S ni DIE PHYSIOLOGIE DES KREISLAUFES VON Dr. ROBERT TIGERSTEDT HELSINGFORS (FINNLAND) ZWEITE, STARK VERMEHRTE UND VERBESSERTE AUFLAGE DRITTER BAND MIT 134 ABBILDUNGEN IM TEXT 1^1 .V. BERLIN UND LEIPZIG 1922 VEREINIGUNG WISSENSCHAETLICHER VERLEGER WALTER DE GRUyTBR '© CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG o J. GUTTENTAG, VERLAGS- BUCHHANDLUNG o GEORG REIMER o KARL J. TRÜBNER o VEIT & COMP. Herausgegeben mit Unterstützung von der Kordel in -Stiftung und Herrn Björn Wasastjerna in Helsingfors. Alle Rechte, einschließlich des Überselzungsrechts, vorbehalten. Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. Inhalt. Seite Fünftes Buch. Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf .... i Sechsundzwanzigstes Kapitel. Die Strömung einer Flüssigkeit in Röhren .... 3 § 101. Die Strömung einer Flüssigkeit in starren Röhren . . 3 a) Torficellis Lehrsatz 3 b) Der Strom in einer starren, horizontalen, gleich weiten, zylin- drischen Röhre 5 c) Der Strom in einem System von starren, horizontalen, untereinander verbundenen, ungleich weiten, zylindrischen Röhren 7 d) Der Strom in starren, horizontalen, verzweigten, zylindrischen Röhren 8 § 102. Die Strömung einer Flüssigkeit in elastischen Röhren 9 Siebenundzwanzigstes Kapitel. Das Gesetz von Poiseuille und dessen Gültigkeit beim Kreislauf '. 12 § 103. Das Gesetz von Poiseuille 12 § 104. Die Viskosität des Blutes 16 a) Die Viskosität des Serums und des Plasmas 17 b) Die Viskosität des defibrinierten Blutes 19 c) Die Viskosität des normalen Blutes 22 §105. Die Gültigkeit des Poiseuilleschen Gesetzes beim Kreis- lauf 28 Achtundzwanzigstes Kapitel. Die Eigenschaften der Gefäßwand an und für sich 35 § 106. Die Elastizität der Arterienwand 36 § 107. Die Elastizität der Venenwand 41 § 108. Die Festigkeit der Arterien und Venen 42 § 109. Die künstliche Reizung der vom zentralen Nervensystem isolierten Gefäße 42 §110. Rhythmische Kontraktionen bei ausgeschnittenen Ar- terien 51 § 111. Rhythmische Kontraktionen bei den Arterien in situ . 53 § 112. Aktionsströme bei den Arterien 58 2 S 9 5 4 IV Inhalt. Seite Neunundzwanzigstes Kapitel. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 1. All- gemeine Erscheinungen 62 § 113. Mi nuten Volumen und Blutdruck 62 §114. Die Veränderungen des Bluts tromes in den Arterien bei direkter Einwirkung auf das Herz 67 a) Die Einwirkung der Veränderungen der Blutzufuhr in den zentralen Venen auf den Strom in der Aorta 67 b) Die Einwirkung der Veränderungen der Herzfrequenz auf den Strom in der Aorta 76 c) Die Einwirkung der ohne Veränderung der Schlagfolge statt- findenden Variationen der Herztätigkeit auf den Strom in der Aorta 83 §115. Die Veränderungen des Blutstromes in den Arterien bei Veränderungen des Gefäßwiderstandes 86 a) Versuche am vereinfachten Kreislauf 86 b) Versuche am natürlichen Kreislauf 88 § 116. Die Veränderungen des Blutstromes in den Arterien bei veränderter Füllung der Gefäßhöhle 97 a) Vermehrte Füllung der Gefäßhöhle 98 b) Verminderte Füllung der Gefäßhöhle 106 § 117. Die Veränderungen des Blutstromes in den Arterien bei veränderter Viskosität des Blutes 110 § 118. Die Größe der Herzarbeit unter verschiedenen Verhält- nissen 113 Dreißigstes Kapitel. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 2. Der Blutstrom unter einigen speziellen Umständen 123 §119. Die Veränderungen des Blutstromes in den Arterien bei körperlicher Arbeit 123 § 120. Die Veränderungen des Blutstromes in den Arterien bei Bädern 138 Einunddreißigstes Kapitel. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 3. Der arterielle Blutdruck und die Stromgeschwindigkeit in den Arterien an und für sich 143 § 121. Der Blutdruck in verschiedenen Arterien 143 § 122. Der Widerstand und das Stromgefällc in den Arterien 146 § 123. Der Blutdruck bei verschiedenen Tierarten 149 a) Der Blutdruck bei den wirbellosen Tieren 150 b) Der Blutdruck bei den kaltblütigen Wirbeltieren 151 c) Der Blutdruck bei den Vögeln 152 d) Der Blutdruck bei den Säugetieren 153 § 124. Der Blutdruck beim Menschen 155 § 125. Die Stromgeschwindigkeit in den Arterien 166 Inhalt. V Seite Zweiunddreißigstes Kapitel. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls 173 § 126. Die Wellenbewegung in einer inkompressiblen Flüssig- keit mit freier Oberfläche und in elastischen Röhren . 173 a) Die Wellenbewegung in einer inkompressiblen Flüssigkeit mit freier Oberfläche 173 b) Die Wellenbewegung in einem mit inkompressibler Flüssigkeit gefüllten, dehnbaren, elastischen Schlauch 177 c) Die Wellenreflexion in einem mit inkompressibler Flüssigkeit gefüllten, dehnbaren, elastischen Schlauch _ 180 § 127. Der Arterienpuls im allgemeinen 184 a) E. H. Webers Theorie des Arterienpulses 184 b) Die Pulsqualitäten 186 c) Die graphische Registrierung des Arterienpulses 188 d) Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Pulses 194 § 128. Der zentrale Puls 200 § 129. Allgemeines über den peripheren Puls 211 a) Der periphere Puls beim Kaninchen 211 b) Der periphere Puls beim Menschen 219 §130. Die sekundären Wellen im peripheren Puls 227 a) Die Dikrotie ' . . . 227 b) Übrige sekundäre Wellen beim peripheren Puls 244 § 131. Die pulsatorischen Schwankungen des arteriellen Druckes bei den Säugetieren 246 § 132. Folgerungen aus der Pulskurve betreffend den Kreis- lauf beim Menschen 251 § 133. Allgemeine Übersicht über die Bewegung des Blutes in den Arterien 256 Dreiunddreißigstes Kapitel. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren .... 258 § 134. Allgemeines über Bau und Aufgabe der Kapillaren . . 258 § 135. Die Eigenschaften der Kapillarwand an und für sich . 260 § 136. Das mikroskopische Bild des Blutstromes in den Kapil- laren 264 § 137. Die Geschwindigkeit des Blutes in den Kapillaren . . 268 § 138. Der Blutdruck in den Kapillaren 272 § 139. Die Veränderungen des Blutstromes in den Kapillaren bei Veränderungen des Aortadruckes 278 Vierunddreißigstes Kapitel. Die Strömung des Blutes in den Venen 281 § 140. Der Blutdruck in den Venen 281 § 141. Die Geschwindigkeit des Blutes in den Venen 286 § 142. Der Einfluß verschiedener Variabein auf den Venen- strom 288 a) Allgemeines über die Bedeutung des Widerstandes und der Blutzufuhr 288 VI Inhalt. Seite b) Einige spezielle Venengebiete 292 a) Vena cava superior und inferior 292 ß) Der Portalkreislauf 293 § 143. Akzessorische Mechanismen, welche die Strömung des Blutes in den Venen erleichtern 295 a) Die Einwirkung der Atembewegungen auf den venösen Blut- strom 295 b) Die Venenklappen 297 c) Spezielle Anordnungen 304 d) Selbständige Kontraktionen der Venenwand 307 § 144, Die Venen als Schutz gegen Überfüllung des Herzens 309 § 145. Der Venenpuls 309 Berichtigung. In Band II, S. 456 ist Fig. 341 umzukehren. FÜNFTES BUCH Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf .j L ! g R A R y) rsal te Tigerstedt, Kreislauf. 111. 2. Aufl. Sechsundzwanzigstes Kapitel. Die Strömung einer Flüssigkeit in Röhren. § 101. Die Strömung einer Flüssigkeit in starren Röhren.^ a) Torricellis Lehrsatz. Eine ruhende Flüssigkeit, welche in einem Gefäß mit senkrechter Wand ein- geschlossen ist, übt auf dessen Boden einen Druck aus, welcher dem Gewicht einer Flüssigkeitssäule gleich ist, deren Querschnitt dem Boden und deren Höhe derjenigen der Flüssigkeit im Gefäße gleich sind. Bei gleicher Höhe der Flüssigkeit wird auf den Boden des Gefäßes der gleiche Druck ausgeübt, auch wenn die Wände des Gefäßes nicht senkrecht auf dem Boden stehen, sondern mit demselben einen stumpfen oder spitzen Winkel bilden. In allen diesen Fällen wirkt auf den Boden ein Druck, welcher dem Gewicht einer Flüssig- keitssäule entspricht, deren Querschnitt überall ebenso groß ist wie die Bodenfläche und deren Höhe derjenigen der Flüssigkeit gleich ist. Die Ursache hierzu liegt darin, daß der Druck sich durch die Flüssigkeit nach allen Richtungen hin ganz gleichmäßig ausbreitet. Gesetzt, es laste auf der sehr dünnen Wasserschicht abcd (Fig. 347) das Gewicht der prismatischen Wassersäule aeiklm. Wegen des eben er- wähnten Umstandes wird diese Wassersäule ihren Druck nicht allein auf die unmittelbar unter ihr liegende Ab- teilung der Wasserschicht ausüben, sondern er teilt sich auch der gan zen Wasserschicht «öcrf mit, deren Spannung in jedem Punkte der Höhe der Wassersäule ae gleich kommt, wie klein deren Querschnitt auch angenommen werden mag. Der Druck, welchen das Wasser auf den Boden des Gefäßes ausübt, ist in diesem Falle ganz derselbe, wie wenn auf dem Boden ein rechtwinkliges Wasserprisma von der Höhe der Flüssigkeit mit der Basis abcd aufgestellt worden wäre. Aus demselben Gesichtspunkte erklärt es sich, wie der Druck einer Flüssig- keit auf den Boden eines Gefäßes, das sich nach oben erweitert, nicht größer sein Fig. 347. Nach Ludwig. : "^ y%\. Ludwig, Lehrb. d. Physiol., 2. Aufl., 2, S. 44f.; 1861; — Rollett, Handb. d. Physiol., 4 , S. 199f.; 1880; — Fick, Die medizinische Physik, 3. Aufl., S. 99f.; — de Jager, Journ. of physiol., 7, S. 132—159; 1886. 1* 4 * Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. kann, als der Druck einer ebenso hohen, gleichartigen Flüssigkeitssäule, deren Querschnitt überall dem Boden des Gefäßes entspricht, denn wie breit auch die obere Begrenzungsfläche der Flüssigkeit sein mag, so kann doch deren Druck auf die Flächeneinheit des Bodens nicht höher sein als eben die Höhe der Flüssigkeit. Wenn man in dem Boden eines Gefäßes, das zu einer gewissen Höhe, //, Flüssigkeit enthält, eine kreisförmige Öffnung anbringt, so erhält die ausströmende Flüssigkeit nach dem Tor ricelli sehen Satze eine Geschwindigkeit, v, v=]/2gH, wo g die Beschleunigung der Schwerkraft bezeichnet. Da nun die Geschwindigkeit eines Körpers beim freien Fall, wenn er eine Strecke = H durchlaufen hat, ]/2gH gleich ist, so folgt daraus, daß die Geschwin- digkeit einer Flüssigkeit, welche durch eine Öffnung im Boden eines Gefäßes ausströmt, gleich jener ist, welche die Flüssigkeit erhält, wenn sie die Höhe H frei durchfallen hat. Kennt man die Ausflußgeschwindigkeit einer Flüssigkeit und den Quer- schnitt der Ausflußöffnung, so erhält man in dem Produkt beider unmittelbar das in der Zeiteinheit ausfließende Flüssigkeitsvolumen, denn dieses Produkt liefert uns den in der Zeiteinheit aus der Öffnung hervortretenden Flüssigkeits- zylinder. Danach sollte also das in der Zeiteinheit ausfließende Flüssigkeits- volumen A==nr^ \/2gH sein, wo r den Radius des Querschnittes bezeichnet. Die Erfahrung zeigt aber, daß die tatsächliche Ausflußmenge beträchtlich geringer ist als die nach der Theorie berechnete. Dieser Widerspruch zwischen Theorie und Praxis wird durch eine genauere Betrachtung des austretenden Strahles gehoben. Der austretende Strahl ist kein Zylinder, sondern er hat unmittelbar an der Ausflußöffnung eine konische Form, da er sich dort sofort zusammenschnürt. Diese Kontraktion des Strahles wird dadurch verursacht, daß nicht die Ge- schwindigkeit aller die Öffnung passierender Flüssigkeitsteile normal zur Öffnung ist. Es bewegen sich nämlich nicht nur die senkrecht über der Öffnung befind- lichen Teilchen, sondern auch die seitlich liegenden gegen die Öffnung hin; diese haben somit eine seitliche, gegen das Innere des Strahles gerichtete Geschwindigkeit. Der Strahl besteht also aus einem axialen Teile, dessen Geschwindigkeit sofort zur Öffnung normal war, und aus einer konischen Hülle, welche von konver- gierenden Flüssigkeitsfäden gebildet ist; er muß sich demnach von der Öffnung ab bis zu der Stelle zusammenziehen, wo die von entgegengesetzter Seite her- kommenden Wasserfäden sich treffen. Dort hat die Contractio venae ihren größten Wert erreicht, denn dort müssen die seitlichen Geschwindigkeiten der von entgegengesetzter Seite kommenden Flüssigkeitsteilchen sich aufheben und eine zur Öffnung normale Resultierende geben. Wenn das Volumen der in der Zeiteinheit tatsächlich hervorgetretenen Flüssigkeit A ist, so entspricht diesem ein Zylinder mit der Öffnung yrr^ als Basis und einer Höhe von AJTir^. Die Strömung einer Flüssigkeit in Röhren. 5 Die Höhe oder Länge dieses Zylinders ist aber der Wegstrecke gleich, welche jeder Flüssigkeitsquerschnitt von der Größe der Öffnung in der Zeiteinheit zurück- gelegt hat, denn der Flüssigkeitsquerschnitt, der sich bei Beginn der Beobachtung in der Ebene der Öffnung befand, würde sich in der Zeiteinheit um A/nr- cm bewegt haben, wenn nämlich die Kohäsion der Flüssigkeitsteilchen genügend stark gewesen wäre, um der Einwirkung der Schwerkraft zu widerstehen. A/nr^ ist also die mittlere Geschwindigkeit der Flüssigkeit in der Zeiteinheit, wenn sie auf den Querschnitt der Öffnung bezogen wird. Wenn wir den so erhaltenen Wert der auf den Querschnitt der Öffnung bezogenen Geschwindigkeit in die Formel v = |/2g/y einsetzen, so finden wir die Druckhöhe h, welche nach dem Torricelli sehen Satz theoretisch notwendig gewesen wäre, um dieselbe Geschwindigkeit zu erzeugen: h — 2g Dieser Wert ist, wie aus dem Gesagten hervorgeht, kleiner als die tat- sächliche Höhe, H, der Flüssigkeit im Gefäß. Die Differenz H—h kann als Maß für den Verbrauch von Druckkraft, welcher bei dem Ausströmen der Flüssigkeit durch die Öffnung entstanden ist, aufgefaßt werden. b) Der Strom in einer starren, horizontalen, gleich weiten, zylindrischen Röhre. Wenn die Flüssigkeit aus dem Gefäß nicht frei herausfließen kann, sondern durch eine seitlich nahe dem Boden angesetzte starre, gleich weite, hori- zontale, zylindrische Röhre gehen muß, deren Radius demjenigen der Öffnung gleich ist, so ist ihre mittlere Geschwindigkeit in jedem Querschnitt der Röhre gleich groß. Da nämlich Flüssigkeiten, praktisch genommen, nicht kompressibel sind, kann eine Flüssigkeit während ihrer Strömung durch die Röhre weder ver- dünnt noch verdickt werden, was aber der Fall sein müßte, wenn sie nicht in allen Querschnitten der Röhre die gleiche mittlere Geschwindigkeit hätte. Um diese Geschwindigkeit zu bestimmen, sammelt man die während einer gewissen Zeit aus der Röhre strömende Flüssigkeit und dividiert ihr Volumen durch die Zeit und den lichten Querschnitt des Rohres. Dabei stellt es sich heraus, daß die Geschwindigkeit der Flüssigkeit, trotz gleicher Druckhöhe, noch geringer ist als bei freiem Abfluß. Der Teil der ganzen Druckhöhe, H, welcher laut dem Torricelli sehen Satz genügte, um einer aus dem Gefäße frei ausströmenden Flüssigkeit dieselbe Ge- schwindigkeit zu geben als die, mit welcher die Flüssigkeit tatsächlich aus der Röhre hervorströmt, wird als die Geschwindigkeitshöhe, h, bezeichnet. Wenn der Radius der Röhre und das Volumen der ausgeströmten Flüssigkeit bekannt sind, kann diese Höhe in der schon besprochenen Weise berechnet werden. Die Ursache, weshalb die Geschwindigkeit einer Flüssigkeit bei der Strömung durch eine Röhre geringer ist als bei freiem Ausfluß, liegt darin, daß sie im ersten Falle auf einen neuen Widerstand stößt, dessen Überwindung einen Teil der ganzen Druckhöhe in Anspruch nimmt. 6 Die "Strömung des Blutes im großen Kreislauf. -: . Dieser Widerstand ist durch die innere Reibung zwischen den strömenden Flüssigkeitsteilen bedingt. Infolge dieser Reibung wird die Flüssigkeit in der Röhre einer gewissen Spannung ausgesetzt, die jedoch geringer ist als diejenige, die bei gänzlich verhinderter Ausströmung stattfindet. In diesem Falle wird nämlich die in der Röhre befindliche Flüssigkeit dieselbe Spannung haben wie die Flüssigkeit am Boden des Gefäßes. Würde dagegen gar kein Reibungs- widerstand da sein, so würde die Flüssigkeit mit einer der ganzen Druckhöhe im Gefäß entsprechenden Geschwindigkeit durch die Röhre strömen; ihre Spannung wäre dabei aber nicht höher als der atmosphärische Druck. Diese Spannung der Flüssigkeit gibt sich als der Seitendruck zu erkennen, welchen wir durch senkrechte, auf die Achse der Röhre eingesetzte Druckmesser, Piezometer, bestimmen können. Wird die Ausflußöffnung der Röhre ab- gesperrt, so stellen die Piezometer Röhren dar, welche mit der Flüssigkeit im Fig. 348. Nach Rollett. Gefäß kommunizieren, und die Flüssigkeit erhebt sich in allen auf dieselbe Höhe. Wird nun die Ausflußöffnung wieder frei, so sinkt die Flüssigkeit in den Piezo- metern und zwar so, daß sie am höchsten in dem Piezometer steht, das sich in der Nähe der Einströmungsöffnung befindet, und am tiefsten in demjenigen, das in der Nähe der Ausflußöffnung eingesetzt ist (vgl. Fig. 348). Wenn wir die höchsten Punkte der Flüssigkeitssäulen in allen Piezometern verbinden, so erhalten wir eine gerade Linie {ab): der Seitendruck nimmt in der Richtung des Stromes geradlinig ab; am Röhrenende ist der Seitendruck Null. Der von uns gemessene Seitendruck ist natürlich der Über- schuß des Flüssigkeitsdruckes über den Atmosphärendruck: wo der Seitendruck gleich Null ist, ist also der Flüssigkeitsdruck dem atmosphärischen gleich. Da der Seitendruck in der Richtung des Stromes geradlinig abnimmt und an der Ausflußöffnung gleich Null ist, können wir den Druck an jeder Stelle der Röhre berechnen, wenn der Druck an irgendeiner Stelle sowie die Entfernung derselben von der Ausflußöffnung bekannt sind. Gesetzt, die Röhre sei 5000 mm lang und der Seitendruck betrage 500 mm von der Ausflußöffnung 25 mm, wie hoch ist dann der Druck {h^ am Anfang der Röhre, d. h. in einer Entfernung von 5000 mm? Wir erhalten 500:5000 = 25:h^; h^^ 250 mm. Daß dieser Druck geringer ist als die Höhe der Flüssigkeit im Druckgefäß, ist selbstverständlich, da ja, wie schon erwähnt, ein Teil der ganzen Triebkraft dazu verwendet wird, um der Flüssigkeit eine gewisse Geschwindigkeit zu er- Die Strömung einer Flüssigkeit in Röhren. f teilen. Weil hy demjenigen Teil der Triebkraft entspricht, welcher zum Über- winden des Widerstandes bei der Strömung der Flüssigkeit verbraucht wird, bezeichnet man sie als Widerstandshöhe. Die Summe der Widerstandshöhe und der Geschwindigkeitshöhe ist kleiner als die ganze Druckhöhe im Druck- gefäß H. Der Rest entspricht dem Verlust an bewegender Kraft, welcher mit dem Austritt der Flüssigkeit aus dem Behälter verbunden ist (/?(,). Wir erhalten also Die gerade Linie, welche von den Gipfeln der Flüssigkeitssäulen in den Piezometern bestimmt wird, bildet mit der Achse der Röhre einen Winkel, der für jeden Strom eine charakteristische Konstante ist. Wenn wir die Druck- differenz an zwei Stellen der Röhre bestimmen und diese Differenz durch die Entfernung der beiden Stellen dividieren, so bekommen wir einen einfachen Ausdruck für die Neigung dieser Geraden gegen die Röhrenachse. Ist die Ent- fernung z. B. 100 nnn und der Druck an der einen Stelle 500, an der andern 450 mm, so ist die Differenz 50 mm, und auf die Längeneinheit, 1 mm, 50/100 = 0,5 mm. Diese Druckdifferenz für jede Längeneinheit der Strombahn heißt Gefälle. c) Der Strom in einem System von starren, horizontalen, unter- einander verbundenen, ungleich weiten, zylindrischen Röhren. Auch wenn die Röhre, durch welche die Flüssigkeit strömt, aus einer An- zahl untereinander verbundenen, ungleich weiten, aber unverzweigten Röhren zusammengesetzt ist (Fig. 349), findet die Strömung darin nach demselben Grundgesetz, das für geradlinige, horizontale, gleich weite und unverzweigte Röhren gültig ist, statt. Die ganze disponible Triebkraft wird also nicht ver- - - Fig. 349. Nach Rollett. wendet, um der strömenden Flüssigkeit eine gewisse Geschwindigkeit zu erteilen, sondern ein beträchtlicher Teil derselben wird zur Überwindung des inneren Widerstandes und des Übergangswiderstandes bei der Einflußöffnung verbraucht. Wie in dem eben erörterten Falle nimmt auch hier während der Strömung der Flüssigkeit durch die Röhre die Triebkraft ununterbrochen ab,, und in jedem späteren Querschnitt der Röhre ist die Triebkraft geringer als in dem zunächst vorhergehenden. Ein sprungweiser Kraftverbrauch findet wegen der dabei entstehenden Wirbel bei jeder Verengerung oder Erweiterung der Röhre statt. 8 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Weil die Flüssigkeit nicht kompressibel ist, muß durch jeden Querschnitt der Röhre — unabhängig von dessen Größe — in der Zeiteinheit die gleiche Menge Flüssigkeit strömen. Infolgedessen steht die Geschwindigkeit in den verschiedenen Abschnitten der Röhre im umgekehrten Ver- hältnis zu deren Querschnitt. Das Druckgefälle ist innerhalb der verschiedenen Röhrenabschnitte ver- schieden groß, am steilsten in dem engsten Abschnitt, am wenigsten steil in dem weitesten Abschnitt. Denn in einem engen Abschnitt ist sowohl die Geschwin- digkeit wie die innere Reibung und also auch der Verbrauch der disponiblen Triebkraft größer als in einem weiten Abschnitt. In gleich weiten Abschnitten, welche durch engere oder weitere Abschnitte getrennt sind, ist das Gefälle gleich groß, denn die Geschwindigkeit und also auch die innere Reibung ist bei diesen die gleiche. Hinsichtlich des Seitendruckes beim Übergange zwischen den verschiedenen Abschnitten müssen wir zwei Fälle unterscheiden. Wenn ein enger Abschnitt auf einen weiten folgt, so sinkt der Druck beträchtlich infolge des Übergangs- widerstandes bei der Strömung der Flüssigkeit aus der weiten Röhre in die enge. Wenn dagegen eine weite Röhre auf eine enge folgt, kann der Seitendruck entweder sinken oder unverändert bleiben oder sogar steigen. Der letzte Fall traf bei Versuchen von Volkmann ein, wenn auf den erweiterten Abschnitt wieder ein verengerter folgte. Hier fand also das paradoxe Verhältnis statt, daß Flüssigkeit von einem niederen zu einem höheren Druck strömte.^ Diese merkwürdige Tatsache suchte Donders^ folgendermaßen zu erklären. Im ganzen Röhrensysteme nimmt die disponible Triebkraft, T, in der Richtung des Stromes ununterbrochen 'ab. Wenn wir mit dem Indices 1, 2, 3 Stellen bezeichnen, welche immer weiter von der Einflußöffnung entfernt sind, so ist immer T^> T2> T^. T ist aber die Summe der Geschwindigkeitshöhe h und der Widerstandshöhe h'; also ist 7i = /Zj + Ih'; To = h., + /z_'; T^ = h^-i- h^' usw. Weil nun in dem weiteren Abschnitte die Geschwindigkeit und also auch h kleiner ist, wird sich ein größerer Teil der Triebkraft daselbst als Seitendruck geltend machen, als dies in dem vorher- gehenden engeren Abschnitte der Fall ist. Beim Übergange eines engeren Abschnittes in einen- weiteren kann also der Seitendruck zunehmen, trotzdem daß T, die Summe von h und h', kleiner wird. Dies trifft aber nur in dem Falle zu, daß bei dem betreffen- den Übergang die Wirbel unbedeutend sind, so daß kein besonderer Verlust an be- wegender Kraft vorkommt. d) Der Strom in starren, horizontalen, verzweigten, zylindrischen Röhren. Die Flüssigkeitsmenge, welche aus einer unverzweigten Röhre abc (Fig. 350) allein ausströmt, ist kleiner, als diejenige, die bei gleicher Druckhöhe im Druck- gefäß aus den Öffnungen c und d ausfließt, wenn der Seiten- \^ zweig bd geöffnet wird (Volkmarm^, Jacobson^). Sehr merk- "\'i würdig ist, daß die Eröffnung des Seitenzweiges den Strom Fig. 350. in merklich gleichem Maße beschleunigt, unter welchem 1 Volkmann, Die Hämodynamik, S. 50. - Donders, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1856, S. 452; — vgl. auch de Jager, Journ. of physiol., 7, S. 137; 1886. 3 Volkmann, a. a. O., S. 54. * Jacobson, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1860, S. 100- 113. Die Strömung einer FlüssiglV,. Wegen dieser Erweiterung wird also der Widerstand in p. o^, c- v, '^ ^ Flg. 351. Schema einem elastischen Schlauch wie in den Gefäßen bei jedem nach Fleisch. Druckanstieg vermindert. Von vornherein ist es sehr wahr- scheinlich, daß dies sowohl bei rasch verlaufenden Druckschwankungen wie bei langsam stattfindenden zutrifft. Indessen findet man im ersten Falle, daß das Stromvolumen bei zunehmendem Druck langsamer als dieser wächst. Dies stellt indessen, wie Fleisch^ gezeigt hat, keine Ausnahme von der all- gemeinen Regel dar, sondern ist lediglich davon bedingt, daß das Zufluß- volumen aus zwei Komponenten besteht, nämlich 1. aus der Flüssigkeitsmenge, welche zur Kapazitätsvergrößerung des Gefäßsystems dient, und 2. aus dem tatsächlich durchströmenden Flüssigkeitsquantum. Bei langsam stattfindendem Druckanstieg verteilt sich erstere auf einen langen Zeitraum und verschwindet daher gegenüber dem Durchflußvolumen. Wenn dagegen der Druckzuwachs rasch erfolgt, so muß auch die Kapazitätsvergrößerung schnell eintreten und wird also das Zuflußvolumen wesentlich beeinflussen können. Die Richtigkeit dieser Betrachtungen bestätigte Fleisch speziell durch Ver- suche, wo sowohl das arterielle als das venöse Stromvolumen an den hinteren Extremitäten des Meerschweinchens registriert wurde. Dabei stellte es sich nämlich heraus, daß jenes beim Druckanstieg das venöse Stromvolumen wesent- lich übertraf und daß die Steigerung des letzteren erst eine meßbare Zeit nach Beginn der Durchströmung erschien. Die rhythmische Speisung der Gefäße würde, nach Hamel^, noch einen wichtigen Einfluß auf den Blutstrom ausüben. Wenn nämlich verdünntes Blut, Serum oder Kochsalzlösung durch die Blutgefäße von Froschmuskeln hindurch- geleitet wird, so entstehen selbst bei niedrigen Druckhöhen Ödeme, die über 50% des Gewichts des Präparates betragen können. Bei rhythmischer Speisung treten dagegen nur ganz unbeträchtliche oder gar keine Ödeme hervor. Auch andere Autoren haben gefunden, daß bei der unter konstantem, nicht rhythmisch wechselndem Druck stattfindenden künstlichen Durchblutung eine eigentümliche Verstopfung der Kapillaren mit Blutkörperchen erschien, welche ausblieb, wenn der Druck stoßweise wirkte. Demgegenüber hat Gerlach^ Versuche an strychninvergifteten Fröschen mitgeteilt, wo er, unter Anwendung der Ringerlösung zur Speisung des Tieres, als Kriterium des Erfolges die Reflexerregbarkeit bei elektrischer Reizung der Haut benutzte. Bei dieser fand er im Gegensatz zu Hamel, daß, wenn die 1 Fleisch, Arch. f. d. ges. Physiol., 178, S. 38; 1920. ^ Hamel, Zeitschr. f. Biol., 25, S. 474; 1888. ^ Gerlach, Arch. f. d. ges. Physiol., 147, S. 71; 1912. 12 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. gleiche Flüssigkeitsmenge während der kontinuierlichen und der rhythmischen Durchströmung in der Zeiteinheit hindurchfloß, weder der Grad der Erholung noch die zum Eintritt der Erholung nach vorangegangener Ermüdung, Erstickung oder Narkose erforderliche Zeit irgendwelchen Unterschied erkennen ließ, je nachdem die Durchspülung kontinuierlich oder rhythmisch erfolgt war. Ebenso- wenig konnte er ein schlechteres Durchfließen der Durchspülungsflüssigkeit beim kontinuierlichen Strom feststellen. Bei mäßiger Durchflußgeschwindigkeit (1 — 2ccm pro Minute) fand sich in bezug auf die Ödembildung keine Differenz zwischen den beiden Durchspülungsarten vor. War die Durchfließung schneller (3—4 ccm minutlich), so zeigte sich deutlich eine schädliche Wirkung der rhyth- mischen Strömung, die sich in starker Ödembildung äußerte. In seiner Abhandlung vom Pulse bemerkt E. H. Weber, daß die Elastizität der Arterien für die Herzarbeit von einer sehr großen Bedeutung ist. Wenn nämlich die Arterien starre Röhren wären, so wäre das Herz gezwungen, die ganze, in allen Gefäßen eingeschlossene Blutmasse mit einem Mal vorwärts zu treiben. Da sie nun aber elastisch sind, so wird das aus dem Herzen heraus- getriebene Blut in die zentralen Arterien aufgenommen und dann von diesen vermöge ihrer Elastizität weiter getrieben. Die hierzu notwendige Arbeits- leistung ist indessen viel geringer als in jenem Falle, denn bei starren Röhren muß die ganze Blutmenge, bei elastischen aber nur ein Teil des Blutes durch die Herzkontraktion vorwärts getrieben werden. ^ Zur Demonstration dieser Tatsache eignet sich ein Versuch von Marey besonders gut. Er nimmt zwei Röhren, die eine mit starrer, die andere mit elastischer Wand, durch welche bei ununterbrochenem Zufluß in der Zeiteinheit eine ebenso große Flüssigkeitsmenge ausströmt. Bei rhythmischem Zufluß zeigen sie aber ein verschiedenes Verhalten, indem nämlich bei gleicher Zufluß- zeit die elastische Röhre eine größere Ausflußmenge als die starre Röhre ergibt. ^ Siebenundzwanzigstes Kapitel. Das Gesetz von Poiseuille und dessen Gültigkeit beim Kreislauf. § 103. Das Gesetz von Poiseuille. In einer mit peinlichster Genauigkeit ausgeführten Versuchsreihe fand Poiseuille^, 1. daß die Menge einer und derselben Flüssigkeit, welche bei einer und derselben Temperatur durch eine und dieselbe kapillare Röhre in einer und derselben Zeit durchströmt, innerhalb gewisser Grenzen dem stattfindenden Druck proportional ist. Wenn Q die Flüssigkeitsmenge, P den Druck und K eine Konstante, welche die kapillare Röhre und die Flüssigkeit charak- terisiert, bezeichnet, ist also (1) Q=KP. 1 E. H. Weber, Annot. anat. et physiol., S. 10—11: 1834. ^ Marey, Annales des sciences nat., Zoologie, 4. s^rie, 8, S. 330; 1858. * Poiseuille, Mem. präsent, par divers savants ä l'Acad. des sciences, 9, S. 433; 1846; eingereicht am 26, Dezember 1842. bas Gesetz von Poiseuille und dessen Gültigkeit heim Kreislauf. 