume noch Samen. Wenn eine Schwangere davon geniesst oder auch nur darüber geht, soll sie vor der Zeit niederkommen. 87. Der Geuuss des Onopordon'^) soll bei Eseln lautes Furzen bewirken. Es treibt auch den Harn, Monatsfluss, stopft die Diarrhoe, zertheilt Eiterungen und Geschwulste. 88. Die Osyris^) hat dunkle, dünne, zähe Stengel, dunkle leinähuliche Blätter, anfangs schwarze, dann roth werdende Samen. Man bereitet daraus ein Waschmittel für Frauen. Ein Absud der Wurzel wird gegen Gelbsucht verordnet. Die Wurzel selbst, vor der Samenreife gesammelt, zer- schnitten und an der Sonne getrocknet, wirkt gegen Durch- fall; nach der Samenreife gesammelt und in einer Suppe gekocht oder auch für sich mit Wasser zerrieben, heilt sie die Bauchflüsse. ') Onosma echioides L. ^) Onopordon a.canthiuni L. 3) Osyris alba L. 2P 420 Siebenundzwanzigstes Buch, 89. Die Oxys ') hat dreizählige Blätter, wird bei ver- dorbenem Magen und DarmbrucU verordnet. 90. Das Polyanthemum oder Batracbium bringt ver- möge seiner kaustiscben Eigeuscbaften die Karben zum Ausscb wären, giebt ihnen ihre Farbe wieder und zieht die Leberflecken zusammen. 91. Was die Griechen Polygonum nennen, heisst bei uns Sanguinaria; es erhebt sich nicht von der Erde, hat rautenähnliche Blätter und grasartige Samen. Sein Saft stillt, in die Nasenlöcher gezogen, das Blut, und mit Wein getrunken jeden Blutfluss und das Bliitspeien. Diejenigen, welche mehrere Arten des Polygonum unterscheiden, nennen die ebenerwähnte Art 2) das Männchen und wegen der vielen Samen oder des dichten Wuchses Calligonum; Andere wegen der vielen Knoten Polygonatum, noch Andere Teuthalis, Carcinethrum, Giema, Myrtopetalurn. Wieder andere sagen, diess sei das Weibchen, das Männchen sei nämlich grösser, nicht so dunkelfarbig, dicker au den Knoten, und neben allen Blättern ständen Samen. Dem sei wie ihm wolle, so haben sie doch beide die Eigen- schaft zu verdicken und zu kühlen. Die Samen machen Oeffnung, in grösserer Dosis wirken sie harntreibend und halten die kalten Flüsse zurück; waren dagegen letztere nicht da, so nützen die Samen auch nichts. Die Blätter legt man gegen Brennen im Magen, Schmerzen in der Blase und gegen die Rose auf. Der Saft wird in eiternde Ohren getröpfelt, auch gegen Schmerzen in den Augen applicirt. Bei Fieber, besonders dem drei- und viertägigen, giebt mau vor dem Anfalle zwei Becher voll, desgleichen bei Gallen- sucht, Dysenterie und verdorbenem Magen. — Die dritte ') Oxalis Acetosella L. ^) Polygonum aviculare L. Siebeiiundzwanzigstes Buch. 421 Alt beisst Oreum'), wächst auf Beigen, gleicht einem zarten Rohre, hat einen knieartig gebogenen Stengel, fichten- ähnliche Blätter, eine unwirksame Wurzel, ist überhaupt weniger kräftig als die vorigen Arten und findet nur be- sondere Anwendung bei Hüftweh. Die vierte Art heisst die wilde, erreicht fast die Höhe eines Baumes, hat eine holzige Wurzel, einen cederähnlichen vüthlichen Stamm, Zweige wie das Spartum von 2 Handlängen und mit drei bis vier Gelenkknoten versehen. Sie schmeckt wie Quitten und verdickt gleichfalls. Man kocht sie mit Wasser zum dritten Theile ein und macht daraus Umschläge auf Mund- gescliwüre und gescheuerte Theile, oder man streuet zu diesem Behufe das feine Pulver auf. Um krankes Zahn- fleisch zu heilen, bedient man sich derselben zum