Bl see) Rad eins Rn SE Per Krtgre) DRS ΠῚ Ener De N Kun ni ἀτὸ δὰ σεν τὰ RN beige Tibet ΠῚ ER Per Miitinize ἵν ann Br che RT EIEN e λύγύνο LEE Eee Lit year 3 Eee ine, A ἐδν δ au TEN Win mt En ἘΣΤΟΝ ἦν ur ERReRS OT tn a Ahnen inne τ υδέζζαζιμος τὸς να VEIT rer a BR Ve ei re nr = : τὸς : Betrages > Hr ' mi“ A: “ Digitized by the Internet Archive in 2008 with funding from Microsoft Corporation http://www.archive.org/details/diephilosophiede00schmuoft Die Philosophie mittleren Stoa in ihrem geschichtlichen Zusammenhange dargestellt A. Schmekel. 207937 \-&: So BERLIN, WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG. 1892. “r ΘΗ πο TRIER TEE THRERTNULEN AT. y = ᾿ k ᾿ Ι 07 OPIUHNE IN; 19 in Heck: ᾿ Er ὰ πῃ ᾿ „ san ta κα μη Tea D i Z 4 ᾿ ᾿ ER Im 4) y ΝΥ ri Fr - ἱ N » "" j δὰ ΚΣ a 5 - ᾿ u "» f ᾿ ΔΆ un ἔς ᾿ Υ νὰ " ne RM δὶ . ὃ ᾿ R 4 ᾿ Π ι . N ZI 2 AN Ü Br Ἢ u ng, Den Herren Prof. Dr. DIELS | ΕΟ Dr. SUSEMIHL Prof. Dr. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF Verehrung und Dankbarkeit zugeeignet. Vorwort. Wenn der Wanderer aufs Gebirge steigt, rastet er oft, um Aussehau zu halten in die umgebende Landschaft, und so oft er es thut, jedesmal bringt ihm der höhere Standpunkt eine grös- sere Fernsicht und einen veränderten Anblick, der das Gesehene zwar wiederum zeigt, aber in neuer Art und anderer Umgebung und Gruppierung. Unwiderstehlich zieht es ihn daher zum Gipfel empor, um von dort sein Auge umherschweifen zu lassen, und hat er ihn erreicht, so fühlt er sich belohnt: Was er bis dahin immer nur einzeln geschaut, hier vereinigt es sich ihm zu einem grossen Bilde, das ihm zusammenhängende Aussichten bietet, wie er sie vorher nicht erwartet hatte. Einer solchen Wanderung gleich war dem Verfasser auch die nachfolgende Arbeit. Aus- gehend von einer einzelnen Frage über die Politik des Panätius führte ihn die Untersuchung oft fast wider seinen Willen von einem Punkte zum andern, und als er endlich sich veranlasst sah, die Lehre dieses Philosophen und ihren Einfluss im Zu- sammenhange darzustellen, musste er bald inne werden, dass auch dieses für sich allein nicht anginge. Nicht ohne Zögern ging er an die neue Aufgabe, doch als er es gethan hatte, zeigte sich ihm, und je mehr er sich dem Abschlusse näherte, desto klarer, der ehedem von ihm kaum geahnte Zusammenhang, der in dem philosophischen Leben dieser Epoche stattgehabt hat. In dem Gange nun, den diese Untersuchung genommen, liegt zum grössten Teil auch die Form der Darstellung begründet; andererseits freilich wirkte auf die Wahl derselben auch der Widerwille gegen eine unklare Verschmelzung der verschiedenen Teile in einander: Klarheit verlangte er von sich, Klarheit auch dem Leser zu geben war sein stetes Bestreben. Ἐν τὸ: Was den Titel betrifft, so könnte er umfassender zu sein scheinen als die Arbeit selber; doch einmal sind Panätius und Posidonius entschieden die bedeutendsten und auch die eigentlichen Ver- treter der mittleren Stoa, da bei ihren Vorgängern der Durch- bruch, der die mittlere Stoa von der älteren scheidet, m den Hauptpunkten noch nicht erfolgt ist, und zweitens werden auch die Hauptlehren der anderen an verschiedenen Stellen berück- sichtigt. Nicht ungerechtfertigt dürfte somit die getroffene Wahl sein. Jede ernste Forschung ist als Dienst an der Wahrheit ein heiliger Dienst. Wer sich ihm widmet, den lohnen ja nach Plato so göttliche und goldene Schätze, dass er gern alles thut, was von ihm verlangt wird. Auch der Verfasser ist stets be- müht gewesen, nicht mit leichtsinnigem Ungestüm nach ihr zu streben; aber menschliches Wissen ist doch immer nur Stück- werk und neben und in diesem lauert der Irrtum. Doppelt schwer war es nun hier an diesen drohenden Klippen vorbei- zukommen, da schon die Quellen selbst oft nur wenig zureichend und unklar sind. Er ist sich daher wohl bewusst nicht alles er- reicht zu haben, was und wie er es erstrebte; gleichwohl hofft oder wünscht er wenigstens, dass sein Streben nicht erfolglos gewesen sein möge, durch die nebelhaft verschwommene Über- lieferung hindurch einen Lichtstrahl der Wahrheit zu erblicken. Den Männern nun, deren Namen das Buch an der Spitze tragen darf, möge es den Dank bringen, den der Verfasser für sie im Herzen trägt. Möge es ihrer nicht ganz unwert sein! Ebenso fühlt er sich auch der Verlagsbuchhandlung zu grossem Danke verbunden, den zu unterlassen Pflichtvergessenheit wäre. Inhaltsverzeichnis. Einleitung: Äussere Geschichte $ 1. Panätius 8 2. Posidonius . $ 5. Hekaton, Vihssäschuse Diva sius en Teil. Quellen A. Panätius. Kap. 1. Cicero de offieiis 8 1. Die Komposition s $ 2. Quellen-Analyse von Buch 1 rd Π $ Kap. 2. Cicero de legibus Iund de republica III $ 1. Komposition von de leg. I. $ 2. De leg. I = de rep. III $ 3. Quelle A { Kap. 3. Cicero de ΠΡΟΤῚ ΠΝ I $ 1. Die Staatslehre des Polybius . 8. 2. Cie.de rep. I—1I. Komposition u. Quelle B. Posidonius. Kap. 4. Περὶ ϑεῶν. Kap. 5. Varro: ἜΣ rerum aivi inarum I 81. Quellen . \ 8 2. Fragmenta libri I . 2 8 3. Quelle von Cie. Tuse. disp. I aaa vn Ant. rer. div. I. Me ως C. Carneades-Clitomachus. Kap. 6. Cicero de fato $ 1. Der Anfang ΠΣ 8 2. Quelle ΜῈ . Teil. System der Philosophie A. Panätius. Einleitung Kap. 1," Physik" οἷ... $ 1. Die letzten Gründe $ 2. Freiheit und Notw ae Kap. 2. Anthropologie $ 1. ‘Wesen der Seele 8 2. Teile der Seele . Kap. 3. Logik. Seite l— 17 1l— 9 9— 14 14— 17 IS— 184 18— 46 19— 29 29— 46 41--- Οὗ 47— 54 39— 61 61— 63 64— 85 64— 66 67— 85 85—104 104— 154 104—117 117—132 132—154 155— 184 155— 165 165— 184 1855 — 303 185—186 186—195 186— 190 190—195 195— 205 195—197 198—205 205—210 Schluss Kap. Kap. 1: 2. — VI — Kap. 4. Ethik. $1. Das Ziel 3 $ 2. Die Tugend; Wesen, ΓΕ πες Inhalt $ 3. Glückseligkeit Kap. 5. Staatslehre . Kap. 6. Die exakten Wissenschaflon : Posidonius. Einleitung Kap. 1. Physik ὃς ὦ $ 1. Die letzten Grunde! $ 2. Die Welt 8 3. Das Fatum. T gap. 2. Anthropologie $ 1. Wesen der Seele $ 2. Vermögen der Seele . Kap. 3. Logik Kap. 4. Ethik. 81. Das Ziel $ 2. Die Tugend 8. 38. Das höchste Gut 8 4, Der Weise. Kap. 5. Die exakten Waren scher : Hekaton, Mnesarchus, Dionysius. Hekaton. Mnesarchus Kap. 3. Dionysius . - III. Teil. Stellung der mittleren Stoa. A. Zur Vergangenheit . Kap. S S Kap. Kap. Kap. Kap. Kap. Kap. Kap. Namenverzeichnis Berichtigungen 9, ὃ. Physik Die Ewigkeit der Welt . Das Verhängnis . Anthropologie Erkenntnistheorie Ethik und Politik . Geschichte der Philosophie Zur Folgezeit . 1. Die Se Die Mystik . - Die römische Aufkl£rung 3 Seite 210—224 210—212 212—221 221— 224 225—229 229— 2383 238 239 —248 239 —241 241—243 244—248 248—263 248—256 257—263 265—269 269—281 269— 270 270—274 274—277 278—281 281—290 290—296 296—297 295—303 304— 384 304— 323 304— 318 318—323 324—337 337—856 396— 379 579— 384 384—465 384—399 400—439 439—465 465—479 480—483 484 ΝΣ δεν... .......... x er x ν Einleitung. Äussere Geschichte. $ 1. Panätius.') Während die Staaten Griechenlands in endlosen Kriegen für die Interessen der Römer und Macedonier einander aufrieben, genoss die mit den Römern verbündete Republik Rhodus eine andauernde Ruhe. Gleichzeitig hatte sich der Welthandel, welcher sich seit der Gründung Alexandrias von Athen abgewandt hatte, dort einen Mittelpunkt geschaffen und einen grossen Wohlstand erzeugt. Unter der Gunst dieser Verhältnisse stand die Stadt im 3. und 2. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung auf einer zuvor nie gekannten Höhe der Blüte. In dieser Zeit ward daselbst Panätius geboren. Seine Vorfahren gehörten zu den ersten und angesehensten Familien, hatten von jeher den thätigsten Anteil an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten genommen und ‚die höchsten Ehrenstellen des Staates bekleidet“). Auch bei z) Über das Leben des Panätius handeln van Lynden, de Panaetio Rhodio Leyden 1802 p. 1sqq. Zeller, Philos. ἃ. Gr. Π18. S. 557° ff. Suse- mihl, Geschichte der griech Lit. in d. Alexandriner Zeit II e. 28 S. 63 ff. Der Verfasser gestattete mir gütigst die Aushängebogen dieses Bandes be- reits einsehen zu dürfen. Suidas 5. v. Παναίτιος unterscheidet irrtümlich zwei rhodische Philosophen dieses Namens, einen älteren und einen jüngeren. Dass dieses falsch ist, bedarf eigentlich keines Beweises; v. Lynden wider- legt es mit den beiden Gründen: 1. Sämtliche übrigen Schriftsteller schwei- gen von einer solchen Unterscheidung und legen die philosophischen Schrif- ten demselben einen Panätius bei, den Suidas den jüngeren nennt. 2. Sui- das selber widerspricht sich, da er ss. vv. ᾿Απολλόδωρος, Πολέμων, Πολύβιος und Ποσειδώνιος nur einen Philosophen Panätius kennt. 2) Strabo XIV, p. 655; Philodem index Herculan. 60]. 55 ed Comparetti in Rivista di Filologia III 1875. Schmekel, mittlere Stoa. 1 a ΟΝ, ἘΕῚ seinem Vater Nikagoras scheint das Gleiche der Fall gewesen zu ° sein!); für ihn jedoch hatte das Geschick eine andere, ungleich wichtigere Laufbahn bestimmt. Sein Geburtsjahr ist nicht bekannt; da er jedoch noch den Diogenes von Babylon hörte?), der etwa um 150 starb, und andererseits mit dem jüngeren Scipio (geb. 184) eng befreundet % j “ ) £ : ” 4 war, so muss die Zeit seiner Geburt etwa in die Jahre 185—180 - fallen. Auch das Jahr seines Todes ist nicht überliefert, doch lässt sich dasselbe viel genauer bestimmen: Der berühmte Redner Lieinius Crassus wurde im Jahre 140 v. Chr. geboren; er kann demnach nicht vor dem Jahre 110 Quästor gewesen sein. Da ferner im Jahre 107 Tribun war und das Tribunat gewöhn- lich nach der Quästur verwaltet wurde, so bleiben nur die Jahre 110—109 für seine Verwaltung des letzteren Amtes übrig?). Nach derselben kehrte er aus Asien über Athen nach Rom zurück*) und fand bei seinem Aufenthalte in Athen die Nach- folger des Panätius, Mnesarchus und Dardanus, als Vorsteher der ') Dass sein Vater Nikagoras hiess, sagt Suidas s. v. und der ind. Hercul. eol. 51. Während des Krieges zwischen Perseus und den Römern entstanden allerorts in Griechenland zwei Parteien, von denen die eine für die Römer, die andere für Perseus Stellung nahm. Auch in Rhodus brach ein solcher Streit aus, ohne jedoch die Stadt zu einer Änderung ihrer bisherigen Politik zu vermögen. Diese Vorgänge waren in Rom nicht unbekannt geblieben, ja die Berichte darüber wohl noch aufgebauscht worden. Um die bisherige Freundschaft zu erneuern, sandten die Rhodier eine Gesandtschaft von drei Männern an den Senat nach Rom. Dieses waren Agesilochos, Nikagoras und Nikandros [Polyb. XXVIII, ο. 2 u. 16 (14)]. Panätius war nun von den drei Söhnen seines Vaters der älteste (vgl. die folg. Seite Anm. 4) und um diese Zeit etwa 12—16 Jahre, sein Vater also wohl sicher ungefähr 40 Jahre alt. Bedenken wir, dass die Rhodier die Gesandten doch jedenfalls aus den angesehensten Familien gewählt und die Vorfahren des Panätius eben zu diesen gehört haben, so wird es ausserordentlich wahrscheinlich, dass dieser Nikagoras, welchen die Rhodier als Gesandten nach Rom schick- ten, der Vater des Panätius war. Vgl. auch v. Scala, Studien des Polyb. I 252, Anm. 3. Leider ist mir dies Werk, das sich mit den folgenden Untersuchungen öfters berührt, erst nach Beginn der Drucklegung Ze gewesen, 3), Ind. Here. eol. 5l. Suid,. a. a. Ὁ, °) Cie. Brut. 43, 161. Dort heisst es ausdrücklich, dass Crassus 34 Jahre alt im Geburtsjahre Ciceros (106) unter dem Vorsitz des Tribuns Q. Mueius Seaevola für die lex Servilia u und dass er ein Jahr zuvor Tribun war. τ Cic. de orat. III 20, ΠῚ — ΠῚ —— stoischen Schule'). Dieser Aufenthalt des Crassus in Athen kann also nur im: Anfange des Jahres 109 oder 108 stattgefunden haben. Panätius muss demnach vor dem Anfange des Jahres 109 bezw. 108 gestorben sein. Andererseits widmete ihm Lucilius das elfte Buch seiner Satiren, das im Jahre 110 niedergeschrieben ist?2): Also muss der Tod -um das Ende des Jahres 110 oder 109 erfolgt sein?), ᾿ς Von den drei Söhnen seines Vaters war er der älteste®). Nach seiner Ausbildung in der Vaterstadt hörte er den berühmten stoisierenden Grammatiker Crates von Mallos’), welcher in Per- gamon lehrte, und ging dann zur Fortsetzung seiner Studien nach Athen. Hier wirkten zu dieser Zeit die drei bekannten Philosophen Diogenes, Critolaos und der scharfsinnige Carneades, die in Lehre und Redegewandtheit mit einander wetteiferten®). Panätius schloss sich hauptsächlich dem ersteren an?) und nach dessen Tode seinem Nachfolger Antipater, für den er eine grosse - Verehrung an den Tag legte®).. Neben den philosophischen Studien setzte er daselbst auch wohl unter Polemon dem Perie- geten die grammatischen fort?). Er kehrte nicht nach seiner Vaterstadt zurück und hat dort überhaupt nicht mehr längere Zeit verweilt!‘). Seine reichen Mittel gestatteten ihm ein freies Sue: 2.3. 0,1.11,.45. 2) A. Kiessling coniect. spec. I p. 8 index schol. Gryph. aest. 1383, der jedoch mit Unrecht Cieeros Nachricht de orat. I 11, 45 jeden Wert abspricht, wie wir sehen. 3) Ob er schon einige Zeit vor seinem Tode die Lehrthätigkeit auf- gegeben hat (ind. Here. col. 60), ist unbestimmt. Gegen v. Scala a. a. 0. S. 322 #. vgl. Susemihl a. a. O. ὁ. 28. A. 30. ἢ Ind. Here. col. 55. 5) Strab. XIV 5, 16 p. 776. 6) Gell, N. A. VI 14, 9ff. Die Anmut der Darstellung des Critolaus können wir noch selber aus den Bruchstücken bei Ps. Philo de incorr. mundi ὁ. 11 p. 239 ff. ed. Bernays Abh. d. Berl. Acad. 1876 erkennen. Ἴ Suid. s. v. Παναίτιος. 8) Cie. de div. I 3, 6. ind. Here. 60]. 5i, 58, 60. 9) Falls er ihn nicht schon in Pergamon gehört hatte. Suidas a. a. 0. | nennt ihn einen Schüler des Panätius; da dies chronologisch unmöglich und - aueh der Text nicht korrekt ist, so ist wohl das Umgekehrte richtig. So wo Fa urteilt nach v. Lynden p. 36 ff. auch Zeller ἃ. ἃ. O., Susemihl a. a. O. A. 18. 0) Cie. Tuse. V 37, 107; über die Einschränkung vgl. das Nachfolgende. Schon deswegen ist es falsch, was Suidas berichtet, Panätius habe vor Po- ae ger und unabhängiges Leben zu führen und seine Zeit seiner Neigung zu widmen!): Er pflegte die Wissenschaften. In ihnen fand er auch ein ausgedehntes Wirkungsgebiet, und zwar zunächst in Rom, wo er zusammen mit Polybius die Seele des Kreises war, der sich um den jüngeren Scipio scharte. Wann und auf welche Weise er mit diesem bekannt wurde, ist ungewiss?); doch lässt sich die Zeit einigermassen berechnen, in der er gemeinsam mit Polybius daselbst lebte. Als Seipio nämlich im Jahre 141 mit noch zwei anderen Männern vom Senate den Auftrag erhielt, den Orient zu bereisen, um dessen Verhältnisse und Streitigkeiten zu ordnen, begleitete ihn von seinen Freunden allein Panätius. Der- selbe war nicht in Rom anwesend, weshalb er von ihm eine Ein- ladung zur Teilnahme an dieser Reise erhielt®). Hieraus folgt, dass beide schon vor dem Jahre 141 Freundschaft geschlossen haben, und dass Panätius schon vor dieser Zeit in Rom gewesen ist. Da nun Seipio mit Panätius in Gegenwart des Polybius oft über die Vorzüglichkeit der römischen Verfassung disputiert hat?), und solche Disputationen sicher nicht in die späteren Jahre ihres Verkehrs gesetzt werden "dürfen, andererseits auch Polybius in den späteren Jahren sich hauptsächlich in seiner Heimat auf- sidonius in Rhodus eine Philosophenschule geleitet; vgl. auch Susemihl a. 2. 0. c. 28 A. 26. ') Ind. Here. col. 59 u. 60. 60]. 59 ist offenbar von seinem Vermögen und seinem Einkommen die Rede. Wir werden daher am Schluss derselben sicher μνᾶς zu ergänzen haben (vgl. ebds. v.4 u. 5), so dass der letzte Satz lautet: ἀφ᾽ οὗ διετέλεν τριαχοσίας λαμβάνων παρ᾽ ἐνιαυτὸν μνᾶς. Gerade der Anfang dieses Satzes beweist, dass vorher die einzelnen Besitztümer genannt waren, von denen er ein Einkommen bezog. Dies betrug danach jährlich 800 Minen. °) Vgl. hierüber die Vermutung von v. Scala a. a. Ὁ. S. 323f. und gegen ihn Susemihl a. a. OÖ. e. 29 A. 96. > 5) Plutarch. eum prince. esse diss. e. 1 p- 777 A. apophthegm. Seip. min. 15; 14. p. 200E ff.; Justin histor. XXXVIII, 8; ind. Here. col 56 u. 59 und dazu Comparetti a. a. Ὁ, Cie. Acad. pr. Π 2, 5; vgl. de rep. III 35, 48; VI 11, 11; Valer. Max. IV 3, 15; Aurel. Viet. 58. Strab. XIV p. 669. Diodor. XXXII 28A. Athenaeus VI 273 A, XII 549D, XIV 657 F; an den beiden letzten Stellen steht irrtümlich Posidonius statt Panätius. Vgl. Zeller Πα, S. 557, 5°. Ferner Lucil. XIV frg. 1, 3, 4 und dazu Marx, studia Lueiliana Bonn 1882, S. 81 ff. Susemihl a. a. O. ec. 28 A. 24. Dass die Reise nicht im Jahre 143 stattfand (Mommsen, Röm. Gesch. II, S. 64°. Zeller a. a. ©. S. 558) zeigt Marx, Rh. Mus. AXXIX, S. 68 ff. *) Cic. de rep. I 21, 34. En Ἐ hielt, so kann dieser hier genannte Verkehr des Polybius und des Panätius im Hause des Scipio nur in die Zeit vor dieser Reise gesetzt werden. Nun war aber Polybius seit seiner Rück- kehr in die Heimat im Jahre 150 bis zum Jahre 145 nicht in Rom. Im Jahre 146 nämlich erhielt er nach der Katastrophe Korinths vom Senate den Auftrag, die Verhältnisse Griechenlands zu ordnen und seine Landsleute mit dem neuen Stande der Dinge auszusöhnen. Sicherlich hat diese Thätigkeit auch noch einen grossen Teil des Jahres 145 umfasst!). Erst nach der Ausführung dieses zur vollsten Zufriedenheit beider Parteien von ihm erledigten Auftrages kann daher Polybius nach Rom zurück- gekehrt sein. Noch eine weitere Begrenzung dieses Zeitraumes giebt uns eine andere Erwägung. Bei dem bekannten Interesse des Polybius für geographische Reisen ist es geradezu auffallend, dass Seipio den Panätius und nicht auch ihn als Begleiter auf seine grosse Reise mitnahm. Dieses Rätsel löst uns Polybius, wie es scheint, sehr leicht. Polybius war nämlich, wie Strabo aus ihm berichtet?), unter der Regierung Euergetes’ II Physcon in Alexandria anwesend und hatte so Gelegenheit, das Leben der Stadt und das Treiben des Königs zur Genüge kennen zu lernen. Euergetes II riss nun im Jahre 146 den Thron an sich?); Poly- bius kann also frühestens in diesem Jahre dort gewesen sein, Polybius war ferner in Rhodus und benutzte’ daselbst Archive für sein Geschichtswerk. Auch in Kleinasien ist er sicher ge- wesen und hat seine Reise vielleicht auch noch weiter aus- gedehnt*). Vor dem Jahre 150 kann er diese Reise nicht ge- macht haben, da es ihm jedenfalls bis dahin verboten war, den Boden Griechenlands zu betreten. Im Jahre 150 kehrte er in seine Heimat zurück und daselbst finden wir ihn auch noch im folgenden Jahre. Im Jahre 148 griff er aktiv in die Streitig- keiten Griechenlands ein. Noch in demselben oder in dem darauf- folgenden Jahre 147 begab er sich in Scipios Lager vor Carthago°), , ἢ Polyb. XL, 10. Auf diese Thätigkeit des Polybius behufs der obigen chronologischen Fixierung machte mich Susemihl brieflich aufmerksam. Vgl. jetzt auch Susemihl a. a. O. II c. 29 S. 86 ff. 5) Vgl. Polyb. XXXIV, 14. 3) Pauly’s Real.-Ene. VI, 1, S. 222. 2 Polyb. XVI, 15; XXII, 21; IV, 38 ff. 5) Polyb. XXXVII, 2 ff, XXXIX 3 ff. von wo er, wie oben schon gesagt, nach der Zerstörung Korinths nach Griechenland zurückkehrte und die Ordnung der griechischen Verhältnisse übernahm. Für die obige Reise nach Rhodus und Kleinasien bleibt somit vor dem Jahre 145 keine passende Zeit. Dagegen führte ihn sein Auftrag vom römischen Senate in diesem Jahre ganz von selbst auch zu’ den griechischen Inselstaaten und Kleinasien, und es ist ganz selbstverständlich, dass Polybius diese Gelegenheit nicht unbenutzt für seine historischen Forschungen wird haben vorübergehen lassen, zumal da ihm als römischem Kommissar sicher alle Quellen viel leichter zugänglich waren wie als Privatmann. Da er nun nach 146 auch in Alexandria gewesen ist, so ergiebt sich der Schluss ganz von selbst, ‚dass er von Kleinasien über Alexandria gegen Ende des Jahres 145 nach Rom zurückgekehrt ist, um daselbst über den Erfolg seines Auftrages vor dem Senate Bericht zu erstatten!). Bedenken wir dies, 'so be- greifen wir sofort, warum Polybius den Seipio auf seiner Ge- sandtschaftsreise nicht begleitete: Er hatte die hauptsächlichsten Gegenden kurz vorher schon besucht; noch einmal die Reise zu machen war also für ihn vollständig überflüssig. Für die Zeit des gemeinsamen Verkehrs des Polybius und Panätius in ‚dem en des Scipio ergiebt sich somit etwa die Zeit von 144—142 ἘΠ): Te = Im Jahre 141 also unternahm Panätius mit Seipio die grosse Reise und besuchte bei dieser Gelegenheit auch seine Vaterstadt Rhodus?°), die sich seinetwegen der Gunst Seipios stets besonders ") Denn der an sich nahe liegende Gedanke, dass er vielmehr erst 141 den Scipio dorthin begleitet hätte, wird durch die Angaben des Plutarch und Justin (vgl. S.4A.3) ausgeschlossen, nach denen Scipio auf diese Ge- sandtschaftsreise nur fünf Sklaven und von seinen Freunden nur den Panätius mitnahm. ER 5) Wenn die Vermutung wahr ist, welche wir S.2 A.1 über den Vater des Panätius ausgesprochen haben, so ist es nicht unmöglich, dass dieser von Hause aus gewisse Verbindungen in Rom hatte. ”) Dass die Reise sie auch nach Rhodus führte, erfahren wir aus Cie. de rep. III, 35, 48. Wenn also Cie. Tuse. V, 37, 107 den Panätius zu den- jenigen rechnet, qui semel egressi nungquam domum reverterunt, so kann dies nur von einem dauernden Aufenthalte verstanden werden, da es uner- findlich ist, weshalb sich Panätius von dem Besuche seiner Heimat bei dieser Gelegenheit sollte ausgeschlossen haben. Eine Feindseligkeit lag jedenfalls nicht vor, wie die folgende Anmerkung beweist. tra ir ὔὕ; hen ee N At ER erfreute und deswegen manche Beweise derselben erhielt‘). Mit ihm kehrte er auch jedenfalls nach Rom zurück und blieb da- selbst?) als Freund und:Lehrer in seiner Umgebung; wie lange δ᾽ jedoch, ist unbestimmt. In der Folge lebte er abwechselnd in Rom und :in Athen?) und brach auch nach der Ermordung Seipios im Jahre 129 den Verkehr mit Rom nicht ab, wie die Widmung des Lucilius. beweist. Jedoch blieb er seit dieser Zeit sicher mehr in Athen, da er in. diesem Jahre daselbst der Nach- ‚folger des Antipater im Lehramte -wurde®). In gleicher Weise wie in Rom stand er auch hier in der höchsten Achtung, und bereit ihm diese zu beweisen boten ihm die Athener das Bürger- recht an, das er aber dankend ablehnte’). Er starb daselbst um das Ende des Jahres 110 oder 109°), wie oben gezeigt. Seine Schüler stifteten zum Andenken an ihn die Tischgenossenschaft der Panätiasten’). 1) Plutarch. praee. rep. gerend. c. 18 p. 814 Ὁ. 5) Dies dürfen wir aus seiner Schrift über die Pflichten schliessen, worüber wir später noch spreehen werden. Dass er ihn auch. nach Numantia begleitete, folgt aus Vell. Pat. I, 3, 3 nicht mit Notwendigkeit. Belegstellen, die diesen Verkehr betreffen, finden sich ausser den angeführten noch bei Suidas 5. v. Παναίτιος u. Πολύβος: ind. Hereul. col. 56; Cie. de off. I 26, 90; II 22, 76; rep. I 10, 15; fin. II 8, 24; IV 9, 23; Tuse. I 33, 81; pro Mur. 31, 66; ad Att. IX 12, 2; Gell. XVII 21, 1. 3) Ind. Here. col. 63. *) Ind. Here. col. 53 Δάρδανος ’Avdgoudyov ᾿Αϑηναῖος χαὶ οὗτος τὴν Πα- γαιτίου σχολὴν διαδεξάμενος; vgl. auch Zeller Philos. 4. Gr. ΠῚ ἃ S.558, Anm. ὃ. Hierdurch fällt ohne weiteres der Versuch Scheppigs De Posid. Apam. rer. gent. terrar. script. p. 3 die verkehrte Nachricht des Suid. s. v. Ποσειδώνιος zu verteidigen, Panätius sei gar nicht in Athen, sondern in Rhodus Schul- vorstand gewesen von dort nach Niederlegung des Scholarchats nach Athen ausgewandert und daselbst gestorben. Zugleich mit diesem Versuch fallen seine weiteren Vermutungen, welche er in Bezug auf das Leben des Panätius u. Posidonius auf denselben gründet; vgl. auch Zeller a. a. Ὁ, 559, 1. 5) Procl. in Hesiod. ἐργ. x. ju. 807. 6) Zeller a. a. Ὁ. Π18 S. 559, Anm. 3 spricht nach ind. Here. col. 71 von dem ehrenvollen Begräbnis, das dem Panätius in Athen zu Teil gewor- den sei; doch bezieht sich diese Stelle wohl sicher nicht auf Panätius, da 60]. 69 augenscheinlich beweist, dass nicht mehr von Panätius, sondern von seinen Schülern und Freunden die Rede ist. Vielleicht bezieht sich diese Nachricht auf den berühmten Grammatiker Apollodor, der col. 69 genannt wird. Ob col. 68 auf Panätius Bezug nimmt, ist auch fraglich; denn schon col. 67 scheint nicht mehr von Panätius zu sprechen. Ἢ Athenaeus V 186. a. nn Panätius glänzte nach langer Zeit wieder, und unter den stoischen Philosophen überhaupt zum ersten Male, als Schrift- steller'). Geburt, Umgang und Studium waren in gleicher Weise dazu geeignet, seinen Sinn und Geschmack zu bilden und sein Augenmerk auf die grossen Muster der hellenischen Litteratur zu lenken. Unter ihnen waren es offenbar Platos Werke, die er am meisten bewunderte und nachahmte?). Mit der angenehmen Darstellung verband er Klarheit, Fasslichkeit und Gründlichkeit in der Gedankenentwickelung. Seine Werke standen daher bei der Nachwelt im höchsten Ansehen?). Bekannt sind uns dem Titel nach nur wenige und zwar: 1, Περὶ προνοίας ἢ); 2. Περὶ τοῦ zadnxovros?); 1) Zeller a. a. O. S. 559; Hirzel Unters. IIa S. 267 ff. u. ö. Susemihl a. 5, ©. De 28, S. 65£. 2) Vgl. sein begeistertes Urteil über ihn Cie. Tuse. I 32, 79; dass dies nicht allein dem Inhalte galt, zeigt auch seine philologische Beschäftigung mit ihm; vgl. Hirzel a. a. O. II S. 378 ff. Susemihl a. a. Ὁ. A. 33. 3) Horaz Od. I 29, 13. 4) Cie, ad Att, XIII 8;_ de div. 13, 6; 7, 12; II 42, 81 8: acad. II 33 107; Diog. VII 49. Dass Cicero für die zweite Hälfte des zweiten Buches de deor. nat. diese Schrift seiner Darstellung zu Grunde gelegt habe, ver- mutete zuerst Rose zu Aristot. ps. frg. 255 auf Grund von Cie. ad Att. XII 8, während Schoemann in der Einl. seiner erklär. Ausgabe derselben Schrift S. 17 den Posidonius für das ganze Buch als Quelle annahm. Die von Rose ausgesprochene Ansicht hat alsdann Hirzel Unters. zu Ciceros philos. Schriften I S. 191 ff. unter Beschränkung auf den dritten Abschnitt des Buches c. 29, 73—61, 153 nieht ohne gute Gründe nachzuweisen gesucht. Gegen ihn verteidigte Schwenke in einer sehr eindringenden Abhandlung Jahns Jhrb. für Phil. u. Päd. CXIX S. 129 ff. die Einheit der Quelle und das Recht des Posidonius als ihres Verfassers. Ohne diese Abhandlung zu kennen, wie es scheint, pflichtete Zeller den Ausführungen Hirzels bei Comm. Momms. S. 402 ff. Philos. der Gr. IIIa S. 561, 2°. Unabhängig von Schwenke und Zeller hat sich auch Fowler, Panaet. et Hecat. frg. colleg. Bonn 1885 p. 20 ff. ohne wesentlichen Grund (s. Zeller a. a. Ὁ.) gegen die Benutzung des Panätius ausgesprochen; dafür wiederum Reinhardt Bresl. philol. Abh. III. Heft 2. S. 33 ff. 1888 ohne irgend welche Ausschlag geben- den Gründe beizubringen; ebenso Wendland, Archiv für Geschichte der Philos. I 1888. S. 200 ff. Der Abschnitt e. 34, 87—44, 115 gehört jedenfalls nicht dem Panätius. Gegen Panätius scheint in dem übrigen Teil $ 55 zu stimmen, da die Worte: quae (se. mundi partium eoniunctio) aut sempiterna, sit necesse est ... aut certe perdiuturna mehr für einen Philosophen sprechen, der die letztere Ansicht für die richtigere hielt. So mahnte mich Diels; wir werden später hierauf zurückkommen. °) Vgl. im folg. Teil I. Kap. 1. Panätius schrieb dies Werk 30 Jahre 4 ug 3. Περὶ εὔϑυμίας ἢ); 4. Περὶ πολιτείας; 5. Περὶ αἱρέσεων; 6. Περὶ Σωχράτους καὶ τῶν Σωχρατιχῶν ). 7. Epistola ad Q. Aelium Tuberonem’). $ 2. Posidonius?). Unter den zahlreichen Schülern des Panätius ist bei weitem der bedeutendste Posidonius aus Apamea in Syrien’). Über seine Vorfahren ist nichts bekannt, ebenso ist auch weder sein Geburts- noch Todesjahr überliefert oder bestimmt zu berechnen. Die letzte sicher datierbare Kunde aus seinem Leben fällt in das Jahr 59 vor Chr.; Cicero erhielt in demselben von ihm eine ab- schlägige Antwort auf seinen Wunsch, sein Konsulat von ihm gepriesen zu sehen®). Da er Schüler des Panätius war und dieser vor seinem Tode (Cie. off. III 2, 8), also um das Jahr 139, da das Jahr 140 noch auf der Reise verging. Hierzu stimmt sehr schön Cie. a. a. Ὁ. I 26, 90, ἢ) Diog. IX 20; Plutarch de coh. ira c. 16 p. 468 1). de trang. an. c. 16. p- 474D. 3) Ind. Hereul. col. 62 vgl. im folg. Teil I. Kap. 2—3. Der Titel ist nicht genau bestimmbar. 3) Diog. II 87. vgl. Teil IITA. Kap. >. Ὁ) Vgl. Teil TA. Kap. 6. 5) Cie. de fin. IV 9, 23; Tusc. IV 2, 4; acad. pr. II 44, 135. Unrichtig urteilt über diese Schrift Fowler a. a. Ο. S. 34 ff. — Auf einen Kommentar zu Platos Timaeus und Parmenides schliesst Zeller a. a. Ὁ. S. 560, 4 nach v. Lynden S. 73 aus Procl. in Tim. Plat. p. 50B, in Parm. VI T. VI 25 wohl mit Unrecht; vgl. Hirzel II. S. 893, 1f. Weitere Schriften, welche Fabri- eius Bibl. gr. III p. 567 ff. aufzählt, sind entweder zu Unrecht genannt oder Teile der angeführten. 6) Bake Posid. Rhod. relig. 5. 1ff. Toepelmann de Posidon. Rhod. Bonn 1867, Scheppig de Posid. Apam. rer. gent., terrar. seript. Halle (Berlin) 1870 S.2#. Arnold, Unters. über Theoph. v. Mityl. u. Posid. v. Apam. Jhrb. f. - Phil. Suppl. N. F. XLS. 75ff. Schuehlein, Studien zu Posid. Rhod. Frei- “ sing 1886, mir noch unbekannt. Müller frg. hist. gr. III. 5. 245 u. ὃ. Zeller, Philos. ἃ. Gr. IIla S. 572°f£., Susemihl a. a. ©. I e. 29 5. 128 ff. ἐ 7) Suidas 5. v. Ποσειδώνιος; Strabo XIV p. 908 Β; XVI p. 1098. Pe. Lucian Maerob. 20; Athen. VI p. 252E. Cie. off. IH 2, 8; div. 13, 6. Ps. Galen hist. phil. p. 600, 11 Diels ist unrichtig und beruht auf Verwechselung, falls nicht eine Lücke anzunehmen ist. 8) Cie. ad Att. Π 1, 2. — Suidas berichtet offenbar ungenau, dass Po- sidonius unter dem Konsulate des M. Marcellus d.h. im J. 51 statt unter dem Tten des Marius (Plutarch Mar. 45 p. 432 f.) nach Rom gekommen sei. Bake S. 20, Toepelmann S. 5. 19, Scheppig S- 108. Arnold 8. 111 A. 66, Schuehlein S, 60 #. nehmen deswegen eine dritte Reise nach Rom an, doch ee um 110 oder 109 gestorben ist, so werden wir seine Geburt jeden- falls nieht nach 135 ansetzen dürfen, selbst wenn wir. berück- sichtigen, dass er nicht zu den älteren, sondern zu. den jüngeren Schülern des Panätius gehörte!). Da er ferner im Alter von 84 Jahren starb?) so kommen wir spätestens auf das Jahr 51 v. Chr. als das Jahr seines Todes>). Eine dringende Notwendigkeit liegt nicht vor, sein Geburts- und Todesjahr um einige Jahre hinauf- zuschieben‘), wenn es natürlich _ auch nicht absolut ausge- schlossen ist. m ΣΤΡ Posidonius verliess in der Jugend seine Vaterstadt und kehrte wie sein Lehrer zu dauerndem Aufenthalte in dieselbe nicht mehr zurück®). Er begab ‘sich nach Athen, und studierte daselbst unter Panätius die stoische Philosophie; doch hatte er auch reichlich Gelegenheit, die entgegengesetzten Lehren der Akademie, die Clitomachus leitete, und die der Epikureer kennen zu lernen. Wie lange er hier verweilt hat, ist nicht mit Bestimmtheit zu erfahren. Jedenfalls unternahm er wohl erst nach dem Tode des Panätius seine ausgedehnten Reisen; welche sowohl der- geographischen als der astronomischen und historischen Forschung dienten. Die zuverlässigsten Berichte besitzen wir über die nach dem Westen. Ob diese aus mehreren einzelnen oder aus einer einzigen Reise bestand, ist zwar mit Gewissheit nicht zu bestimmen, doch ist das letztere durchaus wahrscheinlich. Demnach wandte er sich zunächst nach Gallien, fuhr dann an der Küste Spaniens entlang, stieg in Gades aus und nahm daselbst einen dreissigtägigen Aufenthalt, wohl mit Unrecht, vgl. Zeller a. a. Ὁ. S. 572, 3; Susemihl a. a. Ο. A. 161. Auch Bake a. a. Ὁ. hatte bereits diese Reise angezweifelt. ') Dies ergiebt sich daraus, dass er nieht der Nachfolger seines Lehrers in Athen wurde; vgl. über die Gewohnheit in der Wahl des Nachfolgers Zumpt, Bestand d. Philosophenschulen in Athen, Abh. ἃ. Berl. Akad. 1842. 5. 30 ff. 5) Ps. Lueian Macrob. 20. ») So bestimmte bereits Bake die Lebensdauer des Posidonius a. a. O. S. 6ff. Toepelmann 5. 6ff., Scheppig 5. 12ff., Schuehlein S. 10. 60 ff. setzen dagegen sein Leben zwischen 130—46, Müller a. a. ©. S. 245 zwischen 125—41. Dagegen vgl. Zeller a. a. Ὁ. Ungenau ist jedenfalls Athen. XIV 657. Zeller stimmt auch Susemihl bei a. a. A. 163. *) Dies ist Zeller geneigt anzunehmen, weil sich nicht eine genügend lange Zeit für den Unterricht des Posidonius bei Panätius ergebe. δ) Cie. Tusc. V 37, 107. vw Se um die Nachrichten über die angeblichen besonderen Erscheinun- gen an der Sonne bei ihrem Auf- und Untergange und die über die Ebbe und Flut zu untersuchen. Auf der Rückreise fuhr er an der Nordküste Afrikas entlang und kam wahrscheinlich über die liparischen Inseln und Sieilien nach Italien. Widrige Winde Zwischen den Balearen und Sardinien hielten unterwegs diese ‘Fahrt drei Monate lang hin. Diese unfreiwillige Musse benutzte er zu Forschungen über die Winde!). Ferner richtete er seinen Weg auch nach den Ländern am adriatischen Meere®). Auch in Alexandria ist er sicher gewesen, wie seine Angaben über das südliche Sternbild Argo und den zugehörigen Stern Canobus be- weisen®). Ebenso dürfen wir mit Recht- vermuten, dass er auch die südlich von Ägypten gelegenen Länder besueht hat®). In der Folge liess er sich in Rhodus nieder. Er erhielt daselbst das Bürger- recht5), nahm an der Verwaltung der Stadt thätigen Anteil und Stieg bis zur höchsten Ehrenstelle, bis zur Würde des Pry- tanen®). Im Jahre 86 ging er als Gesandter nach Rom, wo er | “5. - ἢ Vgl. Scheppig ἅ. «. Ο. 5. 4ff. Strabo III p. 202 Bff., 262 Bff., 212 Β. 2) Strab. VII p. 316. _ 3) Cleom. eyel. theor. I ec. 10 p. 5Lf. Procl. in Tim. Plat. p. 27T Ε. Strabo II p. 180€. 3) Hierfür spricht zunächst seine Bereehnung der Grösse der Sonne, die auf Angaben beruht, die in Syene gemacht sind. (Cleom. II ce. 1 p. 79). Nun konnte er zwar, wie es scheint, diese Angaben- auch bei Eratosthenes finden (Cleom. Ic. 10 p. 53), doch ist es an sich sehr unwahrscheinlich, dass Posi- donius, der nach Gades reiste und sich dort aufhielt, um ein Gerücht zu prüfen und zu widerlegen, als er in Ägypten war, nieht weiter nach Süden sollte gegangen sein, um selber auch die Angaben zu prüfen und das bezügliche Phänomen zu sehen, zumal, wenn wir bedenken, dass Posidonius bei seiner Berechnung über die Grösse der Sonne über Eratosthenes hinausgeht. Dies bestätigt noch eine weitere Nachricht. Wenn wir nämlich bei Strab. II 151 A lesen: ἀμφοτέροις d’ ἐπιτιμᾷ (se. ὃ Hocsidwvıos) διχαίως .. τούτου δὲ τὸ μὲν ἀπὸ τῆς Συήνης, ἥπερ ἐστὶν ὅριον τοῦ ϑερινοῦ τροπιχοῦ, εἰς Megönv εἰσὶ μύριοι" τὸ δ᾽ ἐνθένδε ἕως τῆς Kırauwuopogov παραλλήλου, ὅσπερ ἐστὶν ἀρχὴ τῆς διαχεχαυ- μένης, τρισχιλίων. τοῦτο μὲν τὸ διάστημα πῶν μετρητόν ἐστιν, πλεῖταί τὲ γὰρ καὶ ödevercı, so scheinen mir diese Worte sicher zu beweisen, dass Posidonius diese Gegenden selber gesehen hat. Auch die Untersuchungen über den Nil, seine Quellen und seine Überschwemmungen, wird er sicher nicht bloss abgeschrieben haben. 5) Athen. VI 252E; Strabo XIV p. 655. Ps. Lucian Macrob. 20. Suid. s. v 6) Strabo VII p. 316. ΣΕ ΓΈ [9 ΠΞΕΞ mit Marius verhandelte!). Zu Gesandten wurden nun, wie es scheint?), nur gewesene Prytanen gewählt; daraus ergiebt sich, dass Posidonius wahrscheinlich schon vor dem Jahre 86 dieses Amt verwaltet hat. Da er nun dort nicht heimisch war, so werden wir sicher annehmen dürfen, dass von der Zeit seiner Nieder- ° lassung daselbst bis zu seiner Thätigkeit in den höchsten Ämtern der Stadt wenigstens 10 Jahre vergangen sein werden. Wir kom-- men so ungefähr in das Jahr 96 als die wahrscheinliche Zeit seiner dauernden Übersiedelung nach Rhodus. Obwohl es nun un- bestimmt ist, wann er die Reise nach dem Westen und den Küsten- ° ländern des adriatischen Meeres unternommen hat, so ist es doch durchaus wahrscheinlich, dass es erst nach der Niederwerfung der Kimbern und Teutonen geschah, da vorher schwerlich in diesen Gegenden die Ruhe und Sicherheit herrschten, welche einen Forscher zum Besuch derselben einladen konnten?). Er- ᾿ wägen wir jetzt, dass diese Reise jedenfalls längere Zeit in An- spruch nahm, so sehen wir, dass er bald nach derselben sich nach Rhodus begeben haben muss. Der Aufenthalt in Alexandria und Ägypten muss demnach der Reise nach dem Westen voran- gegangen sein. Den Zweck derselben lassen uns seine mathe- matisch-astronomischen und naturwissenschaftlichen Forschungen ohne Schwierigkeit erkennen: Diese Studien blühten bekanntlich gerade dort in hohem Masse. Dieser Aufenthalt wird somit einen grossen Teil der Zeit zwischen dem Tode des Panätius und seinen weiteren Reisen nach dem Westen ausgefüllt haben. Seinem Wissen entsprechend war auch sein Ruhm®). Er hatte nicht bloss Griechen zu seinen Zuhörern wie Phanias, Asclepio- dotus, Diodorus aus Alexandria und seinen Neffen und Nach- folger Jason’), sondern auch die namhaftesten Römer wie Cicero, 1) S.S. ἢ): Α. 8. ?) Scheppig 5. 8; Arnold S. 111, A. 66. 8) Scheppig 5. 5ff. und nach ihm Zeller a. a. O. 5. 573, 2; Bake 5. 12 setzt diese Reise in den Zeitraum von 112—104 an; Scheppig 100— 90; Schuehlein S. 23 ff. genauer 100—95. Scheppig-Zeller stimmt auch Susemihl bei a. a. OÖ. DH c. 29, A. 154. #) Über seine Büste 5. Scheppig S. 15. ὅ Diog. VII 41; Seneca N. Ω. II 26, 6; VI 17, 3; Suidas 5. v. Idowrv. Über Diodorus vgl. Diels dox. gr. p. 19 ff. Weiter vermutet Zeller a.a.0. S. 585, 1 noch Schüler des Posidonius in den Griechen Leonides aus Rho- dus und Athenodorus, Sandous Sohn, aus Kana bei Tarsus. a De ἐπα. a A δι ἘΣ ὌΝ Pompeius Velleius, Cotta und Lucilius Balbus!) suchten ihn auf, um seine Vorlesungen zu hören. Noch grösseren Ruhm und Ein- fluss gewann er durch seine Werke bei der Mit- und Nachwelt. Diese verbreiteten sich fast über alle Zweige des Wissens und verbanden mit dem reichen Inhalte eine schwungvolle Darstel- lung. Genannt werden uns folgende’): 1. Φυσικὸς λόγος): 2. Περὶ x00uov*); 3. Περὶ ϑεῶν"); 4. Περὶ ἡρώων καὶ δαιμόνων"); 5. Περὶ εἱμαρμένης 1); 6. Περὶ μαντικῆς); 1. Περὶ ψυχῆς Ὕ; 8. Εἰσα- γωγὴ περὶ λέξεως 1); 9. Πρὸς Eouayooav!!; 10. Περὶ χριτηρίου 1); 11. Περὶ παϑῶν 3); 12. Σύνταγμα περὶ ὀργῆς 1); 18. Περὶ ἀρετῶν 10); 1) Cie. hörte ihn bekanntlich im J. 78 und blieb mit ihm fortan be- freundet, Cie. deor. nat. I 3, Οἱ de fato ὃ, 5; Tuse. II 25, 61; Brut. 91, 316; Plutarch. Cie. 4. vgl. Bake S. 21 ff.; Scheppig S. 8; Über die Besuche des Pompeius vgl. Strab. XI 492 Cie. Tusc. II 25, 61; Plutarch, Pompeius 42; "Bake 5. 15 ff.; Toepelmann S. 14; Scheppig 5. 8ff. In Bezug auf Lueilius Cotta u. Velleius s. Cie. deor. nat. I 44, 123; II 34,88. Auch mit Rutilius ‘Rufus verkehrte er. Vgl. Zeller a. a. O. S. 574, 2° u. Susemihl a. a. O. U S. 129 ff. Uber den Umgang des Servius Sulpieius mit ihm werden wir später zu handeln haben. 2) Strabo III 147; Hirzel Unters. II S. 269 ft. u. ö. Vgl. Bake a. ἃ. Ὁ. S. 235 f. | 8) In mindestens 15 Büchern handelte dieses Werk über alle Gebiete der Naturphilosophie vgl. Diog. VII 140; 134; 143; 144; 145; 149; 153. j Ὁ Diog. VII 142. Vielleicht war diese Schrift die Quelle für Ps. Philo | de incorr. mundi vgl. Diels dox. gr. p. 107. Eine Schrift Περὶ zevoö, wird von Ps. Plutarch II 9, 3 fälschlich eitiert, vgl. Diels a. a. Ὁ, p. 9. RR Ir. 5) Vgl. hierüber 5. 8 A. 4 und im folgenden Teil I. Kap. 4. 6) Macrob. Sat. I 23, 7. Ἢ Diog. VII 149. 8) Diog. a. a. O0. Dies Werk, das 5 Bücher umfasste, ist von Cicero zur Abfassung des ersten Buches de div. und in der Einleitung zu de fato benutzt, vgl. Wachsmuth, Ansichten d. Stoiker üb. Mantik S. 18: Schiche de font. libr. Cie. de div. Jena 1875; Hartfelder, die Quellen v. Cie.'s zwei Büchern de div. G-Pr. Freiburg 1878; 5. auch im folgenden Teil 1. Kap. 6. 9) Eustath. in Iliad. p. 910, 40 R. 10) Diog. VII 60; vgl. Quintil. institut. or. III 6. 11) Plutarch. Pompeius ce. 42. 12) Diog. VII 54; hierüber wird auch später gehandelt werden. 13) Die Zahl der Bücher ist unbestimmt. Dieses Werk ist von Galen de placit Hipp. et Plat. so ausserordentlich benutzt, dass es sich aus demselben zum grossen Teil rekonstruieren lässt; vgl. daselbst IV p. 348, 128. V ΟΡ. 448, 7ff. ed. Iw. Müller. 1) Zündel, Rh. Mus. Bd. 21. 5. 431. 15) Galen a. a. Ὁ. VII. 654M. 752, RE A 14. Ηϑικὸς Aoyos!); 15. Προτρεπικοί");. 10. Περὶ τοῦ καϑήκοντος 8); 17, Ἐξήγησις τοῦ Πλάτωνος Τιμαίου ἢ): 18, Περὶ μετεώρων ὅ); 19. Περὶ τοῦ Ἡλίου μεγέϑους δ); 20. Πρὸς Ζήνωνα); 21. Meg ὠχεανοῦ καὶ τῶν κατ᾽ αὐτόν); 22. Τὰ μετὰ Πολύβιον); 23. Τέχνη. ταχτική 19); 24, Ἐπιστολαί:}). , En $. 3. Hecaton, Mnesarchus, Dionysius. a) Hecaton. Von den weiteren Schülern des Panätius sind uns noch einige, wenn auch nur in geringem Grade, durch ihre Lehren ! bekannt. Hierzu gehört zunächst Hecaton aus Rhodus, ein Landsmann seines berühmten Lehrers. Ueber sein Leben sind 2), Diog:; ΝΠ 91: 3) Diog. VII 91; 129; vgl. Seneca ep. 95, 65. Hierher gehört also Hie-” ronymus in epitaph. Nepot. I p. 22, nicht, wie Bake vermutet, in das Werk περὶ παϑῶν. Vgl. Bake S. 36 ff.; 245; Müller a. a. Ὁ, 5. 250; Hirzel III 349, 1. Neben Aristoteles’ Protrepticos hat Cicero auch wohl diese Schrift einge- 4 sehen, als er den Hortensius schrieb, 5. Hirzel III 347 ff. Hartlich, Leipz. ° Studien XI S. 282 ff., doch jedenfalls nicht in grösserem Massstabe benutzt; s. Diels Archiv für Gesch. d. Philos. I S. 477 ff. ἢ 8) Diog. VOL 124: 129; Cie. ad Att. XVI 11; de of, ΠῚ 2 8; T 45, 159; / γεν im folgenden T. I Kap. 1 8 1. 72% 4.9 Bake 5. 238 ff. vgl. im folgenden T. IIIB Kap. 2 u. 3. Vielleicht ver- ) füsste er auch einen Kommentar zum Phaedrus desselben; vgl. Herm. in Plat. Phaedr. p. 114 Ast; s. Hirzel I 5. 237 ff. Noch un ist es, ob er auch einen solehen zum Parmenides schrieb, Proel. in Plat. Parm. VIT. VI” 25 P. Vgl. auch Susemihl a. a. Ὁ. A. 169. Σ 5) In mindestens 17 Büchern Diog. VII 144; 135; 137; 152. Diogenes erwähnt hier zwei Werke: περὶ μετεώρων und μετεωρολογικὴ oroıyeiwors; höchst wahrscheinlich jedoch bezeichnen beide nur ein und dasselbe. War dies nicht der Fall, so war das letztere jedenfalls ein Auszug aus dem ersteren, Es war die Heanianelle für Arius Didymus und Ps. Aristot. περὲ χόσμου. Ebenso beruhen auf ihm auch Senecas Nat. Quaest. vgl. a. 0, 19,103 13; j II 26, 4; 54, 1; IV 3, 2; VI 21, 2; 24, 6; VII 80, 2; 4; doch hat es Seneca nicht sale τ. sondern ee: durch eine Schrift des Asclepiodotus, des Schülers des Posidonius; vgl. a. a. ©. Π 26, 6; 30, 1; 115,1: VI17,3; 22,3; 5. Zeller a. a. 0. S. 664ff., Diels dox. p. 19, 91, ΠΕΡῚ Ὶ Rusch de Posid. Lueret. Cari auetor. diss. ΞΕ ἢ 1882. Aus ihm machte auch Geminus einen Auszug, den noch Simplicius in’ Aristot. phys. p. 64f. benutzt hat; vgl. auch Fr, Blass, de Gemino et Posidonio ind. schol. Kiel 1883. °) Der Titel ist nicht ganz bestimmt, Cleom. I e. 11 p. 65. He. 1; jeden- falls war es für diesen die Hauptquelle. ἢ War eine eigene mathematische Streitschrift gegen den Epicureer E ω re Bear? x As uns fast gar keine Nachrichten erhalten, da der Abschnitt, welcher ihm von Diogenes gewidmet war, verloren gegangen ist!). So- viel nur lässt sich‘ aus der Art, wie er neben den Häuptern der Schule genannt wird, schliessen, dass er grosses Ansehen in seiner Zeit besass.. Seime Werke handelten, soweit uns darüber zu urteilen möglich ist, fast ausschliesslich über die Ethik, Ange- führt werden folgende’): 1. Περὶ τέλους, 2. Περὶ ἀρετῶν), 3. Περὶ ἀγαϑῶνδ), 4. Περὶ καϑήκοντος), 5. Περὶ παϑῶνϊ), 0. Περὶ παραδόξων), 1. Χρεῖαι). Zeno und wohl nicht nur ein Teil einer anderen Schrift, wie Bake S. 244 meint; vgl. Procl. in Euclid. p. 200, 1 ff. Friedl. die Fragmente s. ebds. p- 216 ff. .°) Von Suidas wird dies Werk fälschlich dem Posidonius von Olbia zu- geschrieben. Es richtete sich auf die mathem.-physikalische Geographie, enthielt jedoch auch viele specielle Erdbeschreibungen. Plinius bezeichnet es mit περιήγησις und benutzt es ausser im V., auch wohl im II., IV., VI. und’ XI. Buche seiner Nat. Histor. Benutzt wurde es ferner wohl auch von Vitruv. VIII 4 und vielleicht von Diodor, am eingehendsten aber von Strabo, der es viel öfter ausschreibt, als er es nennt; vgl. Bake S. 243; Müller frg. hist. gr. III 5. 277ff. Scheppig 5. 16; Müllenhoff, Deutsche Altertums- kunde I S. 441#. II S. 303ff. Wilkens, de Strab. font. Marburg 1886 S. 22 ff. Zimmermann, Hermes XXIII S. 103 ff. Susemihl a. a. Ὁ. II S. 137 ff. 9) In 52 Büchern; die Fortsetzung war wohl die nur von Strabo XI p- 492 erwähnte ἱστορία περὶ Πομπήιον. Über dieses Werk vgl. jetzt Susemihl ἃ. ἃ. 0. II S. 139 Β΄, wo auch die reichhaltige Literatur angegeben ist. 10) Aelian Tact. I 1; Arrian Tact. init. 1)’Cie. off. TI 2, 10; ad Att. I 1. 2. 1) Vgl. Val. Rose Hermes I S. 370 f. 3) Die Fragmente sind von Fowler, Panaetii et Heeatonis fragm. colleg. Bonn 1885. p. 48 ff. zusammengestellt. Einzelne Berichtigungen werden _ späterhin folgen. 3) Diog. VII 87; 102; vgl. Hirzel II 567 ff. und dagegen Schwenke Philol. Rundsch. III 1883. BE Biog. VIEL 90; 91; 125. °) Diog. VII 101; 103; 127. 6) Cie. off. ΠῚ 15, 63; 23, 8IM.; 11, 49 ff. Seneea ben. I 3; II 18, 21; ΠῚ 18—22; VI 37. Seneca eitiert zwar ohne Angabe des Werkes; doch ist aus der Vergleichung der angeführten Stellen mit denen, welche Cicero aus Hecatons Werk über: die Pflichten entlehnt, mit Sicherheit zu schliessen, _ dass die angeführten Stellen Senecas auch aus demselben Werke herüber- genommen sind. Dass Seneca diese Schrift in grösserem Massstabe gebr aucht hat, wie er angiebt, ist wohl glaublich, wie auch Fowler vermutet; doch hat er sich ihm nicht gänzlich angeschlossen. 5 A DR b) Mnesarchus. Ferner gehört noch Mnesarchus hierher, der mit Dardanus = zusammen nach dem Tode des Panätius in Athen die Stoa lei- tete!). Beide stammten aus Athen. Wie lange ihre Schul- führung gedauert hat, ist unbestimmt, da uns abgesehen von den Namen ihrer Väter?) keine weiteren Nachrichten über ihr Leben erhalten sind. Auch ihre Schriften sind uns unbekannt. c) Dionysius. Der letzte Philosoph, dessen wir hier zu gedenken haben, ist Dionysius aus Kyrene. Als Mathematiker genoss er einen grossen Ruf?). Er verwickelte sich in einen wissenschaftlichen Streit mit dem Epikureer Demetrius®), aus dem uns bei Philo- Ἵ dem) Nachrichten aus der Erkenntnistheorie und der Theorie Ἴ Diog. VII 110. 8) Diog. VII 124. 95) Diog. VI 4; 26; 32; 95. VII 172. Auch VII 2 und 181 werden sicher daraus entlehnt sein. Aus welcher Schrift die noch übrigen Stellen Seneca ep. I 5, 7; 6,7; 9, 6 genommen sind, ist fraglich; sie können auch aus der Pflichtenlehre stammen. 1) Cie. de orat. I 11, 45; index Hercul. col. 55. 5) Ind. Hereul. col. 51. ®) Ind. Hereul. eol. 51 οὗτος δὲ zei γεωμέτρης ἣν ἄριστος; er hatte noch den Diogenes und Antipater gehört, vgl. ind. Here. a. a. Ὁ. *) Diesen Demetrius hält Comparetti in seinem Aufsatze la villa de’ Pisoni e la biblioteea in der Festschrift Pompei e la regione sotterata del Vesuvio nell’ anno LXXIX Neap. 1879 S. 160 für Demetrius von Byzanz, ohne freilich Gründe für diese Vermutung anzugeben. Ungleich richtiger scheint mir Natorp Forschungen zur Geschichte der Erkenntnistheorie S. 238, 1 ihn mit Demetrius Lacon zu identifizieren. °) Philodem hat in seiner Schrift περὲ σημείων zei σημειώσεων nichts wei- ter gethan, als seine Quellen in der einfachsten Weise an einander zu reihen. Genaueres darüber wird später folgen. Sie behandeln die Theorie der Induk- tion und richten sich zum grössten Teil gegen den Stoiker Dionysius. Die dritte dieser Quellen (col. 28, 13—29, 20) bildet eine Schrift des Epikureers Demetrius. Nun berichtet derselbe Philodem in der Übersicht der Geschichte der Stoiker index Hereul. col. 52: Διονύσιος Κυρηναῖος" οὗτος δὲ zei γεωμέτρης ἢ ἦν ἄριστος, ὃς χαὶ ἀντέτεινε “ημητρίῳ τῶ δητοριχῷ (2) χτλ. Augenscheinlich also & erwähnt hier Philodem den Streit, von dem er in der obigen Schrift Ge- ὦ naueres mitteilt. Zu diesem Schlusse drängt uns auch die Art, wie die letzte Angabe gemacht wird: Sie steht mitten in der Aufzählung der Philosophen, von denen nichts weiter als Name und Heimat genannt wird. Dies weist ἃ ne in eh aha ENTE 5 der Induktion vorliegen. Diese sind für uns darum so wichtig, weil wir aus diesem Gebiete sonst fast gar keine Berichte be- sitzen. Ob und wann er Schulvorstand in Athen gewesen ist, lässt sich mit Bestimmtheit nicht entscheiden. offenkundig darauf hin, dass ihm dieser Streit besonders am Herzen lag und bekannt war. Dass wir dabei an einen anderen denken sollten als an den vorliegenden, den auch sein Lehrer Zeno aufgenommen hatte, ist bei Phi- lodems Unselbständigkeit und der ganzen Sachlage fast undenkbar. Auch Diels hat vor Jahren schon diesen Schluss gezogen, wie er mir mitteilte, als ich ihm die oben entwickelte Ansicht vortrug. Wenn nun Zeller Philos. der Gr. IHla S. 585, 1 diesen Schluss anzweifelt, so ist der Grund davon offenbar ein Irrtum in Betreff der Chronologie dieses bei Philodem sich findenden Streites, wie wir später nachweisen werden. Wenn ferner Gomperz in der Einleitung zu der genannten Schrift p. XII unter der "allerdings nur bedingungsweise ausgesprochenen Zustimmung Natorps a. a. ©. S. 239 in Dionysius nur einen die Meinung seines Lehrers vortra- genden Schüler des Posidonius sieht, weil Posidonius auch sonst den Zeno "bestritten habe und Epikurs Meinung von der Grösse der Sonne hier in ähnlicher Weise wie bei Cleomedes widerlegt werde, so sind beide Gründe offenbar keine Gründe. Diese thörichte Meinung Epikurs war gewiss längst widerlegt worden. Dass jener Dionysius von Kyrene als tüchtiger Mathe- matiker diese Widerlegung kannte, ist selbstverständlich. Schmekel, mittlere Stoa. 2 Ι. Teil. Quellen. A, Panätius. Kap. 1. Cicero de officiis.) Während Cicero in seinen philosophischen Schriften sich im allgemeinen das Ansehen giebt, trefe Forschungen mit umfassen- den Studien verbunden zu haben, hat er in seiner Schrift über die Pflichten das gleichnamige Werk des Panätius derartig als seine (Quelle gekennzeichnet, dass für die beiden ersten Bücher eine Untersuchung darüber vollkommen überflüssig ist. Ist uns nun dadurch eine nicht unwesentliche Erleichterung für die For- schung gegeben, so wird andererseits dieser Vorteil durch die Art, wie er diese Vorlage benützt hat, bedeutend geschmälert; denn bei näherer Untersuchung stellt sich heraus, dass er ver- hältnismässig sehr selbständig dabei verfahren ist. Obwohl er gesteht, dem Panätius gefolgt zu sein, so verwahrt er sich doch dagegen, eine einfache Übersetzung geliefert zu haben; er be- zeichnet vielmehr seine Schrift als eine Überarbeitung seiner Vorlage nach eigenem Urteil®). Wollen wir also dieselbe als Quelle für die Lehre des Panätius benutzen, so werden wir zunächst das Eigentum des Panätius soweit wie möglich von dem Ciceros zu scheiden haben. ') Als die nachfolgende Abhandlung schon fertig war, ging mir durch Susemihl, Klohe: De Cie. libr. de off. font. diss. Gryph. 1889 zu. Soweit es nötig und möglich war, ist dieselbe berücksichtigt worden. ; 3%, 65 31.417,60: ΠΡ Σ᾽ — 1 — Nach der Einleitung giebt Cicero die Disposition des Panätius, die das ganze Werk beherrscht und uns lehrt, wo und wie weit wir sein Eigentum zu suchen haben. Sie ist dreiteilig: Der erste Teil handelt über das sittlich Gute, der zweite über das Nütz- liche, der dritte über den Widerstreit des scheinbar Nützlichen mit dem sittlich Guten. Den letzten hat Panätius nicht aus- geführt, weshalb ihn Cicero selbständig, wenn auch nicht ohne Benutzung von Quellen, hinzugearbeitet hat (III 2, 7). Ferner hat Cicero zu den beiden ersten Punkten zwei kurze Erörte- rungen über das Zusammentreffen je zweier Pflichten des sittlich Guten oder des Nützlichen hinzugefügt (1 3, 10), die er ihrem Inhalte gemäss im Anschluss an den ersten (I 45, 152 ff.) und zweiten Teil (II 25, 88 ff.) darlegt. Diese Zusätze scheiden also von selbst aus und sind daher im folgenden nicht mehr berück- siehtigt. In dem übrigen Teile der Schrift offenbart sich die Selbständigkeit Ciceros erstens in der Komposition und zweitens innerhalb der Darstellung in Zusätzen und Veränderungen. Ueber Beides haben wir hier zu handeln. $ 1. Die Komposition. Cicero berichtet zu wiederholten Malen, dass er die drei Bücher des Panätius über die Pflichten in zwei zusammen- gezogen habe. Es handelt sich hier also darum zu erkennen, wo und wie diese Zusammenziehung stattgefunden. Die Disposition des Panätius lautet 1 3, 9: triplex igitur est, ut Panaetio videtur, consilii capiendi deliberatio: nam aut honestumne factu sit an turpe dubitant id, quod in deliberationem cadit .... tum autem aut anquirunt aut consultant ad vitae commoditatem iucunditatemque, ad facultates rerum atque copias . conducat id necne, de quo deliberant; quae deliberatio omnis in rationem utilitatis cadit. tertium dubitandi genus est, cum pugnare videtur cum honesto id, quod videtur esse utile. Der Gegenstand des ersten Buches ist danach das honestum, mit dessen Division $ 15 die nähere Erörterung beginnt. Das honestum zerfällt in vier Teile, die vier einzelnen Tugenden: die sapientia iustitia, fortitudo, temperantia (σωφροσύνη). Nach dieser Einteilung erörtert Cicero kurz das Verhältnis derselben zu einander und entwickelt darauf für jede die aus ihr entspringenden Pflichten: De Für die sapientia c. 6, 18—19, für die iustitia c. 7, 20—1B8, 60, für die fortitudo c. 18, 61—26, 92, für die temperantia c. 27, 93—42, 151. Der Gang und Zusammenhang dieses Buches ist von selbst klar. Das zweite Buch hat der Disposition gemäss das Nützliche (utile) zum Gegenstand (ec. 3,9). Gleich nach den einleitenden Be- τ merkungen über dasselbe treffen wir einen weit ausgeführten Syllogismus (e. ὃ, 11—5, 17): Die erste Prämisse (8 12—16) beweist, ο dass fast aller Nutzen, die zweite (S 16), dass fast aller Schaden den Menschen nur durch Vermittelung der Menschen treffe. Dar- aus folgt der Schluss ce. 5, 17: cum igitur hie locus nihil habeat dubitationis, quin homines plurimum hominibus et prosint et obsint, proprium hoc statuo esse virtutis coneiliare animos ho- minum et ad usus suos adiungere. Da hier diese Aufgabe als Aufgabe der Tugend bezeichnet wird, so zeigt die unmittelbare Fortsetzung die Richtigkeit dieser Behauptung durch den Hin- weis, dass die Tugend nicht nur in der Erforschung der Wahrheit und in der Vollkommenheit der eigenen Persönlichkeit bestehe, sondern auch in dem richtigen Erwerbe dessen, was zum Leben gehört, und in der Abwendung des Gegenteils ($ 18). Somit ist es die Aufgabe dieses Buches klar zu legen, wodurch die Neigung der Mitmenschen gewonnen wird!). Bevor jedoch die Darstellung zu dieser Auseinandersetzung übergeht, bespricht sie den Ein- wand, dass der Zufall im Leben viel vermöge (88 19—20). Der Einfluss desselben wird zum grössten Teil zurückgewiesen, ganz geleugnet wird er nicht, in voller Uebereinstimmung mit dem vorhin ausgeführten Beweise, dass bei weitem am meisten Nutzen sowohl wie Schaden durch die Menschen vermittelt werde. Hier- auf folgt die Wiederholung des Themas ($ 20), dessen Aus- führung unmittelbar darauf mit der Aufzählung der Gründe be- ginnt, durch welche die Menschen einander Dienste zu thun be- wogen werden (8 21). Es sind sechs: 1. benevolentia, 2. honor, 3. fides, 4. metus, 5. a quibus aliquid exspectant, 6. prece ac mercede conducti. Es ist also einfach unmöglich, diese Auf- zählung von der vorhergehenden Darstellung loszureissen. ') In unmittelbarem Anschluss an den Nachweis, dass die obige Aufgabe Sache der Tugend ist, lesen wir $ 19: quibus autem hane facultatem adsequi possimus, ut hominum studia compleetamur eaque teneamus, dicemus neque ita multo post, sed pauca ante dieenda sunt. Η . Ἐπ ΟΠ Ἐν Ebenso steht dieselbe auch mit der nachfolgenden Aus- führung in logischem Zusammenhange. Von diesen sechs Grün- den wird der letzte sofort als der niedrigste bezeichnet ($ 21); auch ist es klar, dass er seinem Inhalte nach sich eng an den fünften anschliesst. Dann findet Cicero, dass kein Grund wich- tiger sei als die Liebe (caritas), und keiner unnatürlicher als die Furcht (metus) ὃ 29. Um dieses zu beweisen führt er die Unfälle - der Römer und anderer näher aus und schliesst diese Erörterung mit den Worten ($ 30): atque in has clades ineidimus ... dum metui quam cari esse et diligi maluimus; quae si populo Romano iniuste imperanti accidere potuerunt, quid debent putare singuli? Darauf folgt der Schluss: quod cum perspicuum sit, benevolentiae vim esse magnam, metus imbeeillam, sequitur disseramus, quibus rebus facillime possimus eam, quam volumus, adipisei cum honore et fide caritatem. Was sollen die Worte “cum honore el fide’ heissen? Das cum kann entweder nur ein modales Verhältnis oder eine Begleitung ausdrücken. Fassen wir es modal, so ist der Zusammenhang folgender: Diese Unfälle haben Rom ge- troffen, weil es ungerecht regiert hat, d. h. indem es sich auf metus, nicht auf caritas stützte. Untersuchen wir also, durch welche Mittel wir cum honore et fide die caritas erlangen. In diesem Zusammenhange wäre cum honore et fide nur mit »Ehren- haftigkeit und Treue« zu übersetzen. Aber einmal hat honor _ diese Bedeutung nicht, und wenn es sprachlich auch möglich wäre, so ist doch zweitens auch der Gedanke unmöglich. Metus und caritas sind Gegensätze; wenn also die Unfälle den Römern zugestossen sind, weil sie ungerecht regierten und deshalb Furcht der Erfolg war, so sind die Mittel, durch welche das Gegenteil erlangt wird, in erster Linie die Gerechtigkeit oder, wie wir auch sagen können, Ehrenhaftigkeit und Treue. Hier lesen wir aber: quibus rebus .... possimus adipisci . . - caritatem. Es werden demnach ganz andere Mittel als diese gedacht. Somit bleibt nur die zweite Auffassung übrig, deren Sinn ist: Da wir gesehen haben, wie wichtig die caritas ist, so lasst uns untersuchen, durch welche Mittel wir dieselbe erlangen dergestalt, dass wir zugleich auch Ehre und Vertrauen erwerben. Im Anschluss an die Worte: quod cum perspieuum sit benevolentiae vim e5Se magnam, macht Cicero die Bemerkung, dass sie für verschiedene Menschen noch verschieden wichtig sei, da die einen die carıtas DD ὙΠΤΕ aller, die andern nur die einiger bedürften, und verweist uns in Bezug auf die letzteren auf seine Schrift de amieitia. Dann fährt er fort ὃ 31: nunc dicamus de gloria... . summa igitur et per- fecta gloria constat ex tribus his: si diligit multitudo, si fidem habet, si cum admiratione quadam honore dignos putat. Wenn er also vorhin sagte: quod cum perspicuum sit benevolentiae vim esse magnam, metus imbecillam, sequitur, ut disseramus, quibus rebus facillime possimus eam quam volumus adipisci cum honore et fide caritatem, so ist handgreiflich, dass die Lehre vom vollkommenen Ruhme eben das ist, worüber er sprechen zu wollen $ 29 angiebt; dass also $ 31 mit der grösstmöglichen Ge- nauigkeit sich an $ 29 anschliesst, wie nur immer ein Thema mit der Ausführung zusammengehört!). Dementsprechend wird auch gleich darauf ($ 32) diese Ausführung begonnen. Die drei Bestandteile aber, welche den wahren Ruhm ausmachen, bene- volentia oder caritas, fides und honor, sind die drei ersten Gründe, welche $ 21 genannt worden: Also giebt die Abhandlung über den wahren Ruhm ($$ 31—51) die Abhandlung über die drei ersten Gründe, und demnach hängt auch $ 21 mit der nach- folgenden Abhandlung so unzerreissbar zusammen wie mit den vorhergehenden Erörterungen. Dasselbe wird noch weiter bestätigt. Da der sechste Grund überhaupt als zu unbedeutend und der vierte in den $$ 23—29, wie wir gesehen haben, als verkehrt zurückgewiesen wird, so bleibt nur noch der fünfte übrig. Dieser lautet: a quibus aliguid expectant, «€ cum reges popularesve homines largitiones aliquas proponunt. Somit umfasst dieser Grund nicht bloss die largi- tiones, sondern überhaupt die Unterstützung, welche die Menschen von jemandem erwarten können. Wenden wir uns jetzt zu dem zweiten Teile der Darstellung (88 52—84)! Cicero beginnt den- selben ὃ 52... deinceps de beneficentia ac de liberalitate dicen- dum est, cuius est ratio dupplex: nam aut opera benigne fit in- digentibus aut pecunia. Die Ausführung über die erstere Art geschieht in der zweiten Hälfte der nachfolgenden Abhandlung (88 65—84), die über die letztere, die Unterstützung mit Geld, in der ersten Hälfte (88 52—64); diese handelt aber gerade über die Εν Es kann daher unmöglich ein ganzes Buch dazwischen ausgefallen sein, wıe Fowler, Panaetii et Hecat. fragm. coll. diss. Bonn 1885 p. 7 meint. -- 23 -- largitiones: Also deckt sich die Abhandlung über die beneficentia atque liberalitas augenscheinlich mit derjenigen, welche wir über den fünften der $ 21 aufgezählten Gründe zu erwarten haben. Somit enthält in Wahrheit die Aufzählung der Gründe $ 21 die Disposition für die ganze nachfolgende Abhandlung. Die Dis- position ist also so einfach und klar und zugleich so fest gefügt, dass ihre Teile wie die Glieder des Syllogismus zusammenhängen und einen einzigen, unzerreissbaren Beweis bilden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass sie Panätius gehört ἢ. Sowohl das erste wie namentlich das zweite Buch enthalten also eine Abhandlung, die je einen der beiden Punkte der Dis- position (I 3, 9) erörtert; diese Disposition ist aber nach Ciceros Angabe von Panätius aufgestellt: Also geben diese beiden Bücher | Ciceros im wesentlichen auch nur zwei Bücher des Panätius ' wieder. Da nun das Werk des Panätius aus drei Büchern be- stand, und die beiden Bücher Ciceros sich offenbar an einander anschliessen, so folgt, dass Cicero entweder am Anfange oder am Schlusse seines Werkes ein Buch derartig gekürzt hat, dass es ein solches zu sein aufhörte. Welche dieser beiden Möglich- keiten wirklich ist, lehrt er selbst. Er schreibt III 2, 7: Panae- tius igitur .. tribus generibus propositis .. de duobus generibus primis tribus libris explicavit, de tertio autem genere deinceps se scripsit dieturum nec exsolvit id, quod promiserat. Die Aus- führung des dritten Punktes der Disposition sollte sich also an die Abhandlung anschliessen, welche das zweite Buch des Cicero wiedergiebt. Demnach bildete die Abhandlung über das Nütz- liche das dritte Buch des Panätius und die über das sittlich Gute das zweite: Folglich hat die Zusammenziehung im Anfange der Schrift stattgefunden. Dies beweist auch der Anfang selbst. Betrachten wir zu- nächst die einleitenden Bemerkungen! Weil Cicero in denselben den Panätius tadelt, dass er keine Definition des Begriffs »Pflicht« gegeben habe, und sich dieselbe auch bei Cicero nicht vorfindet oder vorzufinden scheint, hat Unger anfangs?) den ganzen $ ὃ 1) Die Disposition dieses Buches hat Klohe, De Ciceronis libr. de off. fontib. p. 30 ff. gänzlich missverstanden; seine Untersuchungen darüber sind daher durchweg unrichtig. f 2) In seiner Ausgabe dieser Schrift, Berlin, Weidmann 1852. 2a ΟΥΡῚ ἐπ gestriehen und angenommen, dass derselbe an die Stelle der verloren gegangenen Definition eingeschoben sei. Später!) hat er diese Ansicht zwar wesentlich beschränkt, aber doch die an- stössigen Stellen als Interpolationen verworfen. Dieses sind die beiden Sätze: atque etiam alia divisio est offieii: nam et medium quoddam offieium dieitur et perfectum, und atque ea sic definiunt, ut reetum quod sit, id officium perfectum esse definiant. Seine Gründe gegen die letzte Stelle sind von C. F. W. Müller?) hin- länglich widerlegt worden und damit zugleich die Notwendigkeit, dieselbe als Interpolation zu verwerfen. Auch gegen die Streichung der ersten Stelle liegen genügende Gründe vor. Die Veranlassung dazu giebt nach Unger der Widerspruch, in den sich Cicero mit diesem Satze verwickelt. Er teilt nämlich unmittelbar nach den einleitenden Worten die gesamte Pflichtenlehre in zwei Teile und fährt, nachdem er deren Verhältnis und Inhalt kurz angegeben hat, fort: atque etiam alia divisio est offici, gleich als ob er vorher auch schon eine Einteilung der Pflicht, und nicht eine solche der Pflichtenlehre gegeben hätte. Diese Thatsache lässt sich nicht wegleugnen; doch berechtigt sie uns nicht diese Stelle einfach zu streichen. Obwohl nämlich Cicero zuerst nur eine Einteilung der Pflichtenlehre und dem entsprechend den Inhalt des ersten Teiles derselben angiebt, so springt er doch gleich darauf in seiner Ausdrucksweise um und spricht von verschie- denen Pflichten: quorum autem officiorum praecepta traduntur .. de quibus est his libris explicandum. Mit diesen Worten ist also augenscheinlich die Einteilung der Pflichten vorausgesetzt und dadurch eine andere Einteilung derselben genügend vorbereitet. Soll also dieser Widerspruch das Kriterium für die Echtheit sein, so müssen wir noch den halben $ 7 streichen. Da der Inhalt desselben mit dem Vorhergehenden in notwendigem Zusammen- hange steht, so würden wir den ganzen Anfang der Schrift streichen müssen, was widersinnig ist. So wenig nun auch der vorliegende Widerspruch uns zur Annahme einer Interpolation berechtigt, so notwendig verlangt er doch Aufklärung. Diese giebt uns der Inhalt. Dem An- 1) Philolog. Suppl. III S. 14 ff. 1878. 5) In seiner erklärenden Ausg. dieser Schrift, Leipzig, 1882, S.7. Zu den Stellen, mit denen er das stilistische Bedenken Ungers zurückweist, vgl. noch Acad. pr. II 32, 102; de fato 14, 32 Schl. De‘, re. ᾿ς... schein nach stehen die‘ beiden gedachten Einteilungen in keiner Beziehung zu einander, doch findet in Wahrheit das Gegenteil statt: Da der erste Teil der Pflichtenlehre z. B. die Fragen be- handelt, ob alle Pflichten vollkommen (perfecta) und ob alle gleich sind, und die darauffolgende Einteilung der Pflichten zwei ver- schiedene Arten derselben, die off. perfecta und media, unter- scheidet, so enthält die zweite Einteilung offenbar das Resultat der entsprechenden Erörterung der ersten. Dies Verhältnis weist uns sofort darauf hin, dass hier eine Kürzung stattgefunden hat, deren Folge der Widerspruch war. Nachdem Cicero die Definitionen von off. reetum und medium gegeben hat, fährt er fort ὃ 9: triplex zgetur est, ut Panaetio videtur consilii capiendi deliberatio: nam aut honestumne factu sit an turpe dubitant id, quod in deliberationem venit etsq. Nach dem unmittelbaren Eindruck ist diese Disposition die Schluss- folgerung aus dem Vorhergehenden; sehen wir jedoch genauer zu, so kann hier an eine Schlussfolgerung gar nicht gedacht werden, weil von dem honestum und utile vorher noch nicht gesprochen ist. Diese Zusammenhangslosigkeit ist ein neuer Beweis dafür, dass die Darstellung der Quelle hier gekürzt ist. Dies bestätigen auch die Worte: tertium dubitandi genus est, cum pugnare videtur cum honesto id quod videtur esse utile. Diese Gegenüberstellung weist darauf hin, dass schon von einem scheinbaren und einem wahrhaft Nützlichen vorher die Rede ge- wesen ist. Sehen wir uns jetzt noch einmal den Inhalt an, welchen Cicero vorher dem ersten Teile der Pflichtenlehre zu- weist. Ausdrücklich fragt er 1. ob alle Pflichten vollkommen sind, 2. ob die eine Pflicht höher als die andere ist. Die Ant- wort auf die erste Frage haben wir gehört; worauf deutet die zweite? Cicero fügt sowohl zum ersten wie zum zweiten Teile der Disposition des Panätius die Frage hinzu, wie man sich zu ver- halten habe, wenn je zwei Pflichten der Sittlichkeit oder des Nutzens mit einander stritten. Dieser Gegenstand kann sich un- möglich mit dem decken, den Cicero hier im Sinne hat; denn 1. wird in den angeführten Abschnitten bewiesen, dass die praktischen Pflichten höher als die theoretischen stehen; deckten sich also beide Fragen, so würde der in den Zusätzen gelieferte Beweis in den ersten Teil gehören und der Tadel, welchen Ci- cero wegen der Unvollständigkeit der Disposition erhebt, durch- aus verkehrt sein. Dies fällt darum ins Gewicht, weil Cicero diese Ergänzung wohl jedenfalls nach Posidonius vorgenommen hat. 2. Die Worte Ciceros: num quod offiecium aliud alio maius sit, lassen eine verneinende Antwort erschliessen; in den Zusätzen wird aber die Verschiedenheit der Pflichten in Bezug auf ihre Grösse anerkannt: Also muss der Inhalt der obigen Frage ein anderer gewesen sein. Welches dieser gewesen, ist unschwer zu erkennen; es sind die Pflichten des Nutzens und der Sittlich- keit, die damals hart gegenübergestellt wurden, wie wir später sehen werden. Doch gehen wir weiter! Nachdem Cicero die Disposition auf- gestellt hat, beginnt er im folgenden Kapitel die Abhandlung mit - einer Einleitung, in welcher er das Wesen und den Ursprung des sittlich Guten (honestum) entwickelt. Nach dem Abschlusse derselben unterbricht er die Darstellung und wendet sich zunächst an seinen Sohn, um alsdann die Einteilung des honestum zu geben (cap. 5). Dass dieser Fortschritt vom 3. Kapitel an sehr fest gefügt sei, wird niemand behaupten; vielmehr wird der Schein erweckt, dass im 4. und 5. Kapitel zweimal dasselbe ge- geben wird!). Auch die Anrede an seinen Sohn weist darauf hin, dass Cicero hier freier thätig ist. Im 5. Kapitel also giebt Cicero die Einteilung des honestum in die vier Einzeltugenden und deren Verhältnis und Gruppierung in die theoretische und praktische Tugend. Darauf beginnt er die Ausführung mit der Auseinandersetzung über die theoretische Tugend (cap. 6). Dieselbe ist im Vergleich zu der Behandlung der anderen unverhältnismässig kurz; denn durchschnittlich ist die einer jeden derselben ungefähr fünfundzwanzigmal so lang. Beweist schon dies auffallende Verhältnis in der Länge der Dar- stellung, dass Cicero auch hier gekürzt hat, so bestätigt dies ferner noch der Inhalt: Nach seiner Angabe zerfällt diese Tugend in die sapientia und prudentia ($ 15); er geht jedoch auf die- selben nicht ein, sondern liefert nur wenige Vorschriften über die Forschung. Am Schlusse dieses Buches schreibt er (8 142): | sic fit, ut modestia haec.... scientia sit opportunitatis idoneoruum ') Dies glaubt auch Klohe a. a. Ὁ. p. 12, doch thatsächlich ist es nicht ganz dasselbe. Der Schluss ist daher nicht gestattet, dass das 4. Kap. über- flüssig sei. Mercer: — — 27 ad agendum temporum. sed potest eadem esse prudentiae definitio, de qua principio diximus: hoc autem loco de moderatione et temperantia et harum similibus virtutibus quaerimus. Er hat allerdings wohl die prudentia im Anfange erwähnt, aber über das, was wir nach dieser Stelle erwarten müssen, nichts gesagt. Es kann also gar nicht zweifelhaft sein, dass Cicero auch hier noch die Vorlage ausserordentlich gekürzt hat. Darauf beginnt die ausführliche Darstellung der praktischen Tugend. Da wir ge- sehen haben, dass die Zusammenziehung im Anfange des Werkes stattgefunden hat und thatsächlich die Kürzung bis zur Behand- lung der praktischen Tugend reicht, müssen wir schliessen, dass das erste Buch des Panaetius die theoretische Tugend nebst der allgemeinen Einleitung umfasste, von der uns bei Cicero noch kurze Angaben vorliegen. Gleichzeitig folgt, dass das zweite Buch desselben der Darstellung der praktischen Tugend diente. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses bestätigt auch das Zeugnis Ciceros. Nachdem er nämlich das spezielle Thema des zweiten Buches entwickelt hat, weist er darauf hin, dass dieses in dem Wesen der Tugend begründet sei (8 18): etenim virtus omnis tribus in rebus fere vertitur, quarum zma est in perspiciendo, quid in quaque re verum sincerumque sit... qua cuiusque rei causa sit; alterum cohibere motus animi turbatos, quos Graeci πάϑη nominant, adpetitionesque, quas illi öguds, oboedientes ef- ficere rationi; tertium iis, quibuscum congregemur, uti moderate et scienter, quorum studiis ea, quae natura, desiderat expleta cumulataque habemus etsq. Von den drei Gebieten der Tugend die hier genannt werden, ist das letztere der Gegenstand des dritten Buches: Offenbar haben die beiden anderen Gebiete auch je einem Buche entsprochen, also die Abhandlung über die praktische Tugend dem zweiten, und die über die theoretische dem ersten Buche. Mit der letzteren werden auch jene Fragen, wenn auch natürlich nicht ausführlich, so doch auch gewiss nicht bloss andeutungsweise, behandelt gewesen sein, welche jetzt vor der Einleitung von Cicero kurz berührt sind. Warum Cicero diese ausgelassen hat, begreifen wir, wenn wir $ 7 lesen: omnis de officio dupplex est quaestio: unum genus est, quod pertinet ad finem bonorum, alterum quod positum est in praeceptis, de quibus est nobis his libris explicandum. Weil Cicero über das höchste Gut schon ein selbstständiges Werk verfasst hatte, so j war es natürlich, dass er jetzt davon nur soviel gab als überhaupt nötig war!). Es erhebt sich noch die Frage’), ob Cicero selbst diese kurzen Auszüge im 3. Kapitel gemacht oder sie als solche ent- lehnt hat. Für die erste Annahme spricht kein besonderer Grund, gegen sie aber mehrere. Zunächst ist es Thatsache, dass Posidonius zu diesem Werke seines Lehrers einen Kommentar geschrieben hat, um seinen Lehrer gegen den ihm vorgeworfenen inneren Widerspruch zu rechtfertigen, er habe mit dem dritten Punkte seiner Disposition einen Konflikt des sittlich Guten und des Nützlichen eingeführt, obwohl beide ihrem Wesen nach gar nicht in Streit geraten könnten. Wenn er nun in demselben diesen von Panätius angeregten Gegenstand für sehr wichtig er- klärte und ihn daher selbst ergänzte, weil sein Lehrer es unter- lassen hatte°), so dürfen wir sicher annehmen, dass Cicero ihm die Rechtfertigung jener Disposition verdankt. Da nun dieser Kommentar eine Ergänzung der Schrift des Panätius war, und auch die beiden Zusätze in der Disposition und am Schlusse des“ ersten und zweiten Buches solche Ergänzungen sind, so liegt der Schluss nahe, dass auch diese Zusätze ihrem Wesen nach dem Posidonius gehören. . Dies erweist eine Stelle aus dem Zusatze, am Schlusse des ersten Buches als gewiss; denn die Frage, die in dem gedachten Citat aus Posidonius behandelt wird, betrifft augenscheinlich den möglichen Widerstreit zweier Pflichten des sittlich Guten®). Es ist demnach Thatsache, dass Posidonius | 189) 8. ἘΞ ') Van Lynden de Panaetio Rhodio p. 114 gesteht zwar zu, dass das Frgm. aus dem zweiten Buche des Panätius bei Gell. N. A. XIII 28 sich mit keiner Stelle decke, glaubt jedoch, dass es II 6, 19 stehen könnte. Dies ἰδ irrig, denn die beiden Stellen haben inhaltlich nichts mit einander zu thun; vgl. über diese Stelle auch d. folg. Paragraphen. 5) Zu dieser Frage wurde ich von Diels angeregt, der mir bei Gelegen- heit mitteilte, dass seiner Ansicht nach Cicero diese Auszüge aus Posidonius herübergenommen habe. 2) Cie. de .off. HI 2, 8. . s 159: illud forsitan quaerendum sit, num haee eommunitas, quae maxıme est apta naturae, sit etiam moderationi modestiaeque semper ante- ponenda. non placet; sunt enim quaedam partim ita foeda, partim ita flagi- t1osa, ut ea ne conservandae quidem patriae causa sapiens faeturus sit. ea Posidonius conlegit permulta, sed ita taetra quaedam, ita obscaenae, ut dietu quoque videantur turpia. 2.80 diese Fragen über den Widerstreit zweier Pflichten des sittlich Guten und des Nützlichen aufgestellt und sie Cicero demnach nicht selbständig, sondern jedenfalls nach Posidonius zur Dis- position hinzugefügt hat. Hat aber Cicero diesen Kommentar schon für die Disposition benutzt, so ist es mehr wie wahr- scheinlich, dass er auch die voraufgehenden kurzen Referate der Einleitung aus ihm genommen hat. Da aber diese sicher im Anschluss an-Panätius gefertigt sind, wie es natürlich ist und auch die Disposition $ 9 beweist, so hat hier offenbar eine doppelte Kürzung stattgefunden, und diese macht die Unklarheiten und Widersprüche, die sich hier finden, um so mehr erklärlich. $ 2. Quellen-Analyse von Buch I und Il. Die Zusätze und Änderungen Ciceros innerhalb der Dar- stellung sind wesentlich doppelter Art: Erstens hat er wie ge- wöhnlich seine Darstellung durch Beispiele aus der römischen Geschichte seinen Lesern näher zu bringen gesucht und dadurch die griechischen Beispiele der Quelle entweder ergänzt oder er- setzt!); dann hat er auch besondere Zusätze eingefügt, wo er die Vorlage für unvollständig hielt oder sonst Grund hatte ab- zuweichen. Die einen dieser Zusätze heben sich von selbst ab und sind als solche nicht mehr zu erwähnen; die anderen da- gegen erkennen wir, falls sie Cicero nicht selbst als solche be- zeichnet, daran, dass sie den wohlgefügten Bau der Darstellung unterbrechen. Auch die Wiedergabe der Vorlage ist doppelter Art: Entweder hat er sich ihr eng angeschlossen oder er hat sie breiter und freier referiert. Jene Stellen charakterisieren sich durch gehaltvolle Kürze, diese durch Weitschweifigkeit, Reich- tum an Beispielen und römisches Gepräge. Als erster Zusatz begegnet uns gleich im Anfange (ὃ 1) die Definition des Pflichtbegriffs, wegen deren Auslassung Cicero den Panätius heftig tadelt?). Im 4. Kapitel entwickelt er das Wesen 1) Selbstverständlich wird niemand aus I 26, 90 u. II 22, 76 den Schluss ziehen, dass sich bei Panätius Beispiele aus der röm. Geschichte fanden. 2) Ob diese in unserem Texte fehlt oder nicht, ist umstritten. Gewiss- "heit wird sich hier nicht erreichen lassen, doch spricht für das Fehlen der- selben Ambros. de of. 1 8, 26: nec ratio ipsa abhorret, quando quidem offı- cium ab effieiendo dietum putamus quasi effieium; vel certe ut ea agas, quae Ἢ ae und den Ursprung des honestum nach den Hauptteilen desselben, indem er sie aus der Natur der Vernunft herleitet. Da sich die” Auffassung desselben hier mit derjenigen deckt, welche wir nach-" her in der Ausführung treffen, wie besonders die Tapferkeit als magnitudo animi beweist, und diese Auffassung nicht Allgemein- gut der Stoa war!), so folgt, dass Cicero sich hier im wesent- lichen dem Panätius angeschlossen hat?). Im 5. Kapitel folgt die Gruppierung der Tugenden in die theoretische und die prak- tischen; dass diese dem Panätius gehört, zeigt die Nachricht, des Diog. VII 92. In der Erörterung über die Weisheit (cap. 6) giebt Cicero sicher nach Panätius sowohl die Warnung vor den beiden Fehlern, die er nennt, als auch die Einteilung dieser Tugend in die sapientia und prudentia. Das Letztere beweist” die Übereinstimmung mit $ 15 ff.; das Erstere wird sich später bewahrheiten?). ᾧ Wir kommen zur Lehre von der Gerechtigkeit 88. 20—60. Sie zerfällt in zwei Teile, in die der Gerechtigkeit im besonderen Sinne $$ 20—41 und die der Wohlthätigkeit $$ 42—60. Der” nulli officiant, prosint omnibus. Das Verhältnis des Ambros. zu Cicero ist Ἶ bekannt. Seine Ableitung auf ihn zurückzuführen haben wir um so mehr Recht, als diese alt ist, vgl. Fest. s. v. officiosus. ὦ ') Diese galt sonst als Unterabteilung der Tapferkeit, Stob. ecl. II 60, 22 ed. W. & 3) Treffend vergleicht Klohe dieses Kapitel mit de fin. II14,45ff. Aus ihrer grossen Übereinstimmung schliesst er, dass Kap. 4 nieht aus Panätius genommen sei. Er findet ferner auch in der Abhandlung in de off. Stellen, ” die aus jenem Abriss stammen, wie ihm ihr Widerspruch mit der übrigen Darstellung beweist (p. 12,3). Dies beruht jedoch auf Missverständnis, wie wir später sehen werden. Damit schwindet der Hauptgrund für seine Mei- nung, Cicero habe dies Kap. erst nachträglich hinzugefügt, indem er zu jenem Abriss Stellen aus der späteren Darstellung in de off. setzte. Diese hinzugesetzten Stellen widersprechen jenem Abriss, wie Klohe auch selber 2 sagt (p. 10ff.). Da nun der sonstige Inhalt des 4. Kap. allgemeinstoisch ist, so weisen die gedachten Den mit Panätius darauf hin, dass ᾿ auch das Übrige nicht aus jenem Abriss, sondern aus Panätius genommen sein wird. Jedenfalls hat Cicero dies ae komponiert, als er den Anfang \ dieses Werkes überhaupt verfasste. x 8) Klohe spricht dem P. alles ab ausser der Einteilung dieser Tugend & in die sapientia und prudentia. Wenn er sich dafür hauptsächlich auf de vep. 1 15 beruft, so ist dies unzutreffend: Aus der Kritik des Seipio über die Forschung des Panätius lässt sich kein Schluss auf diese Stelle, die Lehre des Panätius, ziehen. erste Abschnitt gliedert sich abermals in zwei: Die $$ 20—30 ent- halten die allgemeinen, die $$ 31—41 die besonderen Vorschriften. Der erste derselben hat die Form eines logischen Schlusses: Zunächst bespricht Cicero die beiden Vorschriften der Gerechtig- keit (88 20—23), dann die beiden Arten der Ungerechtigkeit und deren Gründe ($$ 23—29) und zieht darauf den Schluss ($$ 29 und 30)!). Die Fügung dieses Beweises sowie der stete Ge- dankenfortschritt zeigen, dass sich Cicero hier ziemlich eng an Panätius anschliesst. Namentlich nötigt auch das Endergebnis zu diesem Schlusse; denn die aequitas, welche hier als das Wesen der Gerechtigkeit erschlossen wird und mit der caritas innerlich zusammenhängt, die im II. Buche als die Grundbedingung alles Verkehrs dargestellt ist, ist nicht altstoisch, wie wir später nach- weisen werden. Der zweite Abschnitt ($$ 31—41) enthält Vor- schriften für spezielle Fälle. Von diesen gehören wohl nur die 88. 31—32 dem Panätius, welche Vorschriften über das zar« περίστασιν καϑῆκον geben, das sich bei den Stoikern ja stets un- mittelbar an das dei καϑῆκον anschliesst 5). In der Abhandlung über die Wohlthätigkeit ($$ 42—60) folgt Cicero ähnlich wie in dem vorigen Abschnitte anfangs seiner Vorlage genauer, darnach wird er selbständiger und breiter. Auf dreierlei hat der Wohlthäter zu achten: 1. dass er durch sein Wohlthun nicht schadet (88 42—43), 2. dass er nicht über Vermögen (ὃ 44), 3. dass er nach Würdigkeit wohlthut ($$ 45—59). Diese Würdig- keit hängt ab: 1. von den Sitten ($$ 45—46), 2. von der Ge- sinnung ($ 47), 3. von dem Verhalten gegen den Wohlthäter (88 47—49) und 4. von dem Grade der Verwandtschaft dessen, dem die Wohlthat gelten soll ($$ 50—59). Diese Verwandt- schaftsgrade werden wiederum betrachtet: 1. für sich (δὲ 50—56), 2. in der Kollision (88 56—58), 3. unter besonderen Umständen (8 59). Diese ganze Abhandlung und namentlich die des dritten Punktes (88 45—59) ist so wohl gefügt, dass wir sie in der 1) Auf diesen Zusammenhang hat Klohe nicht geachtet. 2) Diog. VII 109. Trefflich ist die Auseinandersetzung Klohes (p. 13 ff.) über die versteckte Disposition in dem Abschnitte über die Ungerechtigkeit und der damit zusammenhängenden Lehre von der Wohlthätigkeit. $ 29 hat er nicht richtig verstanden, 5. d. vorig. Anm., das χατὰ περίστασιν καϑῆχον wird erst 8 31ff. besprochen. Den Zusatz ὃ 21 ‘nisi lacessitus iniuria’ spricht er nicht ohne gute Gründe Panätius ab und Cicero zu. Hauptsache sicher dem Panätius zuschreiben müssen; doch hat x Cicero im einzelnen Zusätze gemacht. Er beginnt die Darstellung F über die Verwandtschaftsgrade $ 50, holt dabei sehr weit aus” und kehrt erst $ 53 zu seiner eigentlichen Aufgabe zurück. Die” nun folgende Aufzählung (88 55—54) ist kurz und klar gehalten; in der dazwischen liegenden Schilderung (88 50—52) beweisen ἰ schon die Verse des Ennius und ihr Zusammenhang, dass Cicero hier ziemlich unabhängig von der Quelle arbeitet. Ferner ist wenigstens auch der $ 57 auszuscheiden, welcher in be- geisterter Weise das Vaterland preis. Denn 1. kennzeichnet schon die Rhetorik dieses Lob als Ciceros Zusatz, und 2. ver- wickelt sich Cicero hier auch in Widersprüche bezw. Unklarheiten. $ 55 nämlich ist die Freundschaft die herrlichste und festeste Verbindung; ὃ 57 gilt dasselbe vom Vaterlande und $ 58 stehen Vaterland und Eltern auf der gleichen-Stufe, während er vorher das Vaterland über alles gestellt hat. Sicher hat hier also Cicero sich nur im allgemeinen an Panätius gehalten'). Wir gehen zu dem Abschnitt über, der über die Tapferkeit handelt ($$ 61—92). 8 61 scheidet ohne weiteres aus. ὃ 62 giebt die Definition der Tapferkeit, die von der der älteren Stoiker verschieden ist?) und in dieser Fassung dem Panätius gehört, wie schon der Begriff der Billigkeit zeigt, auf den sie sich stützt. In den ὃ8 63—65 wird sie genauer erörtert. Trotz der Weit- schweifigkeit verlässt Cicero hier die Vorlage nicht, wie der Widerspruch beweist, in den er nachher mit ὃ 65 gerät, worüber wir gleich sprechen werden. Ihrem Grade nach zerfällt die Tapferkeit in zwei Arten, in die der grossen (88 66—91) und die der gewöhnlichen Menschen (8 92)3). In unmittelbarem Anschluss ') Klohe spricht P. direkt nur die 88 45—49 zu, vgl. ἃ. vorig. Anm.; die 88 50—59 scheidet er nicht streng genug; 88 55—56 führt er ganz glaub- lich auf Cie. de amie. zurück. 5) Hirzel, Unters. II S. 507, 1, vgl. auch den III. Teil unserer Darstellung. °) Wenn Klohe p. 22 dem P. die $s 62—63 abspricht, quod ea animi elatio vituperatur, quae pro suis commodis pugnat, während P. bei Gell. N. A. XIII 28, ὃ Ε΄. und in Übereinstimmung damit bei Cie. off. 15, 17 lehrt, ut... animi excellentia magnitudoque cum in augendis opibus utlitatibusque et sibi et suis comparandis ... eluceat, so übersieht er, dass a. a. Ὁ. die Fort- ; setzung lautet: tum multo magis in his ipsis desnieiensE eluceat. Es wird also auch hier eine doppelte Art der Tapferkeit unterschieden, eine ge wöhnliche und eine hohe. Die letzte Art ist nur den grossen Männern eigen ΕἾ .-. ἃ Erd, an diese Erörterung beginnt Cicero $ 66 die nähere Ausführuns mit der Entwicklung der Eigenschaften, welche die Tapferkeit der grossen Männer kennzeichnet. Diese schreitet bis $ 69 m stetig, wenngleich auch sehr breit, vor; dann aber beginnt mit den Worten ‘multi autem et sunt etsq.’ eine Einlage, die augen- scheinlich bis $ 73 reicht: sie unterbricht den Zusammenhang, da der Gedanke, welchen $ 69 behandelt, erst $ 73 weitergeführt wird. Die Wiederaufnahme desselben in der Mitte des $ 72 ge- schieht aber fast mit denselben Worten, die wir $ 69 lesen, wo der Gedanke abgebrochen wird. Die Einlage ist eine Polemik gegen diejenigen, welche sich ohne genügenden Grund vom Staatsleben zurückziehen. Cicero führt dieselbe auch ausdrück- lich in eigenem Namen ($ 71) und gerät dabei in den oben angedeuteten Widerspruch). Es ist also nicht daran zu zweifeln, dass dieser Abschnitt eine Einlage ist. Scheiden wir sie aus, so rücken zwei Stellen nahe an einander, welche offenbar aus Pa- nätius entlehnt sind, nämlich $ 67: ea quae videntur acerba, quae multa et varıa in hominum vita fortunaque versantur, ita ferre ut nihil a statu naturae discedas, nihil a dignitate sapientis, ro- busti animi est magnaeque constantiae, und ὃ 75 si quidem nec anxii futuri sunt et cum gravitate constantiaque vieturi quae fa- eiliora sunt philosophis, quo minus multa patent in eorum vita, quae fortuna feriat. Beide Stellen gehören dem Inhalte nach zusammen und sprechen augenscheinlich von dem, was Gellius XII 28 aus dem zweiten Buche des Panätius überliefert. Die Fort- setzung dieser Stelle giebt $ 80---81 m?). Daraus folgt, dass die (vgl. 8. 66), um die es sich hier hauptsächlich handelt, da die andere Art erst $ 92 besprochen wird. Ferner heisst es auch 8 62: animi elatio .. . δὲ Tustitia vacat pugnatque non pro salute communi, sed pro suis commodis in vitio est, und in der nachfolgenden Ausführung wird stets der notwendige Zu- sammenhang dieser Tugend mit der Gerechtigkeit hervorgehoben. Diese Stelle spricht also nicht gegen das Streben, sondern gegen das ungerechte Streben nach Nutzen. An dieser Stelle ist also kein Widerspruch mit der Lehre des Panätius vorhanden. 1) Vgl. $ 71: si despicere se dieant ea, quae plerique mirentur, imperia et magistratus, iis... vitio dandum puto, mit $ 65: qui ex errore imperitae multitudinis pendet, hie in magnis viris non est habendus. Jene plerique sind doch identisch mit der multitudo, die hier imperita gescholten wird. 2) Treffend ist die Auseinandersetzung Klohes p. 4ff., p. 20ff. über diese Stelle des Gellius.. Auf $ 67 hat er nicht geachtet; bei $ 73 weist er noch auf die Übereinstimmung des Ausdrucks hin: fortunae verbera (Gell.), Schmekel, mittlere Stoa. 3 84. 14- 19 eine Einlage sind. Dies ergiebt sich auch daraus, dass der Gegenstand, der $$ 74—78 behandelt wird, später noch ein- mal und offenbar an der richtigen Stelle folgt, und sich Cicero hier auch selbst behandelt. Hierauf folgt in den $$ 82—91 die Abhandlung über die Bethätigung der Tapferkeit und zwar 1. unter schwierigen (sg 82—89), 2. unter günstigen Verhältnissen (88. %—91). Auch das Gebiet derselben ist doppelt. Das Kriegsfeld (s$ 82—84) und die Staatsleitung (88 85—89). Diese Einteilung dem Panätius zuzuschreiben lehrt vor allen Dingen der Inhalt der $S$ 85—89: Unter Berufung auf Plato spricht Cicero über die Pflichten der Staatsmänner; schon der Umstand, dass er mehrere Citate aus Plato bringt, lässt uns schliessen, dass er den Panätius vor sich hat. Dies bestätigt besonders $ 87. Daselbst verwirft er näm- lich in den tadelndsten Ausdrücken den Ehrgeiz und den Wett- streit um Ehrenstellen und belegt dies mit einem Citate aus Plato, das nur dem Fachmanne die Staatsleitung übertragen wissen will. Er gestattet nun 1110, 57 ff. derartige Schenkungen an das Volk, wie sie in Rom die höheren Staatsbeamten regel- mässig veranstalteten und verwirft hierbei sogar übermässige Spar- samkeit ($ 58), weil sie das Durchfallen bei den nächsten Wahlen im Gefolge habe. Hiermit erkennt er also die Recht- und Ge- setzmässigkeit der Wahlen durch das Volk und zugleich den Wettstreit um die Ehrenstellen vollständig an, ja noch mehr, die Unsitte jener Schenkungen. Er gerät somit in offenen Wider- spruch mit jener Stelle des ersten Buches, durch welche er sich in denselben Gegensatz zu den römischen Volkswahlen stellt, wie einst Plato zu jenen in Athen. Diese Thatsache beweist, dass die Platonischen Vorschriften über die Staatsleitung aus Panätius herübergenommen sind, dass also auch in der That die oben angegebene Disposition von Panätius aufgestellt ist. Dass Cicero in diesem Abschnitte auch genügend Gelegenheit hatte Zusätze zu machen, ist selbstverständlich?). fortuna feriat (Cie.). Viel mehr aber deckt sich, wie er richtig gesehen hat, s 80 m mit dem Bericht des Gellius. ') Uber das Verhältnis der Philosophen zu den Staatsmännern bemerkt Klohe p. 22 nach $ 73 u. 81 richtig: eos ... ne ingenio quidem philosophis posthabendos esse Panaetius putat. Warum sie hier nicht besonders be- rücksichtigt werden, lehrt 8 73. In den 88 88m—89 dürfen wir Panätius wohl wenig suchen. u en Kehren wir jetzt noch einmal zu S 66 zurück! schreibt daselbst: omnino fortis animus et magnus duabus maixime cernitur, quarum una a) in rerum externarum despieientia ponitur ... b) nullique neque homini neque perturbationi animi nec fortunae succumbere; altera est res, ut cum ita sis adfectus animo ... res “ geras magnas.. et maxime utiles, sed vehementer arduas plenasque laborum et periculorum. Den ersten Punkt behandeln die $$ 67—69m, 73, 80-81, und zwar die erste Hälfte desselben die $$ 67—68, die zweite die 88 69, 73, 80—81. Die Besprechung des zweiten Punktes folgt in den $5 82—89. Die erste Bestimmung desselben verlangt grosse Thaten; dass es sich in den $$ 82—89 um solche handelt, leuchtet von selbst ein. Die zweite fordert, dass dieselben auch nützlich seien; $ 84 tadelt daher den Callicratidas und Cleom- brotus, dass sie diese Rücksicht ausser Acht gelassen und da- durch. ihren Staat ins Unglück gestürzt hätten. Drittens lesen wir ὃ 83: periculosae autem rerum actiones ... alii de vita, alü de gloria et benevolentia civium in discrimen vocantur. Da wir gesehen haben, dass gerade von Panätius im folgenden Buche alles was — für grosse Männer — zum Leben nötig ist, unter gloria atque benevolentia zusammengefasst wird, so entspricht die vorstehende Stelle genau der dritten Bestimmung des $ 66: ut... res geras.. vehementer arduas plenasque laborum cum vitae tum multarum rerum, quae ad vitam pertinent. $ 66 enthält also die Disposition der nachfolgenden Abhandlung; der Schluss ist demnach sicher, dass diese dem Panätius gehört. Dies Resultat wird dadurch bestätigt, dass das Gegenstück zu dieser Darstellung, die Bestimmungen über die Bethätigung der Tapferkeit in glück- licher Zeit, die in den folgenden $$ 90—91 gegeben werden, aus Panätius entnommen sind, wie das Citat aus ihm beweist. Nach der Abhandlung über die Tapferkeit der grossen Männer folgt 8 92 die notwendige Ergänzung über das ent- sprechende Verhalten der gewöhnlichen Menschen. Sie ist des- wegen notwendig, weil die Tugend nicht bloss für hochbegabte Männer möglich ist. Schon deshalb gehen wir nicht fehl, wenn wir diese Berücksichtigung der gewöhnlichen Menschen bei Cicero auch auf Panätius zurückführen, zumal da dieser es auch sonst 5* Cicero rebus gethan hat (z. Β. $ 46). Dasselbe beweist auch der Inhalt: In voller Übereinstimmung mit $ 17 wird hier gerade auf den eigentlichen Erwerb, den eigenen Nutzen Rücksicht genommen. So stimmt denn, wie wir jetzt sehen, die ganze Abhandlung über die Tapfer- 4 keit vollkommen mit der oben erwähnten Stelle, an der wir? sicher nach Panätius lesen: animi excellentia magnitudoque cum in‘ augendis opibus utilitatibusque et sibi et suis comparandis, tum A multo magis in his ipsis despiciendis eluceat. Wenden wir uns jetzt noch zu dem Berichte des Gellius aus Panätius! Er schreibt XIII 28: Vita hominum, qui aetatem in medio rerum agunt ac sibi suisque usui esse volunt, negotia perieulaque .... fert. ad” ea cavenda atque declinanda .. animus atque mens... esse debet erecta, ardua, saepta solide, expedita, iam sollieitis nunquam conivens, nusquam aciem suam flectens, consilia cogitationesque contra fortumae verbera contraque insidias iniquorum . . proten- dens etsq. Auch wenn es hier nicht direkt gesagt wird, so ist es doch selbstverständlich, dass ein solcher Geist erst recht nicht der Leidenschaft ergeben sein darf. Vergleichen wir nun hier- mit ὃ 66, so wird auch hier von einem solchen gefordert: nulli ” neque homini neque perturbationi animi nee fortunae succumbere. Γ Ebenso wird auch hier der Nutzen geltend gemacht und nicht erst $ 92, nur mit dem Unterschiede, dass die gewöhnlichen Menschen auf ihren eigenen, die grossen auf den des Gemein- wesens sehen sollen. Da demnach $ 66 augenscheinlich mit jenem Bericht aus Panätius stimmt und die Disposition des Ab- schnittes über die Tapferkeit enthält, so haben wir noch einen neuen Beweis dafür, dass die dieser Disposition entsprechende Abhandlung ebenso wie sie selbst das Eigentum des Panä- tius ist!). Hierauf wendet sich Cicero zur vierten Tugend, zur Sophro- syne ($$ 95—132). Nach den einleitenden Bemerkungen sub- summiert er das Wesen derselben unter den Begriff decorum (πρέπον); weil jedoch dieser Begriff viel weiter ist, so folgt (ξ5 93—99) die Klarstellung desselben?). Scheiden wir in diesem ') Die Bedeutung des $ 66 hat Klohe nicht erkannt; er ist daher viel- fach zu unrichtigen Resultaten gekommen. — Da die Stelle des Gellius aus dem II. Buche des Panätius stammt, so folgt, dass dieses Buch in Wirk- lichkeit die praktische Tugend behandelte. °) $ 99 schliesst: his igitur expositis quale sit id, quod decere dieimus, intelleetum puto. Abschnitte zunächst 8 94m: itaque non solum etsq, bis $ 95m: ut venustas et pulchritudo etsq., dann ὃ 97 bis etwa $ 98m: ut enim pulchritudo corporis etsq. aus, so erhalten wir eine scharfe, klare und kurze Begriffsentwickelung: Das decorum im eigent- lichen Sinne ist wesentlich dasselbe wie das honestum; beide sind in Wirklichkeit stets vereint und nur begrifflich trennbar, ebenso wie die Schönheit des Körpers nur begrifflich von der Gesundheit losgelöst werden kann. Dieses decorum ist nun zweifach: 1. das decorum schlechthin und 2. dasjenige, welches innerhalb der einzelnen Tugenden statthat. Das erste deckt sich mit dem honestum, wie die beigefügte Definition zur Gewissheit macht); das zweite giebt die Art und Weise an, wie das erste innerhalb der einzelnen Tugenden erscheint. Beide sind also auch nur begrifflich von einander zu scheiden?). Die Verwirk- 1) Deeorum id esse, quod consentaneum hominis sit excellentiae in eo, in quo natura eius a reliquis animantibus differat. 2) Quae autem pars huie subiecta generi est, eam sie definiunt, ut id decorum velint esse, quod ita naturae consentaneum sit, ut in eo moderatio et temperantia adpareat cum specie quadam liberali. Diese Stelle ist von Klohe vollständig missverstanden. Unmittelbar vorher sagt Cicero yon diesem deeorum, dass es sich ad singulas partes honestatis beziehe, und ebenso kurz darauf, wo er zu diesem Gedanken zurückkehrt, $ 98: effieitur, ut et illud, quod ad omnem honestatem pertinet, decorum, quam late fusum sit, adpareat et hoc, quod spectatur in unoquoque genere virtutis. Es kann also unmöglich darunter nur das Wesen der vierten Tugend verstanden sein, wie Klohe meint, p. 25, 29. Dies beweist ebenso auch der schon oben geltend gemachte Grund: decorum totum illud quidem est cum virtute eonfusum, sed mente et cogitatione distinguitur. Kl. hat sich offenbar durch die Worte moderatio et temperantia zu dieser Annahme verleiten lassen, während diese beiden Worte hier, wie gezeigt, notwendig allgemein zu fassen sind. Dieser Umstand aber, dass er das Wesen des πρέπον hier verkannt hat, hat ihn zu weiteren Ansichten geführt, für die in Wahrheit kein Anhalt vorhanden ist. In diesen Erörterungen hat πρέπον nicht im geringsten die Bedeutung von aptum oder accommodatum; Kl. fasst es aber in (diesem Sinne (p. 24 ff.) und schliesst p. 25 v. 3 ff., Cicero habe in der Definition der der Sophrosyne untergeordneten χοσμιότης: ἐπιστήμη πρεπουσῶν χαὶ ἀπρεπῶν κινήσεων, in wel- cher sich allein das πρέπον in diesem Sinne finde, den Zusatz χινήσεων aus- gelassen und in den jetzt übrig bleibenden Begriff des πρέπον das ganze Wesen der vierten Tugend verlegt. Dieser Schluss ist also schon deswegen durchaus unrichtig, weil Cicero nicht von diesem Begriff des πρέπον ausgeht. Natürlich ist es weiter falsch, wenn Kl. der Darstellung Cieeros folgend die von uns angegebene richtige Bedeutung von πρέπον findet und nun schliesst: [ΟΣ ΞΘ lichung desselben im Leben erweckt nun den Beifall der Menschen gerade so natürlich wie die Schönheit. Daraus folgt, dass man das Urteil der Menschen berücksichtigen muss, weil es ein Grad- messer für die Verwirklichung der Tugend ist. Diese Erörterung hat Cicero augenscheinlich der Quelle entlehnt. Besonders be- weist dies auch die Folgerung, der Mensch müsse auf das Urteil seiner Nebenmenschen Rücksicht nehmen, da dieselbe erst von den nach Carneades lebenden Stoikern vertreten wurde, wie wir später sehen werden. Diese Gedankenreihe ist von Cicero durch die oben bestimmten Zusätze unterbrochen. Der erste derselben führt aus, dass das decorum in allen Tugenden zur Erscheinung kommt. Diese Ausführung ist hier unzeitgemäss: Vorher handelt es sich um die Erkenntnis, dass das decorum mit dem honestum so zusammenhängt, dass es nur begrifflich geschieden werden kann. Zur Erklärung dieses Satzes ist die genannte Ausführung unbrauchbar; vielmehr passt erst das vorhin angeführte Gleichnis zwischen der Schönheit und Gesundheit des Körpers ($ 95) vor- züglich zur Erläuterung des Verhältnisses zwischen dem decorum und honestum. Ferner lesen wir auch erst nachher ($ 96), dass das decorum in allen vier Tugenden erscheint, und offenbar als etwas Neues, das sachgemäss erst $ 100 ausgeführt wird. Augen- scheinlich also haben wir hier einen erläuternden Zusatz Ciceros vor uns. Die zweite Einlage sucht das decorum durch das Bei- spiel der Rollenverteilung bei den Dichtern leichter verständlich zu machen. Dass Cicero auch hier wesentlich selbständig spricht, beweist $ 97 auf den ersten Blick und ebenso auch die erste Hälfte des $ 98; denn wie der Schluss: effieitur, ut et illud, quod ad omnem honestatem pertinet, decorum quam late fusum sit adpareat, et hoc, quod spectatur in unoguoque genere virtutis aus den vorhergehenden Prämissen gezogen werden muss, ist unersichtlich. Klar dagegen wird alles, wie wir gesehen haben, sobald die Zusätze fallen. Nach der Erklärung des Begriffs ‘decorum’ geht die Abhand- lung ($ 100) zu der Konsequenz derselben über, indem sie als allgemeine Pflicht aus ihr die convenientia conservatioque naturae hinstellt und in jeder Tugend, besonders aber in der Sophrosyne Ciceronem sensim furtimque a priore notione τοῦ πρέποντος ad alteram trans- ire. Die weiteren Missverständnisse zu verfolgen ist überflüssig. das Wesen des decorum ausgedrückt findet. Dieses bildet den Übergang zu der speziellen Abhandlung über die letzte Tugend. Dieselbe erscheint 1. in den motus corporis, 2. in den motus animi. Diese Einteilung deckt sich mit der in die äussere und innere Thätigkeit, weil nicht nur Blick, Haltung und Bewegung, sondern auch die Unterhaltung zu der ersten Art der Bewegungen gerechnet wird'). Da nun die motus corporis von den motus animi abhängen, so behandelt die Ausführung zunächst die motus animi ($$ 101—125), dann die motus corporis ($$ 126—152). Die Ausführung beginnt mit der Definition der Sophrosyne (88 101—102), aus der die allgemeine Pflicht folgt, dass sich die Triebe der Vernunft fügen müssen. Dieser Abschnitt ist natür- lich dem Panätius entlehnt. Die Abhandlung über den Scherz (88 103—104) ist eine Einlage, da diese nach der Disposition erst in die zweite Hälfte dieses Abschnittes gehört und überhaupt hier wenig angebracht ist. Dasselbe lehrt auch $ 104 von selbst. Nach dieser Einlage folgt die Ausführung der allgemeinen Pflicht der Sophrosyne, und zwar zunächst in Bezug auf die niedere (88 105—106), dann in Bezug auf die geistige Natur des Menschen (88 107—125). Den letzten Abschnitt haben wir zunächst zu untersuchen. Nach der Darlegung, dass jeder Mensch von der Natur mit einer doppelten Persönlichkeit ausgestattet sei, fügt Cicero noch die Unterscheidung einer zweifachen hinzu ($ 115); diese ist sein Eigentum. Zunächst wird nämlich persona an beiden Stellen in verschiedenem Sinne gebraucht; an der ersten bezeichnet es die allgemeine und besondere Denk- und Empfindungsweise des Menschen, an der zweiten den Standescharakter, den derselbe entweder bei gewissen Umständen und Zeiten oder durch die Wahl des Berufs besitzt. Wenn auch persona beide Bedeutungen haben kann, so ist doch diese Zusammenstellung eigentümlich, und nicht nur dies, sondern geradezu falsch, weil, wie wir sehen werden, diese dritte und vierte Persönlichkeit mit der doppelten des Geistes mitgesetzt ist. Aus der letzteren hat nämlich Cicero vorher den Grundsatz abgeleitet, jeder müsse diejenige Beschäf- tigung treiben, für welche er nach seiner individuellen Natur am meisten geeignet sei ($ 114). Dann fährt er fort: Wenn uns die 1 $ 102: hiermit stimmt auch genau die folgende Abhandlung. a Notwendigkeit einmal zu Beschäftigungen dränge, welche unserm Geiste nicht entsprächen, so müssten wir die grösste Sorgfalt anwenden, um diese möglichst gut und ehrenvoll zu verrichten. Was bedeutet diese Bestimmung? Offenbar deckt sich diese eigenartige Aufgabe, welche uns nur zuweilen die Notwendigkeit aufdrängt, mit derjenigen, die den Charakter der dritten Person verleiht, die ja auch nur durch besondere Umstände und zu Zeiten eintreten kann. Dasselbe also, was hier als Ausnahme von der allgemeinen Regel hingestellt wird, finden wir unmittelbar nach- her noch einmal dazu verwandt, als Wesen einer neuen Persön- lichkeit zu gelten. Überblicken wir nun die nachfolgende Aus- einandersetzung über die Wahl des Lebensberufes, so zeigt die durch dieselbe hindurchgehende Grundbestimmung, dass jeder bei dessen Wahl auf seine individuelle Natur Rücksicht nehmen müsse, den engen Zusammenhang, in welchem dieser Abschnitt mit! dem vorigen steht: Er ist augenscheinlich die Anwendung jener vorher begründeten Bestimmung, dass jeder die Beschäf- tigung treiben müsse, für welche er nach seiner Natur am meisten geeignet sei. Der Lebensberuf verleiht aber die vierte Art der Persönlichkeit: Also ist auch die vierte Persönlichkeit keine be- sondere neben jener doppelten des Geistes, sondern deren ein- fache Folge. Die dritte und vierte Persönlichkeit sind also zu- gleich mit jener doppelten Persönlichkeit des Geistes gesetzt, da diese ihre psychologische Begründung enthält. Dieses Verhältnis hat Cicero dadurch zerstört, dass er sie als neu und unab- hängig neben jene setzte. Gleichzeitig hat er dadurch auch den Zusammenhang der Stelle verwischt, dass er die nachfolgenden Bestimmungen über die Wahl des Lebensberufes nicht auf jene Grundregel bezog, wie es dem Inhalte nach geschehen musste, sondern an diese neue Einteilung knüpfte. Noch ein weiterer Grund beweist, dass diese Aufstellung der dritten und vierten Persönlichkeit Cicero angehört. Kaum hat er nämlich dieselbe aufgenommen, so lässt er sie auch schon wieder fallen. Denn alles, was wir nachher hören, handelt über die Wahl des Berufes ; über die dritte Person wird kein oder kaum ein Wort hinzugefügt. Diese wird uns nicht nur durch Reichtum und edle Abkunft, son- dern namentlich durch regna, imperia, honores zuteil; über diese handelt er aber später (c. 34, 124). Was er also hier ausführen musste, trägt er in einem andern Zusammenhange vor, und zwar en, -- ohne auch nur die geringste gegenseitige Beziehung anzudeuten. Die Aufstellung der dritten und vierten Persönlichkeit ist also Ciceros Eigentum. Streichen wir sie, so tritt erst die zusammen- hängende Gedankenentwicklung klar zu Tage: Im Anschluss an die Darlegung der doppelten Persönlichkeit des Geistes und des daraus folgenden Grundsatzes für den dauernden und vorüber- gehenden Beruf entwickelt er zunächst die Pflichten für jenen (88. 115—121), dann diejenigen, welche nur für bestimmte Zeiten gelten ($$ 122—124). Dieser Grundsatz lautet $ 110: admodum autem tenenda sunt sua cuique, non vitiosa, sed tamen propria, quo facilius decorum illud, quod quaerimus, retineatur. Er bestimmt also das decorum und zwar als eine unmittelbare Folgerung aus der doppelten Persönlichkeit des Geistes, welche $ 107 angegeben und $$ 108—109 näher begründet ist'). In Wahrheit also be- stimmt dieser Abschnitt das zur Sophrosyne gehörige decorum genauer in Bezug auf die geistige Natur des Menschen, während der vorhergehende Abschnitt ($$ 105—106) dasselbe, wie gesagt, in Bezug auf die tierische Natur näher erläutert. Beide Ab- schnitte ergänzen sich also und gehören aufs engste mit der besprochenen Definition der Sophrosyne (88 101—105) zusammen, da diese das Thema ist, welches in denselben eingehend erörtert wird. Wenn uns nun schon dieser Zusammenhang sowie der Inhalt darauf hinweisen, dass wir hier den Panätius vor uns haben, so zeigt dies ausserdem auch die Arbeitsweise Ciceros, die wir vorhin an dem Abschnitt $$ 107—125 dargelegt haben. Es folgt jetzt der zweite Teil (88 126—151), die Lehre von dem decorum in der äusseren Erscheinung. Dieses ist die not- wendige Folge des vorhergehenden. Es tritt in dreifacher Hinsicht zu Tage ($ 126): im Handeln, im Reden und in der Haltung. Die Darstellung nimmt den umgekehrten Gang und spricht zu- nächst über die Haltung des Körpers (88 128—132), dann über das Reden (88 132—137) und zuletzt über das Handeln (ὃ 141 ff.). Diese klar gegliederte Abhandlung zerreisst Cicero dadurch, dass er zwischen den zweiten und dritten Teil noch Vorschriften über die Einrichtung des Hauses einschiebt (88 135—140), wie er $ 138 auch selbst andeutet. Betrachten wir diesen Abschnitt über das deeorum in der äusseren Erscheinung genauer, so sehen wir, 1) Diesen Zusammenhang hat Klohe p. 27 nicht erkannt. ee dass er noch in zwei Teile zerfällt: der erste fasst die Vor- schriften über die Haltung und die Rede zusammen; der zweite bietet die über das Handeln. Denn in den 88 126—123 werden jene beiden zunächst begründet und kurz skizziert, worauf die genauere Auseinandersetzung folgt über die Haltung ($ 123 Schl. bis 132 A.) und für das Reden (88 152—137). ὃ 141 folgt darauf die kurze Erörterung über das Handeln; dann (88 142—149) die über die εὐταξία und εὐκαιρία. Nach den Worten Ciceros müssten wir fast glauben, dass diese beiden Erörterungen nichts mit einander zu thun hätten; doch ist das Umgekehrte der Fall. Nicht nur die Kürze und Dürftigkeit, mit welcher das Handeln besprochen wird, sondern vor allen Dingen der Inhalt des zweiten Abschnittes ist es, der die enge Zusammengehörigkeit beider darthut. Die vielen Definitionen und griechischen Kunstausdrücke, mit deren Über- setzung sich Cicero hier abmüht, beweisen, dass er hier der Quelle folgt. Auch Kapitel 42 ist ein Zusatz Ciceros; denn 1. fällt es aus der Disposition heraus; 2. ist das Lob des Landbaues nur aus römischer Anschauung hervorgegangen, und 3. hatte Pa- nätius nach II 24,86 über den Erwerb nicht gesprochen, was hier Cicero thut. Die Thatsache nun, dass dieses Kapitel und Kapitel 39 Einlagen sind, die den Zusammenhang stören und die von Cicero selbst angegebene Disposition durchbrechen, beweist unumstöss- lich, dass diese Disposition aus der Quelle stammt. Überblicken wir jetzt die ganze Abhandlung über die Sophro- syne, so sehen wir, dass ihre Disposition fest gefügt und einfach zu gleicher Zeit ist, so dass sie grössere Lücken nicht wahrnehmen lässt und grössere Zusätze als solche kennzeichnet. Die Sophro- syne besteht in der richtigen Unterordnung der Triebe unter die Vernunft. Das decorum, das ihr entspricht, bestimmt die erste Hälfte der Ausführung zunächst in Bezug auf die Leidenschaften, dann in Bezug auf die Vernunft selbst, damit wir niemals ver- kehrt ἃ. h. unvernünftig handeln!). Dieses ist also augenschein- lich die Erörterung über die ἐγχράτεια, deren Definition lautet: ἐπιστήμη ἀνυπέρβατος τῶν zara τὸν 0090» λόγον φανέντων). Die zweite Hälfte fasst Cicero unter der verecundia®) zusammen, ') s$105f£.; 110£.; 144 wozu zu vergleichen ist, was wir oben gezeigt haben. 5) Diese und die folgenden Definitionen der Sophrosyne 5. bei Stob. ech Ip. 61, 7 #. ed. W. 5) vgl. 88 127, 128 m., 129 huius generis verecundia, 143. ι ἡ die hier dem gewöhnlichen römischen Begriff nicht. vollkommen aber dem der αἰδημοσύνη entspricht, die eine ἐπιστήμη εὐλαβητικὴ ὀρϑοῦ ψόγου ist. Denn zu wiederholten Malen!) wird darauf hin- gewiesen, dass die verecundia hauptsächlich den Beifall der Mit- menschen erwirkt, d. h. negativ ausgedrückt den Tadel meiden lehrt. Sie zerfällt wieder in zwei Teile, von denen der erste (88 127—137) die Vorschriften über die Haltung des Körpers und die Unterhaltung, der zweite ($$ 141—149) die über das Handeln giebt. Die letzteren gehören nach Ciceros eigener Angabe der εὐταξία an, der erste Teil dagegen deckt sich offenbar mit der vierten Spezialtugend der Sophrosyne, der xoowıorns, die als ἐπιστήμη πρεπουσῶν καὶ ἀπρεπῶν χινήσεων definiert wird. Denn wenn auch die Unterhaltung nicht oder weniger gut unter die χινήσεις gehört, so kann doch die χοσμιότης dieselbe durchaus umfassen und die Zusammenfassung und die gemeinsame Be- gründung beider bei Cicero (88 126—127) ist daher gewiss kein Zufall, sondern ein Beweis ihrer Zusammengehörigkeit. Mit Klar- heit und Übersichtlichkeit verbindet also diese Abhandlung den gesamten Inhalt, den die Stoiker unter dieser Tugend zusam- menfassten. Es ist demnach unzweifelhaft, dass sie in ihrer, Ge- samtheit dem Panätius gehört. Wir kommen zum zweiten Buche Ciceros. Den festgefügten Zusammenhang desselben haben wir bereits oben dargethan; wir haben deshalb nur kurz die selbständigen Zusätze und Änderungen Ciceros anzugeben. Gerade diese feste Fügung der Disposition hat es bewirkt, dass sich derartige Änderungen nur an solchen Stellen finden, welche einen Ruhepunkt in der Darstellung bieten. So begegnet uns zunächst eine Verkürzung ($ 16) am Schlusse der Darstellung der ersten Prämisse des langen Beweises, welcher das Thema dieses Buches spezialisiert und die $$ 11—17 um- fasst2). Der Abschnitt nach der Aufstellung der Disposition ἢ vgl..bes. 8 126. ?2) Die lange Ausführung dieser Prämisse könnte auffallen, doch leuchtet ihr Grund ganz von selbst ein. Für die zweite war eine solche Ausführung vollkommen überflüssig, da Dieaearch bereits in einem eigenen W erke (de interitu hominum) ihre Wahrheit erwiesen hatte. Für die erste, das Gegen- stück dieser zweiten, lieferte ihn Panätius und war darum so eingehend. Wenn irgend wo, so leuchtet es hier von selbst ein, dass Cicero das Citat aus der Quelle herübergenommen hat. Er kann dabei immerhin diese Schrift des Dicaearch auch selber gelesen haben. Mi ᾿ (33 23—29 m.), welcher zeigt, dass die Liebe, nicht die Furcht den Menschen bestimmen müsse, veranlasst Cicero zweimal dazu, in längeren Abschweifungen über die durch Cäsar geschaffene politische Lage Klage zu führen (88 23—24; 26—29). Hierauf folgt von c. 8, 29—14, 51 die erste Hälfte der Abhandlung, die den wahren Ruhm zum Gegenstande hat. Sie zerfällt in drei Abschnitte: Der erste (88 29—38) handelt über die drei Bestand- teile des Ruhmes; der zweite ($$ 39—43) über die notwendige Bedingung desselben, die Gerechtigkeit; die dritte (88 44-51) fügt die Gebiete und Gelegenheiten hinzu, wo und wie er erreicht wird. Von diesen schliesst sich der erste eng an Panätius an, wie der Inhalt überhaupt und das Zeugnis Ciceros ($ 35) be- weisen!). Auch in dem zweiten Teile folgt er ihm im wesent- lichen. Dies geht aus dem Anfange des $ 39 hervor, der uns auf die Einleitung dieses Buches ($ 11) verweist; auch dürfte wohl nicht das Citat aus Theopomp ($ 40) und noch viel weniger das aus Herodot Ciceros Eigentum sein. Denn wenn wir das, was Herodot von Deioces und seiner Ernennung zum Könige der Meder erzählt, mit der Geschichte des Romulus vergleichen, so zeigt sich in Wirklichkeit nicht eine Übereinstimmung, wie Cicero meint, sondern eine Verschiedenheit der Verhältnisse. Zu dieser schiefen Beziehung ist Cicero offenbar dadurch gekommen, dass er den Bericht seiner Quelle aus Herodot auch auf die römische Geschichte ohne weiteres übertragen hat. Der letzte Teil ist sicher wesentlich von Cicero überarbeitet; denn abgesehen von Be- scheidenheit und Ergebenheit, in denen man wohl nicht mit Un- recht eine Anspielung auf das gewünschte Verhalten des Sohnes erblicken darf, empfiehlt Cicero, um schnell zum Ruhme zu ge- langen, die eifrige Befolgung fast durchweg römischer Sitten. Auch die Einführung dieses Abschnittes ist durchaus persönlich. Dass Cicero jedoch auch hier nicht ganz selbständig gearbeitet hat, beweisen die $$ 48 und 51; denn niemand wird zunächst glauben, dass Cicero die Briefe Philipps an Alexander, Antipaters an Cassander und des Antigonus an seinen Sohn Philipp selbst gelesen und bei der Ausarbeitung zur Hand gehabt habe); ') Für 8 32 weist deswegen Klohe ganz richtig noch besonders auf die Ubereinstimmung mit I 14, 45 hin. °) Auf die Notwendigkeit dieser Annahme werden wir später zurück- kommen. Ἐξ = 8 51 aber beruft er sich ausdrücklich auf Panätius. Die Dar- stellung der Quelle ist hier also offenbar durch die Schilderung der römischen Verhältnisse wesentlich umgestaltet. j Es folgt die zweite Hälfte der Ausführung ($$ 52—85). In unmittelbarem Anschluss an die $ 23 gegebene Disposition be- handelt sie die zweite Art der Beweggründe, welche die Neigung der Nebenmenschen erwerben, nämlich die Wohlthätigkeit, die seitens der Empfänger auch Vorteil ist. Ebenso einfach und durchsichtig wie die Disposition des ganzen Buches ist auch die dieses Teiles. Cicero spricht hier zunächst über die Unterstützung durch Geld ($$ 52—64) und zwar: 1. allgemein ($$ 52—54), 2. über die verkehrte (88 55—60), 3. über die richtige Art der- selben ($$ 60—64); dann über die Unterstützung durch geistige Hilfsleistung (88 65—85) und zwar: 1. des einzelnen ($$ 65—71), 2. des gesamten Staates ($$ 72—85). Wir haben also Grund genug, diese Disposition ebenso gut für die des Panätius gelten zu lassen, wie wir die des ganzen Buches ihm haben zuschreiben müssen. Bestätigt wird dies dadurch, dass Cicero auch in diesem Abschnitt, den er verhältnismässig am freiesten wiedergegeben hat, den Panätius immer noch benutzt. Dies folgt zunächst aus $ 86: in his autem ütilitatum praeceptis Antipater ... duo praeterita censet esse a Panaetio. Denn es ist selbstverständlich, dass sich dieses Urteil auch auf das ganze Buch und nicht bloss auf den ersten Teil desselben bezieht. Klarer noch zeigen dies die Citate, und zwar zunächst das aus dem Briefe Philipps an Alexander ($ 53) und die beiden Citate ($ 56) aus Theophrasts Schrift über den Reichtum und aus einer verlorenen Schrift des Aristoteles. Denn wohl sicher dürfen wir annehmen, dass Cicero sie nicht aus dem Original herübergenommen hat, zumal da sie beide gegenüber gestellt werden und Theophrast getadelt wird. Aus derselben Schrift stammen augenscheinlich auch die Angaben, welche 8 64 gelobt werden. ὃ 60 ferner bringt direkt ein Citat aus Panätius und ebenso $ 76. Schliesslich wird sicher auch der lange Bericht aus der griechischen Geschichte ($$ 30—82) über Agis IV von Sparta und über Arat und seine Befreiung ‘Sieyons aus Panätius entlehnt sein!). Im übrigen aber ist dieser !) In den 88 53, 56, 60 und 76 erkennt auch Klohe die Benutzung des Panätius an; $ 56 jedoch nur für die aus Aristoteles eitierten Worte. Wenn er geneigt ist die Disposition dieses Abschnittes zum grössten Teil für das " a ΆΣΕΕ: Abschnitt von Cicero, der sich $ 60 sogar ein abweichendes Ur- teil erlaubt, sehr frei wiedergegeben und mit römischen Beispielen so durchsetzt, dass es weder möglich noch lohnend ist, eine” senaue Analyse vorzunehmen. Dieses Buch behandelt die Lehre vom Erwerb des Nützlichen. ᾿ Die Tugend, welche dabei in Betracht kommt, ist die praktische und von dieser wiederum weniger diejenige, welche sich auf den Menschen als Individuum, als diejenige, welche sich auf die Er- haltung der menschlichen Gesellschaft bezieht, d. h. die Gerechtig- keit, Wohlthätigkeit und Tapferkeit. Dieses Buch enthält also die Anwendung der Lehre des vorhergehenden; es ist darum notwendig, dass gerade jene Tugenden, in anderem Zusammen- hange natürlich, hier noch einmal behandelt werden. Der logische Zusammenhang der Darstellung tritt uns also nicht bloss inner- halb der einzelnen Bücher, sondern auch zwischen diesen selbst klar entgegen. Was wir nun bei diesen beiden Büchern noch selber wahrnehmen, dürfen wir mit Sicherheit auch von dem Zusammenhange der Darstellung der theoretischen und praktischen Tugend erschliessen. Diese logische, stets klare und durchsichtige Disposition im ganzen und im einzelnen, die schöne Sprache und der reiche und edle Inhalt lassen uns das begeisterte Lob ver- stehen, welches dieser Schrift gezollt wurde: Posidonius ... seribit .. P. Rutilium Rufum dicere solere . . ut nemo pictor esset in- ventus, qui in Goa Venere eam partem, quam Apelles incohatam reliquisset, abso!veret ... sic ea, quae Panaetius praetermisisset, propter eorum, quae perfecisset, praestantiam neminem perse- eutum). Eigentum Ciceros zu halten, so wäre dies an sich nicht unmöglich, doch in dem oben angeführten Zusammenhange scheint mir das Gegenteil gewiss zu seın. ') Cie. de off. III 2, 10. Cieero schreibt ebds. 8 7 über seine Bearbeitung dieser Schrift: Panaetius igitur, qui sine controversia de offieiis aceuratissime disputavit quemque nos correctione quadam adhibita potissimum secuti sumus etsq. Dies Urteil entscheidet, wie es in der vorliegenden Abhandlung voll- ständig bestätigt worden ist, auch noch einmal über die Ansicht Klohes im allgemeinen. Zählen wir nämlich die Paragraphen zusammen, in welchen er überhaupt nur eine Benutzung des Panätius annimmt, so bieten diese kaum den fünften Teil der Schrift Ciceros.. Rechnen wir hierzu die Zu- sammenziehung der Bücher und ihre Erweiterungen am Schlusse, so erhalten wir ein Resultat, das sicher nicht mehr eine Bestätigung des obigen Urteils de ρα, ί 7 ; u a ee ed καρ. ; Cic. de leg. I und de rep. I. $ 1. Komposition von de leg. I. Die Absieht Ciceros bei der Abfassung des ersten Buches de legibus lesen wir in der Einleitung desselben ce. 5, 17: natura enim iuris explicanda nobis est eaque ab hominis repetenda natura. Da indes die nachfolgende Abhandlung keineswegs die wünschenswerte Klarheit besitzt, so wird es gut sein, Gang und Inhalt des Beweises zu behandeln. Cicero unterscheidet, allerdings ohne diese Unterscheidung stets fest zu halten!), die beiden Begriffe lex und ius und fasst in offenbarem Anschluss an den griechischen Terminus νόμος lex als das Allgemeinere und ius als das Besondere, so dass das Letztere aus dem Ersteren hervorgeht, und nur das Erstere für die gegenwärtige Abhandlung in Betracht kommt. Er stellt demnach die Definition: lex est ratio summa, insita in natura, quae iubet ea quae facienda sunt prohibetque contraria, an den Anfang (c..6, 18) und beginnt, nach einer kurzen Erläuterung der- selben den Beweis (c. 7, 28): Da alles durch die göttliche Vor- sehung verwaltet wird, so verdankt auch der Mensch nur ihr sein Dasein. Dies erhellt besonders daraus, dass er allein von allen irdischen Wesen der Vernunft teilhaftig ist. Da somit die Vernunft Göttern und Menschen gemeinsam und diese gleich lex ist, so folgt, dass auch die lex und demgemäss auch das ius für beide gleich ist. Diejenigen aber, welche gleiches Gesetz (ius) haben, sind Bürger desselben Staates; Götter und Menschen ge- hören demnach einem Staatswesen an. Diese Gedankenreihen hängen so fest zusammen, dass ein Schlusssatz immer die Prä- misse des andern ist. Sie wird jedoch hier abgebrochen und erst cap. 10, 28 fortgesetzt, wie Cicero selbst es anzeigt: Sunt haec quidem magna, quae nune — die Beweise für die Vor- ist, zumal wenn wir bedenken, dass Cicero nicht der Mann ist, der aus über- grosser Bescheidenheit sein Licht unter den Scheffel stellt. 1) Er entschuldigt sich deswegen mit dem populären Charakter der Schrift, vgl. ce. 6, 19. a ΠἾ τπὶ ΣΕ ΩΝ ei (are an est praestabilius quam plane. ἢ intellegi nos ad iustitiam esse natos neque opinione sed natura Y constitutum esse tus. id iam patebit, si hominum inter ipsos societatem ο perspexeris. Offenbar nämlich kehrt er mit diesen Worten nach * der Abschweifung in den beiden vorhergehenden Kapiteln zu seiner Aufgabe zurück. Dies beweist auch der Inhalt der beiden Kapitel 10 und 11. Nach Ciceros Ansicht bieten sie allerdings einen neuen und selbständigen Grund für den Beweis, dass das Recht von Natur sei: in der That aber sind sie nur die Fort- setzung des im Kapitel 1 begonnenen Beweises. Denn da alle in ; diesen beiden Kapiteln angeführten Übereinstimmungen aus der Vernunft entspringen und diese als Gemeingut aller Menschen schon im 7. Kapitel an die Spitze der Erörterung gestellt ist, so geht unzweideutig daraus hervor, dass die Kapitel 10 und 11 keinen wesentlich neuen und selbständigen Grund enthalten, sondern nur die zweite Hälfte des im 7. Kapitel begonnenen Be- weises und daher nicht getrennt von Kapitel 7 gedacht sind. Der Zusammenhang ist also folgender: Der Besitz der Vernunft be- i dingt sowohl die Zusammengehörigkeit der Menschen und Götter (Kap. 7), als auch die der Menschen unter einander (Kap. 10 und 11). Dieser Zusammenhang wird durch die beiden Kapitel 8 und Ὁ. gestört; also sind sie hier auszuscheiden. Zu demselben Ergebnis werden wir noch durch eine andere Stelle geführt. Nachem Cicero die Zusammengehörigkeit der Menschen sowohl aus ihrem vernünftigen als auch ihrem ver- kehrten Treiben dargelegt hat, schliesst er $ 33: sequitur igitur ad participandum alium ab alio communicandumque inter omnes | | ius nos natura esse factos. Aus der blossen Übereinstimmung der Menschen, wie sie hier dargelegt ist, lässt sich diese Folge- rung keineswegs ziehen. Denn durch sie ist nur eine vernünftige Gemeinschaft aller Menschen und somit die Grundlage und Mög- lichkeit eines wechselseitigen Verkehrs dargethan; doch ist damit | nicht bewiesen, dass die Menschen von Natur dazu verpflichtet sind, das Recht zu üben. Diese Folgerung gilt nur unter der Voraussetzung, dass das Recht auf der Vernunft und nicht auf einem Übereinkommen beruht. Denn wenn es auf einem Über- einkommen beruht, so sind die Menschen, mögen sie immerhin eine vernünftige Gemeinschaft bilden, nie von Natur verpflichtet, u ἐΞ das Recht zu pflegen. Jener Schluss ist also erst auf Grund der im 7. Kapitel ausgesprochenen Annahme berechtigt, dass die recta ratio — lex ist; daher wird auch jener Kettenschluss aus Kapitel 7 hier nach der besprochenen Folgerung zur Begründung wiederholt: quibus enim ratio data est, iisdem etiam recta ratio data est: ergo et lex, quae est recta ratio in iubendo et vetando;: si lex, ius quoque. et omnibus ratio: ius igitur datum est omnibus. Dies bestätigt nicht nur die Richtigkeit der vorhin entwickelten Gedankenverbindung, sondern zeigt auch wiederum, dass die Kapitel 8S—9 in diesen Zusammenhang nicht hineingehören. Sehen wir uns jetzt diese beiden Kapitel selbst etwas genauer an. Zuerst beweist Cicero in den $$ 24—25 durch zwei weitere Gründe die Verwandtschaft zwischen den Menschen und Göttern, die er im Kapitel 7 regelrecht erschlossen hat; dann in den $$ 25—27 die Verwaltung -der Welt durch die Vorsehung der Götter. Die beiden ersten Gründe dieses Kapitels für die Verwandtschaft der Menschen und Götter, die als neue eingeführt werden, sind that- sächlich keine neuen Gründe mehr; sondern in denjenigen ent- halten, welche im Kapitel 7 vorgebracht sind. Denn was wir zu- nächst $ 22 lesen: animal hoe providum ... quem vocamus hominem, praeclara quadam condieione generatum esse a supremo deo. solum est enim ex tot animantium generibus atque naturis particeps rationis et cogitationis, lesen ‚wir ebenso, nur etwas erweitert, 8 24. Ebenso verhält es sich mit dem zweiten Grunde: jam vero virtus.eadem in homine ac deo est neque alio. ullo ingenio praeterea, est autem virtus nihil aliud nisi perfecta et ad summum perducta natura; est igitur homini cum deo simi- itudo. Was heisst nun perfecta et ad summum perdueta natura? Was heisst virtus? Diese kommt, ‚wie hier gesagt wird, nur Göttern und Menschen zu. Nach $ 22 ist aber diesen. beiden vor allen anderen Wesen die ratio gemeinsam; demnach. ist die perfecta natura dasselbe wie ratio recta.oder perfeeta. Da nun an unserer Stelle ($ 25) die virtus als die perfecta natura definiert wird, so ist sie nichts Anderes als die recta oder perfecta ratio, wie. Cicero anderweitig (vgl. $ 45) auch selbst sagt. Demnach gebraucht hier Cicero eben dasselbe zum Beweise, wie vorhin; denn beide Male schliesst er aus der Gemeinsamkeit der Vernunft auf die Verwandtschaft, nur wechselt er mit dem Ausdrucke. Also ist auch der Beweis, der hier als ein neuer vorgetragen Schmekel, mittlere Stoa. 4 Ἐν wird, in Wirklichkeit nicht neu, sondern schon im Kapitel 1 da-, gewesen. Hierauf folgt eine Menge von ‘Beweisen für das- Dad und das Walten der Götter!). Ist es nötig, das diese hier aufgezählt werden, und stehen sie’am gehörigen Orte? Der geeignete Ort sie vorzubringen ‘ist jedenfalls nicht hier, sondern $ 21, wie Cicero selbst angiebt — die Worte sind an Atticus gerichtet — nam si hoc (sc. deorum providentia omnia regi) non probas, ab eo nobis eausa ordienda est potissimum. Atticus' giebt es zu; doch da er es ohne Überzeugung thut, so: erklärt Cicero nicht fortfahren zu wollen; dennoch geht er weiter. Was er also dort hätte thun müssen, das holt er hier nach ($$ 25—27). Cicero selbst beweist somit, dass er hier eine Einlage macht. Wie nun Cicero e. 11, 29 die Rückkehr zum Thema andeutet, ebenso und noch klarer zeigt er es auch hier an, dass er diese beiden Kapitel einschaltet. Denn wenn er (ec. 8, 24) schreibt: nam’ cum de natura hominis quaeritur u. s. w. und die Entstehung des Menschen vorträgt, so zeigt-er zunächst schon durch die Partikel ‚nam’ an, dass das folgende zur Begründung für den. vorher- gehenden Abschnitt nachgetragen wird. Am: Schlusse derselben: aber schreibt er $ 27: neque enim omnia sumt huius disputationis ac temporis et hune locum satis, ut mihi videtur, in iis libris, quos legistis, expressit Scipio. Nach seiner eigenen Angabe also ge- hören diese Beweise nicht hierher, sondern sind aus der Schrift vom Staate wiederholt. Und nun noch eines! Wir werden im folgenden Abschnitte sehen, dass diese Abhandlung über den Ur- sprung des Rechts sich mit dem zweiten Teile des dritten Buches: de re publ. deckt; diese hier aus jenem Werke angeführten Be- weise für das Dasein und die Vorsehung der Götter stammen’ aber aus dem Anfange des vierten Buches jener Schrift, wie: Laktanz bezeugt; Also sind diese beiden Kapılz hier thatsächlich- von: Cicero eingeschoben, Die Kapitel 7, 10 und 11 bilden somit einen ierke zu- sammenhängenden Beweis, dessen Ergebnis einerseits der Schluss ist, dass Menschen und Götter gleiches Recht haben und einem: ») Übrigens wird auch der erste Beweis dazu verwendet das Dasein der Götter zu beweisen. Es ist daher klar, däss-Cieero diese Stelle seinem. Zwecke gemäss etwas: geändert hat. > = 51 — Staatswesen angehören; und andererseits, dass die Menschen von Natur und nicht etwa infolge eines Vertrages zur Rechtsmitteilung verpflichtet sind. Hiermit ist demnach sowohl der Ursprung und der Umfang des Rechts als auch das Motiv zur Anwendung des- selben vorgetragen. Doch dass das Recht von Natur sei, ist zwar vorgetragen, aber nicht derart bewiesen, dass der Gegner besiegt wäre. Denn wenn Cicero beweisen wollte, dass das ius von Natur sei, so musste er, da er es auf die lex gründete, zeigen, dass die lex von Natur sei. In der Definition aber, die wir am Anfange des sechsten Kapitels lesen: lex est ratio summa insita in natura, quae iubet ea, quae facienda sunt prohibetque contraria, ist dieser Beweis einfach vorausgesetzt; denn das nach- folgende Resultat stützt sich auf die Annahme, dass die lex — ratio recta insita in natura sei, was ja gerade zu beweisen war. Dies sagt Cicero auch selbst, wenn er am Schlusse dieses Teiles c. 12, 34 schreibt: quae pr@emuniuntur omnia reliquo sermoni disputationique nostrae, quo facilius ius in natura esse positum intelligi possit. Das Gleiche müssen wir auch aus dem er- schliessen, was wir $ 16 lesen: in hoc ista patefieri, quod sit homini a natura tributum ... quae sit coniunctio hominum, quae naturalis societas inter ipsos. his enim explicatis fons legum et iuris inveniri potest. Die Erörterungen, deren notwen- diges Vorausgehen vor der eigentlichen Aufgabe er hier anzeigt, sind diejenigen, welche in diesen Kapiteln in Wirklichkeit aus- geführt werden. Der eigentliche Beweis also, dass das Recht von Natur sei, ist demnach noch nicht dagewesen'). Das folgende Kapitel hat mit der Sache nichts zu schaffen; zu dieser kehrt er erst im Kap. 14 zurück. In unmittelbarer Fort- setzung des ersten Teiles weist Cicero hier zunächst die beiden Motive der Gegner zurück: die Menschen würden im gegenseitigen Verkehr einerseits durch Furcht vor Strafe bestimmt, das be- stehende Recht zu beobachten, und andererseits durch den Vor- teil, der die Menschen veranlasse, wo es möglich sei, selbst mit Umgehung des Rechts zu handeln. Cicero widerlegt diese durch den Hinweis auf die Strafen des Gewissens und durch die Kon- ἡ Wenn Cicero also bei der Wiederaufnahme seines Themas c. 10, 28 schreibt: id (se. natura eonstitutum esse ius) iam patebit, si hominum inter ipsos societatem coniunctionemque perspexeris, so Ist er zum mindesten un- genau. 