13 Ferner, daß 2. die Menge einer und derselben Flüssigkeit, welche unter einem und demselben Druck, bei einer und derselben Temperatur durch Röhren von einem und demselben Querschnitt in einer und derselben Zeit hindurch- strömt, innerhalb gewisser Grenzen der Röhrenlänge umgekehrt proportional ist. Wir können daher in der Gleichung (1) K= K'/L setzen, wo L die Länge der Röhre und K' eine von dem Querschnitt der Röhre, der Flüssigkeit und der Temperatur abhängige Konstante darstellt; also (2) Q = ^ • Schließlich, daß 3. die Menge einer und derselben Flüssigkeit, welche unter einem und demselben Druck, bei einer und derselben Temperatur, durch eine und dieselbe Röhre in einer und derselben Zeit hindurchströmt, bei Röhren, für welche die Gleichung (2) gültig ist, der vierten Potenz des Diameters pro- portional ist. Wenn D das Diameter der Röhre und K" eine von der Temperatur und der Schwere abhängige Konstante darstellt, so wird in der Gleichung (2) K' = K" D^, und die durch die Röhre strömende Flüssigkeitsmenge (3) Q = ^^. Unter Anwendung der von ihm direkt ermittelten Zahlen für Q, P, D und L findet Poiseuille'^ nach Versuchen an sieben verschiedenen Röhren K" für Wasser von 10" C durchschnittlich gleich 2495,224 oder, wenn P in Wasserdruck an- gegeben wird, 183,783. Über den Einfluß der Temperatur auf die Konstante K" = Q L / P D^ teilte Poiseuille mit, daß diese mit der Temperatur anstieg; der Anstieg erfolgte indessen nicht in direkter Proportion, sondern stand in einer komplizierteren Abhängigkeit von der Temperatur. Sie konnte nach der Formel K" = KiO + AT+ AT'), wo Kl die Größe von K" bei 0^ C, T die Temperatur und A, A' experimentell zu bestimmende Konstanten bezeichnen, berechnet werden. Nach Poiseuille ist für Wasser A = 0,0336793 und A' = 0,0002209936.2 Daß das Gesetz von Poiseuille nur für Flüssigkeiten, welche die Röhren- wand benetzen, nicht aber für solche, die, wie das Quecksilber gegen Glas, dies nicht tun, gültig ist, wurde im Zusammenhang mit der Prüfung seiner An- gaben von der zu diesem Zwecke von der Academie des sciences verordneten Kommission von Poiseuille^ nachgewiesen. Theoretische Herleitungen des Poiseuilleschen Gesetzes wurden dann von Ha^enbacli^ und Neumann^ veröffentlicht. Hierbei ging man von der Voraussetzung aus, daß die Flüssigkeit die innere Rohrwand benetzt und daß also das Material derselben keinen Einfluß auf die Strömung der Flüssigkeit ausübt; daß sich alle Flüssigkeitsteilchen der Achse ' Poiseuille, a. a. O., 9, S. 519. - Vgl. auch den über die Arbeit Poiseuille^ von Arago, Babinet, Piobert und Regnaull erstatteten Rapport; Ann. de chim. et de pliys., (3) 7, S. 50; 1843. ' Poiseuille, ebenda, (3) 7, S. 73. ' Hagenbach, Ann. d. Chem. u. Physik, 185, S. 385; 1860. « Neumann, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1860, S. 88. 14 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf der Röhre parallel, aber mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegen, sowie daß dabei von der Achse der Röhre, wo die Geschwindigkeit ihr Maximum hat, bis zu der Wand, wo sie gleich Null ist, alle Übergänge in bezug auf die Ge- schwindigkeit der Flüssigkeitsfäden stattfinden; daß alle Flüssigkeitsfäden, die in derselben Entfernung von der Achse liegen, mit derselben Geschwindigkeit sich bewegen, d. h. daß die in der Röhre strömende Flüssigkeit gewissermaßen eine unendliche Menge konzentrischer Zylinderoberflächen darstellt, welche aneinander vorübergleiten und sich um so schneller bewegen je kleiner ihr Radius ist. Der Durchschnitt der strömenden Flüssigkeit muß dann eine Parabel dar- stellen i; dabei beträgt die mittlere Geschwindigkeit der Flüssigkeitsfäden die Hälfte von der in der Achse stattfindenden Geschwindigkeit {v. Kries^). Wenn R den Radius der Röhre bezeichnet und die übrigen Buchstaben die schon angegebene Bedeutung haben, stellt folgende Formel die Menge der durch eine Röhre, für welche das Gesetz von Poiseuille zutrifft, strömenden Flüssigkeit dar: Hier ist, wie ersichtlich, die Konstante K" in der Formel von Poiseuille durch den Faktor or/ 128 r] ersetzt. Die Konstante rj stellt den Koeffizienten der inneren Reibung oder die abso- lute Zähigkeit (Viskosität) der Flüssigkeit in C. G.S. dar und bezeichnet die Kraft, die nötig ist, um zwei Flüssigkeitsschichten von der Einheit der Oberfläche mit einer solchen Geschwindigkeit aneinander zu verschieben, daß die eine in Be- ziehung auf die andere in der Sekunde um die Entfernung zweier Moleküle vor- rückt {HagenbacW). Je größer y] ist, um so geringer wird das in der Zeiteinheit hindurchfließende Flüssigkeitsvolumen, um so zäher ist die Flüssigkeit. Statt des Reibungskoeffizienten benutzt man bei hierhergehörigen Dar- stellungen oft die reziproke Zahl desselben, also z. B. für Wasser von 37° C statt 0,007005 die ganze Zahl 142,8, Je größer 1/r/ = K ist, um so geringer ist die Zähigkeit der Flüssigkeit. Poiseuille'^ hob selber hervor, daß sein Gesetz nur in dem Falle gültig war, wenn die Länge der Röhre im Verhältnis zu deren Querschnitt nicht zu klein ist, und zwar muß bei größerem Querschnitt die Länge der Röhre verhältnismäßig größer sein als bei einem kleineren Querschnitt. So galt das Gesetz für eine Röhre mit einem Durchmesser von 0,65 mm nicht mehr, wenn sie auf 200 mm verkürzt wurde, während bei einer anderen Röhre mit einem Durchmesser von nur etwa 0,14 mm die Gültigkeit des Gesetzes erst bei einer Länge von 26 mm aufhörte; bei einer Röhre von 0,03 mm Durchmesser folgte die Strömung dem vorliegenden Gesetz noch bei einer Länge von nur 2 mm. Das Verhältnis LID war bei diesen Röhren also 308, 186 und 67. i Vgl. Nicolls, Journ. ot physiol., 20, S. 411; 1896. 2 V. Kries, Festschr. f. Ludwig, 1887, S. 101. 3 Hagenbach, Ann. d. Physik ii. Chem., 185, S. 400; 1860; — Lewy, Arch. f. d. ges. Physiol., 65, S. 450; 1897. ^ Poiseuille, Memoires des savants 6trangers, 9, S. 495. Das Gesetz von Poiseüille und dessen Gültigkeit beim Kreislauf. 15 Es gelang indessen Poiseüille nicht, zwischen Diameter und Länge der Röhre eine bestimmte Gesetzmäßigtceit aufzufinden, bei welcher das Gesetz noch gültig war. Wesentlich auf Poiseuilles eigene Versuche gestützt, hat Grüneisen^ einen Ausdruck gefunden, welcher gestattet, bei einer gegebenen Röhre die Geschwindig- keit zu berechnen, bei welcher eine Abweichung um 0,001 («„.„oi) von Poiseuilles Gesetz auftritt. Dieser Ausdruck ist für destilliertes Wasser r.^0,001 = 6,6 X 10-« X ^ (^ - 4,5)2,08. und für eine beliebige tropfbare Flüssigkeit, welche die Röhrenwand benetzt, 6,6 X 10-« X ^5- (:^- 4,5) 2,0s, 0,001 wo // den Reibungskoeffizienten und S das spezifische Gewicht der tropfbaren Flüssigkeit bezeichnet. Einige von Grüneisen berechneten Versuche von Poiseüille mit destilliertem Wasser haben, nach dieser Formel berechnet, ergeben: Kapillare nach ■ ■ ■ - - , Poiseuilles Länge ; } cm Durchmesser; cm ojo.ooi beob.; cm/Sek. WOiOOl DCT- ) cm/Sek. Länge Bezeichnung Durchmesser C ' 0,602 0,00855 6,5 4,7 70,4 1,015 0,00855 29,4 14,9 118,8 B 0,39 0,01135 0,62 0,69 34,4 0,90 0,01135 6,4 46 79,3 A 0,1 0,01417 0,003 0,0034 7,1 0,677 0,01417 1,16 1,18 47,8 0,955 0,01417 1,54 2,58 67,4 1,575 0,01417 8,6 7,7 111,1 F 9,97 0,0653 1,8 3,3 152,7 20,00 0,0653 19,8 14,6 306,3 Bei erhöhter Geschwindigkeit verbreitet sich eine anomale Geschwindigkeits- verteilung mit relativ großem Gefälle in der Nähe der Wand allmählich von den Röhrenden in das Innere. Wenn die Geschwindigkeitssteigerung eine gewisse kritische Grenze übersteigt, beginnt dann der Zustand der Strömung labil zu werden und ermöglicht das Auftreten von Wirbelbewegung (Reynolds^). Das Eintreten dieses Zustandes äußert sich darin, daß auch im Inneren der unter- suchten Röhre, bei Elimination des Einflusses der Enden, das Gesetz von Poiseüille seine angenäherte Gültigkeit verliert, indem der Reibungswiderstand mit der 1,723 Potenz der Geschwindigkeit ansteigt und schon bei der geringsten Störung der in die Röhre eintretenden Flüssigkeit der labile Zustand in wirbelnde Strömung übergeht. Für jene kritische mittlere Geschwindigkeit fand Reynolds den Ausdruck „ = 26 ^ cm/Sek., ro, ' Grüneisen, Arb. aus der Phys.-Techn. Reichsanstalt, 4, S. 159; 1905. ^ Reynolds, Philos. transact., 174, S. 949; 1883. 16 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. WO ä den Durchmesser der Röhre und s das spezifische Gewicht der Flüssigkeit bedeutet. Wenn die mittlere Geschwindigkeit 6,385 mal größer ist, d. h. wenn w^j = 166 -jj cm/Sek. ist, treten unter allen Umständen Wirbel innerhalb des Rohres auf. Bei den in der Tabelle S. 15 aufgenommenen Versuchen mit Wasser von 10^ C sind die Werte für Wj und «n folgende: Röhre COl mi C 39,8 6,3 B 29,9 4,8 A 24,6 3,9 F 5,2 0,8 Die weitesten von Poiseuille benutzten Röhren hatten einen lichten Durch- messer von 0,65 mm. Frühere Versuche von Dubuat, Gerstner und Girard^ an Röhren von 1—4 mm Durchmesser hatten Resultate ergeben, welche dem Gesetz von Poiseuille nicht folgten. Die Ursache der Abweichung würde, nach Poiseuille, darin liegen, daß die bei den betreffenden Versuchen benutzten Röhren zu kurz im Verhältnis zu ihrem Durchmesser waren. In der Tat fand Jacobson^, daß sich das Gesetz von Poiseuille noch bei Röhren von 2,29 und 2,87 mm Durchmesser bewährte, wenn bei einer Röhrenlänge von 437 bzw. 620 mm und einer Temperatur zwischen 18 und 25° C die Druckhöhe im Reservoir, das erheblich größer war als der Druck P, nicht mehr als 600 mm Wasser betrug. Bei noch weiterem Röhrendurchmesser 5,30 bzw. 8,05 mm und Länge 1076 bzw. 1028 mm, war die Grenze schon bei einer Druckhöhe (im Reservoir) von 121 bzw. 102 mm Wasser überschritten. §104. Die Viskosität des Blutes.« Nach Poiseuille ist der Reibungskoeffizient für destilliertes Wasser bei 0" 0,017873 und bei 37 " C 0,007005. Ihr reziproker Wert ist bei diesen Temperaturen 56,0 bzw. 142,8. Im allgemeinen gibt man die Viskosität des Blutes entweder als die reziproke Zahl des Viskositätskoeffizienten oder auch im Verhältnis zu der des destillierten Wassers an (spezifische Zähigkeit). Da die einzelnen Autoren keine ein- heitliche Auffassung der betreffenden reziproken Zahl haben, indem einige sie einfach der Konstante K" bei Poiseuille gleich setzen, also = LQ/P D'^, während andere sie als 1//; bzw. nfr] auffassen, scheint es mir am einfachsten zu sein, die Viskosität des Blutes entweder direkt als >y oder auch im Verhältnis zu der des destillierten Wassers anzugeben, weil dann keine Verwechslung und Unsicherheit möglich ist. Unter Berücksichtigung des spezifischen Gewichtes des Quecksilbers und mit Vernachlässigung des spezifischen Gewichtes des Serums bzw. Blutes, ' Zit. nach Poiseuille, a. a. O., 9, S. 523. - Jacobson, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1860, S. 85, 91. 3 Vgl. Deterrnarm, Die Viskosität des menschlichen Blutes. Wiesbaden 1910. Das Gesetz von Poiseuille und dessen Gültigkeit beim Kreislauf. 17 wird V also bei den Versuchen, wo K" aufgenommen worden ist, gleich 1 3,6 txj 1 28 K" = 0,334 / K". Die ersten Untersuchungen über die Viskosität tierischer Flüssigkeiten rühren von Poiseuille'^ selber her. In zwei Versuchen an Rinderserum war die Viskosität bei einerTemperatur von 11,2 bzw. 14,5 ^'C gleich 1,82 bzw. l,92mal der des destillierten Wassers. Die Viskosität des defibrinierten Blutes war etwa 3,35 mal der des Serums, also etwa 6,26mal der des destillierten Wassers. Diese große Viskosität wird aber von Poiseuille zum Teil als nur scheinbar bezeichnet, denn die langsame Strömung des Blutes im Viskosimeter war wesentlich dadurch bedingt, daß sich die roten Blutkörperchen zu größeren Haufen zusammenballten und dadurch die Röhren binnen kurzem ganz unwegsam machten. Die Frage nach der Viskosität des Blutes und der Serums wurde dann mehrere Jahrzehnte hindurch nur gelegentlich bearbeitet, bis Hürthle'^ durch seine Unter- suchungen über die Viskosität des normalen, nicht defibrinierten Blutes der Forschung hierüber einen neuen Anstoß gab. Von dieser Zeit an wurde die Vis- kosität des Blutes Gegenstand zahlreicher Arbeiten und auch ihre Bedeutung in klinischer Hinsicht gebührend beachtet. a) Die Viskosität des Serums und des Plasmas. Wie bei anderen Flüssigkeiten, nimmt auch beim Serum die Viskosität bei steigender Temperatur ab {Burton-Opitz^, Denning und Watson^). Als Beispiel davon verweise ich auf folgende Zahlen. Temperatur Viskosität; ij Temperatur; Viskosität; rj Grad C Burton-Opiiz^ GradC Denning u, Watson 15 0,0188 1 20 0,0172 25 0,0153 31,8 0,0144 30 0,0136 35,0 0,0137 35 0,0123 40,0 0,0120 40 0,0113 44,8 0,0108 Da die Viskosität des Wassers bei 37,5° C gleich 0,007 ist, ist also die des Serums bei entsprechender Temperatur (35—40° C) etwa 70—80% größer. Das absolute Minimum der Viskosität des Serums wird bei etwa 60° C er- reicht (Rothlin).^ Bei verschiedenen Tieren zeigt die Viskosität des Serums, wie aus der folgenden Tabelle von Tromsdorjp ersichtlich, nur ziemlich geringe Variationen. ^ Poiseuille, Ann. de chim. et de phys., (3) 21, S. 103; 1847. 2 Hürthle, Deutsche med. Wochenschr., 1897, Nr. 51; — British Assoc. for the advanc. of the scienc, Toronto 1897; — Arch. f. d. ges. Physiol., 82, S. 415; 1900. 3 Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol., 82, S. 472; 1900. * Denning und Watson, Proc. of the Royal Society, 78, B, S. 338, 343; 1906. 5 Das hier benutzte Serum war ein wenig biuthaltig. « Rotlilin, Arch. f. d. ges. Physiol., 179, S. 201 ; 1920. ' Tromsdorjj, Arch. f. exp. Pathol., 45, S. 83; 1900. Tigerstedt, Kreislauf. III. 2. Aufl. 2 18 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Tierart Viskosität bei 15" C; Wasser = 1 Tierart Viskosität bei 15« C; Wasser = 1 Pferd Rind Ziege Hund Schwein Mensch 2,04 1,87 1,75 1,74 1,69 1,65 Hahn Hammel Kalb Kaninchen .... Frosch^ Schildkröte- . . . 1,60 1,61 1.55 1,49 1 ,49 1,28 Auch die individuellen Variationen bei einer und derselben Tierart scheinen nicht groß zu sein. Bei 9 Rindern schwankte die spezifische Viskosität des Serums zwischen 1,61 und 2,21, bei 4 Kälbern zwischen 1,41 und 1,70^ und bei 3 Fröschen zwischen 1,74 und \,S5.'^ Die Viskosität einer Kochsalzlösung, welcher verschiedene Mengen Serum zugesetzt worden sind, nimmt mit dem Eiweißgehalt zu, wie z. B. in folgenden Versuchen an Rinderserum (Bircher'^): Prozent Prozent Spezif. Viskosität Prozent Prozent Spezif. Viskosität Serum Eiweiß bei 17,50 c Serum Eiweiß bei 17,5« C 10 0,75 1,05 60 4,50 1,35 20 1,50 1,10 70 5,25 1,43 30 2,25 1,16 80 6,00 1,52 40 3,00 1,22 90 6,75 1.62 50 3,75 1,28 100 7,50 1,73 Die Viskosität des Blutplasmas ist, wenn dessen Gerinnung durch Zusatz von verschiedenen gerinnungshemmenden Mitteln aufgehoben worden ist, von der Art dieser Mittel ziemlich unabhängig und stimmt mit dem des Serums sehr nahe überein. So war bei 40<^C ?; bei Oxalatplasma (0,3% Kaliumoxalat) 0,0122, bei Magnesiumsulfatplasma (12,5 7o MgS04) 0,0124, während es bei Pepton- serum 0,0116 und bei Serum mit Blutegelextrakt 0,0104 betrug (Denning und Watson^). Die Viskosität des Blutplasmas steigt und sinkt mit dem Gehalt desselben an Eiweißstoffen und in der Hauptsache auch mit dem Salzgehalt (Adam''). Durch Zusatz von Blutkörperchen nimmt die Viskosität des Serums und des Plasmas erheblich zu. Nach Denning und Watson war die Viskosität des Oxalat- plasmas bei 32,2» C l,9mal der des Wassers; bei Zusatz von 3200000 bzw. 6300000 oder 12600000 rote Blutkörperchen pro Kubikmillimeter stieg sie auf 3,3, 4,9 und 15,6 mal der Viskosität des Wassers.^ 1 Tromsdorff, Arch. f. exp. Pathol., 45, S. 85; ~ Bei 20o C hat Burton-Opitz für das Blutserum des Frosches (Rana catesbiana) eine spezifische Viskosität von 1,81 gefunden (Amer. journ. of physiol., 7, S. 253). 2 Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 7, S. 259; 1904; bei 20" C. ^ Tromsdorff, a. a. O., 45, S. 79, 80. 4 Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 7, S. 253. s Bircher, Arch. f. d. ges. Physiol., 182, S. 7; 1920. 6 Denning und Watson, Proc. of the Royal Society, 78, B, S. 346. ' Adam, Zeitschr. f. klin. Med., 68, S. 187; 1909. « Denning und Watson, a.a.O., 78, B, S. 340. Das Gesetz von Poiseuille und dessen Gültigkeit beim Kreislauf. 19 Dementsprechend fand Burton-Opitz\ daß die Viskosität des Serums durch Zusatz von 2400000, 3500000 oder 4700000 roten Blutkörperchen pro Kubik- niillimeter bei 37" C von 1,6 auf 2,0, 2,5 und 3,3 im Vergleich mit der des Wassers anstieg. Ähnliche Beobachtungen sind auch von Hess-, Trevan^ und Bircher^ mit- geteilt worden. Dabei nimmt die Viskosität bei steigendem Gehalt an Blut- körperchen anfangs langsam, später aber immer schneller zu. b) Die Viskosität des defibrinierten Blutes. Wie bekannt, kann die Gerinnungsfähigkeit des Blutes durch Zusatz ver- schiedener Substanzen aufgehoben werden, und ein solches Blut wie auch das defibrinierte Blut kann zu vielerlei Untersuchungen über die Beeinflussung der Viskosität durch verschiedene Eingriffe benutzt werden. Die Art und Weise, in welcher die Gerinnungsfähigkeit aufgehoben wurde, ist hierbei nicht gleichgültig. So ist nach Burton-Opitz^ die Viskosität des Oxalat- blutes bei 37" C 8 mal von der des Wassers, während die des defibrinierten Blutes 2 Stunden nach der Entnahme nur 7—4,5 mal beträgt. Ich werde in diesem Ab- schnitt nur das durch Schlagen defibrinierte Blut berücksichtigen und die Vis- kosität des normalen Blutes wie die des Oxalat- und Hirudin-Blutes im folgenden Abschnitt besprechen. Auch beim Froschblut stellt sich die Abnahme der Viskosität durch die De- fibrinierung dar, und zwar betrug in Versuchen von Burton-Opitz^ die Viskosität des normalen Blutes bei 20,5" C 0,028, die des defibrinierten 0,023. Wenn das defibrinierte Blut stehen darf, vermehrt sich seine spezifische Viskosität allmählich, so daß sie nach 24 Stunden in den oben angeführten Fällen von 7 bzw. 4,5 auf 8 bzw. 5 gestiegen war. Das von Poiseuille bemerkte Zusammenballen der roten Blutkörperchen hat bei den späteren Versuchen am defibrinierten Blut im allgemeinen keine größeren Schwierigkeiten bereitet^, und nach Hess^ wirkt die Sedimentierung derselben nur bei Anwendung zu großer Mengen Hirudin störend. Beim Menschen fand C. A. Ewald^ die spezifische Viskosität des defibrinierten Blutes 2,5— 4mal größer als die des Wassers. Haro^'^ gibt an, daß das defibrinierte Blut vom Kalb 5,6mal und vom Hunde 5,2 mal langsamer als Wasser strömt. Nach B.Lewy'^^ beträgt v bei defibrinierten! und Oxalatblute von 36— 40"C durchschnittlich 0,025; die Grenzwerte in seiner an Hunden, Schweinen, Hammeln 1 Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol., 119, S. 368, 1907. • Hess, Vierteljahrsschr. f. ger. Med., 3. Folge, 44, S. 7. 3 Trevan, Biochemical journ., 12, S. 67; 1918. * Bircher, Arch. f. d. ges. Physiol., 182, S. 16; 1920. 5 Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol., 82, S. 466, 469; 1900. •^ Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol. 7, S. 251 ; 1902. ' Duncan und Gamgee, Journ. of anat. and physiol., 5, S. 156; 1871, geben indessen an, daß die Viskosität des defibrinierten Blutes, wegen des Zusammenballens der roten Blut- körperchen, größer ist, als die des normalen Blutes. « Hess, Zeitschr. f. klin. Med., 71, S. 421 ; 191Ü. 9 C. A. Ewald, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1877, S. 224; _ 1878, S. 536. 1" Haro, Compt. rend. de l'Acad. des scienc, 83, S. 696; 1886. . 1' B. Lewy, Arch. f. d. ges. Physiol., 65, S. 461.; 1897. 2* 20 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. und Pferden ausgeführten Versuchsreihe betrugen bei dieser Temperatur 0,013 bzw. 0,068. Da der Viskositätskoeffizient des Wassers bei dieser Temperatur 0,007 ist, ist also der Viskositätskoeffizient des Blutes etwa 2— lOmal größer. Über die Beziehung des Viskositätskoeffizienten des defibrinierten Blutes zu der Temperatur gilt, daß dieser um so geringer ist, je höher die Temperatur {Duncan und Gamgee^, C. A. Ewald^, Burton-Opitz^). In dieser Hinsicht sei auf die folgende Tabelle von dem letzteren verwiesen. Temperatur Hundeblut, ?/, nach Temperatur Froschblut, i], nach Grad C Burton-Opitz-" Grad C Burton-Opitz'^ 15 0,0613 5 0,0653 20 0,0519 10 0,0471 25 0,0449 15 0,0346 30 0,0397 20 0,0278 35 0,0349 30 0,0209 40 0,0313 Nach Rothlin^ trifft das Minimum der Viskosität des defibrinierten Blutes bei etwa 45° C ein; schon bei Körpertemperatur nähert sich also die Blutviskosität ihrem Minimum. Je reicher an Blutkörperchen das Blut ist, um so mehr nimmt seine Vis- kosität mit steigender Temperatur ab. Bei einem Versuch von Denning und Watson^ am Pferdeblutserum mit 8400000 roten Blutkörperchen war r/ bei einer Temperatur von bzw. 31,8, 35, 40, 44,8 «C gleich 0,0637, 0,0554,0,0456 und 0,0376, während dasselbe Serum mit Zusatz von nur 4000000 Blutkörperchen einen Viskositätskoeffizienten von 0,0274, 0,0258, 0,0234, 0,0214 aufwies. Im ersten Falle betrug die Differenz für 13° C also 0,0180, im zweiten aber 0,064. Beim entsprechenden Serum ohne Blutkörperchen war die Differenz bei demselben Temperaturintervall nur 0,0036 (von 0,0144 bis 0.0108'). Bei verschiedenen Tierarten kommen bei einer und derselben Temperatur nicht unbedeutende Differenzen in bezug auf die Viskosität des defibrinierten Blutes vor, wie z. B. aus folgenden Bestimmungen von Tromsdorfj^, die sich auf eine Temperatur von 15° C beziehen, ohne weiteres hervorgeht. Tierart Viskosität bei IS" C; Wasser = 1 Tierart Viskosität bei 15« C; Wasser = 1 Pferd Rind Ziege Hund Schwein Mensch 8,36 5,97 6,03 4,96 6,24 6,02 Hahn Hammel Kalb Kaninchen .... Frosch» Schildkröte lö . . . 5,13 4,57 4,24 3,47 2,53 2,01 * Duncan und Gamgee, Journ. of anat. a. physiol., 5, S. 154; 1871, 2 C. A. Ewald, a. a. O., 1877, S. 218. ■» Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol., 82, S. 471; 1900. * Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 7, S. 254; 1902. •^ Rothlin, Arch. f. d. ges. Physiol., 179, S. 205, 215. « Denning und Watson, a.a.O., 78, B, S. 338; 1906. ' Vsl. auch Nicolls, Journ. of physiol., 20, S. 412; 1896. 8 Tromsdorff, Arch. f. exp. Pathol., 45, S. 82; 1900. » Tromsdorff, ebenda, 45, S. 85. '" Burion-Opitz, Amer. journ. of physiol. 7, S. 257; bei 20o C. Das Gesetz von Poiseuille und dessen Gültigkeit beim Kreislauf. 21 Die hier hervortretenden großen Unterschiede^ dürfen indessen nicht un- bedingt als für die betreffenden Tierarten charakteristisch aufgefaßt werden. Die Erfahrung zeigt nämlich, daß die Viskosität des Blutes sogar bei einem und demselben Individuum unter dem Einfluß der verschiedensten Umstände in bedeutendem Grade zunehmen oder abnehmen kann, und wir können ja unmöglich voraussetzen, daß bei den oben verzeichneten Tieren die Bedingungen, von welchen die Viskosität abhängig ist, alle in gleichem Maße vorhanden ge- wesen sind. Da diese Bedingungen am eingehendsten beim natürlichen, nicht defibrinierten Blute untersucht worden sind, werde ich dieselben im Zusammenhang mit der Darstellung der Viskosität bei diesem näher besprechen. In der Regel steigt und sinkt die Viskosität des defibrinierten Blutes mit dessen spezifischem Gewicht (C. A. Ewald^) und Gehalt an Blutkörperchen (Determann und Weil'^). Wenn die roten Blutkörperchen durch Injektion von Phenylhydrazin zer- stört werden, nimmt der Viskositätskoeffizient des Blutes, trotz niedrigem spezifischen Gewicht, in der Regel zu, in einem Falle auf 0,0736, d. h. etwa das Zehnfache des Viskositätskoeffizienten beim Wasser (Burton-Opitz^). Das- selbe ist auch bei der durch Saponin hervorgerufenen Hämolyse der Fall {Trevan^). Es müssen also hier von den zerfallenen Blutkörperchen Stoffe ins Plasma heraustreten und dessen Viskosität erhöhen. Dies wird durch die Erfahrungen über Blut, welches durch Gefrieren und Auftauen lackfarbig geworden ist, bestätigt. Nach Determann^ und Adam'^ hat dieses Blut eine größere Viskosität als das normale Blut, Dem gegenüber haben andere Autoren, wie Graham Browrfi und Biirtoii- Opitz^, bemerkt, daß die Viskosität des lackfarbigen Blutes herabgesetzt ist. Diese Differenz ließ sich indessen, wie Burton-Opitz^^ nachgewiesen hat, ohne Schwierigkeit erklären. Es zeigte sich nämlich in seinen Versuchen, daß die Viskosität des Blutes nach ein- oder zweimaligem Gefrieren tatsächlich zu- nahm, aber bei mehrmals wiederholtem Gefrieren und Auftauen abnahm. Wenn die Viskosität des defibrinierten Blutes gleich 1 gesetzt wird, war sie bei einmal gefrorenem Blut 1,05, bei zweimal gefrorenem 1,17, bei viermal gefrorenem aber 0,99 und bei achtmal gefrorenem 0,80. Die Zunahme der Viskosität beim nur ein- bis zweimal gefrorenen und auf- getauten Blute beruht nach Determann darauf, daß die roten Blutkörperchen 1 Nach Ewart, Thesis for D. Sc. Liverpool 1904, ist im Vergleich mit der Viskosität des Wassers die Viskosität des defibrinierten Blutes vom Schweine 3,8, vom Hunde 4,1 , von der Katze 4,2 und vom Menschen 3,1 (zit. nach Denning und Watson, a. a. O., 78, B, S. 332). 2 C. A. Ewald, a.a. 0., 1877, S. 220. 9 Determann und Weil, Zeitschr. f. klin. Med., 70, S. 468; 1910. * Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol., 112, S. 193; 1906. ^ Trevan, Biochemical Journal, 12, S. 64; 1918. « Determann, Zeitschr. f. klin. Med., 59, S. 290; 1906. ' Adam, ebenda, 68, S. 187; 1909. ^Graham Brown, Roy. infirmary reports. Edinburgh 1894; zit. nach Denning uiid ^ Watson, a.a.O., 78, B, S, 330. y< ^''■■}}l » Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol.. 119, S. 366; 1907. A ' J» 10 Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 35, S. 53; 1914. «^^ 22 Die Sfrömung des Blutes im großen Kreislauf. stark viskose Stoffe enthalten, welche, wenn sie von den Zellen in das umgebende Serum austreten, die Viskosität des Blutes in bemerkenswertem Grade erhöhen. Zu diesen Stoffen gehört auch das Hämoglobin {Adam'^). Durch mehrmals nacheinander wiederholtes Gefrieren und Auftauen findet eine Agglutination der Stromata statt und diese fallen infolgedessen zum Boden des Gefäßes, was natürlich die Viskosität des Blutes wieder herabsetzen muß. c) Die Viskosität des normalen Blutes.- Durch die Gerinnung des Fibrins wird die Viskosität des Blutes herab- gesetzt. In drei Versuchen von Bmton-Opitz^ war ri des normalen Blutes (bei 37,20 C) bzw, 0,0601, 0,0507 und 0,0367; zwei Stunden nach der Defibrinierung war 7/ auf bzw. 0,0502, 0,0437 und 0,0319 herabgesunken. Die Abnahme ist hier bzw. 17, 14 und 13%. Wenn die Gerinnung durch Zusatz von Oxalat aufgehoben wird, steigt da- gegen die Viskosität des Blutes an; in einem Versuch von Burton-Opitz^ von 0,0507 auf 0,0568, d. h. um 11 7o- Der Viskositätskoeffizient des normalen Menschenblutes beträgt nach Ver- suchen von Beck und Hirscli^ durchschnittlich 0,036, mit den Extremen 0,028 und 0,042, entsprechend einer spezifischen Viskosität von 4,02 bis 5,89, im Durchschnitt 5,1. Im Vergleich mit der Viskosität des Wassers war die des menschhchen Blutes bei Bestimmungen an 28 Individuen, welche nur an lokalen Augen- krankheiten litten, bei einer Temperatur von 18^ C durchschnittlich 4,5, mit den Grenzwerten 3,75 und 5,75 {Hess^). In einer anderen Reihe von 79 Beobachtungen an Individuen mit ver- schiedenen Krankheiten waren die Grenzen der Viskosität bei 18*^ C im Ver- gleich mit der Viskosität des Wassers 2,35 und 7,65. Das Mittel dieser Reihe betrug 5,00. Nach Beobachtungen an 54 Männern und 60 Frauen im Alter von 20 bis 80 Jahren gibt Hess"^ als Durchschnittszahlen für die Viskosität bei jenen 4,7 und bei diesen 4,4 an; mit Ausschluß der extremen Werte sind die Grenzen bei den Männern 4,3—5,3 und bei den Frauen 3,9—4,9. Etwas höher sind die von Welch^ mitgeteilten Durchschnittszahlen, nämlich für den Mann 5,42 und für die Frau 5,12. Im ersten Lebensjahre ist die Viskosität normal nur etwas wenig über 3,0, und steigt dann, wie aus folgender Zusammenstellung von Hess^ ersichtlich ist, an. 1 Adam, Zeitschr. f. klin. Med., 68, S. 190. ^ Als normales Blut bezeichne ich auch solches, wu die Gerinnung durch Oxalat oder Hirudin aufgehoben worden ist. Wie Welch, Heart, 3, S. 118; 1911, nachgewiesen hat, übt der Zusatz von Hirudin gar keinen Einfluß auf die Viskosität des Blutes aus. 3 Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physio!., 82, S. 466; 1900. * Burton-Opitz, ebenda, 82, S. 467. 