Kauen. Sie hindert die weitere Ausbreitung krebsartiger und aller übrigen schleichenden Gebrechen, befördert auch die Ver- narbungen, heilt aber ganz besonders durch Schnee und Kälte entstandene Geschwüre. Die Kräuterkenner bereiten daraus ein Mittel gegen Bräune, setzen bei Kopfweh einen daraus verfertigten Kranz auf und umwickeln bei Augen- flüssen den Hals damit. Gegen dreitägiges Fieber, sowie gegen Blutflüsse soll man diese Art Polygonum mit der linken Hand aus der Erde ziehen und sich anbinden. Endlich giebt es keine Pflanze, die man im getrockneten Zustande häufiger aufbewahrt als das Polygonum. 92. Das Pancratium"-) oder, wie Einige es nennen, die kleine Scilla, hat weisse, lilienähnliche, aber längere und dickere Blätter und eine grosse röthliche zwiebelige Wurzel. Sein Saft macht Oeffnung, reinigt mit Zusatz von Erbsen- mehl die Geschwüre, und heilt mit Honig genommen Wasser- süchtige und Milzkranke. Man kocht auch die Wurzel so lange in Wasser, als dieses süss schmeckt, giesst es sodann ab, zerstampft die Wurzel , formt Kügelchen daraus, trocknet *) Diess ist Equisetum pallidum Bory. 2) Pancratium maritimum L. 422 Siebenundzwanzigstes Buch. dieselben an der Sonne und verordnet sie bei Kopfge- schwüren und in sonstigen Fällen, wo Reinigung indicirt ist, ferner so viel als man mit drei Fingern fassen kann in Wein gegen Husten, in einer Latwerge gegen Seiten- schmerzen und Lungensucht, in Wein auch gegen Hüftweh, Bauchgrimmen und zur Beförderung der Menstruation. 93. Die Peplis,!) aucli Syce, Meconium oder Meco- nium aphrodes genannt, schiesst aus einer dünnen Wurzel hervor, hat rautenähnliche aber etwas breitere Blätter, unter denen sich runde Samen, kleiner als der des weissen Mohns befinden, wächst zwischen Weinstöcken, wird etwa zur Zeit der Ernte gesammelt und sammt der Frucht ge- trocknet, wobei man, um die herausfallenden Samen nicht zu verlieren, ein Tuch oder Gefäss darunter anbringt. Diese Pflanze macht Oeffnung, führt Galle und Schleim ab; gewöhnlich wird zu diesem Zwecke ein Acetabulum voll in drei Heminis Honigwasser genommen. Auch setzt man sie dem Gemüse und andern Speisen zu, um offnen Leib zu bekommen. 94. Der Periclymenus2) ist eine Art Strauch, die Blätter stehen in Zwischenräumen je zu zweien, sind weisslich und weich, oben zwischen denselben finden sich harte, schwer abzunehmende Samen; die Pflanze wächst auf Aeckern und an Zäunen und wickelt sich um alle in der Nähe befind- liche Stützpunkte. Der im Schatten getrocknete Same wird zerstampft, in Kügelchen geformt und in drei Bechern Wein dreissig Tage lang für die Milz gegeben, welche durch diese Behandlung mit blutigem Harne oder auch durch den After abgeht, was man schon am zehnten Tage der Kur bemerken kann. Die gekochten Blätter wirken harntreibend und gegen Engbrüstigkeit, befördern die Ent- bindung und führen die Nachgeburt ab. ') Euphorbia retusa und E. Peplis L. -) Lonicera etrusca und ähnliche windende Arten (L. Caprifolium, L. Fericlymenum). Siebenundzwanzigstes Buch, 423 95. Das Pelecinum^) wächst, wie ich schon angegeben habe, in Saatfeldern, hat viele Zweige, Blätter wie der Cicer und in hornförmig gekrümmten Schoten drei bis vier dem Gith ähnliche Samen, welche bitter schmecken, für den Magen gut sind und den Gegengiften zugesetzt werden. 