4 + Ἐξ ΤΠ». ἘΞΞ sequenz ihres Standpunktes, indem er nicht mit Unrecht ausführt, dass bei dieser Auffassung von den Begriffen »Gerecht und Un- gerecht, Gut und Böse« überhaupt nicht mehr die Rede sein könne, sondern nur noch von Schlauheit und Dummheit. Darauf wendet er sich gegen die Ansicht der Gegner über das Wesen des Rechts und zeigt in den $$ 42—44 die Verkehrt- heit derselben gleichfalls aus der Konsequenz: Sei das Recht nichts anderes als der Wille und Vorteil des Gebietenden, so müssten auch alle Bestimmungen der schlechtesten Tyrannen als recht und gerecht anerkannt werden. Ebenso müsste es möglich sein in jedem Augenblicke alles Schlechte, wie Stehlen, Rauben, Morden wenn es beliebte, zum Recht zu erheben, was doch widersinnig sej. Jetzt, nachdem die Ansicht der Gegner widerlegt ist, folgt in zwei!) langen Schlüssen die positive Zurückführung des Rechts auf die Natur ($$ 44m—46). Dieses geschieht dadurch, dass das ius unter das honestum subsummiert und für dieses der Ursprung aus der Natur bewiesen wird. Der Schluss ist in Kürze folgen- der: Alle virtus sowohl bei den Tieren wie bei den Menschen beruht auf dem ingenium, alles ingenium aber auf der Natur; also auch alle virtus auf der Natur. Nun ist das ingenium der Menschen die ratio; demnach ist die virtus die perfecta oder recta ratio und somit von Natur. Nach der χοινή ἔννοια ist das honestum der Inhalt der Tugend; ein Teil des honestum aber ist das Recht. Da nun die Tugend auf der Natur beruht, so gilt gleiches auch von dem honestum und somit auch vom Recht, was zu beweisen war. Der:zweite Beweis thut gleichfalls dar, dass das honestum und somit auch das Recht auf der Natur beruht, ohne es jedoch mit der virtus in Verbindung zu bringen. Materiell stützt es sich auf die im griechischen Volksbewusstsein allgemein zugestan- dene und giltige Anschauung, dass das καλόν auch das ἀγαϑόν sei. Das Verfahren ist eine deductio ad absurdum, nach stoischer Manier in einen Kettenschluss gekleidet: Das honestum ist offen- bar etwas Lobenswertes; das Lobenswerte enthält aber ein Gut (bonum, ἀγαϑόν), weswegen es gelobt wird; dieses Gute ist ') Scheinbar sind es nach Cicero vier Beweise, in Wirklichkeit aber sind es nur zwei. Denn die ersten drei bilden nur einen einzigen, wie der Inhalt beweist und auch die Partikel ‘nam’ zeigt, durch welche sie verbunden sind. Ε΄: —, ΎΕΕΝ τος seiner Natur nach, nicht infolge der Einbildung gut; denn wenn es nicht so wäre, so beruhte auch unser Glück, das auf dem Guten beruht, auf Einbildung, was lächerlich ist; somit hat auch das honestum ein Gut in sich, weil es lobenswert ist, und beruht demnach auf der Natur. Die Sache ist klar, wenn auch sehr schwerfällig. Diese Zurückführung des Rechts auf die Natur ist in Wahrheit bindend für alle diejenigen, welche wie die Griechen und die philosophierenden Römer sittliche Tugend von der phy- sischen Tüchtigkeit nicht unterscheiden konnten oder unterschieden. Demnach ist es thatsächlich ein Beweis und keine Behauptung mehr, dass das Recht auf der Natur beruht. Nur ein Einwand ist noch vorhanden: Wenn das Recht auf der Vernunft beruht und von Natur in den Menschen hineingelegt ist, wie ist alsdann in Bezug auf das Recht eine so grosse Verschiedenheit in dem Denken und Handeln möglich? Dieser Einwand, auf den sich die Gegner zur Begründung ihrer eigenen Ansicht beriefen, wurde natürlich gegen die obige Lehre geltend gemacht. Er wird des- wegen auch hier berücksichtigt und im $ 47 erklärt, wenngleich er nicht in der Form eines Angriffs vorgebracht und zurück- gewiesen wird: Falsche und verkehrte Lehre verderbe und verwöhne den Geist bei den verschiedenen Menschen in verschie- dener Weise von Jugend an, und Wollust und Vergnügungssucht setzten fort, was jene begonnen hätten. Dieses sei der Grund für die verschiedenen Überzeugungen bei diesen Begriffen. Diese Verschiedenheit sei also weder die Schuld der Sache selbst noch der Vernunft, sondern entspringe einer mangelhaften und ver- kehrten Erziehung. Eine vernunftgemässe Erziehung würde dem- nach ohne weiteres den Einwand verstummen lassen. Vergegenwärtigen wir uns jetzt kurz den Gang der Handlung: Zuerst wird Wesen und Umfang des Rechts vorgetragen und im Zusammenhange damit das Motiv zur Rechtspflege. Hierauf werden die Motive der Gegner widerlegt und dann das Wesen des Reehts nach der Meinung der Gegner aus den Konsequenzen zurückgewiesen. Darauf ‘wird mit grossem Gewicht der die eigentliche Aufgabe ausmachende Hauptgrundsatz, dass das Recht von Natur sei, bewiesen und zuletzt der Einwand, der sich gegen diese Lehre erheben lässt, widerlegt. Wenn nun auch diese Dis- position nicht die einzig mögliche ist, und wir vielleicht den di- rekten Erweis der Lehre am Anfange wünschen würden, 50 ist ἘΞ -- doch zuzugeben, dass sie klar und vollständig ist. Die Ansicht der Gegner wird nach allen Seiten hin widerlegt, die eigene nach allen Seiten hin bewiesen und auch der gegen sie erhobene Einwand entkräftet. Offenbar ist der Gegenstand erledigt. Cicero selbst erklärt dies auch!); gleichwohl fährt er fort noch in zwei ganzen Kapiteln die Ansicht der Gegner zu bekämpfen und zwar 7 zum Teil mit denselben Gründen wie vorher”). Auch einige neue Beweise werden noch gebracht, wenn sie auch nur von geringer Bedeutung sind, $ 48: Alle guten Menschen lieben das Gute, das Recht um seiner selbst willen; ein guter Mensch irrt sich nicht: - Also ist das Recht um seiner selbst willen zu pflegen. 8 52: Angenommen die Tugend ist nicht um ihrer selbst willen zu erstreben, 50 ist Anderes besser als sie; also entweder Geld oder Ehre oder Schönheit oder Gesundheit oder Vergnügen. Erstere sind an sich wenig wert und auch nicht andauernd, also nicht wichtiger als die Tugend; in der Verachtung des letzteren aber, des Vergnügens, zeigt sie sich hauptsächlich. Etwas ganz Neues ist allerdings auch dies nicht; denn in der Zurückweisung des Einwandes gegen die stoische Lehre $ 47 ist auch dies schon enthalten. Als die beiden Gründe für die Verkehrtheit: des Ur- teils werden daselbst der consensus der Menge und die Wollust genannt. . Der consensus der Menge preist nun Reichtum, Ehre und Schönheit, die oben ($ 47) auch aufgezählt werden. Wenn demnach dieser und die Wollust als verkehrt zurückgewiesen werden, so ist damit auch der Beweis ($ 52), dass weder Geld noch Ehre noch Schönheit noch Vergnügen höher als die Tugend stehen, darin enthalten, wenn er auch anders gewandt ist. Da also die Gründe in diesen beiden Kapiteln wesentlich dieselben sind, die Cicero schon vorher gegen die Gegner geltend gemacht hat, so hat er offenbar diesen Abschnitt zu seiner eigentlichen Quelle hinzugefügt sei es von seinem eigenen Gute oder nach einer anderen Schrift: Nehmen wir diese und ebenso die beiden vorhin eingeschalteten Kapitel 8 und 9 weg, so erhalten wir eine wohlgefügte, gut zusammenhängende Lehre. - Jene Zuthaten aber zerstören und zerreissen die Einheit der Darstellung. ') e. 18, 48: sequitur ut conclusa mihi iam haec sit omnis oratio, id quod ante oculos ex iis est, quae dieta sunt, et ius et omne honestum sua sponte esse expetendum. ?) Vgl. 8 4l.mit $ 49 und 8 43 mit $ 48. $ 2. Cie. de rep. III = de leg. 1. Bereits im vorigen Paragraphen haben wir gesehen, dass “uns Cicero in: seiner Schrift von den Gesetzen (I 9, 27) auf die vom Staate verweist, in der die nähere Begründung der. dort nur angedeuteten Lehre zu finden sei. Wie eng diese beiden Schriften zusammenhängen, ist allgemein bekannt; Cicero selbst giebt ausdrücklich an, dass die Gesetze .eine Ergänzung ..der Staatslehre seien). Dieser Umstand ist für weitere Unter- suchungen: gewiss nicht gleichgiltig. Wenden wir uns also jetzt zu dem dritten.Buche dieser Schrift. ' Es: ist zum.grössten Teile noch erhalten;' wenigstens ist es derarf, dass wir seinen Gang und Inhalt zumal an der Hand der allgemeinen Übersicht, die Augustin?) übermittelt hat, für: den vorliegenden Zweck genau genug ‘erkennen können. Nach den: einleitenden‘ Bemerkungen c. 5,.8 hat es’ Furius Philus unternommen, die Sache derer .zu vertreten, die: behaupten, . sine iniustitia.. geri non: posse rem publicam. Darauf folgt die Zurückweisung dieser Ansicht durch Lälius c. 21, 32—30, 42. Seipio stimmt .alsdanr: dem: Lälius zu, wiederholt kurz und zusammenfassend das, was er im ersten Buche über den Begriff des Staates und die Staatsformen gesagt hat, und betont gemäss ‘der eben geführten Verhandlung, dass strenge Gerechtigkeit das Prinzip der Staatsverwaltung sein müsse, und dass überhaupt nicht von einem Staate die Rede sein könne, 'wo dies nicht der Fall sei (c. 31, 43). Was noch hinzugefügt wird, sind nebensächliche Punkte. τς Den Hauptgegenstand des dritten. Buches bildet also die Ver- handlung über die Gerechtigkeit. Der Gegensatz der Meinungen über die Rechtsgrundlage und Rechtspflege eines Staates, welcher hier zum Ausdrucke kommt, entspringt aus der. verschiedenen Auffassung vom Ursprunge des Rechts. Ist das Recht von Natur, so ist es klar, dass auch der Staat dem Rechte gemäss verwaltet werden muss; ist'das Recht eine Erfindung der Schwächeren (8. 23), ist es nur ein aus Nützlichkeitsgründen geschlossener Vertrag, so wird sich natürlich der Staat, so oft sein Vorteil mit dem Rechte streitet, zu Gunsten seines Vorteils entscheiden; der 1) de legg. I 6, 20; I 5, 15; II 10, 23; IIT 2, 4; III 14, 32. 2) de εἶν. D. II 21; vgl. die praefatio. leitende Grundsatz wird sein: sine iniuria geri non potest res publica. Daher bildet auch in Wirklichkeit die Frage über den Ursprung des Rechts sowohl in dem ersten wie in dem zweiten Teile den Kernpunkt der Erörterungen. Während nämlich Furius‘ zu erweisen sucht, dass die Menschen nicht.infolge des natürlichen Rechtsgefühls gerecht seien, sondern aus Furcht vor Strafe, dass Gerechtigkeit und Vorteil sich einander ausschliessen, und dass es zwar ein natürliches Recht gebe, dieses aber nicht das Recht der Wirklichkeit sei!), verteidigt Lälius den entgegengesetzten Standpunkt und gründet alles Recht auf die Natur, wie wir nicht nur aus den Fragmenten erschliessen können, sondern Cicero auch ausdrücklich berichtet ($ 38). Wir haben hier somit den- selben Gegenstand vor uns wie im ersten Buche der Gesetze. Doch nicht allein diese Thatsache tritt uns klar entgegen, sondern auch die, dass er in beiden Büchern auf dieselbe Weise behandelt ist. Dieses zeigt die Übereinstimmung im einzelnen sowohl wie im Gange und der Art der Widerlegung. Wir vergleichen zuerst die Definition der lex, welche Lälius am Anfange seiner Rede giebt, mit der in de legibus. de leg. I 6,18: lex est ratio summa insita in natura . . cuius ea vis sit, ut recte facere iubeat, vetet delinquere. II 6, 14: lex autem illa, cuius vim explicavi, neque tolli neque abrogari potest. II 4, 8: legem neque hominum ingeniis excogitatam nec scitum aliquod esse populorum, sed aeternum quiddam quod univer- sum mundum regeret .. ita prineipem legem illam et ulti- mam mentem esse dicebant om- nia ralione aut cogentis aut ve- tantis dei. de rep. 22, 33: . . est quidem vera lex recta ratio naturae congruens . . quae vocet ad officium iu- bendo, vetando a fraude deter- reat ... huie legi nec abrogari fas est neque derogari ex hac aliquid licet neque tota abrogari potest, nec vero aut per sena- tum aut per populum solvi hat lege possumus . .. nec erit alia lex Romae, alia Athenis alia nunc alia posthac, sed est omnis gen- tis et omni tempore una lex et sempiterna et immutabilis con- tinebit unusque erit communis quasi magister et imperator omnium deus. ) «. 11, 18; 12, 20;.12,7215; 165265219, 79 17, 23: parent autem (sc. ho- mines et dei) huice caelesti de- seriptioni mentique divinae et praepotenti deo .. [Diejenigen, welche nicht ge-- ... cui quinon parehit, .ipse se horchen] (I 14, 40) poenas luunt fugiet acnaturam hominis asper- non tam iudiciis . . sed eos agi- natus hoc ipso luet maximas tant insectanturque furiae..an- poenas, etiam si cetera suppli- gore:conscientiaefraudisque eru- cia quae putantur effugerit. ciatu: ἡ | _ Die Übereinstimmung beider Teile ist vollkommen klar. Da Philus die Gegenpartei vertritt, so verkündigt er natürlich die- selben Ansichten, die in de legg. widerlegt werden. Wird hier also die Ansicht bekämpft, dass alles nur nach dem Vorteile beurteilt werden müsse, so verteidigt Furius dieselbe $ 21. Ebenso findet er es recht, Unrecht zu thun, wenn man es nur heimlich und ohne sich zu schaden vollbringen könne (c. 15, 25); als abscheulich wird dies de leg. 115, 42 verworfen. In gleicher Weise leugnet er ferner c. 16, 26: sapientem ideirco virum bonum esse, quod eum sua sponte ac per se bonitas et iustitia delectet, sed quod vacua metu, cura, sollieitudine, periculo vita bonorum virorum sit. Gegen diese Ansicht wiederum streitet Cicero de leg. 1 14, 40. Doch klarer tritt die‘ Übereinstimmung wieder hervor, wenn wir die Widerlegung der gegnerischen Lehre durch Lälius mit der Ciceros in de leg. I vergleichen: de leg. de rep. I 14, 41: tum qui non ipso 27,39: ... cum ea re bonum honesto movemur, ut boni viri virum opportere esse dicant, ne simus, sed utilitate aliqua atque malum habeat, non quo id na- fructu, callidi sumus, non boni: tura rectum sit, non intellegant, nunquam ob eam causam nega- se de callido homine loqui, non bit, quod id natura turpe iudi- de bono viro. cet, sed quod metuat ne emanet, id est, ne malum habeat ... . 115, 42: iam vero illud stul-. 35,50'):non iura dicenda sunt ») Dieses Fragment hat C. F. W. Müller zwar ausgelassen, aber Augustin giebt selbst an, dass er hier die Ansicht Ciceros referiert; deswegen sind wir berechtigt diese Stelle zum Vergleiche heranzuziehen. je ee tissimum, existimare omnia iusta wvel putanda. iniqua hominum esse, quae saneita sint in populo- eonstituta (vgl. auch c. 32, 44). ruminstitutisautlegibus. Etiam- ne, si quae leges sint tyranno- rum. τ Ὲ : ᾿ Die Übereinstimmung dieser Stellen ist augenscheinlich. Wir wenden uns jetzt zu dem allgemeinen Gange und der Art der Beweisführung der beiden .Abhandlungen. Über das Resultat der Rede des Lälius berichtet Laktanz!), nachdem er die Unterscheidung der iustitia eivilis und naturalis, welche Car- neades gemacht hatte, besprochen hat: arguta haec plane ac venenata sunt et quae M. Tullius non potuerit refellere. nam cum faciat Laelium Furio respondentem pro iustitiaque dicentem, inrefutata haec tamquam foveam praetergressus est, ut videatur idem Laelius non .naturalem, quae in crimen stultitiae venerat, sed illam eivilem defendisse iustitiam, quam Furius sapientiam quidem esse concesserat, sed iniustam. Auf diese Zweiteilung der iustitia war also Cicero direkt nicht eingegangen, um sie etwa so zu beseitigen, wie Laktanz es thut, welcher sie rundweg verwirft; dass er gar nicht auf sie eingegangen sei, ist ein Urteil, das Laktanz fällte, wir aber durchaus nicht zu unterschreiben brauchen. Denn das Gegenteil dürfen wir einmal schon aus seinen Worten schliessen: ut videatur idem Laelius non natura- lem ... sed. illam civilem defendisse iustitiam, und ist zweitens nach den Fragmenten über allen Zweifel erhaben. Denn um alle anderen zu übergehen, so zeigt es schon das erste (c. 22, 33) zur Genüge: est‘ quidem vera lex recta ratio, .natura congruens, diffusa in omnis, constans, sempiterna . . et omnis gentis et omni tempore una lex et sempiterna et immutabilis continebit unusque erit communis quasi magister et imperator omnium deus . . cul qui non parebit, ipse se fugiet ac naturam hominis asper- natus hoc ipso luet maxımas poenas, etiam. si cetera supplicia quae putantur effugerit. Aus dieser ganzen Stelle, namentlich aber aus den letzten Worten, geht die Berücksichtigung jener Unterschei- dung unwiderleglich hervor. Denn die Einteilung der Strafen in die eigentlichen, die poenae maximae, und in die supplieia quae putantur, entspricht eben jener Zweiteilung der Gerechtigkeit: ') inst. div. V 16=Cic. de rep. III 20, 31. ZT Der iustitia naturalis folgen die poenae maximae, der iustitia eivilis die supplicia quae putantur, wie auch de leg. I 14, 40f. beweist. Ebenso deutlich wie das Eingehen auf diese Unterschei- dung sehen wir ferner noch, wie er dieselbe benutzt, nicht um mit Carneades daraus die Unvereinbarkeit der beiden Arten der Gerechtigkeit zu erschliessen, sondern um ihre Unzertrennlichkeit darzulegen. Denn wenn er c. 26, 38 schreibt: nisi aequitas, fides, iustitia, profieiscantur a natura, et si omnia haeec ad .utilitatem referantur, virum bonum .non posse reperiri, so verteidigt er damit nicht die civilis iustitia als solche, sondern er beweist vielmehr, dass .die wahre civzls iustitia auch die iustitia naturalıs ist, also beide thatsächlich nicht getrennt werden dürfen. Darauf führt uns auch die vorhin citierte Definition der lex vera. Diese ist als die recta ratio das: unwandelbare göttliche Gesetz, welches zu allen Zeiten, bei allen. Völkern in. gleicher Weise gilt. Natur- gemäss entspricht dern göttlichen Gesetze, dem λόγος ὀρϑός, die iustitia naturalis. ‘Wird diese nun auch als absolut verbindlich für alle Völker. erklärt, so wird‘sie damit auch als“die civilis iustitia oder vielmehr als deren Quelle hingestellt. Somit führt ans auch die angegebene Definition zu dem Schlüsse, den wir schon vorhin -fanden, dass Cicero die Unterscheidung der iustitia naturalis und eivilis zwar hat bestehen lassen, aber nicht ihre Gegensätzlichkeit, wie Carneades wollte, gebilligt, sondern ihre notwendige Zusammengehörigkeit ‚nachgewiesen hat. Dasselbe geschieht. auch in_de legibus. Denn wenn daselbst unter der Voraussetzung, dass das Recht auf.der Natur beruht, bewiesen wird, dass eben dieses Recht die Götter und Menschen zu einem grossen Gemeinwesen verbindet, so. ist offenkundig die dadurch bedingte Gerechtigkeit nur die iustitia naturalis; und wenn als- ‚dann gezeigt ‘wird, dass die Menschen durch diese ihre Natur verpflichtet sind, diese Gerechtigkeit zu pflegen, so wird dadurch die naturalis iustitia auch als untrennbar von der eivilis iustitia gefasst. Damit steht keineswegs im Widerspruch, was wir vor- hin gezeigt haben, dass hier das Wesen und das Motiv, weswegen wir Recht üben müssen, dargelegt wird. Denn gerade der Nach- weis, dass die naturalis iustitia auch. die eivilis ist, umfasst zu- nächst das Wesen des Rechts und dann auch zugleich die Verpflichtung zur gegenseitigen Mitteilung desselben. Wir haben hier also dieselbe Art der Widerlegung des Gegners wie in de ᾿ re public. Dann folgt in der Schrift von den Gesetzen von Kap. XIV—XVI die Widerlegung der entgegengesetzten Ansicht, dass die eivilis iustitia lediglich nach den Gesetzen des Vorteils verfahre, Dieses ist augenscheinlich auch in de re publiea dar- gelegt worden, weil wir nicht nur dieselben Beweise wieder finden, sondern sogar wörtliche Übereinstimmungen nachgewiesen haben. De legibus $$ 44 — 47 führt Cicero schliesslich den Beweis, dass das Recht in Wirklichkeit auf der Natur beruhe. Wie derselbe hier die notwendige Ergänzung des ersten Teiles ist, ebenso muss er auch in de re publica geführt sein, weil er dort in gleicher Weise notwendig war, da Lälius doch unmöglich den Beweisen des Gegners nur einfache Behauptungen entgegen- setzen durfte. Dies wird durch den allgemeinen Grundsatz be- stätigt, der hier ‚geltend gemacht wird: nihil esse bonum, nisi quod honestum, nihil malum nisi quod turpe sit. Denn auch in de legibus wird der Beweis dafür, dass das Recht auf der Natur beruht, dadurch vermittelt, dass das Gute mit dem honestum und das Schlechte mit dem turpe identificiert wird. Noch eine dritte Art der Übereinstimmung zeigt die Zu- sammengehörigkeit beider Schriften: Sie bekämpfen nämlich auch beide denselben Gegner, den Carneades. In de re publica liegt dies offen zu Tage; nicht so in de legibus; doch ist dies auch hier der Fall. Nachdem er nämlich $ 39 die Epikureer nicht berück- sichtigen zu wollen erklärt hat, fährt er fort: pertubatricem autem harum omnium rerum Academiam, hanc ab Arcesila et Carneade recentem, exoremus ut sileat. nam si invaserit in haec, quae satis scite nobis instructa et composita videntur, nimias edet ruinas. quam quidem placare cupio, submovere non audeo. Die neuere Akademie hätte also wohl das Recht mitzusprechen und würde auch wohl mitsprechen; aber sie wird gebeten zu schweigen, damit sie nicht das soeben errichtete schöne Gebäude über den Haufen stosse. Also den Teil, welchen die Akademie entgegnen würde, hat Cicero hier ausgelassen und nur die stoische Doktrin zugleich mit der Entgegnung gegen die akademische hierher ge- setzt.. So liess er in Wahrheit die Akageras zwar SchwapeEg aber er berücksichtigte sie. Derselbe Gegenstand wird also an beiden Stellen behändelid beide Abhandlungen berücksichtigen denselben Gegner und stimmen zum Teil wörtlich überein: Der Schluss ergiebt sich von u 61 = selbst, dass beide auf dieselbe Quelle zurückgehen. Bei dem inneren Zusammenhange beider Schriften sowie ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge!) müsste auch das Gegenteil auffallen. In de rep. III hatte er nämlich die strittige Frage vom Ursprung und Wesen des Rechts eingehend erörtert; jetzt schrieb er im engsten Anschlusse an dieses Werk seine Gesetze, wozu er eine allge- meine Einleitung über den Ursprung des Rechts gebrauchte: Es war also natürlich, dass er die nahm, welche sich als massgebend für den Staat herausgestellt hatte, d. i. die des Laelius. In diesem Zusammenhange begreifen wir auch, warum sich Cicero in de leg. I für berechtigt hielt seinen Gegner einfach totzuschweigen?). $ 3. Quelle. Da es keinem Zweifel unterliegen kann, dass die Quelle, welche Cicero benutzte, das Werk eines Stoikers®) war, und wir im vorigen Paragraphen nachgewiesen haben, dass sie die Ein- wände des Carneades zurückwies, so können nur solche Ver- treter dieser Schule*) in Betracht kommen, welche nach Car- ') Cieero begann die Ausarbeitung der Bücher de leg. unmittelbar nach der Vollendung seines Werkes de rep. 2) Dies ist natürlich auch der Grund dafür, dass er in de rep. III genauer als in de leg. I auf die Einwände des Carneades einging. 3) Dies ist allgemein bekannt und anerkannt. Zuerst wies darauf Tur- nebus hin in seinem Kommentar und in seiner Apologia ad libr. I Cie. de legibus. Auf diese Schriften geht wohl die Meinung zurück (Krische, theol. Lehren 5. 370 ff.), dass Chrysipp der Gewährsmann Cieeros gewesen sei. Wenn nun Turnebüs zu I 6, 18 auch eine diesbezügliche Bemerkung macht, so beweist er dies doch nicht näher, sondern zeigt im Gegenteil gleich dar- auf, dass schon Zeno das Gleiche gelehrt habe. Seine Absicht war über- haupt nicht auf eine genaue Quellenuntersuchung gerichtet, sondern nur auf den Nachweis, dass diese Lehre stoisch sei. 4) Hoyer de Antiocho Ascalonita diss. Bonn. 1883 S. 15 ff. sucht Antiochus als Quelle Ciceros zu erweisen. Er findet nämlich $ 36 ff. Spuren eines Philosophenverzeichnisses, welches Antiochus nach der Verschiedenheit der Definitionen des höchsten Gutes aufgestellt hatte. Wohl nicht mit Unrecht meint er ferner, dass Cicero $ 52 ff. sich auf diese Stelle zurückbeziehe. Da nun Cicero auch $ 53 ff. eine Lieblingsanschauung des Antiochus, die Gleich- heit der stoischen und akademischen Lehre, erwähnt, und Attieus deswegen auf die Übereinstimmung mit Antiochus hinweist, so zieht Hoyer a. a. Ὁ. den Schluss, dass Antiochus für das ganze Buch die Quelle sei. Dieser Schluss ist aus zwei Gründen nicht zu halten: 1. Die eitierten Stellen stehen neades lebten. Durch den Einfluss des Carneades war nun unter den Stoikern eine Spaltung infolge der verschiedenen Auffassung von dem was »gerecht« heisst eingetreten!). Unter den beiden Führern der Schule huldigte Diogenes zu Gunsten des Vorteils einer viel Jaxeren Moral, Antipater dagegen der alten, strengen. Antipaters Richtung verfolgte Panätius und unter dessen Schülern hielt wiederum Hecaton mehr zu Diogenes, Posidonius dagegen sicher zu Panätius?). Diese. strenge Auffassung herrscht nun auch in-unseren beiden Schriften; denn als oberster Grundsatz ausserhalb der Abhandlung über das Recht; soll also Antiochus die Quelle sein, so muss natürlich zunächst der Nachweis geliefert werden, dass diese Stellen mit der eigentlichen Abhandlung in innerem und untrennbarem Zu- sammenhange stehen. Diesen Nachweis hat Hoyer nicht gebracht; denn was er zu diesem Zwecke sagt, ist nur eine oberflächliche Inhaltsangabe der philosophischen Abhandlung. Jener Beweis lässt sich aber auch überhaupt nieht erbringen, da die genannten Nachrichten mit der eigentlichen’ Abhand- lung in gar keinem Zusammenhange stehen, und in der Abhandlung nicht der geringste Versuch gemacht wird, .die vorgetragene Lehre als eine den gedachten Schulen gemeinsame Lehre nachzuweisen. 2. $ 52 entgegnet Ci- cero auf die Bemerkung des Attieus: vir iste fuit ille quidem prudens et acutus et in suo genere perfectus ..... cui tamen ego assentiar in omnibus neene, mox videro. Diese Antwort weist also die Vermutung des Atticus zurück, dass Cicero sich hier dem Antiochus anschliesse. Damit stimmt die weitere Ausführung. Acad. post. I 4, 17 ff. handelt Cicero eingehend über die in Rede stehende Lehre des Antiochus, dass die älteren Akademiker,’ die Peripatetiker und die Stoiker in der Lehre übereinstimmten und nur in den Worten sich unterschieden. Antiochus findet danach in der Über- einstimmung dieser Schulen die Wahrheit; Cicero dagegen erkennt daselbst zwar auch diese Übereinstimmung an, findet in ihr aber nicht die Wahrheit sondern in dem skeptischen Verhalten des Sokrates und Plato. In de leg. I 55 ff. setzt nun Cicero in unmittelbarem Anschluss an die vorhin ange- führte Bemerkung in kurzen Zügen die Übereinstimmung der drei vorhin genannten Schulen auseinander und meint, um die unbedeutenden Meinungs- verschiedenheiten derselben zu schlichten, sei es nötig, requiri placere termi-: nos, quos Socrates pegerit iisque parere. Demnach sieht er hier die Wahrheit in dem Skeptizismus des Sokrates, steht also nicht auf dem Stand-' punkte des Antiochus, sondern auf dem entgegengesetzten. Unter keinen. Umständen kann also Antiochus die Quelle gewesen sein. — Der Stand- punkt, den Cicero hier einnehmen will, ist der akademische des Philo; dass aus diesem aber die Abhandlung nicht genommen ist, zeigt diese selbst: das Verhältnis der $ 52 ff. zu ihr ist rein äusserlich. ') Vgl. Cie. de off. ΠῚ 12, 49 ff. mit de rep. III 19, 29. 2) Οἷς. de off. HI 12, 51 ff.; 15, 63ff.; 23, 89 ff.; hierüber wird später genauer gehandelt werden. gilt: nihil bonum nisi quod honestum, und die Trennung des Nützlichen von dem sittlich Guten wird durchaus verworfen und als Grund aller Schlechtigkeit angesehen!). Es sind also nur solche Stoiker zu berücksichtigen, welche der strengen Richtung folgten. Wer nun von diesen der Autor war, das bestimmt de rep. III 23, 24 = Augustin de εἶν. D. XXII, 6: Debet enim con- stituta sie esse civitas, ut aeterna sit: itaque nullus interitus est rei publicae naturalis, ut hominis, in quo mors non modo ne- cessaria est, verum etiam optanda persaepe; civitas autem cum tollitur, deletur, exstinguitur, simile est quodammodo, ut parva magnis conferamus, ac si omnis hie mundus intereat et concidat. Diesem Vergleiche liegt die Annahme der Ewigkeit der Welt zu Grunde; und dass diese Auffassung nicht etwa auf unerlaubter “Deutung beruht, beweisen die unmittelbar folgenden Worte Augustins a. a. O.: Hoc ideo dixit Cicero, quia mundum non interiturum cum Platonicis sentit. Diese Lehre wurde nun über- haupt nur von drei Stoikern. vertreten, von Diogenes, der in seinem späteren Alter an der Ekpyrosis etwas irre wurde, von Boethus und Panätius?). Diogenes kann nach dem, was wir vorhin von ihm gesagt haben, natürlich nicht: mehr berück- sichtigt werden; ebenso. wenig Boethus, da nach Ciceros An- gabe?) nur Diogenes und Panätius über diese Gegenstände in der Weise geschrieben hatten, wie Cicero es hier thut: Es bleibt somit Panätius allein als Quelle übrig. Dies Resultat wird durch eine weitere Stelle noch mehr bestätigt. De leg. I 11, 31 lesen wir: nam et voluptate capiuntur omnes, quae etsi est illecebra turpitudinis, tamen habet quiddam simile naturali bono. So lehrte kein strenger Stoiker vor Panätius, und auch nachher ist diese Ansicht nur von wenigen Anhängern dieser Schule vertreten worden; Panätius dagegen war gerade derjenige, welcher diese Milderung einführte, wie wir später sehen werden. Auch stimmt hierzu trefflich, dass wir von einer streng stoischen Schulsprache keine Andeutung finden, wohl aber das Gegenteil, wie schon die oben angeführte Stelle’ zeigt‘). 1) Cie. de rep. III 26, 38. de leg. I 12, 33. 2) Ps. Philo de incorr. mundi ce. 15 p. 248 Bern. 3) De legg. III 6, 14. *) Offenbar ist Be bonum (ἀγαϑόν) im weiteren Sinne gebraucht, als es bei den strengen Stoikern üblich war; vgl. hierzu Hirzel Unters. II S. 265 ff. a 64 τς Kap. ὃ. Cicero de republica I—II. 8 1. Die Staatslehre des Polybius. . Über die Entwickelung des Menschengeschlechts sowie die Entstehung der Staaten und ihre Veränderungen hat Polybius im sechsten Buche seiner Geschichte gehandelt und dementsprechend auch über den Wert und die Bedeutung des römischen Staates sein Urteil abgegeben. Nun hat Hirzel!) bereits dargethan, dass Polybius im allgemeinen ein Stoiker von der Richtung des Pa- nätius gewesen ist. Diese Erwägung führt ihn auch zu der An- nahme, dass Polybius VI c. 3—10, wo jene Theorie des Staats- wesens vorliegt, auf stoischen Einfluss und demnach auf Panätius zurückgehe; jedoch hat er diese Ansicht nicht näher begründet. Das Gleiche hat unabhängig von Hirzel auch P. Voigt erkannt; da er aber seinen Beweis nicht veröffentlicht hat und das Nach- folgende dies verlangt, so müssen wir denselben kurz antreten?). Dass nicht Dicaearch, wie zuvor geglaubt wurde, für Poly- bius der Urheber jener Ansicht war, beweist Voigt mit Recht aus dem Widerspruch, welcher zwischen dieser Theorie und der denselben Gegenstand betreffenden Dicaearchs stattfindet. Dieser lehrte bekanntlich), dass der Urzustand des Menschen glückselig gewesen sei, da sie ohne Kummer und Mühe von den frei wachsenden Erzeugnissen der Erde gelebt hätten. Polybius da- gegen meint (c. 5, 4), dass die Menschen nach einer jener grossen Katastrophen, welche das Menschengeschlecht fast gänzlich ver- nichteten, ein elendes und tierähnliches Leben führten ohne alle 1) Untersuchungen zu Ciceros philos. Schriften II Ex. 7. 5) Sorani Ephesii lib. de etym. corp. hum. diss. Gryphisv. 1882, These III. Der Verfasser hat mir bereitwilligst seine Gründe mitgeteilt; ich werde dieselben jedesmal als die seinigen kennzeichnen. Vgl. auch v. Scala die Studien des Polybius I S. 102 ff., 222 ff., siehe dazu S.2A.1. Das folgende Kapitel, das älteste der vorliegenden Arbeit, war bereits längere Zeit vor dem Erscheinen von v. Sealas Buch niedergeschrieben. Auf diesem und dem mit ihm zusammenhängenden Abschnitte T. IIIA. Kap. 4 beruht Susemihls An- merk. in seiner Ausgabe der Aristotelischen Oeeonomik 1887 p. IX A. 16. °) Porphyr. π. ἀπ. ἐμψ. IV 1; Väarro RR. II 1, 4. Hilfsmittel und Künste. Dass sich beide Anschauungen wider- sprechen, ist klar. Ebenso hat Voigt den allgemein stoischen Charakter dieser Stelle richtig erkannt; da dieser aber durch Hirzel!) bereits genügend klar gelegt ist, so ist es unnötig, es hier noch einmal zu thun. Auf Eines sei hier noch hingewiesen! Wenn Hirzel (a. a. OÖ. 5. 854) sagt: »Der Gedanke, alle Sittlichkeit in ihren Ursprüngen auf das doppelte Streben nach Vorteil und nach Ehre zurückzuführen, war demnach auch den Stoikern nicht fremd, wenn derselbe auch in keiner der erhaltenen Dar- stellungen mit solcher Entschiedenheit wie von Polybius aus- gesprochen werden sollte«, so ist das Letztere nicht mehr zu halten, nachdem wir gezeigt haben, dass gerade Panätius in dem wahren Ruhme und dem Vorteile die berechtigten Grundsätze alles Handelns erkannte. Um so mehr also sind wir gezwungen, unter diesen Umständen die Quelle dieser Lehre des Polybius in Panätius zu erkennen. Noch zwei weitere 'Thatsachen bestätigen dies. Von den hier in Betracht kommenden Stoikern lehrte jedenfalls Panätius allein, dass die Welt ewig sei. Diese Annahme liegt auch bei Polybius vor (c. 5, 4—6), da hier nach platonisch-peripatetischer Anschauung die Möglichkeit der ewigen Dauer der Welt trotz der Vermehrung des Menschengeschlechts vorgetragen wird, wie wir soeben gehört haben. Auch in der Schilderung der Lebens- weise der Menschen nach einer solchen Katastrophe stimmt Polybius mit Panätius überein, wie wir später zu sehen Gelegen- heit haben werden. Ferner schreibt Cie. de off. II 4,15 nach Panätius: urbes vero sine hominum coetu non potuissent nec aedificari nec frequentari, ex quo leges moresque constituti etsq. Die Ethik (leges moresque) hat sich also erst durch den Verkehr der Menschen und zwar namentlich infolge der festen. Ansiede- lung entwickelt. Wie die einzelnen Begriffe des Sittlichen und des Guten dabei entstanden sind, erfahren wir nicht; jedoch dürfen wir annehmen, dass Panätius auch dies dargelegt hat’). Dasselbe finden wir in ganz ähnlicher Weise und in demselben Zusammenhange bei Polybius wieder. Denn auch er führt die 20a. 2.:0, S.-853 f., 870. 3) Cicero kürzt hier das Original; vgl. auch z. B. den Ursprung des Be- griffs „Ordnung“ de off. I 4, 14. Schmekel, mittlere Stoa, 5 RE re Entwickelung der ethischen Begriffe (ϑεωρία αἰσχροῦ καὶ καλοῦ) auf den erst wieder erstarkenden Umgang der Menschen zurück und lässt ebenfalls damit den Zustand des tiergleichen Umher- schweifens sich in das regelrechte Königtum verwandeln'). Hierzu tritt schliesslich noch ein Beweis von Voigt, nämlich die grosse Übereinstimmung der folgenden Stellen: Polvb.V1,6, ὃ: Τοῦ γὰρ γένους τῶν ἀνϑρώ- πων ταύτῃ διαφέροντος τῶν ἄλλων ζῴων, 1 μόνοις αὐτοῖς μέτεστι νοῦ καὶ λογισμοῦ, φα- ψερὸν ὡς οὐκ εἰχὸς παρατρέχειν αὐτοὺς τὴν προειρημένην δια- φοράν, χαϑάπερ ἐπὶ τῶν ἄλλων ζῴων, ἀλλ᾽ ἐπισημαίνεσθαι τὸ γιγνόμενον καὶ δυσαρετεῖσθϑαν τοῖς παροῦσι προορωμένοις τὸ μέλλον καὶ συλλογιζομένους, ὅτι Cie.. de :ofi. 1.4. 14: Inter hominem et beluam hoc maxime interest, quod haec tan- tum, quantum sensu movetur ... homo autem, quod rationis est particeps, per quam conse- quentia cernit, causas rerum vi- det earumque praegressus et quasi antecessiones non ignorat, similitudines comparat rebusque praesentibus adiungit atque ad- nectit futuras?) οἶδα: τὸ παραπλήσιον ἕχάστοις αὐτῶν συγκυρήσει. Diese Stelle des Polybius ist aus der Entwickelung heraus- genommen, über die wir vorhin gesprochen haben. Die Lehre des Polybius deckt sich also unbestreitbar mit der des Panätius. Da nun die bis jetzt vorgetragenen Lehren bei Polybius nach vorwärts und rückwärts mit dem Wechsel der Staatsformen so eng zusammengehören, dass die ganze Stelle, Kap. 3—10, nicht zerrissen werden kann, weil die in jenen Stellen niedergelegten Lehren den allgemeinen Grund für den Wechsel der Staatsformen enthalten, so dürfen wir mit vollem Rechte schliessen, dass die politische Theorie des Polybius durch Panätius’ Einfluss bedingt ist. Wir werden hierauf noch später zurückkommen. 1), 56,19,:108.:6, 9. 5) Freilich wenn Klohe unbedingt mit seiner Ansicht Reeht hätte (siehe S.30 A. 2), würde dieser Beweis seine Kraft verlieren. Da wir aber gesehen haben, dass dies nicht der Fall ist, so kann diese Übereinstimmung immer noch als Beweis gelten und zum Teil noch umgekehrt dafür zeugen, dass Klohes Ansicht beschränkt werden muss. ΞΘ τ 5.5 $ 2. Cicero de republica I—II. Komposition und Quelle, Nachdem Cicero das vielfach auch von Plato erörterte Be- denken, ob es geraten sei sich an der Staatsverwaltung zu be- teiligen, in den ersten Kapiteln des ersten Buches de rep. ein- gehend zurückgewiesen hat, wendet er sich zu seinem Gegen- stande selbst, entwickelt ihn jedoch nicht dogmatisch, sondern kleidet ihn in die Form eines Gespräches, dessen Führer im Hause des jüngeren Scipio zusammen kommen. Als Hauptredner treten in den erhaltenen Teilen namentlich Seipio, Laelius und Furius _Philus auf; um sie schart sich eine Reihe jüngerer Zuhörer. Während sich diese allmählich einfinden, bildet auf Tuberos An- regung den Gegenstand ihrer Unterhaltung eine Tagesneuigkeit: Die Möglichkeit und Bedeutung des einige Tage vorher sichtbar gewesenen Phäriomens einer Doppelsonne Scipio bedauert darüber nicht genügend unterrichtet zu sein und beruft sich für sein Mistrauen gegen die Erkenntnis derartiger Dinge auf Sokrates. Auch Laelius, der gleich darauf eintritt, äussert sich in demselben Sinne und fragt, ob sich die Freunde denn schon genügend mit dem Staats- und Hauswesen beschäftigt hätten, um derlei Dinge zu erörtern. Hierauf nimmt Tubero das von Laelius angeregte Thema auf und schlägt vor, dem Scipio als dem ersten Staats- manne den Vortrag über den besten Zustand des Staates zu übertragen (I 10, 33). Infolge der allgemeinen Billigung dieses Vorschlages willfahrt Scipio ohne viele Umschweife und beginnt seinen Vortrag nach einigen Bemerkungen mit der Definition des Begriffs »Staat«e ($ 39). Dann spricht er über Entstehung und Zweck desselben, hierauf über die Staatsverfassungen, ihre Vor- züge, Nachteile und Wechsel — Erörterungen, die zu dem Er- gebnis führen, dass die beste Verfassung aus Königtum, Aristo- kratie und Demokratie gemischt sein müsse, und dass der römische Staat dieses Ideal verwirkliche. Zunächst haben wir hier zu untersuchen, welcher Philosophen- schule dieses System angehört. Laktanz stellt Cicero diesbe- züglich mit den Häuptern der Stoa zusammen und trennt diese von den übrigen Schulen'). Daraus dürfen wir schliessen, dass 1) Epit. ec. 4 = de rep. I 36, HT. 5" | en Rn | sich Cieero wie überhaupt in der praktischen Philosophie so auch hier der stoischen Schule angeschlossen hat. Mehr aber wie die Angabe des Laktanz beweist der Umstand, dass wir in diesem Kreise nur Stoiker treffen. Seipio selbst ist zwar nicht Philosoph von Fach, doch durchaus nicht Gegner der Stoa; die Jüngeren Personen aber und die übrigen Wortführer bekennen sich durch- weg zu ihr. Von Laelius und Tubero ist dies anderweitig be- kannt; von Furius lernen wir es hier. Denn er verwahrt sich nicht allein dagegen, seine Meinung zu vertreten, wenn er den stoischen Satz, dass das Recht von Natur sei, bestreite, und be- tont deswegen seine Übereinstimmung mit den Mitunterrednern, die ihn verteidigen, sondern er erinnert auch den Laelius auf seine tadelnde Abweisung des anfänglichen Gespräches daran, dass die ganze Welt ein den Göttern und Menschen gemeinsamer Staat sei, also die Vorgänge in ihr notwendig unsere Beachtung verlangten. Diese Äusserung charakterisiert sowohl den Redner!) zur Genüge, als auch lässt sie die ganze Anschauungsweise vom Staatswesen stoisch erscheinen. Vor allen Dingen aber zeigt dies der Zusammenhang mit dem dritten Buche. Schon die Definition, welche Seipio vom Staate giebt (c. 25, 39), noch mehr aber die ganze Darstellung, stützt sich auf die im dritten Buche bewiesene Lehre, dass der Staat mit der höchsten Gerechtigkeit verwaltet werden müsse, wenn anders er bestehen solle. Und ganz offen ist diese Zusammengehörigkeit am Schlusse des zweiten Buches in der Angabe ausgesprochen, dass das erste Buch das dritte notwendig fordere?). Da nun das dritte Buch stoische Lehre enthält, so ist es unzweifelhaft, dass auch dieser Teil des-Werkes auf stoischer Anschauung beruht. Cicero führt uns aber noch genauer auf seine Quelle. Nach- dem er die Gesetze für die Magistratur entworfen hat, fährt er fort (de legg. II 5, 18): locum istum totum, ut a doctissimis Graeciae 1) Dass er daneben eine Neigung zur Akademie verrät (III 5, 8), streitet nicht dagegen, da sich die beiden Standpunkte, wie bei Cicero, auch bei ihm leicht verbinden konnten. 52) II 44, 70: tum Scipio: adsentior vero renuntioque vobis nihil esse, quod adhue de re publica dietum putemus aut quo possimus longius pro- gredi, nisi erit confirmatum non modo falsum illud esse, sine’ iniuria non posse, sed hoc verissimum esse, sine summa iustitia rem publicam geri nullo modo posse. Bra, ἘΞ quaesitum et disputatum est, explicabo . . atqui pleraque sunt dieta in illis libris, cum de optima re publica quaereretur, sed huius loci sunt propria quaedam a Theophrasto primum, deinde a Dio(ge)ne!) Stoico quaesita subtilius. Att. Ain tandem? etiam a.Stoicis ἡδέα tractata sunt? M. Non sane nisi ab eo, quem modo nominavi, et postea a magno homine et imprimis erudito, Panaetio, nam veteres verbo tenus acute illi quidem, sed non ad hune usum popularem atque civilem de re publica disserebant. Die andern Philosophen, die noch als Verfasser politischer Schriften aufgezählt werden, können wir übergehen, da hier, wie wir ge- sehen haben, nur die Stoiker in Betracht kommen. Den älteren Vertretern dieser Schule werden nun Diogenes und Panätius deswegen gegenüber gestellt, weil sie nicht wie jene nur schul- mässig, sondern im Anschluss an die Wirklichkeit und für die Wirklichkeit geschrieben hatten. Sie beide werden daher auch nur als die einzigen bezeichnet, welche derartige politische Schriften wie Cicero (in hunc usum popularem) veröffentlicht hatten. Es bleibt daher nur zu untersuchen, wer von diesen beiden ihm die Vorlage geliefert hat. Zum Verständnis der Gesetze, sagt Cicero an der angeführten Stelle, sei zweierlei notwendig: das Allgemeine und das Be- sondere. Das Allgemeine sei in der Staatslehre besprochen, sed huius loci sunt propria quaedam a Theophrasto primum, deinde a Diogene Stoico quaesita subtilius. Aus diesen Worten geht mit Gewissheit hervor, dass in der Schrift von den Gesetzen nur diese propria quaedam berücksichtigt und jedenfalls mit Be- nutzung des Diogenes von Cicero gearbeitet sind. Darauf folgt die Frage des Atticus: etiam a Stoieis östa tractata sunt? Worauf bezieht sich dies ista? Nur auf propria quaedam? Das ist un- möglich, wie die nachfolgenden Worte beweisen: nam veteres .. non ad hune usum popularem atque eivilem de re publica disse- rebant. Denn diese zeigen, dass ista allgemein gefasst und auf politische Schriftstellerei überhaupt bezogen werden muss, unter ἢ An dieser Stelle ist handschriftlich Dione überliefert, wofür schon Turnebus Diogene eingesetzt hat. An den index Here. col. 78 erwähnten Dio kann hier schon aus rein chronologischen Gründen nicht gedacht wer- den. Übrigens beruht auch hier der Name nur auf Comparettis Ergänzung, die höchst wahrscheinlich falsch ist. Denn wahrscheinlich ist nicht (4)or, sondern ζθέδων zu lesen; vgl. Zeller Philos. d. Gr. ΠΙᾺ, S. 586 ff. die auch jene Schrift des Diogenes fällt. Da aber an dieser zweiten Stelle nur allgemein von der politischen Schriftstellerei dieser beiden Männer gesprochen wird, so sind wir nicht im- stande zu entscheiden, ob Diogenes neben diesen propria quaedam auch noch andere Schriften herausgegeben hat. So viel nur müssen wir daraus schliessen, dass Panätius sich nicht wie Diogenes auf Einzelheiten der Magistraturen eingelassen hatte. Die Nachträge zu seiner Staatslehre fügte also Cicero in den Gesetzen aus Diogenes hinzu. Es ist darnach zwar nicht not- wendig, doch aber höchst wahrscheinlich, dass er in seinen Büchern vom Staate eine andere Vorlage als die Schrift des Diogenes hatte, in der diese propria quaedam standen, also ent- weder eine andere Schrift des Diogenes oder, was viel wahr- scheinlicher ist, eine solche des Panätius. Für letzteren spricht zunächst das grosse Lob, mit welchem Cicero ihn im Gegensatz zu Diogenes an dieser Stelle auszeichnet!). Gegen Diogenes und für Panätius spricht ferner die Zusammengehörigkeit des ersten und dritten Buches. Denn da .der Abriss der römischen Ge- schichte im zweiten Buche den Gang der philosophischen Ent- wickelung offenbar unterbricht und das dritte Buch im inneren Zusammenhange mit dem ersten steht, so ist es wenig wahr- scheinlich, dass im ersten Buche eine andere Quelle als im dritten vorliegt. Im dritten ist aber Panätius benützt: Also dürfen wir das Gleiche auch für das erste Buch annehmen. Dieses beweist ferner auch das erste Buch der Staatslehre selbst. In der Ein- leitung desselben wird, wie wir vorhin schon hörten, der Zu- sammenhang zwischen der Welt und dem Staate betont und daraus gefolgert, dass wir auch über die Himmelsphänomene ') Während er den Diogenes nur einfach nennt, schreibt er: a magno homine et imprimis erudito, Panaetio. Übrigens würde sich die Frage nach der Schriftstellerei des Diogenes leichter entscheiden lassen, wenn die Be- ziehung, in die er hier mit Theophrast gesetzt ist, streng genommen werden dürfte. Von Theophrast sagt nämlich Cicero de fin. V 4, 11, dass er zu den Werken des Aristoteles Untersuchungen über die Gesetze und Einzelheiten des Staatslebens hinzugefügt habe. Da die propria quaedam des Diogenes sich, wie aus dem obigen Zusammenhange hervorgeht, auf dasselbe beziehen, so würde, wenn die Parallele zwischen Diogenes und Theophrast vollständig wäre, die obige Frage dahin entschieden sein, dass er nur auf einzelne Fra- gen des politischen Lebens eingegangen sei. Damit wäre gleichzeitig ent- schieden, dass er nicht die Quelle für Cie. de rep. gewesen sein könnte. 83 ἢ gleich als Erscheinungen in unserem Vaterlande nachdenken müssten. Derjenige nun, dessen Hilfe sich Scipio dem hierüber anfragenden 'Tubero gegenüber wünscht, ist Panätius ($ 15). Nachher wieder wird dem Secipio der Vortrag über den besten Staat mit der Begründung übertragen: persaepe te cum Panaetio disserere solitum coram Polybio, duobus Graeeis vel peritissimis rerum civilium, multaque conligere ac docere, optimum longe statum civitatis esse eum, quem maiores nostri nobis reliquissent (ce. 21,34). Solche Disputationen sind nun gerade diejenigen, welche im ersten und zweiten Buche von Ciceros Staatslehre vor uns liegen. Es ist demnach schon selbstverständlich, dass die vor- liegenden Erörterungen nur von Panätius genommen sein können. Noch eine weitere Thatsache spricht hierfür. Die Erörterung über die Bestimmung des Wertes der Einzelverfassungen beginnt Scipio mit der über! das Königtum. Seine Äusserung, Arats Wahlspruch ‘Ex δὶος ἀρχώμεσϑα᾽ damit befolgen zu wollen, ruft die Gegenrede des Laelius hervor, worauf Scipio seinen religiösen Standpunkt entwickelt. Er unterscheidet!) drei Quellen für die Religion: Die Gesetze der Fürsten, den Irrtum unwissender Dichter und die Forschung der Philosophen, die jedenfalls die beste und die richtigste ist. Diese Anschauung ist bekanntlich die des Panätius?). Die beiden Gründe jedoch, welche dies Ergebnis über allen Zweifel erheben, sind die Lehre, die hier vertreten wird, und die Übereinstimmung Ciceros mit anderweitig erhaltenen Lehren des Panätius und mit Polybius. Was zunächst die Lehre im allgemeinen betrifft, so haben wir schon früher darauf hin- gewiesen, dass Diogenes im wesentlichen derselben Auffassung vom Wesen der Gerechtigkeit huldigte, die hier im dritten Buche bekämpft wird. Nun wird aber die Staatslehre ausdrücklich auf die entgegengesetzte Auffasung basiert: Also kann er nicht die Quelle für dieselbe sein. Da nun aber überhaupt nur Diogenes und Panätius zur Wahl stehen, so folgt, dass Panätius die Quelle gewesen ist. 1) e, 36, ὅθ: sive haec ad utilitatem vitae constituta sunt a prineipibus rerum publicarum .... sive haec in errore imperitorum posita esse et fabu- larum similia didieimus, audiamus communis quasi doctores eruditorum hominum .... qui natura omnium rerum pervestiganda senserunt etsq. 2) Wir werden hierauf später zurückkommen; vgl. Zeller, Philos. d. Gr. IIIa S. 566, 4 ff. Zu demselben Resultate führt uns schliesslich auch der letzte Grund, den wir vorhin genannt haben; wir haben diesen genauer darzulegen. Die Entwickelung der Staatslehre Ciceros im ersten Buche zerfällt in drei Teile: 1. Über den Ursprung und das Wesen des Staates; 2. über die Staatsformen, ihre Vor- und Nachteile; 3. über die Abwandlung der Staatsformen. Dieser Einteilung gemäss behandeln wir zuerst den Ursprung und das Wesen des Staates. | Scipio weist es am Anfange ($ 38) zurück seinen Vortrag mit der Ehe zu beginnen und aus ihr als der Grundlage den Staat abzuleiten; er beginnt ihn alsbald mit der Definition des Begriffs Staat. Wenn er demnach den Anfang des Staates von der Familie herzuleiten unterlassen hat, so muss er doch von einem anderen, nämlich vom Anfange des Menschengeschlechts ausgegangen sein und seinen Fortschritt zur Staatenbildung dar- gelegt haben. Dies erkennen wir aus Laktanz!), welcher nach Cicero berichtet, dass über die Gründung der Staaten zwei ver- schiedene Ansichten vorlägen, die Epikureische und die stoische, und gleichzeitig beide kurz erzählt. Und dass Scipio wirklich so an- gefangen hat, beweisen die Worte Ciceros bei Augustin): brevi multituto dispersa atque vaga concordia civitas facta erat; denn in diesen wird ein Urzustand vorausgesetzt, in dem die Menschen noch nicht eine Staatsgemeinde bildeten. Fragen wir jetzt nach dem Grunde der Staatenbildung, so giebt Cicero die klare Ant- wort,. dass der Trieb dazu in der Natur des: Menschen liege ($ 359ff.). Ist nun aber auch die Grundbedingung alles staat- lichen Lebens der in der Vernunft liegende Geselligkeitstrieb, so bildete doch die unmittelbare Veranlassung zur Gründung des- selben die menschliche Schwäche und die dadurch bedingte Sorge um .die Sicherheit von Gut und Blut. Darum verliessen die Menschen jenes ursprüngliche nomadenhafte Leben und sründeten feste Städte®). So entstand also ein Volk: populus autem non omnis hominum coetus [est] quoquo modo congre- 1) instit. div. VI, 10=Cic. de rep. I 25, 40. 5) epist. 138 — Cie, de rep. I 25, 40. °) 1 26, 41; 25, 39: prima causa coöundi est non tam imbecillitas quam naturalis quaedam hominum quasi congregatio. Hier wird die imbeeillitas als Grund gewiss nicht geleugnet, sondern nur als Hauptursache zurück- gewiesen. d gatus, sed coetus multitudinis iuris consensu et utilitatis com- munione sociatus ($ 39 — 41). - Vergleichen wir jetzt diese Lehre mit der des Panätius bei Cicero. de off. und mit der des Polybius VI 3—10! Über den Ursprung und die Bedingung des Staatslebens schreibt Cie. de off. 14, 12, nachdem er den Zusammenhang und den Unterschied zwischen Menschen und Tieren dargelegt hat: eademque natura vi rationis hominem concıiliat homini et ad orationis et ad vitae societatem impellitque ut hominum coetus et celebrationes et esse et a se obiri velit. Ebendasselbe folgt auch aus den Erörterungen des Panä- tius über den Ursprung des Rechts, die wir im vorigen Kapitel berichtet haben. Ebenso finden wir dieselbe Veranlassung zur Gründung des Staates bei ihm wieder, die wir oben hörten, de off. II 21, 73: hanc enim ob causam maxime, ut sua tene- rentur, res publicae eivitatesque eonstitutae sunt; nam etsö duce natura congregabantur homines, tamen spe custodiae rerum suarum urbium praesidia quaerebant. Die Folge der Städtegründung haben wir de off. II 4, 15: urbes vero sine hominum coetu non potuissent nec aedificari nec frequentari, ex quo leges moresque constituti, tum iuris aequa discriptio certaque vivendi disciplina. Dementsprechend finden wir schliesslich auch ausgeführt, dass die Menschen dem anfänglich rechtlosen Zustande dadurch ein Ende machten, dass sie sich Könige wählten‘). Die Überein- stimmungen sind so wesentlich, wie sie nur gewünscht werden können. Zum Teil noch grösser ist die Übereinstimmung mit Poly- bius: Nachdem die Menschen durch grosse Erdrevolutionen fast vernichtet worden sind, so führt er aus, schweifen die wenigen anfangs umher; sich vermehrend vereinigen sie sich. Doch ist dies Zusammenleben nicht ein blosses Heerdenleben wie bei den Tieren; denn so ähnlich es auch immerhin ist, so findet doch eine durchschlagende Verschiedenheit statt, deren Grund der nur den Menschen zukommende νοῦς καὶ λογιςμός ist (e. 6, 4). Die Bedingung für den gegenseitigen Verkehr liegt also auch nach ihm in der Vernunft. Ebenfalls gilt auch ihm die physische Schwäche als die unmittelbare Veranlassung zur er “ 1) de off. II 12, 41m.; die Geschichte der Meder und der Wahl ihres Königs Deioces lieferten dazu ein sehr passendes Beispiel (Herod. I %). a a Vereinigung derselben (c. 5, 7). Dass in der weiteren Entwicke- lung zur gesetzlichen Herrschaft des Königtums im Polybius derselbe Fortschritt stattfindet, haben wir vorhin schon aus- einandergesetzt!). Am klarsten aber sehen wir. die Überein- stimmung, wenn wir Ciceros Definition von populus mit der vergleichen, welche Polybius entwickelt?): Das Volk ist ein Verein von Menschen, σύστημα ἀνϑρώπων; nicht aber jeder be- liebige Verein, sondern nur der, in welchem die Begriffe von Recht und Sittlichkeit, bezw. von deren Gegenteile vorhanden sind. Denn das Königtum, also die erste Verfassung, tritt erst dann in die Wirklichkeit ein, wenn jene entstehen (c. 5, 10). Da nun ferner die unmittelbare Veranlassung zur Vereinigung die ἀσϑένεια τῆς φύσεως ist, so bietet in Wahrheit Polybius denselben Begriff, den Cicero an die Spitze stellt: populus est .. coetus multi- tudinis — iuris consensu — et utilitatis communione — sociatus. Gewiss werden nun auch die Stichwörter Ciceros nicht willkür- lich sein. Solche lesen wir hier zwei: coetus hominum oder multitudinis und congregatus bezw. congregatio. Denn coetus hominum ist die getreue Übersetzung von σύστημα ἀνθρώπων, und der Vergleich mit der Heerde wird von Polybius (c. 5, 7) weit ausgeführt. | Wir kommen zum zweiten Teile, zur Lehre von den Staats- formen. Dieser zerfällt in zwei Abschnitte, von denen der erste die Zahl der Verfassungen, der zweite den Wert derselben be- spricht. Cicero unterscheidet im ganzen sechs Verfassungsformen: Königtum, Aristokratie, Demokratie, Tyrannis, Oligarchie und Ochlokratie?). Von diesen ist das Königtum die beste‘), die Tyrannis die schlechteste’). Dem Königtum am nächsten steht die Aristokratie; denn von den drei guten Verfassungen ist die Demokratie jedenfalls die schlechteste ($ 42). Von den beiden noch übrigen erscheint die Oligarchie erträglicher, wie die aus 1) Vgl. ἃ. vorig. $; Polyb. e. 6, 4 ff.; 10 ff. | 5) Die Entwickelung hat Cicero offenbar auch gegeben, da ihre Reste noch erhalten sind; ihr Resultat aber hat er nach Art der Stoa an die Spitze gestellt, was Polybius zu thun unterlassen hat. 5) Diese bezeichnet Cicero mit turba et confusio (vgl. $ 69) oder um- schreibt ihren Namen. *) 135, 54—40, 63; 45, 69. 5) I 42, 65; 44, 68; II 23, 43; 26, 47—48. ἢ Ἶ που τῆς ΕΞ Plato 'herübergenommene Schilderung der Pöbelherrschaft zeigt (88 65—68). Der Teil nämlich, in dem wir die nähere Bestim- mung hierüber erwarten ($ 44 ff.), ist verloren gegangen. Keine dieser Verfassungen ist jedoch an sich gut; denn eine solche ist nur diejenige, welche aus den drei guten gemischt ist, weil diese allein die Fehler, die den einzelnen anhaften, jedesmal durch die anderen Verfassungsmomente korrigiert ($ 69) und dadurch einem Verfassungssturz und der Verschlechterung vorbeugt. Eine solche ist die römische Verfassung, wie im zweiten Buche näher dar- gethan wird. Die gleichen sechs Arten der Verfassung hat auch Polybius, und in gleicher Weise hält auch er die aus den drei guten ge- mischte Verfassung für die beste (c. 3, 7). Dass nach ihm die römische Verfassung eine solche ist, ist zu bekannt, als dass es noch besonders hervorgehoben werden müsste. Um dieses zu erweisen, schaltet er ja gerade diese Abhandlung über Politik in sein Geschichtswerk ein. Über den Wert der Einzelverfassungen verbreitet sich: Polybius nicht. Wir wenden uns daher zum dritten Teile, zur Lehre von der Abwandlung der Staatsverfassungen. Doch ehe wir näher auf diesen eingehen, wird es dienlich sein, ein Stemma der Ver- fassungen des Polybius und Cicero aufzustellen, um die Ent- wickelung beider kurz vor Augen zu haben: Cicero Polybius. [monarchus] μοναρχία ΤῸΧ βασιλεία | | tyrannus τυραννίς | prineipes democratia hing ολιγαρχία ochlocratia ΜῊΝ δημοκρατία tyrannis j ὀχλοχρατία ΝΡ το | factio prineipes factio τυραννίς Klar und einfach entwickelt Polybius den Wechsel der Staals- formen zweimal, einmal kurz und einmal ausführlich (e.4, 7 ff. 5,4ff.). Aus jenem Zustande, in dem der Stärkste der Herrscher ist (uwovag- xie)'), entsteht das Königtum, sobald Recht und Gerechtigkeit die leitenden Grundsätze werden. Dieses geht infolge des Übermuts der königlichen Nachkommen in die συμφυὴς κακία die Tyrannis über, welche durch die Aristokratie gestürzt wird. Letztere ver- wandelt sich wieder naturgemäss in die Oligarchie. Diese wird vom Volke vertrieben und so entsteht die Demokratie. Doch bald artet diese zur Ochlokratie aus, in der sich ein beherzter und schlauer Mann zum Alleinherrscher, zum Tyrannen, auf- schwingt und so den Kreislauf der Verfassungen wieder beginnt. ' Gehen wir jetzt zu Cicero über, so ist zunächst die Be- merkung vorauszuschicken, dass auch er diesen Gegenstand zwei- mal behandelt, einmal nur kurz andeutend c. 29, 45, nachher aus- führlicher c. 42,65 ff. Überblicken wir nun seine Darstellung, so ' finden wir alles Mögliche, nur nicht eine so regelmässige Abfolge der Verfassungen, wie bei Polybius. Gleichwohl will auch er eine solche liefern, denn er sagt $ 45 ausdrücklich: mir: sumt orbes et quasi circumitus in rebus publicis commutationum et vicıssitudinum; und $ 65 leitet er diese Erörterung mit den Worten ein: accuratius mihi dicendum est de commutationibus rerum publicarum. Und dass er den hier angekündigten Kreis- lauf dargelegt haben will, zeigt er auch am Schlusse dieser ' Partie an ($ 68): sic tamquam pilam rapiunt inter se rei publicae statum tyranni ab regibus, ab 115 autem principes aut populi, ἃ ἡ quibus aut factiones aut tyranni .. nec diutius unquam tenetur idem rei publicae modus. Sehen wir also näher zu, wie sich ' derselbe bei ihm gestaltet. Auf den Urzustand folgt, wenn wir diesen hinzunehmen wollen, das Königtum; der König aber wird zum Tyrannen, sobald er gut und gerecht zu sein aufhört und sich der Schlechtigkeit zuwendet. Natürlich ist dies nicht gleich Ὁ beim ersten der Fall, sondern bei seinen späteren Nachfolgern. ' ') So bezeichnet Polybius e. 5, 9 diesen Zustand, später nennt er auch den Tyrannen μόναρχος und die Tyrannis μοναρχία, doch geht die Bedeutung ! des Wortes stets aus dem Zusammenhange hervor. Bei Cicero finden wir in de rep. von dieser Herrschaft nichts und zwar offenbar deswegen, weil der ganze Bericht hierüber verloren ist. Dass er, bezw. Panätius diese ge- habt hat, dürfen wir mit vollem Recht aus de off. II 12, 41; 4, 15 schliessen. ' Vgl. auch S. 73. δ Te a Ze ἢ Den Tyrannen vertreiben entweder die principes oder das Volk, d. h. es folgt entweder Aristokratie oder Demokratie. Bis hier- her ist die Darstellung glatt und klar, jetzt aber reisst der Faden scheinbar; denn die nachfolgenden Worte Ciceros sind so ver- schwommen, dass die Fortsetzung der Entwickelung fast ver- wischt wird. Die nächste Verfassung, welche im engsten An- schluss an Plato ausführlich geschildert wird, ist die entartete Demokratie, die Ochlokratie. Ihr Eintreten wird an die Ver- gewaltigung eines gerechten Königs oder an die Ermordung der Aristokraten geknüpft!),. Danach müssten wir annehmen, dass ihr entweder Königtum oder Aristokratie vorausginge. Beide An- nahmen aber führen zu Widersprüchen. Denn setzen wir einmal ‚ihre Richtigkeit, wo bleibt alsdann der mirus orbis commuta- tionum rerum publicarum, der nach seiner eigenen Angabe hier ausgeführt werden soll? Mit dem ist es vollständig aus, da ja alle möglichen Verfassungen entstehen: Auf das Königtum folgt naturgemäss die Tyrannis, auf diese entweder Aristokratie oder Demokratie, die Ochlokratie aber sowohl auf die Aristokratie, wie auch auf das Königtum, aus dem sich naturgemäss, wie doch soeben gesagt ist, die Tyrannis entwickelt, Diese Annahme steht demnach mit seiner Absicht in unvereinbarem Widerspruch; ‘sie kann daher nicht richtig sein. Auch noch ein zweiter Grund ‘ widerlegt sie; sie widerspricht nämlich dem Prinzip der Ent- ‚ wickelung. Naturgemäss entsteht jede schlechte Verfassung, wie Cicero lehrt?) aus der entsprechenden guten dadurch, dass diese infolge ihrer Einseitigkeit und Unvollkommenheit in ihr Gegenteil umschlägt. Bei dem Übergange des Königtums in die Tyrannis haben wir dies gesehen; in der weiteren Entwickelung werden wir es auch bestätigt finden. Dieses Gesetz der Entwickelung wäre hier also durchbrochen, wenn die Ochlokratie unmittelbar auf das Königtum oder die Aristokratie folgen sollte. Dieses Gesetz verlangt vielmehr, dass ihr die Demokratie vorausgeht. Da nun dem entsprechend die Schilderung der entarteten Demo- m dd 1) e. 42, 65 si quando aut regi iusto vim populus attulit regnove eum spoliavit, aut etiam, id quod evenit saepius, optimatium sanguinem gustavit ac totam rem publicam substravit libidini suae .... tum fit illud, quod apud Platonem est lueulente dietum οἶδα. 2) c, 28,44: nullum est enim genus illarum rerum publicarum, quod non habeat iter ad finitimum quoddam malum praeceps ac lubrieum. vg kratie der Erwähnung der guten Demokratie folgt, und andererseits Cicero auch selbst hier bei der guten Demokratie auf die nahe Gefahr hinweist, in ihr Gegenteil, die Ochlokratie, umzuschlagen'), so müssen wir auch diese als die Fortsetzung jener annehmen. Die Richtigkeit dieses Schlusses beweist noch ein dritter Grund. Am Schlusse dieser Auseinandersetzung?) giebt Cicero das Resultat der Entwickelung in kurzer Zusammenfassung. Es ist eine doppelte Reihe: Auf die Könige folgen Tyrannen, auf diese die Aristokratie oder Demokratie; auf die erstere Oligarchie, auf die letztere Tyrannis. Dieses Resultat stimmt mit der vor- hergehenden ausführlichen Entwickelung, worüber wir nachher ' sprechen werden. Also bilden die erste Tyrannis, die Demokratie und die zweite Tyrannis eine zusammenhängende Reihe von Ver- fassungen. Da nun nach der vorhergehenden Auseinandersetzung die zweite Tyrannis sich aus der entarteten Demokratie entwickelt ($ 68), und nach eben dieser Auseinandersetzung auf die erste Tyrannis die gute Demokratie folgt, so geht daraus unwider- leglich hervor, dass die entartete Demokratie hier die Fortsetzung der guten Demokratie ist. Die verschwommene Angabe Ciceros: si quando aut regi iusto vim populus attulit regnove eum spoliavit, aut etiam, id quod evenit saepius, optimatium sanguinem gustavit, kann also nicht eine Andeutung auf die vorhergehende Verfassung ent- halten, sondern nur auf Thatsachen hinweisen, zu welchen sich das gesunkene Volk hinreissen lässt, um sich die Herrschaft ganz anzueignen, während vorher auch noch die Optimatenpartei ' grossen Einfluss, wenn auch nicht die Regierung hatte. Das’ zeigen auch noch die unmittelbar folgenden Worte Ciceros: ac totam rem publicam substravit libidini suae?); denn aus diesen geht hervor, dass das Volk auch schon vorher die Herrschaft ') Vgl. $ 65 die Worte: sin per se populus interfeeit aut eieeit tyranuum, est moderatior, quoad sentit et sapit, et sua re gesta laetatur tuerique volt per se constitutam rem publicam. 5) $ 68: sie tamquam pilam rapiunt inter se rei publicaestatum tyranni ab regibus, ab iis autem prineipes aut populi, a quibus aut factiones aut tyranni. °) Die Annahme der Vergewaltigung eines gerechten Königs, die nur als Seltenheit bezeichnet wird, ist bei dieser Entwickelung augenscheinlich | nicht weiter berücksichtigt. Bi ἡ ἢ zum Teil besass. Die angefangene Entwickelung wird also regel- recht weiter geführt: Die gute Demokratie geht in die schlechte über, aus dieser wiederum erhebt sich ein Tyrann, nach dessen Vertreibung eine Aristokratie oder Oligarchie an die Spitze tritt !), Hier bricht Cicero ab und giebt unvermutet noch eine Fort- setzung jener andern Entwicklungsreihe, die er vorhin vollständig hatte fallen lassen. Auf die erste Tyrannis folgte nämlich Aristo- kratie oder Demokratie; die Fortführung der letzteren haben wir eben gehört, die erstere dagegen nimmt er erst jetzt mit den Worten auf: eademque (sc. factio) oritur etiam ex illo saepe optimatium praeclaro statu, cum ipsos principes aliqua pravitas de via deflexit. Diese Abfolge entspricht also genau dem natür- lichen Gesetze der Entwickelung, nach dem auf die gute Ver- fassung allemal die entsprechende schlechte folgt. Eine weitere Fortsetzung erhalten wir jedoch nicht. Sehen wir jetzt auf beiden Seiten die Entwickelung an, so sind wir zu derselben Verfassung gelangt: Auf der ersteren ist zuletzt die Oligarchie, auf der anderen Aristokratie oder Oligarchie. Wenn wir gar noch einen Schritt weiter thun und die in der ersten Reihe ge- machte Angabe, dass aus der Aristokratie naturgemäss die Oligarchie entstehe, für die zweite Reihe verwenden wollten, so wird aus der Aristokratie dort auch factio; dann sind wir aber am Ende: Wir haben überall factio?.. Was wird aus dieser? Wo bleibt der »wundervolle Kreis der Verfassungsveränderungen«, über den Cicero doch ausführlich reden, und den er auch dar- eu .- Ὁ) 8 68: quos (sc. tyrannos) si boni oppresserunt, ut saepe fit, reereatur eivitas, sin audaces, fit illa factio, genus aliud tyrannorum. 9) Es sei gestattet das vorhin aufgestellte Stemma hier noch einmal zum leichteren Verständnis zu wiederholen: Tex tyrannus mt mm nn prineipes democratia faetio ochloeratia tyrannus ” , 2 ” prineipes factio (factio) re gelegt haben will? Mit diesem ist es vollständig aus. Diese Niederlage bemänteln zwar die Worte, mit denen Cicero diese Erörterungen schliesst ($ 68): sie tamquam pilam rapiunt inter se rei publicae statum tyranni ab regibus, ab iis autem prineipes aut populi, a quibus aut factiones aut tyranni, nec diutius unquam tenetur idem rei publicae modus, aber sie schaffen sie nicht hin- weg. Denn sie erwecken den Schein eines Kreislaufes der Ver- fassungen, doch auch nur den Schein: diese rekapitulierten Ver- änderungen sind jene, welche vorhin vorgetragen wurden, aber nicht alle; denn der letzte Schritt von der zweiten Tyrannis zur Aristokratie und Oligarchie fehlt in derselben und dadurch ent- steht der Schein, dass stets andere Verfassungen vorliegen und zwar derart, dass die Tyrannis den Ausgangspunkt bildet und ebenso am Schluss wieder entsteht, Mit keinem Worte aber deutet er an, welche Verfassung kommen wird oder kann, was doch nötig gewesen wäre. Und noch eines bietet ein Rätsel: In der zweiten Reihe folgt auf die zweite Tyrannis entweder Aristo- kratie oder Oligarchie. Mit welchem Rechte hier die doppelte Möglichkeit angenommen wird, ist durchaus nicht ersichtlich. Um so mehr aber musste Cicero einen Grund dafür angeben, als diese Annahme mit seinem Grundsatze für die Abfolge der Ver- fassungen im Widerspruche steht. Denn diesem gemäss geht, wie. wir nun schon öfter gehört haben, die schlechte Verfassung aus der guten durch allmähliche Verschlechterung der Regierenden hervor, Hier knüpft er dagegen die Oligarchie unmittelbar an die Tyrannis!). Cicero lässt uns hier also vollkommen im Stich. Kehren wir jetzt noch einmal zur ersten Reihe der Verfassungen zurück. Zuerst herrscht der König, darauf der Tyrann, ihm folgt die Aristokratie, hierauf die Oligarchie. Diese Reihe lässt sich mit Notwendigkeit vervollständigen. Es bleiben nur zwei Ver- fassungen übrig, die Demokratie und die Ochlokratie. Nach Analogie der bisherigen Abfolge der Verfassungen und nach dem Gesetze der Entwickelung geht die Demokratie der Ochlokratie voran. Es ist somit der Schluss sicher, dass die vorhin an- gefangene Reihe von der Demokratie, die später zur Ochlokratie ') Wenn nach der ersten Tyrannis Aristokratie oder Demokratie folgt, so enthält diese doppelte Möglichkeit keinen Widerspruch mit jenem Grund- satze, weil beide Verfassungen zu den guten gehören. " | N Ber. | entartet, fortgesetzt wird. Cicero selbst leitet nun bei der andern Entwickelungsreihe aus der Ochlokratie die zweite Tyrannis her, gerade wie Polybius. Nehmen wir dies hinzu, so entsteht hier in Wirklichkeit ein ‘mirus orbis commutationum rerum publica- rum’. Dieser, sowie auch das ihn beherrschende Gesetz der Ent- wickelung deckt sich vollständig mit der Theorie des Polybius; die zweite Seite dagegen endet in unlösbaren Widersprüchen und Halbheiten. Was hat nun die Veranlassung dazu gegeben, diese doppelte Reihe von Verfassungen aufzustellen? Offenbar das II. Buch de re publica. Cicero verbindet in diesem zwei Ideen mit einander, wodurch er in eine Sehiefheit geraten ist, welche die des ersten Buches zur Folge gehabt hat. Einmal nämlich steht es ihm fest, dass der römische Staat sich der besten Verfassung erfreut, was offenbar auch seine Quelle vertreten hat (146, 70). Dies konnte nun so dargelegt werden, dass er die römische Verfassung zer- gliederte und dadurch die Wahrheit jener Ansicht erhärtete, wie es Polybius thut. Doch das geschieht nicht. Cicero verbindet vielmehr diesen Gedanken mit der ungleich richtigeren Idee Catos, dass der römische Staat der beste sei, weil er nicht der Ausfluss des Genies eines oder einiger Staatsmänner, sondern durch viele Männer in vielen Jahrhunderten gegründet und be- festigt sei (H 1, 2ff.). Durch die Verbindung beider Gedanken entsteht eine geschichtsphilosophische Abhandlung, in der er zeigt, wie der römische Staat allmählich aus den einseitigen Ver- fassungen heraus auf naturgemässem Wege!) die beste, ἃ. 1. die gemischte Verfassung erreicht hat. Diese Darstellung beweist nicht nur seine Behauptung (I 46, 70), dass der römische Staat der beste sei, weil er die beste Verfassung habe, sondern sie vertritt ihm auch gleichzeitig die Schilderung des idealen Staates, den die Philosophen zu geben pflegten. Denn der römische Staat ist der praktisch gewordene Idealstaat und dient als solcher nicht mehr zum Beweise dafür, dass die gemischte Verfassung die beste ist — das liegt in der Natur der Sache und wird theoretisch erkannt — sondern zur Illustration dessen, was theoretisch gefunden “und dargelegt ist?.. Fassen wir diese beiden Thatsachen: Der 1) II 16, 30: eognosces ... si progredientem rem publicam atque in opti mum statum naturali quodam itinere et cursu venientem videris. 2) II 1, 3; I 46, 70; II 39, 66: quod autem eremplo nostrae civitatıs usus Schmekel, mittlere Stoa. 6 — 2 — römische Staat hat eine natürliche, vernunftgemässe Entwickelung gehabt und ist deshalb zur Illustration des theoretischen Teiles hingestellt, zusammen, so folgt mit vollster Bestimmtheit, dass die theoretische Entwickelung Ciceros nicht frei, sondern durch die römische Geschichte beeinflusst ist. Die römische Geschichte stimmte jedoch zu der durch Spekulation entwickelten normalen Verfassungsgeschichte nur soweit, als zuerst Könige herrschten, die allmählich zu Tyrannen wurden; dann aber wich sie ab, weil Tarquinius nicht durch die Aristokratie, sondern durch das ganze Volk gestürzt wurde, also auf die Tyrannis nicht die Aristokratie, sondern die Demokratie folgte. Demnach musste Cicero die Theorie entsprechend abändern. Dies that er so, dass er den Sturz der Tyrannis ausser durch die Aristokratie auch durch die Demokratie für möglich erklärte. Dies also ist der Grund, weswegen er nach der ersten Tyrannis eine doppelte Entwickelungsreihe einführt. Geht dieses schon mit Notwendig- keit aus dem eingenommenen Standpunkte hervor, so finden wir es noch durch die Art bestätigt, wie Cicero in der Theorie den Sturz der Tyrannis ausdrückt (I 42, 65): quem (sc, tyrannum) Si optimates oppresserunt „ . habet statum res publica secundarium, est enim .. bene consulentium prineipum; sin per se populus interfeeit «aut eiecit tyrannum, moderatior est, quoad sentit et sapit. Denn die zweite Möglichkeit ihres Sturzes: interfecit aut eiecit tyrannum, ist jetzt gewiss nicht zufällig, sondern eine augenscheinliche Anspielung auf die Vertreibung des Tarquinius.: Die weitere theoretische Entwickelung Ciceros stimmt wieder mit der griechischen Theorie überein: Die Demokratie wird zur Ochlokratie, und auf diese folgt von neuem eine Tyrannis, welche gewöhnlich durch die Aristokratie gestürzt wird. Entsprechend sucht Cicero diese Theorie mit der römischen Geschichte in Ein- klang zu setzen. Nach der Vertreibung des Tarquinius durch. das Volk hatte Rom also eine demokratische Verfassung. Die Gefahr, welche einer solchen innewohnt, so leicht in ihr Gegen- teil, die Ochlokratie, umzuschlagen, drohte auch Rom schon, wurde jedoch noch zur rechten Zeit verhütet. Denn das Volk, sum, non ad definiendum optimum statum valuit — nam id fieri potuit sine exemplo— sed ut civitate maxima reapse cerneretur, quale esset id), quod ratio oratioque describeret. id Se N welches schon durch ungerechte Handlungen gegen die aristo- kratische Partei zu entarten begann, wurde in die gehörigen Schranken zurückgedrängt und durch zweckmässige Einrichtungen in seiner Macht beschränkt: Die einfache Regierungsform hörte jetzt auf und es bildete sich die gemischte Verfassung, in der das Königtum durch die Konsuln, die Aristokratie in dem Senate und die Demokratie in der Volksversammlung vertreten war (II 82, 56). Doch war auch die. Ochlokratie in Rom bei ihrem Entstehen zurückgedrängt worden, so wucherte sie noch immerhin unter der Hand weiter. Daher war es möglich, dass verschiedene Male beherzte und sonst tüchtige Männer, die in ihren Gelüsten zu weit gingen, sich an die Spitze der Masse zu stellen und sich zum Tyrannen aufzuwerfen versuchten. In diesem Sinne hat Cicero jene Männer aufgefasst, welchen die traditionelle römische Geschichte nachsagte, dass sie nach dem Königtum gestrebt hätten. Denn wenn auch der Abschnitt, welcher hierüber handelte, fast ganz verloren ist, so ist es doch klar, aus II 26, 48 ff. zu erschliessen: sed erit hoc de genere (sc. tyrannorum) nobis alius aptior dicendi locus, cum res ipsa admonuerit, ut in eos di- camus, qui etiam liberata iam civitate dominationes adpetiverunt, Habetis igitur primum ortum tyranni; nam hoc nomen Graeei regis iniusti esse voluerunt: nostri quidem omnis reges voci- taverunt, itaque et Spurius Cassius et M. Manlius et Spurius Maelius regnum occupare voluisse dicti sunt, et modo Gracchus τον Doch Dank der gemischten Verfassung konnten jene Männer ihren Plan nicht durchsetzen. Denn die Macht des Volkes, auf dessen Gunst sich jene stützten, wurde durch die Aristokratie Jahm gelegt und dadurch der Umsturz des Staates vereitelt. Daher heisst es in der theoretischen Entwickelung: quos — nämlich diese Tyrannen — si boni oppresserunt, ut saepe fit, recreatur civitas!); denn dass diese boni die Aristokraten sind, braucht nicht erst gesagt zu werden. Soweit gestattete die römische Geschichte, wenn auch nicht ') 1 44, 68. Auf welche Ereignisse in der römischen Geschichte die zweite hier angegebene Möglichkeit: sin audaces, fit illa factio, genus aliud tyrannorum hindeutet, können wir mit Bestimmtheit nicht sagen, da hier- über keine Andeutungen vorliegen. Wahrscheinlich schwebte Cieero seine eigene Zeit vor, die er den Scipio nur andeuten lassen konnte, 6* ger wirkliche — sie konnten sich ja nicht verwirklichen, weil Rom eine gemischte Verfassung. hatte — 50 doch drohende Verände- rungen der einseitigen Verfassungen anzuführen; soweit reicht daher auch nur Ciceros zweite Entwieckelungsreihe. Es ist also klar, dass dieselbe durch die römische Geschichte im zweiten Buche hervorgerufen ist. Und ebenso ist es offenbar, dass die erste Reihe, welche unbenutzt und unberücksichtigt bleibt, griechi- schen Ursprungs und aus der Quelle herübergenommen ist. Sie sowohl wie auch das sie beherrschende Gesetz der Entwickelung stimmt, wie bereits gezeigt ist, mit der Theorie des Polybius vollständig überein. Da also Cicero und Polybius in der ganzen Theorie über- einstimmen, Cicero aber auch vieles giebt, wovon sich bei Poly- bius keine Spur findet'), und Polybius in Übereinstimmung hier- mit ausdrücklich erklärt nur der Hauptsache nach (κεφαλαιωδῶς) die Theorie der Fachmänner zu berichten, so folgt, dass beide auf dieselbe Quelle zurückgehen. Nach dem, was wir nun früher über die Quelle des Polybius und Cicero nachgewiesen haben, kann es jetzt nicht im geringsten zweifelhaft sein, dass Panätius ihr Gewährsmann war. Es fragt sich noch, ob und wie weit Cicero auch den An- stoss zu dieser construierenden Darstellung der römischen Ge- schichte von aussen zugekommen ist. Dass Rom die beste Ver- fassung habe, sagt bekanntlich auch Polybius; doch nicht allein dies, sondern er spricht auch denselben Gedanken aus, welchen Cicero dem Cato in den Mund legt?). Ebenso ist er der Über- zeugung, dass der römische Staat eine naturgemässe Entwicke- lung gehabt habe?). Dieselben Gedanken also, welche Polybius, wie alles an dieser Stelle, nur kurz und andeutungsweise aus- Ὁ gesprochen. hat, hat Cicero durch seine Darstellung der römischen Geschichte eingehend ausgeführt. Dass diese Darstellung ihm | angehört, ist selbstverständlich; er deutet es aber auch noch an, 1). Z. B. fehlt der Abschnitt über den relativen Wert der Einzelver- fassungen. 5) VI 11, 3: οὐ μὴν διὰ λόγου, διὰ δὲ πολλῶν ἀγώνων zei πραγμάτων, ἐξ αὐτῆς ἀεὶ τῆς ἐν ταῖς περιπατείαιυς ἐπιγνώσεως αἱρούμενοι τὸ βέλτιον. 8) VI4, 13: μάλιστα δ᾽ ἐπὶ τῆς Ῥωμαίων πολιτείας τοῦτον ἁρμόσειν τὸν τρόπον ἱ ὑπείληφα τῆς ἐξηγήσεως διὰ τὸ χατὰ φύσιν αὐτὴν ἀπ᾽ ἀρχῆς εἰληφέναν τήν TE σύστασιν καὶ αὔξησιν. | ” a τς wenn er, abgesehen von andern Stellen, mit Beziehung auf Scipios Vorhaben, Roms Geschichte vorzutragen und seine natur- gemässe Entwickelung zu beweisen, (I 46, 70) schreibt: Quod si tenere et consequi potuero, cumulate munus hoc, cui me Laelius praeposuit, ut opinio mea fert, effecero. Tum Laelius: tuum vero, inquit Scipio, ac tuum quidem unius. Diese Gedanken hängen nicht notwendig mit der vorhin entwickelten Theorie zusammen, so dass wir sie schon deshalb dem Panätius zuschreiben müssten. Es kann also von neuem gefragt werden, ob Cicero sie nicht dem Polybius entlehnt hat. Unmöglich ist es keineswegs, da er ihm gut bekannt ist!), doch haben wir keinen zwingenden Gründ dazu. Denn da Cicero be- richtet, dass Scipio gerade mit Panätius in Gegenwart des Poly- bius oft über die Vortrefflichkeit der römischen Staatsverfassung disputiert hat, so dürfen wir annehmen, dass auch Panätius über die römische Verfassung wesentlich dasselbe Urteil abgegeben haben wird, wie Polybius?).. Er brauchte darum natürlich noch lange nicht alle Einrichtungen Roms für vorzüglich zu erklären und hat dies sicher auch nicht gethan?). Β, Posidonius. Kap. 4. Περὶ ϑεῶν. Bevor Sextus die herrschenden Ansichten der Theologie zu widerlegen unternimmt, schickt er nach seiner Gewohnheit eine Übersicht über dieselbe voraus. Diese findet sich adv. phys. I 13—136. Sie zerfällt in zwei Teile: Der erste (88 13—48) han- delt über den Ursprung des Glaubens an die Götter, der zweite ($$ 49—136) über die Beweise für ihr Dasein; der erste Teil ) IT 14, 27; IV 3, 18. | 2) Da übrigens Cieero diese Ansichten direkt dem Cato zuschreibt, 80 ist es wohl höchst wahrscheinlich, dass Panätius und Polybius dieselben durch. Vermittelung Scipios kennen gelernt haben, vgl. Cie. de rep. Il, 1. 3) Vgl. z. B. Οἷς. de off. II 17, 60. u umfasst jedoch auch die Kritik des Sextus (δὲ 29—48), so. dass für die Lehre der Gegner nur die $$ 13—28 übrig bleiben. Der zweite Teil gliedert sich ebenfalls in zwei Abschnitte: Der erste (88 49—59) giebt die Lehre der Gottesleugner, der zweite (88 60—136) die Beweise der Gottesverehrer für das Dasein der Götter. Diese werden entnommen: 1. der Übereinstimmung der Menschen, 2. der Betrachtung der Welt, 3. der Konsequenz des Gegenteils und 4. der Widerlegung der gegnerischen Einwände (vgl. $ 60). Der Reihenfolge dieser Gründe entspricht die Dis- position der Abhandlung: Den ersten Punkt behandelt Sextus 88. 61—74, den zweiten 88 75—122, den dritten 88 123—132, den vierten 88. 133—136'). Diese Disposition beweist klar, dass Sextus den letzten Abschnitt, die Beweise für das Dasein der Götter, jedenfalls aus einer Quelle schöpft; welcher Schule die- selbe angehörte, kann auch beim oberflächlichsten Lesen nicht zweifelhaft sein: Sie ist stoisch. Der nähere Nachweis hierfür wird sich uns später ganz von selbst darbieten; hier sei nur daran erinnert, dass wir namentlich gegen den Schluss nur stoische Beweise finden. und dass Sextus selbst die Stoiker zu sehr als die Hauptgegner hinstellt, um uns nicht unwillkürlich auf den Gedanken zu führen, dass seine Quelle stoisch sei?). Auch der erste Abschnitt (88 13—28) über den Ursprung des Glaubens an die Götter ist ganz in dem Tone der nachfolgenden Abhandlung gehalten, und gleich sein Anfang zeigt, dass auch hier die Quelle, der Sextus folgt, stoisch ist. Wir finden hier nämlich ganz dieselbe stoische Definition der Weisheit, wie nach- her). Ohne Grund werden wir daher diesen Abschnitt von der nachfolgenden Abhandlung nicht trennen dürfen. Da nun die Quelle des Sextus unzweifelhaft stoisch ist, so kann es sich in der weiteren Untersuchung nur darum handeln, welcher Stoiker sie verfasst hat. Zur Entscheidung dieser Frage liegen uns schon bei Sextus ') Genaueres über die letzten beiden Abschnitte wird später gegeben werden. — Diese Disposition des Sextus ist im allgemeinen wie im einzelnen so klar, dass es unbegreiflich erscheint, wie P. Schwenke (Jahns Jahrb. für Phil. u. Päd. Bd. 119 S. 58 Schl.) die Darstellung vielfach zerrissen und sich oft widerholend nennen kann. 5) Dies beweist die ganze Darstellung; vgl. auch $ 137f. 2) Vgl. S 13 mit 8 125. τ = δὴ = genügende Gründe vor: Zunächst erwähnt er am Schluss« (8 134 ff.) einen Einwand, der gegen einen Beweis Zenos gerichtet war. Eine doppelte Berichtigung fügt er darauf hinzu, die eine nach Diogenes von Babylon, die zweite nach Gewährsmännern, die er unbestimmt lässt ($ 136). Daraus dürfen wir mit Sicher- heit schliessen, dass seine Quelle jünger als Diogenes von Babylon war. Ferner wendet dieselbe einen Beweis an, der auf einem Einwande des Garneades gegen die stoische Psychologie beruht ἢ); sie muss also auch jünger als Carneades sein. Drittens werden im ersten Abschnitte ($ 28) die jüngeren Stoiker von den älteren geschieden. Die Ansicht, die daselbst den jüngeren zugeschrieben wird, findet sich auch bei Cicero°); folglich ist die Quelle des Sextus älter als Cicero. Es bleiben somit nur wenige Stoiker zur Wahl übrig. Wer von diesen es gewesen ist, lehren zwei weitere Stellen. $ 79 wird zum Beweise der Sympathie des Alls die Ebbe und Flut auf die Anziehungskraft des Mondes zurück- geführt. Diese richtige Erklärung weist uns auf Posidonius hin, ‚wie wir an anderer Stelle sehen werden. Das Recht dieses Philosophen bestätigt schliesslich auch die letzte Stelle ($ 72). Sextus widerlegt hier eine Ansicht Epicurs mit demselben Grunde, mit dem Posidonius dieselbe Ansicht Epicurs widerlegt hat?). ‘Wir haben also allen Grund, den Posidonius für den Gewährs- mann des Sextus zu halten. Doch ist dies nicht der einzige Grund, vielmehr ergiebt sich uns noch von einer anderen Seite _ ein weiterer, der uns volle Sicherheit für den vorstehenden Schluss verbürgt. Denselben Gegenstand, den Sextus in dem letzten Abschnitte des zweiten Teiles (8$ 60—136) behandelt, behandelt Cicero in dem ersten ‚Abschnitte des zweiten Buches seiner Schrift: De deorum natura. Wenden wir uns jetzt zu diesem! Dass Ciceros Darstellung in demselben nicht sehr systematisch ist, drängt sich jedem Leser ohne weiteres auf. Den Grund hierfür werden ; 1) Vgl. $ 70 mit Cicero deor. nat. III 13, 32; wir werden hierüber noch in einem anderen Zusammenhange zu reden haben. 2 Ense; 1. 12, 26. ur 3) Dies hat Eoreits Fabrieius zu dieser Stelle angemerkt; vgl. $ 72 mit Achill. Tat. isag. in Arat. phaen. ce. 15: Ποσειδώνιος δὲ ἀγνοεῖν τοὺς ᾽Επι- green: ἔφη, ὡς οὐ τὰ σώματα τὰς ψυχὰς συνέχει, ἀλλ᾽ αἱ ψυχαὶ τὰ σώματα ὥσπερ χαὶ ἡ χόλλα καὶ ἑαυτὴν καὶ τὰ ἐχτὸς χρατεῖ. ur. 6: er - PER? u Fyverysi Ἄς ΟΣ re ar / TE δ“. ͵ ee Hl wir erkennen, wenn wir uns die Art, wie er in der Composition verfahren ist, näher vor Augen führen. Cicero zählt ($$ 13—15) die vier Gründe des Cleanthes für das Dasein der Götter auf; den ersten derselben hat er schon vorher ($ 7 ff.) verwandt, den dritten bespricht er etwas genauer, den zweiten und vierten aber erwähnt er nur kurz und geht darauf ($ 16) zu einem Be- weise des Chrysipp über. Am Schlusse dieses Abschnittes (e. 15, 39 ff.) unternimmt er es nun, die Göttlichkeit der Gestirne darzuthun, nachdem er bis dahin die der Welt bewiesen hat. Er stützt sich sofort wieder auf Cleanthes, und welche Beweise finden wir hier ausführlich dargelegt? Den zweiten und vieriegt die er vorhin nur kurz erwähnt hat). ; Den vierten Grund des Gleanthes schliesst Cicero ($ 15) mit einem Vergleiche: Wie man aus der ordnungsmässigen Ver- waltung eines Hauses auf den Verwalter schliessen müsse, ebenso aus der Schönheit und Ordnung der Welt auf einen Lenker der- selben. Dann trägt er einen Beweis des Chrysipp vor. (8 16) und gleich darauf denselben Vergleich, den wir soeben gehört haben, noch einmal, nur schliesst er jetzt aus ihm auf den Er- bauer der Welt. Alsdann fährt er fort: Wie nach dem Klima auf der Erde die geistige Begabung sich unterscheide, der nebelige Himmel unbegabte, der klare und heitere begabte Menschen zeitige, ebenso verhalte sich auch die Begabung des Menschen- geschlechtes zu der der Himmelskörper, da diese ja in einer un- endlich klareren und göttlicheren Umgebung lebten ($ 17). Dieser Schluss ist nicht ganz zu Ende gezogen, doch steht er unleugbar da. Der Grund, warum es nicht geschehen ist, liegt offen zu Tage: Aus ihm folgt, dass die Gestirne Götter sind. Dies wollte jedoch Cicero hier, wie wir soeben gesehen haben, noch nicht beweisen, sondern erst in einem besonderen Abschnitte nachher, Also durfte er diesen Schluss hier nicht zu Ende ziehen, da er ja gegen seine Disposition verstossen hätte. Wenden wir uns nun zu diesem späteren Abschnitte, so finden wir dort ganz denselben Beweis noch einmal, und zwar mit dem Schlusssatze, der hier unterdrückt ist. Cicero brach also die Darstellung seiner Quelle an der Stelle ab, wo er einsah, dass die Fortsetzung mit ἢ Vgl. $$ 13 u. 15 mit 88 39-43, besonders $ 13 mit $ Alm. u. $ 15 mit $ 43. ἢ — 89 -- seiner Disposition sich nicht mehr vertragen haben würde. Der eigentliche Platz des an späterer Stelle gegebenen Beweises war also hier ($ 17), nicht dort, wo er steht. Er steht nun in einem Zusammenhange, der ganz und gar, wie wir gezeigt haben, dem Cleanthes entlehnt ist: Demnach müssen wir schliessen, dass er ebenfalls aus Cleanthes stammt'), dass also auch ursprünglich in $ 17 noch die Lehre des Cleanthes entwickelt war. Daraus folgt alsbald, dass Cicero, was ja ohne dies klar ist, die Beweise des Cleanthes auseinander getrennt und den Beweis des Chrysipp $ 16 eingeschoben hat. Darauf weist auch die aufeinander- folgende Wiederholung desselben Beispiels hin. — Nach langer Unterbrechung kehrt Cicero $ 35m noch einmal zu Chrysipp zurück und zwar in einer Ausführlichkeit, die der Behandlung der anderen Philosophen vollkommen entspricht. Unwillkürlich drängt sich uns sofort die Vermutung auf, dass der erste Beweis aus Chrysipp ($ 16) mit denen, welche hier gegeben werden, zu verbinden ist. Diese Vermutung bestätigt der Inhalt. Chrysipp schliesst $ 16: Das Wesen, welches die Ordnung des Alls ge- schaffen hat, ist sicher vorzüglicher (melius) als der Mensch; das vorzüglichste Gut des Menschen ist die Vernunft: Also muss erst recht jenes Wesen, das vorzüglicher als der Mensch ist, der Ver- nunft teilhaftig sein. $ 39m f. finden wir ganz dasselbe: Die Natur, welche Alles umfasst und ungehindert Alles leitet, muss sicher das vorzüglichste Wesen (optima) und als solches auch der Vernunft teilhaftig sein. Dieser Schluss wird in vielfachen Variationen wiederholt. Alle diese Beweise jedoch sind in Wirk- lichkeit nur ein Beweis: Die Welt ist das Vorzüglichste und darum auch Gott; verschieden ist höchstens der Nachweis, dass die Welt das Vorzüglichste ist. Mit Recht also gehört der Be- weis des Chrysipp $ 16 zu den weiteren Beweisen desselben Philosophen 8 35mff. Da nun die letzte Stelle augenscheinlich der eigentliche Sitz seiner Beweise ist, wie der grosse Umfang derselben und auch die frühere Erörterung über den ὃ 11 und seinen Zusammenhang mit $ 15 zeigt, so folgt, dass der Beweis des Chrysipp 8 16 in Wirklichkeit hier stehen müsste. 1) Wenn hier Aristoteles vorher erwähnt wird, so steht dies gar nicht mit dem obigen Schlusse in Widerspruch, da Cleanthes gewiss auch Aristoteles benützt hat, zumal wo er mit ihm übereinstimmte. m—n. το Überblicken wir jetzt die Abhandlung Ciceros, so zeigt sich \ klar, dass die Quelle im allgemeinen die Gründe für das Dasein der Götter nach den Philosophen geordnet vortrug. Cicero hat diese Disposition und damit zugleich das ursprünglich gedachte Thema etwas verändert: Es sollte bewiesen werden, dass-es Götter giebt!); Cicero hat aber dies Thema so gedreht, dass er zunächst beweist, dass die Welt, dann, dass die Gestirne Götter sind. Demgemäss hat er die Beweise umgestellt und sie so vor- getragen, wie sie dieser Fassung des Themas entsprachen?). Sehen wir hiervon jetzt ab und überblicken seine Gründe, so zerfallen dieselben ersichtlich in zwei Klassen: Zunächst beweist er das Dasein der Götter aus der Übereinstimmung aller Menschen, Ὁ ohne irgend welchen Philosophen zu nennen ($$ 4—12), dann durch die Beweise der Philosophen ($$ 13—44); dass die letzteren alle der Betrachtung der Welt entnommen sind, lehrt ein Blick auf sie und liegt auch in der Natur der Sache. Wir haben also in dieser Beziehung volle Übereinstimmung zwischen der Quelle €iceros und der vorhergenannten Abhandlung des Sextus. Ihre Übereinstimmung zeigt sich ferner auch darin, dass Sextus im zweiten Abschnitte (88 75—122) die Beweise ebenfalls im All- gemeinen nach den Philosophen geordnet vorträgt?). Sextus unterscheidet sich aber von Cicero dadurch, dass er das Dasein der Götter noch in zwei weiteren kurzen Abschnitten erweist, von denen bei Cicero an dieser Stelle nichts vorhanden ist. Wir sehen von diesen einstweilen ab und wenden uus zu den beiden vorhandenen Abschnitten. Wir vergleichen®) zunächst den zweiten Abschnitt bei βίαια ') Vgl. 88 3 u. 18. a; ?) Vgl. auch $ 23. Diese Umdrehung des Themas hat eine scheinbar doppelte Behandlung derselben Frage im zweiten Abschnitte des ersten Teiles und im zweiten Teile zur Folge gehabt, auf Grund deren Hirzel, Unters, I S. 204 ff. schloss, dass Cicero für beide Teile eine verschiedene Quelle gehabt haben müsste. Hätte Hirzel diese von Cicero vorgenommene Um- drehung seiner Quelle erkannt, so würde er diesen Schluss natürlich nicht gezogen haben. 8) Dadurch ist es gekommen, dass sich auch bei ihm einzelne Beweise wiederholen; vgl. 8 77 mit $ 101 u. 8 75 mit $ 99. Den eigentlichen Beweis werden wir Hnchher hören. V ielleicht hat gerade diese Fassung der Quelle Cicero veranlasst anders zu disponieren. Ἢ Erst während der Drucklegung geht mir durch Diels die Ab- ᾿ die Gründe der Philosophen aus der Betrachtung der Welt. Sextus schliesst zuerst aus der Einrichtung der Welt auf den Urheber derselben; dieser könne nur eine Kraft sein, die das All durchdringe, wie die Seele unsern Leib. Darauf zeigt er, dass ihr eigene Bewegung zukomme, dass sie also Gott sei (ss 75—76). Denselben Beweis finden wir bei Cicero 88 15—17 und SS 31—32. An der letzten Stelle erfahren wir, dass der Beweis aus ihrer eigenen Bewegung Plato entnommen ist. Beide verdeutlichen auch den Schluss mit demselben Beispiel, nur sagt Sextus all- gemein, wenn man ein Kunstwerk sehe, so schliesse man auf den Künstler, Cicero mehr bestimmt, wenn man in ein Haus oder Gymnasium oder auf ein Forum trete, so schliesse man auf einen Erbauer und Verwalter. Der zweite Beweis bei Sextus schliess (8 77) von der Zeugungsfähigkeit: Wer vernünftige Wesen zeuge, müsse selber Vernunft besitzen; die Welt bringe vernünftige Wesen, die Menschen, hervor: Also müsse sie auch selber Ver- nunft besitzen. Dieser Beweis kommt bei Sextus später noch einmal vor, wir werden ihn nachher berücksichtigen. Der dritte Beweis des Sextus umfasst die 88 78—85. Es giebt nur drei Arten von Körpern, einheitliche, wie die Pflanzen und Tiere, zu- sammengefügte, wie Ketten und Schiffe, zusammengesetzte, wie Heere. Die Welt ist ein Wesen erster Art, wie aus ihrer Sym- pathie hervorgeht. Diese Art umfasst aber noch verschiedene Naturen, die der Steine, Pflanzen, Tiere und Menschen. Die Welt wird nun von einer Natur zusammengehalten, welche der der Menschen entspricht, und da sie auch die Seelen der Menschen in sich schliesst, so muss sie natürlich auch die beste und ver- nünftig und unsterblich sein. Diesen Beweis finden wir ebenfalls bei Cicero ($ 19), wenn auch ausserordentlich zusammengezogen, doch bestimmt wieder, da er zum Teil dieselben Beispiele ge- braucht, wie Sextus (vgl. Cie. $ 19 mit Sext. $ 79). Der vierte Beweis des Sextus (88 86—87) geht von den Wesen auf der Erde und im Wasser aus und schliesst auf solche zunächst in ΣΤ u "handlung von Wendland im Archiv für Gesch. ἃ. Phil. I S. 200 ff. zu, die im _ Anschluss an eine Bemerkung Schwenkes ebenfalls auf die Übereinstimmung zwischen Cicero und Sextus kurz hinweist; doch ist Wendland, für den dies ferner lag, hierbei nur an der Oberfläche geblieben. Er hat weder das “wahre Verhältnis des Sextus zu Cicero, noch seine Quelle und ihre Natur erkannt. "1 der Luft und dann auch im Äther; letzteren komme Göttlichkeit zu, wie dem Äther selbst. Denselben Beweis giebt Cicero (85 40-42), von dem wir erfahren, dass die Stoiker, und zwar Cleanthes, ihn im wesentlichen von Aristoteles entlehnt haben. Den fünften Beweis ($$ 88—91) eitiert Sextus nach Cleanthes; er schliesst von den unvollkommenen Wesen auf ein vollkommenes, welches notwendig höher als der Mensch steht, also Gott ist. Diesen Beweis liefert ebenfalls Cicero ($S$ 32 m. — 34). Sextus hat den letzten Beweis nach Cleanthes angeführt; er schliesst ihn mit den Worten 8 91: ἀλλ᾽ ὃ μὲν Κλεάνϑης ἐστὶ τοιοῦτος. Diese Worte lauten nicht gerade so, als ob Cleanthes nur dieser eine Beweis zukäme, zumal da Sextus jetzt zu den Gründen eines anderen Philosophen übergeht; und thatsächlich lässt sich auch aus Cicero zeigen, dass die meisten der bisher genannten Gründe aus ihm genommen sind: Die Zusammen- gehörigkeit der $$ 15 und 17 haben wir schon vorhin erwiesen und auch schon gesehen, dass sie Cleanthes’ Eigentum sind. 8 32, der wie Sextus zeigt, mit diesen beiden Paragraphen zu verbinden ist, steht in einem Zusammenhange, in dem sowohl das Vorhergehende wie das Nachfolgende Cleanthes gehört!). Mit Recht also dürfen wir schliessen, dass auch 88. 31—32 m. aus ihm genommen sind. Dass $ 40 ebenfalls ihm entstammt, giebt Cicero wiederum direkt an. Nur von 8 19 = Sext. 88 18 -- können wir das Gleiche aus Cicero nicht nachweisen. Da wir jedoch sehen, dass alle übrigen Beweise, welche Sextus bis jetzt vorgebracht hat, aus Cleanthes entlehnt sind, so dürfen wir schliessen, dass auch dieser Beweis ihm gehört; dass er bei ihm jedoch nicht ganz dieselbe Gestalt gehabt hat wie bei Sextus und Cicero, beweist die Thatsache, dass an beiden Stellen als Beispiel die Ebbe und Flut angewandt und auf den Einfluss des Mondes (Sympathie) zurückgeführt ist (vgl. S. 87). Nicht mit Unrecht schliesst also Sextus $ 91 mit den Worten: ἀλλ᾽ ὃ μὲν Κλεάνθης ἐστὶ τοιοῦτος. > Den folgenden Beweis (88 92—100) citiert Sextus aus Xeno- phon?). Er führt denselben zunächst wörtlich an und lässt darauf ') Dass das Nachfolgende ($ 32 m—34) ihm gehört, haben wir soeben aus Sextus erfahren; dass auch das Vorhergehende ihm entlehnt ist, werden wir nachher sehen. 2) Memorah. I 4, 8. -- 3 -- Erörterungen, die an ihn anknüpfen, folgen. Denselben Beweis führt auch Cicero ($S$ 15—19) aus Xenophon an, nur giebt er die Stelle nicht wörtlich wieder, sondern referiert sie. Das Citat aus Xenophon schliesst bei Sextus mit den Worten: νοῦν de ἄρα μόνον οὐδαμοῦ ἴντα εὐτυχῶς πόϑεν δοκεῖς συναρπάσαι:; Cicero schreibt $ 18: “unde enim hanc (sc. mentem) homo adripwit, ut ait apud Xenophontem Socrates. Die Übereinstimmung beider Schriftsteller ist hier wörtlich. Sextus schliesst hieran die Beweise des Zeno (88 101—107) an. Dieselben Beweise lässt Cicero nach Einschiebung ($ 19) eines anderen, vorhin schon behandelten Be- weises folgen, ebenfalls unter der ausdrücklichen Angabe, dass sie Zeno gehören!). Sextus fährt darauf fort ($$ 108—110), einen Einwurf, der Zeno gemacht war, zu widerlegen; diesen werden wir bei Cicero späterhin treffen, weswegen wir ihn hier einstweilen übergehen. Dann bringt Sextus (88 111—114) den Beweis des Aristoteles für die Göttlichkeit der Welt aus ihrer Bewegung. Er eitiert nicht den Aristoteles, sondern die Stoiker und die mit ihnen übereinstimmenden Philosophen. Denselben Beweis und zwar in der gleichen Ausführlichkeit treffen wir bei Cicero am Schlusse seiner Abhandlung ($ 44). Dieser nennt als Urheber desselben den Aristoteles. Die Beweise Chrysipps bringt Cicero, wie wir schon vorhin gesehen haben, an zwei Stellen ($ 16 und $ 35 m. ff.). Sie suchen in den verschiedensten Wen- dungen darzuthun, dass die Welt das Höchste und Beste ist: Der Mensch kann sie nicht machen, also ist sie mächtiger und vor- züglicher als er ($ 16). Alle übrigen Dinge können an anderen ihren Widerstand finden; die Welt kann es nicht, weil sie Alles umfasst: Sie ist also auch das Höchste und Mächtigste und muss demnach auch der Vernunft teilhaftig sein. Denn wäre sie dieser nicht teilhaftig, so wäre sie geringer als der Mensch, was wider- sinnig ist. Cicero spinnt diese Beweise weit aus, sicherlich nicht von sich selbst. Viel kürzer finden wir diesen Beweis bei Sextus, der ihn an den des Aristoteles von der Bewegung der Welt an- schliesst, ohne Chrysipp zu erwähnen ($$ 115—118): Je grösser die Erscheinung, desto mächtiger die Ursache, die sie hervor- 2) Denselben Beweis Zenos 88 101— 103 hat Sextus schon 8 77 vorge tragen;. dort folgt er, wie wir Grund hatten zu schliessen, dem Cleanthes; dieser hat also einfach den Beweis seines Lehrers angenommen. Cicero bringt diesen Beweis nur einmal vor. ESG bringt; die Welt ist nun das Mächtigste, folglich muss auch ihre Kraft die mächtigste sein; ist sie nun die mächtigste, so muss sie auch vernünftig und ewig, d. h. Gott sein. Der Schluss ist ganz derselbe wie der, den Cicero hat; dass er etwas anders als bei diesem begründet erscheint, kann nicht in Betracht kommen, da einmal Chrysipp, wie wir auch aus Cicero sehen, in der mannig- fachsten Weise dieselbe Sache begründet hat, und zweitens Cicero viel mehr auch das Äusserliche, als das Wesen des Beweises giebt. Dem Wesen nach aber unterscheidet sich die Begründung des Sextus keineswegs von der Ciceros; auch bei diesem kommt es nur darauf an zu zeigen, dass die Welt das Mächtigste und Beste ist. Wir kommen zum letzten Beweise des Sextus ($$ 119 bis 122): In jedem vielgliedrigen, von Natur in sich zusammen- hängenden!) Wesen giebt es ein Herrschendes (χυριεῦον), von dem alle Bewegungen, alle Triebe und alles Leben ausgehen; dieses ist in der Welt die sie durchdringende Kraft: Diese also ist Gott. Der Beweis ist bei Sextus verhältnismässig ausser- ordentlich kurz gehalten (88 119—120)°). Das gerade Gegenteil. findet bei Cicero statt: Er ist mit grösster Ausführlichkeit dar- gelegt ($$ 23 m.—31). Die Stelle jedoch, auf die es hauptsäch- lich ankommt, ist nicht viel länger als bei Sextus und stimmt so ausserordentlich, dass man fast sagen könnte, wörtlich mit ihm überein®). Wir merken deutlich, wie Cicero die griechischen Kunstausdrücke seiner Quelle zu übersetzen sich bemüht‘). Was bei Cicero diesem Kernpunkte vorausgeht, ist Vorbereitung auf den Schluss, die das nähere Verständnis desselben eröffnet. Aus Cicero erfahren wir auch, dass dieser Schluss dem Cleanthes an- gehörte?). ') D.h. in jedem Wesen, welches ein συνηνω μένον ist; die anderen Arten kommen hier gar nicht in Betracht. 5) Die 88 121—122 weisen einen Einwurf, der mit diesem Beweise zu- sammenhängt, zurück, gehören also nieht mehr zum eigentlichen Beweise. 5) Vgl. $ 29 mit Sextus 119—120. *) Omnem enim naturam necesse est, quae non solitaria sit neque simplex, sed cum alio iuneta atque conexa etsq; diese Worte geben sichtlich das, was Sextus $ 119 schreibt: ἐν παντὶ πολυμερεῖ σώματν καὶ κατὰ φύσιν duoizov- μένῳ (= ἡνωμένῳ). 5) Hiermit ist der Beweis dafür erbracht, was wir vorhin sagten, 8 32 stehe in einem Zusammenhange, der rückwärts und vorwärts dem Cleanthes angehöre. Wenn vorhin gesagt war, dass $ 15, 17 und 32 zusammengehörten, u Ξ Sn WER τς Die dargelegte Übereinstimmung beider Autoren ist so gross dass der Schluss notwendig ist, dass beide dieselbe Quelle vor sich gehabt haben. Sie stimmen ja nicht nur in den einzelnen Beweisen überein, sondern sie führen auf der einen Stelle auch das gleiche Citat mit den gleichen Worten an, und weisen uns auch beide in gleicher Weise darauf hin, dass die Beweise der Quelle im wesentlichen nach den Philosophen geordnet waren: Zuerst kamen daselbst die Beweise des Cleanthes, dann die des Xenophon, dann die des Zeno und Chrysipp. Cleanthes war also für die gemeinsame Quelle augenscheinlich der grösste Ge- währsmann. Bei ihm fanden sich auch sicher wohl schon die Beweise, welche die Bewegung der Welt dem Plato und Aristo- teles an die Hand gaben. Wir gehen jetzt zum ersten Abschnitte über. Sextus erweist bier das Dasein der Götter aus der Übereinstimmung aller Men- schen in dem Glauben und der Verehrung der Götter: Wie sie auch im einzelnen von einander abwichen, in der Hauptsache stimmten doch alle überein. »Falsche Meinungen«, so fährt er fort, »sind nicht von langer Dauer; der Glaube an das Dasein der Götter aber war immer und wird immer sein, da er auch durch Beweise bekräftigt wird. Wenn nun die Gegner ein- wenden, dass alle Menschen in der Annahme der Unterwelt und ihrer Schrecken übereinstimmen, also auch diese wahr sein müssten, so berücksichtigen sie nicht den Unterschied zwischen beiden Ansichten: Alles Erdichtete trägt den Grund der Unwahr- _ heit in sich selbst; dies trifft auch bei der Unterwelt und ihren Qualen zu. Die Seelen können gar nicht solche Qualen erleiden, wie innen Homer zuschreibt, ja sie können überhaupt nicht ein- mal in die Unterwelt hinab-, sondern nur in die Oberwelt hinauf- steigen. Ist dieses aber der Fall, so sind sie gleichen Wesens, wie die Dämonen; giebt es aber Dämonen, so giebt es auch Göttere. Dies ist die Übersicht über den Beweis des Sextus. Zweierlei ist in diesem Beweise nicht ausgeführt, sondern nur angedeutet: Zunächst, dass der Glaube an die Götter durch Be- weise bestätigt wird. Dies wird sich naturgemäss auf Beweise so wird die Zerreissung vielleicht Befremden hervorgerufen haben, das An- stössige verliert sie jetzt, wo wir sehen, dass alle drei Paragraphen auf DD ER ab re a ai Cleanthes zurückgehen. Es ist ja sehr gut möglich, dass der Beweis in 5 ΟΣ zweimal von Cleanthes benutzt war, ne KO beziehen, die im zweiten Abschnitte folgen. Zweitens ist der Schluss nicht bewiesen: Wenn die Seelen in die Oberwelt gehen, sind sie den Dämonen gleich, giebt es aber Dämonen, so giebt es auch Götter. Denn dass es Dämonen giebt, wird nicht be- wiesen. Diesen Punkt berührt Sextus ebenfalls im folgenden Abschnitte $ 86, wo er ausführt, dass es so wie auf der Erde und im Meere auch in der Luft und im Äther lebende Wesen gebe. Er nennt daselbst als Beispiele der Dämonen die Dios- kuren Castor und’ Pollux, weist aber mit einem Verse Hesiods auf deren grosse Anzahl hin. Wenden wir uns jetzt zu Cicero! Zuerst trägt auch er den Beweis aus .der Übereinstimmung der Menschen vor. Dann weist er darauf hin, dass die Götter oft auch persönlich erscheinen, bringt darauf die Mantik als einen weiteren Beweis für das Da- sein der Götter vor und kehrt schliesslich ($ 12) zu dem Be- weise aus der Übereinstimmung zurück und zwar mit Worten, die keinen Zweifel daran zulassen, dass er eigentlich noch immer bei dem Beweise aus der Übereinstimmung sich befinden will. Dass nun die Mantik in der Stoa einen Beweis für das Dasein ‘der Götter bildete, ist bekannt; was dieser Beweis aber mit dem aus der übereinstimmenden Meinung der Menschen gemeinsam hat, derart dass er gewissermassen einen Unterbeweis desselben bildete, ist absolut nicht ersichtlich. Cicero deutet es ebenfalls nirgends an, berichtet dagegen gleich im Beginne des folgenden Abschnittes (e. 5, 13), dass die Mantik den ersten der Beweise des Cleanthes abgegeben habe. Er gehört also offenbar nicht hierher, wo er steht. Scheiden wir ihn aus und hören jetzt den Zusammenhang seiner übrigen Erörterungen! Zuerst also trägt er den Beweis aus der Übereinstimmung der Menschen vor, alsdann fährt er fort: Die wahren Ansichten, welche die Natur uns lehre, 'beweise die Zeit, die erdichteten Meinungen dagegen vernichte sie. Nie- mand glaube mehr an Wesen wie die Hippocentauren, niemand an die Ungeheuerlichkeiten der Unterwelt. Daher werde denn auch bei allen Völkern die Verehrung der Götter immer besser und heiliger. Dies geschehe nicht etwa zufällig, sondern, weil die Götter oft auch persönlich ihr Wesen und ihre Kraft kund- thäten. In welchem Zusammenhange steht nun der letzte Satz mit dem, was vorher ausgeführt ist? Nach dem Wortlaute Ciceros (8 5) könnte es scheinen, als ob durch das persönliche Erscheinen 4 der Götter das Besserwerden des Gottesdienstes bedingt sei: doch ist dies weder thatsächlich der Fall, noch verträgt es sich auch mit dem Thema, das hier bewiesen werden soll und bewiesen wird, wie die unmittelbar folgenden Worte zeigen ($ 6): saepe Faunorum voces exauditae, saepe visae formae deorum, quemvis non aut hebetem aut impium deos praesentis esse confiteri coege- runt? Es wird also thatsächlich erwiesen, dass es Götter giebt, und dass sie-erscheinen. Welches sind nun die Götter, die sich den Menschen so handgreiflich offenbaren? Ausführlich erzählt Cicero mehrere Ereignisse, an denen die Dioskuren teilgenommen haben. Dann erwähnt er am Schlusse neben diesen allgemein auch die Faune und überhaupt viele Göttergestalten. Vergleichen wir jetzt die Darstellung Ciceros mit der des Sextus, so kann uns ihre Übereinstimmung nicht einen Augen- blick verborgen sein: Wie Sextus so trägt auch Cicero zuerst den Beweis aus der Übereinstimmung der Menschen vor. Ebenso sagen beide darauf, dass nur die wahre Meinung Bestand habe, die falschen aber durch die Zeit vernichtet würden. Weist Sextus alsdann den Vorwurf, der aus dem allgemeinen Glauben der Menschen an die Schrecknisse der Unterwelt hergenommen wurde, dadurch zurück, dass er diesen Glauben als veraltet und verkehrt darthut, so sagt auch Cicero, niemand glaube mehr an die erdichteten Qualen der Unterwelt und ähnliche Fabeln. Sextus schliesst ferner aus dem Dasein der Dämonen auf das der Götter, und als Vertreter der Dämonen lernen wir bei ihm die Dioskuren kennen; von ebendenselben beweist auch Cicero, dass sie den Menschen häufig erscheinen und ihr Dasein dadurch erweisen. Sextus deutet ferner durch einen Vers des Hesiod die grosse Zahl dieser göttlichen Wesen an; ebenso verweist uns auch Cicero, nachdem er über die Dioskuren gesprochen, auf die Faune und die zahlreichen Göttergestalten. Schliesst Sextus hier endlich nur, dass, weil es Dämonen gebe, es auch Götter gebe, ohne zu beweisen, dass es Dämonen giebt, so bietet Cicero diesen Beweis. Denn indem er Beweise für das vielfache Er- scheinen der Dämonen bringt, bringt er zugleich auch Beweise für ihr Dasein!). Es ist somit unzweifelhaft, dass Sextus und ΞΕ ΠΗ .--- 1) Dass Cicero auch den Grund hat, den Sextus $ 86 vorträgt, “ist früher gezeigt worden. Schmekel, mittlere Stoa. 7 os Cicero auch hier derselben Quelle folgen. Sie unterscheiden sich nur dadurch, dass Sextus einen wohlgefügten Bericht über dieselbe bietet, Cicero aber offenkundig seine Quelle sehr zu- sammenzieht und im wesentlichen nur die Resultate der Haupt- punkte giebt. Nun benutzt hier Cicero das Werk des Posidonius περὶ ϑεῶν, wie allgemein anerkannt ist!): Also muss auch Sextus dasselbe benutzt haben. Dieser Schluss bestätigt somit vollauf, was wir schon vorher aus Sextus selbst zu schliessen hinreichend Veranlassung hatten. Die Kritik der Epikureischen Theologie im ersten Buche Ciceros behandelt an letzter Stelle die Verehrung der Götter, die nicht unpassend an die Bestreitung ihrer Glückseligkeit an- geknüpft wird. Fassen wir nun diesen Abschnitt von der Ver- ehrung der Götter ($$ 115—124) näher ins Auge! Derselbe argumentiert: Obwohl Epikur auch über die Verehrung der Götter schreibt, so hat er doch die Religion in ihrem Grunde vernichtet. Denn da er jegliche Fürsorge und Thätigkeit von ihrem Wesen ausschliesst, so fällt jeder Grund sie zu verehren. Wenn er nun als Grund dieser Verehrung die Bewunderungs- würdigkeit ihrer Natur vorgiebt, so ist dieser einfach auf Aber- glaube gegründet, da wir an ihrer Natur nichts Vorzügliches wahrnehmen (88 115—117in.). In Wirklichkeit hebt er vielmehr ebenso wie die Atheisten (88 117 in.—121in.) die Religion voll- ständig auf (88 121—122). Wenn er also über die Verehrung der Götter, wie ja Thatsache ist, geschrieben hat, so kann er damit die Menschen nur einfach zum Besten gehabt haben, da eine Verehrung der Götter auf seinem Standpunkte ein offener Widerspruch ist ($ 123 in.). Dieser Fortschritt der Gedanken- entwickelung bezeugt klar, dass der Abschnitt von der Verehrung der Götter ein einheitlicher, wohl zusammenhängender Beweis ist. Nur die Behandlung und Aufzählung der Atheisten ist in der vorliegenden Ausführlichkeit hier keineswegs notwendig. Dies zeigt sich auch darin, dass ihre Einführung jedenfalls schwerfällig und unklar ist. Sehen wir uns nun die Begründung, in der Epikur den Atheisten zugezählt wird, etwas genauer an! Die Atheisten werden hier nicht deswegen erwähnt, weil sie die ') Schoemann in der erkl. Ausg. dies. Schrift S. 17; Hirzel, Unters. I Ὁ. 191 ff.; Schwenke, Jahrb. für Phil. u. Päd. Bd. 119 S. 129. u. bes. Wendland; vgl. S. 90 A. 4. -- 9 -- Götter leugnen, sondern aus dem Grunde, weil sie die Religion gänzlich aufheben. Ebendies wird hier auch dem Epikur nach- gewiesen; nicht wird geleugnet, dass er die Götter bestehen lasse (vgl. 8 121 ff.). Dieser Nachweis geht darauf aus, ihm einen Widerspruch aufzudecken: Obwohl er nämlich den Göttern die beste Natur beilege, so nehme er ihnen doch gerade das Beste, die Wohlthätigkeit, Güte und Liebe, da er ihnen jede Thätigkeit und liebende Fürsorge für die Menschen abspreche. Sei dieses aber der Fall, so schwinde natürlich jeder Grund sie zu verehren. Dieser Beweis ist seinem Wesen nach derselbe, den wir gleich im Anfange dieses Abschnittes ($ 115) hören, nur ist er tiefer und feiner ausgeführt; um so mehr also werden wir diesen Abschnitt nicht zerreissen dürfen. Die soeben vor- getragene Kritik Epikurs ist nun stoisch, wie Cicero zum Über- fluss noch selbst bezeugt ($ 123): Demnach müssen wir schliessen, dass dieser ganze Abschnitt auf einen Stoiker zurückgeht. Die Konsequenz dieser Darlegung liegt auf der Hand: Hebt ' Epikur ebenso wie die Atheisten in Wirklichkeit die Religion auf, so leugnet er auch ebenso wie diese das Dasein der Götter; spricht er gleichwohl von ihrer Verehrung, so ist dies nur ein Schein- ' dasein, das er ihnen in den Worten zugesteht. Diese Konsequenz ‘ deutet Cicero selbst an, ganz klar aber giebt er sie in einem längeren Citate, das er dem fünften Buche des Posidonius rregi ϑεῶν entlehnt. Dasselbe enthält jedoch nicht allein dies, sondern auch die Gründe, oder vielmehr den Grund, durch welchen Cicero vorher beweist, dass Epikur die Religion thatsächlich aufhebe'). ' Bei diesem Zusammenhange ist der Schluss notwendig, dass Cicero den in Rede stehenden Abschnitt über Epikurs Verehrung der Götter nach Posidonius gearbeitet hat. Kehren wir jetzt zu Sextus zurück! Die Disposition des "Posidonius für den Nachweis, dass es Götter giebt, umfasst da- selbst, wie wir früher gesehen haben, vier Punkte. Die ersten 1) Vgl. $ 124: si maxime talis est deus, ut nulla gratia, nulla hominum earitate teneatur, valeat, mit $ 121: cum enim optimam et praestantissimam naturam dei dicat esse, negat idem esse in deo gratiam; $ 124 esse enim Propitius potest nemini, quoniam, ut dieitis, omnis in imbeeillitate est et Εἰ caritas, vgl. 8 122: vos... .. in imbeeillitate gratificationem et henevolentiam Yonitis. Für benevolentia tritt gleich darauf caritas ein, die sowohl vorher “wie nachher als der Grund der einzelnen Tugenden erscheint. n% ‘ gratia — 10 -- beiden Abschnitte der Darlegung, welche den ersten beiden . Punkten der Disposition entsprechen, hat Cicero, wie wir oben nachgewiesen haben, in dem ersten Abschnitte des zweiten Buches verwandt, von den beiden letzten dagegen Abstand genommen. Der erste dieser beiden beweist das Dasein der Götter aus der Konsequenz der Annahme, es gebe keine Götter. Sextus schliesst daselbst: Wenn es keine Götter giebt, so giebt es auch keine Religion (εὐσέβεια), welche das Wissen der Verehrung der Götter ist. Nun giebt es aber Religion: Also giebt es auch Götter. In gleicher Weise lautet der Schluss in Bezug auf die Frömmigkeit, Weisheit, Gerechtigkeit und Mantik. Diese Darlegung zieht also die Konsequenz aus der Lehre der Atheisten und widerlegt diese ' durch den Widerspruch mit der Wirklichkeit!). Posidonius stellt nun, wie wir vorhin ebenfalls gesehen haben, den Epikur den Atheisten gleich: Also müssten sich die gleichen Folgerungen aus seiner Lehre ergeben. Diese Folgerungen finden wir in Wirklich- keit auch bei Cicero und zwar zum Teil in wörtlicher Überein- ' stimmung?); demnach muss an beiden Stellen dieselbe Quelle zu !) Dies geht auch aus Sextus’ Worten ganz offen hervor $ 60 u. $ 123: οἱ τοίνυν ϑεοὺς ἀξιοῦντες εἶναν πειρῶνταν τὸ προκείμενον χατασχευάζειν ἐκ. .. τρίτου δὲ ἀχολουϑούντων ἀτόπων τοῖς Evaıgovcı τὸ ϑεῖον. 5) Die diesbezügliche Darstellung hat Cicero zweimal; einmal an der besprochenen Stelle $ 115 und zweitens in der Einleitung $ 3. Die Über- einstimmung beider Stellen ist so evident, dass sich der Schluss nicht zurück- weisen lässt, Cicero habe diesen Paragraphen mit Berücksichtigung der folgenden Darstellung niedergeschrieben. Hierauf hat schon P. Schwenke a. a. Ὁ. S. 66 mit Recht hingewiesen. Wenn sich an beiden Stellen nicht die Mantik berücksichtigt findet, so ist der Grund klar: Cicero verwendet dieselbe als Beweis für das Dasein der Götter im ersten Abschnitte des zweiten Buches. ὃ 3 schreibt er nun: in specie autem fietae simulationis — dafür erklärte ja Posidonius die Götter Epikurs — sicut reliquae virtutes item pietas inesse non potest, cum qua simul sanctitatem et religionem tolli necesse est... atque haud scio an... . excellentissima virtus, justitia, tollatur. Bei Epikurs Auffassung der Götter schwinden also alle Tugenden; besonders werden hier noch erwähnt und später ($ 115) ausführlicher besprochen die sanctitas, die mit der religio eng verbunden ist (vgl. $ 115 religio ... quid est enim, eur deos ab hominibus colendos dicas), die pietas und die zustitia. Die letztere definiert Cicero $ 121 nicht, erwähnt sie aber ihrem Wesen nach | daselbst, bes. $ 122 (vgl. Cie. off. I 7, 20; 15, 47; II 7, 23); die anderen beiden dagegen definiert er, und in diesen Definitionen stimmt er wörtlich mit Sextus überein, vgl. Cie. $ 116: sanctitas est seientia colendorum deorum, mit Sext. $ 123: ἔστιν εὐσέβεια ἐπιστήμη ϑεῶν ϑεραπείας, und Cie. ebds.: est ἢ «4 — 101 — Grunde liegen. Dass diese das Werk des Posidonius über die Götter ist, braucht nicht mehr gesagt zu werden. Gegen die weitere Benutzung des Posidonius spricht, wie Hirzel (TS. 35ff.) meint, mit aller Entschiedenheit der Widerspruch zwischen 8 85 und 8 123; Schwenke, der denselben auch anerkennt, hat ihn a. a. Ὁ. S. 62 abzuschwächen versucht durch den Hinweis. dass die eine Stelle die andere nicht direkt ausschliesse, und dass beide Stellen bei Posidonius gestanden haben könnten: that- sächlich jedoch findet ein Widerspruch zwischen beiden Stellen nicht statt, deswegen weil beide nichts miteinander zu thun haben. Sehen wir nämlich, $ 85, zunächst von den einleitenden Worten ab, so heisst es daselbst, es gebe Leute, welche den ‘ersten Paragraphen der χύριαι δόξαι Epikurs in dem Sinne er- klärten, dass Epikur die Götter in Wirklichkeit geleugnet und nur scheinbar festgehalten habe. Diese Auffassung sei falsch, wie die vielen Stellen bezeugten, an denen Epikur ganz deutlich von dem ' Dasein der Götter rede; Epikur habe sich also an der genannten Stelle nur unklar ausgedrückt. Dieses ist auch die Auffassung des Posidonius in Betreff der Theologie Epikurs; denn $ 121 ff. wird ausdrücklich zugestanden, Epikur habe das Dasein der Götter gelehrt: Also kann Posidonius nicht zu jenen gehört haben, ‚ welche 8 85 widerlegt werden. Dass er mit ihnen in dem End- ergebnis zusammentraf, kommt dabei gar nicht in Betracht; denn der Grund, der ihn zu dem gleichen Urteile veranlasste, ' war ein ganz anderer, nämlich die Konsequenz des Epikureischen ‚Systems (vgl. $ 115 ff., $ 123). Dazu stimmt auch $ 85: novi 'ego Epicureos omnia sigilla venerantes, quamquam video non- nullis videri Epicurum ... verbis reliquisse deos, re sustulisse; denn augenscheinlich sind die nonnulli Epikureer, die im Gegen- satz zu den Epikureern im allgemeinen ein abweichendes Urteil hatten. Posidonius stimmt mit diesen wohl überein, aber aus ‚anderen Gründen. Was also $ 85 ff. anbetrifft, so kann diese Nachricht sehr wohl mit dem anderen Inhalte aus Posidonius genommen sein. Dann begreifen wir auch erst die Herbheit, die in der Zurückweisung der Ansicht jener Epikureer enthalten ist, die Epikur zum verkappten Atheisten machten: Epikur habe sich Pietas iustitia adversum deos mit Sext. ὃ 124: ἔστιν ἣ ὁσιότης δικαιοσύνη τις πρὸς ϑεούς. ΩΣ — © nur aus Unfähigkeit, klar zu reden, so undeutlich in dem ge- nannten Paragraphen der χύριαν δόξαν ausgedrückt, ein Urteil, das wir nachher bei Posidonius ähnlich wiederfinden $ 123: Judimur ab homine non tam faceto, quam ad scribendi licentiam libero. Diesen Vorwurf der Unfähigkeit hat Posidonius überhaupt stets gegen Epikur erhoben und zu erweisen gesucht'); mit Recht also dürfen wir schliessen, dass auch hier derselbe Vorwurf auf denselben Philosophen zurückgeht. Auch daran dürfen wir keinen Anstoss nehmen, dass Cicero die stoische Widerlegung einem Akademiker in den Mund legte: Er benutzte seine Quellen, wie es ihm passend war. Ein schlagendes Beispiel finden wir hierfür in dem vorhin übergangenen Einwurf gegen Zeno, den wir bei Sextus a. a. Ο. 88 108—110 lesen. Zeno argumentierte folgender- massen: Das Vernünftige ist besser als das Unvernünftige; nun ist nichts besser als die Welt: Also ist sie vernünftig. Diesen Syllogismus parodierte Alexinus durch den folgenden: Das Ge- lehrte ist besser als das Ungelehrte; nun ist nichts besser als die Welt: Also ist sie gelehrt. ‘Auf gleiche Weise schloss er auch, dass sie mathematisch und musikalisch u. s. w. sei. Dieser Ein- wand wurde nicht ungeschickt von den Stoikern zurückgewiesen, wie wir ebenfalls bei Sextus a. a. Ὁ. lesen. Während also Cicero hier in allen Punkten mit Sextus übereinstimmt, wie wir vorhin gezeigt haben, so suchen wir diesen Einwand und seine Wider- legung vergebens; wenden wir uns aber zu der Widerlegung der stoischen Lehre im dritten Buche, so finden wir ihn daselbst $ 22 ff. in so augenscheinlicher Übereinstimmung wieder, dass wir sofort erkennen, wie Cicero verfahren ist: Er hat die Wider- legung dieses Einwandes ausgelassen und ihn selbst ohne Nennung seines Urhebers seinem Akademiker geliehen. E Der vierte und letzte Punkt der Darstellung des Posidonius bei Sextus wendet sich der Disposition gemäss gegen die Ein- wände der Gegner. Die Kürze dieses Abschnittes ist geradezu auffallend. Es werden höchstens zwei Einwände, die gegen die Stoa erhoben waren, berücksichtigt; dass aber sehr viele und schwere Einwände von den Epikureern und Akademikern gegen sie erhoben wurden, ist selbstverständlich und wird auch später zur Sprache kommen. Es bedarf daher gar keines Beweises, ') Vgl. Cie. deor. nat. II 18, 48 und bes. Cleomedes eyel. theor. II ὁ. 4 p. 65 ff. | Er ἃ dass Sextus hier ausserordentlich gekürzt hat. Er hätte sich auch die Arbeit sehr erschwert, wenn er die Einwände seines Gegners vorgetragen hätte, da er sie alsdann auch noch hätte widerlegen müssen. Wie eng nun der Abschnitt, welcher die Widerlegung der gegnerischen Einwände umfasst, mit dem vorhergehenden Abschnitte zusammenhängt, leuchtet ganz von selbst ein: Die Atheisten, Epikur mit eingeschlossen, sind ja die Gegner; ihre Lehre daher ein fortlaufender Einwand gegen die Lehre der Stoiker und überhaupt aller Gottesverehrer. Dies beweist auch die Darstellung des Sextus selbst, denn die beiden letzten Ab- schnitte grenzen sich nicht mehr genau von einander ab!). Legte also die erste Hälfte die positiven Gründe für das Dasein der Götter dar, so war die zweite Hälfte mehr auf die Abwehr der Gegner gerichtet. Mit Recht bildete daher diese Widerlegung der gegnerischen Grundsätze und ihrer Einwände gegen die stoische Lehre zwei neue indirekte Beweisgruppen für die Richtig- keit der stoischen Anschauung. Aus dieser Abwehr hat Cicero offenbar die vorhin besprochene Kritik der Epikureischen Lehre entlehnt, und darum ist es ganz natürlich, dass er sich mit dem dritten Abschnitte der Darstellung des Sextus so nahe berührt. Hierzu stimmt auch die Stellung, welche diese Widerlegung nach dem Zeugnis beider einnahm. Nach Sextus folgte sie der langen positiven Darstellung und nach Cicero ebenso, da er die Kritik des Epikur aus dem fünften Buche des Posidonius nimmt. Da nun die Übersicht über die Atheisten und ihre Lehre bei Sextus (88 49—59) und Cicero (88 117—120) vollständig übereinstimmen, wie längst bekannt ist’), und wir jetzt sehen, dass Posidonius auch die Atheisten erwähnt und die Widerlegung ihrer Lehre als. einen neuen Beweis für seine eigene Theorie verwandt hat, so dürfen wir bei den dargelegten Verhältnissen mit Recht schliessen, dass auch diese Übersicht von beiden aus seinem Werke ge- nommen ist. Nun haben wir soeben gesehen, dass die Wider- legung des Gegners, aus der diese Stelle nur stammen kann, bei Posidonius auf die Darstellung der positiven Lehre folgte; er- — 13 — ἢ 8 123—126 gehört zum dritten Abschnitte, $ 127—131 zum vierten, $ 132 wieder zum dritten und $ 133—136 wieder zum vierten. 2) Hirzel, Unters. I S. 39 #.; Schwenke, Jahns Jhrb. 119 S. 58£., der aber mit Unrecht eine Verschiedenheit zwischen Sext. $ 56 u. Cie. $ 117 annimmt. — 14 -- wägen wir dies, so ergiebt sich sofort die Erklärung für die sonst unbegreifliche Kürze der Darstellung des vierten Punktes bei Sextus: Sextus hat aus der Widerlegung der Gegner bei Posidonius die Übersicht über ihre Lehre einfach herausgenommen und vorher als die Lehre der Gottesleugner vorgetragen. Ebenso sicher ist jetzt der Schluss, dass auch der kurze, ein- leitende Abschnitt des Sextus ($$ 13—28) über den Ursprung des Glaubens an das Dasein der Götter aus demselben Werke des Posidonius entlehnt ist. Einmal ist es an sich natürlich, dass Posidonius hierüber sprach, und zweitens ebenso an sich un- elaublich, dass Sextus für diesen kleinen Abschnitt noch eine zweite Quelle sollte benutzt haben. Ferner scheidet Sextus in demselben die jüngeren und älteren Stoiker und erwähnt die Ansichten beider. Diese hier angegebene Ansicht der jüngeren Stoiker findet sich, wie gesagt, auch bei Cicero Tusc. I 12, 26: Folg- lich sind diese jüngeren Stoiker älter als Cicero. Nehmen wir nun hinzu, dass sich dieser Abschnitt vielfach mit dem späteren innig berührt, so ist in der That der Schluss unabweisbar, dass auch dieser Abschnitt des Sextus auf Posidonius zurückgeht. Kap, Varro: Antiquitates rerum divinarum I $ 1. Quellen. Augustin giebt in seinem Werke ‘De civitate Dei’ zu ver- schiedenen Malen dieselbe Interpretation derselben Vergilischen Verse, nicht nach eigenem Ermessen, wie die nachfolgende Ver- gleichung zeigt?): Comm. Luc. IX 9, p. 291, 3ff. Us. Augustin. de οἷν. D. XXI, 13: Animas philosophi tradunt di- Platonieci quidem, quamvis im- vino igne constare; quare cum punita nulla velint esse peccata, sortitae fuerint secundum suum tamen omnes poenas emenda- ') Vgl. des Verfassers Diss. de Ovid. Pythag. doctr. adumbr. p. 55ff. Des r Tr . . . . . Zusammenhanges wegen war es notwendig, diesen Beweis hier noch einmal zu wiederhojen. ἡ — 15 — meritum corpus atque eo pollu- tae contagionem labemque per- tulerint, quo etiam dissolutae non carent, ut et Versgilius ait: ‘non tamen omne malum mise- ris nec funditus omnes || corpo- reae excedunt pestes penitusque necesse est || multa diu concreta modis inolescere miris || ergo ex- ercentur poenis veterumque ma- lorum || supplicia expendunt’: aliae ventis, aliae igne, aliae aqua purgantur. hoc est aliae ventis per aerem traducuntur, ut pur- gatae aeris tractu in naturam suam verti possint. Sic Vergi- lius: ‘seilicet huc reddi deindJeac resolutareferri || omnia nee morti esse locum, sed viva volare || si- deris in numerum atque alto succedere caelo’ propter quod et hie patientis aetheris imi fe- cit, hoc est in hunc aerem imum venire et corpus regere ac deinde in suam sedem remeare, hoc est in solis globum ac lunae. Aut quoniam Pythagoras dixit huius modi animas in stellas converti: quo modo aceipimus aeternos orbes. tioni adhiberi putant vel huma- nis inflictas legibus, vel divinis sive in hac vita sive post mor- tem... Hinc est Maronis illa sententia, ubi cum dixisset de terrenis corporibus moribundis- que membris, quod animae ‘hine metuunt cupiuntque dolent gau- dentque nec auras || suscipiunt, clausae tenebris et carcere caeco'. secutus adiunxit atque ait: ‘quin et supremo cum lumine vita re- liquit’ id est, cum die novissimo reliquit eas ista vita: ‘non tamen omne malum miseris nec fundi- tus omnes || corporeae excedunt pestes penitusque necesse est || multa diu concreta modis ino- lescere miris || ergo exercentur poenis veterumque malorum sup- plicia expendunt:aliaepanduntur inanes || suspensae adventos aliis subgurgite vasto || infectum elui- tur scelus aut exuritur igni’. Qui hoc opinantur nullas poenas nisi purgatorias esse post mortem, ut quoniam terris superiora sint elementa aqua, aer, iqnis ex ali- quo istorum mundetur per e@- piatorias poenas, quod terrena contagione contractum est. der quippe aceipitur in eo, quod ait: suspensae ad ventos, aqua ım eo, quod ait: sub gurgite vasto, ignis autem suo nomine eXx- pressus est, cum dixit: “aut ex- uritur igni’ etsq. Beide Erklärungen stimmen so augenfällig überein, dass der Schluss sicher ist, dass sie beide aus derselben Quelle entlehnt ἰ -- 106 -- sind. Dieselbe Erklärung finden wir auch bei Servius, wenn auch nicht in der gleichen wörtlichen Übereinstimmung in Aen. VI 733: Hine metuunt etsq.] ex corporis coniunctione et hebe- tudine. Varro et omnes philosophi dieunt quattuor esse passiones (ef. Aug. εἰν. Ὁ. XXIV 3), duas a bonis opinatis et duas a malis opinatis rebus: nam dolere et timere duae opinionis malae sunt, . item gaudere et cupere opiniones bonae sunt ... haec ergo nascuntur ex ipsa coniunctione etsq. 740—741: supplicia expen- dunt etsq.] ideo agunt supplicia, non ut animas puniant, sed ut eas peccatis exuant pristinis. loquitur quidem poötice de pur- gatione animarım, tangit tamen, quod et philosophi dicunt. nam triplex est omnis purgatio: aut enim eae in terra purgantur, quae nimis oppressae sordibus fuerint .. . id est transeunt n corpora terrena et haec ign? dieuntur purgari. ignis enim in terra est, quo exuruntur omnia ... aut in aqua 1. 