5 Beck und Hirsch, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 69, S. 519; 1901; — Hirsch, ebenda, 70, S. 518; 1901. * Hess, Münchener med. Wochenschr., 1907, Nr. 45, SA. 7 Hess, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 94, S. 404; 1908. 8 Welch, Heart, 3, S. 121; 1911. 9 Hess, a. a. 0., 94, S. 406. Das C4esetz von Poiseuille und dessen Gültigkeit beim Kreislauf. 23 Alter Spezifische Viskosität Jahre 1 Männer Frauen Gi-enzen Mittel Grenzen Mittel 0 10 3,1-4,5 3,9 3,0-4,4 3,8 10 20 3,7-5,5 4,4 3,5—4,9 4,2 20 35 4,0—5,4 4,7 3,5-5,1 4,2 35—50 4,2-5,3 4,9 3,8-5,1 4,4 50—81 4,2-5,5 4,7 4.1—5,1 4,5 Deiining und Watson^ fanden die Viskosität des Menschenblutes bei fünf Versuclispersonen 4,8 bis 5,6 mal der des Wassers. Bei 20 von Detennann- untersuchten gesunden Männern war die Viskosität des Blutes durchschnittlich 4,80mal (4,16 bis 5,54nial), und bei neun Frauen durchschnittlich 4,52 mal (4,05 bis 5,2 mal) größer als die des Wassers. Nach Hürthle^ ist der Viskositätskoeffizient des normalen Blutes (bei 38" C) beim Hunde 4,7, bei der Katze 4,2 und beim Kaninchen 3,3 mal größer als der des Wassers. Später hat Burton-Opitz als Durchschnittszahl bei 37° C in bezug auf das Wasser für das normale Hundeblut 5,5^ und für das normale Kaninchenblut 3,55 angegeben. Etwa von derselben Größe ist die Viskosität des Froschblutes bei 20" C. Bei 37° C ist sie dagegen nur 2,8.^ Wie beim defibrinierten Blut, nimmt auch beim Gesamtblut die Viskosität mit der Zahl der roten Blutkörperchen zu. Als Beispiel sei erwähnt, daß Denning und Watson"^ bei drei an Chlorose leidenden Individuen eine auf das Wasser be- zogene Viskosität von 2,1—3,6 beobachteten, während die Viskosität in einem Falle von Polycythämie 11,8 betrug und in einem von Bence^ mitgeteilten Falle sogar 15 bis 20 mal größer war als die des Wassers. Auch die Vermehrung der Leukozyten treibt die Viskosität in die Höhe; in einem Falle mit 2400000 roten und 76000 weißen Blutkörperchen pro Kubik- millimeter war also die Viskosität 5,6 mal der des Wassers, und in einem Falle von Chlorose mit 3000000 roten Blutkörperchen und der normalen Anzahl der Leukozyten nur 3,5. Nach Gutlbring^ spielt die relative Zahl der polymorphnukleären Leuko- zyten hierbei die Hauptrolle. Über den Einfluß der Temperatur auf die Viskosität des normalen Blutes gibt //£ssi° an, daß r/ bei 37° C im Durchschnitt 16% niedriger ist als bei 17" C, 1 Denning und Watson, a. a. ü., 78, B, S. 355. 2 Determann, Zeitschr. f. klin. Med., 59, S. 307; 1906. 3 Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 82, S. 438; 1900. * Burton-Opitz, Journ. of physiol., 32, S. 17; 1904. 5 Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 7, S. 243; 1902. ß Burton-Opitz, ebenda, 7, S. 248. '' Denning und Watson, a. a. O., 78, B, S. 356; — vgl. auch Determann, Zeitschr. f. klin. Med., 59, S. 286. 8 Bence, Deutsche med. Wochenschr., 1904, S. 591. 8 Guübring, Bidrag tili kännedomen om de hvita blodkropparnas betydelse för blod- viskositeten. Stockholm 1913. "• Hess, Münchener med. Wochenschr., 1907, Nr. 45. 24 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. daß also die Viskosität für eine Differenz von ^l^C um T0,8% verändert wird.^ Eine Konsequenz der Abhängigkeit des Viskositätskoeffizienten von der Temperatur ist, daß derselbe auch dann abnimmt, wenn das Tier selber durch ein warmes Bad künstlich erhitzt wird, und daß er bei Abkühlung des Tieres in einem kalten Bade in die Höhe geht. Ein Beispiel davon findet sich in der folgenden Tabelle nach Burton-Opitz^. V '/ Normal In warmem Bad von 42—43» C In kaltem Bad Normal ^^^ 22-23» C 0,0424 0,0387 0,0322 0,0395 0,0349 0,0294 0,0463 0,0515 0,0401 0,0450 0,0341 0,0372 Beim Menschen fand Determann^ eine Zunahme der Blutviskosität nach einem kalten Bade, nur wenn eine gute Reaktion dabei vorhanden war. Dagegen wird durch heiße Luft, wegen der Wasserabgabe vom Körper, die Viskosität größer, wie z. B. (Burton-Opitz^): Normal In heißer Luft von 60—70» C 0,0434 0,0358 0,0343 0,0444 0,0374 0,0358 Wahrscheinlich ist auch die geringe, wenn überhaupt vorhandene Zunahme des Viskositätskoeffizienten, welche Burton-Opitz^ beim fiebernden Hunde beobachtete, rj — 0,037, auf eine vermehrte Wasserabgabe zu beziehen. Hierher gehört wohl auch die Zunahme der Viskosität nach angestrengter Muskelarbeit {Determann^). Im allgemeinen steigt und sinkt die Viskosität des Blutes mit dessen spezi- fischem Gewicht, z. B. Blut, spez. Gewicht 1,014, Viskosität 2,24mal der des Wassers; spez. Gewicht 1,055, Viskosität 5,89 mal der des Wassers. Diese Regel ist indessen keine unbedingte, denn man kann unter Umständen bei einem und demselben spezifischen Gewicht die verschiedensten Zahlen für die Viskosität beobachten: spez. Gewicht in vier Blutproben 1,045, spezifische Viskosität in denselben Proben 9,21, 5,29, 4,02, 3,81 (Beck und Hirscif). ^ Vgl. auch Denning und Watson, a. a. O., 78, S. 352. - Burion-Opitz, Journ. of exp. med., 8, S. 1 ; 1906. 3 Determann, Zeitschr. f. klin. Med. 59, S. 314. * Burton-Opitz, Journ. of exp. med., 8, S. 5; 1906; — vgl. auch Lommel, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 80, S. 308; 1904. 5 Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol., 112, S. 189; 1906. « Determann, Zeitschr. f. klin. Med., 59, S. 308; — vgl. auch E. Bachmann, Medizin. Klinik, 1910, S.-A., S.3. ' Beck und Hirsch, Deutsches Arch. f. klin. Med., 69, S. 514; 1901; — Hirsch, ebenda, 70, S. 514; 1901; — Determann, Zeitschr. f. klin. Med., 59, S. 284. Das Gesetz von Poiseuille und dessen Oülti^keit heim Kreislauf. 25 Ferner steigert ein größerer Gehalt an Kohlensäure die Viskosität des Blutes in bedeutendem Grade {Haro^, Ewart^, v. Koränyi und Bence^, Adam'^y Deter- mann und Weil^, Welclf), während dieses Gas auf das Serum nur einen ver- hältnismäßig geringen Einfluß ausübt. Wenn wir die Zeit, während welcher defibriniertes Hundeblut durch das Viskosimeter passierte, gleich 1 setzen, so betrug sie in Versuchen von FerraP nach Durchleitung von Kohlensäure während einer Stunde 1,83. In einem anderen Falle wurde wiederum während einer Stunde Luft durch das mit Kohlensäure gesättigte Blut geleitet, wobei die Zeit von 1,33 auf 1,0 sank. Im ersten Falle also ein Anstieg um 83%, im zweiten eine Abnahme um 33%. Weitere Beispiele von dem Einfluß der Kohlensäure auf die Viskosität des Blutes geben folgende Beobachtungen von v. Koränyi und Bence. Tierart 1. Hund . 2. Schwein 3. ,, 4. „ 5. Spezifische Viskosität Unverändert Wenig COg Mehr CO, Viel CO, 5,38 5,29 5,35 6,77 6,43 6,16 5,26 6.93 6.41 6,89 5,58 6,36 6,07 6,81 8,95 10,53 7,71 10,28 Nach V. Koränyi und Bence^ nimmt die Viskosität des Blutes, auch wenn die Kohlensäure durch Sauerstoff sehr gründlich aus dem Blute vertrieben wird, zu. So betrug sie im Versuch 4 in der obigen Tabelle bei wenig Sauerstoff 5,66, bei viel Sauerstoff 6,79. Entsprechend dem Verhalten bei künstlicher Zufuhr von Kohlensäure ist, wie Burton-Opitz^ und Hess'^^ nachgewiesen haben, die Viskosität des natürlichen venösen Blutes größer als die des arteriellen. Die folgende, aus den Versuchen des ersteren mitgeteilte Tabelle zeigt die in dieser Beziehung am Hundeblut vorkommenden Differenzen. Arterielles Blut 0,0402 0,0354 0,0338 Venöses Blut 0,0435 0,0396 0,0367 Durch Einatmen einer an Kohlensäure sehr reichen Luft kann der Vis- kositätskoeffizient des arteriellen Blutes den hohen Wert von 0,0729 = 10,3 mal der Viskosität des Wassers erreichen {Burton-Opitz'^^). 1 Haro, Cüinpt. rend. de l'Acad. des sciences, 83, S. 697; 1876. - Ewart, a. a. O. 3 V. Koränyi und Bence, Arch. f. d. ges. Physiol., 110, S 520; 1905. * Adam, Zeitschr. f. klin. Med., 68, S. 192. 5 Determann, ebenda, 59, S. 295; 1906; — Determann und Weil, ebenda, 70, S. 468; 1910. 6 Welch, Heart, 3, S. 129; 1911. ' Ferrai, Arch. di fisiol., 1, S. 385; 1904. « V. Koränyi und Bence, a.a.O., 110, S. 521 ; — vgl. Welch, Heart, 3, S. 129; 1911. 9 Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol., 119, S. 359; 1907. 10 Hess, Münchener med. Wochenschr.. 1907, Nr. 45. " Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol., 119, S. 363. 26 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. In allen diesen Fällen liegt wohl die Ursache der Viskositätszunahnie in der durch die Kohlensäure hervorgerufenen größeren Quellung der Blutkörperchen.^ Daraus folgt ferner, daß die Viskosität des normalen Blutes, je nach der Art und Weise wie die Probe entnommen und weiter behandelt wird, innerhalb gewisser Grenzen variieren muß. Auch durch allerhand lokale Einwirkungen auf die Zirkulation kann die Viskosität des Blutes beeinflußt werden. So steigt der Viskositätskoeffizient durch künstliche Blutstauung in einem vollständig unberechenbaren Grade an (Determann^, Kottmann^, Hess'^). Dagegen wird bei einer durch Massage lokal angeregten Zirkulation mit großer Konstanz ein verhältnismäßig niedriger Wert erzielt (Hess^). Nach kurzen kalten Bädern sowie in heißen Luftbädern steigt die Viskosität des Blutes vorübergehend an, in heißen Wannenbädern nimmt sie dagegen ab {Determanif'). Einen großen Einfluß auf die Viskosität des Blutes übt auch die Nahrung und deren Beschaffenheit aus. So war der Viskositätskoeffizient des Hundes beim Hunger 0,0302; nach Fütterung mit Kohlehydraten stieg er auf 0,0351, mit Fett auf 0,0365, und mit Fleisch auf 0,0461. Dabei erlitt indessen das Serum eine verhältnismäßig geringe Veränderung; dessen Viskositätskoeffizient war nämlich beim Hunger 0,0104 und bei Fütterung mit Kohlehydraten, Fett und Fleisch bzw. 0,0115, 0,0127 und 0,0118. Der Anstieg ist also, dem Hungerwert gegenüber, hier 0,0011, 0,0023 und 0,0014, während er beim Blute 0,0049, 0,0063 und 0,0159 beträgt. Hier muß also die Zunahme der Viskosität wesentlich auf Kosten der geformten Bestandteile des Blutes geschrieben werden (Burtöii-Opitz^). Beim Kaninchen wird, wahrscheinlich dem Gehalt an Wasser in der Nahrung entsprechend, der Viskositätskoeffizient im Vergleich mit dem beim Hunger durch Mohrrübenfütterung ziemlich stark — durchschnittlich von 0,0264 auf 0,0229 — herabgesetzt, während derselbe bei Fütterung mit Hafer ziemlich unverändert auf dem Hungerwert bleibt {Burton-Opitz''). Betreffend den Einfluß der Nahrung auf die Viskosität des menschlichen Blutes gibt Determann^ an, daß diese bei Vegetariern etwas geringer ist als bei Fleischessern; bei jenen betrug nämlich der spezifische Viskositätskoeffizient durchschnittlich 4,32 (4,0-5,0), bei diesen aber 4,85 (4,1-5,8). Durch Narkotika (Alkohol, Äther, Chloroform) in größerer Menge nimmt der Viskositätskoeffizient in einem gewissen, wenn auch verhältnismäßig ziemlich geringen Grade, zu. Nur bei direkter Injektion von Alkohol ins Duodenum bzw. beim Einatmen von Alkohol erschien eine etwas größere Steigerung, im ersten Falle von 0,0360 bzw. 0,0385 auf 0,0413 bzw. 0,0443 (Burton-Opitz^). 1 Vgl. Detennann, Berliner klin. Wochenschr., 19U7, S. 726. - Detennann, Zeitschr. f. klin. Med., 59, S. 319; 1906; — Determann und Weil, ebenda, 70, S. 468; 1910. 3 Kottmann, Korr.-Blatt für Schweizer Ärzte, 1907, S. 137. * Hess, Münchener med. Wochenschr., 1907, Nr. 45. 5 Determann, Berliner klin. Wochenschr., 1907, S. 689, 723. « Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol., 82, S. 457; 1900. 7 Burton-Opitz, ebenda, 82, S. 461. 8 Determann, Zeitschr. f. klin. Med., 59, S. 293. • 9 Burton-Opitz, Journ. of physiol., 32, S. 14; 1904; — 32, S. 385; 1905; — 35, S.265; 1914. Das Gesetz von Poiseuille und dessen Oültigkeif beim Kreislauf. 1>7 Nach einer Blutung wird die Viskosität des Blutes, wahrscheinlicii wegen des darauf folgenden Überganges vom Wasser aus den Geweben in das Blut, geringer, wie von 0,0308 auf 0,0293, oder von 0,0323 auf 0,0279 {Burton-Opitz^). Daß die Injektion einer Leimlösung die Viskosität des Blutes erhöhen soll, ist von vornherein zu erwarten und wurde von Burton-Opitz'^) direkt nachgewiesen. Die Vermehrung der Wassermenge des Blutes durch intravenöse Injektion von Kochsalzlösung vermindert den Viskositätskoeffizienten, selbst wenn das eingespritzte Flüssigkeitsquantuni nur ziemlich gering ist {Burton-Opitz^; vgl. die folgende Tabelle). - , ^ 1 Menge der injizierten Lösung; ccm Gewicht Normal Nach Injektion von Kochsalzlösung des Hundes; kg 0,0461 0,0422 0,0400 0,0368 0,0450 0,0398 0,0388 0,0328 5 30 20 50 8 12 11 11 Dagegen steigt die Viskosität nach Injektion von destilliertem Wasser, vermutlich wegen einer geringen Quellung der Blutkörperchen, ein wenig in die Höhe. Nach Injektion von 10 ccm Wasser bei einem Hunde von 16 kg war die Zunahme von ?y 0,0017 (Burton-Opitz^). Wenn Zucker in geringer Menge (5 ccm einer konzentrierten Dextroselösung) einem Hunde eingespritzt wird, nimmt die Viskosität des Blutes zu. Bei einer größeren Menge Zucker (50— 100 ccm der konzentrierten Lösung) sinkt, wegen Wasseraufnahme ins Blut, die Viskosität gleichzeitig mit dem spezifischen Gewicht des Blutes herab (Burton-Opitz^; vgl. die folgende Tabelle). Normal Nach Injektion von Dextrose Anmerkungen 0,0338 0,0447 0,0322 0,0392 0,0378 0,0471 0,0307 0,0352 5 ccm 5 ccm 50 ccm 100 ccm Auch bei der durch Adrenalin hervorgerufenen Hyperglykämie nimmt die Viskosität des Blutes zu (Burton-Opitz^). Schließlich wird die Viskosität des Blutes durch Exstirpation der Schild- drüse nicht selten herabgesetzt und kann dabei bei Hunden den niedrigen Wert von 0,0265 =:: etwa 3,6 der Viskosität des destillierten Wassers erreichen {Burton- Opitz^). — Im Gegensatz dazu wird die Viskosität des Serums, auch wenn keine kachektischen Symptome noch erschienen sind, nach der Exstirpation der 1 Burton-Opitz, Arch. f. d. gcs. Physiol., 82, S. 451 ; 1900. ■' Burton-Opitz, ebenda, 119, S. 370; 1907. 3 Burton-Opitz, Journ. of physiol., 32, S. 9; 1904. « Burton-Opitz, Journ. of exp. med., 8, S. 240; 1900. 5 Burton-Opitz, ebenda, 8, S. 244. 6 Burton-Opitz, Zentralbl. f. Physiol., 18, S. 493; 1904. 28 f5ie Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Thyreoidea gesteigert und bei Hypertropiiie der Thyreoidea herabgesetzt {Rossi und Fano^). § 105. Die Gültigkeit des Poiseuille sehen Gesetzes beim Kreislauf. Unter Bezugnahme auf die im Kreislauf stattfindenden Geschwindigkeiten hat Hess'^ mittels einer von Christen entwickelten Formel berechnet, daß der Blutstrom nur in Gefäßen mit größerem Durchmesser als 1,32 cm dem Gesetz von Poiseuille nicht folgt. In Übereinstimmung damit hebt Thoma^ hervor, daß auch in den größten, der mikroskopischen Untersuchung zugängigen Arterien sowohl die Vorwärts- ais die Rückwärtsbewegung der Blutzellen in geraden, der Achse der Gefäß- lichtung parallelen Bahnen erfolgt, sowie daß der Grenzwert der Geschwindigkeit daselbst den nach dem Ausdruck von Reynolds (siehe oben III, S. 15) berechneten noch nicht erreicht. Noch bemerkt Thoma, daß selbst in der aufsteigenden Aorta, und Hess^, daß in der Aorta descendens thoracica bei großen Hunden unter normalen Um- ständen keine Geräusche gehört werden, was auch dartun sollte, daß die Be- wegung des Blutes in allen Arterien geradlinig und ohne Wirbel stattfindet. Demgegenüber läßt sich indessen einwenden, daß Wirbel vorhanden sein könnten, ohne daß ihre Intensität zum Hervorbringen von hörbaren Geräuschen genügte. Auch folgende Erfahrung von Hess^ kann nicht als beweisend bezeichnet werden. Es wurde durch die Carotis eine dünnwandige Glassonde bis zu der Aorta vorgeschoben und durch diese mit mäßigem Überdruck eine mit Methylen- blau intensiv gefärbte Gummiarabikumlösung in die Blutbahn eingegossen. Gleichzeitig war in die eine der beiden Kruralarterien eine lange Glaskanüle ein- gebunden, durch die das ausströmende Blut auf eine Glaskugel übergeleitet wurde. Auf der abfallenden Wölbung floß es in einem breiten Stromband aus- einander, indem Blut und Gummilösung zum Teil noch getrennt sichtbar waren. Nach der Auffassung von Hess müßte bei turbulenter Strömungsform eine vollständige Mischung beider Flüssigkeiten zustande gekommen sein. Meiner- seits kann ich dieser Auffassung nicht beipflichten, denn bei nicht zu starken Wirbeln ist es ja gut möglich, daß nur eine partielle Mischung auftritt, und da die beiden Flüssigkeiten beim Herausströmen jedenfalls nur zum Teil getrennt waren, hat die Strömung von der Aorta zu der Kruralarterie offenbar nicht in geradlinigen Bahnen stattgefunden. Diese Erscheinung steht in nächstem Zusammenhang damit, daß die Be- wegung des Blutes in den Arterien, dank ihrer Elastizität und den rhythmischen Kontraktionen des Herzens, nicht nur translatorischer Art ist, sondern auch in der Form einer Wellenbewegung erfolgt; infolgedessen kann das Blut nicht in der einfachen Weise, wie das Gesetz von Poiseuille voraussetzt, in den Arterien 1 Rossi und Fano, Arch. di fisiologia, 2, S. 589; 1905. 2 Hess, Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. in Zürich, 51, S. 236; 1906; — vgl. Hürihle, Arch. f. d. ges. Physiol., 173, S. 160; 1918. 3 Thoma, Deutsches Arch. f. klin. Med., 99, S. 569; 1910; — vgl. auch die Ausführungen von Thoma, Beitr. z. pathol. Anat., 66, S. 92, 259, 377; 1920. 4 Hess, Arch. f. d. ges. Physiol., 168, S. 476; 1917. 6 Hess, ebenda, 168, S. 477. Das Gesetz von Poiseuille und dessen Gültigkeit beim Kreislauf. 29 strömen. Auch können bei der unter der Einwirkung des herausgetriebenen Blutes stattfindenden Erweiterung der Arterien die einzelnen Flüssigkeitsfäden nicht mehr parallel bleiben und eine Strömung in Form konzentrischer Hohl- zylinder ist also hier nicht möglich. Auch von den zentralen Venen, wo durch die Kontraktionen der Vorhöfe Wellen ausgelöst werden, gilt dasselbe. An den Venenklappen kommen Störungen der Strömung vor, indem in den Taschen der Klappensegel regelmäßig eine wirbelnde Bewegung stattfindet {Thoma'^). Das Gesetz von Poiseuille kann also überhaupt nur bei den kleinsten Ar- terien, wo die Wellenbewegung schon abgeklungen ist, den kleinsten Venen und den Kapillaren vollständig zutreffen. Es gilt daher, zu untersuchen, ob dies in der Tat der Fall ist, oder ob die eigentümliche Beschaffenheit des Blutes und der betreffenden Gefäße noch irgend- welche Abweichungen vom Gesetz verursacht. " Nun ist das Gesetz von Poiseuille ursprünglich nur für gerade Röhren be- wiesen, während auch diejenigen Blutgefäße, bei denen keine Wellenbewegung stattfindet, vielfach verzweigt sind. Welche Bedeutung dieser Umstand haben mag, ist zurzeit nicht entschieden^, und denjenigen Autoren gegenüber, welche die Verästelung des Gefäßbaumes als Ursache von Wirbeln auffassen, hat Tlioma^ nachgewiesen, daß an den Verästelungsstellen keine Wirbel bemerkbar sind^ daß auch an diesen Stellen der allgemeine Charakter, der für die zwischen ihnen eingeschalteten, zumeist gerade verlaufenden Strecken annäherungsweise durch das Gesetz von Poiseuille gegeben ist, sich nicht ändert, sowie daß da, wo sich der Stammstrom in zwei divergente Bahnen spaltet, die Ablenkung sich in ganz allmählicher Weise vollzieht, so daß in jedem Stromteil die einzelnen Strom- fäden bis auf verschwindend kleine Werte ihrem Nachbar parallel bleiben. Damit das Gesetz von Poiseuille mit der hier erwähnten Beschränkung gültig sein mag, muß ferner die Gefäßwand vom Blute benetzt werden können. Auf Grund der Tatsache, daß Blut, wenn es in geölten Gefäßen aufgefangen wird, flüssig bleibt, vertrat E. Freund^ die Ansicht, daß das Blut im Gefäß- system deshalb nicht gerinnt, weil es nicht an der Gefäßwand adhäriert, d. h. sie nicht befeuchtet. Demgegenüber bemerkte B. Lewy^, daß in den Kapillaren wenigstens Benetzung stattfinden muß, da hier der Austausch von Blut- und Gewebe- bestandteilen vor sich geht. Auch zeigte das Blut in der ausgeschnittenen Carotis 1 Thoma, Zeitschr. f. exp. Pathol., 11, S. 237; 1912. 2 Vgl. in dieser Hinsicht Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 173, S. 166; 1917. 3 Thoma, Zeitschr. f. exp. Pathol., 11, S. 223; 1912; — Schleier (Arch. f. d. ges. Physiol., 173, S. 189; 1917) hat bei Versuchen an einem aus Y-förmigen Kapillarröhren aus Glas zu- sammengesetzten Schema gefunden, daß das experimentell bestimmte Gefälle bei rechtläufiger Durchströmung 6,9"/o größer ist als das nach dem Gesetz von Poiseuille berechnete. Diese Differenz wird auf Unvollkommenheiten des Schemas zurückgeführt. * In Übereinstimmung damit steht die Angabe Nicolls', daß bei dem Übergang von einem Hauptstamm in dessen Äste kein Energieverlust stattfindet. Journ. of physiol., 20, S. 416; 1896. ^ E. Freund, Wiener med. Jahrb., 1886, S. 46; — vgl. auch Heubner, Arch. f. exp. Pathol., 53, S. 283; 1905; — sowie Thoma, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 99, S. 591; 1910. 6 Lewy, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1899, Suppl., S. 89. 30 C)ie Strömung des Blutes im großen Kreislauf. oder Anonynia des Hundes eine deutliche Kapillarerhebung, was später von Beck und Hirsch^ bestätigt wurde, indem sie nachwiesen, daß das Blut im Anfangs- teil der Aorta den für benetzende Flüssigkeiten charakteristischen konkaven Meniskus besitzt. Eine Benetzung der Gefäßwand durch das Blut folgt auch daraus, daß ein Tropfen Blut, welcher auf die Innenwand der aufgeschnittenen Aorta oder Vena cava eines soeben getöteten Tieres gebracht wurde, die Gestalt wie bei einer benetzenden Flüssigkeit hatte. Ferner ist die Innenwand des Ge- fäßes keineswegs, wie dies bei Nichtbenetzung der Fall sein müßte, unmittelbar nach Eröffnung und Abfließen des Blutes trocken, sondern vielmehr feucht von einer sie überziehenden, dünnen, abwischbaren Serumschicht. Nach dem Abwischen breitet sich ein neuerdings aufgesetzter Blutstropfen sogar voll- ständig aus, so daß die Benetzung eine vollkommene ist.'^ Die Versuche über das Gesetz von Poiseuilk sind bei konstanter, nicht intermittierender Durchströmung ausgeführt. Auch in den Kapillaren ist der Strom kontinuierlich und die Art der Blutströmung in den Kapillaren würde daher an und für sich für die Gültigkeit des Poiseuilleschen Gesetzes bei diesen keine Schwierigkeit bereiten. Aber es zeigt die Erfahrung noch, daß, wenn eine Flüssigkeit durch ein kapillares Glasrohr abwechselnd unter gleichförmigem und rhythmisch schwankendem, im Durchschnitt dem ersteren gleichem Druck strömt, die Ausflußmenge in beiden Fällen die gleiche ist (Hürtlile^). In späteren Versuchen wies Hürthle^ sogar nach, daß das Gesetz von Poiseuilk auch bei rhythmischen Druckschwankungen in kleinen Zeitteilchen im großen und ganzen gültig ist. Dagegen läßt es sich von vornherein denken, daß die Blutkörperchen, je nach dem Verhalten ihrer Größe zu der des Kapillardurchmessers, eine mehr oder weniger bedeutende Abweichung vom vorliegenden Gesetz hervorrufen könnten. Damit die Bewegung einer Flüssigkeit in einer Röhre nach diesem Gesetz stattfinden mag, muß die Geschwindigkeit der Flüssigkeitspartikelchen von der Peripherie der Röhre bis zur Achse stetig zunehmen. Beim Blute kann dies einfach nicht der Fall sein, denn in einem Querschnitt, der von der Größe der Blutkörperchen abhängig ist, muß die Geschwindigkeit gleichgroß sein, und also im betreffenden Gefäß eine sprungweise stattfindende Veränderung darbieten. Wenn das Gefäß im Vergleich zur Größe der Blutkörperchen ge- nügend weit ist, so wird der hierdurch entstehende Fehler natürlich verhältnis- mäßig gering; bei engen Kapillaren wird sich aber dieser Einfluß in einem um so größeren Grade geltend machen, je enger diese sind.^ Dadurch wird der Strom gewissermaßen in zwei Teile von verschiedenem Viskositätskoeffizienten, den Randstrom von Plasma und den Axialstrom mit den roten Blutkörperchen zerlegt. Diese Zerlegung bewirkt an und für sich eine Abweichung vom Poiseuillc- ^ Beck und Hirsch, Arch. f. exp. Pathol., 54, S. 56; 1906; — vgl. auch Heubner, ebenda, 54, S. 149. - Vgl. auch Rothmann, Arch. f. d. ges. Physiol., 155, S. 337; 1914. 3 Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 82, S. 433; 1900. 4 Hürthle, ebenda, 162, S. 317; 1915; — 173, S. 166; 1918. ^ Vgl. Thoma, Deutsches Arch. f. klin. Med., 99, S. 573; 1910; — Hess, Arch. f. d. ges. Physiol., 140, S. 354; 1911; — Rothmann, ebenda, 155, S. 320; 19H. Das Gesetz von Poiseuille und dessen Qültis^keit beim Kreislanf. 31 seilen Gesetz, die indessen durch eine entsprechende Veränderung des mathe- matischen Ausdrucks desselben bewältigt werden kann (Tlioma^). Unter Anwendung dieser erweiterten Formel hat Tlioma^ sogar das Druckgefälle in verschieden weiten Arterien berechnet. Dabei ging er ursprünglich davon aus, daß die Breite der von Blutkörperchen freien Randzone in allen Arterien gleichgroß und daß die Geschwindigkeit in der Randzone gleichfalls konstant wäre. Seine neueren Unter- suchungen nötigten jedoch zu einer Änderung der Auffassung des Problenies, bei welcher die Randstromgeschwindigkeit der Arterien nicht mehr als konstante Größe erscheint. Wenn auch die Zahlen von Thoma'', wie selbstverständlich, keine Ansprüche auf wirkliche Exaktheit erheben können, sind sie dennoch zu einem gewissen Grade ge- eignet, eine allgemeine Vorstellung über die hier in Frage kommenden Größen zu geben, und ich teile sie daher in folgender Tabelle unter aller Reserve nn't. Radius Druckgefälle ; des Gefäßes; mm Hg auf mm mm 11,2 4538 5,5 1355 3,8 662 2 208 1 74 0,5 30 0,1 5 0,05 2 D.h. wenn ein Gefäß von 11,2mm Radius geradlinig verlaufen würde, so würde der Druck erst in einer Entfernung von 4538 mm um 1 mm Hg gesunken haben, während bei einem Gefäß von 0,05 mm Radius der Druck schon nach 2 mm um die- selbe Größe abgenommen hätte. Schon aus dem hier Ausgeführten folgt also, daß in Röhren, deren Durch- messer eine gewisse Größe nicht erreicht, sowie in etwas weiteren Röhren bei einem niedrigen Druck das Blut langsamer strömen muß, als dies dem Gesetz von Poiseuille entspricht. Wenn also der Viskositätskoeffizient aus den Versuchs- resultaten in gewöhnlicher Weise berechnet wird, so nimmt er immer mehr zu, je größer die Abweichung vom betreffenden Gesetz ist. Die Richtigkeit dieser Folgerungen ist durch experimentelle Untersuchungen von mehreren Autoren nachgewiesen worden. Denning und Watson'^ ließen Plasma allein oder mit Zusatz von ungleich großen Mengen Blutkörperchen bei einem und demselben Druck durch kapillare Röhren von verschiedener Weite strömen und gelangten dabei zu folgenden Resultaten. Durchmesser der Kapillare: Plasma Plasma +3600000 r. Kürperchen . Plasma + 6000000 r. Körperchen . Plasma + 9600000 r. Körperchen . r], Temperatur 32° C 2 mm 1 mm 0,6 mm 0,3 mm 0,0130 0,0202 0,0265 0,0471 0,0139 0,0241 0,0333 0,0562 0,0140 0,0272 0,0402 0,0141 0,0338 0,0546 0,0082 ^ Thoma, a. a. ()., 99, S. 574. 2 Thoma, a. a. O., 99, S. 616. ■' Thoma, Beitr. z. pathol. Anat. 66, S. 113; 1920. * Denning und Watson, Proc. of the Royal Soc, 78, B, S. 347; 1906. 