96. Die Polygala'^) wird handhoch, hat oben am Stengel biusenähnliche Blätter, schmeckt zusammenziehend und wird zur Beförderung der Milchsecretion eingenommen. 97. Das Poterium,3) Phrynium oder Neuras breitet sich strauchig aus, hat rückwärts gebogene Stacheln, dichte Wolle, kleine runde Blätter, lange, weiche, dünne zähe Zweige, lange grünliche Blütheu, wohlriechende, scharf schmeckende, aber unbrauchbare Samen, zwei bis drei zwei Ellen lange, kräftige, feste, weisse Wurzeln, und wächst auf feu chten Hügeln. Man umgräbt die Wurzel im Herbste, schneidet den Stengel ab, und erhält nun aus jener einen gummiähnlichen Saft. Die Angaben über die Heilkraft dieser Wurzel bei Wunden und namentlich bei durchschnittenen Sehnen gehen ins Wunderbare. Auch ein Absud mit Honig genommen zeigt sich wirksam bei Abspannung, Schwäche und Einschnitten der Sehnen. 98. Die Phalangites,^) Phalangium, Leucanthemum oder (wie ich in einigen Abschriften finde) Leucacantha, hat mindestens zwei einander entgegenstehende Zweige, weisse, der rothen Lilie ähnliche Blumen , schwarze, breite, wie eine halbe Linse geformte, aber weit dünnere Samen, und eine dünne grüne Wurzel. Blätter, Blumen und Samen sind Mittel gegen Scorpione, Spinnen, Schlangen, auch gegen Bauchgrimmen. 1) = Securidaca: Coronilla securidaca L. ■^) Polygala venulosa Sibth. 3) Astragalus Poterium Fall. Lloydia graeca Salisb. 424 Siebenundzwanzigstes Buch. 99. Eine nähere Beschreibung des Phyteuma^) halte ich für überflüssig, da es nur zu Liebestränken angewandt wird. 100. Phyllum^) nennen die Griechen ein auf steinigen Bergen wachsendes Kraut, dessen weibliche Art eine grünere Farbe, dünnen Stengel, kleine Wurzel und runden mohn- ähnlichen Samen hat. Der Gebrauch desselben verhilft zur Geburt von Mädchen, der der männlichen Art, welche sich nur durch den einer ansetzenden Olive ähnlichen Samen unterscheidet, zu Knaben. Beide nimmt man in Wein. 101. Das Phellandrium^) wächst in Sümpfen und hat Blätter wie das Apium. Sein Same wird innerlich gegen Stein- und andere Blasenbeschwerden verordnet. 102. Die Phalaris^) hat einen langen, dünnen, rohrartigen Stengel, an dessen Spitze eine herabgebogene Blume und einen dem Sesam ähnlichen Samen, welcher gleichfalls den Blasenstein zermalmt und sonstige Blasenübel hebt, wenn man ihn mit Honig, Milch und Wein oder Essig einnimmt. 103. Das Polyrrhizum hat myrtenartige Blätter und zahl- reiche Wurzeln, welche zerstossen mit Wein gegen Schlangen eingegeben werden, auch den vierfüssigen Thieren heil- sam sind. 104. Die Proserpinaca ist eine gemeine Pflanze, leistet aber gegen Scorpione ausserordentliche Dienste. Ferner soll sie im zerriebenen Zustande, mit Salzwasser und Oel von den Maenen ^) versetzt, die Bräune sicher heilen, und unter die Zunge gelegt, die vor Mattigkeit ganz Erschlafften ') Reseda Phyteuma L. -) Mercurialis perennis L.? ^) Phellandrium aquatiuni L. ") Phalaris nodosa L. ^) Eine Art kleine Seefische. Siebenundzwanzigstes Buch. 425 wieder aufrichten imd ihnen die Sprache wieder verleihen. Verschluckt man etwas davon, so erfolgt wohlthätiges Er- brechen. 