6. transeunt in corpora marina, si paulo melius vixerint; aut certe in aere, transeundo sc. in aeria corpora, si satis bene vixerint etsq. Aus dieser Übereinstimmung folgt, dass entweder alle drei diese Er- klärung einer gemeinsamen Quelle entlehnt haben, oder dass Augustin und der Verfasser des Lucankommentars auf Servius zurückgehen, so dass wir in ihrer Erklärung die des unverkürzten Kommentars desselben besässen. Die hiermit verwandten Stellen im Kommentar zum Lucan, die sehr dürftig gehalten sind, stehen alle in innerer Beziehung zu einander, wie sie auch alle zur Er- klärung der Apotheose des Pompeius herangezogen sind. Viel- mehr jedoch ist die innere Zusammengehörigkeit bei den Er- klärungen Augustins!) ersichtlich: Sie nehmen sich gegenseitig auf und ergänzen sich einander. Diese Erklärungen Augustins und des Lucankommentators entsprechen nun denen des Servius in Aen. VI 703—750 und stehen ihnen vollkommen parallel. Daraus folgt, dass auch bei Servius diese Erklärungen zusammen gehören und in sich eine Einheit bilden?). Dies beweisen sie zunächst selbst; denn sie erklären sich oft gegenseitig dergestalt, 1) de οἷν. Ὁ. X 30; XIII 19; XIV 3; 5; 8: XXI 3; 13; XXI 26; vese des Verfassers Diss. p. 55 ff. ; { °) Sehr wahrscheinlich ist es daher nieht, dass Augustin und der Lucan- kommentar hier auf Servius zurückgehen; dass der Lucankommentator ihn sonst auch benutzt hat (vgl. p. 111, ὃ u. 246, 2 ed. Usener und dessen Be-7 merkung zu dieser Stelle), steht damit nicht im Widerspruche. - — ΤΟΥ — dass wir an der einen Stelle ausführlich lesen, was an der anderen nur angedeutet ist und umgekehrt ἢ). Diesen Zusammen- hang giebt ferner auch Servius selbst in der Bemerkung zu dem ersten der genannten Verse an: hirmos (eioude) est hoc loco i. e. unus sensus protentus per multos versus. Diese Erläuterungen müssen also in der Hauptsache aus ein und derselben Quelle genommen sein. Wer nun diese Quelle gewesen ist, giebt Servius mit aller Bestimmtheit an. In der oben angeführten Bemerkung zu v. 703 fährt er nämlich fort: in quo tractat de Platonis dogmate, quod in Phaedone positum est περὶ ψυχῆς, de quo in Georgieis strietim, hie latius loquitur. De qua re etium Varro in primo divinarum plenissime tractavit etsq. Die erwähnten Erörterungen sind also aus dem ersten Buche von Varros Antiquit. rer. div. genommen. , Dies bestätigt auch die Erläuterung zu v. 733: Varro et omnes. philosophi dieunt quattuor esse passiones etsq.; denn nach dieser Stelle kann es sicher nicht zweifelhaft sein, wer unter den Philo- sophen zu verstehen ist, auf die sich Servius v. 714, 741 und 149 kurzweg beruft, zumal da diese Stellen sich gegenseitig fordern und ergänzen’). Hierzu stimmt es drittens trefflich, 1) Dies zeigen besonders die langen Erörterungen zu den v. 724, 733, 740—741: die zu den letzteren drei Versen sind nur die weiteren Aus- führungen dessen, was wir in der zweiten Hälfte der Erklärung zu v. 724 lesen. Vgl. ferner die zu v. 726 u. 724 A., 114 u. 705 Schl., 705 u. 711. 2) Wenn Servius auch Citate aus anderen Schriftstellern hinzufügt, so stehen dieselben mit dem eigentlichen Gegenstande meist nur in äusserem Zusammenhange, so dass sie in Bezug auf diesen ohne weiteres ausscheiden. Anderer Art ist das Citat aus Cie. Tusc. I 23, 53 zu v. 727, das die Un- sterblichkeit nach Platos Phädrus erweist. Da die Unsterblichkeit der Seele in der Erläuterung zu v. 724 als absolut gewiss bereits erschlossen ist und zwar aus einem Grunde, der auch von Varro in demselben ersten Buche der Antig. rer. div. auf eben diesen Platonischen Beweis gestützt wird, den die Stelle der Tuseulanen anführt (vgl. im folg. $ frgm. 21, 27b und 29 Anm. 1.), so enthält die Erläuterung zu v. 727 offenbar nur eine nähere Ausführung des Anfangs der Erläuterung zu v. 724, wie dies hier ja fast durchweg der Fall ist. Da nun Varro denselben Beweis in diesem Buche gebracht hat, so ist in der genaueren Ausführung zu v. 727 Cicero offenbar deswegen genannt, weil er mit Varro eben diesen Beweis gab und Varro schon vorher als allgemeine Quelle genannt war. Die eigentliche Quelle kann Cicero schon deswegen nicht gewesen sein, weil sich das Meiste von dem, was wir bei Servius lesen, bei ihm nicht findet. — 105 -- dass Varro in diesem Buche die Unsterblichkeit der Seele that- sächlich mit eben dem Grunde erwiesen hat, den wir in der Erläuterung zu v. 724 finden'). In der Erklärung zu v. 705 spricht Servius von neun Strömen; welche die Unterwelt umfliessen, ohne dass an dieser Stelle er- sichtlich wäre, was diese bedeuten und wie sie heissen. Dieses ist an zahlreichen vorhergehenden Stellen desselben Buches bruch- stückweise gegeben, nämlich zunächst hauptsächlich zu den vv. 426, 385, 404, 439. An der zuletzt genannten Stelle finden wir nicht mehr eine einfache Erklärung und Aufzählung der neun Kreise, in welche die Unterwelt durch die neun Windungen der Styx geteilt wird, sondern eine kosmische Umdeutung der- selben. Gleichzeitig werden wir auf eine Stelle zurückverwiesen, an welcher der Beweis für die Richtigkeit derselben erbracht wird, nämlich auf die Erläuterung zu v. 127: Lucretius?) ex maiore parte et αἰὲ integre docent inferorum regna nec esse quidem posse. nam locum ipsorum quem possimus dicere, cum sub terris esse dicantur Antipodes? In media vero terra eos esse nec soliditas patitur nec centrum terrae; quae si in medio mundi est, tanta eius esse profunditas non potest, ut medio sui habeat inferos, in quibus esse dieitur tartarus ... ergo hanc terram, in qua vivimus, inferos esse voluerunt, quia est omnium cireulorum infima, planetarum scilicet septem Saturni, Iovis, Martis, Solis, Veneris, Mercurii, Lunae et duorum magnorum [Horizontis et Ζωδιαχοῦ, de quibus superius (2, 255) plenius]. hine est quod habemus: ‘et novies Styx interfusa coercet’ (v. 439), nam novem eirculis cingitur terra. ergo omnia, quae de inferis finguntur, suis locis hie esse comprobabimus; quod autem di- ct... aut poetice dietum est aut secundum philosophorum altam scientiam, qui deprehenderunt bene viventium animas ad superiores circulos i. 6. ad originem suam redire ... male viven- tium vero diutius in his permorari corporibus permutatione diversa et esse apud inferos semper. Ausdrücklich also wird an dieser Stelle die kosmische Deutung der Unterwelt als die richtige erwiesen und ein für alle Mal zum Verständnis der späteren ') Vgl. ἃ. vor. Anm. °) Wenn Servius hier auch den Luerez citiert, so kommt dieser natürlich nur für die Leugnung der Unterwelt in Betracht, nicht für die Hauptsache hier, die kosmische Deutung. — 109 — Stellen hingesetzt. Die späteren Stellen brauchen also nur die einfache mythische Ansicht und die Hindeutung auf ihre Erklärung zu geben. Kehren wir nun zu dem Abschnitte zurück, von welchem wir ausgegangen sind, so finden wir auch hier neben der oben schon angegebenen mythischen Erklärung zu v. 705 in der Er- läuterung zu v. 714 in kurzen Worten dieselbe kosmische Deutung wie an der vorhin citierten Stelle, und ebenso setzt auch die (S. 106) angeführte Erläuterung zu v. 741 mit aller Entschieden- heit die kosmische Deutung der Unterwelt voraus. Es ist also unleugbar, dass jene Stellen die Erläuterungen des Servius zu den vv. 703—751- notwendig ergänzen und daher von diesen nicht getrennt werden können. Noch zwei weitere Zeugen lehren, dass wir mit Recht den angegebenen Inhalt und Umfang dem gedachten Buche Varros zuschreiben. Der erste derselben ist Tertullian. Tertullian hat sich aus diesem Werke Varros einen Auszug angefertigt und denselben an verschiedenen Stellen nach Bedürfnis verwendet Σ Eine kurze Gesamtübersicht daraus finden wir im Apologeticum. Hier beginnt er mit der Aufzählung der mannigfachen Meinungen über die Gottheit, fügt diesen solche über die Welt und die Seele hinzu, wendet sich darauf zu dem Gericht über die Seelen in der Unterwelt, ihre Bestrafung im Pyriphlegethon oder ihre Be- lohnung im Elysium, und bemerkt ausdrücklich, dass nicht nur die Dichter, sondern auch die Philosophen dies lehrten?). Zu- letzt erwähnt und widerlegt er die Seelenwanderungslehre. Ge- wiss ist diese Übersicht ausserordentlich kurz und dürftig; doch geht aus ihr mit vollkommener Sicherheit hervor, dass Varro in diesem Buche über die landläufige Ansicht von der Unterwelt gesprochen hat. Vergleichen wir ferner, was wir ad nat. Il c.2 über die Göttlichkeit der Elemente, der Welt und überhaupt über die Gottheit lesen, so ergiebt sich, dass Servius hier nur kurz referiert, was Varro eingehend auseinandergesetzt hatte. Der zweite Zeuge ist Arnobius. Im zweiten Buche seiner Schrift adv. nationes setzt er sich mit den Lehren der Heiden ') Vgl. des Verfassers Diss. p. 44 sqq- 3) Apol. ec. 47 p. 290 ed. mai. Oehler; vgl. die Parallelstelle in ad nat. I ὁ. 19 p. 345 Oehler. Dies kann wegen frgm. 27 b, wozu Augustin de eiv. D. VII 23 zu vergleichen ist, und frgm. 33 ff. natürlich nicht die uneinge- schränkte Meinung Varros gewesen sein. — 10 — über die Seele auseinander. Diese Ausführungen decken sich im wesentlichen mit denen des Servius, wie die Vergleichung der nachfolgenden Stellen beweist. Serv. ad Aen. VI. v. 724: Deum non perire ma- nifestum est, ergo nec animus perit, qui inde originem ducit.. 746 aurai simplicis ignem] ignem sensualem i. 6. deum; per quod, quid sit anima, ostendit .. sim- plieis autem nostri comparatione, qui constat de ligno et aere. ille enim per se plenus est et aeternus, qui simplex; omnia enim .. composita exitum sor- tiuntur .. 724 et occurrit illud: omne quod corrumpitur, aeter- num non est; si animus insanit iraseitur desiderat timet, caret aeternitate, cui sunt ista con- traria. nam passio aeternitatem resolvit. Quod ideo falsum esse dieimus, quia animus nihil per se patitur, sed laborat ex cor- poris coniunctione. 703: tractat de Platonis dog- mate, quod in Phaedone posi- tum est περὶ ψυχῆς .. de qua re etiam Varro in primo divi- narum plenissime tractavit. 295: sequitur illud Pythagoricum .. Acheronta vult quasi de imo nasci Tartaro, huius -aestuaria Stygem creare, de Styge autem nasci Cocyton; et haec est my- thologia. Nam physiologia haec habet...!) 741: triplex est om- Arnobius adv. nat. II. c. 14: Quis .. hominum non videt, quod sit immortale, quod simplex, nullum posse dolorem admittere; quod autem sentiat dolorem, immortalitatem habere non posse. c. 27 atquin nos arbitramur, quod est unum, quod immortale, quod simplex qua- cunque in re fuerit, necessario semper suam retinere naturam, nec debere aut posse aliquod perpeti ... omnis enim passio leti atque interitus ianua est, ad mortem ducens via et inevitabi- lem rebus adferens functionem. ce. 14: Quid Plato idem vester in eo volumine, quod de animae immortalitate composuit, non Acherontem, non Stygem, non Coecytos fluvios et Pyriphlegeton- tem nominat, in quibus animas adseverat volvi, mergi, exuri? 1) Vgl. Tertull. Apol. e. 47 p. 290 ed. Oe. —- 11 — nis purgatio: aut enim in terra _ purgantur [sc. animae], quae nimis oppressae sordibus fue- rint, deditae scilicet corporalibus blandimentis i. e. transeunt in corpora terrena, et haec iynz di- cuntur purgari, aut in aqua.. aut inaere.. 739: poenas non perferunt animae, sed illius con- iunctionis reliquiae, quae fuit inter animam et corpus, nam licet ista duo per se poenas per- ferre non possint, homo tamen perfert, qui de his duobus est factus. 745: quaeritur, utrum animae .. possint mereri perpetuam va- cationem; quod non potest fieri . . coguntur reverti . .. finito le- gitimo tempore. 119: miscet philosophiae fig- menta poötica... secundum phi- losophos hoc dieit: eredendum est animas corporis contagione solutas!) ad coelum reverti. 741: quae [animae] nimis op- pressae sordibus fuerint, deditae scilicet corporalibus blandimen- tis..transeunt in corpora ter- c. 50: sed memoratae apud inferos poenae et suppliciorum generibus multiformes? et quis erit tam brutus .. qui animis incorruptibilibus credat aut te- nebras Tartareas posse aliquid nocere aut igneos fluvios . ‚? c. 13: Quid in Politico idem Plato? nonne cum mundus oc- coeperit ab oceiduis partibus exoriri et in cardinem vergere, qui orientis est solis, rursus erupturos homines telluris e gremio ,.? c. 33: Vos cum primum soluti membrorum abieritis e nodis, alas vobis adfuturas putatis, quibus ad caelum pergere atque ad sidera volare possitis, vos in aulam dominicam tamquam in propriam sedem remeaturos vos praesumitis. c.16: Quod si verum est, quod in mysteriis secretioribus dicitur in pecudes atque alias beluas ire animas improborum, post- quam sunt humanis corporibus exutae. rena ..in corpora marina, si _ paulo melius vixerint .. in aeria corpora, si satis bene vixerint. 1) Überliefert ist pollutas, was an dieser Stelle durchaus unpassend und _ unrichtig ist. Ἢ “ἊΝ 114: cum coeperit [anima] in corpus descendere, potat stulti- tiam et oblivionem „ . oblivisci- tur autem secundum poötas praeteritorum, secundum philo- sophos futuri ... docent autem philosophi, anıma ad ima descen- dens, quid per singulos eirculos perdat .. cum descendunt ani- mae, trahunt secum torporem Saturni, Martis iracundiam, li- bidinem Veneris, Mercurii lucri cupiditatem, Jovis regni deside- rium, quae res faciunt pertur- bationem animabus, ne possint uti vigore suo et viribus propriis. 439: qui altius de mundi ra- tione quaesiverunt, dieunt intra- novem hos mundi circulos inclu- sas esse virtutes in quibus et iracundiae sunt et cupiditates, de quibus tristitia naseitur i. e. Styx. 112 c.28: Audiamusa vobis, quem- admodum dieitis animas, cum terrenis fuerint corporibus in- volutae priorum reminiscentiam non habere .. quod si animae .. membrorum impediuntur ob- staculo, quominus artes suas reminiscantur, in corporibus ipsis quemadmodum ... seiunt, quo sint ordine a deo patre dis- cretae, ad infima haec mundi quanam ratione pervenerint, quas ex quibus circulis qualitates, dum in haec loca labuntur, at- traxerint? c. 16: at dum ad corpora labimur .. humana, ex mundants cireulis sequntur nos causae, quibus mali simus... cupiditatibus atque iracundia ferveamus ... in libidinem pu- blicam venalium corporum pro- stitutione damnemur (vgl. auch c. 26 in., 27 in. u. im folg. Pa- ragraphen frgm. 27b). Dass Arnobius den Varro in diesem Werke benutzt hat, steht ausser allem Zweifel, da er ihn nach seiner eigenen Angabe in allen folgenden Büchern ausschreibt!). Jedoch benutzt er ihn nicht nur dort, wo er ihn direkt nennt, sondern auch an vielen anderen Stellen, wie der Inhalt augenscheinlich beweist?). Wenn also Arnobius ihn im zweiten Buche als Quelle nicht nennt, so folgt daraus nicht im geringsten, dass er ihn nicht benutzt hat. Dagegen führt Arnobius sehr häufig Plato als Gewährsmann an; ') Vgl. TH 38, 39, 40, 41; IV 3; V 8; VI 3, 6,1, 2a 5) Vgl.z.B.1I 28; III 23, 25 (Merkel zu Ovids Fast. p. CLXXXVI ex); IV 7 mit Varro bei Augustin eiv. D. VI 9, 8 und b. Tertull. ad nat. II ὁ. 11; Fest. p. 161 ed. Müller. Ferner IV 3, 8 (Merkel a. a. O.); ὁ. 9 ex mit Varro b. Augustin a. a. O. IV 20, 24, VII 4; vgl. auch Merkel a. a. O. Ferner VII 26 mit Plin. N. H. XIII 2, XVII 7; Serv. Georg. I 37; Tertull. apol. e. 80; Ovid. Fast. I 339; vgl. des Verfassers Diss. p. 29. ἢ — 113: — doch sind die Citate oft falsch). Da nun die Lehre zwar viel- fach Platonisch, doch nicht rein Platonisch ist, so werden wir sicher annehmen dürfen, dass Arnobius, wie es damals überhaupt Sitte war, aus seiner Quelle nur den ursprünglichen, berühmten Autor genannt hat, ohne sich verpflichtet zu fühlen, seine Quelle selbst namhaft zu machen. Nun citiert er c, 24 eine Stelle aus Platos Menon, die ganz ähnlich auch von Cicero Tuse. I 24, 56 angeführt wird?). Leicht kommt daher die Vermutung, dass Arnobius diese Stelle aus Cicero entlehnt hat, und dass demnach Cicero seine Quelle gewesen ist; doch ist dies, abgesehen von allen anderen Stellen, schon deswegen einfach nicht möglich, weil Arnobius an der angeführten Stelle mehr giebt als Cicero. Da- gegen stimmen viele der vorhin angeführten Stellen, wie wir dies schon anderweitig gezeigt haben ὅ), mit solchen Stellen bei Augustin, Tertullian und dem Scholiasten des Lucan, die von diesen aus Varro entlehnt sind. Da nun Arnobins in seinem Werke den Varro in ausgedehntem Masse benutzt hat, nachweislich vielfach auch dort, wo er ihn nicht eitiert, so sind wir vollkommen zu dem Schlusse berechtigt, dass er ihn auch hier benutzt hat. Dieser Schluss wird durch weitere Thatsachen bestätigt und als wahr erhärtet. Tertullian beginnt seinen Auszug aus Varro mit einer Übersicht über die verschiedenen Meinungen der verschiedenen Philosophen über die metaphysisch-anthropologischen Probleme*), Dass dieselbe bei Varro im Anfange seines Werkes stand, zeigt mit gleicher Gewissheit auch Augustin’). Arnobius bietet eine gleiche Übersicht, nur hat er sie getrennt und die einzelnen Ab- schnitte derselben dorthin gesetzt, wo er auf die entsprechenden Gegenstände genauer einging®). Wir fügen hier dieselben wieder zusammen und vergleichen sie mit der, welche Tertullian giebt. δ τ τ 13. 34, an der ersten und letzten Stelle wird Phaedrus statt Phaedon, an der mittleren der Politicus statt der Republ. eitiert; vgl. auch Oehler zu diesen Stellen. 5) Oehler hat auf diese Stellen auch hingewiesen. DBDass, p. 52, 59. Ὦ Ad. Nat. II 2; apolog. ο. 47. 5) De οἷν. Dei VI 5 p. 253, 10 ff. ed. Domb. Der Abschnitt schliesst mit den Worten: nihil in hoc genere culpavit [sc. Varro], quod physicon vocant et ad philosophos pertinet, tantum quod eorum inter se controverslas com- memoravit, per quos facta est dissidentium multitudo sectarum. Sicher also hat Varro eine derartige Übersicht gegeben. 6) Diels dox. gr. p. 172 hat auf diese Thatsache nicht geachtet. Schmekel, mittlere Stoa. 8 Arnob. 1. c. 9: Qui eunetorum originem esse dieit ignem aut aquam, non Thaleti aut Heraclito eredit? qui causam in numeris ponit, non Pythagorae Samio, non Archy- tae? qui animam dividit et in- corporales constituit formas, non Platoni Soeratico? qui quintum elementum prineipalibus appli- cat causis, non Aristoteli Peri- pateticorum patri? qui ignem minatur mundo et venerit cum tempus arsurum, non Panaetio Chrysippo Zenoni? qui individuis corporibus mundos semper fa- bricatur et destruit, non Epiceuro . Democrito Metrodoro? qui nihil ab homine comprehendi atque omnia caecis obscuritatibus in- voluta, non Arcesilao Carneadi, non alicui denique Academiae veteris recentiorisque cultori? ipsi denique principes et prae- dietarum patres sectarum, nonne ipsa ea quae dicunt suis credita suspicionibus dieunt? vidit enim Heraclitus res ignium conversio- nibus fieri? concretione aquarum Thales? Pythagoras numeros coire?incorporalesformasPlato? individuorum Democritus con- cursiones? c. 96: eumdem hunce (sc. mun- dum) alii elementis ex quattuor tradunt et pronuntiant stare, ex geminis alii, ex singulis tertii, sunt qui ex his nullis et indi- 114 Tertull. apolog. c. 47. Inventum enim solummodo deum non ut invenerunt dispu- tarunt, ut et de qualitate et de natura eius et de sede discep- tent. Alii incorporalem, ut tam Platonici quam Stoici, alii ex atomis, alii ex numeris, qua Epi- curus et Pythagoras; alius ex _ igni, ut Heraclito visum est. wr — 15 — vidua corpora eius esse materiem et primam originem dicant. Sie et deos nonnulli abnegant, prorsus dubitare se alii an sint uspiam dicunt, alii vero existere neque humana curare, immo alii perhibent et rebus interesse mortalium οἱ terrenas admini- strare rationes. -Mundum quidam ex sapienti- bus aestimant neque esse natum neque ullo esse in tempore pe- riturum; immortalem nonnulli, quamvis eum conscribant esse natum et genitum; tertiis vero conlibiturn dicere est et esse na- tum et genitum et ordinaria ne- cessitate periturum. -c. 57: Non alia neque absi- mili ratione de animarum ab his condicione disseritur. hie enim eas retur et esse perpetuas et superesse mortalium functioni, superesse ille non credit, sed cum ipsis corporibus interire al- terius vero sententia est, nihil eas continuo perpeti, sed post hominum positum aliquid eis ad vitam dari, mortalitatis deinde in iura succedere. Et Platoniei quident curantem rerum, contra Epicurus otiosum et inexercitum et, ut ita dixe- rim, neminem humanis rebus; positum vero extra mundum Stoici, qui figuli modo extrin- secus torqueat molem hanc; in- tra mundum Platoniei, qui gu- bernatoris exemplo intra id ma- neat, quod regat. Sic et de ipso mundo natus innatusve sit, decessurus man- surusve sit variant. Sic et de animae statu, quam alii divinam et. aeternam, alü dissolubilem contendunt. Die Übereinstimmung zwischen beiden Berichten ist viel zu gross, als dass sie nicht sofort klar sein sollte; sie unterscheiden sich nur dadurch, dass Arnobius ausführlicher und wortreicher ist!). Abgesehen von dieser Übereinstimmung im ganzen führt 1 Vgl. dazu des Verf. diss. p. 46 ff. Dass Arnobius den Panätius als g* -- 16 -- uns auch die Zweiteilung der Akademie in eine alte und eine neue auf Cicero πᾶ Varro, da die späteren bekanntlich fünf Akademieer annehmen!). Da nun Cicero in den Übersichtsreihen der philosophischen Meinungen einerseits bedeutend mehr giebt, als Arnobius, andererseits aber auch einige Philosophen auslässt, die Arnobius hat?), so kann Arnobius sich hier nicht an Cicero angelehnt haben. Der Umstand ferner, dass Arnobius auch aus- führlicher als Tertullian ist, widerlegt von vornherein die sonst vielleicht mögliche Annahme, Arnobius habe aus Tertullian ge- schöpft. Auch Clemens Alexandrinus, den Arnobius ebenfalls oft wörtlich ausschreibt, liegt hier nicht vor?). Es bleibt demnach nur Varro als Quelle übrig. Dazu stimmt auch die Thatsache, dass Arnobius gegen den Schluss des Buches (c. 66 ff.) viele Berichte über die altrömische Lebensweise und Religion vor- bringt, die alle etwa auf Tertullian oder Clemens zurückzuführen schon darum nicht angeht, weil sich nicht alles bei ihnen findet, was Arnobius berichtet*). Dass er aber bei Varro jedenfalls traf, was er gebrauchte und schrieb, ist an sich selbstver- ständlich und geht auch daraus hervor, dass, was er berichtet, sich entweder direkt mit solchem deckt, was sich nach Tertullian und Augustin bei Varro fand, oder bei solchen Schriftstellern steht, die grösstenteils auf Varro zurückgehen, wie bei Festus, Censorin, Servius und Macrobius’). Mit Recht also dürfen wir schliessen, dass Arnobius im zweiten Buche dem Varro gefolgt Vertreter der Ekpyrosis nennt, ist offenbar nicht die Schuld der Quelle. Wahrscheinlich hatte Varro gesagt, Panätius habe sie angezweifelt; Arno- bius, dem dieser Unterschied jedenfalls gleichgültig war, berücksichtigte alsdann diese Modifikation nicht, und so entstand die verkehrte Nachricht. !) Auf diese Unterscheidung weist auch Diels a. a. Ὁ. p. 173 hin. 5) Z. B. abgesehen von Carneades und Arcesilaus Archytas und Metro- dorus. 3) Die Stellen, die Arnobius aus ihm entlehnt, merkt Oehler in den An- merkungen seiner Ausgabe an den betreffenden Stellen an. *) Vgl. d. vor. Anm. Die Nachricht e. 73: non doctorum in litteris eontinetur Apollinis nomen Pompiliana indigetamenta neseire? gehört wohl sicher Varro an; vgl. Merkel a. a. O. p. CXCI. 5) Die Belege hierfür finden sich bei Oehler in den Anmerkungen. Amobius hat sich überhaupt die Sache sehr leicht gemacht, als er sein Werk verfasste. Er scheint nur Varro und Clemens Alex. gelesen zu haben; dass er die Bibel nicht gelesen hat, zeigt Oehler praef. p. XIV. — 11 — ist; mit Recht also auch, dass Servius in dem oben angegebenen Umfange aus Varro geschöpft hat. Dieses Resultat wird durch die Thatsache bestätigt, dass Varro in diesem Buche die Volks- religion als solche verwarf und als Wohnort der Seelen nach dem Tode den Luftraum unterhalb des Mondes annahm!). Da er andererseits in demselben Werke die Volksreligion mit der philosophischen zu vereinigen suchte), und auch berichtet wird, dass er die Wege angegeben habe, auf denen Romulus, Hereules und andere zwischen den Sternen hindurch zum Himmel auf- gestiegen seien?), so ist es notwendig, dass er die kosmische Deutung der Unterwelt gehabt hat. $ 2. Fragmenta 11}. I. I 1. (1) Acron ad Hor. epp. 110, 49 Vacuna] ... Sed Varro in primo rer. divin. Victoriam ait et ea maxime hi gaudent, qui sapientia vincunt = Comm. Cruqui p. 547: Sed Varro primo re- rum divinarum Minervam dieit, quod ea maxime hi gaudent, qui sapientiae vacant. 2. (2) Augustin. de civ. D. VI 4: Varronis igitur.... haec ratio est: ‘Sieut prior est’, inquit, ‘pictor quam tabula picta, prior faber quam aedificium: ita priores sunt civitates quam ea, quae a civitatibus instituta sunt... si de omni natura deorum et hominum scriberemus, prius divina absolvissemus, quam humana adtiggissemus’. 3. (4)*) Augustin. 1.1. IV 27: Relatum est in litteras doctis- simum pontificem Scaevolam disputasse tria genera tradita deorum: unum a poetis, alterum a philosophis, tertium a prineipibus civi- ‚tatis?). 4. (4) Augustin. 1. 1. VI 5: Tria genera theologiae dieit (sc. Varro) esse, id est rationis quae de diis explicatur eorumque 1) Vgl. S. 106 u. im folg. Paragraphen frgm. 2Tb fl. 2) Im letzten Buche, wie die Frgm. beweisen, Augustin 1. 1. VIL 2 ff; vgl. S. 120 A. 1. 8) Serv. Georg. I 34. 2 Merkel, Frgm. 3—= Augustin 1. 1. VI 3 gehört nicht hierher, da es nur die Disposition des ganzen Werkes giebt und demgemäss zum ganzen Werke und nicht zu einem einzelnen Buche desselben zu ziehen ist. 5) Idem Tertullian. ad nat. IL e. 1. -- 18 -- unum mythicon appellari, alterum physieon, tertium eivile... mythicon appellant, quo maxime utuntur poetae; physicon, quo philosophi; eivile, quo populi. 5. Augustin. 1. 1. IV 27: Primum genus nugatorium dicit (sc. Scaevola) esse, quod multa de diis fingantur indigna ... poeticum sane deorum genus cur Scaevola respuat, eisdem litteris non tacetur: quia sic videlicet deos deformant, ut nec bonis hominibus comparentur, cum alium faciunt furari, alium adulterare, sie item aliquid aliter turpiter atque inepte dicere ac facere; tres inter se deas certasse de praemio pulchritudinis, vietas duas a Venere Troiam evertisse; Iovem ipsum converti in bovem aut eygnum, ut cum aliqua conceumbat; deam homini nubere, Saturnum liberos devorare: nihil denique posse confingi miraculorum atque vitiorum, quod non ibi reperiatur atque ab deorum natura longe absit?). 6. (5) Augustin. 1. 1. VI 5: ‘Primum’ (sc. genus), inquit (sc. Varro), ‘quod dixi, in eo sunt multa contra dignitatem et naturam immortalium Ποία. In hoc enim est, ut deus alius ex capite, alius ex femore sit, alius ex guttis sanguinis natus; in hoc ut dii furati sint, ut adalterarint, ut servierint homini, denique in hoc omnia diis atribuuntur, quae non modo in hominem, sed etiam quae in contemptissimum hominem cadere possunt’. 7. Tertullian. ad Nat. II 7. Criminatores deorum poetas eliminari Plato censuit, ipsum Homerum sane coronatum civitate pellendum. 8. (6) Augustin. 1. 1. VI5: ‘Secundum genus est’, inquit, ‘quod demonstravi, de quo multos libros philosophi reliquerunt; in quibus est dii qui sint, ubi, quod genus, quale est: a quodam tempore, an a sempiterno fuerint dii; ex igni sint, ut credit Heraclitus, an ex numeris, ut Pythagoras, an ex atomis, ut ait Epieurus. Sie alia, quae facilius intra parietes in schola quam extra in foro ferre possunt aures’. 9. Augustin. 1.1. IV 31: Ego ista conicere putari debui, nisi evidenter alio loco?) ipse diceret de religionibus loquens multa esse vera, quae non modo vulgo seire non sit utile, sed etiam, tametsi falsa sunt, aliter existimare populum expediat, et ideo Graecos teletas ac mysteria taciturnitate parietibusque clausisse. !) Vgl. Tertullian. ad Nat. II.e. 7. ?) Vgl. im folg. die Bemerkung zu frgm. 47. 1119 10. Augustin. 1.1.IV 27: Secundum (sc. genus) non congruere civitatibus, quod habeat aliqua supervacua, aliqua etiam, quae obsit populis nosse .... ‘Haec’, inquit, ‘non esse deos Herculem, Aesculapium, Castorem, Pollucem; proditur enim a doctis, quod homines fuerint et humana condicione defecerint.... Quod eorum, - qui sint dii, non habeant civitates vera simulacra, quod verus deus nec sexum habeat nec aetatem nec definita corporis membra’. haec pontifex nosse populos non vult ... quod dicere etiam in libris rerum divinarum Varro ipse non dubitat. 11. (14) Augustin. 1.1. VI5: ‘Tertium genus est’, inquit (se. Varro), ‘quod in urbibus cives, maxime sacerdotes, nosse atque administrare debent. in quo est, quos deos publice.... sacra et sacrificia colere quemque par sit... Prima theologia maxime accommodata est ad theatrum, secunda ad mundum, tertia ad urbem’. 12. (16) ἢ) Augustin. 1. 1. VI 6: Ait enim (sc. Varro) ea, quae seribunt poetae, minus esse quam ut populi sequi debeant; quae autem philosophi, plus quam ut ea vulgum scerutari expediat. ‘Quae sie abhorrent’, inquit, ‘ut tamen ex utroque genere ad eiviles rationes adsumpta sint non pauca. quare quae erunt communia cum populis, una cum civilibus seribemus; e quibus maior societas debet esse nobis cum philosophis quam cum poetis’°). IE 13. Augustin. 1. 1. VI 5: Nihil in hoc genere culpavit (sc. 'Varro), quod physicon vocant et ad philosophos pertinet, tantum ρει.» quod eorum inter se controversias commemoravit, per quos facla est dissidentium multitudo sectarum. 14. Tertullian. apol. c. 47: Inventum enim solummodo deum non, ut invenerant, disputarunt, ut et de qualitate et de natura eius et de sede disceptent. Alii incorporalem adseverant, alii corporalem, ut tam Platoniei quam Stoici, alii ex atomis, alii ex numeris, qua Epicurus et Pythagoras; alius ex igni, ul Heraclito ἢ Dieses Fragment ist bei Merkel am Schlusse verstümmelt abgedruckt. 5) Ich fasse dieses Fragment als Übergang von der Einleitung des ersten Buches zu dessen Ausführung, da es mir den Grund für die Notwendigkeit der nachfolgenden philosophischen Abhandlung zu enthalten scheint. Es an das Ende zu setzen verbietet mir der enge Zusammenhang desselben mit den vorhergehenden Fragmenten. — 120 -- visum est: et Ρ]αΐοηϊοὶ quidem curantem rerum, contra Epicurei otiosum et inexereitum et, ut ita dixerim, neminem humanis rebus; positum vero extra mundum Stoici, qui figuli modo extrinseeus torqueat molem hanc; intra mundum Platoniei, qui gubernatoris exemplo intra id maneat quod regat. Sie et de ipso mundo natus innatusve sit, decessurus man- surusve sit variant. Sic et de animae statu, quam alii divinam et aeternam, aliü dissolubilem contendunt!). !) idem Tertull. ad nat. II ec. 2; vgl. auch frgm. 8. Erdmann Schwarz, de Varronis apud sanctos patres vestigüs, Jahns Jahrb. 1888 Suppl. XVI S. 409 ff. weist die zerstreuten Bruchstücke bei Tertullian ad nat. II 1—6 (8) Varros XVI. Buche der Antiquitates rer. div. zu, aber mit Unrecht. Er selbst gesteht zunächst zu, dass sie auch in das erste Buch gehören können, versucht aber zu zeigen, dass sie nicht dahin gehören. Der wichtigste Grund, den er für seine Ansicht bringt, steht in dem Bruchstücke der Ein- leitung, das Augustin de οἷν. D. VII 6 erhalten hat: Dieit ergo idem Varro adhuc de naturali theologia praeloquens, deum se arbitrari esse animam mundi etsq. Er schliesst daraus, dass er auch schon vorher über andere philosophische Fragen in dieser Einleitung gesprochen habe. Was Varro thatsächlich in dieser Einleitung Philosophisches gesagt hat, giebt Augustin ausser in diesem Kapitel in dem vorhergehenden und im 23. desselben Buches an. Ebenso wie er nun Kapitel 5 zeigt, dass er mit der Einleitung beginne, Kapitel 6, dass er mit ihr fortfahre — denn das bedeutet adhue de naturali theologia praeloquens — so deutet er Kap. 29 an, womit Varro die philosophische Einleitung geschlossen hat. Kap. 5 schreibt nun Augustin: de naturali [theologia] enim paucissima praeloquitur in hoc libro etsq. Wir haben darnach gewiss kein Recht mit Schwarz gegen diese Angabe auf einen grösseren Umfang dieser Einleitung zu schliessen. Da wir nun durch Augustin den Inhalt dieser Einleitung kennen, so gehört Tertullian a. a. Ὁ. gewiss nieht in dieselbe, weil sein Bericht zu den Angaben des Augustin einfach nicht passt. Es liegt übrigens auch in der Natur der Sache, dass Varro die Angaben über die Einteilungen der Theologie wie z. B. die des Stoikers Dionysius (vgl. Frgm. 17) nicht an das Ende, sondern an den Anfang des Werkes setzte. Dass nun Tertullians Bericht a. a. Ὁ. thatsächlich in das erste Buch gehört, erhebt über allen Zweifel die Zusammengehörigkeit des- selben mit den entsprechenden Fragmenten, die Augustin aus dem ersten Buche erhalten hat, welche in der obigen Sammlung klar hervortritt. Schwarz hat eben den Inhalt des ersten Buches der Antiquitates nicht ge- nügend erkannt und ebensowenig die Art, wie Tertullian und Augustin gearbeitet haben: Beide benutzten von diesem umfangreichen Werke Varros nur Buch I und XIV—XVI, d.h. den Teil, der über die Götterlehre handelte. Buch I enthielt eine Übersicht über die philosophische Religion, Buch XIV bis ἢ he — 12] — 15. Comment. Bern. Lucan. IX 1, p. 289, 2ff. Us.: Alü existimant animas statim elisas corpore solvi ac dissipari in prin- cipia sua, inter quos Epicurus. Alii solidas quidem, postquam exierint de corpore, permanere, deinde tractu temporum dissipari. Alii integras decedere, sieuti venerint in corpora, et semper manere; haec auctoritas in duas opiniones seinditur: Alii enim dieunt liberatas a vinculo corporis in coelum reverti.. Alii ire per corpora multorum animalium CCCCLXVII® anno rursus in corpora reverti humana: huius opinionis conditor Py- thagoras. 16. Arnob. adv. nat. II c. 9: Qui cunctorum originem esse dieit ignem aut aquam non Thaleti aut Heraclito credit? qui causam in numeris ponit, ron Pythagorae Samio, non Archytae? qui animam dividit et incorporales constituit formas non Platoni Socratico? qui quintum elementum principalibus applicat causis non Aristoteli Peripateticorum patri? qui ignem minatur mundo et venerit cum tempus arsurum, non Panaetio, Chrysippo, Zenoni? qui individuis corporibus mundos semper fabricatur et destruit, non Epicuro, Democrito, Metrodoro? qui nihil ab homine comprehendi atque omnia caecis obscuritatibus involuta non Arcesilao Carneadi, non alicui denique Academiae veteris recentiorisque cultori? ipsi denique principes et praedictarum patres sectarum, nonne ipsa ea, quae dicunt, suis credita suspicionibus dieunt? vidit enim Heraclitus res ignium conversionibus fieri? concretione aquarum Thales? Pythagoras numeros coire? incorporales formas Plato? individuorum Democritus concursiones? c. 56: Eundum hune (sc. mundum) alii elementis ex quatiuor tradunt et pronuntiant stare, ex geminis alii, ex singulis tertii, sunt qui ex his nullis et individua corpora eius esse materiem et primam originem dicant. XV die über die dei publiei und privati, Buch XVI die über die dei selecti. Um die dei publiei und privati kümmerte sich Varro nicht weiter, wohl aber suchte er eine Vereinigung der dei selecti mit der Gottheit bezw. den Göttern, die die Philosophie lehrte. Dazu war es nötig, dass er in ae Die leitung kurz auf die im ersten Buche entwickelte philosophische Religion hinwies, und das ist es auch, was wir von Augustin erfahren. Diesem Gange der Darstellung Varros schliesst sich Tertullian an, denn er hat sich ja einen Auszug gemacht; umsomehr also werden wir ad nat. II ce. 2f., wo der Auszug am vollständigsten vorliegt, nicht in das XVI. Buch stellen dürfen. τ 12 .Ξ- Sie et deos nonnulli abnegant, prorsus dubitare se alii an sint uspiam dicunt, alii vero existere neque humana curare, immo alii perhibent et rebus interesse mortalium et terrenas administrare rationes. Mundum quidam ex sapientibus aestimant neque esse natum neque ullo esse in tempore periturum; immortalem nonnulli, quamvis eum conscribant esse natum et genitum; tertiis‘ vero conlibitum dicere est et esse natum et genitum et ordinaria neces- sitate periturum. c. 57: Non alia neque absimili ratione de animarum ab his condieione disseritur. Hic enim eas retur et esse perpetuas et superesse mortalium functioni, superesse ille non credit, sed cum ipsis corporibus interire alternis vero sententia est, nihil eas con- tinuo perpeti, sed post hominum positum aliquid eis ad vitam dari, mortalitatis deinde in iura succedere. 17. Tertullian. ad nat. II c. 2: De mundo deo dieimus. Hunc enim physicum theologiae genus cogunt, quando ita deos tradiderunt, ut Dionysius Stoicus trifariıam eos dividat. unam | vult speciem, quae in promptu sit ut Solem, Lunam, Astra; aliıam quae non compareat ut Neptunum; reliquam, quae de hominibus ad divinitatem transisse dieitur, ut Herculem, Amphiaraum. aeque Arcesilaus trinam formam divinitatis ducit, Olympios, Astra, Titaneos de Caelo et Terra: ex his Saturno et Ope Neptunum, Iovem et Orcum et ceteram successionem. Xenocrates Academicus bifariam facit, Olympios et Titanios, qui de Caelo et Terra. Aegyptiorum plerique quattuor deos credunt, Solem et Lunam, Caelum et Terram. cum reliquo igni superno deos ortos Demo- critus suspicatur, cuius instar vult esse naturam Zenon. unde et Varro ignem mundi animum faeit, ut perinde in mundo ignis omnia gubernet sicut animus in nobis.. Nam cum est, inquit, in nobis, ipsi sumus; cum exivit, emorimur. 18. Serv. in Aen. VI 724: ... illue recurrit: quod Graece τὸ πᾶν dieitur 1. e. omne quod est. Quattuor sunt elementa: terra aer aqua aelher, et deus. praeter haec nihil est aliud, et hoe mundum non possumus dicere; nam mundus non est to- | tum). ergo deus est quidam spiritus divinus, qui per quattuor 1) totum = ὅλον. Wir haben hier also offenbar die bekannte stoische Unterscheidung von πᾶν und ὅλον, worüber Stob. 66]. I 182, 26W. zu ver- | gleichen ist. Ba iM infusus elementa gignit universa. Igitur si de elementis et deo nascuntur omnia, unam originem habent, et par est natura om- nium. 19. Tertullian. ad nat. II c. 4: Zeno materiem mundialem a deo separat vel eum per illam tamquam mel per favos trans- isse dicit. - - 20. Comm. Bern. Luc. IX 578, p. 305, 23 ed. Us.: Quae enim alia est dei sedes nisi elementa haec quae dicit? Ait enim Po- sidonius Stoicus: ϑεός ἐστι πνεῦμα νοερὸν διῆκον di ἁπάσης οὐ- σίας: ‘deus est spiritus rationalis per omnem diffusus materiam'. hoc est terram, aquam, aera, caelum. hunec spiritum summum deum Plato vocat artificem permixtum mundo omnibusque, quae in eo sunt. quod si ita est, omnes eum videmus!). 21. Tertullian. ad nat. II c. 3: His ita expeditis videmus physicum istud ad hoc subornatum, ut deos elementa contendat (se. Varro), cum ex his etiam alios deos natos alleget; dei enim PR non nisi de deis nascerentur ... . quomodo volunt, quos de ele- mentis natos ferunt, deos haberi, cum deum negent nasci? Itaque quod mundi erit, hoc elementis adscribetur, caelo dico et terrae 'et sideribus et igni, quae deos et deorum parentes adversus ne- gatam generationem dei et nativitatem frustra vobis eredi pro- posuit Varro, ut qui Varro iudicaverat animalia esse caelum οἱ astra... et tamen unde animalia Varroni videntur elementa? Quoniam elementa moventur. ac.ne ex diverso proponatur multa alia moveri, ut rotas, ut plaustra, ut machinas ceteras, ultro praevenit dicens eo animalia credita, quod per semet ipsa mo- verentur nullo extrinsecus apparente motatore eorum aut ineita- tore, sicuti apparet qui rotam compellit et plaustra volvit et machiram temperat. Igitur nisi animalia, non mobilia per se. porro allegans, quid non appareat, ostendit quid quaesisse de- buerat, id est artificeem et arbitrum motus; neque enim statim non est quod, quia non videmus, non credimus esse. 22. Tertullian. 1. 1. I c. 4: Aiunt quidam propterea deos fuisse appellatos, quod ϑέειν et σείεσϑαν procurrere ac motari interpretatio est. 23. Tertullian. 1.1. Π| 6. 4: Rotunda mundo Platonica forma; quadratum eum angulatumque commentum ab aliis... sed Epi- ἢ) Vgl. Useners Anmerkung zu dieser Stelle. τ -- 124 — ceurus, qui dixerat: ‘Quae super nos, nihil ad nos’, cum et ipse caelum inspicere desiderat, solis orbem pedalem deprehendit... illum orbem maiorem Peripatetieci denotaverunt. 24. Tertullian. 1. 1. I ec. 5: Varro... creditam praeterea dieens elementorum divinitatem, quod nihil omnino sine suffragio illorum gigni, ali, provehi possit ad vitae humanae et terrae sationem, quando ne ipsa quidem corpora aut animas sufficere lieuisset sine elementorum temperamento, quo habitatio ista mundi eirculorum eondicionibus foederata praestatur, nisi quod hominum incolatui denegavit enormitas frigoris aut caloris proptereaque deos credi solem, qui diei de suo cumulet, fruges caloribus maturet, annum stationibus servet: lunam, solatium noctium, patrocinium mensum gubernaculis: item sidera, signacula quaedam temporum ad rurationem notandorum: ipsum denique caelum, sub quo omnia, terram, super quam omnia, et quidquid illorum inter se ad commoda humana conspirat. nec tantum beneficiis fidem divi- nitatis elementis convenire, sed etiam de diversis, quae tamquam de ira et offensa eorum incidere soleant, ut fulmina, ut grandines, ut ardores, ut aurae pestilentes, item diluvia, item hiatus motus- que terrarum, et iure credi deos, quorum natura honoranda sit in secundis, metuenda sit in adversis, domina scilicet iuvandi et nocendi!). 25. Tertullian. 1.1. II c. 5: omnia haec super nos certis curri- eulis, legitimis decursibus propiis spatiis, aequis viribus, sub legis instar constituta volvendis temporibus et exercendis temporum ducatibus occurere meminerunt. 26. Arnob. adv. nat. VII 2: Ex vobis audire consuevimus deos esse quam plurimos et numinum in serie computari: qui si sunt, ut dieitis, uspiam verique, ut Terentius credit, eos esse eonsequitur sui consimiles nominis, id est tales quales eos universi debere esse conspieimus et nominis huius appellatione dicendos; quin immo, ut breviter finiam, qualis dominus rerum est atque omnipotens ipse, quem dicere nos omnes deum seimus atque in- tellegimus verum, cum ad eius nominis accessimus mentionem. Deus enim ab altero in eo, quo deus est, nulla in re differt, nec, quod unum est genere, suis esse in partibus minus aut plus ') Einen Teil dieses Fragmentes setzt Merkel mit Unrecht in das XVI. Buch. a MEERE BEE A BB m zn at BR Ze ὐπὸ a Ba ΡΨ ΉΣ σν «ῊΣ ψυ x — 125 Σ potest, qualitatis propriae uniformitate servata. Quod cum du- bium non sit, sequitur ut geniti nunquam perpetuique ut debeant esse, extrinsecus appetentes nihil nec carpentes aliquas terrenas ex materiae opibus voluptates. 27. (12) Arnobk. 1.1. VII c. 1. Quia, inquit (sc, Varro) di veri neque desiderant ea, neque deposceunt: ex aere autem facti, testa, gypso, vel marmore multo minus haee curant: carent enim sensu, neque ulla contrahitur, si ea non feceris, eulpa, neque ulla, si feceris, gratia!). 27b. (Ὁ) Augustin. de civ. D. VII 6: Dieit ergo idem Varro adhuc de naturali theologia praeloquens deum se arbitrari esse animam mundi, quem Graeci vocant χόσμον, et hunc ipsum mun- dum esse deum; sed sicut hominem sapientem, eum sit ex cor- pore et animo, tamen ab animo diei sapientem, ita mundum deum diei ab animo, cum sit ex animo et corpore. Hic videtur quoquo modo unum confiteri deum; sed ut plures etiam introducat, adiungit mundum dividi in duas partes, caelum et terram: et caelum bifariam, in aethera et aera; terram vero in aquam et humum; e quibus summum esse aethera, secundum aera, tertiam aquam, infimam terram; quas omnes partes quattuor animarum esse plenas, in aethere et aere immortalium, in aqua et terra mortalium. ab summo autem eircuitu ad cireulum lunae aethe- Trias animas esse astra ac stellas, eos caelestes deos non modo intellegi esse, sed etiam videri; inter lunae vero gyrum et nim- borum ac ventorum cacumina aerias esse animas, sed eas animo, non oculis videri et vocari heroas et lares et genios =; 216. Augustin. 1. 1. VII 23: Et certe idem Varro in eodem de diis selectis libro tres esse adfirmat animae gradus in omni universaque natura: unum qui omnes partes corporis, quae vivunt, transit et non habet sensum, sed tantum ad vivendum valetudinem; hane vim in nostro corpore permanare dieit in ossa, ungues, ') Von den beiden Fragmenten 26 und 27 hat Merkel nur das letztere angeführt. Obwohl sie ihrem Inhalte nach sehr wohl hierher passen, ist es doch fraglich, ob sie Arnobius aus dem ersten Buche Varros entlehnt hat, oder vielmehr aus einem derjenigen Bücher, die über das Opfer handelten (XI—-XIM). 2) Frgm. 27b und 27e gehören sicher in das XVI. Buch; sie sind nur zum besseren Verständnisse des Zusammenhanges hierhergesetzt. Das Recht hierzu erhellt aus S. 120 Anm. 1. -- 126. — capillos; sicut in mundo arbores sine sensu aluntur et crescunt et modo quodam suo vivunt: secundum gradum animae, in quo sensus est; hanc vim pevenire in oculos, aures, nares, os, tactum: tertium gradum esse animae summum, quod vocatur animus, in quo intellegentia praeminet; hoc praeter hominem omnes carere mortales. Hanc partem animae mundi dieit deum, in nobis autem genium vocari. esse autem in mundo lapides ac terram, quam videmus, quo non permanat sensus, ut ossa, ut ungues dei; solem vero, lunam, stellas, quae sentimus quibusque ipse sentit, sensus esse eius; aethera porro animum eius; euius vim, quae pervenit in astra, ea quoque facere deos, et per ea, quod in terram per- manat, deam Tellurem, quod autem inde permanat in mare atque oceanum, deum esse Neptunum. | 28. (8) Serv. Aen. VI 703: tractat de Platonis dogmate, quod in Phaedone positum est περὶ ψυχῆς. . de qua re.etiam Varro in primo divinarum plenissime tractavit. | 29. Serv. 1. 1. VI 724: Videamus, quid in nobis est a deo, et quid a quattuor elementis .. ab elementis habemus corpus, ἃ. deo animam, quod ideo probatur, quia est in corpore terra hu- mor anhelitus calor, quae omnia videntur sicut etiam elementa; animus invisibilis est sicut etiam deus, unde originem dueit ... deinde elementa mutantur, quod est eorum proprium, sieut etiam- corpus, quod inde originem dueit. contra deum non perire ma- nifestum est, ergo nec animus perit, qui inde originem. dueit, nam pars semper sequitur genus.!) | ri . 30, Serv. in Aen. VI 746: .. ignem sensualem i. 6. deum, per quod, quid sit anima, ostendit ..:simplieis autem nostri compa- ratione, qui constat de ligno et aere. ille enim per se’plenus est et aeternus, qui simplex; omnia enim .. composita exitum sor-- tiuntur. !) : Ze 31. Serv. l. 1. VI.724: Omne quod corrumpitur, aeternüm non est. Si animus insanit irascitur desiderat timet, caret aeter- nitate, cui sunt ista contraria; nam passio aeternitatem resolvit. Quod ideo falsum esse dieimus, quia animus nihil per se patitur, sed laborat ex corporis coniunctione.!) ΠΡ Τὶ 1) Idem Arnob. adv. nat. II 14; 27, vgl. 5. 110; ferner frgm. 17 Schl. ff. Für die letzte der drei Stellen vgl. auch Sery. 1.1. v. 733; 739; Augustin. de οἷν. D. XIV 3; XIV Ὁ: ἽΝ ες. 2 -- 127 -- 32. Serv. 1. 1. VI 724: Si immortales sunt et unum habent prineipium, qua ratione non omnia animalia sentiunt similiter? . . non esse in animis dissimilitudinem, sed in corporibus, quae prout fuerint vel vivacia vel torpentia, ita et animos faciunt; quod po- test etiam in uno eodemque corpore probari. In sano corpore alia.est vivacitas mentis, in aegro pigrior, insanis invalida, etiam ratione carens, ut in phreneticis cernimus ... cum ad corpus ve- nerit, non natura sua utitur, sed ex eius qualitate mutatur. .. qua ratione res melior est in potestate deterioris? ... hoc ideo fit, quia plus est quod continet, quam quod continetur, ut si leo- nem includas in caveam, impeditus vim suam non perdit, sed exercere non potest, ita animus non transit in vitia corporis, sed ex eius coniunctione impeditus nec exercet vim suam. 33. Serv. 1.1. VI 127: Hanc terram, in qua vivimus, inferos esse voluerunt, quia est omnium ceirculorum infima, planetarum scilicet septem: Saturni, Iovis, Martis, Solis, Veneris, Mercurii, Lunae, et duorum magnorum [Horizontis et Zwdiezov] ... . se- cundum philosophorum altam scientiam, qui deprehenderunt bene viventium animas ad superiores circulos i. e. ad originem suam redire .... male viventium vero diutius in his permorari cor- poribus permutatione diversa et esse apud inferos semper!). 34. Tertullian.?) de an. c. 28: Quis ille nunc vetus sermo Platonis de animarum reciproco diseursu, quod hinc abeuntes eant illue et rursus πο veniant et vivant et dehine e vita abeant rürsus ex mortuis effici vivos...... si vero Samius sophista Pla- toni auctor est de animarum recidivatu revolubili semper ex alterna mortuorum atque viventium suffectione, certe ille Pytha- goras ... mendacio incubuit ... quomodo credam non mentiri Pythagoram, qui mentitur, ut credam? ... Aethalidem et Euphorbum et Pyrrhum piscatorem et Hermotimum se retro ante Pythagoram fuisse?... sed clipeum Euphorbi olim Delphis con- secratum recognovit et suum dixit et de signis vulgo ignotis pro- bavit.. 6. 30: cur autem mille post annis et non statim ex mortuis vivi.'. 6. 31: unde scias, inquis, an ita quidem fiat ) Vgl. Serv. 1.1. VI 426; 385; 404; 439; 714 (= frgm. 43); Arnob. 1.1. II e. 28 vgl. 5. 112 und die folgenden Fragmente aus Tertullian und Augustin. 5) Vgl. hierzu des Verfassers diss. de Ovid. Pyth. doctr. adumbr. S. 50 #. ee oceulte, sed condicio milliarii aevi interimat facultatem recensendi, quia ignotae tibi revertuntur . . c. 30: Primo enim si ex mortuis vivi, sieut mortui ex vivis etsq.!) 35. Tertullian. 1. I. c. 23: Platonis .. est... in Phaedone, quod animae hine euntes sint illuc et inde huc. item in Timaeo, quod genimina dei delegata sibi mortalium genitura accepto initio animae immortali mortale ei eircumgelaverint corpus; tum quod mundus hie imago sit alterius alicuius: quae omnia ut fidei com- mendet, et anımam retro in superioribus cum deo egisse in com- mercio idearum et inde huc transvenire, et hic quae retro norit, de exemplaribus recensere, novum elaboravit argumentum ue- ϑήσεις ἀναμνήσεις 1. e. discentias reminiscentias esse. venientes enim inde huc animas oblivisci eorum, in quibus prius fuerint, deinde ex his visibilibus edoctas recordari.?) 36. Augustin. ]J. 1. ΧΠῚ 19:... ut a ceteris hominibus hoc videantur differre sapientes, quod post mortem ferantur ad sidera, ut aliquanto diutius in astro sibi congruo quisque requiescat... illi vero, qui stultam duxerint vitam, ad corpora suis meritis debita sive hominum sive bestiarum de proximo revolvantur?). 37. Serv. in Aen. VI 745: Quae (sc. animae) male vixerunt, statim redeunt; quae melius, tardius; quae optime, diutissimo tempore sunt cum numinibus; paucae tamen sunt, quae et ipsae exigente ratione, licet tarde, coguntur reverti. 38. Tertullian. de an. c. 32: Perinde et hie dimicemus ne- cesse est adversus portentosiorem praesumptionem bestias ex ho- minibus et homines ex bestiis revolventem .. Empedocles . . ‘Thamnus et piscis fui’, inquit. ce. 33: animae humanae pro vita et meritis genera animalia sortiantur, ingulandae quaeque in oceisoriis et subigendae quaeque in famulatoriis, et fatigandae in operariis, et foedandae in immundis, proinde honorandae et dili- gendae et curandae et appetendae in speciosissimis et probissimis et utilissimis et delicatissimis. .. Perinde qui integre morati commendaverint iudici vitam, quaero praemia, sed potius invenio 1) Idem Augustin. 1.1. XIII 19; Arnob. II 13. Vgl. die folg. Anmerkung. 5) Idem de resurr. cearn. ce. 1: Augustin. de trinit. XII 24; Arnob. II 24; vgl. auch Serv. 1.1. VI 719. *) Idem Augustin. de οἷν. D. XVII 41; Arnob. II 16; 33; Comm. Lucan. IX 9 und 1 p. 291, 1f. und p. 289, 9 ff. (diss. p. 55). τε — 129 — supplicia. nimirum magna merces bonis in animalia quaecunque restitu. pavum se meminit Homerus Ennio somniante.!) 39. Tertullian ad nat. 1 19: Vobis .. traditum est hominis spiritum in cane vel mulo aut pavone rediturum ... iudieium a deo pro cuiusque meritis post interitum destinatum .. Minoi et Rhadamantho adseribitis. eo iudicio iniquos aeterno igni, pios et insontes amoeno in loco dieimus perpetuitatem transacturos, apud vos quoque Pyriphlegethontis et Elysii non alias condicio dispo- nitur.?) 40. Tertullian. apol. c. 47: Age iam, si qui philosophus affır- met, ut ait Laberius de sententia Pythagorae, hominem fieri ex mulo, colubram ex muliere, et in eam opinionem omnia argu- menta eloquii virtute distorserit, nonne consensum movebit et fidem infiget etiam ab animalibus abstinendi propterea? persua- sum quis habeat, ne forte bubulam de .aliquo proavo suo ob- sonet??) 41. Serv. in Aen. VI 733: Varro et omnes philosophi di- cunt quattuor esse passiones: duas a bonis opinatis et duas a malis opinatis rebus. nam dolere et timere duae opiniones malae sunt, una praesentis, alia futuri. item gaudere et cupere opinio- nes bonae sunt, una praesentis, alia futuri. haec ergo nascuntur ex ipsa coniunctione; nam neque animi sunt neque corporis propria. pereunt enim facta segregatione. 42. Serv. 1. 1. v. 740--41: Ideo agunt supplicia, non ut animas puniant, sed ut eas peccatis exuant pristinis.. loquitur quidem [sc. Vergilius] poetice de purgatione animarum; tangit tamen, quod et philosophi dicunt. nam triplex est omnis pur- gatio: aut enim eae in terra purgantur, quae nimis oppressae sordibus fuerint, deditae scilicet corporalibus blaudimentis, i. e. transeunt in corpora terrena, et haec igni dieuntur purgari. ignis enim ex terra est, quo exuruntur omnia; nam coelestis nihil perurit. aut in aqua i. e. transeunt in corpora marina, si paulo melius vixerint; aut certe in aere, transeundo secilicet in aeria corpora, si satis bene vixerint. . . unde etiam in sacris Liberi omnibus tres sunt istae purgationes; nam aut taeda purgantur et sulphure, aut aqua abluuntur, aut aere [ventilantur]. 1) Vgl. Tertull. de an. ce. 34. } 2) Idem Tertull. apol. e. 47 p. 290, 4 ff. ed. m. Oehl. Vgl. 5. 114. 3) Idem Tertull. de an. ὁ. 31. Schmekel, mittlere Stoa. 9 — 20 — 43. Comm. Bern. Lucan. IX 9 p. 291 Us.: Animas philosophi tradunt divino igne constare; quare cum sortitae fuerint secundum suum meritum corpus atque eo pollutae contagionem labemque pertulerint, quo etiam dissolutae non carent ... aliae ventis, aliae igne, aliae aqua purgantur. hoc est aliae ventis per aerem traducuntur, ut purgatae aeris tractu in naturam suam verti pos- sint .. . hoc est in hunc aerem imum venire et corpus regere ac deinde in suam sedem remeare hoc est in solis globum ac lunae. aut quoniam Pythagoras dixit huiusmodi animas in stellas converti: quo modo accipimus aeternos orbes!). 44. Serv. in Aen. VI 714: Cum coeperit (sc. anima) in cor- pus descendere, potat stultitiam et oblivionem; obliviscitur autem secundum poetas praeteritorum, secundum philosophos futuri ... docent autem philosophi, anima ad ima descendens quid per singulos circulos perdat. unde etiam mathematici fingunt, quod singulorum numinum potestatibus corpus et anima nostra conexa sunt; ea ratione quia, cum descendunt animae, trahunt secum torporem Saturni, Martis iracundiam, libidinem Veneris, Merecurii lucri cupiditatem, lovis regni desiderium: quae res faciunt per- turbationem animabus, ne possint uti vigore suo et viribus pro- priis?). II. 45. Augustin. 1.1. 1V 31: Dieit etiam idem auctor acutissimus atque doctissimus (sc. Varro), quod hi soli ei videantur animad- vertisse, quid esset deus, qui crediderunt eum esse animam motu ac ratione mundum gubernantem .... dieit etiam antiquos Ro- manos plus annos centum et septuaginta deos sine simulacro coluisse. ‘Quod si adhuc’, inquit, ‘mansisset, castius dii observa- rentur’. cui sententiae suae testem adhibet inter cetera etiam gentem Judaeam; πος dubitat eum locum ita concludere, ut dicat, qui primi simulacra deorum populis posuerunt, eos eivitatibus suis et metum dempsisse et errorem addidisse, prudenter existi- mans deos faeile posse in simulacrorum stoliditate contemni?). ') Idem Augustin. 1.1. XXI 13 siehe 5. 104f. Übrigens zeigt die letztere Stelle, wie die Platonische Lehre mit der im Frgm. 41 verbunden wurde. 5) Idem Arnob. II 28 siehe S. 112, °) Vgl. August. 1.1. IV 9= frgm. 11 b. Merkel. — 131 -- 46. Augustin. 1.1. IV 32: Dieit etiam de generationibus deorum magis ad poetas quam ad physicos fuisse populos inelinatos, et ideo et sexum et generationem deorum maiores suos, id est veteres credidisse Romanos et eorum constituisse coniugia. 47. (9, 13) Augustin. 1. 1. IV 31: Nonne ita confitetur (sc, Varro) non se illa iudicio suo sequi, quae civitatem Romanam instituisse commemorat, ut, si eam ceivitatem novam constitueret, ex naturae potius formula deos nominaque eorum se fuisse de- dicaturum non dubitet confiteri? sed iam quoniam in vetere populo esset, acceptam ab antiquis nominum et cognominum historiam tenere, ut tradita est, debere se dieit, et ad eum finem illa scribere ac perserutari, ut potius eos magis colere quam de- spicere vulgus velit!). 48. Non. Marc. p. 197, 16 (Bd. I p. 290, L. Müller): Varro rerum divinarum lib. I: nostro ritu sunt facienda civi libentius quam graeco castu. idem: et religiones et castus id possunt, ut ex periculo eripiant [nostro]?). 49. Non. Marc. p. 156, 7 (I 227) puritia] puritas. Varro rer. div. 1. I: quae in puritia est frequens polluta. 50. (16) Augustin. 1. 1. IV 22: Pro ingenti beneficio Varro iactat praestare se civibus suis, quia non solum commemorat deos, quos coli oporteat a Romanis, verum etiam dieit, quid ad quemque pertineat? ‘Quoniam nihil prodest’, inquit, ‘hominis alicuius mediei nomen formamque nosse, et quod sit medicus ignorare: ita dieit nihil prodesse scire deum esse Aesculapium, si nescias eum vale- tudini opitulari atque ita ignores, cur ei debeas supplicare’. hoc 1) Die Fragmente 1—8 gehören sicher an den Anfang dieses Buches. Frgm. 9 und 47 finden sich bei Augustin zusammen; sie aber zu trennen zwingen uns seine Worte: ergo ista conicere putari debui, nisi evidenter alio loco ipse diceret de religionibus loquens, multa esse vera, quae non modo yulgo seire non sit utile etsq. Da die Worte ‘de religionibus loquens’ sicher auf Frgm. 3ff. hinweisen, kann der weitere Bericht (Frgm. 47) nicht ebenda gestanden haben. Da nun die Worte: debere se dieit et ad eum finem illa seribere ac perserutari, ut potius eos magis colere quam despicere vul- gus velit, offenbar zeigen, dass die Stelle, welche Augustin vor Augen hatte, noch dem ersten Buche angehörte, so kann Frgm. 47 nur aın Schlusse des- selben gestanden haben. Hierfür spricht auch sein Inhalt, da es die Dar- stellung der philosophischen Religion jedenfalls voraussetzt. Sein Inhalt giebt uns ferner die Disposition für die Fragmente des Schlusses. 5) Das ‘nostro’ tilgt Müller. g* FE etiam alia similitudine adfirmat dicens, non modo bene vivere, sed vivere omnino neminem posse, si ignoret, quisnam sit faber, quis pistor, quis tector, a quo quid utensile petere possit, quem adiutorem adsumere, quem ducem, quem doctorem; eo modo nulli dubium esse asserens ita esse utilem cognitionem deorum, si sejatur, quam quisque deus vim et facultatem ac potestatem cuiusque rei habeat. ‘Ex eo enim poterimus’, inquit, ‘scire, quem cuiusque causa deum invocare atque advocare debeamus, ne faciamus, ut mimi solent, et optemus a Libero aquam, a Lymphis vinum’). ἃ, 3. Quelle von Ciceros Tuse, disp. I und Varros Ant. rer. div. 1. Im ersten Buche der Tusculanen?) sucht Cicero zu beweisen, dass der Tod unter allen Umständen kein Übel sei. Seine Dar- legung zerfällt in zwei Abhandlungen, von denen die erste dies Thema für den Fall der Unsterblichkeit der Seele (88 26—51), die zweite für den Fall ihrer Vernichtung beweist ($$82—112[113]). Die erste Abhandlung über die Unsterblichkeit der Seele gliedert sich in zwei Teile: der erste reicht von $ 26—49, der zweite von $ 50—81. Der erste zerfällt wiederum in zwei Abschnitte, von denen der eine nachweist,. dass die Seelen nach dem Tode fortdauern ($$ 26—-35), der andere, wo sie sich aufhalten (58 37 bis 49), Für den ersten bringt Cicero drei Gründe vor: 1. Die Menschen der Vorzeit erkannten, je näher sie noch ihrem göttlichen Ursprunge waren, um so mehr die Wahrheit. Diese waren nun von dem Glauben an die Unsterblichkeit der Seele durchdrungen, wie namentlich aus allen Einrichtungen und Gebräuchen hervor- geht, die sie in Bezug auf die Grabdenkmäler festgesetzt haben. Diese Überzeugung von dem Leben der Seele nach dem Tode war auch die Veranlassung zu dem Glauben, dass die berühmten Männer und Frauen zu den Göttern emporstiegen, wie Hercules, ') Idem Augustin. 1.1, VIl. 2) Über Cieeros Tusc. I 88 26—75 handelt P. Corssen diss. Bonn. 1878; über den zweiten Teil des Buches derselbe im Rh. Mus. XXXVI S. 506 ff. Gegen Corssen wendet sich Hirzel in den Unters. III S. 342—406. Un- beeinflusst von beiden führte mich der Zusammenhang zwischen Cicero u, Varro zu der nachfolgenden Untersuchung. — 13 — Romulus und andere!). Ihr Glaube bedurfte aber noch der Berichtigung, da sie noch nicht die Naturphilosophie kannten, sondern sich nur von der einfachen Anregung der Natur be- stimmen liessen (SS 26—29). 2. Der übereinstimmende Glaube aller Menschen an die Unsterblichkeit der Seele verbürgt eben so sicher die Wahrheit, wie der Glaube aller Menschen an die Götter ein Beweis für das Dasein derselben ist (8 30). 3. Den sichersten Beweis liefert die von der Natur allen Menschen eingepflanzte Sorge um alles, was die Zeit nach dem Tode angeht; denn daraus, dass wir das Zukünftige denken, folgt, dass wir auch in Zukunft leben werden (SS 31—36)?). Der zweite Abschnitt spricht über den Aufenthaltsort der Seelen nach dem Tode: Wie alle Menschen von Natur glauben, dass es Götter giebt, aber erst durch die Vernunft die Natur derselben erkennen und begreifen, ebenso sind auch alle Menschen von der Fortdauer der Seelen nach dem Tode von Natur überzeugt, aber wo sie bleiben, muss erst durch die Vernunft erforscht werden. Die Unwissenheit verlegte diesen Aufenthalt in die Unterwelt. Ein grosser Mann war es daher, der zuerst sich hiervon lossagte und sich auf die Ver- nunft stützte. Nach der Überlieferung that dies zuerst Phereky- des. So verschieden nun auch die Ansichten der nachfolgenden Philosophen über das Wesen der Seele sind, so folgt aus ihnen doch stets, dass die Seele nach ihrem Abscheiden vom Körper in die oberen Regionen aufsteigen muss (SS 36—41). Hieran 1) Corssens Erklärung von ὃ 27ff. (a. a. O. p- 5) ist jedenfalls nicht richtig. C. scheidet die sapientes $ 27 ff. von denjenigen, von welchen es $ 29 heisst, dass sie natura admonente die Unsterblichkeit der Seele erkannt hätten, und meint, dass jene alten Menschen gewusst hätten, dass sie nach dem Tode zu Göttern würden. Davon steht aber nichts da, sondern nur, dass es ihre Meinung (opinio) war. Wenn C. ferner behauptet, dass die be- treffenden Worte $ 29m bereits zum zweiten Argumente gehörten, so irrt er (αἴθ animorum tacitam iudiecare, quod omnibus curae sunt _ zu interpretieren, wie es C. thut. sich; Cicero beginnt dasselbe ausdrücklich erst $ 30. Aber nur ın dem Falle, dass diese Worte aus dem ersten Argumente herausgenommen und in das zweite gesetzt werden, ist C’s. Deutung von 8. 27 möglich. Da jene Zer- reissung gegen Ciceros direkte Angabe verstösst, haben wir kein Recht so 2) $ 81: maxumum vero argumentum est naturam ipsam de immortali- et maxumae quidem, quae post mortem futura sint ... quid.... significant nisi nos futura etiam cogitare? Wenn dies der grösste Beweis sein soll, so muss doch aus dem Denken des Zukünftigen das Leben in der Zukunft folgen. — 134 — schliesst sich eine Widerlegung derer, welche die Unsterblichkeit leugnen, des Dicaearch, Aristoxenus, Democrit und Panätius (SS 41-42). Darauf folgt der vorhin schon vorgebrachte Beweis, dass die Seele ihrer Natur nach in die oberen Regionen aufsteigen müsse, in etwas modifizierter Gestalt!) noch einmal (8 43) und alsdann die Schilderung des Lebens im Jenseits (SS 44—47). Diese bildet das Gegenstück zu den Angaben über das Leben der Seele in der Unterwelt und daher Veranlassung gegen die Epikureische Ansicht zu polemisieren, die sich rühmte, die Menschen von der Furcht vor den Strafen der Unterwelt befreit zu haben. Dieser Abschnitt schliesst mit einer Berufung auf die Autorität des Pytha- goras und des Plato als Gegengewicht gegen Epikur (88 48—49)°). Wir kommen zum zweiten Teile. Gegen die vorgetragene Ansicht wird eingewandt, es sei unerklärlich, wie die Seele ohne den Körper existieren könne. Dieser Einwand wird zunächst indirekt als nicht stichhaltig zurückgewiesen: Niemand zweifelt, dass die Seele während des Lebens im Körper vorhanden ist, ohne dass er sehen kann, wie sie beschaffen ist. Daraus also, dass man nicht begreifen kann, wie die Seele ohne Körper ist, geht noch nicht hervor, dass sie auch nicht ist ($ 50). Dann folgt ein langer direkter Beweis?): Wie die Gottheit zwar nicht gesehen, jedoch aus ihren Werken und Wirkungen erkannt wird, ebenso wird auch die Seele nicht unmittelbar geschaut, aber aus ihren Äusserungen und Fähigkeiten erkannt. Diese sind haupt- sächlich die stete Eigenbewegung, das Gedächtnis, die Denk- und Erfindungskraft (inventio atque excogitatio) und überhaupt die Tugend. Diese Fähigkeiten kommen den groben Elementen (Erde und Wasser) nicht zu, sondern entsprechen denen der Gottheit: Also ist die Seele göttlichen Wesens und demnach wie die Gott- heit unsterblich (88. 553—70). Dieser Beweis ist in der unklaren Darstellung Ciceros ziemlich verwirrt, doch keineswegs verwischt; wir haben ihn etwas näher zu erörtern. Als Beweis für die Ewigkeit der Seele trotz der Unkenntnis ihrer Beschaffenheit ') Hierauf werden wir später zurückkommen. 5) 88 40—42 hält Corssen a. a. O. p. 7 für eine Zuthat Cieeros, die in den Zusammenhang nicht gehöre; mit Unrecht, wie die gegebene Übersicht zeigt und auch Hirzel a. a. O. S. 355 ff. dargelegt hat. °) Denn wie die nachfolgende Erörterung aufzufassen ist, zeigen deutlich die Worte $ 53: sed si qualis sit animus, ipse animus nesciet, die quaeso, ne esse quidem se nesciet ὃ — 1980 — führt Cicero zunächst ihre Eigenbewegung an (88 53—55), woraus er schliesst: ex quo efficitur aeternitas. Nach einigen Zwischen- bemerkungen (8 56) nennt und behandelt Cicero als charakte- ristische Fähigkeit der menschlichen Seele 1. das Gedächtnis (88 57—61) und 2. die Erfindungskraft, welche alle Kunst und Wissenschaft erdacht habe (88 62—64). Darauf fährt er fort: 8 65: Prorsus haec divina mihi videtur vis... . fingebat haee — die vorhergehende Erzählung — Homerus et humana ad deos transferebat: divina mallem ad nos. guae autem divina? wvigere, sapere, invenire, meminisse. ergo animus ... divinus est. Der Zusammenhang und die Bündigkeit dieses Beweises ist klar. Hierauf führt Cicero aus seiner Consolatio eine Stelle gleichen Inhalts an, giebt alsdann nach einigen Zwischenbemerkungen eine beredte Schilderung der göttlichen Thätigkeit und schliesst mit den Worten: 8. 70; haec igitur et alia innumerabilia cum cerni- mus, possumusne dubitare, quin iis praesit aliquis vel effector .. vel moderator ... .? sic mentem hominis, quamvis eam non Vi- deas — vgl. 8 50 — ut deum non vides, tamen, ut deum ad- gnoscis ex operibus eius, sic ex memoria rerum et inventione et celeritate motus ommique pulchritudine virtutis vim divinam mentis agnoseito. Augenscheinlich werden mit den letzten Worten die Erörterungen in den 88 53-64 zusammengefasst und die in ihnen bezeichneten Fähigkeiten der menschlichen Seele parallel denen der Gottheit gestellt, die wir aus ihren Werken entnehmen. Da es sich nun hier um den Nachweis der Unsterblichkeit der Seele handelt, wie wir schon vorher $ 53 und 55 erkannt haben, so folgt mit Notwendigkeit der Schluss, den wir oben gezogen haben, dass die Seele gottgleich und als solche unsterblich ist 1), Auf diesen langen Beweis folgt $ 11 noch ein kurzer, doch keineswegs 1) Wenn also Hirzel a. a. O. S. 346, 1 die 88 62—64 als einen Zusatz Ciceros streichen will, so kommt dies augenscheinlich daher, dass er die lo- gische Fügung dieses Beweises völlig verkannt hat. Ebenso vermutet er unrichtig, dass man $ 65 die Worte ‘haee divina mihi videtur vis’ unwill- kürlich auf die Philosophie beziehe, während sie Cicero auf die memoria bezogen wissen wolle: die Worte bedeuten hier nicht bloss die memoria, sondern die ganze geistige Kraft, und können auf die Philosophie gar nicht bezogen werden, weil Cicero in den unmittelbar folgenden Worten ganz klar angiebt, was er unter der vis animi versteht. Ebenso ist Corssen im Irrtum, wenn er a. a. Ὁ. p. 25 meint, Cicero habe nicht recht verstanden, was er geschrieben habe. Es handelt sich hier nicht, wie Corssen meint, — 156 — unwichtiger, nach: Die Seele ist etwas Einheitliches und Unzer- trennbares; infolge dessen kann sie nicht untergehen, weil sie sich nicht auflösen kann. Seinem Inhalte nach ist er schon vor- her dagewesen, nämlich am Anfange des Citates aus Ciceros Con- solatio (S 66). Mit diesem Beweise schliesst die Darstellung Ciceros die Be- weise für die Fortdauer der Seele nach dem Tode. Hierauf folgen zunächst einige Bemerkungen, die sich aus der Darlegung für das Leben ergeben (88 72—75) und darauf noch einmal eine Polemik gegen die Gegner. Genannt werden als solche die Epi- kureer, Dicaearch, die Stoiker und unter diesen besonders Pa- nätius. Die Epikureer und Dicaearch werden aber nicht wider- legt; die Stoiker werden nur insofern als Gegner bezeichnet, als sie nur eine je nach dem Zustande der Seele beschränkte, und nicht eine unbedingte Fortdauer der Seele annehmen, was ein- fach als eine Inkonsequenz bezeichnet wird; eingehend dagegen ist wieder die Polemik gegen Panätius. Wie kommt nun Cicero dazu, diesen allein hier so eingehend zu berücksichtigen, da er ihn doch schon 8 42 ebenso eingehend widerlegt hat? Die Antwort giebt uns die Disposition der Abhandlung: Im zweiten Abschnitte des ersten Teiles wird die Unsterblichkeit der Seele durchweg aus ihrer physischen Natur erschlossen, und ebenso beruhen die Gründe, welche im ersten Abschnitte desselben Teiles für die Un- sterblichkeit aufgezählt werden, zum grossen Teile auf der phy- sischen Natur der Seele. Denn wenn die Urmenschen hauptsäch- lich aus den nächtlichen Gesichten, die ihnen die Toten als Le- bende vorstellten, die Unsterblichkeit erkannten, so ist es ganz klar, dass und wie dieser Grund mit der physischen Natur der Seele zusammenhängt. Betrachten wir dagegen den zweiten Teil, so sehen wir sofort, dass dort gerade umgekehrt die Un- sterblichkeit der Seele vorwiegend aus ihrer psychischen Natur er- schlossen wird. Kehren wir jetzt zu der Widerlegung des Pa- nätius zurück! 8 42 wird ihm ein Widerspruch vorgehalten, der sich auf seine Annahme über die physische Natur der Seele gründet; $ 79 dagegen werden seine psychischen Einwände nur um die Platonische Wiedererinnerungslehre, sondern schlechthin um das Vermögen der memoria; dieses ist aber doppelter Art: Es umfasst vieles, was wir wissen, ohne es gelernt zu haben (= Platos ἀνάμνησις) und das ge- wöhnliche Gedächtnis. -- 181 — widerlegt. Die Widerlegung des Panätius entspricht also voll- kommen der Disposition dieser Abhandlung. Nun ist es auch klar, warum die übrigen Gegner, welche $ 77 genannt werden, nicht mehr widerlegt werden: Die Gründe derselben richteten sich in der Hauptsache gegen die physische Natur der Seele, und diese waren bereits 8 42 besprochen. Vergleichen wir jetzt diese Darstellung Ciceros mit der Phi- losophie Varros in dem ersten Buche der Antiquit. rer. div. und hauptsächlich mit der zweiten Hälfte desselben, so kann uns die Übereinstimmung beider keinen Augenblick zweifelhaft sein. Die Lehre, die sie beide geben, zeigt denselben Charakter im allge- meinen sowohl wie imeinzelnen: Die Unsterblichkeit wird bei beiden daraus erschlossen, dass die Seele gleichen Wesens wie Gott ist'). Die Leidenschaften werden bei beiden aus dem Einflusse des Kör- pers hergeleitet; von beiden wird daher auch ihr Aufhören mit dem Tode angenommen, ohne dass damit gesagt ist, dass auch gleich alle ihre Folgen ohne weiteres verschwinden®). Das Jenseits wird von beiden in den oberen Luftraum verlegt?), während beide die Unterwelt mit ihren Schrecken und Strömen als ver- altete und dichterische Anschauung zurückweisen‘). Nach beiden schweben die Seelen nach ihrem Abscheiden vom Körper empor und bleiben dort, wo die Umgebung ihrer Natur entspricht?). Ein gottgleiches Leben in der steten Erkenntnis der Wahrheit ist ihr Teil. Natürlich kommt dies besonders denen zu, die schon auf der Erde nach dieser Erkenntnis gestrebt haben. Diese Dar- stellung Ciceros (8 45) setzt also voraus, dass, je weniger sich die Menschen um die Wahrheit bekümmern und je schlechter sie sind, um so weniger ihre Seelen emporsteigen, also in der Nähe der Erde zurückbleiben. Wenn Cicero hierüber nicht weiter spricht, während Varro darüber eingehend handelt, so liegt der Grund einfach in der Verschiedenheit der Aufgabe, die sich beide gestellt hatten: Varro gab dem Plane seines Werkes entsprechend eine Übersicht über die ganze diesbezüg- 1) Dies braucht nach den vorhergehenden Darlegungen nicht mehr be- sonders bewiesen zu werden. 3) Cie. $ 44; Varro a. a. O. frgm. 41 ff. frgm. 91. 3) Cie. $ 40; $ 42#f; Varro a. a. O. frgm. 21}: 216; 88 ff. 4) Cie. $ 36f.; für Varro vgl. 5. 108 ff. 5) Cie. $ 43; Varro frgm. 42. -- 1588 — liche Lehre; Cicero wollte nur beweisen, dass der Tod kein Übel sei: er hatte also Grund die Schlechten und ihr Schicksal ausser Acht zu lassen. Auch darin stimmen sie schliesslich überein, dass sie die Wiedererinnerungslehre Platos bringen und die gleiche Stellung zu den zu Göttern erhobenen Menschen einneh- men!). Aus der dargelegten Übereinstimmung folgt unzweifel- haft, dass weder Varro noch Cicero diese Lehre selbständig ent- wickelt haben, sondern dass sie beide auf dieselbe Quelle zurück- gehen. Diese haben wir jetzt zu untersuchen. Cicero macht hier zu verschiedenen Malen einen akademi- schen Standpunkt geltend, und deswegen hat Hirzel auf eine aka- demische Quelle und zwar auf ein Werk Philos geschlossen; dies ist jedoch unstatthaft. Da die vorliegende Lehre sich auch bei Varro findet, wie gezeigt, so folgt schon hieraus, dass an einen Skeptiker als Gewährsmann nicht zu denken ist. Doch auch un- abhängig hiervon ergiebt sich das Gleiche aus der Darstellung Ciceros. Der ganze Inhalt sowohl wie der Gang seiner Abhand- lung lassen dieselbe, wie wir vorhin gesehen haben, nicht als skeptisch, sondern als durchweg‘ dogmatisch erscheinen. Nun finden sich zwar unstreitig mehrfach Stellen, welche skeptisch gehalten sind; aber die Fragen, welche an diesen unentschieden gelassen werden, sind solche, welche nach Ciceros eigener Angabe mit dem Thema der Abhandlung direkt nichts zu schaffen haben?). Auch sind es stets dieselben Fragen, die in derselben Weise wiederholt werden, nämlich die nach dem Wesen und dem Sitze der Seele. Aber selbst in diesen Fragen hält Cicero seinen skep- tischen Standpunkt nicht fest, sondern durchbricht ihn und gerät in das offene Gegenteil?). Er macht ferner über das Wesen der Seele ganz bestimmte Angaben und bemerkt dabei, und zwar in ') Vgl. ferner noch die grosse Übereinstimmung in der Art des Beweis- verfahrens bei Cie. ὁ. 22, 53 mit Varro frgm. 21 Schl. Die Übereinstimmung zwischen Cicero und Varro besonders in Bezug auf die Regionen der Welt — eireuli mundi, wie Varro sie nennt — finden wir genauer in dem mit dieser Darstellung eng verwandten Somnium Seipionis (e. 17, 11 6.) Vgl. Corssen in s. Diss. p. 40 ff. °) $ 70: fac igneam, fae spirabilem (se. animam), nıhil ad id, de quo agimus etsq. °) 8 60: quae sit illa vis et unde, intellegendum puto. non est certe nee cordis nee sanguinis nee cerebri nee atomorum. ΣΟ να ᾿ den stärksten Ausdrücken, dass es unmöglich sei zu zweifeln'). Ebenso äussert er sich auch über ihre Vermögen in ganz bestimm- ter Weise: Sie hat alle Künste und Wissenschaften erdacht und auch die Philosophie geschaffen, die alle Unklarheit vom Geiste gleichwie den Nebel vor den Augen verscheucht. Wenn nun auch die Vernunft nicht weiss, wie sie beschaffen ist, so hat sie doch das Wissen -von ihrem Dasein unmittelbar in sich (S 52 in. $ 53 in... Ferner lehrt er auch, wie die Erkenntnis zustande kommt, und betont dabei zu wiederholten Malen den grossen Gegensatz zwischen dem Körper und der Seele. Zum Beweise für die Richtigkeit dieser Auffassung beruft er sich sogar auf die Medi- ziner (SS 46, 51). Schliesslich giebt er auch an, dass die Vernunft uns das Dasein und die Natur der Götter erschliesse (S 36): Es ist demnach unmöglich von einer skeptischen Quelle dieser Abhandlung zu reden?). Zu diesem Resultate führt noch eine zweite Thatsache. Überblicken wir nämlich die Abhandlung Ciceros noch einmal, so lässt sich nicht verkennen, dass die eigentliche Begründung der Unsterblichkeit von derjenigen Platos fast ganz verschieden ist, so vielfach auch Platonische Einflüsse stattgefunden haben. Dies zeigt nicht nur die Abhandlung selbst, sondern wird auch von Cicero mit aller wünschenswerten Deutlichkeit angegeben (8 24): M. Quid tibi ergo opera nostra opus est?..... evolve diligenter eius (sc. Platonis) eum librum, qui est de animo: amplius quod desideres, nihil erit. A. Fecei me hercule et quidem saepius; sed nescio quo modo, dum lego, assentior; cum posui librum et mecum ipse de immortalitate animorum coepi cogitare, adsensio omnis illa elabitur. Die nachfolgende Abhandlung will also eine neue Begründung der Unsterblichkeit geben, die beweiskräftiger ist, da sie den schwankenden Zuhörer gänzlich überzeugt ($ 76 ff. 32). ı) 8 ΤΙ: dubitare non possumus, nisi plane in physicis plumbei sumus, quin nihil sit animis admixtum ... quod cum ita sit, certe nee secerni nec dividi nee discerpi nee distrahi potest, ne interire quidem igitur etsq. Diese Stelle schliesst einfach die zweite Hälfte dieses Buches aus. 2) Hirzel selber kann nicht umhin zuzugestehen, dass verschiedene Stellen ($$ 36, 42, 51 u. 64) dogmatischer Natur seien. Zu 8 64 bemerkt er sogar, dass Cicero hier allem Skeptizismus den Abschied gebe, Das Anstössige der ersten Stellen sucht er abzuschwächen; die letzte aber streicht er als einen Zusatz Ciceros ganz. Dass dies durchaus unstatthaft ist, haben wir früher nachgewiesen. Auf die übrigen oben angeführten Stellen hat er zu wenig geachtet. — 146 --Ἠ-- Gewiss wäre es wohl niemals einem Akademiker in den Sinn gekommen, durch eine derartige Abhandlung Platos Werk zu er- gänzen oder gar in den Schatten zu stellen'y Diese letzte Stelle führt uns zugleich weiter in der Erkennt- nis der Quelle. So unleugbar der Einfluss Platos an verschie- denen Stellen ist, so ist die Abhandlung doch in den wesentlich- sten Punkten nicht Platonisch. Welcher Schule gehört sie also an? Bereits Corssen hat in seiner Dissertation S. 23 auf die ausserordentliche Übereinstimmung hingewiesen, welche zwischen dem, was Cicero 8 62 und Seneca ep. 90, 7; 20; 21 nach Posi- donius vorträgt, stattfindet. Auch Hirzel kann nicht leugnen, dass Cicero hier Gedanken des Posidonius verarbeitet hat; doch nimmt er an, dass Cicero diese Stelle frei gestaltet habe, so dass wir aus ihr auf den Charakter der Quelle nicht schliessen dürften 5). Allein dies ist nicht die einzige Stelle, die auf die Stoa hinweist. 88. 35—41 beweist Ciceros Quelle die Unsterblichkeit aus der physischen Natur der Seele und zwar wesentlich von fremden Standpunkten aus, nämlich von denen des Pythagoras, Plato, Ari- stoteles und der Atomisten. Denn dass auch diese berücksichtigt werden, geht daraus hervor, dass es ὃ 40 unentschieden gelassen wird, ob die leichteren Stoffe aus eigener Natur emporsteigen, oder von den schwereren emporgestossen werden, wie die Ato- misten annahmen?). Aus den verschiedenen Möglichkeiten über die Natur der Seele, die hier zugelassen werden, wird jedoch nicht nach skeptischer Art auf die Unentscheidbarkeit der Frage nach der Unsterblichkeit geschlossen, sondern gerade umgekehrt, dass, wie verschieden auch immer jene Auffassungen seien, doch stets die Unsterblichkeit der Seele aus ihnen folge. Nach der Widerlegung der Gegner folgt dann im engsten Anschluss an die ') Weitere Belege wird die nachfolgende Untersuchung ganz von selbst bringen. j 5) Hirzel a. a. Ὁ. S. 347 ff. meint, diese Übereinstimmung zwischen Ci- cero und Seneca führe zu der Annahme, dass beide dieselbe Schrift des Posidonius vor Augen gehabt hätten. Dies sei jedoch unmöglich, weil es undenkbar sei, wie der Inhalt des 1. Buches der Tusc. aus einem Protrep- ticos geschöpft sein könne, den doch Seneea a. ἃ. Ὁ. sicher benutzte. Dieser Schluss ist keineswegs zwingend: Die Übereinstimmung ist nur sachlich, nicht wörtlich, und denselben Inhalt konnte, ja musste Posidonius gewiss an verschiedenen Stellen vortragen. °) Hierauf hat Hirzel treffend hingewiesen a. a. O. S. 359. — 14411 — Kritik, die an der Lehre des Panätius geübt wird, derselbe Beweis, den wir 8 40 haben, $43 in etwas veränderter Gestalt noch ein- mal: Die Seele durchdringt ihrer Natur entsprechend den unteren Luftraum, wo die Wolkenbildung vor sich geht, und bleibt un- bewegt schweben, sobald sie die ihr entsprechende Region erreicht hat. Diese besteht aus feiner Luft und ätherischem Feuer: iunctis ex anima tenui et ex ardore solis temperato ignibus: Folglich besteht die Seele ihrer physischen Natur nach aus derselben Mischung oder vielmehr aus derselben Modifikation des Äthers, wie dieser Teil der Welt, in der sie ihren Aufenthalt nimmt, sie ist also stoff- lich. Diese Lehre ist bekanntlich spezifisch stoisch. Echt stoisch ist auch die unmittelbare Fortsetzung dieser Stelle, in der es heisst, dass die Seele von den gleichen Stoffen sich nähre wie die Gestirne!). Eine weitere Bestätigung findet sich darin, dass, während $ 40 die Möglichkeit offen gelassen wird, ob die leich- teren Elemente vermöge ihrer Natur oder infolge von Stoss sich erheben, hier diese Unentschiedenheit nicht mehr zugelassen, sondern das Aufsteigen derselben auf ihre eigene Natur gegründet wird. Denn hier wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Seele wegen ihrer unvergleichlichen Schnelligkeit sich in den Luftraum erhebt?). sStoisch ist es ferner, wenn $ 64 die Philo- sophie als eine Erfindung der Götter gepriesen und von ihr ge- rühmt wird, sie führe ad ius hominum, quod situm est in generis humani societate. Stoisch ist es auch, wenn $ τὸ auf Grund der Tugend die Verwandtschaft und Zusammengehörigkeit der !) eaque ei demum naturalis est sedes, cum ad sui simile penetravit, in quo nulla re egens aletur et sustentabitur iisdem rebus, quibus astra susten- tantur et aluntur. Auf diese Stellen hat Hirzel a. a. Ὁ. S. 358#. nicht geachtet. 2) Es kann also hier natürlich nicht daran gedacht werden, dass wir 8 48 einen Platonischen Beweis vor uns haben und dass 8 43 und $ 40 aufs engste zusammengehören. Selbstverständlich ist es ferner, dass wir auch nicht mehr aus $ 40, wie Hirzel will, auf den Skeptizismus der Quelle sehliessen dürfen. Dagegen spricht auch noch ein weiterer Umstand. $ 40 heisst es nämlich, die Erde stehe im Mittelpunkte der Welt und sei im Verhältnis zu der ungeheuren Ausdehnung derselben gleichsam ein Punkt. Wenn der Beweis in $40 auch sonst älteren Philosophen entlehnt sein mag, so weist doch diese Äusserung auf einen Bearbeiter, der die Forschungen der grossen griechischen Astronomen kannte und anerkannte; dass dies nur ein Dogmatiker gewesen sein kann, braucht nicht gesagt zu werden. ee Menschen und Götter bewiesen wird!). Diese Stelle ist aber um so wichtiger, als sie der Schlussstein des langen und wichtigen Beweises von 88 53—70 ist. Ja im Grunde genommen ist dieser ganze Beweis nur eine genauere Ausführung des angedeuteten stoischen Beweises, der von dem Besitze der Vernunft (ratio) auf die Verwandtschaft der Götter und Menschen schliesst; denn die memoria und die excogitatio atque inventio sind nur die einzelnen Vermögen der ratio. Weiter weist uns auf einen Stoiker als Verfasser dieses Beweises die Thatsache, dass die den Plato- nischen Ideen korrespondierenden Begriffe mit dem technischen Namen ἔνφοιαι bezeichnet werden?). Echt stoisch ist es schliess- lich auch, dass und wie $ 74 der Selbstmord unter gewissen Umständen gestattet wird®). Da nun die Quelle stoisch ist und $ 62, wie auch Hirzel anerkennt, entschieden Gedanken des Po- sidonius enthält und nicht eingeschoben sein kann, so folgt, dass Posidonius die gesuchte Quelle ist. Dieses Resultat wird durch weitere Stellen bestätigt und erhärtet. Gleich im ersten Beweise $ 26 beruft sich Cicero auf den Glauben der Menschen der Vorzeit. In durchaus ähnlicher Weise führt Sextus (s. S. 87) den Glauben an die Götter auf die Erkenntnis jener Menschen zurück und giebt an, dass dieser Beweis den jüngeren Stoikern gehöre ἢ. 1 Beweise und Belege hierfür vorzubringen ist nach den vorhergehenden Abhandlungen nicht mehr nötig, auch ist es allgemein bekannt. 5) Hirzel a. a. Ὁ. S. 366 will zwar dies nicht für wahr halten und meint, dass ἔννοια hier zufällig sein könnte, weil es ja nicht einmal spezifisch stoisch sei; doch liegt hier die Sache thatsächlich etwas anders. Wenn Cicero hier schreibt .. notiones, quas ἐννοίας vocant etsq., so ist hier ἔννοια offenbar als term. techn. gebraucht und als soleher ist das Wort bekanntlich stoisch. Übrigens werden hier keineswegs die ἔννοιαν und die Ideen zusammengeworfen, wie Hirzel a. a. O., Corssen p. 25, Tischer u. Heine in ihren erklärenden Ausgaben zu dieser Stelle bemerken: ἔννοια übersetzt Cicero durch notio, ἰδέα durch species; die ἔννοιαν sind offenbar die Begriffe von den Ideen. ®) Nicht das Verbot des Selbstmordes, wie Corssen p. 37 meint und Hirzel S. 343 widerlegt, sondern das Gestatten desselben weist hier auf eine stoische Quelle. Denn wenn wir lesen: cum vero causam iustam deus ipse dederit, ut tune Socrati, nune Catoni, saepe multis ... tamquam a magistratu aut ab oliqua potestate legitima, sie @ deo evocatus atque emissus exierit, 50 wird hier augenscheinlich der Selbstmord Catos und vieler anderer dem Selbst- morde (!) des Sokrates gleichgesetzt. ἢ) Hieraus schliesst auch Corssen a. a. Ὁ. p.9 nach dem Vorgange von Krische, Forschungen auf dem Gebiete der alten Philosophie S. 452. -- 14 -- Ebenso deutet auch (ὃ 40) das Urteil über die Grösse und das Verhältnis der Erde zur Welt auf einen jüngeren Stoiker. Dass dieses nur Posidonius gewesen sein kann, folgt nun daraus, dass die Stoiker, die sonst hier noch in Frage kommen könnten, wie Panätius, die Unsterblichkeit entweder gänzlich leugneten oder beschränkten. Ferner . hat auch die Darlegung des Inhalts und der Disposition gezeigt, dass die eingehende Polemik gegen Panätius mit der Darstellung aufs engste zusammenhängt, also nicht etwa von Cicero hinzugefügt ist. Folglich muss der Stoiker, um den es sich hier handelt, nach Panätius gelebt haben. Sehen wir uns nun die Widerlegung genauer an! Hirzel schreibt S. 374: »We- sentlich gleichartig ist auch das zweite Argument, da es eben- falls die Verteidigung aus Platos eigenen Mitteln bestreitet: Denn wenn vielleicht auch der Gedanke, dass die Beschaffenheit des individuellen Körpers die Natur des Geistes bedingt, sich mit diesen Worten in den platonischen Schriften nicht ausgesprochen findet, so ergab er sich doch als Konsequenz aus den zahlreichen, Stellen, an denen von dem befleckenden Einfluss die Rede ist, den die Seele seit ihrem Eintritt in den Körper von diesem er- fährt« u. s. w. Nun, diese Konsequenz hat Posidonius vertreten, und zwar im Anschluss an Plato, wie die nachfolgende Unter- suchung zeigen wird: Es kann also kein Zweifel daran sein, dass Posidonius die Quelle ist!). Hierzu stimmt schliesslich noch eine letzte Stelle. Cicero schreibt über das Verhältnis Platos zu Pytha- goras ($ 38): rationem illi (sc. Pythagorei) sententiae suae non fere reddebant . . Platonem ferunt . . didieisse Pythagorea om- nia, primumque de animorum aeternitate non solum sensisse idem quod Pythagoram, sed rationem attulisse. Dies ist das Urteil des Posidonius bei Galen de placit. Hipp. et Plat. IV p. 401, 11 ff. ed Müll.: οὐ γὰρ ᾿Αριστοτέλης μόνον ἢ Πλάτων ἐδόξαζον οὕτως, ἀλλ᾽ ἔτι πρόσϑεν ἄλλοι τέ τινες καὶ 6 Πυϑαγόρας, ὡς καὶ ὃ Πο- σειδώνιός φησιν ἐχείνου πρώτου τ᾽ εἶναι λέγων τὸ δόγμα, Πλά- τωνα δ᾽ ἐξεργάσασθαι καὶ χκατασχευάσαι τελεώτερον αὐτό. Von _ neuem bestätigt diese Stelle das frühere Urteil°). ἢ Wenn übrigens Hirzel a. a. O. S.376 Anm. 1 schreibt: „Ein Stoiker hatte keinen Grund, über diese beiden von Panätius vorgebrachten Gründe in den Harnisch zu geraten“, so wird die nachfolgende Abhandlung sicher das Gegenteil darthun. . Eure 2) Vgl. auch Corssen S. 20. Von den beiden Gründen, die Hirzel S. 381 ff. -- 14 — Ist nun Posidonius die Quelle für Cicero, so folgt das Gleiche auch für Varro, da er ja die gleiche Verbindung Platonischer und stoischer Lehren entwickelt. Dies wird offenbar auch durch die Thatsache bestätigt; denn frgm. 20 wird Posidonius und seine De- finition der Gottheit ausdrücklich eitiert. In der vorliegenden Darstellung Varros und Ciceros wird der engste Zusammenhang zwischen der Seele und der Gottheit be- tont und daraus argumentiert; unwillkürlich richtet sich daher unser Gedanke auf die im vorigen Kapitel behandelte Schrift des Posidonius περὶ ϑεῶν, zumal wir schon vorhin Gelegenheit hatten zu sehen, dass die Lehre, welche Sextus den jüngeren Stoikern zuschreibt, sich auch hier findet. Hier also wird die Unsterblichkeit der Seele nach Plato aus ihrer eigenen Bewegung erschlossen und mit demselben Grunde dort die Gottheit der Welt erwiesen. Ebenso erinnert uns Cic. a. a. Ὁ. $ 68f. lebhaft an Gründe, welche wir auch dort finden!); dass diese mehr all- gemeiner Art sind, schränkt zwar die Bedeutung dieser Überein- stimmung ein, doch hebt es dieselbe nicht ganz auf. Namentlich aber findet diese Verwandtschaft zwischen unserer Abhandlung Ciceros und jenem Abschnitte der Schrift des Sextus statt, welcher das Dasein der Gottheit aus der Übereinstimmung aller Menschen erweist. Diesen Beweis finden wir auch bei Cicero wieder ($ 30), hier aber in weiterer Fortsetzung auch für die Unsterblichkeit der Seele verwendet. In gleicher Weise wie dort wird auch hier der Einwand, der von der Unterwelt und ihren für Philo als Quelle geltend macht, erklärt er selbst den zweiten für belang- los; dass auch der erste gewiss nicht zwingend ist, ist jedem Leser ebenso klar. Wie wenig es Hirzel gelungen ist zu einem entscheidenden Resultate zu kommen, zeigen seine eigenen Worte, in denen er 5. 393 das Resultat seiner Untersuchung zusammenfasst: „Ich will nun keineswegs behaupten, dass der ganze Inhalt des ersten Buches aus einer philonischen Schrift herüber- genommen ist, sondern gebe die Möglichkeit zu, ja halte es für wahrscheinlich, dass ganze Partieen aus einer anderen Quelle stammen, nur das muss ich festhalten, dass diese Quelle nicht notwendig die Schrift eines anderen Philo- sophen zu sein braucht, sondern ebenso gut Cieeros eigenes Gedächtnis ge- wesen sein kann“. Nun haben wir aber oben gesehen, dass ein Ausscheiden ganzer Partieen aus der Darstellung Ciceros unmöglich ist: Also dürfen wir jetzt nach Hirzels Zugeständnis selbst an dem Resultate seiner Untersuchung nicht festhalten. ') Cie. deor. nat. ΤΙ 5, 13#. 15, 40. Bye 4 - -- 14 — Schrecken hergenommen wird, als Erfindung der Dichter zurück- gewiesen und ausgeführt, dass die Seele vielmehr ihrer Natur nach in den Himmelsraum jenseits der Wolken emporsteige. Ebenso berichten beide, dass sie sich daselbst nicht auflöse und verflüchtige. Ferner schreibt Sextus in dieser Aus einandersetzung Ε΄ 11: λεπτομερεῖς γὰρ οὖσαι Ise. αἱ ψυχαί] καὶ οὖχ ἧττον πυρώ- δεις ἢ πνευματώδεις eis τοὺς ἄνω μᾶλλον τόπους χουφοφοροῦ- σιν. In gleicher Weise drückt sich Cicero aus (8 40); perspicuum debet esse animos, cum e corpore excesserint, sive illi sint ani- males, id est spirabiles, sive ignei, sublime ferri. Ebenso wie hier das Wesen der Seele unentschieden gelassen wird, wird bei beiden auch der Sitz der Seele absichtlich nicht näher er- örtert: Sextus schreibt ($ 119): ἐν παντὶ πολυμερεῖ σώματι καὶ κατὰ φύσιν διοιχουμένῳ ἔστι τι τὸ κυριεῦον, καϑ' ὃ καὶ ἐφ᾽ ἡμῶν μὲν ἢ ἐν καρδίᾳ τοῦτο τυγχάνειν ἀξιοῦται ἢ ἐν ἐγκεφάλῳ ἢ ἐν ἄλλῳ τινὶ μέρει τοῦ σώματος; Cicero (8 41): horum igitur aliquid animus, ne tam vegeta mens aut in corde cerebrove aut in Empedocleo sanguine demersa jaceat. Die Überein- stimmung ist so klar, dass, wenn noch vorhin ein Zweifel übrig geblieben ist, ob eine akademische oder stoische Quelle vorliege, dieser Zweifel zu Gunsten der letzteren gänzlich verschwindet: Posidonius ist die Quelle. Wie nun Posidonius im vorigen Ka- pitel die verschiedenen Philosophen in zwei Klassen teilt, in solche, welche das Dasein der Götter lehren, und solche, welche es verwerfen, und die Beweise aller Philosophen, welche es an- nehmen, vorträgt, ohne Rücksicht auf ihre Verschiedenheit zu nehmen, ebenso werden auch hier die Philosophen, welche die Unsterblichkeit lehren, denen gegenüber gestellt, welche sie ver- werfen, und die Ansicht der ersteren verteidigt, wobei es nalur- gemäss auf die Unterschiede über die Natur und den Sitz der Seele weniger ankam. Der Zusammenhang, den wir zwischen der Schrift des Po- sidonius περὶ Jesv und namentlich einem Abschnitte derselben einerseits und Ciceros Tusculanen andererseits erkannt haben, “macht es nicht unmöglich, dass eben diese Schrift die Quelle für Ciceros Tuseulanen und Varros Antiquit. rer. div. I gewesen ist. Für die Richtigkeit dieser Vermutung in Bezug auf Cicero spricht der Umstand, dass Cicero sein Werk de deorum natura in dem- selben Jahre begann, in welchem er die Tusculanen verfasste, Schmekel, mittlere Stoa. 10 -- 146 -- und in der ersteren Schrift zweifellos den Posidonius benutzte, Was aber Varro anbetrifft, so ist es ganz natürlich an dieses Werk als seine Quelle zu denken, da er ja in dem ersten Teile des ersten Buches über das Dasein und das Wesen der Götter handelte‘). Hierzu stimmen noch zwei Fragmente; No. 19 näm- lich entspricht vollständig Cie. deor. nat. ΠῚ 315. See adv. phys. I 75—76 und No. 24 ebenso Cic. a, a. 0. I5, 13. — Sext. a. a. Ὁ. Varro referiert an der letzteren Stelle augen- scheinlich die Beweise, welche nach Ciceros Angabe dem Clean- thes?) gehörten?). Wir wenden uns noch zu der zweiten Hälfte des ersten Buches der Tusculanen. Cicero sucht hier dem Thema gemäss’ ($ 26) darzuthun, dass der Tod auch dann kein Übel sei, wenn die Seele denselben nicht überdauere. Er kündigt diesen zweiten Teil bereits in den $$ 76—77 an und beginnt ihn $ 82. Der Gang desselben ist in Kürze folgender: Zunächst befreit der Tod den Menschen von den Übeln des Lebens, die entweder schon vorhanden sind oder jeden Tag eintreten können ($$ 85—86); er ist also kein Übel. Aber selbst wenn er die Menschen der Güter beraubt, ist er kein Übel, da mit ihm jede Empfindung aufhört: Wie die Zeit vor der Geburt, so geht auch die Zeit nach dem Tode den Menschen nichts an ($$ S7—92)*). Infolge dessen ist es Ὁ Eine Gewissheit wird sich über diese Frage nicht erreichen lassen. ?) Treffend hat-Corssen in seiner Dissertation S. 40 ff. auf die der ersten Hälfte dieses Buches der Tusculanen parallele Darstellung im Somn. Seip. hingewiesen und daraus den Schluss gezogen und denselben zugleich näher begründet, dass Cicero hier dieselbe Schrift des Posidonius wie in dem ge- nannten Abschnitte der Tusculanen benutzt habe. Eine Ergänzung hierzu giebt Diels Rh, Mus. Bd. XXXIV S. 487 fi. ®) Was die purgatio animarum betrifft, über die bei Varro ebenfalls gehandelt wird, so ist die letzte Quelle derselben Platos Phaedon e. 13; 57. 62ff. Diese hängt mit der Lehre eng zusammen, dass die Seelen durch den Körper in verschiedener Weise beeinflusst werden und demgemäss nach dem Tode verschiedene Stufen einnehmen. Da wir diese Lehre bei Posidonius haben, so hat Varro sicher auch das, was er von der purgatio bringt, durch Vermittelung des Posidonius von Plato erhalten. Bei Cicero finden sich hierüber aus dem oben schon angegebenen Grunde nur Andeutungen; ganz klar aber treffen wir diese Lehre bei Vergil wieder. Wir werden hierüber noch später zu handeln haben. *) Corssen Rh. Mus. XXXVIJ, S. 505ff. vermisst sonderbarer Weise eine scharfe Trennung der beiden Bestandteile dieses Buches und versucht da- ; a -- auch verkehrt ein frühzeitiges Sterben zu beklagen und ein langes Leben für glücklich zu halten: Nicht auf ein langes, sondern auf ein tugendhaftes Leben kommt es an. Hierauf folgt eine lange Aufzählung von Beispielen solcher Männer, die frühzeitig heiter und willig in den Tod gegangen sind, oft in einer Weise, dass wir ganz vergessen, um was es sich überhaupt in diesem Abschnitte handelt (SS 93—102). Daran schliesst Cicero eine Reihe her den Nachweis zu führen, dass der zweite Teil nur die Fortsetzung des ersten und aus derselben Quelle wie dieser, d. h. aus Posid. geflossen sei. Zunächst liegt die Scheidung klar vor ὃ 76: adsunt.. qui haee non pro- bent; ego autem nunquam ita te in hoc sermone dimittam, ulla uti ratione mors tibi videri malum possit..... $ 77 catervae veniunt contra dieentium nec solum Epieureorum ... acerrume autem ... Dicaearchus contra hane immor- talitatem disseruit... num non vis igitur audire, cur etiam si ita sit, mors tamen non sit in malis? Damit ist der $ 26 verheissene zweite Teil der Abhandlung klar und deutlich angekündigt. Seine Ausführung beginnt $ 82: fae ut isti volunt animos non remanere post mortem .... mali quid adfert ista sententia? Dass wir hier keine so scharfe Gliederung haben können wie in anderen Schriften Ciceros, hat darin seinen Grund, dass wir an dieser Stelle ein Gespräch und keine dogmatische Abhandlung vor uns haben; doch gerade darin offenbart sich noch die Scheidung beider Teile, dass Cicero hier ein wirkliches Gespräch nachahmt, während er vorher und nach- her seiner Sitte gemäss (vgl. auch $ 16 exf.), die Abhandlung ohne Unter- brechung vorträgt. Corssen hält alsdann den Grundsatz Epieurs ‘6 ϑάνατος οὐδὲν πρὸς ἡμᾶς" für das Thema der 88 82--9] und meint, dass sich dieses sehr wohl an den erbaulichen Inhalt des $ 75 und der vorhergehenden Dar- stellung anschliesse. Er streicht infolge dessen die 88 76—82 aus dem Zusammenhange und glaubt dann in den 88 75 und 83—86 einen Zusammen- hang zu haben, der den ersten Teil fortspinne, ohne eine Trennung erkennen zu lassen. Was nun zunächst seine Inhaltsbestimmung der $$ 82—91 be- trifft, so ist diese einfach unrichtig; denn das Thema, dass der Tod den Menschen nichts angehe, beginnt Cicero erst $ 87. Wie nun aber 8 S3, der den Tod preist, weil er die Seele vernichtet und sie dadurch von den Übeln des Lebens befreit, den $ 75 fortspinnen kann, der den Tod preist, weil die Seele durch ihn erst zu dem wahren Leben im Jenseits eingeht, scheint mir ebenso rätselhaft zu sein, wie es unmöglich ist, die beiden Gegensätze zu vereinigen: Es ist einfach unmöglich, die genannten Paragraphen aus dem Zusammenhange zu entfernen. In diesen Paragraphen steht mit voller Klarheit geschrieben, dass hier der zweite Teil der Abhandlung beginnt: Es ist also auch völlig grundlos und unrichtig, durch Streichung derselben eine Einheit herstellen zu wollen, trotzdem dass Cicero das gerade Gegen- teil bezeugt. An diesem Grundirrtume scheitert das wesentlichste Resultat Corssens in dieser Abhandlung: Der Widerspruch der beiden Teile macht es unmöglich, dass Posidonius für beide Teile die Quelle ist. ᾽ 10" -- 14 — von Urteilen und Angaben über den Wert und ‚die Arten der Bestattung (88. 102m—109) und kehrt nach derselben augenschein- lich zu dem $ 93 ff. entwickelten Gedanken zurück, setzt diesen kurz fort und schliesst damit die Abhandlung ($$ 109-111). In den 88 113—117 folgt ein Epilog, der das Bisherige bestätigt. Sind die Beispiele in dieser Darstellung überhaupt sehr lang ausgesponnen, so fallen unter ihnen doch am meisten die An- gaben über die Bestattung auf. Was diese hier zu thun haben, ist überhaupt wenig ersichtlich. Am Schlusse wird zwar ange- deutet, weswegen sie hierher gesetzt sind, wenn Cicero sagt, die Art der Bestattung sei für die Gestorbenen höchst gleichgültig, die Hinterbliebenen aber hätten der Sitte gemäss zu handeln; aber wie kommt Cicero dazu, die Bestattungsarten der ausländi- schen Völker ὃ 105 mit varios errores zu bezeichnen? Sind sie dies in der That, so ist es doch geradezu verkehrt daraus den Schluss herzuleiten, dass die Art der Bestattung gleichgültig sei. Auch die Art der Einführung dieser Beispiele ist durchaus äusser- lich: Nur weil ein Ausspruch des Theodorus, den Cicero eitiert, von der Art des Todes spricht, sieht er sich veranlasst, diese ganze Stelle hinzuzufügen. Diese Beispiele werden auf Chrysipp zurückgeführt; dass aber der Inhalt der sie umgebenden Aus- einandersetzung das Gegenteil von aller stoischen Anschauung ist, bedarf des Beweises nicht. Mit Recht dürfen wir daher schliessen, dass Cicero den Abschnitt über die Arten der Be- stattung von anderwärts her als die umgebende Darstellung ge- nommen hat!). Ebenso klar ist es, dass Cicero auch in dem zweiten Ab- schnitte (88 81--- 92) den Gedankengang durch das Kapitel 37 durch- _ brochen hat. Der Gedankengang dieses Abschnittes ist der folgende: Der Tod ist kein Übel, weil in dem Tode jede Em- pfindung aufhört, der Zustand nach dem Tode also gerade so ist wie der vor der Geburt. Er ist vergleichbar einem ewigen tiefen Schlafe wie dem des Endymion. Diesen Gedanken zerreisst Cicero durch das genannte Kapitel, das er mit den Worten beginnt: Quamquam ’) An der sonderbaren Einführung dieses Abschnittes hat sich auch schon Corssen gestossen und daher diese Partie aus dem Zusammenhange herausgenommen. Er glaubt, dass sie dem ersten Teile ($ 36) angehöre. Für die Notwendigkeit dieser Annahme fehlt mir jeder stichhaltige Grund; vgl. auch Hirzel, Unters. III S. 393 ff. m = ᾿ ) -- 14 — quid opus est in hoc philosophari, cum rem non magno opere philosophia egere videamus? quotiens non modo ductores nostri, sed universi etiam exereitus ad non dubiam mortem concurrerunt, und mit den entsprechenden Beispielen aus der römischen Ge- schichte anfüllt. Diese Beispiele und ihr Thema passen zu dem sie umgebenden Gedanken in Wahrheit, wie es im Sprichworte heisst, wie .die Faust aufs Auge. Da also Kapitel 37 sicher sein Eigentum ist, so folgt er in den $$ 87—SS und 91m—92 einer Quelle. Bevor wir nun weiter gehen, haben wir zunächst die Stellung Ciceros zu diesem Werke ins Auge zu fassen. Am klarsten tritt uns dieselbe $ 111 entgegen, wo er die Abhandlung schliesst: Ego autem tibi quidem, quod satis esset, paueis verbis responderam; concesseras enim nullo in malo mortuos esse, sed ob eam causam contendi, ut plura dicerem, quod in desiderio et luetu haec est consolatio maxima. nostrum enim et nostra causa susceptum dolorem modice ferre debemus, ne nosmet ipsos amare videamur: illa sospitio intolerabili dolore eruciat, si opinamur eos, quibus orbati sumus, esse cum aliquo sensu in iis malis, quibus volgo opinantur. hanc excutere opinionem mihimet vol radieitus, eoque fui fortasse longior. Dieses erste Buch der Tusculanen ist also nach Ciceros eigener Angabe eine zeitgemässe Neugestaltung der Consolatio, die er in seinem eigenen Interesse schreibt: Wie aus den angeführten Worten hervorgeht, ist der jugendliche Mitunterredner kein anderer als Cicero selbst. Wenn er also $ 109 schreibt: profeeto mors tum aequissimo animo oppetitur, cum suis. se laudibus vita occidens consolari potest, und mit über- mässiger Breite namentlich in der Aufzählung der Beispiele bei dem Abschnitte verweilt, der darthut, dass es alter Weiber Art sei einen frühzeitigen Tod zu bejammern, so kann es in diesem Zusammenhange gar keinem Zweifel unterliegen, aus welchen Motiven diese Auseinandersetzung hervorgegangen ist!'). 1) Obwohl auch Corssen a. a. Ο. S. 520ff. auf das Verhältnis der Cons. zu diesem Buche der Tusc. zu sprechen kommt, so hat er doch auf diese wichtigen Stellen nicht geachtet. Ebenso wenig hat es auch Hirzel a. a. 0. ΠῚ 5. 819 Ε΄. gethan, und doch ist $ 111 von wesentlicher Bedeutung für die Quellenfrage. $ 17 nämlich, von dem Hirzel ausgeht und den er als einen Hauptgrund für den skeptischen Standpunkt der Quelle geltend macht, verspricht nur Wahrscheinliches zu geben. In offenem Widerspruche hiermit steht der $ 111, der in den stärksten Ausdrücken die Absicht Ciceros ver- rät; diese ist gewiss nicht skeptischer Natur. — 10 -- Beim Übergange vom ersten zum zweiten Teile schreibt Cicero $ 75: Haec quidem vita mors est, quam lamentari possem, si liberet. A. Satis tu quidem in Consolatione es lamentatus, quam cum lego, nihil malo quam has res relinquere. Gleichwohl unter- lässt er es nicht, dieses Klagelied über das Leben anzustimmen; denn die 88 83—86 sind, wie wir gesehen haben, nichts weiter als ein solehes. Zum Beweise nun, dass wir uns hier in Wirklichkeit auf dem Boden der Consolatio befinden, genügt es an die Worte zu erinnern, welche wir $ 83 lesen: quid ego nunc lugeam vitam hominum? vere et iure possum; sed quid necesse est, cum id agam, ne post mortem miseros nos putemus fore, etiam vitam efficere deplorando miseriorem? fecimus hoc in eo libro, in quo nosmet ipsos quantum potuimus consolati sumus. Der Abschnitt ὃ S3—86 ist demnach nur ein kurzer Abriss des entsprechenden Teiles der Consolatio. Von den fünf Gottesurteilen über den Wert des Lebens, die Cicero im Epiloge anführt, fand sich das dritte, der Ausspruch des Silen, auch in der Consolatio, wie wir von Laktanz erfahren). Das vierte ist in den Versen enthalten, die Cicero aus Euripides’ Cresphontes übersetzt. Diese heissen uns traurig sein bei der Geburt eines Menschen und frohlocken bei seinem Tode. Sie stimmen ebenso zu dem vorhergehenden Urteile des Silen, wie zu dem nachfolgenden Bescheide, den der Terinäer Elysius erhielt. Diese letzte Erzählung ist nach Ciceros Angabe aus Crantors Schrift περὶ πένϑους genommen, die Ciceros Quelle für die Con- solatio war. Ebendaher stammen also wohl auch die Verse des Euripides, zumal Cicero selbst ihre Übereinstimmung mit der letzten Erzählung ausdrücklich hervorhebt?): Also sind offenbar diese drei Urteile aus der Consolatio hierher gesetzt. Es kann dies auch gar nicht mehr auffallen, seitdem wir erkannt haben, in welchem engen Verhältnisse dieses Buch der Tusculanen zu der Consolatio steht. Die erwähnte Schrift Crantors περὶ πένϑους ist, wie längst bekannt, auch die Quelle für Plutarchs Trostschrift an Apollonius°). ') Vgl. Frg. 11 b. Baiter. 5) simile quiddam est in Consolatione Crantoris. °) Dieses Urteil stützt sich darauf, dass Crantor daselbst viermal als Gewährsmann eitiert wird: p. 102D, 104C, 114C, 115B. Dazu tritt noch p- 109BC, wo zwar Crantor nicht genannt, aber sicher benutzt wird, wie -- 151 — Die Übereinstimmung einer grossen Reihe von Stellen dieser Schrift mit einem grossen Teile dieser zweiten Hälfte des ersten Buches der Tusculanen ist so ausserordentlich stark, dass der Schluss unbezweifelbar ist, dass der gedachte Teil Ciceros eben- falls auf Crantor zurückgeht. Da wir nun soeben gesehen haben, dass Cicero mit dem ersten Buche der Tusculanen eine neue und zeitgemässe Darstellung der Consolatio, deren Quelle Crantor war, verfasste, und dass er deswegen bei der Ausarbeitung desselben die Consolatio benutzte, so folgt, dass diejenigen Stücke, welche mit der Trostschrift Plutarchs übereinstimmen, nach der Con- solatio gearbeitet sind. Diese Übereinstimmung findet bei Cicero statt in den SS 84, 91—97 (99), 111, 113—115 und 1111). Von diesen Stellen steht $ 84 in einem Zusammenhange (88 83—86), den wir vorhin schon aus anderen Gründen auf die Consolatio zurückführen mussten; das Gleiche gilt von der grösseren Hälfte der $$ 113—115. Zwischen ὃ 111 und ὃ 113 lesen wir die oben erwähnte Erklärung Ciceros über seine Stellung zu diesem Buche. Scheiden wir diesen Zusatz aus, so schliesst 8 111 an $ 113 ff. an. Ferner hängen die 88 91 m.—92 (5. 5. 148f.) mit den 88 87—88 unzertrennbar zusammen, während die $$ 5S9—91m. ein gewisser Zusatz Ciceros sind. Da nun die 88 84 und 91 ff. sich mit Stellen aus Plutarchs Trostschrift decken, so folgt, dass die $$ 85—83 und 91 m.—97 (99) zusammenhängen und nach der Vorlage, ἃ. ἢ. hier nach der Consolatio gearbeitet sind. Die $$ 102—105 haben wir ebenfalls schon vorhin als einen nicht hierher gehörigen Zu- satz Ciceros aus dem Zusammenhange ausscheiden müssen, und es ist daher gewiss kein Zufall, dass von diesen in der Trost- schrift Plutarchs keine Spur vorhanden ist. Ferner haben wir vorher gesagt, dass die $$109—111 zu dem Gedanken zurückkehren, der in den 88 93ff. ausgeführt wird. In den 88 93ff. nämlich setzt Cicero auseinander, dass es nicht auf ein langes, sondern auf ein tugendhaftes Leben ankomme, und $ 109 beginnt er mit den Worten: nemo parum diu vixit, qui virtutis perfectae perfecto funcetus est munere. Folglich schliessen sich auch die 85 1091. die Übereinstimmung mit Cie. Tuse. I ὃ 115 zeigt, der den Crantor als Quelle eitiert; vgl. Corssen a. a. O. S. 517; s. auch die folg. Anm. !) Auf diese Übereinstimmung wies zuerst Wyttenbach hin. Nach ihm stellte ©. Heine de font. Tuse. disp. Gymn. Pr. Weimar 1863 p. 12 die Stellen zusammen und im Anschluss an ihn Corssen a. a. O. S. 510 ff. =. 190 an die 88 93 ff. bezw. 97 ff. an, wie sie andererseits mit dem Sehlusse der Schrift zusammengehören. Da wir oben gezeigt haben, dass die $$ 114—115 aus der Consolatio stammen, und auch die Worte Ciceros $ 109: profecto mors tum aequissimo animo oppetitur, cum suis se laudibus vita oceidens consolari potest, auf dieselbe Schrift hinweisen, andererseits die 88 111 und 113—115 ihre Parallele bei Plutarch haben, so folgt, dass Cicero auch in diesem ganzen Abschnitte direkt auf seine Trost- schrift zurückgeht. Auch von den ausgeschiedenen Abschnitten ist der eine (SS S9—91m), der die oben besprochene Sammlung von Beispielen aus der römischen Geschichte enthält, sicher nach Anleitung der Consolatio gearbeitet, wie uns Cicero beweist (de div. II 9, 22): clarissimorum hominum nostrae civitatis gravissimos exitus in Consolatione conlegimus; denn die vorliegende Sammlung ent- spricht genau dieser Angabe. Was nun diese Sammlung aus der römischen Geschichte giebt, ganz dasselbe giebt im folgenden der zweite Abschnitt (SS 96—102) aus der griechischen Geschichte. Diese parallele Behandlung lässt uns auch erkennen, wohin die Sammlung der römischen Beispiele eigentlich gehörte. Schon aus diesem Verhältnisse der beiden Stellen geht hervor, dass die letztere aus der vorliegenden Quelle, ἃ. h. der Consolatio bzw. Crantor stammt. Zur Gewissheit erhärtet wird es dadurch, dass der Be- richt über Sokrates (88 97—99) in der That aus der Consolatio genommen ist, wie wir vorhin gezeigt haben. Für diesen ganzen Teil also war die Gonsolatio Ciceros Quelle. Dieser Umstand erklärt es auch, warum Cicero bei der Ankündi- gung dieses Teiles dieselbe eitiert: In solchen Citaten ist bei Cicero bekanntlich meistenteils eine Andeutung seiner Quelle enthalten. Die Consolatio behandelt, soweit wir sie als Quelle dieses Abschnittes erkannt haben, die Frage, ob der Tod für den Fall, dass er das Leben der Seele vernichte, ein Übel sei. Nun eitiert Cicero auch im ersten Teile dieses Buches ($ 66) eine Stelle aus ihr, die gerade den entgegengesetzten Standpunkt betrifft und die Unsterblichkeit der Seele verteidigt: Die Disposition dieses Buches, dass der Tod kein Übel sei, weder für den Fall, dass die Seele unsterblich sei, noch für den, dass sie mit ihm untergehe, fand sich also schon in der Consolatio. Nach Ciceros eigener Angabe war seine Quelle für dieselbe Crantors Schrift περὶ πένϑους und - . — 193 — die oben besprochene Übereinstimmung zwischen der Trostschrift Plutarchs und dem zweiten Abschnitte des ersten Buches der Tuseulanen bestätigt diese Nachricht vollständig'!); wir dürfen also vermuten, dass bereits Crantor diese Disposition aufgestellt hat. Diese Vermutung wird durch zwei weitere Nachrichten be- stätigt. Ebenso wie Cicero seinen Stoff disponiert, schliesst be- reits Sokrates in Platos Apologie. Crantor hat diese Stelle, wie natürlich, nicht übersehen, sondern sie in seine Schrift auf- genommen, wie wir aus der übereinstimmenden Erwähnung der- selben bei Cicero und Plutarch erkennen: Der Schluss liegt also ausserordentlich nahe, dass er die von Sokrates gebotene Dis- position auch seiner Schrift zu Grunde legte?). Von hier aus be- greifen wir dann auch die zweite Nachricht: Nach Panätius’ Urteil war diese Schrift Crantors so vorzüglich, dass er Tubero empfahl sie wörtlich auswendig zu lernen. Da Panätius die Unsterblich- keit der Seele verwarf, wäre sein Urteil geradezu unbegreiflich, wenn Crantor den Tod nur als den Durchgang zum seligen Leben im Jenseits gepriesen hätte?). !) Vgl. Plinius Nat. Hist. praef. 22. Gegen diese Angabe sucht Corssen ἃ. ἃ. 0. S.522f. zu beweisen, dass Cicero Crantors Schrift nicht.direkt, son- dern durch Vermittelung des Posidonius benutzt habe. Gegen ihn vertei- digt mit Recht die Überlieferung Hirzel a. a. Ὁ. III 5. 353 fl. 3) Wenn Crantor damit von Platos anderen Schriften, die die Unsterb- lichkeit der Seele beweisen, etwas abwich, so ist dieses Zurückgehen auf die Auffassung des Sokrates ganz parallel dem weiteren Schritte, den Arce- silaus von Plato zu Sokrates machte. 8) So findet auch der dogmatische Charakter der Disposition und ihrer Ausführung ihre volle Erklärung: Ob der Tod das Ende von allem ist oder der Durchgang zum Leben, unter allen Umständen ist er kein Übel. Der Grund Hirzels, mit dem er diese Fassung auch für skeptisch erweisen will, ἃ. ἃ. Ὁ. IS. 3892 Ε΄. ist unzutreffend. Denn hier handelt es sich nicht um eine ethische Frage, auf die uns Hirzel verweist, sondern um eine meta- physische; nur aber in der Ethik huldigten die Skeptiker mit gutem Grunde nicht einem absoluten Zweifel, vgl. Sext. Pyrrh. Hyp. III 184. In dem Stand- punkte des Verfassers liegt es ferner begründet, dass natura mehrfach als be- wusst wirkende Macht aufgefasst wird ($$ 93,100,118), was zu einem Epikureer als Verfasser nicht stimmt, aber auch nicht notwendig auf einen Stoiker hin- _ weist, wie Corssen will. Denn die gleiche Auffassung ist auch der akade- - misch-peripatetischen Philosophie eigen (vgl. z. Β. Critolaus bei Ps. Philo de ineorr. mundi e. 11 p. 248 ed Bern. Abh. ἃ. Berl. Akad. 1876). Bei der Gleich- _ heit der Anschauung erklären sich hier Anspielungen an Epikureische Lehren, die Corssen nachzuweisen sich bemüht (a. a. Ο. S. 506), ganz von selbst. - Denn es ist klar, dass die wichtigsten Aussprüche Epikurs ebenso geflügelte a τὰ Worte waren wie die stoischen Paradoxa. -- 14 — Kehren wir jetzt noch einmal zu Cicero Tusc. I $ 66 zurück! Cicero schreibt daselbst in dem wörtlichen Citate aus der Con- solatio: singularis est igitur quaedam natura atque vis animi, seiuneta ab his usitatis notisque naturis. Dieses Urteil über die Natur der Seele entspricht vollständig dem Platonischen Stand- punkteCrantors und steht ebenso in offenem Widerspruche mit $ 43, wo Cicero die Seele für eine bestimmte Modifikation des Äthers hält. Dieser Widerspruch zeigt klar, dass Cicero für den ersten Teil eine andere Quelle als Grantor und seine Consolatio hatte. Andererseits erklärt uns die angeführte Stelle auch auf das ein- fachste die scheinbare Skepsis, die wir $ 70 lesen: quae est ei (sc. animo) natura? propria puto et sua. sed fac igneam fac spira- bilem: nihil ad id, de quo agimus. Was Cicero an erster Stelle über die Natur der Seele sagt, stammt aus der Consolatio und somit aus Crantor; was er dagegen an zweiter Stelle zulässt, ist die Anschauung, der er in der vorhergehenden Abhandlung ge- folgt ist. Er konnte sich weder für die eine noch für die andere Auffassung entscheiden und erklärte daher diese Frage für gleich- gültig. Cicero nahm also in diesem Buche die Disposition seiner Consolatio bezw. Crantors wieder auf, benutzte aber für den Nachweis der Unsterblichkeit en Werk des Posidonius, das er noch dadurch verbesserte, dass er die diesbezügliche Hauptstelle aus der Gonsolatio hinzufügte, während er die langen Klagelieder derselben über das Elend des Daseins stark verkürzte. Der Grund für diese Arbeitsweise lag offenbar ausser in seinem per- sönlichen Bedürfnisse in der Kürze der Darstellung Grantors'). Aus dieser Verbindung heterogener Quellen erklären sich einmal die Widersprüche, die sich in der gesamten Darstellung finden, und zweitens auch die Thatsache, dass in der Trostschrift Plutarchs keine Parallelstellen zu dem ersten Teile dieses Buches vorhanden sind?). ') Vgl. Cie. Acad. pr. II 44, 135. ?) Der Versuch von Poppelreuter, Posidonius als Quelle für das III. u. IV. Buch der Tusculanen zu erweisen, ist treffend von O. Apelt Jhrb. für Philol. u. Päd. 1885 S. 513 ff. widerlegt worden; vgl. auch Hirzel a. a. O. III, 5. 342#. Wenn Apelt daselbst den Posidonius als Quelle des Nemesius nachzuweisen unternimmt, so kann dies nur indirekt zutreffen, da Nemesius direkt von Galen abhängt. Vgl. Margarites Evangelides, Zwei Kapitel aus einer Mono- graphie über Nemesius und seine Quellen diss. Berol. 1882. C. Carneades-Clitomachus. Kap. 6. Cicero de fato. $ 1. Der Anfang. Sextus Empiricus wendet sich bei der Kritik der dogma- tischen Philosophie im fünften Buche zu der Widerlegung der Astrologie. Der Gang seiner Darstellung ist folgender: Er unter- scheidet zunächst in diesem umfassenden Begriffe die Astronomie und die Astrologie und erklärt, dass nur der letzteren sein Kampf gelte (88 1—3). Diese Aufgabe führt er durch in den 88 4—105. Sie zerfällt in zwei Abschnitte. Der erste bietet eine Darstellung der Astrologie (88 4—42); der zweite ihre Widerlegung ($$ 43—105). Diese zerfällt ebenfalls in zwei Teile. Der erste derselben ent- hält zwei Gründe, mit denen andere Philosophen die Astrologie zu widerlegen pflegten (88 43—48); der zweite dagegen die, welche Sextus gegen sie vorzubringen weiss (88. 49—105). Zu- nächst entwickelt er das Thema für die Widerlegung ($$ 50—54), dann geht er zu der Ausführung derselben über. Diese zerfällt aber noch in zwei Teile. Der erste nämlich behandelt das vor- hin aufgestellte Thema, und zwar in der Reihenfolge, welche Sextus bestimmt hat (88 54—84); der zweite dagegen bringt eine Reihe von mehr oder weniger lose aneinander hängenden Gründen, die mit dem vorigen Abschnitte nichts zu thun haben ($$ 80.---100). Im $ 106 folgt der Schluss. Wir haben jetzt die Gründe selbst kurz vorzuführen. Die beiden ersten sind allgemeiner Art. Der eine weist darauf hin, dass der Zusammenhang der Himmelskörper und der Erde, bezw. der Wesen und Ereignisse auf derselben, nicht derartig sei, wie der der Glieder des menschlichen Körpers, in dem jeder Teil die Affektion des andern mitfühle. Der zweite richtet sich gegen -- 16 — das Fatum als das Fundament der Astrologie: Alles, was ge- schieht, geschieht entweder aus Notwendigkeit oder aus Zufall oder aus dem Willen des Menschen. Für das, was notwendig geschieht, ist die Astrologie überflüssig; denn sie nützt nichts, da alles dieses doch so geschieht, wie es geschehen muss. Bei allem aber, was zufällig geschieht, oder aus dem Willen der Menschen hervorgeht, ist sie erst recht nutzlos und begrifflich unmöglich, da der Zufall sowohl wie der Wille des Menschen den Einfluss der Gestirne als lenkender Mächte einfach ausschliessen. Hierauf geht Sextus zu der speziellen Widerlegung über. Im Anschluss an seinen Abriss der astrologischen Theorie stellt er $ 52 als Thema die Behauptung hin, dass das Horoskop nicht gestellt werden könne, und zeigt dies durch den Nachweis, dass 1. die Zeit nicht genau be- stimmbar sei, wann es gestellt werden müsse ($$ 54—67); 2. dass es auch selbst nicht genau gestellt werden könne ($$ 68—72); und 3. dass auch nicht der Aufgang des betreffenden Gestirnes des Tierkreises genau wahrzunehmen sei ($$ 73—84). Die Aus- führung des ersten Punktes erweist, dass weder der Augenblick der Empfängnis (ξξ 54—64) noch der der Geburt (ξξ 65—67) genau anzugeben sei, in denen doch das Horoskop gestellt werden müsste. Die nähere Ausführung dieses Beweises können wir hier übergehen. Für die zweite Behauptung bringt er fünf Gründe vor: 1. Da der Zeitpunkt der Geburt nicht genau bestimmt werden kann, so kann auch der beobachtende Astrologe den Stand der Sterne im Augenblicke der Geburt nicht bestimmt erkennen (SS 68—69). 2. Wenn schon der Augenblick der Geburt genau erkannt wird, vergeht doch eine gewisse Zeit, ehe der Astro- loge das Zeichen wahrnimmt, welches ihm der Beobachter der Geburt mitteilt. 3. Auch während der darauf folgenden Beob- achtung der Sterne vergeht noch eine Zeit, so dass auch dadurch der Astrolog verhindert ist den richtigen Stand der Sterne zu sehen, da der Himmel sich mit unglaublicher Schnelligkeit be- wegt (ὃ 70). 4. Die Beobachtung ist wohl des Nachts möglich, nicht aber des Tags ($ 71); und 5. ist. sie auch des Nachts nicht immer möglich, weil der Himmel oft durch Nebel und Wolken verhüllt ist (8 72). Die Gründe, welche den dritten Punkt erweisen, sind folgende: 1. Die Luft strömt nach ihrer verschiedenen Beschaffenheit verschieden und zeigt des- wegen die Vorgänge am Himmel ganz ungleich, während sich E ἡ ἢ -- 121 -- dieser in stets gleicher Geschwindigkeit dreht (88 75—77). 2. Weil die Sternbilder nicht einfache Sterne, sondern Sterngruppen sind, so ist es unmöglich zu unterscheiden, ob ein aufgehender Stern dem Ende des vorhergehenden oder dem Anfange des folgenden Sternbildes angehört ($$ 73—79). 3. Die Beobachtungs- punkte auf der Erde bleiben nicht immer gleich, weil sich diese aus den verschiedensten Gründen vielfach verändert. Es ist daher unmöglich, die Bestimmungen früherer Astrologen olıne weiteres für die Folgezeit zu gebrauchen ($ 80). 4. Die Seh- schärfe der verschiedenen Menschen ist verschieden; also müssen auch hierdurch Irrtümer entstehen ($ 81). 5. Die starke Re- flexion der Lichtstrahlen, welche durch die stets dichte Luft im Horizonte bedingt ist, bewirkt, dass Sterne, welche noch unter dem Horizonte stehen, bereits aufgegangen zu sein scheinen und umgekehrt ($ 82 vgl. $ 74). 6. Nur wenn allen Beobachtern dasselbe Zeichen des Tierkreises zu derselben Zeit und in der- selben geraden Linie erschiene, wäre es vielleicht möglich, das im Horizont aufgehende Zeichen als Horoskop gelten zu lassen; das ist aber nicht der Fall: Also kann auch nicht dasselbe Zeichen des Tierkreises für alle in allen Gegenden als Horoskop dienen (88 84-85). Es folgt jetzt die Reihe der lose angefügten Gründe: 1. Da die Zeit der Geburt nicht genau angegeben werden. könne, gäben die Astrologen zu nur eine allgemein bestimmte Zeit an- zunehmen, um aus dem Stande der Gestirne während derselben ihre Voraussagungen zu machen. Dieses sei aber durchaus ver- kehrt; denn diejenigen, welche in solcher Zeit geboren würden, müssten auch dasselbe Geschick haben, was nicht der Fall sei. Jedenfalls sei z. B. niemand Alexander dem Grossen oder Plato gleich gewesen, obwohl viele zugleich mit ihnen geboren seien (88 86—89). 2. Wenn alle, welche zu derselben Zeit geboren würden, dasselbe Geschick haben müssten, so folge, dass auch alle, die nicht zu derselben Zeit geboren seien, ein verschiedenes Geschick haben müssten. Dies sei aber thatsächlich unrichtig; _ denn es wäre falsch anzunehmen, dass alle die Tausende von _ Barbaren, welche bei Marathon gefallen seien, und ebenso die Griechen, welche auf der Rückkehr von Troja bei Euboea ge- ‚scheitert und umgekommen seien, alle unter demselben Zeichen geboren seien (88. 90—93). 3. Wenn durch die Gestirne Leben @ — 18 — und Geschick bestimmt würde, so müsste dies nicht bloss von den Menschen, sondern auch von den Tieren gelten, was wider- sinnig sei ($ 94). 4. Lächerlich sei es geradezu, dass die Astro- logen aus der Gestalt der Gestirne auf die Eigenschaften derer, die gerade geboren würden, schliessen zu können meinten; es sei vielmehr eher wahrscheinlich, dass eine bestimmte Mischung der Luft einen solchen Einfluss ausübe ($$ 95—102). 5. Auch aus chronologischen Gründen sei es nicht möglich die allgemeinen Gesetze der Astrologie zu erkennen. Denn ehe die Astrologen dazu gelangen könnten durch vernünftige Beobachtung dieselben festzustellen, würde zu verschiedenen Malen aller geschichtliche Zusammenhang vollständig vernichtet (88. 103—105). Nachdem wir den Inhalt dieser Widerlegung im allgemeinen vorgeführt haben, ist noch kurz der Zusammenhang der Schrift zu berücksichtigen. Nach den Worten des Sextus ($ 49) scheint es, dass die beiden Beweise, welche er unmittelbar nach dem Abrisse der Astrologie anführt und als Eigentum anderer be- zeichnet, nur wenig die Sache treffen und daher mit dem Vor- hergehenden und Nachfolgenden nicht zusammenhängen. Doch ist dies keineswegs der Fall, Im Anfange dieses Abrisses ($ 4) wird nämlich, wie natürlich, die Astrologie auf den inneren Zu- sammenhang der Vorgänge am Himmel und auf der Erde ge- gründet. Gleich der erste dieser beiden Beweise ($ 43) wendet sich aber direkt gegen diese Sympathie: Also treffen diese beiden Beweise die gegnerische Lehre in ihrem innersten Wesen. Dies wird um so deutlicher, als der zweite dieser Beweise mit dem ersten eng zusammenhängt, ja eigentlich nur der Erweis des ersten ist. Denn gerade die Leugnung dieser Sympathie kann nur durch den Nachweis erhärtet werden, dass vieles vom Zufall oder vom Willen des Menschen abhängt, was der zweite Beweis geltend macht. Ebenso müssen wir aus den vorhin angeführten Worten des Sextus schliessen, dass die ganze Widerlegung, welche auf diese beiden Beweise folgt, sein Eigentum sei. Aber auch dieses ist unrichtig, wie die Übereinstimmung derselben mit Favorins und Augustins Widerlegung der Astrologie zeigt. Um dieses zu beweisen, haben wir hier die Widerlegung beider ebenfalls kurz vorzuführen. Die Gründe Fayorins.hat Gellius N. A. XIV c. 1 aufbewahrt. Er berichtet zunächst, dass er ihn diejenigen bekämpfen gehört -- 19 — habe, welche Chaldaeer oder Nativitätssteller hiessen, also nicht etwa auch die Astronomen, und zählt darauf seine Gründe auf: Zunächst habe er sich gegen das Alter ausgesprochen, welches die Astrologen für ihre Kunst in Anspruch nähmen. Die rationelle Feststellung der astrologischen Gesetze würde so viele Jahr- hunderte erfordern, dass weder eine ununterbrochene Beobachtung noch auch eine schriftliche Überlieferung während derselben möglich sei. Dies ist derselbe Einwand, den Sextus an letzter Stelle vorträgt!),. Dann bestreitet er das Recht aus dem Zu- sammenhange einiger Vorgänge, wie der Ebbe und Flut, mit dem Laufe der Gestirne schliessen zu dürfen, dass absolut alles von diesen bestimmt werde. Er verwirft demnach die absolute Sympathie?). Dieser Beweis deckt sich mit dem ersten des Sextus ($$ 43—44). Anzunehmen ferner, dass nicht nur die äusseren Geschicke von den Gestirnen abhängig seien, sondern auch die zufälligen Ereignisse und die Willensentschliessungen des Menschen, sei einfach lächerlich (Gell, a. a. Ο. $$ 23—25). Dasselbe hält Sextus den Astrologen vor ($$ 46—48). Da viertens zur Zeit der Empfängnis und der Geburt der Stand der Gestirne verschieden sei und ein verschiedener Stand derselben ein ver- schiedenes Schicksal bedinge, so würde ein zweifaches Schicksal angekündigt, was unmöglich sei (Gell. $$ 19—20). Wenn ferner der Augenblick der Geburt so schnell vorüber sei, dass nicht einmal zwei in demselben Augenblicke geboren werden könnten und daher auch Zwillinge ein verschiedenes Geschick hätten, wie sei es möglich diesen Augenblick genau zu fixieren, um daraus das Geschick vorher sagen zu können ($ 26)? Schliesslich könnten die Beobachtungen, welche die Chaldäer gemacht hätten, allenfalls für den Himmelsstrich gelten, in dem jene damals ge- wohnt hätten, aber nicht auch für andere Gegenden. Auch sei es durchaus fraglich, ob es nicht mehr Schicksalssterne gebe (SS {--- 19). In diesen Ausführungen tritt die genauere Übereinstimmung mehr zurück, doch ist es klar, dass es sich hier wesentlich um die- selben Gründe handelt, welche Sextus viel eingehender in den 1) Gell. a. a. Ο. 8 2 u. 88 14—18; vgl. auch die 88 5 u. 20—22; vgl. hierzu Sext. a. a. Ο. 88 102—105. Der Unterschied, welcher zwischen beiden obzuwalten scheint, ist eben nur scheinbar und rührt von der verschiedenen Genauigkeit der Darstellung beider her. 2) 88 3-4; vgl. Cie. de div. II 14, 58. — 10 -- 88. 