32 Die StröTniiiig des Blutes im s^roßen Kreislauf. Im großen und ganzen ist der Viskositätskoeffizient für das Plasma bei allen Röhren ziemlich gleich, denn die Differenz zwischen dem weitesten und dem engsten Rohr beträgt nur 0,0011, d. h. 8%. Schon bei einem Gehalt von 3600000 roten Blutkörperchen ist aber diese Differenz 0,0136 = etwa 67%, und steigt bei 6000000 bzw. 9600000 Körperchen auf 0,0281 (= lOO^/o) bzw. 0,0508 (- 1070/0). Hier könnte allerdings eine Sedimentierung der roten Blutkörperchen eine gewisse Rolle spielen, und in der Tat hat Trevan^ bei Anwendung von Röhren von 0,8 und 0,2 mm Durchmesser keine Differenz in bezug auf die Viskosität beobachtet. Ob dadurch die großen Differenzen bei den Versuchen von Denning und Watson restlos erklärt werden können, scheint indessen nicht ganz sicher zu sein. Über den Einfluß eines verschiedenen Druckes bei einer und derselben Kapillare hat Rothlin^ gefunden, daß die nach der Poiseuille sehen Formel be- rechnete Viskosität bei Lösungen von Leim, Eiereiweiß, unlöslicher Stärke, Agar-Agar, Seife und Saponin nur dann eine konstante Größe darstellte, wenn die Druckwerte verhältnismäßig hoch waren, bei niederen Druckwerten aber viel höher ausfiel und zwar um so mehr, je niedriger der Druck. Dasselbe war nun auch mit Blutserum der Fall. Von einem Druck von etwa 100 mm Hg an ergab die viskosimetrische Bestimmung, wie das Gesetz von Poiseuille es fordert, konstante Zahlen für das Produkt Druck x Zeit. Bei niedrigeren Druckwerten wurde dagegen dieses Produkt immer größer (Rothlin^). Daraus folgt, daß nur diejenigen Zahlen für den Viskositäts- koeffizienten, welche bei genügend hohem Druck erhalten worden sind, als ganz richtig bezeichnet werden können."* Entsprechende Versuche von Denning und Watson^ mit Blutplasma allein oder mit Zusatz von Blutkörpern haben folgendes ergeben. Plasma Plasma mit 9600000 Blutkörperchen Druck; mm Hg V Druck; mm Hg V 156 0,0138 176 0,0964 135 0,0143 156 0,0972 113 0,0145 108 0,0984 80 0,0145 82 0,0998 46 0,0142 56 0,1079 26 0,0139 Beim Plasma ist der Viskositätskoeffizient bei den verschiedenen Druck- werten im großen und ganzen konstant. Nach Zusatz von 9600000 Blutkörper- chen nimmt er bei steigendem Druck ununterbrochen ab, und zwar beträgt die Differenz zwischen der größten und der geringsten Zahl 12% der letzteren. 1 Trevan, Biochem. journ., 12, S. 63; 1918. Bei den Versuchen wurde die Sedimentierung dadurch vermieden, daß das Blut vor dem Eintritt in die Kapillare stark geschüttelt wurde. 2 Roihlin, Biochem. Zeitschr., 98, S. 74; 1919. 3 Rothlin, Arch. f. d. ges. Physiol., 179, S. 197, 1920; — Zeitschr. f. klin. Med., 89, S. 10 des S.A.; 1920. * Vgl. Rothlin, Zeitschr- f. klin. Med., 89, S. 35, 40. s Denning und Watson, a. a. 0., 78, B, S. 350; — vgl. Thoma, Deutsch. Arch. f. klin. Med.^ 99, S. 581; 1910. Das Gesetz von Poiseuille und dessen Gültigkeit beim Kreislauf. 33 Am Blut beobachtete Hess^ bei verschiedenem Druck Differenzen der Blut- viskosität, welche bis auf 40% ansteigen konnten. So betrug das Produkt Druck X Zeit bei einem Druck von 520 mm Wasser 97 und blieb etwa auf diesem Stand bis zu einem Druck von 228 mm. Von da ab begann es anzusteigen, d. h. die Strömung erfolgte langsamer als in Poiseuilles Gesetz ausgedrückt ist, und bei einem Druck von 22,5 mm war das Produkt um etwa 45% angestiegen. Dagegen bewährte sich bei dem Plasma desselben Blutes das Gesetz bis zu dem niedrigsten Druck 24,5 mm. Zu dem gleichen Resultat ist auch Rothmann^ bei Versuchen an Glasröhren von 0,465 bzw. 0,100 mm Durchmesser gekommen. Innerhalb eines Druckbereiches von 0—100 cm Wasser zeigte hirudinisiertes Froschblut bei der weiteren Röhre keine nennenswerten Abweichungen vom Poiseuille sehen Gesetz. Bei dem engeren Rohr wurde aber die Geschwindigkeit pro Druckeinheit mit steigendem Druck immer größer. Dasselbe war auch mit verdünntem Hundeblut der Fall und bei unverdünntem Hundeblut traf das Gesetz von Poiseuille sogar bei dem weiteren Rohr nicht zu. Bei weiterer Verfolgung dieses Gegenstandes fand Rothlin^ u. a., daß das normale Kaninchenblut bei einer Temperatur von l?'' C erst bei einem Druck von etwa 100 mm Hg an dem Gesetz von Poiseuille folgt, sowie daß diese Ein- wirkung des Druckes mit steigender Temperatur abnimmt, so daß der Viskositäts- koeffizient des Blutes bei Körpertemperatur schon von etwa 50 mm Hg an im großen und ganzen konstant ist. Durch mikroskopische Beobachtung des Blutstroms in einer Glaskapillare konnte sich Rothlin^ direkt davon überzeugen, daß sich die Blutkörperchen bei einem niedrigen Druck nicht in einer geradlinigen Bahn bewegten, sondern speziell am Rande krummlinige und rollende Bewegungen ausführten. Mit Hess^ kann man also sagen, daß sich das Gesetz von Poiseuille nur dann behauptet, wenn der Druck im Verhältnis zur Weite des Gefäßes und der Größe der Körperchen eine gewisse Größe übersteigt.^ Insbesondere muß das Poiseuillesche Gesetz bei stark verengten Kapillaren, wo die Blutkörperchen das ganze Gefäß füllen und unter Umständen nur in teilweise zusammengerolltem Zustande dasselbe passieren können {Krogh"'), seine Gültigkeit einbüßen. Schließlich kommt noch hinzu, daß der Strom in den Kapillaren, wie Hürthle^ durch Versuche am Frosche nachgewiesen hat, sehr bedeutende Geschwindigkeits- variationen darbietet; so schwankte die Geschwindigkeit der Körperchen in einem Falle während zweier Herzschläge zwischen 0,24 und 1,2 mm in der Se- kunde. Wenn nun auch, wie Hürthle ausführt, die betreffenden Unregelmäßig- 1 Hess, Zeitschr. f. klin. Med., 71, S. 424; 1910; — Arch. f. Anat, u. Physiol., physiol. Abt., 1912, S. 203, 207; — Arch. f. d. ges. Physiol., 162, S. 198; 1915. - Rothmann, Arch. f. d. ges. Physiol., 155, S. 330; 1914. 3 f^othlin, Arch. f. d. ges. Physiol., 179, S. 204; 1920; — Zeitschr. f. klin. Med., 89, S. 15, 28 des S.A. * Rothlin, Zeitschr. f. klin. Med., 89, S. 33 des S. A. « Hess, Arch. f. d. ges. Physiol., 162, S. 221; 1915. * Vgl. die theoretischen Bemerkungen von Hess, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1912, S. 212; — 1914, S. 8; — Kolloid-Zeitschr., 27, S. 1, 154; 1920. ' Krogh, Det Kgl. Danske Videnskabernes Selskab. Biol. Meddelelser, 1, 6, S. 22; 1918. 8 Hürthle, Arch. f. d. g3s. Physiol., 173, S. 164; 1918. Tigerstedt, Kreislauf. III. 2. Aufl. 3 34 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. r keiten in den einzelnen Kapillaren zu gleicher Zeit nicht gleichmäßig, sondern verschieden sind und sich also mehr oder weniger vollständig aufheben, so liegt dennoch darin keine Stütze für die Annahme, daß das Poiseuillesche Gesetz beim Kreislauf als ganzem streng zutrifft. Dies geht auch aus den Versuchen hervor, welche an tierischen Organen zur Prüfung der Gültigkeit des betreffenden Gesetzes ausgeführt worden sind. R. du Bois-Reymond, Brodie und F. Müller^ bestimmten zunächst die Zeit, die eine gegebene Blutmenge bei der künstlichen Durchblutung überlebender Organe braucht, um die Gefäßbahn zu durchlaufen. Nachdem ein Anfangs- wert für die Durchflußzeit gefunden war, wurde der Durchblutungsflüssigkeit entweder Serum oder Blutkörperchenbrei hinzugesetzt und die Durchflußzeit wieder bestimmt. Gleichzeitig wurden die verschiedenen Durchströmungs- flüssigkeiten in einem Viskosimeter auf ihre innere Reibung geprüft. Wenn eine vollständige Proportionalität zwischen der inneren Reibung und der Strömung in der Gefäßbahn vorhanden war, mußten die Änderungen der Durchflußzeiten für das Viskosimeter und für die überlebenden Organe prozentig untereinander übereinstimmen. Dies fand indessen, wie die Autoren selber bemerken, bei den meisten Einzelwerten nicht statt. Und obgleich sich die Durchflußzeiten immer im gleichen Sinne für das Viskosimeter wie für die überlebenden Gefäße änderten, war dennoch die Differenz in der Mehrzahl der Versuche gar nicht gering, in einigen sogar sehr bedeutend. In einer anderen Versuchsreihe wurden der Durchfluß und dessen Schwan- kungen bei Variationen der Viskosität an lebenden Organen (Dünndarm, Niere) bestimmt. Auch hier zeigten sich wieder große Schwankungen, und selbst die Mittelwerte stimmten nicht so gut, wie die bei den Versuchen an überlebenden Organen gewonnenen. Aus diesen Bestimmungen lassen sich daher keine Schlüsse in bezug auf die Gültigkeit des Poiseuilleschen Gesetzes beim Kreislauf ziehen.^ Bei Reizung des peripheren Stumpfes des N. splanchnicus steigt der arterielle Blutdruck an, und zu gleicher Zeit nimmt auch die aus der linken Kammer in der Zeiteinheit herausgetriebene Blutmenge in den meisten Fällen zu. In der Regel ist die Steigerung des Druckes prozentig größer als die des Minutenvolumens, es kann aber auch das entgegengesetzte Verhalten eintreten. Gerade der letzte Fall scheint entschieden dagegen zu sprechen, daß das Poiseuillesche Gesetz ohne weiteres auf den Kreislauf übertragen werden kann. Die Reizung des peripheren Stumpfes des N. splanchnicus bewirkt nämlich an und für sich eine Zunahme des Widerstandes. Wenn nun gleichzeitig auch das Volumen der aus dem linken Herzen herausgetriebenen Blutmenge zunimmt, so müßte ja der Druck in höherem Grade ansteigen als das Volumen. In den liier berücksichtigten Fällen verhält es sich indessen umgekehrt: das Volumen hat prozentig etwas mehr zugenommen als der Druck (C. Tigerstedt^). Die Strömung des Blutes im Gefäßsystem kann also nicht in der einfachen 1 R. du Bois-Reymond, Brodie und F. Müller, Arch. f. Anat. u. Physiol,, physiol. Abt., 1907, Suppl., S. 37. 2 Vgl. Thoma, a. a. 0., 99, S. 610; — Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 147, S. 529; 1912; — Rothmann, ebenda, 155, S. 341 ; 1914. 3 C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 22, S. 132, 1909. Die EiQ-enschaften der Gefäßwand an und für sich. 35 Form des Poiseiiille sehen Gesetzes ausgedrückt werden, sondern stellt eine kompliziertere Funktion der hier in Betracht kommenden Variabein dar. Da wir indessen keine vollständige Theorie von der Flüssigkeitsströmung in den Gefäßen aufstellen können, sind wir nichtsdestoweniger ab und zu gezwungen, uns dieses Gesetzes zu bedienen, um mehrere Fragen näher erörtern zu können. Daß hierdurch ein gewisser, in einzelnen Fällen sogar nicht kleiner Fehler ent- stehen muß, ist ja selbstklar. In der Regel dürfte dennoch dieser Fehler nicht größer sein, als daß die Resultate im großen und ganzen in der richtigen Richtung gehen. Achtundzwanzigstes Kapitel. Die Eigenschaften der Gefäßwand an und für sich. Betreffend den Bau der Gefäßwand verweise ich auf die Darstellungen in den anatomischen Handbüchern und beschränke mich in dieser Hinsicht nur darauf, die in der Fig. 352 graphisch dargestellten Resultate einer von Hürthle^ mitgeteilten Arbeit von Heptner wiederzugeben. Die Kurve bezieht sich auf 6000 5000 WOO 3000 2000 ^ \ .--^ \ \ \' k- \ "*== =r=- > ^ ■"""- «W3 X s •^ \ '*= =^ -^ ^^^^ ■"^ — — Ic. nje^ de. ^4 irfo 1 Z ä ^ 5 6 7 8 9 10 1000 f Fig. 352. Verhältnis der Wandstärke zum Radius in der Aorta des Hundes. Nach Heptnir und tiärthU. Abszisse: Länge der Aorta in cm; Ordinate: Radius in 0,001mm. Die untere ausgezogene Kurve stellt den Radius, r, ' längs der Aortabahii dar, die obere den Gesanitradius /' + iv; die Differenz der beiden die Wandstärke, iv. Durch die gestrichelte Linie wird die Trennung der Wand in Media und Adventitia dargestellt. — 1. Aorta über den Aortaklappen; 2. kurz vor dem Aortabogen; 3. kurz nach dem Aorta- bogen; 4. vor der 1. Interkostalarterie; 5. Coeliaca; 6. vor der A. mesent. sup.; 7. Mitte zwischen dieser und der A. mesent. inf.; 8. dicht über der A. mesent. inf.; 9. Lumbalis; 10. kurz vor der Teilung in die A. iliacae. die Wandstärke und den Radius der Aorta eines einjährigen Hundes von etwa 4,5 kg Körpergewicht, dessen Gefäßsystem unter einem Druck von 130 cm Wasser injiziert worden war. Bei allen Arterien betrug die Wandstärke etwa 15"/o des Radius der äußeren Begrenzung des Gefäßes. Nur in der Aorta sowie in der Umgebung der Astursprünge stieg dieser Wert auf 16— 24*^/0. Die weit 1 Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 183, S. 253; 1920; S. 1; 1919; — Rohner, Inaug.-Diss. Zürich 1920. vgl. auch Blum, ebenda, 175 36 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf- größeren relativen Wandstärken, denen man häufig auf Abbildungen der Arterien begegnet, beruhen auf einer Kontraktion der Arterienwand. Über den Anteil der Media an Muskeln, Bindegewebe und elastischem Ge- webe gibt folgende Tabelle Aufschluß: Gefäß Muskel Bindegewebe Elastisches Gewebe Aorta Carotis Tr. brachiocephal. V3-V10 27/ 20/ /40 /40 /6 U /lO /40 Ve l-i Ao 3/ 16/ /40 /40 3/ /e Die kleinen und kleinsten Arterien sind durch den überwiegenden Anteil der Muskulatur am Bau der Media ausgezeichnet. § 106. Die Elastizität der Arterienwand. Seit Wertheim^ haben alle Autoren, welche dieses Problem behandelt haben, gefunden, daß, wenn ein aus einer Arterie ausgeschnittener Streifen mit zu- nehmenden Gewichten belastet wird, die Verlängerung des Streifens bei gleich- großem Zuwachs der Belastung um so geringer ist, je größer die absolute Be- Fig. 353. Dehnung eines transversalen Streifens von der Aorta des Kaninchens. Nach Roy. Die drei Systeme paralleler Linien sind durch je eine Gerade in zwei Hälften geteilt; die drei Geraden schneiden einander in einem Punkt auf der konvexen Seite der Kurve, was zeigt, daß hier eine genaue Hyperbel vorliegt. lastung. Die Dehnungskurve entspricht nach Wertheim'^ und Roy^ einer Hyperbel (Fig. 353). Der Elastizitätskoeffizient eines aus einer Arterie ausgeschnittenen Streifens ist also nicht konstant, sondern nimmt mit der Dehnung des Streifens zu (vgl, 0. Franks'^ theoretische Darstellung der elastischen Verhältnisse einer Röhre). Nach Versuchen von 0. Frank^ ist die Längsdehnbarkeit der Arterien wesent- lich größer als die Querdehnbarkeit, und zwar spielt das Verhältnis der beiden um 0,5 herum. Dies braucht nicht etwa dadurch hervorgerufen zu sein, daß die Substanz in der Längsrichtung sich anders verhält als in der Querrichtung. Dies ist von vornherein bis zu einem gewissen Grade unwahrscheinlich, denn 1 Wertheim, Ann. de chim. et de phys., 3. ser., 21, S. 385; 1847. - Wertheim, ebenda, 3. s6r., 21, 8. 389. 3 Roy, Journ. of physiol., 9, S. 227; 1888. * O. Frank, Zeitschr. f. Biol., 71, S. 256; 1920. s O. Frank, ebenda, 71, S. 268. Die Eigenschaften der Gefäßwand an und für sich. 37 sowohl die Dehnbarkeit als auch die Festigkeit der Arterien muß in beiden Richtungen von derselben Größenordnung sein. Die verschiedene Dehnbarkeit wird vielmehr dadurch hervorgerufen, daß die Spannung in beiden Richtungen verschieden ist und der Elastizitätskoeffizient wächst ja mit der Spannung. Bei einem niederen Druck sind daher nur Querpulse, bei einem höheren nur Längspulse (Schlängelung) zu erwarten. Bei der Dehnung eines solchen Streifens kommt die dabei aufgewandte Arbeit bei der Entdehnung nicht ohne Verlust zum Vorschein. Es zeigt sich nämlich, daß bei gleicher Länge des Streifens die Spannung desselben bei der Entdehnung kleiner ist als bei der Dehnung. In Prozenten der Arbeit ist dieser Verlust im allgemeinen um so größer, je weiter die untersuchte Arterie vom Herzen entfernt ist, und erreicht ein Minimum bei einem gewissen mittleren Dehnungsgrad. Dies Minimum beträgt nach Versuchen an Arterien des Rindes durchschnittlich bei der Aorta thoracica 1,9— 3,0%) bei der Aorta abdominalis 6,7 und bei der Arteria femoralis 12,9% (Fleisch^). Betreffend die kubische Erweiterung der Arterien bei verschiedenem inneren Druck, welche beim Studium der Blutströmung in den Arterien in erster Linie von Belang ist, haben Marey, Roy, Thoma und Kaefer u. a. Untersuchungen ausgeführt, wo die Volumenschwankungen der Arterien graphisch registriert wurden. Fig. 354. Die kubische Erweiterung der Aorta abdominalis des Kaninchens. Nach Roy. Die Zahlen geben den Innendruck in mm Hg an. Nach jeder Bestimmung wurde der Schreibhebel auf die Nulllinie gestellt. Von rechts nach links zu lesen. Dabei haben sie jedoch merkwürdigerweise keine übereinstimmenden Er- gebnisse erhalten. Nach Marey würde die kubische Erweiterung der Aorta (Ochs, Mensch) der linearen Verlängerung derselben ganz entsprechen, d. h. bei gleicher Drucksteigerung würden sich die Arterien immer weniger erweitern, je höher der absolute Druck ist.^ Thoma und Kaefer bestimmten die Zunahme des Arteriendurchmessers bei verschiedenem inneren Druck; sie fanden bei Art. iliacae ext. und carotis comm. (Mensch), daß der Durchmesser bei zu- nehmendem Druck zuerst stark, dann immer langsamer zunahm.^ Zu dem gleichen Resultat ist auch Strassburger^ (Aorta des Menschen) gekommen. In den meisten Fällen verringerte sich die Volumenzunahme bei gleicher Zunahme des Druckes je größer der Anfangsdruck war. 1 Fleisch, Arch. f. d. ges. Physiol., 183, S. 71; 1920. 2 Marey, Travaux du laboratoire, 4, S. 178f.; 1880. 3 Thoma und Kaefer, Arch f. pathol. Anat., 116, S. 9f.; 1889; — vgl. auch Luck, Über Elastizitätsverhältnisse gesunder und kranker Arterienwände, Inaug.-Diss. Dorpat 1889; — Kaefer, Zur Methodik der Elastizitätsmessungen an der Gefäßwand, Inaug.-Diss., Dorpat 1891; — Stefani, Atti del R. Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti, (7), 4, S. 1141; 1893. * Straßbürger, Deutsche med. Wochenschr., 1907, Nr. 26; — Deutsches Arch. f. kiin. Med., 91, S. 394, 406; 1907. 38 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Im Gegensatz hierzu beobachtete Roy^, daß bei gesunden Arterien der Volumenzuwachs bei gleicher Steigerung des inneren Druckes zuerst bis zu einer gewissen Grenze zunahm. Diese Grenze, welche dem Maximum der Dehnbarkeit der Arterien entspricht, betrug bei der Aorta des Kaninchens etwa 70 mm Hg, bei der der Katze etwa 110—120 und bei der des Hundes ein wenig mehr.2 Unter fortgesetzter Steigerung des Druckes nahm die Dehnbarkeit allmählich ab. Die Kurve der kubischen Erweiterung der Arterien würde also zuerst ihre Konvexität und dann ihre Konkavität der Abszisse wenden (vgl. Fig. 354). Auch Zwaardemaker fand, daß die kubische Dehnbarkeit der Arterien bei einem mittleren Druck ihr Maximum hatte. Dieser Druck betrug bei seinen Versuchen an ausgeschnittenen Arterien beim Pferde und Hunde etwa 32 bis 50 mm Hg, beim Ochsen ICO— 150 mm Hg. Bei einem Versuch an der A. carotis in situ bei einem lebenden Hunde stellte sich die größte Dehnbarkeit bei einem Druck von etwa 75—100 mm Hg dar.^ Bei der Aorta einiger jungen menschlichen Individuen beobachtete Strass- burger^ eine Andeutung desselben Verhaltens, und zwar zeigte sich hier die größte Dehnbarkeit bei einem inneren Druck von 60—80, bzw. 80— 100 mm Hg. Nach Fürst und Soetbeer^ nimmt die kubische Erweiterung der Aorta des Menschen, Kalbes und Schweines sowie der Carotis des Pferdes bei Druckwerten, die unterhalb des physiologischen Druckes liegen, geradlinig, also dem Drucke proportional zu; bei höheren Druckwerten wird aber die Dehnbarkeit dieser Gefäße immer kleiner. Dagegen fand Hürthle^, daß das Volumen der Hundeaorta bei einem Binnen- druck von 60—180 mm Hg annähernd dem Druck proportional zunahm und daß die Dehnbarkeit von hier ab rasch abnahm. Dementsprechend ergaben Versuche von Pomrich^ an verschiedenen Arterien vom Schaf, Kalb und Hunde, daß bei der Aorta und der A. femoralis die kubische Dehnbarkeit innerhalb der physiologischen Grenzen des Druckes in der Regel eine annähernd gleichmäßige ist, sowie daß bei der Carotis die Kurve sich in ihrem Verlauf einer Hyperbel nähert, indem die Dehnbarkeit bei den niederen Druckgraden ,,in der unteren Hälfte des physiologischen Druckes" in der Regel wesentlich größer ist als bei den höheren. Diese großen Differenzen der Resultate verschiedener Autoren können möglicherweise unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zusammengefaßt werden, wenn wir berücksichtigen, daß die Arterienwand nicht allein aus elastischen Membranen und kollagenem Bindegewebe besteht, sondern noch glatte Muskeln enthält, welche während einer mehr oder weniger langen Zeit nach dem Heraus- ^ Roy, Journal of physiology, 3, S. 133f.; 1881. 2 Roy, a. a. 0., 3, S. 141. ^ Zwaardemaker, Nederlandsch Tijdschrift voor Geneeskunde, Tweede Reeks, 24, 1, S. 61 bis 76; 1888. * Straßburger, a. a. O., 91, S. 399. 5 püf^i und Soetbccr, Deutsches Arch. f. klin. Med., 90, S. 190; 1907. ^Hürtlile, Verh. d. X. intern, med. Kongr. in Berlin, 2 (2), S. 65; 1891; — Deutsche med. Wechenschr., 1904, Nr. 39. " Pomrich, Inaug.-Diss. Gießen 1910, S. 31. Die Eigenschaften der Gefäßwand an und für sich. 39 schneiden des Gefäßes aus dem Körper tätig bleiben und also dem Binnendruck einen aktiven Widerstand leisten können.^ In der Tat hat Mac William^ nachgewiesen, daß eine herausgeschnittene Arterie sich ganz in der von Roy angegebenen Weise verhält, wenn sie im Anfang des Versuches noch zusammengezogen ist (Fig. 355), und daß dies nicht allein in bezug auf die kubische Erweiterung gilt, sondern auch bei isolierten transversalen Streifen zutrifft. Wie zu erwarten, trat bei longitudinalen Streifen keine deut- liche Einwirkung der Muskulatur zum Vorschein. Bei sehr starker Kontraktion der Gefäß- muskeln kann es sogar eintreffen, daß die Volumenzunahme für gleiche Zunahme des inneren Druckes bis zu den höchsten Druckwerten stetig zunimmt (Fig. 356). 0 £0 40 60 60 100 lEO 140 160 180 aOO 2Z0 240 Fig. 355. Kubische Erweiterung der schwach kontrahierten Ochsencarotis. Nach Mac William. 0 20 40 60 60 100 IZO 140 160 ISO ZOO IZO £40 260 280 300 0 20 40 60 60 100 120 140 160 läO 200 Fig. 356. Kubische Erweiterung der s1arl< kontrahierten Ochsencarotis. Nach Mac William. Fig. 357. Kubische Erweiterung der nicht kontrahierten Ochsencarotis. Nach Mac William. Wenn aber die Arterien in erschlafftem Zustande untersucht werden, ver- halten sie sich in bezug auf ihre kubische Erweiterung ganz wie Marey es zuerst angegeben hatte (Fig. 357). Wir können also sagen, daß die Verschiedenheiten im Verlauf der kubischen Erweiterung bei verschiedenen Arterien wahrscheinlich davon bedingt sind, daß sich die Muskeln der Arterien in einem höheren oder geringeren Grade geltend gemacht haben. Wo ihre aktive Beteiligung ausgeschlossen ist, hat die kubische Erweiterung den von Marey beschriebenen Verlauf, wo sie aber kontrahiert sind, tritt die von Roy gefundene Komplikation zum Vorschein. Gegen diese Deutung der Erscheinungen hat Strassburger^ bemerkt, daß Roys Versuche größtenteils an der Aorta, Mac Williams aber an der Carotis ausgeführt sind. Diese Bemerkung verliert indessen ihre Bedeutung durch Roys'^ ausdrückliches Hervorheben, daß der von ihm beobachtete Verlauf der kubischen Erweiterung für alle von ihm untersuchten gesunden Arterien gültig ist. Bei Arterien, welche Tieren oder Menschen entstammten, die an einer zehrenden Krankheit gelitten hatten, fand Roy für die kubische Erweiterung 1 Betreffend die Elastizität der einzelnen Bestandteile der Arterienwand, vgl, Reuter- wall, Über die Elastizität der Gefäßwände. Stockholm 1921, S. 28, 61. - Mac William, Proc. of the Royal Soc, 70, S. 132; 1902;— vgl. Kesson, Quarterly journ. of physiol., 6, S. 365; 1913. 3 Strassburger, a. a. O., 91, S. 384. 4 Roy, a. a. O., 3, S. 139. 40 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf-. Kurven, welche mit den von Marey und Thoma mitgeteilten vollkommen über- einstimmeni, und dies auch in dem Falle, daß die betreffenden Arterien keinerlei makroskopische oder mikroskopische Veränderungen darboten. Wenn eine isolierte Arterie einen rhythmisch erfolgenden Druck ausgesetzt wird, verhält sie sich wesentlich verschieden, je nachdem die Muskeln ihrer Wand erschlafft oder kontrahiert sind {Mac William^). Im ersten Falle stellt sich die pulsatorische Erweiterung bei gleicher Steigerung des Druckes urn so kleiner dar, je höher der ursprüngliche Druck ist. Da die durch einen genügend hohen Binnendruck erfolgende Verlängerung der Gefäß- muskeln zu ihrer vollen Ausbildung eine verhältnismäßig lange Zeit erfordert, ist aber im zweiten Falle die pulsatorische Erweiterung der (kontrahierten) Arterie an und für sich ziemlich klein und ihre Größe ist von dem Anfangsdruck ziemlich unabhängig. Die Arterienmuskeln können also in einem größeren oder geringeren Grade die reine Wirkung der Arterienelastizität kompensieren, wodurch seinerseits ein bestimmtes Verhältnis zwischen der Kapazität des Gefäßes und dem in ihm stattfindenden inneren Druck bzw. zwischen dessen Volumenvergrößerung und der Zunahme des inneren Druckes nicht aufgestellt werden kann. Indessen dürfte man im allgemeinen sagen können, daß die Arterie bei jeder gleich großen Drucksteigerung bei einem hohen Anfangsdruck weniger erweitert wird als bei einem niedrigen, und umgekehrt, daß der Druck bei jedem gleichgroßen Zuwachs der Füllung bei einem hohen Anfangsdruck mehr als bei eineni niedrigen zunimmt. Da die Arbeit des Herzens hauptsächlich von dem arteriellen Druck und der ausgetriebenen Blutmenge bestimmt wird (vgl. I, S. 240), so folgt aus den hier dargestellten Tatsachen, daß bei einem hohen arteriellen Druck jede Zunahme der von dem Herzen herausgetriebenen Blutmenge die Arbeit des Herzens wesentlich erhöhen muß. Betreffs der kubischen Erweiterung bei verschiedenen Arterien hat Roy in der Regel gefunden, daß die Aorta bei gleicher Drucksteigerung weniger als die A. femoralis oder carotis erweitert wird.^ An kleineren Arterien hat er keine Beobachtungen gemacht. Es liegt aber nahe, diese Tatsache zu generalisieren und also anzunehmen, daß die Arterien bei gleicher Drucksteigerung relativ stärker erweitert werden, je entfernter sie vom Herzen sind. Im allgemeinen nahm bei den von Roy untersuchten Arterien die Kapa- zität bei einer Drucksteigerung von 0 auf 200 mm Hg vier- bis sechsmal zu; eine Ausnahme bildete die A. pulmonalis, deren Volumen bei einer Druck- steigerung von 0 auf 500 mm Wasser (37 mm Hg) mehr als 12 mal vergrößert wurde. Bei zunehmendem Lebensalter nimmt die Dehnbarkeit der Arterien immer mehr ab {Roy\ Herringham und Wills^., Strassburger^, K. Hansen'^). Als Beleg verweise ich auf folgenden Auszug aus der Tabelle Strassburgers. 1 Roy, a. a. O., 3, S. 142. 2 Mac William, a. a. O., 70, S. 152. 3 Roy, a. a. O., 3, S. 139—141. " Roy, a. a. O., 3, S. 151. 5 Herringham und Wills, Med. chir. transact., 87, S. 489; 1904. 6 Strassburger, a. a. O., 91, S. 390, 394, 420. ■^ K. Hansen, Medicinsk revue, 1910, S. 1 (norwegisch). Die Eigenschaften der Gefäßwand an und für sich. 41 Alter; Zahl der Individuen Volumen der Aorta bei 40mm Hg Innendruck; Erweiterung d. Aorta bei Steigerung des Druckes von 40 auf 240 mm Hg; Prozent. Ausdehnung. Jahre ccm ccm 18 28 5 93 39 42 31—38 7 109 39 36 42—48 7 133 36 27 50—58 8 167 37 22 62 67 6 197 29 15 70 80 8 169 22 13 Die Arterienelastizität ist sehr volli Loenig, a. a. O., 62, S. 96. " Loenig, a. a. O., 62, S. 108. Die Eigenschaften der Gefäßwand an und für sich. 47 Zum Teil ist diese Wirkung auf Chlorkalzium zu beziehen, denn Zusatz davon verstärkt den Tonus, wie Zusatz von Chlorkalium den Tonus vermindert (Hooker^). Hierzu kommt, wie aus dem schon Ausgeführten hervorgeht, noch» der Sauerstoff, und Rotlilin bezeichnet denselben sogar als das auslösende Moment der Tonuseinstellung. Andererseits wird der Tonus der ausgeschnittenen Gefäße wie auch der entnervten Gefäße in situ durch die Kohlensäure herabgesetzt oder aufgehoben {Bayliss^, Frosch; Günther^, S. Weiss^, Rotlilin"^, Hooker, Frosch^, Aorta und Vena portae bei Warmblütern"^). Sehr deutlich geht diese Wirkung der Kohlensäure aus folgenden Erfahrungen von Tomita^ hervor. Beim Frosch werden die Gefäße der Augenlider durch Kohlensäure erweitert, durch Sauerstoff verengt. — Hält man einen anämisierten Rattenschwanz 15 Minuten lang in einer Atmosphäre von Sauerstoff oder von Kohlensäure, so dauert die nach Ende des Verschlusses auftretende Hyperämie im ersten Falle 3,3, im zweiten aber 5,9 Minuten an. — Beim entsprechenden Versuch an einem Finger des Menschen währt die Hyperämie in einer Kohlen- säureatmosphäre 5,8 Minuten, in einer Sauerstoffatmosphäre 4,3 Minuten. Dieselbe Wirkung beobachtete Gaskell^ beim Frosch bei Zufuhr von Milch- säure 1 : 10000. Insbesondere an der entnervten Submaxillarisdrüse des Hundes unter- suchten Schwarz und Lemberger^^ den Einfluß verschiedener Säuren auf die Gefäßweite. Dabei stellte es sich heraus, daß nur die Kohlensäure und Säuren, welche stärker als diese waren, die Gefäßerweiterung hervorrufen konnten. Durch weitere Versuche gaben die Autoren gute Gründe dafür, daß auch die hierbei tätigen Säuren ihre Wirkung durch Freimachen von Kohlensäure ent- falteten. Zu etwas anderen Resultaten gelangte jedoch Ishikawa^^ bei Durchströmung der Gefäße der hinteren Extremitäten d€s Frosches mit einer Kochsalzlösung, der verschiedene Stoffe zugesetzt wurden. Es ergab sich nämlich, daß sowohl Alkalien als Säuren (auch Kohlensäure) hier die Gefäße verengten. Dies stellt indessen keinen wirklichen Widerspruch gegen die soeben be- sprochenen Resultate dar, denn es läßt sich, wie auch Ishikawa ausführt, denken, daß die schwache Alkaleszenz des Blutes bzw. der Ringerlösung genügt, um eine tonische Gefäßkontraktion zu erzeugen, und daß diese durch die neutrali- sierende Wirkung der Kohlensäure aufgehoben wird. Tatsächlich findet sich unter Ishikawas Versuchen auch einer, wo als erste Wirkung der Kohlensäure- zufuhr eine nicht unbedeutende Gefäßerweiterung erschien. ^ Hooker, Amer. journ. of physioi., 28, S. 361; 1911. - Bayliss, Journ. of physioi., 26, proc. S. 32; 1901. 