105. Die Rhacoma oder Rheucyma') wird aus den jen- seits des Pontus liegenden Ländern zu uns gebracht. Ihre Wurzel sieht dem schwarzen Costus ähnlich, ist jedoch kleiner, mehr röthlich, geruchlos, schmeckt erwärmend und adstringirend, und hat im zerriebenen Zustande eine wein- ähnliche, ins Safrangelbe neigende Farbe. Aufgelegt heilt sie Saftansammlungen, Entzündungen, Wunden, mit Rosinen- wein Augenflüsse, mit Honig Leberflecken und mit Essig andere Flecken. Das Pulver der Wurzel streuet man auf unheilbare Geschwüre, verordnet es innerlich zu einer Drachme mit Wasser gegen Blutspeien, mit Wein gegen Dysenterie und Darmgicht wenn kein Fieber zugegen ist, sonst ebenfalls mit Wasser. Sie lässt sich leichter zer- reiben, wenn sie zuvor eine Nacht hindurch eingeweicht ist. Einen Absud davon giebt man in doppelt so starker Dosis bei Brüchen, Verrenkungen, Contusionen und Denen, welche von einer Höhe herabgestürzt sind. Gegen Brust- schmerzen setzt man ihr etwas Pfeffer und Myrrhe hinzu; gegen verdorbenen Magen, anhaltenden Husten, Auswurf von Eiter, Leber-, Milz-, Hüft- und Nierenleiden, schweres Athmen und Engbrüstigkeit giebt man sie mit Wasser, Zu drei Obolen mit Rosinen wein, oder auch als Absud ge- nommen heilt sie die Rauhigkeit der Luftröhre. Auf Flechten legt mau sie mit Essig. Endlich giebt man sie noch inner- lieh gegen Blähungen, Erkältungen, kalte Fieber, Schlucken, Bauchgrimmen, rauhen Hals, Kopfweh, schwermüthigen Schwindel, aus Mattigkeit hervorgegangene Schmerzen und Convulsionen. 106. Bei Ariminum findet sich die sogenannte Reseda,-) ') Rheum rhaponticum L. ^) Reseda odorata L.'? 4:26 Siebenundzwanzigstes Buch. welche alle Geschwulste und Entzündungen vertheilt; wer diese Kur unternimmt, spricht dabei die Worte: „Reseda stille die Krankheiten; weisst du nicht, weisst du nicht, wer diese Sprösslinge getrieben hat? sie sollen weder Kopf noch Füsse haben." Diese Formel wird dreimal wiederholt und dabei ebenso oft ausgespuckt. 107. Die Stoechas^) wächst bloss auf den gleichnamigen Inseln, ähnelt dem Hyssop, riecht angenehm, schmeckt bitter, befördert den Mouatsfluss, lindert die Schmerzen auf der Brust und wird auch den Gegengiften zugesetzt. 108. Das Solanum heisst, wie Cornelius Celsus angiebt, bei den Griechen Strychnos. 2) Es besitzt niederschlagende und kühlende Eigenschaften. 109. Das Smyrnium^) hat einen dem Apium ähnlichen Stengel, aber breitere, fette, namentlich an den Achseln der vielen Zweige stehende, zur Erde geneigte, ins Gelb- liche spielende, stark und angenehm arzneiartig riechende Blätter, runde Blüthenköpfe wie das Anethum, runde, schwarze, zu Anfang des Sommers reifende Samen, eine aussen schwarze, innen blasse, wohlriechende, scharf schmeckende, weiche, saftige Wurzel und findet sich auf felsigen und Erd-Hügeln. Der Geruch dieser Pflanze er- innert an Myrrhe und ist der Grund ihres Namens. Sie wird als erwärmendes Mittel angewandt. Blätter und Wurzel befördern das Harnen und die Menstruation; der Same hemmt den Durchfall. Die Wurzel legt man zum Zertheilen von Geschwulsten, nicht zu alten Schwären und Verhär- tungen auf. Mit Zusatz von Cachrys, Polium und Melisso- phyllum nimmt man sie in Wein gegen Spinnen- und Schlangenbisse, doch nur in kleinen Dosen, weil sonst Brechen erfolgt; aus letzterm Grunde setzt man auch bis- •) Lavandula Stoechas L. 2) S. XXI. ß. 105. Cap. =*) Smyrniura perfoliatum L, Siebenundzwanzigstes Biicli. 