54-80, 84---8δ΄"Ἕ vorträgt. Namentlich gilt dieses von dem $ 26: Das Horoskop könne nicht gestellt werden, weil der Augen- blick der Geburt nicht genau bestimmt werden könnte, das Himmelsgewölbe aber und die Gestirne sich mit unsagbarer Schnelligkeit drehten und einen bestimmten Augenblick zu fixieren eben darum fast unmöglich machten: Dasselbe sagt auch Sextus $ 70. Augenscheinlich tritt die Übereinstimmung auch in den folgenden Punkten hervor: Sehr oft kämen Menschen, die zu verschiedenen Zeiten und in den verschiedensten Gegenden und unter den verschiedensten Konstellationen geboren seien, bei dem- selben Unglück um, z. B. bei der Eroberung von Städten oder in den Fluten des Meeres. Dies wäre unmöglich, wenn die Sterne bei der Geburt das Schicksal bestimmten ($$ 27—29). Ganz dasselbe und fast mit denselben Beispielen schreibt Sextus (83. 90—92). Ebenso wie Sextus ($ 94) schliesst ferner auch Favorin ($ 31), dass — die Richtigkeit der Astrologie vorausge- setzt — auch das Geschick der Tiere von den Sternen abhängen müsste. Ebenso ist schliesslich auch Favorin ($ 33) wie Sextus ($ 87) der Überzeugung, dass es sich bei der Astrologie nur um Irrtum und Betrug der Dummen handele. Augustins Widerlegung der Astrologie steht im Anfange des fünften Buches de eivitate Dei. Auch er will nicht schlechthin die Möglichkeit leugnen, dass die äusseren Ereignisse durch den Einfluss der Gestirne bedingt werden, verwirft aber denselben entschieden für alles, was vom Willen des Menschen abhängt ἢ). Er leugnet also ebenso die absolute Sympathie und stellt ihr die menschliche Freiheit entgegen wie Sextus und Favorin. Ferner zeigt er, dass die Einwirkung der Gestirne zum Zwecke der Weissagung der Lebensschicksale weder bei der Empfängnis noch bei der Geburt noch auch bei beiden zugleich angenommen werden könne: Zunächst bei der Empfängnis nicht, denn einmal gebe es viele Zwillinge, welche ganz verschiedenes Schicksal hätten, trotzdem dass der Augenblick ihrer Empfängnis derselbe sei. Zweitens sei es auch unmöglich diesen Einfluss zu erkennen, wenn seine Thatsächlichkeit schon zugestanden werde. Denn wenn das Horoskop bei der Geburt gestellt werde, so könnte der Augenblick der Empfängnis nicht mehr in Betracht gezogen ') e. 6, p. 198, 26. Vgl. auch p. 194, 22 ed. Domb. — kl — werden, deswegen weil er unbekannt sei (a. a. O. p- 196, 10 ff). Wenn wiederum die Schicksale von der Geburtsstunde abhingen, und darum auch jene aus dem Horoskop der letzteren erkannt werden könnten, und eben deswegen die Zwillinge ein verschie- denes Geschick hätten, weil sie nicht in demselben Augenblicke sondern nach einander geboren würden, wie sei dies wieder bei ihrem Zugeständnisse möglich, dass sie viel genauer das Schicksal würden bestimmen können, wenn der Augenblick der Empfängnis bekannt wäre (p. 196, 15 ff. 197 ff.)?2 Anzunehmen aber, dass der verschiedene Stand der Gestirne bei der Empfängnis und bei der Geburt einander widerstreitend das Schiksal bestimmten, sei unsinnig (p. 197, 25 ff. 199, 6 ff.). Also weder die Empfängnis noch die Geburt noch auch beide könnten dazu benutzt werden, das Schicksal vorauszusagen. Die Übereinstimmung dieses Ein- wurfes an sich mit demjenigen, welcher den Ausführungen des Sextus (88 54—67) zu Grunde liegt, und namentlich mit dem des Favorin ($ 19) ist offenkundig. Die Übereinstimmung tritt äber auch hier wieder wie bei Favorin mehr in den folgenden Grün- den Augustins hervor: Da die Bewegung des Himmelsgewölbes und der Gestirne so ausserordentlich schnell sei, dass dadurch das Horoskop selbst von Zwillingen vollständig verändert werde, so sei es überhaupt nicht möglich, das Horoskop genau zu stellen und die Zukunft danach zu verkündigen!). Ferner hätten viele, welche in derselben Zeit und in derselben Gegend und unter demselben Himmelsstrich empfangen und geboren würden, ein durchaus verschiedenes Geschick, und umgekehrt seien Fremde, die zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten geboren seien, oft einander viel ähnlicher als Zwillinge, trotzdem diese gleichzeitig empfangen seien?). Drittens findet er es ebenso wie Sextus und Favorin ganz folgerecht, dass nicht nur die Schicksale der Menschen, sondern auch die der Tiere von der Konstellation der Gestirne abhängen müssten). Schliesslich hält auch er wie Sextus und Favorin diese ganze Lehre für falsch und schädlich (p. 201, 2 ff.). In diesem Zusammenhange ist es gewiss nicht zufällig, dass Augustin dieselben Homerischen Verse ») p. 193, 15 ff. und dazu 194, 12 ff. Vgl. Favor. a. a. O. 8 26; Sext. 852 u. 870. BE 2) p. 192,30—193, 6; 191, 34ff. Vgl. Sext. $ 90—92; Favor.a.a. Ὁ. 8 21—29, 8) p. 200, 2 f£.; Favor. a. a. O. 8 31; Sext. $ 9. Schmekel, mittlere Stoa. 11 und zwar in demselben Zusammenhange anführt wie ϑοχίαϑ ἢ. Unzweifelhaft also ist es bei der vorgetragenen Übereinstimmung, dass die Gründe gegen die Astrologie bei allen drei Männern auf dieselbe Quelle zurückgehen. Kehren wir jetzt noch einmal zu Sextus zurück! Die Ent- wickelung seiner Gründe hat gezeigt, dass seine Abhandlung in drei Teile zerfällt, von denen der erste die 88 43—48, der zweite die 88 49—84 und der dritte die 88 S5>—105 umfasst. Vergleichen wir jetzt noch einmal diese Ausführung mit der des Augustin und Favorin im allgemeinen, so stimmen sie in dem ersten und dritten Teile vollständig überein, soweit bei der Verschiedenheit dieser Schriftsteller eine Übereinstimmung stattfinden kann; in dem zweiten Teile jedoch gehen sie mehr auseinander, dergestalt dass Augustin und Favorin mit einander viel mehr stimmen als mit Sextus. Doch bezieht sich seine Abweichung nur auf die Anordnung der Gründe, diese selbst aber finden sich bei jenen im wesentlichen ebenso wie bei diesem. Bedenken wir nun, dass Sextus die Ausführung als die seinige bezeichnet (8 49) und dass die 88 54—67 nur zu deutlich einen Mediziner als Verfasser ver- raten, so erkennen wir sowohl, mit welchem Rechte Sextus jenes thun konnte, als auch warum Augustin und Favorin hier mehr mit einander als mit Sextus stimmen müssen. Wir wenden uns jetzt zur Quellenuntersuchung des Augustin. Dieser behandelt am angeführten Orte nicht bloss die Astrologie, sondern das Verhältnis von Freiheit, Notwendigkeit und. gött- licher Vorsehung, so dass jene Erörterung nur ein Teil dieser grösseren ist. Dieselbe reicht vom Anfange des Buches bis zum elften Kapitel. Die Quelle für die Lehre der Philosophen, die er teils billigt, teils zurückweist oder korrigiert, ist nach seiner eigenen Angabe Cicero: Gleich im Anfange des zweiten Kapitels (p. 192, 11 ff.) eitiert er ihn, und was er hier aus ihm entlehnt, kehrt zu wiederholten Malen wieder?). Dann führt er die vorhin genannten Homerischen Verse in der lateinischen Übersetzung ') Odyss. 18, 136—137; Augustin p. 202, 8. Sext. 8 4. Sextus führt diese Verse bei der Darstellung der Lehre der Gegner an, welche sich be- kanntlich gern auf Homer beriefen. Ebenso verwendet sie Augustin im engsten Anschluss an Cicero bei der Wesensbestimmung des stoischen Fatums. 3) p. 193, S#.; 195, 24 #.; 197, 15 Β΄. -- 18 — Ciceros an (p. 202, 7 ff.) und im neunten Kapitel (p. 202, 21 ff.) wendet er sich ganz gegen ihn, um seine Ansicht über das Vor- herwissen Gottes zu widerlegen: Das Dasein Gottes anzunehmen und das Vorherwissen (praescientia) desselben zu leugnen sei widersinnig. Deshalb habe sich Cicero auch in den Büchern de deor. nat. zunächst gegen das Dasein der Götter ausgesprochen und dann in den Büchern de div. das Vorherwissen Gottes direkt bestritten. Hierauf entwickelt er im Anschluss an Cicero seine Meinung, wodurch dieser bewogen worden sei das Vorherwissen Gottes zu leugnen, und lässt darauf die Widerlegung folgen: Augustin hat demnach hier Ciceros Bücher ‘de divinatione’ be- nutzt. Wir haben dies noch genauer zu untersuchen. Ciceros Schrift de div. ist lückenlos überliefert; aber weder finden sich die genannten Homerischen Verse darin, noch auch die andere Stelle, an der Augustin die verschiedenen Erklärungen des Hippokrates und Posidonius über die gleichzeitige Erkrankung und Genesung zweier Brüder berichtet. Also kann Augustin diese beiden Angaben nicht aus de div. haben. Das 9. Kapitel ferner beginnt mit den Worten: Hos — nämlich die Stoiker — Cicero ita redarguere nititur, ut non existimet aliquid se adversus eos valere, nisi auferat divinationem. Diese Worte beweisen, dass es sich in der Vorlage Augustins um das Fatum handelte und nicht direkt um die Mantik. Noch deutlicher geht dies aus der späteren Stelle hervor (p. 203, 14): in libris vero de divinatione ex se ipso apertissime oppugnat praescientiam futurorum. hoc autem totum facere videtur, ne fatum esse consentiat et perdat liberam voluntatem. putat enim concessa scientia futurorum ia esse consequens fatum, ut negari omnino non possit. In de div. II nimmt Cicero aber den umgekehrten Standpunkt ein: Er will die Mantik zurückweisen und deswegen ist auch der kurze Kampf daselbst gegen das Fatum nur ein Kampf gegen die Mantik: Also kann de div. II nicht die Quelle Augustins gewesen sein. Augustin führt uns an den letzten Stellen vielmehr auf Ciceros Schrift de fato, die eben das Gegenstück zu de div. II ist; und diese ist thatsächlich seine Quelle!). Dies Ergebnis erheben über 1) Vgl. p. 203, 25—204, 9 u. 306, ὃ Ε΄. mit de fato ec. 10 u. 11,408. Auf die Übereinstimmung mit de fato e. 10 hat bereits Dombart aufmerksam gemacht. Augustin hat de fato offenbar zu den Büchern de div. was ihr Inhalt sehr wohl gestattete. 2 gerechnet, 12% -- 164 — jeden Zweifel die Stellen, welche genauer auf die Ciceronische Schrift eingehen (c. 3 p. 194, 22): quis enim consulat, quando sedeat, quando deambulet, quando vel quid prandeat? Diese Worte geben Cic. de fat. c. 5, 9 wieder: qui ... ex eo cogi putat, ne ut sedeamus quidem aut ambulemus voluntatis esse etsq. Den augenscheinlichsten Beweis jedoch finden wir im 9. Kapitel, wo Augustin zweimal ein Referat nach de fato giebt, das nicht nur nach dem Inhalte, sondern teilweise fast wörtlich stimmt. Es ist also unleugbar, dass Augustin hier de fato benutzt. Nun findet sich aber auch in de div. II 88 87—99 eine Widerlegung der Astrologie; es fragt sich deshalb, ob die Widerlegung bei Augustin aus diesem Buche stammt oder auch aus de fato. Dies entscheidet zunächst das Zeugnis Augustins (c. 9 p. 202, 29 [Ὁ]: in his autem mathematicorum coniecturis refutandis eius regnat oratio, quia vere tales sunt, ut se ipsae destruant et refellant. multo autem sunt tolerabiliores, qui vel siderea fata constituunt, quam iste, qui tollit praescientiam futurorum. Aus diesen Worten geht klar hervor, dass er die Gründe gegen die Astrologie aus derselben Schrift genommen hat, die ihm die Veranlassung gab, sich gegen Cicero zu wenden, d.h. aus de fato. Ebenso beweist dies zweitens der Inhalt. Schon vorher haben wir gesehen, dass Augustin mehrere Berichte bringt, die in de div. nicht stehen und augenscheinlich auf die Behandlung der Astrologie hin- weisen. Ferner findet sich auch wenigstens ein Grund kei Augustin — wegen der überschnellen Drehung des Himmels und der Gestirne könne das Horoskop nicht gestellt werden — nicht in de div., wie umgekehrt sich auch dort Gründe finden, welche Augustin nicht hat!). Da nun diese Gründe Augustins auch nicht sein’ Eigentum sind, so folgt, dass er die Bestreitung der Astrologie aus de fato entlehnt hat. Nachdem wir dies erkannt haben, erhebt sich die Frage, wo diese Widerlegung daselbst gestanden hat, da ja sowohl der An- fang wie das Ende dieser Schrift unvollständig erhalten sind. Das Ende bespricht, wie wir später sehen werden, das Verhältnis zwischen der Ethik und dem Fatum; also kann dort nicht Platz für die Astrologie gewesen sein. Es bleibt somit nur der Anfang ') Vgl. die beiden Gründe $ 94, die auch weder bei Sextus noch bei Favorin zu finden sind. — 15 — übrig und dieser stimmt hierzu vollständig. Cicero hat dort offenbar zunächst eine kurze Darstellung der Lehre Chrysipps gegeben !), darauf ihre Bestreitung unternommen und sich hierbei auch kurz mit Posidonius beschäftigt (c. 4, 7). Hiervon ist unser drittes Kapitel erhalten. Dieses beginnt mit den Worten: quorum in .alüis, ut in Antipatro poeta . . in simul aegrotantibus fratri- bus . . naturae contagio valet. etsq. Es ıst augenscheinlich, dass das, was Augustin über die beiden zugleich erkrankenden und genesenden Brüder aus Cicero berichtet, schon vorher er- wähnt sein muss, da hier auf diese Rücksicht genommen ist. Schon diese eine Thatsache genügt, um zu erkennen, dass das, was Augustin berichtet, hierher gehört. Im Beginne des vierten Kapitels ferner kehrt Cicero zu Chrysipp zurück und bestreitet dessen Ansicht über das Fatum. von der Mantik aus. Dies ist derselbe Standpunkt, den Augustin in den oben aus dem 9. Kapitel angeführten Worten bezeichnet. Von der Mantik aber wird hier nur die Astrologie berücksichtigt und zwar in dem ganzen Ab- schnitte von c. 4, 79,17. Dies beweisen die $$ 11—17 auf den ersten Blick. und ebenso $ 8: ut igitur ad quasdam res natura loci pertinet, ad quasdam autem nihil, sie astrorum affectio valeat, si vis, ad quasdam res, ad omnis certe non valebit. In Wirklichkeit also gehört Augustins Bekämpfung der Astrologie hierher. Da nun die Bekämpfung der Astrologie bei Sextus, Favorin und Augustin auf dieselbe Quelle zurückgeht und Augustin sich an Cicero anschliesst, so folgt, dass die ge- meinsame Quelle älter als Cicero ist. Über dieselbe haben wir im nächsten Paragraphen zu handeln. $ 2. Quelle. Von der Einleitung abgesehen zerfällt Ciceros Schrift de fato in drei Teile: Der erste hat zunächst, wie wir gesehen haben, eine kurze Darstellung der Lehre Chrysipps über das Verhängnis gegeben und darauf ihre Bestreitung von der Astrologie aus. Er reicht bis c. 10, 20. In dem erhaltenen Teile richtet sich die 1) €. 17,40: hoc... quale sit, videamus in adsensionibus, quas prima ora- tione tractavi; hat er aber dies auseinandergesetzt, 50 dürfen wir mit Recht annehmen, dass er überhaupt die Lehre Chrysipps kurz dargestellt hatte, ehe er sich gegen sie wandte. — 166 — Kritik zunächst gegen das Fundament der Astrologie, die absolute Sympathie, die als solche mit dem Fatum identisch ist, und so- mit auch gegen das Fatum selbst. Der erste Beweis c. 5, 9—6, 11 deckt den Widerspruch dieser Annahme mit der Wirklichkeit, der zweite c. 6,11—9,17 den mit der. eigenen Theorie auf. Hierauf folgt eine Berichtigung dieses Problems (c. 9, 17—10, 20). Der zweite Teil umfasst ec. 10, 20—17, 39. Er behandelt den Streit Chrysipps und Epikurs über die Frage, ob jeder Ausspruch wahr oder falsch sei und berichtigt die darauf gestützten Fol- gerungen (c. 10, 20—12, 28 m.). Diese Berichtigung giebt Veran- lassung zu der Auseinandersetzung über den sog. ἀργὸς λόγος, in welcher gezeigt wird, dass die Lehre Chrysipps trotz seines Widerspruchs eben diesen ἀργὸς λόγος zur Folge habe (c. 12, 28 bis 16, 38). Im letzten Teile (c. 17, 39 ff.) wird der Widerspruch zwischen der Ethik und dem Fatum entwickelti. Wir werden uns mit diesem Punkte nachher eingehender zu beschäftigen haben. Die Thatsache, dass Posidonius vielfach von Chrysipp ab- wich und seine Ansichten eingehend bekämpfte, sowie dass seine Definition der auf das.Verhängnis gestützten Mantik von der des Chrysipp etwas verschieden lautet!), lässt es zunächst als wahr- scheinlich erscheinen, dass Cicero ihn bei der Abfassung der Schrift benutzte, um aus ihm Beweise gegen Chrysipp zu ent- lehnen; in der That ist dies jedoch weder wirklich noch möglich. Zunächst ist nämlich das Wesen des Verhängnisses bei beiden vollkommen gleich. Den Beweis hierfür liefert uns die Ver- gleichung des Schicksals nach der Auffassung des Posidonius mit dem, welches hier bekämpft wird. Cicero schreibt de div. II 95, 125: quocirca primum videtur, ut Posidonius facit, a deo.. deinde a fato, deinde a natura vis omnis divinandi ratioque re- petenda. fieri igitur omnia fato ratio cogit fateri; fatum autem id appello, quod Graeei εἱμαρμένην, id est ordinem seriemque causarum, cum causae causa nexa rem ex se gignat: ea est ex omni aeternitate fluens veritas sempiterna. quod cum ita sit, nihil est factum, quod non futurum fuerit, eodemque modo nihil est futurum, cuius non causas id ipsum efficientis natura con- tineat. ex quo intellegitur, ut fatum sit non id, quod superstitiose, ') Hierüber wird später gesprochen werden. a -- N = sed id, quod physice dieitur causa aeterna rerum. Gerade dieser Auffassung gilt die Fehde in de fato c. 9, 19: non enim aeternis causis, naturae e necessitate manantibus verum est id, quod ita nuntiatur, ‘descendit in Academiam Carneades’ .. 8 20: qui introducunt causarum seriem sempiternam, ii mentem hominis voluntate libera spoliatam necessitate fati devineiunt, In diesem Abschnitte. kann also Cicero den Posidonius nicht benutzt haben. Was nun vom ersten Teile gilt, das gilt in erhöhtem Masse vom zweiten. Denn wenn schon dort das Wesen des Verhängnisses, wie es Posidonius in Übereinstimmung mit Chrysipp bestimmte, bestritten wird, so ist dies im zweiten Teile ebenso und noch viel mehr der Fall, wie wir späterhin sehen werden. Eine Be- streitung des Chrysipp an der Hand des Posidonius ist also auch hier vollständig ausgeschiossen. Auch für den dritten Teil lässt sich das. Gleiche erkennen. Wir werden nämlich sehen, dass auch hier die beiden Arten des Fatums einander gegenüber ge- stellt sind und die stoische Anschauung ebenso zurückgewiesen wird wie in den beiden vorigen Abschnitten. Überhaupt ist es ja auch nicht möglich, dass Posidonius die Auffassung des Chry- sipp vom Fatum bestreiten konnte, da er mit ihm vollständig übereinstimmte. Dieses Resultat bestätigt auch das Zeugnis Ciceros. Er erklärt nämlich (c. 4, 7) ausdrücklich, ihn nicht weiter berück- sichtigen zu wollen, nachdem er sein Beweismaterial kurz abge- wiesen und dasselbe zum Teil erdichtet genannt hat. Da sich innerhalb der Darstellung die Polemik hauptsächlich zwar gegen die Stoiker, aber auch gegen die Epikureer (vgl. 88 18 ff., 22 ff.) richtet, und an stoischen Ursprung derselben nicht zu denken ist, so werden wir sie allein auf die skeptische Schule ‘des Carneades zurückführen müssen. Dieser Schluss folgt auch aus einem anderen Grunde: De fato schliesst sich derart an de deor. nat. und de div. an, dass es den Abschluss dieser bei- den Werke bildet (div. II 1, 3). In den beiden letzteren stellt sich nun Cicero bei der Beurteilung der stoischen und Epikurei- schen Lehre auf den Standpunkt der neueren Akademie: Es ist daher selbstverständlich, dass er sich in de fato nicht einer an- deren Richtung angeschlossen haben kann. Cicero widerlegt nun die Lehre des Posidonius im 3. Kapitel in aller Kürze mit den- selben Gründen, die wir nachher ausführlich dargelegt finden. Er kennzeichnet ferner diese Widerlegung als eine Einlage — 168 “-- seine Polemik gegen Chrysipp!) und kämpft sonst durchweg gegen diesen. Daraus folgt, dass sich seine Quelle gegen Chrysipp und noch nicht gegen Posidonius wandte. Ihr Ver- fasser war also älter als Posidonius und demnach offenbar ein Schüler des Carneades. Dieses Ergebnis wird durch den Inhalt. vollauf bestätigt. Zunächst ist es der zweite Teil, welcher ganz und gar dem Carnea- des die Widerlegung des Chrysipp und die Berichtigung der Lehre Epikurs verdankt. Er zerfällt in zwei Abschnitte, wie wir vorhin bereits gesehen haben. Der erste geht von dem Streite aus zwischen Chrysipp und Epikur über die Frage, ob jeder Ausspruch (ἀξίωμα) entweder wahr oder falsch sei. ‚Chrysipp verwandte alle Mühe darauf, diesen Satz zu beweisen, weil er seiner bedurfte, um die Notwendigkeit des Irrtums darzuthun. Epikur wiederum that das Gegenteil, um der sonst, wie er glaubte, notwendigen Annahme des Fatums auszuweichen. Chry- sipp schloss: Was keine-Ursache hat, ist weder wahr noch falsch. Wenn es nun eine Bewegung ohne Ursache giebt, so ist nicht jeder Ausspruch entweder wahr oder falsch. Jeder Ausspruch ist aber entweder wahr oder falsch: Also kann es keine Be- wegung ohne Ursache geben. Geschieht aber alles nach vorher- gehenden Ursachen, so geschieht auch alles, was geschieht, nach dem Fatum. Um sich dagegen die Unabhängigkeit vom Fatum zu wahren, nahm Epikur eine, wenn auch nur sehr geringe, ür- sachelose Bewegung der Atome an und bestritt deswegen den Satz, dass jeder Ausspruch entweder wahr oder falsch sei. Epikur ist hier offenbar im Nachteile und mit sich selbst im Wider- spruche, wie ihm nachgewiesen wird (88 20—23). Gegen den übermächtigen stoischen Gegner erhalten jedoch seine Anhänger Unterstützung von Carneades: Sie könnten sehr wohl zugeben, dass keine Bewegung ursachelos geschehe, und dass jeder Aus- spruch entweder wahr oder falsch sei: denn daraus folge noch nicht die Notwendigkeit, das stoische Fatum anzuerkennen. Sie müssten nämlich nur die Willensfreiheit des Geistes betonen: Der Geist bewege sich zwar auch nicht ursachelos, aber nicht nach voraufgehenden äusseren Ursachen, sondern gemäss seiner eigenen Natur; ebenso wie auch die Atome den Grund ihrer Be- ) Vgl. e. 4, 7: ad Chrysippi laqueos revertamur etsq. [ et — 19 — wegung nicht in äusseren Ursachen, sondern in sich selbst hätten (88 23—26). Sei dem aber so, so folge keineswegs aus dem Zu- geständnisse, jeder Ausspruch sei entweder wahr oder falsch, die Notwendigkeit, das stoische Fatum anzuerkennen (88 26—27), und ebenso wenig, dass die Gründe alles Geschehens von Ewig- keit her unabänderlich bestimmt seien. Vielmehr seien die Ursachen, die bewirkten, dass etwas in Zukunft wahr werde, was jetzt nur möglich seit), an sich zufällig: das Zukünftige selbst aber, wenn es wahr sei, so gewiss als das Vergangene wahr sei ($ 28). Da Carneades den Epikureern den Ausweg gerade gegen diese beiden von ihnen gefürchteten Folgerungen zeigen will, wie wir vorhin gesehen haben, so ist der Schluss notwendig, dass diese hier auf Grund der von ihm gegebenen Aufklärung (ce. 11, 23—25) vor- getragene Zurückweisung dieser beiden Folgerungen ihm ebenso gehört, wie die vorhergehende Aufklärung, deren Konsequenz sie ist. Dieser Abschnitt ($$ 23—28) bildet somit eine einheitliche Erörterung. Hierauf folgt die Auseinandersetzung über den ἀργὸς λόγος (SS 23—37 m.). Zunächst giebt Cicero die Bedeutung, dann die Bestreitung desselben durch Chrysipp. Die Vertreter des ἀργὸς λόγος schliessen: Wenn es dir vom Verhängnis bestimmt ist, an dieser Krankheit zu sterben, so wirst du sterben, ob du einen Arzt zu Rate ziehst oder nicht. Chrysipp dagegen weist diesen Schluss zurück: Ebenso wie es vom Fatum bestimmt sei, an dieser Krankheit zu sterben, sei es auch bestimmt, den Arzt zu Rate zu ziehen (c. 12, 23—13, 30). Dies ist natürlich nicht eine Widerlegung, sondern nur eine Verbesserung, die noch vielmehr wie der ἀργὸς λόγος die Notwendigkeit alles Geschehens voraus- setzt. Denn dieser lässt ja dem Menschen die Freiheit, einen Arzt zu Rate ziehen zu können oder nicht, während Chrysipp diese Freiheit nicht einräumt. Hier gegen wendet sich (arneades (e. 14,31): Wenn alles nach voraufgehenden äusseren ) Ursachen !) Dass es sich hier nur um solche Dinge handelt, die im Bereiche des Menschen liegen, nicht um fest bestimmte Naturereignisse, lehrt der Zu- sammenhang und direkt auch der Satz $ 28: fortuitae sunt causae, quae effi- ciant, ut vere dieantur, quae ita dicentur, ‘veniet in senatum Cato', non inelusae in rerum natura atque mundo. - 2) Vgl. $ 23 Schl., wo der Deutlichkeit wegen die causae antecedentes als causae externae et antecedentes erklärt werden; ebenso $ 24. ἘΠ τς geschieht, so geschieht alles in natürlicher Verkettung; wenn dem so ist, so bewirkt die Notwendigkeit alles; wenn aber alles durch das Fatum geschieht, so liegt nichts in unserer Gewalt; nun liegt aber manches in unserer Gewalt: Also geschieht nicht alles nach dem Fatum. Die erste Prämisse dieses Schlusses enthält den Syllogismus, durch den die Stoiker die Notwendigkeit des Fatums erwiesen. Da derselbe von Garneades durch den Hinweis auf die Thatsache, dass manches in unserer Gewalt liegt, widerlegt wird, so sucht ein fingierter Gegner diese Widerlegung des Carneades dadurch, dass er für alles Zukünftige die Giltigkeit des absoluten Fatums in Anspruch nimmt (c. 14, 32), zu nichte zu machen. Dieser Einwand wird zurückgewiesen durch eine Er- örterung, die zunächst geltend macht, es sei ein wesentlicher Unterschied, ob alles von Ewigkeit her notwendig wahr sei, oder ob das Zukünftige ohne diese Notwendigkeit von Ewigkeit her!) als wahr gelten könne. Die letztere Ansicht wird als wahr an- erkannt und nach Carneades erwiesen (c. 14, 32— 15,33). Hieraus folgt unmittelbar der Schluss, dass die Ansicht der-Stoiker, nach der alles von Ewigkeit her notwendig wahr ist, von der Ansicht derer, welche nur anerkennen, dass alles von Ewigkeit her wahr ist, ohne die notwendige Verknüpfung alles Geschehens damit zu verbinden 5), wesentlich verschieden ist und darum die Ansicht }). 6. 14,32; siehe die folg. Anm. °) ο, 15,33: quoeirca si Stoieis, qui omnia fato fieri dieunt, consentaneum est huius modi oracla ceteraque, quae a divinatione ducuntur, comprobare, iis autem, qui, quae futura sunt, ea vera ex aeternitate dieunt, non idem dieendum est, vide ne non eadem sit illorum causa et Stoicorum. Cicero ist hier in der Ausdrucksweise nicht immer gleich sorgfältig und macht da- durch die schon an sich schwierige Stelle noch dunkler und fast unverständ- lich. Hier ergiebt der. Gegensatz zu den Stoikern von selbst, dass diese ‘vera ex aeternitate’ nicht auch “eausis aeternis’ verknüpft sind. :e. 15,32 be- zeichnet er denselben Standpunkt wieder im Gegensatze zu den Stoikern, welche lehren causas naturales ex aeternitate futura vera efficere, mit dem Ausdrucke sine aeternitate naturali futura, quae sint, ea vera esse posse. Diese Stelle widersprieht nicht der vorigen, denn hier wird nicht geleugnet, quae futura sunt, ea vera ex aeternitate esse, sondern nur dass sie sine aeternitate naturali dieses sind, d.h. ohne von Ewigkeit her wirkende Ur- sachen, wie dies ganz deutlich der Zusammenhang zeigt. Vollkommen klar bezeichnet er ihn dagegen ὁ. 16,38 ex: ratio ipsa coget et ex aeternitate quae- dam esse vera, et ea non esse nexa causis aeternis et a fati necessitate esse libera. -- 11 — (der Stoiker durch die obige Beweisführung des Carneades (ce. 14, 31) widerlegt, die Ansicht der anderen dagegen überhaupt nicht be- rührt wird (c. 15,35). Dieser Schluss beendet also den Beweis gegen den Einwand, welcher gegen den Beweis des Carneades erhoben war. Auch diese ganze Stelle giebt somit nur einen einzigen, innerlich fest gefügten und unzerreissbaren Beweis des Carneades. Der Einwand wird nun noch weiter durch die in dem vorstehenden Beweise mitbegründete Bemerkung zurückgewiesen, dass mit der notwendigen Verknüpfung alles Geschehens auch die ewige Verknüpfung desselben gesetzt sei, welche der Einwand besonders hervorgehoben hatte, und zugleich wird gezeigt, worauf der Fehler in der stoischen Lehre beruht: Ursache ist nicht das, was überhaupt etwas anderem voraufgeht, sondern das, was so voraufgeht, dass die Wirkung zugleich damit eingeschlossen ist. Diese Unterscheidung reicht bis zum Schlusse ο. 16,537m. Dafür, dass auch sie dem Carneades angehört, zeugt ausser allem Übrigen der Umstand, dass sie in dem ganzen vorhergehenden Beweise schon mitgesetzt ist, wie die Betonung der bewirkenden Ursache (causa efficiens) gegenüber den vorhergehenden Umständen klar beweist!). In welchem Zusammenhange steht nun dieser Abschnitt mit dem vorhergehenden? Carneades beweist gegen die Folgerung des ἀργὸς λόγος und die entsprechende Lehre Chrysipps, dass nicht alles vom Fatum abhängt (ce. 14, 31); darauf zeigt er, dass zwar die Lehre der Stoiker von diesem Beweise getroffen und widerlegt wird, weil sie lehren, dass alles vom Fatum abhängt, nicht aber die ihrer Gegner, welche nur behaupten, dass alles Zukünftige von Ewigkeit her wahr, aber nicht durch notwendige Gründe in sich verknüpft und bestimmt sei: Also ist die Folge- rung des ἀργὸς λόγος zwar auch eine Folgerung der stoischen Lehre und diese somit widerlegt, nicht aber die ihrer Gegner. Diese gegnerische Lehre ist nun gerade die Epikureische, wie 516 von Carneades in dem vorigen Abschnitte modifiziert und gegen die stoische als richtig erwiesen ist. Dieser Abschnitt hängt also mit dem ersten aufs engste zusammen und erweist von neuem die Richtigkeit der Epikureisch-Carneadeischen Auffassung und 1) e. 14, 88: causis effieientibus quamque rem cognitis posse denique scır, quid futurum esset. -- 112 — die Verkehrtheit der stoischen aus der Konsequenz beider. Der ganze Teil gehört demnach dem Carneades, bezw. Clitomachus. Wir kommen jetzt zum ersten Teile. Er zerfällt in vier Abschnitte: der-erste umfasst das, was verloren gegangen und im wesentlichen bei Augustin erhalten ist, nebst dem dritten Kapitel; der zweite die 88 7—11, der dritte die 88 11—17, der vierte die 85. 17—20. Die ersten drei bestreiten das Fatum durch die Widerle- gung der Mantik und zwar hauptsächlich der Astrologie. Von diesen berührt sich der dritte mit den Beweisgründen Augustins gegen die Astrologie nicht!); der zweite dagegen behandelt den wichtigsten seiner Gründe, die Lehre von der Sympathie. Da nun aber seine übrigen Gründe auf dieselbe Quelle zurückgehen, wie wir im vorigen Paragraphen gezeigt haben, so ist es klar, dass die Quelle für die Bestreitung der Sympathie auch die Quelle für jene ist. Doch sind wir in der Lage, auch für einen jener Punkte die (Juelle bestimmen zu können. Wir beginnen sachgemäss mit dem zweiten Abschnitte. Die absolute Sympathie des Alls setzt voraus, wie dies schon vorher klar zu Tage getreten ist, dass alles, was geschieht, notwendig geschieht, so dass der Mensch nichts selbständig schaffen kann. Die übereinstimmende Polemik bei Sextus, Favorin und Augustin setzt hiergegen die Freiheit des menschlichen Willens im Gebiete des menschlichen Handelns und beschränkt demgemäss die Sym- pathie auf das, was vom menschlichen Geiste unabhängig ist. Denselben Standpunkt finden wir in unserem zweiten Abschnitte (8 δ). Die Verteidigung der Willensfreiheit gegen Chrysipps Annahme der absoluten Sympathie beruht dabei auf derselben Unterscheidung der Ursachen, mit welcher Carneades, wie wir vorhin gezeigt haben, die Willensfreiheit gegen Chrysipp vertei- digte®). Da nun Carneades thatsächlich auch die Sympathie in gleicher Weise beschränkt, wie es hier geschieht), und die Astro- logie bezw. die Mantik mit demselben Grunde bestritten hat wie Sextus®), und dabei schliesslich mit voller Bestimmtheit erklärt, dass seine Polemik nicht der Astronomie, sondern der eigentlichen ') Augustin weist diese Gründe schlechthin ’von sich ab, vgl. 6.9. p.203,20 ff. ie. δ᾿ θυ 51}. Ὁ 14,29: 3) Cic. de div. II 14, 33 ff. *) Vgl. Sext. $$ 46—48 mit Cie. de div. II 7, 18 Β΄. u. bes. 8, 20 ff. in Ver- bindung mit de fato ο. 14, 31. -- 13 -- Astrologie gelte'), ganz so wie Sextus, Favorin und Augustin es thun, so ist der Schluss sicher, dass diese gesamte Widerlegung und speziell die in unserem Abschnitte auf Carneades zurückgeht. Wir kommen zum dritten Abschnitte, Dieser deckt den Widerspruch auf, in den Chrysipp durch die Aufrechterhaltung der Astrologie mit seiner eigenen Anschauung gerät. Diodorus Cronus hatte nämlich mit seinem berühmten Κυριεύων den Nach- weis zu führen gesucht, dass nur das Wirkliche notwendig und möglich sei, also auch alles, was nicht wirklich sei oder sein werde, thatsächlich auch nicht möglich sein könne. Gegen diesen Begriff der Möglichkeit war Chrysipp aufgetreten, um die gewöhnliche Auffassung desselben zu verteidigen. Hier wird ihm nun der Widerspruch nachgewiesen, dass er trotzdem durch die Theorie der Mantik und speziell der Astrologie zu derselben Auffassung des Möglichen hindränge wie Diodor. Der Beweis ist folgender: Ein Satz der Astrologie lautet z. B.: Wenn jemand beim Aufgange des Hundssternes geboren ist, wird er nicht im Meere untergehen. Es ist daher unmöglich, dass jemand im Meere untergeht, welcher beim Aufgange des Hundssternes geboren ist. Denn da alles Thatsächliche als solches auch nach Chrysipps Meinung notwendig ist, weil es nicht mehr anders werden kann, und ‘daher auch die Geburt des gedachten Mannes zu dem Notwendigen gehört, so muss auch die Folge davon notwendig sein. Demnach deckt sich das Unmögliche mit dem, was unwirklich ist, als auch das Mögliche mit dem, was wirklich sein wird ($$ 11—15). Das ist aber die Lehre Diodors, die Chrysipp verwirft. Da nun Chrysipp ein- gesehen hatte, dass die Sätze der Astrologie seiner Lehre zu- widerliefen, hatte er eine Formulierung derselben vorgeschlagen, welche diesem Übelstande abhelfen sollte. Diese wird hierauf widerlegt (88 15—17). Die Konsequenz dieses Abschnittes ist der folgende ($S 17—20). Aus dem soeben entwickelten Widerspruche Chrysipps wird da- selbst zunächst der Schluss gezogen, dass auch seine Auffassung des Fatums unhaltbar sei, weil er folgerecht auch nur dasjenige annehmen dürfe, auf welches der Kyrieuon hinleite. Dieses wird daher ausführlich entwickelt und in seiner Berechtigung gegen- über Chrysipps Anschauung erwiesen. Wie alles, was wirklich 2) Cie. de div. ΠῚ 6, 17. -- Ἠ: 14 -- ist, allein notwendig und möglich war, weil, wenn noch etwas anderes möglich gewesen wäre, eben dieses aus einem Möglichen zum Unmöglichen geworden wäre, ebenso ist auch das, was wirklich sein wird, als solches zwar allein möglich und notwen- dig, aber darum keineswegs auch von Ewigkeit her absolut un- wandelbar vorausbestimmt. Denn in diesem Falle müssten die Ursachen für alles Geschehen von Ewigkeit her walten und wirken. Das ist aber nicht der Fall; denn die Ursachen, welche das, was wirklich sein wird, herbeiführen, sind wesentlich doppelter Art: solche, welche in der Natur der Dinge liegen und darum ein notwendiges Geschehen bewirken, und solche, welche ihrer Natur nach zufällig sind und dasjenige herbeiführen, was nicht durch jene äussere Notwendigkeit bedingt ist. Natürlich ist auch dieses so notwendig, wie dasjenige, was durch die äussere Natur- notwendigkeit herbeigeführt wird, weil und wiefern es wirklich sein wird!); aber es hat den Grund seiner Verwirklichung nicht in äusseren, von Ewigkeit her bestimmten Gründen, sondern in der freien Natur des Geistes?) (c. 9, 17 —10, 20). Die beiden letzten Abschnitte gehören offenbar mit der vor- hergehenden Bestreitung der Astrologie und des Fatums zu- sammen. Da wir nun dort den Carneades als Quelle erkannt haben, 1) 8 19: non enim aeternis causis, naturae e necessitate manantibus ve- rum est id, quod ita enuntiatur, ‘descendit in Academiam Carneades’, nec tamen sine causis, sed interest inter causas fortuito antegressas et inter cau- sas cohibentes in se effieientiam naturalem. ita et semper verum fuit, ‘morietur Epieurus, cum duo et septuaginta annos vixerit archonte Pytharato,’ neque tamen erant causae fatales, cur ita aceideret; sed quod ita ceeidisset, certe casurum, siecut cecidit, fuit. Bei solchen Dingen können wir also auch erst aus dem Erfolge erkennen, was möglich und notwendig war. ?) Dies wird nicht direkt gesagt, aber es folgt notwendig aus den Wor- ten Ciceros. Er fährt ἃ. ἃ. Ὁ. fort: nee ii, qui dieunt immutabilia esse quae futura sint nee posse verum futurum convertere in falsum, fati necessitatem confirmant, sed verborum vim interpretantur; at qui introducunt causarum seriem sempiternam, ii mentem hominis voluntate libera spoliatam necessitate fati devineiunt. Die stoische Lehre also vernichtet die Freiheit des Willens, nicht diese Auffassung, welche hier im Anschluss an den Kyrieuon ent- wickelt ist. Da die Ereignisse, welche in den äusseren Umständen ihre Ur- sachen haben, nieht von dem Willen des Menschen abhängen können, so kann die Freiheit des Willens nur für solche in Betracht kommen, welche das Beispiel andeutet: descendit in Academiam Carneades, d. h. dasjenige, was in der Willenssphäre des Menschen liegt. ᾿ % v nachfolgende durch diesen. Denn offenbar h so dürfen wir das Gleiche auch hier annehmen, zumal auch hier die Lehre Chrysipps in Wirklichkeit mit denselben Gründen widerlegt wird wie in den früher behandelten Abschnitten. Doch sehen wir hiervon ab, so zeigt der Schluss des letzten Abschnittes ($$ 13m — 20) unzweifelhaft, dass wir den Carneades vor uns haben. Cicero gerät hier nämlich in eine Verteidigung Epikurs, die augenscheinlich dieselbe ist wie die, welche er im zweiten Teile ausführlich giebt. Sie berührt dieselbe Streitfrage und löst sie auf dieselbe Weise und schliesst sie mit demselben Ergebnis'!). Sie ist kurz und klar gehalten und als eine unmittelbare Folge- rung der an dem Kyrieuon entwickelten Berichtigung des stoi- schen Fatums in diese Berichtigung hineingesetzt. Der zweite Teil ist aber, wie wir vorhin dargethan haben, das Eigentum des Carneades; folglich muss auch diese Verteidigung ($$ 18—20) auf ihn zurückgehen. Dieses bestätigt sie auch selbst: Als Beispiel für etwas, was nicht in der Natur der Dinge begründet ist, finden wir nämlich in ihr den Satz: descendit in Academiam Carneades, einen deutlichen Hinweis, wo wir die Quelle zu suchen haben. Da nun diese Verteidigung aus der Erörterung folgt, die sich an den Kyrieuon anschliesst, und von derselben nicht ge- trennt werden kann, so ist auch diese ganze Abhandlung und somit der ganze erste Teil das Eigentum des Carneades’°). Obwohl nun Cieero am Schlusse dieses Teiles in dieselbe Erörterung gerät und sie kurz skizziert, die er in dem folgenden zweiten Teile ausführlich entwickelt, schliesst er ihn doch mit den Worten ($ 20): sed haec hactenus, alia videamus. Da es unstatthaft ist anzunehmen, dass Cieero überhaupt nicht ver- standen habe, was und wie er schrieb, so beweist dieser Über- gang, dass Cicero hier mit Absicht den ersten Teil nicht zu Ende geführt, sondern abgebrochen hat. Es war dies auch ganz natürlich und notwendig; denn er hätte unmöglich den zweiten 1) Vgl. $ 13m: nee cum haee ita sint etsq. mit $ 20 ff.; die Überein- stimmung ist augenscheinlich. e 3) Dieser Abschnitt ist nieht etwa durch die nachfolgende Erörterung beeinflusst, wie man vielleicht meinen könnte, sondern eher umgekehrt die at Cicero dieses Beispiel nach- 1 sicher an Stelle des gebildet, wenn er in dem gleichen Zusammenhange une Diele veniet in Tus- griechischen Beispiels schreibt ($ 28): veniet in senatum Cato, eulanum Hortensius, und $ 34: quod in campum descenderim. Teil schreiben können, wenn er am Ende des ersten Teiles so fortgefahren wäre, wie er angefangen hatte. Dieser Übergang beweist somit, was der Inhalt schon an sich zeigt, dass Cicero hier zwei Abschnitte verbunden hat, die in Wirklichkeit nicht neben einander stehen, sondern sich fortsetzen. Bedenken wir nun, dass der erste Teil vorwiegend die Astrologie widerlegt dadurch, dass er ihr Fundament, das Fatum, vernichtet, und dass diese Widerlegung auf Carneades zurückgeht, so wird der Grund für diese wie für andere Unebenheiten mit einem Schlage klar, wenn wir Ciceros Schrift de div. berücksichtigen. Cicero war schon, als er das zweite Buch derselben begann, entschlossen die Abhandlung de fato als Abschluss nachfolgen zu lassen. Nun benutzt er zur Widerlegung der stoischen Ansicht im ganzen zweiten Buche de div. die Argumente des Carneades, bei der Widerlegung der Astrologie jedoch verlässt er dieselben und wendet sich ohne weiteres zu der des Panätius: Offenbar also hat er hier CGarneades’ Widerlegung der Astrologie heraus- genommen, um sie in de fato zu verwenden, und deswegen die Widerlegung des Panätius an die Stelle derselben gesetzt. Da- durch nun, dass er in de fato zwei verschiedene, wenn auch innerlich zusammengehörende Stellen seiner Quelle zusammen- schob, musste die Unklarheit entstehen, die wir oben besprochen haben. Hierdurch findet noch eine weitere Thatsache ihre Er- klärung. Cicero fügt zu denjenigen Gründen gegen die Astro- logie, die er aus Panätius herübernimmt, noch einige hinzu und bezeichnet dieselben als sein Eigentum ($ 97). Von diesen ist der zweite, der darauf hinweist, dass. keiner dem Homer gleich gewesen sei, während doch viele zu derselben Zeit geboren seien, schon vorher (8 95) dagewesen, nur dass wir dort als Beispiel statt Homer Scipio Africanus lesen. Sehen wir hiervon also ab, so sind doch sicher der erste und dritte Grund nicht neu und nicht von ihm aufgestellt. Denn wenn er fragt, ob etwa auch alle diejenigen, welche bei Cannae gefallen seien, unter derselben Konstellation geboren seien, so hat er nur den Namen der Sache geändert, da wir bei Sextus ($ 92) dieselbe Frage in- betreff der bei Marathon Gefallenen wiederfinden. Noch klarer ist die Übereinstimmung bei dem dritten Grunde, der die Kon- sequenz der Astrologie verspottet, dass auch das Geschick der Tiere durch die Sterne bestimmt werden müsste, wenn diese Γ de -. überhaupt einen derartigen Einfluss hätten. Da nun diese Gründe weder sein Eigentum sind, wie wir früher gesehen haben, noch auch nach seiner Angabe aus Panätius stammen, so muss er sie aus dem Abschnitte der akademischen Quelle entlehnt haben, den er hier für de fato zurückstellte. Wir kommen zu dem letzten Abschnitte. Zwei Richtungen gab es unter den Philosophen, so führt Cicero aus; die* einen lebrten, dass alles notwendig bestimmt sei und geschehe; die anderen, dass der menschliche Wille von diesem Zwange der Notwendigkeit frei sei. Aus der Ansicht der ersteren folge, dass weder die Handlung noch die Zustimmung zu dem Geschehen in des Menschen Macht liege, und dass daher Lob und Tadel, Ehre und Strafe ungerecht seien. Die anderen dagegen hätten sich, gerade durch diese Folgerung veranlasst, dafür entschieden, dass nicht alles durch das Fatum unabänderlich bestimmt sei. Zwischen beiden habe Chrysipp zu vermitteln und die Willensfreiheit mit der Notwendigkeit alles Geschehens zu vereinigen gesucht. Er habe deswegen die Gründe zum Handeln in zwei Arten geteilt, in anregende und bewirkende, und nur die ersteren dem Fatum, die letzteren unserem Willen zugewiesen. Die Zustimmung und die Triebe seien danach nicht vom Fatum abhängig, sondern frei. Denn wie jemand, der eine Welle anstosse, ihr zwar den Anfang der Bewegung, nicht aber die Beweglichkeit verleihe, ebenso be- wirke auch die Wahrnehmung zwar eine Vorstellung, nicht aber die Zustimmung zu ihr ($$ 39—44). Diese Lehre wird hier der Beurteilung unterworfen: Zwei Möglichkeiten giebt es, wie die Anhänger der Willens- freiheit sich zu der Auffassung der Freiheit verhalten können. Ent- weder nehmen sie an, dass die Zustimmung mit der Wahrnehmung gar nicht zusammenhängt und ganz unabhängig von dieser ent- steht!); oder dass sie mit ihr so zusammenhängt, dass sie nur ent- stehen kann, wenn jene vorausgegangen ist”). Die erste Möglichkeit i) ς. 19, 44: haee cum ita sint a Chrysippo explieata, si illi qui negant ad- sensiones fato fieri, non fateantur [tamen] eas non sine viso antecedente fieri, _ alia ratio est, ἃ. h. positiv ausgedrückt: ob jene, welche die adsensiones für unabhängig vom Fatum erklären, sie auch für unabhängig von der Vor- stellung erklären, ist eine andere Frage. _ 3) ἃ. ἃ. Ο: sed si concedunt anteire yisa nec tamen fato fieri adsensiones, quod proxima illa et continens causa non moveat adsensionem, vide ne idem j dieant. b. τ Schmekel, mittlere Stoa. 12 wird einfach abgewiesen und unberücksichtigt gelassen; die letztere dagegen, die auch Chrysipps Anschauung ist, wird behandelt und dabei bewiesen, dass sie zu demselben Ergebnisse wie Chrysipps Auseinandersetzung führe. Die Beweisführung dieser Behauptung besteht aus zwei aller- dings nicht regelmässig gebauten Syllogismen: Aus den beiden Prämissen des Chrysipp, dass alles nach dem Fatum geschehe, dass aber dieses nur die anregende, nicht die bewirkende Ursache der Zustimmung sei, folgt, dass nicht alles, was geschieht, auch wenn es nach dem Fatum geschieht, durch zwingende äussere Gründe herbeigeführt wird. Die Gegner aber schliessen: Nur wenn das Fatum als die ursächlich begründete Aufeinanderfolge alles Geschehens aufgefasst wird und die Zustimmung der Wahr- nehmung folgt, muss zugestanden werden, dass alles nach dem Fatum geschieht, selbstverständlich, sobald sich ergeben hat, dass auch die Zustimmung durch das Verhängnis vermittelt wird. Diese beiden Schlüsse des Chrysipp und der Gegner entsprechen sich, so wie sie hier erscheinen, keineswegs. Da sie nun aber nach Ciceros ausdrücklicher Angabe!) dasselbe ergeben sollen, so kann der Grund dieser Undeutlichkeit nur darin liegen, dass das Schlussverfahren von Cicero nicht zu Ende geführt ist. Dieses ist thatsächlich der Fall. Denn der zweite Schluss ist nur ein bedingter, da die wichtige erste Prämisse nur als Bedingungssatz ausgesprochen ist: Nur wenn alles nach voraufgehenden äusseren Ursachen geschähe, müsste zugegeben werden, dass das Fatum wirklich sei. Die Gegner leugnen also, dass alles nach vorauf- gehenden äusseren Ursachen, d. h. nach dem Fatum geschieht, und dies ist es, worin sie mit Chrysipp, wie vorhin gesagt wurde, übereinstimmen; denn auch Chrysipp hat ja soeben bestritten, dass das Fatum alles notwendig herbeiführe. Obwohl nun die Fortsetzung dieses Abschnittes fehlt, so können wir doch über den Gang sowie über den Inhalt des Ganzen nicht im Zweifel sein. Denn im Anfange dieses Abschnittes $ 39 giebt Cicero das Ergebnis desselben mit den Worten an: Bei seiner Vermitteiung der Gegensätze schliesse sich Chrysipp zwar denen an, welche ') Vgl. ausser ἃ. vor. S. Anm, 2 noch a. a. OÖ: ex quo facile intelleetu est, quoniam utrique patefacta atque explieita sententia sua ad eundem exitum veniant, verbis eos, non re dissidere; aber sehr klar ist es trotz Ciceros An- gabe doch nicht. -- Τῷ — die Notwendigkeit des Fatums von dem menschlichen Willen ausschlössen; in seiner Beweisführung aber komme er wider seinen Willen zu dem Gegenteile, zu der Anerkennung der unbe- dingten Notwendigkeit desselben. Da nun soeben der Beweis geführt worden ist, dass Chrysipp nur den Worten nach von denen abweicht, welche die Freiheit des Willens behaupten, in Wahrheit aber mit ihnen übereinstimmt, so ist damit offenbar der erste Teil der vorhin angegebenen Behauptung bewiesen. Der folgende zweite Teil der Ausführung, welcher verloren gegangen ist, muss demnach den Nachweis gebracht haben, dass Chrysipp gleichwohl die unbedingte Notwendigkeit lehre. Den Übergang hierzu bilden bereits die Schlussworte der Schrift, in denen der Unterschied aufgedeckt wird, welcher zwischen ihm und seinen Gegnern trotz der angegebenen Übereinstimmung stattfindet. Beide stimmen nämlich in der Unterscheidung solcher Dinge überein, die nicht in unserer Gewalt sind, und solcher, die in unserer Gewalt sind. Bei der ersten Art der Dinge ist die Mög- lichkeit ausgeschlossen, dass die Wirkung, sobald die äussere Ursache dagewesen ist, anders sein kann, als sie geschieht; bei den letzten dagegen ist sie nicht ausgeschlossen, doch hier gehen beide auseinander: Die Gegner erkennen das Bestehen des Fatums nur für die erstere Art an, für die letzteren schliessen sie das- selbe vollständig aus, indem sie lehren, dass das, was in der Sphäre der menschlichen Thätigkeit liegt, sich faktisch auch anders gestalten könne, als es geschieht; Chrysipp dagegen hält es auch für diese Dinge aufrecht!). Hieraus geht hervor, dass bei Chrysipps Zugeständnis, dass der Erfolg der Dinge, welche in der menschlichen Machtsphäre liegen, auch anders sein könne, als er thatsächlich ist, nur die ideelle, nicht die faktische Möglichkeit gemeint ist, da faktisch das Fatum auch diese be- 2) $ 45: omninoque cum haee sit distinctio, ut quibusdam: in rebus vere diei possit, cum hae causae antegressae sint, non esse in nostra potestate, quin illa eveniant, quorum causae fuerint, quibusdam autem in rebus causis antegressis in nostra tamen esse potestate, ut illud aliter eveniat, hanc distinetionem utrique adprobant, sed alteri censent quibus in rebus, cum causae antecesserint, non sit in nostra potestate, ut aliter illae eveniant, eas fato fieri, quae autem in nostra potestate sint, ab iis fatum abesse ... . Aus dem Zusammenhange folgt unmittelbar, dass die Fortsetzung etwa gelautet haben "muss: alteri vero has quoque res fato fieri, was ja auch thatsächlich die Lehre Chrysipps ist. 12* - — 180 -- dingt. Ohne dass es also gesagt ist, drängt Chrysipps Auffassung, wie sie hier vorliegt, doch auf die Ewigkeit der Vorausbestimmung alles Geschehens hin, weil trotz jener Unterscheidung der Dinge und Ursachen doch alles ohne Ausnahme nach dem Fatum ge- schieht. Bei der Auffassung der Gegner aber ist eine solche Vorausbestimmung vollkommen ausgeschlossen, weil es ausdrück- lich heisst, dass das, was vom Menschen abhängt, auch anders geschehen könne, als es geschieht. Somit steht wiederum dem Fatum des Chrysipp eine andere Auffassung desselben gegenüber und nach dem oben $ 39 von Cicero im voraus angegebenen Resultate dieses ganzen Abschnittes ist es unzweifelhaft, dass die Auffassung des Chrysipp zurückgewiesen worden ist. Diese hier gegenüberstehende Auffassung ist aber dieselbe, welche ihr von Carneades auch in den vorigen Teilen entgegengesetzt wird. Denn gerade gegen die Ewigkeit des Verhängnisses ist dieser daselbst aufgetreten, wie wir gesehen haben, und ferner hat er sowohl sonst als besonders bei der Widerlegung des ἀργὸς λόγος die An- nahme, dass alles durch das Fatum geschehe, mit der Begründung zurückgewiesen, dass dasjenige, was in der menschlichen Macht liege, nicht durch das Fatum, sondern durch den menschlichen Willen bestimmt werde, der von den äusseren Ursachen und Ereignissen unabhängig sei!). Denn hieraus folgt sofort, dass alles, was auf dem menschlichen Willen beruht, nicht fest und unabänderlich bestimmt ist. Wir sehen, auch hier werden wieder die beiden Arten des Fatums auf die zweifache Auffassung des Begriffs der Möglichkeit zurückgeführt und die Auffassung des Chrysipp von hier aus bestritten und widerlegt?). Wir sind dem- nach zu dem Schlusse gezwungen, dass Ciceros Quelle auch hier dieselbe wie in den vorigen Abschnitten ist?). Aber noch von einer anderen Seite bestätigt sich dies. In diesem Abschnitte wird die Widerlegung des Fatums von der Ethik aus unternommen. Die einen der älteren Philosophen 1) Vgl. noch e. 18, 41 zweite Hälfte. ?) Nun wird es auch klar), was Cicero in der Einleitung sagt, dass es sich in dieser Schrift um die Frage handele, quam περὶ δυνατῶν philosophi appellant. °) Auf vollständigem Missverständnisse beruht der Schluss Gehrkes Chry- sippea p. 5 diss. Bonn. 1885, aus der $. 178 A3 angeführten Stelle gehe her- vor, dass Antiochus die Quelle sei. He -ς- lehrten die absolute Notwendigkeit alles Geschehens; die Un- möglichkeit, auf diese eine Ethik zu gründen, die vom Bewusst- sein gefordert wurde, veranlasste die anderen die absolute Not- wendigkeit einfach abzuweisen und die Freiheit des Willens zu behaupten. Da Chrysipp sich von dem physikalischen Stand- punkte aus zu der ersten Annahme gezwungen sah, und. doch die Folgerung unmöglich als richtig anzuerkennen vermochte, suchte er den eben angeführten Ausweg, um beiden zu genügen: Also um die Ethik zu begründen, nahm er jene Unterscheidung der anregenden und bewirkenden Ursachen vor. Nun ist ihm aber, wie Cicero hier sagt, der Nachweis geführt worden, dass er trotz dieser Unterscheidung in der Beweisführung zum Gegen- teile gelange, nämlich zu der Anerkennung, dass alles der un- bedingten Herrschaft des Fatums unterworfen sei: Also muss ihm nachgewiesen worden sein, dass diese Unterscheidung der anregenden und bewirkenden Ursachen mit seinem Fatum im Widerspruche stehe und demnach entweder die Ethik oder das Fatum unmöglich sei. Nun gründete Chrysipp die Ethik nicht so auf die Freiheit des Handelns als vielmehr auf die der Zu- stimmung, die er trotz der von ihm anerkannten Notwendigkeit alles Handelns aufrecht halten zu können glaubte (vgl. $ 40 ff.). Folglich muss ihm weiter gezeigt worden sein, dass die Freiheit der Zustimmung bei seiner Auffassung des Fatums sich nicht halten lasse. Da er nun die Freiheit der Zustimmung behauptete unter der gleichzeitigen Annahme, dass das Fatum in der Vor- stellung die anregende Ursache der Zustimmung erwecke ($ 42), so muss ihm schliesslich bewiesen sein, dass eben die Freiheit der Zustimmung sich mit dieser letzten Annahme nicht vereinigen lasse, dass also das Fatum dadurch, dass es die Vorstellung er- zeuge, auch die Zustimmung in ganz bestimmter Weise beein- flusse. Ist dem aber so, so war der Schluss unabweisbar, dass es entweder keine Ethik gebe, oder kein Fatum, oder dass das Fatum auch die Schlechtigkeit verursache. Wie dies im ein- zelnen ausgeführt worden ist, können wir natürlich nicht er- raten; dass es ihm aber nachgewiesen sein muss, ergiebt sich mit Notwendigkeit aus dem Zusammenhange der hier vorliegenden Angaben. Ein erbitterter Gegner Chrysipps und der stoischen Philo- sophie war Plutarch. Er unterliess es nicht, sie wiederholt heftig zu bekämpfen und in einer eigenen Schrift!) die inneren Wider- sprüche derselben aufzudecken. In den ersten acht Kapiteln derselben spricht er über die Stoiker überhaupt und rügt ihre einander widersprechende Handlungsweise. Dann wendet er sich gegen ihre Lehre und zwar fast ausschliesslich gegen die Chry- sipps. Zuerst weist er die Widersprüche in der Einteilung und der Lehrweise nach (ec. 9—10), dann die in der Ethik (ce. 11—30), in der Lehre von Gott (ce. 31—40) und zuletzt die in der Physik (c. 41—47). Bei diesen hängen aber die beiden letzten Kapitel nur äusserlich. mit den vorhergehenden zusammen. Im dritt- letzten Kapitel nämlich macht er darauf aufmerksam, dass das Vorhergehende, abgesehen von den rein physikalischen Wider- sprüchen, auch gegen die Theologie Chrysipps streite, da daraus folge, dass die Erhaltung der Welt das Werk des Zufalls, nicht der Vorsehung und des Verhängnisses sei. Dies giebt ihm die Veranlassung noch zwei Widersprüche, die sich auf das Ver- hängnis beziehen, zu erwähnen, .und zwar setzt er zuerst (c. 46) den Widerspruch zwischen Chrysipps Begriff vom Möglichen und vom Verhängnis auseinander, dann (c. 47) den zwischen der Ethik und dem Verhängnis. Es ist klar, dass beide Fragen mit den naturwissenschaftlichen, welche vorher behandelt werden, nichts zu thun haben. Dies fällt um so mehr auf, als Plutarch bereits in dem Teile, der die Widersprüche in der Lehre von Gott (besonders c. 34) behandelt, auch schon gezeigt hat, dass das Verhängnis jede Tugend aufhebe. Der Kernpunkt des Beweises ist an beiden Stellen derselbe, nur ist der Beweis selbst im letzten Kapitel viel eindringender. Mit Recht dürfen wir unter diesen Umständen schliessen, dass diese beiden Kapitel eine eigene Stellung einnehmen. Vergleichen wir nun dieselben mit Ciceros Abhandlung de fato, so sehen wir, dass Plutarch hier in kurzen und knappen Zügen, entsprechend dem ganzen Cha- rakter seiner Schrift, das giebt, was Cicero in aller Ausführlich- keit erörtert. Der wesentliche Inhalt der Ciceronischen Schrift, namentlich im ersten Teile, ist, wie wir gesehen haben, die Dar- legung des Widerspruchs zwischen Chrysipps Lehre vom Mög- lichen und vom Verhängnis. Diesen führt Plutarch c. 46 aus und stellt dabei die Lehre Diodors in gleicher Weise der des 1 « » - ‚ ) Περὶ τῶν Στωιχῶν ἐναντιωμάτων. — 13 — Chrysipp entgegen wie Cicero!), ohne dass dazu in dieser nur wenige Zeilen umfassenden Widerlegung eine irgendwie zwin- gende Veranlassung gewesen wäre. Kapitel 47 dagegen entwickelt er in drei Zügen die Widersprüche, zu welchen die Annahme der Freiheit der Zustimmung mit dem Verhängnisse und den Vor- stellungen führt: 1. Wenn Chrysipp die Zustimmung für un- abhängig von dem Fatum erkläre, um nicht durch das Fatum Schaden und Täuschungen entstehen zu lassen, so müsse er auch annehmen, dass alle menschliche Thätigkeit in gleicher Weise von demselben frei sei. Sei dies aber der Fall, so sei es um seine Behauptung geschehen, dass das Fatum die Ursache von allem sei. 2. Wenn er die Ursachen in anregende und bewirkende teile und nur die ersteren in das Fatum, die letzteren in den ‚menschlichen Geist verlege und die Zustimmung für die bewirkende Ursache halte, so widerstreite diese Einteilung seiner Anschauung vom Verhängnis; die bewirkende Ursache sei nämlich allemal stärker als die anregende: Demnach könne auch der menschliche Geist durch das Fatum keineswegs zum Handeln gedrängt werden. Gleichwohl lehre er, dass nichts ohne das Fatum geschehen könne. Man müsse daher annehmen, dass entweder die Zu- stimmung und somit alle Tugend und Schlechtigkeit nicht in unserer Gewalt sei, oder dass das Fatum nicht die ihm zu- gesprochene Macht besitze. 3. Weil nach seiner Lehre das Fatum ‚die zur Zustimmung leitende Vorstellung erwecke, und es that- sächlich über denselben Gegenstand verschiedene und oft ent- gegengesetzte Vorstellungen mit gleicher Glaubwürdigkeit gebe‘*), so sei von Dreiem nur Eines möglich: Entweder gehe nicht jede Vorstellung vom Verhängnisse aus, oder jede Zustimmung sei gleich gut, oder das Verhängnis selbst sei nicht ohne Schuld, dass wir verkehrt zustimmten, d. h. entweder ist die Anschauung vom Fatum falsch, oder es giebt keine Tugend und Schlechtigkeit, oder das Verhängnis ist schuld an der Schlechtigkeit. Wir haben hier somit dieselben Widersprüche in derselben Weise und derselben Reihenfolge wie bei Cicero entwickelt; wir 1) εἰ γὰρ οὔχ ἐστιν δυνατόν, ὅπερ ἢ ἔστιν ἀληϑὲς ἢ ἔσται κατὰ dıödwgor ἀλλὰ — wie Chrysipp will — πᾶν τὸ ἐπιδεχτιχὸν τοῦ γενέσθαι, zur μὴ μέλλῃ γενήσεσθαι, δυνατόν ἐστιν» χτλ. 3) Dies ist bekanntlich ein bei den Skeptikern sehr beliebtes Mittel zur Widerlegung der Dogmatiker. — 154 — haben ferner gesehen, dass diese beiden Kapitel eine eigene Stellung in dieser Schrift einnehmen. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass Plutarch hier nicht selbstgefundene Widersprüche vorträgt, sondern sie nach demselben Gewährsmanne berichtet, dem Cicero folgt. Ist dem aber so, dann geht daraus klar hervor, dass Cicero den letzten Teil seiner Schrift, diesen Widerspruch zwischen der Ethik und dem Fatum, derselben (Juelle entlehnt hat, wie die früheren Ausführungen. Die letz- teren gehen, wie wir gezeigt haben, auf Carneades zurück: Also muss das Gleiche auch bei dem letzten Teile der Fall sein. Noch eine weitere Stelle beweist die Richtigkeit dieses Schlusses. Es ist Thatsache, dass Carneades diesen Widerspruch zwischen dem Verhängnis und der Ethik mit allem Nachdrucke gegen die Stoiker geltend gemacht hat. Wenn die Vorsehung, die sich ja mit dem Verhängnisse deckt, den Menschen die Ver- nunft geschenkt habe, so führt er aus!), so sei sie auch schuld an der Schlechtigkeit. Denn da alle Schlechtigkeit auf der Ver- nunft beruhe, die Vorsehung aber den Menschen eine Vernunft gegeben habe, die auch schlecht sein und handeln könne, und nach, der eigenen Angabe der Stoiker alle Menschen thöricht und schlecht seien, sei die Vernunft nicht so das Zeichen besonderer Fürsorge der Vorsehung als vielmehr des Gegenteils. Denn bei der gepriesenen Allwissenheit müsste die Vorsehung auch gewusst haben, als sie die Vernunft den Menschen verlieh, dass die- selbe sie durchweg nicht zur Tugend zu führen imstande sei. In Wirklichkeit würde also nur dann von einer besonderen Fürsorge die Rede sein können, wenn die Vorsehung den Menschen eine Vernunft verliehen hätte, die nicht irren und schlecht sein könnte. Kleiden wir diesen Vorwurf in die Form einer Disjunktion, so ergiebt sich dieselbe, die wir vorhin gehört haben: Entweder giebt es keine Vorsehung, was er an dieser Stelle zu erweisen sucht, oder sie ist schuld an der Schlechtigkeit, oder es giebt keine Schlechtigkeit. Von allen Seiten bestätigt sich somit der Schluss, dass Carneades der Urheber der obigen Polemik gegen die Stoiker ist. ') Cie. deor. nat. III 31, 78. ψ', ὁ ἂς [ za a = 2 , 5 ι Il. Teil. System der Philosophie. A. Panätius, Einleitung. Die Geschlossenheit des stoischen Systems, auf die ihre An- hänger so viel Gewicht legten, offenbart sich in der Konsequenz, mit der sämtliche Lehren mehr oder weniger streng aus der physikalischen Grundanschauung abgeleitet sind. Es ist daher unmöglich Änderungen in den abgeleiteten Lehren vorzunehmen, ohne zugleich auch jene abzuändern; und ebenso ist es un- möglich, ohne jene zu kennen, diese richtig zu verstehen und zu würdigen. Zum vollen Verständnisse der Lehre des Pa- nätius ist daher die physikalische Grundanschauung unerläss- lich. Dieses beweist nicht nur der innere Zusammenhang des Systems selbst sondern auch die historische Überlieferung, da Panätius im Gegensatze zu den älteren Stoikern die Physik zum Ausgangspunkte der Darstellung machte). Doch erhebt sich sofort eine nicht unbedeutende Schwie- rigkeit: Seine Physik ist weder selbst erhalten, noch besitzen wir ausführliche Referate über sie. Eine klare Einsicht in die- selbe zu erhalten scheint daher unmöglich zu sein. Da er jedoch stets zu den Bekennern des stoischen Systems gerechnet wird, werden wir, zumal bei der eigentümlichen Überlieferung dieser Philosophie, vollkommen berechtigt sein, wenigstens das All- gemeinste derselben, auch ohne dass es besonders bezeugt wäre, für ihn in Anspruch zu nehmen. Verbinden wir hiermit die 1) Laert. Diog. VII 33, 41. Be zahlreichen Abweichungen und Änderungen, die von ihm „über- liefert werden, so gelangen wir ohne Schwierigkeit zu dem ge- wünschten Ziele'). Kap Physik. δ᾽ 1. Die letzten Gründe; die Welt. Die Annahme, dass nichts Unkörperliches wirklich sei, und die gleichzeitige Zurückweisung einer rein mechanischen Welt- erklärung schlossen die Einheit von Geist und Materie als Folge- rung in sich und begründeten einen Monismus, der sowohl dynamischer Materialismus als auch Pantheismus genannt werden kann. Diese Grundanschauung konnte naturgemäss kein Stoiker ändern, ohne sich vom Boden der Stoa zu entfernen; aber die Durchführung des Princips liess Verschiedenheiten der Auf- fassung zu. Diese haben wir daher näher zu verfolgen. Das eigentliche und ursprüngliche Sein ist also Geist und Materie zu gieicher Zeit, ein materieller Geist. Dieser verwandelt sich zum Teil, zum Teil bleibt er, wie er ist, und so bilden sich durch steigende Verdichtung die vier Elemente Aether, Luft, Wasser und Erde. Ihrem eigentlichen Wesen nach sind die- selben also nicht verschieden, sondern nur Modificationen der- selben einen göttlichen Urmaterie oder des Urpneumas. Diesem vollständig wesensgleich ist der Äther geblieben, die drei andern Elemente dagegen nehmen mit der Dichtigkeit der Massen in der Reinheit ihrer geistigen Natur ab. Aber eben diese göttliche Natur, deren Modifikationen sie sind, verbindet sie alle zu einem einheitlichen Ganzen, dem Kosmos. Da nun diese dem Kosmos innewohnende Gottheit als Gottheit auch die Urquelle alles Lebens ist, so ist er naturgemäss auch vernünftig und beseelt?). Die Folge dieser Vernünftigkeit der Welt ist ihre möglichste Voll- kommenheit und absoluteste Zweckmässigkeit. Diese offenbart ') Diese Aushülfe würden wir nicht nötig haben, wenn sich mit Gewiss- heit feststellen liesse, dass Cicero für den Abschnitt de deor. nat. II 29, 73 bis 61, 153 des Panätius Schrift egi προνοίας benutzt hätte; vgl. 5. 8 A.4 u. folg. S. A. 2. ?) Cie. de leg. I 7, 21 f. — 197 -- sich nicht nur in der ganzen Gestaltung des Weltgebäudes als solches, sondern auch in allem, was darinnen ist. Da also diese göttliche Natur ihm immanent ist und als solche auch wirkt, so ist sie ferner wie der Grund alles Da- seins so auch der Grund seines Bestehens: Die Welt wird von ihrer Vorsehung verwaltet!). Dieses Walten ist naturgemäss vernünftig; ‘es geschieht daher auch alles nach dem Gesetze der Vernunft, d. h. wie Ursache und Wirkung. Da nun alles aufs beste eingerichtet ist, so muss notwendig der Zustand der Welt der beste bleiben: Die Welt muss, so wie sie ist, ewig sein?). ποις a. 2..0. 5) Das allgemeine Gesetz der ursächlichen Verknüpfung ist Gemeingut der Stoiker; hierauf gründet sich ihre Lehre vom Verhängnis. Die obige Folgerung aber gehört nicht allen Stoikern, doch sicher dem Panätius an. Denn mag Cie. de nat. deor. II 29, 73—61,153 nicht aus Panätius, sondern aus Posidonius schöpfen, so treffen doch gewiss die Worte $ 85: guae (se. mundi partium coniunctio) aut sempiterna sit necesse est hoc eodem ornatu, quem videmus, nicht die Meinung des Posidonius, da dieser die Ewigkeit der Welt verwarf. Ausführlich lesen wir den obigen Schluss noch einmal eben- daselbst $ 115: nee vero haec solum admirabilia, sed nihil maius, quam quod ita stabilis est mundus atque ita cohaeret ad permanendum, ut nihil ne excogitari quidem possit aptius ... maxime autem corpora inter se iuncta permanent, cum quasi quodam vinculo eircumdato conligantur, quod faeit ea natura, quae per omnem mundum omnia mente et ratione conficiens fun- ditur. Diese Stelle enthält eine Begründung der Ewigkeit der Welt und widerspricht somit der Ansicht des Posidonius. Mag also der ganze Ab- schnitt aus ihm von Cicero herübergenommen sein, so ist doch sicher diese Begründung, eben weil sie seiner Lehre widerspricht, unmöglich sein Eigen- tum. Deshalb konnte er auch diese Begründung, wenn dieser Abschnitt aus ihm stammt und nicht etwa von Cicero compiliert ist, nur inkorrekt und gewaltsam mit seiner Ansicht verbinden, wie die im engsten Zusammenhange mit obiger Begründung stehenden Worte $ 115 beweisen: quibus (se. va- poribus) altae renovotaeque stellae atque omnis aether refundunt eadem et rursus trahunt indidem, nihil ut fere intereat aut admodum paulum, quod astrorum ignis et aetheris flamma consumit. Denn wer die Ekpyrosis aner- kennt, der muss auch ein Zurückbleiben solcher kleinen Teilchen Feuer im Aether annehmen; wer sie dagegen verwirft, muss auch ein solches Zurück- bleiben verwerfen. Wer demnach — wie hier geschieht — prineipiell die Ewigkeit der Welt begründet, der kann nicht gleichzeitig lehren: nihil ut fere intereat aut admodum paulum, sondern nur: nihil ut intereat. Wenn also Posidonius beides mit einander verbindet, so kann es nur inkorrekt geschehen. Da nun Posidonius sich in diesen Fragen sehr von Aristoteles beeinflussen liess, (ef. Diels, Rh. Mus. 34. Bd. S. 487 ff), könnte man ᾿. — 188 -- Deshalb muss auch die Wechselwirkung, welche zwischen dem Äther und den anderen Elementen stattfindet, durchaus gleich- mässig sein: Es kann nur ebenso viel Erde durch Verwandlung in Wasser und Luft zum Äther aufsteigen, wie umgekehrt Äther sich in Erde verdichtet, nicht mehr und nicht weniger; darum kann sich auch nicht die Welt periodisch in Feuer auf- lösen'). Findet nun eine solche Auflösung nicht statt, so ist auch die Annahme eines unendlichen leeren Raumes ausserhalb der Welt vollkommen unnöthig’?). das auf Aristotelischen Einfluss zurückführen wollen. Bedenken wir jedoch, dass die obige Begründung aus dem Princip der stoischen Lehre selbst er- schlossen ist, und gleichzeitig, dass sie seiner Ansicht über die Dauer der Welt widerstreitet, so würde es doch ein Widerspruch sein, sie dem Posi- donius zuzuschreiben; denn Posidonius hätte selbst aus der stoischen Lehre einen Schluss gezogen, der mit seiner eigenen Ansicht im Widerspruche stand. Diese Begründung kann also nur einem Stoiker angehören, der selbst die Ewigkeit der Welt lehrte; unter den obwaltenden Umständen also nur dem Panätius. Dafür spricht noch ein anderer Grund: Wie an der vorhin ange- führten Stelle $ 118, so werden auch an der ersten Stelle 8 85 beide Möglich- keiten, die Ewigkeit der Welt und ihr periodisches Entstehen und Vergehen neben einander gestellt, jedoch so, dass auch hier, wie an der andern, der letzteren der Vorzug gegeben wird. Wir lesen: quae (se. mundi partium eoniunctio) aut sempiterna sit hoe eodem ornatu, quem videmus, aut certe perdiuturna, permanens ad longinguum et immensum paene tempus: quorum utrumvis ut sit, sequitur natura mundum administrari. Da beide Male beide Möglichkeiten aus der stoischen Philosophie folgen, und Panätius (s. d. folg. Anm.) die erste, Posidonius die letzte vertrat, so ist klar, dass Posidonius bezw. Cicero nicht die Aristotelische Meinung, sondern die des Panätius berücksichtigt, was auch die direkte Nennung desselben und seines Stand- punktes ὃ 118 (de quo Panaetium addubitare dicebant, ut ad extremum omnis mundus ignesceret) vollauf bestätigt. ') Diog. VII 142; Ps. Philo de ineorrupt. mundi II p. 298, 11 Bern. und Epiph. adv. haeres. 1090 Ὁ. (Diels dox. gr. p. 593). Stob. 60]. I 171, 5 da- gegen sagt, dass er die Ewigkeit der Welt nur für wahrscheinlich gehalten habe. Hierzu stimmt wesentlich auch Cicero de deor. nat. II 46, 118. Da- nach scheint er seine Meinung nur als Vermutung ausgesprochen zu haben; jedoch Stob. 1.1. selbst zeigt, dass diese Vermutung ihm als Wahrheit er- schien. Mehr also die Form als der Inhalt wird zu dieser vorsichtigen Nachricht Anlass gegeben haben. Zugleich erfahren wir aus letzterer Stelle, dass auch Panätius, wie selbstverständlich, die ὠναϑυμέασις anerkannt hat. °) Mit der periodischen Auflösung der Welt in Feuer hängt bei den Stoikern die Annahme eines unendlichen leeren Raumes ausserhalb des Kosmos notwendig zusammen. Wurde also eine solche Auflösung geleugnet, > 7 -- 189 — Durch die Mischung der Elemente sind die lebenden Wesen entstanden, die je nach der Art der Mischung — oder stoischer gesagt: nach dem Spannungsgrade des immanenten Pneumas — in Pflanzen, Tiere und Menschen zerfallen. In jeder dieser Ar- ten tritt also wiederum, natürlich gemäss der Art, die göttliche Natur in die Erscheinung; daher ist es selbstverständlich, dass auch hier dieselbe Zweckmässigkeit und Vollkommenheit herrscht wie vorher. Zugleich folgt hieraus auch ihr ewiger Bestand wie der des Weltgebäudes; doch sind sie natürlich nicht an sich ewig, sondern nur in ihrer Art. Zu diesem Zwecke liegt in jedem Wesen der Trieb zur Zeugung und die Fähigkeit der Fortpflanzung!). Von einer Unsterblichkeit in dem gewöhnlichen Sinne kann nicht die Rede sein, auch nicht von einer be- schränkten, sobald eben der pantheistische Grundsatz streng, wie es hier geschieht, durchgeführt wird*). Da nun durch allzugrosse Vermehrung ihr Fortbestand wiederum in Frage gestellt wird, so treten zu gewissen Zeiten grosse Erdrevolutionen, Überschwem- so fiel damit auch die Notwendigkeit einen solchen leeren Raum anzuerkennen. Nun giebt es zwar keine Nachricht, welche direkt beweist, dass Panätius diesen Schluss wirklich gezogen hat; doch haben wir allen Grund, dies an- zunehmen. Cleomedes schreibt nämlich in seiner Cyel. theor. 11 p.3: εἰ δὲ χαὶ εἰς πῦρ ἀναλύεταν ἣ πᾶσα οὐσία, ὡς τοῖς χαριεστάτοις τῶν φυσιχῶν dozel, ἀνάγκη πλέον ἢ μυριοπλασίονα τόπον αὐτὴν χαταλαμβάνειν ὥσπερ καὶ τὰ εἰς ἀτμὸν ἐχτυμιώμενα τῶν στερεῶν σωμάτων. ὃ τοίνυν ἐν τῇ ἐχπυρώσει ὑπὸ τῆς οὐσίας ἐχχεομένης χαταλαμβανόμενος τόπος νῦν χενός ἐστιν, οὐδενός γε σώματος αὐτὸν πεπληρωχότος. εἰ δὲ φήσει τις, μὴ γίνεσϑαν ἐχπύρωσιν, οὐδὲν πρὸς τὸ μὴ εἶναν χενὸν ἐναντιοῦται τὸ τοιοῦτον. χαὶ γὰρ εἰ μόνον ἐπινοήσαιμεν yeouernv τὴν οὐσίαν καὶ ἐπὶ πλεῖον ἐχτεινομένην, οὐδενὸς αὐτῇ πρὸς τοιαύτην ἔχτασιν ἐμπεδὼν γενέσϑαν δυναμένου, αὐτὸ ἂν τοῦτο, εἰς ὃ τῇ ἐπινοίᾳ χωροίη χατὰ τὴν ἔχτασιν, χενὸν ἂν εἴη" ὥσπερ ἀμέλεν χαὶ τὸ νῦν χατεχόμενον ὕπ᾽ αὐτοῦ κενόν ἐστε πεπληρωμένον. ὅϑεν οἱ λέγοντες ἔξω τοῦ κόσμου μηδὲν εἶναι φλυαροῦσιν. Diese Polemik richtet sich gegen stoiker, welche die ἐχπύρωσις und mit ihr auch den leeren Raum verworfen hatten, und nicht gegen andere Philosophen. Denn gegen diese folgt sie erst am Schlusse dieses Abschnittes p. 5: ἐμ wer οὖν τῷ χόσμῳ χενὸν εἶναν ἀδύνατον" ᾿Αριστοτέλης δὲ καὶ οἱ ἀπὸ τῆς αἱρέσεως οὐδὲ ἔξω τοῦ χύσμου χενὸν ἀπολείπουσι x). Da kein bestimmter Stoiker genannt ist, und nur ᾿ Boethus und Panätius die Weltverbrennung leugneten, sind wir berechtigt, diese Nachricht auf beide zu beziehen. Erinnern wir uns ferner, dass Cleomedes dies aus Posidonius abschreibt (ef. 1. II cap. 7. Schl.), so kann man erst recht auf Panätius als den Gegner schliessen. ἢ De off. I4, 11 Anf. 3) Vgl. das folg. Kap. 8 1. — 1% -- mungen, Pest und Hungersnot ein, die fast alles organische Leben wegraffen. Hierauf beginnt alsdann von neuem die gesetz- mässige Entwickelung?). | So bleibt also alles in Ewigkeit bestehen, weil alles gut ist; gut aber ist es, weil alles Seiende in seiner unendlichen Mannig- faltigkeit, Schönheit und Zweckmässigkeit nichts ist als die Ent- faltung der Gottheit. Auf diesem Standpunkte ist es eigentlich unmöglich von einer Mehrzahl von Göttern zu reden; denn in Wahrheit ist nur dies eine Urpneuma, dessen Entwickelung die Welt ist, die Gottheit. Jedoch ist auch in den auf Panätius zurückgehenden Berichten von einer Mehrheit der Götter die Rede?), und wir haben keinen Grund dies nur für eine An- lehnung an den Volksglauben zu halten. Denn gewiss mussten und konnten auch ihm namentlich der Äther und die darin be- findlichen Gestirne für göttlich gelten, da sie ja der göttlichen Urmaterie ganz wesensgleich sind. Im Gegensatze zu der Ali- gottheit also konnte er sie mit vollem Rechte als Götter be- zeichnen. Die Annahme anderer Götter aber weist er schlechthin ab: Diejenigen, welche gewöhnlich für Götter gehalten werden, sind nichts als die Gebilde fabelnder Dichter oder berechnender Staatsmänner?). $. 2. Freiheit und Notwendigkeit. Alles Seiende erhält also durch das ihm innewohnende Pneuma die Fähigkeit des inneren Zusammenhanges (ἕνωσις), die ihm die Möglichkeit seiner Fortdauer verleiht. Je nach dem Grade und der Reinheit des Pneumas ist daher die Henosis der verschiedenen Körper sehr verschieden: Eine andere ist die der Mineralien, eine andere die der Pflanzen, eine andere die der Tiere und Menschen*). Da nun der Kosmos weitaus das voll- ') Polyb. VI 5,5 vgl. S. 69. 5) So ist abgesehen von anderen Stellen de leg. I cap. 7 immer von Göttern die Rede, ja es werden dort sogar 2 Arten unterschieden, wenn es heisst: parent (sc. dei et homines) huie caelesti deseriptioni mentique divi- nae et praepotenti deo etsq. ... und hominem ... generatum esse a supremo deo; vgl. auch die folg. Anm. 3) Augustin. de οἷν. Ὁ. IV 27 (vgl. ebds. ΥἹ 8) vgl. S. 117 ff. 71 u. später. Ungenau ist Epiphan. adv. haeres. 1090 D. (Diels dox. gr. p. 593, 6 ff.). Ὁ Sext. Emp. adv. Phys. I 78ff.; vgl. Zeller Philos. d. Gr. IIIa S. 96, 2°. -- 11 — kommenste Wesen ist, so muss auch seine Henosis viel voll- kommener und wesentlich anders als die des Menschen sein, Auf der Henosis beruht nun die συμπάϑεια: Ebenso verschieden wie die Henosis, muss also auch diese sein. Diese ist in dem tierisch-menschlichen Körper derart, dass, wenn ein Organ irgend wie eine Veränderung erleidet, auch alle übrigen Teile in be- stimmter Weise in Mitleidenschaft gezogen werden. Das Gleiche kann demnach nicht auch bei dem Kosmos der Fall sein. Denn hätte er dieselbe Henosis und Sympathie wie der menschliche Körper, so würde er auch vergänglich sein wie der Mensch, was nicht der Fall ist. Die Richtigkeit dieses Schlusses zeigt auch die Stellung des Panätius zur Manük» Der Kosmos wurde als Makrokosmos dem Mikrokosmos vollständig parallel gesetzt und darum auch die absolute Sympathie (συμπάϑεια τῶν ὅλων) in demselben wie beim Menschen anerkannt. Diese war der reale Grund für die ge- samte Mantik; die Mantik leugnete aber Panätius!): Also muss er auch eine solche Sympathie verworfen haben. Was wir nun hier erschliessen, das wird uns auch direkt überliefert. Diese absolute Sympathie ist der Grund wie für die Mantik über- haupt so speziell auch für die Astrologie. Denn die Annahme, dass der Mensch in seinem ganzen Bestande durch die Ge- stirne bedingt sei, setzt eben die absolute Sympathie zwischen ἢ Ebenso verschieden wie über seine Meinung von der Ewigkeit der Welt lauten auch die Nachrichten über seine Ansicht betreffs der Unwirklich- keit der Mantik. Denn während Diog. VII 149 und damit übereinstimmend Cie. de div. 1 7, 12 und Epiph. ad haer. 1090 D sie ihn verwerfen lassen, berichtet Cie. de div. I 3, 6 und acad. pr. II 33, 107, dass er sie nur ange- zweifelt, nicht aber geleugnet habe. Doch an beiden Stellen können wir - deutlich die Absicht erkennen, weswegen er so schreibt. An der letzteren _ nämlich kommt es ihm gerade darauf an, die Unmöglichkeit eines sicheren _ Wissens und Erkennens zu beweisen. Hätte er also den Panätius die Mantik _ gänzlich verwerfen lassen, so hätte er ihn nicht zum Beweise heranziehen können. Ähnlich verhält es sich auch de div. 13, 6. Hier spricht Cicero selbst, der nachher die Rolle des Akademikers vertritt und offenbar darum ἢ Zeugen unter den Philosophen für sich wünscht, während ebds. I 7, 12 sein Bruder Quintus die Mantik verteidigt und den Panätius widerlegt. Dieser “hatte keinen Grund ihn zum blossen Zweifler zu stempeln. Gerade diese Stelle aber beweist, dass Panätius sich über sie einfach lustig gemacht hat, was sinnlos wäre, wenn er sie nur angezweifelt hätte. Er hat sie also sicher verworfen. Vgl. auch die nachfolgende Ausführung. dem Äther und der Erde voraus; diese Sympathie aber leugnete Panätius rundweg: Bei der fast unendlichen Entfernung des Himmels könne von einem Einflusse desselben auf den Mond oder gar die Erde keine Rede sein'): Also kann er in Wahrheit nicht eine solche Sympathie und Henosis wie die des mensch- lichen Körpers ist, im Kosmos angenommen haben. Als Wirkung der Gottheit galt nun ferner die συμπαϑειὰ τῶν ὅλων auch als Vorsehung oder als Verhängnis und gerade deswegen, weil sie absolut gefasst wurde, auch als die unbedingte, unwandelbare Ursache alles Geschehens. Leugnete also Panä- tius jene Sympathie, so leugnete er damit auch die Wirklichkeit des stoischen Fatums. Da er andererseits, wie wir gesehen haben (S. 187f.), auch die unbedingte Wirkung des Kausalitätsgesetzes in der Welt und deswegen in ihr überall dasselbe gesetzmässige Walten anerkannte, so folgt, dass er dieses gesetzmässige Walten nicht als überweltlich, sondern als innerweltlich gefasst hat: Das Verhängnis ist keine Macht, die über den Menschen und Dingen stehend alles beherrscht, sondern vielmehr innerhalb der beson- deren Erscheinungsformen und ihnen entsprechend wirkt. Daher wirkt auch die menschliche Vernunft nach der ihr immanenten Gesetzmässigkeit, und kein ausserhalb stehender Teil der Welt hat in dieser Beziehung irgend welche zwingende Gewalt über sie: Sie selbst ist des Menschen Verhängnis. Dies ist die Kon- sequenz der vorher entwickelten Lehre und diese Konsequenz hat Panätius gezogen. Dieses zeigt klar die schon genannte Verwerfung der Mantik überhaupt wie die der Astrologie im be- sonderen, wenn wir dieselbe näher betrachten. Berücksichtigen wir zunächst die Astrologie: Es findet keine Einwirkung des Äthers auf die Erde und speziell auf den Menschen statt, so dass durch denselben irgend ein Einfluss auf letzteren ausgeübt werden könnte: Also steht der Äther, das Hegemonikon des Alls, in dieser Beziehung neben dem Hege- ımonikon des Menschen, nicht über ihm, was an sich auch ganz natürlich ist, da sie ja beide gleiches Wesens sind. Dasselbe bestätigt noch eine andere Nachricht. Das Erscheinen der Ko- meten wurde als ein besonderes Zeichen angesehen, welches den i ') Cie. de div. IT 43, 91: quae potest igitur contagio ex infinito paene intervallo pertinere ad. Junam vel potius ad terram? vgl. c. 14, 33. — 13 -- Menschen von den Göttern zum Vorauserkennen des 7 ukünftigen gesendet würde. Panätius dagegen erklärte sie für Spiegelungen, die bei einer bestimmten Stellung der Gestirne zu einander ent- ständen. Da nun aber die Stoiker im strengsten Sinne des Wortes nichts für zufällig, also auch das Senden eigentlich nicht für ein Senden, sondern für ewige Gesetzmässigkeit hielten, so geht daraus mit Gewissheit hervor, dass Panätius in Überein- stimmung mit seiner Schule nicht die ewige Gesetzm; ässigkeit und Regelmässigkeit ihres Erscheinens verwarf, wohl aber die gewöhnliche Erklärung und Bedeutung derselben für unmöglich und verkehrt hielt). Er leugnete also wiederum jene 3eziehung und Einwirkung der Gestirne auf die Geschicke und das Wesen der Menschen. Das Gleiche lehrt schliesslich auch die Zurück- weisung der übrigen Arten der Mantik. Diese alle beruhen, wie schon angedeutet ist, auf der Annahme, dass zwischen den be- züglichen Thatsachen und dem Menschen eine causale Ver- knüpfung stattfinde?), die derart vermittelt gedacht wurde, dass die dem All immanente Gottheit entweder auf den Geist des Menschen oder auf die zur Offenbarung dienenden Wesen und Dinge?) einwirke*), natürlich nicht willkürlich, sondern nach ewiger Gesetzmässigkeit. Verwarf also Panätius die Mantik, so leugnete er wiederum natürlich nicht die bezüglichen Thatsachen’), sondern diese causale Verknüpfung der Ereignisse mit den Men- schen vermittelst der Gottheit und damit auch die absolute Ab- !) Seneca Nat. Quaest. VII 30, 2. Dieser Bericht hebt übrigens die Gesetzmässigkeit der Kometenerscheinungen, welche Panätius geltend machte, stark hervor. Dass Panätius ihnen eine Vorbedeutung nicht zuerkannte, geht schon aus der Lehre an sich hervor, aber auch aus dem ganzen Zu- 'sammenhange bei Seneca und namentlich aus dessen indirektem Vorwurfe des Mangels an heiliger Scheu vgl. a. a. Ὁ. 8 1. 2) Cie. de div. II 14, 88 1. 3) Jenes findet bei den Prophezeiungen der Verzückten (furentium) und bei den Träumenden statt; dieses bei den übrigen Arten der Mantik. Auch bei dem Wahrsagen aus den Eingeweiden wird eine Einwirkung auf den Menschen derart angenommen, dass die Gottheit den Menschen gerade zu einem bestimmten Tiere leitet; vgl. die folg. Anm. Ε). Οἱο. 1 11 15, 35. 5) Manche mochte er ja auch leugnen, wie die wunderbaren Träume, doch wissen wir davon nichts; dass er aber die bezüglichen Thatsachen, wie das Fliegen der Vögel oder die bestimmte Beschaffenheit der Eingeweide, nicht leugnete, ist selbstverständlich. Schmekel, mittlere Stoa. 13 -- 14 — hängigkeit derselben von der Vorsehung oder dem Verhängnis: Die Sterne wandeln ihre Bahnen und die Kometen entstehen nach dem Naturgesetz alles Geschehens ohne irgend welche Be- deutung für die Menschen; die Vögel fliegen nach ihrem Triebe, ohne dass ihr Flug für die Menschen irgend welche Bedeutung hätte, und ebenso gleichgültig ist es, ob Jupiter mit der rechten oder linken Hand Blitze schleudert!). Die menschliche Vernunft ist also frei; somit muss auch das Handeln des Menschen von einem alles unerbittlich beherrschen- den und von Ewigkeit her bestimmten Schicksale frei und nur von der eigenen Vernunft abhängig sein. Diese Konsequenz hat Pa- nätius ausdrücklich vertreten: Alles Gute und Schlechte hat der Mensch teils vom Leblosen, teils vom Belebten; aber der Nutzen sowohl wie der Schaden, den er von diesem zieht, ist doch immer nur durch menschliche Thätigkeit vermittelt. Um daher das Nützliche zu erlangen, muss man sich die Neigung der Menschen gewinnen?. Es ist klar, dass unmöglich mehr von einem alles bestimmenden Schicksale die Rede sein kann, wenn sich der Mensch selbst dadurch das Nützliche verschaffen und das Schädliche von sich abwehren kann, dass er sich die Neigung der Mitmenschen erwirbt. Der Mensch ist also in Wahr- heit nicht dem Schicksal unterworfen, sondern frei?), doch nicht im absoluten Sinne, sondern als Teil des Urpneumas ist seiner Vernunft dieselbe Gesetzmässigkeit immanent wie dem Urpneuma selbst. Auf diesem Grundgedanken, dass die Vorsehung oder das Verhängnis überall nur in und gemäss den Erscheinungsformen des Urpneumas wirkt, beruht auch die Möglichkeit des Zufalls. Aus dem Vorgetragenen folgt nämlich notwendig, dass der Mensch auch nur in seiner Sphäre und soweit seine Kraft reicht, selbst- ständig handeln kann; dass er aber aufhört seines Glückes Schmied zu sein, wo er mit Gebieten zusammentrifft, auf. die sein Einfluss aufhört. Dies findet bei den Elementen und den wilden 1) Cie. de div. I 7, 12. 2)"Cie. de of ΠῚ 3, 11H. wel ἘΞ: ΘΟ ἢν 5) Wenn Cie. de off. II 5, 16 meint, Panätius beweise selbstverständliche Sachen viel zu weitläufig, indem er zu zeigen suche, dass der Mensch allen Nutzen nur durch Menschen habe, so hat er schwerlich den Grund dieser Ausführung verstanden. te Tieren statt. Auch hier herrscht volle gesetzmässige Entwicklung, das liegt in der Natur der Sache; dadurch jedoch, dass der Mensch unabhängig von ihnen nach dem Ermessen seiner Ver- nunft handelt, kann der Fall eintreten, dass sein Handeln mit dem ihrigen collidiert. In solcher Kollision besteht der Zufall, aus dem sowohl Glück wie Unglück entstehen kann. In allen übrigen Fällen aber, in denen man gewöhnlich dem Zufalle Glück oder Unglück zuschiebt, herrscht in Wirklichkeit kein Zufall, son- dern volle Gesetzmässigkeit'). | Kaps 2. Anthropologie. $ 1. Wesen der Seele. Mit unabweisbarer Notwendigkeit folgt aus dem physikali- schen Prinzip, dass nur die Verschiedenheit der Spannkraft des Pneumas die mannigfachen Arten und Gattungen der Wesen er- zeugen kann. Denn ausser ihm ist nichts, und wäre es überall in gleicher Reinheit und Stärke, so würde Alles einander gleich sein. Naturgemäss erreicht diese Spannkraft im Menschen ihren höchsten Grad, ja in seiner Vernunft (ἡγεμονικόν) tritt sie in ur- sprünglicher Reinheit zu Tage. Die Substanz der Gottheit ist daher auch die der Vernunft. Da nun aber die Seele nicht ganz ‚Vernunft ist, sondern noch eine niedere Stufe des Lebens in sich schliesst?2), kann sie nicht durchweg reines Pneuma sein, son- dern nur eine Verbindung des ätherischen Feuers und der Luft, eine anima inflammata?). Wie nun das Pneuma in den ver- _ schiedenen Gattungen und Arten verschieden auftritt, ebenso erscheint es auch innerhalb derselben Art in verschiedener Stärke. Diese Verschiedenheit des Spannungsgrades der Seelen- substanz bewirkt die individuelle Verschiedenheit der Menschen picht nur in den niederen Seelenteilen‘), sondern namentlich auch ἢ Cie, ἃ. ἃ. Ὁ. II 6, 19£.; er gesteht daher hier auch zu, dass solche Zu- fälle nicht zu vermeiden sind; vgl. S. 20. 2) Vergl. den folgenden ὃ 2. 8) Cie. Tuse. I 18, 42; vergl. hierzu T. ΠῚ Kap. 2. *%) Cie. de off. I 90, 105 ff. — Ἠ 100. -- im Hegemonikon. Dieses besitzt ein doppeltes Vermögen: Das eine ist das Vermögen des Denkens und Empfindens als solches, das andere das des individuellen Denkens und Empfindens. Denn wie die Körper aller Menschen als Körper zwar gleich sind, trotz- dem aber bei den einzelnen eine so ausserordentliche Mannig- faltigkeit obwaltet, ebenso und noch in erhöhtem Masse sind zu- gleich mit der allgemeinen Fähigkeit des Denkens und Empfindens auch die individuellen Unterschiede des Geistes gesetzt 1). Mit gleicher Notwendigkeit und Leichtigkeit ergiebt sich ferner aus der physikalischen Grundanschauung auch die Art der Entstehung der Seele im Menschen. Infolge der ursprünglichen Einrichtung und des durch das Kausalitätsgesetz beherrschten Fortbestehens derselben kann die Seele nur durch geschlecht- liche Fortpflanzung vermittelt werden, indem von dem mensch- lichen Samen dasselbe gilt, was von allem Samen, dass aus ihm wiederum solche Wesen entstehen, wie diejenigen sind, von denen er stammt?). Zugleich liegt hierin auch der Grund, dass und warum die Kinder körperlich sowohl wie geistig den Eltern so vielfach gleichen. Diese Thatsache würde sonst keine Er- klärung finden, wenn der Geist von aussen in den Menschen hineinträte?). Wenn es nun aber auch Thatsache ist, dass die Kinder den Eltern vielfach nicht gleichen, so müssen wir bedenken, dass nicht nur der Same Gestalt, Charakter und Geist bedingt, sondern noch ein anderer Faktor dabei thätig ist, die Athmo- sphäre. Diese hat einen sehr wesentlichen Einfluss auf sie und offenbar nicht erst nach der Geburt, sondern schon während der fötalen Entwickelung: Je nach ihrer Reinheit und Klarheit oder Dicke und Nebelhaftigkeit wird sie das Wesen der Menschen ganz verschieden beeinflussen und gestalten; der reine Himmel 1) Cie. 1. 1. 107: Intellegendum etiam est duabus quasi nos a natura in- dutos esse personis, quarum una communis est, quod omnes participes sumus rationis praestantiaeque eius, qua autecellimus bestüs ... altera autem, quae pro- prie singulis est tributa. ut enim in corporibus magnae dissimilitudines sunt . sie in animis exsistunt maiores etiam varietates. Dasselbe zeigt auch de leg. 1 10, 30: etenim ratio, qua una praestamus beluis, certe est com- munis, doctrina differens, discendi quidem facultate par. 5) Diog. VII 158. 5) Cie. de div. II 45, 94; vgl. auch folgende Seite Anm. 2. ä wird klügere Menschen hervorbringen als der, welcher mit ‚grauem Nebel bedeckt ist!). Denn da mit der grösseren Dichtig- keit der Luft die Spannung des immanenten Pneumas abnimmt, muss der Einfluss der Luft nach dem Verhältnis ihrer Dichtigkeit verschieden sein. Diese Ansicht vom Wesen und Ursprung der Seele hat naturgemäss die Leugnung der persönlichen Unsterb- lichkeit zur -Folge. Der Geist tritt nicht von aussen in den Körper ein, sondern wird zugleich mit demselben geboren. Darum kann er auch nicht in irgendwelcher Trennung von ihm existieren, sondern muss zugleich mit ihm untergehen. Nur in den Kindern lebt er fort?). Das Gleiche folgt ferner auch aus dem Wesen der Seele. Infolge ihrer ganzen Natur ist sie den mannigfaltigsten Einflüssen ausgesetzt und darum auch nicht ohne Empfindung von Freude und Schmerz. Alles aber, was Schmerz empfindet, ist auch der Krankheit unterworfen; was krank werden kann, geht auch unter: Also geht auch die Seele unter und wird den Tod des Körpers nicht überdauern?). Diesem Wesen der Seele entspricht schliesslich das Verhältnis, in welchem der Mensch zur Gottheit und den übrigen Geschöpfen steht. Wenn nämlich auch in letzter Beziehung alles Seiende nur eine Modification der Gottheit ist, so lässt doch der Unter- schied zwischen dem reinen Urpneuma und der durch fort- gesetzte Verdichtung entstandenen Materie diese letztere als Gegensatz der ersteren erscheinen. Da nun in der Vernunft des Menschen jenes göttliche Pneuma in voller Reinheit sich findet, so ist der Mensch durch sie aufs engste mit der Gottheit ver- wandt®). Andererseits aber gehört er durch seine ἄλογος ψυχή zu den Tieren. Er kann daher nur eine Mittelstellung zwischen beiden einnehmen: Auf der einen Seite beschränkt wie die _ übrigen Wesen, auf der anderen Gott gleich und zu ihm gehörig ist er das notwendige Bindeglied in der Stufenfolge der sich selbst entfaltenden Gottheit. 1) Cie. ἃ. ἃ. O0. 88 94 und 96. Proclus comm. in Tim. Platon. I p. 50B. 2) Cie. Tuse. I 18, 42; 33, 80. 3) Cie. a. a. O.; dass es daher ein Irrtum Heines war, dem Panätius trotz dieser unzweideutigen Nachricht den Unsterblichkeitsglauben zuzu- schreiben (ef. de fontib. Tusc. quaest. Weimar 1862 p. 8 ff.) ist offenkundig. Ὦ Cie. de leg. I 7, 22 ff. ae $ 2. Teile der Seele. Von den drei Hauptklassen der lebenden Wesen nimmt die Welt der Pflanzen die unterste Stufe ein. Die Art der Erscheinung des Pneumas in ihnen führt den Namen φύσις, deren Vermögen ein doppeltes ist, das der Ernährung (ϑρεπτικόν) und das der Fortpflanzung (σπερματικχόν) ). Dieses Vermögen kommt selbst- verständlich auch den beiden anderen Gattungen zu, den Tieren und Menschen?) und trägt demgemäss auch denselben Namen. Ausser der φύσις aber haben die Tiere noch die fünf Sinne und die Triebe, womit zugleich auch die freie Bewegung, die den Pflanzen gänzlich fehlt, gesetzt ist. Sie dienen dazu die Nahrung aufzusuchen und die zuträgliche zu finden?). Mit diesen beiden neuen Vermögen ist die φύσις zu einer Einheit verbunden, die den Namen ψυχή führt, oder, metaphysischer Anschauung ent- sprechender gesagt, in den Tieren äussert sich die Urkraft als Seele. Doch ist diese nicht vernünftig; die Vernunft (λόγος, ἡγεμονικόν) ward allein dem Menschen zu teil‘). Das gesamte geistige Vermögen des Menschen ist somit dreifach?): φύσις, ψυχή, ἡγεμονικόν oder λόγος. Es ergiebt sich zugleich hieraus, dass allemal die vollendetere Gattung ausser ihrer eigentümlichen Natur auch die der weniger vollendeten Gattung in sich schliesst. Dies haben wir noch näher zu untersuchen, um zugleich auch das gegenseitige Verhältnis dieser Teile zu erkennen. Nach der Angabe des Nemesius®) rechnete Panätius das σπερματικόν, das gewöhnlich als ein eigener Seelenteil gefasst wurde‘), nicht zur ψυχή, sondern zur φύσις. Wie wir diese Nachricht auch erklären mögen, soviel geht mit Sicherheit her- ') Dies wird sich aus dem Folgenden ergeben. 2). Cie.:de om DA, 11. ὅ) De off. I 4, 11: inter hominem et beluam hoe maxime interest, quod haee tantum, quantum sensu movetur, ad id solum quod adest quodque prae- sens est, se accommodat. Dies wird sich später noch weiter bestätigen. *) Cie. de off. I 4, 11; 30, 105; de leg. I 10, 30 u. a. m. °) Vgl. die nachfolgende Abhandlung. °) De natura hom. p. 96, e. 15. Παναίτιος δὲ ὃ φιλόσοφος τὸ μὲν φωνητιχὸν τῆς 209 ὁρμὴν κινήσεως μέρος εἶναι Bovleraı λέγων ὀρϑότατα" τὸ δὲ σπερματικὸν οὐ τῆς ψυχῆς μέρος, ἀλλὰ τῆς φύσεως. ‘) Diog. VII 110; 157. Stob. eel. I 350, 18. Diels dox. gr. 390, 9; 615, 4: Zeller IlIa S. 198 und L. Stein Psych. ἃ. Stoa I 122 ff. er — 19 -- vor, dass Panätius diesen Teil der Gesamtseele von dem Teile, dem er den Namen ψυχή gab, schied und somit die weg als Seele im engeren Sinne fasste. Kommt aber der φύσις die Zeugungskraft zu, so gilt Gleiches erst recht von dem Ernährungs- vermögen. Da dies Vermögen weder den Menschen noch den Tieren eigentümlich ist, so kann es nur das spezifische der Pflanzen sein, wie es ja auch nur die niedrigsten Grade des Lebens enthält. Die ψυχή im engeren Sinne umfasst demnach das ganze übrige Vermögen des Menschen. Sie zerfällt in zwei Teile: den vernünftigen und unvernünftigen, und zwar ist. der erste das Vermögen der Vernunft (λόγος oder ἡγεμονικόν), der andere das des Triebes (ὅρμη)}). Da nun allein die Vernunft spezifisch menschlich ist, so ist das andere notwendig den Tieren eigentümlich ?). Eben dieselbe Seele wird auch noch auf andere Weise in ‘zwei Teile geteilt: in die Vernunft und die Fähigkeit der sinn- lichen Wahrnehmung. Die letztere ist wiederum selbstverständ- lich den Menschen und Tieren gemeinsam°). Sie gehört daher dem unvernünftigen Seelenteil an, und wird deshalb auch in direkten Gegensatz zu der Vernunft gestellt. Denn als der wich- tigste Unterschied zwischen den Tieren und Menschen wird her- vorgehoben, dass die Tiere nur durch sie, die Menschen dagegen durch die Vernunft zum Handeln veranlasst werden). 1) Cie. de off. 1 28, 101: duplex est enim vis (= δύναμις) animorum et natura: una pars in appetitu posita est, quae est ὁρμή Graece, quae homi- | nem hue et illue rapit, altera in ratione; ebenso II 5, 18. 2) Vgl. Anm. 4 auf der vorigen Seite und de off. II 3, 11: quae ergo ad vitam hominum tuendam pertinent, partim sunt inanima ... partım anı- malia, quae habent suos impetus et rerum appetitus. eorum autem alia rationis expertia sunt, alia ratione utentia: expertes ... peeudes, ... rationis autem utentium duo genera ponunt, deorum unum, alterum hominum. Die Götter kommen gegenwärtig nicht in Betracht, daher ist auch oben auf sie keine Rücksicht genommen. 3) Dass die Tiere sie besitzen, braucht nicht bewiesen zu werden, vgl. jedoch die folgende Anmerkung; dass natürlich auch der Mensch ihrer be- darf, sagt de off. I 4, 45; de leg. I 10, 30. Weiteres hierüber noch später. Ὁ) Cie. de off. I 4, 11; sed inter hominem et beluam hoc maxime interest, quod haec tantum, quantum sensu movetur, ad id solum, quod adest quodque praesens est, se accommodat ... homo autem, quod rationis est particeps . «- faeile totius vitae cursum videt ad eamque degendam praeparat res necessa- rias. Vgl. Polyb. VI 6, 48. Dieses liegt aber auch in der Natur der Sache und wird dureh das Folgende noch weiter bestätigt werden. ΞΘ Ὁ Wie stimmt nun diese Einteilung mit der vorigen? Dort heisst es: Das Vermögen der Seele ist doppelt, das der Vernunft und das der Triebe; hier heisst es: Das Vermögen der Seele ist doppelt, das der Vernunft und das der Wahrnehmung. Da beide sich nicht widersprechen können, so folgt mit Notwendigkeit, dass die Triebe mit der Wahrnehmung aufs engste zusammen- gehören, also in den Sinnen ihren Sitz haben!). Dies bestätigt sich noch durch eine weitere Nachricht. Als Teile der Seele wurden von den Stoikern gewöhnlich acht gezählt: Das ἥγεμονι- xov, die fünf Sinne, das σπερματικόν und das φωνητικόν"). Nemesius schreibt diese acht Teile Zeno zu?) und berichtet in unmittelbarem Anschlusse daran, dass Panätius das φωνητικόν der χαϑ᾽ δρμὴν κίνησις, ἃ. ἢ. dem ἡγεμονικὸν), und das σπερματι- 1") Es ist nicht unwichtig hier zu bemerken, dass auch Antiochus, der in der Psychologie, wie wir im dritten Teile sehen werden, sich wesentlich an Panätius angeschlossen hat, diese Lehre klar ausspricht; Cie. de fin. V 14, 40: sed videsne accessuram ei (sc. viti) curam, ut sensus quoque suos eorum- que omnem appetitum ... tutatur? Auch de leg. I 17, 47 findet so das richtige Verständnis und beweist das oben Gesagte. Dort heisst es: animis omnes tenduntur insidiae.... vel ab ea, quae penitus in omni sensu implicata insidet, voluptas etsq. Denn wohnt die Lust im Inneren eines jeden Sinnes, so muss natürlich auch jedesmal der Trieb darin wohnen, dessen Befriedigung sie ist. 2), Vgl:“S. 198 Anm! 7. ®) De nat. hom. cap. 15 p. 96. 3) Zu der Annahme dieser Gleichstellung zwingt uns Nemesius. Zum Beweise können folgende aus ihm entnommene Stemmata dienen: I. (e! 26 pP. 1158) αἷ κατὰ τὸ ζῷον δυνάμεις χατὰ προαίρεσιν ἀπροαίρετοι χαϑ' δρμὴν κένησις — αἴσϑησις, φυσικαί — ᾿ ζωτική, 1. μεταβατιχὸν 1. ϑρεπτιχή. | χαὶ κινητικὸν 2. αὐξητιχή. σφυγμική. τοῦ σώματος ὃ. σπερματιχή. παντός. 2. φωνητιχόν. 8. ἀναπνευστιχόν. II. (e. 15 p. 96 Schl. £.) yvyn λογικόν ἄλογον (EEE m Ts en κίνησις --- αἴσϑησις, οὐκ ἐπιπειϑὲς τῷ λόγῳ — ἐπιπειϑὲς τῷ λόγῳ φυσικόν ζωτιχόν ϑυμιχόν ἐπιϑυμητιχόν, Aus diesen beiden Stemmata geht mit Sicherheit hervor, dass Nemesius 2 t EEE — 201 — κόν der φύσις zugeteilt habe. Daraus folgt klar, dass für Panä- tius nur sechs Seelenteile, das »yeuorızov und die fünf Sinne, übrig bleiben. Dasselbe lehrt auch der Bericht des Tertullian'). unter der καϑ'᾽ ὁρμὴν κίνησις dasselbe wie ἡγεμονικόν versteht. Diese Sicher- heit steigert sich zur vollen Gewissheit, wenn wir hören, dass der Sitz der καϑ' ὁρμὴν κίνησις im Gehim (ἐγκέφαλος) sich befindet, während die übrigen Teile von diesem ausgeschlossen sind. Es ist nun aber bekannt, dass das Gehirn von Plato und dem ihm folgenden Galen als Sitz der Vernunft an- erkannt wurde. Dies fällt deswegen hier um so mehr ins Gewicht, als Ne- mesius sich durchweg auf Galen stützt. (cf. Margarites Evangelides: Zwei Kapitel über die Quellen des Nemesius diss. Berol. 1882.) Unrichtig ist es daher, wenn Zeller III S. 56, 11 unter der χαϑ' ὁρμὴν κίνησις die willkürliche Bewegung versteht, und vollends verkehrt, wenn Stein, Psychol. ἃ. Stoa 1 S. 183, sie mit der ὅρμηή, die uns bei Cicero als Gegensatz des ἡγεμονιχόν be- gegnet, identifiziert und darin den zweiten Platonischen Seelenteil, das #v- uosıdes, wiederfindet. ') De anima cap. 14: Dividitur autem (se. anima) in partes nune in duas a Platone, nune in tres a Zenone, nune in quinque [ab Aristotele] et in sex a Panaetio; so Diels, dox. gr. p. 205 ff. Dieser Deutung ist von Fowler diss. p- 15 ff. jede Berechtigung abgesprochen worden. Er bestreitet 1. das Recht aus Nemesius auf diese sechs Teile schliessen zu dürfen und 2. überhaupt die Richtigkeit der von Tertullian überlieferten Nachricht. Für seine erste Ansicht bringt er zwei Gründe vor: Wenn berichtet werde, dass P. das φωνητιχόν für einen Teil der χαϑ'᾽ ὁρμὴν zivnoıs gehalten habe, so beweise schon dieser Name, dass die hier vorliegende Theorie mit der Zenos, die unmittelbar vorhergehe, nichts zu thun habe. Denn wenn auch die χαϑ'᾽ ὁρμὴν κίνησις gleich dem ἡγεμονικὸν sein möge, so würden wir, hätte Neme- sius oder seine Quelle nichts anderes angeben wollen, als dass die Lehre des Panätius nur eine Korrektur der Zenonischen sei, erwarten, dass er auch den Namen beibehalten hätte. Der zweite Grund ist folgender: neque cum Zenonis atque aliorum Stoieorum doctrina consentit illa ψυχῆς et φύσεως distinetio quae Panaetio adscribitur. apparet, ni fallor, Panaetii divisionem animae non esse correetionem tantum divisionis apud Stoicos vulgatae, sed aut totam ex eius ipsius ingenio natam aut aliunde sumptam esse. Eine Beweiskraft wohnt jedoch diesen beiden Gründen nicht inne. Bei dem ersten liegt es auf der Hand. Nemesius oder vielmehr Galen, den er ausschreibt, hatte gewiss keinen besonderen Grund die Ausdrücke zu wechseln. Wenn er nun aber mit gleichwertigen Ausdrücken wechselte, haben wir dann ein Recht daraus zu schliessen, dass beide Einteilungen mit einander nichts zu 'thun haben? Wenn die Ausdrücke sich nieht deekten, würden wir dies thun müssen; da sie aber gleichbedeutend sind, wie soll die Verschiedenheit bei- der Lehren erkannt werden können, und wie sollen wir daraus schliessen, dass Panätius mit seiner Änderung der Lehre nicht eine blosse Korrektur der stoischen habe vornehmen wollen? Das ist einfach unersichtlich und unmöglich. Ein Gleiches gilt auch von dem zweiten Grunde, wenn auch in 202 -- Da nun nach Ciceros Angabe das Vermögen der Seele doppelt ist, die ratio und der, bezw. die appetitus, so müssen notwendig anderer Weise. Gewiss ist diese Zweiteilung der Seele nicht stoisch, son- dern von anderer Seite beeinflusst; aber warum soll sie darum nicht noch eine Korrektur der stoischen sein können? Wenn schon sein Lehrer Anti- pater bewies, dass die Platonische und stoische Ethik wesentlich überein- stimmten, und er selbst vielfach fremde Lehren mit der stoischen verschmolz, wie wir später zeigen werden, warum soll denn nicht auch diese Einteilung eine solehe Verbindung fremder und stoischer Lehren sein können? Wenn er von anderwärts her die Zweiteilung der Seele herübernahm, so war die Unterordnung des onspuerızov unter den physischen Teil von selbst gegeben. Die Unterordnung des φωνητιχόν unter das Hegemonikon folgt aus jener Scheidung nicht; es bedurfte hierzu aber gar keines fremden Einflusses, wie wir bald sehen werden. So blieben aber von den acht stoischen Teilen nur sechs übrig. Warum eine solche Korrektur der stoischen Lehre unmöglich war, zeigt F. nicht. Er scheint auch selbst zuzugestehen, dass die Stich- haltigkeit seines Grundes zweifelhaft ist, wenn er sagt: apparet, ni fallor, etsq. Was er weiter zum Beweise vorbringt, ist eine petitio prineipi. Er findet nämlich bei Nemes. c. 26 p. 115 eine Einteilung, die der des Panätius nach seiner Meinung entspricht: en habemus #09” öounv χίνησιν, cuius pars φωνης- τιχόν est et φυσικὰς δυνάμεις, quarum una onsouerizöv. Darauf fährt er fort: anima autem tota dividitur in partes duas, quarum una (ἡ χαϑ᾽ ὁρμὴν χίνησις) e tribus, altera (ἡ αἴσϑησις), ut sumere debemus, e quinque partibus constat. hoe male coneinit cum ea in sex partes divisione, qua Panaetium usum esse tradit Tertullianus 1. a., sed error Tertulliani facile oriri poterat Zenonis (i. 6. Stoicorum veterum) Panaetiique sententiis eo modo iuxta positis, quo nos eas apud Nemesium legimus. Einen Beweis also dafür, dass Tertullians Nachricht falsch ist, giebt er nicht, er erklärt nur, wie Tertullian zu seinem Irrtum gekommen ist. Diese Erklärung fusst aber auf seiner Ansicht, dass zwischen der Lehre der älteren Stoa und der des Panätius bei Nemes. ce. 15 p- 96 kein Zusammenhang stattfinde. Zugegeben nun, sein Beweis hierfür wäre stichhaltig, so folgt daraus nur, dass wir aus jener Stelle des Nemesius auf eine Sechsteilung nicht schliessen dürfen; nieht, dass die Sechsteilung überhaupt falsch, und dass deswegen Tertullians Nachricht auf jeden Fall unrichtig ist. Warum ist nun aber Tertullians Nachricht falsch? Weil sie nicht zu der Einteilung des Nemes. ce. 26 p. 115 stimmt: “μος (se. die Ein- teilung des Nemes. 1. 1.) male coneinit cum ea in sex partes divisione, qua Panaetium usum esse tradit Tertullianus.” Diese hier genannte Einteilung des Nemesius ist aber nicht als die des Panaetius erwiesen, sondern nur an- genommen und vermutungsweise in der Anmk. ausgesprochen. Ein weiterer Beweis wird nicht gegeben, es heisst nachher nur, es fänden sich noch mehr Fehler in Tertullians Bericht. Also nur auf Grund einer unbewiesenen An- nahme verwirft F. die Möglichkeit der Sechsteilung und Tertullians Nach- richt. Ebenso schliesst er noch einmal. Nachdem er nämlich darüber ge- Se ee -- 205 -- als sechs Teile der Seele ergeben würden, wenn wir gezwungen wären, für die appetitus noch einen besonderen Teil anzu- nehmen. Alle diese Teile lassen sich ihremWesen nach auf die dreiHaupt- teile zurückführen, wie wir schon oben gesehen haben: die φύσις, die ἄλογος ψυχή und das ἡγεμονικόν oder Aoyıxöov, eine Ein- teilung, deren Richtigkeit und Wichtigkeit sich auch bei der Ethik uns noch näher bestätigen wird. Aber näher betrachtet tritt diese Dreiteilung vor der Zweiteilung völlig in den Hintergrund. So sehr nämlich die Tiere von den Pflanzen verschieden sind, und so vielfach die Menschen mit den Tieren sich berühren, so sprochen hat, dass bei Tertullian a. a. Ὁ. sich noch mehr Fehler finden, lesen wir p. 17: falso igitur Panaetium in sex partes animam divisisse ere- deremus; si enim αἰσϑητιχόν in quinque sensus dividimus, necesse est dividamus τὴν χαϑ᾽ δρμὴν κίνησιν in tres partes, quae supra memoratae sunt, Dieses necesse est ist nur notwendig bei der Voraussetzung der Richtigkeit seiner Annahme, dass die Einteilung des Nemesius cap. 26 p. 115 sich mit der des Panätius deckt. Er ist hier also noch einen Schritt weiter gegangen: Dort nimmt er nur die Möglichkeit an, dass diese Einteilung die des Panätius sei, hier aber die Notwendigkeit. Wäre also selbst der Beweis gelungen, was nicht der Fall ist, dass wir aus Nemesius auf die Sechsteilung nicht schliessen dürften, so ist doch die Verwerfung der Möglichkeit der Sechs- teilung und der Nachricht Tertullians nur auf Grund der unbewiesenen An- nahme erfolgt, dass Panätius mit Nemes. cap. 26 p. 115 das ἡγεμονεχόν in drei Teile geschieden habe. Aber diese Annahme ist nicht nur unerwiesen, sondern enthält noch einen unberücksichtigten Widerspruch mit der vorigen Stelle. P. teilte dort die Seele in ψυχή und φύσις; aber Nemesius lehrt an der letzten Stelle: διαιροῦσι δὲ καὶ ἄλλως τὰς χατὰ τὸ ζῶον δυνάμεις. χαὶ τὰς μὲν λέγουσι ψυχικάς, τὰς δὲ φυσιχάς, τὰς δὲ ζωτιχάς. Er giebt also eine Dreiteilung und nicht die obige Zweiteilung. Mag an sich auch eine solche Dreiteilung für P. nieht unmöglich sein, jedenfalls wissen wir von ihr nichts und dürfen daher auch nicht beide Einteilungen identifizieren. P. hielt nun das φωνητιχόν für einen Teil des ἡγεμονιχόν. Was das bedeutet, erkennen wir, wenn wir uns die Einteilung des λόγος in 4. ἐνδιαϑετός und 4 προφοριχὸς vergegenwärtigen. Der λόγος προφοριχός deckt sich offenbar mit dem φωνη- tızöv. Dieses ist also gar kein Teil des λόγος, sondern nur eine Art αέσσοβο Verhaltens. Anders ist es bei dem αἰσϑητικόν. Die αἴσϑησις ist bei jedem Sinne verschiedenartig, und darum hat auch jeder Sinn sein eigenes Organ. Es liegt also wirklich eine Verschiedenheit der Teile des αἰσϑητιχόν vor. Wir können demnach auch gar nicht so schliessen, wie F. nicht ohne Grund zu thun scheint, dass, wenn wir die Teile des αἰσϑητιχόν zählen, wir auch die . ” ς y δ Ὁ aan des ἡγεμονικόν zählen müssen. Wir kennen solehe Teile! des ἡγεμονικόν über haupt nicht. ἘΚ ἘΞ ist doch der Unterschied zwischen der Vernunft und den anderen Vermögen der menschlichen Seele so stark, so durchschlagend, dass dadurch die Seele des Menschen in zwei Teile zerfällt, in den vernünftigen und den unvernünftigen. Dies können und müssen wir nicht nur aus den zahlreichen Stellen erschliessen, in denen die Tiere und Menschen diesbezüglich einander gegen- über gestellt werden!), sondern es wird uns auch mit einer Deutlichkeit und Klarheit überliefert, die nichts zu wünschen übrig lässt. Er stellte nämlich die Vernunft den anderen Teilen der Seele nicht nur gegenüber, sondern er schloss sie sogar von diesen vollständig aus?). Denn gerade darin, dass er die Ver- nunft den anderen seelischen Vermögen nicht nur gegenüber- stellte, sondern sie vollständig von einander schied, tritt die Zweiteilung der gesamten menschlichen Seele mit voller Gewiss- heit hervor. Diese Zweiteilung folgt auch notwendig aus der physischen Natur der Seele: der Äther und die Luft sind beide Leben wirkend, aber beide ihrer Natur entsprechend in verschie- denem Grade. Da nun die Seele der Menschen aus ätherischem Feuer und Luft gemischt ist, wie wir gezeigt haben, so vereinigt sie auch notwendig ein doppeltes psychisches Leben in sich; ein rein göttliches in dem ἡγεμονικόν oder dem λόγος und eine nie- dere Stufe, die offenbar dem tierischen Seelenvermögen entspricht°). Jedoch beweist diese Stelle sowohl wie auch die Leugnung der Unsterblichkeit, dass bei ihm diese Teile nicht gänzlich ausein- anderfielen. Da nun die Vernunft das Gottgleiche im Menschen ist, sind auch die beiden unvernünftigen Seelenteile naturge- mäss ihr untergeordnet. Gehorchen sie also, so ist der Zustand der Seele normal, widerstreben sie ihr, so ist er naturwidrig. Die Triebe (ὁρμαί) sind also an sich keineswegs schlecht und ver- derblich, sondern voll und ganz berechtigt; doch nur so lange, ') Von den vielen Stellen vgl. nur de off. I 4, 11; 30, 105; de leg. I 1, 22. ?) Cic. Tuse. I 33, 80 sagt, indem er dem P. wegen seiner Leugnung der Unsterblichkeit einen Widerspruch nachweisen will: sunt enim igno- rantis, cum de aeternitate animorum dicatur, de mente diei, quae omni tur- bido motu semper vacet, non de partibus üs in quibus aegritudines irae libidinesque versentur, quas is, contra quem haee dieuntur, semotas et dis- clusas putat. °) Zellers Leugnung einer solchen Einteilung Philos. der Gr. IIIa S. 564, 1 lässt sich also nicht aufrecht erhalten. — 200 — als sie sich der Vernunft unterwerfen. Sobald sie dies nicht thun, sind sie verkehrt: die öguei werden zu πάϑη ). Die Hauptarten derselben sind Furcht, Bekümmernis, Begierde, Wollust und Zorn Pi; Wie nun die öour dem ἡγεμονικόν nach dem Gesetze der Natur unterworfen ist und von ihm erst ihre Rechtmässigkeit erhält, ebenso sind auch die Sinne als solche dem ἡγεμονικόν untergeben ‘und dienstpflichtig. Dadurch erlangen sie eine un- gleich höhere Bedeutung wie bei den Tieren; dienen sie diesen nämlich nur zur Befriedigung ihrer natürlichen Bedürfnisse, so vermitteln sie beim Menschen auch die Kenntnis der Aussenwelt behufs ihrer Erkenntnis durch die Vernunft. Hierüber hat das folgende Kapitel zu handeln. Ran..a, Logik. Die Logik der Stoa ist Sprachlehre im weitesten Sinne des Wortes, wie schon ihr Name besagt. Sie umfasst demnach alles, was entweder wirklich gesprochen wird, oder dem Sprechen als Gedanke vorausgeht. Somit zerfällt sie in die Lehre von der Rede, die Rhetorik, und in die Dialektik?). Von eigenen Schriften des Panätius zur Rhetorik ist uns nichts bekannt; dass er sie aber nicht gänzlich ausser Acht gelassen hat, zeigt seine Be- 1) Cie. de off. I 28, 100: Duplex est enim vis animorum atque natura: una pars in appetitu posita est, quae est öguy Graece ... altera in ratione; effi- eiendum autem est, ut appetitus rationi oboediant eamque neque praeeurrant nee propter pigritiam aut ignaviam deserant sintque tranquilli atque omni animi perturbatione careant. nam qui appetitus longius evagantur et tamquam exsultantes sive cupiendo sive fugiendo non satis a ratione retinentur, ü sine dubio finem et modum transeunt; relinguunt enim et abiciunt oboedientiam nec rationi parent, cui sunt subiecti lege naturae: a quibus non modo animi pertur- bantur, sed etiam corpora. 2) Cie, Tusc. I 33, 80: cum de aeternitate animorum dicatur, de mente diei quae omni turbido motu semper vacet, non de partibus iis in quibus aegritudines irae libidinesque versentur. de off. I 20, 69: vacandum autem omni est animi perturbatione cum cupiditate et metu, tum etiam aegritudine et voluptate et iracundia. ®2) Diog. VII 41 ἢ. ae schäftigung mit den attischen Rednern und namentlich mit Demosthenes. Wenn er hier nachwies, Demosthenes vertrete in seinen Reden den Grundsatz der Identität des Sittlichen und des Guten, und ihn in dieser Beziehung den grossen Rednern der Vor- zeit Thucydides, Cimon und Pericles gleichsetzte!), so ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, wie er das Wesen der Rhetorik auf- fasste. Eine ergänzende Bestimmung hierzu liefert uns offenbar die weitere Nachricht?): Sache des Richters sei es immer nur der Wahrheit zu folgen, Sache des Anwaltes aber zuweilen auch die Wahrscheinlichkeit zu verteidigen. Die Rhetorik galt ihm also wohl als die Kunst der Rede, welche ihrem Inhalte nach stets auf das sittlich Gute gerichtet ist, aber nicht stets nur für die Wahrheit, sondern den Umständen entsprechend auch für die Wahrscheinlichkeit eintritt?). Der zweite Teil der stoischen Logik ist die Dialektik. Diese zerfällt wiederum in zwei Teile‘), die Grammatik und die Er- kenntnistheorie nebst der formalen Logik. Die Grammatik um- fasst in diesem Sinne die eigentliche Sprachlehre und die Sprach- philosophie, die mit jener in unmittelbarem Zusammenhange steht. Infolge des inneren Zusammenhanges nämlich, welcher zwischen dem gesprochenen Worte (λόγος) und dem Denken oder Denk- vermögen (λόγος, λογικόν) einerseits stattfindet und der Natur dieses Denkvermögens als eines Teiles der Allvernunft anderer- seits, ist es notwendig, dass das Wort der adäquate Ausdruck des Gedankens, und die Sprache nicht willkürliche (ϑέσει), sondern naturgemässe (φύσει) Benennung der Dinge ist. Das richtige Verständnis der Worte bietet demnach auch ein richtiges Ver- ständniss der Sache dar. Dies war der Grund für das Etymolo- gisieren und Worterklären in der Stoa. Andererseits bringt es auch die Urwüchsigkeit der Sprache mit sich, dass sie nicht sy- stematisch genau nach Regeln gebaut ist, sondern neben solchem, welches regelmässig gebildet ist, auch viele unregelmässige Bil- dungen aufweist. Die Stoiker hielten daher in der Lehre vom ') Plutarch. Demosth. e. 13. 2) Cie. de off. II 14, 51. °®) Auf die Beurteilung der Beredsamkeit des Demosthenes, die sich hier- mit berührt, werden wir in einem anderen Zusammenhange zurückkommen. *) Vgl. Zeller Philos. d. Gr. Illa S. 64. -- 20] --- Ursprunge der Sprache das Princip der Anomalie aufrecht'). Dass sich nun Panätius auch mit diesem grammatischen Studium beschäftigt hat, liegt auf der Hand. Denn nicht nur als Stoiker überhaupt hatte er reichlich die Gelegenheit dieses kennen zu lernen, sondern er war auch der Schüler des Crates, der be- kanntlich gerade in der Sprachwissenschaft der bedeutendste Ver- treter der Schule war?). Nicht allein aber lernte er diese Studien nur kennen, sondern er wandte sie späterhin auch selbst an, wie seine Bemerkung über die Bildung des Plusquamper- fektums bei den Attikern und speziell bei Plato beweist®). Denn wenn sich aus dieser Bemerkung auch keine weiteren Schlüsse ziehen lassen, so zeigt sie doch sicher, dass er auch sprachliche Studien nicht ausser Acht gelassen hat. Ein weiterer Beweis hierfür sind auch seine Bestrebungen die Solöcismen und Bar- barismen der Schule zu verdrängen und durch Worte zu ersetzen, die dem griechischen Sprachgebrauch entnommen waren*). Dies führt uns schon darauf, dass er analog dem ganzen Charakter seiner Philosophie auch in der Sprachlehre und -Philosophie kein einseitiger Stoiker war. Hierfür liegt noch ein anderer Beweis vor. Die Stoiker und so auch Crates brachten bei der Erklärung Homers und der übrigen Dichter die allegorische Mythendeutung in Anwendung, da sie die Mythen derselben zwar für verkehrt hielten, sie dafür aber auch zu erklären Anstand nahmen. Pa- nätius verwarf diese Erklärungsmethode seines Lehrers gänzlich und pries dafür unumwunden die natürliche des Aristarch, der in allen Gebieten der Sprachwissenschaft der Gegner seines Lehrers war’). Daraus geht mit Sicherheit hervor, dass er auch 1) Vgl. hierüber Steinthal Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern 5. 357 ff?. 2) Vgl. S. 3 Anm. 5 u. Steinthal a. a. Ὁ. S. 485! ff. 3) Eustath. Od. 220 p. 1946, 22. 3) Vgl. Hirzel Unters. 118. S.378ff.; dass sich hier jedoch bei der Natur der Quellen nur wahrscheinliche Resultate erzielen lassen, ist selbstverständlich. 5) Athenaeus XIV p. 6944 Ἴων δ᾽ ὃ Χῖος ἐν Ὀμφάλῃ ὡς περὶ αὐλῶν λέγει διὰ τούτων ολυδός τε udyadıs αὐλὸς ἡγείσϑω βοῆς“ ὕπερ ἐξηγούμενος ἰαμβεῖον Ἡρίσταρχος ὃ γραμματιχός, ὃν μάντιν ἐχάλει Παναίτιος ö Ῥόδιος διὰ τὸ ῥᾳδίως χαταμαντεύεσϑαι τῆς τῶν ποιημάτων διανοίας. Wir haben nicht den geringsten Grund mit Hirzel Unters. II 258 Anm. diesen Ausspruch als Spott zu fassen, aber allen Grund zu dem Gegenteil. Es gab zwei Arten, wie gesagt, den Inhalt der Dichter zu erklären: die allegorische, welche Crates übte, und die ὲ — 208 — die Theorie des Aristarch kannte und zu ihr nicht in dem schroffen Gegensatze stand, den sein Lehrer und dessen getreue Anhänger einnahmen. Zwar besitzen wir nun nicht weitere Nachrichten von ihm über seine Stellung zu den weiteren Fragen der Sprachphilosophie; wenn wir aber bedenken, dass die römi- sche Sprachwissenschaft zum grössten Teil unter seinem Einfluss entstanden ist, und dass sie sowohl die Etymologie im weitesten Umfange treibt, als auch eine mittlere Richtung zwischen den beiden Principien der Analogie und Anomalie einzunehmen trachtet, so dürfen wir mit Sicherheit schliessen, dass er auch diese Studien in seiner vermittelnden Weise gepflegt hat, wenn vielleicht auch nicht in dem Mafse wie andere. Wir kommen zum letzten Abschnitte der Logik, der Erkennt- nistheorie und formalen Logik. Alles positive Wissen ist ein Produkt der sinnlichen Wahrnehmung und des Denkens. Wie jene zustande kommt, ist nicht näher überliefert, doch haben wir Grund zu der Annahme, dass er von der in der Stoa gewöhn- lichen Auffassung dieser Vorgänge nicht abgewichen ist!). Die Verwertung derselben geschieht durch die beiden Fähigkeiten des Gedächtnisses und des Schlussverfahrens. Infolge des ersteren bewahrt die Vernunft die zahlreichen verschiedenen Wahr- nehmungen in sich und schafft sich dadurch ein genügendes Material für die Thätigkeit des zweiten. Das Resultat dieser Thätigkeit ist die Erkenntnis des Wesens der Dinge und ihres natürliche des Aristarch, der den Dichter aus sich selbst erklärte. Panätius verwarf nun die allegorische Erklärung seines Lehrers vollständig; es blieb somit nur die Methode des Aristarch als die richtige übrig. Wenn also Pa- nätius den Aristarch einen Seher nannte, eben weil er so trefflich den Inhalt der Dichter zu erklären verstand, so ist es geradezu unmöglich, diesen Aus- spruch für Spott zu halten, da sich ja Panätius in diesem Falle selbst ver- spottet und widersprochen hätte. Das Wort „udvrıs“ hat ferner auch keines- wegs immer eine anrüchige Bedeutung im Munde des Panätius; denn wir haben gesehen, dass Panätius den Fachmann für den besten Seher erklärte. Warum er nun dieses Wort hier gebrauchte, können wir natürlich aus einer so kurzen Nachricht nicht erkennen; doch lag es gerade bei der Erklärung eines Dichterwerkes sehr nahe. ') Cie. de off. I 4, 14; de leg. I 10, 30. Genaueres lässt sich aus der letzteren Stelle: ea quae movent sensus ... sensibus eadem omnia compre- henduntur ... quaeque in animis imprimuntur ... incohatae intellegentiae etsq. nicht erschliessen. Diese Bemerkungen sind allgemein stoisch; vgl. Zeller Philos. d. Gr. IIIa. S. 71 ft. ee TE Sa ΔΑ͂Ν -- 209 — kausalen Zusammenhanges. Indem nämlich die Vernunft in dem gesammelten Materiale das Gleiche von dem Ungleichen scheidet und mit Gleichem verbindet, erkennt sie zunächst das Wesen der Dinge; und indem sie nach vorwärts und rückwärts dieselben betrachtet und beobachtet, kommt sie zur Erkenntnis von Ursache und Wirkung. Auf diese Weise gelangt sie schliesslich dazu das ganze Dasein, soweit es ihr möglich ist, zu begreifen'!). Ge- naueres ist über die Schlussbildung nicht überliefert. Die wich- tigste hierhergehörige Frage ist jedoch die nach dem Kriterium der Wahrheit. Dieses kann nur eine solche Vorstellung sein, welche wahr ist und nicht auch das Gegentheil anzeigt. Keine Vorstellung aber trägt die Gewissheit hierüber in sich; es kann daher auch keine Vorstellung als solche als Kriterium dienen. Ob sie eine solche ist oder nicht, muss und kann vielmehr nur die Vernunft (λόγος) entscheiden’). Befähigt demnach die Vernunft allein den Menschen die Wahrheit zu erforschen und zu erkennen, so muss die Erkennt- nis derselben auch allgemeine Gültigkeit besitzen. Nun erhebt sich die doppelte Frage: Worauf gründet sich 1. die Notwendig- keit der Anerkennung der Erkenntnis und 2. die Möglichkeit der verschiedenen Meinungen und des Irrtums? Die Antwort erhalten wir, wenn wir uns der vorhin dargelegten Unterscheidung des allge- meinen und des individuellen Denk- und Empfindungsvermögens des menschlichen Geistes erinnern: Alle wesentliche Erkenntnis beruht nicht auf dem letzteren, sondern auf jenem allen Menschen gemeinsamen Vermögen. Sie muss daher für alle Menschen bin- dend sein®). Die Verschiedenheit der Meinungen dagegen hat 1) Cie. 8. ἃ. Ὁ. I4, 11; 4, 13; 6, 18; II 5, 18; Polyb. VI6,4ff. Aus Cie. de fin. IV 28, 79 folgt nicht, wie Stein Psychol. der Stoa II S. 352 meint, dass Panätius die Dialektik vernachlässigt, sondern nur, dass er die Spitzfindig- keiten der Lehre überhaupt nicht gebilligt hat. Wir werden an anderen Stellen auch noch direkt diese Thatsache erweisen. 2) Den Nachweis hierfür können wir erst in einem anderen Zusammen- hange bringen; vgl. T. ΠῚ ἃ. Kap. 3. - 8) Cie. de off. I 30, 107: intellegendum etiam est duabus quasi nos ἃ natura indutos esse personis, quarum una communis est ex 60, quod omnes partiecipes sumus rationis praestantiaeque eius, qua antecellimus bestiis, a qua omne honestum decorumque trahitur et ex qua ratio inveniendi offieli κα ἡμὴ ritur. Dazu gehört auch die investigatio veri: Also hat in W ahrheit über- haupt alle Erkenntnis ihren Ursprung und ihre Verbindlichkeit in dieser Schmekel, mittlere Stoa. 14 offenbar in der individuellen Natur des Geistes ihren Grund. Denn lässt diese schon an und für sich verschiedenartige Auf- fassungen zu, so wird dies dadurch noch mehr bewirkt, dass sie durch sehr verschiedene Einflüsse von aussen zu verschiedenen Dispositionen gebracht wird!). Dies ist sicher auch der Grund für die Sinnestäuschungen und somit den Irrtum, da die Sinne als solche nicht täuschen’). Kap. 4. Ethik. $1. Das Ziel. Das höchste Gut oder das Ziel der menschlichen Thätigkeit ist die Glückseligkeit. Dieselbe entspringt aus dem naturgemässen Leben?). Da nun ein naturgemässes Leben ohne das natur- reinen und allen Menschen gleichen Vernunft. Vgl. auch de leg. I 10, 30: etenim ratio ... certe est communis, doctrina differens, discendi quidem ja- cultate par. Ist die discendi facultas bei allen gleich, so kann auch die Er- kenntnis nicht im Belieben eines jeden liegen. 1) Cie. de leg. I 17, 47 vgl. S. 53. Was hier gesagt wird, bezieht sich zunächst auf die verschiedene Auffassung in den ethischen Fragen; doch bei dem Zusammenhang aller Erkenntnis gilt es in ähnlicher Weise für die Erkenntnis überhaupt. 5) Cie. de leg. I 17, 47: hos (sc. sensus) natura certos putamus; vgl. ebds. auch e. 10, 30. Damit steht nicht im Widerspruche, was wir Cie. de div. II 43, 91 lesen: Chaldaei ... oculorum falacissimo sensu iudicant ea, quae ratione atque animo videre debebant. Bekanntlich hatte auch Chrysipp schon ein Werk über die Sinnestäuschungen geschrieben und darin die Thatsächlichkeit derselben so sehr hervorgehoben, dass dieses-Werk eine bequeme Fundgrube für Carneades wurde, um jenen daraus zu widerlegen (Cie. Acad. pr. II 27, 87; Plutarch. stoie. rep. ὁ. 10, 3 p. 1036); und dies hatte er gethan, trotzdem er lehrte, dass die Wahrnehmung als solche stets wahr sei. Die Täuschung tritt nach ihm erst infolge eines Schlusses, eines Urteils, ein, in dem überhaupt nur Wahrheit und Irrtum vorhanden ist; vgl. Zeller, Philos. ἃ. Gr. IIIa. 5. 77°: Panätius ist hier offenbar bei der Lehre seiner Schule geblieben, eine Lehre, die ja auch seit Aristoteles allge- mein anerkannt war. °) Stob. ecl. II p. 63 £.; ἔλεγεν ὃ Παναίτιος... τὰς ἀρετὰς πάσας ποιεῖσϑαν μὲν τέλος τὸ εὐδαιμονεῖν, ὅ ἐστι zeiusvov ἐν τῷ ζὴν ὁμολογουμένως τῇ φύσει. — 211 — gemässe Verhalten der Seele unmöglich ist, so ist dies das Ziel, nach dessen Erreichung gestrebt werden muss. Die menschliche Seele besitzt aber, wie wir gesehen haben, ein doppeltes Ver- mögen, das tierische und das spezifisch menschliche der Vernunft; diese hat ihrer natürlichen Bestimmung nach die Leitung: Das Vernunftgemässe ist daher notwendig das höchste Gut'), Wenn nun auch die Vernunft ihrem Wesen nach bei allen Menschen gleich ist, so sind doch die Grade ihrer Stärke sehr mannigfach. Diese Verschiedenheit entspricht offenbar dem Ver- hältnisse der Mischung des feurigen und des luftartigen Elementes der Seele. Daher sind auch zwei Arten hauptsächlich zu unter- scheiden: Die vollkommene und die unvollkommene Vernunft. Die vollkommene Vernunft ist gleich der göttlichen, birgt die volle Erkenntnis in sich und macht ihren Träger zum vollendeten Weisen. Ob diese Stufe dem Menschen erreichbar ist, bleibe dahingestellt; bei den Menschen der Wirklichkeit findet sie sich jedenfalls nicht. Ist nun aber die Vernunft so wesentlich ver- schieden, so muss auch das Vernunftgemässe in gleicher Weise verschieden sein. Es ergiebt sich also ein doppeltes höchstes Gut und demnach auch ein doppeltes Ziel: Das vollkommene des vollen- deten Weisen und das beschränkte, welches allen Menschen zu erreichen möglich ist?). 