3 Günther, Zeitschr. f. Biol., 65, S. 411. < S. Weiss, Arch. f. d. ges. Physioi., 181, S. 225; 1920. * Rothlin, Biochem. Zeitschr., 111, S. 243. « Hooker, Amer. journ. of physioi., 28, S. 363; 1911; — 31, S. 47; 1912. 7 Hooker, ebenda, 31, S. 51. " Tomita, Arch. f. d. ges. Physioi., 116, S. 299; 1907; — vgl. auch die Erfahrungen )'. Anreps (s. unten S. 48). » Gaskell, Journ. of physioi., 3, S. 63; 1881. 1» Schwarz und Lemberger, Arch. f. d. ges. Physioi., 141. S. 149; 1911. 11 Ishikawa, Zeitschr. f. allg. Physioi., 16, S. 223; 1913. 48 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Endlich folgt aus den Versuchen von Fleisch^ an den Gefäßen der hinteren Extremitäten des Frosches, daß das Resultat von der Konzentration der Kohlen- säure abhängig ist, indem bei schwacher Konzentration eine Erweiterung, bei höherer aber eine Zusammenziehung, und zwar auch bei entnervten Gefäßen, erfolgt. In der erweiternden Wirkung der Kohlensäure liegt wahrscheinlich auch die Erklärung der zuerst von Bayliss^ beobachteten Erscheinung, daß beim Hunde als Nachwirkung einer Drucksenkung in den entnervten Gefäßen einer Extremität eine Erweiterung auftritt. Wenn man nämlich an der betreffenden Extremität sowohl die Arterie als auch die Vene bindet, wodurch die Blutfülle der Extremität ja unverändert bleibt, so zeigt sich nach Lösung der Ligatur die gleiche Erweiterung, die hier offenbar ein Symptom der Erstickung darstellt (v. Anrep^). Bayliss'^ hatte ferner gefunden, daß bei den entnervten Gefäßen einer Ex- tremität eine Drucksteigerung als Nachwirkung eine Gefäßkontraktion hinterläßt. Auch hier liegt indessen kaum eine Wirkung der Drucksteigerung an und für sich vor, denn es ist auch möglich, diese als eine Wirkung des in ver- mehrter Menge abgesonderten Adrenalins aufzufassen (vgl. IV, Kap. 39). Dem- entsprechend bleibt diese Zusammenziehung nach Exstirpation der Nebennieren oder Durchschneidung der sie innervierenden Splanchnici aus (y. Anrep^). Bei Versuchen, wo die ausgeschnittene Niere oder Leber mit Blut künstlich ernährt wurde, beobachtete Mosso^, daß die durchströmende Blutmenge dabei unaufhörlich abnahm, aber eine Steigerung vorzeigte, wenn nach einer ein- geschalteten Pause der Blutstrom wieder in Gang gesetzt wurde, und zwar war diese Zunahme im allgemeinen größer, je länger die Dauer der Unterbrechung. Diese Zunahme konnte möglicherweise auf die Einwirkung der während der Pause stattfindenden Anhäufung von Kohlensäure bezogen werden. Dagegen spricht indessen gewissermaßen die Tatsache, daß die durchströmende Blut- menge bei Anwendung von Erstickungsblut kleiner war als wenn die Organe mit arteriellem Blut gespeist wurden'. Es könnte aber die Wirkung der größeren Viskosität des Erstickungsblutes hier vorliegen; da der Durchströmungsdruck in diesen Versuchen konstant war, mußte ja eine erhöhte Blutviskosität die durchfließenden Blutmengen vermindernd Über die Wirkung der inneren Sekrete usw. auf die Gefäßwand vergl. IV, Kap. 39. Daß der konstante wie der induzierte elektrische Strom Kontraktionen bei ausgeschnittenen Arterien hervorruft, wurde von Mac William^ angegeben, der auch bemerkte, daß besonders der induzierte Strom sehr stark sein mußte, um erregend zu wirken, und daß derselbe schon am ersten oder zweiten Tage 1 Fleisch, Arch. f. d. ges. Physioi., 171, S. 104; 1918. - Bayliss, Journ. of physioi., 26, proc, S. 29; 1901; — 28, S. 225; 1902. •' V. Anrep, ebenda, 45, S. 325; 1912. * Bayliss, ebenda, 28, S. 221. 5 V. Anrep, ebenda, 45, S. 318; 1912. ß Mosso, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss., math.-phys. KL, 1874, S. 323, 361. ' Mosso, ebenda, 1874, S. 330. « Vg. C. A. Ewald, Arch. f. Anat. u. Physioi., physioi. Abt., 1877, S. 235. 9 Mac William, a. a. O., 70, S. 112. Die Eigenschaften der Gefäßwand an und für sicii. 49 nur schwach wirksam war, während andere Reize fortfahrend eine i> u ^ . =3N bei rhythmischer Durchströ- mung nach dem ersten Aus- schlag eine Reihe von vier bis sechs, an Größe allmäh- lich abnehmender Nach- schwankungen, welche bei Zusatz von Adrenalin oder Digitalis kleiner wurden und mit dem Absterben der Arterie verschwanden. Da sie bei entsprechenden Ver- suchen an toten Arterien nie auftraten, sind sie aller Wahr- scheinlichkeit nach als wirk- liche Aktionsströme zu be- zeichnen. Bei anderen überleben- den Arterien ließen sich diese Erscheinungen nicht nachweisen, und die Größe des Galvanom^erausschlages war hier etwa von derselben Ordnung wie bei den bJ9 « = Z c Co -5 tu in o CO bi) Bliimenfeldt, Arch. f. d. ges. Physiol., 162, S. 390; 1915. 02 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. toten Arterien. Nichtsdestoweniger traten in diesen Versuchen gewisse Eigen- tümlichkeiten auf, dank denen auch die von den überlebenden Arterien ab- geleiteten Ströme zum Teil als Aktionsströme angesprochen werden könnten. Hierher gehören die zuweilen auftretenden Andeutungen von Nebenwellen hinter dem Gipfel des Ausschlages, die häufig beobachtete Saitenwanderung bei konstanter Durchströmung, die stärkere Wirkung der Gefäßmittel (Adrenalin, Digitalis) auf überlebende als auf tote Arterien. Wenn also bei jedem Pulsschlage Aktionsströme in den Arterien tatsächlich vorliegen, würde daraus unmittelbar folgen, daß die Arterienmuskulatur imstande wäre, im Anschluß an jeden Herzschlag die Bewegung des Blutes aktiv zu fördern. Die Frage kann indessen noch lange nicht als entschieden angesehen werden. Neunundzwanzigstes Kapitel. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 1. Allgemeine Erscheinungen. § 113. Minutenvolumen und Blutdruck. Obgleich das Gesetz von Poiseuille nicht in aller Strenge beim Kreislauf gültig ist, läßt sich jedenfalls auch hier der Strom durch den Widerstand, den Druck und das in der Zeiteinheit herausgetriebene Blutvolumen charakterisieren, und in der Formel Q = :i R* P/87] L ist also nur der Faktor des Widerstandes TT R'^ß)] L durch einen gebührend modifizierten Ausdruck zu ersetzen. Da die Aufgabe des Kreislaufes dadurch erzielt wird, daß eine genügende Blutmenge in der Zeiteinheit vom Herzen durch die Arterien nach den Körper- organen getrieben wird, so ist es natürlich, daß unter den genannten, für den Strom charakteristischen Größen das in der Zeiteinheit herausgetriebene Blut- volumen vor allem bedeutungsvoll ist. Wenn wir annehmen, daß in den zentralen Venen immer eine genügend große Blutmenge vorhanden ist und daß das rechte Herz ohne Schwierigkeit dem Bedarf des linken Herzens an Blut erfüllt, so ist das vom letzteren in der Zeiteinheit herausgetriebene Blutvolumen von folgenden Größen bedingt: 1 . dem Leistungsvermögen des linken Herzens und dessen unter dem Einfluß verschiedener Variabein stattfindenden Veränderungen; 2. dem Widerstand in der arteriellen Strombahn; 3. der Viskosität des Blutes. Indessen trifft die Voraussetzung, von welcher wir ausgegangen sind, in zahlreichen Fällen nicht ein, denn die Blutfülle in den zentralen Venen stellt keine von der Tätigkeit der übrigen Teile des Kreislaufsapparates unabhängige Kon- stante dar, sondern sie ist vielmehr eine Variable, die in mehrfacher Weise von den Vorgängen in den Arterien beeinflußt wird. Auch die Leistungen des kleinen Kreislaufes dürfen keineswegs als unveränderlich aufgefaßt werden, denn sie zeigen allerhand Variationen, welche zum Teil für die Tätigkeit des linken Herzens sehr bedeutungsvoll sind. Die Ströniuno des Blutes in den Arterien. 1. Allgemeine Erscheinungen. 63 Wegen dieser Umstände gestaltet sich natürlich die Strömung in den Arterien viel mehr verwickelt, als sie an und für sich sein sollte. Man hat vielfach den Blutdruck als Zeichen des augenblicklichen Zustandes des Kreislaufes aufgefaßt. Dies ist indessen nicht berechtigt, denn der Blutdruck ist, wie die Auflösung der Poiseuille sehen Formel in bezug auf P ergibt (P = Q x 8r; L/n 7?^), keine eindeutige Funktion des in der Zeiteinheit herausgetriebenen Volumens. Also kann ein Druck bestimmter Größe sowohl bei einem verhältnis- mäßig geringen Widerstand und einem verhältnismäßig großem Volumen, als auch bei einem starken Widerstand und einem entsprechend kleinem Volumen stattfinden. Es läßt sich ohne weitere Auslegungen einsehen, daß die Effektivität des Kreislaufes, wenn sie nach der Größe der Blutversorgung des Gesamtkörpers beurteilt wird, im ersten Falle viel größer ist als im zweiten.^ In einem wie großen Umfange das Minutenvolumen bei einem und demselben Druck variieren kann, geht aus den folgenden Tabellen I— IV sehr deutlich hervor.- Die Widerstandsveränderungen wurden bei den in der ersten Tabelle auf- genonunenen Versuchen durch reflektorische Reizung oder Erstickung-"^, bei den Versuchen in der zweiten durch Erstickung oder durch Vergiftung mit Adrenalin oder Amylnitrit^ bei denen in der dritten Tabelle durch Strophantus oder Digi- talis^ hervorgebracht; bei den Versuchen der vierten Tabelle wurde die Blut- menge durch Transfusion größerer oder kleinerer Mengen Ringerlösung oder Blut künstlich erhöht und dadurch gleichzeitig auch die Viskosität des Blutes verändert.« Um die in diesen Tabellen aufgenommenen Versuche untereinander ver- gleichen zu können, sind die Blutvolumina auf Minute und kg Körpergewicht berechnet. Die Zahlen geben die Blutmengen an, welche bei dem in der Über- schrift der einzelnen Stäbe angegebenen Blutdrucke aus der linken Kammer herausgetrieben sind. Sämtliche Versuche sind am Kaninchen ausgeführt. Aus den hier zusammengestellten Beobachtungen geht so deutlich wie irgend möglich hervor, daß die von dem Herzen herausgetriebene Blutmenge bei einem und demselben Druck in einem außerordentlich beträchtlichen Grade variieren kann. Wenn wir nur die in jedem einzelnen Versuche erscheinenden Schwankungen berücksichtigen, so finden wir z. B. im Versuch VII der Tabelle II, daß bei einem Blutdruck von 81— 90 mm Hg das pro Kilogramm berechnete Minutenvolumen zwischen 17 und 129 ccm schwankt; und dieser Versuch steht in der betreffenden Hinsicht gar nicht allein da, denn entsprechende Variationen begegnen uns in fast allen anderen Versuchen. Da alle Blutvolumina auf der Einheit des Körpergewichtes berechnet sind, scheint es auch gestattet, sämtliche Beobachtungen untereinander zu vergleichen, wie dies in der letzten Zeile jeder Tabelle stattgefunden hat. Halten wir uns nur beim Intervall 91 — 100 mm Hg, so finden wir, daß die der ersten Reihe zugehörigen Versuche für das Minutenvolumen eine Schwankungsbreite von 20—83 ccm zeigen; ^ Vgl. Salaghi, Redic. deila Accad. dei lincei, cl. di scienze fisiche, (5) 21, S. 48; 1912, - Vgl. R. Tigerstedt, Ergebn. d. Physiol., 6, S. 292; 1907. ^ R. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 3, S. 145; 1891. ■* R. Tigerstedt, ebenda, 19, S. 1, 1907. '^ C. Tigerstedt, ebenda, 20, S. 115; 1907. « C. Tigerstedt, ebenda, 20, S. 197; 1907. 64 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. o in in t^ E in t~ t^ A . CO O) in in — ^M E CJ CJ 00 1 o> t^ 1 1 CM 00 t^ in '^ CO CM »" *— < o CO ^ CO o in '^ CO in O CO in in CO CO o E 1 1 in ^" , O 00 t~ 1 CO CQ 1 in CM O) 05 -* CO in Tt ^ CO CM CM ""■ ) ^ Cl M c: o (M — CO CM t~ 05 E Qi CO 1 1 in in CO ^ 1 1 t~- '^' in Ol 1 ^ , o o in t^ Oj CO r^ CO I- o M c^^ CO ^ CO CO CN CO ^ CM in cg O CO O t^ o rq o CO CO o t^ E CO 00 1 1 in in T' -^ CO CO in 00 00 _ in ^ in 00 — CO o in o r^ IM ^t CM CO ca CM CM CO «M '"^ o in t- ''t CO in CO Cg Tl- in rq r^ f- ■^ 00 CO CO CO CO 1 1 1 1 o 1 1 in 1 1 ^ T— < CO '?- CO t^ ^ CO 1-^ ^« ^^ T— < ■^ in CM CM CM CM CM CO CM ■•"^ o '^ O CM O ■* -.f t^ »* E in '^ a> Tf a> CM Tf a> 1 «o 1 1 — 1 1 1 o 1 00 1 1 CO 1 1 1 ^^ O) O O 00 Oi CM t^ 05 o '— ' CO in CO CO Ca CM ^" o a> in CM CO in fO E TT CO 00 CM 1 "^ 00 00 »--« o t- Ol ^ o o o ■* CO in CO CM CM S 00 O CO M 05 E u TT 1 CO CO c~- MM 1 1 1 1 T— « CO 00 — M TT in CO fO 9 CO n 00 1 E CO 1 1 1 1 t>« y—* u ■^< "* t~- CJ ■^ ■<* 4) c .. Mittlerer Blutdruck mm Hg: CJ 3 oo > x = = Xx XIV XV XVI XVII XVIII XIX XX XXI i- c Ol o es Minute Volumens •a o t- t^ E o CO m 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 ' CJ CO m CO CO CO »-H , § CM CM E CJ 1 1 1 1 1 CM 1 1 ^ ' o C- CO in co ca 1 !• g t^ — 00 00 E CJ . Tt Tf in 1 1 Ift 1 1 1 1 { { 1 CJ CM '^ ■* ■?• , ^ CO CM CO CM 1— < B o in in CM in rt o -^ CO o ■^ E »— « CM 1 Tf 1 1 '^ -M 1 1 CM 1 -^ 1 c f— • 1—1 o t~- «M CO , o CO CM CM N '-^ 1 *"■ ^ o "* O O O CO in ■* O CO o ^ in c^ in CM O 3 'T h 1 1 1 1 1 ^^ 1 1 ^" ''^ . 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Allgemeine Erscheinungen 65 C N c 3 C c OD CO o a> 'S CO O) o 1 in 7 E 1 1 1 1 i 1 1 1 1 1 in ta ^ ^—i o , CN Ol ^ F «:> . 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Aufl. 66 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. in der zweiten Reiiie sind die Variationen bei demselben Drucke 16—149 ccm, in der dritten 9—90 ccm und in der vierten 39—122 ccm, d. h. bei allen Versuchen eine Schwankung zwischen 9 und 149 ccm pro Kilogramm Körpergewicht. Durch diese Versuche ist es also erwiesen, daß der Blutdruck allein für sich, ohne eine eingehende Analyse der dabei obwaltenden Umstände, nie als Maß der funktionellen Leistung des Kreislaufes erachtet werden kann, denn bei einem und demselben Blutdruck ist die Menge des vom Herzen in der Zeiteinheit heraus- getriebenen Blutes außerordentlich wechselnd, und es ist ja ohne weitere Dar- legungen deutlich, daß der Kreislauf bei einem Minutenvolumen pro Kilogramm Körpergewicht von 149 ccm ganz anderes leisten kann, als bei einem von nur 9 ccm, auch wenn in beiden Fällen der gleiche Blutdruck registriert wird. Nur bei Eingriffen, welche, wie z. B. bei der Reizung der Herznerven mit Ausschluß aller anderen Nerven, ausschließlich das Herz treffen, läßt sich aus den Veränderungen des Blutdruckes allein Schlußfolgerungen in bezug auf die Veränderungen bei dem vom Herzen herausgetriebenen Blutvolumen ziehen, denn hier kann ja eine Drucksteigerung nur durch Vermehrung des Minuten- volumens und eine Drucksenkung nur durch Verminderung des Minutenvolumens zustande kommen. Weitere Schlüsse können indessen auch nicht in diesem Falle gezogen werden, und bei den betreffenden Veränderungen ist es uns nicht möglich irgend etwas bestimmtes darüber zu sagen, um wieviel das Minutenvolumen in dem einen oder anderen Falle zu- oder abgenommeil hat. An der Hand der mit elastischen Manometern gewonnenen Kurven des Blutdruckes, bei denen auch die absolute Größe der pulsatorischen Druckschwan- kung in der Aorta festgestellt werden kann, hat Pilcher^ versucht spezielle Schlüsse in bezug auf die Momente, durch welche eine stattgefundene Veränderung des Blutdruckes zustande gekommen ist, zu ziehen. Nach seinen Auslegungen würde sich eine Gefäßverengerung durch Steigen sowohl des diastolischen als auch, aber in geringerem Grade, des systolischen Druckes kundgeben; die pulsatorische Druckschwankung würde daher kleiner als vor der Drucksteigerung sein. Eine Gefäßerweiterung würde stattfinden, wenn sowohl der systolische als der diastolische Druck abnimmt, und letzterer in höherem Grade herabsinkt, so daß die Druckschwankung gleichzeitig umfangreicher wird. Wenn die Pulsfrequenz genügend hoch ansteigt, um eine Drucksteigerung zu bewirken, ist die Kurve derjenigen bei einer Gefäßverengerung ähnlich, während sich eine Drucksenkung infolge einer Frequenzabnahme von demselben Aussehen ist wie die Druckabnahme nach einer Gefäßerweiterung. Nach einer Blutung sind der diastolische und der systolische Druck wie auch die pulsatorische Druckschwankung kleiner; nach Transfusion von Blut oder Salzlösung nimmt der systoliscl\e Druck und damit die pulsatorische Druck- schwankung zu. Bei Veränderungen des Widerstandes spielen die Veränderungen des diasto- lischen Druckes die wesentlichste Rolle; nach Blutung wie nach Transfusion geben dagegen die Veränderungen des systolischen Druckes der Kurve ihr Gepräge. Ich glaube kaum, daß die mannigfachen Variationen des Minutenvolumens und des Blutdruckes in dieser einfachen Form zusanmiengefaßt werden können, 1 Pilcher, Amer. journ. of physiol., 38, S. 209; 1915. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 1. Allgemeine Erscheinungen. 67 denn es kommt, wie aus den folgenden Darlegungen und Ausführungen hervor- gehen wird, nur in ganz speziellen Ausnahmefällen vor, daß ein beliebiger Eingriff ausschließlich auf das Herz oder ausschließlich auf die Gefäßmuskulatur einwirkt. Bei dem verwickelten Mechanismus des Kreislaufes treten nämlich vielerlei Wechselwirkungen zwischen dem Herz und den Gefäßen auf, welche den Blut- druck und dessen pulsatorische Schwankungen in verschiedener Richtung be- einflussen können. Und schon die Tatsache, daß die kubische Erweiterung der Arterien nicht nach einem einfachen Gesetz erfolgt (vgl. oben, III, S. 36), muß ja an und für sich die Deutung einer beliebigen Druckkurve gänzlich vereiteln, vorausgesetzt, daß man nicht detaillierte Kenntnisse über die Bedingungen, unter welchen sie aufgenommen wurde, besitzt. Dies war indessen bei den Versuchen Pilchers der Fall, und daher ist auch die von ihm entwickelte Deutung seiner Versuchsbeispiele meistens zutreffend. § 114. Die Veränderungen des Blutstromes in den Arterien bei direkter Einwirkung auf das Herz. Ich setze hier voraus, daß der Widerstand in den Gefäßen wie auch die Vis- kosität des Blutes während des stattfindenden Eingriffes auf das Herz unver- ändert bleiben, und daß also alle Veränderungen des Blutdruckes ausschließlich durch Veränderungen der Herztätigkeit bedingt sind. In diesem Falle stellen die Veränderungen des- Blutdruckes, auch ohne daß die vom Herzen in der Zeit- heit herausgetriebene Blutmenge, welche ich im folgenden als Minutenvolumen bezeichnen werde, direkt gemessen wird, einen eindeutigen relativen Ausdruck für die Veränderungen des Blutstromes dar: eine Zunahme des Blutdruckes gibt eine Zunahme des Minutenvolumens und eine Abnahme des Blutdruckes eine Abnahme des Minutenvolumens zu erkennen. a) Die Einwirkung der Veränderungen der Blutzufuhr in den zentralen Venen auf den Strom in der Aorta. Am ausgeschnittenen Froschherzen nimmt die bei einem und demselben Widerstand herausgetriebene Blutmenge bei zunehmender diastolischer Spannung stetig zu, bis die Anfangsspannung dem Druck im arteriellen System gleich ge- worden ist, wie z. B. (0. Frank^): Nr. Anfangsspannung; Schlagvolumen; Nr. Anfangsspannung; Schlagvolumen; mm Hg com mm Hg ccm 1 2,9 0,07 6 6,3 0,31 2 3,2 0,08 7 7,6 0,38 3 3,7 0,10 8 8,4 0,45 4 4,8 0,16 9 9,4 0,49 5 .5,0 0,22 10 11,3 0,52 Das Säugetierherz zeigt ein ganz entsprechendes Verhalten. Wenn die Frequenz der Herzschläge und der vom Herzen bei der Systole zu überwindende Widerstand unverändert bleiben, so wie dies beim vereinfachten Kreislauf nach N. Martin und Starling (vgl. oben I, S. 247) angeordnet werden ^ O, Frank, Zeitschr. f. Biologie, 32, S. 412; 1895; — vgl. auch die Versuche Kozawas am isolierten Schildkrütenherzen, Journ. of physiol., 49, S. 241 ; 1916. 5* 68 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. kann, ist die Menge des von der linken Kammer herausgetriebenen Blutes von der Größe der venösen Zufuhr direkt abhängig, indem jene um so bedeutender wird, je reichlicher diese ist. Als Beispiel sei folgender Versuch von Howell und Donaldson^ an einem Hunde von 8,6 kg hier mitgeteilt; das Gewicht des Herzens betrug 76 g. Druck in der Minuten- Nr. V. Cava sup.; volumen; cm Bli t ccm 1 10 480 2 20 946 3 30 1234 4 40 1560 5 50 1722 6 60 1964 7 65 1880 8 70 1880 9 10 400 Indessen wuchs in diesen Versuchen das Schlagvolumen der linken Kammer nicht proportional dem venösen Druck, und die in die Aorta hinausgetriebene Blutmenge war geringer als diejenige, die im venösen Reservoir dem rechten Herzen zur Verfügung stand. Dieses Resultat wurde dann von Starling, Patterson und Piper^ wie von Socin^ bestätigt. Die ersteren bemerkten, daß ein Hundeherz von 50 g in gutem Zustande, je nach der Zufuhr, 200 oder 2000 ccm in der Minute herauszutreiben vermag. Bei der Vergrößerung des venösen Druckes wurden die Herzhöhlen er- weitert, so daß die Kammern dabei auf der Höhe der Systole umfangreicher waren als vorher auf der Höhe der Diastole. Auch wenn die venöse Zufuhr ohne Veränderung des venösen Druckes, durch einen Hahn reguliert wird, nimmt das Minutenvolumen bei größerer Zufuhr zu {Schräm^). Daß das Minutenvolumen der linken Kammer beim natürlichen Kreislauf in entsprechender Weise von der venösen Zufuhr abhängig ist, ist fast selbst- verständlich. Bei Versuchen am Frosche fand Roy'^, daß unter sonst gleichen Umständen die Arbeit des Herzens innerhalb weiter Grenzen mit der Höhe des venösen Druckes, d. h. der Blutzufuhr zum Herzen zu- und abnimmt. Später hat Tawaststjerna^ beim natürlichen Kreislauf (Frosche) durch gleichzeitige Registrierung des Blut- druckes und der Volumenveränderungen der Herzkammer dargetan, daß bei reflektorischer Zusammenziehung der peripheren Gefäße und der dadurch ver- ursachten vermehrten Füllung des Herzens, die Herzkontraktionen wesentlich ausgiebiger werden (s. Fig. 366). Unter den hierhergehörigen, an Säugetieren gewonnenen Erfahrungen seien folgende als Belege hier mitgeteilt. 1 Howell und Donaldson, Philos, transact., 1884, S. 154. - Starling, Patterson und Piper, Journ. of physiol.. 48, S. 497; 1914. ^ Socin, Arch. f. d. ges. Physiol., 160, S. 161; 1914. "* Schräm, De dynamicavan het zoogdierenhart bij aortainsufficientie. Utrecht 1915, S. 13. 5 Roy, Journ. of physiol., 1, S. 470; 1979. « Tawaststjerna, Skand. Arch. f. Physiol., 36, S. 24-, 1916. Die Strömung des Blules in den Arterien. 1. Allgemeine Erscheinungen. 69 Mall^ band beim Hunde die Aorta unmittelbar unter linken A. subclavica und reizte dann die Nn. splanclinici, sehr bedeutenden Druckanstieg, der nur durch den vermehrten Zufluß zum Herzen hat verursacht werden können. Aorta gebunden Nr. Mittlerer Druck un- Mittlerer Druck auf mittelbarnachdem d. Höhe der Splanch- Verschluß; nicuswirkung; mm Hg mm Hg 17 ' 180 208 14 194 220 186 268 1 160 190 3 197 230 Ebenfalls beim Hunde beobachteten Henderson und Barringer^, daß die vom Herzen bei jeder Systole herausgetriebene Blutmenge unabhängig vom venösen Druck ist, wenn dieser mehr als 50 mm Wasser beträgt, andererseits aber bei niedrigerem venösen Druck mit diesem steigt und sinkt. Wenn das Herz durch irgendwelchen Eingriff zum Stillstand gebracht oder am Heraustreiben von Blut verhindert wird, sammelt sich das Blut allmählich in größerer Menge als sonst in den zentralen Venen, und eine größere Blutmenge als vorher steht dem Herzen zur Verfügung, nachdem das Hindernis für die normale Blutströmung wieder aufgehoben ist. Unter solchen Umständen findet man ohne Ausnahme, daß der Blutdruck in der Aorta ansteigt. Dieser Anstieg ist offenbar keine ausschließliche Folge einer während der Unterbrechung des Blutstromes möglicherweise auftretenden Verengerung der peripheren Gefäße, denn er ist immer von einer Zunahme der aus dem linken Herzen herausgetriebenen Blutmenge begleitet. So ist beim Kaninchen das Strom- volumen nach einem etwa 9—14 Sek. 1 Mall, Arch. f. Anat. u. Physioi., physiol. Abt., 1892, S. 409. - Henderson und Barringer, Amer. journ. of physiol., 31, S. 359; 1913; — vgl. auch de Heer, Arch. f. d. ges. Physiol., 148, S. 6; 1912. 70 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. dauernden Vagusstillstand während 12—30 Sekunden entschieden erhöht und kann auf der Höhe der Beschleunigung bis zu 50% des Stromvolumens vor der Reizung erreichen^. Es ließe sich denken, daß die nach Ende des Vagusstillstandes erscheinende Zunahme des Stromvolumens nur den Ausdruck einer verbesserten Herztätigkeit darstellt und also über die Bedeutung der Blutfülle in den zentralen Venen nichts sagte. Diese Einwendung wird durch die Erfahrungen über die Einwirkung des Herzflimmerns auf den Blutstrom beseitigt. Fig. 367. Druckschwankungen nach Ende eines durch elektrische Reizung der Kammer hervor- gerufenen Herzstillstandes. Nach Yamada. Wie Fig. 367 zeigt, erhebt sich der Blutdruck nach dem durch direkte faradisclie Reizung der Herzkammern erzielten Herzflimmern schnell auf einen Stand, der viel höher ist als vor der Reizung. Der mit dem Fran/cschen Manometer registrierte maximale Druck betrug hier vor dem Stillstand 98, nach demselben 142 bzw. 136 mm Hg {Yamada^). Die Stromeichung bei einem solchen Versuche ergibt eine bedeutende Zu- nahme des Stromvolumens nach dem Stillstand, und zwar kann diese auf mehr als öO^/o des Volumens vor der Reizung ansteigen {Yamada^). Aber auch ohne irgendwelche Reizung des Herzens oder dessen Nerven ge- lingt es eine Anhäufung von Blut in den zentralen Venen zuwegezubringen, näm- lich wenn der intraperikardiale Druck so weit erhöht wird, daß das Blut nicht mehr vermag, in den rechten Vorhof hineinzuströmen. Unter solchen Umständen findet man nach Ende der Herzkompression und der dabei auftretenden starken Drucksenkung eine zuweilen sehr bedeutende Zunahme des Blutdruckes. Wenn die Kompression nicht so stark ist, daß über- haupt kein Blut mehr in das rechte Herz strömt, sondern nur die nach diesem gelangende Blutmenge wesentlich herabgesetzt wird, und man durch Vagusreizung einen Herzstillstand hervorruft, so kann der Druck nach Ende der Reizung sehr wesentlich ansteigen. Hier liegt wiederum die Wirkung des in vermehrter Menge in den zentralen Venen gesammelten Blutes vor, wie daraus ersichtlich, daß der Druck in den zentralen Venen während der Vagusreizung zunimmt und nach derselben gleich- zeitig mit der Drucksteigerung in der Aorta herabsinkt {Kerppola und Walle^). 1 R. Tigerstcdt und Rvöma, Skand. Arch. f. Physiol., 38, S. 12; 1918. 2 Yamada, Skand. Arch. f. Physiol., 36, S. 373; 1917. 3 Yamada, ebenda, 36, S. 390. 4 Kerppola und Walle, ebenda, 36, S. 274; 1916. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 1. Allgemeine Erscheinungen. 71 Weitere Beispiele von der maßgebenden Rolle der vermehrten Blutfüllc in den zentralen Venen finden wir in den Veränderungen des Kreislaufes bei Muskel- arbeit und in Bädern, welche im folgenden Kapitel besprochen werden sollen. Andererseits sinken der Blutdruck und das Minutenvolumen des Herzens mehr oder weniger tief herab, wenn die Blutzufuhr zum Herzen, wie z. B. beim Klopfversuch won Goltz (vgl. oben II, S. 412), vermindert wird. Die unmittelbare Folge des Bauchklopfens besteht stets in einer Abnahme des allgemeinen Blut- druckes, die beinahe unmittelbar nach Beginn der Reizung auftritt und offenbar Fig. 368. Veränderungen des Blutdruckes (die unterste Linie), der Vorhofkontraktionen , des Kammervolumens und des Beinvolumens (die oberste Linie) beim Klopfen auf den Bauch Nach Tawaststjerna. Die Dauer der Reizung ist durch die weißen Striche angegeben. Von links nach rechts zu lesen. durch eine Lähmung der Bauchgefäße bedingt ist. Infolgedessen bleibt eine ver- hältnismäßig große Blutmenge in diesen Gefäßen stauen und die Volumenkurve der Herzkammer zeigt dementsprechend eine allmählich erfolgende Abnahme der diastolischen Füllung und des Umfanges der Kammerkontraktionen {Tawaststjerna^, vgl. Fig. 368). Nach Aufhören der Reizung bleibt der Zustand verschlechterter Zirkulation noch ziemlich lange bestehen; mit zunehmender Kontraktion der Gefäße nimmt auch die Blutzufuhr zum Herzen zu und die Herzkontraktionen werden allmählich ausgiebiger. Daß die Bindung eines großen Venenstammes, wegen der dadurch hervor- gerufenen. Verminderung der Blutzufuhr zum Herzen, die minutliche Ausfluß- menge und den Blutdruck herabsetzt, braucht kaum bemerkt zu werden^. Beim ruhenden Menschen beobachteten Krogh und Lindhard^, daß die pro Minute vom Herzen herausgetriebene Blutmenge zwischen 2,8 und 8,7 Liter 1 Tawaststjerna, a. a. O., 36, S. 50. 