427 weilen Raute hinzu. Der Same sowie die Wurzel heilt Husten, schweren Athem, Fehler der Brust, Milz, Nieren und Blase; die Wurzel noch besonders Brüche und Ver- renkungen, befördert auch die Entbindung, treibt die Nacli- geburt ab, befreiet mit Crethmum und Wein vom Hüftweh, erregt Schweiss und Aufstossen, vertreibt die Blähungen des Magens, und vernarbt die Wunden. Aus der Wurzel presst man auch einen Saft, welcher den Frauen bei Brust- und Herzbeschwerden dienlich ist, denn er erwärmt, zeitigt und reinigt. Wassersüchtigen giebt man den Samen im Getränk; mit einem daraus bereiteten Safte macht man ihnen Umschläge und aus der trocknen Rinde ein Pflaster. Audi dient er mit Meth, Oel und Fischlake als Zuspeise, namentlich bei gesottenem Fleisch. — Das Sinura,') eine im Geschmacke dem Pfeffer sehr ähnliche Pflanze, befördert die Verdauung und vertreibt die Schmerzen im Magen. 110. Das Telephiuni ■-) gleicht in Stengel und Blättern dem Portulak; es treibt aus der Wurzel sieben bis acht Stengel, hat dicke, fleischige Blätter, wächst auf cultivirtem Boden und namentlich zwischen den Weinstöcken. Man legt es auf Sommersprossen und lässt es so lange darauf, bis es trocken geworden ist; ferner auf Leberflecken und zwar fast drei Monate hindurch jeden Tag oder jede Nacht sechs Stunden lang, und nach Verlauf dieser Zeit setzt man noch Gerstenraehl hinzu. Auch heilt es Wunden und Fistel- schäden. 111. Das Trichomanes 3) gleicht dem Adiantum, ist aber kleiner und dunkler, hat dichtstehende der Linse ähnliche, entgegengesetzte und bitter schmeckende Blätter. Einen Absud davon giebt man mit Zusatz von gemeinem Kümmel in weissem Wein gegen Harnstrenge. Auf den Kopf gelegt ') Sison Ammi L. ■-) Telephium impevati? oder Sedum Telephiuni. Asplenium Tiichomanes L. 428 Siebenundzwanzigstes Buch. hindert es das Ausfallen der Haare oder ruft auf den kahlen Stellen die Haare wieder hervor; zu diesem Zwecke versetzt man es auch mit Oel. Kauet man es, so muss man niesen. 112. Das Thalictrum 1) bat corianderähnliche, nur etwas fleischigere Blätter, einen dem Mohne ähnlichen Stengel, wächst tiberall, besonders auf Feldern und seine Blätter heilen mit Zusatz von Honig Geschwüre. 113. Vom Thiaspi-) giebt es zwei Arten, die Blätter sind, schmal, von der Länge und Breite eines Fingers, zur Erde ^»•ekehrt, an der Spitze getheilt, der Stengel einen halben Fuss lang, mit einigen Zweigen^) versehen, welche wie kleine Schilder aussehen und linsenähnliche, nur etwas ein- geknickte Samen einschliesseu (welch' letzterer Form die Pflanze ihren Namen verdankt),^) weisse Blumen, wächst an Wegen und Zäunen. Die Samen schmecken rauh und führen, zu einem Acetabulum voll genommen, Galle und Schleim nach oben und unten ab. Ein Aufguss davon so lange getrunken bis Blut abgeht, heilt das Hüftweh. Er befördert auch den Monatsfluss, tödtet aber die Leibes- frucht. Die andere Art, von Einigen persischer Senf genannt, hat breite Blätter, eine grosse Wurzel und wird ebenso gegen Hüftweh angewandt. Beide Arten dienen auch für die Schaamtheile. Wer sie einsammelt, solle sagen, er wende sie für die Schaamtheile, alle Arten Ge- schwulste und Wunden an, und sie nur mit einer Hand ausziehen. 114. Was die Trachinia für eine Pflanze ist, finde ich nicht näher angegeben. Auch halte ich Democrit's An- gabe für in-ig; er stellt nämlich die seltsame Behauptung ') Thalictrum flavuiii L. -) Thiaspi Bura pastoris L. 3) Diess sind die Schoten. "*) i9^Aaw; frango. Siebenundzwanzigstes ßucih. 