1) Clem. Alex. strom. II 21; 179, 14 Sylb.: πρὸς τούτοις ἔτι Παναίτιος τὸ ζὴν χατὰ τὰς δεδομένας ἡμῖν ἐκ φύσεως ἀφορμὰς τέλος ἀπεφήνατο. Vgl. auch die Erörterungen Hirzels hierüber, Unters. II S. 490 ff., 467 f. 2) Über eine solche Unterscheidung hat von einem anderen Gesichts- punkte aus Hirzel eingehend gehandelt, Unters. Il S.27Lff. Eine derartige Unterscheidung zwischen dem Weisen und den anderen Menschen giebt Cicero nach Panätius, wenn er die Menschen der Wirklichkeit und die voll- kommenen Weisen gegenüberstellt und die ersteren nur simulacra virtutis nennt (de off. I 15, 46). Ebenso beweist auch die Antwort des Panätius über die Liebe des Weisen bei Seneca ep. 116, 5 diese Unterscheidung. Da nun die Tugend ihrem Wesen nach Vernunft ist, kann bei den Menschen, die nur simulaera virtutis sind, auch nicht die Vernunft vollkommen sein. Eben dies bedeutet auch die imbecillitas in dem angeführten Ausspruche des Panätius über die Liebe. Ist dem so, dann muss folgerecht, wie gesagt, auch das sittlich Gute (z«Asv, honestum) doppelter Art sein, wie umgekehrt die thatsächliche Unterscheidung eines zweifachen καλόν auch die Unterscheidung zweier Arten von Weisen notwendig voraussetzt. Dies wird auch durch die Überlieferung bestätigt. Den Widerspruch nämlich, zu welchem die Dis- position des Panätius de off. I 3, 9 zu führen scheint, löst Cicero, wie wir 14* -- 212 — Das erste dieser beiden Ziele ist seiner Natur nach durchaus gleich und einheitlich; denn begrifflich kann bei der vollendeten Vernunft und dem entsprechenden χαλόν ein Unterschied nicht mehr stattfinden. Anders dagegen verhält es sich mit dem zweiten. Da die Vernunft des Menschen nicht eine absolut vollkommene ist und deswegen, dem Mischungsverhältnisse der Seelenelemente entsprechend, individuelle Unterschiede sowohl der Stärke wie der Art des Denkens und Empfindens nach vorhanden sind, so kann auch das Ziel nicht für alle seinem Inhalte nach dasselbe sein, sondern muss sich nach der individuellen Veranlagung verschieden gestalten!). Indes betrifft diese Verschiedenheit nicht das .eigent- liche Wesen derselben; denn dies ist bei allen gleich, deswegen weil es nicht in dem individuellen Denken und Empfinden an sich begründet ist?). Als höchstes Gut oder Ziel ergiebt sich also die absolute Vollendung der Vernunft für den Weisen und für die gewöhnlichen Menschen die vernunftgemässe Vollendung ihrer in- dividuellen Natur. $ 2. Die Tugend. a) Ihr Wesen. Das erreichte Ziel ist die Tugend. Es giebt also auch eine doppelte Tugend, eine vollkommene der Weisen und eine un- vollkommene der anderen Menschen. In ihrer innersten Natur stimmen beide überein, weil sie beide aus derselben Quelle, der Vernunft, entspringen. Da sie aber beide nach dem Grade ihrer Vollkommenheit durchaus verschieden sind, kann die un- vollkommene nur das Abbild der vollkommenen sein?). Diesem Wesen entsprechend sind ferner beide ein Wissen und natürlich die vollkommene Tugend ein vollendetes, die unvollkommene gezeigt haben (vgl. S. 28f.), offenbar nach Posidonius. Diese Lösung unter- scheidet ausdrücklich zwischen dem perfectum und secundum honestum, das sich mit jenem nicht deckt, sondern similitudo honesti ist, und ebenso zwischen dem vollkommenen Weisen und den anderen Menschen. Weiteres hierüber wird noch folgen. 1) Cie. de off. I 31, 110; vgl. vor. S. Anm. 1 und auch Hirzel, Unters. I 5. 430 ff. 2)..Gie. 2.8; Ὁ. 90; 107,32 210. ΘΟ οι ας τ», ΟΣ 15546: I153,71374716; «χῆραι er γε διό νόῳ. -- 218 — aber ein ihrem individuellen Mafse entsprechendes Wissen ἢ). Diese beiden Arten des Wissens sind jedoch wieder ihrem Wesen nach nicht verschieden. Denn da die Vernunft als solche stets gleich ist, kann auch das Wissen, das aus ihr entspringt, als solches niemals verschieden sein; nur der Umfang beider ist dem- nach ungleich 3). Ist nun die Tugend ein Wissen°), so folgt gleichzeitig, dass sie auch lehrbar ist. Hiermit ist die Möglichkeit sie zu erreichen vorausgesetzt, da beides innerlich zusammenhängt: Sie muss die freie That des Menschen sein, wenn sie angeeignet werden kann. Dies ist auch thatsächlich der Fall, weil ja die Vernunft, wie wir (S. 190ff.) gesehen haben, in dem ganzen Gebiet ihres Wirkens nicht von einem alles beherrschenden Verhängnisse bestimmt wird, sondern selbständig nach ihrer eigenen inneren Gesetzmässigkeit handelt. Eine andere Frage ist es aber, ob Panätius auch zuge- standen hat, dass jeder jede Tugend in gleicher Weise erreichen könne. Diese dürfen wir wohl deswegen verneinen, weil jeder nur sein individuelles Ziel erreichen kann®). Von selbst erhebt sich hier die Frage, ob es dem Menschen möglich ist, die voll- kommene Tugend zu erlangen und somit das Ideal des vollendeten Weisen zu verwirklichen. Eine bestimmte Äusserung liegt hier- über nicht vor, und gerade der Umstand, dass es erst der aus- drücklichen Auseinandersetzung seines Schülers bedurfte, um den wahren Standpunkt des Lehrers aufzuklären, lässt es als höchst wahrscheinlich erscheinen, dass er sich darüber überhaupt nicht bestimmt geäussert hatte. Wenn wir also auch nicht gerade an- nehmen können, dass er offen die Möglichkeit geleugnet hat, so können wir doch jedenfalls soviel aus seinem Verhalten erschlie- ssen, dass ihm dies Ideal sehr müssig erschienen ist?). 1) Cie. a.a. Ὁ ΠῚ 3, 13; 4, 17; I 31, 110 ff.; de leg. I 16, 45. Dies wird sich später noch weiter bestätigen. j 2) Dies folgt aus allem, was bis jetzt dagewesen ist, und wird noch weitere Stützen finden. 8) Dass sie nicht ein blosses Wissen ist, wird später zur Erörterung kommen. ἢ Das individuelle Ziel dürfte doch die eine oder die andere Tugend mehr berücksichtigen, ohne dadurch natürlich den Zusammenhang mit der ganzen Tugend zu lösen. Hierauf führt die Auseinandersetzung Ciceros de of. I 31, 110 Ε΄. und ebenso 32, 115; 15, 46. 5) Hirzel a. a. O. 5. 285, 1; 289 entscheidet sich für die Unmöglichkeit 214 -- Da also die Tugend auf der Vernunft beruht und alle der Vernunft theilhaftig sind, so folgt ferner, dass sie auch allgemein verbindlich, ἃ. ἢ. dass sie Pflicht ist. Höchstes Gut, Ziel, Tugend und Pflicht bedeuten ein und dasselbe und unterscheiden sich nur nach dem verschiedenen Standpunkte, den man zu dem Einen, dem Vernünftigen, einnimmt. Es muss somit auch wieder eine doppelte Pflicht geben, eine vollkommene (κατόρϑωμα) der Weisen, und die gewöhnliche oder mittlere (χκαϑῆκον) für die an- deren Menschen. Das χατόρϑωμα ist das schlechthin, das χαϑ- 1xov das bedingt Vernünftige!). Dieses steht daher zu jenem in demselben Verhältnisse wie die Tugend der übrigen Menschen zu der der Weisen’). des Weisen. Prineipiell ist dies wohl sicher der Fall, doch scheint es mir aus dem oben angegebenen Grunde richtiger, dass er es unbestimmt gelassen hat. Mit dieser ganzen Ansicht steht Cie. de leg. I 6, 18 u. 7, 22 ff. keines- wegs im Widerspruch; denn hier soll nur bewiesen werden, wie der Mensch infolge seiner ratio unter der vera lex, der reeta ratio, steht. Ausserdem waren dies auch überkommene und feststehende Syllogismen. 1) Cie. off. I 3, 8; IIL3, 14 ff., vgl. auch ἃ. folg. Anm. Hirzel, Unters. II S. 341 ff. Anm. sucht zu beweisen, dass in der Definition des μέσον χαϑῆχον bei Diog. VI1l107; Stob.1135, 12 ff. “τὸ ἀκόλουϑον ἐν ζωῇ, ὃ πραχϑὲν εὔλογον anokoyiav ἔχει εὔλογος die Bedeutung ‘wahrscheinlich’ habe. Dies ist unmöglich: Pa- nätius verstand unter dem μέσον χαϑῆχον die gesamte Tugend und gründete diese auf die Vernunft als solche, wie wir gesehen haben; vgl. auch die folg. Anm. Hätte also εὔλογος die Bedeutung ‘wahrscheinlich’, so würde er damit die gesamte Tugend, also auch alles Wissen auf die Wahrscheinlich- keit gegründet haben, was gegen die Thatsache streitet (vgl. S. 209, ferner die weitere Ausführung im Texte und im 3. Teile die Kapitel über die Er- kenntnistheorie und den Skeptizismus) und auch deswegen falsch ist, weil Panätius in diesem Falle einfach aufgehört hätte Stoiker zu sein und zur akademischen Schule übergegangen wäre. Auf die weiteren Irrtümer Hir- zels in dieser Lehre werden wir später zurückkommen. 5 Nach der Auffassung der älteren Stoiker unterscheiden sich, wie wir im dritten Teile sehen werden, das χατόρϑωμα und das μέσον χαϑῆχον derart, dass das erstere die tugendhafte Handlung umfasst, das letztere dagegen sich auf die mittleren Dinge, die προηγμένα, bezieht. also mit dem χατόρϑωμα nichts zu thun hat. Nun werden in der ganzen Darstellung Ciceros nur die μέσα χαϑήκοντα behandelt (13,7; III 3, 14), und gleichwohl umfasst dieselbe die ganze Tugend: Also können die Tugenden, insofern sie zu den μέσα χα- ϑήχοντα gehören, sich nicht mit denen decken, die κατορϑώματα sind, sondern müssen ihnen parallel sein, da sie ja beide das gleiche Gebiet betreffen. Demnach können auch nicht die χαϑήκοντα und χατορϑώματα zu gleicher Zeit für den Weisen bindend sein. Hiermit stimmt, was Cie. III 3, 15 schreibt: | # a j N υε »δσΥΣ I ne χα — 215 — Aus diesem Begriffe des καϑῆχον folgt zunächst, dass es sich inhaltlich ebenso verschieden gestalten wird, wie es die indivi- duelle Veranlagung mit sich bringt. So ist z. B. für den einen der Selbstmord gestattet und berechtigt, für den anderen dagegen unter den gleichen Umständen nicht!). Andererseits aber folgt auch, dass es als solches stets gleich ist. Es werden daher für dieselben Personen mit den Umständen die Pflichten wechseln, indem andere Umstände andere Pflichten erfordern, aber niemals wird die Pflicht selbst verändert?). b) Ihre Einteilung. Da die Tugend°) ihrem Wesen nach Vernunft ist, kann es cum autem aliquid actum est, in quo medium officium compareat, id eumu- late videtur perfectum propterea, quod volgus, quid absit a perfecto, non fere intellegit.... itaque cum sint doeti a peritis, desistunt facile sententia. Zwi- schen dem off. perf. und med. findet also nicht ein Art-, sondern nur ein Gradunterschied statt. Dies liegt auch in der Natur der Sache. Nach 1 80, 107 beruht alle Pflicht auf der Vernunft als solcher; es kann somit zwischen beiden Arten der Pflicht nur ein Gradunterschied vorhanden sein. Unmög- lich ist es daher dem wahrhaft Weisen die χαϑήχοντα neben den χατορϑώ- uere zuzusprechen. Dies geht auch mit Gewissheit aus III 3, 13 hervor: illud ... Aonestum, quod proprie vereque dieitur, id in sapientibus est solis .. in 115 autem, in quibus sapientia perfecta non est ... perfeetum honestum nullo modo, similitudines honesti esse possunt. haee enim offieia ... media . communia sunt et late patent... $ 17: id quod communiter appellamus honestum, quod colitur ab üs qui bonos se viros haberi volunt etsq. Diese Worte beweisen sowohl, dass nur ein Gradunterschied zwischen dem off. perf. und med. stattfindet, als auch dass deswegen das off. med. für den Weisen erster Klasse nicht bindend ist. Denn da das off. med. in Bezug auf das off. perf. unvollkommen ist, so würde der Weise zu gleicher Zeit die vollkommenen und unvollkommenen Pflichten erfüllen müssen, was ein Widerspruch in sich ist. Wenn daher Cicero hier schreibt ΠῚ 4, 15: haee ... offieia, de quibus his libris disserimus, quasi secunda quaedam honesta esse dicunt, non sapientium modo propria, sed cum omni hominum genere ecommunia, so können die letzten Worte nur undeutlich gefasst sein und in Wahrheit be- deuten, dass die χαϑήχοντα nicht wie die χατορϑώματα nur auf eine kleine Zahl von Menschen beschränkt sind, sondern für das ganze Menschen- geschlecht gelten. Zu berücksichtigen ist übrigens, dass sich Cicero hier an den Bericht des Posidonius hält, der seinerseits die prineipielle Möglichkeit des Weisen aufrecht hielt, wie wir später sehen werden, und sie offenbar auch für Panätius verteidigte. 1) Cie. de off. I 31, 113; vgl. auch 5. 39 ff. BrBier ἃ. O.T 10, 31. 3) Wir berücksichtigen fortan nur die zweite Art der Tugend, nicht die vollkommene. auch nur eine Tugend geben. Aber je nachdem sich diese nur auf sich selbst oder die Erforschung der Wahrheit bezieht, oder ihre Verwirklichung im praktischen Leben zum Zwecke hat, zer- fällt sie in die theoretische und praktische!). Diese Verschieden- heit bedingt auch eine Verschiedenheit ihrer Erscheinungs- weise. Während nämlich die theoretische Tugend nur im Denken besteht, besteht die praktische aus Denken und dem ent- sprechenden Handeln?). Insoweit sie nun Wissen ist, ist sie naturgemäss auch lehrbar; insoweit sie aber ein entsprechendes Handeln fordert, ist sie nur durch Übung zu erreichen?). Näher betrachtet zerfällt diese letztere wieder in zwei Teile, je nachdem sie sich auf die eigene Persönlichkeit allein oder auf das Verhältnis derselben zu den Mitmenschen bezieht. Wir haben demnach im ganzen eine dreifache Tugend: die theoretische oder die Tugend der Weisheit (σοφία), die Tugend des eigenen Ichs in Bezug auf sich selbst (σωφροσύνη) und drittens die Tugend in Bezug auf die menschliche Gesellschaft. Die Weisheit ist das richtige Ver- halten der Vernunft in Bezug auf sich selbst und hat die Er- kenntnis der gesamten Wahrheit zum Inhalte. Diese umfasst die Dialektik, Physik und Ethik. Lehrt die erstere von diesen die Ge- setze des Denkens zur Beurteilung der Wahrheit kennen, so geht die zweite auf das Verhältnis des Menschen zur Gottheit, die dritte auf das zu den Menschen. Hieraus ergiebt sich seine Stellung und Aufgabe in der menschlichen Gesellschaft.*) Die erste derselben ist ') Diog. VII 92: Παναίτιος μὲν οὖν δύο φησὶν ἀρετάς, ϑεωρητιχὴν χαὶ πρα- χτίχη».-. Cic; 8..ἃ. Ὁ. Τὶ 5, 17; 6, 19: 7, 20. 5) Cie. ἃ. a. Ὁ.1 ὅ, 17: ea... versantur in eo genere, ad quod est ad- hibenda actio quaedam, non solum mentis agitatio u. bes. $ 19: omnis autem cogitatio motusque animi aut in consiliis capiendis de rebus honestis et per- tinentibus ad bene beateque vivendum aut in studiis seientiae eognitionisque versabitur. Diese Stelle lehrt den engen Zusammenhang und das innere Verhältnis beider Tugenden. Bestätigt wird dasselbe durch die Ausführung über die einzelnen Tugenden, vgl. z.B. $ 66. 5) Cie.a.a.0. 118,60; vgl. auch Cieeros Abhandlung über die Tapferkeit. *) Cie. de off. 16, 19: quibus vitiis deelinatis quod in rebus honestis et cognitione dignis operae euraeque ponetur, id iure laudabitur, ut in astro- logia C. Sulpieium audivimus, in geometria Sex. Pompeium ipsi cognovimus, multos in dialeetieis, plures in iure eivili; quae omnes artes in veri investigatione versantur. Dass die Ethik hier in dem ius eivile verborgen ist, geht aus II 5, 18 hervor, wo deren Inhalt genauer angegeben ist. Ebenso erfahren u... δ y "Ὁ μὶ 2 ἼΣ ie τ ἡ er 2 die σωφροσύνη. Sie besteht in dem richtigen Verhalten der Seelen- teile oder Seelenvermögen zu einander, also in der Unterordnung der Triebe unter die Vernunft!). Die andere richtet sich auf die Erhaltung der menschlichen Gemeinschaft. Die richtige Bethätigung für dieselbe ist natürlich nur auf Grund der vorigen möglich und umfasst die beiden anderen Haupttugenden, die Gerechtigkeit und Tapferkeit (ἀνδρεία). Die Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) zerfällt wieder- um in die eigentliche Gerechtigkeit und die Wohlthätigkeit (ἐλευ- ϑεριόνης). Die Gerechtigkeit als solche ist die Tugend, welche jedem das Seine zuerteilt?), sie ist also wesentlich passiv. Ihre Ergänzung ist darum die Wohlthätigkeit, die jedwede Art der Unterstützung eines anderen in sich schliesst und nach Massgabe der Würdigkeit und Bedürftigkeit geübt wird (vgl. 5. 31f.). Die Tapferkeit endlich ist die Hochherzigkeit, welche für die Verwirk- lichung der Gerechtigkeit im Frieden sowohl wie im Kriege ein- tritt und somit wesentlich in jedem Handeln erscheint?). Diese wir dort Genaueres über die Dialektik. Die Astronomie und Geometrie weisen selbstverständlich auf die Physik hin; wenn Cicero diese hier gerade nennt, so ist es mehr wie klar, auf welche Weise er dazu gekommen ist. Panätius hatte diesen Gegenstand im ersten Buche seiner Pflichtenlehre entwickelt und daraus die Pflichten der Ethik in den beiden folgenden Büchern abgeleitet, wie wir S. 26f. 46 nachgewiesen haben; vgl. auch Cicero a. a. Ὁ. I 26, 90 ex.; de leg. I 7, 21ff. Es ergiebt sich hieraus auch, dass es ein Grundirrtum ist, dem Panätius die eingehende Pflege der Dialektik und Physik abzusprechen. Nicht zufällig ist es daher, dass die Untersuchung über den Staat bei Cie. de rep. I 10, 15ff. mit einem naturwissenschaftlichen Problem beginnt. Die Beziehung dieser Frage zu dem Gegenstande, der daselbst behandelt werden soll, ist klar und auch schon früher zur Sprache gekommen (S. 68). 1) Vgl. 5. 39f. 42 u. die spätere Darstellung. 2) Cie. de off. I 7, 20 ff. vgl. S. 30f. Das suum cuique zu verletzen ist gegen das natürliche Recht, also das Gegenteil Gerechtigkeit. Übrigens ist dies die gewöhnliche stoische Definition; Stob. 60]. II p. 59, 9W. Vgl. auch den Abschnitt über den Inhalt der Tugend. 3) Vgl. den Abschnitt über die Tapferkeit 5. 82 ff. Eine Geringschätzung der Tapferkeit ist hiermit keineswegs ausgesprochen; im Gegenteil ist die wahre Tapferkeit ja gerade so erhaben wie die Gerechtigkeit. Mit Hirzel, Unters. II S. 348 ff. auf eine solehe Geringschätzung aus de off. I 16, 50 zu schliessen ist abgesehen von der obigen Erörterung schon darum ur möglich, weil diese hier erwähnte Tapferkeit gar nicht auf der Vernunft beruht, also auch keine Tugend ist und mit der wahren Tapferkeit nur den Namen und den Schein gemeinsam hat; vgl. auch T. III. Kap. 4 Schl. --,ἭἬ 2185 -- Auffassung der Tapferkeit ermöglicht es auch, dass jeder, natür- lich nach seinem Mafse, dieser Tugend teilhaftig sein kann, wie es auch im Begriffe der Tugend liegt (s. S. 35). c) Ihr Inhalt. Die Tugend als die vernunftgemässe Beschaffenheit der Seele offenbart sich also als das richtige Verhalten sowohl in Bezug auf die wissenschaftliche Forschung wie auch die praktische Thätigkeit. Dieses richtige Verhalten besteht nun allemal in dem Innehalten der Mitte zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig. Die- ses folgt zunächst aus dem Wesen des Vernunftgemässen, welches nach beiden Seiten das richtige Mass zu überschreiten verbietet), und wird ferner auch bei den einzelnen Tugenden bestätigt. So ist zuerst die theoretische Tugend die Mitte zwischen dem sorg- losen und übertriebenen Forschen; beides sind daher Fehler’), die auf dem Verkennen des richtigen Wertes des Wissens beruhen. Gegenüber dem sorglosen und oberflächlichen Wissen und For- schen ist der hohe Wert desselben zu betonen, da gerade die Vervollkommnung der Einsicht und das Streben nach Erkenntnis der Wahrheit am meisten der menschlichen Natur entsprechen und allein das richtige Verständnis für unsere Stellung und Haltung bringen. Aber gegenüber einem unfruchtbaren Studieren und Grübeln über unnötige und zu schwierige Dinge muss man die Beschränktheit der menschlichen Erkenntnisfähigkeit bedenken, sowie auch dieses, dass unsere Aufgabe nicht nur im Erkennen, sondern auch im Handeln besteht, und dass demnach die prak- tische Pflicht nicht vernachlässigt werden darf?). Die Sophrosyne zweitens erscheint in dem richtigen Verhalten ') Vgl. Cie. de off. I 27, 96 und dazu 5. 37. Ebenso geht dies auch aus dem Lobe hervor, welches Panätius der Schrift Crantors zollt bei Cie. acad. pr. II 44, 135. 2), Cierde ὉΠ: 5 6; 18: 3) Vgl. die vor. Anm.; ferner ΟἿἷο.1. 1. I 4,12; 6, 19: 9,28 u.s.w. Dies liegt in der Konsequenz der Auffassung vom Werte des Wissens, in der Panätius mit den Stoikern insgesamt übereinstimmt. Wenn aber Hirzel (Unters. 118 S. 512, 1) meint, unter den zu schwierigen und unnötigen Sachen sei die Erforschung der Welt und der Götter verstanden, so widerlegt sich diese Annahme durch die Thatsache, dass Panätius hierüber gerade sehr eingehende Untersuchungen angestellt hat (Cie. de rep. I 10, 15), worauf Hirzel gar nicht geachtet hat. Natürlich fällt damit auch seine weitere Kombination. Wer — 219 — der Seelenteile unter einander oder genauer gesagt in der willigen und völligen Unterordnung derselben unter die Vernunft (vel. 8. 216). Diese findet nur dann statt, wenn die Triebe die richtige Mitte zwischen der zu heftigen und zu schwachen Thätigkeit, dem Begehren und Entsagen, innehalten!). Sie zerfällt in vier Unterabteilungen: ἐγχράτεια, αἰδημοσύνη, κοσμιότης und εὐταξία. Die ἐγχρατεια ist diejenige Tugend, welche den Menschen weder nach seiner tierischen noch nach seiner geistigen Natur das durch seine Individualität bestimmte Mass überschreiten lässt und so bewirkt, dass er weder den Leidenschaften fröhnt, noch auch danach trachtet, über seine geistige Fähigkeit hinauszugehen und etwas, selbst wenn es das Bessere ist, zu erstreben, wozu er von Natur nicht imstande ist. Sie verleiht daher das Gleich- gewicht der Seele und damit Ruhe und Standhaftigkeit?). Das Spiegelbild derselben im äusseren Verhalten ist die αἰδη- woovvn°). Schon dieser Grund bedingt es, dass auch sie wieder eine Mitte zwischen zwei Fehlern ist, wenngleich uns bei Cicero nur das eine Extrem vorliegt, die Schamlosigkeit‘). Diese weist ἢ jedoch ihrer Natur nach schon auf das andere Extrem, die Schüch- ternheit, hin. Und dass dies wirklich der Fall ist, beweist der Umstand, dass für die ihr untergeordneten Tugenden die Bestim- mung der Mitten wieder vorliegt. Dies ist zunächst die κοσμιότης, welche die Haltung und Unterhaltung umfasst (vgl. S. 42f.). Sie ist die Mitte zwischen dem Weichlichen und Weibischen einerseits und dem Rohen und Bäurischen andererseits’). Ebenso wie sie selbst werden dementsprechend auch alle ihre Unterabteilungen als Mitten zwischen zwei Fehlern bestimmt). 1) Cie. de off. I 29, 102 f.: effieiendum autem est, ut appetitus rationi oboediant eamgue neque praecurrant nec propter pigritiam aut ignaviam deserant sintque tranquilli atque omni animi perturbatione careant; ex quo elucebit omnis constantia omnisque moderatio. nam qui appetitus longius evagantur et tamquam exsultantes sive cupiendo sive fugiendo non satis ἃ ratione retinentur, ii sine dubio finem et modum transeunt. 3) Vgl. Cie. 1. 1. I 30,105 — 31,114 und dazu 5. 38 ff. 42. 3) Cie. 1. 1. 29, 102; 36, 131m. 4) Cie. 1.1. 35, 127; 41, 148. Dieses Extrem wird eben durch die Cyniker vertreten. 5) Cie. 1.1.35, 129; quibus in rebus duo maxime sunt fugienda: ne quid effeminatum aut molle et ne quid durum aut rustieum sit. 6) Vgl. die Vorschriften über die Gestikulation, Kleidung, Gang, Sauber- keit bei Cie. 1. 1. 36, 130; 131; sowie über die Sprache ib. 37, 133; 38, 136. = 90 ΞΞ Die letzte hierher gehörige Tugend ist die εὐταξία, welche die Vorschriften über das Handeln giebt. Auch in diesen erfahren wir sofort, dass man bei der Ausführung einer Handlung dar- auf Bedacht nehmen müsse, weder zu viel noch zu wenig Mühe zu verwenden!). Und die Definition der εὐταξία selbst betont gerade jedes nur am geeigneten Orte und zu geeigneter Zeit zu thun, worin augenscheinlich schon die Bestimmung enthalten ist, weder nach der einen noch nach der anderen Seite über das Mass hinauszugehen?). Wir kommen zur dritten Haupttugend, der Gerechtigkeit. Sie ist die Mitte zwischen der allgemeinen Menschenliebe, die das Wohl des Nächsten in gleicher Weise wie das eigene berück- sichtigt, und der Eigenliebe, die nur den eigenen Vorteil sucht. Da nämlich die Vernunft allen Menschen zu Teil geworden ist, sind alle von Natur verwandt?); und da dieselbe Vernunft auch das oberste Gesetz alles Handelns ist, so ist naturgemäss für alle Menschen ein und dasselbe recht und gut‘). Schlecht und völlig verkehrt ist daher die Selbstsucht, die nur auf den eigenen Nutzen bedacht ist und selbst mit bewusster Schädigung der Nebenmen- schen nach eigenem Vorteile trachtet?). Wenn nun diese dem- nach des Menschen unwürdig ist, so geht doch auch jene all- gemeine Liebe, welche für das Wohl der anderen in gleicher Weise wie für das eigene sorgt, über das gewöhnliche Können der Menschen hinaus. Nur bei den wirklichen Weisen wird sie vor- handen sein, weil ihre Vernunft vollkommen und dementsprechend ihnen auch absolut alles gemeinsam ist. In der Natur der ge- wöhnlichen Menschen liegt es aber, zunächst und zumeist immer das zu fühlen, was sie selbst angeht. So ergiebt sich als das Gesetz des Handelns die Billigkeit, welche in der Mitte zwischen beiden beide berücksichtigt, sowohl das eigene Wohl als auch das der anderen. Die Billigkeit aber deckt sich mit dem Wesen ') Cie. 1.1. 39, 141. Auch die dritte der hier stehenden Bestimmungen betont das richtige Masshalten. 2) Cie. 1. 1. 40, 142 f. °) Dies wird sehr häufig ausgeführt; vgl. Cie. 1.1. 1 16, 50 und besonders de leg. I 7, 22; 10, 28 ft. *) Cie. de leg. I 6, 18; de rep. III 22, 33. Dies wird in de leg. I u. de rep. III erwiesen; vgl. 5. 47 f. °) Cie. de leg. I14, 40 ff.; de rep. III 26, 38 Εἰ, wo gegen dieses Prineip des Carneades gestritten wird. RT EI Ξ᾿ θ- der Gerechtigkeit‘): Demnach ist in Wahrheit die Gerechtigkeit die Mitte zwischen der allgemeinen Liebe und der Eigenliebe oder Selbstsucht. Innerlich mit dieser Tugend verwandt ist die Wohlthätigkeit. Diese ist der Natur entsprechend die Mitte zwischen dem Geiz - und der Verschwendung). Schimpflicher ist der Geiz?); die Ver- schwendung aber ist deswegen verwerflich und verkehrt, weil sie die eigenen Mittel vernichtet und dadurch nicht nur die Unfähig- keit wohlzuthun herbeiführt, sondern schliesslich auch zum Stehlen Veranlassung wird‘). Die vierte Haupttugend ist die Tapferkeit. Sie ist der mit Hochherzigkeit gepaarte Mut, welcher für das sittlich Gute ein- tritt (Vgl. S. 217). Doch ist nicht jeder derartige Mut als solcher schon Tugend, sondern nur der, welcher zwischen der Feigheit und Verwegenheit die Mitte bewahrt. Diese zu bewahren lehrt die Überlegung dessen, was allemal zu vollbringen ist?). δ 3. Glückseligkeit. Ist also die Tugend das naturgemässe Verhalten der Seele und beruht auf dem naturgemässen Leben die Glückseligkeit ἢ Cicero de off. 19, 29 ff.: Quoniam igitur duobus generibus iniustitiae propositis adiunximus causas utriusque generis easque res ante constituimus, quibus iustitia contineretur, facile quod euiusque temporis offieium sit po- terimus, nisi nosmet ipsos valde amabimus, tudicare. est enim diffielis cura re- rum alienarum ... sed tamen, quia magis ea percipimus atque sentimus, quae nobis ipsis aut prospera aut adversa eveniunt quam illa quae ceteris ... ali- ter de illis ac de nobis iudicamus. quocirca bene praecipiunt qui vetant quic- quam agere, quod dubites aeguum sit an iniquum. Vgl. S. 30f. u. auch Ciceros Abhandlung über die caritas 1. 1. II 7, 23 ff. 2) Cie. 1. 1. II 15, 55: nec ita elaudenda res est familiaris, ut eam be- nignitas apperire non possit, nec ita reseranda, ut pateat omnibus: modus adhibeatur isque referatur ad facultates; vgl. I 14, 42. ΠΕ ΠῚ U 22,73; vgl. 17, 24. #) Cie. 1: 1. D 15, 54 und I 14, 44. 5) Cie. 1. 1. 21, 73: ad rem gerendam autem qui accedit, caveat πὸ id modo consideret, quam illa res honesta sit, sed etiam ut habeat facultatem. in quo ipso considerandum est, ne aut temere desperet propter ignaviaın aut nimis confidat propter eupiditatem. in omnibus autem negotiis, prius- _ quam aggrediare, adhibenda est praeparatio diligens. Ferner e. 24, 83: nun- quam periculi fuga committendum est, ut imbelles timidique videamur, sed fugiendum illud etiam, ne offeramus nos periculis sine causa. 4 -- 222 -- (Vgl. S. 210), so folgt, dass die Glückseligkeit mit der Tugend notwendig verbunden ist und durch sie gewirkt wird. Es ist daher auch nichts wahrhaft gut und nützlich, was nicht tugend- haft ist, und demgemäss wahrhaft schlecht auch nur das, was. diesem entgegengesetzt ist!. Wenn es nun aber auch unzweifel- haft ist, dass die Tugend allein die Glückseligkeit wirken kann, so bleibt noch die Frage offen, ob sie allein auch schon dazu genügt. Dies zu entscheiden lehrt die Natur der Seele. Diese besteht wesentlich aus zwei Teilen, der Vernunft und dem un- vernünftigen Vermögen. Die erstere hat die Pflicht für die Be- dürfnisse des letzteren zu sorgen, so weit solche berechtigt sind, und nur die Triebe, die darüber hinausgehen, zu unterdrücken. Die vernünftige Pflege des Körpers ist also naturgemäss. Der Zweck der naturgemässen Pflege des Körpers ist die Gesundheit?) und die Mittel, für sie zu sorgen, einmal der Besitz und dann besonders die Neigung der Mitmenschen, durch welche aller Nutzen vermittelt und aller Nachteil verhütet wird®). Diese selbst ist hinsichtlich ihrer Ausdehnung sehr verschieden und erstreckt sich nach der geistigen Fähigkeit bei dem einen nur auf einen engen Kreis, bei dem anderen ausser auf einen solchen auch mehr oder weniger auf die Gesamtheit der Angehörigen eines Staates. So- weit sie sich nur auf einen engen Kreis bezieht, ist sie Freund- schaft; soweit sie aber die Gesamtheit des Staates oder noch weitere Kreise umfasst, ist sie der wahre Ruhm, die umfassendere Freundschaft®). Gesundheit, Besitz und Freundschaft oder wahrer Ruhm sind also vollkommen naturgemäss und nicht ausserhalb der Tugend, sondern in gewisser Weise in ihr eingeschlossen). 1) Cie. 1. 1. DI 7, 34; de leg. I 17, 46; de rep. III 26, 38. 2) Cie. de off. I 30, 106. 8) Οἷο. 1. 1. Π 8.11 ---ὅ, 17. τ) Gie.2l 1. 118. 291 5) Cie. 1. 1. II 5, 18: etenim virtus omnis tribus in rebus fere vertitur, quarum ...tertium 115, quibuscum congregemur uti moderate et seienter, quorum studiis ea, quae natura desiderat, expleta cumulataque habemus, per eosdemque si quid nobis importetur incommodi, propulsemus uleisca- murque eos, qui nocere nobis conati sint etsq. Dieses ist eben das Gebiet des im zweiten Buche Ciceros behandelten utile, das von der Tugend un- zertrennlich ist. Auf den Erwerb resp. Besitz sowie auf die Gesundheit ist Panätius nicht genauer eingegangen; er hat sie nur gelegentlich berührt (vgl. z. B. über den Besitz I 26, 92; über die Gesundheit die Anm. 1 ange- 3 Diese sind demnach zur Verwirklichung der Glückseligkeit auch notwendig'),,. Was dagegen der Tugend widerstreitet, ist, auch wenn es nützlich und gut zu sein scheint, doch nicht der Art und darum auch nicht imstande durch seine Anwesenheit oder Abwesenheit das Leben gut und schön oder schlecht und unselig zu machen’). Das naturgemässe Verhalten der Seele ist die Tugend und der Zweck der naturgemässen Pflege des Körpers die Gesundheit; Von selbst führen uns diese Bestimmungen auf die Frage nach dem Wesen der Lust und ihrem Werte. Zunächst haben wir eine zweifache Lust zu unterscheiden, eine geistige und eine körperliche. Die geistige entspringt aus der Thätigkeit des Gei- stes und äussert sich wesentlich als Freude und Befriedigung. Sie ist eine edle und dem Menschen durchaus geziemende Empfin- dung°); dass sie jedoch nicht Zweck und Ziel sein darf, braucht nicht mehr bewiesen zu werden. Die zweite Art ist die körper- führte Stelle und II 3, 12, [Klohe]); dagegen hat er den dritten hierher ge- hörigen Punkt eingehend behandelt, wie S. 20ff. 46 nachgewiesen ist. Anti- pater vermisste daher die Vorschriften über die Gesundheit und den Erwerb. Dass übrigens die Freundschaft oder der wahre Ruhm nicht bloss praktischen Nutzen haben soll, ist ganz selbstverständlich. Der Nutzen liegt hier viel- mehr in der geistigen Sphäre. Richtig hat dies auch Klohe gedeutet p. 35. 1) Diog. VII 128: ὅ μέν τοι Παναίτιος καὶ Ποσειδώνιος οὐκ αὐτάρχη λέγουσι τὴν ἀρετήν, ἀλλὰ χρείαν εἶναί φασιν χαὶ ὑγιείας καὶ ἰσχύος καὶ χορηγίας. Es ist klar, dass sich αϊθ᾽ ἰσχύς mit dem wahren Ruhm oder der Freundschaft deckt, Diese Nachricht wird also durch Cieero (vgl. die vorige Anm.) vollauf be- stätigt. Noch eine weitere Stelle spricht hierfür, von dem ganzen Zusammen- hange abgesehen, nämlich Cie. de off. III 3, 13: etenim quod summum bo- num a stoieis dieitur, eonvenienter naturae vivere, id habet hanc, ut opi- nor, sententiam, cum virtute congruere semper, cetera autem, qua® secundum naturam essent, ita legere, si ea virtuti non repugnarent. Denn wenn die letzteren zum naturgemässen Leben gehören, so sind sie auch zur Glück- seligkeit erforderlich. Die Nachricht des Diog. ist also nur insoweit nicht genau, als sie Gesundheit, Ansehn und Besitz neben die Tugend und nicht in Abhängigkeit von ihr setzt, wie es nach Cicero notwendig ist. Seneca ep. 87, 35 spricht hiergegen nicht. Zellers Ansicht Philos. d. Gr. Illa. -S. 561, 13 ist daher nicht haltbar; vgl. auch Hirzels Widerlegung derselben Unters. II. S. 261. Die, 5: a. ©. DI 3, 12. 3 3) Cie. a.a.0. I4, 13; 30, 105. de leg. I 11,31; Sext. Emp. adv. Math. XI 73. Ob Panätius beide Arten der Lust mit demselben Namen bezeichnet hat, ist unbestimmt. --Ἠ, 224 — liche Lust, die ihren Sitz in den Sinnen hat (vgl. S. 200), also auch mit der Thätigkeit der Sinne verbunden ist. Da nun die Be- friedigung der Triebe, soweit sie berechtigt sind, naturgemäss und notwendig ist, so folgt, dass auch die sinnliche Lust ebenso ein Zuwachs der sinnlichen Thätigkeit ist, wie die geistige der der geistigen. Deswegen ist auch die Ansicht derer ebenso falsch, welche sie ganz ausgerottet wissen wollen, wie die derjenigen, welche sie zum Ziel aller Thätigkeit erheben. Folgerecht wird daher auch der Schmerz für etwas Naturwidriges und deswegen mit Recht für etwas Unliebsames gehalten: Die Apathie und Analgesie sind nicht naturgemäss?). !) Aus der Natur des Menschen wird de off. 1 80, 105 geschlossen: cor- poris voluptatem non satis esse dignam hominis praestantia eamque con- temni et reici oportere; doch heisst dies nicht, dass sie ganz ausgerottet, sondern nur, dass sie zurückgedrängt werden muss und nicht Zweck sein darf, wie das Nachfolgende zeigt. Auch de leg. I 11, 31 wird daher das Trachten nach sinnlicher Lust als Verkehrtheit bezeichnet; doch lesen wir ebds. von ihr: tamen habet quiddam simile naturali bono. Klarer tritt uns seine Meinung aus Gellius Noct. Att. XII 5, 10 ff. entgegen. Die Verwerfung der ἀπάϑεια und ἀναλγησία hängt in ihrer Begründung mit der vorher ent- wickelten Lehre von Lust und Schmerz zusammen. Wir lesen $ 8: recens natus homo... a natura... a dolere... quasi a gravi quodam inimico abiunctus alienatusque est, und bei Cie. de fin. IV 9, 23: itaque ... Panae- tius, cum ad @. Tuberonem de dolore patiendo sceriberet, quod esse caput debebat, si probari posset, nusquam posuit, non esse malum dolorem, sed quid est et quale, guantumque in eo esset alieni etsq. Da beide von einan- der in der Wiedergabe der Lehre unabhängig sind, haben wir hier offen- bar in der Bezeichnung ‘alienum’ die Übersetzung desselben griechischen Aus- drucks und demnach im Gellius die Ansicht des Panätius vor uns. Zunächst wird nun am Anfange dieses Berichtes $ 7 die Selbstliebe des Kindes als erster Trieb hingestellt, deren Folge es sei, dass sich das Kind über das ihm Zuträgliche freue, das Schädliche fliehe. Dann lesen wir nach der Aus- einandersetzung dessen, was gut, schlecht und keines von beiden ist, mit offenbarer Beziehung auf den angegebenen Anfang des Berichts: proptera voluptas quoque et dolor ... et in mediis relieta et neque in bonis neque in malis iudicatae sunt. sed enim quoniam his primis sensibus doloris vo- luptatisque ante consilii et rationis exortum recens natus homo imbutus est et voluptati quidem a natura conciliatus, a dolore autem quasi a gravi quo- dam inimico abiunetus alienatusque est: ideirco adfeetiones istas primitus penitusque inditas ratio ipsi addita convellere ab stirpe atque extinguere vix potest. pugnat autem cum his semper et exsultantis eas opprimit opte- ritque et parere 5101 atque oboedire cogit. Vgl. zu den letzten Bemerkungen Cie. de rep. III 24, 36; 25, 37. Hirzel Unters. IIa. S. 451 ff. fasst gleich- falls, wenn auch aus anderen Gründen, diese ganze Stelle des Gellius als Lehre des Panätius auf. ἮΝ - Kap. 5, Staatslehre. Alle Menschen sind unter einander und mit den Göttern auf Grund ihrer- Vernunft verwandt. Sie bilden daher ein grosses Gemeinwesen, dessen oberste Leiterin eben die göttliche Vernunft δὶ ἢ)... Diese Natur der Vernunft bedingt nun ebenso wie das Verhalten der einzelnen zu einander so auch das gesamte slaat- liche Leben der Wirklichkeit. Der Staat hat sich also nicht etwa auf Grund eines Vertrages, sondern aus der Natur des Menschen heraus entwickelt: Die einende und Geselligkeit wirkende Kraft der Vernunft ist der zureichende Grund seiner Enstehung. Darum ist auch der naturgemässe Zweck desselben die Verwirklichung des Zieles der Menschen oder mit anderen Worten die Verwirk- lichung der Tugend und dadurch der Glückseligkeit seiner Bürger’). | - Die geistige Einheit des Staates kommt nun in der Verfassung zur Erscheinung. Die Güte einer solchen lässt sich also auch nur daran beurteilen, in welchem Mafse sie den Grund und Zweck des staatlichen Lebens zur Geltung kommen lässt: Wo die Ge- rechtigkeit das leitende Motiv der Staatsverwaltung ist, da haben wir eine gute Verfassung; wo aber die Eigennützigkeit regiert, das Gegenteil. Die Verwaltung kann nun entweder einem Manne oder mehreren oder dem-ganzenVolke übertragen werden, und daher kann es auch drei verschiedene Arten der Verfassung geben. Weil aber jede dieser drei Arten sowohl gut als auch schlecht sein kann, so sind im ganzen ‚sechs verschiedene Verfassungen möglich: Königtum, Aristokratie, Demokratie, Tyrannis, Oligarchie und Ochlokratie. Je nachdem diese also das Gute entweder fördern oder unterdrücken; sind sie in ihrem Werte verschieden. Die beste von ihnen ist das Königtum, das über dem Wohle des Staates ως ἢ Die Nachweise hierfür wie für den grössten Teil der nachfolgenden Darstellung finden sich ausführlich in dem zweiten und dritten Kapitel des ersten Teiles_und brauchen daher hier nieht noch einmal wiederholt zu werden. 2) Cie. de rep. III 3, 3; die Stelle ist offenbar aus dem ersten Buche wiederholt und bietet auch an sich Selbstverständliches. Schmekel, mittlere Stoa. 15 — 226 -- wacht, wie die Vernunft über dem Menschen. Den zweiten Rang nimmt die Aristokratie ein, die die königliche Gewalt auf meh- rere verteilt. Ihr folgt die Demokratie. Umgekehrt kommen die drei schlechten, so dass von diesen die beste die Ochlokratie und die schlechteste die Tyrannis ist. Aber auch die guten sind nicht ganz fehlerlos. So verteilt die Königsherrschaft das Recht zu wenig gleichmässig zwischen dem Könige und den Bürgern. In der Aristokratie besitzt der Bürgerstand kaum irgend welche Freiheit, wenn auch sonst die Regierung nicht zum Schaden: des Volkes handeln mag; aber auch die Freiheit ist notwendig. Die Demokratie dagegen hat die absolute Freiheit und Gleichmässig- keit; aber eben hierin liegt wiederum ihr Fehler, sie unterscheidet keine Grade des Wertes. Durch die Entwickelung des fehler- haften Momentes, das ihnen anhaftet, entarten sie allemal zu der entsprechenden schlechten: das Königtum zur Tyrannis, die Aristo- kratie zur Oligarchie, die Demokratie zur Pöbelherrschaft. Da sich nun das staatliche Leben aus der Natur des Menschen heraus entwickelt, so ist es notwendig, dass sich ursprünglich überall dieselbe Verfassung gebildet hat. Hieraus ergiebt sich folgende Entwickelungsgeschichte: Die älteste Verfassung ist das König- tum, welches unmittelbar dem nomadischen Leben folgt. Dieses wird zunächst zur Tyrannis, indem die königlichen Nachkommen die Tugend lockern, sich einem bequemen und schwelgerischen Leben ergeben und, um dieses zu können, die Unterthanen drücken und plagen. Diese wird daher bald beseitigt, indem die übrigen Edeln des Staates sich unter einander verbinden und den Gewalt- herrscher vertreiben. Auf gleiche Weise jedoch wie aus dem Königtume die Tyrannis entwickelt sich aus der Aristokratie die Oligarchie. Das Volk, das diese neue Last weder ertragen kann noch will, vertreibt sie und nimmt selbst die Zügel der Regierung in die Hand, wählt selbst die Beamten und hält selbst Gericht. So lange es nun verständig zu Werke geht, ist auch diese Ver- waltung gut. ‚Freilich dauert dies nicht lange, bald ist die Ochlo- kratie da. Doch auch diese hat nur einen kurzen Bestand. In der tausendköpfigen Menge treten Parteien auf, die sich gegenseitig befehden und bekämpfen, bis ein Mann, der durch Schlauheit über- legen ist, sich zum Tyrannen aufwirft und als solcher regiert). ') Dieser Kreislauf ist natürlich nur in einer ganz normal sich ent- - 7 « .- BE”; Da also allemal auch die guten Verfassungen den Keim der schlechten in sich tragen und auf natürlichem Wege zu diesen führen, so ist auch die beste dieser sechs Verfassungen nicht die beste Verfassung schlechthin. Denn diese muss die Aufgabe er- füllen, den Schwankungen nicht zu erliegen und unausgesetzt gut zu sein. Sie muss also die Schäden meiden, die den einzel- nen Verfassungsformen als solchen anhaften. Demnach kann sie nur eine gemischte sein und zwar selbstverständlich aus den drei guten. Denn nur infolge dieser Mischung wird allemal das Fehler- hafte der einen durch das Gute der anderen aufgehoben und so die nötige Gleichmässigkeit für alle Bürger und die Festigkeit der Verfassung erzielt. Es muss demnach ein Staatsoberhaupt vor- handen sein, welches die königliche Gewalt repräsentiert, eine Vertretung der Aristokratie in einem Senate und für gewisse Rechte der Volkswille gelten. Näheres liegt hierüber nicht vor; nur über den Staatslenker und dessen Grundsätze finden sich noch einige Bemerkungen, die ihn als einen wirklichen Fachmann und tugendhaften Weisen charakterisieren'!). Seinen Zweck, die Glückseligkeit oder die Verwirklichung der Tugend, erreicht nun der Staat teils durch Institutionen, teils durch Gesetze. In welcher Weise sich diese gegenseitig ergänzen, ent- zieht sich unserer Erkenntnis. Unter den Institutionen aber, die hierher gehören, steht oben an die Religion. Die wahre Religion besteht in der Erkenntnis der Wahrheit, die nur durch Forschung, durch Philosophie erworben werden kann. Sie ist im Wesen des Menschen begründet und daher eine wesentliche Bedingung seiner Glückseligkeit. Die durch die Diehter und Staatsmänner aufgebrachte Volksreligion aber be- ruht durchweg auf Irrtum und Täuschung, denn sie schreibt den Göttern alle möglichen schändlichen Thaten zu, die sich mit der Gottheit nicht vereinigen lassen. In dem besten oder idealen Staate ist daher kein Platz für sie; in ihm finden sich keine Tempel und Götterstatuen?). Aus demselben Grunde werden wickelnden Verfassung möglich, wozu in den griechischen Staaten vielfach Analogien vorlagen; dass die Entwickelung auch überall eine solche sein muss, ist damit noch nicht gesagt. 1) Cie. de off. I 25, 85 ff. und im allgemeinen II 6, 21 ff.; vgl. S. 34. ?) Cie. a. a. Ο. II 17, 60; vgl. im folgenden den Abschnitt über Scaevola und Varro. 15* is Ξ-ὸ 228 -- daher auch die Dichter keinen Platz in diesem Staate haben, welche unrichtige oder lockere und unsittliche An verbreiten). Ein zweites wichtiges Institut ist die Zhe und der auf sie‘ gegründete Hausstand. Die Güter- und Weibergemeinschaft haben in diesem Staate keinen Platz. Die Individualität bringt es mit sich, dass jeder sein Ziel nur erreichen kann, wenn er seine In- dividualität in richtiger Weise entwickelt, nicht aber abstreift, was die Güter- und Weibergemeinschaft verlangen würde?). So haben wir denn auch schon früher gehört, dass der Staat sich in der Hoffnung bildet, dass jeder in demselben das Seinige erhalten und beschützen kann. Eine besondere Stellung innerhalb der Familie nehmen die Sklaven ein. Da die Glückseligkeit der Menschen in der Tugend, diese aber in der vernunftgemässen Entwickelung der individuellen Naturanlagen besteht, so werden alle diejenigen, deren Natur entweder zu schlecht oder zu schwach veranlagt oder durch sonstige Einflüsse verdorben ist, nicht imstande sein, ihr eigenes Glück zu erreichen. Für diese ist die Sklaverei voll- kommen berechtigt. Denn eben weil sie durch sich selbst ihr Glück nicht erreichen können, wird es für sie selbst nützlicher sein, der Selbständigkeit zu entbehren und der Leitung anderer unterstellt zu sein?); jede andere Sklaverei jedoch ist ungerecht und verwerflich ἢ). Dem allgemeinen Zweck und Wesen des Staates entsprechend sind überhaupt alle Einrichtungen und Gewohnheiten unstatthaft, welche darauf abzielen, die Menschen nicht zu ihrem Glücke zu !) Cie. de rep. IV 5, 5 (Nonius s, v. fingere); 9, 9 Β΄. , Dies folgt auch unmittelbar aus dem Vorhergehenden. Über Cie. de rep. IV werden wir noch an einem anderen Orte zu handeln haben. 5) Cie, de rep. IV 5, 5. Dieses wiederum findet seine Bestätigung in dem unmittelbar Folgenden; vgl. auch die vor. Anm. 8) Cie. de rep. III 24, 36; vgl. 25, 37. Natürlich ist damit eine ver- nünftige und gute Behandlung derselben eingeschlossen. Wenn also auch Cie. de off. 113, 41 dem Panätius angehört, was jedoch nicht sicher er- kennbar ist, so schliesst diese Stelle doch gewiss keinen Widerspruch ein. Denn auch Aristoteles, welchem die obige Bestimmung entlehnt ist, heisst die Sklaven durchaus menschlich behandeln und erziehen, pol. I e. 13, 1260}, 9 u. oeeon. ὁ. 5, 1344a, 23 ff. *) Cie. de rep. III 25, 37: est enim genus iniustae servitutis; cum ii sunt alterius, qui sui possunt esse. ‘führen, sondern zu eigennützigen Zwecken zu gewinnen und aus- zubeuten!). Und wie innerhalb des Staates die strengste Gerech- tigkeit walten muss, wenn anders er bestehen soll, ebenso muss sie auch im Verkehr mit anderen Staaten voll und ganz Geltung haben. Denn bei der Verwandtschaft aller Menschen unter ein- ander ist dieser Verkehr naturgemäss friedlicher Art und dazu bestimmt, das Glück gegenseitig zu fördern, Er äussert sich als solcher namentlich in den Gastfreundschaften, welche die Bürger verschiedener Staaten mit einander schliessen, und in den Handels- verbindungen, welche angeknüpft werden, um durch gegenseitige Ein- und Ausfuhr das Leben bequemer und angenehmer zu ge- stalten?). Nur als äusserstes Mittel der Verhandlung ist daher der Verteidigungskrieg berechtigt, doch ist in ihm jede Grausam- keit zu meiden?). Kap. 6. Die exakten Wissenschaften. Bei dem inneren Zusammenhange der exakten Wissenschaften und der Philosophie ist es notwendig einen kurzen Abriss auch über diese Studien des Panätius hinzuzufügen und namentlich das zu berücksichtigen, was auf der Grenze derselben und der Philosophie liegt. 1) Cie. de off. II 15, 53; 17, 60; von hier aus ist auch die Nachricht zu beurteilen, welche wir a. a. O. kurz vorher $ 51 lesen: iudieis est semper in causis verum sequi, patroni non nunquam verisimile, etiam si minus sit verum, defendere. Cicero scheint es ein Widerspruch zu sein, dass er als Philosoph gestatten solle zum Zwecke der Verteidigung auch etwas zu reden, was nicht absolut wahr, sondern nur wahrscheinlich sei. In diesen Worten steht jedoch nichts davon, dass der Anwalt auch einen Schuldigen mit blossen Wahrscheinlichkeitsgründen verteidigen solle, wie Zeller, Philos. d. Gr. Illa. S. 263, 3° meint. Denn dies wäre in der That ein Widerspruch gegen die gesamte Ethik des Panätius. Vielmehr hat Panätius eine solche Verteidi- gung offenbar im Interesse einer allseitigen Gerechtigkeit gebilligt. Das Anstössige verliert diese Stelle überhaupt sofort, wenn wir Aristot. rhet. I c. 1ff. vergleichen. Was Zeller meint, steht übrigens nur in dem, was dieser Stelle vorher geht, wo Cicero offenbar. aus seiner Praxis spricht, wie der Schlusssatz zeigt: volt hoc multitudo, patitur consuetudo, fert etiam humanitas. 2) Cie. de off. II 18, 64; 3, 10. 3) Cie. a. a. O. I 11,34; rep. III 23, 39. — 230 -- Die exakten Wissenschaften zerfallen in zwei Klassen, in die mathematisch-naturwissenschaftlichen und die historisch-philolo- gischen; die ersteren wiederum in die Geometrie und Arithmetik und in die Astronomie, Meteorologie und Geographie. Panätius war in beiden Gebieten wohl bewandert und bethätigte sich in beiden als selbständiger Forscher. Was zunächst die Mathematik anlangt, so wissen wir nur, dass er eine tüchtige Bildung in ihr von dem Philosophen verlangte und selber besass!). Die weiteren wenigen Nachrichten betreffen hauptsächlich die Astronomie. Die eine derselben haben wir bereits in einem anderen Zusammen- hange (S.192f.) gehört: Er teilte die Gestirne in zwei Klassen, in Fixsterne und Planeten), und erklärte die Kometen für Erzeug- nisse der Konjunktionen der Planeten, also für rein optische Erscheinungen). Weiter ist uns auch seine Ansicht über den Abstand und die Reihenfolge der Gestirne bekannt. Danach be- findet sich die Erde in der Mitte der Welt; um sie kreist der Mond, dann der Merkur, die Venus, die Sonne, der Mars, Jupiter und Saturn und zuletzt die Fixsternsphäre, der Himmel. Die Entfernung des Mondes von der Erde ist die geringste und im Verhältnis zu den Entfernungen der anderen Gestirne verschwin- dend klein; bedeutend grösser ist die des Mondes von dem Mer- kur, und noch grösser die bis zur Venus und zur Sonne; die Zwischenräume der anderen aber sind völlig unermesslich und unendlich®). Aus der Meteorologie sind uns keine Berichte er- halten, nur erfahren wir, dass er sie mit besonderem Eifer ge- 1) Cie. de off. I 6, 19; index Here. col. 66. °) Cie. de div. II 42, 89. °) Mit dieser Ansicht wich er von der, welche in seiner Schule allge- mein vertreten wurde, ab und kehrte nur mit ihrem Begründer überein- stimmend zu der Anschauung des Anaxagoras und Democrit zurück. — Ebenso wie uns die anderen alten Auffassungen über die Natur der Kometen in der Neuzeit vor Dörfel und Newton noch bei Galilaei, Tycho de Brahe und anderen begegnen, treffen wir auch die Ansicht des Anaxagoras, Demoerit und Panätius bei Milichius wieder; vgl. Mädler, Astron. S. 302 Anm. 5. *) Auch hier weicht er sowohl in der Angabe der Reihenfolge als auch der der Abstände von der Schule ab; denn diese rechnete die Venus zu den äusseren und nicht zu den inneren Planeten (vgl. Zeller, Philos. ἃ. Gr. IIla S. 187°), und in den hier leider nur angedeuteten Entfernungen verrät er deutlich den Einfluss der grossen griechischen Astronomen. Denn die un- endliche Entfernung der Fixsterne in Bezug auf unsere Wahrnehmung hatte zuerst Aristarch von Samos angedeutet. 2 Sg pflegt habe‘). Auch aus der Geographie liegt nur eine Nachricht ‚vor, die Erklärung der Bewohnbarkeit der heissen Zone, die viel umstritten war?). Zahlreicher sind die Nachrichten aus dem philologisch-histo- rischen Gebiete, doch sind auch sie nicht hinreichend, um uns sichere und klare Ergebnisse zu liefern®). — Demetrius von Phaleron hatte ein Werk über Sokrates geschrieben und darin den Nachweis zu führen gesucht, dass sowohl der bekannte Aristides als auch Sokrates nicht arm gewesen seien. Für seine Behauptung in Bezug auf Aristides hatte er sich auf drei That- sachen berufen: Auf seine Verwaltung des Archontats, seine Verbannung durch den Ostracismus und auf die noch zu Plu- tarchs Zeit erhaltenen Weihgeschenke, welche er aus Veranlas- sung. seines Sieges in der Choregie im Tempel des Dionysos aufgestellt und mit der Inschrift versehen hatte: Ἡντιοχὶς ἐνίκα " Aguoreiöns ἐχωρήγει" ᾿ἀρχέστρατος ἐδίδασχε. Gegen den letzten Grund führt Plutarch die schlagenden Gegenbeweise des Panä- tius an: Demetrius habe sich durch die Gleichnamigkeit täuschen lassen, diese Weihgeschenke dem berühmten Aristides, des Lysi- machos Sohn, zuzusprechen. _Von den Perserkriegen bis zum Ende des peloponesischen Krieges gebe es nämlich nur zwei siegreiche Chorführer dieses Namens, von denen jedoch keiner mit jenem identisch sei... Der eine von ihnen sei der Sohn des Xenophilos, der andere jedenfalls viel jünger, wie das Euklidische Alphabet der Inschrift und der Name des Chorlehrers bewiesen. Denn in den Perserkriegen sei ein Chorführer Archestratus ganz unbekannt, in dem peloponesischen Kriege aber oft erwähnt. — In derselben Schrift über Sokrates hatte Demetrius auch erzählt, dass Sokrates mit der Nichte des berühmten Aristides, der Dich- terin Myrto, in Bigamie gelebt habe. Ebendasselbe hatten auch Hieronymus, Aristoxenus und andere berichtet. Plutarch weist diesen Klatsch kurzweg zurück: ἱκανῶς 6 Παναίτιος Ev ποῖς Προ Zwxgdrovg ἀντείρηκεν). Da die beiden falschen Berichte des !) Cie. de rep. I 10, 15; übrigens bezieht sich diese Nachricht auch wohl auf seine Beschäftigung mit der Astronomie. 4 3) Achilles Tat. Isag. in Arat. Phaen. in Petav. Uranol. p. 96; v. Lynden ἡ ὯΝ ως Thätigkeit des Panätius handelt Hirzel, Unter- suchungen II S. 359 ff. ausführlich. Ὁ Im Leben des Aristides c. 1 u. 27. u Demetrius in seiner Schrift über Sokrates standen und beide den Sokrates, sei es direkt oder indirekt, berühren, so dürfen wir schliessen, dass auch die beiden Nachrichten, welche Plutarch aus Panätius zur Widerlegung anführt, aus ein und derselben Schrift des Panätius genommen sind, also aus den Büchern »Über Sokrates«, wie die eben angeführte Stelle beweist. Aus demselben Werke schöpfen demnach auch Athenäus (XII 556 B), welcher dasselbe über die Bigamie des Sokrates berichtet wie Plutarch, und der Scholiast des Aristophanes (Ran. 1491), wel- cher noch hinzufügt, dass nach Panätius jene Angabe und dem- gemäss auch die bezügliche Verspottung des Sokrates bei Aristo- phanes nicht dem berühmten Philosophen, sondern dem Dichter gleichen Namens gegolten habe!). Derselbe Demetrius hatte ferner auch Plato als Stilisten be- handelt und sehr abfällig beurteilt. Es herrschte nämlich ein Streit über die Frage, ob die Beredsamkeit Platos oder die des Demosthenes den Vorzug verdiene. Je nach dem Standpunkte wurde diese Frage verschieden beantwortet. Die Peripatetiker und -unter ihnen Demetrius tadelten die dichterische Natur der Platonischen Rede und die Nachahmung Homers?); seine An- hänger dagegen lobten an seinem Stile gerade das, was jene tadelten und stellten Plato entschieden über Demosthenes?). Ebenso wurde auch sein Leben von derselben Partei im Gegen- satze zu den Verehrern des Philosophen vielfach mit! grosser Ge- hässigkeit, wie bekanntlich von Aristoxenes, behandelt. Panätius gehörte nun jedenfalls zu den Bewunderern Platos; von allem anderen abgesehen, geht dies aus dem Urteil hervor, das Cicero aufbewahrt hat Tusc. I 32, 79: ceredamus igitur Panaetio a Pla- tone suo dissentienti? quem enim omnibus locis divinum, quem sapientissimum, quem sanctissimum, quem Homerum philosophorum appellat etsq. Sein Urteil über Demosthenes dagegen lautete®): 3 ') Diese Erklärung ist zweifellos falsch; übrigens vgl. Hirzel, Unters. I 2355 A.1; v. Wilamowitz-Möllendorff, Hermes XIV S. 187. Susemihl, griech.- alex. Litt.-Gesch. II c. 28. A. 59. 3 ?) Dionys. v. Hal. ep. ad Cn. Pomp. p. 27 u. 30, vgl. p. 28 ed. A. Mai. Manche gingen dabei bis zur Gehässigkeit vor, z. B. Zoilos; vgl. Dionys. ἢ. 8519 0) 29. ὅ Vgl. die beiden vorhergehenden Anmerkungen. *) Plutarch, Demosth. e. 13. Ι LS) 29 [9 757 προς Wenn er mit seiner hohen Redegabe die entsprechende persön- liche Tüchtigkeit und eine stets gleich reine Handlungsweise verbunden hätte, würde er nicht mit den Rednern seiner Zeit, sondern mit Cimon, Thucydides und Pericles verglichen werden müssen. Dies Urteil bezieht sich nicht bloss auf die Beredsam- keit desselben, sondern auch auf seinen Charakter. Vergleichen wir dieses mit dem, welches wir von ihm vorher über Plato gehört haben, so kann es keinen Augenblick zweifelhaft sein, dass er Plato in Bezug auf seinen Charakter und seine Geistes- grösse jedenfalls höher als Demosthenes stellte. Wie nahe er ihn andererseits ihm rückte, zeigen die Worte, mit denen er in demselben Zusammenhange seinen Standpunkt kennzeichnet: er spreche stets ὡς μόνου τοῦ καλοῦ di αὑτὸ aigerod ὄντος; denn diese beweisen, dass er ihn, sei es direkt oder indirekt, für einen Schüler Platos ansah, wie es vielfach geschah ἢ). Ähnlich ist nun auch sein Urteil über seine Beredsamkeit. Seine hohe Anerkennung derselben spricht sich schon darin aus, dass er sie mit der des Pericles, Cimon und Thucydides ver- gleicht; andererseits aber lässt sich nicht verkennen, dass er auch in dieser Beziehung Plato noch höher stellte. Schon Hirzel hat dies unter Hinweis auf zwei Stellen Ciceros und eben so viele des Dionysius von Halicarnass?) vermutet; diese Vermutung wird durch andere Stellen vollauf bestätigt. Dionysius verteidigt näm- lich in seinem Briefe an Cn. Pompeius sein früheres Urteil, das die Beredsamkeit des Demosthenes entschieden höher stellte als die des Plato, und führt aus, dass sich eigentlich ein Vergleich schwer ziehen lasse, weil bei beiden verschiedene Stilarten vor- lägen. Da hier also Dionysius bei seinem früheren Urteile ver- harrt, so dürfen wir schliessen, dass »die in Bezug auf die Rede halbvollendeten Beurteiler«, wie er an der früheren Stelle die Kritiker genannt hatte, welche der Beredsamkeit Platos den Vor- zug gaben, eben die Stilart Platos höher als die des Demosthenes stellten. Wenden wir uns jetzt zu Cicero! De off. I 37, 132 ff. unterscheidet er zwei Arten des Stils, die contentio und den sermo; jene weist er den Volksversammlungen, Gerichts- und 1) Plutarch. Demosth. e. 5; Cie. orat. 4, 15; Brut. 31, 121; Quintil. XII 2 ἃ. 2) Unters. II 377 f£.: Cie. de off. I 29, 104; 37, 134; Dionys. de compos. verb. p. 100; π. τ. Aszr. Anuoodev. dswor. c. 28. Senatsverhandlungen zu, diesen allen Arten des geselligen und wissenschaftlichen Verkehrs. Nur auf den letzteren geht er ge- nauer ein. Ist dieses schon an sich auffallend, so ist es noch sonderbarer, dass Cicero zur Empfehlung desselben das Beispiel bringt, Caesar — der Oheim des Catulus — habe durch ihn selbst die contentiones der Redner auf dem Forum besiegt: Dieses Beispiel steht im Widerspruche mit der vorhergehenden Erörterung, denn es beweist, dass der sermo selbst auf dem Forum, wohin doch die contentiones gehören, besser als diese sind. Was nun. dieses Beispiel lehrt, das spricht Cicero an einer späteren Stelle mit voller Klarheit aus und zwar ganz unleugbar nach Panätius. Im zweiten Buche nämlich eitiert er unter voller Zustimmung die Briefe Philipps an Alexander, Antipaters an Cassander und die des Antigonus an seinen Sohn Philipp, in welchen diese höchst ‚gewichtigen Gewährsmänner geraten hatten vor dem Volke und dem Heere den sermo anzuwenden!). Daraus folgt, dass Panätius, sich auf die ‚Zeugnisse. dieser Männer stützend, offenbar dem sermo den Vorzug vor der anderen Stil- art gegeben hat°).; Nun empfiehlt er als Muster: dieser- Stilart die Schriften der Sokratiker?): Also hat er in der 'That den Stil Platos und der übrigen Sokratiker nicht nur für die Philosophie, sondern auch für alle Verhältnisse als massgebend angesehen. Unter diesen ‚Umständen ergiebt sich der Schluss von selbst, dass er bei aller Anerkennung der Beredsamkeit des Demosthenes den Plato auch in dieser Beziehung noch höher geschätzt hat‘). Dieser Streit über den Vorzug der Beredsamkeit des Plato oder Demosthenes wogte selbst noch in späterer Zeit, wie wir aus dem Briefwechsel des Dionysius ersehen: Pompeius, der Freund des Posidonius und Plato, hat sich offenbar verletzt gefühlt durch das Urteil des Gegners Dionysius und dementsprechend geantwortet. Infolge dessen richtet dieser einen Brief an ihn, verteidigt zwar darin sein früheres Urteil, sucht aber Plato auf ') e. 14, 48. Cicero fügt demnach das Wenige, was er über die conten- tiones sagt, aus eigenem Interesse hinzu; vgl. 5. 44 Anm. 2. 5) Bestätigt wird dies auch durch die Thatsache, dass seine besten Freunde in Rom dieselbe Überzeugung hegten und öffentlich durchführten; Cie. de orat. I 60, 255. : 2). Cie; 08. 1 371,134. *) Plato galt ihm .offenbar als der von keinem Schüler übertroffene Meister; ähnlich lautet das Urteil des Charmadas Cie. de orat. I 20, 89. m jede Weise zu erheben. Auch Cicero bezeugt das Gleiche, wenn er vermittelnd schreibt, er glaube, dass Plato ebenso wie De- mosthenes würde gesprochen haben, wenn er Volksredner hätte sein wollen, und umgekehrt Demosthenes wie Plato, hätte er philosophische Schriften verfasst). Wenn wir nun bedenken, dass selbst diese ferner stehenden Männer noch hierüber stritten, dass. Plato von Demetrius deswegen arg mitgenommen und dass sogar sein Leben und sein Charakter von derselben Partei, der auch Demetrius angehörte, zum Teil mit schamloser Gehässigkeit behandelt war, so muss es als zweifellos erscheinen, dass auch Panätius den über alles verehrten Meister nicht weniger wie den Sokrates gegen die Gegner verteidigt hat. — In diesen Streit über die litterarischen Leistungen Platos wird nun jedenfalls auch die Nachricht gehören, die Diogenes im Leben Platos (Ill 37) aus Panätius .bringt, der Anfang der Platonischen Politeia sei mit vielen Verbesserungen von Platos Hand bedeckt aufgefunden worden?). Diogenes berichtet ferner im Leben des Äschines und Aristippus das Urteil des Panätius über die Echtheit oder Un- echtheit der Schriften der Sokratiker. Panätius erklärte danach für echt die Werke des Plato°), Xenophon, Antisthenes, Äschines und Aristippus®), schwankte in betreff derer des Phädon°) und 1) Cic. de off. I1, 4. 2) Zu dieser Vermutung führt uns Diogenes, wenn er unmittelbar vor der Nachricht des Panätius schreibt: φησὶ δ᾽ ᾿Αριστοτέλης τὴν τῶν λόγων ἰδέαν αὐτοῦ (sc. Πλάτωνος) μεταξὺ ποιήματος εἶναν χαὶ πεζοῦ λόγου. 38) Späte Gewährsmänner berichten, dass Panätius den Platonischen Dialog Phädon als unecht verworfen habe. Zeller, Phil. d. Gr. III S. 561, 1? führt diese Nachricht auf ein Missverständnis (vgl. A. 3) zurück; Hirzel da- gegen verteidigt sie Unters. I 5. 232 ff. unter Zustimmung von Chiappelli, Panezio di Rodi e il suo giudizio sulla autentieitä del Fedone Rom 1882 u. Ancora sopra Panezio di Rodi ete.; vgl. Heinze in Bursians Jahresberichten 1887, I S. 55£. Mir scheinen Zellers Gründe noch nicht völlig widerlegt zu sein und die Worte Ciceros Tuse. I 32, 79: eredamus igitur Panaetio a Platone suo dissentienti? ... huius hane unam sententiam (se. de immortalitate anı- morum) non probat, zu beweisen, dass Panätius mit Bewusstsein in diesem Punkte von Plato abwich, also keinen Grund hatte, den Phädon zu ver- leugnen. Unmöglich ist es indess nicht. a Ὁ II 64 u. 85. Zu der letzten Stelle vgl. Nietzsche, Rh. Mus. XXI\ S. 187; Hirzel, Unters. II 360 ff., 363,1; dagegen Susemihl, Jahns Jahrb. f. Phil. u. Päd. LXXI S. 704 f. griech.-alex. Litt. Gesch. II e. 28 A. 58; Zeller 2.2.0. Ha 5. 5441. rer 5) Zum Teil wohl mit Unrecht, vgl. v.Wilamowitz-Möllendorff, Hermes XIV S. 187 8. i& -- 236 -- Euclides und verwarf die der übrigen. Diogenes leitet diese Angabe mit den Worten ein (II 64): πάντων ... τῶν Σωχρα- τικῶν διαλόγων Παναίτιος ἀληϑεῖς Eivaı δοκεῖ xrA. Bedenken wir nun, dass Panätius den Plato sowohl in Bezug auf seine litterarischen Leistungen wie seine sonstigen Vorzüge jedenfalls eingehend verteidigt hat, wie wir vorhin gesehen haben, so dürfen wir schliessen, dass es in dem Werke geschehen ist, aus dem die soeben gehörte Nachricht des Diogenes über die Schrift- stellerei der Sokratiker stammte. Erwägen wir ferner, dass die Verteidigung Platos sich auch auf seinen Charakter und sein Leben bezog, und dass Panätius ebenso auch den Charakter und das Leben des Sokrates gegen die Gegner der Platonischen Richtung verteidigt hat, so werden wir mit der Vermutung nicht irre gehen, dass die Bücher zegi Σωχράτους nur ein Teil des Werkes waren, in dem Panätius das Leben und die Leistungen der Sokratischen Schule klar legte und verteidigte. — Von hier aus wenden wir uns noch einmal kurz zu Plutarch zurück. Wenn unsere Vermutung richtig ist, entlehnte Plutarch das Ur- teil des Panätius über Demosthenes demselben Werke, das er in dem Leben des Aristides vor sich hatte. Hierin liegt auch gewiss nichts Auffallendes; denn das Nächstliegende ist es jeden- falls, dass Plutarch nur aus einem Werke des Panätius, und zwar aus einem geschichtlichen, seine Nachrichten schöpfte. Hierzu scheint auch die letzte Nachricht zu stimmen, die er aus Panätius genommen hat. Im Leben des Cimon (ec. 4) teilt er nämlich mit, Panätius habe die Elegien an Cimon zum Troste bei dem Tode seiner Gattin Isodike dem Physiker Archelaus zu- gesprochen. Über diesen Archelaus hatte jedenfalls auch Deme- trius in seinem Werke über Sokrates gesprochen!). Erinnern wir uns nun des Verhältnisses, in dem das Werk des Panätius über Sokrates zu dem gleichnamigen des Demetrius stand, so kann die Vermutung nicht als gewagt erscheinen, die wir soeben ausgesprochen haben, dass auch diese Nachricht aus dem ge- nannten Werke des Panätius über Sokrates und die Sokratiker entlehnt ist?). Dieses Werk war demnach biographisch-kritischen Inhalts. !) Vgl. Diog. II 16 ff. mit ebds. IX 15; 37; 57. 5) Dementsprechend ist S. 9 der Titel angesetzt. εὖ -- 237 — Diogenes bringt nun im Leben des Aristipp einen Bericht über die Lehre dieses Philosophen aus dem Werke des Panätius περὶ αἱρέσεων. Es kann daher die Frage entstehen, ob das vor- her besprochene Werk des Panätius nur ein Teil dieses letzteren oder ob dieses ein eigenes gewesen ist!). Unmöglich ist jenes nicht, doch das letztere wahrscheinlich: Bei einem Werke über die Schulen der Philosophen denken wir naturgemäss in erster _ Reihe an eine Darstellung der philosophischen Lehren, und dazu stimmt auch .das einzige Citat aus dieser Schrift: während alles. was wir über das vorher behandelte Werk des Panätius gehört haben, gegen einen solchen Inhalt spricht. Nach Lage der Be- richte werden wir also beide Werke für verschieden halten müssen. Auf seine Auffassung der Geschichte der Philosophie selbst werden wir später zurückkommen‘). Was schliesslich die Kulturgeschichte betrifft, so hat er auch _ diese behandelt; doch sind die Nachrichten aus ihr viel zu dürftig, als dass wir daraus seinen Standpunkt klar erkennen könnten. Da er die Ewigkeit der Welt und des Menschengeschlechts an- nahm, musste er mit den Peripatetikern lehren, dass die Men- schen von Zeit zu Zeit durch grosse Erdrevolutionen in den Ur- zustand zurückgeworfen würden. Ob nun die Entwickelung eines neuen Menschengeschlechis von den wenigen Individuen, welche bei einer solchen Katastrophe übrig bleiben, ihren Ur- sprung nimmt, oder von solchen, welche nach der Ekpyrosis wieder entstehen, ist zwar an sich sehr verschieden, aber für den Gang der Entwickelung selbst von untergeordneter Bedeu- tung. Zweifach ist nun von jeher diese Entwickelung aufgefasst worden: Die einen stellen ein glückliches, wenn auch dürftiges, die anderen ein elendes Leben an den Anfang. Zu den letzteren scheint Panätius gehört zu haben; denn er lehrt, dass die Men- schen recht- und gesetzlos nach Art der Tiere umher irrten und auch in der Lebensweise und der Nahrung sich nicht viel von diesen unterschieden. Alle Verbesserungen seien erst später mit der Entwickelung des Ackerbaus und des staatlichen Lebens ge- _ kommen°). Unbestimmt ist es auch, ob er die Entwickelungs- τὴ Vgl. v. Lynden p. 114. , Ὶ 2) In welchem Zusammenhange die Nachricht Diog. VII 163 gestanden hat, entzieht sich einer bestimmten Vermutung. Ὁ | a 5) Cie. de off. Π 3,13 — 4,15. Vgl. auch Polyb. VI5, 4fl. u. dazu S. 64#f, -- 23 --- geschichte in einem eigenen oder in verschiedenen Werken bei gegebener Gelegenheit niedergelegt hat. Für die letztere Annahme spricht die Thatsache, dass er sowohl in seiner Pflichtenlehre hierzu Veranlassung nahm, als auch seine Darstellung der Politik mit der Entwickelung des Menschengeschlechts begann. Beden- ken wir noch, dass er auch die Volksreligion vom Standpunkte der geschichtlichen Entwickelung betrachtete, so sehen wir, welchen grossen Wert er auf die Entwickelungsgeschichte gelegt hat. Β, Posidonius, Einleitung. Die Philosophie ist die Wissenschaft der göttlichen und mensch- lichen Dinge!). Je nachdem sie sich mehr auf die wissenschaft- liche Betrachtung oder auf die Thätigkeit bezieht, ist sie vor- wiegend spekulativ oder praktisch’). Sie zerfällt in drei Teile, Ethik, Physik und Logik. Den innern Zusammenhang und seine eigene Wertschätzung derselben giebt Posidonius darin zu erkennen, dass er das philosophische Lehrgebäude einem lebenden Wesen vergleicht und zwar die Physik dem Fleische, die Logik den Knochen und Nerven, die Ethik der Seele gleichsetz. Denn wie beim Körper kein Teil ohne den anderen bestehen kann, gleichwohl aber einen verschiedenen Wert besitzt, ebenso sind auch in der Philosophie alle drei Teile notwendig, doch ist die Ethik der vor- nehmste derselben®). In diesem Werturteil über die einzelnen Teile ist jedoch noch nicht ihr Abhängigkeitsverhältnis angegeben. Hierfür gilt vielmehr ganz dasselbe, was bei Panätius gesagt worden ist. Demgemäss müssen wir auch hier, wie er es selbst gethan hat, mit der Physik beginnen‘). ἢ) Sext. Emp. adv. phys. I 13 u. 125. Cie. off. I 43,153. 5) Seneca ep. 95,9 ff.; vgl. mit ebds. $$ 34 und 65 und Cie. de off. I 43, 153 ff. 8) Sext. Emp. adv. log. I 19. Diog. VII 39ff. Seneca ep. 89,9 fi. #) Diog. VII 41. Sext. a. a. O. 8 20£. = le Kap. 1. Physik. $ 1. Die letzten Gründe. Die Physik zerfällt ihrem Inhalte nach in die Lehre vom Körperlichen und Unkörperlichen'!), doch nimmt die erstere den weitaus grössten Umfang ein; denn der oberste Grundsatz der stoischen Physik, dass nur das Körperliche wirklich ist, gilt in gleicher Weise für Posidonius wie für die anderen Vertreter der Schule. Ebenso weist er natürlich auch die rein mechanische Welterklärung zurück: Das Urwesen ist Materie und Geist zu- gleich und als solches ein feines, feuriges Pneuma°). Dieses ist ewig und unvergänglich und weder der Vermehrung noch der Verminderung fähig, da nie etwas in nichts übergehen kann’). Es ist ganz Aktualität, Leben und Vernunft mit ureigener freier Bewegung) und daher auch ganz Gottheit, ohne bestimmte Form und Qualität, doch thatsächlich nie ohne dieselbe’). Denn die innewohnende Bewegung ist der Grund für die Veränderung (ἀλλοίωσις), deren -sie ihrer Natur nach nur einer Art fähig ist, nämlich der Verdichtung. Infolge derselben verwandelt®) sie sich zum Teil und führt so den Unterschied zwischen Geist (οὐσία) und Materie (ὕλη) im gewöhnlichen Sinne berbei. Jener hat die ursprüngliche Natur bewahrt und ist daher das wirkende Prineip; diese dagegen ist infolge der Verdichtung eine qualitätslose Masse und kann sich nur leidend verhalten. Die erstere durch- dringt nun die letztere”) und durch ihre Einwirkung entstehen !) Seneca ep. 89,16. Über Posidonius als Quelle von Seneca ep. 87--95 wird anderwärts gehandelt werden. 2 2) Stob. 661. I p. 34,26 ff. W.= Diels dox. gr. p- 302b,22. Über die Göttlichkeit des Urpneumas wie überhaupt über die Notwendigkeit eine Gottheit anzunehmen vgl. die Abhandlungen Sext. Emp. adv. phys. 1$ 60 ff. Cie. deor. nat. II 2,4 ff.; vgl. T. I, Kap. 4. 3) Diog. VII 134; Stob. ecl. I p- 177.21 #.W. Diels dox. gr. p. 462, 14f. u. 20f. Hierfür werden sich im folgenden noch weitere Beweise ergeben. %) Cie. D.N. II 11,31; 9,23; 16,43 8. Sext. Emp. adv. phys. I 76. 5) Stob. ecl. I p. 133,8 ff. W. Diels dox. gr- p- 458,8 ff. 6) Stob. ecl. I p. 178,7 ff. Diels dox. gr. Ρ. 462, 17 ff. _ #) Stob. 66]. I p. 34,26 ff. Diels dox. gr. p. 302b, 22 ff. Sext. Emp. adv. phys. I 76. Diog. VII 134. Ἴ — 240 --- je nach der steigenden Verdichtung oder Verdünnung die vier Elemente, Erde, Wasser, Luft und das elementarische oder künstlerische Feuer, welches zu der ursprünglichen Natur des Pneumas wieder zurückkehrt. Jedem dieser Elemente wohnt im allgemeinen eine besondere Eigenschaft inne: dem Feuer die Wärme, der Luft die Kälte, dem Wasser die Feuchtigkeit und der Erde die Trockenheit!). Infolge der Verbindung, welche diese mit einander eingehen, entstehen, vergehen und verändern sich alle Einzelwesen (τὰ ἰδίως ποια)ὺὴ, und zwar auf dreifache Art: durch Zusammensetzung (σύγχυσις), Trennung (διαίρεσις) und Verschmelzung (ἀνάλυσις). Die letztere schliesst ausser den vor- hergenannten Arten der Veränderung auch die Verwandlung (ἀλλοίωσις) des jedem Einzelwesen immanenten Pneumas ein°), Ist nun nur das Stoffliche wirklich, so wäre folgerecht auch das Unstoffliche nicht wirklich; diese Folgerung gilt jedoch nicht unbedingt, sondern neben jenen stofflichen Principien stehen noch mehrere unstoffliche, welchen gleichwohl ein Sein zugeschrieben wird, nämlich das sogenannte Asxzov, der Raum, das Leere und die Zeit, Die Bedeutung des sprachlichen Ausdrucks (Aex10») deckt sich ganz weder mit dem vorgestellten Dinge noch mit der Vorstellung, sondern steht zwischen beiden in der Mitte. Beide bezeichnen nämlich etwas Einzelnes, Konkretes, der sprachliche Ausdruck aber Allgemeines, Als solcher entbehrt er der realen Existenz?). Der Raum ferner ist die einfache Ausdehnung und darum unkörperlich; in ihm ist als seine Erfüllung der Stoff. Er ist nicht unendlich, sondern nur so gross als die Raumerfüllung es mit sich bringt; doch ist seine Ausdehnung fast unendlich. Während der Zeit der Weltbildung ist ein Teil desselben ausser- halb der Welt vollkommen leer; dieses Leere ist darum natürlich unkörperlich®). Die Zeit schliesslich ist die Ausdehnung der Bewegung oder auch mit anderen Worten das Mass der Geschwin- 1) Plutarch. de primo frigid. p. 951 F. Diog. VII 136f. Cie. deor. nat. II 10, 26 ft. | ?) Stob, 661. I p. 177,21ff. Diels dox. gr. p. 462,13 ff. 35) Stob. eel. I p. 139,7 ff. Diels dox. gr. p. 457, 15ff.: zei τὸ μὲν αἴτιον ὃν χαὶ σῶμα, od δ᾽ αἴτιον, οὔτε ὃν οὔτε σῶμα, ἀλλὰ συμβεβηκὸς χαὶ χατηγόρημα. Das letztere gehört zum λεχτόν, also δύ dies auch nach Posidonius οὔτε ὃν οὔτε σῶμα. Über das stoische λεχτόν 5. Sext. Empir. P. H. U 81 ΗΕ. Diog. VII 63. Zeller, Philos. d. Gr. IIIa, S. 86. Ὁ) Plaeit. phil. II 9, 3. Stob. eel. I 160,13 ff. Diels dox. gr. p. 338, 19 #, ἢ { 2 ος-. digkeit. Ebenso wie die Gottheit und ihre freie Bewegung ist sie ewig sowohl in Bezug auf die Vergangenheit wie die Zukunft, Der Schnittpunkt beider ist die Gegenwart!). δ 2. Die Welt. Ihrem Dichtigkeitsverhältnis entsprechend lagern sich die Elemente; zu unterst die Erde, um sie das Wasser, dann folgt die Luft und zuletzt das Feuer oder der Äther, der, je weiter er von der Erde entfernt ist, um so reiner und göttlicher wird’). Er ist dem Urpneuma wesensgleich, und namentlich gilt dies von der äussersten Sphäre desselben. Auf seinem Durchdringen der Elemente beruht alles Gestalten. Dieses Durchdringen findet regel- mässig statt; denn unaufhörlich verdichtet sich ein Teil des Äthers in Luft und diese zu Wasser und Erde, und umgekehrt wieder verwandelt sich Erde in Wasser, dieses in Luft, um sich schliess- lich wieder in Äther zu verflüchtigen. Wenn.nun auch im allge- meinen dieser Übergang der Elemente in einander fast vollkom- men gleich ist, so übertrifft doch die aufsteigende Umwandlung die absteigende um 'einen freilich nur sehr ‚geringen Bruchteil, so dass schliesslich alle Elemente wieder in Feuer aufgelöst sind, um alsdann von neuem die Welt in gleicher Weise wie zuvor zu gestalten?). Da demnach im Grunde alles nur eine Modifikation des göttlichen Urpneumas ist und ferner der Äther oder, was ja dasselbe ist, die Gottheit die Elemente unaufhörlich durchdringt und alles Gestalten dadurch hervorruft, so ist die Welt notwendig nicht nur fortwährend von göttlicher Vorsehung verwaltet‘), sondern auch selbst ein lebendes, vernünftiges und denkendes ee Fu 1) Stob. ecl. Ip. 105,20f. Diels dox. gr. p. 461, 15. 3) Dies wird im folgenden näher ausgeführt werden. 3) Cie. deor. nat. II 46,118; Diog. VII 142; Zeller, Philos. ἃ, Gr. Illa. S. 575. ‚Wie gross der Zeitraum dieses Prozesses ist, lässt sich mit Bestimmt- heit nicht angeben. Nach Cie. de div. 119, 36 scheint Posidonius denen zu- gestimmt zu haben, welche das Alter der Astrologie auf 470 000 Jahre be- rechneten. Danach dürfte er in der Berechnung jenes Zeitraumes (Cie. deor. nat. II 20,51) mehr dem Diogenes v. Babylon, der es auf 365 Sonnen- jahre Heraclits, also auf 365 . 18 000 J. (Diels dox. gr. p. 364) schätzte, als Plato, der: es nur rund auf 10000 Jahre angab, zugestimmt haben. Von Cleomedes erfahren wir hierüber nichts Genaueres; vgl. auch den folgenden Paragraphen. #) Diog. VII 138; 149. Schmekel, mittlere Stoa. 16 =. ΞΞ Wesen, das alles aufs beste einrichtet und regiert!). Sie hat daher auch die vollkommenste Gestalt, die der Kugel?). Nach der Verschiedenheit, mit der sie in ihrem weiteren Ge- stalten in den verschiedensten Gebieten auftritt, entstehen die verschiedenen Arten von Wesen, zunächst die Himmelskörper im Äther. Sie sind gleichen Wesens wie ihre Umgebung und daher ätherische lebende Wesen), doch so, dass ihre Natur um so pneu- matischer ist, je mehr sie von der Erde entfernt sind. Der Mond, welcher sich am meisten von allen den niederen Sphären nähert, ist deshalb schon aus ätherischem Feuer und Luft gemischt. Er nimmt daher die Ausdünstungen (ἀναϑυμίασις) der Erde und der süssen Gewässer auf, während die übrigen Gestirne sich von denen der Meere nähren*). Die äusserste Sphäre des Fixsternhimmels bewahrt dagegen die feurige Natur am reinsten und ist deshalb auch der eigentlich leitende Teil der Weltseele (ἡγεμονικόν) ). Alle Gestirne haben gleichwie die Welt selbst die Kugelgestalt und ihrer Natur gemäss auch stets die vollkommenste Bewegung, die kreisförmige®). In gleicher Weise wie der Äther ist auch der Luftraum von lebenden und göttlichen Wesen erfüllt”). Auf der anderen Seite stehen dagegen die Pflanzen, Tiere und Menschen. Am niedrigsten erscheint das Leben der Pflanzen, höher steht das Tier; in der Seele des Menschen aber tritt die göttliche Natur wieder in ihrer Reinheit hervor und so nimmt der Mensch eine Zwischenstellung zwischen den höheren geistigen Wesen und den Tieren ein?). 1) Diog. VII 142; Cie. a. a. O. II 17,47 £f.; 22,58 ff. 2) Diog. VII 140, 144. Strabo II 94. Cie. ἃ. ἃ. O.II 17,47 ff.; 19,49. Dies wurde von ihm gewiss nicht bloss aus allgemeinen Erwägungen, sondern auch auf induktivem Wege erwiesen, indem er von der Kugelgestalt der Erde, die er zunächst darthat, auf die der Luft, von dieser auf die des Äthers und so fort auf die der Welt schloss, vgl. Cleom. cyel. theor. I ὁ, 8. 3) Achill. Tat. Isag. in Arat. Phaen. e.13. Cie. a. a. O. II 46,118; 15, 39f.; 21,54 ff. Sext. adv. phys. I 87. 2) Diog. VII 147; Cie. deor. nat. II 15,40 ff. über die Natur des Mondes; vgl. auch Cleom. cyel. theor. II c. 4. 5) Diog. VII 139; Cie. deor. nat. Il 10,27; 11,29ff.; vgl. Sext. Emp. adv. phys. I 119 ff. 6) Stob. ecl. I p. 206,19 f.W. Diels dox. gr. p. 466,18 ff. Achill. Tat. Isag. in Arat. phaen. ce. 10. *) Cie. div. 1 30, 64; hierüber wird später ausführlicher gehandelt werden. 8) Vgl. hierüber das folg. Kapitel. -- 24 — Da nun alle diese Wesen verschiedene Erscheinungsweisen des Urwesens und somit nur Teile der Welt sind, so ist diese mit Recht das System aus Himmel und Erde und allem, was darin ent- halten ist. Mit Recht kann es daher auch nur eine Welt geben, weil sie alles umfasst: Sie ist das ἰδίως ποιόν der Gottheit!). Auf diesem Standpunkte kann natürlich nur von einem Gott die Rede sein, nämlich von dem Urpneuma oder auch seiner Modi- fikation, der Welt?). Näher jedoch ist im Gegensatze zu den nur leidenden Elementen das feurige Pneuma des Äthers die alles durchdringende, Leben und Bewusstsein seiende und bewirkende Gottheit?). Während dieses nun gewissermassen die Gesamt- gottheit ist, sind die Gestirne als Teile derselben Einzelgottheiten. Zu ihnen gesellen sich auch noch die den Luftraum erfüllenden Geister. Andere Gottheiten giebt es nicht; denn die gewöhnlich 30 ςς. in Übereinstimmung zu bleiben, behaupteten, er habe nur dem Wortlaute nach das Dasein derselben bestehen lassen, um den Anstoss bei den Athenern zu vermeiden (s. 5. 101). Greifbarer tritt uns dieser Einfluss bei dem scharfsinnigsten Vertreter der- selben, wie ihn Cicero nennt, bei Zeno von Sidon hervor: Er entlehnt ganz offen dem Carneades mehrere Beweise und wendet sie gegen die Stoiker'). Klarer und wichtiger jedoch ist noch für uns die Sehrift, mit der sich das Haupt der peripatetischen Schule, Critolaus, erhob die Ewigkeit Gottes als Welt zu erweisen und zu verteidigen. Seine Gründe?) sind in Kürze folgende: Die Annahme, dass die Menschen ehedem auf irgend eine Weise aus der Erde entstanden seien, ist lächerlich und unwahr; denn Menschen können immer nur von Menschen erzeugt sein. Das Menschengeschlecht ist also ewig da und somit auch die Welt. — Der zweite Grund schliess ontologisch: Was sich selbst der Grund des Daseins ist, ist ewig; die Welt ist sich selbst der Grund des Daseins, weil sie für alles in derselben der Grund des Daseins ist: Also ist sie ewig. — Der dritte Grund verspottet eine Konsequenz der gegne- rischen Lehre, die wir hier als weniger wertvoll übergehen können, Der vierte beweist, dass die Welt niemals der Zerstörung aus- gesetzt ist: Da sie schlechthin alles umfasse, könne sie niemals irgend wie Gewalt erleiden oder Mangel haben. Dieses seien aber die Ursachen der Krankheit und des Alterns. Sie könne also niemals der Krankheit und dem Alter ausgesetzt sein. — Der fünfte und letzte Beweis endlich schliesst aus der Ewigkeit des Verhängnisses auf die Ewigkeit. der Natur der Welt (φύσις τοῦ κόσμου), die in allem Seienden als das ihm eigentümliche, gött- liche Lebensprineip erscheint, und aus dieser folgerecht auf die Ewigkeit des Kosmos selbst. Verteidigen alle diese Gründe die Ewigkeit Gottes als Welt, so kommt unter ihnen hier der vierte doch besonders in Betracht: Er wendet sich augenscheinlich gegen den Grund des Carneades, der aus der Empfindung des 1) Cie. deor. nat. I 8, 208. (5. Hirzel Unters. I 5. 98.). Zu dem ersten Beweis vgl. was wir oben ausgeführt haben; zu dem zweiten Beweise 8. 23£. Cie. a. a. O. ΠΙ 32,79; auf die letztere Übereinstimmung hat bereits Schoemann in s. Ausg. aufmerksam gemacht. Andere Belege dieses Ein- flusses werden später folgen. 2) Vgl. Ps. Philo a. a. Ὁ. ὁ. 11ff. p. 239 ff. B. 20° -- 08 “-- lebenden Wesens auf seine Krankheit und von hier aus auf seine Vergänglichkeit schliesst. Wir kommen zur Stoa. Wenn auch Carneades seine Beweise zum Teil allgemein hielt, so beweist doch die Ausführung selbst dieser, dass er seine Polemik hauptsächlich gegen die Stoiker wandte. Gegen diese richtete sich auch Critolaus, wie an sich naheliegend und auch bereits von Bernays gesagt ist!). Die Folge dieser Polemik war die Verwerfung der Ekpyrosis durch Panätius, in der er an Boethus einen Gesinnungsgenossen hatte. Was nun zunächst die Polemik des Carneades anbetrifft, so haben seine Gründe entschieden einen bestimmenden Einfluss auf Panätius geübt. Augenscheinlich nehmen wir dies zunächst an demjenigen wahr, der aus der Empfindung Gottes als eines lebenden Wesens auf die Vergänglichkeit desselben schliesst. Eben denselben Beweis nämlich bringt Panätius in derselben Fassung gegen die Unsterb- lichkeit der Seele vor?). Da er somit durch diesen Beweis be- wogen wurde, einen Zustand, in dem die Seele getrennt vom Körper existiert, zu verwerfen, so ist offenbar, dass er in gleicher Weise auch einen Zustand in dem die Welt ganz Feuer, gewisser- massen ganz Seele wäre, für unmöglich halten und somit die Auflösung der Welt in Feuer leugnen musste. Ebenso klar ist dies ferner bei seinem zweiten Beweise gegen die Unsterblichkeit. Denn wenn er schliesst: ‘Alles, was geboren wird, muss sterben; die Seele wird geboren: Also muss sie auch untergehen’, so haben wir dies ebenfalls vorhin bei Carneades gehört?). Betrachten wir ferner den dritten Grund des Panätius gegen die Unsterblichkeit, die Seele müsse beim Tode untergehen, weil ihre Bestandteile ') Abh. der Berl. Akad. 1882 philos.-hist. Kl. S. 53; 56. 5) Cie. deor. nat. III 13,32: omne . . animal sensus habet: sentit igitur et calida et frigida et duleia et amara nec potest ullo sensu iucunda aceipere, non aceipere contraria. si igitur voluptatis sensum capit, doloris etiam capit; quod autem dolorem aceipit, id aceipiat etiam interitum necesse est; dasselbe ebds. $ 34 u. $ 36; vgl. hiermit Panätius b. Cie. Tusce. I 32,79: alteram autem adfert rationem nihil esse quod doleat, quin id aegrum esse quoque possit: quod autem in morbum cadit, id etiam interiturum: dolere autem animos, ergo etiam interire. 8) Da Zeno von Sidon denselben Grund allgemein vorträgt, den wir hier bei Panätius gegen die Unsterblichkeit finden, so ist es erst recht er- sichtlich, dass sie ihn beide von Carneades haben; vgl. S. 307 Anm. 1. = TOO sich trennten und in andere Elemente verwandelten!), so deckt er sich ebenso klar mit dem Beweise, den wir Carneades an erster Stelle gegen die Ewigkeit eines lebenden Wesens haben vor- bringen sehen. Ebenso erkennt er auch den Beweis des Car- neades gegen die Ekpyrosis an, den wir als dritten gezählt haben: Wenn alles sich in Feuer verwandele, so müsse dieses aus Mangel an Nahrung erlöschen und somit untergehen. Denn eben diesen Beweis finden wir als vierten des Boethus und Panätius bei Ps. Philo?2). Da er somit die Beweise des Carneades gegen die Ewigkeit eines lebenden Wesens vollkommen billigte und an- dererseits auch die Auflösung der Welt in Feuer im Anschluss an ihn verwarf, so blieb ihm, so lange er nicht auch den stoischen Pantheismus überhaupt verwerfen wollte, nichts anderes übrig, als die Parallele zwischen dem Menschen und der Gottheit, die Gleichstellung des Mikro- und des Makrokosmus, aufzuheben oder wenigstens einzuschränken und auf diesem Wege die Ekpyrosis zu verwerfen. Diesen Ausweg fand er auch bei Critolaus vor. Die Beweise desselben für die Ewigkeit der Welt machen durchweg die Verschie- denheit der letzteren d. h. der Gottheit und der Menschen geltend, wenn auch diese nicht als leitender Gesichtspunkt an die Spitze der Erörterung gestellt wird. Seine Beweise haben nun ebenso auf Panätius gewirkt, wie die des Carneades. Nachdem nämlich Ps. Philo die Gründe des Critolaus vorgetragen, berichtet er, dass unter den Stoikern Boethus und Panätius die Lehre von der Weltverbrennung aufgaben, und zugleich die Gründe, durch welche sie dazu veranlasst wurden. Denn wenn Ps. Philo hier- bei stets »Boethus und seine Anhänger« citiert, so leuchtet von selbst ein, dass die Gründe, welche er von ihnen berichtet, ebenso für Panätius bestimmend gewesen sind wie für Boethus. Dieser Schluss wird dadurch bestätigt, dass der zweite dieser Gründe thatsächlich ein solcher des Panätius ist, wie wir anderweitig bereits erkannt haben?). Vergleichen wir nun die Gründe, welche !) Dies geht aus Tusc. I 18,42 hervor. Hier wird nämlich gegen ihn ein- gewandt, dass die Bestandteile der Seele nach dem Tode sich ihrer Natur gemäss in die Luft erheben; also muss er dieses geleugnet und demgemäss ihre einfache Umwandlung angenommen haben. 2) Hierzu vgl. die nachfolgende Ausführung. De 8) Ebenso wie dieser zweite Beweis des „Boethus und seiner Anhänger — 3510 — Ps. Philo dem Boethus und seinen Anhängern beilegt, mit denen des Critolaus, so tritt die Übereinstimmung bei zweien ganz klar zu Tage: Der erste von denen des Panätius und Boethus deckt sich mit dem vierten des Critolaus, wie bereits Bernays bemerkt hat!), und der dritte des Boethus und Panätius im wesentlichen mit dem letzten des Critolaus, der aus der Ewigkeit des Ver- hängnisses auf die Ewigkeit der φύσις τοῦ κόσμου und von dieser auf die des Kosmos selbst schliesst. Klarer zeigt sich diese Übereinstimmung noch, wenn wir uns dessen erinnern, was wir früher gezeigt haben, dass Panätius aus der ewig durchaus gleich- mässig wirkenden göttlichen φύσις, die ja mit der εἱμαρμένη identisch ist, die Ewigkeit der Welt erschliesst. Die Überein- stimmung des Panätius mit Critolaus und somit auch der An- schluss desselben an ihn ist demnach nicht zu verkennen?). In- sofern nun Critolaus die Stoiker zu widerlegen suchte, ist sein Einfluss auf Panätius mehr negativ gewesen; insofern er aber daran ging auch den Carneades zurückzuweisen, und Panätius sich ihm anschloss, positiv. Doch auch in dieser Beziehung steht der Einfluss des Car- neades entschieden im Vordergrunde. Denn der Grund gegen seine Polemik, in dem alle anderen zusammentreffen, ist die Leugnung der Gleichartigkeit des Menschen und der Gottheit und auf diesen für die Folgezeit äusserst wichtigen Grund hat Car- betont, dass die Sympathie der Welt nicht derartig sei wie die des Menschen, dass also auch von der Sterblichkeit des Menschen nieht auf die Vergäng- lichkeit der Welt geschlossen werden dürfe, haben wir auch S. 191ff. den Panätius die Sympathie beschränken und schliessen sehen. — Es sei darauf hingewiesen, dass ich dort durchaus unabhängig und unbeeinflusst von dieser Stelle argumentiert habe. ') Vgl. Abh. der Berl. Akad. philos.-histor. Kl. 1882 S. 38. 5) Der Anschluss an ihn war um so näher gelegt, als Critolaus in starker Annäherung an die Immanenz die Ewigkeit der Welt zum Teil aus Gründen erschloss, die auch von der Stoa anerkannt wurden, wie der letzte beweist. Bei diesem lässt sich sogar stoischer Einfluss nicht verkennen. Denn wenn wir lesen: ἐπεὶ δὲ εἱμαρμένη... ἀτελεύτητός ἐστιν εἴρουσα τὰς ἑχάστων ἀνελλι- πῶς zei ἀδιαστάτως αἰτίας, so erinnern wir uns sofort Chrysipps Definition der εἱμαρμένη Diog. VII 149: χαϑ' εἱμαρμένην δέ φασι τὰ πάντα γίνεσϑαν Χρύσιππος... ἔστι δὲ εἱμαρμένη αἰτία τῶν ὄντων εἰρομένη; vgl. Arrius Di- dymus b. Diels dox. gr. p. 465,2. Eine solche Beeinflussung der peripate- tischen Schule steht nicht vereinzelt da; vgl. Zeller Phil. ἃ. Gr. IIb 5. 9185, -- 811] -— neades selbst in der eingehendsten Weise hingewiesen'). Am klarsten tritt diese in der Verwerfung der absoluten Sympathie zu Tage. Die Bestreitung und Beschränkung derselben auf das Mafs, das wir bei Panätius finden, ist nun das Werk des Car- neades, wie wir zum Teil schon gesehen haben und im folgenden Paragraphen weiter sehen werden. In Wahrheit also hat auch in dieser Beziehung die Anregung des Carneades am meisten und durchschlagendsten gewirkt. Obwohl nun für einen Peripatetiker die Zurückweisung der Parallele zwischen der Gottheit und dem Menschen an sich sehr nahe lag, so können wir von hier aus doch sehr wohl schliessen, dass auch Critolaus hierzu noch durch Carneades angeregt worden ist, da wir gesehen haben, dass er auch sonst auf ihn Rücksicht nahm. Auf Panätius ist der Ein- fluss des Critolaus jedenfalls nur sekundärer Art gewesen’). ‘In dem gleichen Mafse nun, wie sich Panätius von der bis- herigen Stoa entfernte, näherte er sich Aristoteles und Plato; ja wir können hier 'sogar die Stelle Platos erkennen, welche die Quelle und der Ausgang dieses Streites gewesen ist. Tim. 32 (Σ ff. lässt Plato den Weltbildner die Welt schaffen, ihr aber zugleich auch Einheit (&v), Ganzheit (ὅλον), ewige Jugend und Gesundheit (ἀγήρων καὶ ἄνοσον) zuteilen. Diese Stelle hat der Epikureer Zeno im Auge?), wenn er Plato den Vorwurf macht, es sei ein ‚Widerspruch gegen alle Naturgesetze, anzunehmen, dass etwas, was in der Zeit entstanden sei, ewig sein könne. Da Zeno dies offenbar im Anschluss an Carneades thut, wie wir vorhin gezeigt haben, so müssen wir schliessen, dass auch Carneades das Gleiche gethan und diese wichtige Stelle angegriffen und den gerügten !) Aus allen seinen Beweisen (vgl. 5. 305 Anm. 1) leuchtet dies als Konsequenz hervor. 2) Von Boethus gilt, soweit wir nach dem obigen urteilen können, im allgemeinen dasselbe wie von Panätius, doch können wir ihn deswegen hier nicht dem Panätius gleichstellen, weil wir den Einfluss des Carneades auf ihn einmal nicht in gleicher Weise wie bei Panätius klar darzulegen Im- stande sind, und andererseits derselbe jedenfalls auch nicht in gleicher Weise ‚stattgefunden hat. So hat er z. B. die Unsterblichkeit der Seele, die doch mit der Theologie, wie gezeigt, eng zusammenhing, nach den vorliegenden Berichten zu schliessen ebensowenig angetastet wie die Mantik, Er hat sich offenbar viel mehr zur peripatetischen Schule geneigt. Ebenso wie die Ab- ‚weichungen werden wir auch die Übereinstimmungen im weiteren Verlaufe ‚berühren. 3) Cie, deor. nat. I 8, 20f.; vgl. S. 307, Anm. 1. — 512 — Widerspruch in ihr klar gelegt hat!). Es ist daher sicher kein Zufall, dass auch seine Gegner sich auf dieselbe Stelle berufen, doch den gerügten Widerspruch von ihr fern halten: Der vierte Beweis des Critolaus und der erste des Boethus und Panätius- geben nur eine erweiterte Darstellung derselben?) und beweisen durch sie die Anfangslosigkeit der Welt?). Hierdurch wurde zu- gleich der Anschluss an Aristoteles in der Auffassung dieses Problems vollzogen. Dieselbe Stellung zu Carneades wie Panätius nehmen auch seine Schüler ein. Im Anschluss an ihn hoben sie ebenso wie: er selbst die Parallele zwischen der Gottheit und dem Menschen auf und suchten dadurch den Fangschlüssen ihres grossen Geg- ners zu entgehen. Mnesarchus zog dabei wohl dieselben Schlüsse wie sein Lehrer, d. h. er folgerte die Ewigkeit der Welt und leugnete die Unsterblichkeit der Seele; Posidonius dagegen kam zu vollkommen entgegengesetzten Anschauungen. Die Parallele, von der aus Carneades die Ewigkeit und das Dasein der Gottheit bestritt, sprach derselben auch die fünf Sinne und überhaupt alle Attribute zu wie den Menschen. Gegen diese Gleichstellung‘ richtete sich zunächst der Kampf des Posidonius: Es ist ein Unterschied, so führt er aus, zwischen der Gottheit oder dem das All umfassenden Urwesen (οὐσία) und den Einzelwesen (ἰδίως: ποιά), die sich aus jener bilden. Diese, welche durch Zusammen- setzung, Trennung und Verschmelzung entstehen oder vergehen, sind naturgemäss der Vergänglichkeit unterworfen; doch nicht die Gottheit, die zwar der Umwandlung fähig ist, aber sich nie- mals vermehren oder vermindern kann, da sonst Seiendes aus nicht-Seiendem und umgekehrt entstehen müsste. Sie ist also: an sich notwendig ewig und unvergänglich®). Sie ist ferner ') Er hat auch sonst Plato eingehend bekämpft; vgl. Cie. de rep. III 7,10 ed. Bait. ?) Hierauf hat Bernays a. a. O. (vgl. 5. 310 Anm. 1) bereits aufmerk- sam gemacht. ®) In gleicher Weise hatte bereits Xenokrates diese Stelle aufgefasst. — Übrigens entscheidet sich damit auch ohne weiteres die Frage, ob Panätius mit Plato einen Anfang, oder mit Aristoteles die Anfangslosigkeit der Welt. angenommen hat. *) Die Nachweise sind früher dagewesen; vgl. Diels dox. gr. p. 462, 15ff.;, dass diese Auseinandersetzung auf Angriffe der Gegner Rücksicht nimmt, zeigt der ganze Zusammenhang dieses Berichtes. ᾿ -- 815 -- natürlich auch der Wahrnehmung und der Erkenntnis teilhaftig: jedoch nicht nach Menschenart vermittelst der Augen, Ohren und -der Sprache, sondern ohne jede sinnliche Vermittelung aus und ‘gemäss ihrer geistigen Natur!). Hiermit hängt innerlich die Widerlegung der weiteren Gründe zusammen, welche Carneades gegen die Ewigkeit und das Dasein der Gottheit vorgebracht und ‚Panätius namentlich gegen die Unsterblichkeit der Seele geltend gemacht hatte. Der Satz: ‘Alles, was geboren wird, muss sterben, ‚was geworden ist, muss vergehen’, ist in dem, was wir soeben ‘gehört haben, voll und ganz anerkannt. Schloss nun Panätius hieraus, dass die Seele untergehe, so schloss Posidonius gerade “umgekehrt, dass sie nicht untergehen könne, weil sie nicht ge- ‚boren würde, sondern als wesensgleicher Teil der Gottheit ebenso ‚wie diese selbst ewig und unvergänglich sein müsse. Dass nun "Posidonius durch den eben erwähnten Schluss des Carneades und Panätius zu dieser Lehre der Präexistenz geführt wurde, ‘geht nicht nur aus dem Zusammenhange selbst hervor, sondern zeigt sich augenscheinlich in der Widerlegung seines Lehrers?) und wird auch von Lactanz mit aller nur wünschenswerten Klarheit berichtet 5). Ebenso wie Posidonius den genannten Einwand des Car- neades*) als richtig an sich anerkannte, hier aber als unzutreffend ı) Vgl. 5. 249. Dass die daselbst angeführte Stelle (Cie. div. I 57, 129) aus einem Zusammenhange genommen ist, der sich gegen Carneades wandte, ‚zeigt ebds. c. 7,12 und wird weiter unten noch Bestätigung finden. — Bei dem ‚Verhältnisse der Epikureer überhaupt und Zenos im besondern zu Carneades lag es nahe, die gleiche Polemik gegen die Epikureische Theologie zu richten, Dies hat Posidonius auch gethan; denn die Behauptung der Epikureer, die 'Thätigkeit der Götter schliesse ihre Glückseligkeit aus, führt er auf ihre falsche Annahme zurück, dass die Götter menschenartig und menschengleich ‚seien; vgl. Cie. deor. nat. II 23,59. 2) Cie. Tuse. I 33, 80. s) Div. instit. IH 18; vgl. S. 250 Anm. ὃ u. später. ἢ Dieser Einwand des Carneades wird auch von Sext. adv. phys. Ἱ 70 berücksichtigt und mit Hilfe der oben angegebenen Lehre des Posi- “donius berichtigt. Daraus geht hervor, dass auch bei Sext. a. a Ο. Car- neades als Gegner gedacht ist (vgl. 5. 87 Anm. 1). — Dieser Einwand des -Carneades ist von der grössten Wichtigkeit gewesen; vgl. auch Augustin de “eiv. Ὁ. XXI ce. 2f., der sich aufs angelegentlichste mit diesem Beweise aus- "einandersetzt. Durch Varro ist er auch in Serv. Aen. ΥἹ 724 hineingekommen, “einen Schriftsteller, bei dem man sonst schwerlich Beweise des Carneades suchen würde. L zurückwies, verhielt er sich auch in Bezug auf den Schluss des Carneades aus der Empfindung. Er schloss demnach umgekehrt wie sein Lehrer: Da jede Schmerzempfindung mit der Unsterb- lichkeit unvereinbar ist, so kann die Seele nach ihrem Abscheiden vom Körper nicht mehr Schmerz empfinden, wie gewöhnlich gelehrt wird. Alle Schmerzempfindung wird vielmehr durch die Einwirkung des Körpers hervorgerufen, und nicht nur diese, sondern überhaupt alle Störungen der Seele (πάϑη). Durch den Nachweis dieses Satzes (s. S. 262) brach er nun dem gedachten Beweise des Carneades natürlich auch in Bezug auf die Polemik gegen die Gottheit die Spitze ab. Denn wenn der Schmerz nur die Folge der Einwirkung des Körpers ist und die Seele als solche von ihm unberührt bleibt, so ist es klar, dass auf Grund desselben ebensowenig die Ewigkeit der Gottheit wie die Unsterblichkeit der Seele irgendwie in Frage gestellt werden kann. ΠΝ Bestimmend hat ferner auch der Beweis des Carneades auf Posidonius gewirkt, der oben an zweiter Stelle aufgezählt ist und nachzuweisen sucht, dass die Gottheit weder als begrenzt noch als unbegrenzt zu denken sei. Wendet nämlich Carneades gegen die Unbegrenztheit Gottes ein, jedes lebende Wesen müsse als solches ein Lebenscentrum haben, was bei einem unbegrenzten Wesen begrifflich unmöglich sei, so finden wir denselben Grund auch bei Posidonius gegen die Unbegrenztheit Gottes oder der Welt wieder!). Die unmittelbare Folge hiervon war die Not- wendigkeit den leeren Raum ausserhalb der Welt zu beschränken; denn selbst zur Zeit der Ekpyrosis bleibt die Gottheit immer ein lebendes Wesen. Den weiteren Schluss des Carneades, sei die --, 814 — 1) Cleomed. eyel. theor. I c. 1: χόσμος ἐστὶ σύστημα ἐξ οὐρανοῦ zei γῆς zei τῶν ἐν τούτοις φύσεων. οὗτος δὲ πάντα μὲν τὰ σώματα ἐμπεριέχει... οὐ μὲν ἄπειρός γε, ἀλλὰ πεπερασμένος ἐστίν" ὡς τοῦτο δῆλον ἐκ τοῦ ὗπο φύσεως αὐ- τὸν διοικεῖσθαι. ἀπείρου μὲν γὰρ οὐδενὸς φύσιν εἶναν δυνατόν" dei γὰρ καταχρατεῖν τὴν φύσιν, οὕτινός ἐστιν; vgl. Sext. ἃ. ἃ. Ὁ, I 119 ἢ, -= (ie. deor. nat. II 8. 28 ff.; vgl. S. 94. Dass wir in den angeführten Worten des Cleomedes den Posidonius vor uns haben, beweist ganz abgesehen von dem Verhältnis, das überhaupt zwischen Posidonius und Cleomedes statt- findet, die Definition von χόσμος, die Posidonius gehört, wie die fast wört- liche Übereinstimmung mit Diog. VII 138 beweist Dem Cleomedes gehört diese Ansicht jedenfalls nicht, da er die Unendlichkeit des leeren Raumes vertritt, wie die Fortsetzung zeigt. ἢ — 35 --. ‚Gottheit begrenzt, so sei sie schwächer als das All und darum ‘vergänglich, wies er jetzt erst recht bequem mit dem Grunde ab, den bereits seine Vorgänger gegen denselben erhoben hatten. Im Kampfe gegen Carneades schied Posidonius, wie wir vorhin gesehen haben, die Natur der Einzelwesen (ἰδίως ποιά) streng von der der Gottheit und wies den Schluss von der ersteren ‘auf die letztere als falsch zurück. Da nun die Angriffe des Car- ‚neades gegen die Ewigkeit und das Dasein Gottes sich zum grossen Teile gegen sie in der Auffassung als Welt richteten, wurde die Welt, was auch an sich durchaus nicht unstoisch war, not- "wendig zu einem ἰδίως ποιόν der Gottheit und somit musste von ihr dasselbe gelten, was von allen Einzelwesen galt, sie musste ‚als solche vergänglich sein. Die Wiederaufnahme der Ekpyrosis ‘steht also ebenfalls mit der Kritik des Carneades in engster Be- 'ziehung, ja sie wurde durch seine Beweise erst recht notwendig ‘gemacht, da dieselben zum grössten Teil in Bezug auf die Welt als Einzelwesen ihr volles Recht behielten'). Genauer diesen Kampf des Posidonius gegen Carneades zu verfolgen ist uns bei dem Stande der Überlieferung nicht mög- Jich; dass derselbe aber thatsächlich in der Weise, wie wir ge- ‘sehen haben, stattgefunden hat, ergiebt sich uns noch von einer an- deren Seite. Wir haben früher (8. Söff., 103) dargethan, dass Posi- (donius in seinem diesbezüglichen Werke Περὶ ϑεῶν als vierten Abschnitt die Widerlegung derer gab, die in irgend einer Weise das Dasein Gottes bestritten, und dass er diese Widerlegung gleichzeitig als einen neuen Beweis für das Dasein der Götter benützte. Wenn nun auch Sextus und Cicero diese Widerlegung zum grössten Teile wohlweislich ausgelassen haben, so berichtet uns doch Cicero ausdrücklich, dass die Polemik des Posidonius in erster Linie sich gegen Carneades wandte°). ı) Wie Posidonius den Einwand widerlegt hat, dass zur Zeit der Ek- pyrosis das Feuer aus Mangel an Nahrung erlöschen müsse, ist uns mit Gewissheit nicht überliefert; vielleicht ist er unter denjenigen mit zu ver stehen, welche Ps. Philo a. a. ©. e. 18ff. zu widerlegen sucht. Daselbst heisst es: ἐπειδὴ γὰρ αἴτιον χινήσεώς ἐστιν τὸ πῦρ, κίνησις δὲ γενέσεως ἀρχή . " ἔφασαν ὅτε μετὰ τὴν ἐχπύρωσιν .. σύμπαν μὲν τὸ πῦρ οὐ σβέννυται, ποσὴ δὲ τις αὐτοῦ μοῖρα ὑπολείπεται. πάνυ γὰρ ηὐλαβήϑησαν μὴ σβεσϑέντος ἀϑρόου μεινῇ τά πάντα ἡσυχάσαντα ἀδιαχόσμητα. : 3) Deor. nat. II 7,20: Atque haec cum uberius disputantur et fusius, ut mihi est in animo facere, facilius effugiunt Academicorum calumniam; 6 Wir haben bis jetzt hauptsächlich den negativen Einfluss gesehen, der den Posidonius zur Abweichung von seiner Schule und besonders von seinem Lehrer veranlasste. Positiv hat er sich hierbei ausser von den Ansichten der früheren Stoiker!) nament- lich von Plato leiten lassen. Dies zeigt sich, abgesehen von einzelnen Beweisen für die Ewigkeit der Seele?), besonders in der Lehre der Präexistenz derselben und ihrem Leben im Jenseits. Zwar scheint dem Letzteren der Umstand zu widersprechen, dass Plato die Seelen der Gottlosen in der Unterwelt zum Teil sehr schwere Strafen erleiden lässt, während Posidonius schlechthin leugnet, dass die Seele nach dem Tode in die Unterwelt hinabgehen und noch Schmerzen empfinden könne; doch ist dies eben nur Schein. Plato schreibt nämlich selbst im Phädon (p. 114 D.) nach seiner Darstellung des Lebens in der Unterwelt: »Dass sich nun dies alles so verhalte, wie ich es auseinandergesetzt, das ziemt wohl einem vernünftigen Manne nicht zu behaupten; dass es aber entweder diese oder eine ähnliche Bewandtnis haben muss mit unseren Seelen und ihren Wohnungen, wenn doch die Seele offenbar etwas Unsterbliches ist, dies dünkt mich zieme sich gar sehr». In diesen Worten ist die Berechtigung, ja die Verpflich- tung enthalten, diesen Mythus mit Hülfe der Naturphilosophie richtig umzudeuten. Eine solche Umdeutung haben wir bei Po- sidonius. Dieselbe trägt ebenso sehr den Platonischen als den stoischen Anschauungen Rechnung. Denn wenn er von der Erde als der Unterwelt oder der untersten Welt spricht und von den Sphären, die sich um sie lagern, in die die Seelen sich erheben, so stimmt dies zunächst mit seiner Naturphilosophie überein; ebenso aber hatte er reichlich Gelegenheit in Platos Natur- philosophie im Timäus?) das Gleiche wiederzufinden. Erinnern wir uns nun dessen, was wir vorhin gezeigt haben, dass der cum autem, ut Zeno solebat, brevius angustiusque coneluduntur, tum aper- tiora sunt ad reprehendendum etsq.; vgl. auch S. 313 Anm. 4. ') Besonders des Cleanthes, wie wir später sehen werden. ?2) Cie. deor. nat. II 88 31—32, Sext. adv. phys. I 88 75—76; vgl. S. 91. ®) Auch die berühmte Stelle am Schlusse des siebenten Buches der Re- publik, wo die Erde in Bezug auf den Sphärenhimmel mit einer unter- irdischen Höhle verglichen wird, und ebenso die phantasievolle Beschreibung der oberen Erde am Schlusse des Phaedon lieferten zu der obigen Deutung treffliche Gelegenheit. — 37 — Streit über diese Probleme gerade an eine Stelle des Timäus anknüpfte, so sehen wir alsbald, welcher Grund den Posidonius zur Abfassung seines Timäuskommentars bestimmte. Im übrigen nahm er Beweise, wo er sie fand, aus Plato, Aristoteles, Xeno- crates und anderen, wie wir dies bereits früher (S. Söff.) gezeigt haben. _ Noch in einer anderen Weise hat die Bestreitung der stoi- schen Theologie durch Carneades gewirkt. Obwohl die stoische Philosophie im Princip die Vielheit der Götter aufhebt und in Wirklichkeit nur das All als Gott setzt, legten ihre Vertreter doch zu viel Gewicht auf die allgemeine Meinung der Menschen, als dass sie die Götter des Volksglaubens einfach hätten zurück- _ weisen sollen. Im Gegenteil bemühten sie sich, durch allego- rische Deutung in denselben Personifikationen bestimmter Einzel- kräfte und Erscheinungsweisen der Allgottheit zu erkennen. Dieses Verfahren bot Garneades eine bequeme Waffe gegen sie, und er gebrauchte sie auch, um die Haltlosigkeit desselben da- durch zu erweisen, dass er seine lächerlichen und unsinnigen Konsequenzen klar legte!). Die Folge dieser Bekämpfung und der vorhin ausgeführten Widerlegung des stoischen Gottesbegrifles lässt sich bei Panätius und Posidonius nicht verkennen, wenn sie die Götter des Volksglaubens für Geschwätz und Fabelei hielten. Bei dieser Auffassung musste die allegorische Deutung als solche selbstverständlich fallen und zum grössten Teile zu einem Ge- biete der Philologie werden, wie es denn auch in der Folge- zeit thatsächlich vielfach der Fall war. Ob nun Panätius der erste gewesen ist, der die Volksreligion auf die berechnende Ab- sicht der Staatsmänner und die Phantasie fabelnder Dichter _ zurückführte, lässt sich mit Gewissheit nicht sagen. Getrennt waren beide Gründe schon lange als solche aufgestellt; denn dass die Götterwelt ein Institut der Staatsmänner sei, hatte bekannt- lich Kritias behauptet und gegen die Götter als die Phantasie- gebilde der Dichter bereits Xenophanes gekämpft. Beide An- “siehten bespricht daher schon Plato ausführlich und weist sie zurück, zugleich mit ihnen aber auch die falschen Lehren, um die wahre philosophische Religion an deren Stelle zu setzen“). 1) Cie. deor. nat. III 15,39ff.; dass diese ganze Erörterung ihm gehört, geht aus ebds. ce. 17,44 hervor. nr, 2) Wenn sich Cicero auch höchst wahrscheinlich deor. nat. ΠῚ 30, 77 dem een | Hier werden also die letzten Quellen dieser Auffassung zu suchen sein. $ 2. Das Verhängnis. Die Entscheidung über die Notwendigkeit alles Geschehens schliesst die über die Möglichkeit desselben in sich, dergestalt dass wer jene annimmt, diese schlechthin von sich weisen muss. Obwohl sich nun Chrysipp!) für die erste entschieden hatte, hielt er doch an der gewöhnlichen Auffassung des zweiten Begriffs fest und verteidigte dieselbe auf das entschiedenste gegen Diodorus Cronus, der die Notwendigkeit mit der Möglichkeit identifiziert hatte. In diesem tiefsten Punkte des vorliegenden Problems griff Carneades ihn an und entwickelte ihm den direkten Widerspruch zwischen seinen Ausführungen. Indem er ihm nun zeigte, dass seine Lehre gerade zu jenen Folgerungen dränge, die er selbst widerlegt hatte, wie namentlich zu dem ἀργὸς λόγος, bewies er zugleich die Unhaltbarkeit seiner Theorie und damit die Richtig- keit der Annahme, dass nicht alles durch das Fatum bedingt sei, sondern dass der Mensch sich im Gebiete seines Handelns selbst bestimme. Zugleich widerlegte er hiermit die Herrschaft der absoluten Sympathie und schränkte sie auf die Naturereignisse ein. Er setzte somit neben die Kausalität der Naturereignisse die durch die Freiheit?). Das Gesetz der Kausalität gab ihm ferner auch einen entscheidenden Grund gegen die Mantik. Chrysipp hatte dieselbe als das Vorhersagen des Zufälligen definiert. Diese Definition griff er an und wies ihm nach, dass der Begriff des Zufalls den inneren Zusammenhang der Ereignisse ausschliesse und damit auch die Möglichkeit, diese vorher zu sagen?). Da er somit die Möglichkeit, etwas voraus zu verkünden, nur bei dem kausal verknüpften Geschehen annahm und deshalb selbst dem Apollo die Fähigkeit absprach, etwas weissagen zu können, dessen Carneades anschliesst, werden wir doch schwerlich aus dieser Stelle schliessen dürfen, dass diese Einteilung von demselben ausgegangen ist. 1 Für das Folgende vgl. T. I Kap. 6. ?) Er braucht dies nach seinem sonstigen erkenntnistheoretischen Stand- punkte, über den nachher die Rede sein wird, nicht als absolute Gewissheit gegeben zu haben. 8) Cic. de div. II 5,13; 6,18 Ε΄. ᾿ -- 819 — ursächlichen Zusammenhang er nicht kenne'!), so blieb ihm natur- gemäss kein Stoff für die Mantik übrig. Als bester Seher galt ihm daher derjenige, welcher die Ursachen und Wirkungen auf dem betreffenden Gebiete am besten kenne, d. h. der Sach- verständige?). Auf das Gesetz der Kausalität gründete er somit an Stelle der verworfenen Mantik die Möglichkeit der empirischen Wissenschaft. Jedoch begnügte er sich nicht blos mit dieser Widerlegung der Mantik, sondern wies auch auf ihre vollständige Nutzlosigkeit hin: Wenn es unverbrüchlich feststehe, was geschehen solle und werde, so könne durch keine Weissagung irgend etwas genützt werden, da sich ja absolut nichts ändern liesse®). Dann ging er auf ihre einzelnen Arten ein und wies diese zurück, so die Auspizien, Blitz- und Eingeweidelehre, die Traumdeutung, das Weissagen aus Losen‘) und die Astrologie, bei der er in Übereinstimmung mit den obigen Ausführungen nicht an die auf der Empirie beruhende Astronomie, sondern an die eigentliche Sterndeuterei gedacht wissen wollte’). Ferner machte er auch die vielen Widersprüche und falschen Angaben der Seher gegen ihre Wirklichkeit geltend®) und deckte schliesslich auch die Widersprüche dieser Lehre mit der Ethik Chrysipps auf durch den Nachweis, dass es seinen eigenen Ausführungen gemäss ent- weder kein Fatum, d. h. keine Vorsehung, oder keine Tugend und Schlechtigkeit gebe, oder dass die Vorsehung nicht nur die Tugend, sondern auch die Schlechtigkeit verursache (S. 180f.). Diese Widerlegung der stoischen Lehre und die Beweis- führung der gegen sie aufgestellten Theorie sind auf die Stoa nicht ohne Einfluss geblieben und dem Charakter entsprechend, den wir bisher bei ihren Vertretern kennen gelernt haben und noch weiter kennen lernen werden, finden wir auch hier die 1) Cie. de fato c. 14,32; de div. II 7, 13m. Übrigens stimmt auch Alexan- der Aphrod. de fato ce. 30 p. 92 ed. Orelli mit diesen Stellen 80 sehr über- ein, dass, da sich auch sonst sehr viele Berührungen zwischen Cicero de fato bezw. de div. und dieser Schrift Alexanders finden, auch Alexander noch die Gründe des Carneades, natürlich in seiner Weise, berücksichtigt zu haben scheint. 2) Cie. de div. II 3,9 ff. 3) Cie. deor. nat. III 6,14; div. II 8,20#. 3) Cie. de div. I 7,12; I 13,23; II 23,51; I 30, 62; II 41,87. 5) Cie. a. a. O. II 47,97; I 49,109; 1 6, 17. 8) Dies wird später seinen Beweis finden. 2 τΞ Folgen des Einflusses ausgeprägt. Macht nämlich Carneades hier den Versuch, unter Vernichtung der Mantik das Recht der Wissen- schaft allein hoch zu halten, so zeigt sich der Einfluss dieser Kritik zunächst bei Boethus offenbar darin, dass er in einem beschränkten Gebiete der Mantik die wissenschaftliche Rechtferti- gung derselben versuchte). Ganz klar aber tritt er uns bei Panätius entgegen. Vor allem nehmen wir ihn an seiner Lehre selbst wahr, deren Übereinstimmung mit den Ausführungen des Carneades auf der Hand liegt. Ferner lehrt dasselbe auch seine Begründung derselben, soweit wir sie zu vergleichen in der Lage sind. Wir betrachten zunächst die Verwerfung der Astrologie?). Der Kampf gilt bei ihm ebenso wie bei Carneades nicht der Astronomie, sondern der Astrologie, wie die Gründe ganz klar beweisen ($ 87; 91). Dieser Standpunkt sagt aber um so mehr, als Panätius der einzige Stoiker war, welcher die Astrologie gänzlich zurückwies®). Dass ihn nun zu dieser Verwerfung die Einwände des Carneades veranlassten, sehen wir aus den Gründen, welche er gegen sie aufstellte. Von diesen decken sich der erste, zweite und fünfte mit denen, welche Carneades gegen sie vor- getragen hat*). Auch der sechste und achte erinnern uns sofort an ihn, nur stimmt hier die Ausführung nicht so genau wie bei den vorigen überein’). Der dritte, vierte und siebente bestreiten nicht die Astrologie, sondern führen die Thatsachen, welche die Gegner durch den Einfluss der Gestirne erklären, auf andere Gründe zurück. Solche Gründe finden sich einerseits nicht in den 1). Cie, de div. I 8,13. 2) Cie. a. a. OÖ. I 42, 87—46, 97. 3) Diogenes erkannte sie im Prineip sowohl wie in ihren wesentlichen Funktionen vollständig an und leugnete nur ihre zu weit gehenden Behaup- tungen; vgl. Cie. a. a. O0. 1143,90; 13,6. Er that dies sicher schon unter dem Einflusse des Carneades ebenso wie er durch ihn auch an der Ekpyrosis zu zweifeln veranlasst wurde; vgl. S. 63 Anm. 2. *) Zur Verwerfung der absoluten Sympathie $ 91; vgl. Cie. a. a. Ὁ. II $33ff., ferner Sext. adv. astr. 8 43; Favor. b. Gell. XIV 1,3; 23; Augustin οἷν. Ὁ. V p. 198,26 ed. D. Zum zweiten und fünften Grunde Sext. a. ἃ. Ὁ. 88 86—93; Favor. a. a. Ὁ. 8 Sff.; 8 27ff. Augustin a. a. Ὁ. p. 197, ΣΝ 200, ΔΊΣ vgl. T. I Kap. 4 81. 5) Vgl. zum sechsten Grunde Cie. de fato ce. 5,10; beide weisen darauf hin, dass Naturanlagen durch den Willen des Menschen geändert werden, aber die Beispiele sind an beiden Stellen verschieden. Zum achten Grunde vgl. Sext. a. a. Ο. 88 103—105; Favor. a. a. Ὁ. 88 2; 14—18. ἥ auf Carneades zurückgehenden Berichten; andererseils steht Pa- nätius mit denselben auf dem Boden seiner Schule'). Wir haben hier somit wohl dieselbe Erscheinung vor uns, wie auch sonst: Die Widerlegung des Carneades veranlasste den Panälius von der bisherigen Anschauung seiner Schule zurück zu treten und die bezüglichen Thatsachen zu erklären, sei es dass er die Gründe selbst fand, oder sie seiner Schule oder sonst irgend woher ent- lehnte. Der wichtigste dieser Gründe ist die Verwerfung der absoluten Sympathie. Da wir nun vorher gesehen haben, dass die Verwerfung derselben bei Carneades eng mit der Betonung der Freiheit des Geistes zusammenhängt, und jetzt sehen, dass Panätius sie in offenbarem Anschluss an Carneades verwarf, so folgt, dass auch seine modifizierte Theorie des Verhängnisses auf dem Einflusse des CGarneades beruht, zumal da seine Theorie mit der des Carneades in allem Wesentlichen übereinstimmt. Dieser Einfluss des Carneades bestätigt sich noch von einer anderen Seite aus. Wenn Panätius nämlich in eben diesem Zusammen- hange dieselbe Verspottung der Auspizien wie Carneades vor- brachte, wie Cicero ausdrücklich hervorhebt, so ist dies gewiss nicht zufällig, sondern ein neuer Beweis dafür, dass er sich in seiner Beurteilung der Mantik und demgemäss auch des Fatums an Carneades angeschlossen hat?). Die umgekehrte Stellung wie Panätius nimmt wiederum Po- sidonius ein; er muss daher die Gründe des Carneades, welchen sein Lehrer nachgegeben hatte, widerlegt und berichtigt haben. Wenn wir nun auch der Lage der Sache nach nicht im stande sind, alle seine Entgegnungen genau zu durchschauen, so können wir doch den Gang derselben durchweg erkennen. Zunächst wies er es aus der Natur der Gottheit als denknotwendig nach, dass alles nach dem Fatum geschehe®), und nahm infolge 1) Vgl. über den Einfluss der geogr. Lage und der Witterung die An- sicht des Chrysipp bei Cie. de fato c. 4,7 und über den des Samens Diels, dox. gr. p. 422a, 24ff. Auch Sextus will a. Ο. $ 102 den Einfluss der Witterung bei der Geburt nicht gänzlich leugnen, doch ist die Überein- stimmung so gering, dass wir wohl sicher nicht an einen inneren Zusammen- hang zu denken haben. ΑἸ ΕΣ 3) Cie. de div. I 1,12. Nur gestreift hat dieses Problem bei I anitius auch v. Scala 5. 184 ff. (vgl. S. 2 Anm. 1); grundlos führt er die Schwenkung desselben auf den Einfluss des Demetrius v. Phaleron zurück. | \ 3) Cie. a. Ὁ. $ 125; vgl. daselbst: fieri igitur omnia fato ratıo cogıt fateri. Schmekel, mittlere Stoa. 21 dessen zweitens die absolute Sympathie wieder in ihrer un- geschwächten Bedeutung auf. Den Nachweis ihrer Wirklichkeit erbrachte er sicherlich durch eine Sammlung von Thatsachen, welche ihm sowohl für das Leben der Menschen als für das in der Natur die innere Abhängigkeit darthat!). Hiermit erkannte er naturgemäss auch die Mantik als zu recht bestehend an und verteidigte zugleich mit dieser auch jenes. Den logischen Wider- spruch aber in dem Vorhersagen des Zufälligen gestand er dem Carneades zu und darum auch die Unrichtigkeit der bisherigen Begriffsbestimmung der Mantik. Er änderte deshalb diese der Aufforderung des Carneades gemäss dahin ab, dass er sie für die Wissenschaft der Ereignisse erklärte, welche für zufällig ge- halten würden, in Wirklichkeit es aber ebenso wenig seien wie alles übrige Geschehen?). Gegen die weiteren Angriffe suchte er zunächst durch eine umfassende Sammlung erfüllter Weissagungen aller Art die Wirklichkeit der Mantik als einer unumstösslichen Thatsache zu erweisen und zwar derart, dass, selbst wenn der Grund derselben nicht erkennbar wäre, ihre Wirklichkeit nicht bezweifelt werden könnte?). Hiermit gab er natürlich zugleich eine Apologie der einzelnen Arten der Mantik und so das Gegen- stück zu der Verspottung derselben durch Carneades und Panätius. Ferner wies er nach, dass die Mantik ebenso wie die Wissen- schaft auf der Theorie beruhe, also eben dieselbe Festigkeit wie diese habe. Gegen die weitere Behauptung des Carneades, dass für die Mantik kein Raum sei, sondern nur für die Wissenschaft, schied er sehr bestimmt die Wissenschaft von der Mantik, gab 1) Cie. de fato e. 3,5ff.; de div. II 14,33ff. Die Erkenntnis, dass die Ebbe und Flut durch den Mond hervorgerufen und zu den Zeiten der Aequinoetien und Solstitien gesteigert werden, war für ihn ein besonderer Beweis hier- für; offenbar fügte er demselben aber noch andere derartige Belege hinzu; vgl. Cleom. eyel. theor. Ic. 1 p. 4 exff. 39) Carneades verlangt Cie. div. II 7,18,19: si negas esse fortunam et omnia.. ex omni aeternitate definita dieis esse fataliter, muta definitionem divinationis, gquam dicebas praesensionem esse rerum fortuitarum. Das hat Po- sidonius gethan Cie. div. I 5,9: (divinatio) est earum rerum, quae fortuitae putantur, praedietio atque praesensio. Denn dass der Ton auf putantur liegt, zeigt er ebds. 55, 125: fieri igitur omnia fato ratio cogit fateri. 8) Cie. div. I 6,12: 13,23; 18,35; 19,36; 49,109; dass sich der Kampf hier gegen Carneades richtet, sagen mehrere der angeführten Stellen aus- drücklich. | 4 a | i ͵ | — 33 — für die letztere eine sorgfältige Begründung ihres Wesens und bezeichnete dementsprechend ihren Wirkungskreis (5. 246 ff.). Den Vorwurf der Nutzlosigkeit widerlegte er einfach durch die Be- merkung, durch die Vorzeichen werde man vorsichtiger'), offenbar zur Auffassung kommender Ereignisse, worauf es ja allein an- kommt. Wenn der Gegner schliesslich auf die vielen falschen Angaben und Irrtümer der Seher hinwies, so führte Posidonius dagegen mit Recht aus, dass derartige Irrtümer auch in allen Wissenschaften vorkämen, also keinen Grund gegen die Möglich- keit der Mantik abgäben?). Dass er nun zu der positiven Be- gründung derselben brauchbare Beweise und namentlich Beispiele in der philosophischen wie auch sonstigen Litteratur nahm, wo er sie fand, ist gewiss?), Gera, a. 0. 152,119; 38,82. Ge. a, ἃ Ὁ. 1 14,24; deor. nat. II 4,12; vgl. S, 247. 3) Diese alle genau zu bestimmen dürfte bei dem bekannten Verfahren Ciceros aus eigenem Wissen Beispiele hinzuzufügen und fremde durch rö- mische zu ersetzen, unmöglich und auch überflüssig sein. Hier ist es auch dadurch noch erschwert, dass er neben Posidonius noch den Cratippus ein- gesehen hat. — Wenn Mommsen Röm. Gesch. II S. 417 sagt: „Die stoischen Philosophen zeigten sich nicht unempfänglich für die recht einträgliche Aus- zeichnung, ihr System zur halboffiziellen römischen Staatsphilosophie er- hoben zu sehen, und erwiesen sich überhaupt geschmeidiger, als man es nach ihren rigorosen Prinzipien hätte erwarten sollen... wenn die feineren - Stoiker wie Panätius die göttliche Offenbarung durch Wunder und Zeichen als denkbar, aber ungewiss dahingestellt, die Sterndeuterei nun gar ent- schieden verworfen hatten, so verfochten schon seine nächsten Nachfolger jene Offenbarungslehre, das heisst die römische Auguraldiseiplin, so steif und fest wie jeden anderen Schulsatz und machten sogar der Astrologie höchst unphilosophische Zugeständnisse,“ so ist die Annahme dieser Speichelleckerei, wenigstens was Posidonius, den nächsten Nachfolger des Panätius und Ver- teidiger der Mantik, anbetrifft, angesichts aller bisher vorgelegten Thatsachen aönfach falsch. Auch hatten die Stoiker lange, bevor sie etwas von der römischen Auguraldiseiplin gehört hatten, die Mantik gelehrt; denn schon der Begründer der Schule, Zeno, hatte sie vertreten. Sie nahm in dem System eine so wichtige Stelle ein, dass Cicero sie „die Burg der Stoiker“ nennt. Wenn also Posidonius und mit ihm die übrigen Stoiker die nur von "Panätius verlassene Lehre vertraten, so ist es unrichtig und ungerecht, [ν» x ὶ 4 er PET „_ 3 “ »-ἢ "ihnen dies als heuchlerische Augendienerei vorzuwerfen und von einer Ver- teidigung der römischen Auguraldisciplin zu sprechen. 2 ΡΣ Kap. 2. Anthropologie. Den Einfluss des Garneades auf die Gestaltung der Unsterb- lichkeitslehre haben wir bereits dargethan; es bleibt demnach hier nur übrig, auf die weiteren Lehren der Psychologie einzu- gehen. Auch an diesen hat Carneades in vernichtender Weise gerüttelt und dadurch einen bestimmenden Einfluss auf die Um- gestaltung derselben ausgeübt. — Nach der stoischen Anschauung ist die Seele als Ausfluss des göttlichen Pneumas auch diesem wesensgleich, und da im Makrokosmos der Äther ein solches Pneuma ist, so werden beide ihrem Wesen nach vollkommen gleich gesetzt. Dieses Pneuma ist dem Grade seiner Dichtigkeit nach viel feiner als Luft, nur luft- oder gasartig; seiner Natur nach aber feurig und belebend. In dieser Beziehung mussten alle Stoiker gemäss der Konsequenz ihrer physikalischen Grund- anschauung übereinstimmen!); und dass dies der Fall war, be- weist, abgesehen von den vielen Definitionen der Seele, die stets anders gewandt doch immer dasselbe aussagen?), die direkte Angabe des Carneades bei Cicero deor. nat. III 14, 36: vos.. quomodo hoc quasi concedatur sumitis mihil esse animum nisi ignem? Hierauf fährt derselbe fort: probabilius enim videtur tale quiddam esse animum, ut sit ex igni atque anima tempera- tum. Dies hätte Carneades ihnen nicht sagen können, hätte schon Chrysipp selbst das Gleiche gelehrt. Um: so klarer tritt jetzt die Abweichung des Panätius von der früheren Lehre und der Einfluss des Carneades auf ihn hervor, wenn wir lesen (Cic. Tuse. I 18, 42): is autem animus, qui si est horum quattuor ge- nerum, ex quibus omnia constare dicuntur, ex inflammata anima constat, ut potissimum videri video Panaetio, superiora capessat necesse est. nihil enim habent haec duo genera proni et superiora 1) Wenn. demnach von Zeno berichtet wird (Cie. Tuse. I 10, 19; de fin. IV 5,12), er habe die Seele für Feuer gehalten, im weiteren Verlauf aber und so besonders von Chrysipp dieselbe als πνεῦμα ἔνϑερμον zei dıd- zvoov bestimmt wird, so ist darin nicht eine verschiedene Auffassung, sondern nur eine genauere Bestimmung enthalten. Daher hat denn auch Varro l.l. V 59 ausdrücklich das πῦρ als Pneuma bei Zeno erklärt. ®) Vgl. Zeller Phil. ἃ. Gr. IIa S. 195, 25, — 32% semper petunt. Denn hieraus geht unwiderleglich hervor, dass Panätius, und zwar er hauptsächlich), zwei Elemente vereinigt als Seelensubstanz annahm, wie es Carneades als richtig gefunden hatte). Dieses war nun keineswegs nur eine nebensächliche 2) Wenn es oben heisst: ut potissimum videri video Panaetio, so sind wir noch im stande die Berechtigung dieses einschränkenden Urteils zu ver- stehen. Denn nicht er allein vertrat diese Ansicht, sondern auch Boethus; vgl. Macrob. 5. S. I 14,19: dixit animam... Boethus er aöre et igne mixtam. Da jedoch Cicero hier den Panätius so sehr hervorhebt und unmittelbar darauf ihn infolge dessen die Unsterblichkeit leugnen lässt, andererseits es nirgends bekannt ist, dass Boethus die Unsterblichkeit geleugnet hat, so ist es höchst wahrscheinlich, dass letzterer hier ebenso wie in der Mantik die Folgerung nicht wie Panätius gezogen hat. 2) L. Stein, Psychologie der Stoa I S. 101ff. ist also im Irrtume, wenn er einen Unterschied in der Auffassung des Wesens der Seele bei Chrysipp und seinen Vorgängern annimmt. Denn wenn er uns zur Begründung seiner Ansicht, Chrysipp habe dem Pneuma eine Mittelstellung zwischen Feuer und Luft eingeräumt, auf Galen de plae. Hipp. et Plat. V 423, 14 ff. M. verweist, so könnte diese Stelle allerdings seine Annahme beweisen, wenn — sie Chry- _ sipps Eigentum wäre; das aber ist sie nicht. Galen sucht hier dem Chrysipp nachzuweisen, dass er etwas behaupte, ohne es bewiesen zu haben oder be- weisen zu können. Er lehre nämlich (5. Galen a. a. Ὁ. p. 420ff. M.), dass die Gesundheit der Seele in der Harmonie ihrer Teile bestehe, Teile der- selben aber diejenigen seien, aus denen der in ihr befindliche Logos, oder anders gesagt, das Hegemonikon bestehe (Galen a. a. Ὁ. Ρ. 421,58). Da nun Chrysipp nach seiner Aussage weder hier noch sonst wo solche Teile des Logos angegeben hatte, so versucht er, um ihm gerecht zu werden, sie ausfindig zu machen. Er glaubt daher zunächst, dass Chrysipp nach seiner Schrift “Ifsgi τοῦ Aöyov' vielleicht die ἔννοιαν und προλήψεις als solche habe aufgefasst wissen wollen; weist aber diese Annahme alsbald zurück und vermutet wieder, dass die Teile des Pneumas gemeint seien. Hierauf folgt - jene von Stein angezogene Stelle. Wir haben hier also nicht Chrysipps - Lehre vor uns, sondern eine solche, welche ihm Galen borgt. Wenn dieser daher Teile des Pneumas nennt, so folgt daraus keineswegs, dass auch Chrysipp dieselben als solche anerkannte, zumal die Worte Galens hier- zu nicht den geringsten Anhalt geben, ja der Inhalt sogar das Gegenteil beweist. Lesen wir nämlich die angeführte Stelle nicht so weit nur, wie Stein sie schreibt, sondern ganz, so nimmt Galen als Bestandteile des Pneumas © ausser Luft und Feuer auch ein gewisses Mals von Feuchtigkeit an, eine Annahme, die mit Chrysipps Lehre im Widerspruche steht (vgl. Galen ἃ. ἃ. Ο, ον. 424,3584); vollkommen entscheidend sind übrigens die Angaben im Texte. Ebenso ist Steins Ansicht unhaltbar, Panätius’ Auffassung vom Wesen der Seele weiche von der früheren nicht ab, weil sich das inflammata anıma vollständig mit dem πνεῦμα διάπυρον decke. 1 3 Α, ὡΦ 8 --Ἠ 326 -- Änderung, sondern berührte die tiefsten Probleme der Psycho- logie. Ihren Einfluss auf die Lehre von der Unsterblichkeit haben wir bereits früher kennen gelernt: Sie war einer der Gründe, die den Panätius veranlassten, dieselbe zu verwerfen. Da nun Po- sidonius die letztere wieder aufnahm, war er gezwungen, die absolute Einheit des Seelenpneumas wiederum gegen Garneades und seinen Lehrer zu verteidigen, was er that, wie wir früher gesehen haben. Nicht minder wichtig war ferner der Einfluss der genannten Polemik auf die Wiederaufnahme der Lehre von Teilen der Seele: Der Mischung der physischen Bestandteile der Seele entspricht offenbar auch eine Verschiedenheit der psychi- schen Vermögen; sah sich also Panätius durch Carneades ver- anlasst in jener Hinsicht von seinen Vorgängern abzuweichen, so müssen wir dasselbe auch in psychologischer Hinsicht er- schliessen. Doch ist dies nicht die einzige Nachricht, welche uns lehrt, dass Carneades die stoische Lehre von der Einheit des seelischen Vermögens mit Erfolg bestritten hat. Der Akademiker Callipho hatte dem Zeno .den Vorwurf gemacht, er habe die Natur des Menschen verkannt und deswegen das höchste Gut derartig be- stimmt, als ob der Mensch rein Geist sei, umgekehrt wie Aristipp und Epikur, welche wiederum nur auf den Körper Rücksicht ge- nommen hätten. Da der Mensch also aus Geist und Leib bestehe, so liege die Wahrheit offenbar in der Mitte. Diesen Einwurf verteidigte Garneades mit solchem Eifer gegen Chrysipp, dass er dadurch sogar den Anschein erweckte, als ob er die Ansicht desselben für gewiss hielte!). Diese Polemik trifft ebenfalls offen- kundig die Psychologie, da sie die Doppelnatur betont. Ihre unmittelbare Folge war bei Panätius die Anerkennung der φύσις als eines besonderen Vermögens. Aber nicht nur den Panätius hat diese Polemik zu dieser Änderung bestimmt, sondern ebenso auch den Posidonius. Auf dieselbe Weise nämlich wie Gallipho und Carneades bestreitet er die Psychologie Chrysipps und findet die richtige Lösung der einseitigen Auffassung desselben ebenso wie sein Lehrer in der Dreiteilung der Seele?). !) Cie. acad. pr. II 45,139; de fin. IV 11,28. 