2 Vgl. z.B. Elliott, Amer. journ. of physiol., 42, S. 303; 1917. =^ Krogh und Lindhard, Skand. Arch. f. Physiol., 27, S. 124; 1912. 72 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. variieren kann. Dies dürfte, wie die genannten Autoren selber bemerken, kaum auf etwas anderem als auf Variationen der venösen Blutzufuhr bezogen werden können. Hierher gehören ferner auch die Veränderungen des Kreislaufes bei Lage- veränderungen des Körpers. Beim Stehen nimmt der arterielle Blutdruck, wie Friedmann^, Schapiro^, Longowoy^, Mensen^, Waldvogel^, John^, van der Veldeiv und andere nachwiesen, im Vergleich mit dem Verhalten beim Liegen ab. In Übereinstimmung damit hat Cybulski^ gefunden, daß beim Hunde der Blutdruck, wenn der Hinterkörper gehoben wird, nicht allein in der Carotis, sondern auch in der A. femoralis ansteigt, und daß er in diesen beiden Gefäßen herabsinkt, wenn das Tier mit dem Vorderkörper gehoben wird. Zur Erklärung dieser Erscheinung, die auch bei passiven Lageveränderungen auf tritt (Erlanger und Hooker^, Barach und Marks'^°), hat man auf die Anspannung des Herzbeutels und den davon hervorgerufenen Druck auf das Herz, auf die Anspannung und Verengerung der unteren wie möglicherweise auch der oberen Hohlvene sowie auf die hydrostatische Drucksenkung an der Mijndung der unteren Hohlvene in den rechten Vorhof hingewiesen. Alle diese Erklärungsgründe stimmen ja darin überein, daß sie auf eine ver- minderte Speisung des Herzens mit Blut hinweisen. Für die Richtigkeit dieser Auffassung liegen viele direkte Erfahrungen vor. Wenn eine Schlange an einem Brett befestigt und in vertikale Lage mit dem Kopf nach oben gebracht wird, so versagt der venöse Zufluß zum Herzen (L. Hill'^). Als E. Cavazzani^^, nach Einbinden einer Kanüle in das Perikardium des Hundes, das Versuchstier um eine durch das Niveau dieser Kanüle gehende Achse drehte, beobachtete er, daß die Füllung des Herzens beim Übergang aus der hori- zontalen Lage in die vertikale mit dem Kopf nach oben sehr erschwert und die Systole dementsprechend verkleinert war. In vertikaler Stellung mit dem Kopf nach unten war dagegen die Füllung des Herzens erleichtert, die Entleerung aber behindert. Nach den Röntgenaufnahmen von Moritz^^ und Dietlen^'^ ist der Umfang des menschlichen funktionell leistungsfähigen Herzens beim Stehen fast regelmäßig kleiner als beim Liegen. 1 Friedmann, Wiener med. Jahrb., 1882, S. 197. - Schapiro, zit. nach Dietlen (s. unten). ■* Longowoy, Deutsches Arch. f. klin. Med., 68, S. 290; 19UÜ. 4 Mensen, ebenda, 67, S. 466; 1900. 5 Waldvogel, Münchener med. Wochenschr., 1908, S. 1677. « John, Deutsches Arch. f. klin. Med., 93, S. 544; 1908. ^ van der Velden, Zentralbl. f. Herz- u. Gefäßkrankh., 12, S. 95; 1920; — zit. nach Berichte, 2, S. 426. 8 Cybulski, zit. nach Jahresber. d. Anat. u. Physiol., 1879 (2), S. 43. 9 Erlanger und Hooker, Johns Hopkins hospital reports, 12, S. 184; 1904. " Barach und Marks, Arch. of intern, med., 11, S. 485; 1913. 11 L. Hill, Lancet, 198, S. 359; 1920. 12 E. Cavazzani, Lavori de! laborat. di fisiol. del Stefani, 3, Nr. 5; 1893; — Arch. ital. de biol., 19, S. 394; 1893. 13 Moritz, Deutsches Arch. f. klin. Med., 82, S. 23; 1904. 14 Dietlen, ebenda, 97, S. 132; 1909. Die Strünuuig des Blutes in den Arterien. 1. Allgemeine Erscheinungen. 73 Auch haben die Bestimiiuingen Lindliards^ der aus dem Hnken Herzen des Menschen beim Liegen, Sitzen und Stehen herausgetriebenen Bkitmenge ergeben, daß dieselbe bei diesen verschiedenen Körperlagen durchschnittlich bzw. 5,0, 4,9 und 4,7 Liter pro Minute beträgt. Näheres in folgender Tabelle. Minutcnvohnrcn; Liter Nr. Liegen Sitzen Stehen 1 4,3 3,3 2 4,3 3,7 3,6 3 4,2 4,1 3,5 4 5,7 5,6 5 5,3 5,4 — 6 7,2 7,2 6,6 7 4,2 4,9 5,0 Daß beim ruhigen Stehen die Blutzufuhr zu dem rechten Herzen vermindert ist, folgt noch aus Erfahrungen über die Blutfülle des Hinterkörpers bei ver- schiedenen Körperstellungen. Mosso^ lagerte einen Menschen horizontal auf ein Brett, das auf einer trans- versalen Schneide balanzierte. Das Brett hatte unten ein verschiebbares Gewicht zur Erleichterung des Balanzierens. Die Oszillationen des Brettes wurden auf einem Zylinder registriert. — Wenn die Versuchsperson so plaziert wurde, daß das Brett bei Beginn des Versuches im Gleichgewicht war, so wurde dies Gleichgewicht im Verlauf des Versuches bald aufgehoben, indem das Kopfende schwerer wurde. Dieses war ohne Zweifel dadurch bedingt, daß die während der aufrechten Stellung in den hinteren Extremitäten gesammelte Blutmenge jetzt, bei horizontaler Lagerung der Person, von diesen allmählich hinwegströmte. Um das Brett fort- während im Gleichgewicht zu halten, mußte Mosso durch zugesetzte Gewichte die Schwere des Fußendes allmählich vermehren. Auf diese Weise fand er, daß die Differenz der Blutfülle des Hinterkörpers bei vertikaler und horizontaler Lage nicht weniger als 100 ccm betrug. Bei einer durch ein warmes Fußbad bewirkten Gefäßerweiterung in den hinteren Extremitäten betrug die Differenz sogar 260 ccm. Wenn die Beine fest umwickelt werden, so daß die Blutüberfüllung in ihnen vermieden wird, wird der Umfang der Herzverkleinerung beim Stehen wesentlich kleiner als sonst (Dietlen^). Gewisse Einzelheiten in den von Friedmann an Hunden ausgeführten Ver- suchen deuten an, daß bei den Lageveränderungen auch nervöse Einflüsse auf den Blutstrom einwirken. Noch deutlicher geht dies aus den Beobachtungen von Klemensiewicz an Fröschen hervor, bei welchen er das Verhalten der Gefäße bei verschiedener Lagerung des Körpers unter dem Mikroskop untersuchtet Es zeigte sich nämlich an unverletzten Tieren, daß bei jeder Lageveränderung, gleich- gültig ob der Kopf nach oben oder nach unten gestellt wurde, eine primäre Gefäß- kontraktion in der Schwimmhaut zum Vorschein kam. Nach einer kurzen Zeit 1887. 1 Lindhard, Skand. Arch. f. Physiul., 30, S. 395; 1913. 2 Mosso, Arch. ital. de biol., 5, S. 1 ; 1884. 3 Dieilen, a. a. O., 97, S. 160. ^ Klemensiewicz, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., math.-naturw. KL, 96 (3), S. 74; 74 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. ging diese in eine rhythmische Bewegung der Gefäßwand über, welche letztere nach einiger Zeit einer bleibenden Erweiterung der Gefäße Platz machte. Diese Erweiterung war bei der Stellung des Kopfes nach unten stets eine größere als in der Beinstellung (Bein unten). Diese Erscheinungen sind ohne Zweifel von den Gefäßnerven bedingt. Die primäre Gefäßkontraktion scheint in erster Linie ihren Grund in der Lageveränderung selbst zu haben, denn sie zeigte sich auch dann, wenn das Tier in der Horizontalebene bewegt wurde. Dagegen ist es wahrschein- lich, daß die starke Gefäßerweiterung in den hinteren Extremitäten bei der Lage auf dem Kopf von einem gerade durch die Stellung ausgelösten nervösen Einfluß auf die Gefäße bedingt war. L. Hill^ hat diese nervöse Einwirkung auf Grund folgender Beobachtungen bestätigt. Es tritt, wenn ein Hund um eine durch die Carotiden gehende Querachse gedreht wird, eine mehr oder weniger vollständige Kompensation ein, indem sich die Bauchgefäße bei der vertikalen Stellung mit dem Kopf nach oben zusanmien- ziehen und bei der vertikalen Stellung mit dem Kopf nach unten erweitern. Im letzteren Falle kommt, wie auch Cavazzani erwähnt, noch eine Verlangsamung der Herzschläge hinzu. Wenn die Kompensation, wie beim schwangeren zahmen Kaninchen- oder bei dem Hunde und der Katze wegen tiefer Narkose, Durchschneidung des Rücken- markes oder der Splanchnici ausfällt, sinkt der Blutdruck bei der vertikalen Stellung mit dem Kopf nach oben sehr tief herab, denn das Herz bekommt nun- mehr zu wenig Blut und kann daher auch nicht genügend Blut heraustreiben. Diese Kompensation ist bei einem normal in aufrechter Stellung lebendem Tiere, wie dem Affen, viel vollständiger als bei den auf vier Füßen gehenden Tieren, wie dem Kaninchen, dem Hunde und der Katze. Auch die Atembewegungen vermögen, wegen der durch dieselben auf die Blutströmung ausgeübten Einwirkungen, zu einem gewissen Teil die Störungen zu kompensieren, welche nach Durchschneiden der Splanchnici bei der vertikalen Stellung mit dem Kopf nach oben sonst eintreten (L. Hill und Barnard^). Um den Einfluß, den der Blutdruck bei Lageveränderungen vom hydrostatischen Druck des Blutes an und für sich erleidet, zu vermeiden, bestimmte Hermann^ a-n 1/)teii Tieren, deren Gefäßsystem mit alkalischem Wasser gefüllt war, diejenige transverselle Achse, um welche der Körper gedreht werden kann, ohne daß ein in die A. carotis eingesetztes Manometer dabei einen nennenswerten Einfluß erleidet. Er fand, daß dies eintrifft, wenn die Drehungsachse etwa durch die Herzspitze geht. Nach dieser Methode wiesen Blumherg^ und E. Wagner^ nach, daß bei nicht- kuraresierten Tieren der Druck beim Übergang von der horizontalen Lage in eine verti- kale immer herabsinkt, gleichgültig, ob das Tier mit dem Kopf nach oben oder nach unten gebracht wird. Bei kuraresierten Tieren trat nur im ersten Falle eine Druck- abnahme hervor. Wurde das Tier mit dem Kopf nach unten gestellt, so stieg der Druck an. Da indessen die Salzlösung, wie L. HUP ausführt, im toten Körper schnell von 1 L. Hill, Proc. of the Royal Soc, 57, S. 192; 1894; — Journ. of physiol., 18, S. 22; 1895. 2 /.. Hill, Lancet, 198, S. 360; 1920. 3 L.Hill und Barnard, Journ. of physiol.. 21, S. 326; 1897. 4 Hermann, Arcli. f. d. ges. Physiol., 37, S. 470; 1885; — 39, S. 372; 1886. ß Blumberg, ebenda, 37, S. 467; 1885. « E. Wagner, ebenda, 39, S. 371; 1886. ' L. Hill, Journ. of physiol., 18, S. 19; 1895. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 1. Allgemeine Erscheinungen. 75 den Arterien in die Venen herüberfließt und dies durch jede Lageveränderung des Körpers noch begünstigt wird, ist diese Methode nicht geeignet, ein sicheres Resultat in bezug auf den Indifferenzpunkt zu geben; die Ergebnisse Bliimbeigs und E. Wagner^ können "daher nicht als sicher begründet angesehen werden. Wie fein das Herz selbst auf ganz geringe Veränderungen der venösen Blut- zufuhr reagiert, geht aus Versuchen, wo sehr kleine Mengen Kochsalzlösung oder defibrinierten Blutes injiziert wurden, sehr deutlich hervor (C. Tiger stedt^). Bei diesen wurde außer dem Druck auch die aus dem linken Herzen heraus- getriebene Blutmenge bestimmt. Dabei wurde der mit dem Hg-Manometer registrierte'Blutdruck im allgemeinen nicht merkbar beeinflußt. Dagegen erschien bei Kaninchen von etwa 1600— 1800 g Körpergewicht nach der Injektion von 1 ccm, ausnahmsweise erst nach einer von 3 ccm eine Zunahme des Minutenvolumens, die während der Injektionsperiode selbst oder unmittelbar danach ihr Maximum erreichte und dann langsam abnahm. Die betreffende Zunahme beruht natürlich in erster Linie darauf, daß dank der Injektion die Füllung der zentralen Venen entsprechend größer ist. Dies ist aber nicht alles. Ein Vergleich der vor und nach der Injektion herausgetriebenen Blutmenge zeigt nämlich, daß letztere, bis das Minutenvolumen auf seinen früheren Wert herabgesunken ist, um viel mehr gesteigert worden ist, als die injizierte Flüssigkeit beträgt. So war die Zunahme in einem Versuch nach Injektion von 1, 2, 3 und 4 ccm Kochsalzlösung 6,0, 23,9, 44,8 und 48,6 ccm. Man konnte hier an eine Wirkung verminderter Blutviskosität denken. Dagegen läßt sich indessen einwenden, daß ganz dieselben Erscheinungen auch nach Injektion von defibriniertem Blut auftreten. Es ist also die vermehrte Füllung der Gefäßhöhle das hier Bestimmende und die Erklärung der Erscheinung dürfte im folgenden liegen. Die durch die Transfusion zuwegegebrachte, mehr oder minder bedeutende Blutfüllung in den zentralen Venen verschwindet nicht, sobald die Differenz zwischen dem vom Herzen vor und nach der Injektion herausgetriebenen Blut- volumen gerade die Größe der injizierten Flüssigkeitsmenge erreicht hat, sondern diese Blutfüllung dauert eine längere Zeit hindurch an. Da nun wegen des pri- mären Reichtums der zentralen Venen an Blut das Minutenvolumen zuninnnt, ninunt auch gleichzeitig, vorausgesetzt, daß keine Gefäßerweiterung im arteriellen Gebiete eintritt, die durch die Kapillaren nach den Venen zurückströmende Blut- nienge zu. Allmählich vermindert sich aber die Blutfüllung in den zentralen Venen, entweder dadurch, daß die peripheren Venen immer größere Blutmengen zurückhalten, oder dadurch, daß sich das Gefäßsystem durch vermehrte Transsuda- tion und Sekretion vom Flüssigkeitsüberschuß befreit, und das Minutenvolumen geht auf seinen Wert vor der Injektion wieder zurück. Diese Deutung wird gewissermaßen dadurch bestätigt, daß kleine, direkt in die Aorta ascendens injizierte Flüssigkeitsmengen dieselbe Wirkung, wie wenn sie in die Venen eingespritzt werden, haben. Nur tritt die Zunahme entsprechend später ein.'^ ^ C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 22, S. 157; 1909. - Über die Einwirkung der Transfusion größerer Flüssigkeitsniengen auf den Blutstroni, vgl. § 116. 76 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. b) Die Einwirkung der Veränderungen der Herzfrequenz auf den Strom in der Aorta. Die Füllung der Herzkammern bei der Diastole findet gewissermaßen in drei Stufen statt, indem nämlich in erster Linie die in den entsprechenden Vorhof während der Kammersystole gelangte Blutmenge in die sich eröffnende Kammer hineinstürzt. Daran schließt sich dann das von den Venen her kommende Blut und zu allerletzt treibt der Vorhof bei seiner Systole ein gewisses Quantum Blut in die Kammer hinein. ^ Durch zahlreiche Erfahrungen (vgl. I, S. 213) ist es uns bekannt, daß bei Ver- änderungen der Pulsfrequenz die Dauer der Kammersystole innerhalb viel ge- ringerer Grenzen variiert als die der Kammerdiastole. Da die Blutmenge, die von der linken Kammer herausgetrieben werden kann, in einer großen Abhängig- keit von ihrem Füllungsgrade stehen muß, wird die Länge der Diastole auf die Leistung des einzelnen Herzschlages einen sehr großen Einfluß ausüben können. Von vornherein läßt sich sagen, daß wenn die in den zentralen Venen dem Herzen zur Verfügung stehende Blutmenge völlig genügend ist, eine Veränderung der Diastolendauer nur dann eine in Betracht kommende Veränderung der Blut- fülle des Herzens herbeiführen kann, wenn die Pause so kurz wird, daß das Herz nicht vollständig erschlaffen kann oder daß die Zeit der Diastole nicht zur normalen Füllung des Herzens ausreicht. Solange die Dauer der Diastole zur normalen Herzfüllung ausreicht, bleibt das Schlagvolumen des Herzens, unter sonst gleichen Umständen, im großen und ganzen von der Pulsfrequenz unabhängig und das Minutenvolumen nimmt dann bis zu einer gewissen oberen Grenze der Pulsfrequenz mit dieser zu. Bei kleinerer Menge des in den zentralen Venen vorhandenen Blutes wird die Herzkammer eine um so größere Blutmenge bekommen können, je kleiner Fig. 369. Schema. Nach O. Frank. A — B, Normale Volumenkurve. die Pulsfrequenz und je länger also die Diastole währt. Dabei wird die linke Kammer also bei einer langsameren Schlagfolge bei jedem Herzschlage mehr Blut als bei einer schnelleren heraustreiben können. Das Minutenvolumen kann dabei bei steigender Frequenz konstant bleiben oder auch zu- oder abnehmen; in keinem Falle wird es aber, wie unter der soeben gedachten Voraussetzung, parallel der Frequenz der Herzschläge ansteigen. ^ . 1 Vgl. Krogh, Skand. Arch. f. Physiol., 27, S. 129, 132; 1912; 2 Vgl. Krogh, a. a. O., 27, S. 130. s. auch oben 1, S. 230. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 1. Allgemeine Erscheinungen. 77 Seinerseits ist O.Frank^ unter der Voraussetzung, daß die Frequenzänderungen oiine irgendwelclie Veränderung der mechanischen Äußerung der Herztätigi 204 bis 115,6 bis 122,4 bis 129,2 bis 136,0 bis 149,6 bis 163,2 bis 178,8 bis 190,4 bis 204,0 i . . 107x101 95x122 119x103 105x132 1 — 87x119 — ■ 97x130 101x131 — — 104 X 78 108x 80 lOOx 95 108x92 llOx 94 — — — — 87 X 96 93 X 94 100 x96 104x 97 — — — 103x 82 103x 86 114x 82 110x86 — . — — 83x 98 ; 96x 92 103x 90 — — — — — 115x- 71 108x 81 111 X 82 , — — — — 92x 90 105x 83 105x 86 — — — 144x 57 139x 64 130x 73 139x70 103x106 139x 80 112x114 125x112 149x 95 144x112 80x 102 ; 89x 98 88x 103 — 94x109 103x 108 — 119x111 125x113 130x118 134x 63 134x 67 — 131x73 140x 77 — — 58x142 62x139 77x119 — 85x118 — — — 88 x 91 119x 75 122x 76 118x82 115x 90 — — 92 X 93 108x 85 105x94 — ZU gewinnen, und da auf Differenzen von 10% und sogar mehr vorläufig kein Gewicht gelegt werden kann, dürfte jedoch eine in der erwähnten Weise durch- geführte Berechnung der Herzarbeit unter verschiedenen Verhältnissen nicht ganz ohne Interesse sein. In bezug auf die solcherart gewonnenen Zahlenangaben für die Herzarbeit verweise ich auf die folgenden Tabellen, welche sich auf die von R. Tigerstedt und C. Tigerstedt ausgeführten Eichungen an der Aorta des Kaninchens beziehen (s. III, S. 64) und bezwecken, eine Vorstellung darüber zu geben, wie sich die Herzarbeit bei verschieden großem Blutdruck gestaltet. Hierbei berücksichtige ich den Einfluß verschiedener Eingriffe vorläufig gar nicht, sondern will nur die Herzarbeit, gleichgültig, durch welche Umstände sie verändert worden ist, an und für sich erörtern. In der Tabelle V habe ich unter den Versuchen meiner zweiten Reihe ^ nur diejenigen aufgenommen, wo größere Variationen des Blutdruckes statt- fanden. Die Überschrift der einzelnen Stäbe geben in Gramm-Metern die Arbeits- menge pro Minute und Kilogramm Körpergewicht an. Für jeden Versuch sind die dem betreffenden Arbeitsintervall entsprechenden Minutenvolumina und Drucke angegeben, und zwar bezeichnet die erste Zahl des Produktes das Minuten- volumen, die zweite den mittleren Blutdruck. Sub A sind die Maxima, sub B die Minima des Minutenvolumens aufgenommen. Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daß bei den meisten Versuchen die größte Arbeitsmenge nicht bei dem größten Drucke erscheint, sondern daß sie in der Regel bei einem nicht zu hohen, aber auch nicht zu niedrigen Druck auftritt. So finden wir im Versuch IV, daß bei Arbeitsmengen über 95,2 g-m der Druck höchstens 98 mm Hg beträgt, während bei den in diesem Versuche be- obachteten höchsten Druckwerten — 119— 128 mm Hg — die Arbeitsmenge weniger als 68 g-m ausmacht. Desgleichen ist im Versuch V der Druck bei Arbeitsmengen über 95,2 g-m nur etwa 63—90 mm Hg; die den höchsten Druck- werten — 143—167 mm Hg — entsprechenden Arbeitsmengen betrugen höchstens 95,2 g-m. Im Versuch VI finden wir den größten Druck — 140—154 mm Hg — R. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 19, S. 1. 8* J|g Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. bei einer Arbeitsmenge von 95,2 und weniger, während der Druck bei der maxi- malen Arbeit höchstens nur 118 mm Hg beträgt. Im Versuch VII fallen die höchsten Druckwerte — 125—142 mm Hg — bei Arbeitsmengen von 102— 122^g-m, während der Druck bei Arbeitsmengen über 122,4 g-m höchstens 119 mm Hg beträgt. Und endlich bieten im Versuch IX alle Arbeitswerte, die mehr als 108,8 g-m betragen, einen niedrigeren Druck als 100 mm Hg dar, während bei den geringeren Arbeitsmengen der Blutdruck sich bis auf 128 mm Hg erhebt. Von der Regel, die aus diesen Versuchen hervorgeht, bildet Versuch I eine Ausnahme, denn hier finden wir gerade bei dem größten Blutdrucke auch die größte Arbeitsmenge. Indessen ist zu bemerken, daß der Druck in diesem Ver- suche nur bis auf 132 mm Hg anstieg, während wir bei mehreren der übrigen Ver- suche nicht unwesentlich höhere Druckwerte verzeichnet haben. Genau das gleiche Resultat erfolgt aus den in der Tabelle VI (S. 117) auf- genommenen, in derselben Weise wie die früheren berechneten Versuche von C. Tigerstedt^, bei welchen die Druckvariationen hauptsächlich durch Vermehrung der Blutmenge herbeigeführt wurden. Versuche I und II sind in dieser Beziehung nicht zu verwerten, da hier größere Druckwerte überhaupt nicht vorkommen. Im Versuch III finden wir allerdings die größte Arbeitsmenge bei dem höchsten Druck, diese Arbeits- menge ist aber im Vergleich mit der in den meisten übrigen Versuchen ziem- lich niedrig, und dieser Versuch kann daher nicht als Beweis gegen die vor- liegende Regel dienen. Im Versuch IV finden wir den höchsten Druck — 151 mm Hg — beim Arbeitsintervall 54—68 g-m, während bei den größten Arbeits- mengen der Druck höchstens 130 mm Hg beträgt. Im Versuch V erscheint der maximale Druck — 147 mm Hg — bei einer Arbeit von 116—122 g-m, während bei den größeren Arbeitsmengen der Druck nur 81—97 mm beträgt. Im Versuch VI stoßen wir auf ganz dieselben Erscheinungen: höchster Druckwert — 133 mm Hg — bei höchstens 116 g-m, größte Arbeit bei Druckwerten von 81 — 107, in einem Falle 124 mm Hg. Im Versuch VIII tritt wiederum die Erscheinung hervor, daß die größte Arbeit nicht bei dem größten Druck geleistet wird, und dasselbe folgt auch aus dem Versuch IX, obgleich hier die Arbeitsmengen nur sehr gering sind. Dies, daß in der Regel die Arbeitsmenge bei einem hohen Druck geringer ist als bei einem etwas niedrigeren, steht seinerseits, wie es scheint, in einem gewissen Zusammenhange damit, daß sich das Herz bei stärkerem Widerstand in den Ge- fäßen nur mit Schwierigkeit entleert. Wir haben hier eine vollkommene Analogie zu der von den Skelettmuskeln^ bekannten Tatsache, daß die größte Arbeit nicht bei der größten Belastung, die vom Individuum überhaupt gehoben werden kann, sondern bei einer Belastung mittlerer Größe erscheint. Um die Größe der Belastung der Skelettmuskeln festzustellen, bei welcher das größte Arbeitsquantum bei dauernder Arbeit erhalten werden kann, bestinmite Treves^ das Gewicht, bei welchem der ganz unermüdete Muskel die größte Arbeits- leistung erreichte und ließ die Versuchsperson mit dieser Belastung arbeiten. Wenn dann, wegen der allmählich eintretenden Ermüdung, die Kontraktionshöhe begann 1 C. Tigersteüi, Skand. Arch. f. Physioi., 2ü, S. 197. 2 Vgl. Stupin, Skand. Arch. f. Physioi., 12, S. 149; 1901; — Palmen, ebenda, 24, S. 199; 1910. 3 Treves, Arch. f. d. ges. Physioi., 78, S. 163; 1899. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 1. Allgemeine Erscheinungen. 117 > a> CN^ CM 50 ai' Ci ! 1 t 1 1 1 1 X 1 1 1 1 I 1 1 ^- _t« CM 15 CM CC O in in ,_, o oT 00 00 o Oi CO i 1 1 ■l X X X X 1 1 1 1 .—1 «3 CM 1—1 CO in 5 CM CM Oi '"' o^ o 00 t- 00 t- CM CN (O CM 00 o a-i o O 1 1 1 1 X X X X X X 1 y 1 ! .— t« CM o o o o CM in 5 00 00 f-M o o o> OT CM_^ o o ^^ o "* "* o Tt in Tj> oT CO 00 Ol <7> CM t- c^ 1 I 1 X X X X X X X X X 1 .^ c/: CO *— 1 t> ^^ ^^ CO ■* o OT 5 00 l> o 1-^ O t- o t- "*- er. ^^ ^_, CM ^_ t- t^ cn , 00 00 CO c^r 00 CM CM — c- '* 00 00 c~ t> iff^ X 1 1 X X X X X X X X X X 1 1—1 (Z) ,— '^ .^H o t^ in o ^^ CO in 1— 1 £ o o I> 00 t- CO o l> ■F— 4 cq_ o 00 t~- CT) ^ O) 00 CO CO CO 00 I^ 00 irT cy> o O 00 00 t- CO f- Oi 00 CM 1— H •— ' ^^ '— < ^—' o X 1 1 X X X X X X X X X X X 1 1 T-« t« a> 05 Ol t- CO o 00 CM in "* CM rf L5 00 CO ir- !>■ O) c:^ o CO r— 1 00 OT CO -^ ^—' *- , r^ in ■* ,, , O) Ol CM in in CM OT o ocT 03 o CO CM Oi '^ t- 00 t^ o C~ o X X X 1 X X 1 X X X X X X X 1 1 — j/i CO in CO i> CO 00 ^^ *-^ Tf in CM in £ 00 t- CO CO . i> in *— < o> o 00 OT o_ in CM ^ , '^ CM o CO in _, c>r CO 00 OT ^^ 1- t- '^ t~ o> ^.o '-' -" *-* in — 1 X X X X X 1 X X X X 1 ^ .22 cg Ol CO CO ^^ ^ CM CM CO 5 T-H 00 t^ CO in o in O i> (M_^ ^ CO 1 , in a> CM CO t- 00 ^ '* !>■ ^ Oi o CD CO i^ CM CM 00 ^ CO 00 t- Oi O lO" ^1^ 1 T— <( ^-^ ^-^ 00 .00 X X X X X X X X X X X X X X 1 1 in o CM CO in t^ 00 o CM 00 CO Ol CO £ i> CO O) 00 in in '^ 00 '^ o 1— r- 00 CO (O ro , CO t^ o 00 o ir~ Tf 00 r~ o "* CM CO CM O) a> in CO t^ o CO O 00 "* !>■ OT I> r— < i> 00 o — r 1—1 »— 1 ▼— 1 *— 1 oo"°° X X X X X X X X X X 1 X X X X X X O t« CO 00 CVl "* o CM '^ Cl CO t^ CO ^^ 00 in ^« 5 CO in o 00 00 in CO in CO CO c- CO t> ^ i> CO o^ t~- CO CO ■* CD „ , ^ CM O) CM 00 CM ._ O) in CO O) 00 in 00 CO 00 t~ t- 00 i> OT 't oo" ^-o X 1 X X 1 X X X X X X X 1 X X X X in oo CO o> CO CO Ol T— 4 ._ CM C^l t^ CO CM OT CO 5 ''t 00 CO ■^ Tt" CO CO CO in in CO in CO •^ "* in »n in CO in , t^ ^ ^i in ,__ o S 00 00 o Tt" CO ■^ t- CM CO c-> T— ■ t^ t- t- t- OT t- t^ o 00 "*" ■^^ T— i Q-in 1 1 X X X X X X X X X X X X X X X X ■^ C/5 i> i> CO o CM CO a> _ in ^ 00 CO 1-M o .-> t^ s t- in 00 Tf CO CM CO CO ^ ^ '^ '^ TT ■^ in CO 00^ in CM ^ ^ , in 00 00 O CO ■* "* 00 ■^ in ^ CO l> X CO l> o rr CO CO CM CM t~- OT ■=? 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Und daß dies auch mit dem Herzen der Fall ist, scheint aus den hier mitgeteilten Erfahrungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu folgen. Bei einem Regime, wo das Herz in der Regel bei einem Widerstand mäßiger Größe arbeitet und die schädlichen Wirkungen eines zu großen Widerstandes also vermieden werden, hat es auch die Gelegenheit, bei stärkeren Anforderungen an seine Leistung diesen schnell und ohne Zeitverlust zu genügen. Wenn z. B. eine kräftige Muskeltätigkeit ausgelöst wird und dabei sich die Muskelgefäße erweitern, während die der Baucheingeweide so stark kontrahieren, daß der Ge- samtwiderstand in der Gefäßbahn steigt, so kann trotzdem das Minutenvolumen des Herzens unverändert bleiben oder sogar zunehmen: die Herzarbeit wird jetzt natürlich größer als kurz vorher. Es kann aber auch der Fall sein, daß das Minuten- volumen herabsinkt, und daß also die mechanische Arbeit des Herzens bei dem größeren Widerstand unverändert bleibt oder selbst abninmit. Nichtsdestoweniger kann die jetzt herausgetriebene Blutmenge noch genügen, um die Muskeln mit der gebührenden Blutmenge zu speisen. Kurz, wenn das Herz normalerweise gegen einen nicht zu großen, und auch nicht zu kleinen Widerstand Arbeit leistet und dabei ein verhältnismäßig großes Blutvolumen in der Zeiteinheit heraustreibt, so ist es imstande, sich prompt an die größeren Anforderungen anzupassen, die sich bei körperlicher Arbeit darstellen, wie auch sein Leistungsvermögen dadurch am besten auf ein genügend hohes Niveau erhalten wird. Aus der Tabelle V (S. 1 14) ist ersichtlich, daß bei fast allen Versuchen das Maximum des aus dem Herzen des Kaninchens herausgetriebenen Minutenvolumens bei einer Arbeit von 115—129, rund also 122 g-m pro Kilogramm Körpergewicht und Minute erscheint. Dasselbe scheint im großen und ganzen auch bei den in der Tabelle VI (S. 117) zusammengestellten Versuchen der Fall zu sein, obgleich die Sache wegen der künstlichen Vermehrung der Blutmenge jedoch hier nicht so einfach vorliegt. Die von mir am Kaninchen beobachtete maximale Arbeit beträgt pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 218 g-m. Über die Herzarbeit unter dem Einfluß verschiedener Variabein liegen unter anderem folgende direkte Erfahrungen vor, welche eine nähere Analyse derselben gestatten. Unter dem Einfluß von Strophantus und Digitalis nimmt die Arbeit des Herzens, wenn der Druck anfangs niedrig war, in einem zuweilen sehr hohen Grade zu (C. Tigerstedt^), wie z. B. in folgenden Versuchen. ^ 1 C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 20, S. 115; 1907. - Um Raum zu ersparen, sind von diesen Versuchen nur die am meisten charakte- ristischen Zahlen hier angeführt; die Zahlen stellen also nicht eine ununterbrochene Reihe dar. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 1. Allgemeine Erscheinungen. 119 Minuten- Druck; Arbeit; Nr. volumen; Anmerkungen ccm mm Hg g-m I 69 38 36 67 39 35 Digitalis. 55 48 36 79 llü 118 69 . 124 116 53 136 98 11 74 30 30 72 30 29 Digitalis. 73 32 32 . 75 33 44 82 36 40 90 40 49 93 43 54 80 44 48 71 52 50 65 62 55 60 82 67 49 102 69 41 110 61 War aber der Druck vor der Injektion des Giftes hoch, so trat nicht selten vom Anfang an eine Abnahme der Arbeitsmenge zum Vorschein, welche un- zweifelhaft mit der stärkeren Gefäßkontraktion zusammenhängt, indem diese hier, wie auch sonst in vielen Fällen, die Minutenvolumina vermindert. Nr. Minuten- vclumen; Druck; Arbeit; Anmerkungen ccm mm Hg g-m I 55 109 82 28 117 45 Strophantus. 