429 auf, wenn man diess Kraut sich anbinde, so verginge binnen drei Tagen die Milz. 115. Die Tragonis oder das Tragiuni') findet sieh nur an der Küste von Greta und ähnelt in Blatt, Zweigen und Samen dem Juniperus. Ihr eingedickter Milchsaft oder der Same zieht aufgelegt die im Leibe steckenden Stacheln heraus; den Samen stösst man zu diesem Beliufe im frischen Zustande mit Wein oder im trocknen mit Honig au. Diese Pflanze befördert auch die Secretiou der Milch uud heilt kranke Brüste aufs beste. 11(3. Ein anderes Gewächs ist der Tragus oder Scorpio;"^) er wird einen halben Fuss hoch, verbreitet sich strauch- artig, hat keine Blätter, kleine röthliche Zweige, weizen- ähnliche zugespitzte Samen und wächst am Meere. Zehn bis zwölf Zweigspitzen verordnet man mit Wein gegen Darmgicht, Dysenterie, Blutspeien und zu reichlichen Mouatsfluss. 117. Der Tragopogon, auch Coma^) genannt, hat einen kleinen Stengel, safranähnliche Blätter, eine lange, süss schmeckende Wurzel, oben auf dem Stengel einen grossen, schwarzen Kelch, wächst auf wüsten Plätzen und wird nicht benutzt. 118. So hätte ich denn bis hieher Alles mitgetheilt, was ich über die Kräuter in Erfahrung bringen konnte. Zum Schlüsse möchte es nicht überflüssig sein zu erinnern, dass einige ihre Kräfte längere Zeit behalten als andere. Am längsten wirksam bleibt das Elaterium, vierzig Jahre lang das schwarze Chamaeleon, nicht über zwölf Jahre lang das Centaurium sechs das Peucedanum, ein Jahr lang die Aristolochia und wilde Vitis beim Aufbewahren ') Origanum Maru? ■-) Ephedra distachyu L. *) Tia^fopopron porrifoliun L. 430 Siebenuiiilzw.aizigstes Buch. im Schatten. Auch rülirt die von mir genannten Wurzeln kein anderes Thier an als die Spondyle, eine Art Schlange, welche allen nachstellt. 119. Ferner ist es keinem Zweifel unterworfen, dass die Kräfte und Wirkungen der Wurzeln in dem Grade, als die Früchte in der Reife fortschreiten, abnehmen; desgleichen die der Samen, wenn die Wurzel zur Gewinnung des Saftes vorher angeritzt wird. Die Wirkungen aller Pflanzen werden aber durch ihren öftern Gebrauch vermindert, und was mau täglich anwendet, hilft weder im nöthigen Falle, noch schadet es. Alle Pflanzen sind kräftiger, wenn sie an kalten und gegen Norden gelegenen, als wenn sie an trocknen Plätzen stehen. 120. i*sicht geringer ist der Unterschied in Bezug auf die verschiedenen Völker; ich habe z. B. gehört, dass die Darm- und Spuhlwürmer bei den Aegyi)tern, Arabern, Syriern und Ciliciern endemisch sind, bei den Griechen und Phrygiern dagegen in der Regel nicht vorkommen. Diess ist ebenso merkwürdig als der Umstand, dass, während sie an der Grenze von Attica und Boeotien bei den The- banern sich finden, die Athenienser frei davon bleiben. Diese Betrachtung führt mich wiederum zu den Thieren und den in ihnen enthaltenen, ja selbst noch zuverlässigem Arzneimitteln für alle Krankheiten; denn die Vorsehung hat kein Thier nur darum erschaffen, dass es sich und andere ernähre, sondern sie hat auch seinen Eiugeweiden und selbst unansehnlichen Theilen heilsame Kräfte v&v- liehen, ja, was über alle Maassen Bewunderung verdient, sie hat die Einrichtung getroffen, dass die besten Hülfs- mittel für die lebenden Wesen von andern lebenden Wesen entnommen werden können. ;w ^ 1 vV^ '^ ^J^: ^