5) Vgl. Galen a. a. O. p. 439, 9 ff.M: τριῶν οὖν τούτων ἡμῖν οἰχενώσεων ὕπ- ἀρχουσῶν pics, μιᾶς χαϑ' ἕχαστον τῶν μορίων τῆς ψυχῆς εἶδος, πρὸς μὲν τὴν ἡδονὴν διὰ τὸ ἐπιϑυμητιχόν, πρὸς δὲ τὴν νίχην διὰ τὸ ϑυμοειδές, πρὸς δὲ τὸ καλὸν ᾿ @ Noch von einer dritten Seite aus hat Carneades auf eben diese Entscheidung einen bestimmenden Einfluss ausgeübt. Um dieses zu erkennen, müssen wir zunächst die psychologischen Lehren der älteren Stoiker, so weit sie hier in Betracht kommen, ‚näher erörtern. Das seelische Vermögen des Menschen ist also nach der Meinung der älteren Stoiker, wie gesagt, vollkommen einheitlich und gottgleich und als solches vernünftig. Daraus folgt mit Notwendigkeit, dass der Mensch von Natur nur ver- nünftige Triebe hat. Diesen Schluss will Zeller nicht anerkennen, obwohl er sich ihm nicht ganz entziehen kann, wenn er schreibt: »Wie die sittliche Anforderung ursprünglich aus dem Naturtriebe des vernünftigen Wesens hervorging, so ist dies auch das Ziel, auf welches sein Streben sich naturgemäss richtet. So natürlich dies aber für das Vernunftwesen auch sein mag, so ist doch der Mensch nicht bloss ein Vernunftwesen; es sind daher neben den vernünftigen auch vernunftlose Triebe«'). Denn wenn das Sittliche aus dem Naturtriebe der. vernünftigen Wesen hervor- ging und naturgemäss auch sein Ziel ist, so kann der Mensch von Natur nicht auch zu dem Gegenteile neigen. Vernunftlose Triebe können nicht aus der Vernunft hervorgehen; und wo vernunftlose Triebe neben den vernünftigen angenommen wer- den, da ist jederzeit auch eine Zweiteilung der Seele notwendig. Eine solche haben aber die alten Stoiker nicht gehabt, und die Stelle, welche Zeller zum Beweise des Gegenteils anführt, kann unmöglich dazu herangezogen werden, da sie dem Posidonius entlehnt ist, der eben im Einklange mit dem Vorhingesagten einen vernünftigen und einen unvernünfligen Seelenteil annimmt°). διὰ τὸ λογιστιχὸν, Enizovgos μὲν τὴν τοῦ χειρίστου μορίου τῆς ψυχῆς οἰχείωσιν ἐϑεάσατο μόνην, ὁ δὲ Χρύσιππος τὴν τοῦ βελτίστου φάμενος ἡμᾶς οἰχενιῶσϑαι πρὸς μόνον τὸ χαλόν, ὅπερ εἶναι δηλονότι καὶ ἀγα- ϑόν. ἁπάσας δὲ τὰς τρεῖς οἰχειώσεις ϑεάσασϑαι μόνοις τοῖς παλαιοῖς ὑπῆρξε. Die Übereinstimmung tritt besonders hervor, wenn wir bedenken, dass dieser Einwand gerade wie der des Carneades die Psychologie in Bezug auf das höchste Gut tadelt. Dieser Vorwurf gegen Chrysipp ist also nicht das freio Eigentum des Posidonius. Wir sehen hieraus, wie wenig wir aus Galen schliessen dürfen, dass Posidonius zuerst an der stoischen Psychologie ge- gründeten Anstoss genommen hat. 1) Phil. d. Gr. 1114. S. 224°. , 2) Cie. deor. nat. II 12,54. Die unmittelbar folgenden Worte benutzt Zeller selbst a. a. O. S. 581,6? zur Darstellung der Lehre des Posidonius; vgl. ebds. S. 579. -- 82. -- Das unbedingte Gegenteil erweisen jedoch zahlreiche Stellen. So schreibt Plutarch de vita mor. c. 3: νομίζουσιν οὐχ εἶναι τὸ πα- ϑητιχὸν καὶ ἄλογον διαφορᾷ τινι καὶ φύσει ψυχῆς τοῦ λογικοῦ διακεκριμένον, ἀλλὰ τὸ αὐτὸ τῆς ψυχῆς μέρος, ὃ δὴ καλοῦσι διά- ψοιαν καὶ ἡγεμονικὸν διόλου τρεπόμεξνον καὶ μεταβάλλον Ev TE τοῖς πάϑεσι καὶ ταῖς κατὰ ἕξιν ἢ διάϑεσιν μεταβολαῖς κακίαν TE γίνεσ- ϑαι καὶ ἀρετὴν χαὶ μηδὲν ἔχειν ἄλογον Ev ἑαυτῷ. Dasselbe, was Plutarch am Anfange dieser Stelle sagt, berichtet auch Galen: ὃ δὲ Χρύσιππος 009° ἕτερον εἶναι νομίζει τὸ παϑητικὸν τῆς ψυχῆς τοῦ λογικοῖ, und an einer anderen Stelle: τὸ Era γὰρ εἶναι τὸ τῶν ἀνϑρώπων ἡγεμονικὸν Aoyıxzov!). Not- wendig folgt daraus, dass der Mensch von Natur nur Trieb zum Guten hat. Diese Folgerung vertritt auch Chrysipp bei Galen: δεῖ δὲ ἐντεϑυμῆσϑαι, ὅτι τὸ λογικὸν ζῷον ἀκολουϑητικὸν φύσει ἐστὶ τῷ λόγῳ καὶ κατὰ τὸν λόγον ὡς ἂν ἡγεμόνα πρακτιχόν, und: τριῶν οὖν τούτων ἡμῖν οἰχειώσεων ὑπαρχουσῶν φύσει καθ ἕχαστον τῶν μορίων τῆς ψυχῆς εἶδος... ὃ δὲ Aura τὴν τοῦ βελ- τίστου (ἐϑεάσατο μόνην) φάμενος ἡμᾶς οἰκειοῦσϑαν πρὸς μόνον τὸ καλόν, ὕπερ εἶναι δηλονότι καὶ ayasFov?). Diese Stellen lassen nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig, sondern beweisen klar und unwiderleglich, dass wir in der Seele des Menschen von Natur keine bösen Triebe anzunehmen haben. Ist dem aber so, so muss alles Schlechte von aussen, nicht von innen aus dem Geiste des Menschen entstehen. Dies lehrt wie- derum Chrysipp ausdrücklich und erkennt als Gründe, welche das Böse bewirken, ihrer Art nach zwei an: Die Meinung der Menschen und die Natur der Dinge, also in letzter Beziehung die Natur der Dinge, da von dieser erst die Meinung der Men- schen stammt. Er musste auch so lehren, um von seinem Stand- punkte aus die Thatsache zu erklären, dass die Kinder doch nicht vollkommen gut würden und ohne böse Triebe blieben, selbst wenn sie die Besten, wenn sie Philosophen zu Erziehern hätten?). In voller Übereinstimmung mit diesem Sachverhalte lautet daher auch Chrysipps Definition der ὁρμή): ἔστι δὲ ὁρμὴ τοῦ ἀνθρώπου λόγος προσταχτιχὸς αὐτῷ Tod ποιξῖν. Denn es 1) a. ἃ. 0. V p. 456, 14ff. IV p. 353, 10£.; vgl. IU p. 21 8ff.M. 2) a. a. O.IV p. 338, 11f., V p. 438, 12ff. 8) Galen a. a. Ο. Υ 489, 10. 4) Plut. de stoic. rep. 11, 6. 7 — 329 Σ leuchtet von selbst ein, dass dieser λόγος προσιαχτικὸς τοῦ ποιεῖν derselbe ist wie der λόγος, von welchem an der vorhin aus Galen (IV 338, 11 ff.) angeführten Stelle gesagt wird, er sei jye- uov πρακτικός. Bedeutet also λόγος an jener Stelle Vernunft, so muss es auch an dieser dieselbe Bedeutung haben!). Und nach dem, was wir vorher ausgeführt haben, ist dies auch durchaus notwendig: Ist die menschliche Seele einheitlich und rein Ver- nunft, und ist die ögun eine ihrer Fähigkeiten oder Thätigkeiten, wie wir noch nachher sehen werden, so kann sie auch nur ver- nünftig sein oder die Vernunft, in sofern sie sich auf das Han- deln bezieht. Doch auch unabhängig von diesem Zusammen- _ hange ergiebt sich dieselbe Erklärung. Der νόμος wird definiert als λόγος προστακτικὸς μὲν ὧν ποιητέον, ἀπαγορευτικὸς δὲ ὧν οὐ ποιητέον; die ὁρμὴ als λόγος προσταχτιχὸς τοῦ ποιεῖν: Beide Definitionen sind augenscheinlich gleich und sagen von verschiedener Seite aus ganz dasselbe, wie es auch bei der ‚stoischen Gesamtanschauung nicht anders sein kann: Derselbe Λόγος, der als Gesetz befiehlt, was zu thun ist, muss mit dem _ naturgemässen Willen des Menschen zusammenfallen, wenn alle Tugend und alle Vollkommenheit darin besteht, dasselbe zu wollen, was das Gesetz, der λόγος 00%0s, will?). Die ὅρμή ist also ihrem Wesen nach die Gefühls- und Willensfähigkeit des Hegemonikons oder, entsprechender der Einheit desselben gesagt, das Hegemonikon in sofern es fühlt und will. Daraus folgt, dass jede Thätigkeit desselben von einem Triebe begleitet sein muss?), dessen Stärke nach der Spannkraft (τόνος) und der Thätigkeit des Hegemonikons ver- schieden ist‘). Dies ist auch in der That der Fall. Die Wahr- 1) Zeller leugnet a. a. Ὁ. IIa 8. 225, 1? diese jedenfalls zunächst liegende Erklärung und muss sie seiner Auffassung gemäss leugnen, doch geschieht ‚dies ohne jede Berechtigung. Da er sich nämlich auf die vorher aus Cie, deor. nat. II 12,34 angeführte Stelle beruft, diese jedoch, wie wir gezeigt "haben, hier überhaupt nicht zum Beweise herangezogen werden darf, 80 fällt damit jeder Grund für die Auffassung Zellers. 2) Vgl. Zeller a. a. O. S. 222; 285. 3) Stob. 66]. II 87, 3ff. τὴν δὲ λογικὴν ὁρμὴν (1. ἐν τοῖς λογικοῖς γι- vousvnv 6.) δεόντως ἂν ἀφορίζοιτο λέγων εἶναι φορὰν διανοίας ἐπὶ τι τῶν ἐν τῷ ᾿ πράττειν. Sie ist als solche im allgemeinen die Fähigkeit des Hegemonikons, _ und nicht schon ein konkreter Akt, ebds. Z. 118... τῆς ἕξεως τῆς dgum- τιχῆς, ἣν δὴ καὶ ἰδίως δρμὴν λέγουσιν, ἀφ᾽ ἧς συμβαίνει ὁρμᾶν. ζ Ὁ Stob. a. ἃ. O. Z. 14ff. unterscheidet acht Arten derselben. ᾿ μι ἂν % — 890 -- nehmung (αἴσϑησις) ist derjenige Eindruck, welchen der wahr- genommene Gegenstand vermittelst der sinnlichen Organe im Hegemonikon hervorruft. Denn nicht in den Sinnen als solchen, sondern in dem Hegemonikon tritt. die Empfindung der Wahr- nehmung ein!). Es muss daher auch die Wahrnehmung als eine Affektion des Hegemonikons mit einer Art von ὁρμή verbunden sein?). Was nun von der Wahrnehmung gilt, gilt selbstverständ- lich auch von der Vorstellung (φαντασία); denn diese ist ja nichts anderes als die durch die Wahrnehmung hervorgebrachte Ver- änderung (Eregotworc) des Hegemonikons, die auch, nachdem die Wahrnehmung als solche zu sein aufgehört hat, noch fortdauert?). Also auch der Vorstellung muss eine doun immanent sein. Aus den Vorstellungen bilden sich nun teils ohne unser besonderes Zuthun, teils durch die Denkthätigkeit des Urteilens (zoiveır) die Begriffet). Diese Denkthätigkeit ist natürlich nicht eine ihrem Wesen nach verschiedene, über den Vorstellungen stehende Kraft des Hegemonikons, die sie gleichsam vor ihren Richterstuhl stellt und aburteilt®), sondern bei der Einheit desselben kann es nur die wesensgleiche eine Fähigkeit sein, die sich nur durch die Verschiedenheit des Objekts, welche durch die Abwickelung des Denkprozesses bestimmt ist, gleichsam als ein anderes Vermögen !) Galen a. a. OÖ. I p. 208, 10ff.: βούλεταί γε Ζήνων χαὶ Χρύσιππος ἅμα τῷ σφετέρῳ χορῷ παντὶ διαδίδοσθαν τὴν ἐκ τοῦ προσπεσόντος ἔξωϑεν ἐγγινομένην τῷ μορίῳ κίνησιν εἰς τὴν ἀρχὴν τῆς ψυχῆς, ἵνα αἴσϑηται τὸ ζῷον. Vgl. ebds. III p. 296,7. Diels, dox. gr. p. 393,16; 400, If. 2) Die Richtigkeit dieses Schlusses folgt daraus, dass auch die Wert- verhältnisse Gegenstand der Wahrnehmung sind: Auch das Gute und Schlechte, das Süsse und Bittere ist wahrnehmbar; vgl. Plutarch Stoie. rep. 6. 19,2; Stob. floril. IV p. 236 ed. M. — Hierbei ist natürlich nicht an die Begriffe „Süss“, „Gut“ u. s. w. zu denken, denn diese gehören zu den vonrd, sondern an das einzelne konkrete Süsse, Gute u. 5. w. — Das Gleiche lehrt noch eine andere Erwägung: Der erste Trieb (πρώτη öoun) ist nach Chrysipp auf die Erlangung des Zuträglichen und die Abwehr des Schädlichen gerichtet. Da zu dieser Zeit die Seele einer vollständig unbeschriebenen Tafel gleicht, in die erst durch die Wahrnehmung aller Inhalt gelangt, so kann der erste Trieb nicht schon infolge eines Urteils entstehen, da ja dieses erst in späterer Zeit möglich ist, sondern nur mit und durch die erste Wahr- nehmung; vgl. Zeller a. a. O. IlIa S. 208 Anm. 2. ®) Diels dox. gr. p. 400, 10 ff. a) Dielsa.2.. 02 ΚΖ: ΠΗ: 5) Vgl. auch Zeller a. a. O. S. 78. + —,331 — darstellt. Wie daher durch diese der äussere Eindruck zur Wahrnehmung und Vorstellung wird, so wird aus den Vorstel- lungen der Begriff, indem die verschiedenen Vorstellungen im Hegemonikon verschiedene Veränderungen (ἑτεροιώσεις) hervor- bringen oder es vielmehr sind, die sich gegenseitig, ihrer Natur entsprechend, in verschiedener Weise entweder ausscheiden oder verbinden und ergänzen. Die Begriffe sind daher auch allseitig befestigte Wahrnehmungen und Vorstellungen, nicht aber ihrem Wesen und Ursprunge nach von diesen verschieden'). Auf die- selbe Weise wie die Begriffe des Verstandes bilden sich, und zwar gleichzeitig, die des Gefühls oder der Wertschätzung aus den Vorstellungen, und wie jene das Kriterium für Wahrheit und Irrtum sind, ebenso sind diese das Kriterium für das sitt- liche Handeln 5). Die Gesundheit der Seele bestimmte nun Chrysipp analog der des Körpers als die Harmonie der Teile des Logos oder des Hegemonikons?). Selbstverständlich kann er darunter nur die auf einander folgenden einzelnen Arten und Äusserungen der Fähigkeit verstanden haben, in deren Summe das Vermögen des Hegemonikons erscheint. Als solche werden uns auch thatsäch- lich genannt die Wahrnehmung, Vorstellung, Zustimmung, der Trieb und der Verstand als der Inhalt der Begriffe‘). Ihre Harmonie besteht also in dem naturgemässen Verhalten der- selben; welches dieses ist, ist leicht zu erkennen. Sobald eine Wahrnehmung im Hegemonikon stattfindet, erfolgt bei der Ein- heit desselben das Zusammentreffen der durch sie hervorgebrachten ἑτεροίωσις mit den Verstandesbegriffen. Bei diesem Zusammen- treffen entscheiden naturgemäss die letzteren die Stellung und Beziehung der neuen £regoiwor. Diese Thätigkeit des Hege- monikons gilt natürlich als eine bewusste; die Annahme der neuen ἑτεροίωσις wird daher als eine Zustimmung desselben (συγχατάϑεσις) bezeichnet. Da nun der Vorstellung ein Trieb 1) Diels a. a. O. Z. 12ff. Diog. VII 52; vgl. auch Zeller a. a. Ὁ. Illa B. 73; 805. 3) Zeller a. a. O. 5. 7öff., 80ff. Das Hegemonikon ist also nicht ein rein leidendes, sondern auch ein selbstthätiges Organ. 8) Galen a. a. O. 421,5ff; vgl. 5. 325 Anm. 2. Kine 4) Stob. eel. I p. 368, 12ff; 369, 6ff.; vgl. Diels a. a. Ὁ. p. 410,25; Galen ἃ. ἃ. O. III 298, 7. = ὗν, -- 332 — immanent ist und ebenso in und mit den Begriffen des Verstandes die des Gefühls, von dem der Wille unzertrennlich ist, verbunden sind, so wird gleichzeitig mit der Zustimmung in Bezug auf ihre Wahrheit die Berechtigung des Triebes anerkannt. Bei dem naturgemässen Verhalten der Seele tritt also der das Handeln bedingende Trieb erst infolge eines zustimmenden Urteils oder zugleich mit diesem ein!). Ist nun das naturgemässe Verhalten der Seele ihre Gesund- heit, so kann die Krankheit derselben nur in einem naturwidrigen Verhalten bestehen?). Solche Krankheiten giebt es zwei, den . Irrtum und die Leidenschaft. Der erstere entsteht dadurch, dass eine falsche Wahrnehmung eine falsche Vorstellung und diese wieder ein falsches Urteilen und Handeln hervorruft?). Um- gekehrt liegt bei der Leidenschaft (πάϑος) die Verkehrtheit über- wiegend im Willen und Gefühl®): Das Pathos ist ein übermässiger und darum unnatürlicher Trieb, der ungehorsam gegen die Ver- nunft eine unvernünftige Entscheidung (κρίσις) und so auch ein unvernünftiges Handeln hervorbringt’). Wie ist nun ein solches Pathos möglich? | Da das seelische Vermögen eine untrennbare Einheit ist, kann es nur in dem Hegemonikon entstehen‘); da dieses aber von Natur nur vernünftige Triebe hat, so ist es unmöglich, dass es auch aus ihm entsteht, d. h. dass es auch in demselben seinen Ursprung und Grund hat. Es kann also wie alles Schlechte 1) Stob. 66]. 11 88,1. W.: πάσας δὲ τὰς ὁρμὰς συγκαταϑέσεις εἶναι... ἤδη δὲ ἄλλῳ μὲν εἶναν συγκαταϑέσεις, ἐπ’ ἄλλο δὲ ὁρμάς" καὶ συγχαταϑέσεις μὲν ἀξι- ὠμασί τισιν, ὁρμὰς δὲ ἐπὶ χατηγορήματα, τὰ περιεχόμενί πως ἐν τοῖς ἀξιώμασιν, οἷς συγχατατίϑεσϑαι. Die συγχατάϑεσις geht also auf die Urteile als solche, die öoun auf das Handeln. Da dieses auf bestimmte Weise in jenen enthalten ist, so ist gewissermalsen jede öour auch eine συγχατάϑεσις. ?) Galen a. a. O. V p. 414, ft. 8) Ein Irrtum entsteht, εἰ {τὸ λογιχὸν ζῷον» σδιημαρτημένως φέρεταν καὶ παριδών τν χατὰ τὸν λόγον, Chrysipp b. Galen a. a. O. IV p. 339,5f. u. ö.; vgl. p. 358,10; 356, 13ff.; 359, 17#.; 96: Ὁ Diesen Unterschied giebt Chrysipp klar an b. Galen a. a. O. IV p- 360; vgl. auch d. folg. Anm. 5) Chrysipp b. Galen a. a. O. IV p. 338, 4 ff.; 349, 10 ff.; 352, 15ff.; 384, 1ff.; vgl. Stob. eel. II 88, 884. Υ; Diog. VII 110. °) Abgesehen von allem, was bis jetzt dagewesen ist, vgl. noch Chrys. b. Galen a. a. Ὁ. IV p. 384, 1ff. 2909 III — nur durch die Aussenwelt in ihm hervorgebracht werden: ἡ Übt irgend ein Gegenstand oder eine Äusserung auf die Sinne einen "übermässigen Reiz aus, so tritt zugleich mit der Wahrne 'hmung und der entsprechenden Vorstellung ein übermässiger Trieb ein. der das Hegemonikon derartig affiziert, dass nicht die Verstandes- " begriffe mächtiger sind, sondern die neue ἑτεροίωσις und darım ‚eine Entscheidung (xofore) nicht gemäss jenen, sondern gegen jene zu stande kommt. Darum ist das πάϑος auch eine χρίσις, aber eine ἄλογος κρίσις und eine παρὰ φύσιν κίνησις τοῦ ἡγεμονιχοῦ πα ἀπειϑὲς τῷ λόγῳ: Denn der naturgemässe psychische Prozess ist hier umgedreht, und dies ist vom Verstande aus beurteilt Ungehorsam. Ebenso klar ist es, dass es nur in einem Übermalse des Triebes (πλεονασμός, ER ὁρμή) besteht und plötz- lich hervorbricht?). Auf diese Weise lösen sich alle Schwierigkeiten und Wider- sprüche, die in dieser Lehre enthalten zu sein scheinen, einfach auf, und klar und scharf tritt uns dieselbe als eine in sich konsequent durchgeführte und auf der einmal eingenommenen physikalischen _ Grundanschauung streng aufgebaute Theorie des rationalistisch- _ monistischen Sensualismus entgegen. Aber verschwinden auch die vermeintlichen Widersprüche dieser Lehre an sich, so schwin- den damit noch keineswegs auch diejenigen, in welche dieselbe mit. anderen Lehren des Systems gerät, ganz abgesehen von den Irrtümern, die jede Kritik, welche nicht .die stoische Lehre als che anerkennt, ohne weiteres zu rügen hat. Die Kritik ist ihr aber nicht erspart geblieben. = Wenn wir die vorstehend entwickelte Lehre näher betrachten, wird uns alsbald zum Bewusstsein kommen, dass der Ursprung des sittlichen Übels auf Grund dieser Psychologie einerseits und es pantheistischen Vorsehungsglaubens andererseits unmöglich zu erklären ist. Es ist unfassbar, wie die Natur der Dinge, die ıls Entfaltung der Gottheit nur gut sind und die begeistertste heodicee hervorrufen, unsittlich und schlecht auf das von Natur ein vernünftige Hegemonikon einwirken kann. Diesen Wider- spruch, die Unerklärbarkeit des sittlichen Übels, hat nun Car- eades mit gewohntem Scharfsinn und unwiderstehlicher Logik © ἢ Galen a. a. O. IV p. 387, 1#.; vgl. V p. 439,5 5. S. 32 2) Vgl. d. vorletzte Anm. u. Galen a. a. O. 381,9; u. ὃ ae aufgedeckt. Denn aus dem Verhältnis der Zustimmung zur Wahr- nehmung hat er, wie wir früher (S. 181ff.) gesehen haben, dem Chrysipp den Nachweis geliefert, dass es entweder keine Tugend und Schlechtigkeit oder kein Fatum gebe, oder dass dieses an der Schlechtigkeit schuld sei. Da der Stoiker selbstverständlich die erste und die dritte dieser Forderungen gar nicht, und auch die mittlere nicht voll und ganz als richtig zugestehen konnte, und namentlich Posidonius das Fatum in aller Strenge wie Chrysipp aufrecht hielt, so war die Erklärung des sittlichen Übels unmöglich. Es musste daher notwendig der Fehler in der Psycho- logie Chrysipps stecken. Wenn nun Posidonius dem Chrysipp vorhält, bei seiner Auffassung der Psychologie lasse sich die Entstehung und der Verlauf der Leidenschaften nicht erklären, weil Unvernünftiges nicht aus dem Vernünftigen entstehen könne), so ist der Einfluss dieser Kritik des Garneades wiederum klar zu sehen. Den Einfluss eben derselben Kritik erkennen wir schliesslich noch von einer anderen Seite mit vollkommener Gewissheit. Nach- dem Posidonius Chrysipps Annahme der absoluten Einheit des seelischen Vermögens, wie wir soeben gesehen haben, widerlegt und an Stelle derselben die Platonisch-Aristotelische Dreiteilung wieder aufgenommen hat, fährt er fort:?) οἱ de τοῦτο παριδόντες οὔτ᾽ Ev τούτοις βελτιοῦσι τὴν αἰτίαν τῶν παϑῶν OVT Ev τοῖς περὶ τῆς εὐδαιμονίας καὶ ὁμολογίας ὀρϑοδοξοῦσιν. οὐ γὰρ βλέπουσιν, ὅτι πρῶτόν ἔστιν Ev αὐτῇ τὸ κατὰ μηδὲν ἄγεσθαν ὑπὸ τοῦ ἀλόγου Te καὶ καχοδαίμονος καὶ ἀϑέου τῆς ψυχῆς. ἃ δὴ παρέντες ἔνιον τὸ ὁμολογουμένως ζῆν συστέλλουσιν εἰς τὸ πᾶν [τὸ] ἐνδεχόμενον ποιεῖν ἕνεχα τῶν πρώτων κατὰ φύσιν, ὅμοιον αὐτῷ ποιοῦντες τῷ σκόπον ἐχτίϑεσθαι τὴν ἡδονὴν ἢ τὴν ἀοχλησίαν ἤ ἄλλο τι τοιοῦτο. ἔστυ δὲ μάχην ἐμφαῖνον κατ᾽ αὐτὴν τὴν ἐχφοράν, καλὸν δὲ καὶ εὐδαι- μονικὸν οὐδέν παρέπεται γὰρ κατὰ τὸ ἀναγκαῖον τῷ τέλει, τέλος δ᾽οὐχ ἔστιν. ἀλλὰ καὶ τούτου διαληφϑέντος ὀρϑῶς, ἔξεστι μὲν αὐτῷ χρῆσϑαι πρὸς τὸ διακόπτειν τὰς ἀπορίας, ἅς οἱ σοφισταὶ προτείνουσι, μὴ μέντοι γε τῷ κατ᾽ ἐμπειρίαν τῶν κατὰ τὴν ὅλην φύσιν συμβαινόντων ζῆν, ὅπερ ἰσοδυναμεῖ τῷ ὁμολογουμένως εἰπεῖν ζῆν, ἡνίκα μὴ τοῦτο μιχροπρεπῶς συντείνει εἰς τὸ τῶν διαφόρων τυγχάνειν. Nach der Darlegung also, dass die richtige Erkenntnis 1) 'Galen*a. ἃ: Ὁ: IV pX 361, 108: πὶ Ὁ: ?) Galen a. a. O. V p. 49 ff. -- 35 — der Ursache des Pathos, ἃ. ἢ. die richtige Psychologie auch allein die richtige Bestimmung des Zieles zur Folge hat, erwähnt er ‚hier Stoiker, welche den seit Zenos Zeiten geltenden Grundsatz ὁμολογουμένως ζῆν eben wegen der falschen Auffassung der Psychologie verkehrt in der Weise deuteten, dass sie die wesent- liche Bestimmung derselben ausliessen und etwas, was erst eine Folge” des höchsten Gutes sei, für das höchste Gut selbst er- ‚klärten. Gemeint kann hiermit nur Antipater sein, dessen Defi- "nition des höchsten Gutes bei Clemens Alexandrinus und Stobaeus ‘sich mit derjenigen deckt, die hier getadelt wird!), und die Posi- "donius auch bei Seneca in ganz ähnlicher Weise angreift*). Posi- _donius verurteilt also die Erklärung desselben und findet den Grund "ihrer Unrichtigkeit in der unrichtigen Auffassung der seelischen _ Vermögen?). Daran schliesst er die Bemerkung, dass die richtige Erkenntnis der seelischen Vermögen und ihres gegenseitigen Ver- ‚haltens?) die Zweifel und Bedenklichkeiten zerstreuten, welche die Sophisten gegen den stoischen Grundsatz erhöben. Nun zwangen gerade die Einwände des Carneades gegen die stoische Begriffsbestimmung des Zieles den Antipater zu der vorher er- “ wähnten Erklärung*), die Posidonius als unrichtig abweist: Somit können hier unter den Sophisten nur Carneades und seine An- 'hänger verstanden werden. Folglich haben in der That die Ein- wände des Carneades gegen die stoische Bestimmung des Zieles =) Strom. II p. 1195. Stob. 66]. II p. 76, 118, ζῆν ἐχλεγομένους μὲν τὰ ᾿χατὰ φύσιν, ἀπεχλεγομένους δὲ τὰ παρὰ «φύσιν διηνεχῶς .. πᾶν τὸ χαϑ' αὑτὸν ποιεῖν διηνεχῶς χαὶ ἀπαραβάτως πρὸς τὸ τυγχάνειν τῶν προηγ μένων χατὰ φύσιν. ahe verwandt sind die Definitionen des Diogenes von Babylon und des Ar- _ ehedemus. Auch Hirzel Unters. IIa S. 516. hat bereits Antipater für den hier _ getadelten Stoiker gehalten. ΗΜ = 3) Denn wenn er schreibt: παρέπεται γὰρ κατὰ τὸ ἀναγχείον τῷ τέλει, τέλος δ᾽ οὐκ ἔστιν, so folgt dies offenbar aus der vorhergehenden, auf Grund der richtigen Fassung der Psychologie aufgestellten Begriffsbestimmung des E- Gleichzeitig geht hieraus hervor, dass Antipater jedenfalls noch nicht mehrere Vermögen der Seele angenommen, also die stoische Psychologie noch nicht geändert hat. Dem diesbezüglichen Einwande des Carneades ‘gab er eben auf andere Weise nach. Ἵ 8) Wie auch immer das τούτου διαληγϑέντος bezogen werden mag, 68 Seht immer — direkt oder indirekt — auf die vorhergegebene RP it des Zieles und damit auf die richtige Bestimmung der Ursache des πάϑος; _ denn hieran knüpft diese ganze Erörterung Galens an. - #4) Hierüber wird später gehandelt werden; vgl. auch S. 339 Anm. 1. — 36 -- und die Ethik überhaupt den Posidonius veranlasst die Platonisch- Aristotelische Dreiteilung des seelischen Vermögens beizubehalten und nicht wieder zur älteren Fassung zurückzukehren. Ἢ Panätius sowohl wie Posidonius stehen also auch hier unter dem Einflusse des Carneades. Vergleichen wir nun die psycho- £ logischen Lehren beider miteinander, so zeigt sich, dass sie trotz ihrer Übereinstimmung im allgemeinen in den einzelnen Fragen entgegengesetzte Antworten geben: Panätius lässt die Seele aus verschiedenen Elementen bestehen, nimmt demgemäss drei Teile derselben an und hält sie für sterblich; Posidonius dagegen hält sie dem Stoffe nach für einheitlich, spricht daher auch nur von drei Vermögen derselben und glaubt an ihre Prä- und Postexistenz. ὦ Der Grundunterschied zwischen beiden liegt, wie klar ersichtlich, in der verschiedenen Auffassung der Natur der Seele; denn aus dem Unterschiede, ob sie einfach und einheitlich oder zusammen- gesetzt ist, leiten sich die weiteren Unterschiede leicht her. Da diese Unterscheidung, wie wir zu Anfang dieses Abschnittes ge- sehen haben, unter dem Einflusse des Garneades steht, so er- giebt sich von neuem, dass hier nicht Willkür geherrscht, sondern klar bewusste Motive und Einflüsse gewirkt haben. Die Stellung beider Philosophen zu den entsprechenden Platonischen und Aristotelischen Lehren ist an sich klar und bedarf keiner weiteren Erörterung. Jedoch einen anderen Punkt der Aristotelischen Psychologie müssen wir hier noch besonders berücksichtigen. Aristoteles schied wie bekannt in der mensch- lichen Seele die niedere geistige Seelenkraft und die Denkkraft (νοῦς ποιητικός), die ihrem Wesen nach zwar durchaus verschie- den sind, aber in ihrer Verbindung das individuelle Denken und Empfinden zu stande bringen. Die Denkkraft als solche ist bei ihm das Vermögen der unmittelbaren, irrtumsfreien Erkenntnis der allgemeinsten Principien. Wenn nun auch diese Denkkraft als solche das eigentliche Wesen des Menschen ausmacht, so kann der Mensch doch nur Mensch sein, wenn sich dieselbe mit dem niederen Seelenteile (νοῦς παϑητικός) verbindet. Der Ein- fluss dieser Unterscheidung einer doppelten Vernunft kommt bei Panätius sofort zu Bewusstsein, wenn wir uns seiner Einteilung der Vernunft in die eigentliche, allen Menschen gemeinsame Denkkraft und die individuelle Natur derselben erinnern und bedenken, dass er gerade die allgemeinen Prineipien der Ethik 3 =. 981 — und damit die des Wissens überhaupt auf die allen gemeins Denkkraft gründete, in der individuellen Natur der Vernunft aber den Grund für die Verschiedenheit der Charaktere fand. Dass sich Posidonius in der Auffassung dieser Lehre an Panätius an- schloss, haben wir (S. 259 Anm. 2) bereits gesehen, Auch die An- nahme dieser Auffassung steht unter dem Einflusse des Car- neades, wie wir später kennen lernen werden. ame Kap. 9. Erkenntnistheorie. ᾿ς Philodems Abhandlung περὶ σημείων καὶ σημειώσεων 1) zer- fällt, wie bereits Philippson richtig erkannt hat, in vier Abschnitte, die alle in gleicher Weise die stoische Lehre von der Schluss- bildung bekämpfen. Philodem hat bei der Abfassung nichts weiter gethan, als die Arbeiten seiner Gewährsmänner einfach an einander zu reihen. Der erste Abschnitt (col. 1—19,9) ist den Aufzeich- nungen entnommen, die er selber, der zweite (col. 19,9 — 28,13) denen, die sein Freund Bromius in den Vorlesungen bei Zeno niedergeschrieben hatte. Der dritte Abschnitt (col. 28,13 — 29,20) stammt aus einer Schrift eines Epikureers Demetrius*); der vierte (col. 29,20— 38,22) ist am Anfange verstümmelt. Philippson spricht ihn dem Zeno zu, also demselben Philosophen, auf den auch der erste und zweite Teil zurückgehen. Mit dieser Ansicht steht seine weitere Überzeugung in innerer Beziehung, dass Zeno der einzige und erste Epikureer gewesen sei, der die Lücke in der Erkenntnistheorie Epikurs erkannt und durch die Theorie des Induktionsschlusses (μετάβασις καϑ᾽ ὁμοιότητα) ausgefüllt habe und dass, abgesehen von seinen nächsten und treusten Schülern, deren Ansicht uns Philodem giebt, die nachfolgenden Epikureer seine 1) Ausser dem Herausgeber dieser Schrift Gomperz (Herkulanens. Stu- dien, Heft 1 Leipzig 1865) haben über dieselbe besonders gehandelt Fr. Bahnsch: Des Epikureers Philodemus Schrift περὶ ang. 7. σημέξιωσ. Lyck 1872. Diese Schrift ist mir nur aus den beiden folgenden Arbeiten bekannt. Phi- -lippson in der schon 5. 298 Anm. 1 genannten Dissertation und P. ‚Netorp in seinen „Forschungen zur Geschichte des Erkenntnisproblems“ S. 238 ff. 2) Über diesen vgl. S. 16 Anm. 4. Schmekel, mittlere Stoa. 22 Rx u -- 5358 -- Neuerungen sofort über Bord geworfen hätten!). Philippson hat für diese Ansicht keinen anderen Grund als die Bedeutung Zenos in der Epikureischen Schule und das Stillschweigen der sonst vor- handenen Quellen auf die Frage, ob noch irgend ein anderer Epikureer ausser Zeno die Theorie der Induktion gelehrt habe: Zwei Gründe, deren Stichhaltigkeit an sich augenscheinlich sehr schwankend ist. Wenn nun Philippson die beiden Angaben Philodems col. 7,5 ff.: πειρᾶταί τε Διονύσιος, πρὸς ἃς φέρουσιν ἀντιρρήσεις οἱ παρ᾽ ἡμῶν, φιλοτεχνεῖν' φασχόντων γὰρ ὅτι χαὶ διὰ τοῦ κατ᾽ ἀνασκχευὴν τρόπου πάντως ὃ καϑ' ὁμοιότητα διήκει καὶ βεβαιοῦται (δὲ) ἐκεῖνος διὰ τούτου, und col. 38, 22 ff.: τὰ μὲν οὖν ΕΠ πες τοῖς ἡμετέροις κατὰ τοῦτο niet γεγονόσι τοιαῦτ᾽ ἔστιν einfach dahin deutet, dass diese Epikureer, die sich mit der Theorie der Induktion sehr viel beschäftigt haben, die Dionysius zu widerlegen, Zeno zu verteidigen unternahm, Schüler Zenos gewesen seien, so nähert er sich mit diesem Schluss offen einem Zirkel: Aus der durch Philodem verbürgten That- sache, dass Zeno die vorliegende Theorie der Induktion vertreten hat einerseits und dem Stillschweigen der sonstigen Quellen über diese Lehre andererseits schliesst er, dass Zeno der Schöpfer der gedachten Theorie ist, und dann rückwärts, dass die übrigen Epikureer, deren Philodem als Vertreter der gleichen Theorie gedenkt, Schüler Zenos gewesen seien. Dass dieser Schluss also nicht zwingend ist, liegt auf der Hand. Jede natürliche und nicht voreingenommene Erklärung wird vielmehr nach den an- geführten Angaben Philodems ohne weiteres zugeben, dass Zeno nicht der erste Epikureer gewesen ist, der sich mit der Theorie des Induktionsschlusses näher beschäftigt hat?). Für diese Auf- fassung giebt es jedoch noch einen weiteren, durchaus stich- haltigen Beweis. So sehr auch der vierte Abschnitt mit dem ersten stimmen mag, so vertritt er doch in einem Punkte mit Bewusstsein eine von Zeno abweichende Meinung’): Also kann Ὁ ΕἸ οἷς (ΟΣ 0.082. 53) So hat auch Bahnsch diese Nachricht aufgefasst; vgl. Philippson a. a. O. p. 32. 3) col. 30, 37 ff.: σημειώσεως γὰρ ὀρϑῆς οὐδεὶς παρὰ τοῦτον (sc. τὸν 29" ὁμοιότητας ἔστιν ἕτερος τρόπος. Sl, 8ff.: οἱ δὲ φάσχοντες ἠρϑῆσϑαν τὸν χαϑ' ἀνασχευὴν τρόπον τῆς σημενιώσεως ἐκ τοῦ χαϑ' ὁμοιότητα, κἂν ταὐτὸ τῇ δυνάώμεν λέγωσιν ἡμῖν, τῇ γε διδασχαλίᾳ καταλείποντες ὑποψίαν ὡς dv’ ὄντων Zeno unmöglich der Verfasser des vierten Abschnittes sein. Zu dieser Verschiedenheit treten noch weitere hinzu, Die Aus- führungen Zenos richten sich durchweg gegen den Vertreter der Stoiker, Dionysius, sowohl im ersten wie im zweiten Teile!); der Verfasser des vierten Abschnittes, dessen Name zugleich mit dem Anfange der Darstellung ausgefallen ist, erwähnt den Diony- sius nicht einmal, sondern wendet sich von Anfang an gegen die Stoiker überhaupt?). Ferner macht er diesen den Vorwurf, sie nähmen nicht darauf Rücksicht, dass die Epikureer als Be- dingung für den Schluss aus der Übereinstimmung der Merkmale stets hinzufügten: »Wenn nichts dagegen spricht.« Dieser Vor- wurf ist aber Dionysius gegenüber nicht gerechtfertigt, denn dieser hat sich auch gegen diese Bedingung gewandt und sie zurückgewiesen). Also müssen wir schliessen, dass der Verfasser _ dieses Abschnittes die Entgegnungen des Dionysius noch nicht gekannt und somit eher als Dionysius geschrieben hat. Diese Thatsachen beweisen unwiderleglich, dass Zeno nicht der einzige Epikureer gewesen ist, der die Theorie des Induktionsschlusses in das Epikureische System eingeführt hat. Vergleichen wir nun die Ausführungen des vierten Abschnittes mit denen Zenos nach Abzug der vorgetragenen Besonderheiten des letzteren, so kann ihre sachliche Übereinstimmung keinen Augenblick zweifelhaft sein. Daraus ergiebt sich mit voller Sicherheit, dass Zeno auch nicht der erste gewesen ist, der die Lehre Epikurs durch die in Rede stehende Theorie erweitert und bereichert hat; es folgt vielmehr, dass beide Vertreter dieser Schule sie von demselben Manne, also offenbar von ihrem Lehrer Apollodor empfangen haben. Da ferner beide Vertreter die gleichen Einwände der Stoiker mit den gleichen Gründen bekämpfen, ist es klar, dass der bei Philodem vorliegende Streit zwischen den Stoikern und 'Epikureern im wesentlichen bereits in der Generation vorher stattgefunden hat. ᾿σημειώσεως τρόπων etsg.; vgl. 60]. 8, 22f.; 9, 3ff.: διόπερ εἰ βίαν οὕτος οὐχ ἔχω πρὸς ἀποδεῖξαι τοῦτ᾽, οὐδ᾽ ὁ κατὰ τὴν ἀνασχευὴν ... zei di αὐτοῦ βεβαιού- μενος... οὐδ᾽ ἐχεῖνος ἔχει τὴν ἀνάγκην; vgl. noch 60]. 11,32. Auf diese Verschiedenheit hat auch bereits Natorp a. a. O. 5. 239 Anm. 1 aufınerk- sam gemacht. ν᾿ 1) Vgl. bes. col. 7,5; 11,32; 19,48. =» Vgl. col. 29, 25£. 3) Col. 8,18: vgl. dazu S. 298 Anm. 1. Wir wenden uns jetzt kurz noch zum dritten Abschnitte. Der Verfasser desselben ist Demetrius. Dieser hat nach Philodems ausdrücklicher Angabe (col. 28, 14) diesen Gegenstand nur sehr kurz behandelt; er kann daher keineswegs der Verfasser des vierten Abschnittes gewesen sein, da die Länge der Ausführung mit dieser Nachricht im Widerspruche stände, wenn wir auch den vierten Abschnitt ihm beilegen wollten. Doch auch abgesehen hiervon ist es schon deswegen unmöglich, weil Demetrius in dem Punkte, in welchem der Verfasser des vierten Abschnittes von Zeno abweicht, mit Zeno übereinstimmt'). Mit dem Verfasser des vierten Abschnittes stimmt er andererseits zunächst darin überein, dass er sich schlechtweg nur gegen die Stoiker im all- gemeinen wendet, nicht gegen einen einzelnen; und ferner darin, dass er ihnen den Vorwurf macht, sie bedächten nicht, dass die Epikureer nur dann dem Schlusse nach der Übereinstimmung Gewissheit zusprächen, wenn sich kein Einwand erheben liesse (col. 28, 37 ff... Auch er muss also früher als Dionysius ge- schrieben haben. Berücksichtigen wir nun, dass der Verfasser des vierten Abschnittes ausdrücklich. berichtet, dass es der Epikureer jedenfalls mehrere waren, die in der erwähnten An- sicht gegen ihn übereinstimmten 5, so dürfen wir mit Fug schliessen, dass Demetrius nicht Schüler, sondern Mitschüler des Zeno gewesen ist. Die Nachricht Philodems, dass sich die Epi- kureer viel mit diesem Gegenstande beschäftigt haben, entspricht also vollständig der Thatsache°). Das Gleiche bestätigt sich uns noch von einer anderen Seite. Um dies zu zeigen, haben wir den Gang der erkenntnistheoreti- — 340 -- 1) eol. 29, Aff.: τὸ 7 τόδε τοιόνδ᾽ Zotıv ... zei χαϑόλου πᾶν τὸ τοιοῦτο γένος ἢ 2 : οὐκ ἀνασχευῇ πάντως ἁλίσχετ', ἀλλὰ πολλὰ καὶ διὰ τῆς δμοιότητος; vgl. S. 338 Anm. 3. 5) Dionysius hält ebenfalls diese Ansicht für die allgemein-Epikureische; vgl. col. 7,8f.: φασχόντων γὰρ, ὅτι zei διὰ τοῦ zur ἀνασχευὴν τρόπου πάντως ὃ χαϑ' ὁμοιότητα διήχεν χαὶ βεβαιοῦταν (δὲ) ἐχεῖνος διὰ τούτου κτλ. °®) Hier bietet sich nun ganz von selbst der Beweis für die Richtigkeit der früheren Auseinandersetzung über die Chronologie des Dionysius. Dio- nysius hat später als Demetrius und früher als Zeno geschrieben, wie die obige Entwickelung gezeigt hat; also ist er ein Zeitgenosse dieser Männer, Dieser Sachverhalt stimmt mit der anderen Nachricht Philodems (s. S. 16 A. 5), dass Dionysius gegen Demetrius die stoische Lehre verteidigte. Es kann somit kein Zweifel sein, dass der Dionysius, der die stoische Lehre gegen Demetrius verteidigte, Dionysius von Kyrene war. -- 84 -- ‚schen Forschungen ein wenig eingehender darzulegen. Aristoteles "hat, wie bekannt, auch der Bedeutung der Zeichen und der Theorie der Induktion seine Aufmerksamkeit zugewandt, wenn- gleich keineswegs in dem gleichen Mafse wie der Syllogistik. Da nun ebenso wie die Epikureische Philosophie auch die stoische auf empirische Grundlage gestützt ist, so dürfen wir von vorn herein annehmen, dass auch der Stifter der Stoa, Zeno, die Theorie der Induktion nicht vernachlässigt und ihren Wert ver- kannt haben wird. Diese Annahme beruht nicht etwa auf blosser Vermutung, sondern auf der Überlieferung: Nach Augustins Angabe hat Zeno das Zeichen, wenigstens höchst wahrscheinlich, so gefasst, wie es nachher in der Stoa üblich war. Bestätigt wird diese Nachricht dadurch, dass eine der Schriften Zenos den Titel Περὶ σημείων führt!). Nun gebraucht Sextus in seinen Berichten über das stoische Zeichen zu wiederholten Malen*) das Aristo- telische Beispiel: ‚ei γώλα ἔχει αὕτη, κεκύηκεν αὕτη: wir dürfen _ demnach schliessen, dass bereits Zeno auch zu dieser Lehre in der Stoa den Grund gelegt hat?) und zwar im Anschluss an Aristoteles. Zenos Lehre vom Zeichen bekämpfte Arcesilaus; dieser Streit wiederholte sich in der Folge zwischen Chrysipp und Carneades. Seiner Natur nach kam er zum Ausdruck in der Frage nach dem Kriterium, der φαντασία χαταληπτιχή. Diese Vorstellung ist eine solche, welche nicht auch falsch sein kann, d. h. das Zeichen, auf Grund dessen diese Vorstellung als wahr anerkannt wird, ist nicht ein solches, welches Verschiedenes zugleich anzeigen kann (κοινὸν o.), sondern ein spezielles (ἴδιον @.), welches allein auf das Eine, Bestimmte hinweist und darum auch untrüglich ist. Von dieser Auffassung des Streites zwischen der Akademie und der Stoa ist zwar bei Sextus an beiden Stellen, wo er über denselben berichtet‘), keine Andeutung vorhanden; gleichwohl beruht sie nicht etwa auf Deutung, sondern auf der ausdrücklichen Angabe des Clitomachus°). Diese Angabe bezieht ἢ Augustin. contra Acad. II 6,4; vgl. 5,4; Diog. VII 4; 62. Die letzte Stelle beweist, dass Philippson a. a. Ὁ. p. 68 diese Auffassung grundlos ver- > < .7 wirft; 5. auch Zeller, Phil. d. Gr. IIla S. 32,4. Auf Augustin hat Ph. nicht geachtet. Vgl. auch Anm. 5 u. S. 349 Anm. 1; S. 350 Anm. 1. 2) Hyp. II 107; adv. log. II 252. 3) Hierdurch erledigt sich Philippsons Zweifel p. 68. Ὁ Hyp. I 226 ff., 232; adv. log. I 150ff., 159 ff. Ne | 5) Cie. acad. pr. II 31,101: neque tamen habere insignem illam et pro- -- 842 — sich allerdings nur auf Carneades; da wir jedoch vorhin gesehen haben, dass bereits Zeno das Zeichen in gleicher Weise fasste, wie es hier geschieht, und Arcesilaus ganz denselben Einwand gegen die Stoa erhob wie Carneades!), von dem Clitomachus das Obige berichtet, so haben wir ein Recht zu der Annahme, dass bereits Arcesilaus in gleicher Weise wie Carneades die Stoiker durch den Nachweis zu widerlegen suchte, es gebe kein spezielles, die Wahrheit verbürgendes Zeichen. Dass Chrysipp gegen ihn die Stoa verteidigte, ist zu bekannt, um noch besonders hervor- gehoben zu werden, wenn uns auch die Verteidigung selbst nicht genauer vorliegt. Einen grösseren Gegner bekam indes die Stoa an Carneades. Zwischen ihm und der Stoa drehte sich der Streit, wie wir eben gezeigt haben, um die Auffassung des Zeichens; wir haben hier seine Lehre etwas genauer zu entwickeln?). Alle Erkenntnis wird durch die Vorstellung vermittelt. Diese ist das Produkt der reinen sinnlichen Wahrnehmung und des Verstandes und muss als solches sowohl sich selbst wie auch den wahrgenommenen Gegenstand offenbaren, gleichwie das Licht sich selbst und die Dinge zeigt, die es bescheint. Begrifflich giebt es nun zwei Arten von Vorstellungen, solche, welche die Wahrheit verbürgen, und solche, welche dies nicht zu leisten im stande sind. Wahr ist diejenige, welche sich auf ein spezielles Zeichen (ἴδιον 0.) stützt, welches es gewiss macht, dass das Vorgestellte nicht auch anders sein kann, wie die Vorstellung angiebt; nicht wahr da- gegen diejenige, welche auf einem doppeldeutigen Zeichen (κοινὸν 0.) priam percipiendi notam; eoque sapientem non adsentiri, quia possit eius- dem modi exsistere falsum aliquod, euius modi hoc verum. ὁ. 32, 103: itaque ait vehementer errare eos, qui dieant ab Academia sensus eripi, a quibus num- quam dietum sit aut calorem aut saporem aut sonum nullum esse, illud sit disputatum, non inesse in üs propriam, quae nunguam alibi esset, veri et certi notam. Die erste Stelle ist aus dem ersten Buche des Clitomachus de sus- tinendis adsensionibus (περὶ ἀποχῆς vgl. ο. 31,98); die letztere aus dessen Schrift an Lucilius (ce. 32, 102); vgl. ferner die 88 8S4—85 und auch 8 34f., 8 42f. Bei diesem Sachverhalt ist es eigentlich unfassbar, was Philippson a. a. Ὁ. p- 97 (vgl. p. 70) sagt, bei Cicero werde nur an einer einzigen Stelle ($ 33) das Zeichen erwähnt. Die Nichtbeachtung dieser Stellen hat ihn von vorn herein auf Abwege geführt. ') Sext. Emp. adv. log. I 154 4ozsoileos] .... δεύτερον ὅτι οὐδεμία τοναύτη ἀληϑὴς φαντασία εὑρίσχεται, οἵα οὐχ ἂν γένοιτο ψευδής, ὡς διὰ πολλῶν καὶ ποιχί λων παρίσταται; vgl. hiermit Carneades b. Sext. a. ἃ. Ο. 8 164. Cie. acad. pr. II 13,40; 26,83 u. ὃ. 2) Vgl. Sext. a. a. 0. 1 1598. Cie. acad. pr. I 5,452. ἢ — 545 == beruht, durch welches Verschiedenes zugleich angezeigt wird!), Um nun zu beurteilen, welche von ihnen wahr ist, bedarf es eines Urteilsmittels oder Kriteriums. Dieses könnten nur entweder die ‚Wahrnehmung oder das Denken und die Vorstellung sein; Wahr- nehmung und Denken können es nicht sein, weil beide erfahrungs- mässig oft täuschen; es bleibt somit nur die Vorstellung als Kriterium übrig. Natürlich kann nicht jede beliebige Vorstellung ‚dazu benutzt werden, strittige Vorstellungen auf ihre Wahrheit zu prüfen, sondern nur die richtige; um die Bestimmung der richtigen Vorstellung handelt es sich aber: Also führt die An- nahme der Vorstellung als Kriterium zu einer Diallele. Da ferner die Vorstellung ihrer Natur nach von der Wahrnehmung und dem Denken abhängt, und Denken und Wahrnehmung oft täuschen, so kann auch die Vorstellung nicht gewiss sein; es ist im Gegen- teil natürlich, dass sich jeder Vorstellung eine verschiedene mit gleich grosser Glaubwürdigkeit gegenüberstellen lässt. Gilt dem- nach die Vorstellung als Kriterium, so ist das Kriterium ein doppeldeutiges Zeichen, welches auch das Entgegengesetzte an- zeigt, was mit der Natur des Kriteriums unvereinbar ist. Es giebt also kein Kriterium der Wahrheit und somit auch kein Wissen der Dinge, wie sie in Wirklichkeit oder an sich sind’). Da nun durch das Wesen der Dinge offenbar auch ihr gegenseitiges ‚Wirken bedingt ist, so ist naturgemäss auch ihre kausale Ver- knüpfung und damit das gewisse Vorherwissen der Zukunft un- möglich?). Ist nun auch das Wissen der Dinge an sich und damit die Wahrheit im absoluten Sinne für uns unmöglich, so giebt es für uns doch eine Wahrheit in den Phänomenen. Da jede Vorstellung entweder wahr oder falsch ist, je nachdem sie mit dem vor- gestellten Gegenstande übereinstimmt oder nicht, wir jedoch diese Übereinstimmung mit Gewissheit nicht erkennen können, so bleibt uns nur übrig, die Vorstellungen nach der Art, wie sie uns er- scheinen, zu bezeichnen. Diejenige Vorstellung also, welche als wahr erscheint, wird wahrscheinlich genannt; diejenige, welche 1) Der Beweis hierfür ist in S. 341 Anm. 5 enthalten. πο σαι 3) Sext. ἃ. ἃ. Ὁ. I 159---1θδ; Cie. acad. pr. Il 31,98 #.; 13, 40 fl; 26, 89 δ. Dass er dieses Resultat nur skeptisch aussprach, nicht als gewiss, beweist gegen Sext. Hyp. I 226 Cicero a. a. 0. 9, 28. 3) Vgl. Cie. de fato 14,32f.; 5. 5. 168 86. und Sext. a. 8. Ὁ. I 176. --, 34 — nicht so erscheint, unwahrscheinlich. Auch die wahrscheinlichen Vorstellungen zerfallen noch in zwei Arten: in verworrene, deren Wahrscheinlichkeit unbestimmt ist, und in klare. Die klare Vor- stellung ist das Kriterium der Wahrheit, natürlich nicht in Bezug darauf, wie das Seiende ist — das ist ja unerkennbar — son- dern wie es erscheint!). Die Klarheit der Vorstellung richtet sich nun offenbar sowohl nach dem Gegenstande, welcher vorgestellt wird, als auch nach der Beschaffenheit, Verfassung und Stellung des Vorstellenden, weil hierdurch naturgemäss der grössere oder geringere Grad der Deutlichkeit der Wahrnehmung bedingt ist?). Da es aber vorkommen kann, dass auch eine klare Vorstellung irrig ist, so wird die einfache, an sich klare Vorstellung (φαντασία πιϑανή) nicht schlechthin als Kriterium gelten können, sondern nur meistenteils (ὡς ἐπὶ τὸ πολύ)". Um einen höheren Grad von Gewissheit zu erzielen, bedarf es daher noch eines ge- naueren Kriteriums. Dieses ist diejenige klare Vorstellung, bei -der alle Vorstellungen, die mit ihr zusammenhängen, auch als wahr erscheinen, so dass es infolge dessen durchaus glaubwürdig ist, dass auch jene wahr ist. Sie heisst φαντασία πιϑανὴ καὶ ἀπερίσπαστος ἢ). Das zuverlässigste Kriterium ist schliesslich die- jenige klare Vorstellung, deren eigene Glaubwürdigkeit zugleich mit der Glaubwürdigkeit aller mit ihr zusammenhängenden Vor- stellungen sorgfältig untersucht ist (φαντασία πιϑανὴ καὶ ἀπερί- σπαστος καὶ περιωδευμένη)). Das erste Kriterium wird nur in unwichtigen Dingen und dort angewandt, wo es an Zeit zu einer Untersuchung fehlt; das zweite in den wichtigeren, das dritte in den wichtigsten Dingen, wie z. B. in der Ethik, also überhaupt in der Philosophie und der Wissenschaft®). Es ist demnach klar, dass Carneades keineswegs jede Theorie verwarf; im Gegenteil nahm er die gesamte Forschung ebenso für sich in Anspruch, wie die dogmatischen Philosophen, nur mit dem Unterschiede, 1) Cie. acad. pr. II 31, 99: itaque et sensibus probanda multa sunt, teneatur modo illud, non inesse in 115 quiequam tale, quale non etiam falsum, nihil ab eo differens esse possit. 2)" Dext. a, ἃ. ἡ 1 189 ην ΞΘ Σ πα. ΘΠ 115 2) /Sext.a..a. Θ᾽ 170.» δ.) ΘΘχι: ἃ. ἃ. Ὁ. 151. 6) "Sext..'a. 8, .0. 1 181 5 «ὦ -- 84 -- nicht die Gewissheit des Seienden zu erfassen, sondern nur das -Wahrscheinliche zu erkennen). Giebt es nun aber eine Theorie, so ist die weilere Frage, ‘wie wir zu ihr gelangen. Da alle Erkenntnis von der Erfahrung ‘abhängt und durch einen Schluss bedingt ist, kann das Mittel, durch welches wir die Theorie erreichen, nur der Erfahrungs- schluss sein und zwar der Schluss nach der Übereinstimmung der ‚Merkmale. Wie er ihn genannt hat, wissen wir nicht genau, doch ‚haben wir allen Grund. anzunehmen, dass er ihn auch mit dem später üblichen Namen μετάβασις καϑ' ὁμοιότητα bezeichnet hat?); dass er ihn aber angewandt und ausgebildet hat, ersehen wir sowohl aus ‚seinen direkten Angaben, wie auch aus den Beispielen. Zunächst nämlich führt er zu verschiedenen Malen aus, dass der Schluss auf Grund der συνδρομὴ τῶν σημείων gebildet werde: Wie ‚die Ärzte aus dem Zusammentreffen der verschiedenen Zeichen ‚die Natur der Krankheit erschliessen, ebenso auch die Logiker aus ‘dem Zusammentreffen der verschiedenen Merkmale, ob eine Vor- stellung richtig oder falsch ist?). Wie ferner der Schluss ge- zogen wird, lehren uns seine Beispiele und weiteren Vorschriften: ‚Nicht die Summe irgend welcher beliebigen Zeichen gestattet ‘einen Schluss, sondern die Übereinstimmung aller und insbesondere ‚der wesentlichen Merkmale eines Dinges. Tritt man z. B. in der Dunkelheit in ein Haus, in welchem ein Seil am Boden liegt, so ‚kann man sowohl auf eine Schlange wie auf ein Seil schliessen, weil die Merkmale, welche beim ersten Anblicke wahrgenommen ‚werden, beiden gemeinsam sind. Erst wenn infolge genauerer _ Untersuchungen der wahrgenommene Gegenstand an allen Merk- malen geprüft wird, welche die Begriffe beider Dinge ausmachen, zeigt sich das spezielle oder wesentliche Merkmal, welches uns 1) Cie. acad. pr. II 41, 127: indagatio ipsa rerum cum maximarum tum etiam oceultissimarum habet oblectationem; si vero aliquid occurrit, ‚quod verisimile videatur, humanissima completur animus voluptate. quaeret igitur haec et vester sapiens et hie noster, sed vester, ut adsentiatur, credat, re net, noster, ut vereatur temere opinari praeclareque 861 Boca putet, si in 'eius modi rebus verisimile quod sit invenerit; vgl. auch ce. 33, 107, wo nicht die ars schlechtweg, sondern nur die der Gegner geleugnet wird. 2) Der Name μετάβασις für Schluss war schon gewöhnlich; vg Laert. VII 53. Die Bezeichnung καϑ᾽ ὁμοιότητα geht in ihrem Wesen schon auf Aristoteles zurück; vgl. Philippson p. 55 u. Diog. a. a. 0. 8) Sext. adv. log. I 179; 182. I l. Diog. —_— 9406 -- den Schluss zu ziehen zwingt, ein Seil und nicht eine Schlange vor uns zu haben!). Wie und unter welchen Bedingungen über- haupt ein möglichst sicherer Schluss gezogen wird, das zeigt er unsin den genauen Vorschriften über das dritte Kriterium, die φαντασία πιϑανὴ καὶ ἀπερίσπαστος καὶ περιωδευμένη. Alles soll hier aufs sorg- fältigste untersucht werden, um die Möglichkeit auszuschliessen, auf Grund eines unklaren und darum doppeldeutigen Merkmals einen unwahrenSchluss zu ziehen, natürlich in Bezug auf dasErscheinende, nicht in Bezug auf das an sich Seiende?). Nehmen wir hinzu, dass er bei Schlüssen vom sinnlich Wahrnehmbaren auf sinnlich Wahrnehmbares Ununterscheidbarkeit?), bei solchen aber vom Wahrnehmbaren auf nicht unmittelbar Wahrnehmbares möglichste Ununterscheidbarkeit?) verlangte, so leuchtet ganz von selbst ein, dass die Theorie des Induktionsschlusses, die uns bei Philodem vorliegt, in allen ihren Hauptpunkten, so weit wir sehen können, von Carneades gekannt und ausgebildet worden ist. Da nun in der Begründung des Induktionsschlusses bei Philodem nicht nur sonst sachliche Übereinstimmung mit der Theorie des Carneades vorhanden ist, sondern auch innerhalb dieser Begründung zu verschiedenen Malen sowohl von Zeno wie auch von dem Ver- fasser des vierten Abschnittes ausgeführt wird, dass nur der Schluss Sicherheit verbürge, welcher περιωδευμένος 5615), also von beiden ein Wort gebraucht wird, das speziell von Carneades entlehnt ist, so folgt mit Notwendigkeit, dass nicht erst Zeno, sondern bereits Apollodor in dieser Lehre von Carneades beeinflusst worden ist®). Von neuem bestätigt sich uns somit der Schluss, I) Bext.a.a. 0.187, Pyrch. hyp. 7 227 N. 2) Sext. adv. log. I 182 ff. 3) Sext. a. a. 0. 178: ὅτε γὰρ οὗτός dorı Σωχράτης, πιστεύομεν dx τοῦ πάντα αὐτὼ προσεῖναν τὰ εἰωϑότα, χρῶμα, μέγεϑος, σχῆμα, διάληψιν, τρίβωνα, τὸ ἐνθάδε εἶναι, ὅπου οὐθείς ἐστιν αὐτῷ ἀπαράλλακτος. *) Dies zeigen klar die von Sext. ἃ. ἃ. Ὁ. 1 186ff. angeführten Beispiele. 5) col. 17,32; 30,29; 35,16; vgl. auch 29,4. Bezeichnend ist es, dass Zeno Induktion und Analogieschluss festhielt und verteidigte, dagegen wider den eigentlichen Syllogismus speziell in der Geometrie genau dasselbe geltend gemacht zu haben scheint, was Carneades gegen denselben überhaupt ein- gewandt hatte, s. Proel. in Euclid. p. 199: οἱ δὲ ἤδη καὶ ταῖς ἀρχαῖς ἐπιτρέ- arzss οὔ φασι τὰ μετὰ τὰς ἀρχὰς ἀποδείχνυσϑαι, μὴ συγχωρήϑεντος αὐτοῖς zei ἄλλου τινός, ὃ μὴ προείληπταν ἐν ταῖς ἀρχαῖς. τοῦτον γὰρ τὸν τρόπον τῆς ἀντιρ- ρήσεως μετῆλθεν Ζήνων ὃ Σιδώνιος χτλ.; vgl. 5. 343. 6) Eine weitere Spur dieses Einflusses werden wir noch später bemerken. — 3411 — dass nicht erst Zeno und seine Schüler, sondern schon vorher ‚etiam queruntur, quod eos insimulemus omnı die Epikureer sich viel mit diesem Gegenstande beschäftigt haben, wie auch Philodem direkt bezeugt. Philippson sucht nun im weiteren Verlaufe seiner Arbeit (p. 43 ff., 67 ff.) den Nachweis zu führen, dass Zeno seine Er- fahrungstheorie von den empirischen Ärzten, also nicht von Car- neades entlehnt habe. Um dies zu zeigen, tritt er den Nachweis an, dass die Einteilung des nicht-Offenbaren (ἄδηλον) bei Zeno dieselbe sei wie bei Sextus und den empirischen Ärzten und verschieden von der des Carneades. Da andererseits auch Car- neades ein- oder zweimal auf die empirischen Ärzte hinweist, so schliesst er ferner, dass Zeno seine Theorie auf Anregung des Car- neades, den er eifrig gehört hatte, von den empirischen Ärzten ange- nommen habe. Zeno teilt das nicht-Offenbare in das schlechthin nicht-Offenbare (καϑάπαξ ἄδηλον), das von Natur nicht-Oiffenbare (φύσει ἄδηλον) und das zur Zeit nicht-Offenbare (πρὸς καιρὸν ἄδη- Aov)!); Carneades dagegen in das schlechthin nicht-Öffenbare und das nicht Erkennbare?). Philippson identifiziert diese Stelle mit einer ‚ähnlichen des Sextus?) und meint demgemäss, dass die erste Arl des Carneades sich mit der ersten des Zeno inhaltlich decke, und die zweite Art die zweite und dritte des Zeno umfasse. Das erste ist richtig, das zweite jedoch nicht. Zur Zeit nicht offen- ‘bar ist z. B. das Feuer, das nicht selbst wahrgenommen, sondern aus dem Dasein des Rauches erschlossen wird. Derartiges um- fasst die zweite Art des nicht-Offenbaren bei Carneades durch- aus nicht; denn Carneades sucht hier, wie wir gesehen haben, zu beweisen, dass es unmöglich sei zu wissen, wie das Seiende, ob es erscheint oder nicht erscheint, an sich ist; gegen die Phä- nomene als solche aber streitet er nicht. Dieses nicht-Offenbare hat also mit dem zur Zeit nicht-Offenbaren nichts gemein. Ihre Verschiedenheit zeigt sich auch darin, dass Carneades die Er- kenntnis jenes leugnet, ähnliche Schlüsse aber wie vom Rauch auf das Feuer sehr wohl billigt, da es sich hier gar nicht um das 1) Philippson a. a. 0. p. 61 8. | 5) Philippson p. 69; Cie. Acad. pr. II 10, 32: alii autem elegantıus, qui ia incerta dicere, quantumque intersit inter incertum et id, quod pereipi non possit. Das Nachfolgende be- weist, dass Carneades hiermit gemeint ist. 3) adv. log. II 316 ff. -- 848 -- Wesen des Rauches und des Feuers, sondern einfach um die Er- scheinung handelt!). Dies nicht-Erkennbare des Carneades hat also mit dem, was zur Zeit nicht offenbar ist, nichts zu thun, sondern deckt sich seinem Wesen nach allein mit dem, was von Natur nicht offenbar ist. Philippson irrt nun, wenn er meint, dass Carneades dieses nicht zu dem ἄδηλον gerechnet, sondern nur den obigen Gegensatz festgehalten hat: Cicero sagt aus- drücklich das Gegenteil?). Carneades hat also dieses nicht-Erkenn- bare sowohl wie das überhaupt nicht-Offenbare (incertum) als zwei Arten des ἄδηλον bezeichnet. Gegenüber diesen beiden Gebieten des nicht-Offenbaren steht bei Carneades das ganze Gebiet der Phänomene als solcher. Sie zerfallen in zwei Teile, in solche, welche zur Zeit offenbar, und solche, welche zur Zeit nicht offenbar sind. Diese Einteilung wird uns zwar nicht direkt überliefert, doch liegt sie so ausser- ordentlich nahe und bietet sich so von selbst dar, dass wir eigentlich gar keiner Bestätigung bedürften, um dieselbe auch Carneades zuzusprechen; doch fehlt es auch an dieser nicht: Es ist z. B. ein Schluss vom Offenbaren auf das zur Zeit nicht- Offenbare, wenn jemand, der vom Feinde verfolgt wird, in die Nähe eines Grabens kommt, dort die Vorstellung gewinnt, dass in demselben ihm ebenfalls Feinde auflauern, und infolge dessen ausweicht?). Ebenso ist es ein Schluss von dem Offenbaren auf das zur Zeit nicht-Offenbare, wenn jemand, der bei ruhiger See und schönem Wetter eine kleine Seereise macht, nachdem er schon eine Strecke weit sicher gefahren ist, schliesst, dass er auch die andere Strecke glücklich zurücklegen werde®). Der Schluss dagegen, dass dieser Mensch hier Sokrates ist’), ist augenschein- lich ein Schluss von einem Offenbaren auf ein zur Zeit Offen- bares: Die Einteilung des Wahrnehmbaren ist also wohl sicher in der Einteilung der Vorstellungen in Bezug auf ihre verschie- dene Glaubwürdigkeit mit enthalten gewesen. Mit der Unter- scheidung des nicht-Offenbaren in das von Natur und das zur 1) Dies ist eines der stereotypen Beispiele, die Sextus anwendet und ge- wiss zugleich mit seiner Lehre aus den Quellen genommen hat; vgl. übrigens die nachfolgende Ausführung. 3) Vgl. die schon 5. 345 Anm. 1 angeführte Stelle Acad. pr. II 41, 127 ff. ®) Sext. adv. log. I 186. *) Cie. Acad. pr. II 31,100; 34, 109. 5) Sext. adv. log. I 178. — 59 — Zeit nicht-Offenbare hängt ferner bei Sextus die Unterscheidung der Zeichen in hypomnestische und endeiktische aufs engste zu- sammen; jene enthüllen das zur Zeit, diese das von Natur nicht Offenbare. Das letztere bestritt Carneades mit aller Energie, wie wir gezeigt haben; da er nun andererseits keineswegs alles, was die Phänomene betrifft, wo das hypomnestische Zeichen zur Geltung kommt, bestreiten wollte, so werden wir schliessen müssen, dass er dieses ebenso vollständig zu recht bestehen liess, wie späterhin selbst der extreme Skeptiker Sextus. Die Wahrheit dieses Schlusses hat sich uns bereits hauptsächlich in der Bestimmung der φαντασία πιϑανὴ καὶ ἀπερίσπασιος χαὶ πε- ριωδευμένη gezeigt. Wir werden also nicht umhin können, diese Unterscheidung der Zeichen bei Carneades als bekannt voraus- zusetzen; hat er aber diese gekannt, so ist ihm auch die frag- liche Unterscheidung des nicht-Offenbaren in solches, was zur Zeit, und solches, was überhaupt nicht offenbar ist, bekannt ge- wesen!). Es ist also kein Grund vorhanden, in Bezug auf die Einteilung des nicht-Offenbaren einen wesentlichen Unterschied zwischen Carneades und Zeno bezw. seinen Epikureischen Gesin- nungsgenossen anzunehmen). Da wir nun vorher gesehen haben, 1) Sextus berichtet adv. log. II 156, dass das hypomnestische Zeichen von allen anerkannt werde, das endeiktische aber von den dogmatischen Philosophen und logischen Ärzten erdichtet worden sei; während er an einer anderen Stelle (hyp. II 100; 102) als Urheber desselben allein die dog- matischen Philosophen bezeichnet. Mit dem ersten Berichte stimmt die That- sache, dass in der Lehre der logischen Ärzte die Erkenntnis der verborgenen Ursachen durch das endeiktische Zeichen erreicht wurde (Philippson a. a. Ὁ, p- 65 sq.). Die älteren Stoiker haben, soweit wir dies ermessen können, diese Unterscheidung nicht vorgenommen (Philippson p. 59 56.). Das Gleiche gilt auch von den älteren Epikureern, da diese noch viel weniger auf logische Distinktionen hielten (Philippson p. 65). Infolge dessen schliesst Philippson (ebds.), dass die logischen Ärzte zuerst das endeiktische Zeichen aufgestellt haben. Dieser Schluss erscheint an sich recht billigenswert, doch hat er Sextus gegen sich, nach dessen Angabe hauptsächlich die dogmatischen Philosophen als die Urheber dieses Zeichens genannt werden. Auch ist die Lehre der älteren Stoiker über das Zeichen zu unbestimmt erhalten, um Gewisses erschliessen zu können. 2) Der Verfasser des vierten Absehnittes bei Philodem erwähnt drei Zeichen, von denen das erste wahrscheinlich das endeiktische ist, das zweite und dritte nach Philippsons trefflicher Erörterung den Namen προηγούμενον und συνυπαρχτιχόν gehabt haben. Diese Einteilung schliesst die obige nicht } (ξ Ἕ ä -- 800 -- dass diese in den übrigen Punkten der Erfahrungstheorie that- sächlich von Carneades beeinflusst sind, so müssen wir schliessen, dass sie auch in diesem Punkte, soweit hier überhaupt eine Be- einflussung anzunehmen ist, auf ihn und nicht auf die empirischen Ärzte zurückgehen!). aus, da ersichtlich die beiden letzten das hypomnestische Zeichen ausmachen; vgl. Philippson p. 67sq. Die genauere Verwandtschaft zu bestimmen ist wohl unmöglich. 1) Wenn Philodem verspricht in weiterer Fortsetzung des Streites auch über die Lehren einiger empirischen Ärzte handeln zu wollen, so ist dies natürlich kein Beweis dafür, dass Zeno von ihnen als den Schöpfern diese Theorie entlehnt hat. Sie lieferten ihm augenscheinlich einen weiteren Beweis für die Richtigkeit seiner vorgetragenen Lehre, und deswegen setzte er sie hierher. — Philippson hat bei seiner Untersuchung viel zu wenig, ja eigentlich fast gar nicht die Theorie des Carneades berücksichtigt, sonst würde er sicher zu anderen Resultaten gekommen sein. Bei den obwalten- den Umständen kann also nur gefragt werden, ob und wie weit Carneades von der Theorie der empirischen Ärzte beeinflusst worden ist. Obwohl die Beantwortung dieser Frage eigentlich nicht hierher gehört, sei hier doch eine kleine Abschweifung gestattet. Philippson stützt seine Ansicht, dass Zeno seine Erfahrungstheorie den empirischen Ärzten verdanke, auf die Übereinstimmung beider in der Lehre. Er entwickelt deshalb die Theorie der empirischen Ärzte (p. 45 sq.). Die grosse sachliche Übereinstimmung kann nicht geleugnet werden, doch ist es durchaus fraglich, wie viel von dieser durchgebildeten Theorie schon den ältesten Empirikern angehört, da es doch an sich unstatthaft ist, die Darstellung der Theorie der empirischen Ärzte bei Celsus und Galen einfach schon auf die ältesten Vertreter dieser Schule, Serapion und Glaucias, zu übertragen. Der nächste bedeutende Ver- treter derselben, Heraclides aus Tarent, der litterarisch gerade einen sehr grossen Einfluss hatte durch die zahlreichen Werke, in denen er die Theorie der empirischen Ärzte niederlegte, ist mindestens ein jüngerer Zeitgenosse des Carneades (Philippson nennt ihn nach Haas de phil. sceptic. succession. p. 69, Würzburg 1875 einen Zeitgenossen Zenos; über seine Zeit handelt auch Zeller Gesch. d. gr. Philos. IIIb 5. 8,13. Falsch ist danach die Be- stimmung der Lebenszeit bei Haeser Gesch. d. Med. I S. 247°. Vgl. über ihn auch M. Wellmann in Susemihls griech.-alex. Litt.-Gesch. II S. 419 ff.) Wenn also, wie natürlich nicht zu leugnen ist, Serapion die hauptsächliehsten Grundsätze der Empirie in der Medizin aufstellte, als er sich von den dog- matischen Ärzten lossagte, so ‘ist damit nicht im geringsten erwiesen, dass er schon die durchgebildete Theorie, wie wir sie späterhin treffen, aufge- stellt hat, zumal es Thatsache ist, dass zuerst Glaueias die Grundlehren und nach ihm Heraclides eingehender das System litterarisch dargestellt und verteidigt hat. Unter diesen Umständen ist es also ungewiss, wie weit die Darstellung bei Galen u. Celsus schon den ältesten Vertretern angehört, -- 3551 — Wir wenden uns jetzt zur Stoa. Als Kriterium der Wahr- heit bezeichneten die älteren Stoiker bekanntlich die φαντασία χαταληπτυχή, ἃ. ἢ. diejenige Vorstellung, welche mit dem vor- gestellten Gegenstande übereinstimmt und den Grad der Klarheit und Deutlichkeit (ἐνάργεια) besitzt, welche uns unmittelbar davon - überzeugt, dass unsere Vorstellung wahr ist. Gerade diese Klar- heit ist es, welche den falschen Vorstellungen, wie z. B. denen im Traume, im KRausche, in der Verzückung nie zukommt. Darum wird sie auch als untrügliches Kriterium hingestellt'). - Die jüngeren Stoiker erkannten jedoch an, dass es Fälle geben könnte, in denen eine Vorstellung sehr wohl die nötige Klarheit habe, ohne darum auch als wahr zu erscheinen und die Über- zeugung ihrer Wahrheit zu erwecken. Als Herkules z. B. die Alcestis aus der Unterwelt zu ihrem Gatten Admetus zurück- brachte, gewann dieser eine vollständig klare Vorstellung (φαν- τασία χαταλητετική) von ihr, und doch glaubte er dieser Vorstel- lung nicht. Ebenso als Menelaus nach der Zerstörung Trojas nach Ägypten zu Proteus kam und dort die wahre Helena sah, bekam auch er naturgemäss eine durchaus kataleptische Vorstel- lung von ihr, und doch traute er dieser Vorstellung nicht, weil er das der wahren Helena so ähnliche Scheinbild, das er auf dem Schiffe zurückgelassen hatte, für die wahre Helena hielt. "Infolge dessen fügten sie zu der angegebenen Bestimmung des und wie weit Heraelides in der Durchbildung und Darstellung des Systems unter dem Einflusse des Carneades gestanden hat. Dass seinerseits auch Car- neades nicht unbeeinflusst von ihnen gewesen sein wird, dass er sie jedenfalls gekannt hat, beweisen die beiden Stellen, an denen er sie mit Zustimmung erwähnt (Cie. acad. pr. II 39, 122; Sext. adv. log. 1179; Philippson p. 57); nur lässt sich daraus nicht schliessen, dass er seine Theorie von ihnen herüber- genommen hat. Er konnte überdies sehr wohl mit ihnen übereinstimmen, "ohne dass er sich tiefer mit ihnen berührte, da die letzte Quelle ihrer Em- den Übersichtsreihen der Empirie bei Philippson p. 55 noch Cie. Aca« pirie, Aristoteles-Demokrit (Philippson Ρ. 55), dem Carneades eben 50 leicht zugänglich und gewiss ebenso bekannt war wie die Theorie der Ärzte. Vgl. 1 l. pr. 32,102#. Die (eigene) ἐμπειρία und die (fremde) ἱστορία scheint Carneades Ὶ u Der Grund hierzu lag sehr hier einfach unter der μνήμη mit zu umfassen. ΜΕΝ ΒΡ, viun πολλάκις τοῦ αὐτοῦ nahe; hatte doch schon Aristoteles die ἐμπειρία als 1 πράγματος (Metaph. I 1, 980 b 29 f.) definiert. Über den Ursprung dieser Theorie vgl. noch Plato Phaed. ce. 45 Ρ. 96B. 1) Sext. adv. log. I 248 ff., wo ausdrücklich die älteren Stoiker berlck- sichtigt werden. 2 ange Kriteriums noch die Bedingung hinzu: Wenn kein Hindernis ent- gegensteht ἢ). Wer sind nun diese jüngeren Stoiker gewesen? Gegen die Meinung der übrigen Forscher hat Hirzel?) angenommen, dass Sextus in diesem Bericht über die Stoa dem Antiochus gefolgt: sei; Natorp?) hat ihm jedoch schon widersprochen und zwar mit Recht. Sextus hat vorher den Antiochus benutzt; den Bericht über die Stoa ihm auch noch zuzuschreiben, ist nach der Natur: des Berichts einfach nicht möglich. Sextus ist nicht allein be- strebt, wie Natorp sagt, die Verschiedenheit der Lehren der ein- zelnen Stoiker hervorzukehren, was bekanntlich gegen die Über- zeugung und Gepflogenheit des Antiochus ist, sondern uns begegnet auch gleich eine lange Polemik (8 232 ff.) gegen die Begriffsbestimmung der Vorstellung, die offenbar skeptischen Ur- sprungs ist. Mitten in dieser Darstellung ($ 252) werden ferner die Akademiker geradezu citiert und zugleich der Unterschied ihrer Auffassung von der Lehre der Stoiker ausgeführt. Wäre also selbst Antiochus die Quelle, so müsste er zur Darstellung der stoischen Lehre augenscheinlich eine akademische Quelle be- nutzt haben, was sicher nicht anzunehmen ist. Nun knüpft, wie ebenfalls schon Natorp bemerkt hat, die Widerlegung der Stoa (8 401 ff.) unleugbar an die eben genannte Stelle an, wo der Unterschied der stoischen und akademischen Lehre ausgeführt wird (8 252); diese Widerlegung der Stoa ist aber sicher aus Clitomachus entnommen: Folglich muss auch der Bericht über die Stoa (8 232 ff.) aus Clitomachus genommen sein. Der Be- richt über die Lehre der jüngeren Stoiker ist nun aber nicht etwa eine Zwischenbemerkung des Sextus, sondern ein Haupt- bestandteil seiner Darstellung ebenso wie sein Bericht über die Lehre der älteren Stoiker, wie einmal die Länge der Ausführung (88 254—260) und zweitens ihre Berücksichtigung bei der Wider- legung (8 424ff.) beweist: Also können die jüngeren Stoiker nur solche gewesen sein, welche Clitomachus noch berücksich- tigen konnte, ἃ. h. Antipater, Archedemus und Panätius®). Die 1) Sext. a. a. Οἱ I 253 ft. 2), Unters ΤΠ πος 1: 3) a. a. O. S. 296m. *) Selbst wenn Antiochus die Quelle wäre, würde sich dieses Resultat nicht wesentlich verschieben, da auch in diesem Falle kaum noch Schüler - - 353 -- volle Richtigkeit dieses Schlusses beweisen auch die beiden vor- hin angeführten Beispiele, welche diese jüngeren Stoiker zum Erweise der Richtigkeit ihrer Korrektur vortrugen. Carneades hatte, wie wir vorhin gesehen haben, gezeigt, dass es keine Vor- stellung gebe, der sich nicht eine gleich glaubhafte entzegen stellen liesse, dass also auch die φαντασία καταληπτιχή trotz ihrer Klarheit doch nicht als wahr zu erscheinen brauche. Ist dies aber der Fall, so ist es um sie als um das Kriterium der Wahrheit einfach geschehen, da es ja alsdann stets ungewiss ist, ob eine solche Vorstellung in Wirklichkeit wahr oder falsch ist. Um dies zu beweisen und damit zugleich seine eigene Theorie der Wahr- scheinlichkeit zu begründen, wandte er die vorhin genannten Beispiele von der Alcestis und der Helena an. Unter Berufung auf dieselben Beispiele fügten nun die jüngeren Stoiker den vorhin genannten Zusatz zu der bisherigen Definition des Kriteriums hinzu!), um die gerügte Ungewissheit, die dem Kriterium als solchem nicht innewohnen durfte, zu beseitigen, und erklärten damit nur diejenige klare Vorstellung für das Kriterium, welche infolge ihrer Klarheit auch den Stempel der Wahrheit an sich trage und in Wirklichkeit auch keinen Einwand gegen ihre Wahrheit gestatte. Es ist also klar, dass die jüngeren Stoiker sich zu der angegebenen Änderung durch Carneades haben be- stimmen lassen, dass es also Stoiker waren, die zu seinen Zeit- genossen, und offenbar zu den jüngeren derselben, gehörten, nicht Stoiker späterer Jahrhunderte, bei denen ein derartiger Einfluss des Carneades natürlich gänzlich ausgeschlossen ist. Woher soll nun die Gewissheit kommen, dass sich gegen die φαντασία καταληπτική kein Einwand erheben lässt? Die Vorstel- lung kann diese niemals liefern, da ihre Gewissheit ja stets in Frage steht. Demnach bedarf es allemal einer Untersuchung, durch welche dargethan wird, dass sich kein Einwand erheben lässt. Diese Untersuchung stützt sich auf fünf Bedingungen: Der Verstand und die Sinneswerkzeuge müssen gesund, der Gegen- stand wahrnehmbar, der Ort passend, nicht zu weil und nicht des Panätius gemeint sein könnten; und selbst wenn solche gemeint wären, “ würde ihre Übereinstimmung beweisen, dass sie diese Lehre von Panätius 4 Be empfangen hätten. j 1) Vgl. Sext. a. a. 0. 1253 ff. mit I 180 und Hyp. I 228. Schmekel, mittlere Stoa. 23 -- 8594 --- zu fern, und die Art und Weise der Beobachtung zweckent- sprechend sein!). Die gedachte Untersuchung kann also nur vom Verstande (διάνοια, λόγος) mit Hülfe der übrigen Mittel geführt werden. Diese Berichtigung der älteren Lehre ist keineswegs gleichgültig oder unbedeutend. Einmal nämlich tritt in dieser R Fassung der Lehre viel mehr wie zuvor der Verstand in den Vordergrund als derjenige, welcher hauptsächlich für die Wahr- heit einer Vorstellung bürgt; und zweitens ist den Gegnern ein grosses Gebiet für ihre Einwände entzogen. Mit Vorliebe beriefen sich diese bekanntlich darauf, dass den Vorstellungen im Traume und im Wahne, ganz gleich welche Ursachen dieser haben mochte, die gleiche Überzeugungskraft innewohne wie den ver- nünftigen Vorstellungen, und jene daher gleiches Recht Wahrheit zu bieten beanspruchen könnten wie diese, Dieser Einwand war fortan nicht mehr oder nur in geringerem Mafse möglich, da jene Vorstellungen nicht den Bedingungen genügten, welche für das Kriterium galten. Der Umstand nun, dass die Gegner diesen Vorwurf erheben konnten, beweist, dass die älteren Stoiker ihn noch nicht systematisch vernichtet hatten. Die angegebene Me- thode der Erkenntnis der Wahrheit gewiss zu werden, kam also in dieser Form ihnen jedenfalls noch nicht zu; dagegen führt sie uns mit den deutlichsten Kennzeichen wiederum zu Car- neades, der die Erfüllung eben dieser Bedingungen verlangte, um eine Vorstellung für eine φαντασία πιϑανὴ χαὶ ἀπερίσπαστος καὶ σεριωδευμένη erklären zu können?). Beide gehen darin aus- 1) Sext. adv. log. 1 257: αὕτη γὰρ ἐναργὴς οὖσα zei πληχτικὴ (2). . . ἄλλου μηδενὸς δεομένη εἷς τὸ τοιαύτη προσπίπτειν ἢ εἰς τὸ τὴν πρὸς τὰς ἄλλας διαφορὰν ὑποβάλλειν χτλ.; vgl. dazu d. folg. Anm. 5) Sext. adv. log. I 424: ἵνα γὲ μὴν αἰσϑητιχὴ γένηται φαντασία κατὰ αὐ- τοὺς [οἷον ὁρατόν) dei πέντε συνδραμεῖν, τό τε αἰσϑητήριον χαὶ τὸ αἰσϑητὸν καὶ τὸν τόπον zei τὸ πῶς zei τὴν διάνοιαν, ὡς ἐὰν τῶν ἄλλων παρόντων ἕν μόνον ἀπῇ, καϑάπερ διάνοια παρὰ φύσιν ἔχουσα, οὐ σωϑήσεται, φασίν, ἡ ἀντίληψις. ἔνϑεν καὶ τὴν καταλητιτικὴν φαντασίαν ἔλεγόν τινὲς μὴ κοινῶς κριτήριον, ἀλλ᾽ ὅταν μηδὲν ἔχῃ χατὰ τὸν τρόπον ἔνστημα. Dieser letzte Zusatz zeigt, dass wir die Lehre der jüngeren Stoiker vor uns haben; vgl. hiermit Carn. b. Sext. a. a. Ὁ. 1 182f.: ἐπὶ δὲ τῆς (sc. φαντασίας) κατὰ τὴν περιωδευμένην συνδρομὴν ἑκάστην τῶν ἐν τῇ συν- dooun ἐπιστατικῶς δοκιμάζομεν ... οἷον ὄντων χατὰ τόν τῆς χρίσεως τόπον τοῦ TE χρίνοντος χαὶ τοῦ χρινομένου χαὶ τοῦ di οὗ ἡ χρίσις, ἀποστήματός TE χαὶ δια- στήματος, τόπου, γρόνου, τρόπου, διαϑέσεως, ἐνεργείας, ἕκαστον τῶν τοιούτων ὅπ- οἷόν ἔστι φιλοχρινοῦμεν. τὸ μὲν χρῖνον, μὴ ἡ ὄψις ἤμβλυταν.. .. τὸ δὲ κρινόμενον, u >» > -- 8δδ -- einander, dass die Stoiker es für wahnwitzig hielten!), die Wahr- heit einer solchen Vorstellung zu bezweifeln, was, wie wir ander- wärts (S. 342f.) gesehen haben, Carneades stets that. Kehren wir jetzt zu Philodems Abhandlung zurück, so deckt sich die vorstehend entwickelte stoische Lehre mit dem Stand- punkte, den Dionysius daselbst einnimmt: Nicht die einfache Ver- gleichung der Merkmale unter einander, wie die Epikureer meinen, sondern der Logos allein entscheidet, ob und welches der wahrgenommenen und verglichenen Merkmale das Wesen der Sache ausdrückt und daher einen richtigen Schluss gestattet (vgl. 5. 302). Dies ist auch der Standpunkt, den Posidonius vertritt (vgl. S. 267f.): Mit Recht also dürfen und müssen wir schliessen, dass auch Panätius die vorgetragene Auffassung ver- treten hat. Eine weitere Frage ist es nun, von welchem Stoiker diese Änderung der Lehre eingeführt worden ist. Von denjenigen Ver- tretern, die hier der Zeit nach in Frage kommen können, scheidet zunächst der etwas abseits stehende Boethus aus. Seine Er- kenntnistheorie?) berührt sich mit der vorliegenden höchstens im allgemeinen; besonders ist von dem charakteristischen Zusatze, den wir bei der letzteren finden, bei der seinigen nichts zu er- kennen. Von der Erkenntnistheorie des Archedemus wird uns überhaupt nichts berichtet; auch ist es nicht wahrscheinlich, dass er von der Lehre der Schule abgewichen ist. Er stand nicht im Brennpunkte des philosophischen Streites, sondern lehrte im fernen Osten, in Babylon. Von Antipater dagegen, dem Leiter der Stoa in Athen und Zeitgenossen des Carneades, erfahren wir, dass er sich viel mit logischen Fragen beschäftigt und sich dabei fortwährend gegen Carneades gewandt hat. Überhaupt polemi- sierte er so viel gegen diesen Feind, dass er, weil er es nicht wagte öffentlich nıit ihm zu disputieren, von den Gegnern den Spottnamen Καλαμοβόας erhielt und auch bei seinen eigenen An- un μιχρὸν ἄγαν καϑέστηκε" τὸ δὲ di’ οὗ ἡ κρίσις, μὴ ὃ ἀὴρ ζοφερὸς ὑπάρχει" τὸ > = ch Ἂ ξ > δὲ ἀπόστημα, μὴ μέγα λίαν ὑπόκειται" τὸ δὲ διάστημα, μὴ συγκέχυται" τὸν δὲ τόπον, μὴ ἀχανής ἐστι τὸν δὲ χρόνον, μὴ ταχύς ἐστι" τὴν δὲ διάϑεσιν, μὴ μα- γιώδης ϑεωρεῖται" τὴν δὲ ἐνέργειαν, μὴ ἀπροσδεχτός ἐστιν κτλ. 1) Sext. a. a. O. I 257. 2) Diog. VII 54. RD Dee hängern darin nur geteilte Anerkennung fand!). Das wichtigste Argument, das er der Skepsis entgegenhielt, war offenbar das: Derjenige, welcher lehre, es gebe keine Gewissheit der Erkennt- nis, müsse wenigstens diesen Grundsatz als gewiss anerkennen, eine Forderung, die Carneades alsbald zurückwies. Wer in dieser Weise mit seinem Gegner stritt, dass er ihn unaufhörlich befeh- dete und seine Ansicht zu widerlegen suchte und ihm gleichwohl auswich aus Furcht ihm nicht gewachsen zu sein, der hat sicher nicht demselben nachgegeben und auf Grund seiner Einwände die eigene Lehre geändert. Dies ist aber, wie wir gezeigt haben, bei der obigen Fassung der Erkenntnistheorie entschieden der Fall: Also ist Antipater jedenfalls nicht ihr Urheber gewesen?). Es bleibt somit nur Panätius übrig. Dieses stimmt auch zu dem ganzen Charakter seiner Lehre. Wir haben es bereits gesehen und werden es noch weitersehen, dass er überall den Einwänden des Carneades Rechnung trug; auch hängt diese Auffassung der Erkenntnistheorie mit der Wiederaufnahme der Platonischen Psy- chologie von Seiten des Panätius eng zusammen. Wir werden also keinen Grund haben, an dem eben gezogenen Schlusse zu zweifeln. Über eine andere Weiterbildung der Erkenntnistheorie durch Panätius werden wir noch in dem letzten Abschnitte dieses Teiles zu sprechen haben. Kap Ethik und Politik. Die Ethik baut sich auf der Psychologie auf; die Polemik gegen diese richtet sich daher auch gegen jene. Doch hat sich Carneades keineswegs mit dieser Polemik begnügt, sondern die Ethik auch direkt angegriffen. Zum genaueren Verständnisse seiner Kritik und ihres Einflusses ist es daher wiederum notwendig, hier zunächst einen Abriss der Ethik der älteren Stoa zu geben, zumal ') Plutarch de garrul. ec. 23 p. 51l4D. Euseb. praep. evang. XIV 8,11 p. 738; Cie. acad. pr. 1.617. ?) Dies beweist auch Diog. VII 54. Vgl. 5. 398 Anm. 2. — 851 — wir gesehen haben, dass die Psychologie gerade in dem wichtigsten Punkte bisher verkannt worden ist'). | Gemäss der Vernünftigkeit und Gottverwandtschaft der Seele gilt als das Ziel oder das höchste Gut das naturgemässe Leben, die Übereinstimmung des menschlichen Verhaltens mit sich und mit der Gottheit?). Da nun die Seele ihrer Natur nach Vernunft, das Gefühls- und Willensvermögen aber mit der Vernunft un- trennbar verbunden ist (S. 327 ff.), so ist die Tugend die richtige Bethätigung der Vernunft oder vielmehr die richtige Vernunft (00905 λόγος) selbst und als solche das Wissen oder die Einsicht ®), die das entsprechende Handeln in sich schliesst. Ebenso folgt aus dieser Grundauffassung unmittelbar, dass sie zwar in ver- schiedene Arten zerfallen kann, insofern die Vernunft verschiedene Modifikationen annimmt, dass jedoch alle vorhanden sein müssen, wenn eine vorhanden ist‘). Dieser Natur entsprechend ist sie das einzige wahre Gut (καλόν) und darum auch allein die Quelle der Glückseligkeit, da sie niemals das Gegenteil, die Schlechtigkeit, sein oder wirken kann. Eben deshalb ist sie auch allein das wahrhaft Nützliche. Folgerecht kann die Schlechtigkeit auch nur das wahre Übel und das wahrhaft Schädliche sein’). Was zwischen beiden liegt, ist also weder gut noch schlecht, sondern ein Mittleres, das in Bezug auf die Tugend und Glückseligkeit gleichgültig (ἀδιάφορον) ist. Dieses zerfällt noch in zwei Arten, in die schlechthin gleichgültigen (ἀποπροηγμένα) und in die schätz- baren Dinge (προηγμένα)). Aus der Natur der Tugend als der vollendeten Vernunft oder der Übereinstimmung zwischen dem ἢ An dem Grundfehler, an welchem Zellers Darstellung der stoischen Psychologie leidet, leidet auch seine Darstellung der stoischen Ethik: Er unterscheidet nicht genügend die ältere und jüngere Fassung der Lehre und macht daher den Stoikern einerseits Vorwürfe, die sie nicht treffen, und bringt andererseits Widersprüche in die Lehre, die thatsächlich nicht vor- handen waren. 2) Stob. 66]. II p. 75,11 ff.; Diog. VII 87 ff.; vgl. Zeller a. ἃ. Ὁ, ΠΤ a. S. 209 #, 3) Plut. vit. mor. ec. 2; Cie. Tuse. IV 24,53; Stob. ecl. II p. 58, 5fl. u. a.; vgl. Zeller a. a. O. 5. 235ff. } 4) Plut. stoic. rep. 6. 7; υἱέ. mor. ce. 2; Galen de plae. Hipp. et Plat. VII 585, 10 ff. 5) Diog. VII 94ff.; Stob. a. a. O. p. 57, 22ff. Cie. de fin. III 10,33; Alex. Aphrod. de fato e. 28. Vgl. Zeller a. a. Ὁ. 5, 212 ff. 8) Diog. VII 105; Stob. a. a. O. p. 28,2 ff. -- 35598 -- menschlichen und göttlichen Verhalten folgt ferner, dass sie jede leidenschaftliche Erregung (πάϑος) unbedingt ausschliesst, da diese eben eine Störung der Vernunft ist. Deshalb gilt es auch als verkehrt, die Lust, die eine der vier Arten des Pathos ist, für ein Gut oder das höchste Gut zu halten!). Insofern nun die Seele an sich rein vernünftig ist, ist diese Vollendung in ihrem Wesen begründet und daher von Natur das Gute der Gegenstand ihres Triebes; insofern dies aber in der göttlichen Weltordnung begründet ist, tritt es ihr als Gesetz entgegen, das das Gute zu thun und das Schlechte zu meiden befiehlt (5. 329 ἢ). Die Ver- wirklichung dieses Gesetzes kann der Mensch zwar nicht hindern oder ändern, aber da die Vernunft in Bezug auf die Zustimmung zu diesem Geschehen frei ist, kann er demselben ebenso zu- stimmen, wie die Zustimmung versagen (5. 177 ff.). Bei der Gottesverwandtschaft der Seele ist die Erfüllung dieses Gesetzes naturgemäss Pflicht, und das Gegenteil Schlechtigkeit oder Sünde (ἁμάρτημα) "). Jede naturgemässe Handlung ist nun als solche pflichtgemäss oder geziemend (καϑῆκον), und da auch den Pflanzen und Tieren ein ihrer Natur entsprechendes Handeln zukommt, so bezieht sich dieser Grundsatz auch auf das Thun der Tiere und Pflanzen, und nicht bloss der Menschen. Bei der.rein vernünftigen Natur der menschlichen Seele gilt demzufolge nur die Tugend als Pflicht im eigentlichen Sinne und daher jede tugendhafte Handlung als eine vollkommenePflichterfüllung (τέλειον καϑῆκον — κατόρϑωμα)"); jede naturgemässe Handlung dagegen, welche nicht im Gebiete der Tugend, sondern in dem des Mittleren sich bewegt, als eine mittlere Pflicht (μέσον καϑῆκον), die deshalb ebenso wie ihr Sub- 1) Diog. a. a. Ὁ. 85; Stob. a. a. O. p. 90. 108, vgl. ebds. p. 88, 14; Cie. fin. II 21, 69; Plut. stoie. rep. ὃ: 15 u. a. 2) Plut. stoie. rep. e. 11, 1037 C£.; ο. 15, 1041 A f.; Stob. a. a. O. p. 105, 24ff., vgl. d. folg. Anm. 3) Stob. ecl. II 85, 12 ff.: ἀχόλουϑος d’ ἐστὶ τῷ περὶ τῶν προηγμένων 6 περὶ τοῦ χαϑήκοντος τόπος. -. τοῦτο diersivsi χαὶ εἰς τὰ ἄλογα τῶν ζῴων, ἐνεργεῖ γάρ τι χἀχεῖνα ἀχκολούϑως τῇ ἑαυτῶν φύσει" ἐπὶ δὲ τῶν λογικῶν ζῴων οὕτως ἀποδίδοται" “τὸ ἀκόλουϑον ἐν Bio‘. Diog. VII 107fl.: ἔτι δὲ χαϑῆχόν φασιν εἶναι, ὃ πραχϑὲν εὔλογόν τιν᾽ ἴσχει ἀπολογισμόν, οἷον τὸ ἀχόλουϑον ἐν βίῳ, ὅπερ χαὶ ἐπὶ τὰ φυτὰ χαὶ ζῷα διατείνει" ὁρᾶσϑαν γὰρ χἀπὶ τούτων χαϑήχοντα. χατωνομάσϑαι δὲ οὕτως ὑπὸ τοῦ πρώτον Ζήνωνος, τὸ καϑῆχον ἀπὸ τοῦ χατά τινας ἥχειν τῆς προσονομασίας εἰλημμένης. ἐνέργημα δὲ αὐτὸ εἶναν ταῖς χατὰ φύσιν χατασχευαῖς οἰκεῖον. Vgl. ferner ebds. 8 110: Cic. de fin. III 7,24; de off. 13,8; ΠῚ 3, 14. TIER REN Er EFT" ᾿ ἣν» -“ ὅλ τ --Ἦ 359 -- strat, das Mittlere, zu dem Gleichgültigen gerechnet wird!): Sie ist eine Handlung, welche sich für die Natur des Menschen mil vernünftigen Gründen rechtfertigen lässt?2). Beide Arten der Pflichten stehen also neben einander und haben daher auch beide für den Weisen Gültigkeit°). 4) Cie. de fin. III 17,58 ff. 2) Stob. 66]. II 85, 19. δοίζεταν δὲ τὸ χαϑῆχον" τὸ ἀχόλουϑον ἐν ζωῇ, πραχϑὲν εὔλογον ἀπολογίαν ἔχει; vgl. Diog. VII 107 (8. vor. 5. Anm. 8); Cie. de off. 13,8 u. ö. 3) Cicero schliesst einen Abschnitt über das med. off. in de fin. III 18, 59 mit den Worten: ita est quoddam eommune offieium sapientis et insipientis; ex quo effieitur versari in iis, quae media dieamus. — Dieses Verhältnis von χαϑῆχον und χατόρϑωμα ist von Zeller sowohl wie von Hirzel missverstanden worden. Ersterer schreibt Philos. d. Gr. IIla. S. 245, 3°: „Wenn nimlich ein χαϑῆχον im allgemeinen Sinne jede Pflichterfüllung, d. h. vernunft- gemässe Handlung ist, so ist ein χατόρϑωμα παν die vollkommene Pflicht- erfüllung oder die tugendhafte Handlung“. Zum Beweise hierfür stützt er sich auf die vor. S. Anm. 3 angeführten Stellen. Diese Ansicht leidet zunächst an einem inneren Widerspruche: Wenn jede vernunftgemässe Handlung ein χαϑῆχον ist, die tugendhafte aber ein zerogdwue, so wird damit ein Unterschied zwischen der vernunftgemässen und der tugendhaften Handlung statuiert, was unstoisch ist. Denn worin besteht alsdann die tugendhafte Handlung, wenn die vernunftgemässe als solche nicht tugendhaft ist? Der Weise handelt allein und stets vernunftgemäss, der Thor schlechthin vernunftwidrig (s. Stob. a. a. Ὁ. p. 65, 7ff.; 98, 14ff.; Diog. VII 124f.). Bezeichnete also χαϑῆχον die vernunftgemässe Handlung, so würde es nur vom Weisen vollbracht werden können, nieht vom Thoren. Nun wird aber gerade als Unterschied zwischen dem Weisen und dem Thoren angegeben, dass auch der Thor das χαϑῆχον, dor Weise aber allein das χατόρϑωμα erfüllen könne: Also kann unmöglich der Unterschied zwischen dem χαϑῆχον und χατόρϑωμα der sein, den Zeller an- giebt. Dieser Unterschied steht zweitens auch nicht da: χαϑῆχον, so heisst es a. a. O., ist jede naturgemässe Handlung und bezieht sich als solche auch aut das Thun der Tiere und Pflanzen. Es ist also schlechthin nicht gleich vernunftgemäss, sondern naturgemäss im weitesten Sinne des Wortes. So wird es daselbst auch direkt definiert: ἐνέργημα ταῖς χατὰ φύσιν κατασχέυαις oizsiov. Ist dieses also in Bezug auf die Natur vollkommen, so ist es eine vernunftgemässe und somit tugendhafte Handlung, weil das Wesen des Menschen als solehes rein vernünftig ist; ist es nicht vollkommen, 80 ist es ein ἁμάρτημα. Etwas anderes giebt es bei den Stoikern nicht, die Weise und Thoren, Schlechtigkeit und Vernünftigkeit absolut entgegensetzen. Da χαϑῆχον also die einfache, der Natur entsprechende Handlung bezeich- net, so ist μέσον χαϑῆχον, da es mit dem χατόρϑωμα — τέλειον χα ' zu thun hat, eben diejenige Handlung, welche sich auf die mittleren Dinge bezieht, wie schon sein Name bezeugt. Von hier aus ist es jetzt klar, warum das μέσον χαϑῆχον, das zu den mittleren Dingen gehört, neben dem ὃ ϑῆχον nichts — 800 -- Die Vollendung der Tugend findet sich beim Weisen; doch giebt es solche nur so ausserordentlich selten, dass im ganzen χατόρϑωμα steht und deshalb auch für Weise sowohl wie Unweise Gültigkeit hat. Ebenso ist es klar, dass der Widerspruch, der in dieser Lehre ent- halten ist, auf demjenigen beruht, in den die Stoiker, wie wir früher (S. 233) gezeigt haben, durch ihre Annahme der absoluten Einheit und Vernünftig- keit der Seele gerieten. — Auch Hirzel hat diese Lehre missverstanden. Er sucht zunächst zu beweisen (Unters. II S. 345 ff.), dass das χαϑῆκχκον auf blosser Wahrscheinlichkeit beruhe, das χατόρϑωμα aber auf sicherem Wissen. Diese Unterscheidung bedarf nach der vorhergehenden Auseinandersetzung eigentlich nicht der Widerlegung; aber es ist doch zu bemerken, dass sie einen Widerspruch zur Folge hat: Der Weise handelt nach sicherem Wissen und nicht nach der Wahrscheinlichkeit (vgl. Diog. VII 121; Stob. ecl. II 112, 1ff.). Da nun das χαϑῆχον auch von dem Weisen erfüllt wird, so würde der Weise, wenn Hirzel Recht hätte, auch nach der Wahrscheinlichkeit handeln. Dies ist aber unmöglich; also dürfen wir Hirzels Auffassung nicht annehmen. Dass sie auch auf die Lehre des Panätius nicht passt, haben wir früher (S. 214 Anm. 1) bereits gezeigt. Mit dieser Auffassung aber steht Hirzels weitere Darlegung in enger Beziehung. Er sucht nämlich ferner a. a. Ὁ. S. 403 ff. zu zeigen, dass erst Panätius und seine Anhänger das χατόρϑωμα unter das χαϑῆχον subsummiert hätten, so dass erst von ihnen χατόρϑωμα mit τέλειον χαϑῆχον und das χαϑῆχον im engeren Sinne mit μέσον χαϑῆχον bezeichnet worden sei. Er thut dies gegen die direkte Überlieferung (Diog. VII 107 ff. 5. S. 358 Anm. 3) und um dies zu können, sucht er zu zeigen, dass sie irrig sei; aber seine Gründe sind nicht stichhaltig. Wenn er zunächst meint, Zeno könne das χατόρϑωμα deswegen nicht unter das χαϑῆχον gesetzt haben, weil er die Be- deutung des letzteren aus der Etymologie des Wortes ἱχατά zıvag ἥκχειν᾽ (Diog. a. a. Ὁ.) hergeleitet habe; denn danach bezeichne χαϑῆχον etwas, das von aussen an den Menschen herantrete, während χατόρϑωμα als πρόσταγμα νόμου aus dem Inneren des Menschen komme, so ist dies nur einseitig: Der gött- liche νόμος oder ὀρϑὸς λόγος befiehlt alles, was geschehen soll und nicht ge- schehen soll; das χατόρϑωμα tritt insofern als Befehl des Nomos ebenfalls von aussen an den Menschen heran. Wer sagt aber, dass χατώ tıvas ἥκειν not- wendig darauf hinweist, dass das χαϑῆχον von aussen herantrete? χατά ce. acc. hat ebenso oft wie die lokale Bedeutung auch die übertragene „gemäss“, so dass χαϑῆχον der obigen Etymologie nach auch auf eine Handlung hinweist, die gemäss jemandem da ist (720 —=bin angekommen, bin da). Und dass dies der Sinn derselben in Wahrheit sein soll, beweist die unmittelbare Fortsetzung: ἐνέργημα δὲ αὐτὸ εἶναι ταῖς κατὰ φύσιν κατασχευαῖς οἰκεῖον. Auch seine weiteren Ausführungen über die bei Diog. und Stob. vorliegenden Be- richte sind nicht oder nur zum Teil richtig: Zuerst werde das χαϑῆκον schlechthin genannt, dann die Definition desselben, die aber die des μέσον χαϑῆκον sei, und darauf seine Einteilung in vollkommene und unvollkommene und in dei und οὐχ dei χαϑήχοντα. Man habe nun ebenso die Definition des χαϑῆχον auf beide Arten desselben bezogen, wie die beiden Arten des χαϑῆχον r ᾿ Ἀ ν Ϊ ist: ἐνέ ὲ αὐτὸ εἶ; αἷς χατι mein gehalten ist: ἐνέργημα δὲ αὐτὸ εἶναι ταῖς ςς Verlaufe der Geschichte nur einige wenige dagewesen sind'). Die ganze übrige Masse besteht aus Unweisen, und da es begrifl- lich nur entweder vollkommene Vernunft giebt oder unvollkom- mene, so giebt es auch nur entweder Tugend oder Untugend Weise oder Thoren und Schlechte. Unter den letzteren zieht es zwar solche, welche auf der Bahn zur Tugend fortschreiten und sich dadurch der Tugend annähern (προκόπτοντες), aber so lange sie diese noch nicht verwirklichen, gehören sie noch immer zu den Thoren’). Dieser Anschauung über das normale Verhalten der Menschen und das der Wirklichkeit entspricht nun vollständig die Lehre vom Staate und seinen Institutionen. Die Natur der Seele und ihr Verhältnis zur Gottheit hat unmittelbar ihre Verwandtschaft mit derselben und die aller Menschen unter einander zur Folge und bedingt somit, dass es in Wahrheit nur ein Gesetz, ein Recht und demgemäss auch nur einen Staat giebt, den Weltstaat der - hier unter den gemeinsamen Begriff χαϑῆχον gestellt seien. Dies sei ein Irrtum, da die angeführte Definition nur eine solche des μέσον χαϑῆχον sei. Die Gewährsmänner (Diog. u. Stob.) hätten also lückenhaft excerpiert: Zu- nächst sei in der Quelle das χαϑῆχον im engeren Sinne genannt gewesen, dann die Definition desselben, darauf die Bedeutung des χαϑῆχον im weiteren Sinne und zuletzt die Einteilung desselben. Es sei also die Angabe ausge lassen, dass χαϑῆχον auch im weiteren Sinne gebraucht werde, woran sich die angegebene Einteilung erst schliessen könnte. Dass χαϑῆχον im weiteren und engeren Sinne gebraucht wurde, wird in diesem Berichte zwar nicht gesagt, aber thatsächlich durchgeführt. Denn die erste Definition, die hier gegeben wird, Stob. a. a. O.: ὁρίζεται δὲ τὸ καϑῆκον" “τὸ ἀκόλουθον ἐν ζωῇ, ὃ πραχϑὲν εὔλογον ἀπολογίαν ἔχει (vgl. Diog. ἃ. ἃ. Ὁ.), ist, wie auch Hirzel sagt, - die bekannte Definition des μέσον χαϑῆχον, also des χαϑῆχον im engeren Sinne. Wenn aber Stob. alsdann fortfährt: τοῦτο (sc. τὸ χαϑῆχον) διατείνει χαὶ εἰς τὰ ᾿ ἄλογα τῶν ζῴων χτλ. und Diog.: ὅπερ zei ἐπὶ τὰ φυτὰ zei ζῷα διατείνει... ἐν- ἔργημα δὲ αὐτὸ εἶναι ταῖς χατὰ φύσιν χατασχευακῖς οἰχεῖο v, so ist dieses χαϑῆχον gewiss nicht mehr das μέσον χαϑῆχον, wofür es Hirzel hält, sondern das χαϑῆχον im weitesten Sinne des Wortes. Denn ich wüsste nicht, welche weitere Bedeutung es haben könnte, da es hier ja sogar auf das Thun der - Tiere und Pflanzen ausgedehnt und die Definition demgemäss ganz allge- Σ φύσιν χατασχευαῖς οἰχεῖον. Die Berichterstatter schreiben schlecht, aber richtig. 1). Chrysipp lehrte, dass es im ganzen nur eın bis zwei Weise gegeben ; dass seine Vorgänger deren mehr angenommen haben, zeigt mit Recht Hirzel a. a. O. II 5. 273. 2) Vgl. Zeller a. a. Ὁ. IIIa S. 270#. — 802 -- Götter und Menschen. Das Gesetz desselben ist die richtige Ver- nunft (ὀρϑὸς λόγος), die identisch mit der Gottheit und auch in dem Weisen voll und ganz vorhanden ist!). Das Leben in diesem Staate zeigt daher die Verwirklichung der Tugend und ihrer Forderungen. Alles Gleichgültige zunächst wird auch als solches behandelt. Deswegen finden sich daselbst nicht die Ehe und das Familienleben und die Münze, sondern anstelle derselben Güter- und Weibergemeinschaft. Auch Tempel sind nicht vorhanden und Gerichtshöfe und Gymnasien, da diese nur verkehrter Auf- fassung ihr Dasein verdanken?). Ebenso sind auch die Vorurteile der Sitte geschwunden, die nicht in der Vernunft ihren Grund haben?). Das Hauptgewicht liegt andererseits in der Pflege des sittlich Guten, in der willigen Unterordnung unter das göttliche Gesetz der Vernunft und in der Unterdrückung aller unvernünf- tigen Triebe. Dieses ist natürlich nur dem Weisen möglich; der Weise herrscht daher unbedingt in diesem Staate. Wie nun sein Thun dem der Gottheit entspricht, so hat auch sein Walten das gleiche Ziel, die Mitmenschen zur Tugend und damit zum Guten !) Cie. de fin. IV 2, 5ff.; III 19, 64ff. de leg. III 6,14. Diog. VII 32. Plut. comm. not. ὁ. 34. Alex. M. virt. I 6. 5 Diog. VII 33; 131; Plut. stoic. rep. ce. 6, 1034 Β. Wenn Zeller a.a. O. IIla S. 293, 2°? nach Diog. a. a. O. 121: χαὶ yaunosır (se. τὸν σοφόν), ὡς ὁ Ζήνων φησὶν ἐν Πολιτείᾳ zei παιδοποιήσεσϑαι, die Ehe als ein auch für den Weisen gültiges Institut den Zeno lehren lässt, so steht dies in offenem Widerspruche mit ebends. 8 191: zoıvas εἶναν τὰς γυναῖχας δεῖν παρὰ τοῖς σοφοῖς, ὥστε τὸν ἐπιτυχόντα τῇ ἐπιτυχούσῃ χρῆσϑαι, χαϑά φησι Ζήνων ἐν τῇ πολιτείᾳ. Dasselbe bezeugt Plutarch a. ἃ. Ὁ. Wenn nun Zeno sich einen solchen offenen Widerspruch in ein und demselben Werke hätte zu Schulden kommen lassen, wie Zeller ihm beilegt, hätte Plutarch ihm denselben ganz gewiss vorgehalten; er thut es jedoch nicht. Teusiv hat hier also offenbar eine weitere Bedeutung. Zeller ist beeinflusst durch Seneca de matrim. frg. Siff. ed. Haase, der natürlich nicht hierher gehört. Wenn Zeller uns a. a. OÖ. Anm. 3 noch auf Plut. stoic. rep. 6. 2 verweist, welcher berichtet, dass. die älteren Stoiker viele Schriften über die Staatsverfassung und der- gleichen Fragen geschrieben hätten, so beweist auch diese Stelle nicht für, sondern gegen ihn, wie wir sofort erkennen, wenn wir Cie. de leg. Iil 6, 14 und de fin. IV, 2, 5ff. vergleichen. 5) Unter diesen verstanden sie freilich alle Sitte und natürliche Empfin- dung, selbst Blutschande und das Verbot Menschenfleisch zu essen; vgl. Sext. Emp. hyp. III 200ff., 205ff., 246ff. Diog. VII 121; 188; Plut. stoie. rep. c. 22; Cic. off. I 35, 128. Dies passt vollkommen zu den in der vor. Anm. berichteten Lehren. Vgl. ferner noch Diog. VII 33. πὶ 23 — und zur Glückseligkeit zu führen?), ἃ. h. zu dem Zustande, welcher "dem Walten der Gottheit in der Welt entspricht. Auf die Er- kenntnis und willige Befolgung des göttlichen Gesetzes ist daher sein Streben gerichtet. Da nun das göttliche Gesetz stets und überall gleich und unwandelbar wirkt und gilt, so kann auch der - Weise stets und überall nur die Befehle dieses Gesetzes voll- führen, ohne jede Rücksicht auf den Ruf, in den er dadurch bei seinen Mitmenschen kommt, da er sonst gegen das göttliche Ge- setz handeln würde, was ihm unmöglich ist. Er kennt deshalb auch kein Mitleid, kein Verzeihen, keine Milde, und ohne Nach- sicht vollzieht er die gesetzlichen Strafen?).. Wenn ihm anderer- seits doch wieder Milde zugeschrieben wird, so dient auch diese Nachricht nur dazu, das vorige zu bestätigen: Seine Milde ist nicht Milde im gewöhnlichen Sinne, sondern Ruhe und Gleichmut, und zeigt sich darin, dass er sich beim Strafen nicht vom Zorne hinreissen lässt). Wahre Liebe und Freundschaft kann daher auch nur unter den Weisen herrschen, weil sie allein stets ein _ und dasselbe wollen, das Gute, und darum auch stets vollkommen übereinstimmen. Dieser Vernunftstaat existiert zur Zeit noch nicht wegen der Thorheit der Menschen, die die einzelnen Staaten geschaffen hat. In diesen wird der Weise, obwohl er seiner ‚ Natur nach zum Dienste am Staatsleben berufen, ja der einzige wahre Staatsmann ist, sich doch nur dann an der Verwaltung - beteiligen, wenn er durch nichts gehindert nach seiner Über- _ zeugung handeln kann‘). Fr 1) Diog. VII 121; Stob. 6601. II 94, Sff. flor. 45, 29. Zeno b. Seneca de Ε οὐϊο 3, 2. | ἔν 2) Gell. N. A. XIV 4, 4ff.; Stob. flor. 46, 50 (II p. 222M.); eel. IIp. 5 W.; ᾿ Diog. VII 123; Cie. de fin. III 17, 57. Die Strafen, welche der Weise als recht anerkennt und darum nicht erlässt, können nur von einem Gesetz- _ geber bestimmt sein, der selbst ein Weiser ist, da offenbar die Gesetze eines _ T'horen auch nur thöricht und somit für den Weisen nicht bindend sind. — Der Widerspruch, den Zeller a. a. O. IHla 5. 288 hier findet, ist thatsüch- lieh nicht vorhanden; er ist ihm nur dadurch gekommen, dass er auch die 4 spätere stoische Lehre mit der obigen ohne weiteres verbindet. 8) Stob. 66]. II p. 115. AR jr 9) Vgl. Anm. 1 und dazu Plut. stoie. rep. c. 20 p. 1043 A.f; ferner Diog. VII 32f.; 124; Stob. eel. II 108,26. — Hier finden auch Chrysipps An- ‚gaben über den Erwerb des Weisen (Plut. ἃ. ἃ. 0. ς. 90 p. 1047 F.) ihr Ver- ständnis: Der Weise, der ja allein alles kann, versteht auch allein den rich- -- 8064 — Abgesehen also von der Kritik, welche die vorgetragene Lehre von der Psychologie her trifft, hat Carneades den Scharf- sinn seines Geistes auch besonders gegen sie gewandt und durch seine einschneidende Polemik ihre Umgestaltung herbeigeführt. Der Optimismus der stoischen Philosophie erreicht in dem mo- ralischen Idealismus der Ethik und speziell in der Schilderung des Weisen seinen innerlich notwendigen Abschluss; er endigt aber zugleich in einer schrillen Dissonanz mit der Wirklichkeit, die sie zuzugestehen zwingt, dass die Verwirklichung des moralischen Idealismus fast unerreichbar ist. Diese Dissonanz ist es, von der aus Carneades, wie überhaupt so auch in der Ethik die Vernich- tung der Gegner unternimmt. Wir betrachten hier zunächst die Kritik, welche er gegen das höchste Gut als solches richtete. Von verschiedener Seite aus hatte Carneades, wie wir früher gesehen haben, die stoische Lehre von der Einheit und der da- | durch bestimmten absoluten Vernünftigkeit der menschlichen Seele mit solchem Erfolge bekämpft, dass fortan die Platonisch- Aristotelische Dreiteilung des seelischen Vermögens an deren Stelle gesetzt ward. Hierdurch vernichtete er die psychologische Grundlage der stoischen Ethik und damit die Berechtigung der stoischen Auffassung des höchsten Gutes. Dass er von hier aus diese Lehre angegriffen hat, bestätigt klar die Überlieferung. Denn diese berichtet ausdrücklich, dass er im Anschluss an Cal- lipho dem Chrysipp vorgeworfen hat, er verkenne das Wesen des Menschen und stelle deshalb an ihn Anforderungen, als ob er reiner Geist sei. Carneades verteidigte diesen Vorwurf mit der höchsten Wärme und Entschiedenheit und wies im Anschluss an ihn darauf hin, dass, weil der Mensch aus Seele und Leib bestehe, auch die Güter und unter diesen besonders die ersten Objekte der sinnlichen Triebe (ταὶ πρῶτα κατὰ φύσιν) nicht gleichgültig, sondern notwendig zur Glückseligkeit seien!),. Da zu den πρῶτα κατὰ tigen Erwerb; aber selbstverständlich gelten jene Angaben nur so lange, als der Idealstaat nicht verwirklicht ist; denn in dem letzteren giebt es ja kein Privateigentum mehr und auch keine Könige. So unsinnige Widersprüche, wie Plutarch sie zu erweisen sucht, hat sich Chrysipp gewiss nicht zu Schulden kommen lassen. Plutarch hat dies auch nur dadurch erreicht, dass er ver- schiedene Aussprüche Chrysipps ohne jede Rücksicht auf ihren Zusammen- hang gegenüber stellte. !) Cie. acad. pr. II 45,139; vgl. de fin. IV 11,28. -- 3565 — φύσιν auch die Lust und das Meiden des Schmerzes gehörten so schloss diese Polemik unmittelbar in sich die Widerlegung der stoischen Apathie und damit den Nachweis, dass diese beiden Gefühle nicht gleichgültig, geschweige denn schlecht seien'). Andererseits folgte hieraus auch unmittelbar die Unmöglichkeit des Weisen. Denn es ist klar, dass, wenn die Anforderungen, welche das stoische Ziel stellte, die Natur des Menschen schlecht- hin überschritten, es auch niemals von einem Menschen erfüllt werden konnte. Diesen Schluss hat Carneades ebenfalls vertreten: die eigene Lehre der Stoa über die Verwirklichung des Weisen lieferte ihm eine bequeme Handhabe ihn aufrecht zu halten’), Diese Lehre also verteidigte Carneades mit solchem Nachdrucke, dass selbst Antipater sich: gezwungen sah nachzugeben und den Wert der πρῶτα χατὰ φύσιν in gewisser Weise für die Glück- seligkeit anzuerkennen?). Ungleich klarer aber treten die Folgen dieser Polemik bei Panätius und Posidonius hervor. Zunächst haben wir schon vorher (S. 994) erkannt, dass Posidonius mit voller Bestimmtheit erklärt gerade durch diese Polemik gegen das höchste Gut mit veranlasst worden zu sein, offenbar im Anschluss an seinen Lehrer, die Dreiteilung des seelischen Vermögens gegen die ältere Lehre aufzunehmen. Durch diese und die obige Po- lemik bedingt ist dann bei beiden und besonders bei Panätius auch die modifizierte Auffassung über den Wert der äusseren Güter (S. 222£., 275£.). Denn mochten sie immerhin an der strengen "Auffassung der Schule festhalten, dass die Tugend zur Glück- seligkeit genüge, so ist doch ihre Auffassung über die Stellung und das Verhältnis derselben zur Tugend und Glückseligkeit -anders*als vorher. Verwarf ferner Panätius die Apathie und _ Analgesie als unnatürlich und erklärte er dagegen die Lust teil- weise für naturgemäss (S. 223f.), so ist in diesen Punkten die Einwirkung der obigen Polemik des Carneades auf ihn wiederum augenscheinlich. Ebenso hat dieselbe offenbar auch Posidonius _ wenigstens indirekt in seiner Auffassung über den Ursprung und das Wesen der πάϑη beeinflusst. Mit voller Klarheit aber zeigt sich bei beiden die Wirkung derselben wieder in ihrer Stellung 1) Vgl. Gell. N. A. XII 5,7ff.; vgl. auch Anm. 3. 2) Οἷς. deor. nat. UI 32,79. “4 δ 3) Plut. comm. not. 6. 27 p. 1012 Ο.: Seneca ep. 92,5. zu der Lehre von der Wirklichkeit des Weisen: Panätius liess sie unberücksichtigt (S. 213) und auch Posidonius gab zu, dass der Weise noch nicht wirklich gewesen sei, verteidigte aber die prineipielle Möglichkeit desselben in der Zukunft (S. 278ff.). Diesem Zurückweichen des Idealismus vollkommen entsprechend trat nun die Wirklichkeit in den Vordergrund des Interesses: An die Stelle der früheren Ethik, deren Höhepunkt die absolute, unterschieds- lose Vollkommenheit der Weisen war, kam die Ethik des Panätius, die durchaus auf die Welt der Wirklichkeit Rücksicht nahm und ihre Erziehung zum Zwecke hatte. Wir wenden uns jetzt zur zweiten Seite der Polemik des Carneades. In demselben Mafse, in welchem die Stoiker die sinnliche Natur des Menschen ausser Acht gelassen hatten, hatten sie die geistige emporgehoben und darum das rein Geistige, schlechthin Vernünftige als das allein sittlich Gute und somit als das einzige Gesetz und den naturgemässen Grund und Zweck alles wahren Staatslebens bezeichnet. Die Polemik gegen diesen Grundbegriff der stoischen Ethik war daher für Carneades nur die unmittelbare Fortsetzung und das notwendige Gegenstück zu derjenigen, welche wir vorhin von ihm gehört haben. Er setzte daher auch wieder dieselbe Macht gegen ihn, an die er sich vorhin gehalten hatte, die Macht der Wirklichkeit: Es giebt nichts, was seiner Natur nach gut wäre; denn wenn es etwas derartiges gäbe, so müssten in gleicher Weise wie das Warme und Kalte, das Bittre und Süsse, auch das Gute und Schlechte, das Gerechte und Ungerechte bei allen Menschen in gleicher Weise als solches gelten. Dieses ist aber nicht der Fall. Was dem einen als gerecht und gut und heilig erscheint, gilt dem anderen als schlecht und frevelhaft. Ja nicht einmal innerhalb desselben Volkes herrschen stets die gleichen Anschauungen; in den verschiedenen Zeiten ändern sich und wechseln die Begriffe in verschiedener Weise. Giebt es also in der Wirklichkeit nichts, was seiner Natur nach gut und gerecht ist, so kann auch das Gute und Gerechte der Wirklichkeit nicht in der Vernunft oder der Gottheit seinen Grund haben und mit den Forderungen dieser schlechthin identisch sein. Von der naturgemässen Gerechtigkeit und dem natürlich Guten und Gerechten ist somit das Recht der Wirklichkeit verschieden: Ihr allbeherrschendes Gesetz ist der Nutzen. Nicht die Natur, sondern die Schwäche veranlasste die Menschen Verträge und — 566 — Vereine zu schliessen und die Gesetze aufzustellen, um sich da- durch Vorteile zu verschaffen. So oft daher der Nutzen des Staates es verlangt, werden auch die bestehenden Gesetze ver- ändert!). Ebenso ist auch für den einzelnen der Nutzen die alleinige Richtschnur seines Handelns, die nur insofern beschränkt ist, als die bestehenden Gesetze es fordern. Denn diesen sich willig unterzuordnen ist in Wahrheit Gerechtigkeit?). Dieser Nutzen ist nun doppelter Art, Vorteil und Ehre. Beide nehmen sich gegen- seitig auf. Denn je grösser die Macht jemandes ist, desto grösser ist auch seine Ehre. Naturgemäss streben daher alle in gutem Rufe zu stehen, da durch ihn das Glück wesentlich bedingt ist. Denn nicht die Gutmütigkeit, die der naturgemässen Ge- rechtigkeit entspricht, bedingt das Verhältnis und das Urteil der Menschen, sondern der Ruf, in dem diese stehen®). Das Gute ist also der Vorteil und demgemäss ist es auch durchaus recht so weit wie möglich auf diesen bedacht zu sein*). Ebenso wenig wie für den einzelnen ist die naturgemässe Gerechtigkeit auch für den Staat dienlich oder überhaupt nur zu gebrauchen; denn diese lehrt die bestehenden Gesetze ausser Acht lassen, soweit sie nicht mit ihr übereinstimmen), und gerade das Umgekehrte von dem thun, was zu seinem Bestande notwendig ist, näm- lich alle schonen, für das ganze Menschengeschlecht sorgen, jedem das Seinige zuteilen, die Heiligtümer, fremdes und öffent- liches Besitztum nicht berühren und überhaupt alles Eigentum und alle Herrschaft preisgeben. Würde dieses ausgeführt, so würde das Bestehen des Staates überhaupt unmöglich sein, und “die Menschen müssten wieder zu dem Urzustande zurückkehren. Eine natürliche Gerechtigkeit giebt es also entweder überhaupt nicht, oder sie ist die höchste Thorheit°). Diese offenkundige Theorie der Selbstsucht, die im engsten ἢ Cie. de rep. II 8, 12ff.; 10, 17 ff.; 12,20#.; 15, 24 ff.; 18,28; vgl. de leg. I 14,40 ff. und dazu 5. 47ff. 2) Cie. de rep. III 15,24m; 17,27; 18,28 ff.; vgl. de leg. 1 .,41. "ὃ 3) Vgl. von den vorher angeführten Stellen besonders de rep. ΠῚ 17,27 ἢ: 15,24 und dazu Cie. de fin. III 17, 57. * #&) Cie. de rep. II 13,23; de leg. I 14, 40f. 6) Cie. de leg. I 15,42m; vgl. de rep. III 35,50 u. S. 57. Auch liegt dies indirekt in allen bisher angeführten Stellen ausgesprochen. = Cie. de rep. ΠΙ 15,24; 12,21; 19,29. u. ὅ. - 2 — 908 — Zusammenhange mit seiner vorhin vorgeführten Verteidigung der πρῶτα κατὰ φύσιν steht und ebenso wie diese das gerade Gegen- teil des stoischen Idealismus ist, wusste Carneades durch Bei- spiele und Thatsachen der Wirklichkeit so schlagend zu erhärten, dass er schon unter den beiden Häuptern der Stoa, die seine Zeitgenossen waren, Diogenes und Antipater, eine schroffe Spal- tung hervorbrachte. Denn von diesen beiden bekannte sich Diogenes in der Ethik offen zu der Auffassung des Carneades, während Antipater ebenso eifrig wieder die stoische verteidigte und den krassen Egoismus als schändlich verwarf. Den Beweis hierfür liefert uns die Thatsache, dass ihre Meinungsverschieden- heit sich gerade um dieselben charakteristischen Rechtsfälle drehte, die Carneades der Stoa vorgehalten hatte!). Wesentlich derselbe Unterschied in der Auffassung der Ethik wie zwischen diesen beiden Vertretern der Stoa findet sich auch zwischen Panätius und Posidonius einerseits und Hekaton andererseits. Die ersten beiden bekennen sich zu der strengen Auffassung, Hekaton mehr zu der des Diogenes. Vergleichen wir nun die Gründe, welche Hekaton geltend macht, so finden wir auch bei ihm wieder ein Beispiel, das Carneades zuvor in ganz gleicher Weise angewandt hatte?). Der durchschlagende Einfluss des Carneades auf diese Gestaltung der stoischen Ethik ist also augenscheinlich. Derselbe Einfluss zeigt sich jedoch auch bei Panätius und Posidonius. Denn wenn der erstere eine dreiteilige Disposition für seine Pflichtenlehre aufstellte und in dem dritten Teile über den Widerstreit des sittlich Guten und des Nützlichen zu handeln versprach, und Posidonius ausdrücklich die Richtigkeit dieser Disposition und besonders die Wichtigkeit des dritten Teiles an- erkannte und die diesbezügliche Lücke auszufüllen unternahm, die sein Lehrer gelassen hatte, so ist die Aufstellung und Bear- beitung dieses dritten Teiles wiederum nur aus demselben Einflusse zu erklären. Die kasuistische Behandlung der Moral, die hiermit in die Stoa eintrat, ist also in ihrem ganzen Bestande durch Car- neades veranlasst worden. Tiefer und eingreifender jedoch ist noch der Einfluss seiner Kritik und Theorie auf die innere Umgestaltung und Lehr- 1) Vgl. Cie. de off. III 13,54ff.; 23, 91mf. mit Cie. de rep. ΠῚ 19, 29. 5) Vgl. Cie. de off. III 23,90 mit Cie. de rep. 20, 80. Be. -- 569 — entwickelung der stoischen Ethik durch Panätius geworden. Wir haben schon vorher gesehen, dass Panätius sich durch die Ein- wände des Carneades gezwungen sah von dem überspannten Idealismus der stoischen Ethik zurückzutreten und die Menschen der Wirklichkeit allein zu berücksichtigen. In gleicher Richtung wie jene Polemik musste natürlich auch diese wirken: und dass sie das gethan hat, beweist wiederum seine Lehre, Das ideale Recht der alten Stoa stützt sich auf die Verwandtschaft aller Menschen unter einander. Gleichwohl kennt nach ihr der Weise in voller Konsequenz des zu Grunde liegenden Prineips gegen die Thoren, d. h. gegen die Menschen der Wirklichkeit nur rücksichtslose Strenge, wie wir vorhin gezeigt haben; von einer Liebe ist da- selbst nur unter den Weisen die Rede. Infolge der Abkehr des Panätius von diesem Ideal zu den Menschen der Wirklichkeit giebt ihm jene allgemeine Verwandtschaft auch für die Menschen der Wirklichkeit das Gesetz, welches zuvor nur für die Weisen galt: die allgemeine rücksichtsvolle Liebe. Diese ist also erst durch Panätius zu ihrer weit ragenden Bedeutung in der Stoa gekommen, Gegen das ideale, auf die schlechthin vernünftige Natur des Menschen gegründete Recht setzte Carneades, wie gezeigt, ebenso schroff die rein reale Theorie des Eigennutzes als die einzig be- rechtigte Norm alles Handelns. Der Einfluss dieser Polemik tritt uns in der Lehre des Panätius von der Gerechtigkeit sofort klar vor Augen: das Wesen der Gerechtigkeit ist die Billigkeit, diese aber die Beschränkung des idealen Rechts oder der allgemeinen Liebe durch die berechtigte Eigenliebe. Als Motive des rechten Handelns stellten ferner die älteren Stoiker allein die Befehle der Vernunft hin, Carneades dagegen den Vorteil und die Ehre. Pa- nätius erkennt auch die letzteren voll und ganz an, nicht aber einschränkungslos, sondern er vereinigt sie mit den strengen Anfor- derungen der Stoa (s. S. 22f., 44f.). Noch für einen weiteren Punkt, der mit dem vorigen eng zusammenhängt, können wir diese Ver- einigung erkennen. Die alten Stoiker hatten der Konsequenz ihres Prineips gemäss (5. 363) den guten Ruf für vollkommen gleichgültig erklärt. Gegen sie verteidigte nun Carneades im Zu- sammenhange seiner Theorie, wie wir gesehen haben, das An- Ἧ recht desselben auf unsere Wertschätzung mit solchem Nachdrucke, Y ᾧ F dass die nach ihm lebenden Stoiker sich gezwungen sahen ihn Schmekel, mittlere Stoa. 24 unter die wünschenswerten Dinge zu setzen!), Zu ihnen gehört auch Panätius und zwar begründet er sein Urteil durch den Hinweis darauf, dass, wie die Schönheit des Körpers Beifall er- wecke, auch die Schönheit des Geistes den guten Ruf unmittelbar im Gefolge habe (5. 5. 37f.). Die Ethik des Panätius, mit der die des Posidonius in allem Wesentlichen übereinstimmt, ist also auch in dem Inhalte durch die Theorie und Kritik des Carneades wesent- lich beeinflusst?); indem sie aber die Ethik der älteren Stoa in ihren grundlegenden Ansichten aufrecht erhielt und nur zu einer Theorie für die Welt der Wirklichkeit umgestaltete, trat sie nicht notwendig der älteren Lehre entgegen. Sie konnte daher diese in gewissem Sinne als eine solche zugeben, die auf eine höhere Stufe der Vollendung ziele®?). Hier setzte in der Folge Posidonius mit seinem Beweise an, dass das Ideal des wahrhaft Weisen, über den Panätius mit Stillschweigen hinweggegangen war, in Zukunft sich wohl verwirklichen könne (S. 278ff). Bei dem Zusammenhange der Ethik und Politik namentlich in Bezug auf die Lehre, welche wir vorher besprochen haben, war es notwendig, dass Panätius auch den kosmopolitischen Staat der älteren Stoa ebenso mit der Wirklichkeit versöhnte, wie er dies bei der Ethik gethan, zumal wir vorhin : gesehen haben, dass Garneades mit der Widerlegung der stoischen Ethik die des Kosmopolitismus verbunden hatte. Abgesehen von dieser Polemik hatte er denselben noch von einer anderen Seite ange- griffen. Indem er nämlich die Wahrheit der stoischen Theologie bestritt und den Schluss von. der Vernunft des Menschen auf die der Welt zurückwies, griff er auch das Recht der Schlüsse an, durch welche diese das Recht des Kosmopolitismus erwiesen. Auch diese Aufgabe hat Panätius gelöst, und dass er es wiederum im Anschluss an die Kritik des Carneades gethan hat, wird abgesehen von diesem ganzen Zusammö&nhange eine Thatsache erweisen, über die später berichtet werden wird. In der bisherigen Darlegung haben wir gesehen, dass und !). Cie. de fin. II :17, 57. 2) Auch die Hochschätzung der ἰσχύς (vgl. S. 999 6) hängt bei Panätius wohl hiermit zusammen. 3) Daher der Streit über die Ansicht des Panätius bei Cie. de. off, III 2,7#f.; dieser würde schwerlich entbrannt sein, wenn nicht Panätius in ge- wisser Beziehung beiden Parteien ein Recht gegeben hätte. wie Carneades die altstoische Ethik aus ihrem Widerspruche mit der Wirklichkeit vernichtete und die Stoiker zur Änderung ihrer Lehre zwang. Hiermit begnügte er sich jedoch nicht, sondern er suchte dieselbe auch durch sich selbst zu vernichten. Er wies nämlich in offenbarer Fortsetzung der vorher vorgetragenen Ver- -teidigung der Lehre des Callipho nach, und zwar wiederum mit dem grössten Eifer und Nachdruck, dass die stoische Lehre vom höchsten Gute sich thatsächlich mit der der Peripatetiker decke und nur in den Bezeichnungen von ihr verschieden sei!), Die "Schwere dieser Ausführungen ist nicht geringer wie die der vor- hergehenden; denn zeigten jene den Stoikern die Unhaltbarkeit ihrer Lehre, so wiesen diese darauf hin, wo die Hülfe gesucht werden müsste. Und wie mächtig sie gewirkt haben, lehrt ein Blick auf die stoische Ethik dieser Zeit; denn unverkennbar treffen wir "bei ihr eine vielfache Neigung zu der peripatetischen Philosophie und zu der Platos, die mit ihr identifiziert wird. In Betreff Diogenes’, Antipaters und Hekatons ist es überflüssig nach dem, was wir vorher ausgeführt haben, hier noch besonders darauf hin- zuweisen; ähnlich aber verhält es sich auch bei Panätius und "Posidonius. Denn mochten sie auch, und zwar mehr und entschie- -dener Posidonius als Panätius?), die peripatetische Auffassung der mittleren Dinge und namentlich der πρῶτα χατὰ φύσιν in Bezug auf das höchste Gut, sei es stillschweigend, sei es in offener Po- _lemik, zurückweisen, so war doch auch ihre Schätzung derselben "ungleich milder als die der früheren Stoiker. Wenn nun Dio- genes dort, wo er berichtet, dass sie beide zur Verwirklichung _ der Glückseligkeit auch Gesundheit, Ansehen und Mittel für nötig erklärt hätten, zur Bezeichnung der Mittel das Wort “yoonyia' gebraucht, so erinnert uns dieses sofort an Aristoteles, der das- selbe in demselben Zusammenhange auch anwendet’). Was “ferner die Metriopathie anlangt, so bedarf es hier ebenfalls keiner eingehenden Erörterung mehr; nur an das eine sei erinnert, dass 4 ἐ war he ἢ Cic. de fin. III 12,41; Tuse. V 41, 120. Sein Beweis zeigte jedenfalls, dass die stoische Lehre entweder zu der von den Stoikern selbst bekämpften Auffassung des Ariston hindränge, oder sich mit der Lehre der Peri- atetiker decke; vgl. Cie. de fin. 1V 16,43 und dazu Plut. comm, not. ©. 2) Seneca ep. 87,31ff. er ᾿ 3) Vgl. Diog. VII 128 mit Aristot. pol. I e. 6, 1255 a, 13 δι: VII e. 13, 1331 b,41 und dazu Wachsmuth zu Stob. ecl. II p- 50, 12. 21. 245 Posidonius die ganze Darstellung Platos über die Heilung und Vermeidung der πάϑη wörtlich in sein Werk über dieselben aufnahm‘). Der gleiche Einfluss zeigt sich auch in der Tugend- lehre. Panätius unterscheidet die vollkommene und die mittlere Tugend, die gewöhnlichen Weisen und die Weisen im eigentlichen Sinne; dasselbe thut auch Posidonius. Unwillkürlich werden wir hierbei an Platos Unterscheidung der philosophischen und ge- wöhnlichen Tugend, der wahrhaft und der gemeinhin so genannten Weisen erinnert. Dies geschieht noch mehr, wenn wir bedenken, dass Plato das Verhältnis der gewöhnlichen Tugend zu der phi- losophischen und das der ersteren entsprechende Gute mit oxıa- γραφία τις und εἴδωλα ἀρετῆς bezeichnet. Denn in ganz ähnlicher Weise nennt auch Panätius die mittlere Tugend und das ihr ent- sprechende Gute ‘simulacra virtutis’ und ‘similitudines honesti’ oder ‘secunda honesta’?). Der Einfluss des Aristoteles dagegen tritt wieder ganz offen hervor in derEinteilung der mittleren Tugend, wie längst !) Galen a. a. ©. V p. 445. 2) Hierauf hat Hirzel, Unters. II S. 335 ff., 341ff. treffend hingewiesen; doch geht er entschieden zu weit, wenn er meint, dass diese Unterscheidung Platos die des Panätius veranlasst habe: Die Lehre beider ist nicht identisch, wie H. annimmt. Die gewöhnliche Tugend wird nach Plato durch die Vor- stellung vermittelt und verhält sich zur wahren Tugend, die auf dem Wissen beruht, ebenso wie die Vorstellung zum Wissen. Da nun Vorstellung und Wissen sich wie ihr Inhalt, also wie das mannigfach Erscheinende und das an sich Seiende verhalten, so giebt auch die Vorstellung nur ein Schatten- bild der wahren Tugend, wie das Mannigfache der Erscheinung nur ein Schattenbild des an sich Seienden ist: Sie ist ein Handeln ohne wahre Ein- sicht in die Gründe desselben und erscheint ebendeshalb auch nicht als ein- heitlich, sondern als eine Summe von einzelnen Handlungen. Das Gegen- teil gilt von der wahren Tugend. Diese geht hervor aus dem Wissen und Willen, jene aus der Gewöhnung und göttlichen Schiekung (rep. VII 554; Phaedon 69 Aff., symp. 210 Ef. u. a.; vgl. ferner Zeller Phil. d. Gr. IIa S. 881*). Wesentlich verschieden ist hiervon die Lehre des Panätius: Die gewöhnliche Tugend (μέσον χαϑῆχον) beruht in gleicher Weise wie die voll- kommene (τέλενον #.) auf dem in der Vernunft gegründeten Wissen und ist daher einin sich zusammenhängendes sittlich Gutes (vgl. S. 214 ff). Sie wird deshalb auch nicht durch die Güte der Begabung allein, sondern durch fort- gesetztes Lernen erreicht (Cie. off. III 3, 14), was doch nicht dasselbe wie die Gewöhnung bei Plato ist. Auch der Tugendbegriff Platos in den „Gesetzen“ deckt sich nicht ganz mit der Lehre des Panätius, weil sich Plato bei der Feststellung desselben zu sehr von seiner früheren Auffassung der gewöhnlichen Tugend leiten liess; vgl. Zeller a. a. Ὁ. S. 957 ft. Br. -- 981 — wahrgenommen worden ist!). In der richtigen Selbstbethätigung der Vernunft bestehen nach Aristoteles die dianoetischen Tn- genden. Sie zerfallen in zwei Klassen, in die des wissenschaft- lichen Vermögens und der Überlegung. Jene richtet sich anf die Wahrheit an sich, die andere bezieht sich auf das Handeln nnd bestimmt bei den ethischen oder praktischen Tugenden die rich- tige Mitte. Die ethischen Tugenden aber beruhen auf der Unter- werfung der niederen Funktionen der Seele unter die Vernunft und umfassen die ganze Reihe der Charaktertugenden. In gleicher "Weise teilt Panätius und mit ihm Posidonius?) die Thätigkeit der Vernunft, deren richtiges Verhalten ja die Tugend ist, in eine solche, die sich nur auf die Erforschung der Wahrheit, und eine solche, die sich auf das Handeln bezieht. Die erstere heisst die theoretische, die letztere die praktische Tugend, die im allge- meinen dieselben Tugenden umfasst, welche Aristoteles unter die ethischen oder praktischen rechnet. Das Prineip der Einteilung ist also wesentlich dasselbe; in der Einteilung jedoch hat bei ihnen natürlich die stoische Theorie gewirkt, die schlechthin nur eine in Wirklichkeit unteilbare Tugend der Vernunft kennt und daher die ethischen Tugenden nicht neben die der Vernunft stellt, sondern mit dieser vereinigt. Ihrem Inhalte nach betrachtet fanden wir ferner bei Pa- nätius sowohl wie bei Posidonius jede Tugend als die Mitte zwischen dem Zuviel und Zuwenig. Auf diese Bestimmung hatte zuerst Plato hingewiesen und ihm folgte die ältere Akademie; “besonders aber hatte Aristoteles dieselbe eingehend behandelt. "Ihm hat sich daher auch Panätius hauptsächlich angeschlossen’). Die Sophrosyne definiert Panätius als das richtige Verhalten der Seelenteile unter einander, also als die willige Unterordnung der niederen unter die Vernunft. Diese Erklärung stimmt mit der Platos (rep. 442 D) überein, während Aristoteles dieselbe als das Wesen der ethischen Tugend überhaupt hinstellt. Daher hat Panätius dieselben fehlerhaften Extreme für die Sophrosyne wie ı) Zeller a.a. Ὁ. IIIa S. 565°. Hekatons Einteilung dagegen steht hier- mit nicht in Beziehung. ᾿ς ἢ vgl. 5. 215#., 2108. 3) Plato, rep. X 619 Α., vgl. ebds. IV 429 Ε.; Crantor bei Cie. acad. pr. II 44,135; Aristot. eth. Nie. II ce. 5, 1106}, 16. Aristoteles für die ethische Tugend überhaupt'!). Ebenso nennt ‘4 Panätius als Extreme der Wohlthätigkeit dieselben ‚wie Aristo- 4 teles?). Das Gleiche gilt bei der Tapferkeit?), nicht jedoch bei der Gerechtigkeit. Sachlich stimmten gewiss beide in der Auffassung dieser Tugend überein, denn auch Aristoteles hatte bei seinem Grundsatze der Billigkeit nichts anderes im Auge, als das natür- liche Recht gegenüber einer eigennützigen Auffassung des ge- schriebenen Rechts zu betonen; aber der Begriff der Billigkeit ist bei beiden verschieden. Bei Panätius stützt er sich auf die Gleich- heit und die gegenseitige Verwandtschaft aller Menschen; diesen Grundsatz .aber vertritt bekanntlich weder Plato noch Aristoteles ἢ). Es ist daher ganz natürlich, dass ihre Begründung und Erklärung der Billigkeit anders lautete als die des Panätius. Da indessen die # Gegenüberstellung der beiden Prineipien, welche die Stoa und Carneades vertraten, nicht neu war, sondern aus der Zeit der Sophistik stammte, so hatten sich auch schon Plato und Aristo- teles gegen sie gewandt. Wie wir deshalb die hauptsächlichsten ° Gründe des Carneades schon bei Plato finden’), so dürfen wir auch in ihrer Widerlegung bei Panätius und Posidonius Gründe ver- muten, die bereits Plato und später Aristoteles gegen sie geltend ; gemacht hatten, wenn wir auch bei. dem Charakter der Über- lieferung Genaueres nicht angeben können). Das gleiche Verhalten nehmen wir ferner bei Panätius’) in der Staatslehre wahr. Von Aristoteles stammt sowohl sein Be- griff des Staates und der Verfassung als auch die Einteilung der Verfassungen; letztere aber hatte auch schon Plato in ganz gleicher ° 1).Vgl. S. 219 u. dazu Aristot. a. a. O. Il ce. 6, 1107a,1#. 2) Vgl. S. 221 mit Aristot. a.a. Ὁ. 11 6. 7, 1107b, 8 1 IV e.1, 121195, 203 3) Vgl. S. 221 mit Aristot..a. a. O. II c. 7, 1107b,2#.; TITe. 10, 11158 28 f. 3). Aristot. a. a. O. VIII e. 13, 1161}, 5 ff. kommt hierbei nicht in Betracht. 5) Besonders rep. 1343 C, E; 348 C£.; II 360 Eff. = Carn. b. Cie. rep. HI 12,20: 3 6) Vgl. z. B. Cie. off. II 11, 40 mit Plat. rep. I ce. 23, p- 901 Ο; Cie a. a. 0. I 7,20 (vgl. S.31 Anm. 2) mit Plat. a. a. 0.1334B. Gorg. 469 Bff.; Cie, a. a. Ὁ. I 10, 31 mit Plato rep. I 331C. ἢ Posidonius hat, soviel wir wissen, eine eigene Politik nicht geschrie- ben; die vorhandenen Andeutungen (b. Seneca ep. 90, 4ff.) lassen jedoch darauf schliessen, dass er mit Panätius übereinstimmte. Von ihm dürfte Jaher dasselbe gelten wie von seinem Lehrer. Er -- 305 — "Weise gegeben. Auch die Wertbestimmung der einzelnen Ver- -fassungen deckt sich mit der des Aristoteles. Ausserdem finden N sich noch einige ‚Stellen bei Cicero, die uns eine deutliche = Benutzung der Aristotelischen Politik durch Panätius erkennen lassen. Dahin gehört ausser denjenigen, welche Zeller!) bereits aufgezählt hat, auch das Urteil über das Verhältnis der zuten Verfassungen zu den entsprechenden schlechten, das für die Entwickelung- der einzelnen Verfassungen selbst malsgebend bei Panätius geworden ist: Arist. Pol. III e. 1. 1275a, 38 ft. τὰς δὲ πολιτείας δρῶμεν εἴδει διαφερούσας ἀλλήλων, καὶ τὰς μὲν ὑστέρας, τὰς δὲ προτέρας οὔσας" τὰς γὰρ ἡμαρτημιίένας καὶ παρεχβεβηκυίας ἀναγκαῖον ὑστέ- ρας εἶναι τῶν ἀναμαρτήτων. Cic. rep. I 28,44 (= 45,69) hoc loquor de tribus his gene- ribus. rerum publicarum non turbatis atque permixtis, sed suum statum tenentibus. . . nul- lum est enim genus illarum re- rum publicarum, quod non ha- beat iter ad finitimum quoddam malum praeceps ac lubricum. Noch eine weitere Stelle liegt vor, an der wir sogar eine wörtliche Anlehnung an Aristoteles finden. Nachdem nämlich die Mitunterredner bei Cicero dem Scipio den Vortrag über den besten Staat übertragen haben (s. S. 67), beginnt dieser denselben mit den Worten: Er werde vor kundigen Männern bei einer so bekannten Sache nicht mit dem ehelichen Verkehr und der Familie als dem Ursprunge des Staates beginnen, da er nicht Lehrer sein wolle, _ der jegliches zu wiederholten Malen genau definieren und aus- _ einandersetzen müsse. Diese Anspielung auf den Anfang der Aristotelischen Politik ist vollkommen klar?). Was nun Cicero hier zurückweist, das holt er in seiner Pflichtenlehre bei der 1) Die Benutzung der Aristotelischen Politik in Cieeros gleichnamigem Werke zeigt er Philos. ἃ. Gr. ΠΡ S. 151, 6°. Er zählt als solche auf: ( m Ἷ “46 leg. ΠῚ 6: rep. 1 25 = Arist. Pol. III 9, 1280, 6, 29; ὁ. Ö, 1275}, 19; 12, = 1955, 2. Cie. rep. I 26 = Arist. a. a. O. III, 1274b, 36; c. 6, 1278b, 8; ἐ 7 12793, 25f. Cie. ἃ. ἃ. Ο. 1 21 = Arist. ἃ. ἃ. Ὁ. 119, 12808, 11: ο. 10, = 11, 1281a, 28#., b, 28, c. 16, 12872, Sf. Cie. ἃ. ἃ. Ὁ. 1 29 --- Arist, ἃ. ἃ. ‚IV 8, 11. Nach den vorliegenden Untersuchungen sind diese Stellen durch "Panätius in Ciceros Werk gekommen. ei ἃ 2) Cie. a. ἃ. 0. I 34, 38. Arist. ἃ. ἃ. O. 11, 1252a, 26 ff. Darstellung der Wohlthätigkeit nach und zwar in offenem An- schluss an Panätius (s. S. 31f). Hier erkennen wir nun wieder sogleich den Einfluss des Aristoteles, wenn wir die folgenden Stellen vergleichen: Arist. Pol, Ic. 2, 125fa, 26 ff. ἀνάγκη δὴ πρῶτον συνδυάζεσϑαι τοὺς ἄνευ ἀλλήλων μὴ δυναμέ- vovs εἶναι, οἷον ϑῆλυ μὲν καὶ ἄρρεν τῆς γενέσεως ἕνεκεν... [1252b 13ff:] ἡ μὲν οὖν εἰς πᾶ- σαν ἡμέραν συνεστηκυῖα κοινωνία Cie. de off. I 17,54. nam cum sit hoc natura com- mune animantium, ut habeant lubidinem procreandi, prima so- cietas in ipso coniugio est, pro- xima in liberis, deinde una domus. communia omnia.... sequuntur- κατὰ φύσιν οἶκός ἔστιν. .. ἡ δ᾽ ἐκ πλειόνων οἰκιῶν κοινωνία πρώτη χρήρεως ἕνεκεν μὴ ἐφημέ- ρου κώμη. μάλιστα δ᾽ ἔοικε κατὰ φύσιν ἡ κώμη ἀποικία οἰκίας εἶναι... ἡ δ᾽ ἐκ πλειόνων κωμῶν κοινωνία τέλειος πόλις ἤδη. fratrum coniunctiones, post con- sobrinorum sobrinorumque, qui cum una domo iam capi non possint, in alias domos tam- quam in colonias exeunt ... quae- propagatio et suboles origo est rerum publicarum. In derselben Sache haben wir denselben Vergleich bei beiden. Denn wie Aristoteles vorher definiert hat, ist κώμη gleich ἡ &x σελειόνων οἰχιῶν χοινωνία und diese ist ἀποικία οἰκίας. Das Gleiche sagt auch Cicero, nur ohne das Wort „Dorf“ zu gebrauchen Diese Benutzung ist um so klarer, als wir auch die bei Aristoteles. nachfolgende Stelle, der Mensch sei von Natur ein ζῶον πολιτι-- χόν in Ciceros Staatslehre wiederfinden, wie bereits Zeller ge- sehen hat. Auch die weitere Lehre des Aristoteles, dass der Mensch als ζῶον πολιτικόν sich infolge seiner Natur zum staat- lichen Leben mit seines Gleichen zusammenschliesse, der Nutzen und das Bedürfnis aber erst in zweiter Linie dabei in Betracht kämen, findet sich in Ciceros Staatslehre verwendet, wie ebenfalls: schon Zeller gesehen hat; doch nicht allein hier, sondern auch im zweiten Buche seiner Pflichtenlehre!). Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass Panätius auch die oben angeführten Worte aus Aristoteles herübergenommen hat. Auch in Panätius’ Theorie der Staatsverfassungen treffen wir Aristoteles, zugleich mit ihm aber auch Plato. Da Plato nämlich ΟΣ en ERS rt — 811] -- 5616 beste Verfassung als die ursprüngliche hinstellt und daran die übrigen in absteigender Reihe herleitet, so kommt seine Ent- wickelung, wie schon Aristoteles mit Recht bemerkt'), auf einen Kreislauf der Verfassungen hinaus. Diese von Aristoteles wider- legte Idee hat Panätius aufgenonnmen. Indem er nun der Plato und Aristoteles gemeinsamen Einteilung der Verfassungen zu- stimmte und gleichzeitig der Ansicht des Aristoteles huldigte, dass die gute Verfassung allemal der schlechten vorausgehe, entstand seine naturgemässe Abwandlung der Einzelverfassungen μὲ An einem Umstande lässt sich hier der Einfluss des Aristoteles noch besonders erkennen: Am Anfange der staatlichen Entwicke- lung steht bei Panätius das Königtum. Dieses wiederholt sieh nicht, vielmehr fängt die Tyrannis die zu Ende entwickelte Reihe - von neuem an. Dieses ist auch die Anschauung des Aristoteles; denn er lehrt, dass die eigentliche Königsherrschaft nur im Beginne der Entwickelung, aber nicht mehr im weiteren Verlaufe der Ge- schichte entstehe?). In der Aufstellung der idealen Verfassung jedoch tritt der direkte Einfluss des Aristoteles und Plato in den Hintergrund. Denn während diese in der geistigen Aristokratie die beste Verfassung erblicken, gilt ihm für dieselbe diejenige, welche aus den drei guten (S. 227) gemischt ist, wie wir ge- sehen haben. Diese scheint als solche aber schon von Ari- stoteles’ Schüler Diecaearch im Anschluss an die spartanische Verfassung aufgestellt zu sein und grossen Anklang gefunden zu _ haben). In damaliger Zeit aber fand sie noch eine ganz andere 1) Polit. V 12, 1316a, 29. 