32 124 54 26 130 46 31 136 57 31 123 52 Wieder in anderen Versuchen, wo der Druck vor der Vergiftung ziemlich hoch gewesen ist, tritt zuerst eine Steigerung der Arbeitsmenge auf, darauf folgt dann die Abnahme, welche ihrerseits wieder von einer Zunahme nachgefolgt werden kann. Minuten- Druck; Arbeit; Nr. volumen; Anmerkungen ccm mm Hg g-m I 73 87 86 77 88 92 Strophantus. 73 93 92 65 103 91 39 94 50 62 107 90 59 103 83 120 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Auch aus den hier zusammengestellten Erfahrungen über die Einwirkung dieser Gifte auf den Kreislauf folgt also, daß die Arbeitsmenge des Herzens bei einem nicht zu großen Widerstände in den Gefäßen ihr Maximum hat. Aus C. Tigerstedt'E^ Versuchen über den Kreislauf bei vermehrter Blutmenge ergibt sich betreffend die Größe der Herzarbeit bei verschieden großer Füllung der Gefäßhöhle folgendes. Jl c JH^l V^ Minuten- Druck; Arbeit; Nr. volumen ; Anmerkungen ccm mm Hg g-m I 35 85 41 35 84 39 43 97 57 40 ccm Ringer- 60 103 84 lösung. 75 102 104 81 94 103 84 90 103 101 89 122 101 88 121 Schluß 89 90 109 86 91 106 86 90 105 70 89 85 II 65 36 32 65 39 34 65 41 36 40 ccm defibri' 69 41 38 niertes Blut. 76 " 42 43 83 45 51 80 70 76 83 75 85 80 77 84 83 77 87 83 80 90 78 87 92 76 94 97 71 101 98 66 106 95 66 111 99 67 114 104 69 118 111 72 119 117 Schluß 74 121 122 71 121 117 63 121 98 55 119 88 Im Versuch I wurden 40 ccm Ringerlösung, im Versuch II ebensoviel de- fibriniertes Blut transfundiert. In beiden Fällen wurde die Herzarbeit durch die Transfusion wesentlich erhöht und blieb auch nach deren Ende höher als vor der Transfusion. Zum Vergleich der Einwirkung von Ringerlösung und vom Blut, wenn beide an demselben Tiere transfundiert werden, sei folgender Versuch hier mitgeteilt. 1 C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 20, S. 197; 1907. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 1. Allgemeine Erscheinungen. 121 Nr. , Minuten- volumen; Druck; Arbeit; Anmerkungen ccm mm Hg g-m I 18 78 19 32 53 39 88 99 97 38 1 51 J 25 ccm defi- briniertcs Blut 31 114 48 38 131 68 32 134 58 38 133 69 36 140 69 36 144 70 36 148 72 44 147 88 45 148 91 51 149 1Ü3 60 147 120 66 145 130 66 131 118 61 112 93 51 90 62 64 96 84 78 99 105 25 ccm Ringer- 100 95 97 87 132 112 lösung. 122 92 152 122 89 148 101 90 124 95 91 118 76 86 89 Hier treibt die Ringerlösung viel mehr als das defibrinierte Blut die Herz- arbeit in die Höhe; in beiden Fällen sinkt indessen die Herzarbeit allmählich wieder herab, bleibt aber jedenfalls auf einem viel höheren Niveau als vor der Transfusion. Unter Umständen übt die Ringerlösung eine viel anhaltendere Wirkung als das Blut aus. So stieg in einem Versuch nach Transfusion von 40 ccm Blut die Herzarbeit von 35 auf ein Maximum von 131 g-m, sank aber im weiteren Verlauf der Transfusion wieder auf 70 g-m. Nach Ende der Transfusion nahm die Herz- arbeit immer weiter auf ein Minimum von 49 g-m ab; sie begann dann allmählich wieder anzusteigen und betrug unmittelbar vor der Transfusion von Ringerlösung 95 g-m. Während dieser (40 ccm) steigt die Herzarbeit auf 129 g-m, nimmt weiter auf 133 g-m zu und bleibt dann etwa auf 110—120 g-m. Es scheint also, daß das Herz durch das transfundierte Blut etwas überbürdet worden ist; die durch Transfusion der Ringerlösung zuwegegebrachte Verminderung der Vis- kosität macht es ihm möglich, die gröfkre Arbeit zu leisten. Dieser Versuch zeigt wiederum, wie sich die Arbeitsmenge bei einem nicht zu großen Widerstand günstiger gestaltet, als wenn dieser verhältnismäßig bedeutend ist. Man könnte dagegen einwenden wollen, daß die durch die zweite Transfusion hervorgebrachte stärkere Füllung der Gefäßhöhle hierbei maßgebend gewesen sei. 122 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Eine derartige Deutung steht indessen im Widerspruch mit dem, was wir sonst über das Verhältnis des Herzens nach starker Vermehrung der Blutmenge wissen. Auch zeigt sich dieselbe ungünstige Wirkung der Überfüllung mit Blut, wenn in einem und demselben Versuch zuerst die Ringerlösung und dann Blut trans- fundiert wird. Durch eine erste Transfusion von 25 ccm Ringerlösung steigt die Arbeit von 73 auf 132 g-m während der Transfusion und sinkt dann allmählich auf 62 g-m herab. Die zweite Transfusion der gleichen Menge der Lösung bewirkt eine Zunahme der Arbeitsgröße auf nur 79 g-m und nachher nimmt diese ununter- brochen ab. Die jetzt folgende Transfusion von 25 ccm Blut vermag sogar nicht, das Sinken der Arbeitsmenge zu verzögern, vielmehr scheint es, als ob das trans- fundierte Blut die auch sonst stattfindende Abnahme beschleunigt hätte. Da bei der Reizung des Splanchnikus (vgl. oben III, S. 92) sowohl der Druck als das Minutenvolumen zunehmen, folgt daraus ohne weiteres, daß dabei auch die Arbeitsgröße zunehmen muß. Als Beispiel seien folgende Angaben hier mit- geteilt (C. Tigerstedn). Arbeit vor der Maximum der Arbeit während Prozentige Zunahme Nr. Splanchnikusreizung; der Splanchnikusreizung; g-m g-m 1 58 95 64 2 43 90 109 3 47 99 111 4 99 131 32 5 71 81 14 Auf der Höhe der Drucksenkung, welche unter dem Einfluß des Diuretins und des Nitroglyzerins erscheint, nimmt die Arbeitsmenge, obgleich das Minuten- volumen vergrößert ist, mehr oder weniger ab oder auch bleibt sie unverändert (C. Tigerstedt^). Arbeit vor der Arbeit am Nr. Injektion; Druckminimum; Anmerkungen g-m g-m 1 47 42 Diuretin 2 66 55 >> 3 95 96 )> 4 100 95 )> 5 53 49 j ? 6 44 31 Nitroglyzerin 7 37 39 j» 8 59 51 j > 9 46 33 >» 10 67 37 > » 11 59 46 > < 1 C. Tigcrstcdt, Skand. Arch. f. Physiol., 22, S. 120. 2 C. Tigerstedt, ebenda, 22, S. 173. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 2. Der Blutstrom unter speziellen Umständen. ] 23 Dreißigstes Kapitel. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 2. Der Blutstrom unter einigen speziellen umständen. Die im vorigen Kapitel zusanimefigestellten Beobachtungen und Versuche beziehen sich auf die allgemeinen Erscheinungen des arteriellen Blutstromes, so wie sie unter dem Einfluß von Veränderungen in der Herztätigkeit, dem Gefäß- widerstand, der Blutfülle und der Viskosität des Blutes auftreten. Es erübrigt, die Veränderungen des Blutstromes, welche sich unter be- sonderen, genau bestimmten physiologischen Verhältnissen zeigen, etwas näher zu erörtern. In dieser Beziehung sind unsere Kenntnisse indessen noch sehr mangelhaft. Allerdings besitzen wir sehr zahlreiche Untersuchungen über die Veränderungen des Blutdruckes bei einer Menge physiologischer Vorgänge. Da aber, wie wir schon gesehen haben (III, S. 63), ein Blutdruck gewisser Größe bei den verschiedensten Minutenvolumina vorkonnnen kann, lehrt er uns nichts Sicheres in bezug auf den Zustand des Kreislaufes. Auf Grund dessen werde ich in diesem Kapitel nur diejenigen Vorgänge besprechen, bei welchen auch die Minutenvolumina des Herzens mehr oder weniger zuverlässig bestimmt worden sind, und schiebe auf das folgende Kapitel die Erörterung einiger anderer hierher gehörigen Erfahrungen auf. §119. Die Veränderungen des Blutstromes in den Arterien bei körperlicher Arbeit. Wie schon erwähnt (II, S. 45\), nimmt die Schlagfolge des Herzens bei körper- licher Arbeit in hohem Grade zu. Da wir außerdem wissen, daß die Verbrennung im Körper dabei stark ansteigt und daß infolgedessen der respiratorische Stoff- wechsel beträchtlich vermehrt wird, ist von vornherein zu erwarten, daß auch der Blutstrom in den Arterien dabei wesentlich zunehmen muß. Dies macht sich nur in einem verhältnismäßig geringen Grade am Blutdruck geltend und es gibt sogar mehrere Angaben, laut welchen der Blutdruck bei körper- licher Arbeit gar nicht verändert wird. Beim Pferde beobachtete Kaufmann^, daß der arterielle Blutdruck herab- sank, sobald das Tier zu gehen begann, um sogleich nach Ende der Bewegung wieder anzusteigen. Blutdruck ; mm Hg^ Nr. Ruhe Arbeit 1 158 142 2 158 162f— 212«] •3 147—121 121 4 115 103 5 124 132 6 171—133 177—169 7 188 154—135 1 Kaufmann, Arch. de physiol., 1892, S. 495. - Zuntz und Hagemann, Untersuch, über den Stoffwechsel des Pferdes. Berlin 1898, S. 405. ^ Wahrscheinlich durch mechanische Reizung des Herzens über die Norm gesteigert. 124 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Die Resultate einer ausführlichen Untersuchung von Ziintz und Hagemann am selben Tiere sind in vorstehender Tabelle zusammengestellt. Unter den hier verzeichneten Versuchen finden wir in 4 (Nr. 1, 3, 4 und 7) eine im allgemeinen nicht große Abnahme des Blutdruckes, in 3 dagegen (Nr. 2, 5 und 6) eine Zunahme desselben. Im Durchschnitt beträgt der Druck bei Ruhe 155 mm Hg, während der Arbeit 143 — also 12 mm Hg weniger. Entsprechende Versuche am Hunde von Zuntz und Tangl'^ ergaben bei der Arbeit eine Drucksteigerung, welche bei starker, zur Erschöpfung führenden Arbeit sehr bedeutend war; in anderen Fällen hielt sich der Druckanstieg innerhalb sehr mäßiger Grenzen und oft bemerkte man zu Beginn der Arbeit ein allerdings nur wenige Sekunden dauerndes Absinken des Druckes. Im Durchschnitt fanden die Autoren beim ruhig liegenden oder sitzenden Hunde einen Blutdruck von 124 mm Hg; beim Stehen stieg er auf 128 mm an und betrug bei leichter Arbeit sowie während der ersten Minuten schwerer Arbeit 134 mm Hg. Bei den späteren Stadien schwerer Arbeit stieg der Druck auf etwa 151 mm Hg und konnte sich bei der äußersten Anstrengung sogar auf 235—242 mm Hg erheben. Eine nähere Analyse der hierher gehörigen Erscheinungen gestatten die ver- hältnismäßig zahlreichen Versuche, welche am Menschen ausgeführt worden sind. Hierbei ist, wie bei den Tierversuchen, zu berücksichtigen, daß der arterielle Druck ganz wie die Pulsfrequenz (vgl. II, S. 453) nach Ende der Arbeit rasch herabsinken kann und daß also nur solche Beobachtungen, die während der Muskelarbeit selbst gemacht werden, hier maßgebend sind. Derartige Untersuchungen sind von Grebner und Grünbaum^, Mac Curdy^, Masing^, Lowsley^ wie Gellhorn und Lewin'^ ausgeführt worden. Grebners und Grünbaiims Versuche fanden an Widerstandsapparaten, wie sie bei der Heilgymnastik benutzt werden, statt und ergaben, daß der Blutdruck sofort mit dem Beginn der Arbeit anstieg und sofort nach Aufhören derselben unter Umständen unterhalb des Anfangsdruckes herabsank. Die Versuche Mac Curdys bezogen sich auf maximale Anstrengungen von kurzer Dauer und zeigten im Durchschnitt von Beobachtungen an 1 1 Männern eine Zunahme von etwa 70 mm Hg während der Arbeit. Schon 2—3 Minuten nach Ende der Arbeit war der Blutdruck auf sein früheres Niveau herabgesunken. Masing ließ seine Versuchspersonen in liegender Stellung mit den unteren Extremitäten Arbeit leisten und bestimmte den Blutdruck am Oberarme. Dabei stieg derselbe meist unmittelbar nach dem Beginn der Arbeit mehr oder weniger rasch an. Bei jungen Individuen im Alter von 19—23 Jahren war die Steigerung dabei 38 mm, bei älteren Männern (von 38—50 Jahren) 49 mm und bei alten Männern 52 mm Hg. Nach Ende der Arbeit fing der Druck sofort an zu sinken und erreichte dann mehr oder weniger schnell seinen ursprünglichen Wert. Lowsleys, Versuchspersonen arbeiteten an einem stationären Fahrrad. Dabei zeigte der systolische Druck etwa 15 Minuten nach dem Beginn der Arbeit eine 1 Zuntz und Tangl, Arch. f. d. ges. Physiol., 70, S. 544; 1898. - Grebner und Grünbaiim, Wiener med. Presse, 1899, S. 2033. ^ Mac Curdy, Amer. journ. of physiol., 5, S. 95; 1901. •• Masing, Deutsches Arch. f. klin. Med., 74, S. 269; 1902. ^ Lowslcy, Amer. journ. of physiol, 27, S. 447; 1911. <* Gellhorn und Lewin, Arch. f. Anat, u. Physiol., physiol. Abt., 1915, S. 28. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 2. Der Blutstrom unter speziellen Umständen. ]25 Steigerung um durchschnittlich 33 mm Hg (der höchste Wert der Zunahme betrug 65 mm Hg). Zu bemerken ist, daß diese Versuche an jungen Sportsleuten, die sich mitten in ihrem Training befanden, ausgeführt wurden. Bei allmählich fortschreitender Ermüdung sinkt der Blutdruck, kann aber bei stärkerer Anstrengung des Arbeitenden wieder ansteigen. Der rasche Fall des Druckes nach Ende der Arbeit macht es leicht zu verstehen, daß man bei einer erst dann stattfindenden Druckmessung sowohl eine Abnahme als eine Zunahme des Blutdruckes im Vergleich zu dem normalen Druck beobachten kann, und daß hierbei noch die Größe der geleisteten Arbeit wie der Grad der Er- müdung usw. eine wesentliche Rolle spielen muß. Über den Einfluß der Arbeitsgröße auf den Druck nach der Arbeit berichtet Jellinek^ nach Versuchen an Soldaten folgendes. Nach einem halbstündigen Marsch hatte der Druck bei 57 von 106 Individuen um 20—40 mm Hg zugenommen, bei 30 war er unverändert und bei 19 niedriger als vor dem Marsche. Nach einem 2Y2Stündigen Marsche waren die Zahlen bzw. 23, 25 und 58. — Nach einer anstrengenden Schießübung zeigten 24 Soldaten eine Drucksteigerung, 12 eine Drucksenkung und 6 keine Veränderung. Seinerseits bestimmte Lowsley- bei einigen Sportsleuten den Blutdruck teils unmittelbar nach Ende einer mehr oder weniger anstrengenden körperlichen Leistung, teils später. Seine Resultate sind in folgender Tabelle aufgenommen. Charakteristik ! j 1 Systolischer Blutdruck Zunahme nach der Arbeit; mm Hg Nachfolgende Rückkehr Abnahme ; zum normalen Wert mm Hg nach Minuten Mäßige Arbeit Schnelle Arbeit Kräftige Arbeit Ermüdende Arbeit ..... Erschöpfende Arbeit .... + 11 + 36 + 33 + 33 + 39 - 17 - 16 - 18 -20 - 19 31 82 124 70 232 Es scheint, daß die meisten Autoren, welche am Menschen dieses Thema be- handelt haben, ganz wie Lowsley nach Ende der Arbeit eine mehr oder weniger starke Druckzunahme beobachtet haben. Hierher gehören Oertel^, Hill^, Gumprecht^, Fere, Francillon und Papiif, Strassburger, Er langer und Hooker^, Stursberg^, Hesse^^, Fanliis und Staehelin^'^, Roiithier und Boiissaguet^-, Lowsley^'\ Hasebroek^\ 1 Jellinek, Zeitschr. f. klin. Med., 39, S. 465; 1900. 2 Lowsley, a. a. O., 27, S. 463. ^ Oertel, Handb. d. allg. Therapie d. Kreislaufstörungen, 4. Aufl. Leipzig 1891, S. 189. * L. Hill, Journ. of physiol., 22, proc, S. 26; 1898'^ ^ Gumprecht, Zeitschr. f. klin. Med., 39, S. 391 ; 1900. ^ Fere, Francillon und Papin, Comptes rend. de la Soc. de biol., 1901, S. 823. ^ Strassburger, Zeitschr. f. klin. Med., 54, S. 390; 1904. ^ Erlanger und Hooker, Johns Hopkins hosp. rep., 12, S. 224; 1909. » Stnrsberg, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 90, S. 548; 1907. '« Hesse, Verh. d. Kongr. f. inn. Med., 24, S. 413; 1907. " Fantus und Staehelin, Zeitschr. f. klin. Med., 70, S. 444; 1910. '- Routhier und Boussagiiet, Comptes rend. de la Soc. de biol., 1910 (1), S. 1037. ^^ Lowsley, Amer. journ. of physiol., 27, S. 446; 1911. 1* Hasebroek, Arch. f. d. ges. Physiol., 147, S. 432; 1912. 126 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Lipsdiitz^, Croüzon^, Pletnew^, Külbs und Brustmann^, Uljestrand und Stenströnt Young, Breinl, Harris und Osborne^ und andere. Als Beispiele mögen folgende Angaben hier mitgeteilt werden. Beim Bergbesteigen mesOertel eine Drucksteigerung von 5—43 mm Hg nach, und zwar war diese um so größer, je schlechter der Weg, je schwieriger das Steigen und je größer die damit verbundene Anstrengung war. Wo aber die Wege besser waren, konnte der Druck sogar abnehmen. In den Versuchen von Fantus und Staelielin wurde die Arbeit am Ergostaten von Gaertner geleistet, Ihre Resultate sind aus folgender Tabelle ersichtlich. ^ Nr. Arbeit; kg-m Arbeitsdauer; Minuten Druck; mm Hg vor der Arbeit 1 — 2 Minuten nach der Arbeit 1 600 7 130 142 2 1000 3 120 150 3 1300 2 113 184 4 1450 2 132 190 5 1800 4 122 150 G 2100 5 114 170 7 2900 4 149 168 8 3650 5 130 190 9 3800 5Vo 130 150 Beim Gehen und Laufen stellte sich in Versuchen von Uljestrand und Steii- strönv folgendes dar. Die Druckmessung fand wenig mehr als 10 Sekunden nach Ende der Arbeit statt. Art Geschwindigkeit Maximaler Minimaler der Arbeit pro Minute; Blutdruck; Blutdruck; Pulsfrequenz Meter mm Hg mm Hg Stehen , 125 88 74 Gehen 70 85 133 95 89 85 100 134 94 92 100 130 142 99 95 Laufen 1 75—200 161 98 127 200 250 169 102 141 250 280 164 102 153 Andererseits finden sich auch Angaben über einen herabgesetzten Druck nach starken Arbeitsleistungen. So sahen Dietlen und Moritz^ nach einer sehr 1 Lipschitz, Inaug.-Diss. Berlin 1912, S. 31. 2 Crouzon, Comptes rend. de la See. de biol., 1912 (1), S. 530. Die Versuche beziehen sich auf Flieger. Nicht allein der Führer, sondern auch die Passagiere zeigten einen erhöhten Blutdruck. 3 Pletnew, Zeitschr. f. exp. Pathol., 6, S. 272; 1909. Der Unterschied war hier nur gering, indem der systolische Blutdruck bei 14 Individuen vor der Arbeit durchschnittlich 120 imd nach der Arbeit 124 mm Hg betrug. « Külbs und Brustmann, Zeitschr. f. klin. Med., 77, S. 438; 1913. " Uljestrand und Stenström, Svenska Läkaresällskapets Handlingar, 44, Heft 3; 1918. « Young, Breinl, Harris und Osborne, Proceed. of the Royal Soc, 91, B, S. 1 1 1 ; 1920. ' Uljestrand und Stenström, Skand. Arch. f. Physiol., 39, S. 211; 1920. » Dietlen und Moritz, Münchener med. Wochenschr., 1908, S. 490. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 2. Der Blutstrom unter speziellen Umständen. 127 anstrengenden Arbeit (Radfahrt zwischen Leipzig und Straßburg) in den meisten Fällen eine Drucksenkung, und schonOertel^ bemerkte, daß nach einer Bergbestei- gung die Größe des Blutdruckes auf der Spitze des Berges geringer als während der Steigung sein konnte. Bei Messungen an Wettläufern beobachtete Fries^, daß der Blutdruck in der Regel bis zu einem gewissen Grenzwert ansteigt, um zu sinken, wenn diese Grenze, welche einem etwa 40 Minuten dauernden Laufen entspricht, überschritten wird. Dementsprechend geben sowohl Fries als Barach^ an, daß Läufer, welche den Marathonlauf durchführten, einen um 20 bis sogar 40% dem normalen gegenüber herabgesetzten Druck zeigten, und auch Baldes, Heichelfieim und Metzger"^ fanden bei 12 Menschen nach einem Marsche von 100 km eine deutliche Abnahme des Blutdruckes. '^ Desgleichen beobachtete Dedichen^ bei Skiläufern nur ausnahmsweise eine Drucksteigerung nach dem 4 Stunden dauernden Laufen. In der Regel war der Druck mehr oder weniger stark vermindert. Um die Einwirkung einer länger fortgehenden Übung auf den Blutdruck zu ermitteln, bestimmte Peder in einer Versuchsreihe, wo mit den Armen eine Arbeit ausgeführt wurde, die im Laufe von 52 Tagen von 4038 auf 27838 kg-m anstieg, jeden zweiten Tag den Blutdruck vor und sogleich nach der Arbeit. Mit Ausnahme von zwei Versuchen, wo keine Differenz auftrat, war der Druck am Ende der Arbeit konstant niedriger als vor der Arbeit. Die Differenz betrug bis zu 18 nun Hg. Eine nähere Durchmusterung der hierher gehörigen Messungen ergibt, daß die Abnahme im Anfang der Versuchsreihe etwas größer war als am Ende. Wir finden nämlich für Perioden von je sieben Tagen folgende mittlere Differenzen: 8,5, 11, 8, 13, 6,5, 6,8, 1,3 mm Hg. Dasselbe J^esultat geht auch aus v. Gerttens^ Messungen hervor: im Anfang seiner 41tägigen Versuchsreihe war der Blutdruck nach der Arbeit konstant niedriger als vor derselben, während er in den späteren Versuchen vor und nach der Arbeit gleich groß war. In der Versuchsreihe von HedwaW, wo eine sehr bedeutende körperliche Arbeit mit den Beinen geleistet wurde (vgl. II, S.454), sank ebenfalls der Blutdruck während der ersten Arbeitstage, fing aber im weiteren Verlauf der Versuchsreihe an zusteigen. Für Perioden von je 4 Tagen sind die mittleren Differenzen: —6,3, -2,8,0, +6, +5, +5, +5, +14,8, +8, +7,8, -3, +4,3, +3,3, +6,5, +7, +7,8 mm Hg. Bemerkenswert ist die mitten in der Versuchsreihe plötzlich auftretende Ab- nahme auf durchschnittlich —3 mm Hg; diese Abnahme entspricht Versuchen, wo Hedwall eine besonders große Arbeit leistete. Bei der auf dieser Reihe folgenden Versuchsreihe, wo die Arbeit mit den Armen ausgeführt wurde, betrug die durchschnittliche Differenz des Druckes vor und 1 Oertel, a. a. O., S. 191. 2 Fries, Hygiea (schwedisch), 1907, S. 1206. 3 Barach, Arch. of intern, med., 5, S. 382; 1910. * Baldes, Heichelheim und Metzger, Münchener med. Wochenschr., 1906, S. 1865. •• Vgl. auch Karrenstein, Zeitschr. f. klin. iVled., 50, S. 328; 1903. 6 Dedichen, Norsk Mag. f. Laegevid., 81, S. 472; 1920. ' Peder, Skand. Arch. f. Physioi., 27, S. 339; 1912. « 1'. Gertten, ebenda, 28, S. 22; 1912. « Hedwall, ebenda, 32, S. 184; 1914. 128 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. nach der Arbeit für Perioden von je 4Tagen bzw. +5,3, —1,8, +2,5, +3,8, +9,5, +2,7, +10,3, +5,5, +5,7, +8, +5,5, +12 mm Hg — also war auch hier die Differenz fast durchgehend positiv. Aus diesen Erfahrungen scheint zu folgen, daß bei allmählich gesteigertem Arbeitsquantum die Kreislauforgane sich allmählich immer mehr in der Weise anpassen, daß der Druck infolge der Arbeit ansteigt^. Über die Veränderungen des Blutdruckes bei Luftverdünnung verweise ich auf die unten zitierten Arbeiten'^. Schließlich sei erwähnt, daß der Druck während einer kräftigen Muskel- anstrengung bei gefüllten Lungen und geschlossener Stimmritze, wegen der hier stattfindenden bedeutenden Steigerung des intraabdominalen Druckes und der davon abhängigen starken Blutzufuhr zum rechten Herzen, zuerst um 20—70 mm Hg und höher ansteigt, um dann, auf Grund der nun eintretenden Abnahme der venösen Blutzufuhr, unter dem normalen Wert herabzusinken. Zuletzt folgt ein neuer, kleinerer Druckanstieg, dessen Ursachen noch ziemlich dunkel sind (Bruck^). Daß die Frequenz der Herzschläge bei der körperlichen Arbeit in hohem Grade zunimmt, ist schon oben bemerkt (vgl. 11, S. 451). Damit hängt nun eine starke Zunahme des Minutenvolumens zusammen. Am Pferde fanden Ziintz und Hagemann'^ nach der oben (1, S. 200) angegebenen Methode, daß das Minutenvolumen durchschnittlich von 29 Liter in der Ruhe auf 53 Liter bei der Arbeit (Gehen) zunahm. Bornsteitf^ kam bei Versuchen am Menschen zu dem Resultat, daß bei der Arbeit mit den unteren Extremitäten an einem stationären Fahrrad das Minuten- volumen 6— 10 mal mehr als bei körperlicher Ruhe betrug, sowie daß das Minuten- volumen bei schnellem Gehen etwa 5 mal dem Ruhewert gegenüber anstieg. Bei starker Arbeit erhob sich der Blutdruck von 113 auf 135 bis 151 mm Hg. In den Versuchen von Ki'Ogli und Lindliard^, die ebenfalls am Menschen aus- geführt wurden, betrug das Minutenvolumen bei Ruhe bei /<4,7 und bei L3,6 Liter; bei forcierter Arbeit stieg es bei jenem auf 17,2—21,2, bei diesem auf 11,6 bis 19,1 Liter an. In einer neuen Versuchsreihe an drei Männern und einer Frau, wo wie vorher die Arbeit an einem stationären Fahrrad geleistet wurde, kam Lindliard'^ zu folgenden Resultaten: ' Vgl. auch Masin», Deutsches Arch. f. klin. Med., 74, S. 291. 2 Durig und Kolmar, Denkschr. d. Wiener Akad. d. Wiss., niath.-naturwiss. Kl>, 86, S. 66; 1909; — Schneider und HeilMom, Amer. journ. of physiol., 23, S. 9Ü; 1908; — Nick, Arch. f. exp. Pathol., 76, S. 401; 1914; — Jacobj, ebenda, 76, S. 439; 1914. » Brucl<, Deutsches Arch. f. klin. Med., 91, S. 171; 1907. * Zuntz und Hagemann, a. a. O., S. 405. ^ Bornstein, Arch. f. d. ges. Physiol., 132, S. 312; 1910; über die Methode vgl. I, S. 205. 6 Krogh und Lindiwrd, Skand. Arch. f. Physiol., 27, S. 100; 1912. Da diese Versuche wie einige folgenden unter der Annahme berechnet wurden, daß der Absorptionskoeffizient des Stickstoffoxyduls im Blut 0,43 beträgt, während derselbe nur 0,405 ist, sind die dabei ge- fundenen Zahlen etwa 67o zi^' klein; vgl. I, S. 203. 7 Lindhard, Arch. f. d. ges. Physiol., 161, S. 364; 1915; vgl. auch S. 374 und 378. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 2. Der Blutstrom unter speziellen Umständen. 129 Versuchsperson Ruhe Minutenvolumcii; Liter Arbeit Miuutenvolumcn; Liter Arbeitsgröße; kg-m J. J- J. L. V. M. Frau M. 5,8 4,0 4,8 4,0 35,0 17,2 18,1 10,7 1452 1308 1014 440 Boothby^ benutzte als Kriteritun der Arbeitsgröße nicht die in Kilogramm- metern ausgedrückte Arbeitsleistung (stationäres Fahrrad), sondern den dabei stattfindenden Sauerstoffverbrauch. Die aus seinen Versuchen hervorgegangenen Mittelwerte sind in folgender Tabelle zusammengestellt. Sauerstoff- Minuten- Schlagvolumen; verbrauch; volumen; Pulsfrequenz ccni/Min. Liter ccm 175 I 3,4 58 58 185 3,6 58 62 320 5,1 75 68 448 5,3 87 61 559 6,5 96 68 608 7.6 91 83 912 9,3 133 70 Wie nicht anders zu erwarten war, ist das Minutenvolumen um so größer, je intensiver die Arbeit ist. Beim Schwimmen fanden Liljestrand und Lindliard- folgendes: Ruhe Arbeit Versuchs- . Minutenvolumen; Minutenvolumen; person Liters Liter J. L. (4,0) 14,1 f 8,6— 21,11 G. L. 6,5 13,7 (4,7) [10,0-17,21 S. R. 0,2 19,8 (5,1) [16,3—27,21 E. S. ! 6,2 14,3 1 (3,9) [11,4-15,71 Dieselben Autoren* beobachteten beim Rudern die in der folgenden Tabelle (S. 130) aufgenommenen Zahlen. Bei statischer Arbeit, wo die Versuchsperson in ,, Beugehangstellung" etwa 50 Sek. lang am Querbalken hing oder eine andere Stellung mit ausschließlich 1 BooUiby, Amcr. journ. of physiol., 37, S. 399; 1915. - Liljestrand und Lindhard, Svenska Läkaresällskapcts handlingar, 44, Heft 3; 1918. ■■5 Die Zahlen innerhalb der Klammern stellen die reduzierten Ruhewerte dar (vgl. I, S. 204). 4 Liljestrand und Lindhard, Skand. Arch. f. Physiol., 39, S. 228; 1920. Tigerstedt, Kreislauf. III. 2. Aufl. 9 130 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Ruhe Arbeit Versuchs- Minutenvolumen; Minuten Volumen; person Liter Liter J. L. 6,2 13,2 (4,9) [11.2—14,61 G. L. 6,2 10,2 (5,3) [8,3-12,8] S. R. 9,9 14,4 (5,1) [10,6 17,1) oder vorwiegend statisclier Arbeit einnahm, fand Liiidhard\ daß während der Arbeit selber das direkt beobachtete Minutenvoknnen des Hqyzqus bei fünf ver- schiedenen Individuen durchschnittlich 9,0—20,1 Liter betrug; die bei den ein- zelnen Versuchen beobachteten Zahlen variierten zwischen 8,3 und 22,7 Liter. Wie Lindliard bemerkt, war wegen der stetigen Kontraktion der arbeitenden Muskeln der Blutstrom in denselben bei diesen Versuchen stark verhindert. Einen Ausdruck dafür finden wir in der Tatsache, daß das Minutenvolumen nach Ende der Arbeit fortfahrend und ganz bedeutend gesteigert war. Unreduziert betrug dasselbe nämlich durchschnittlich 10,6—22,6, mit den Grenzwerten 9,6—26,7 Liter. Unter den hier aufgenommenen Zahlen scheinen einige entschieden zu hoch zu sein, denn es ist nicht gut möglich, daß das Minutenvolumen des menschlichen Herzens 35, 27, 21 Liter betragen kann. Bei diesen Versuchen ist allerdings die Pulsfrequenz nicht angegeben worden; wenn wir sie aber auf 130 in der Minute schätzen, so würde das Schlagvolumen in diesen Fällen nicht geringer als bzw. 270, 210 und 160 ccm gewesen sein, was doch der Kapazität der Herzkammern gleich- kommt und sie sogar übertrifft und außerdem voraussetzt, daß sich die maximal erweiterten Herzkammern vollständig entleeren. Die betreffenden hohen Zahlen können daher nicht als richtig betrachtet werden. Vielleicht liegt hier die Ein- wirkung einer ungenügenden Mischung der Alveolarluft vor, wodurch die Resultate getrübt worden sind.^ Die starke Vermehrung des Minutenvolumens, welche bei einer etwas inten- siveren Muskelarbeit erscheint, setzt natürlich sehr starke Veränderungen bei dem gesamten Kreislauf voraus; diese lassen sich kurz dahin zusammenfassen, daß sich die Gefäße der arbeitenden Muskeln in hohem Grade erweitern, während gleichzeitig andere Gefäßgebiete, vor allem das der Baucheingeweide, stark zusammenziehen. Letzteres bewirkt, daß das in den betreffenden Gefäßgebieten anfangs enthaltene Blut nach dem Herzen zu getrieben wird, wodurch das Herz möglichst reichlich mit Blut gespeist wird und also auch viel Blut in die Arterien heraus- zutreiben vermag. Diesem Blute stehen nun die Gefäße der arbeitenden Muskeln weit offen, und das Blut strömt dorthin in einer um so größeren Menge, da ja die verengten Gefäße der Baucheingeweide dem Blutstrom einen ziemlich bedeutenden Widerstand leisten. Auch die tätigen Muskeln tragen zur Füllung der zentralen Venen dadurch bei, daß sie bei ihren Kontraktionen das in ihnen enthaltene Blut in der Richtung 1 Lindhard, Skand. Arch. f. Physio!., 40, S. 158, 204; 1920. * Vgl. Sonne, Journ. of physiol., 52, S. 77; 1918; — sowie die I, S. 205 zitierten Arbeiten. Die Strömung des Blules in den Arterien. 