2) Er brauchte gleichwohl mit Aristoteles nicht in Widerspruch zu go raten; vgl. S. 226 Anm. 1. ®) Polit. III 15, 1286b, 8ff.; I 2, 1252}, 19f. Ὁ Das Lob der gemischten Verfassung „ist noch älter als Plato, vol. dessen leg. XII 962 E“ (Susemihl); es findet sich bei Aristot. Pol. II 6, 1268}, 596", doch ist diese Stelle wahrscheinlich unecht, vgl. M. Schmidt Jahns Jhrb. _ CXXV 1882 S. 823ff. Über den Tripoliticos des Dieaearch vgl. Osann, “ Beiträge z. gr. u. röm. Lit. II S. 586. Nach Diog. VII 131 scheint sich die ΑΥ gemischte Verfassung auch bei den Stoikern einer besonderen Anerkennung erfreut zu haben; er berichtet nämlich a. a. O., dass sie ihnen als die beste 4 gegolten habe. Diese Nachricht ist entweder unrichtig oder ungenau ; denn als beste galt ihnen der vorhin näher geschilderte Weltstaat. Die Nachricht kann also nur entweder bedeuten, dass den älteren Stoikern die gemischte Verfassung als die beste der Wirklichkeit gegolten habe, weil sie sich am -- 98 -- und eindringlichere Bestätigung: Was die griechischen Philo- sophen in ihrer Spekulation sich ausmalten und Alexander der Grosse zum Teil zu verwirklichen im Begriff gewesen war, das- trat den Griechen im Römerreiche, mit dem sie in dieser Zeit zuerst in innigere Beziehung kamen, fast leibhaftig vor die Augen. In ungeahnter Weise bot sich ihnen hier der Anblick eines: mächtigen Reiches dar, das von keinen grösseren Anfängen als die griechischen Staaten ausgegangen fast mit mathematischer Stätig- keit gewachsen und bereits zum Weltstaate geworden war. Je grösser nun der Gegensatz zwischen der Macht dieses Reiches und ihrer eigenen politischen Ohnmacht war, um so eindringlicher musste diese neue Welt auf empfängliche Gemüter wirken und unwillkürlich das Denken zu einer Erklärung dieser Thatsache herausfordern. Bei diesem Vergleiche trat nun zu offen die Zer- rissenheit im griechischen Staatsleben und die stets gleiche Cen- tralisation im römischen Reiche hervor. Kein Wunder also, wenn der Grund für die Grösse Roms in der Verfassung erkannt wurde. Dass aber solche Erwägungen in dem vornehmen Kreise des jüngeren Seipio gepflogen wurden, und dass Panätius und Scipio gerade diejenigen waren, welche diese Frage nach dem Werte der Verfassung und dem besten Staate eingehend erörterten, wird von Cicero ausdrücklich berichtet (vgl. S. 71). Die jüngere po- litische Theorie und der Kreis des Scipio sind es also offenbar gewesen, die dem Panätius hier die Ergänzung zu der Kritik des Carneades an die Hand gegeben haben. Doch ganz hat auch der Einfluss Platos nicht aufgehört; denn in der Darstellung des lei- tenden Staatsmannes in diesem Idealstaate finden wir Grundsätze, die Panätius mit Bewusstsein von ihm entlehnt hat (vgl. S. 34). Dieselben Einflüsse, die wir bis jetzt als wirkend erkannt haben, treten uns schliesslich noch einmal mit voller Klarheit entgegen. Die Unvereinbarkeit der Sklaverei, die auch die Stoiker nicht schlechthin aufgehoben hatten!), mit der stoischen Rechts- auffassung richtete Carneades gegen sie als Beweis für den Widerspruch ihrer Theorie mit sich selbst und mit dem Rechte der Wirklichkeit. Dieser Widerspruch war zu offen und darum meisten dem Idealstaate nähere, oder sich nur auf Panätius und seine An- hänger beziehen, was viel wahrscheinlicher ist. ') Ein bekanntes Paradoxon lehrt, der Weise allein sei wahrhaft frei, auch wenn er ein Sklave sei. j & ἦν Φ Ἁ ‚auch die Berichtigung desselben notwendig. Diese liegt uns bei Panätius und Posidonius klar vor. Sie heben zwar die Sklaverei selbst nicht auf, aber sie beschränken sie wesentlich. Diese Be- schränkung nun auf Ruchlose und Unselbständige sowohl wie namentlich der zugefügte Grund, dass es solchen Menschen besser sei, unfrei als frei zu sein, ist von ihnen der Aristotelischen Po- litik entlehnt!). Hekaton dagegen, der ja einer anderen Auffas- sungsweise huldigte, blieb bei der gewöhnlichen Anschauung stehen, die in dem Sklaven nicht den Menschen, sondern nur ‚das Besitztum sah (vgl. S. 295). - - Wir haben den Streit der philosophischen Meinungen und ihren Einfluss auf die Gestaltung der Lehre der Vertreter der mittleren Stoa und namentlich des Panätius und Posidonius soweit wie möglich im Vorstehenden darzuthun gesucht. Positiv beein- flusst sind sie namentlich von Plato und Aristoteles und mehr, als wir jetzt direkt nachzuweisen imstande sind, werden treflende Stellen aus beiden bei ihnen angeführt gewesen sein. Neben diesen grossen Philosophen aber haben auch die übrigen mehr oder weniger Zustimmung und deswegen auch häufig Erwäh- nung bei ihnen gefunden, worüber wir noch im folgenden Ka- pitel zu sprechen haben. Kap. 5. Geschichte der Philosophie. Die bisherige Untersuchung hat dargethan, dass die Philo- sophie der mittleren Stoa in ihrem ganzen Bestande durch die Kritik des Carneades einerseits und andererseits durch das von ihr veranlasste Zurückgehen auf die älteren Systeme bedingt ist. Mit diesem Ergebnisse stimmen die Nachrichten vollkommen, welche uns aus dem Altertum erhalten sind. Was zunächst Panätius betrifft, so berichtet Philodem’®) ausdrücklich, dass er ein grosser 1) Vgl. Cie. de rep. III 24,36 — 25,37 und Athen. VI p. 263C mit Aristot, Pol. I 5, 1254 a, 34—6, 1255 b, 3. BR ee 2) Index Hereul. col. 61... #lei χ[ατ᾽ ἄ)λλαϊς ödo es) Hr γὰρ ἰσχυρῶς φιλοπλάτων χαὶ φιλοαριστοτέλης, alle] (χ)αὶ παρί[ενέδηωκε τ(ὦ)ν Ζηνωνιείω,» τι dıle τὴ]ν ᾿Αχαδημίαν zei [τὸν Ππερἠ(π)γατον zr). --, 380 -- Verehrer des Aristoteles und Plato gewesen sei, und dass er von der bisherigen Lehre der Schule manches wegen Carneades und der peripatetischen Philosophie aufgegeben habe. Hierin liegt für uns deutlich der Hinweis darauf, dass er durch Carneades. bewogen wurde, eine Schwenkung von der Lehre der eigenen Schule zu der des Aristoteles und Plato zu machen. Ergänzt. wird diese Nachricht durch Cicero!), welcher mitteilt, Panätius- habe ausser Plato und Aristoteles auch Xenocrates, Theophrast. und Dicaearch fortwährend im Munde geführt. Doch auch diese Angabe ist noch nicht vollständig; denn aus anderweitigen Berichten können wir die Zahl der von ihm verehrten Philo- sophen noch vermehren. Zu diesen gehörte zunächst Crantor, dessen Schrift περὶ πένϑους seine begeisterte Anerkennung fand’). Auch von Demetrius von Phaleron scheint er mehrfache An-- regung erhalten zu haben und ebenso von Heraclides Ponticus?). Dass er jedoch nicht bloss bei den späteren Philosophen stehen blieb, sondern auch auf die vorsokratischen Weisen zurück-- ging, zeigt sich darin ganz klar, dass er, abweichend von der in seiner Schule allgemein herrschenden Anschauung‘ über die Natur der Kometen, mit Zeno zu der des Demokrit und Anaxagoras zurückkehrte. Mit sichtlicher Bewunderung‘ und Zustimmung führte er von dem letzteren auch den Aus- spruch an, mit dem dieser die Todesbotschaft seines Sohnes: empfing): ἤδειν ὅτι ϑνητὸν ἐγέννησα. Was nun seine Philosophie- als solche beweist, das lässt uns auch dieses Verhalten gegen die: verschiedensten Philosophen erschliessen: Nach seiner Meinung mussten die genannten Systeme in den hauptsächlichsten Punkten. sich nicht gegenseitig ausschliessen, sondern eins sein. Die gleiche Stellung und das gleiche Verhalten zu den Syste-- men der früheren Philosophen finden wir und zwar noch in gesteigertem Malse bei Posidonius. Dieser ging hierin zuweilen: soweit, dass seine eigene Beweisführung fast nur eine Zusammen-- 1) De iin. ΤῊ 28: τὸ: 2) Cic. acad. pr. II 44, 135. °) Vgl. S. 231ff. und ferner Diog. IX 20; Cie. de leg. III 6, 14; de div.. II 46,96 siehe ebds. 47,97; viel zu gross aber schätzt v. Scala, Stud. des. Polyb. I S. 184ff. den Einfluss des Demetrius; für seine Annahme hat er keinen haltbaren Grund; vgl. S. 321 Anm. 2. *) Plutarch. de coh. ira e. 16, 463 D.; de trang. an. c. 16, 414 Ὁ. — 331 — stellung der diesbezüglichen Beweise früherer Philosophen war, wie die übereinstimmende Darstellung der Theologie bei Sextus und Cicero aufs unwiderleglichste darthut. Er teilt daselbst (vgl. S. 103) die Philosophen einfach in solche, welche das Dasein der Götter anerkennen, und in solche, welche es direkt oder indirekt leugnen, und bringt alle Beweise der ersteren und die Widerlegung der letzteren. Das gleiche Verfahren hat er offenbar auch bei der Behandlung der Lehre von der Unsterblichkeit eingeschlagen (vgl. S..145). Dieses Verfahren wäre gar nicht möglich gewesen, wenn es nicht von dem Gedanken getragen gewesen wäre, dass die so zu sagen positiven Philosophen im Grunde übereinstimmten. Er ging darin aber noch weiter und suchte überhaupt die Ver- schiedenheit unter den Vertretern der letzteren Klasse möglichst hinwegzudeuten. Dass dieses nur möglich war auf Kosten einer Erklärungsweise, die Stoisches in die anderen Systeme und deren Anschauungen in die Stoa hineintrug, liegt auf der Hand und zeigt sich namentlich in seiner Auffassung der Platonischen und Aristotelischen Philosophie. Für die Ideenlehre Platos werden wir dies später nachweisen. In der Psychologie wollte er ebenfalls mit ihm übereinstimmen und nahm augenscheinlich Lehren von ihm in sein System herüber, ohne zu berücksichtigen, dass Plato die Seele für immateriell, er als Stoiker für materiell hielt'). Wie er daneben auch die Ansicht des Aristoteles benutzte und interpre- tierte, haben wir in demVorhergehenden zu sehen Gelegenheit genug gehabt?). Auch den Grundsatz der stoischen Ethik, das ὁμολογουμέ- vos ζῆν, schrieb er offen dem Plato zu?). Dieser stoischen Auf- - fassung des Platonismus entspricht seine Platonische des Stoizis- mus. Die wahre stoische Philosophie, die er natürlich zu ver- treten glaubte, fand er nicht bei Chrysipp, sondern bei dessen Vorgängern und namentlich bei Cleanthes. Bei diesem traf er zunächst die unbedingte Anerkennung der persönlichen Unsterb- lichkeit, die Chrysipp zum Teil aufgehoben hatte. Ebenso traf er bei ihm, oder konnte sie wenigstens treffen, die Unterschei- dung eines doppelten Vermögens der menschlichen Seele, des ') Nach den bisherigen Ausführungen ist es überflüssig, dies noch ein- mal zu beweisen; vgl. bes. seine Lehre von der Präexistenz der Seele und dem Aufenthalte derselben nach dem Tode im Jenseits 5. 248 ἢ. 2) Vgl. 5. 336; 257 ff. und besonders S. 258 A. 3. 5) Galen a. a. Ο. V 449,9 ff. -- 882 — λογισμός und ϑυμός, und damit den Widerstreit beider in der menschlichen Natur‘). Auch die Annahme der Präexistenz der . Seele konnte er ihm zuschreiben?). Dieselbe Lehre legte er zum Teil wenigstens auch Zeno bei, trotzdem dessen Lehre offen widersprach, wie bereits Galen bemerkt’). Dass er auch die übrigen Vertreter der Platonischen und peripatetischen Philosophie- und auch die vorsokratischen Philosophen zu Rate zog, ist eben- falls eine unbestreitbare und bereits in dem Vorhergehenden zum Teil mitbegründete Thatsache®). Von besonderer Wichtigkeit ist hier seine Stellung zu Pythagoras. Er glaubt, dass dieser seine Theorie zwar niedergeschrieben, dass sich aber keines seiner Werke erhalten habe. Deshalb erschliesst er die Lehre desselben aus den Schriften einiger seiner Schüler. Von diesen ist ihm offenbar Plato der wichtigste gewesen. Dieser reiste, so führt er aus, nach Italien zu den Pythagoreern, um von ihnen die Lehre ihres Meisters kennen zu lernen. Er stimmte mit ihm in allen Anschauungen überein und fügte für dieselben nur die Begrün- dung hinzu, um die sich jener nicht bekümmert hatte. Ist nun die Lehre Platos einerseits nur eine genauere Ausführung der Pythagoreischen und andererseits die stoische ihrem Wesen nach der Platonischen gleich, so muss sich natürlich auch die stoische Philosophie vielfach mit der des Pythagoras decken. Von hier- aus begreift man die Vorliebe und das Bestreben des Posidonius mit Pythagoras übereinstimmen zu wollen’). | Wie ist nun diese Auffassungsweise entstanden? Bereits Plato und noch in viel höherem Grade Aristoteles betrachteten die Lehren ihrer Vorgänger überwiegend vom sachlichen Standpunkte aus und legten deswegen auch an sie gewöhnlich den Mafsstab ihrer eigenen Grundbegriffe, um sie zu widerlegen. Diese Me- thode wurde allgemein. Polemisch war auch die Schrift Epikurs !) Diog. VII 157; Galen a. a. O. V p. 456, 2ff. ?) Vgl. Hirzel, Unters. IIa S. 147 ff., dessen Auffassung der Philosophie des Cleanthes durch die des Posidonius stark beeinflusst ist. ?) aa. OVp. 456,3; 458; 2% *) Er verhält sich nur gegen die Atheisten (vgl. S. 98ff.) ablehnend; sonst treffen wir bei ihm fast alle Philosophen und Forscher; vgl. bes. S. 21ff.; 133 ff.; 140ff.; 288 Β΄. 323. Für seine naturwissenschaftlichen Studien gilt selbstverständlich das Gleiche. δ) Galen a. a. Ὁ. IV p. 401, 11 6 V p. 459, 2#.; Cie. Tuse. I 17,38; vgl. S. 143 und 5. 288 Anm. 1. I: ξεν _ über die Philosophenschulen, und Timon verspottete alle grie- ehischen Philosophen ausser Xenophanes und Pyrrhon als Schwätzer. Im Anschluss an Timon und Pyrrhon nahmen auch die Vertreter der mittleren Akademie dieses Verfahren auf und suchten durch den Widerspruch aller Philosophen mit einander die Verkehrtheit der Lehren derselben und die Richtigkeit ihrer _ eigenen Anschauung zu erweisen. Carneades begnüzte sich nun nicht bloss damit, in der Lehre vom höchsten Gut, also in der wichtigsten Frage der Ethik, die vorhandenen, sondern auch die - überhaupt möglichen Standpunkte aufzufinden, um alsbald daraus den Schluss zu ziehen, dass sich eine Gewissheit nicht erreichen lasse!). Auch diese Darlegung, die gewiss mit dem gleichen Scharf- sinne durchgeführt war, wie die, welche wir vorher kennen gelernt haben, hat sicher auf die Stoa einen bestimmenden Einfluss gehabt; denn die unmittelbare Wirkung derselben finden wir schon bei Antipater: Carneades setzte in der erwähnten Zusammenstellung ᾿ς die Ansicht Platos und der älteren Akademie vom höchsten Gute derjenigen gegenüber, die die Stoiker vertraten, indem er mit gutem Grunde die Ansicht Platos wegen seiner Verteidigung der _ _Metriopathie mit der des Aristoteles zusammenstellte. Ihm ent- gegnete auf diese Darlegung Antipater mit der Schrift: ὅτε κατὰ 5 Πλάτωνα μόνον τὸ καλὸν ἀγαϑόν. Gleichzeitig sah sich derselbe ge- { fochten wurde. Panätius ging nun bei allen wesentlichen Fragen " über seinen Lehrer hinaus, indem er den Einwänden des Car- ᾿ neades und Clitomachus volle Rechung trug. Eine Folge hiervon war es auch, dass er die Ethik und überhaupt alle Tugend auf den allen Menschen gemeinsamen λόγος stützte, während er in dem individuellen λόγος den Grund für die Verschiedenheit der Auf- fassungen der Menschen fand. Ihm schloss sich hierin Posidonius an, wie wir (5. 258 Anm. 3) gesehen haben. Sollte nun dieses Prineip, ‚das in der Philosophie des Panätius so wirksam gewesen und von ihm offenbar gegen die Angriffe der Skeptiker aufgestellt Ε΄ 2) Cie. acad. pr. II 42, 129 ff.; de fin. Υ 6,108. 3) Vgl. z. B. Plut. stoie. rep. p. 1038E; 1039D; 1040 A, Ὁ: 1041B u. ὅ. — 3354 — worden ist, nicht auch seine Auffassung der Geschichte der Phi- losophie beeinflusst haben, zumal auch die Gegner ihr Prineip auf dieselbe ausdehnten? Das ist einfach unglaublich. Was aber dieses Princip bedeutet, ist klar: Wenn alle Tugend und alles Wissen ihren Grund in dem allen Menschen gemeinsamen λόγος haben, so müssen alle Menschen und natürlich auch alle Philo- sophen in den Grundanschauungen übereinstimmen!). Diese Auf- fassung und Darstellung der Geschichte der Philosophie ist also nicht, wie gewöhnlich geglaubt wird, die Folge der Ermattung des philosophischen Geistes in Griechenland, sondern unter den schwersten Kämpfen des Skeptizismus und Dogmalismus aus der richtigen Erkenntnis hervorgegangen, dass der Subjektivismus, auf den der Skeptizismus von jeher sich gründete, gegen die Natur des menschlichen Geistes ist, dessen Denken als solches vielmehr Allgemeingültigkeit in sich schliesst. B. Zur Folgezeit, Wenn wir uns jetzt dazu wenden, den Einfluss darzulegen, welchen die Philosophie der mittleren Stoa gehabt hat, so kann es sich natürlich nicht darum handeln, ihn im einzelnen genau zu verfolgen, sondern nur darum, im allgemeinen die Richtungen ihrer Wirkung zu kennzeichnen. Diese Wirkung ist teils eine allge- meine und gemeinsame, teils auch eine besondere und verschiedene gewesen. Die letztere können wir nur bei den beiden Hauptver- tretern Panätius und Posidonius genauer erkennen; sie entspricht naturgemäss dem Charakter ihrer Systeme. Kap: 1: Die Skepsis. Die voraufgehenden Untersuchungen haben gezeigt, in welcher Weise und in welchem Umfange Panätius und seine Anhänger der zersetzenden Kritik des CGarneades gefolgt und begegnet sind: Sie mussten. ihr nachgeben und haben es gethan. Aber die 1) Posid. b. Diog. VII 129 weist daher die διαφωνία der Philosophen als gleichgültig zurück. Einen anderen Beweis hierfür werden wir noch im fol- genden Kapitel bringen. -- 8858 — Änderungen, welche sie infolge dessen mit dem bisherigen System der Stoa vornahmen, waren nicht bloss für die Stoa selbst, sondern auch für die Skepsis von der grössten Bedeutung: denn eben weil sie der skeptischen Kritik gemäss vorgenommen waren, mussten sie ihr auch überall die Spitze abbrechen. Dass es dabej die Stoiker natürlich auch nicht an der nötigen Polemik gegen die Gegner fehlen liessen, liegt in der Natur der Sache und ist auch zum Teil schon vorhin gezeigt worden. Die notwendige Folge davon war, dass auch die Skepsis eine Stockung erfahren musste; denn einmal war ihr ein grosses Gebiet für ihre Ein- _ wände in den einzelnen Teilen der Philosophie genommen und zum andern konnte auch die Klärung in der Erkenntnistheorie und die durch sie bedingte Polemik nicht ohne Folgen bleiben. _ Wir haben dieses näher zu begründen. | Dem Clitomachus, der bald nach Panätius starb), folgte auf dem Lehrstuhle der Akademie Philo von Larissa. Zu seinen ältesten Schülern gehörte Antiochus von Askalon, der anfangs _ vollständig mit seinem Lehrer übereinstimmte, später jedoch mit ihm in eine Meinungsverschiedenheit geriet, die schliesslich in eine offene Fehde ausbrach. Als Philo den Lehrstuhl der Akademie bestieg, vertrat er den Standpunkt des Clitomachus voll und ganz und bekämpfte die Stoiker ebenso eifrig wie jener?). Diesem Standpunkte blieb er auch im allgemeinen treu, bis er in schon vorgerückten Jahren den Einwänden seiner Gegner, zu denen auch Antiochus gehörte, in gewissem Grade nachgab und mit einer entschiedenen An- derung der Skepsis hervortrat, freilich ohne die Meinung und die Absicht, eine Änderung der skeptischen Auffassung zu liefern. Zeller hält nun zwar dafür?), dass Philo bereits früher und, soweit ihn natürlich nicht die allgemeine Stimmung beeinflusste, im wesentlichen selbständig den strengen Standpunkt des Zweifels wenigstens auf dem Gebiete der praktischen Philosophie aufge- geben habe; doch sind seine Gründe nicht stichhaltig genug und die Nachrichten, welche wir sonst besitzen, sprechen vielmehr gegen als für ihn. Zeller skizziert den Inhalt des λόγος zara vr ᾿λοσοφίαν, in dem Philo bekanntlich den Philosophen dem Arzte “ἢ Zeller, Philos. ἃ. Gr. ΠΙᾺ 5. 523,1. 2) Numen. b. Euseb. praep. ev. XIV 9 3) Philos. d. Gr. ΠΙΔ S. 591°. Schmekel, mittlere Stoa. 1: Cie. acad. pr. II 4ff. 25 -- 556 -- verglich und diesem Gleichnis entsprechend die Teile seiner Dar- stellung ordnete, und fährt dann fort: „Wo das Interesse für systematische Lehrbildung, wenn auch zunächst nur auf dem Gebiete der praktischen Philosophie, so stark war, da musste not- wendig auch der Glaube an die Möglichkeit des wissenschaft- lichen Erkennens verstärkt, die Neigung zur Skepsis geschwächt werden, und so sehen wir denn auch wirklich, dass Philo von dem Standpunkte, welcher die Möglichkeit des Wissens einfach bestritten hatte, zurücktrat.“ Dies sucht er in einer Anmer- kung noch genauer auszuführen: „Wenn wir doch (aus Stob. a. a. O.) wissen, dass Philo die letzten Zwecke der Philosophie in die Glückseligkeit setzte, dass er diese durch richtige sittliche Ansichten (ὑγιῶς ἔχουσαι δόξαι, ϑεωρήματα ἐπὶ βίου), ja durch ein ganzes Lehrgebäude solcher Ansichten bedingt glaubte und einen von den sechs Abschnitten der Ethik ausdrücklich der Beseitigung falscher und der Mitteilung richtiger Meinungen gewidmet wissen wollte, so lässt sich doch die Folgerung gar nicht ablehnen, dass er richtige Ansichten auch für möglich halten musste und... wenigstens für das praktische Gebiet den Standpunkt des reinen Zweifels nicht festhalten und sich mit einer blossen Wahrschein- lichkeit begnügen konnte, und der Augenschein zeigt ja auch, dass er dieses nicht gethan hat.“ Die Unterscheidung von per- ceptio und perspieuitas, auf welche Zeller beidemal am Schlusse hinweist, wird mit Unrecht herangezogen; denn diese ist erst eine Reaktion der späteren Zeit auf die Einwände des Antiochus und der weiteren Gegner, wie wir sehen werden. Wie nun aber die Worte Zellers beweisen, hat diese Unterscheidung jedenfalls auf seine Ansicht nicht unbedeutenden Einfluss gehabt; fällt also dieser Grund, so bleibt zur Begründung derselben nur das übrig, was er dem Charakter der genannten Schrift Philos entnimmt. Was er aber hier sagt, verträgt sich sehr wohl mit dem skep- tischen Standpunkte des Carneades und Glitomachus; denn auch diese hatten als Ziel der Philosophie die Glückseligkeit im Auge, disputierten durchaus systematisch, wie wir aus Cicero (acad. pr. II 13, 40ff.) erkennen, wo Antiochus sie in dieser Hinsicht den Stoikern vergleicht, und glaubten ebenfalls, ja noch mit srösserem Rechte als ihre Gegner, richtige Ansichten, nur nicht die Wahrheit im absoluten Sinne zu besitzen.!) Da wir nun über den ') Cie. acad. pr. I 31,99 ex. Selbst Sextus betont dies noch häufig. -- 851 — Inhalt der genannten Schrift Philos nichts weiter wissen, können wir auch aus den vorhandenen Angaben nicht schliessen, dass Philo hier den alten Standpunkt aufgegeben habe'), Dagegen sprechen nun andererseits die weiteren Berichte. Zunächst giebt Cicero an, dass Antiochus länger als irgend ein anderer bei Philo, das gehört und geglaubt hat, was er später angriff, und dass ‚Philo, so langte er lebte, auch den akademischen Standpunkt | verteidigte?). ‚Liegt hierin zunächst nur ausgesprochen, dass Philo eine Anderung der skeptischen Auffassung mit Absicht nicht hat vertreten wollen, so dürfen wir doch auch schon hierans schliessen, dass er vor seinen späteren Jahren keine namhaft Anderung seiner Auffassung von selbst vorgenommen hat, Nach- dem Cicero ferner berichtet hat, dass Philo als Schüler des Cli- tomachus die akademische Skepsis zu verteidigen sich stets an- 2 gelegen sein liess, fährt er fort ($ 18): Philo autem, dum nova quaedam commovet, quod ea sustinere vix poterat, quae contra _ Academicorum pertinaciam dicebantur, et aperte mentitur, ut est reprehensus a patre Catulo et, ut docuit Antiochus, in id ipsum se induit, quod timebat. Aus dieser Angabe geht mit Sicherheit hervor, dass Philo eine irgend wie bedeutende Abweichung von dem Standpunkte der Skepsis vor der Änderung, die in den an- - geführten Worten angedeutet wird, nicht vorgenommen hat. Zwei Vorwürfe machte ihm nun Antiochus auf die letztere, wie "wir hören: Er lüge und widerspreche sich. Der zweite wird von Cicero in den unmittelbar folgenden Worten angegeben: Philo bestritt das Wahrheitskriterium der Stoa, indem er bei dem skeptischen Satze stehen blieb, es gebe keine Vorstellung, die nicht zugleich wahr und falsch sein könnte; behauptete aber gleichwohl, dass cine gewisse Art der Erkenntnis möglich sei. Er lehrte nämlich, dass es eine absolute Erkenntnis (zeraimyng 1) Auch C. F. Hermann hat bereits diesen Schluss Zellers abgelehnt; vgl. Zeller ἃ. ἃ. O. IIIa S. 591,2. Treffend handelt hierüber auch Hirzel, Unters. III S. 227 £., doch ist sein Versuch haltlos Philo von vorn herein ein System stoisch gefärbter Geheimlehren zuzuweisen. Abgesehen von den Gründen im Texte berücksichtigt er nicht, dass der Bericht des Anesidem b. Phot. eod. 212 die erst durch Antiochus bedingte Lehre Philos betrifft, wie die Übereinstimmung desselben mit der Kritik des Antiochus zeigt, vgl. Hirzel S. 234. Auch bezieht sich der Bericht b. Phot. a. a. U. wohl nur zum Theil auf Philo; s. Natorp, Forsch. S. 303. 2) Cie. acad. pr. II 6, 17. 25* -- 8885 -- — perceptio) des Wahren und Falschen zwar nicht gebe, dass aber zwischen der Ungewissheit und Gewissheit eine Mittelstufe, die Augenscheinlichkeit (ἐνάργεια) liege; diese Augenscheinlichkeit also, die sich dem Geiste gewissermassen einpräge, sei das Kri- terium!). Antiochus wies ihm nun nach, dass er durch seine Behauptung, jede Vorstellung könne sowohl wahr als falsch sein, das Kriterium der Wahrheit schlechthin aufhebe und demnach nicht von irgend einer Erkenntnis der Wahrheit reden könne?). Der zweite Einwand des Antiochus gegen Philo in den oben angeführten Worten Ciceros zeiht ihn einer offenen Lüge. Ge- gen den Angriff des Antiochus, die neuere Akademie seit Arce- silaus sei von der alten Akademie abgefallen, behauptete Philo, dass es nur eine Akademie gebe, dass die neuere Akademie das Gleiche lehre wie die alte, und dass er selbst mit seiner vorhin besprochenen Lehre nur die des Carneades und Clitomachus, also auch die Platos und Sokrates’ vertrete?). Der Beweis hier- für konnte nur erschlichen werden und diese Erschleichung be- zeichnete Antiochus eben mit dem obigen Vorwurfe der Lüge. Die obige Veränderung der Erkenntnistheorie wie auch die eben erwähnte Auffassung der akademischen Philosophie hatte Philo in einem Werke niedergelegt, das er in Rom verfasst hatte. Als Antiochus dasselbe in Alexandria gelesen hatte, leugnete er, dass Philo oder ein anderer Akademiker jemals’ zuvor das glehrt hätten, was in dem Buche stand, und fand darin volle Bestäti- gung bei einem anderen alten Schüler Philos, Heraclit von Tyrus. Philo kam nun nach Rom beim Ausbruche des Mithri- datischen Krieges und hat jedenfalls nicht mehr viele Jahre nach- her gelebt*). Andererseits ist die obige Veränderung der Er- kenntnistheorie der Grund, weswegen er als Stifter der werten ') Cie. a. a. Οἱ 8 34, 8 45 u. ö. Sext. Pyrrh. hyp. I 235. Numen. b. Euseb. pr. ev. XIV 9, 1ff. 5) Cie. a. a. 0. $ 34; 44; 111; vgl.auch $ 18. 8 34 scheidet Cie. durch die Worte: simili in errore versantur etsq. offenbar die nachfolgenden Philosophen (Philo) von den vorgehenden (Carneades) und zeigt, dass von ersterem dasselbe gelte wie von dem letzteren. Vollständig übersehen hat dies Hirzel a. a. Ὁ. ΠῚ S. 212 ff. Ebenso rüttelt er ebds. u. S. 196 ff. ohne stichhaltige Gründe an der Überlieferung (vgl. die vor. Anm. und 5. 387 Anm. 1), ®) Cie. acad. post. I 4,13. Zeller a. a. O. Illa, S. 592. Mit Unrecht leugnet Hirzel a. a. Ὁ. S. 229, dass Philo (wie Arcesilaus) den Skeptizismus des Sokrates-Plato verteidigt hat; vgl. Cie. acad. post. [12.43 u. S. 61, Anm. 4. Ὁ Zeller a. a. Ὁ; S. 589 -- ὅ89 — Akademie bezeichnet wurde!). Folglich ist diese Schwenkunz Philos in der Skepsis thatsächlich erst in den letzten Jahren seines Lebens vor sich gegangen. Das Gleiche bestätigt auch der Bericht des Numenius. Auffallen muss, wie es auch ehedem auf- gefallen ist, dass Antiochus, der sonst ein so milder Charakter war, - so ungewöhnlich erregt wurde, als er das Buch seines Lehrers las, und gegen ihn mit solcher Heftigkeit auftrat. Dies führt uns auf die Gründe, durch welche Philo veranlasst wurde, von dem Boden des Zweifels zurückzutreten. Nach der Angabe des Nu- menius waren dies zwei, nämlich die ἐνάργεια τῶν παϑημάτων und die öuo4oyie. Die Bedeutung der letzteren ist uns sofort klar, wenn wir uns dessen erinnern, was Philo gegen die An- schauung des Antiochus über die Lehre der neueren Akademie vortrug: Zu dieser Leugnung der radikalen Skepsis der mittleren Akademie und damit zu seiner eigenen Abschwenkung von der- selben brachte ihn also das Streben, die Übereinstimmung (öuo- λογία) der mittleren Akademie mit Plato zu erweisen. Auch der erste Grund, den Numenius angiebt, die ἐνάργεια τῶν παϑημάτων ist nicht schwer zu verstehen. πάϑημα, das gleichbedeutend mit πάϑος ist, — 50 schon bei Aristoteles, — bezeichnet jede leidende Veränderung der Seele, und da wir uns, wie auch das Folgende lehren wird, in der Erkemntnistheorie befinden, so ist nur an die Vorstellung zu denken, die als Wir- kung der Wahrnehmung auf die Seele eben ein Leiden der Seele ist: Die ἐνάργεια τῶν παϑημάτων ist also die Augenscheinlichkeit _ der Vorstellungen. Dass diese Erklärung die richtige ist, zeigt | die Thatsache; denn als Philo von der strengen Skepsis abwich, | schob er, wie wir soeben gesehen haben, zwischen die Ungewiss- heit und die absolute Gewissheit der Erkenntnis die Augenscheinlich- keit (ἐνάργεια, perspicuitas) ein, und zwar deswegen, weil das ᾿ Augenscheinliche, wie Cicero seine Meinung wiedergiebt, gewisser- malsen dem Geiste eingedrückt sei (impressum menti), eine Be- stimmung, die offenbar auf das πάϑημα des Numenius hinweist. Die Augenscheinlichkeit der Vorstellung beruht somit nach Philo ᾿ς auf dem grösseren Grade der Klarheit, die sie in der Seele be- wirkt und besitzt, nicht etwa, wie Zeller sagt, in einem angebo- renen Wissen?). Diese Veränderung ist ebenso wie die vorige ) Sext. Emp. Pyrrh. hyp. 1 220; vgl. ebds. 235. 2) a. a. Ὁ. ΠΙ8 8. 595. Seine Vermutung ist auch sonst nicht zu --ὀ ὅ00 -- hauptsächlich durch Antiochus bedingt; denn nach Ciceros An- gabe hat gerade der Widerspruch, den Antiochus dem Philo ent- gegenhielt: die Skeptiker behaupteten, es gebe wahre und falsche Vorstellungen, und leugneten doch gleichzeitig, dass die wahren Vorstellungen von den falschen unterschieden werden könnten, den Philo am meisten verwirrt, also auch am meislen an der bisherigen Lehre irre gemacht!). Die beiden Bücher, in welchen Philo den Rückzug von der Skepsis antrat, waren demnach augenscheinlich gegen Antiochus gerichtet und suchten die von diesem seinem Lehrer mitgeteilten Überzeugungen und Einwände nicht nur zu widerlegen, sondern durch Umgehen auch auszu- nutzen. Denn indem er auf Grund des Einwandes, den An- tiochus erhob, die Skepsis in ihrem Wesen änderte und diese neue Auffassung als sein Eigentum hergab, nutzte er die Ge- danken und die Auffassung des Antiochus offen für sich. Sowohl dies wie auch der Umstand, dass die Schrift durchweg eine Polemik, und zwar wahrscheinlich ohne Namensnennung?), gegen ihn enthielt, war es also, was den Antiochus ganz begreiflicher Weise in so ausserordentliche Aufregung brachte und so ent- schieden Front machen liess. Das Aufhören der Skepsis in der Akademie ist also durch halten. Impressus nämlich, das Cicero gebraucht, ist doch nicht gleich innatus, sondern im Grunde das Gegenteil: impressus weist darauf hin, dass die Vor- stellung von aussen, innatus, dass sie von innen dem Geiste entsteht. Hätte Philo ferner von einem angeborenen Wissen gesprochen, so hätte er die erkenntnistheoretische Grundlage gänzlich verändert, und davon ist nichts bekannt. Ferner würde er auch die Widerlegung des Antiochus unmöglich gemacht haben; denn wie hätte Philo bei dieser Annahme die Möglichkeit dieser Erkenntnis schlechtweg bestreiten können, was er doch gethan hat, und nur die perspieuitas (ἐνάργεια), nicht aber die perceptio (χατάληνψις) zu- gestehen? Wie wäre er ferner Skeptiker geblieben, was er doch thatsächlich geblieben ist, denn Philone... vivo patroeinium Academiae non defuit? Wenn: Zeller schliesslich darauf hinweist, dass der Schüler Philos, Cicero, auf ein angeborenes Wissen so grossen Wert lege, so ist zu bedenken, dass Cicero sich zumeist von den Quellen bestimmen lässt und von einem angeborenen Wissen hauptsächlich dort spricht, wo er sicherlich nicht dem Philo gefolgt ist, wie wir später sehen werden. Vgl. auch Hirzel a. a. Ὁ. III S. 525 ff. Ste re OB ie °) Hätte Philo ihn in diesen beiden Büchern genannt, so hätte dem Antiochus wohl weniger Ärger und Zweifel darüber entstehen können, dass sie von Philo geschrieben seien. -- 391 — Antiochus bedingt und hervorgerufen. Nun ist aber Antiochus viele Jahre Schüler des Philo gewesen und hat während derselben den skeptischen Standpunkt festgehalten und ihn auch schriftlich verteidigt‘); wie ist also Antiochus zu der Änderung seiner Überzeugung gekommen? Die Beantwortung dieser Frage giebt - sein System: Die Gegner werfen ihm vor, dass er das stoische System in die Akademie hineingetragen habe?°), und dieser Vor- wurf wird durch die Thatsache vollständig bestätigt: Seine Er- kenntnistheorie ist stoisch; er selbst leugnet es so wenig, dass er seine Annahme derselben durch den Nachweis zu rechtfertigen sucht; die stoische Lehre sei von der Platonischen nicht ver- schieden.?) In Verbindung mit der eben erwähnten Thatsache, dass er ehedem die skeptische Auffassung schon schriftlich ver- teidigt hatte, beweist die Annahme der stoischen Philosophie un- widerleglich, dass er sich namentlich beim Beginne grösserer Selbständigkeit auch mit dieser eingehend beschäftigt hat. Augustin*) berichtet nun, dass er den Mnesarchus, den Nachfolger des Panätius, gehört habe; ob diese Nachricht auf direkter Über- lieferung in den verlorenen Büchern von Ciceros Academica be- ruht, oder aus der erhaltenen Stelle II 22,695) genommen ist, ist natürlich nicht zu entscheiden und auch für die gegenwärtige Frage belanglos, da es hier vollständig Nebensache ist, auf welche Weise ihm der Stoizismus vermittelt wurde. Sjcher hat er ihn sowohl mündlich wie schriftlich kennen zu lernen Gelegenheit genug gehabt. Wichtig aber ist die Frage, durch welche Phase der stoischen Philosophie er in so entscheidender Weise beein- flusst worden ist. Eine nähere Untersuchung seiner Lehre lässt hierüber keine Unklarheit bestehen. Zunächst suchte er bekanntlich nachzuweisen, dass die stoische und peripatetische Lehre mit der der alten Akademie Platos sich deckten und nur in den Worten sich unterschieden, dass demgemäss die skeptische Richtung der Akademie seit Ar- 2 Ara 1) Cie. a. a. Ὁ. 22, 69. a) ἢ 3) Cie. a. ἃ. Ὁ. Sext. Emp. Pyrrh. hyp. I 235; vgl. die folg. Anm. 4. 3) Vgl. die folg. Seite Anm. 1. Ὁ) Acad. III 18, 41 vgl. Numen. b. Euseb. pr. ev. XIV 9, 2. i 5) Eadem dieit quae stoici. paenituit illa sensisse? Cur non se transtulit ad alios et maxime ad stoicos?. - - quid? eum Mnesarchi paenitebat? quid Dardani? qui erant Athenis tum prineipes stoicorum. ge --, 892 -- cesilaus ein Abfall von der alten Akademie Platos sei!. Welcher Grund ihn zu dieser Überzeugung gebracht hat, geht klar aus den Worten hervor, die Cicero dem Kritiker derselben in den Mund legt (c. 22, 70): mihi autem videtur non potuisse sustinere con- cursum ommium philosophorum. etenim de ceteris sunt inter illos nonnulla communia: haec academicorum est una sententia, quam reliquorum philosophorum sententia nemo probet itaque cessit etsq. Also die Übereinstimmung aller Philosophen in einigen, ἃ. ἢ. selbstverständlich in den wichtigsten Fragen gegen die Skepsis, die auch der Skeptiker nicht wegzuleugnen vermochte, war zu- nächst der Grund des Antiochus zum Rücktritte von der Skepsis. Die Betonung dieser Übereinstimmung gegen die Skepsis ist na- türlich von einem Dogmatiker, nicht von einem Skeptiker aus- gegangen. Nun haben wir vorhin (5. 379ff.) gezeigt, dass offenbar Panätius in Fortsetzung der Lehre des Antipater gegen die Skep- tiker auf die notwendige Übereinstimmung aller Philosophen und überhaupt aller Menschen in den Grundanschauungen hingewiesen at. Demnach müssen wir schliessen, dass Antiochus bei Pa- nätius zumeist diese Anschauung kennen gelernt hat und somit durch Panätius zunächst an der Skepsis irre geworden ist?). Dies wird durch eine Reihe weiterer Thatsachen zur Gewissheit erhoben. Die jüngeren Stoiker wollten eine Vorstellung nur dann als unbedingt wahr.gelten lassen, wenn keine Instanz (&vormue) da- gegen spräche und erklärten dies nur dann für möglich, wenn ') Cie. acad. post. I 4, 13ff. de fin. V 3, 7ff. de leg. I 21, 54. . ἢ Unser früherer Beweis für den obigen Satz, dass Panätius auf diese Übereinstimmung hingewiesen hat, stützte sich auf verschiedene innere Gründe. Hier lässt sich nun noch, wie dort bereits angedeutet ist, auch ein äusserer Beweis dafür führen. Antiochus ist nicht der einzige Philosoph, welcher diese wesentliche Übereinstimmung aller Philosophen behauptet, sondern Posidonius vertritt, wie wir gesehen haben, ganz denselben Stand- punkt. Da nun beide schon aus chronologischen Gründen in diesem Punkte sicher nicht von einander abhängig sind, so muss eben Panätius schon auf jene Übereinstimmung hingewiesen haben, was ja auch aus seiner Lehre notwendig folgt. Ebenso beruft sich auch Lueilius, der von keinem der beiden, wohl aber von Panätius beeinflusst ist, wie wir später sehen werden, auf die Übereinstimmung aller Philosophen. Der Schluss ist also gewiss, dass Panätius gegen die Skepsis auf diese Übereinstimmung aller Philosophen hingewiesen hat. Deshalb lehrte auch Posidonius, dass man sich durch die διαφωνία der Philosophen nicht von der Philosophie abschrecken lassen dürfe, Diog. VII 129. -- 898 -- die Sinneswerkzeuge gesund, der Gegenstand wahrnehmbar. der Ori passend, die Beobachtung zweckentsprechend und der Ver- stand normal sei. Dieselben Bestimmungen finden wir bei An- tiochus wieder‘). Nun haben wir gesehen (S. 355f.), dass unter diesen jüngeren Stoikern jedenfalls Panätius und seine Anhänger zu verstehen sind: Mit Recht also dürfen wir schliessen, dass - Antiochus in dieser Lehre dem Panätius gefolgt ist. In dem Berichte des Sextus über die Logik der jüngeren Stoiker finden wir zugleich mit der Übersicht über ihre Lehre und im engsten Anschluss an sie eine kurze Verteidigung der- - selben des Inhalts, dass es unmöglich sei die Vorstellung nicht als Kriterium gelten zu lassen und ihre Wahrheit zu verwerfen. - Diese kurze Verteidigung, die sich nur auf die Klarheit der Vor- - stellung stützt, schliesst unwillkürlich eine ebenso kurze Wider- legung der Skepsis in sich und zwar hält sie den Gegnern vor, sie gerieten in einen Widerspruch, wenn sie die Vorstellung als Kriterium der Wahrheit leugneten. Denn wenn sie dies für eine Vorstellung thäten, so könnten sie es nur auf Grund der Wahr- heit einer anderen Vorstellung thun. Damit bestätigten sie aber, dass die Vorstellung das Kriterium sei”). Eine weitere Aus- führung erfahren wir nicht; nur weist der Bericht in einem sich unmittelbar hieran anschliessenden Gleichnis auf die Unsinnig- _ keit hin, die Wahrheit der Vorstellung schlechthin in Zweifel zu - ziehen: Gleichwie derjenige thöricht sei, welcher die Verschieden- heit der Farben und Töne anerkenne, aber das Gesicht oder das - ‚Gehör als nicht vorhanden oder unglaubwürdig bezeichne, da doch durch diese jene erst aufgefasst würde, ebenso sei derjenige dem Wahnwitz nahe, welcher annehme, dass es Dinge gebe, aber die Vorstellung als unglaubwürdig verwerfe, da uns durch diese ja erst die Erkenntnis jener vermittelt werde. Wenden wir uns von © hier aus wiederum zu Ciceros Darstellung der Lehre des Antiochus, so hält auch er ihnen einen Widerspruch entgegen: Wenn sie lehrten, - 1) Cie. a. a. O. II 7,19: meo autem iudieio ita est marima in sensibus veritas, si et sani sunt ac valentes et omnia removentur, quäae obstant et = _ pediunt, itaque et /umen mutari saepe volumus et situs earum rerum, {τιν intuemur, et intervalla aut contrahimus aut didueimus, multaque Re us- que eo, dum aspectus ipse fidem faciat sui indieii. quod idem fit in Yen Ἂν in odore, in sapore etsq. Vgl. hierzu Sext. adv. log. I. 424 u. 5. 354 Ann. 2 2) Sext. a. a. O. I 259. — 3A -- dass eine Vorstellung wahrscheinlich, die andere unwahrschein- lich sein könne, so müssten sie auch als Kriterium den Begriff der Wahrheit anerkennen, an dem sie die Wahrscheinlichkeit messen könnten; wenn sie aber dieses Kriterium leugneten, so könnten sie auch keinen Unterschied in Bezug auf die Wahr- scheinlichkeit annehmen. Dann fährt, er zur Begründung mit einem Gleichnisse fort, das uns zu sehr an das vorhin erwähnte erinnert, als dass wir dies bei der folgenden Vergleichung nicht sofort merken sollten. Cic. $ 33. cum dicunt hoc se unum tollere, ut quicequam possit ita verum videri, ut non eodem modo falsum etiam possit videri, cetera autem concedere, faciunt pueriliter; quo enim omnia iu- dicantur sublato reliqua se ne- gant tollere, ut si quis quem oculis privaverit, dicat ea, quae cerni possent, se ei non ade- misse. ut enim illa oculis modo agnoscuntur, sic reliqua visis. Sext. adv. log I. 8 259. ὃν γὰρ τρόπον ὃ χρώ- uara μὲν ἀπολείπων χαὶ τὰς Ev τούτοις διαφοράς, τὴν δὲ ὅρασιν ἀναιρῶν ὡς ανύπαρχτον ἢ ἄπι- στον, καὶ φωνὰς μὲν εἶναι λέγων, ἀκοὴν δὲ μὴ ὑπάρχειν ἀξιῶν, σφόδρα ἐστὶν ἄτοπος (δι᾽ ὧν γὰρ ἐνοήσαμεν χρώματα χαὶ φωνὰς ἐχείνων ἀπόντων οὐδὲ χρῆσϑαι δυνατοὶ χρώμασιν ἢ φωναῖς), οὕτω καὶ τὰ πράγματα μὲν ὁμολογῶν, τὴν δὲ φαντασίαν τῆς αἰσϑήσεως, δι ᾿ἧς τῶν πραγμάτων ἀντιλαμ- βάνεται διαβάλλων τελέως ἐστὶ ἐμβρόντητος κτλ. Dass diese Übereinstimmung Zufall sei, wird bei den vorhin bereits angegebenen Berührungen zwischen Antiochus und den Jüngeren Stoikern niemand behaupten können; von neuem also bestätigt sie die Abhängigkeit des Antiochus von jenen. Ungleich grösser und wichtiger jedoch ist diese Übereinstimmung, weil sich zeigen lässt, dass auch der von Sextus erwähnte Wider- spruch, den die jüngeren Stoiker ihren Gegnern vorhielten, sich im wesentlichen mit dem deckt, den Cicero bespricht. Beide weisen nämlich dem Gegner die gleiche Diallele nach, und zwar Panätius an der Vorstellung, Antiochus an dem Begriffe der Wahrheit. Da wir nun dasselbe Beispiel bei Cicero zur Erläuterung dieses Widerspruchs lesen wie bei Sextus, so ist der Zusammenhang beider Stellen und damit die Abhängigkeit des Antiochus von -- 895 — Panätius klar. Gewiss liess sich auch der erkannte Widerspruch ‚leicht genauer und klarer ausführen und variieren. Der Wider- spruch, den Antiochus bei Cicero darlegt, ist nun darum so wich- tig, weil offenbar auch der weitere, den er 8 44 nachweist, mit diesem eng zusammenhängt, der letztere aber auf Philo den grössten Eindruck gemacht hat!). ee ee σ- Pr} SERIE !) Vgl. 8 44 mit 8 32ff. und mit $ 111; natürlich war die Entwickelung und Fassung des letzteren sein Verdienst, wie auch von Cicero ausdrücklich hervorgehoben wird. — Die Darstellung der Lehre des Antiochus zerfällt in zwei Teile: 1. positive Entwickelung e. 7, 19—12,39; 2. Widerlegung der Gegner ce. 13,40—18,60. Diese Ordnung entspricht genau der der zweiten Hälfte des Ciceronischen Buches, der Darstellung der Lehre des Philo-Car- neades. In der positiven Lehre des Antiochus findet sich nun eine Stelle, die den Zusammenhang in einer eigentümlichen Weise durchbrieht, e. 10,32 bis 11,36. Diese Darstellung soll sich eigentlich gegen Philo richten ($ 18), so dass Carneades nur in zweiter Linie in Betracht kommt; die angeführte Stelle aber beginnt mit einer neuen Einleitung, als ob wir über den Stand des schwebenden Problems noch nichts gehört hätten, obwohl die Abhandlung bereits 8 19 begonnen hat, und richtet sich direkt gegen Oarneades, Ferner hat Cieero vorher den Fortschritt der Erkenntnis bis zur zerdinyas geführt und diese behandelt; die unmittelbare Fortsetzung hierzu liefert er nach dem genannten Abschnitte $ 37 mit der Besprechung der συγχατάϑεσις. Cicero selbst knüpft diese an die Abhandlung vor dem genannten Abschnitt an: nunec de adsensione atque approbatione .. pauca dicemus, non quo non latus locus sit, sed paulo ante iacta sunt Jundamenta. Die Richtigkeit dieser Auf- fassung beweisen auch die unmittelbar folgenden Worte: nam cum vim, quae esset in sensibus, explicabamus, simul illud apperiebatur, comprehendi multa et percipi sensibus, quod fieri sine adsensione non potest. Diese Worte geben unzweideutig den Zusammenhang an: die $$ 19—31 handeln über den Verlauf des Erkenntnisaktes von der sinnlichen Wahrnehmung bis zu dem pereipi sensibus; $ 37 ff. aber, wie Cicero selbst anzeigt, über die adsensio, In diesem Zusammenhange kann sich also das ‘paulo ante’ $ 37 nur auf die Abhandlung bis 8 31 beziehen. Dieser Abschnitt ist nun aber nieht ein Zusatz Ciceros, da in der nachfolgenden Abhandlung auf ihn Rücksicht ge- nommen wird und namentlich der Schluss $ 44 die Konsequenz und Zu- sammenfassung dessen ist, was in diesem Abschnitte genauer ausgeführt wird. Da nun auch der Abschnitt an der richtigen Stelle steht (s. 5.388 Anm. 2), werden wir schliessen müssen, dass Cicero bei der Komposition weniger sorgfältig vorgegangen ist, indem er einen Abschnitt, den Antiochus zu seiner Darstellung hinzugenommen hatte, ohne weiteres mit der vorhergehenden Darstellung verband und dadurch die Unklarheiten erzeugte, die wir vorhin nachgewiesen haben. Dieser Abschnitt ist es nun, welcher sich so ausser- ordentlich mit demjenigen berührt, in dem Sextus die Lehre der jüngeren euere u Kuss Ξ 800 — Antiochus lehrt ferner, dass die Keime aller Tugend als An- lage im menschlichen Geiste liegen, und stützt somit die Tugend in letzter Instanz auf die Entwickelung dieser dem Geiste eigenen, angeborenen Anlage!). In dieser Auffassung folgt er klar dem Panätius, der, um den Einwänden des Carneades zu entgehen, im Rückgange auf Plato und Aristoteles, lehrte, dass alles sittlich Gute seine letzte Quelle in der allen Menschen von der Natur verliehenen gemeinsamen Vernunft oder in der Vernunft als solcher habe, und dass darum alle Abweichung von der Tugend durch äussere Einflüsse auf die übrigen Vermögen der Seele ent- stände (5. S 209f.). Denn wenn alle Tugend in letzter Beziehung auf der Natur der Vernunft als solcher beruht und diese allen in gleicher Weise angeboren ist, so ist auch mit ihr in gewisser Weise allen Menschen die Anlage zur Tugend angeboren.°) Diese letzte Frage führt uns zur Psychologie des Antiochus. Das gesamte seelische Vermögen besteht nach ihm aus drei Teilen, dem pflanzlichen, tierischen und dem speciell mensch- lichen. Das pflanzliche Leben ist die einfachste Art des Lebens und äussert sich nur im Vegetieren. Treten zu diesem die Sinne hinzu, so sind damit auch zugleich die Triebe und die freie Be- wegung gegeben. Dies ist die speziell seelische Kraft des Tieres. Das speziell menschliche Vermögen ist die Vernunft. Alle drei Vermögen zusammen machen die seelische Gesamtkraft des Menschen aus: Jede höhere Gattung der Lebewesen setzt also auch allemal die niedere voraus’). Diese drei Teile aber redu- Stoiker auseinandersetzt: Mit voller Klarheit also ergiebt sich auch hieraus, was wir oben bereits gezeigt haben, dass Antiochus sich an die Lehre der jüngeren Stoiker angeschlossen hat. Dass unter diesen Panätius und seine Schüler zu verstehen sind, haben wir früher nachgewiesen. ') Cie. de fin. V 21, 59: quod autem in homine praestantissimum atque optimum est, id deseruit (sc. natura): etsi dedit talem mentem, quae omnem virtutem aceipere posset ingenuitque sine doctrina notitias parvas rerum mazimarum et quasi instituit docere et induxit in ea, quae inerant, tam- quam elementa virtutis, sed virtutem ipsam incohavit, nihil amplius etsq. 5) Viel klarer tritt uns diese Auffassung in der Psychologie des Posi- donius entgegen; vgl. S. 262f. 268. Da also Posidonius und Antiochus hierin übereinstimmen, so ist dies ein neuer Beweis dafür, dass diese durch den veränderten Standpunkt der Psychologie bedingte Umbildung der stoischen Lehre von Panätius zuerst, wenn auch nur in leiserer Weise, angebahnt worden ist. ’) Cie. de fin. V 14, 39: earum etiam rerum, quas terra gignit, educatio -- 891] -- zieren sich wesentlich auf zwei, die mit Leib und Seele bezeichnet werden. Die letztere umfasst die Vernunft und die fünf Sinne und natürlich die mit diesen gegebenen Fähigkeiten: der erstere also nur das pflanzliche Vermögen, die φύσις"). Diese Einteilung und Verschmelzung Platonisch-Aristotelischer Ansichten stimmt in allem Wesentlichen ebenfalls mit der Lehre des Panätius _ überein?), zumal da sich hier auch derselbe Widerspruch findet wie bei Panätius, dass die fünf Sinne zur tierischen Seele ge- _ rechnet und doch nicht mit der tierischen Lebenskraft, sondern mit der Vernunft vereinigt werden. Dass nun Antiochus diese Einteilung nicht unabhängig von der Stoa aufgestellt hat, zeigt die weitere Thatsache, dass er in echt stoischer Weise auf diese - Psychologie die Ethik aufbaut?) und bei diesem Aufbau ebenfalls - offen. den stoischen Einfluss zeigt*). Wenn er bei der Ausführung quaedam et perfectio est non dissimilis animantium .... itaque et vivere vitem et mori dieimus arboremque et novellam et vetulam et vigere et ' senescere: ex quo non est alienum, ut animantibus, sie illis et apta quaedam ἢ ad naturam putare (5 5. 859 A. 3) et aliena .. at vero si ad vitam sensus ac- ᾿ cesserit, ut appetitum quendam habeat et per se ipse moveatur, quid facturam — putas?.. ad illa, quae semper habuit, iunget ea, quae postea accesserint ... ita similis erit ei finis boni atque antea fuerat nee idem tamen; non enim jam ἐν stirpis bonum quaeret, sed animalis. quid? si non sensus modo ei sit datus, ἢ verum etiam animus hominis, non necesse est et ἐἰία pristina manere, ut ji tuenda sint, et haec multo esse cariora, quae accesserint... mens atque — ratio? sie ewsistit extremum omnium adpetendorum atque ductum a prima com- k mendatione naturae multis gradibus ascendit, ut ad summum perveniret, quod cumulatur ex integritate corporis et ex mentis ratione perfecta. Auf diese Drei- teilung hat Zeller a. a. Ὁ. IIIa S. 605f. nicht geachtet. 1) Cie. a. a. Ὁ. 12,34: deinde id quoque videmus, et ita figuratum eorpus, ut excellat aliis, et animum ita constitutum‘, ut et sensibus instru- cetus sit et habeat praestantiam mentis, ebenso ib. 21, 59. 2) Dies giebt uns auch noch einen neuen Beweis dafür, dass schon Panätius und nicht erst Posidonius, wie uns Galen glauben lassen könnte, die Platonisch-Aristotelische Psychologie aufgenommen hat, da diese Lehre _ sicherlich nicht Posidonius von Antiochus oder Antiochus von Posidonius entlehnt hat. Da wir oben weiter zeigen, dass Antiochus sie auch nicht selbständig aufgestellt, so müssen sie beide die Anregung dazu von dem- selben Manne erhalten haben. - 8) Vgl. Anmerkung 3 auf der vor. Seite. *) Dies ist allgemein bekannt; vgl. besonders Cie. a. a. Ὁ. 9, 24 ff.; 12, 34 mit Cie. off. I4, 1lmff., 27, 95 ff., 28, 101 ff.; de fin. V 13, 37 mit Gell. N. A. XII5,7ff. Cic. de Br III 5, 16 ff. Cie. a. ἃ. O0. V 23, 66 ff., bes. 67, z. B. mit Cie. off. I 5, 15; Stob. ecl. II p. 63, 6 W; Diog. VII 125; "Plut. Εις rep. 6. 27; 5. auch Zeller IIIa S. 605 ff. -- 8985 --᾿ derselben in der Beurteilung der äusseren Güter etwas abweicht» so kommt dies hierbei nicht in Betracht und ist thatsächlich auch nicht von grösserer Bedeutung, da auch Antipater, Panätius und Posidonius hier die rigorosen Anschauungen der alten Stoa etwas remildert hatten. Hierzu tritt schliesslich noch eine Lehre, auf deren Überein- stimmung mit dem jüngeren Stoizismus schon Zeller hingewiesen hat: Da die Natur des Menschen denselben zum ζῶον πολυτιχόν macht, so beruht auf ihr auch die Verbindung aller Menschen unter einander. Das Band dieses Zusammenhanges ist die Liebe, welche von der elterlichen sich allmählich erweiternd schliesslich auf die ganze Menschheit übergeht!). Hierauf gründet sich auch hauptsächlich das Gebot jedem das Seine zu erteilen und die menschliche Gesellschaft in bereitwilliger und billiger Weise zu unterstützen. Dass diese Ausführungen sich mit denen des Pa- nätius decken, braucht nach allem, was hierüber früher gesagt worden ist, nicht mehr bewiesen zu werden. Der Anschluss des Antiochus an die Lehre des Panätius ist also offenkundig?). ἢ) Cie. de fin. V 19, 62; vgl. Zeller Philos. d. Gr. UI 1, S. 607, 3. 2) Noch ein Einwand sei hier berücksichtigt, der vielleicht erhoben werden könnte. Cicero schreibt acad. pr. II 6, 17: quod nos facere nunc ingredimur, ut contra Academicos disseramus, id quidam e philosophis, et il quidem non mediocres, faciundum omnino non putabant.... Antipatrum- que Stoieum, qui multus in eo fuisset, reprehendebant etsq. Da diese Philo- sophen bedeutende Männer waren und nach Antipater lebten und wohl vor Antiochus, da Cicero auch wohl hier sicher dem Antiochus folgt, so könnte man schliessen, dass damit Panätius gemeint sei, ein Schluss, der auch in der weiteren Nachricht Cie. de fin. IV 28, 79, dass Panätius die disserendi spinas vermieden hätte, eine weitere Bestätigung finden könnte, Es könnte danach scheinen, dass diese Stelle mit dem Berichte des Sextus über die jüngeren Stoiker, den wir als die Lehre des Panätius früher nachgewiesen haben, nieht im Einklange stehe und darum vielleicht der Bericht des Sextus mit Unreeht dem Panätius zugesprochen sei. Doch dieser Einwand ist ganz haltlos. Der Standpunkt der von Cicero nur angedeuteten Philosophen, unter denen in der That Panätius gemeint zu sein scheint, stimmt völlig mit dem überein, den wir bei Sextus haben. Cicero schreibt nämlich von diesen a. a. O.: eos, qui persuadere vellent, esse aliquid, quod eomprehendi . et percipi posset, inscienter facere dieebant, propterea quod nihil esset elarius &vsoysie... orationem nullam putabant inlustriorem evidentia reperiri posse etsq. Diese Stoiker waren also überzeugt, dass die Augenscheinlieh- keit der Vorstellung selber der beste und stärkste Beweis für ihre Wahr- heit sei, und rieten deshalb von weiteren Beweisen als der Augenscheinlich- —. gg Selbstverständlich ist es ferner, da Einwände der übrigen Stoiker und namentlich des Antipater be- rücksichtigt und benutzt hat. An einem Beispiele lässt sich dies auch noch direkt nachweisen: den Angriff des Antipater gegen die Skepsis, dass derjenige, welcher die Gewissheit der Erkennt- nis leugne, wenigstens diesen Grundsatz für gewiss nahm er auf und führte ihn genauer aus, um auch den Einwand, den Garneades hiergegen erhoben hatte, zurückzuweisen. Diese _ Ausführung zeigt deutlich, dass jener Einwurf des Antipater von nicht geringem Einfluss auf ihn gewesen ist!). In der That ist also Antiochus durch die Lehren und die Einwände der jüngeren Stoiker und zumeist desPanätins veranlasst _ worden die Skepsis aufzugeben. Da nun Antiochns durch seine Einwände auch den Philo zwang seinen Standpunkt zu ändern, so ist der Rückgang der Skepsis durch den veränderten Standpunkt der mittleren Stoa herbeigeführt worden. Nur in Änesidem fand _ jene einen Fortsetzer, doch ohne jemals mehr die Bedeutung zu erreichen, die sie ehedem gehabt hatte. ss Antiochus auch die halten müsse, keit abzustehen. Wenden wir uns jetzt zu Sextus, so treffen wir daselbst durchgeführt, was hier geraten wird. Ohne jede sonstige Polemik wird hier aller Beweis für die Richtigkeit der Vorstellung nur auf die Augenschein- lichkeit gestützt: Eine unter Befolgung aller von der Theorie bestimmten Bedingungen erlangte Vorstellung zwinge uns zur Zustimmung und ziehe uns gewissermalsen an den Haaren dazu herbei ($ 257). Sie sei überhaupt das Licht, durch welches wir erst etwas wahrnehmen; es sei daher geradezu wahnwitzig, dieses Licht zu verwerfen ($ 259£.). Weiter wird nichts hinzu- - gefügt. Dieser Bericht des Sextus widerspricht also nicht nur nicht, sondern stimmt im Gegenteil trefflich zu dem, was Cicero sagt, und kann insofern _ noch in gewissem Sinne dazu dienen, die früheren Untersuchungen zu be- stätigen. Neben diesen soeben besprochenen Philosophen erwähnt Cicero ‚als eine zweite Klasse solche, welche zwar im wesentlichen diesem Stand- punkte zustimmen, es aber auch für recht halten die Angriffe der Gegner - zurückzuweisen ($ 17). Darauf nennt er als eine dritte Klasse diejenigen, _ welche den Kampf voll und ganz aufnehmen zu müssen glauben. Der Ver- treter derselben ist offenbar Antiochus ($ 18). Erwägen wir diesen Zu- - sammenhang, so. scheint auch hieraus hervorzugehen, was wir oben nach- weisen, dass Antiochus den Standpunkt der beiden vorhergehenden Klassen zu vereinigen suchte. =) Cie. acad. pr. II 9, 28. 34 ρον Ξ Kap. 2. Die Mystik. Die Berichtigung der stoischen Philosophie, welche die Kritik des Carneades zur Notwendigkeit gemacht hatte, war auf doppelte Weise möglich: Entweder wurden die als haltlos erwiesenen Lehren im Sinne der Kritik beschränkt, oder sie wurden derartig erweitert, dass sie die Kritik nicht traf. Den ersten Weg schlug Panätius, den zweiten Posidonius vorwiegend ein; doch wies. Panätius auch bereits auf den zweiten durch seine teilweise Er- neuerung der Platonisch-Aristotelischen Psychologie. Diese in ihrem vollen Umfange in die Stoa einzuführen war die That des Posidonius. Hierbei stiessen nun zwei entgegengesetzte Standpunkte auf einander: Die Transcendenz des Platonisch- Aristotelischen Systems und die Immanenz der Stoa. Die Ver- bindung beider vollzog Posidonius als Stoiker naturgemäss auf dem Boden der letzteren, indem er die der Transcendenz ent- lehnten Lehren mit dem Materialismus der eigenen Schule ver- quickte und so den Monismus derselben zu wahren suchte. Gleichwohl brachte er durch diese Herübernahme dualistischer Lehren einen Gegensatz zwischen Geist und Materie in die Stoa, welcher hart an den Dualismus streifte und den Platonischen Mystizismus in die Stoa überführte. In dieser Verpflanzung der Platonisch-Aristotelischen Mystik in die Stoa wurzelt die Erneue- rung des Mystizismus der Folgezeit. Bevor wir jedoch hierauf eingehen, müssen wir uns noch einmal die Züge kurz vor Augen führen, in denen die Mystik bei Posidonius mehr oder weniger klar zu Tage tritt. Dies ist zunächst die Herabwürdigung des Leibes und die Erhebung des Geistes: der Geist ist gut und darum die Quelle alles Guten; der Körper dagegen die Quelle des Bösen und der Leidenschaften. Er ist daher ein Hindernis für den Geist, der dann erst seine eigentliche Natur zeigt, wenn er frei vom Leibe ist. Was nun vom Geiste gilt, gilt natürlich auch von der Gottheit, von welcher er ja ein Teil ist: Sie ist ihrer Natur nach von den sonstigen Lebewesen gänzlich verschieden, so dass man nicht von diesen schlechthin auf jene schliessen kann (S. 312 ff.). Diese Gegenüberstellung von Leib und Seele, Gott und Materie, musste auf die Dauer den Dualismus und die Transcendenz des er ist der Gott im Menschen, vom- Himmel-herabgestiegen, ἃ T geistigen Princips zur .Folge haben. Solange der Geist an den Körper gebunden ist, gelangt er zwar mittels der Wissenschaft zur Erkenntnis; daneben aber auch auf einem zweiten Wege, nämlich in der Mantik. Hier schaut er unabhängig vom Körper vermöge seiner eigenen Natur in die Zukunft und zwar teils aus eigener Kraft, teils durch die. Vermittelung der Dämonen des — Luftraumes oder auch durch die Berührung mit ‘der Gottheit selbst: Dies ist die letzte Quelle des Offenbarungsglaubens und der Ansatz zu der späterhin so wichtigen Lehre von der Ekstase. Ebenso ist auch der Glaube an-die Dämonen in diesem Zusam- menhange von grosser Wichtigkeit. Der letzte Punkt, dessen hier zu gedenken ist, ist die durch den Rückgang auf Plato und Pythagoras bedingte Hochschätzung der Zahlenspeeulation und ihre Verbindung mit der Ideenlehre. Dies sind die Keime, aus denen sich in der Folgezeit der Mystizismus zu ausserordentlicher Blüte entwickelt hat, wie wir im folgenden in aller Kürze zu zeigen versuchen werden!). Wir bleiben naturgemäss zunächst bei der Stoa. Von den Vertretern derselben sind uns nach Posidonius hauptsächlich Se- _ neca, Musonius, Epiktet und der Kaiser Marcus Aurelius näher bekannt; doch sehen wir hier von dem letzteren ab, da er in einer Zeit lebte, als die verschiedenen mystischen Richtungen. bereits eine lange Blütezeit hinter sich hatten, und halten uns an ᾿ς die drei anderen Philosophen. Über die ausserordentliche Ab- hängigkeit Senecas von Posidonius zu reden haben wir schon frü- her zu verschiedenen Malen Gelegenheit gehabt. Die Abhängig- keit des Musonius und Epiktet von demselben äusserlich nach- zuweisen ist bei der Natur der Überlieferung selbstverständlich ausgeschlossen; doch zeigt ihre Lehre ebenso wie die Senecas . in allem Wesentlichen den Standpunkt des Posidonius und na- mentlich in den Ansichten, durch welche Posidonius von seinen Vorgängern so bedeutend abweicht. Seneca zunächst wird nicht “ müde immer wieder die Grösse und Erhabenheit des Geistes zu preisen und auf seine Unabhängigkeit vom Leibe hinzuweisen und zu wirken?). Er ist den Göttern verwandt, heilig und ewig, ja — 401 — 2) Dass später andere Umstände seine Ausbreitung förderten, soll hier- - mit nicht geleugnet werden. Ὁ } Ἵ : 5 Von den äusserst zahlreichen Stellen vgl. z. B. ep. 65,24; 91, 1fl.; 98,2; dial. VII 8,2#.; N. Q. VI 32,5. Schmekel, mittlere Stoa. 26 -- 42 -- er ist der Gott im Menschen, vom Himmel herabgestiegen, um beim Tode dorthin wieder zurückzukehren. Der Körper ist daher nur eine kurze Herberge, eine fremde Hülle, eine Last und Strafe?). Wie nun Seele und Leib sich beim Menschen verhalten, ebenso auch Geist und Materie überhaupt: Dem Leibe ähnlich ist die Erde; die Gottheit durchdringt sie, wie der Geist den Körper, obwohl sie ihrer Natur nach nach aussen strebt?). Die Gestirne hält Seneca natürlich auch für Götter; daneben aber kennt er auch Götter niederer Art, die Dämonen, die sich mit den Menschen vereinigen‘). Er vertritt ferner die stoische Erkenntnistheorie und preist die Wissenschaft, besonders insofern sie die Tugend angeht’); zugleich verteidigt er aber auch das ganze Gebiet der Mantik®). Ebenso wie Seneca hebt auch Epiktet den Unterschied zwischen Gott und Materie, Leib und Seele stark hervor. Das Wesen Gottes besteht aus Vernunft und Wissen, die Materie ist an sich unbewegt und ohne Leben. Ein Ableger der Gottheit ist der Geist;-er ist der Gott (9eos oder δαίμων) im Menschen und frei wie dieser’); der Leib dagegen ist von Kot und der Notwendigkeit unterworfen°). Somit ist er eine Seele, die einen Leichnam trägt. Naturgemäss sehnt er sich diese Sklaverei zu verlassen und zu seiner Urquelle, zur Gottheit zurückzukehren’). Solange er an den Leib gebunden ist, erreicht er dies haupt- sächlich durch möglichste Zurückziehung auf sich selbst, wodurch er sich von allem Äusseren unabhängig macht 19). Diese Gedanken τ Dial. XIT 11,7; ep. 31,11; 120, 14#F. 2) Ep. 65,16 u. 21; 92,13; 120,14 u. 17. 3) Ep. 65,2; N. Q. III 15, 1ff; dial. VII 8,4; ep. 65, 24; 92, 32. ἢ De benef. IV 23,4; N. Q. VII 23,2; ep. 110,1. Im Anschluss an den römischen Glauben nennt er sie Genien, bemerkt aber, dass die Vorfahren in dieser Beziehung Stoiker gewesen seien. Schon Varro hat Antig. rer. div. XVI frgm. I Schwarz (Augustin de οἷν. D. VIl 6; vgl. 5. 125 frg. 27b) die Genien und Laren mit den Dämonen identifiziert. 5) Dial. VII 8,4; ep. 65, 16ff.; 88, 20ff. u. ὃ. 6) N.,@: ΤΙ. 32; 1ff: 7). Diss. II 8, 2; I 14,12; enchir, 1,1. 8) Diss. IV 1,100; Epiktet nennt hier den Körper σῶμα πήλινον = Seneca ep. 120, 17: corpus putre=Posid. Ὁ. Seneca ep. 92, 10: inutilis caro et fluida. 9) Frgm. 176b; diss.I 9, 10 ff. u. ö.; enchir. 15; diss. III 13, 14 steht damit nicht in direktem Widerspruche. 10) Diss. III 3,18; II 1,4; 8,1; Gell. N. A. XVII 19,6: vgl. Zeller, Philos. d. Gr. IIIa S. 748. treten bei Seneca und noch mehr bei Epiktet und, soweit wir urteilen können, auch bei Musonius so sehr in den Vordergrund, dass ihre Philosophie fast ganz darin aufgeht. Trotz dieses stark gespannten Gegensatzes zwischen Geist und Materie durchbrechen sie den Monismus der Stoa nicht. Dass sie mit dieser Auffassungs- art auf Posidonius zurückgehen, ist nach dem Vorhergehenden von selbst einleuchtend; ebenso ist es klar, dass und wie weit sie über ihn hinausgehen. Dieses Letztere näher auseinander- zusetzen gehört jedoch nicht hierher'). Wir wenden uns von der Stoa zum Neupythagoreismus. Die Pythagoreische Philosophie hatte als solche seit Jahrhunderten zu existieren aufgehört?); zu neuer Blüte dagegen erwachte sie wieder um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts, Ihre Wiedererstehung that sich vor allem in der Abfassung zahl- reicher Schriften kund, welche teils dem Pythagoras teils seinen Schülern untergeschoben wurden. Überblicken wir nun diese Litteratur, so lassen sich darin hauptsächlich zwei Richtungen unterscheiden. Obwohl sie nämlich beide in gewisser Beziehung den Einfluss der Stoa verraten, so schliesst sich doch die eine derselben ihr genau an, während die andere sich mit eben solcher Entschiedenheit an Plato und Aristoteles anlehnt. Wir haben hierauf etwas genauer einzugehen. Die principielle Unterscheidung beider Richtungen, wodurch im weiteren Verlaufe die abgeleiteten Unterschiede sich ganz von selbst ergeben, entwickelt Sextus mit aller wünschenswerten Klarheit. Nachdem er nämlich die Ansicht der einen referiert hat, fährt er adv. phys. II 281 fort: τινὲς δ᾽ ἀπὸ ἑνὸς σημείου τὸ σῶμά φασι συνίστασϑαι. τουτὶ γὰρ τὸ σημεῖον δυὲν γραμμὴν ἀπο- , τελεῖν, τὴν δὲ γραμμὴν δυεῖσαν ἐπίπεδον ποιεῖν᾽ τοῦτο δὲ εἰς ᾿ βάϑος κινηϑὲν τὸ σῶμα γεννᾶν τριχῆ διαστατόν. διαφέρει δὲ ἡ τοιαύτη τῶν Πυϑαγορικῶν στάσις τῆς τῶν προτέρων. ἐκεῖνοι Ρ̓ A ἶ 1) Die stoische Schule war aus der cynischen hervorgegangen und ver- F leugnete niemals diese Abstammung ganz; denn als kürzesten Weg’ zur Tugend empfahlen ihre älteren Vertreter im allgemeinen die eynische Lebens- weise (Diog. VII 121 und S. 362). Panätius und seine Anhänger verwarfen _ diese dagegen als Schamlosigkeit (vgl. 5. 219 Anm. 4) und fanden hierin allgemeine Zustimmung. Die Reaktion gegen diese Auffassung war das Wiederaufleben des Cynismus als Schule. Seine ersten sicher erkennbaren Spuren begegnen uns unter Augustus. 2) Jedoch war die Kenntnis derselben nieht abhanden gekommen. 26* — 464. -- μὲν γὰρ &x δυοῖν ἀρχῶν, τῆς τὸ μονάδος καὶ τῆς ἀορίστου δυάδος, ἐποίουν τοὺς αοιϑμούς" εἶτα ἐκ τῶν ἀοιϑμῶν τὼ σημεῖα xal τὰς yoruuds τά τε ἐπίπεδα σχήματα καὶ τὰ στερξά" οὗτοι δὲ ἀπὸ ἑνὸς omueiov τὰ πάντα' τεκταίνουσιν. ἐξ αὐτοῦ μὲν γραμμὴ γίνεσϑαι, ἀπὸ γραμμῆς δὲ ἐπιφάνεια, ano δὲ ταύτης σῶμα. Die Unterscheidung der beiden Richtungen und ihr Unterschied in der Auffassung ist hier so klar angegeben, dass.es vollkommen überflüssig ist, dies noch besonders hervorzuheben. Das weitere Verständnis der Lehre der ersten Richtung erschliesst er uns in der vorhergehenden Auseinandersetzung: Das Grundprineip ist die Monas, die Einheit und Selbigkeit; indem sie sich 'noch einmal setzt, erzeugt sie die unbestimmte Zweiheit. Durch die Teilnahme an diesen wird alles als das Eine und als das Andere (Verschie- dene) gedacht. Von: diesen beiden transcendenten Prineipien ent- stehen erst die Einheit und Zweiheit in den Zahlen, von denen die erstere der wirkenden Kraft, die zweite der leidenden Materie gleich kommt. Aus der Verbindung der Einheit und Zweiheit ge- hen alle weiteren Zahlen hervor, und da der Punkt der Einheit, die Linie der Zweiheit entspricht, ebenso die Dinge und überhaupt die ganze Welt!). Diese Richtung der Pythagoreer vertritt also, wenngleich sie auch von der Monas ausgeht, doch einen entschie- denen Dualismus, indem sie die Einheit und die Zweiheit zu Prineipien des Seienden macht und aus ihrer Verbindung die Welt der Wirklichkeit herleitet. Die zweite Richtung bekennt, ebenso klar den Monismus, indem sie alles nur aus der Bewegung der Eins oder des Einen erklärt; sie lässt also die Eins oder das ) $ 261: ἔνϑεν χινηϑεὶς ὃ Πυϑαγόρας ἀρχὴν ἔφησεν εἶναι τῶν ὄντων τὴν uovad«, ἧς κατὰ μετοχὴν ἕκαστον τῶν ὄντων ἕν λέγεται" χαὶ ταύτην zart αὐτότητα μὲν ἑαυτῆς νοουμένην μονάδα νοεῖσϑαι" ἐπισυντεϑεῖσαν ὁ᾽ ἑαυτῇ καϑ' ἑτερότητα ἀποτελεῖν τὴν καλουμένην ἀόριστον δυάδα" διὰ τὸ μηδεμίαν τῶν ἀρ ϑμητῶν καὶ ὡρισμένων ὑυάδων εἶναι τὴν αὐτήν, πάσας δὲ κατὰ μετοχὴν᾽ αὐτῆς dvades νενοῆσθϑαιν, καϑὼς καὶ ἐπὶ τῆς μονάδος ἐλέγχουσ. ἙΦύο ὁ ὺν τῶν ὄντων ἀρχαί, ἥτε πρωτὴ μονάς, ἧς χατὰ μετοχὴν πᾶσαν ei ἀριυϑιμηταὶ μον- adss νοοῦνταιν ae ἐς" χαὶ ἡ ἀόριστος ϑυάς, ἧς χατὰ μετοχὴν ai ἀθιομενον δυάδες εἰσὶ δυάδες... 8 276: ἀνέχυψαν ἄρα ἀρχαὶ πάντων χατὰ τὸ ἀνωτάτω ἥ τε πρώτη μονὰς χαὶ ἡ eh δυάς" ἐξ ὧν γίνεσθαί φασι τὸ τ᾽ ἐν τοῖς ἀρυϑιμοῖς ἕν χαὶ τὴν ἐπὶ τούτοις πάλιν θυάδα.... 8. 27T: ὅϑεν φασὶν ἐν ταῖς ἀρχαῖς ταύταις τὸν μὲν τοῦ δρῶντος αἰτίου λόγον ἐπέχειν τὴν μονάδα: τὸν δὲ τῆς πασχούσης ὕλης τὴν δυάδα. χαὶ ὃν τρόπον τοὺς ἐξ αὐτῶν ὑποστάντας ἀριϑιμοὺς ἀπετέλεσαν, οὕτω καὶ τὸν κόσμον καὶ πάντα τὰ ἐν τῷ χύόσμῳ συνεστήσαντο χτλ. -- 45 --- Eine allem immanent sein, während die vorhin besprochene Richtung die Urmonas über die beiden abgeleiteten Prineipien hinausschiebt. Dass die erste Richtung wesentlich auf Platonisch- -Aristotelischen, die zweite auf stoischen Grundsätzen fusst, lieg! auf der Hand; für die letzte tritt dies auch darin noch hervor, - „dass der Hervorgang der Zahlen und Dinge aus dem Einen als Fluss (607) bezeichnet wird. fh Sextus deutet an dieser Stelle die Ansicht der zweiten Sekte nur kurz an und verweist uns am Schlusse derselben ($ 284) auf zwei andere seiner Schriften, in denen Genaueres über sie gesagt sei. Die eine derselben ist verloren gegangen, die andere finden 17 wir adv. log. I 92 ff. Damit stimmt die Thatsache vollkommen „überein, da wir die Lehre, in welcher sich die zweite Sekte von der ersten unterscheidet, hier mit den: gleichen Worten wieder- finden!). Mit dieser zweiten Stelle stimmt aber noch eine dritte adv. arith. (adv. math. IV) $$ 2—9 fast wörtlich überein, so dass - auch’ diese der Lehre derselben Sekte angehört). Die ausführlichste ᾿ς jst die mittlere; wir werden uns deswegen auch hauptsächlich an τς siein dem Folgenden halten. Ebenso wenig nun, wie es zweifelhaft = ist, dass sie die Lehre dieser zweiten Sekte bietet, kann es un- gewiss sein, dass sie in allen Punkten von der Stoa beeinflusst, ᾿ ja dass sie von einem Stoiker verfasst ist. Zunächst nämlich ist diese ganze Abhandlung ein einziger in sich zusammenhängender Beweis, -der zu zeigen sucht, dass die alten Pythagoreer den λόγος als Kriterium aufgefasst haben. Der Gang desselben ist folgender: Das Kriterium für die Erkenntnis des Alls ist "der λόγος, das Princip des Alls aber ist die Zahl: Folglich kann auch der λόγος Zahl genannt werden?). Die Begründung 1 Adv. phys. II 281: τουτὶ γὰρ τὸ σημεῖον δ υὲν γραμμὴν ἀποτελεῖν" τὴν δὲ γραμμὴν δυεῖσαν ἐπίπεδον ποιεῖν" τοῦτο δὲ εἰς βάϑος κινηϑὲν τὸ σῶμα γεννᾶν τριχῆ διαστατόν. Vgl. damit adv. log. I 99: στιγμῆς γὰρ ὁυείσης γραμμὴν φαντασιούμεϑα, ἥτις ἐστὶ μῆχος ἄπλατες. γραμμῆς δὲ δυείσης πλάτος ἐποιήσαμεν... ἐπιφανείας δὲ δυείσης στερεὸν ἐγένετο σῶμα κτλ. 3) Die dargelegte Unterscheidyng der beiden Sekten hat Zeller günzlich ausser Acht gelassen und daher alle diese Berichte derselben Richtung zu- _ geschrieben,’ was natürlich unmöglich ist. Für den Inhalt ist diese Unter- scheidung von der grössten Wichtigkeit. 3) $ 92: οἱ δὲ Πυϑαγοριχοὶ τὸν λόγον μέν φάσιν (SC. χριτήριον εἶναι), οὐ : ιν πὶ ᾿ x ᾿ x - ’ ’ ı 09. ν Ἧ ᾶ x Ps ᾿ χοινῶς de: τὸν δὲ ἀπὸ τῶν μαϑημάτων περιυγινομένον . «- 8 95; zw δὲ ἀρχὴ τῆς γῶν ὅλων ὑποστάσεως ἀριϑμός. διὸ zei ὁ χριτὴς τῶν πάντων λόγος οὐκ ἀμέτοχος ᾿ὧν τῆς τούτου δυνάμεως καλοῖτο ἂν ἀριϑμος. — 400 “-- der ersten These wird sofort (88 92—93), die der zweiten in der nachfolgenden Ausführung ($$ 94—109) gegeben. Denn indem dieselbe $ 110 mit den Worten schliesst: τοίνυν ὑγιὲς τὸ “ἀριθμῷ δέ τὸ πάντ᾽ ἐπέοικεν, kehrt sie zu dem Ausgangs- punkte (δ 94) zurück und erklärt als bewiesen, was, wie sie 8 94 sagt, zu beweisen war, dass die Zahl das Princip des Alls sei. Die Abhandlung zeigt also einen in sich wohlgeordneten und unzerreissbaren Zusammenhang. Stoisch ist nun zunächst der ganze Zweck dieser Abhandlung, den λόγος als Kriterium bei den Pythagoreern nachzuweisen. Stoisch ist ferner auch, von dem Nachdrucke der auf die Zahlen gelegt wird abgesehen, die Begründung der zweiten These. Dies beweisen vor allem schon die Schlussworte 8 109: χοινῷ δὲ λόγῳ πᾶσα τέχνη ἐστὶ σύ- στημα ἐκ καταλήψεων, τὸ δὲ σύστημα ἀριϑμός: Nie ent- halten augenscheinlich eine Übertragung stoischer Begriffe auf Pythagoreische Zahlenlehre. Drei Stellen aber finden sich, welche genauer auf die Quelle hinführen. Die erste steht in der Be- sründung der ersten These, die wir ein wenig eingehender zu untersuchen haben. Sie lautet: οἱ de Πυϑαγορικοὶ τὸν λόγον μέν φασιν [χριτήριον εἶναι], οὐ κοινῶς δέ" τὸν δὲ ἀπὸ τῶν μαϑημάτων περιγινόμενον, καϑάπερ ἔλεγε καὶ ὃ Φιλόλαος, ϑεωρητιχόν τε ὄντα τῆς τῶν ὅλων φύσεως ἔχειν τινὰ συγγένειαν πρὸς ταύτην, ἐπείπερ ὑπὸ τοῦ ὁμοίου τὸ ὅμοιον καταλαμβάνεσϑαι πέφυκε" γαίῃ μὲν γὰρ γαίαν onwrrauev, ὕδατι δ' ὕδωρ, αἴϑερι δ᾽ αἴϑερα δίον, ἀτὰρ πυρὶ πῦρ ἀίδηλον, στόργην δὲ στοργῇ, νεῖκος δὲ γε νείκεϊ λύργῳ" καὶ ὡς τὸ μὲν φῶς, φησὶν ὃ Ποσειδώνιος τὸν Πλάτωνος Τίμαιον ἐξηγούμενος, ὑπὸ τῆς φωτοειδοῦς ὄψεως καταλαμβάνεται, ἡ δὲ φωνὴ ὑπὸ τῆς ἀεροειδοῦς ἀκοῆς" οὕτω καὶ ἡ τῶν ὅλων φύσις ὑπὸ συγγενοῦς ὀφείλει χαταλαμβάνεσθαι τοῦ λόγου. Der Nachweis, dass die alten Pythagoreer den λόγος als Kriterium aufgefasst haben, stützt sich hier auf drei Gründe: Auf die Angabe des Philolaus, dass der λόγος eine Verwandtschaft zu der Natur des Alls habe, die Verse des Empedocles, durch die nachgewiesen werden soll, dass das Gleiche vom Gleichen begriffen werde, und auf eine Stelle aus dem Timäuskommentar des Posidonius, aus der das Gleiche aus gleichen, jedoch klarer gefassten Prämissen erschlossen wird, was wir aus den beiden vorhergehenden folgern sollen. Da nun die alten Pythagoreer die Frage nach dem -- 40 --- Kriterium gewiss noch nicht aufgeworfen und beantwortet haben, so müssen die beiden obigen Angaben in der vorliegenden Gedankenverbindung von einem Philosophen zusammengestellt sein, der ein Interesse daran hatte den Nachweis zu führen, dass die Pythagoreer den λόγος als Kriterium aufgefasst haben. In unmittelbarem Anschlusse hieran finden wir nun den gleichen Schluss durch das Citat aus dem Timäuskommentar des Posidonius bestätigt: Also muss sich dieser Schluss des Posidonius doch auf die Pythagoreische Erkenntnistheorie bezogen haben. Denn es wäre doch in Wirklichkeit unsinnig gewesen, wenn Sextus oder der, dem Sextus folgte, zum Beweise dafür, dass die alten Pytha- goreer den λόγος als Kriterium gelten liessen, sich auf einen stoischen Beweis hätte berufen wollen. Erwies aber Posidonius mit den angeführten Worten den λόγος als Kriterium der alten Pythagorer — in dem Kommentar zum Platonischen Timäus konnte er doch nur von alten Pylhagoreern reden, — so ist es bei dem engen Zusammenhange der angegebenen Stelle augen- scheinlich, dass auch er die beiden Citate aus Philolaus und Empedocles in der Weise znsammengestellt hat, dass der Schluss daraus folgt, den wir oben gehört haben'). Hierzu stimmen auch die Worte, durch welche die beiden Citate aus Philolaus und Empedocles verbunden werden: ἐπείπερ ὑπὸ τοῦ ὁμοίου To διοιον καταλαμβάνεσθαι πέφυχε, denn wenn auch das Wort “χαταλαμβάνεσϑαι᾽ nicht speciell stoisch ist, so erinnert es uns doch in diesem Zusammenhange, wo es sich um das Kriterium 1) Dies und der 5. 405. angegebene Zusammenhang sind die Gründe, weswegen ich mich Hirzels Meinung, Unters. II S. 532, der sich Stein, Psych. d. Stoa II S. 355 A. 830 einfach anschliesst, nur die Worte $ 9: zei ὡς τὸ μὲν φῶς ... καταλαμβάνεσϑαι τοῦ λόγου gehörten dem Posidonius, nieht anschliessen kann; Gründe hat er jedenfalls nieht angeführt. Zeller wendet Philos. ἃ. Gr. IIla 8. 578, 4 ein, das Pythagoreische dieser Stelle gehöre nicht mehr zu dem Timäuskommentar des Posidonius, wie die (ya gleichung mit dem oben schon erwähnten parallelen Bericht adv. arith. ὃ 2 f. beweise. Dieser Grund ist nicht stichhaltig: Die Vergleiehung beider Stellen zeigt, dass der Anfang des Berichtes adv. arith. erst dem adv. log. 189 aa: spricht. Wollten wir also mit Zeller schliessen, das Pythagoreische an ı ge, Stelle gehöre nicht zum Timäuskommentar des Posidonius, wie ee gebene Vergleichung beweise, so müssten wir aus gleichem legs er eng 5, dass die beiden ganzen 88 92—93 nicht zu der folgenden ken == Pythagoreischen Lehre gehörten, was an sich natürlich verke ran wegen der syllogistischen Fügung des ganzen Berichtes unmöglich ΒΥ, B = ὧν -- 405 ͵“-- handelt und so viel Stoisches zu treffen ist, unwillkürlich an die stoische χατάληψις, zumal wir auch in dem Citat aus Posidonius und am Schlusse des ganzen Berichts ($ 109) dasselbe Wort wiederfinden!). Dieses Resultat wird durch die andere Stelle bestätigt. Beim Nachweise der Richtigkeit der zweiten Prämisse treffen wir die Einteilung des Seienden in körperliche und un- körperliche Dinge und die der körperlichen wieder in einheitliche, zusammengefügte und zusammengesetzte. Diese Einteilung ist stoisch und deckt sich mit derjenigen, welche wir anderwärts bereits als die des Posidonius kennen gelernt haben?). Am Schlusse der Abhandlung ($ 107 ff.) lesen wir drittens einen Bericht über die Erbauung des rhodischen Kolosses, der sonst sich nirgends findet. Die Rhodier fragten nämlich, so berichtet er, den Chares, wieviel Material er zur Erbauung des Kolosses nötig habe. Nach Angabe seiner Forderung hätten sie weiter gefragt, wieviel er gebrauche, wenn er den Koloss doppelt so ‚hoch mache. Er habe das Doppelte gefordert und erhalten. Bald jedoch habe er eingesehen, dass er viel zu wenig verlangt habe, und sich deshalb nach Verbrauch des gegebenen Materials das Leben genommen. Nach seinem Tode hätten die Künstler gesehen, dass er nicht das Doppelte, sondern das Achtfache hätte fordern müssen. Diese Erzählung weist unzweideutig darauf hin, dass Sextus einem Gewährsmanne folgt, der die rhodischen Ver- hältnisse genau kannte. Unter den obwaltenden Verhältnissen kann dies nur Posidonius gewesen sein, dem ein Beispiel aus der rhodischen Geschichte sehr nahe lag, da er ja auf Rhodos lebte°). ') Der Timaeus Platos galt bekanntlich (vgl. Timon b. Gell. N. A. III 17,4 ff.) als eine Überarbeitung eines Philolaischen Werkes; Posidonius hatte also wohl das Recht und die Pflicht hier auf Philolaus zurückzugehen. 5) Vgl. diese Stelle mit Sext. adv. phys. I 78—85; Cie. deor. nat. II 7, 19; siehe S. 91. °) Es ist hierbei wesentlich gleichgültig, ob diese Erzählung auf Wahr- heit beruht, oder eine unwahrscheinliche Anekdote ist, wie Zeller, Philos. d. Gr. 1 S. 337,1* meint; denn ein derartiger Klatsch konnte doch schwer- lich anderwärts als in Rhodus entstehen. Auch sind wir nicht in der Lage zu erkennen, mit welcher Reserve Posidonius dies erzählt hat; und ferner wissen wir ebenfalls nicht, ob nicht thatsächlich Chares über der Vollendung des Kolosses gestorben ist, so dass ein anderer Künstler ihn vollenden musste. In diesem Falle musste der Koloss immer als sein Werk be- zeichnet werden; feindlicher Klatschsucht aber konnte sein Tod leicht zu ἢ -- 49 “-- Es ist also. zumal bei dem inneren Zusammenhange der ganzen ‚Abhandlung unzweifelhaft, dass sie aus dem Timäuskommentar des Posidonius entlehnt ist. Die Theorie der Zahlen und ihre Symbolik ist der Mittel- und Kernpunkt der Pythagoreischen Philosophie. Schon in dem eben behandelten Abschnitte haben wir dies kennen gelernt und müssen jetzt hierauf noch genauer eingehen. Wir vergleichen dazu die folgende Übersicht dieser Theorie bei Varro!), Macro- bius?), Theon®?) von Smyrna und Philo von Alexandria. dem obigen Gerüchte Veranlassung geben, ähnlich wie es Phidias selbst noch während seines Lebens erging. Wenn Simonides (von Magnesia?) in der Anthol. Graeca S. 75, n. 83 (89) ed. Jacobs und ebenso Constantin. Por- phyr. de administr. imp. e. 21 Laches statt Chares als den Erbauer des Kolosses bezeichnen, so ist dies jedenfalls wohl nur schlechte Überlieferung; vgl. Anthol. Graeca ed. Dübner II S. 542 n. 82. 1) Bei Censorin de die nat. ὁ. 7ff. und bei Gell. N. A. III 10 u. I 20. Beide Schriftsteller haben verschiedene Zwecke und berichten nur, was sie diesen zufolge für nötig halten. Sie betonen daher selbst, dass sie ihre Quelle kürzen; vgl. Censor. a. a. Ὁ. c. 13, 6; 14,9; Gell. III 10, 1 u. 16; ‘auch ist es von selbst klar, dass Gellius sehr kürzt. Zudem benutzt der- selbe überhaupt nur eine Schrift und zwar eine andere wie Censorin. 2) Zu den beiden Kapiteln Somn. Seip. 15—6 gehören notwendig auch die beiden ersten des zweiten Buches desselben Kommentars; denn 1. ver- weist uns Macrob. I 6,43 ausdrücklich auf die genauere Darstellung des behandelten Gegenstandes im weiteren Verlaufe der Abhandlung, d. h. auf II e. 1; und 2. finden sich deshalb a. a. Ὁ. auch mehrere fast wörtlich Über- einstimmungen; vgl. z. B. I 6, 43—44 mit II 1, 15ff.; 15, 7ff. mit II 2, 2#f.; besonders I 5, 9 mit II 2,7. Ebenso enthält II ὁ. 2 eine Wiederholung und die notwendige Ergänzung zu der Erörterung, welche sich über die mathe- matischen Körper und ihr Verhältnis zu denen der Wirklichkeit 1 ὃ finden. Ihre Zusammengehörigkeit lässt sich nicht bezweifeln. 3) Theon bringt in seiner Theorie der Musik nach der Einleitung zunächst einen kurzen Bericht aus Thrasyllus (p. 47, 18—49, 5 ed. Hiller) und wendet sich darauf zu seiner Hauptquelle Adrastus (p. 49,6ff.). Er berichtet aus ihm zuerst im wesentlichen über dasselbe, was er vorher aus Thrasyllus gebracht hat, und deutet alsdann (p. 50, 21) die Disposition der nachfolgenden Abhandlung an. Gemäss derselben spricht er 1. über die Konsonanzen (p. 50, 22— 72,20), 2. über die harmonischen Verhältnisse der Zahlen (p. 72, 21 bis 119,21). Seine Quelle ist fast durchweg Adrastus, wie er selbst angiebt. Die zweite Hälfte beginnt er nach Adrastus mit der Angabe der verschiedenen Bedeutungen von λόγος (p. 73, 19). Im Anschlusse hieran spricht er über " die Zahlenverhältnisse der Konsonanzen und giebt darauf wiederum nach Adrastus (p. 76,2) eine Einteilung der Zahlen vom rein arithmetischen Stand- punkte aus. Diese beherrscht die nachfolgende Auseinandersetzung (p. 10, 8 — 410 — bis 80,6) und wird durch einige Bemerkungen mit der vorhergehenden Ein- teilung in Verbindung gesetzt. Diese letzteren führen zu der Lehre von der Proportion (p. 82,6 bis zum Schlusse), Theon unterbricht diese Ab- handlung jedoch p. 85,8 durch eine andere, die zunächst bis p. 93,8 reicht. Obwohl er daselbst (Z. 10ff.) das verlassene Thema wieder aufnehmen will, thut er es nicht, sondern fügt noch einen Abschnitt hinzu (p. 93,17—106, 11). Dann setzt er es in der That fort; vgl. p. 84,15: διεαφέρεν δὲ ἀναλογίας μεσότης, ἐπειδὴ εἰ μέν τὸ ἀναλογία τοῦτο zei μεσύτης, εἰ δέ τι μεσότης, οὐκ εὐθὺς ἀναλογία. Dies erörtert er bis S. 85,8, wo der Zusatz beginnt. p. 106, 12 fährt er fort: ἐπανιτέον δὲ ἐπὶ τὸν τῶν ἀναλογιῶν zei μεσοτήτων λόγον χτλ.; vgl. auch die Ankündigung der Wiederaufnahme des Themas S. 93,11: νυνὲ δ᾽ ἐπανἐλ- Hauer ἐπὶ τὸν τῶν λοιπῶν ἀναλογιῶν zei μεσοτήτων λόγον, ἐπειδή, ὡς ἔφαμεν, ἡ ἀναλογία χαὶ μεσότης, οὐ μέντοι ἡ μεσότης καὶ ἀναλογία. Der Abschnitt p- 80, 8—106, 11 unterbricht also die Disposition des Theon und ist nach seiner eigenen Angabe eine Einlage. Dieses bestätigt auch der Inhalt; denn zum weitaus grössten Teile hat er mit dem, was vorher und nachher steht, nichts zu schaffen; soweit er sich aber mit dem umgebenden Inhalte berührt, enthält er in der Hauptsache kurz noch einmal den Inhalt der eigentlichen Vorlage. Diese Übereinstimmung findet im Anfange statt, und diese ist augenscheinlich der Grund gewesen, der Theon veranlasste, die Einlage gerade an der angegebenen Stelle einzuschieben. Dies wird sofort klar, wenn wir den Anfang der Einlage (p. 85, $f.) mit der Fortsetzung der eigentlichen Vor- lage (p. 106, 14f.) vergleichen. Die Einlage zerfällt nun durch die Bemerkung Theons (p. 93, 8ff.) in zwei Abschnitte; doch ist diese Teilung nur äusserlich, denn inhaltlich hängen sie beide aufs engste zusammen, wie auch Theon selbst ausführt. In dem ersten Abschnitte nämlich wird gezeigt, dass die Konsonanzen sich alle in der Vierzahl (zere«zrus) vereinigen; in dem zweiten wird daher ganz natürlich über das Wesen derselben gehandelt (vgl. auch p- 93, 17). Ausserdem ist die gedachte Bemerkung Theons auch nur dadurch entstanden, dass er hier seime Einlage insofern kürzt, als er die Geltung der Konsonanzen in dem Bau der Welt auslässt, um sie in der Darstellung der Astronomie zu geben (vgl. p. 93, Sff. mit p. 204,23 ff. Dieses fehlt bei Theon). Die Einlage ist also einheitlich und demnach nur von einem Gewährsmanne entlehnt. Diesen nennt Theon dreimal: Es ist Thrasyllus. — In der ersten Hälfte der Darstellung beginnt Theon seine Theorie nach Adrastus (p. 49, 6) mit der Unterscheidung der Geräusche und Töne, geht dann zu der Lehre von den Konsonanzen und den Tongeschlechtern über und schliesst un- mittelbar hieran einen Bericht über die Auffindung der letzteren (p. 56, 9 bis 61,18). Diesen bezeichnet er selbst wieder als eine Einlage in die Dar- stellung des Adrastus; vgl. p. 61,18ff.: ταυτὶ μὲν περὶ τῆς εὑρέσεως τῶν ovu- φωνιῶν" ἐπανέλθωμεν δὲ ἐπὶ τὰ ὑπὸ τοῦ Αδράστου παραδεδομένα. Die Veranlassung zu derselben hat offenbar die Bemerkung des Adrastus (p. 61,20f.) gegeben: Die Verhältnisse, welche bei den zu der Auffindung der Konso- nanzen gefertigten Instrumenten angewandt seien, stimmten mit der Wahr- nehmung und umgekehrt. Die Einlage enthält die Bestimmung dersel- -- 411] — Ἧ Varro Macrobius Thrasyllus | Philo εἴ Somn. Se. (Theon ed. Hiller) | de opifie. mundi), ® 16,5: septenarü | Ρ. 22M. 8 81. ᾿Ὰ ͵ numeri] ut expres- μεταβατέον δὲ χαὶ -. sius plenitudo no- ᾿ ἐπὶ... ἐβδομάσος εἶ- scatur, primum | dog τὸ περιεχόμενον merita partium.. | dv δεχάδι .. διέαι- investigemus. con- | ρεῖται γὰρ πρῶτον stat.. vel ex uno μὲν εἰς μονάδα χαὶ et sex, velex duo- bus et quinque, | vel ex tribus et ade, ἔπειτα εἰς δυάδα χαὶ πεντάδα, χαὶ τελευταῖον εἰς quattuor. | ᾿ grade χαὶ τετράδα. 16,86: omnium | Ρ. 24 $ 34: χα- eorporum tressunt | λεῖταν δὲ ἡ ἔβδο- dimensiones, lon- gitudo latitudo | profunditas. termini annume- | p. 97,3: τρίτη τες σίμπαντα. τεχ- ratoeffectu ultimo | zgazrös .. ἐκ ση- μηριώσαιτο δὲ ἄν quattuor,punctum | usiov γραμμῆς ἐπι- τις ἐχ τοῦ πᾶν σῶμα linea superficies et πέδου στερεοῦ. ὀργανιχὸν τρισὶ μὲν ipsa soliditas. χεχρῆσϑαι διαστά- item eum quat- | p.97,4fl.: τετάρτη σεσι, μήχει βάϑειχαὶ tuorsintelementa, δὲ τετραχτύς ἐστι πλάϑει" τέσσαρσι δὲ μὰς .. καὶ τελέσφο- a ee ρος, ἐπειδὴ ταύτῃτε- λεσφορεῖται τὰ WPD Fi ben. Da nun dieselbe nicht bei Adrastus stand, und Theon seine Hauptquelle -_ durch Zusätze aus Thrasyllus vervollständigt, so liegt der Schluss auf der Hand, dass er auch diesen Bericht ihın entlehnt hat. Dies lehrt auch wieder ‚der Inhalt. Ohne dass dazu irgend eine Veranlassung vorläge, werden hier die Konsonanzen unter der Vierzahl (τετραχτύς) zusammengefasst (p. 58, 13 ff.): Dies ist das Thema der vorhin behandelten Einlage. Ebenso wie mit dem nachfolgenden Bruchstücke des Thrasyllus hängt sie auch mit dem ersten _ zusammen, das Theon an den Anfang gestellt hat, sie setzt sie nämlich ein- fach fort: Der erste Abschnitt aus Thrasyllus führt die Abhandlung bis zur Aufzählung der Konsonanzen und der diesbezüglichen Stellung des Viertel- tons (δίεσις) zum Ganzton. Ebenso weit reicht auch die erste Abhandlung aus Adrastus; vgl. p. 48,20 Ε΄. mit p. 55, 88. Die Einlage (p. 56, 9 ff.) über die Auffindung der Konsonanzen knüpft also gerade an den Abschnitt des Adrastus an, den sie auch selbst in der Darstellung bei Thrasyllus fortsetzte, gerade wie dies bei der vorigen Einlage der Fall ist (vgl. p. 85, 8 ff. mit Ῥ. 106, 13 ff.). Mit diesem Ergebnisse stimmt der ganze Charakter der aus- geschiedenen Stellen unter sich sowohl, als auch im Vergleiche mit der Dar- stellung, die aus Adrastus genommen ist. ἡ Philo hat die diesbezügliche Darstellung: 1. in de opif. m. p. 21 M. 8 30R.#. und 2. kürzer in leg. alleg. I p. 4 Μ. 8 2R.ff. Auch an der "ersten Stelle will er nicht ausführlich sein vgl. ds. p. 21 M. $ 30. R. Varro — 149 = Macrobius terra aqua aer ig- nis, tribus sine du- bio interstitiis se- parantur . . ex quattuor igitur elementis et tribus eorum interstitiis absolutionem cor- porum constare manifestum est. ($ 24) quaternari- us (numerus) duas medietates .. nac- tus est. quas ab hoc numero deus.. mutuatus insolu- bili inter se vin- ceulo elementa de- vinzit, sieut in Ti- maeo Platonis ad- sertum est... (8 92) nam quantum in- terest interaquam causa densitatis et ponderis et aerem, tandundem inter aerem et ignem .. est, et . . inter aquam et ter- ram. 1 6, 41: quater- narium ... Pytha- gorei, quem re τραχτύν vocant, adeo quasi ad per- fectionem animae pertinentem inter arcana numeran- tur, ut ex eo et iuris jurandi reli- gionem sibi fece- rint: οὐ μὰ τὸν ἁμετέρᾳ ψυχᾷ παραδόντα τετραχτύν ... (Theon) τῶν ἁπλῶν σωμά- πυρὸς ἀέρος [ - - ὕδατος γῆς, ἀναλο- γέαν ἔχουσα τὴν κα- των, τὰ τοὺς ἀριϑμούς. τοιαύτη γὰρ ἢ φύσις τῶν στοιχεί- ων χατὰ λεπτομέ- ρειαν χαὶ παχυμέ- ρειαν, ὥστε τοῦτον ἔχειν τὸν λόγον πῦρ πρὸς ἀέρα, ὃν ἕν πρὸς β΄, πρὸς δὲ ὕδωρ, ὃν ἕν πρὸς γ᾽ .. ὃ δὲ ἐκ τῶν τετραχτύων τού- των συστὰς κόσ- wos ἔσταν ἡρμοσ- μένος κατὰ γεωμε- τρίαν χαὶ ἁρμονίαν χαὶ ἀριϑμόν χτλ. p- 94: ἡ τετραχτὺς] οὐ Διὰ τοῦτο δὲ μόνον πῶσι τοῖς Πυ- ϑαγοριχοῖς προτετί- unteı, ἀλλ᾽ ἐπεὶ καὶ δοκεῖ τὴν τῶν ὅλων φύσιν συνέχειν" διὸ χαὶ ὅρχος ἣν αὐτοῖς" οὐ μὰ τὸν ἁμετέρᾳ ψυχᾷ παραδόντα τετραχτύν, παγὰν ἀενάου φύ- σεως ῥίζωματ᾽ ἔ- χουσαν. Philo πέρασι, σημείῳ χαὶ | γραμμὴ καί ἐπι- φανείᾳ χαὶ στερεῷ, | di’ ὧν ovvıederrwv ἀποτελεῖταν £Pdo- uds xt). Gell. 1.30: linea est, inquit (se. Var- ro) longitudo . . sine latitudine et altitudine. Euclei- des... γραμμή, in- quit, μῆκος ἄπλα- Be... planum (ἐπίπεδον) est, quod in duas partis . . lineas habet, qua latum ᾿ς estet qua longum. solidum (στερεόν) _ est, quando non longitudines pla- _ nas numeri linea- rum effieiunt, sed etiam extollunt al- titudines, quae χύβους .. quales sunt tesserae, qui- bus in alveo lu- ditur. in numeris etiam similiter χύβος di- eitur, cum omne latus eiusdem nu- meri aequaliter in sesesolvitur, sieuti fit, cum ter terna ducuntur atque ipse numerus ter- plicatur. der Fläche. Macrobius 413 (Theon) II 2,4. (vel.I5, ὃ ff.): dieunt pune- lum corpus individuum, in quo neque longitudo neque latitudo. hoe .. effieit Z- neam longum est sine lato sine alto. hane lineam si geminaveris.. COT- pusefficies, quod.. aestimatur longo latoque . . sıwer- fieies') (ἐπίπεδον). | IT. -1I2,9: fit tribus dimen- sionibus impletis | , eorpus solidum, quod στερεόν γο- cant, qualis 'est tessera, quae#ußog vocatur. I, 24,8, es ΔΗ geometrieis ratio- nibus adplicatur natura numero- | rum. monas punctum putatur..origo nu- merorum. primus ergo numerus in duobus est, qui similis lineae .. hie numerus duo esse p. 94,15ff.: ἡ μον- ἃς. ἀρ χὴ πάντων, ἀρτίων καὶ περιτ- τῶν διὸ δύο λαμβάνονται αἵ χα- πολλαπλασιασ- . τα | μὸν τετραχτύες, ἀρ- Philo p. 23 $ 32: ση- μεῖον μέν ἐστι χα- τὰ μονάϑα, γραμμὴ δὲ χατὰ δυάδα, ἐπίπεδον δὲ χα- τὰ τριάδα τέτα- χται.. τὰ δὲτέσσαρα στ ε- ρεοῦ χατὰ τὴν τοῦ ἑνὸς πρόσϑεσιν, βά- ϑους ἐπιπέδῳ προσ- \ τεϑέντος" ἐξ οὗ δῆλόν ἐστιν, ὅτι ἡ τῆς ἑβδομάδος γεωμετρίας στερεω μετρίας ἀρχὴ καὶ συνελόντι οὐσία χαὶ φράσαι ἀσωμάτων ὁμοῦ χαὶ σωμάτων... p. 22 8 30. ἀεὶ γὰρ ὁ ἀπὸ μονάδος συν- τιϑέμενος ἐν διπλα- σίοις ἢ τριπλασίοις ἢ συνόλως ἀναλο- γοῦσιν ἕβδομος d- gr uös χύβος TE χαὶ τετράγωνός ἐστιν, ἀμφότερα περιέχων, ἀσωμάτου τὰ εἴδη τῆς TE χαὶ σω- 1) Macrob. gebraucht sowohl superfieies als planities zur Bezeichnung Varro ‚ mMonas — 44 — Maerobius geminatus de se effieit quattuor ad similitudinem ma- thematici corporis (sc. superficiei). quaternarius ge- minatus octo effi- eit, qui numerus solidum corpus imitatur .. et hoc est, quod apud geometras dieitur bis bina bis cor- pus .. quia tam paris quam im- paris numeri mo- nas origo est, ter- narius numerus prima linea esse eredatur. hie tri- plicatus novena- rium numerum fa- eit, qui et ipse.. longum latumque eorpus effieit . . item novenarius triplicatus tertiam dimensionem prae- stat. etitaa parte imparis numeri in viginti septem, quaesuntterterna ter solidum corpus effieitur, sieut in numero pari bis bina bis .. ergo ad efficiendum .. solidum corpus necessaria est et sex alii nu- meri, id est terni a pari et impari.. Timaeusigitur Pla- tonıs in fabriecanda mundi anıma .. (Theon) Tie χαὶ περιττή, ἡ μὲν ἀρτία ἐν λόγῳ διπλασίῳ, πρῶτος γὰρ τῶν ἀρτίων ὃ β΄... ἡ δὲ περιττὴ.. ὃ γ᾽" «τρίτος δὲ ἐν μὲν τοῖς ἀρτίοις 6 δ΄, ἐν δὲ τοῖς περιτ- τοῖς ὃ 8' - τέταρτος ἐν μὲν τοῖς ἀρτίοις η΄, ἐν δὲ τοῖς περιτ- τοῖς χζ'.. ϑύναταν δὲ ἣ μὲν μονὰς τὸν τῆς ἀρχῆς χαὶ σημείου χαὶ στι- γμῆς λόγον" οἱ δὲ δεύτεροιπλευ- ρὰν δύνανται ὅ τε ς ‚ β' καὶ ὃ γ΄. οἱ δὲ τρίτον ὅρον ὃ δ΄ καὶ ὃ ϑ' δύναν- ταν ἐπίπεδον... ἰσά- χις ἴσον ὄντες" οἱ δὲ τέταρτοι ὅρον ὅ τὲ η΄ χαὶ ὃ χζ' δύ- vavraı ἰσάχις ἴσοι ἰσάκις (ὄντες) κύβον. ... ὥστε ἐχ τούτων τῶν ἀριϑμῶν.. ἀπὸ σημείου καὶ στιγμῆς εἰς στερεὸν ἡ αὔξησις γίνεταν" μετὰ γὰρ σημεῖον .. πλευρά, μετὰ πλευρὰν ἐπέπε- dov, μετὰ ἐπίπεδον στερεόν... ἐν οἷς ἀρυϑμοῖς zei τὴν ψυχὴν συνί- στησιν ὃ Πλάτων ἐν τῷ Τιμαίῳ. Philo uatızas οὐσίας" τῆς μὲν ἀσωμάτου κατὰ τὴν ἐπίπεδον, ἣν ἀποτελοῦσιν τετρά- γωνοι, τῆς δὲ σωμα- τικῆς χατὰ τὴν ἕτέ- ραν, ἣν ἀποτελοῦσι κύβοι. Varro Censor. e. 10, 6; 8f. (vergl. Gell. XVOI 14): sym- phoniae simplices _ ac primae sunt tres.. Pythagoras deprehendit tunc duas chordas con- ‚einere .. διὰ τεσσάρων, cum earum pondera | inter se collata _ habent rationem, _ quam III ad IV, quem phthongon ον ἐπίτριτον vocant. τς symphoniam die πέντε... in- _ venit, ubi ponde- _ rum diserimen in _ sesquialtera por- _tione, quam II fa- eiunt adIII..quod ἡμιόλιον appellant. cum .. altera duplo maiore pon- dere quam altera urch. ®) Vgl. Macrobius ait!) illam per hos numeros Juisse con- texztam etsq.?). ($ 18): ex his nu- meris fuerat com- | ponenda (sc.anima mundana), quisoli eontinent iugabi- lem ecompetentiam etsqg. (= I 6, 43; Π| 119): II 1, 13: Pytha- | goras.. deprehen- dit numeros, ex quibus soni sibi eonsoni nasceren- tur . est epitritus, cum | deduobus numeris maior habet totum minorem et in- super eius tertiam partem, ut sunt IV ad IlI.. deque eo nascitur sym- phonia διὰ reooc- | ρων. hemioliusest, cum | de duobus numeris | maiorhabettotum minorem et in- super eius medie- tatem, ut sunt III | ex hoe | 30. ἪΠ᾿ . - numero .. naseitur διὰ πέντε. duplarisnumerus est,eumde duobus numeris minor bis 415 (Theon) p. 95, 1418: ἐν τούτοις τοῖς ἀριεϑ- μοῖς (οἷν τελειότεροι τῶν συμφωνιῶν εὑ- ᾿ρέσχονται λόγοι. p- 56, 9ff.: δὲ ᾿ φϑόγγους ἐν λόγοις τοὺς συμφωνοῦντας τοῖς πρὸς ἀλλήλους... | ἀνευρηχέναν doxei | Πυϑαγύρας.. τοὺς μὲν διὰ τεσ- σάρων ἐν ἐπιτρίτῳ") τοὺς δὲ διὰ πέντε 8 , ἐν ἡμιολίῳ. τοὺς δὲ διὰ πασῶν ἐν διπλασίω" τοὺς μὲν διὰ na- | Philo ΟΡ 8 97 p- 26 $ 37: δὲ μόνον, ἀλλὰ zai.. ἐστι οὐ τελέσηορος ς ’ ÜPUOVIKWTAETN..TIN- τοῦ χαλλίστου Yn διαγράμματος, ὃ 2. πάσας .. τὰς douo- νίας ... περιέχει" ὁ μὲν ὀχτὼ πρὸς ἕξ ἐν ἐπιτρίτῳ λόγῳ, χαϑ ἣν ἡ διὰ τετ- ᾿τάρων ἁρμονία ἐσ- τίν" ὁ δὲ ἐννέα πρὸς Ἐξ ἐν ἡμιολίῳ, καϑ' : ς ἡ διὰ πέντε" ὁ δέ δώϑεχα πρὸς ἘΞ ἐν διπλασίονι, χαϑ' ἣν ἡ διὰ πασῶν Ε΄ ἢ) Die nachfolgende Erklärung Platos (8 16—17) entspricht der Dar- stellung des Thrasyllus ebenso, ja fast noch mehr. 2) Vgl. ebendas. $ 18ff. und I 6, 43ff. Macrob. führt dies mehrmals p. 48, S5ff., wo dasselbe in weiter Ausführung gegeben wird nd zwar direkt nach Thrasyllus. Varro tenderetur et esset διπλάσιος λόγος διὰ πασῶν sonabant. (tribussympho- niis simplieibus ac primis) con- stant reliquae'). (symphonia διὰ πασῶν) est vel sex tonorum, ut Aristoxenus musi- eique adseverant, vel quinque duorum hemito- niorum, ut Pytha- goras geometrae- que, qui demon- strant III hemi- tonia tonum com- plere non posse. quare etiam huius modi intervallum abusive hemito- nium, proprie .. διάλειμμα appel- lat. ') Censorin hat diese aus braucht. et | Maecrobius in maiore nume- ratur ut sunt IV adelleewexshoer: nascitur sympho- nia .. die πασῶν. eum de duobus numeris minor ter in ma- iore numeratur .. ex hoc numero symphonia .. dı« πασῶν χαὶ διὰ πέντε. triplaris . . quadruplus est, cum de duobus numeris minor quater in maiore numeratur..qui.. facit symphoniam .. dis διὰ πασῶν. epogdous .. nu- merussonum parit, quem τόνον musici vocaveruntsonum εν tono minorem semitionium voci- tare voluerunt .. quem tam parvo distare a tono de- prehensum est, quantum hi duo numeri inter se distant, id est CCXLIN et CCLVI. hoe semitonium Pythagoriei... die- συν nominaverunt ..; Plato λεῖμμα. 416 (Theon) σῶν χαὶ διὰ τεσσώ- ρων ἐν λόγῳ τῶν 7 πρὸς γ΄, ὃς ἐστι... διπλάσιος zei dio- ἑπίτριτος. τοὺς δὲ διὰ πασῶν χαὶ διὰ πέντε ἐν λόγῳ τριπλασίῳ. τοὺς δὲ dis διὰ πασῶν ἐν τετραπλα- σίῳ. [2 τῶν ἄλλων ἡρμοοσ- μένων τοὺς μὲν τὸν τόνον περιέχοντας ἐν ἐπογδόῳ λόγῳ, τοὺς δὲ τὸ νῦν λεγό- μενον τότε δὲ ἡμιτόνιον, dissıv — idem λεῖμμα p. 86, 15 ff. — ἐν ἀριῦ- μοῦ λόγῳ πρὸς ἀριϑμὸν τῷ τῶν σνξ πρὸς ouy'. Philo (vgl. p. 22 9 31 Schl.) p- 22 891: αὐτίχα συνέστηχε τὰ ἑπτὰ ἐξ ἑνὸς Zei δυοῖν χαὶ τεττάρων ἐχόν- των» d'vö λόγους ὧρ- μονιχωτάτους... τὸν δὲ τετραπλάσιον τήν dis διὰ πασῶν (sc. συμφωνίαν) ἀποτε- λοῦσα χτλ. gelassen, weil er sie nachher nicht mehr ge- — 47 — Varro Maerobius (Theon) Philo c. 11,4: nec im- | 1 6, 12: senarius Ρ. 102,4: ὁ de <| leg. alleg. I p. Ἡ merito senarlus | (numerus) ... pri- τέλειος, ἐπειδὴ τοῖς ὃ 2: vonrior, ὅτι... fundamentum gig- | mum .. solus ex ἑαυτοῦ μέρεσίν ἐστιν τέλειον δὲ dosd or nendi est: nam | omnibus numeris, ἴσος... (101,6 δ) ἡ eum telion Graeei | qui intra decem | τς, quod eius par- | sunt, de suis par- | vddos χαὶ δυάδος ἑαυτοῦ μέρεσιν tes tres, sexta et | tibus constat. ha- « ποιεῖ χατὰ σύν- tertia et dimidia, | bet enim medie- ϑεσιν. id est unus et duo | tatem et tertiam | et tres, eundem | partem et sextam ipsum perfieiunt. | partem et est me- dietas tria, tertia | pars duo, sexta | pars unum, quae omnia simul sex faciunt. ec. 11,2 ff.: Py-| humano partui | . . γάμον αὐτὸν thagoras .. duos frequentiorem esse partus . . | usum novem men- dixit, alterum mi- | sium .. natura | norem .. septem- | constituit, sed | mestrem..alterum | ratio sub adseiti maiorem decem- | numeri _senario | mestrem..quorum | multiplicatione prior .. senario .. | procedens etiam eontinetur nu- | septem menses mero ... hi!) quat- | compulit usurpari. _ tuor numeri VI | coeunt enim nu- | _ VOIIXXI con- | meri, mas ille me- " iuneti faciunt dies | moraturetfemina, | hi N τὸν ἔξ" ἐπειδὴ πρῶ | δὲ τριὰς ἐκ τῆς μο- τὸς ἴσος ἐστὶ τοῖς , ἣμ ice χαὶ τρίτῳ χαὶ ἑχτῷ. (vgl. mund, |op. Ρ. ὃ 8 5). ἐχάλουν. | AXXV. .. hoc... | octo seilicet et _ alterum mätu- | viginti septem '!) ἢ rescendi funda- | pariunt exsequin- _ mentum .. sexies | que et tringinta: _ duetum, cum ad | haeec sexies multi- ᾿ς diem ducentesi- | plieata ereant de- | mum deeimum | cem et ducentos, pervenit,maturum | qui numerus die- procreatur. rum mensem sep- EEE s = timum celaudit. | a 1) Eine unbedeutende Verschiedenheit zwischen Censorin und Macrobius $ 3 ‚se Zahlen vom arithmeti- DE ist hier dadurch entstanden, dass Macrobius diese Zahlen vom schen, Censorin vom musikalischen Standpunkte aus betr: achtet. Beide ei Erınkte schliessen sich nicht aus, sondern ergänzen sich, wie Macrobius an verschiedenen Stellen zeigt. Schmekel, mittlere Stoa. τῷ «ἴ Varro Maerobius habet (senarius 'n.) et alia suae | venerationis in- dieia. I 6, 11: septenario (numero) adeo opinio virginitatis inolevit, ut Pallas quoque vocitetur, nam virgo ceredi- tur, qui nullum ex se parit numerum duplicatus .. intra denarium ... Pallas ideo, quia exsolius monadis fetu et multiplieatione | processit, sieut Mi- | bitam nerya sola ex uno parente nata per- hibetur. 16,45 ff.: hie nu- merus ἑπτάς nunc vocatur antiquato usu primae litte- rae, apud veteres enim σεπτάς vocita- batur,quodGraeco nomine testabatur venerationem de- numero. nam.. hoc numero anima mundana generata est, si- cut Timaeus Pla- tonis edoeuit quia mundanae animae origo sep- tem finibus con- tinetur. 418 (Theon) vgl. p. 102, 6 ff. p. 103, 1ff.: ἡ ἐβ- δομὰς.. μόνος τῶν > x - ’ ἐντὸς τῆς δεκάδος » - a οὔτε γεννᾷ ἕτερον οὔτε γεννᾶταν ὑφ᾽ ς [4 x ἑτέρου: διὸ ᾿ϑηνῷ ὑπὸ τῶν Πυ- x za ϑαγοριχῶν ἐχαλεῖτο, οὔτε μητρός τινος μήτηρ. οὔτε γὰρ γίνεται ἐκ = a ουὐσὰ OUTE συνδυασμοῦ οὔτε συνδυάζεταί τινι. p. 103, 16 ff.: ἐπό- μένος «δὲ τῇ φύσεν za ὃ Πλάτων ἐξἕ ἑπτὰ ἀριϑμῶν συν- ioryo τὴν ψυχὴν ἐν τῷ Τιμαίῳ. Philo m. opif. p. 23, $ 33: ἐχείνων (se. ἀριϑμῶν) γὰρ οἵ μὲν γεννῶσιν οὐ γεννώμενον, οἱ δὲ γεννῶνταν μὲν, οὐ γεννῶσι de, οἱ δὲ ἀμφότερα .. μόνος δὲ... ὃ ἑπτὰ οὔτε γεννᾶν πέφυχεν οὔ- TE γεννᾶσϑαι. di ἣν αἰτίαν οἱ μὲν ἄλλον φιλόσοφοι τὸν ἀριϑ- μὸν τοῦτον ἐξομοι- οὖσιτῇ ἃ μήτορυ Νίχῃ χαὶ Παρϑένῳ, ἣν ἐχ τῆς τοῦ “ιὸς χε- φαλῆς ἀναφανῆναν λόγος ἔχει, oi δὲ Πυ- ϑαγόρειον τῷ ἣγε- μόνν συμπάντων 1). p. 80 8 42: διό μον δοχοῦσιν οἱ τὰ ὀνόματα τοῖς γράμ- μασιν ἐξ ἀρχῆς ἐπι- φημίσαντες ἅτε σο- φοὶ κχαλέσαν τὸν ἀριϑμὸν ἑπτὰ ἀπὸ Tod... σεβασμοῦ. ') Philo scheidet hier die Pythagoreer und die anderen Philosophen; in der Parallelstelle leg. allegor. I p.46 M.$5.R. findet sich diese Scheidung nicht, vielmehr wird daselbst die Ansicht, die hier den „anderen Philo- sophen“ zugesprochen wird, den Pythagoreern beigelegt. Varro Censor. ce. 13, 1 bes. 5 ff. = Gell. III 10, 2: septem stellae inter cae- lum et terram vagae. eireulos quoque ait (se. Varro) in caelo.. septem esse. Gell. III 10, 6: praeterea seribit lunae eurrieulum confiei integris quater septenis diebus. Gell. II 10, 4: neque ipse zodia- eus septenario nu- mero caret: nam in septimo signo fit solstitium a bruma, in septimo bruma a solsti- titio, in septimo aequinoctium ab aequinoctio. Macrobius septem vagantium sphae- rarum ordinem illi stelliferaesubieeit artifex... lunamque... nu- merus septenarius movet .. octo et viginti diebus to- tius zodiaci am- bitum eonfieit ... (8 55) qui in qua- terseptenos aequa sorte digeritur .. (8 54) primis septem dıyo- ouos vocatur, secundis..plena .. tertiis dıyorouos rursus .. quartis ultima luminis sui diminutione te- nuatur. 8 57: sol .. ipse septimo signo vi- ces suas variat. nam ἃ solstitio hiemali ad aesti- vum .. septimo pervenit signo et tropico verno us- que ad auctum- nale septimi signi peragratione perdueitur. 8. 58 ff.: tres quo- que conversiones lucis aetheriae per hune numerum eonstant ... anni.. mensis .. diei .. 419 quoque | (Theon) p. 104, 13: =. πλῆϑος τῶν πλανω- μένων ἑπτά. Ρ. 103, 19: μὴν δὲ χαϑ' EBdouddas τέσ- σαρας συμπληροῦ- ται, τὴ μὲν πρώτῃ ἑβδομάδι μου τῆς σελήνης ὄρ- ωὠμένης, τὴ δὲ δευ- τέρς. πλησισελήνου, διχοτό- τῇ δὲ τρίτῃ diyoro- μου, πάλιν δὲ τῇ τετάρτῃ σύνοσον ποι- ουμένης πρὸς ἥλιον χαὶ ἀρχὴν ἑτέρου μηνός. p. 104, 12 ff.: ἀπὸ τροπῶν δὲ ἐπὶ τρο- πὰς μῆνες ἑπτὰ. χαὶ ἀπὸ ἰσημερίας ἐπὶ ἰσημερίαν μῆνες ἑπτά. P- 103, 18: ἡμέρα Philo p. 27, $ 38: γε μὴν πλάνητες ἣ οἵ | Te ἀντίρροπος στρα- τιὰ τῆς τῶν ἀπλα- νῶν ἱπτὰ διαχο- σμοῦνται τάξεσιν. Ρ. 24, 8 34: ἐπι- δείχνυται ἑβδομὰς .. σελήνης .. περι- όδοις.. αὔξεται... ἀπὸ τῆς πρώτης μη- νοειδοῦς ἐπιλάμ- ws ἄχρι διχοτό- μου ἡμέραις inte, εἶϑ᾽ ἑτέραις τοσαύ- ταις πλησμραὴς yi- μνέται... ἀπὸ μὲν τῆς πλησιψαοῦς ἐπὶ τὴν διχότομον ἑπτὰ πέ- λιν ἡ μέραις, εἶτ' ἀπὸ ταύτης ἐπὶ τὴν μη- νοειδὴ ταῖς ἴσαις. Ρ. 28, $ 39: ὁ.. ἥλιος διττὰς χαϑ' ἕχαστον ἐνιαυτὸν ἀποτελῶν ἰσημερίας, ἔαρι χαὶ μετοπώρῳ, εὐ ἐναργεστάτην nap- ἐχέται πίστιν τοῦ περὶ τὴν ἑβδόμην ϑεοπρεποῦς" dxa- τέρα γὰρ τῶν ἰσημε- ριῶν ἑβδόμῳ γίνε- ται μηνί. p. 27, 8 88: oi.. πλάνητες h Te orou- ie τῆς τῶν ἀπλα- ἑπτὰ διαχο- τάξεσιν νῶν... σμοῦνται . καὶ νὺξ. ἀρτίου | πλείστην ἐπιδειχνύ- 217" Varro Gell> III 210,2: Ine- septenarius] nu- » 41 merus . . septen- triones maiores minoresque in item quas Graeei caelo faecit vergilias, πλειάδας vocant?). Censor. ὁ. 11, 6: alter autem. 1116 partus, qui maior est, maiori numero continetur .. sep- tenario .. quo tota vita humana fini- [ὐῦ θα. ὁ Maecrobius | est vero unaquae- que conversio qua- dripartita — hu- mida, calida, sicca, frigida — et ita constat septena- rius numerus. 8 61: oceanus quoque in incere- mento suo hunc numerum tenet?). $ 62: hie nume- rus, qui hominem concipi formari edi vivere ali ac peromnesaetatum gradus tradi se- nectae atque om- | nino constare fa- | eh. uterum nulla vi seminis occupa- tum hoc dierum numero natura 420 (Theon) χαὶ περιττοῦ φύσιν ἔχουσι 1). | p. 104,19: οἵ ze εὔριπον τὸ πλεῖστον ἑπτάχις τῆς ἡμέρας μεταβάλλουσιν 9) p. 104,1: αἵ re αὐξήσεις χαϑ᾽ EBdo- μάδα. Philo YA usvoı συμπάϑειαν πρὸς ἀέρα καὶ γῆν. τὸν μὲν γὰρ εἰς τὰς ἐτησίους χαλουμένας ὥρας τρέπουσι... πάλιν TE ποταμοὺς πλημμυροῦσν usıovor... zei χαὶ πελαγῶν ἐργά- N 2 τροπὰς ἐξ ἀναχωρούντων ἢ ζθῶς μένων... Ἄρχτος τὲ x 2 ς Ν > μὴν... ἐξ ἑπτὰ ἀσ- τέρων συνέστηχεν.. ζονταν παλιρροίας χαὶ ὃ τῶν πλεία- δὼ ν χορὸς ἀστέρων ἑβδομάδι συμπε- πλήρωται, ὧν αἱἷ ἐπιτολαὶ χαὶ αἵ ἀπο- χρύννεις ἀγαϑῶν αἴτιαι πᾶσι μεγάλων γίνονται 5). Ῥ. 29, 8 41: πάλιν τε αὖ γυναιξὶν ἡ χαταφορὰ τῶν χατα- unviov εἰς ἐπτὰ τὰς ') Der Zusammenhang dieser Stelle mit dem Preise der Siebenzahl tritt. hier nicht klar zu Tage, doch wird sie direkt dazu verwandt; also liegt die Unklarheit offenbar an der Kürze des Berichtes. ?) Die verschiedenen Schriftsteller berichten hier offenbar verschieden genau über dieselben Gegenstände. ze Varro Gell. III 10.7 ff.: . . septima autem fere hebdomade.. homo in utero ab- solvitur (vgl. Cen- ΠΟΤ 1 t.; 11, DR. T. 2 10}. ΝΠ. GelüT'1o, 8: } 2 ἢ antemensem septi- Ἢ mumnegquemasne- Ἢ quefeminasalubri- ter... nasci potest et.. qui iustissime inuterosunt..qua- dragesima denique hebdomade ..nas- euntur.—Oens.7,2: ferme omnes .. 0C- tavo mense nasci negaverunt. Censor. ὁ. 7, 2: post septimum mensem dentes nobis innascuntur (= Gell.IIL10, 12). Macrobius eonstituit mfnse redeunte purgari. Saba Ser mer septenos dies con- cepti corporis fa- bricam dispensant | . . quinta (sc. heb- domade) .. inter- dum fingi in ipsa substantia humo- ris humanam figu- ram ..ideo autem | . . interdum’, quia constat, quotiens quinta hebdomade fingitur designatio ista membrorum, menseseptimo ma- | turaripartum;cum autemnono mense absolutio est, si quidem femina fabricatur, sexta hebdomade membra iam di- vidi; si masculus, septima. $ 14 θ΄: humano partui frequentio- rem usum novem mensium .. COn- stituit, sed.. etiam septem menses compulit usurpari etsq. 8.69: postseptem menses dentes in- futura | N μενα eipiunt mandibu- | lis emergere. (Theon) 104, 1ff.: zo p- γοῦν βρέφος dozei | τελειοῦσϑιαι ἐν ἑπτὰ ἑβδομάσιν... ἔνιοι δέ φασι τὰ ἄρρενα ἐν πέντε ἑβϑομάσι τελειοῦσϑαι. p. 104,4: γόνιμα δὲ γίνεσϑαι ἐν ἑπτὰ uni. p. 104, 5: γενό- δὲ ἐν ἑπτὰ μησὶν odovropveir' I Ι Philo πλείστας ἡ μέρας χο- ρηγεῖται. zard yü- oroös βρέφη μησὶν χαὶ τὰ ἑπτὰ ζωογονεῖσϑαι πέχψυχεν, γίνεται γὰρ τὰ ἐπ- Tdunva γόνεμα, τῶν ὡς ζωογονεῖ- ὀχτωμηνεαίων ἐπίπαν N ΐ 17 ΄ σϑαι μὴ δυναμένων. Varro Censor. ce. 14, 1: proxime videntur adeessisse natu- ram, qui hebdo- madibushumanam vitam emensi sunt . ut et in elegia Solonis cognoscere datur.. ait enim in prima heb- 4.» c7,domade dentes cadere " j 3 z,/yYhomini (= Gell.III 10,12). in secunda pu- _ beinapparere (vgl. Ὁ τ ΠΝ): in tertia barbam nasci. in quarta vires?).. in deeima homi- nem morti fieri maturum. c. 14, 9: praete- rea multa sunt de Macrobius 8 70: post annos septem dentes, qui primi emerserant aliis .. cedunt. $ 71: post annos εν bis septem ipsa aetatis necessitate pubeseit. 8 72: post ter septenos annos genas flore vestit iuventa idemque annus finem in longum erescendi faeit. quarta annorum hebdomas impleta in latum quoque crescere ultra iam prohibet ... 8 76: cum vero dexas ἑπτάσιε jun- gitur .. hoc vitae humanae perfec- tum spatium ter- minatur. 8 77: idem nu- merus totius cor- 422 (Theon) p. 104, 6fl.: &- βάλλειν Te τοὺς ὀδόντας ἐν ἑπτὰ ἔτεσι. σπέρμα δὲ καὶ ἥβη r ς ἐν δευτέρᾳ ἐβδο- r uddı. γένεια dE ὡς ἐπί- παν ἐν τρίτῃ (sc. ἐβ- δομάσι) καὶ τὴν εἰς μῆχος αὔξην ἀπο- λαμβάνει, τὴν δὲ εἰς πλάτος ἐν τετάρτῃ £Bdo- uddı. Philo Ρ. 25, $ 35: παρι- στῶσι τὴν.. δύναμιν ἑβδομάδος καὶ αἵ ἐχ βρέφους ἄχρι γήρως ἀνϑρώπων ἡλικίαν μετρούμε- ναι ταύτῃ... τὰς ἡλι- χίας ταύτας ἀνέ- γραψε καὶ Σόλων . . ἐλεγεῖα ποιήσας τάδε") χατὰ .. τὴν πρώ- την ἑπταξετίαν ἔχ- φυσις ὀδόντων ἐστί. χατὰ δὲ τὴν δευ- τέραν χαιρὸς τοῦ σδύνασϑαν προίς σϑαν σπέρμα Yovı- μον. τρίτῃ dE γενείων αὔξησις. χαὶ τετάρτῃ πρὸς ἰσχὺν ἐπίδοσις... χατὰ... τὴν δεχά- την τοῦ βίου τὸ εὑ- χταῖον τέλος. Ρ. 28, 8 40: διωμοί- ως..-τοῦ σώματος... ') Die Elegie selbst lassen wir hier der Kürze wegen aus. 2) Censorin und Philo referieren hier beide im engsten Anschluss an die vorhin genannte Elegie Solons; doch giebt ersterer ausdrücklich an, dass das Material der Quelle umfassender war. ἡ { j Varro his hebdomadibus, quae mediei ac philosopbi libris mandaverunt. Gell. III 10, 13: Venas vel potius arterias medicos musiecos (d.h. Hero- phiüus vgl. Cens. 6. 12, 4) numero moveri septenario τς τὴν διὰ τεσσάρων συμφωνίαν }). Gell. III 10, 14: diserimina .. in morbis . fieri putat in diebus, qui eonfieiuntur ex numero septe- nario, eosque dies οοὐχρισίμους᾽ videri primam hebdoma- dem et secundam et tertiam (vgl. Cens.c.11,6; 14,9). 1) Hier berichtet 1 nur einen Teil der Vorlage, die sich, wie wir oben sehen, berufen hatte. Maecrobius poris membra dis- ponit: septem sunt nigra membra: lingua eor pulmo iecur lien, renes ano, $79: septem quo- que sunt gradus mensionem altitudi- nis ab imo insuper- fiiem complent, medulla os nervus vena arteria caro eutis. $ 80: septem sunt corporis partes, caput pectus ma- nus pedesque et pudendum. $ 81: septem fo- ramina sensuum, oris oculorum na- rium et aurium bina. $ 81: hie nume- rus aegris quoque corporibus peri- eulum sanitatem- que denuntiat. | | | πνεύμων (Theon) p. 104, 15: σπλά yyva za ἑπτί, γλῶσσα χαρϑία Ὕ ἧπαρ Philo τί τε ἐντὸς χαὶ ἰχτος μέρη... ἑπτά. τὰ. σπλάγχνα, στόμαχος χαρδία πνεύμων σπλὴν ἧπαρ νεφροὶ δύο, σπλὴν vegooi do. | p- 104, 16: Ἣρό- ıpıklos δὲ τὸ τῶν in corpore, qui di- | ἀνϑρώπων ἔντερον πηχῶν εἶναί φησι. Σ᾽ Ἄς ͵ χή, ὅ ἐστι τέσσαρες ἑβδομάδες. x za p. 104, 14: ᾿ a ER πόροι τῆς χεφαλῆς | € ᾿ ἑπτά. p. 104,9 8: ei τε χρίσεις τῶν νό σων ἐφ᾽ ἡμέρας ἑπτά, καὶ ἡ βαρυτέρα χατὰ πώντας τοὺς περιο- διχοὺς πυρετοὺς εἰς τὴν ἑβδόμην ἐπ- αντῷ. τὰ... ἐν φανερῷ ταῦτ᾽ ἐστί, χεφαλὴ στέρνα γαστήρ dır- ταὶ χεῖρες, διτταὶ βάσεις. p. 39, $ 41: αἱ | βαρεῖαι νόσοι σωμά- των, χαὶ μάλιστα ὅταν ix d υσχρασίας τῶν ἐν ἡμῖν δυνά- μέων πυρετοὶ συνε- χεῖς ἐπισχήψωσιν, ἑβδόμῃ μάλιστά πως | ἡ μέρᾳ διαχρίνονται, eder der verschiedenen Schriftsteller wieder offenbar auf Herophilus Vergleichen wir die vorstehenden Berichte und namentlich die ersten drei mit einander, so lässt sich der Schluss unmöglich ab- weisen, dass sie auf dieselbe Urquelle zurückgehen: Sie bieten nieht nur denselben Inhalt in derselben Weise, sondern sie be- rufen sich auch zu verschiedenen Malen in gleicher Weise auf die gleichen Gewährsmänner. Da nun Varro der älteste der obigen Schriftsteller ist, so muss die gemeinsame Quelle älter als Varro sein. Über die Natur derselben giebt uns zunächst Macro- bius Aufklärung. Es kann nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, dass seine ganze Darstellung auf einen Kommentar zu Platos Timäus zurückgeht: Nicht um Ciceros »Traum des Seipio«, sondern um den Timäus Platos dreht sich die Erklärung, und zwar enthalten die oben näher bestimmten, in sich zusammenhängenden Kapitel in der Hauptsache die Erklärung des Wesens und der Natur der Weltseele'), wie sie Plato in der genannten Schrift dar- stellt. Macrobius rechtfertigt dies Verhalten einfach mit dem Grunde, das Verständnis des Platonischen Timäus schliesse das Ciceros ein (1 2,1). Auf dieselbe Natur der letzten Quelle weist aber auch der so kurze Bericht des Thrasyllus bei Theon; denn dreimal führt er in demselben Zusammenhange wie Macrobius die Schöpfung der Weltseele im Timäus an. Die gemeinsame (Juelle behandelte also unleugbar den Timäus Platos. Wir haben nun vorhin gesehen, dass es damals eine doppelte Richtung i in der Auffassung der Pythagoreischen Philosophie gab, eine Plato- nisch-peripatetische und eine Platonisch-stoische. Als Quelle für die letztere haben wir daselbst den Kommentar des Posidonius zu Platos Timäus erkannt. Posidonius bezeichnete in diesem den Hervorgang der Zahlen und Elemente aus der Monas oder der Gottheit in echt stoischer Weise als Fluss, wie der stets gleiche Gebrauch des Verbums ῥεῖν beweist. Dieselbe Bezeichnung des Hervorganges der Zahlen aus der Monas finden wir nun auch in dem angegebenen Abschnitte des Macrobius, und zwar in un- mittelbarem Anschluss an Platos Timäus I 6, 45: (septenario) numero anima mundana generata est sicut Timaeus Platonis edo- cuit. monade enim in vertice locata terni numeri ab eadem ex utraque parte fluxerunt, ab hac pares, ab illa impares etsq. Da wir gesehen haben, dass die Quelle älter als Varro ist, ergiebt 1 ὅ, 1; 6, 2 Β΄. 238. 29 Β΄. 458. ΠῚ 2, 1; 1A. Β ie sich der Schluss ganz von selbst, dass sie der Timäuskommentar des Posidonius war. Was wir nun hier erschliessen, wird uns auch direkt überliefert: In einer der vorhin aus Thrasyllus bezw. Theon angeführten Stellen lesen wir p. 103, 16 ff: ἑπόμενος δὲ τῇ φύσει καὶ 6 Πλάτων ἐξ ἑπτὰ ἀριϑμῶν συνίστησι τὴν ψυχὴν ἐν τῷ Τιμαίῳ ἡμέρα μὲν γὰρ καὶ νύξ, ὥς φησι Ποσειδώνιος. ἀρτίου καὶ περιττοῦ φύσιν ἔχουσι κτλ. Der Schluss ist also gewiss, den wir soeben gezogen haben, dass der Timäuskommentar des Posidonius die letzte Quelle der obigen Darstellung ist. Dieser Schluss wird nun noch durch weitere Thatsachen be- stätigt und ergänzt. Zunächst findet sich der oben vorgeführte Bericht über die Elemente der Musik, Arithmetik und Geometrie ganz ebenso wie hier auch in dem Bruchstücke, das Sextus aus diesem Kommentar erhalten hat!). Ungleich wichtiger aber ist die Auffassung der Platonischen Weltseele im Timäus, die uns in den obigen Berichten entgegentritt. Diese ist in Kürze folgende: Alle wirklichen Körper haben eine dreifache Ausdehnung, Länge, Breite und Tiefe; eine vierte Dimension giebt es nicht. Die Mathematiker aber konstruieren sich andere sogenannte mathe- matische Körper, die als solche nur dem Denken wahrnehmbar sind. Dieses sind der Punkt, die Linie, die Fläche und der Kubus. Sie entsprechen den Zahlen und entstehen wie diese aus der Eins in doppelter Abfolge: Die Eins ist der Punkt, die Zwei und 1 die Drei die Linie, die Vier und die Neun die 2—|—3 Fläche, die Acht und die Siebenundzwanzig der 4——9 Kubus. Wie nun die Zwei und die Drei die Prin- 2 cipien des Geraden und Ungeraden sind, sind auch die Weiterentwickelungen derselben gerade und ungerade, so dass die Weltseele in ihrer Ganzheit diese beiden Prineipien in sich vereinigt. Diese beiden Principien sind aber zugleich die des Männlichen und des Weiblichen; sie vereinigt also zugleich mit jenen auch diese in sich. Diese ihre Natur bedingt es, dass sie von der Eins zu der Entstehung der materiellen Körper in der Acht und Siebenundzwanzig fortschreitet. Die angegebenen Fort- schreitungen der Zahlen entsprechen nun den harmonischen In- tervallen, und diese sichern ihre innere Unauflösbarkeit. Als solche ist sie die Idee des Weltganzen oder die Idee schlechthin °). 1) Vgl. des Verfassers Diss. p. 71 sqq. 2) Als solche wird sie in diesem Kapitel nicht direkt bezeichnet, doch -- 420 -- Wenden wir uns jetzt zu der Auffassung dieser Frage, die Posi- donius in seinem Kommentar zu Platos Timäus niedergelegt hatte! Dieselbe findet sich in möglichster Kürze bei Plutarch: Das Mathematische steht zwischen dem rein Gedachten und dem Wahrnehmbaren oder Teilbaren. Der Natur desselben entspricht die der Seele; denn von jenem hat sie das Ewige, von diesem das Veränderliche (παϑητικόν). Das letztere ist die Substanz der körperlichen Grenzen. Diese beiden Bestandteile sind nach den Zahlen gefügt, welche die harmonischen Verhältnisse in sich schliessen. Indem nun Posidonius daselbst die Seele mit der Idee identifiziert, definiert er sie als die gemäss dem die Har- monie umschliessenden Zahlenverhältnisse zusammengesetzte Idee des Ausgedehnten!). Vergleichen wir diese Entwickelung mit der obigen, so liegt ihre Übereinstimmung klar zu Tage; nur in gehört hierher sicher eine andere Stelle desselben Kommentars, nämlich I 14, 19#. Hier giebt Maerobius eine Übersicht über die verschiedenen Definitionen der Seele. Er nennt dabei die Philosophen in folgender Reihenfolge: Plato, Xenocrates, Aristoteles, Pythagoras et Philolaus, Posi- donius, Asclepiades, Hippocrates, Heraclides Pontieus, Heraelitus, Zenon, Democritus, Critolaus, Hipparchus, Anaximenes, Empedoeles et Critias, Parmenides, Xenophanes, Boethus, Epieurus. Zunächst scheint in dieser Übersicht keine Ordnung enthalten zu sein; sehen wir jedoch genauer zu, so bleibt sie uns nicht verborgen: Zuerst werden diejenigen genannt, welche die Seele für immateriell, dann die, welche sie für stofflich halten, und zwar zuerst diejenigen, welche sie aus einem, dann die, welche sie aus zwei, zuletzt Epieur, der sie aus drei Stoffen bestehen lässt. Zu der ersten Klasse wird Posidonius gerechnet; dass dies jedoch nicht richtig ist, geht aus der früheren Darstellung seiner Lehre hervor. Folglich muss die Erklärung der Seele, welche wir hier von ihm hören, nieht direkt seine eigene Auffassung gewesen sein. In welchem Zusammenhange sie gestanden hat, können wir unschwer erschliessen. Die Lehre des Aristo- teles und Plato wurde vielfach identifiziert. Dasselbe geschieht auch hier; denn Macrobius schreibt ihnen beiden die Immaterialität zu. Mit grösserem Rechte gilt das Gleiche von den Definitionen des Xenocrates und Plato. Ferner wird hier offenbar die Definition des Pythagoras und Philolaus gleichgesetzt (Vgl. nachher Empedocles et Critias). Unmittelbar nach der Platonisch-Pythagoreischen Lehre wird nun die des Posidonius genannt: demnach muss sie auch mit jener, d. h. mit der Erklärung jener in Verbindung gestanden, also sich auf die Platonisch-Pythagoreische Auf- fassung bezogen haben. Hier nennt nun Posidonius die Seele direkt Idee. Vgl. mit dieser Stelle auch folg. S. Anm. 4. ') De procreat. an. in Tim. e. 22 p. 1023 B.: ἀπεφήνατο τὴν ψυχὴν ἰδέαν εἶναι τοῦ πάντη διαστατοῦ χατὰ ἀριϑμὸν συνεστῶσαν ἁρμονίαν περιέχοντα. -- 27 — der Ausführlichkeit unterscheiden sie sich: Zunächst haben wir bei beiden die sonderbare Gleichstellung der Seele mit der Idee, Ferner setzt sie Posidonius bei Plutarch dem Mathematischen gleich; dasselbe lernen wir bei Macrobius. Dort heisst es, sie sei gemischt aus dem Gedachten und der Substanz der Grenzen der Körper (τῶν περάτων οὐσία περὶ τὰ σώματα). Was die letztere bedeutet, ist an sich wenig klar; bei Macrobius erfahren wir es genau: Es sind die mathematischen Körper, Punkte, Linien, Flächen und Kubus. Denn dass unter dem letzteren bei Macro- bius nicht ein tastbarer Körper verstanden werden soll, ergiebt sich aus dem, was wir vorher berichtet haben, schon von selbst, ‚ wird aber auch noch ausdrücklich betont!). In dieser Angabe zeigt sich zugleich, dass die Seele als solche nicht direkt körperlich ist, dass sie aber dem Körperlichen sehr nahe steht?). Dasselbe sagt Plutarch von der Auffassung des Posidonius”). Beide Stellen stimmen also in allen wesentlichen Punkten überein; wir haben demnach in der That bei Macrobius die Lehre des Posidonius vor uns. Noch eine dritte Stelle haben wir hier zu berück- sichtigen. Am Beginne desselben Kapitels, dessen weitgehende Übereinstimmung mit Thrasyllus, Varro und Philo wir vorhin dargelegt haben, stellt Macrobius die Auffassung der Seele als einer sich selbst bewegenden Zahl als Konsequenz der Theorie des Platonischen Timäus hin‘). Die zu Grunde liegenden Stellen Platos waren aber der Gegenstand vielfacher Erörterungen. Aus Plutarch ersehen wir nämlich, dass Plato ein Widerspruch in seinen Äusserungen über die Seele vorgehalten wurde, insofern er im Timäus die Weltseele als geworden, im Phädrus dagegen die menschliche Seele als ungeworden bezeichnet hatte. Diesen Widerspruch liess nun Posidonius nicht gelten, denn er erklärte im Gegensatze zu der Auffassung der Gegner, dass die gedachte ') Vgl. II 2, 4ff. 2, 14. > 5) Vgl. die vorige Anm. (bes. II 2,14) und dazu unten Anm. 4 u. 5.425 Anm. 2. Be, 3) a. a. O.: οἱ περὶ Ποσειϑώνιον)] οὐ... μαχρὰν τῆς ὕλης ἀπέστησαν. 41, 6, 4£.: hoc quoque notandum est, quod superius adserentes μετ Imunem numerorum omnium dignitatem antiquiores 608 superficie ” Be _ eius omnibusque corporibus ostendimus, procedens autem tractatus ae numeros et ante animam mundi fuisse, quibus illam contextam augustimithR Timaei ratio naturae ipsius conseia testis expressit. hine est, quod pronun ᾿ tiare non dubitavere sapientes animam esse numerum δέ moventem. ΕΣ --Ῥ, 42 — Stelle im Phädrus sich auf die Weltseele beziehe. Folglich muss er die Eigenbewegung, die im Phädrus gelehrt wird, mit der Theorie des Timäus verbunden und in Einklang gesetzt haben'). Diese Verbindung, die Posidonius auch für seine eigene Theorie verwertet hat (vgl. S. 239 ff.), finden wir nun an der vorhin angeführten Stelle des Macrobius: Also enthält dieselbe in der That eine neue Bestätigung der vorhergehenden Erörterung. Kehren wir jetzt noch einmal zu der oben behandelten Stelle des Sextus zurück: οὗ... Πυϑαγορικοὶ τὸν λόγον μέν φασιν [χριτήριον εἶναι]... τὸν... ἀπὸ τῶν μαϑημάτων περιγενό- μενον .. ϑεωρητιχόν TE ὄντα τῆς τῶν ὅλων φύσεως, ἔχειν τινὰ συγγένειαν πρὸς ταύτην .. ἣν δὲ ἀρχὴ τῆς τῶν ὅλων ὑποστάσεως ἀριϑμός. διὸ χαὶ ὃ κριτὴς τῶν πάντων λόγος οὐκ ἀμέτοχος ὧν τῆς τούτου δυνάμεως καλοῖτο ἂν ἀρυιϑμός, so braucht ihre Übereinstimmung nicht mehr besonders hervorgehoben zu werden; denn jetzt erst erhalten wir ein klares Verständnis derselben, sowohl warum nicht ὃ λόγος schlechthin, sondern ὃ Ao- γος ὃ ano τῶν nadgudıwv περιγενόμενος gesagt wird, als auch inwiefern dieser eine Verwandtschaft zu der Natur des Alls und der Zahl hat. Überblicken wir nunmehr die bisherige Erörterung über den Timäuskommentar des Posidonius, so erkennen wir klar und scharf seinen Inhalt sowohl wie seinen ganzen Charakter: Posi- donius war einerseits, wie wir früher gesehen haben, der Meinung, Plato habe die Lehre des Pythagoras angenommen und die Be- gründung derselben, um die sich jener nicht bekümmert hätte, hinzugefügt, und andererseits behauptete er auch die wesentliche Übereinstimmung der stoischen und Platonischen Philosophie. Hier haben wir nun den klarsten Beweis, wie er seine Ansicht durchzuführen wusste: Die Pythagoreische Philosophie, die er hier entwickelt, ist eine Erklärung der mehr oder weniger Pythago- reischen Lehren Platos und der älteren Pythagoreer?) in stoischem Sinne. Nun verstehen wir auch den Monismus dieser Richtung: Das Grundprineip ist die Monas; aus ihr geht die Einheit und /weiheit, das Ungerade und Gerade, Geist (νοητόν) und Materie ') Hermias zu Platos Phaedrus p. 114 ed. Ast. Diese Nachricht ist also offenbar dem Kommentar zum Timäus, nicht einem solchen zum Phae- drus Platos entnommen; vgl. 5. 14, Anm. 4. °) Namentlich des Philolaus und Empedocles, vgl. S. 406. ' (ὕλη) hervor, ebenso wie die Stoiker und insbesondere Posidonius das Urpneuma sich teils erhalten, teils in Materie verwandeln lassen, Sextus nennt dort, wo er die beiden Pythagoreischen Rich- tungen unterscheidet, keine Vertreter derselben; wir können daher nur aus der Lehre der Berichte selbst die Richtung der Verfasser erschliessen. Wir bleiben zunächst bei der stoischen. Ein Vertreter derselben, bei dem dies am offenkundigsten ist, ist der Verfasser der Quelle, der Alexander Polyhistor gefolgt sein will): Der Ursprung von Allem ist die Monas; aus ihr geht die "unbestimmte Zweiheit hervor, welche den Stoff abgiebt für die "Monas, welche die wirkende Kraft ist. Aus der Einheit und der Zweiheit entstehen die Zahlen, aus diesen die Punkte, Linien, “Flächen und Körper. Die verschiedenen Grundformen der Körper "bilden die Elemente. Diese gehen vollständig in einander über und haben die Eigenschaften, welche die Stoiker ihnen im Gegen- satze zu Aristoteles beilegten. Die Welt ist ein lebendes Wesen und hat die Gestalt einer Kugel. Alles, was in ihr geschieht, geschieht nach dem Verhängnisse, dessen Gesetzmässigkeit in dem Wirken der &ottheit, welche mit dem wirkenden Prineip identisch ist, begründet liegt. Das Element der Gottheit ist die Wärme. Ein Ableger derselben ist die menschliche Seele, die darum auch mit der Gottheit verwandt und unsterblich ist. Sie besteht aus feurigem und kaltem Äther, ἃ. h. aus Wärme und Luft?) Sie entwickelt sich aus der Wärme, welche mit dem Samen verbunden ist. Diese Entwickelung ist durch die harmonischen Zahlen be- dingt. Sie hat ihren Sitz vom Herzen bis zum Gehirn und nährt sich vom Blute. Ihre Kräfte sind Luftströmungen, die Sinne Aus- flüsse aus dem Gehirn. Sie hat drei Bestandteile, den Verstand (νοῦς), den Mut (ϑυμός) und die Vernunft (φρένες). Die ersten beiden Teile hat der Mensch mit den Tieren ge meinsam, die _ Vernunft dagegen besitzt er allein. Diese ist unsterblich, während jene vergehen. Die Seelen der Guten kehren zur Gottheit zurück, die der Schlechten werden von den Erinnyen geplagt. Die "ersteren halten sich im Luftraum auf und werden als Dämonen und Heroen verehrt. Von ihnen kommt auch die Weissagung. _ Die Tugend ist Harmonie. Über die Einschränkung des Fleisch- — 4129 — ἢ Diog. VII 24 ff. 2) So sagt auch Zeller richtig Philos. ἃ. Gr. ΠΡ p. 89, denn der Luft wird ja die Kälte zugeschrieben. -- 490 — genusses finden sich einzelne Vorschriften, doch wird die gänz- liche Enthaltung desselben nicht verlangt. Ebenso folgen noch einige Vorschriften. über mysteriöse Gebräuche. Der stoische Charakter dieser Darstellung tritt so klar zu Tage, dass wir von einer näheren Begründung desselben absehen können. Derselben Richtung gehört auch die Quelle an, welcher Justin und Clemens von Alexandrien folgen, da sie die Immanenz der Gottheit aus- drücklich verteidigt!). Ebenso stehen die Darstellungen der Pythagoreischen Philosophie bei Thrasyllus und Eudorus von Alexandrien unter ihrem Einflusse. Für Thrasyllus haben wir dies schon vorher zur Genüge erwiesen; für Eudorus aber geht dies daraus hervor, dass er das Eine (ἕν) die ἀρχὴ ἁπάντων nennt und aus ihm in stoischer Weise die Zweiheit der Elemente, die Einheit und Zweiheit, das Männliche und Weibliche, herleitet?). Ferner steht unter dem Einflusse dieser Auffassung der Plato- nisch-Pythagoreischen Philosophie auch der Verfasser der Quelle des Diogenes Laertius, denn in seiner Übersicht über die Plato- nische Philosophie treffen wir dieselbe Definition der Seele wie- der wie in dem Timäuskommentar des Posidonius?). Ungleich wichtiger aber ist der Einfluss, den diese Auffassung auf Philo von Alexandrien gehabt hat. Auf diesen müssen wir hier kurz eingehen. Plato sind die Ideen, wie bekannt, hypostasierte Begriffe. Er nimmt daher auch so viele Ideen an, wie sich Begriffe bilden lassen, ohne freilich das gegenseitige Verhältnis derselben näher zu bestimmen. Nur soviel ersehen wir aus seinen Angaben, dass er die Idee des Guten über die des Seins stellt und mit der Gottheit identifiziert. Obwohl nun die Ideen an und für sich im Transcendenten existieren, sind sie doch auch wiederum in gewisser Weise in den Dingen gegenwärtig, da alles nur durch die Teilnahme an ihnen zu dem wird, was es ist. Nun setzte Posidonius, wie wir vorhin gezeigt haben, die Idee als solche der Weltseele gleich; folglich muss er die Einzel- ideen den beseelenden Kräften der Einzelobjekte, den Aoyoı !) Justin., eohort. 19; Clemens cohort. 47 C. 2) Simplie. in phys. Arist. p. 39r 28ff. p. 181.10ff.D. Auch Arius Di- dymus’ Abriss der Pythagoreischen Philosophie (Euseb. pr. ev. XV 15 ff.) gehört wohl hierher; vgl. Stob. ecl. II p. 49, Sff. W. ») Diog. III 67: ὡρίζετο δὲ αὐτὴν (se. τὴν ψυχὴν) ἰδέαν τοῦ πάντη dıs- στῶτος πνεύματος vgl. S. 426 Anm. 1. . Ι — 3 — σπερματικοί, gleichgesetzt haben. Andererseits trug er auch kein Bedenken in der Erklärung der Pythagoreischen Lehre (s. S. 405) "den λόγος mit der Zahl zu identifizieren: Folglich hat er offen- "bar die wirkenden Kräfte der stoischen Philosophie für gleich- bedeutend mit den Ideen und den Pythagoreischen Zahlen erklärt. Die Immanenz der Ideen, die bei Plato gegen ihre Transcendenz fast ganz zurücktritt, aber schon von Aristoteles!) nachdrücklich verteidigt wird, ist demnach hier durchgedrungen. Zugleich ist damit auch das Verhältnis der Ideen zu der Gottheit bestimmt: Wie sich die Zahlen zu der Einheit und die einzelnen Seelen zu der Weltseele verhalten, so verhalten sich auch die einzelnen "Ideen zu der Idee als solcher; sie sind nur Teile derselben und auf gewisse Weise in ihr enthalten. Wenden wir uns jetzt zu Philo, so erkennen wir sofort, dass dies die Lehre ist, welche er herangezogen hat, um die Einwirkung des von ihm im Anschluss an das alte Testament schlechthin transcendent gefassten Gottes auf die Welt zu erklären: Als Gott die Welt schuf, so beginnt er seine Erklärung der Schöpfungsgeschichte, erkannte er, dass jedes Werk nur gut wird, wenn es ein gutes Vorbild hat. Deshalb erschuf er zunächst die Welt der Ideen. Dieselbe besteht jedoch nicht für sich gesondert, sondern deckt sich mit dem Geiste (λόγος) Gottes. Dieser ist daher die Idee der Ideen oder die _ Idee, welche alle anderen Ideen umfasst; die (Quelle, aus der sie - hervorströmen; sie sind somit die Gedanken Gottes. Gleichzeitig "sind sie auch die wirkenden Kräfte, welche die ungeordneten ᾿ Stoffe durchdringen, nach den wundervollen Zahlenverhältnissen alles ordnen und gestalten und ihm das eigentümliche Wesen verleihen. Der λόγος Gottes ist daher auch gewissermalsen die Weltseele. Denn er zieht die Welt an wie ein Gewand. Der "Ideen giebt es nun natürlich unendlich viele. Sie stehen nicht - bloss neben, sondern auch über und unter einander; namentlich steht der menschliche Geist mit dem Geiste Gottes in engster Verwandtschaft. Diese Verbindung der stoisch-Platonisch-Pythago- reischen Lehre bei Philo ist also die Lehre, welche Posidonius im ® ἢ Metaph. 19, 990a, 34ff.; XIV 1, 1076a, 8. bes. c. 10, 1086 b, 2fl.: τὰ μὲν οὖν ἐν τοῖς αἰσϑητοῖς χαϑ᾿ ἕκαστα δεῖν ἐνόμιζον καὶ μένειν Dein ERROR, τὸ δὲ χαϑόλου παρὰ ταῦτα ἐναί τε καὶ ἕτερόν τι εἶναι. τοῦτο Bin ἐχίνησε ἐν ᾿Σωχράτης διὰ τοὺς ὁρισμούς, οὐ μὴν ἐχώρισέ γε τῶν χκαϑ' ἕκαστον" καὶ ΤΟΥΤῸ ὀρϑῶς ἐνόμισεν οὐ χωρίσας “τλ.; vgl. Eth. Nie. I 4, 1096a, 11ff. Ι | Timäuskommentar niedergelegt hatte!). Und dass in Wahrheit nicht Philo ihr Schöpfer ist, beweist die Thatsache, dass wir die- selbe auch bei Seneca finden?). Wir kommen jetzt zur zweiten ΩΣ Ihre Auffassung vertreten hauptsächlich die Schriften, welche unter dem Namen des Timäus, Ocellus, Archytas, Brontinus, Ps. Philolaus und vieler anderer gehen?®). Sie halten das Prineip der Transcendenz durchweg aufrecht, indem sie die Gottheit oder die Monas mög- lichst weit über die Eins und alles Seiende hinausrücken und etwas Besseres als die Vernunft nennen*). Diese gilt nur als die Vermittlerin, welche die beiden Principien, die Formen oder Ideen und den Stoff, zusammenführen. Ebenso wie sie hierin dem Platonisch-Aristotelischen Standpunkte huldigen, schliessen sie sich auch in der weiteren Ausführung der Lehre an die Auffassung dieser Philosophen an: Ps. Timaeus’ Schrift über die Weltseele ist ein nur wenig modificierter Auszug aus dem Timäus Platos, wie die oberflächlichste Vergleichung zeigt. Wenn nun Plato im Timäus die Welt in einem bestimmten Zeitpunkte entstehen lässt, so spricht auch Ps. Timäus davon, deutet aber gleichzeitig an, dass er die zeitliche Entstehung der Welt nur ideell aufgefasst wissen will. Er glaubt also in Wahrheit an ihre Ewigkeit?). !) Für diese Entwiekelung der Lehre Philos ist fast nur de opif. mundi benutzt worden und zwar mit Absicht; denn nach den Ausführungen S. 411 ff. ist es unleugbar, dass Philo für dieses Werk Posidonius herangezogen hat. Die dort angeführten Berichte für eine einfache Einlage zu halten verbietet uns von anderen Gründen abgesehen schon der Anfang der Schrift p.4M. 8 ὃ R. Also auch wenn wir die Übereinstimmung der Lehre nicht so genau nachweisen könnten, würden wir schliessen müssen, dass Philo in ihr von Posidonius beeinflusst worden ist. ?) Ep. 65, τ: his |se. causis] quintam Plato adieit exemplar, quam ipse ideay vocat: hoc est enim, ad quod respiciens artifex id, quod destinabat, effeeit ... haee exemplaria rerum omnium deus intra se habet numerosque universorum, quae agenda sunt, et modos mente complexus est. ὅ Nach Sext. adv. phys. II 281: τινὲς δὲ ἀπὸ ἑνὸς σημείου τὸ σῶμά φασι συνίστασϑαι, müssen wir schliessen, dass diese Sekte zahlreicher vertreten war als die andere. ἢ Für Archytas und Brontinus bezeugt dies Syrian. in met. schol. p: 925b, 23 ff. 5. Zeller a. a. O. I. 334, 1": τὴν ἑνναίαν αἰτίαν .. ᾿ἀρχύτας μὲν αἰτίαν πρὸ αἰτίας εἶναί φησι χτλ.: vgl. ferner Archyt. b. Stob. ecl. I 278. W.; Ps. Timaeus p. 96; Ocellus e. 2, 1ff.; Ps. Philolaus περὶ ψυχῆς Ὁ. Stob. δ. Ἂς 0. p. 172. 5) ec.2 p. 94 B.: πρὶν ὧν ὠρανὸν γενέσϑαι, λόγῳ ἤστην ἰδέα τὲ καὶ ὕλα καὶ , -- 133 -- Noch klarer tritt dies in der Schrift des Ocellus hervor. Sie be- ginnt gleich damit die Ewigkeit der Welt zu beweisen und zwar mit Gründen, die der peripatetischen Schule entlehnt sind!), Im Anschlusse hieran verteidigt sie auch die Ewigkeit des Menschen- geschlechts und die Verwerfung der persönlichen Unslerblichkeit. _ Ebenso ist die weitere Abhandlung über die Elemente wesentlich peripatetisch?). Nur in der Ethik folgt sie einer strengeren Auf- fassung, wie sie die Stoa lehrte. Auch bei Ps. Archytas und anderen zeigt sich die gleiche Stellung zur Platonisch-Aristote- lischen Lehre und derselbe Gegensatz zur stoisierenden Richtung. Auch er hält ebenso wie die Vorhergenannten die Welt und damit das Menschengeschlecht für ewig’). Ferner lehrt er im Anschluss an Plato und Aristoteles die Immaterialität der Seele®). Ebenso folgt er Plato, wenn er die Seele als das sich selbst Bewegende definiert, und Aristoteles, wenn er den Terminus πρῶτον xıvovv gebraucht, um anzudeuten, dass das sich selbst Bewegende auch die Ursache aller Bewegung 5615). Auch in der Theorie der Erkenntnis tritt sein Anschluss an Plato ebenso klar hervor. Er unterscheidet vier Arten derselben: vorc, διάνοια oder ἐπιστήμη, δόξα und αἴσϑησις). Wie diese sich zu einander ver- halten, lehrt Ps. Timäus; denn auch dieser hat dieselbe Einteilung: Es giebt zwei Principien, die Gottheit oder das Übersinnliche und die Notwendigkeit. Aus beiden entstehen die drei Arten des Seienden, die Ideen, die Materie und die sichtbaren Dinge. Diesen drei Arten entsprechen ‘auch drei Arten der Erkenntnis: Das Übersinnliche ist das Gebiet der Wissenschaft (Ezueimun) und wird nur durch den νοῦς erfasst. Auf den Stoff richtet sich der λογισμὸς νόϑος, auf die sichtbaren Dinge die δόξα und aloymaıs'). ᾿ ὃ ϑεὸς δαμιουργὸς τῶ βελτίονος. Hierauf hat auch Zeller a. ἃ. O. IIIb. S. 132, 1 mit Recht hingewiesen. Es ist wohl nicht unwahrscheinlich, dass die von Timon und anderen überlieferte Nachricht (s. 5. 408. Anm. 1) die Abfassung dieser Schrift mit veranlasst hat. !) Den Einfluss der jüngeren Peripatetiker verrät er schon in der Leug- nung der Unsterblichkeit; vgl. Critolaus b. Ps. Philo de incorr, m. ὦ, 13. 2) Vgl. Zeller a. a. O. IIIb 8. 135; ebenso auch Ps. Timaeus p. 100 D. 3) Censor. die nat. c. 4, 3. DIR 20 2) Claudian. Mamert. de statu an. II 7 verglichen mit Diog. VIII 30. 2 5) Vgl. Zeller a. a. Ὁ. 1 5. 414, 9". 6) Stob. ecl. I 282 f. 315 ff. W. φ- 6 Ἢ p. 94B.; vgl. zu dieser Dreiteilung auch die des Archytas bei Stob. Schmekel, mittlere Stoa. 28 Sa te De: Dieselbe Erkenntnistheorie treffen wir auch bei Brontinus und anderen!). Ähnlich ist ferner auch die Kategorienlehre, welche wir bei Sextus in der Lehre der dualistischen Sekte finden, der- jenigen, welche Archytas μα 5). Auch in der Ethik verteidigt Archytas und mit ihm Hippodamus den Platonisch-Aristotelischen Standpunkt gegen den stoischen: Er verwirft die Apathie und rechtfertigt die Metriopathie mit dem Hinweise darauf, dass der Mensch auch ein sinnliches Wesen sei. Ferner giebt er zwar zu, dass der Thor immer unglücklich sei, leugnet aber, dass der Weise glücklich sein werde, wenn nicht die äusseren Glücksgüter vor- handen seien. Ebenso schliesst er sich in der Einteilung der Tugend in theoretische und praktische und in der Behauptung, dass die richtige Behandlung der Affekte der Gegenstand der letzteren sei, an Aristoteles an?). Auch in der Lehre von der Seelenwanderung gab es zwei. Richtungen: Die eine lehrte, dass die Seele nach Ablauf des grossen Weltjahres aus ihren himmlischen Aufenthaltsorten wieder in den menschlichen Körper zurückkehre; die andere, dass, weil alles in ewigem Wechsel kreise, auch die Seelen in ewigem Übergange aus menschlichen Körpern in Tierleiber und umge- kehrt begriffen seien. Jene nahm also ein Jenseits mit Glück- seligkeit und naturgemäss auch mit irgend welcher Strafe an; diese leugnete dagegen Himmel und Hölle und setzte an deren Stelle den ewigen Kreislauf, doch auch nicht ohne damit Belohnung und Strafe zu verbinden. Denn die Seelen der Guten sollten bei diesem Wechsel nur in gute, sanfte und beliebte Tiere zu gehen das Recht haben, die der Schlechten dagegen gezwungen sein in die ihren Lastern entsprechenden Tiere zu wandern‘). Die erste Richtung schloss sich näher an Plato, die zweite näher an Em- pedocles an. Zu der ersten Anschauung bekennt sich die stoische, wie klar aus dem Berichte zu ersehen ist, dem Alexander Poly- histor folgt; die andere dagegen hat ihre Anhänger an Verlretern der Platonisch-peripatetischen Sekte gefunden°). ἃ. ἃ. 0. Ρ. 288. Archytas ist nur genauer wie Ps. Timaeus. Hierauf hat Zeller a. a. O: IIIb S. 128 nicht geachtet. 1) Vgl. Zeller a. a. Ὁ. IIIb S. 128. 2) Vgl. Zeller a. a. O. IIIb S. 130, 1. 5) Die Nachweise siehe bei Zeller a. a. O. IIIb S. 146. 3) Vgl. des Verfassers Diss. p. 64 sq. Varr. Ant. rer. div. I frg. 88 ff., 88, 5) Sie liegt uns zunächst bei Varro, aus dem sie Ovid entlehnt, und bei — 3 -ο-- Die Nachricht des Sextus, dass es zwei Richtungen der Neu- pythagoreer gab, wird also durch die Thatsache vollauf bestätigt, Sotion, dem Lehrer Senecas, in aller -Klarheit vor. Der Übergang der Elemente in einander ist nun an sich zwar kein Kriterium für die Entscheidung, da derselbe von beiden Richtungen zelehrt wird: insofern hier aber alles Geborenwerden und Sterben und überhaupt alles Entstehen und Vergehen schlechthin als Durchgangsprocess zu dem entgegengesstzten Sein aufgefasst wird, wird hier die Ewigkeit der Welt und des Menschen- geschlechts und auch ein seinem Wesen nach stets gleicher Zustand beider anerkannt. (Ovid. met. XV 254 ff.; 262 ff.; vgl. diss. p. 7 ff. Seneea ep. 108, 19 ff.), wie denn auch in Wirklichkeit die Welt hier ewig genannt wird (Ovid. a. a. Ὁ. v. 239). Diese Auffassung ist peripatetisch, weist uns daher deutlich auf die Platonisch-peripatetische Richtung der Neupythagoreer hin. Bestätigt wird dies dadurch, dass auch Ps. Timaeus diese Seelenwanderung vertritt: Im Gegensatze zu den sterblichen und kurzlebigen Wesen, so führt er p. 99 D ff. aus, nimmt der Mensch in der Vernunft Teil an der göttlichen Natur. Wir werden daher nieht annehmen dürfen, dass nach ihm dioser Teil sterblich ist. Nun geht er am Schlusse seiner Schrift eigens zu diesem Gegenstand über, erklärt die Philosophie für den besten Beweggrund zur Tugend, gestattet aber denjenigen, welcher derselben nicht fähig ist, dureh Androhen zeitlicher und ewiger Strafen im Jenseits, wie sie Homer er- diehtet habe, zum rechten Handeln zu bestimmen. Diese Vorstellungen von Strafen im Hades nennt er hier geradezu Lügen. Darauf aber behandelt er allen Ernstes die Seelenwanderung und die Strafen, welche den Seelen der Schlechten bevorstehen: Sie müssen in solche Wesen übergehen, welch» ihren Lastern entsprechen: die der Feigen in Frauenkörper, die der Mörder in wilde Tiere, die der Wollüstigen in Schweine und Ziegenböcke u. 8, w. Diese Anschauung deckt sich genau mit der vorhin erwähnten Lehre der Seelenwanderung. Ihre Übereinstimmung ist noch gewichtiger, wenn wir be- - denken, dass Ovid, ebenso wie Ps. Timaeus, die Unterwelt mit ihren Schrecken - als eine nichtssagende Fabel der Dichter zurückweist, bevor er die wahre | Lehre der Seelenwanderung enthüllt. Mit Recht dürfen wir somit schliessen, dass diese Fassung der Seelenwanderung von Vertretern der Platonisch- - peripatetischen Richtung erneuert worden ist. Auch ist es ja auf diesem ΐ Standpunkte nur möglich, von einer solchen Seelenwanderung zu sprechen, wenn überhaupt dieselbe aufrecht erhalten werden soll. — Andere Vertreter dieser Richtung, wie Ocellus, verwerfen die Unsterblichkeit schlechthin. | obige Ein Widerspruch liegt also bei Ps. Timaeus nicht vor, wie Zeller a. a. 0), IIIb 5. 138, 2 anzunehmen scheint. Denn die Leugnung der Unterwelt und der Strafen in derselben schliesst diese Seelenwanderungslehre nicht aus; nur aber jene Anschauung wird von Ps. Timaeus als Lügengewebe bezeichnet. — Von wem und wann mit dieser Lehre auch das Verbot der Fleischnahrung aufgenommen worden ist, ist nicht bekannt, Wir treffen 65 bei Sext. Clodius, dem Lehrer des Triumvirn M. Antonius ( vel. Bernays, _ Theophr. über die Frömmigkeit S. 10ff.), und gleichzeitig bei Varro (bezw. Ovid) und Dee. Laberius, etwas später bei Sotion; vgl. Varr. Ant. rer. div. I rg. 40 (5. S. 129); Seneca ep. 108, 20 ff. 98% — 4586 — und ebenso bestätigt diese, dass jene sich so unterschieden, wie Sextus sie charakterisiert ἢ). Wenden wir uns jetzt zur Entstehungszeit dieser beiden Richtungen. Alexander Polyhistor wirkte etwa um 80—40 vor Christus; somit müssen die Pythagoreischen Schriften, aus denen er seinen Bericht entnahm, spätestens in der ersten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts verfasst sein. Um die Mitte desselben Jahrhunderts sind aber auch die Hauptwerke der an- deren Richtung entstanden?). Demnach müssen beide Richtungen ziemlich gleichzeitig aufgetreten sein. Da nun beide Richtungen fast durchweg entgegengesetzte Standpunkte vertreten und doch beide die Lehre des Pythagoras geben wollen, so ist es canz selbstverständlich, dass dieses nicht ohne gegenseitige Polemik abgegangen sein wird. Dies finden wir auch in der Überlieferung bestätigt. Archytas polemisiert ausdrücklich gegen die Apathie für die Metriopathie, und Ocellus ebenso offen für die Ewigkeit der Welt gegen die Annahme ihrer Zeitlichkeit?). Andererseits tritt auch in dem Bruchstücke, das Clemens und Justin über das Wesen der Gottheit erhalten haben, bei der Ver- teidigung der Immanenz die Polemik gegen die transcendente Auf- fassung offen zu Tage*). Überblicken wir nun noch einmal hier die Lehre beider Richtungen, so sehen wir, dass beide haupt- sächlich an Plato anknüpfen, die eine ihn aber stoisch, die andere peripatetisch auffasst, und dass sie demgemäss auch die weiteren Lehren, die sie noch etwa herübernehmen, interpretieren. Beide Richtungen des Neupythagoreismus gehen also auf stoische und akademisch-peripatetische Philosophen zurück. Wir haben nun gesehen, dass und wie Posidonius im Zusammenhange seiner Philosophie dazu kam, die Philosophie des Pythagoras bezw. der Pythagoreer in seinem Timäuskommentar darzustellen, und dass die meisten Vertreter der stoisierenden Richtung thatsächlich unter dem Einflusse derselben stehen. Nehmen wir hinzu, dass seine Darstellung jedenfalls die älteste der diesbezüglichen Schriften ist, ') Dass innerhalb derselben Meinungsverschiedenheiten möglich waren, ist selbstverständlich und auch im Vorhergehenden durch Beispiele belegt worden, nur waren diese nicht radikaler Natur. °) Zeller a. a. O. IIIb S: 92 u. GE. SL Vol SIASLL UN ὍΘΙ ΟΕ. *») Vgl. S.430 Anm. 1 u. Zeller a. a. O. IIIb S. 117, 5. so müssen wir schliessen, dass die stoische Richtung des Neu- pythagoreismus hauptsächlich durch Posidonius und speeiell durch seinen Timäuskommentar zu neuem Leben erweckt worden ist!). Nun war aber Posidonius nicht der einzige, wie wir gesehen haben, welcher lehrte, dass alle Philosoplien in den wesentlichsten Punkten übereinstinimten, sondern ebenso lehrte auch Antiochus, Der Unterschied in ihrer Auffassung war nur der, dass die Stoiker behaupteten, Plato stimme mit ihnen überein; Antiochus da- gegen, Zeno sei von Plato ohne Grund abgefallen und habe nur die Worte verändert, Jene legten also das Hauptgewicht offen- bar auf ihre eigene Lehre, Antiochus . dagegen auf die Platos. In dieser Auffassung ist es auch begründet, dass Antiochus nie- mals zur Stoa übertrat, sondern bei der Akademie blieb. Ebenso hängt damit auch sein von der Stoa abweichender Standpunkt in der Ethik zusammen, in der er gegen die stoische Lehre von der Apathie die Metriopathie vertrat und lehrte, dass die Tugend ar sich zwar ein glückliches, aber nicht das glücklichste Leben er- wirke. In diesem Punkte spitzte sich die Verschiedenheit beider Auffassungen zu, und es fehlte nicht an eingehender Polemik des Antiochus gegen die Stoiker und umgekehrt?). Da wir nun ge- sehen haben, dass beide Richtungen des Neupythagoreismus bezw. beide Auffassungsweisen der Pythagoreischen Philosophie ziemlich gleichzeitig entstanden sind, und dass die eine derselben von Posidonius ausgegangen ist, so werden wir schliessen müssen, dass die Auffassung der anderen Richtung, die im allgemeinen dem Standpunkte des Antiochus entspricht, wie die erstere dem des Posidonius, von Männern vertreten worden ist, die in ihrer Denk- weise von Antiochus?) beeinflusst waren. Ferner dürfen wir aus der Gleichzeitigkeit ihrer Entstehung in Verbindung mit ihrer gegenseitigen Polemik auch darauf schliessen, dass die zweite "Richtung gewissermalsen eine Reaktion gegen die erste war. In diesem Zusammenhange wird es auch klar, warum die Vertreter u 2; 1) Vgl. hierzu noch die folgende Ausführung. | 2) Cie. acad. post. I 2, 7; Seneca ep. 87, 28 ff. (vgl. ep. 92, 14 ff.) be- handelt lebhaft die Kontroverse zwischen den Stoikern und Antiochus. 3) Vielleicht auch teilweise von Panätius; denn dessen Denkweise ent- spricht ausserordentlich die Lehre des Oecellus. Wie jener verwirft ren die Vergänglichkeit der Welt und die Unsterblichkeit der Seele unter der gleichzeitigen Aufrechterhaltung der stoischen Ethik. - 488 -- dieser Richtung trotz ihres Gegensatzes zur Stoa sich ihres Ein- flusses nicht ganz erwehrten!). Was die bisherige Entwickelung gezeigt hat, wird auch durch die Überlieferung bestätigt: Laktanz berichtet ausdrücklich?), dass die Stoiker und Pythagoreer deswegen die Präexistenz der Seele angenommen hätten, weil sie den Satz nicht hätten widerlegen können: alles, was geboren werde, müsse auch sterben. Dasselbe erfahren wir von Plutarch; zugleich können wir aus diesem den weiteren Zusammenhang der Entwickelung erkennen: Das Problem der Ewigkeit der Seele hängt mit dem der Ewigkeit der Welt innerlich zusammen. Der Streit richtete sich daher gegen beide zugleich, und zwar wurde gegen die widersprechenden Angaben Platos über die Ewigkeit der Seele einerseits und gegen die Ewigkeit der Welt trotz ihrer zeitlichen Entstehung andererseits der oben erwähnte Satz aufgestellt®). Es ist augenscheinlich, dass beide Berichterstatter dasselbe aussagen. Nun stellte Car- neades jenes Gesetz gegen Plato und die Stoiker auf: Also müssen die gedachten Stoiker und Pythagoreer unter dem Einflusse des Carneades die Präexistenz der Seele und die mit ihr zusammen- hängenden Lehren angenommen haben. Da ferner Panätius im Anschluss an Carneades ihre Prä- und Postexistenz verwarf, Posidonius dagegen dieselbe anerkannte, so folgt, dass er dies nur auf Grund der Einwände des Carneades gethan hat. Dieser knüpfte nun die obige Polemik vorwiegend an Platos Naturphilosophie im Timäus Δ); Posidonius dagegen verteidigte dieselbe in seinem Kommentar zu dieser Schrift Platos und gab zu diesem Zwecke seine stoisierende Entwickelung der Platonisch-Pythagoreischen Lehre. Diese hat die Auffassung der Platonisch-Pythagoreischen Philosophie der Folgezeit in weitestem Mafse beeinflusst und den Timäus Platos zum Mittelpunkte der metaphysischen Spekulation gemacht’): Nicht also die gelehrten Studien in Alexandria ') Obwohl wir hier principiell die späteren Pythagoreer und Platoniker nicht berücksichtigen können, sei doch darauf hingewiesen, dass auch bei diesen, wie z. B. bei Nieomachus und Numenius, Posidonius’ Auffassungsweise «er Pythagoreischen Philosophie noch gewirkt hat. 2) Instit. div. III 18. ®) De procreat. an. in Timaeo ο. 4, 1013 Ef. e. 8, 1015 Ef. *) Vgl. die vor. Anm. und S$. 311. °) Auch Ciceros Bearbeitung des Platonischen Timäus findet hier ihre δι ν. — 489 — haben den Mystieismus hervorgerufen '), sondern der Kampf des Sceptieismus mit dem Dogmatismus. [5} Kap. 3. Die römische Aufklärung. Als die Römer nach dem zweiten punischen Kriege Veran- lassung fanden und nahmen, mit den Reichen des Ostens, Mace- donien, Griechenland, Syrien und Ägypten in feindliche Berührung zu treten, und die fortWährenden Fehden der griechischen Staaten untereinander und mit den anderen Mächten ihnen immer neue Gelegenheit zum Eingreifen und zu Triumphen boten, trat eine weit innigere Berührung zwischen dem Römertum und der über den ganzen Orient verbreiteten hellenischen Civilisation ein, als dies bisher der Fall gewesen war. Mit dem steigenden Einflusse nun, den sie im Osten gewannen, wurde der Verkehr von dort nach der Hauptstadt und umgekehrt immer lebhafter, und dieser begann eine internationale Bildung und Anschauung zu entwickeln, die mit der Mischung uud Assimilierung der Nationalitäten im römischen Reiche Hand in Hand ging und der sich mehr und mehr vollziehenden Weltherrschaft Roms vollständig entsprach, Diese neue Richtung drohte die altrömische Denk- und An- schauungsweise völlig zu vernichten; und namentlich waren es die philosophischen Lehren, welche der römischen Religion und Moral entgegentraten. Ungern wurde daher das Aufkommen der- selben von den Nationalgesinnten gesehen, und zu verschiedenen Malen suchten diese den schädlichen Einfluss durch Ausweisung richtige Beziehung; sie bestätigt das grosse Interesse, das damals an dieser Schrift genommen wurde. ᾿ ") Wie Zeller unter allgemeiner Zustimmung meint. Wenn er uns dar- auf hinweist, dass die meisten der bekannten Neupythagoreer in Alexandria gelebt hätten, so verliert dies Argument zunächst sein Gewicht dadurch, dass diese alle jünger als Posidonius sind; ferner haben wir auch gezeigt, dass fast alle, die er nennt, unter dem Einflusse des Posidonius stehen. Auch die jüdisch-alexandrinische Philosophie gehört hierher, wie oben ge- zeigt ist. Dass sie später auch den griechischen Philosophen Interemse er- weckte, ist durchaus natürlich, nachdem wir gesehen haben, dass Philo Moses zum grossen Philosophen gemacht hatte. -- 40 --- der Philosophen aus Rom zu bannen. Aber die Zeit war mäch- tiger als sie; es währte nicht lange, so wurde die Philosophie nicht nur geduldet, sondern eifrig gepflegt. Dieser Durchbruch einer neuen Zeit, die wie jede neue Zeit ihre Vorläufer hatte, erfolgte in und durch den Kreis der Männer, die sich um den jüngeren Seipio scharten. Es waren die Edelsten des Volkes, die gleich weit entfernt waren von dem Treiben des lungernden Pöbels und des immer mehr in schamlosen Egoismus versinken- den Adels. Zu diesen Männern nun gehörten Ὁ. Fabius Maximus, der Bruder Scipios, und sein Schwager Q. Aelius Tubero, ferner sein Jugendfreund C. Laelius, Junius Brutus, L. Furius Philus, Sp. Mummius, der Bruder des Zerstörers von Korinth, und der Oheim des berühmten Pompeius Magnus, Sext. Pompeius, Μ᾽. Manilius und P. Rupilius; ferner der Dichter (ἃ. Lucilius, die beiden Schwiegersöhne des Laelius, C. Fannius und Q. Mucius Scaevola, der jüngere (). Aelius Tubero, P. Rutilius, A. Verginius und andere. Hierzu kommen, wie wir bereits früher gesehen haben, Polybius und Panätius!. Bereits von ihrem Vater Ämilius Paulus wurden Seipio und sein Bruder in die echte griechische Litteratur eingeführt. Es ist daher wohl kein Zufall, dass Scipio als Verehrer des Sokratikers Xenophon gerade mit Panätius Freundschaft schloss, der wie kein anderer Philo- soph seiner Zeit zu den Sokratikern zurückkehrte. Durch Pa- nätius nun wurde die stoische Philosophie, natürlich in der Gestalt, die er ihr gegeben hatte, in diese Gesellschaft eingeführt und damit der römischen Aufklärung die Bahn gebrochen. Es liegt in der Natur der Sache, dass er bei diesem Unterrichte alle die Fragen hintansetzte, die mehr den Philosophen von Fach inter- essierten, und nur gab, was den Römern stets und zumal noch in dieser Zeit hauptsächlich am Herzen lag, nämlich eine prak- tische Philosophie 5). Die wesentlichsten Fragen nun, die der Römer von der Philosophie beantwortet sehen wollte, betrafen die Physik oder, besser gesagt, die Religion und die Ethik. Die römische Religion war von Hause aus eine Religion der Begriffe. Jeder Vorgang ') Die genannten Männer begegnen uns fast alle in dem Gespräche Ciceros de rep.; vgl. S. 67 und ferner Cie. Lael. e. 27, 101. Andere werden wir noch später treffen. 2) Cie. de’rep. 1 10, 15;.19:219. — 41 — 7 im äusseren Geschehen der Natur sowohl wie im Gebiete der menschlichen Thätigkeit, ja jeder einzelne Akt desselben wurde - als Gott angesehen. Es galten daher sowohl die höchsten Be- griffe als auch die ihnen oft bis in die letzten Stufen unter- — geordneten Teilbegriffe als Gott und Götter!). Die schwache Phantasie der Römer hatte diese gar nicht oder nur in sehr ge- - ringem Grade mit einer persönlichen Existenz umkleidet, und darum war der Widerspruch, einen Begriff zugleich mit seinen Unterabteilungen als verschiedene Götter zu denken, verborgen geblieben. Bei dieser Anschauungsweise konnte es nicht aus- bleiben, dass jede Berührung mit der griechischen Kunst und Poesie, die die einzelnen Göttergestalten in voller Anschaulichkeit darstellten, die Römer und zumal die denkenden in ihrer religiösen Empfindung irre machen und ihrem Denken eine andere Richtung als bisher geben musste. Aber die griechische Religion war als solche längst verschwunden und an ihre Stelle die Philosophie getreten, die im Epikureismus jene entweder ganz oder doch wenigstens fast ganz beseitigte, oder in der Stoa sie wieder auf die Natur und ihre Kräfte zurückführte. Dadurch war diese der römischen Auffassung, die eben nie über diesen Standpunkt weit hinaus gegangen war, sehr nahe gekommen, und jetzt trat sie ihr in Panätius gegenüber. Das andere Gebiet, das den Römern hauptsächlich am Herzen lag, war die Ethik. Als die höchste und unbedingte Autorität im praktischen Leben galt dem echten alten Römer das Staatswohl. Dieses bestimmie das öffentliche wie das Privatleben, ja selbst die Religion stand mit ihm in naher Verbindung: Ihm hatte sich jeder unweigerlich unterzuordnen. Es ist nicht zu ver- kennen, dass diese Centralisation Grosses geleistet hat; aber wenn auch der Egoismus, welcher in dieser unbedingten und undiskutier- baren Autorität des Staatswohles lag, nicht notwendig die Grenzen einer gesunden Moral zu überschreiten brauchte, so lag doch die Gefahr dazu ausserordentlich nahe, und sie wurde nicht vermieden, sobald im Kampfe mit dem Gegner das Staatswohl es zu fordern schien, und je weniger die Republik in die Lage kam ı) Die Beweise hierfür liefern die Fragmente aus Varros Antiquitates 1. erhalten haben; vgl. ihre rer. div. XIV—XV, die Augustin, Tertullian u. a. en haben Zusammenstellung bei Merkel zu Ovids Fast. praef. p. ( LXXXV ga. Aa von den Gegnern dafür Rechenschaft fürchten zu müssen. Dieser oft empörenden Selbstsucht huldigte die aristokratische Oligarchie immer mehr und bei ihrem steigenden Reichtume zugleich einem alles verschlingenden Luxus. Je widerlicher dieses Treiben war, und je heftiger zugleich auch von anderer Seite gegen alle bis- herige Auffassung angekämpft wurde!), um so mehr musste na- mentlich bei den edel Gesinnten das Bedürfnis nach einer all- gemein gültigen ethischen Norm hervortreten. Auch diese bot die Stoa des Panätius und zwar in einer Form, welche der alt- römischen Sittenstrenge vollständig ebenbürtig war und zugleich der römischen Weltherrschaft entsprach. Der Übergang zu dieser neuen Auffassung war daher im Scipionenkreise natürlich. Dieser Übergang wird uns fast von allen berichtet, und seine Folgen zeigen sich teils in dem Verhalten dieser Männer überhaupt, teils lassen sie sich auch in der Litteratur nicht verkennen. Was nun zunächst Seipio anlangt, so ist sein Verhältnis zur Philosophie schon zu wiederholten Malen berührt worden. Selbst im Kriege mochte er sie nicht ganz entbehren; wenn er aber als siegreicher Feldherr aus demselben heimkehrte, begab er sich gern wieder in ihre strenge Zucht, um die ‚Geringfügigkeit der menschlichen Thaten und die Unbeständigkeit des Glücks zu er- kennen, gleichwie man ein Ross, pflegte er zu sagen, welches in zahlreichen Schlachten zu wild geworden sei, dem Bändiger über- gebe, um es wieder gefügig zu machen. Ebenso sind auch seine Erörterungen über den Idealstaat und das Verhältnis des römi- schen Staates zu demselben (s. S. 378) ein Beweis für das Leben der Philosophie in diesem Kreise. Dieses Verhalten ist um so charakteristischer, als die Römer selbst noch in späterer Zeit die Beschäftigung mit der Philosophie nur dem Knabenalter für an- gemessen hielten. Mit dieser Gesinnung steht in engster Beziehung die Einfachheit des Lebens und die Hochherzigkeit, die er in seinem Handeln an den Tag legte: Er war aller Verschwendung und allem Luxus abhold, ein Gegner der kostbaren Bauten, ent- hielt sich aller Spekulationen und zeigte sich überhaupt als ein Muster der Enthaltsamkeit. Andererseits handelte er mit einer Uneigennützigkeit, die das gerade Gegenteil zu dem unlauteren ') Hierüber wird nachher gehandelt werden. \ -- 443 — Treiben seiner Zeitgenossen war!). Ebenso verschmähte er auch die damals üblichen Redekünste, wenn er öffentlich sprach ®): Ererbter Sinn erfüllte die Pflichten, welche die Philosophie lehrte. Die Richtung Scipios teilte auch Laelius, wie wir oben bereits gesehen haben. Er hatte in jüngeren Jahren den Stoiker Diogenes gehört, als dieser in der Philosophengesandtschaft im Jahre 155 nach Rom gekommen war. In der Folgezeit schloss er sich an Panätius an und galt als vollkommener Stoiker?) Im übrigen besitzen wir nur noch eine Nachricht über seine Anschauung, - die wir später zu erwähnen Gelegenheit haben werden. Dem- ger ä ἢ ᾿ selben Standpunkte huldigten auch die übrigen Männer, die wir genannt haben. Q. Mucius Scaevola (Augur), P. Rutilius und Aelius Tubero stachen mit ihrer einfachen Lebensweise so sehr von- der ihrer Zeitgenossen ab, dass sie die allgemeine Aufmerk- samkeit auf sich zogen. Besonders wird bei den beiden letzten die Treue gerühmt, mit der sie den Stoieismus, zu dem sie sich bekannten, auch zu verwirklichen strebten; bei Tubero ging sie so weit, dass er seiner Zeit fast als Sonderling erschien). Panätius sowie Posidonius und Hecaton widmeten ihm Schriften). Den klarsten Einblick in die Anschauung dieses Kreises ge- währen uns jedoch trotz ihrer grossen Lückenhattigkeit die Frag- mente des Lueilius. Der Dichter kennt die verschiedenen Philo- sophenschulen der damaligen Zeit. Er erwähnt die ungewöhnlich scharfe Dialektik des Carneades, und Clitomachus nahm Veran- lassung ihm ein Werk zu widmen; doch tritt keine Spur in den Besten seiner Gedichte hervor, die darauf hinwiese, dass er sich irgend wie näher an diese Schule angeschlossen hätte. Zuwider war ihm Epikurs Philosophie; er liess daher die Gelegenheit nicht vorübergehen sie zurückzuweisen und ihren übel berüchtigten Ver- treter Albucius zu verspotten®). Auch die Auswüchse der Stoa 1) Cie, de off. I 26, 90; II 22, 76; Polyb. XXXI ce. I1 ἢ. Plutarch. apophth. Seip. min. 13; 14. 2) Cie. de orat. I 60, 255 (vgl. de ofl. Ι 37, 132 u. S. 41 ἢ). 3) Lueilius IV 2 ed. Müller Cie. Brut. ο. 58, 213; de off. II 11, 40; III 4, 16; de fin. II 8, 24 u. ö.; vgl. de rep. ΠῚ 21, 32 ft. Ὁ Cie. de orat. 1 11, 45; Brut. ὁ. 90, 113 £. 31, 117; Pompon. dig. I 2, 2, 40; Gell. N. A. I 22, 7. Athen. VI 274. 5) Cie. de fin. IV 9, 23; de off. III 15, 63. 6) XXVII 7; 1. ine. IX (5)a. -- 44 -- scheint er befehdet zu haben!); seine eigene Überzeugung aber zeigt ihn als den Schüler des Panätius, wie es ja auch in diesem Kreise nicht anders zu erwarten ist. Er kennt zunächst die Principien und die vier Elemente der Stoa; ungleich wichtiger jedoch ist seine Ansicht über die Götter und die Götterverehrung. Er ereifert sich über diejenigen, welche sich vor den »Hexen- schrecknissen«, die Numa eingeführt habe, fürchteten und aus ihnen Vorbedeutungen entnähmer: Wie unmündige Kinder hielten sie alle Fabeln für wahr und meinten, den Bildsäulen wohne ein Herz inne, während doch daran nichts Wahres, sondern alles eitle Dichtung 5613. Dies deckt sich vollkommen mit der An- schauung des Panätius. Ebenso stimmt er mit ihm auch in der Anthropologie und Ethik überein. Der Mensch besteht nach ihm aus Leib und Seele, und zum Beweise hierfür beruft er sich .auf die Übereinstimmung aller Philosophen®). Zwischen jenen beiden Bestandteilen findet ein innerer Zusammenhang statt; wer am Geiste krankt, lässt dies am Körper erkennen und der kranke Körper wieder behindert den Geist*). Dieser ist in jedem Menschen in doppelter Gestalt vorhanden’). Er ist frei in seinem Thun; denn wenn alles nach dem Zufall und dem Verhängnisse ginge, gäbe es keine Ehre und kein Gutes®). Hiermit kommen wir zu seiner Ethik, aus der uns ein grösseres Fragment über die Tugend erhalten ist’). In den ersten drei Versen desselben ') 1. ine. CI (23); dagegen verehrt er die Sokratiker XXVII 35 (10) u. ö. vgl. ib. XXXIX (12) e. 2, XXVII frg. 1, XV fig. 2. 2) XRVI το 21’vel. S. 379 £. *) Diesen Gegenstand finden wir besonders bei Posidonius eingehend behandelt, vgl. S. 262. 5) XXVI Irg. 22, 23; XVI fre. 9. 6) XIHO fig. 2; vgl. auch XXX 7. ‘) 1. ine. 1 (1) ἃ: Virtus, Albine, est pretium persolvere verum Queis in versamur, queis vivimu’ rebu’ potesse, Virtus est homini seire id, quod quaeque habeat res; Virtus seire homini reetum, utile, quid sit honestum, Quae bona, quae mala item, quid inutile, turpe inhonestum; Virtus quaerendae rei finem seire modumque, Virtus divitiis pretium persolvere posse; Virtus id dare, quod re ipsa debetur honori, Hostem esse atque inimieum hominum morumque malorum, Contra defensorem hominum morumque bonorum, Hos magni facere, his bene velle, his vivere amicum; -- 44 -.- finden wir zunächst den ersten Hauptteil der stoischen Tuzend- ‚lehre angedeutet, die Lehre vom Werte der Dinge (περὶ τῆς πρώ- τῆς αξίας ἢ). Die beiden folgenden Verse erinnern so sehr an die Disposition des Panätius in seinem Werke über die Pflichten, dass wir nicht nötig haben, dies näher zu beweisen. Im An- schlusse hieran handeln die folgenden Verse offenbar über das Nützliche, den Wert des Reichtums, der Ehre, der Freundschaft und überhaupt der Tugend. Auch bei Panätius haben wir die - gleiche Abfolge. Zum Schlusse bespricht der Dichter die Stufen- folge der Verhältnisse für den Kollisionsfall der Pflichten. Zu- höchst stellt er das Interesse des Vaterlandes, dann das der Eltern und zuletzt das eigene. Schon diese Vergleichung über- haupt weist auf Panätius hin, bei dem wir Derartiges durchweg finden; aber auch die Anordnung selbst stimmt mit der Lehre desselben?2). Der Anschluss des Lueilius an Panätius ist also offenbar. Derselbe war aber bald der ausgesprochene Liebling des Volkes3); mit der Popularität seiner Gedichte mussten dem- nach auch die neuen Ideen namentlich in Bezug auf die Religion ebenso schnell populär werden: Er ward so im vollsten Sinne ein Dichter der Aufklärung. Selbstverständlich ist es nun, dass, was er hier aussprach, auch die Überzeugung der anderen Genossen des Scipionenkreises war. Nicht mit Unrecht mochten daher die Gegner dem Scipio dieses Umsichgreifen der neuen Ideen und die Vernichtung der väterlichen Religion zur Last legen, und daher Laelius sich veranlasst fühlen, die Religion der Vorfahren öffen!- lich zu preisen. Denn wenn wir die vorhin erwähnten Verse des Lucilius, in denen er die religiösen Institutionen des Numa an- greift, mit den beiden Fragmenten vergleichen, die uns aus der Rede des Laelius über die Verehrung der Götter erhalten sind‘), Commoda praeterea patriae sibi prima putare, Deinde parentum, tertia iam postremaque nostra. ἢ Diog. VII 84. Dass wir diesen Teil hier wirklich vor uns haben, zeigt sich klar, wenn wir Seneca ep. 89, 14 vergleichen: prima (sc. moralis _ philosophiae pars) . . inspectio suum cuique distribuens . . quid enim. est tam necessarium quaın pretia rebus imponere. diesen Teil in der Überarbeitung der Pflichtenlehre des Panätius mit Ab- "sicht ausgelassen; vgl. S. 27. , Bee. de of. ΠΊΙῚ, 58; vgl. 5. 88. 1 ν 3) Er rühmt sich, dass seine Gedichte allein unter lesen würden XXX 4 (29) ἡ. ᾿ς ἢ Cie. deor. nat. III 17, 43 u. rep. VI 2, maxime utilis. Cicero hat allen vom Volke ge- τς 9 Bait.: Lucilius XV frg. : -- 440 -- so kann es schwerlich zweifelhaft sein, dass Laelius jene Rede gehalten und niedergeschrieben hat, um den gedachten Vorwürfen entgegenzutreten. Selbstverständlich ist es jedoch, dass er seine eigene Meinung darum nicht veränderte. Er kann daher jene xede nur in dem Sinne gehalten haben, dass er für das Volk eine andere Religion für notwendig hielt, wie für die Gebildeten. Dass diese Meinung in dem Freundeskreise thatsächlich vor- handen war, oder infolge der Umstände sich bildete, beweist vor allem die Theologie des berühmten Juristen Ὁ. Mucius Scaevola pont. max., der schon bei seinem Oheim und auch wohl bei seinem Vater (s. 5. 457 [) reiche Gelegenheit fand, die Lehre des Panätius kennen zu lernen. Unumwunden lehrt dieser im An- schluss an Panätius, es gebe eine dreifache Theologie, eine Theologie der Dichter, der Staatsmänner und der Philosophen. Die letztere sei zwar allein wahr, aber sie tauge für das Volk nicht, weil sie vieles enthalte, was dem Volke zu wissen nicht fromme. Einen weiteren Vertreter dieser Anschauung haben wir an dem didaktischen Dichter Valerius Soranus. Er huldigt demselben freien Standpunkt und bekennt sich ebenso für den stoischen Pantheismus?). Dass er nun dem Scipionenkreise angehörte oder ihm jedenfalls sehr nahe stand, beweist die Widmung eines seiner Werke an Seipio?). Indem also Panätius in diesen Kreis die religiöse Aufklärung hineintrug oder, soweit eine solche daselbst schon vorhanden war, schürte, ist er der wesentlichste Begründer der römischen Aufklärung geworden). Innerhalb derselben begann nun eine zweite Periode, sobald neben der Lehre des Panätius die seiner Schüler und des durch ihn wesentlich beeinflussten Antiochus ihren Einfluss geltend machte. Durch diese kamen dieselben Strömungen in sie ') Das letztere s. bei Augustin de eiv. D. VII 9, das erstere beweist die Thatsache, dass er sich nicht scheute den geheimen Namen der Stadt Rom oder ihrer Schutzgottheit zu veröffentlichen. Die Nachricht, dass er dafür bald durch einen schmählichen Tod gebüsst habe, zeigt jedenfalls die offene Reaktion der Gegner und zugleich, dass auch er nicht ohne Einfluss auf die Anschauung des Volkes geblieben war; vgl. Plin, N. H. III 5, 9; Plutarch quaest. Rom. 58 s. 61. ?) Varro ling. lat. VII 31. 5) Indirekt wurde dadurch auch das Auftreten der Epikureischen Phi- losophie ermöglicht. ' ; ἢ -- MI -- hinein, welche wir vorher in der Philosophie kennen gelernt haben: Es gab eine strengere und eine mildere Auffassung des Stoieismus, die sich leicht mit Lehren anderer Systeme und na- mentlich mit dem Mystieismus der Pythagoreischen Philosophie paarten. Die hauptsächlichsten Vertreter dieser verschiedenen Richtungen sind für uns Cicero, Varro und Nigidius Figulus, Die Beredsamkeit und Politik waren für Cicero das höchste Ziel seines Strebens. Die Philosophie diente ihm deshalb in der Jugend hauptsächlich nur als Mittel seine Beredsamkeit zu fördern, und im Alter dazu, die Zeit auszufüllen, welche ihm die unfrei- willige Mufse in der Politik gab. Zugleich war es sein Wunsch, auch in der Pilosophie sich neben die grossen Meister der Griechen stellen zu können. Aber ihm fehlte das Wichtigste, was von einem Philosophen verlangt wird, klares und selbständiges Denken. Er ist durchweg von seinen Quellen abhängig, und nur aus der Wahl derselben dürfen wir sein Urteil und seine Über- zeugung entnehmen. Aber gerade diese Auswahl ist der deut- lichste Beweis eines unphilosophischen Eklektieismus. In der Er- kenntnistheorie und den Problemen der Physik huldigt er haupt- sächlich dem Probabilitätssystem der Akademie; daneben aber bearbeitet er Quellen, die auf das direkte Gegenteil gebaut sind. Als Akademiker glaubt er sich zu diesem Schwanken be- rechtigt, ohne den Widerspruch zu empfinden, in den er dadurch gerät. Auch in der Ethik zeigt er ein gleiches Verhalten: In dem einen Werke lehnt er sich an Antiochus an und kämpft gegen die Stoa, anderwärts wieder stellt er sich auf den stoischen Standpunkt. Streifen wir die Widersprüche dieses Beiwerkes ab, in die ihn hauptsächlich sein Streben als Philosoph zu glänzen getrieben hat, so bleibt eine Lehre übrig, die Ciceros Ansicht in Wirklichkeit wiedergiebt: Die römische Religion ist an sich ver- kehrt und unrichtig, aber notwendig für das ungebildete Volk; die wahre Religion dagegen giebt nur die Philosophie. Denn dass es Götter oder, besser gesagt, eine Gottheit giebt, die waltend im Weltall regiere, gilt ihm als eine Thatsache, an der zu zweifeln frevelhaft sei. Dementsprechend ist auch seine Überzeugung in der Ethik durchweg ein gemilderter Stoieismus. Dies ist der Standpunkt des aufgeklärten Römers seiner Zeit. Für die Aufgaben der Philosophie als solcher hatte er im allgemeinen wenig Ver- ständnis. Wir erkennen dies einmal daran, dass er ohne wesent- -- 448 — liche Vertiefung in den Stoff in einem kurzen Zeitraum eine philosophische Litteratur herstellen zu können vermeinte und herstellte, und zum anderen auch darin, dass er die Meinungs- verschiedenheit der Philosophen nicht für das hielt, was sie in Wirklichkeit war, sondern für ein nutzloses Gezänk, das aus der Welt zu schaffen nicht mehr wie recht sei!). Es ist daher eine liebenswürdige Offenheit, die uns für viele seiner anmafsenden Bemerkungen in seinen Schriften entschädigt, wenn er selbst zu- gesteht, dass ihm nur die Worte, nicht aber der Inhalt seiner Schriften gehören: Er war in Wirklichkeit kein Philosoph, und ihn als solchen zu fassen führt zu einem falschen und ungerechten Urteil über ihn; er war ein Aufklärungsschriftsteller mit allen Schwächen und Halbheiten, die derartigen Popularphilosophen anzuhaften pflegen. Ihrem Charakter nach steht seine Anschauung mehr auf Seiten der freisinnigen Richtung des Panätius als der mystisch angehauchten des Posidonius, wenngleich er auch zu dieser in den Zeiten der Trauer einen Ansatz machte. Einen ähnlichen, aber umgekehrten Standpunkt vertritt Varro, der grösste Gelehrte, den Rom hervorgebracht hat. Vielseitig und umfassend wie kein zweiter hat er fast die ganze folgende Zeit mit seinem Wissen gespeist. Zu diesem Wissen gehörte natürlich auch die Philosophie, und diese Stellung zu ihr charak- terisiert ganz von selbst seinen Standpunkt in ihr. Auch er ist kein Philosoph, sondern nur ein philosophierender Gelehrter, wie er selbst eingesteht und seine Schriften beweisen?). Natürlich schliesst dies nicht aus, dass er ebenso wie Cicero sich eine Überzeugung zum Ersatze für den geschwundenen Glauben an die alte Religion gebildet hatte. Am klarsten und eingehendsten hat er diese in den Antiquitates rerum divinarum entwickelt und begründet: Es giebt eine dreifache Religion, eine solche der Diehter, der Staatsmänner und der Philosophen. Die Religion der Dichter beruht auf einfacher Erfindung und enthält vieles, was der Götter im höchsten Grade unwürdig ist. Sie ist daher ') de leg. I 20, 53. ?) Cie. acad. post. I 2, 4 ff. sent. Varr. p. 266, 23 Riese; vgl. S. 117ff. Es sei hier auch an die fast möchte man sagen aller Philosophie Hohn sprechende Berechnung der möglichen Standpunkte in der Ethik erinnert, die er in dem ‘liber de philosophia’ auf 288 bestimmte, um den Carneades und Antiochus zu verbessern (Augustin de οἷν. D. XIX 1). : ᾿ -- 49 -“-- gänzlich zu verwerfen' oder höchstens auf dem Theater zu dulden. Die Religion der Staatsmänner ist ein politisches Instituts sie verhält sich zum Staate wie das Gemälde zum Maler oder das Haus zum Baumeister. Die Religion der Philosophen dagegen ist allein wahr, doch enthält sie vieles, dessen Kunde dem ungebil- deten Volke schädlich ist. Wenn es also darauf ankäme, ‘die Staatsreligion neu: zu schaffen, würde es gewiss besser sein, sie der philosophischen Religion anzupassen; und namentlich die Götterbilder: und den verkehrten Opferdienst abzuschaflen; bei den: bestehenden Verhältnissen aber könne es mır darauf an- kommen, sie im Interesse des Volkes möglichst mit der philo- sophischen in- Einklang zu bringen). ‚Die Philosophie nun, welche die wahre Religion giebt, ist der stoische Platonismaus, -wie er ihn bei Posidonius und. namentlich in-dessen Kommentar zu Platos Timäus fand [vgl. S. 409,12)... Sein Verhältnis zur rö- mischen Religion ist also: dasselbe wie das Ciceros und aller auf- ‚geklärten Römer jener Zeitz aber in dem Ersatze, den er dafür giebt, erscheint im Grunde genommen das Gegenteil von dem, was wir bei Cicero finden..! Bei Cicero wird das Dasein der Götter und auch im allgemeinen ihre Weltregierung anerkannt, auch die Unsterblichkeit der Seele in den Tusculanen nach der- selben Quelle wie bei, Varro gegeben; aber Cicero legt auf diese ‚Darstellung alsbald die frostige Hand des Skeptikers und zerstört wieder, was er vorher vorgetragen hatte. Im Gegensatze hierzu treffen wir bei Varro einen ausgesprochenen Hang zur Pythago- reischen Mystik.‘ Dies zeigt sich zur vollen Genüge schon in der "Ausführung des ersten Buches der Antiquitates rerum divinarum; es zeigt sich ferner in der eingehenden Berücksichtigung derselben in zahlreichen Büchern, es zeigt sich drittens und ganz klar auch in seinem Wunsche auf Pythagoreische Weise bestattet zu werden’). -Die Pythagoreische Zahlenmystik und -Symbolik, die er ebenfalls ‘ausführlich wiedergegeben hat, ist auch der Grund für seine sonst unbegreifliche Art seine Werke zu disponieren und zu schema- 1) Dies that er für die Hauptgottheiten im XV. Buche der Ant. rer. div,, aber auch sonst; vgl. z. B. in de cultu deorum,, Augustin. de civ. Ὁ. VO 35. sr 3) Vgl. auch Ant. rer. div. I fre. 284, u. 5. 145. ‚®) Plin. N. H. XXXV .160. “ Sehmekel, mittlere Stoa. 29 -- 400 “-- tisieren!). In der Ethik dagegen vertrat er den gemilderten Stoicismus des Antiochus?). Rückhaltlos bekannte sich zum Pythagoreismus der dritte a vorhin genannten Männer, der zweitgrösste Gelehrte Roms, Ni- gidius Figulus. Genaueres jedoch wissen wir von seiner Lehre nicht; nur soviel steht fest, dass er die Tieropfer, also auch wohl alles, was damit zusammenhängt, nicht vollständig verworfen hat, da uns die Bruchstücke seines Werkes über die Divination aus den Eingeweiden das Gegenteil beweisen®). Einen Anhänger fand er an Vatinius und selbständigere Fortsetzer wohl an dem älteren Sextius und seiner Schule‘®). Ebenso wichtig, ja fast noch wichtiger ist der Einfluss dieser Philosophie auf die zeitgenössische Dichtung gewesen. Als Augustus nach der Schlacht bei Actium auf den Trümmern der Republik die Monarchie errichtete, ging sein Streben darauf hinaus, die hervorragenden Schriftsteller für sich zu gewinnen, um durch sie den neuen Stand der Dinge gepriesen zu sehen und so den Glanz der alten Zeit durch den grösseren der Gegen- wart zu verdunkeln. Vergil. willfahrte diesem Wunsche bereit- willigst und dichtete zur Durchführung desselben seine Aeneis: Nicht blinder Zufall und Willkür bestimmen den Wechsel der Zeiten, sondern das stete Walten der Vorsehung lenkt den Welt- lauf und führt in ewigen Kreisen das Ende des einen wieder zu seinem Anfange zurück. Ein solcher Kreis ist mit dem Anbruche 1) Dies ersehen wir zunächst aus dem Anfange der erhaltenen Bücher de ling. lat.; denn hier entwickelt er die Disposition im engsten Anschluss an die Pythagoreische Lehre. Für die Imaginum libri erkennen wir das Gleiche aus Gell. N. A. III 10, 1 u. 17. Dasselbe gilt jedenfalls auch für die Antiquitates rer. hum. div. Den Schematismus selbst siehe bei Teuffel- Schwabe, Röm. Litt.-Gesch. Kap. 166, 4a δ Am wunderbarsten waltet er in den Imagines: 1 - 2-7 Bücher enthalten 2-7 + (2- 7)7?= 100 Biographien. Den vollkommenen Männern gebührt natürlich auch die vollkommene Zahl, die 7. — Ueber die Richtung seines Pythagoreismus s. die Fragmente der Antig. rer. div. I (S. 117 ff.) und die Sammlung der Bruchstücke der Pytha- goreischen Lehre am Schlusse der Dissertation des Verfassers S. 76 ff., wo leider de ling. lat. VII 17 aus Versehen übergangen ist. 5 Vgl. Zeller Philos. d. Gr. IIIa 8. 672. °) Cie. Tim. 1; Gell. N. A. XVI 6, 12 ff.; Ciceros Angabe ist jedoch insofern ungenau, als er die untergeschobenen Schriften der Neupythagoreer offenbar für echt und alt hält. *) Vgl. Zeller a.a.O.IIIb S.95. Seneca deiraIl[36,1ff. ep: 64, 2f.; 108, 17. -- 406) — der Regierung des Augustus vollendet. Nach langer Not und Schlechtigkeit kehrt daher das Glück des goldenen Zeitalters ‚wieder. Die Enthüllungen über dieses Walten der Vorsehung, das uns an verschiedenen Stellen des Gedichtes angedeutet, aus- führlich aber in der berühmten Unterweltscene des "sechsten Buches geschildert wird, beruhen ganz auf der Verschmelzung stoischer und Platonischer Lehren, wie sie von Posidonius na- mentlich in seiner Erklärung Platonischer Schriften vorgenommen war und der stoischen Richtung des Neupythagoreismus ent- sprachen !). — Die gleiche Absicht wie Vergil sucht auch Ovid in den Metamorphosen durchzuführen. Auch er beginnt daher sein Werk mit der Erschaffung der Welt und dem goldenen Zeitalter, um am Schlusse zu diesem zurückzukehren und den Glanz Roms und der Augusteischen Zeit als prädestiniert darzuthun®). Die Ent- 1) Natürlich kommt hierbei nicht in Betracht die geringe Änderung über den Aufenthaltsort der Seelen nach dem Tode, welche die poetische Fiktion der Unterwelt, die der Dichter aus Homer herübernahm, notwendig machte. Denn dass diese Abweichung in Wahrheit nur durch die Nach- ahmung Homers bedingt ist, beweist unwiderleglich die Thatsache, dass Vergil Georg. IV 219 ff., wo er wesentlich denselben Zweck wie in der Aeneis verfolgt, aber jene Rücksicht zu nehmen nicht gezwungen ist, auch die wahre Gestalt dieser Lehre bietet; vgl. des Verfassers Diss. p. 60 Ann. Zu bedenken ist hierbei, dass Vergil auf Geheiss des Augustus die zweite Hälfte dieses Buches noch einmal umarbeitete, als er schon mitten in der Ausarbeitung der Aeneis stand. Dass zu Hirzels Vermutung, Vergil habe das Vorbild der Unterweltscene in Zenos Politeia gefunden, kein Grund vorliegt, hat der Verfasser in seiner Diss. p. 59 Anm. 38 gezeigt. Wenn er jedoch daselbst im Anschluss an die Zeugnisse alter Grammatiker die Lehre Vergils direkt auf Plato zurückgeführt hat, so bedarf dies einer Korrektur: Der stoische Charakter ist diesen Versen klar aufgedrückt, und Hirzel hat insofern Recht, dass er darauf hingewiesen hat. Denn die stoische Lehre von der Allbeseeltheit der Welt tritt deutlich in ihnen hervor; ebenso weisen uns die Worte: totamque infusa per artus mens agitat molem, auf die stoische Lehre vom Makrokosmus, und in gleicher Weise führt uns auch die Lehre von den vier Leidenschaften: hine metuunt eupiuntque dolent gaudentque, in erster Linie zur Stoa. Da nun diese ganz aus dem Einflusse des Körpers hergeleitet werden (vgl. hine metuunt etsq.), 850 sehen wir soft rt, dass wir die jüngste Phase des Stoieismus vor uns haben. Die Ungenauig- keit des Laktanz besteht also darin, dass er diese stoische Lehre einfach mit zenonisch, ἃ. h. stoisch bezeichnet. ’ 2) Ovid ist also von Vergil nicht nur in Einzelheiten, sondern Y der ganzen Konzeption seiner Metamorphosen beeinflusst. Übrigens suc v0 ΟΣ dureh dieses Werk wohl wieder gut zu machen, was er durch die Amores bei Augustus verdorben hatte. 905 ee wickelung dieses Waltens der Vorsehung legt er daselbst direkt Pythagoras in den Mund, und was er hierdurch andeutet, stimmt mit der Thatsache überein: sie ist neupythagoreische Philosophie). Während nun aber Vergil den Anchises nur einfach die Rück- kehr des goldnen Zeitalters verkünden lässt, erhalten wir bei Ovid eine ausführliche Schilderung desselben. Diese giebt nicht die gewöhnliche Auffassung der Dichter wieder, sondern eine philosophische und geht, wie wir bereits früher gesehen haben, durch Vermittelung Varros auf Posidonius’ Auffassung der Urzeit und ihre Entwickelungsgeschichte zurück’). Es ist bekannt, dass Taacitus in seiner Germania zwar keines- wegs ein. Idyll oder einen blossen Sittenspiegel geschaffen, doch aber oft in unverhohlener Weise die einfachen und unverdorbenen Zustände und Sitten der Germanen gegenüber der Sittenverderbnis und dem hochgespannten Luxus der Römer in ein ideales Licht gesetzt hat?). Die Züge nun, welche diesem Zwecke dienen, sind wesentlich dieselben mit denen Seneca im 90. Briefe in ganz gleicher Absicht das Leben der Naturmenschen preist. Mit der rhetorischen Fülle, die ihm eigen ist, rühmt er ihre Bedürfnis- 1) Vgl. ausser allem, was bis jetzt dagewesen ist, auch des Verfassers Diss. S. 43 ff. Ovid folgt besonders in seiner gänzlichen Verwerfung der Fleischnahrung und deren Begründung durch die Seelenwanderung nicht der stoischen Richtung, offenbar weil sein Vorbild Vergil diese, die auch an sich besser passte, schon verwertet hatte; Diss. p. 65 sq.; 74 sq. 2) Verg. Aen. VI 791 ff. Ovid. Met. XV 96—142; vgl. dazu S. 288 Anm. 4. Ovid hat Beides, die speziell Pythagoreische Lehre (a. a. Ὁ. vv. 75—95, 153—258) wie auch die Darstellung des goldenen Zeitalters (ausser a. a. O. auch Fast. I 335 ff., IV 395 ff.) bei Varro gefunden. Dadurch nun, dass er Beides mit einander verquickte, obwohl es nicht organisch zusammenhing, entstanden in der Darstellung der Metamorphosen die Widersprüche, die Diss. p. 3 544. nachgewiesen sind. Übrigens verwickelt sich Ovid durch die Einflechtung dieser Lehre daselbst noch in einen Widerspruch mit dem Anfange des Gedichtes. Hier nämlich schildert er die Schöpfung der Welt aus dem Chaos und die gewöhnliche, poetische Auffassung des goldenen Zeitalters, die die Menschen von den frei wachsenden Früchten sich nähren lässt; am Schlusse dagegen feiert er die Ewigkeit der Welt und ein goldenes Zeitalter, in welchem die. Menschen Ackerbau treiben (vgl. v. 112f. und dazu Diss. p. 21sq.). Den zweiten Widerspruch hat er jedoch ziemlich zu verwischen gewusst. 3) Vgl. A. Riese, Eos II S. 195 f. Teuffel-Schwabe, Röm. Litt. -Gesch. 336, 9. Dass er keine Dichtung schreibt, geht schon daraus hervor, dass er auch die Fehler der Germanen nennt. -- 3 “-- losigkeit, ihre Unschuld und Sittenreinheit: Mit den einfachsten Nahrungsmitteln befriedigen sie die natürlichen Bedürfnisse, Grotten und Höhlen sind ihre Wohnungen und die Felle der wilden Tiere ihre Kleidung. Eigentum kennen sie nicht, denn jeder benutzt ungehindert die Früchte des Feldes. Die Tüchtig- sten unter ihnen sind ihre Führer und Berater: kurz, das Glück wohnt unter ihnen, weil sie trotz aller Dürftigkeit den Geiz nicht kennen und darum auch schlecht zu sein nicht verstehen. — Mit derselben Absicht und denselben Zügen, nur mit weniger Schwär- merei ‚betrachtet auch Horaz den Naturzustand der Völker dort, wo er offenbar auch im Sinne des Augustus Abkehr von dem - raffinierten Luxus und Umkehr zu der Väter Sitten predigt). Horaz erinnert hier an die Scythen und Gothen, Seneca an die - Seythen und die Bewohner der Syrten, und Taeitus stellt die - Sitten und das Leben der Germanen dar. Woher stammt bei ihnen diese Auffassung des Naturzustandes der Menschen? - Wie Seneca ausdrücklich angiebt?), ist sie von Posidonius’ Auf- fassung des Urzustandes der Menschen als des goldenen Zeitalters - bedingt. Und dass thatsächlich selbst noch Taeitus, sei es direkt oder indirekt, unter diesem Einflusse des Posidonius steht, be- weist der Umstand, dass er noch an einer anderen Stelle in ganz gleicher Weise wie Posidonius bei Seneca den Urzustand der Men- schen und ihre Entwickelung angiebt°). Gewiss ist dieser Geist der Zeit, der auch bei vielen anderen damaligen Schriftstellern und ἡ Od. III 24, v. 9—24; vgl. ebds. ο. 1-6 und auch ep. 2, 1 ff. Cha- rakteristische Züge dieser Auffassung sind die Frömmigkeit, die die Menschen ohne Gesetz das Rechte thun lehrt, die Pflege des Ackerbaus, die Herr- schaft tugendhafter Fürsten und Führer und die Unbekanntschaft mit dem Geize. Mit dem Auftreten des letzteren tritt erst die Schlechtigkeit ein, deren Ende der Krieg ist. Züge dieser Auffassung finden sich auch bei Vergil in der Aeneis, aber zerstreut, z. B. VII 202 #. VIII 537 f.; vgl. dazu auch S. 287 #. und des Verfassers Diss. S. 40. 2) Dass dieser hierbei seine Quelle zum Teil missverstanden hat, ist ΩΣ 279 Anm. 2 schon bemerkt worden. — Sollte diese Auffassung nicht auch in Posidonius’ Beschreibung der Sitten der Germanen Ausdruck haben? a = een Tacit. ann. ΠῚ 26 mit Seneca ep. 90, 4 ff. bes. ὃ 6. ne es _ einstimmung hat bereits H. E. Graf, Aur. aet. symbola S. 43 f. ( an Stud. VIII) hervorgehoben. Auch macht er daselbst auf die Ahnlich er - dieser Stelle mit dem Anfange Justins I 1 bzw. des Trogus Pompeius auf- merksam. BR, Dichtern seinen Ausdruck findet, nicht allein von der Philosophie des Posidonius geschaffen worden; aber ebenso gewiss ist es auch, dass dieselbe und durch sie der grössere Geist Platos und der der hellenischen Dichtung!) keinen geringen Anteil dazu bei- getragen haben. Der zweite Teil, der das Interesse der Römer an der Philo- Rechtslehre deckte, so musste ihre Rechtsauffassung ebenso wie die Religion in die innigste Berührung mit jener treten°). Der 1) Selbstverständlich hat er Arat benutzt und auch Hesiod, vgl. z. B. 5. 988 Anm. 1 mit Eoy. #. Hu. v. 119; auch Dieaearchs Bios “Ἑλλαδος (vgl. den Anfang von Porphyr. r. ἀποχ. ἐμψ. IV 2 mit Sext. adv. phys. I 28 = Cie. Tusc. I 12, 26) und Theophrasts Schrift über die Frömmigkeit (vgl. des Verfassers Diss. S. 24 f., 33 ff.) wird er herangezogen haben. — Seneca ep. 90 ist wohl sicher aus den 4. προτρεπτιχοί des Posidonius geschöpft. Posidonius hatte nun schon sonst grosse Neigung zu schwungvoller Darstellung (vgl. S: 13 Anm. 2); wie viel mehr musste dieser Gegenstand ihn dazu ver- anlassen! Auch bezeugt Seneca ep. 90, 20 hiermit übereinstimmend direkt die Schönheit der Rede in dieser Schrift. Diese sowie ihr Inhalt haben sie jedenfalls sehr populär gemacht. 5 Die Frage nach dem Einflusse der stoischen Philosophie auf das römische Recht ist seit langen Zeiten und in verschiedenem Sinne be- handelt worden. Eine zusammenfassende und im allgemeinen durchaus abweisende Antwort hat Ratjen (Sells Jahrb. für histor. u. dogm. Behand- lung des röm. Rechts III S. 66 ff.; daselbst ist auch die reiche, ältere Litteratur verzeichnet) in seiner Abhandlung gegeben: „Hat die stoische Philosophie bedeutenden Einfluss auf die in Justinians Pandekten excerpierten juristi- schen Schriften gehabt?“ Fasst man das Thema wie Ratjen, so ist aller- dings zu sagen, dass dieser Einfluss nur sehr gering gewesen ist; aber die Frage ist auch schief gestellt. Die Juristen, deren Werke in den Pan- dekten excerpiert sind, lebten zum allergrössten Teil in einer Zeit, die seit Jahrhunderten von den verschiedenen philosophischen Anschauungen und zumeist von der stoischen getränkt war. Die Denk- und Empfindungs- weise der Juristen ist in dieser Beziehung von ihr durchaus beeinflusst gewesen; immerhin kann man dies aber nicht als einen besonderen Einfluss der Philosophie bezeichnen. Im übrigen verhalten sich die späteren Juristen fast ganz ablehnend gegen die Philosophie oder vielmehr gegen die Philo- sophen ihrer Zeit, wie ihre Polemik beweist (vgl. z. B. Ulpian Dig. 1 1, 1). Die Zeit aber, in der die Philosophie bestimmend auf die Jurisprudenz gewirkt hat, war damals auch längst vorüber; es war die Zeit, in der die griechische Kultur überhaupt die römische umgestaltete. Ungleich richtiger hat Moritz Voigt, dem sich Hildenbrand, Rechts- und Staatsphilosophie I S. 523 ff. im allgemeinen anschliesst, in seinem ‘Jus Naturale I’ Leipzig 1856 ᾿ του — 45 — erste Zusammenstoss derselben erfolgte nun, als die Athener zur Verteidigung ihres ungerechten Verfahrens gegen Oropus den Diogenes, Critolaus und Carneades nach Rom entsandten. War der Eindruck, den diese drei Männer daselbst hervorriefen, über- haupt gross, so war doch der des Carneades bei weitem der ge- waltigste. Nachdem er an dem einen Tage das Lob der Gereehtig- tigkeit gepriesen hatte, entwickelte er an dem darauf folzenden seine Theorie des Eigennutzes (vgl. S. 366 f.) mit so glühender Beredtsamkeit, dass er die höchste Bewunderung hervorrief, Rundweg leugnete er hier die Berechtigung einer natürlichen Gerechtigkeit und verteidigte als allein vernünftig das Recht des Vorteils. Diese Ansicht wusste er schon sonst mit der schlag- fertigsten Dialektik zu erweisen, aber noch viel mehr musste er seine Zuhörer dadurch ergreifen, dass er ihnen vorhielt, auch die Römer hätten von jeher nach diesem Prineip verfahren und sich so zu Herren der Welt gemacht. Wollten sie also nicht den Vorteil, sondern die Gerechtigkeit zum Massstabe des Handelns machen, so müssten sie alle Eroberungen preisgeben und zu den Strohhütten des Romulus zurückkehren'). Diese Theorie und ihre Beweisführung erschütterten die Grundvesten der bisherigen römischen Rechtsauffassung; und dass die Römer dies fühlten, zeigt deutlich die Forderung des alten Cato, möglichst schnell den Mann aus Rom zu entfernen, der Recht zu Unrecht und Unrecht zu Recht zu machen verstehe?). Aber eine Polizeiverfügung war kein Gegengewicht für diese Theorie und der ins Bewusstsein gerufene Gedanke wurde nicht mit der Ausweisung seines Ur- hebers wieder in das Dunkel zurückgescheucht, aus dem er her- vorgerufen war; zumal die römische Jugend in Athen selbst das hören konnte, was zu hören in Rom ihr verboten wurde. Nur der Gedanke konnte den Gedanken bewältigen, und dieses Gegen- gewicht bot die Stoa des Panätius. Den schneidenden Wider- spruch, welchen Carneades zwischen dem Naturrecht und dem Rechte der Wirklichkeit hervorgehoben hatte, schlug dieser durch den Nachweis zurück, dass das Naturrecht die Grundlage des Givil- diese Frage behandelt; doch geht er einerseits viel zu weit und anderer- seits hat er den wahren Ausgangspunkt nicht erkannt: Er legt auf Civero ein viel zu grosses Gewicht. Hiermit hängt es zusammen, dass er viele der obigen Fragen nicht behandelt oder nur berührt hat. 1) Cie. de rep. III 6, 9; 12, 20f.; vgl. acad. pr. II 18, 60. 2) Plutarch. Cato 22f.; Paus. VII 11, 2; Cie. ad Att. XII 23, 8, -- 400 --Ο- rechtes sei und daher stets und überall dieses bestimme und be- stimmen müsse, widrigenfalls es überhaupt kein Recht gebe). Da nun diese Theorie aufs innigste mit der stoischen Ethik zu- sammenhängt, und wir bei Lucilius die Ethik des. Panätius als malsgebend gefunden haben, so müssen wir schliessen, dass in dem Kreise des Seipio, wie ganz natürlich, auch die Rechts- philosophie des Panätius bekannt. und anerkannt war. Diese leistete aber, was zu leisten war: In zeitgemässer Gestalt erwies sie die Richtigkeit der strengen römischen Rechtsauffassung durch ihre Zurückführung auf das Naturrecht. Hier also ist diese Idee in das römische Rechtsbewusstsein eingetreten. Eine doppelte Auffassung derselben aber tritt uns bei den Juristen der Folgezeit entgegen; während nämlich Ulpian das Naturrecht vom Völkerrechte scheidet und das erstere auf alle Wesen, auch auf die Tiere bezogen wissen will, identificieren Gaius, Paulus und Florentinus?) dasselbe mit dem letzteren. Diese Auffassung treffen wir auch schon bei Cicero und zwar in offenkundigem , Anschluss an die griechische Theorie®): Also ist diese die Quelle für jene Lehre gewesen ἢ. Dieses führt uns auf den weiteren Einfluss, den die Stoa auf das römische Recht gehabt hat. Eine der klarsten Wirkungen derselben ist zunächst das Zurücktreten des Sakralrechts. Ehe- dem durchdrang dieses das ganze öffentliche Leben und bestimmte ebenso vielfach auch den Privatverkehr. Es lag nun in der Natur der Sache, dass, als die Philosophie die Aufklärung brachte, ') Vgl. S. 22 f. 44 f. 369 u. T. I Kap. 2. — Civilreeht ist nicht in dem heutigen, sondern in dem römischen Sinne verstanden. Als solches steht es hier im Gegensatze zu dem Sakralrecht und umfasst sowohl das Staats- wie das Privatrecht. 2)/ Digest. EA 1501,85, 19; 12815 >) Wenn in den philosophischen Abhandlungen Cie. de leg. I und de rep. III das ius naturale als die Quelle des ius eivile und als das Recht der menschlichen Gesellschaft (societas humana) erwiesen wird, so liegt darin die Identifizierung des Völkerrechtes mit dem Naturreehte, wenn auch nicht direkt ausgesprochen, so doch gewiss klar angedeutet. Mit Unrecht also verwirft Hildenbrand a. a. Ὁ. S. 573ff. die ihm unbequeme Nachricht bei Cie. de off. III 5, 23, welche diese Identifizierung ausspricht, als Interpolation; vgl. gegen Hildenbrand auch Cie. a. a. O. III 17, 69, *) Ulpians Auffassung des Naturrechts ist nicht stoisch, vielmehr klingt sie an die Platonisch-Pythagoreische Anschauung an. 4 sie ebenso die Vernachlässigung des Sakralrechtes nach sich ziehen musste, wie sie die Religion, auf die es sich stützte, zu Fall brachte. Ebenso wie diese wurde es daher auch bald hauptsächlich nur Gegenstand gelehrter Forschung; bezeugt doch Cicero, dass es zu seiner Zeit niemand mehr studiere!). Das Sakralrecht berührte sich nun, abgesehen von den direkt gottes- dienstlichen Vorschriften, namentlich im Pontifikalrechte vielfach mit dem Civilrecht, weil es z. B. auch das Erbschaftsrecht zum Teil umfasste. Diese unbestimmte Stellung des Pontifikalrechtes, die schon an sich demselben nicht günstig war, musste noch mehr. unhaltbar werden, sobald das Sakralrecht überhaupt in seinem Fundamente erschüttert wurde. Denn es war natürlich und notwendig, dass mit dem Falle desselben’ das Civilrecht ganz und gar in den Vordergrund trat. Dies führte auch dazu, dass die beiden berühmten Juristen, der pont. max. P. Mucius Scae- vola und sein grösserer Sohn, der pont. max. Q. Mucius Scae- vola, lehrten, niemand könne ein guter Pontifex sein, olıne das Civilrecht genau zu kennen. Hiermit war die gänzliche Abhän- gigkeit des Pontifikalrechtes vom Civilrechte klar ausgesprochen und der Umschwung im Verhältnisse des Civilrechtes und des Pontifikal- bezw. Sakralrechtes zu Gunsten des ersteren vollzogen. Mit vollem Becht macht daher Cicero den genannten beiden Juristen den Vorwurf, sie höben durch die Verquiekung des Civil- und Pon- tifikalrechtes das letztere in Wirklichkeit auf*). Das Zurücktreten des Sakralrechtes und das Hervortreten des Civilrechtes verhalten sich also wie Grund und Folge. Neben P. Mucius Scaevola werden nun noch M.’ Manilius und M. Brutus als die Begründer des Civilrechtes bezeichnet®). Alle drei Männer waren Zeitgenossen und standen daher selbstverständlich alle drei wesentlich unter dem Einflusse desselben Zeitgeistes. Von Manilius wissen wir _ überdies, dass er zum Kreise des jüngeren Scipio gehörte*); auch _ von Scaevola ist es höchst wahrscheinlich, dass er ihm wenigstens _ sehr nahe stand und jedenfalls in seine Gesinnung und Auf- — 57 — ἡ De orat. III 33, 136: pontificium (se. ius), quod est coniunetum, nemo . diseit. 3) Cie. de leg. II 19, 47 ff. und besonders c. 21, 52, wo Cicero den Schluss aus seiner Erörterung zieht. 3) Pompon. dig. I 2, 2, 99. 2 : #) Vgl. L. Bröcker in Pauly's Real-Ene. IV 5. 1481 f. No. 4. -- 48 --- fassungsweise eingeweiht war. Denn einmal war ja sein Bruder, der Augur Q. Scaevola, mit Panätius aufs engste befreundet und zum anderen nahm er die gleiche wohlwollende Stellung zu dem Reformwerke des Tib. Gracchus ein wie Scipio und sein Kreis ἢ). Auch ist es durchaus wahrscheinlich, dass sein Sohn die aufgeklärte Anschauung (s. S. 446) ebenso in der Hauptsache vom Vater überkommen hat wie die Jurisprudenz. Was wir also an sich als natürlich und notwendig erkannten, wird so auch durch die Überlieferung bestätigt, dass das Hervortreten des Civilrechtes die Folge des Zurücktretens des Sakralrechtes war, und dass dieser Vorgang dem Eintritte der Aufklärung und dem Zurückweichen der alten Religion völlig entsprach. Den inhaltlich hiermit gegebenen weiteren Schritt auf dem angefangenen Wege machte der Sohn des eben genannten P. Scaevola, der pont. max. Q. Mucius Scaevola, durch seine systematische Bearbeitung des gesamten Civilrechtes. Ausser dem, was wir bis jetzt über seine Stellung zur Philosophie gehört haben, beweist der griechische Titel seiner Schrift eg ὅρων den Einfluss derselben auf seine juristische Schriftstellerei hand- sreiflich. Wir haben somit vollkommen Recht zu dem Schlusse, dass er den Anstoss zu seiner systematischen Bearbeitung der Rechtswissenschaft, durch die er über alle seine Vorgänger hin- ausragte, durch die Stoa erhalten hat?). Doch war der Einfluss. derselben in dieser Beziehung wesentlich nur methodologisch; den Inhalt lieferte ihm das bis dahin gültige römische Recht. Nach philosophischen Gesichtspunkten war dieses jedenfalls nicht geordnet, wie die Bruchstücke erweisen?) und Cicero auch aus- drücklich überliefert. Wir kommen damit zu dem nächsten bedeutenden Bearbeiter des Givilrechtes, Servius Sulpicius Rufus. Nach den vielseitigsten Studien wandte er sich ausschliesslich der Jurisprudenz zu und bearbeitete dieselbe in zahlreichen Schriften‘). Bei ihm nun !) Vgl. Mommsen, Röm. Gesch. II 5. 93; 978. 5) Dieser Einfluss wird allgemein anerkannt, vgl. Mommsen a. a. Ὁ. S. 460; Teuffel-Schwabe, Röm. Litt.-Gesch. Kap. 48. ®) Vgl. Rudorff, Röm. Rechtsgeschichte I S. 161. Übrigens schliesst dies nicht im entferntesten die Annahme aus, dass er, ähnlich wie es in den Digesten und bei Caius der Fall ist, sein Werk mit einigen philo- sophischen Bemerkungen einleitete. 3 Nach Pompon. Dig. I 2, 2, 43 in 180 Büchern. Ϊ ; r ἱ -- 40 — traten die Systematik und die philosophische Begründung des Rechtes in so hohem Grade hervor, dass Cicero!) allen Juristen - der Gegenwart und Vergangenheit, auch Scaevola mit einge- schlossen, im Vergleich mit ihm nur praktische, auf der Empirie - beruhende Kenntnis des Rechts zuspricht. Denn gerade darin, dass er die Rechtskenntnis aller übrigen nur empirisch nennt, liegt unmittelbar eingeschlossen, dass sie bei Servius philosophisch - begründet erschien. Der tiefgehende Einfluss der stoischen Logik aber auf seine systematische Behandlung wird von Cicero ausdrücklich hervorgehoben. Ein Umschwung in dem Lebens- plane dieses Mannes trat nun während seines Aufenthaltes in _ Rhodus ein. Denn während er bis dahin die rednerische Lauf- bahn einzuschlagen sich hatte angelegen sein lassen und offenbar deswegen zur weiteren Ausbildung nach Rhodus gegangen war, widmete er sich seit seiner Rückkehr von dort ausschliesslich der Jurisprudenz. Neben der Rednerschule des Molon stand - aber daselbst die Schule des Posidonius in so hoher Blüte, dass die berühmtesten Männer ihn aufsuchten. Wir werden also schliessen müssen, dass die Philosophie des Posidonius den be- stimmenden Einfluss auf ihn geübt hat°). Neben Servius Sulpicius unternahm es auch Cicero in mehreren Werken das gesamte Recht systematisch zu bearbeiten und im engsten Anschluss an Panätius das Naturrecht als die - Quelle alles positiven Rechtes darzuthun®). Cicero, zumeist aber - Scaevola und Servius Sulpieius‘) haben nun auf die weitere ΐ Entwickelung des römischen Rechtes einen tiefen und langan- * dauernden Einfluss gehabt: Mit Recht also ist der Einfluss der ᾿ stoischen Philosophie auf die Entwickelung der römischen Rechts- | wissenschaft kein geringer gewesen. : Betrifft der bisher dargelegte Einfluss der Philosophie haupt- !) Brut. ce. 41, 151. ar | 2) Vgl. Cie. a. a. Ὁ. Dass zu dieser Schwenkung auch die Erkenntnis beigetragen haben mag, er könne mit Cicero doch nicht um den Vorrang in der Beredtsamkeit wetteifern, ist sehr wohl möglich. 8) Vgl. T. I Kap. 2 und Gell. N. Α.1 22. 1, ) | Ὁ Für Scaevola und Sulpieius ist es überflüssig, dies γροτάϊς κ᾿ zuweisen; vgl. Teuffel-Schwabe, Röm. Litt.-Gesch. Kap. ἰδὲ. zu. wirkte mehr allgemein durch seineWerke; dass diese aber auch die Juristen beeinflusst haben, beweisen die Citate in den Digesten. nach- -- 400 -- sächlich das Recht als Wissenschaft, so können wir denselben auch in Bezug auf den Inhalt erkennen, wenn gleich die äusserst trümmerhafte Überlieferung der Werke der alten Juristen jedes genauere Eindringen fast unmöglich macht. Eine besondere Handhabe für die Behandlung des Rechtes lernen wir zunächst in dem seit dieser Zeit sehr beliebten Etymologisieren kennen. Zwar war dieses meist äusserlich und nebensächlich; doch konnten Fälle eintreten, in denen dasselbe auch für den Inhalt von Be- deutung wurde, wie wir dies an einem noch direkt wahrnehmen). Ungleich wichtiger aber ist eine weitere Neuerung. Die tiefere Rechtsauffassung, welche die innerlich wirkenden Gründe anstelle der äusseren Kennzeichen in Betracht zieht, fehlte in.dem Zwölf- tafelgesetz noch ganz: Unter dem Einflusse der Philosophie, die diese Unterscheidung längst gelehrt hatte, trat sie in dieser Epoche ins Leben:). Übrigens war die Entwickelung des römi- schen Rechts wesentlich an die Interpretation. der bestehenden Gesetze geknüpft; die allgemeine ethische Anschauung musste daher bei dieser Interpretation naturgemäss mitwirken. Auf diese Weise hat die stoische Philosophie wohl sicher auch zu den Gesetzen gegen den Luxus, de dolo malo u. a. beigetragen, zu- mal die Urheber derselben zumeist sich zur Stoa bekannten oder wenigstens mit ihr sympathisierten. Unwillkürlich hat uns die vorhergehende Darstellung bereits zu den exakten Wissenschaften hinübergeleitet und dabei die ge- staltende und vertiefende Kraft der Philosophie kennen gelehrt. Bei dem inneren Zusammenhange, welcher zwischen ihnen ob- waltet, ist es notwendig, dass wir ebenso wie bei der Juris- prudenz auch bei den anderen Gebieten der Wissenschaft den Einfluss der Stoa wahrnehmen und kurz darstellen. Wir wenden uns zunächst zur Philologie. Grammatische ') Uber den Begriff von penus herrschte unter den älteren Juristen eine Meinungsverschiedenheit; er wurde weiter und enger gefasst. Diese Frage entschied nun der pont. max. Q. Mucius Scaevola auf Grund der Eiymo- logie dieses Wortes; vgl. Aelius Cato b. Gell. N. A. IV 1, 20 mit Scaevola ebdas. $ 17. Das Etymologisieren war also nicht eine einfache Spielerei. 5) Sie liegt klar vor bei dem pont. max. ὦ. Mucius Scaevola; vgl. Varro, de ling. lat. VI 4, 30 = Macrob. sat. I 16, 10. Aus Varro dürfen wir schliessen, dass er sie zuerst eingeführt hat; denn sonst würde er nicht bloss gezweifelt haben. Vgl. hierzu auch Mommsen, Röm. Gesch. II 5. 45%. -- #1 — - Bestrebungen waren in Rom zuerst durch Crates von Mallos an- geregt worden, aber zu einer methodischen Behandlung derselben war es nicht gekommen. Der erste Römer, der sie berründete, und ihr für alle Zeiten die Bahn wies, war L, Aelius Stilo'). Er bekannte sich offen zur Stoa und stand mit Lucilius in freund- _ schaftlichem Verkehr: Also kann die Stoa, zu der er sich 'be- kannte, nur die des Panätius gewesen sein?). Dass nun dieser nur als Philosoph auf ihn gewirkt haben sollte, ist schon des- wegen geradezu unglaublich, weil Panätius selber ein ausgezeich- neter Philologe war. Auch hingen ja die grammatischen Studien ebenso mit der stoischen Logik zusammen, wie die Fragen, welche wir vorher behandelt haben, mit der stoischen Ethik. Sein Anschluss an diese Philosophie zeigt sich nun zunächst in seiner Sprachwissenschaft, aus der uns über zwei Gebiete Nach- richten vorliegen. Die eine.derselben führt uns auf die Grenze der Logik und Grammatik, die anderen beziehen sich. auf seine Ansicht vom Ursprunge der Sprache. Zuerst nämlich erfahren _ wir, dass er ein Werk über das Verhältnis. der verschiedenen Arten des Urteils zu den verschiedenen Arten des Satzbaues geschrieben hat. Dasselbe enthielt mehr Logik als Grammatik und scheint für Unterrichtszwecke nicht bestimmt gewesen zu sein3). - Die anderen Nachrichten betreffen die Etymologie. ‚Gegenüber anderen Bestrebungen dieser Art war er Purist und - leitete alle Wörter aus dem Lateinischen her‘). Das zweite ‚Gebiet der Philologie umfasste die Altertumsforschung, und hier ist er besonders von grossem Einflusse gewesen. Nach Art der ‚griechischen Vorgänger wandte er sich den ältesten lateinischen ‚Sprachdenkmälern zu, um diese durch grammatische Erklärungen -dem Verständnisse zu erschliessen. Ebenso übertrug er die Text- kritik auf die lateinischen Dichter und namentlich auf Plautus°). Andererseits unternahm er die Erforschung der Lebensweise der ‘alten Römer und überhaupt der Vergangenheit. Dass er hier i gleichfalls unter dem Einflusse der Griechen stand, beweist schon Ἢ Vgl. Teuffel-Schwabe, Röm. Litt.-Gesch. Kap. 148, ἊΣ 3 3) Cie. Brut. ο. 56, 206; Cornif. ad Heren. IV, 12, 18; vgl. auch Zeller, Philos. 4. Gr. IIIa S. 569, 1°. 3) Gell, N. A. I 18,.2, #) Vgl. hierzu Cie. de off. R31,1k 5) Vgl. Teuffel-Schwabe a. a. 0. der Titel, mit welchem Cicero diese Arbeiten bezeichnet: de in- ventis!). Wie weit er sich jedoch im einzelnen an Panätius angelehnt hat, muss selbstverständlich unbestimmt bleiben. Wir kommen ferner zur Geschichtschreibung der Römer. Auch auf diese hat, wie längst bekannt, die stoische Philosophie einen bedeutenden Einfluss in sprachlicher wie sachlicher Hin- sicht gehabt: Das Zurücktreten der trockenen Annalistik und die gleichzeitige Ausbildung des historischen Stils als der Darstellung zeitlich naher oder selbsterlebter Ereignisse ist wesentlich durch ihren Einfluss gefördert worden?). Bezieht sich dies haupt- sächlich auf Panätius und den mit ihm in dieser Beziehung eng zusammengehörenden Polybius, so ist auch der Einfluss des grossen Geschichtswerkes des Posidonius nicht zu übersehen. Denn ebenso wie das Werk des Polybius ist auch dieses für alle späteren Geschichtschreiber eine viel benutzte Quelle gewesen®). Die fatalistische Färbung in der Auffassung der Geschichte übertrug sich dadurch fast unwillkürlich auf die rö- mischen Historiker. Für die reine und angewandte Mathematik sowie für die Naturwissenschaften, zu denen wir uns schliesslich noch wenden, hatten die Römer überhaupt kein wahres und grosses Verständnis, und was sie von ihnen gebrauchten und gaben, nahmen sie von den Griechen. Der erste Römer nun, der sich etwas eingehender mit der Geometrie befasste, war Sextus Pompeius, ein Freund des Panätius und Mitglied des Scipionischen; Kreises®). Eine wie bedeutende Fundgrube aber die diesbezüglichen Werke des Po- sidonius für alle Späteren gewesen sind, ist bekannt und auch schon früher angedeutet worden). Wir können das Einzelne hier um so mehr übergehen, als wir noch einmal in Kürze zu der Astronomie des Posidonius und ihrer allgemeinen Bedeutung zu- rückkehren müssen. Ebenso frühzeitig wie die Philosophie entwickelte sich bei !) Brut. ce. 56, 205; vgl. dazu S. 237 £. 32) Vgl. die Nachrichten über die Werke des C. Fannius, Coelius Anti- pater, Rutilius Rufus und Sempronius Asellio b. Teuffel-Schwabe a. a. O. Kap. 37 u. 137, 4 ff.; 142. °) Vgl. Susemihl, Gr.-Alex. Litt.-Gesch. II S. 142. τ Οἷς, Brut. οἱ 47, Ὁ: (6. ΟἿ ΠΟ. 99: °) Vgl. die Anmerkungen auf S. 16 £. -- 45 -- ἄρῃ Griechen das Interesse für die Astronomie. Wenn nun auch die ältesten Erklärungen des Weltgebäudes noch sehr naiv waren, so finden wir doch schon bei Pythagoras den ersten Schimmer der Wahrheit. Bald trat ihre Erkenntnis in der Schule desselben klarer hervor: Hicetas und Ecphantus lehrten bereits die Achsen- - drehung der Erde und erklärten dadurch die scheinbare Bewegung der Gestirne um dieselbe). Ihnen schloss sich hierin Heraclides Ponticus an, der die Theorie zugleich weiter führte?). Aber erst Aristarch von Samos stellte, sicher im Anschluss an diese Vor- gänger, das heliocentrische System als Hypothese auf und erklärte auf Grund desselben auch die Entstehung der Finsternisse®). Was “ nun dieser begonnen hatte, führte Seleucus fort, indem er diese Hypothese als die allein richtige Weltanschauung eingehend ver- teidigte*). Welche Gründe sie hierzu bewogen haben, wissen wir mit Bestimmtheit nicht; doch waren es ausser anderen gewiss die Entstehung der Finsternisse und die rückläufige Bewegung der äusseren Planeten. Um diese vom geocentrischen Stand- punkte aus zu erklären, ersann Apollonius von Perge die Theorie der Epieyklen°). Gegen die in der Schule der alten Pythagoreer herrschenden Anschauungen über das Weltall, die Erde Gegenerde und ihre Be- wegung um das Centralfeuer, stellte Plato im Timäus (p. 38) ein neues System auf. Um die Erde als den ruhenden Mittelpunkt bewegen sich nach ihm zunächst der Mond, dann die Sonne und darauf als äussere Planeten Venus, Merkur, Mars, Jupiter und Saturn. Dieses System fand zugleich mit seiner Philosophie die weiteste Verbreitung. Auf die Anschauung des Aristoteles hat es gewirkt und noch mehr auf Eudoxus®), dessen Lehrbuch als- dann Arat poetisch gestaltete. Bald darauf treffen wir es bei 1) Cie. acad. pr. 131, 132; Aet. plac. phil. III 13 (Diels, dox. p. 379, 10 2). 2) Vgl. die vor. Anm. u. ferner Geminus bezw. Posidon. b. Simplie. in phys. Aristot. p. 65 v. 3f., 395, 21ff. ed. Diels. 3) Plutarch. quaest. Plat. VIII; Act. plac. phil. II 24 (Diels dox. gr. p- 355, 1#.). | Ὁ Vgl. Plutarch. a. a. Ὁ. Stob. eel. I p. 253, 16 ff. W. Aet. plac. phil. II 17 (Diels a. a. O. 383, 26 8... 5) Ptolem. Alm. XII 1, p. 312f. ed. Halma. RT 6) Vgl. Ideler, Abhdlg. der Berl. Akad. phil.-hist. Kl. 1830 >. (= 81 -- 404 -- Eratosthenes!) und Chrysipp?). Bei dem Verhältnisse zwischen Arat und Zeno und überhaupt zwischen den Stoikern, Plato und Aristoteles dürfen wir ferner schliessen, dass auch Zeno dasselbe vertreten und demnach Gleanthes ebenfalls im Interesse desselben die Anklage gegen Aristarch erhoben hat.?) Ebenso wird zu seiner Verteidigung Apollonius die Epieyklentheorie erdacht haben. Einen neuen Sturm gegen diese Theorie unternahm Selecus durch seine Verteidigung der Lehre Aristarchs; und. wie sehr er dieselbe erschüttert hat, dürfen wir wohl daraus entnehmen, dass Hipparch, sein jüngerer Zeitgenosse, eine Entscheidung nach der einen oder anderen Seite hin ablehnte und nur die Möglichkeit der älteren Anschauung aufrecht erhielt. Das Letztere erzählt Ptolemaeus, um gleich darauf ‘zu berichten, dass er als der erste nach Hipparch‘*), dem eben diese Aufgabe noch:zu ‚schwierig gewesen sei, ein rationelles Weltsystem aufstelle. Er nimmt: nun nicht die Ansicht Platos wieder auf, sondern eine Modifikation derselben.’) Diese besteht darin, dass er Venus und Mercur zu den inneren Planeten rechnet und somit; die Sonne in die Mitte der letzteren stellt. Dieses System ist jedoch nicht erst von ihm aufgestellt worden, sondern wir finden 65: in ‚derselben Gestalt bereits bei Panätius und mit einer nichtssagenden Abweichung bei Posidonius.*) Von Macrobius erfahren wir dazu, dass es an der Anschauung des Archimedes und .der Chaldäer seine Stütze finde.’) Sehen wir hier von den letzteren ab,. so’ dürfte dem- nach Archimedes zu dieser Modifikation Anlass gegeben haben. Ἢ ') Für Eratosthenes vgl. Chaleidius in Tim: Plat. e. 73 p. 140 f. ed. Wrobel. = Theon p. 142H. Da sich diese Stelle an’ den Timäus Platos anschliesst, stammt sie höchst wahrscheinlich aus dem Πλατωνιχός des Eratosthenes, der wie Hiller (Philologus XXX S. 68 ff.) gezeigt hat, ein Kommentar zu der Schöpfung der Weltseele in Platos Timaeus war. 7 Arius Didym. ed. Diels dox. gr. p. 466, 10 ff. 3). Vgl. Zeller, Phil. ἃ. Gr. III a. S. 316°. *) Alm. IX. c.1.p. 114 ff. °) Das heliocentrische erwähnt er gar nicht. °) Vgl.S.230 u. 5: 282 ff. und dazu 8.465 Anm. 2 Schl. Die Abweichung bezieht sich auf die Abfolge der Venus und des Merkur, in der stets Schwanken herrschte. ‘) Somn. Se. I 19, 2. Auch Ptolemaeus Almag. IX 1 p. 114f. ed. H. sagt, seine Ansicht sei älter als die andere (die Platonische); er dürfte demnach unter den älteren Vertretern derselben ebenfalls jene Chaldäer verstehen. νον TE LEGEN UNO BELLE ΟΝ ΨΕΨΥΡ — 65 = Mag nun auch Panätius sich für dasselbe ausgesprochen haben, so ist doch sein Einfluss auf diesem Gebiete jedenfalls nur unter- geordnet gewesen. Ungleich wichtiger dagegen war hier die Entscheidung des Posidonius, da er gemäss der Ausdehnung seiner astronomisch- mathematischen Studien einen unvergleich- lich grösseren Eiufluss geübt hat. Zugleich nahm derselbe den Kampf gegen die Vertreter des heliocentrischen Systems, den Hipparch abgewiesen hatte, voll und ganz auf. Gegen dasselbe sprach ihm vor allem die metaphysische bezw. physikalische Grundanschauung, die er aus der Stoa mitbrachte. Anderer- seits aber stand er auch unter dem Einflusse des Aristarch und Seleucus; er gab daher vom Standpunkte der Astronomie, die ihm als solche nur die Erscheinungen zu erklären hatte, zwar die Möglichkeit des heliocentrischen Systems zu, leugnete dieselbe aber auf Grund seiner Naturphilosophie. Da er die Gründe der Gegner nun nicht schlechtweg verwerfen konnte, so musste er sie bei der Feststellung des Systems auf andere Weise erklären, Er that dies durch die Annahme des obigen Systems, bei dem er, wie wir früher gesehen haben, die massgebenden Theorien seiner Vorgänger benutzte. Mit der ausserordentlichen Be- nutzung seiner Werke fand nun diese Theorie ebenso weite Ver- breitung. Wir finden sie daher durchweg bei denjenigen Schrift- stellern, welche, sei es direkt oder indirekt, auf ihn zurück- gehen, nämlich bei Cleomedes, Geminus, Theon, Cicero, Plinius, Maerobius und Chalcidius. Von Macrobius erfahren wir überdies, dass sie fast von allen angenommen war!). Hierin liegt es offenbar auch begründet, dass Seleucus frühzeitig vergessen worden ist und sich nur bei solchen Schriftstellern erwähnt findet, die auf Posidonius zurückgehen?). Nicht Ptolemaeus also, sondern schon Posidonius, und wohl er hauptsächlich, hat im Anschluss an seine grossen Vorgänger das heliocentrische System zurückgedräng! und dasjenige vertreten und verteidigt, welches bis Kopernikus herrschen .sollte?). 9 Für Cleomedes, Geminus u. Cicero vgl. die S. 283 A. 2 angeführten Stellen; für Cieero ferner noch de rep. VI 17; Plin. nat. hist. 11 8, 32; Macrob. a. a. 0.119, 1ff. Theon p. 186 ff. H. Chaleid. c. 70 ie u | 2) Nämlich bei Strabo, Aetius und Plutarch, vgl. Susemihl, Gr.-Alex. Litt.-Gesch. I S. 763f. 2. 3) Zur Vereinigung der Platonischen und der jün vertretenen Ansicht ist das sog. ägyptische System aufgestellt worden. Schmekel, mittlere Stoa. ὧν geren, durch Posidonius Dieses Schluss. Fast gleichzeitig entstanden an den beiden entgegengesetzten Enden der griechischen Welt die entgegengesetzten Systeme des Heraklit und der Eleaten. Lehrte jener, es gebe kein Sein, nur ein Werden, so behaupteten diese, es gebe kein Werden, nur ein Sein. Aus der Verbindung dieser beiden Prineipien gingen einer- seits die verschiedenen Systeme der folgenden Naturphilosophen hervor und andererseits die Skepsis der Sophistik, die bei den hervorragenden Vertretern derselben mehr die Kosmologie. betraf, bei den untergeordneten aber bald sich vorwiegend auf. die Ethik erstreckte und auf die völlige Vernichtung der Moral hinarbeitete. Diesem Umsturze stellte sich Sokrates entgegen, und in der Tiefe seines Geistes reifte gegen das Schwankende der oberflächlichen Reflexion seiner Vorgänger und namentlich seiner Gegner die Idee des Wissens als der einzig wahren und unerschütterlichen Grund- veste ‚aller Erkenntniss. Zeigte nun die Sophistik bei der Über- tragung der kosmologischen Principien auf das ethische Gebiet, dass es nichts Allgemeingültiges gebe, so wies er die Begriffe als das ewig Bleibende in der Flucht der Erscheinungen nach und lehrte zugleich in der Induktion und Definition die Mittel zu diesem lässt Venus und Merkur zunächst um die Sonne und zugleich mit dieser um die Erde kreisen und giebt daher den beiden Ansichten Recht; denn auf ihrer Bahn um die Sonne erscheinen Venus und Merkur bald über bald unter derselben; vgl. Macrob. Somn. Se. 1 19, 5ff.; Vitruv. IX 4; Mart. Cap. VIII 879ff. Denn dass dieses System nicht alt ist, beweist schon die Ver- gleichung von Macrob.a.a.0©.$ 10 mit S. 283 Ζ. 28 v. o. ff. Ideler irrt also, wenn er a.a. OÖ. dieses System auf Grund der Angabe des Maerebius für ein altägyptisches hält und deshalb die Alternative stellt, Plato habe es ent- weder missverstanden, oder ein anderes von denen, die damals in Ägypten herrschten, angenommen. — Irrtümlich ist S.283 das System des Posidonius mit diesem sog. ägyptischen identifiziert worden; denn der daselbst in der Anm. 2 gezogene Schluss ist nicht notwendig, so nahe er auch liegt, und entspricht nicht der Thatsache. Die Lehre des Posidonius ist dort dem- entsprechend zu modifizieren. } — 40 — Seienden zu gelangen. Grundsätzlich beschränkte er sich ‘hier- bei auf die Ethik als das allein mögliche und nötige Gebiet und lehrte demgemäss die. absolute Abhängigkeit des Willens von dem Denken und die Untrennbarkeit der theoretischen Einsicht und der praktischen Tüchtigkeit!),, Wie er nun die flache Reflexion der Sophisten über Vorstellen und Meinen zu der Idee des Wissens vertiefte, ebenso vertiefte er auch die mechanische Theorie seiner ar “ = F ‘ Vorgänger zu der teleologischen, indem er die Thätigkeit des Anaxagoreischen .Nus auf das gesamte Walten der Welt aus- dehnte. . Der Umstand.aber, dass er von der Ethik aus zu dieser Theorie kam, begründete die Einseitigkeit seiner Betrachtung, die nur den durch seine Vernunft der Gottheit . verwandten Menschen als das Ziel hinstellte und auf ihn allein jenes Walten bezog?). 2 Diese. Idee des Wissens in Beziehung auf die Erklärung der Welt und auf die Ethik. ist das Fundament aller und besonders der idealistischen Systeme nach Sokrates;. denn an und für sich ist sie. der Kernpunkt der Logik, und in dem Dienste für die Ethik bezw. die Welterklärung kennzeichnet sie sich als das Organon der Physik und Ethik. Weil nun Sokrates kein System, sondern nur die Fundamente zu einem solchen gegeben halte, konnten auf diesen Fundamenten nach Individualität und Um- " ständen. verschiedene Systeme errichtet werden. Dies thaten seine Nachfolger und zwar dadurch, dass sie auf die kosmologi- schen Systeme der Vorsokratiker zurückgingen, diese durch die philosophischen Lehren des Sokrates vertieften und selbständig fortführten. Über das Verhältnis der Platonischen Philosophie zu.Heraklit und Sokrates hat, wie bekannt, Aristoteles in muster- gültiger Weise berichtet?); es ist daher überflüssig hier darauf genauer einzugehen. Ebenso ist es bekannt, dass Aristoteles, so ausserordentlich auch seine eigenen wissenschaftlichen Arbeiten sind, in seinen Grundlehren von Plato abhängt, und dass er auch die weitgehendsten Studien seinen Vorgängern gewidmet hat‘). i ἢ Aristot. Met. I 6, 981}, 1 δ᾿; XIII 4, 1078b, 17 #.; 9, 1036 b, 2#.; Eth. Nie. VI 13, 1144 b, 18 ff.; vgl. III11, 1116 b,2£. Xenoph. mem. ΠῚ 9, 4 Β΄. 2) Xenoph. Mem. 14; IV 3. Wie Induktion und Definition verhalten sich Mechanik und Teleologie. 3) Metaph. I 6, 987a, 920 Fl. - s) Vgl. Zeller, Philos. ἃ. Gr. ΠῚ ἃ 5. 2f. so* -- 4065 --- Nur bei dem dritten Hauptsysteme, dem eynisch-stoischen, müssen wir hier etwas länger verweilen. Mit Absicht wollte Antisthenes keine eigene Lehre aufstellen, sondern nur die seines Meisters, an dem er mit der grössten Ver- ehrung hing, aufrecht erhalten. Hierzu stimmt seine Lehre im allgemeinen durchaus, wenngleich sich nicht verkennen lässt, dass er sie seiner Individualität entsprechend verstanden und ausge- bildet hat. Mit Sokrates teilt er zunächst den allgemeinen Grund- satz der Einheit von Tugend und Wissen und die ausschliessliche Richtung auf die Ethik. Die erkenntnistheorethisch-logischen Erörterungen und die Lehre von der Gottheit, die allein aus der Physik für ihn Interesse hat, stehen ihm daher nur im Dienste der Tugendlehre. Ebenso stimmt er mit ihm in den einzelnen Lehren fast durchweg überein, nur finden wir diese bei ihm in verschärfter Gestalt wieder: Der Begriff bezeichnet das Wesen der Dinge; diese sind entweder einfach oder zusammengesetzt. Von den ersteren giebt es keine Definition, weil diese in dem Worte bereits enthalten ist; von den letzteren dagegen ist eine Definition möglich und nötig. Diese zerlegt das Zusammen- gesetzte in seine Bestandteile und giebt dadurch die richtige Ein- sicht aufGrund der begrifflichen Erklärung. Dieselbe umfasst natür- lich auch das richtige Verständnis des Einfachen, weil das Ver-. ständnis des Zusammengesetzten ja nur durch die Zurückführung auf das Einfache erreicht wird. Als Inhalt des Wissens ergibt sich daher das richtige Verständnis der Worte. Diese haben stets eine spezifische Bedeutung (οἰκεῖος λόγος), so dass in Wahrheit niemals von Widerspruch und Selbsttäuschung die Rede sein kann 1). Diese Theorie ist in allem Wesentlichen die des Sokrates; denn einmal richtet sie sich augenscheinlich gegen die verblüffenden Spielereien der Sophisten, die immer nur Täuschung und Wider- spruch aufzudecken bemüht waren?); und andererseits geht ” 1 Diog. VI 2; 9; 11; Xenoph. mem. III 11, 17. Aristot. metaph. VII3, 1043b, 23 ff.; IV 29, 1024 Ὁ, 32ff. Arrian. Epikt. diss. I 17; Diog. VI3. 59 Man vergleiche nur z. B. die Spiegelfechtereien eines Euthydemus, Dionosydorus, Polus u. a. bei Plato. Aristoteles nennt diese Theorie des Antisthenes wohl thöricht, aber nicht sophistisch; und in Wahrheit ist auch kaum etwas Wesentliches in ihr enthalten, was sophistisch wäre, ausser demjenigen. worin sich auch Sokrates mit den Sophisten berührt. Es wäre auch unerklärlich, dass Antisthenes, der seinen Meister so sehr u RE — 469 — auch Sokrates in seinen logischen Distinctionen, wie bekannt, zu- meist von der Bedeutung des sprachlichen Ausdrucks aus. Selbst in Aristoteles’ und Platos Erkenntnistheorie finden wir infolge der gleichen Vermittelung denselben Einfluss der herrschenden Begriffe‘). Ebenso wie bei Sokrates dient nun auch bei Antisthe- nes dieses Wissen der Ethik: Die Tugend ist das höchste Gut, denn in ihr allein besteht die Glückseligkeit; als Wissen aber ist sie lehrbar. Sie entspricht der Natur des Menschen, wäh- rend die Schlechtigkeit ihr als solcher fremd ist. Alles, was weder gut noch schlecht ist, ist gleichgültig (ἀδιάφορον). Der Tugendhafte ist weise, und weil allein Tugend und Weisheit ihn dazu machen, giebt es keine Schranken zwischen Hellenen und Barbaren, Freien und Sklaven, sondern nur zwischen Weisen und Thoren. Hiermit erweitert sich der Staat zum Weltstaat. Natürlich ist das Leben in demselben frei von den konventionellen Sitten und Anschauungen; es richtet sich vielmehr lediglich nach den Gesetzen der Tugend und den Forderungen der Vernunft, Diese bestimmt auch die Gottesverehrung, wie sie auch in der Physik allein die richtige Gotteserkenntnis giebt. Verkelirt ist danach die Vielheit der Götter der Volksreligion; denn in Wahr- heit existiert nur ein Gott, der keinem Bilde gleicht und allein durch die Tugend verehrt wird?). Auch diese Lehre ist ebenso wie die Erkenntnistheorie in den wesentlichen Stücken die Lehre des Sokrates, aber in einer Fortbildung, die der Erkenntnistheorie vollkommen parallel ist. Sie steht daher auch wieder in demselben Verhältnisse zu der Ethik Platos, wie seine Er- kenntnistheorie zu der gleichen Lehre desselben Philosophen. Denn was zunächst die Stellung der Ethik zur Logik und Physik betrifft, so bedarf es nach den oben gegebenen Nachweisen über die Auffassung des Sokrates keiner weiteren Erörterung, um die verehrte, sich hier an die Lehre seiner Gegner sollte angeschlossen haben, zumal er mit Sokrates an der Einheit von Tugend und Wissen festhielt (Diog. VII 105). Den Anklang an die Sophistik, den Zeller, Philos. d. Gr. IIa S. 292 ., und Überweg-Heinze, Grundr. 1 S. 123 hier finden, über- treibt fast ins Mafslose Stein, Psych. ἃ. Stoa II S. 62 fl. 1) Vgl. Zeller a. a. O. 1Π ἃ 5. 3. 2) Diog. VI 11; 12; 104; 105; Philod. π. εὐσεβ. ed. Bücheler in Jalhns Jahrb. 1865 S. 529; Cie. deor. nat. I 13, 32; Clem. Alex. strom. hacz 0. S. 122. vgl. Zeller a. a. O. 118 S. 292 u. Üeberweg-Heinze a. a. Ξε δῦ -Ξ Übereinstimmung .zu erkennen. Ebenso ist es klar, dass die einzelnen Lehren des Antisthenes sich mit denen des Sokrates decken, oder soweit sie über sie hinausgehen, in der Konsequenz derselben liegen. Dies gilt namentlich von dem Kosmopolitismus und der Religion. Wohl rüttelte Sokrates nicht direkt an der griechischen Götterwelt und -Verehrung, aber unstreitig liegen in seiner Ansicht über die Gottheit und die Götter die Keime der Verwerfung derselben. Wenn er andererseits alle Tugend und Tüchtigkeit allein aus dem Wissen herleitete und deshalb auch die Wahl der Beamten durch das Loos, wie sie in Athen geschah, verwarf, und als berechtigt zur Herrschaft: allen den Wissenden anerkannte, da dieser allein die Menschen zur Glückseligkeit führen und damit die Aufgabe des Herrschers verwirklichen könnte!), so ist diese Anschauung ebenso der Grundgedanke des Kosmo- politismus des Antisthenes wie der Staatstheorie Platos. Denn daraus, dass er die Tugend und Schlechtigkeit allein von dem Wissen abhängig erklärte, folgte unmittelbar, dass sie nicht mehr das Vorrecht einzelner Klassen sein konnte. Diese Konsequenz liegt auch klar in der Theorie Platos vor, wenn er lehrt, dass alle Kinder als Kinder des Staates angesehen, aber jedesmal die begabteren von den unbegabteren ausgeschieden werden und nur die begabtesten schliesslich zum vollen Wissen gelangen sollten ?). Ist nun aber das Wissen nicht mehr an den Stand und die Geburt geknüpft, so ist es nur ein kleiner Schritt oder vielmehr eigentlich kein Schritt, das Gleiche auch von der Nationalität gelten zu lassen. Selbst Plato und Aristoteles können, trotzdem sie sonst diesen Schritt nicht thun wollen, sich dieser Konsequenz nicht gänzlich entziehen; denn in der Lehre von der Freundschaft kommt sie bei Aristoteles?) unverhofft zum Vorschein, und ebenso klar, ja noch klarer lässt Plato den Sokrates an seinem Sterbetage den Unterschied zwischen den Hellenen und Barbaren aufheben ?). Mag also auch Sokrates den Kosmopolitismus nicht direkt ver- τ Xenoph.' mem. I 2, 9; III 2; 9, 10. u. ©. 2) Rep. V und VII e. 15f. 3) Eth. Nie. VIII 13, 1161 b, 5 ΠΣ *) Phaed. p. 78 A: πόϑεν οὖν, ἔφη, ὦ Σώχρατες, τῶν τοιούτων ἀγαϑὸν ἐπῳδὸν ληψόμεθα, ἐπειδὴ σύ, ἔφη, ἡμᾶς ἀπολείπεις; Πολλὴ μὲν ἡ “Ἑλλάς, ἔφη, ὦ Κέβης, ἐν ἢ ἔνεισί ποὺ ἀγαϑοὶ ἄνϑρες, πολλὰ δὲ καὶ τὰ τῶν βαρβάρων γένη, obs πάντας χρὴ διερευνὥσϑαιν ζητοῦντας τοιοῦτον ἐπωδόν κτλ. Er ut — 41 = kündigt und empfohlen haben, da er gemäss seiner ganzen Riehtung nicht revolutionär auftrat, so war doch die Idee desselben die unmittelbare Konsequenz seiner Lehre: Nicht also Alexander, sondern Sokrates ist durch seine Theorie des Wissens der Vater des kosmopolitischen Gedankens geworden. Wenden wir uns jetzt zur stoischen Philosophie, so ist das Verhältnis, welches zwischen ihr und der eynischen obwaltet, ohne weiteres klar: Zeno hat sich Antisthenes fast in allen Punkten angeschlossen. Cynisch ist zunächst seine nominalistisch-empi- ristische Erkenntnistheorie; ferner seine Gleichsetzung der Turend und des Wissens und der daraus folgenden Einteilung derselben, seine Unterscheidung der Güter, der Übel und der Adiaphora und die Selbstgenügsamkeit der Tugend und des Weisen'). Wie Antisthenes hält auch er die Natur des Menschen als solche für gut und darum die Tugend für das Naturgemässe (οἰκεῖον), die Schlechtig- keit für das Gegenteil. Ebenso entlehnt er ihm den Kosmo- politismus, wie auch direkt bezeugt wird*), ferner die Religions- philosophie und zugleich mit ihr die allegorische Deutung der Mythen, durch die Antisthenes die Volksreligion mit der wissen- schaftlichen vereinigte. Er sowohl wie seine Nachfolger haben daher auch anerkannt, dass der kürzeste Weg zur Weisheit die cynische Lebensweise sei, und dass der Weise diese führen werde). Insofern nun die stoische Schule sich zur Lehre des Antisthenes bekennt, steht sie natürlich in demselben Verhältnisse zu Sokrates und Plato wie Antisthenes.. Nun begnügte sich aber Zeno nicht mit der Lehre des Antisthenes, sondern ging über sie hinaus, indem er in anologer Weise wie Plato die Lehre Heraklits mit der eynischen verband, und, was damit notwendig gegeben war, ein ausgeführtes System entwickelte. Ganz von selbst war hierbei die Berücksichtigung der Anforderungen des Lebens nahe gelegt. Das Verhältnis Zenos zu den Cynikern ist daher wesentlich dasselbe wie das Platos zu den einseitigen Sokratikern und sein ΑΝ 1) Vgl. auch Zeller, Phil. d. Gr. ΠῚ ἃ >. 351. 2) Diog. VII4. Zenos Politeia wurde nun von Chrysipp in allen ihren Lehren voll und ganz vertreten; Diog. VII 131: Mit Unrecht sucht daher Zeller a. a. O. ΠΙᾺ 8. 353 einen Unterschied zwischen der Staatslehre der Stoiker und der der Cyniker zu machen. 8) Diog. VII 121; Stob. 66]. IL 114, 24£. W. -- 42 -- Verhältnis zu Sokrates demgemäss analog dem Platos und Aristoteles’. Trotz aller Verschiedenheit der durch die verschiedenen Entwickelungsmomente bedingten Systeme finden daher die wesent- lichsten Übereinstimmungen zwischen ihnen statt, die ihren Grund eben in der gemeinsamen Quelle, der Lehre des Sokrates, haben. Dies zeigt sich zunächst in der Auffassung der verschiedenen Teile der Philosophie: Die Erkenntnistheorie und Logik halten die Stoiker ebenso wie Plato und Aristoteles für die Grundlage und das Mittel aller Philosophie, ja gegen den letzteren behaupten sie, dass sie wegen dieser Stellung nicht bloss ein Mittel, sondern auch ein Teil derselben sei!); die beiden übrigen Teile dagegen, die Physik und Ethik, stellen sie nicht in das Verhältnis von Mittel und Zweck, sondern von Grund und Folge. Die Physik bildet die Quelle aller Erkenntnis und wegen ihres höheren Gegenstandes steht sie höher als die Ethik; in der Befolgung der Gesetze, die sich aus ihr ergeben, besteht die Tugend. Beide Disciplinen sind daher in Wahrheit unzertrennlich, und deshalb ist es auch verkehrt und unmöglich, die Physik ohne die Ethik und die Ethik ohne die Physik zu pflegen?). Diese innere gegen- seitige Bedingtheit zeigt sich auch durchweg in der Ausführung ihres Systems: Dem Makrokosmus entspricht voll und ganz der \) Diog. VII 42; 46f. Vgl. Zeller a. a. Ὁ. IIb S. 182, Anm. 5. Die hohe Bedeutung der Logik bei den Stoikern thut auch die ausführliche Behandlung, welche sie ihr zu Teil werden liessen, dar. 5) Diese Auffassung beweisen zunächst die Vergleiche, durch welche die Stoiker das Verhältnis der drei Teile ausdrücken; Diog. VII 39; Sext. adv. log. 1 17 u. a. Wenn Zeller dazu a. a. O. III S. 62, A. 1 bemerkt: „Die Philosophie wird einem Obstgarten verglichen, in welchem die Logik der Umzäunung, die Physik den Bäumen, die Ethik den Früchten ent- sprechen soll, so dass also diese der Schluss und Zweck des Ganzen ist,* so ist er zu dieser Deutung nur auf Grund seiner allgemeinen Auffassung der stoischen Philosophie gekommen, thatsächlich aber steht sie in dem angeführten Vergleiche nicht; denn Baum und Frucht verhalten sich hier offenbar nicht wie Mittel und Zweck, sondern wie Grund und Folge. Dies beweist auch die direkte Angabe des Chrysipp bei Plutarch stoie. rep. e. 9, der gemäss die Physik der Grund und die Quelle der Ethik ist. Diese Auffassung ist allgemein stoisch. Auf diese Weise lösen sich ohne weiteres alle Schwierigkeiten, welche Zeller a. a. Ὁ. 5. 61 findet: Die Logik fassen alle Stoiker als erste Stufe, sie steht insofern gesondert; die beiden anderen Teile dagegen erscheinen stets in demselben Verhältnisse, sei es dass dieses aufsteigend oder absteigend angegeben wird. Mikrokosmus; die Gesetze jenes walten daher auch in diesem, Letzterer steht also ebenso unter wie neben ihm; er ist deshalb zugleich frei und abhängig und daher das naturgemässe Leben seine Tugend. Hieraus ergiebt sich der prineipielle Idealismus und Optimismus Zenos und seiner Nachfolger, der vollständig dem vernunftgemässen Walten der Weltvernunft entspricht (s. S. 3571, 364), und seinen letzten Grund in Sokrates’ Lehre von der Herrschaft der Vernunft im All wie im Menschen hat. Ebenso ist diese auch der letzte Grund für ihre Annahme der unbedingten _ Abhängigkeit des Willens von der Einsicht (5. 5. 3271f.), ihre Lehre von der Stellung des Weisen zu den Mitmenschen und der der einzel- nen zum Staate bezw. dem Weltstaate: Die Physik ist also ebenso wichtig und nötig wie die Ethik. Mit dieser Auffassung tritt Zeno neben Aristoteles und besonders Plato; denn auch in der Ideenlehre Platos findet ebenso die ethische wie die metaphysische Seite der Idee des Wissens Berücksichtigung, ja in der Hinaus- schiebung der Idee des Guten über die Idee des Seins und ihrer Identifizierung mit der Gottheit zeigt sich in gewisser Weise noch _ augenscheinlich die höhere Stellung des ethischen Prineips und damit die Einwirkung des Sokrates. Sie unterscheiden sich also nicht so sehr in der prineipiellen Auffassung der Philosophie wie in der Lösung ihrer Probleme. Aber auch hier verdient die Sloa wohl einen Platz neben Plato und Aristoteles: Grossarlig ist der kühne Aufbau der Ideenwelt Platos, ebenso gross das System des Aristoteles; aber nicht weniger, oder jedenfalls nicht viel weniger gross ist auch das in sich durch und durch konsequente, monisti- sche System der Stoa sowohl hinsichtlich seines Einflusses auf die Folgezeit wie seiner Grundidee. Alle drei Systeme sind nur verschiedene Arten der organischen Verschmelzung der eleatischen und Heraclitischen Kosmologie auf dem Boden der Sokratischen Begriffsphilosophie. Sie sind daher auch durchweg rationalistisch und geben den durch Anaxagoras und mehr noch durch Sokrates entwickelten Dualismus bei Plato in der Form der Transcendenz, bei den Stoikern in der der Immanenz, während Aristoteles beiden | gerecht zu werden sich bemüht). ) Von der obigen Auffassung der stoischen Philosophie weicht die Zellers nieht unwesentlich ab. Er ist der Ansicht, dieselbe lich aus dem praktischen Bedürfnisse heraus entstanden, und sucht dem- nach dieses überall als mafsgebend nachzuweisen. Offenbar deswegen sei hauptsäch- ἜΝ ΤΣ Wir wenden uns von hier aus kurz zu Epikur und seine! Lehre. Auch diese ist in ähnlicher Weise wie die Stoa aus der Verbindung eines vorsokratischen Systems mit der durch Aristipp vermittelten Lehre des Sokrates entstanden. Aus dieser gemein-. samen Quelle stammen wesentlich die Übereinstimmungen, welche sich zwischen der Epikureischen und stoischen Lehre finden: Die ῃ, scheidet er auch, soweit es nur angeht, die Stoa von der eynischen Schule, aber zum Teil mit Unrecht (vgl. S. 471 Anm. 3). Andererseits findet er in dem Einflusse Alexanders auf die Gestaltung der griechischen Verhältnisse den zureichenden Grund für diesen Charakter derselben, sowie überhaupt für ihre Entstehung. Wenn er nun in Bezug auf den allgemeinen Charak- ter der stoischen Philosophie in ihrem Verhältnisse za Alexander schreibt: a. ©. S. 362: „In seiner praktischen Auffassung der Philosophie, in sei- nem Sensualismus und Materialismus, in der idealistischen Selbstgenügsam- keit, welche den Weisen über alle Schwächen und Bedürfnisse der mensch- lichen Natur hinaushebt, in dem Kosmopolitismus, der das politische Inter- esse zurückdrängt, und, in so manchen anderen Zügen drückt auch er (der Stoieismus) den Charakter einer Zeit aus, in welcher der Sinn für die rein wissenschaftliche Forschung und die Freudigkeit des praktischen Schaffens gebrochen war u. s. w.*, so ist zunächst unersichtlich, warum der Sensua- lismus und Materialismus ein Beweis dafür sein sollen, dass der Sinn für die rein wissenschaftliche Forschung gebrochen war, zumal der stoische Sensualismus und Materialismus keineswegs reiner Sensualismus und Mate- rialismus waren. Ungleich radikaler ist der Materialismus und Sensualismus Demokrits, und doch dürften wir nicht den Schluss daraus ziehen, den Zeller für die Stoa zieht. Ebenso liegt es nahe, an die neueste Natur- forschung zu erinnern, der doch gewiss nicht der Sinn für rein wissen- schaftliche Forschung abgesprochen werden kann. Zweitens scheitert die obige Ansicht Zellers auch an den Thatsachen der Geschichte: Die Blüte der exakten Wissenschaften bei den Griechen fällt gerade in die Zeit nach Alexander, und hier zeugen namentlich die ausserordentlichen Fortschritte in der reinen Mathematik und in der Astronomie für das Gegentheil von dem, was Zeller sagt. Diese Blüte und Ausbreitung der Wissenschaften ist eine ganz natürliche Folge des philosophischen Lebens, ähnlich wie in der Neuzeit; die Idee des Wissens hat an ihr mindestens den Anteil, den der Einfluss Alexanders gehabt hat, wie wir an Aristoteles erkennen. Diese Idee des Wissens ist auch, wie wir oben gezeigt haben, die Quelle für den Kosmopolitismus, der in der Politik vollkommen der Internationalität der Wissenschaften entspricht. Das Verhältnis der Stoa ist in dieser Be- ziehung nicht wesentlich anders als das Platos und Aristoteles. Denn auch dieser zieht sich aus der unmittelbar praktischen Thätigkeit auf die wissenschaftliche zurück; das Verhältnis Platos zur Athenischen Demokratie aber ist gewiss nicht verschieden von dem der Stoiker zu der Auffassung ihrer Zeit. Denn lesen wir die Schilderung der Pöbelherrschaft bei = 95 ὦ Idee des Wissens als der Kardinaltugend und die Selbatgewinsheit des Weisen, die in jener eine nicht unwesentliche Quelle hat; ferner die Stellung, welche die Epikureer zu dem Staatsleben der Wirklichkeit einnehmen, und die Betonung der Ethik im Gegen- satze zu der Physik, in der sie trotz mancher Übereinstimmung ganz bedeutend gegen die Stoa abfallen. Der Unterschied dagegen in der näheren Ausführung dieser Lehre ist durch die Auffassung des Aristipp und seiner Nachfolger bedingt. Das andere System, welches auf Epikur den nachhaltigsten Einfluss gehabt hat, ist die Plato und dazu die Abhandlung über die Philosophen als die wahren 'Staatslenker, und vergleichen wir damit die beztigliche Lehre der Aton, κὸ kann uns die Parallele nicht entgehen: Die Philosophen Platos sind die stoischen Weisen und beider Urbild ist der idealisierts Sokraten, Die "Stoiker sowohl wie Plato ziehen sich von der Wirklichkeit zuriick und - schwärmen in dem Idealstaate ihrer Phantasie. Dieser Zusammenhang zeigt "sich noch von einer anderen Seite. Der Philosoph Platos erstreht die mög liehste Vereinigung mit der Gottheit; diesen Ziel erreicht er aber wegen der Transcendenz der Ideen erst im Jenseits. Dasselbe Ziel hat anch der stoische Weise; da es für ihn jedoch keine Transeendenz giebt, κὸ πᾶς er es in diesem Leben erlangen. Dies ist auch der Fall: Der ntoinche Wein steht dem Zeus in nichts nach. Mit Recht also unterscheiden sieh die Stoiker von Plato nicht so in der prineipiellen Auffamung der Philosophin wie in der Lösung der Probleme. Ebenso kann ich Zeller» Meinung nicht beitreten, die Physik sei bei aller Wichtigkeit für die Stoiker in letzter Beziehung doch nur Hülfswissenschaft der Ethik, insofern er damit einen prineipiellen Unterschied zwischen der Stoa einerseits und Plato und Ark stoteles andererseits statuiert. Die Stellung der Phynik zur Ethik int im der Stoa prineipiell keine andere, sondern nur bestimmter aungenprochen, wozu die fortschreitende Systematisierung und besondern die Abntammung von der eynischen Schule ganz von selbst führten. Schwerlich würde auch Zeno die Physik aufgenommen haben, wenn er nur die Ethik mit ihr hatte stützen wollen. Denn diese hatten schon Sokraten und Antinthenen ohne spezielle Physik begründet. Erst recht vermag ich nun hieramn nieht mit Zeller S. 353f. zu schliessen, dass trotzdem da» wimsennchaftliche Interome« bei Sokrates stärker als bei Zeno gewesen sei. Daza #timmt auch die Fhatsache, dass die Physik der alten Stoa keineuwegn »o unbedeutend ge wesen ist. Haben nun ihre physikalisch - metaphyrischen Lehren unbe schadet ihrer mehr als zerstückelten Überlieferung ein »o eigenes, dureh und durch konsequentes Gepräge, »o werden wir, zamal bei ihrem aumer- - erdentlichen Einfinsse auf die Folgezeit, ihren Wert im Verhältnisse zu der entsprechenden Lehre Platon und Aristotelen’ nicht unterschätzen dürfen. Genauer hierauf einzugehen int hier leider unmöglich; vg). auch 357 Anm. 1 und 95, 362 Anm. 2, Lehre Demokrits. Dieser machte, umgekehrt wie Anaxagoras und Sokrates, durch seine mechanische Naturerklärung alle Theologie und Teleologie überflüssig; beim Atheismus aber waren auch die Kyrenaiker schon angelangt, wie sie andererseits die ethischen Lehren Aristipps nicht unwesentlich geändert und der Auffassung, die Epikur vertrat, angenähert hatten!). Der kyrenäisch - demo- kritische Einfluss bedingt nun ebenso den hochgespannten Gegen- satz zwischen der Philosophie Epikurs einerseits und der der Stoiker und "überhaupt der idealistischen Philosophen anderer- seits wie die von Sokrates her wirkenden Ideen sie mit ihnen wieder in Verbindung bringt. Die Skepsis der Sophisten war durch die Gedankentiefe des Sokrates und den blendenden Glanz namentlich des Platonischen Idealismus zurückgedrängt und fast ganz verdunkelt worden. Natürlich war es daher, dass, sobald dieser Glanz infolge der Kritik etwas zu verblassen anfing, auch jene Theorie wieder sichtbarer hervortrat. Dies geschah durch Pyrrhon von Elis. Die einzelnen Lehren seiner Vorgänger vereinigte er zu einem konsequenten Systeme; zu seinen Vorgängern aber gehörte ausser Protagoras namentlich der Demokriteer Metrodorus, dessen Lehre ihm durch Anaxarchus vermittelt wurde°). In diesem Einflusse Demokrits auf die Skepsis liegt zum Teil die innere Verwandt- schaft zwischen ihr und der Epikureischen Lehre (s. 5. 168ff.) im Gegensatze zu den vorbehandelten Schulen begründet. Die Stellung aber, die beide zu ihrer gemeinsamen Quelle einnehmen, bedingt ihren Unterschied: Epikur hält an der Idee des Sokrates von der Gewissheit der Erkenntnis fest; Pyrrhon dagegen verwirft sie als Sophisterei. Das richtige Verhalten im Leben besteht ihm in der Befolgung der durch die Phänomene bewirkten subjectiven Meinungen und Urteile?). Diese Skepsis fand in der Folge eine verschiedene Entwickelung, in ihrem Wesen aber ward sie nicht verändert. Denn auch Carneades, in dem sie ihren Höhepunkt erreichte, bestritt einerseits jede Erkenntnis der Dinge 1 Nähere Nachweise hierfür zu liefern ist überflüssig. 2) Vgl. Zeller a. a. Ὁ. IIIa S. 479 Anm. 2; Natorp, Forschungen Kap. 1, 3, 4 u. S. 286 Β΄: zuweit geht in der Schätzung des Demokritischen Ein- flusses Hirzel, Unters. III: Urspr. ἃ. Pyrrh. Skepsis. ®) Zeller a. a. Ὁ. IIla S. 484 ff. an sich, wie wir gesehen haben, und entwickelte andererseits in Bezug auf das Verhalten zu den Phänomenen seine Theorie der Erfahrung. In der Entwickelung der nachsokratischen Philosophen lassen sich also zwei Hauptrichtungen unterscheiden: die idealistisch- rationalistischen Systeme Platos, Aristoteles und der Stoa und die vorwiegend realistisch-empiristischen des Epikur und der Skepsis. Lange Zeit gehen beide neben einander her sich gegen- seitig befehdend und beeinflussend, doch ohne sich zu durch- ‘dringen. Erst der ebenso einschneidenden und scharfsinnigen wie allseitigen Kritik des Carneades gelingt es, den Dogmatismus aller Schulen und besonders den bedeutendsten der Stoa zu zersetzen und dadurch die Philosophie in eine neue Balın zu lenken. Denn während bis jetzt die verschiedensten Systeme ‘nach und neben einander hergegangen waren, beginnt unter dem Einflusse seiner Kritik die rationelle Verschmelzung derselben. Diese nimmt zugleich mit der Überwindung des Skeptieismus die be- rechtigten Momente desselben in sich auf und wird eben dadurch -der Ausgangspunkt einer neuen Epoche. Überblicken wir nämlich dieEntwickelungder Philosophie überhaupt und die der griechischen insbesondere, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass ihre Probleme wesentlich dieselben zu allen Zeiten sind. Auch von der Stellung, welche die einzelnen Forscher zu ihr einnehmen, gilt ganz dasselbe. Denn alle Philosophie, als solche aus der Skepsis geboren, ist in irgend einer Art die Überwindung der Skepsis und daher stets und überall von dem subjectiven Bedürfnisse geschaffen. Beide Merkmale sind daher nicht geeignet die Entwickelungsphasen derselben zu charakterisieren. Erst recht sind äussere Anhalts- punkte dazu nicht zu verwenden: vielmehr müssen solche in dem Wesen der Philosophie selbst ihren Grund haben. Diese ist nun die Erkenntnis der Prineipien des Seienden in seiner Totalität: Also können naturgemäss nur die Arten der Erkenntnis ihre Epochen bedingen und bestimmen. Dies ist auch thatsächlich der Fall: Die Forschungen der vorsokratischen Philosophen _ entbehrten, so geistreich sie sonst auch vielfach sein mochten, durchweg der Erkenntnistheorie; ihren innerlich notwendigen Ab- schluss erreichten sie daher in der Skepsis. Die Überwindung derselben vollzog Sokrates durch die Idee des Wissens und ward dadurch der Begründer der zweiten Epoche: Die Erkenntnistheorie re durcehdringt jelzt alle Gebiete der Philosophie. Zwei Richtungen jedoch gehen in dieser Beziehung neben einander her; ‚während nämlich die dogmatischen Systeme darin übereinkommen, dass die Urgründe des Seins mit Gewissheit erkennbar sind, bestreiten die Skeptiker diese Erkennbarkeit schlechthin. Bei der Kreuzung beider Richtungen hören nun beide als solche auf, und’ neben die auf die Empirie gegründete Erkenntnistheorie, welche .von der Skepsis als unzulänglich erwiesen ist, tritt‘ die Erkenntnis aus der Offenbarung, sei es des Geistes an: sich oder durch Ver- mittelung höherer Wesen. Diese Neugestaltung hängt mit der Verschmelzung der dogmatischen Systeme innerlich zusammen und erreicht in dem Neuplatonismus ihren Höhepunkt: ‚Auf Meinen und Glauben folgen Wissen und Zweifeln, die sich in dem Offenbarungsglauben versöhnen, Wandlungen, deren natürlicher Verlauf offen am Tage liegt!). Schweifen wir nun von hier aus zu der Entwickelung der neuen Philosophie, so finden wir in derselben 'einen ganz -analogen Fortschritt. In‘ verjüngter Gestalt führt die Idee des Wissens den Descartes zum Bruche mit dem Skeptieismus und zur Aufstellung seines eigenen idealistisch- rationalistischen Systems, das in Spinoza und Leibniz-Wolff gleich- gesinnte, wenn auch verschiedene Fortsetzer findet. Neben diesen her geht in Locke und Hume die empiristisch-skeptische Richtung. Aus dem Kampfe beider entsteht bei Kant die kritische Philo- sophie. Carneades und die mittlere Stoa stehen also in einem ähnlichen Brennpunkte der Gedankenentwicklung wie Kant, und 1) Diese verschiedenen Arten der Erkenntnis bringen es auch mit sich, dass die Philosophie in der ersten Epoche wesentlich als Kosmologie, in der zweiten als Anthropologie, in der dritten als Theosophie erscheint. Ebenso ist es klar, dass und wie sieh diese Epochen mit denen der grie- chischen Geschichte berühren. — Die zweite Epoche zerfällt in zwei Ab- schnitte: Der erste umfasst Plato und Aristoteles, die einseitigen Sokratiker und Pyrrho; der zweite die älteren Stoiker, Epikureer und die mittlere Aka- demie. Die Lehre des Sokrates tritt hier in den erweiterten Systemen der ein- seitigen Sokratiker in den Vordergrund; die Stoa übernimmt gewissermafsen auch das Erbe Platos, während die Akademie selbst zum Skeptizismus über- geht und zwar äusserlich ebenfalls im Anschluss an Sokrates. Diese Wen- dung ist teils durch die Kritik, teils durch die von Alexander herbeigeführte Umwälzung bedingt. Die dritte Epoche gliedert sich ganz von selbst in die Zeit des ausgebildeten Neuplatonismus und in die Vorbereitungszeit des- selben. Vgl. auch UÜberweg-Heinze, Grundr. I 5. 33 8 9 u. 5. 246. τς 79,2: ΟΜ ΘΠΠ wir ihre Lösung der entgegengesetzten Anschauung nicht in der Vereinzelung, sondern als Ganzes betrachten und mit der Kants vergleichen, kann uns die Verwandtschaft nicht entgehen; „aber gerade der Umstand, dass Kant die Vermittelung der gegen- überstehenden Systeme allein unternahm, ist nicht der letzte Grund für die grosse Verschiedenheit und Geschlossenheit seiner Lösung gegen die seiner Vorgänger. οὲ 3 εἴ, - - -----οῷ.----- Namenverzeichnis.') Academie 102. 305. 341. 392. 383. 389. sg f. 478.1. Adrastus 409,3. Aelius Cato 460,1. L. Aelius Stilo 461f. Q. Aelius Tubero (d. ältere) 67f. 7Lf. 153.443 (derältere u. der jüngere)440. Aenesidemus 387,1. 399. Aeschines (Sokratiker) 235. Albucius 443. Alexander v. Aphrodisias 319,1. Alexander d. Gr. 478,1. Alexander Polyhistor 429f. 434. 436. Alexinus 102. Ambrosius 29, 2, Anaxagoras 230,3. 380. 467. 473. 476. Anaxarchus 476. Antiochus v. Ascalon 61,4. Antipater v 383. 392. 398f. Antipater v. Tyrus 45. 225,5. Antisthenes 235. 278,3. 296, 1. 468 ff. Apollodorus (Grammatiker) 7,6. Apollodorus Cepotyrannus 339. 346. Apollonius v. Perge 463 f. Aratus v. Soli 454,1. 463 f. Arcesilaus 60. 114. 121f. 153,2. 341f. 388. 391. Archedemus 335,1. 352. 355. Archelaus (Physiker) 236. ') Als Sachregister vergl. Schwierigkeit, in welchem Zussppmenhange die a ork 318. Ay aa! 180, 3. 200, 1. 352. 385 ff. 437. 446. 448,2. Marsus. 3.,2..16,3. 62. 201,1. 335. 352. 355 f. 365. 368. 371. Archimedes 464f. Archytas 114. 121. 432ff. 436. Aristarchus v. Alexandria 207f. Aristarchus v. Samos 230, 4. 463. Aristides 231. Aristippus 235. 475 f. Ariston 371,1. Aristoteles 14,2; (5). 70,1. 89, 1. 935. 95. 114. 121. 140. 143. 187,2. 188, 2. 201,1. 210,2. 228,3. 259,2. 265,1. 312,3. 317. 336. 341. 345,2. 350,1. 371 ff. 5880 Ε΄. 389. 269,2. 304. 311. 396 f. 400. 403ff. A31ff. 467 ff. Aristoxenus 134. 231f. Arius Didymus 14,5. 430. Arnobius 109ff. 125,1. Ärzte, emp. 347. 350,1. 350, 1. Asclepiodotus 12. 14,5. Atheisten 98ff. Athenodorus 12,5. Atomisten 140f. Augustinus 104 ff. 120,1. 160 ff. Augustus 451. Aurelius Cotta 19. M. Aurelius 401. log. 349, 1. Boethus 63. 188, 355. Bromius 337. Brontinus 432. 431. 2. 808. 320. 325,1. Callipho 326. 364. 371. das Inhaltsverzeichnis; dasselbe lehrt ohne men. u eh 7323, 0. ap oh 481 -- Carneades 3. 38. 58. 611. 87. 114. | Diodorus Cronus 178 ἢ, 189, 918 121. 168. 172. 8058. 8188. 324, | Diodorus v. Alexandria 12. 999. 841. 356. 364ff. 379. 384. | Diogenes v. Babylon 2f. 16,3, δ 5860. 400. 488. 448. 448, 2.455.477. | 698. 87. 241,3. 320,3. 385,1, 368, Censorinus 409 ff. Chaleidius 465. Chares 408. Charmadas 234, 4. Charondas 288. 364. 381. 383. 464. 187,2. 116. 132f. 138,1. 457. 459. 465. 381. 464. (Clemens Alexandrinus) 116. Cleomedes 16,5. 188,2. 282,4: 465. 980 Ε΄. 443. Sex. Clodius 434,5. Commenta Lucani Bern. 104ff. Crantor 150ff. 218,1. 380. Crates v. Mallos 3. 207. 461. Cratippus 323, 3. Critias 317. Cyniker 219,4. 403.1. 408 ff. Cyrenaiker 476. Dardanus 2. 16. 391,5. Demetrius Lacon 16. 337. 340. _ Democritus 114. I21E: 350,1. 380. 476. Demosthenes 206. 232#. Descartes 478. 377. 380. 454,1. Diodorus (Historiker) 14, 8. Schmekel, mittlere Stoa. Chrysippus 61,3. 88 ἢ. 93#f. 114. 121. 148. 165ff. 262,2. 270, 5; 6. 278,1; 3. 294,9. 296,1. 305. 310,2. 318f. 321,1. 324ff. 341f. 361,1. 568, 4. Cicero 2,3. 6,3. 8,4. 9. 12. 13,1; 8. 14,2. 188. 418. 568. 648. 818. 146, 2. 149. 155ff. 234f. 243,4. 250 ff. 315. 317,2. 320,5. 395,1. 438,5. 441. Cleanthes 88f. 92ff. 146. 296,1. 316,1. 430. 436. 8. 314, 1. Clitomachus 10. 172. 341f. 352. 383. Critolaus 3. 153,3. 307 ff. 433, 1. 459. Demetrius v. Phaleron 231f. 235.380. 134. 230, 3. Dieaearchus 43,2. 64. 134. 156. 146,4. 371. 443. 455. Diogenes Laertius 430, Diogenes v. Sinope 278,3. 2%, 1. Dionysius v. Halicarnass 234 | Dionysius v. Cyrene 16f. 205#. 387. 339. 355. Dionysius 122. Dörfel 230, ὃ. Ecphantus 463. Eleaten 466. Empedocles 128. 145. 406f. 434 Ennius 129. Epieureer 10. 87,3. 1011. 120. 146,4. 167 ff. 306. 313,1. 349,1. 355. 446, ὃ. Epieurus 16,5. 87. 98. 114 f. 1188 136. 891. 121. 193. 134. 146,4. 1δ8, 8. 166, 168 ff. 326. 337. 339. 341. 382. 425, 2, 441. 414 ff. Epictetus 401#. Eratosthenes 11,4. 464. 465. Euclides ἃ. Mathematiker 413. Euclides v. Megara 256. | Eudorus v. Alexandria 430. Eudoxus v. Knidos 469. Euripides 150. Q. Fabius Maximus 440. Favorinus 158 fi. C. Fannius 40. Florentinus 456. L. Furius Philus 5öf. 611. 440. Gaius 456. Galenus 13,13. 154,2. 200,4. 259,2. 325,2. 326, 2. Galilaei 250, 9, Gellius 409 ff. Geminus 14,5. 465. 475. Glaueias 350, 1. Hecaton l14ff. 62. 370,6. 371. 373,1. 379. 443. Heraclides Pontieus 380, 463. 31 300 ff. 365, Heraclides v. Tarent 350, 1. Heraclitus v. Ephesus 114. 118. 121. 241,3. 466. 467. 472. Heraclitus v. Tyrus 388. Herophilus 423. Hesiodus 96. 454,1. Hicetas 463. Hieronymus 231. Hipparchus v. Nieaea 409 ἢ. Hippodamus 434. Historiker (röm.) 462. Homerus 95. 207. 287. Horatius 453. Hume 478. Jason 12. M. Junius Brutus 440 (?). 457. Juristen (röm.) 454 ff. (Justinus Martyr). 430. 486. Justinus (Historiker) 453, 3. Kant 478 £. Kolumbus 280. Kopernikus 465. Dee. Laberius 129. 434,5. Lactantius 58. C. Laelius Sapiens 5öft. 67f. 440. 443. 445. Leibniz 478. Leonides v. Rhodus 12,5. M. Lieinus Crassus 2f. Locke 478. C. Lucilius 3. 7. 892, 2. 440. 443 ff. 455. 461. Lucilius Balbus 13. Lueretius 100. Lyeurgus 288. Macrobius 409 ff. 425, 2. 465. M’. Manilius 440. 457. Martianus Capella 465,2. Metrocles 296, 1. Metrodorus 114. 121. 476. Milichius 230, 3. Mnesarchus 2. 16. 296f. 312. 391. Moses 431. 439,1. P. Mucius Scaevola p. m. 457. 482 wo Q. Mucius Scaevola p. m. 2,3. 117 ff. 446. 457 ff. Q.Mucius Scaevola augur. 440.443. 458. Sp. Mummius 440. Musonius 401. 403. Myrto 231. ‚Nemesius 154, 2. 200, 4. “Newton 230, 3. 282,3. Nicagoras 2f. Nicomachus 438,1. Nigidius Figulus 447. 450. Numenius 498,1. Ocellus 432f. 434,5. 436. Ovidius 238,4. 434,5. 451. Panaetiasten 7. Panaetius 1ff. 9. 14. 16, 15 1148 121. 134. 136. 143. 153. 176f. 185# 272, 4. 290. 291,1. 308. 317. 320f. 924. 326. 336f. 340. 352. 355£. 359,3. 365f. 368ff. 8191. 334. 8916 400. 403,1. 437, 3. 438. 4404. 455 ff. 464 f. Paulus (Jurist) 456. Peripatetiker 65. 571. 391. Phaedon v. Elis 235. Phanias 12. Pherecydes 133. Philo v. Alexandria 409ff. 480. Philo v. Larissa 61,4. 138. 143,2. 985. Philodemus 10, 5. 298,1. 300, 1. 337f, 346. 349,2. 860,1. 354. Philolaus 406ff. 432. Plato 8..61,4. 65.767. Wanda 110ff. 118. 191. 1932 12h, 158 136. 146,3. 158, 2.200, 4 207 207. 2328. 250,3. 1265, 272bar 269,2. 291,1. 511. 28 37a 994. 336. 350, 1. 356. 5116. 8808. 388. 391. 396f. 400. 405. 430 ff. 449. 454. 464f. 461 Ε΄. Platoniker 119f. 478. C. Plinius (d. ältere) 14,8. 465. | Plutarchus 150ff. 181ff. 231f. 236. 288,4. 362,2. 363,4. Polemon der Perieget 3. wor H f2 77 S Y fr‘ . + — 48 — Polybius 4ff. 64ff. 71. 73f. 289f. | 430. 462. Pompeius Magnus 13. 234. Sex. Pompeius 216,4. 440. 462, Pompeius Trogus 453, 3. M.PoreiusCato81. 84. 85.2. 142,3 455. Posidonius 3,10. 4,3. 8,4. 9 Β΄. 28f. 62. SE. 144ff. 123. 140. 1498 146,4. 154, 163. 165. 166ff. 187,2. 188,2. 2584. 312ff. 321. 323. 326. 334ff. 355. 8605. 368ff. 980 Ε΄. 384. τ 392,2. 397,2. 398. 400#. 317. 406 ff. 436 ff. 443. 448 f. 452f. 459. 462. 464 f. Protagoras 476. Cl. Ptolemaeus 285,5. 463 ff. Pyrrhon 383. 476. 478, 1. Pythagoras 105. 110. 114. 118#f. 127 ff. 134. 140. 143. 382. 403. 428. 436. 452. 463. Pythagoreer 288,4. 405ff. 428. 436. 428. 447. 449. 452. 463. Römer 378. 439 #. P. Rupilius 440. P. Rutiliüs Rufus 13.1. 46. 440. 443. Scipio Aemilianus minor 2. 4ff. δῦ Ε΄. 67H. 578. 440. 442f. 445. Seleucus (Astronom) 463 ff. Seneca 14,5. 15,6. 140. 250. 401 ἢ, 432. 452. Serapion 350,1. Servius Honoratus 106ff. 313, 4. Serv. Sulpieius Rufus 13,1. 458 f. Sextius 450. Sextus Empirieus 858, 144. 155ff. 315. 321,1. 349. 352. 408. Simonides (v. Magnesia?) 408, 3. Simplieius 14,5. Soerates 61,4. 67. 93. 142,3. 152 ἢ. 291, 235f. 278,3. 388. 466 ff. | Solon 288. 422. Sophisten 466. Sotion v. Alexandria 434, 5. Spinoza 478, Stoiker 58, 96. 102. 104. 114. 119. 136. 140#. 167. 304. 8309f. 319, 327. 339. 841, 349,1. SSH, 850 ᾽. s6If. 374. 377,4. 378. 385, 868 δ΄ 401ff. 438. 440F. ATI, u. 6, Tacitus 452f. Tertullianus 109. 118. 120,1. 261.2 Thales 114. 121. Theodorus (Atheist) 148. Theon v. Smyrna 409 ff. 465. Theophrastus 69. 70, 1. 304. 380,454, 1. Thrasyllus 409. | Timaeus der Lokrer 432f. 434,5. | Timon v. Phlius 383. 432, 5. | Tycho de Brahe 250, 3. | Ulpianus 454, 2. 456. | Valerius Soranus 446. | Varro 104. 1168. 11T. 1368. 1448, 250f. 288,4. 324,1. 402,4. 4098. 434,5. 447. 448. Vatinius 450. Velleius 19. Vergilius 104f. 105. 129. 146,3. 451. A. Verginius 440. Vitruvius 14,8. 465, 2. Wolff 478. Xenoerates 122. 312,3. 317. 380. 425,2. Xenophanes 317. 383, 425,2. Xenophon $2f. 235. 440. Zaleucus 288. Zeno v. Citium 61,3. 87. 98, 9. 102. 114. 121ff. 200. 201,1. 269,2. 296,1. 315.2. 323,3. 324.1. 326. 890, E 335. 341 f. 358, 3. 359,3. 362,2. 30. 982. 437. 464. 471 ἢ, Zeno v. Sidon 14. 16.5. 298,1. 307. 308,3. 311. 313, 1 3378. ϑ46 1, 49. | Zoilus 232, 2. —— Druck von G. Bernstein in Berlin. 5.14 Α. 8 Ζ. ὃ ν. u. und 5. 282 Α. 1 lies: Simplieius in Arist. phys. p. 64 v. -. N . 941 2: Berichtigungen. 35ff. p. 291, 22ff. ed. Diels. ergänze das Citat: Cie. de div. 11 49, 91. v. u. lies: Aristoxenus statt Aristoxenes. 2.16 v.u.lies: A.5 statt A.2. ff. vgl. hierzu S. 465 A.2. Ζ. 8 v.u.lies: Simplie. in Arist. phys. p. 64 v. 5öft. p. 292, 16 ff. ed. Diels. .18 ff. v. u. Strabo XIV 658 nennt den Demetrius einen Schüler des Protarchus v. Bargylion, worauf mich Susemihl gütigst aufmerksam macht; doch schliesst dies eine Anlehnung des Demetrius an Apollodorus nicht aus, vgl. Susemihl, Gr.-Alex. Litt.-Gesch. II S.260f.; Zeller, Philos. d. Gr. IIa S. 571 A.5 und Natorp, Forschungen S. 268. 14 v. o. wird Zenos Schrift IT σημείων irrtümlich als eine logische ἢ gefasst, sie gehörte vielmehr zu den physikalischen (Diog. VII 4), woran mich ebenfalls Susemihl erinnert. Die „Zeichen“ werden hier also wohl als Zeichen des Zukünftigen anzusehen sein, wie bereits Zeller, Phil. ἃ. Gr. IHHIa 5. 31 A.4° sagt. Von hier aus hat sich jedoch wahrscheinlich die logische Lehre von den Zeichen entwickelt; vgl. auch die übrigen S.341 A. 1 aus Diog. und Augustin angeführten Stellen. Sachlich dürfte sich daher an der daselbst als wahrscheinlich bezeichneten Vermutung nichts ändern. Ὁ u ᾿ Ἄναι x ἡ" ΠΝ BINDING SECT. MAY 29 1981 PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY nn Ξ--Ώ-ἡ-.ς-ςς Schmekel, August Die Philosophie der mittleren Stoa... το vr εἰ τ τὴ 4 τῇ ΠΗ CR προς ὅδ ΩΣ ῷ τὰ 4 + BSH REM ῃ Ka TE ne ἢ εὐ τε I STEH IRETE RE ΔῊ N ΜΗ ΗΠ Sri Kb ANr3E γν, 159. FEHLEN TREE Beh ΚΣ χω fi sehe Ἂν ΓΗ ER δον ὮΝ ΠΗ sit?) r ER Fate) Η ᾿ aha h ueraueh Ἂν I En Κ ’ we Mau NEAR wi ; 14 © VEREIN) BET WAREN Yes AR KALI EEE RL ET ΣΎ τ ΓΕΥΣ Ark er ἢ A er x ἕ LM Εν ΚΤ ΔΉ ΩΝ \ 5 Bu“ { ER a yoaser } ER ον Hard: A : LIE TU SD ἜΠΗ Ἶ τ 4 4 >> Ar Nr er 4 EN v τῆς Deren s ἐλ μος EN SON een ern ἿΥ ne He BER ᾿ς Ἢ τς Ἧ