2. Der Blutstrom unter speziellen Umständen. 131 nach diesen treiben. Wenn die Muskeln eine längere Zeit hindurch krampfhaft zusammengezogen bleiben, so würden sie, wegen der dabei stattfindenden Kom- pression der Gefäße, den Blutstrom wesentlich vermindern. Bei allen normalen Muskelbewegungen wechseln indessen Erschlaffung und Kontraktion stetig mit- einander: während der ersteren eröffnet sich die breite Gefäßbahn für das Blut und während der letzteren treibt der Muskel mit großer Kraft dieses Blut vorwärts. Eine Illustration dieses Verhaltens haben wir z. B. teils in den direkten Mes- sungen der in den Muskelvenen unter verschiedenen Umständen strömenden Blutmenge (Burton-Opitz^), über welche später näher berichtet werden soll, teils in C. Tigerstedts" Eichungen des Aortastromes bei Reizung des distalen Teiles von dem im 12. Thorakalsegment durchschnittenen Rückenmark. Wenn die Reizung am nicht-kuraresierten Tier stattfand, zeigte sich nämlich dabei eine Zunahme des Minutenvolumens, welche bis auf 88% betragen konnte, und gleich- zeitig erhob sich der Blutdruck in entsprechendem Grade. Daß hierbei keine Wir- kung von Gefäßnerven vorlag, folgt daraus, daß die betreffende Wirkung der Rückenmarksreizung verschwand, wenn durch Kurarevergiftung die Muskel- kontraktionen aufgehoben wurden (s. Fig. 372). Der Druckanstieg muß also in diesem Falle ausschließlich von dem größeren Minutenvolumen herrühren. 1 . '1 n)( 1 1 1 N 1 >.. 1 1 1 1 • ^ 1 1 t > ... "\ ^ "N ^ c> f\ ■-=''•''.<■ /v \ i A ^■'.^. ^ ■N 1 V tn, V j \ 1 V -^r 1^ . 1 ] 1 G( bO (. 0 t« _■ i_ L _ Fig. 372. Blutdruck ( — ), Minutenvolumen ( ) und Pulsfrequenz ( ) bei Reizung des peripheren Stumpfes des im 12. Thorakalsegment durchschnittenen Rückenmarkes. Nach C. Tigerstedt. Entsprechende Versuche sind von Krogh und Lindhard'^ am Menschen aus- geführt. Bei diesen wurden die Muskeln der hinteren Gliedmaßen je zweimal in der Sekunde während je 1/4 Sekunde tetanisiert. Es stellte sich dabei heraus, daß bei den künstlich hervorgerufenen Muskelkontraktionen das Minutenvolumen etwa ebenso groß war wie bei willkürlicher Muskelarbeit, wenn der Sauerstoff- verbrauch in beiden Fällen etwa gleich groß war (vgl. die folgende Tabelle). 1 Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 9, S. 175; 1903. - C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 22, S. 142; 1909. 2 Krogh und Lindhard, Journ. of physiol., 51, S. 194; 1917. 132 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Sauerstoff- Minutenvolumen; Schlagvolumen; Nr. verbrauch; Pulsfrequenz ccm/Min. Liter ccm 1 804 10,7 86 124 2 855 11,4 89 128 3 895 14,7 100 147 4 943 13,1 93 141 5 971 9,7 96 101 6 1292 16,2 118 137 7 1328 17,1 124 138 8 1360 17,3 110 157 9 1415 17,7 118 150 10 1455 19,0 120 158 Nr. 1—8 beziehen sich auf künstUche Reizung, Nr. 9 Muskelarbeit. 10 auf wiHkürHche Aus den Versuchen, i)ei welchen sowohl Druck als Minutenvolumen bei Ruhe und Arbeit bestimmt wurden, lassen sich die relativen Veränderungen des Wider- standes durch die Veränderungen des Quotienten Druck/Minutenvolumen be- rechnen. Die Versuche von Hagemaiin und Ziintz am Pferde ergeben im Durchschnitt für Ruhe 5,3, für Arbeit 2,7. Die Bestimmung des Druckes fand indessen erst nach beendigter Arbeit statt, und es ist also möglich, daß der wahre Druck hier größer gewesen wäre. Wenn bei der Arbeit keine Veränderung des Widerstandes er- schienen wäre, hätte aber der Druck statt 143 nicht weniger als 282 mm Hg be- tragen müssen. Da es indessen nicht gut denkbar ist, daß der Druck einen so hohen Stand erreicht hätte, muß der Gesamtwiderstand bei der Arbeit kleiner als vor derselben gewesen sein; d. h. die Muskelgefäße haben sich dabei verhältnismäßig mehr erweitert als dies der Verengerung der Eingeweidegefäße entspricht. In den Versuchen von Krogfi und Limihard am Menschen ist allerdings der Blutdruck nicht angegeben. Wenn wir aber annehmen, daß er bei Ruhe 120 mm gewesen und bei der Arbeit unter der Annahme eines Minutenvolumens von nur 15 Liter sogar auf 200 mm gestiegen ist, so wäre der relative Widerstand bei K in der Ruhe gleich 2,6 und bei maximaler Arbeit gleich 1,3, sowie bei L in der Ruhe gleich 3,4 und bei maximaler Arbeit gleich 1,3 gewesen. Auch aus Bornsteins Versuchen ist es ersichtlich, daß der Gesamtwiderstand bei der körperlichen Arbeit abnimmt. Wenn die oben dargestellte Auffassung, daß der Blutdruck nach Ende der Arbeit durch die Übung zunimmt, richtig ist, und ich gebe zu, daß die Sache noch nicht als bewiesen angesehen werden kann, würde dies den Ausdruck davon dar- stellen, daß entweder das Herz hier eine größere Blutmenge in der Zeiteinheit heraustreibt oder daß sich die Gefäßgebiete der an der Arbeit nicht beteiligten Organe allmählich immer stärker kontrahieren. In beiden Fällen würde sich der Körper immer mehr daran gewöhnen, den Kreislauf für die an ihm bei der Muskelarbeit zu stellenden Anforderungen anzupassen. Es läßt sich indessen nicht ohne neue Untersuchungen entscheiden, welche Bedeutung dem einen oder dem anderen Moment zuzuschreiben ist, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß alle beide 'hier beteiligt sind. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 2. Der Blutslrom unter speziellen Umständen. 133 Gegen diese Auffassung spriclit nur scheinbar die Erfahrung, daß unter Um- ständen die Druci Barcroft und Dünn, ebenda, 53, proc, S.4; 1919. * Harrington, Amer. journ. of physiol., 1, S. 384; 1898. •^ Hunt und Harrington, Journ. of exp. med., 2, S. 712; 1897. 8 Zuntz und Cohnstein, Arch. f. d. ges. Physiol., 34, S. 215; 1884. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 3. Der arterielle Blutdruck usw. 155 Embryo gleich etwa 84 mm Hg; bei drei jüngeren Embryonen betrug der Druck 43-51 mm Hg. Aus seinen Beobachtungen über den Blutdruck bei verschiedenen Säuge- tieren zog Volkmann'^ den Schluß, daß die Größe der Tiere für die Höhe des Druckes durchaus nicht maßgebend ist. Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden kann, daß diese Schlußfolgerung etwas übertrieben war, so geht jedenfalls aus diesen wie aus den zahlreichen späteren Bestimmungen des Blutdrucks bei verschiedenen Tierarten hervor, daß bei den Säugetieren wie bei den Vögeln die Körpergröße einen merkwürdig geringen Einfluß auf den Blutdruck ausübt. Hat ja ein Pferd von durchschnittlich 348 kg Körpergewicht einen mittleren Druck von 155 mm, während ein Meer- schweinchen von 0,6 kg Körpergewicht einen von 75 mm Hg aufweist. Dies beim ersten Anblick ziemlich paradox erscheinende Ergebnis verliert indessen zum großen Teil seine Eigentümlichkeit, wenn wir bedenken, daß die Arbeit des Herzens nicht allein von dem Blutdruck (dem Widerstände), sondern auch von dem Schlagvolumen des Herzens abhängig ist. Wenn also der Blut- druck bei einem Pferde nur doppelt so groß wie bei einem Meerschweinchen ist, so treibt jedenfalls das Herz des ersteren eine vielmal größere Blutmenge in die Arterien als dasjenige des Meerschweinchens heraus, und die Arbeit des Pferde - herzens ist also ebenso vielmal größer als die des Meerschweinchenherzens. Dagegen ist es aus mehreren Gründen wahrscheinlich, daß die Herzarbeit im Verhältnis zur Körpergröße bei großen Tieren geringer ist als bei kleineren (vgl. H, S. 428). § 124. Der Blutdruck beim Menschen. Direkte Messungen des Blutdrucks beim Menschen sind einigemal bei Am- putationen ausgeführt worden. Bei solchen Gelegenheiten fand Faivre- in der A. femoralis einen Druck von 120 und in der A, brachialis einen von 120 bis 115nmi Hg; und Albert^ beobachtete in den Unterschenkelarterien einen Druck von 100-160 mm Hg. Eingehendere Untersuchungen über den menschlichen Blutdruck wurden durch die Ausbildung von Methoden möglich, welche gestatteten, den Blutdruck ohne chirurgische Eingriffe zu bestimmen, indem man denjenigen, durch die Weichteile hindurch wirkenden Außendruck aufsucht, der dem Blutdruck in den Arterien des betreffenden Körperteils Gleichgewicht hält. Hierher gehören die Me- thoden von Marey^, v. Basclf", Waldenburg'^, Hoorweg\ Potain^, Bloch'-*, Alosso^^, 1 Volkmann, Hämodynamik, S. 179. - Faivre, Gaz. medicale de Paris, 1856, S. 727. ■^ Albert, Med. Jahrbücher, 1883, S. 248. •» Marey, Trav. du laborat., 2, S. 308; 1876; — 4, S. 253; 1880. 5 i'. Bascli, Zeitschr. f. klin. Med., 2, S. 79; 1888;— Berliner klin. Wochenschr., 1887, Nr. 11; — Rosen, Inaug.-Diss. Dorpat 1891. " Waidenburg, Die Messung des Pulses und des Blutdruckes beim Menschen. Berlin 1880; — Arcli. f. pathoi. Anat., 90, S. 33; 1882. " Hoorweg, Arch. f. d. ges. Physiol., 46, S. 166; 1889. 8 Potain, Arch. de physiol., 1889, S. 556; — 1890, S. 300, 681. a Bloch, Compt. rend. de la Soc. de biol., 1888, S. 84; — 1889, S. 456. '" Mosso, Verh. d. X. intern, med. Kongr. Berlin 1890, Physiologie und physiol. Chemie, S. 53. 156 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. ■ V. Frey^, Hürthle^, Riva-Rocci^, Hill und Barnard'^, Gaertner^, v. Recklinghausen^, Erlanger\ Sahli^, UskofP, Dehio'^^, Weysse und Lutz^^, de Vries-Reilingli^'^, KorotkofP^, Pachon^^ und anderen. Betreffend diese und die übrigen Methoden verweise ich auf die eingehende kritische Darstellung von 0. Frank^^ und werde hier nur die mittels derselben am gesunden Menschen gewonnenen Resultate besprechen. 1^ Der maximale Blutdruck wird von verschiedenen Autoren verschieden hoch angegeben, was zum großen Teil von der Beschaffenheit der angewendeten Methoden abhängt. Es scheint indessen, daß die unter Anwendung der von V. Recklinghausen modifizierten Methode von Riva-Rocci erhaltenen Zahlen im großen und ganzen die zuverlässigsten sind, wie unter anderem aus der Prüfung hervorgeht, welcher 0. Müller und Blaiiel^'^ diese Methode unterworfen haben. An Menschen, denen eine Extremität amputiert werden sollte, bestinmiten sie den Blutdruck, teils an dieser Extremität mittels eines elastischen Manometers 1 V. Frey, Festschr. f. B. Schmidt. Leipzig 1896, S. 79. - Hürthle, Deutsche med. Wochenschr., 1896, Nr. 36. 3 Riva-Rocci, Gaz. med. di Torino, 1896, Nr. 50. ■> Hill und Barnard, Lancet, 1898 (1), S. 282. ^ Gaerincr, Wiener med. Wochenschr., 1899, Nr. 3U; — Münchener med. Wochenschr., 19Ü0, Nr. 35; — 1903, Nr. 47. 6 V. Recklinghausen, Arch. f. exp. Pathol., 46, S. 78; 1901; — 55, S. 375; 1906; — 56, S. 1; 1906; — Med. Klinik, 6, Beiheft 8; 1910; — Münchener med. Wochenschr., 1913, S. 81 7, 869. ■^ Erlanger, Johns Hopkins hospital reports, 12, S. 53; 1904; — Amer. journ. of physioä. 39, S. 401; 1916; — 40, S. 82; 1916; — Arch. of int. med., 16, S. 917; 1915. 8 Sahli, Deutsche med. Wochenschr., 1907, S. 628, 672. 9 Usko]j, Zeitschr. f. klin. Med., 66, S. 90; 1908. 10 Dchio, Abh. d. Leop.-Carol. Deutschen Akad. d. Naturforscher, 97, Nr. II; 1912. ^1 Weysse und Lutz, Amer. journ. of physiol., 32, S. 427; 1913. 12 de Vries-Reilingh, Zeitschr. f. klin. Med., 77, S. 67; 1913. 1^ Korotkoff, s. bei Erlanger, Amer. journ. of physiol., 40, S. 82. 14 Pachon, Comptes rend. de la Soc. de biol., 1909 (1), S. 955. ^■' O. Frarjk, Handb. d. physiol. Methodik, 2 (4), S. 216; 1911. 1^ Zur Kritik und Methodik dieser Instrumente vgl. außerdem Sommerfeld, Therap. Monatsh., 15, S. 72; 1901; — Hirsch, Deutsches Arch. f. klin. Med., 70, S. 219; 1901; — Tschlenoff, Zeitschr. f. diät. u. physik. Therap., 4, S. 64; 1901; — Jarotzny, Zentralbl. f. innere Med., 22, S. 599; 1901; — Fellner und Rudinger, Zeitschr. f. klin. Med., 57, S. 125; 1905; — John, Deutsches Arch. f. klin. Med., 93, S. 542; 1908; — Fran^ois-Franck, Comptes rend. de la Soc. de biol., 1908 (2), S. 87; — Scholtyssek, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1909, S. 325; — Lauder-Brunton, Brit. med. journ., 1910 (2), S. 1389; — Stewart, Arch. of intern, med., 9, S. 706; 1912; — Enebuske, Münchener med. Wochenschrift, 1912, S. 1608; — Schule, Berl. klin. Wochenschr., 1900, S. 726; — Kraus, Deutsche med. Wochenschr., 1909, S. 235; — Ehret, Münchener med. Wochenschr., 1909, S. 606; — Moritz, ebenda, 1909, S. 321; — Mac William und Kesson, Heart, 4, S. 287; 1913; — Mac William, Kesson und Melvin, ebenda, 4, S. 393;— L. Hill, Mc Queen und Ingram, Proc. of the Royal Society, 87, B, S. 255; 1914; ■ — Mac William und Melvin, Brit. med. journ., 1914, 7. Nov.; — Melvin und Murray, Quart, journ. of med. 7, S. 419; 1914; — Flack, L. Hill und Mc Queen, Proceed. of the Roy. Soc, 88, B, S. 508; 1915; — Brooks und Luckhardt, Amer. journ. of physiol., 40, S. 49; 1916; — Bleile, ebenda, 43, S. 475; 1917; — Kaiser, Arch. neerl. de physiol., 3, S. 553; 1919; — Aubertin, Presse med., 28, S. 135; 1920; — E. Weiss, Med. Klinik, 16, S. 577; 1920; — X. Mayer, ebenda, 16, S. 573; 1920; —Oliensis, New York med. journ., 111, S.358; 1920; — E. Hering, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 133, S. 306; 1920 (Einfluß der Weichteile); — Petit und Mougeot, Compt. rend. de la Soc. de biol., 83, S. 1462; 1920; — Alexandre und Moulinier, ebenda, 83, S. 1484; 1920; — Peller, Deutsche med. Wochenschr., 1920, S. 1189; — Dirken, Arch. neerl. de physiol., 5, S. 345; 1921; — Erlanger, Amer. journ. of physiol.. 55, S. 84; 1921. Dieses Verzeichnis macht keine Ansprüche auf Vollständigkeit. " 0. Müller und Blauel, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 91, S. 517; 1907. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 3. Der arterielle Blutdruck usw. 157 teils auch an der gleichen Extremität derselben oder der gekreuzten Körper- hälfte nach der Methode von Riva-Rocci- Recklinghausen. Es ergab sich, daß der maximale Druck in beiden Fällen sehr nahe übereinstimmte. Bei Druckbestimmung mit dem Manometer in der A. radialis betrug der Druck in zwei Fällen 121 bzw. 120, während die unblutige Methode^am gleich- seitigen Oberarm in beiden Fällen einen Druck von 130 mm Hg zeigte. In einem dritten Falle wurde der Druck mit dem Manometer in der A. brachialis gleich 109 mm Hg und unblutig am'' gekreuzten Oberarm gleich 116— 118 mm Hg gefunden. .>3 Bei entsprechenden Versuchen, wo indessen als Eichinstrument leider das Quecksilbermanometer benutzt wurde, bekamen Dehon, Dubus und Heitz'^ folgende Resultate: Untersuchte Arterie Druck; mm Hg Anmerkungen Maximum Minimum 1. Tibialis ant. sin Brachialis dextr 2. Tibialis ant. dextr. . . . Brachialis dextr 3. Tibialis ant. sin Brachialis dextr 4. Radialis sin Brachialis dextr 87 115 100 110 84 100 130 140 65 95 79 115 Hg-Manometer. Riva-Rocci. Hg-Manometer. Riva-Rocci. Hg-Manometcr. Riva-Rocci. Hg-Manometer. Riva-Rocci. Da das Hg-Manometer höchstens nur den mittleren Druck einigermaßen genau angeben kann, haben ja die damit gewonnenen Zahlen für das Maximum und Minimum keine Bedeutung. Als Mittelwerte erhalten wir bzw. 76, 98, 82 und 123 mm Hg. Wenn wir nun ferner berücksichtigen, daß der diastolische Druck beim Menschen etwa 30—40 cm (vgl. unten) niedriger als der systolische ist, so finden wir, daß das Manometer von Riva-Rocci im großen und ganzen ziemlich gute Werte für den systolischen Druck in den Gefäßen gibt.^ Unter Hinweis darauf, daß der Druck, den man mit den üblichen Apparaten am Menschen mißt, von dem Kontraktionsgrade der distal liegenden Gefäße abhängig ist, so daß Veränderungen in der Weite dieser Gefäße imstande sind, eine lokale Druckveränderung hervorzurufen, bemerkt Bing^, daß die am Mano- meter abgelesene Zahl nicht den Enddruck, sondern den Seitendruck in der A. brachialis angibt. Das neugeborene Kind zeigt nach Bälards Messungen^ im Schlafe einen systo- lischen Druck von 55—80 mm und beim wachen Zustande einen von 60—90 mm. 1 Dehon, Dubus und Heitz, Compt. rend. de la Soc. de biol., 1912 (1), S. 789. 2 Die genannten Autoren prüften bei den erwähnten Versuchen auch eine von Paclioii angegebene Methode, den Blutdruck des Menschen zu bestimmen, bekamen aber nach derselben viel zu hohe Zahlen für den maximalen Druck. 3 Bing, Berliner klin. Wochenschr., 1906, S. 1650. * Baiard, Comptes rend. de la Soc. de biol., 1912 (1), S. 998. Die Bestimmungen Balards sind nach einer Methode, die, wie es scheint, zu hohe Zahlen gibt, ausgeführt worden, und der wirkliche Maximaldruck des Säuglings dürfte daher etwas niedriger sein als hier angegeben worden ist. 158 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Bei dem allmählich stattfindenden Zuwachs des Kindes nimmt nun auch der Druck allmählich zu, um während des Mannesalters etwa konstant zu bleiben und beim höheren Alter noch weiter anzusteigen {Gumprccht^, Mensen'^, Kolossowa^, Tawaststjerna^, Fribergef^, Leitäo^ und andere). Leitäo hat den Druck bei Kindern während der ersten Lebensjahre bestimmt und dabei im Durchschnitt folgende Zahlen für den systolischen Druck'^ am Morgen früh gefunden; Alter; Systolischer Druck; Alter; Systolischer Druck; Monate mm Hg Monate mm Hg 1—2 66 9 10 77 2—3 67 10—11 83 3—4 70 11—12 86 4—5 71 12—24 87 5—6 75 24—36 93 6—7 75 36 48 91 7—8 78 48 60 99 8 9 78 An 2278 Kindern im Alter bis zu 11 Jahren hat Nizzoli^ im Durchschnitt folgende Zahlen bekommen: Alter Knaben; mm Hg Mädchen ; mm Hg Maximum Minimum Maximum Minimum Neugeborene 59 35 60 40 0 6 Monate 67 43 67 42 6—12 „ 74 50 77 49 1— 2 Jahre 2— 3 ,, 82 84 52 54 82 84 51 54 3 4,, 91 61 91 59 4— 5 ,, 100 67 93 59 5 6 ,, 104 70 100 70 6— 7 „ 97 65 100 67 7— 8 ,, 101 65 106 70 8—9 ,, 106 69 109 73 9 10 ,, 111 77 112 72 10 11 ,, 117 74 118 76 Tawaststjerna hat bei Individuen im Alter von 7—91 Jahren für den maxi- malen Blutdruck folgene Werte beobachtet: 1 Giimpreclü, Zeitschr. f. klin. Med., 39, S. 387; 1900. 2 Mensen, Deutsches Arch. f. klin. Med., 67, S. 461. ^ Kolossowa, Pression sanguine chez les enfants. These de Lausanne, 1902; zit. nach Tawaststjerna. 4 Tawaststjerna, Skand. Arch. f. Physiol., 21, S. 414; 1909. ^ Friberger, Upsala Läkareförenings förhandlingar, 18, S. 147; 1913. • " Leitäo, Archives de medecine des enfants, 16; 1913. ' Der Autor hat besondere Mittel für die Kinder, je nachdem sie an der Brust oder künstlich ernährt wurden, mitgeteilt; ich habe nur das allgemeine Mittel hier auf- genommen. « Nizzoli, Pediatria, 28, S. 368, 419; 1920; zit. nach Berichte 4, S. 255. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 3. Der arterielle Blutdruck usw. 159 Alter; Maximaler Blutdruck; mm Hg Zahl Jahre Maximum Minimum Mittel der Individuen 7—9 96 72 87 12 10 129 79 100 10 11 120 82 102 16 12 124 86 103 39 13 126 84 107 39 14 126 90 109 31 15 13^ 94 114 27 16 142 89 111 28 17 138 100 112 21 18 132 95 112 12 19 140 103 121 11 22 142 92 116 58 23 141 100 116 46 24 152 95 117 56 25 142 95 122 20 26—30 142 110 121 21 31-40 170 99 121 21 41—45 180 102 134 5 61—70 175 130 155 3 71—80 248 142 199 7 81 91 190 140 169 4 Unter den in dieser Tabelle aufgenommenen Individuen waren die im Alter von 7 bis 19 Jahren Schulkinder beider Geschlechter (154 Knaben, 92 Mädchen), die im Alter von 22 bis 25 Jahren waren wehrpflichtige Soldaten, die im Alter von 26 bis 45 Jahren größtenteils Schutzleute; die Greise über 60 Jahre waren Pfründner vom stcädtischen Armenhaus. Nach ScheeP ist der mittlere maximale Druck bei Individuen im Alter von 3—5 Jahren 76, von 6—10 Jahren 91 (Knaben) bzw. 82 (Mädchen), von 11 bis 15 Jahren 105 (Knaben) bzw. 100 (Mädchen), von 16-20 Jahren 110 (Knaben) bzw. 100 mm Hg (Mädchen) usw. Bei erwachsenen Männern im Alter von 21 bis 60 Jahren variierte der Maximaldruck bei den einzelnen Dekaden zwischen 106 und 112 mm; bei Frauen war die gleiche Variation 105—108. Als Durchschnitt des mittleren Maximaldruckes im Alter von 61—70, 71—80 und 81—90 Jahren findetSc/z^dfür Männer bzw. 114, 120 und 135, für Frauen 105, 127 und 135 mm Hg. Die von Friberger für Knaben und Mädchen im Alter von 6—14 Jahren ge- wonnenen Zahlen sind in folgender Tabelle aufgenommen. Druck; mm Hg Alter Knaben Mädchen 6 90 91 7 87 93 8 97 93 9 93 98 10 92 102 11 95 112 12 96 110 13 109 105 14 111 110 Diese Zahlen stützen sich auf insgesamt 305 Bestimmungen. 1 Scheel, Der klinische Blutdruck. Kristiania 1912, S. 95. IßQ Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Als normale Grenzwerte für junge Männer gibt Jellinek'^ nach Versuchen mit Gärtners Tonometer (bei 500 Soldaten) 100—160 mm Hg und Karrenstein^ (bei 77 Soldaten) 75—155, durchschnittlich 114 mm Hg an. Melvin und Murray^ beobachteten bei 59 Studenten einen Maximaldruck von 92— 135 mm Hg; das Mittel betrug etwa 110 mm Hg. Dementsprechend fanden L. Hill und Rowlands^, daß unter 23 Studenten bei 19 der maximale Druck zwischen 106 und 130 mm Hg lag. Und auch Dehw" hat bei herzgesunden Individuen in den meisten Fällen einen Maximaldruck zwischen 100 und 130 mm Hg gefunden. Aus allen diesen Beobachtungen scheint hervorzugehen, daß der Maximal- druck beim erwachsenen gesunden Menschen im allgemeinen eine Höhe von etwa 100—130 mm, im Durchschnitt etwa 120 mm Hg hat.'' Da der minimale Druck in den Arterien (vgl. Kap. XXXI I) etwa 40 mm Hg niedriger ist, würde der mittlere Druck des gesunden Menschen also etwa 100 mm Hg betragen und demnach wesent- lich niedriger sein, als man auf Grund der Körpergröße des Menschen von vorn- herein annehmen könnte. Bei einem höheren Lebensalter nimmt der maximale Blutdruck im allgemeinen zu, was wesentlich von der sich immer mehr entwickelnden Arteriosklerose herrührt. Indessen stoßen wir auch bei sehr alten Leuten ab und zu auf einen ganz niedrigen Druck. So hat Tawaststjerna bei einem 90 jährigen Mann einen maximalen Druck von nur 140 mm Hg und bei einer 70jährigen Frau einen von sogar 126 mm Hg beobachtet; und Scheel erwähnt drei Individuen, zwei Frauen und einen Mann, welche im Alter von 81—90 Jahren einen mittleren systolischen Druck von 135 mm Hg aufwiesen. Nicht unwesentlich höhere Zahlen für den systolischen Druck als die soeben angeführten sind von einigen amerikanischen Autoren, unter Anwendung einer Manschette von etwa 12 cm Breite, mitgeteilt worden. Als Mittel des systolischen Blutdruckes in liegender Stellung geben Cook und Briggs'' für junge erwachsene Männer 130 mm Hg an; bei Frauen im entsprechenden Alter war der Druck 10 bis 15 mm niedriger. Nach Thayer^ beträgt der systolische Druck an der Meeresoberfläche durch- schnittlich bei Individuen im Alter von 20—60 Jahren: Alter; Druck; Jahre mm Hg 20 30 137 30—40 141 40 50 142 50 60 155 1 Jellinek und Gärtner, Zeitschr. f. klin. Med., 39, S. 457; 1900. 2 Karrenstein, Zeitschr. f. klin. Med., 50, S. 322; 1903. ^ Melvin und Murray, Quarterly journ. of physiol., 8, S. 125; 1914. " L. Hill und Rowlands, Heart, 3, S. 219; 1912. ^ Dehio, Abh. d. Leopold.-Carol. Deutschen Akad. der Naturforscher, 97, Nr. 11; 1912. " Ich habe die mit schmaler Manschette nach Riva-Rocci stattgefundenen Messungen, welche wesentlich höhere Zahlen ergeben haben, nicht hier berücksichtigt, weil diese wohl mit Recht von den meisten Autoren als weniger genau bezeichnet werden. "^ Cook und Briggs, Johns Hopkins hospital reports, 11, S. 460; 1903; — vgl. auch Alvarez, Coli, reprints from the Hooper foundation, 4, Nr. 21; 1919. 8 Zit. nach Clough. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 3. Der arterielle Blutdruck usw. 161 Cloiigh^ teilt nach Beobachtungen auf einer Höhe von 5250 Fuß folgende Zahlen mit: Alter; Jahre Druck; mm Hg 20—30 145 30—40 144 40 50 150 50 60 158 Bei einer Höhe von 6000 Fuß variierte der systolische Druck bei 50 Männern im Alter von 19—66 Jahren zwischen 1 16 und 175 mm Hg und betrug durchschnitt- lich 143 mm Hg {Peters und Bullock"). In einer langen Versuchsreihe an 656 Männern im Alter von 15—31 Jahren fanden Barach und Marks^ folgende Verteilung der Zahlen für den systolischen Druck: Druck; mm Hg Zahl der Individuen 90—100 7 100—110 23 110 120 112 120 130 204 130 140 153 140 150 95 150 160 45 >160 17 Von diesen zeigten also 594 oder 91% einen niedrigeren Druck als 150 mm Hg, 499 gleich 767o einen niedrigeren Druck als 140mm Hg und 346, d.h. 53% einen niedrigeren Druck als 130 mm Hg. Die Differenz zwischen dem diastolischen und dem systolischen Druck variierte in 88% der Fälle zwischen 20 und 70 mm Hg und war in 66% 30 bis 60 mm Hg. Nach Alvarez'^ betrug der maximale Blutdruck im Alter zwischen dem 16. und 40. Lebensjahre nach Beobachtungen an 5807 Frauen durchschnittlich 115, nach Beobachtungen an 2930 Männern 127 mm Hg. Die Grenzwerte waren 85—155 bzw. 90—175. Als abnorm hoch bezeichnet Alvarez den Druck, wenn er bei der Frau über 130, beim Manne über 140 mm Hg beträgt. Von den Frauen hatten 50% einen Blutdruck zwischen 105 und 1 19, von den Männern 507o einen zwischen 117 und 137 mm Hg. Im Durchschnitt für 250 alten Menschen fand Wildf' einen Maximaldruck von 150 mm Hg. Die individuellen Differenzen waren indessen sehr bedeutend und die Zahl der Individuen, deren Blutdruck mehr als 150 bzw. 200 nini Hg betrug, nahm mit jedem Jahrzehnt zu. Näheres in folgender Tabelle." ' ''"""' 1 Clough, Arch. of int. med., 11, S. 590; 1913. 2 Peters und Biillock, ebenda, 12, S. 456; 1913 ^ Barach und Marks, ebenda, 13, * Alvarez, Arch. of int. med.,. 28, 6 Wildt, Inaug.-Diss. Leipzig 1912. Tigerstedt, Kreislauf. III. 2. Aufl. 649; 381: 1914. 1920. 11 162 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Alter- Maximal. Blutdruck; Prozent der Fälle mit Prozent der Fälle mit Jahre mm Hg einem höheren Druck als einem höheren Druck als Mittel 150 mm Hg 200 mm Hg 60—64 137 38 2 65 69 143 49 3 70—74 148 44 6 75 79 152 37 7 80 84 148 38 12 85 89 162 64 14 Zahlen derselben Größenordnung sind auch von Wikner^ mitgeteilt worden; vgl. die folgende Tabelle über den Maximaldruck. Männer Frauen Alter Zahl Druck; mm Hg Zahl Druck; mm Hg 50—60 61—70 >71 49 44 24 141 150 146 24 24 27 142 151 165 Die Deutung der hohen Druckwerte, welche bei alten Individuen so oft er- scheinen und bis auf 262 mm Hg ansteigen können (Wildt), ist mit großen Schwierig- keiten verbunden. Am nächsten liegt wohl die Annahme, daß die starre Wand der stark veränderten Arterien dem von außen wirkenden Druck einen sehr großen Widerstand leisten sollte, und daß also der betreffende sehr hohe Druck zum Teil nur scheinbar wäre. Die direkten Untersuchungen über die KompressibiHtät der sklerotischen Arterienwand geben indessen dieser Auffassung keine Stütze, denn nach v. Reckling- hausen^ wäre die solcherart veränderte Wand ebenso leicht kompressibel als die normale und Mensen^ veranschlagt den bei der in gewöhnlicher Weise erfolgenden Druckbestimmung entstandenen Fehler zu höchstens 20 mm Hg. Es kommt indessen noch hinzu, daß der Wandwiderstand einer Arterie durch die Kontraktion ihrer Muskeln in hohem Grade erhöht werden kann. Während bei der erschlafften Carotis des Ochsen ein Außendruck von nur wenigen Milli- meter Hg zur vollständigen Zusammenpressung derselben genügt, braucht das zusammengezogene Gefäß bei Zimmertemperatur dazu einen Druck von 20 bis 60 mm Hg und noch mehr, bis zu 186 mm Hg; bei Körpertemperatur war die notwendige Druckhöhe geringer, konnte indessen auf 64 mm Hg ansteigen. Die Metakarpal- und Metatarsalarterien des Pferdes wurden in schlaffem Zustande durch einen Druck von wenigen Millimeter Hg zusammengepreßt; bei Kontraktion ihrer Muskeln gewann ihre Wand aber eine solche Festigkeit, daß sie bei Körper- temperatur erst bei einem Druck von etwa 60 mm Hg obliteriert wurden. Bei alten Pferden konnten sich diese Arterien so stark zusammenziehen, daß sie selbst bei einem Druck von 440 mm Hg keine Flüssigkeit passieren ließen (Mac William und Kesson^). ^ Wikner, Svenska Läkaresällskapets handlingar, 42, S. 1489; 1916. 2 V. Recklinghausen, Arch. f. exp. Path., 46, S. 82; 1901. ^ Mensen, Deutsches Arch. f. klin. Med., 67, S. 505. * Mac William und Kesson, Heart, 4, S. 287; 1913. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 3. Der arterielle Blutdruck usw. 153 Montier'^ hat solche Kontraktionen am lebenden Menschen bei elektrischer oder mechanischer Reibung der Gefäße hervorrufen können und dabei immer eine bedeutende (scheinbare) Zunahme des durch das Kompressionsverfahren gemessenen Druckes beobachtet. In welchem Umfange diese Kontraktion der Gefäßmuskeln das Resultat der Druckmessung beim Menschen beeinflußt, ist schwer zu entscheiden. Um den mög- lichst richtigen Druck zu bekommen, empfiehlt Mac William, außer dem Vergleich des Druckes an beiden Oberarmen, eine Reihe von Messungen, bei welchen dann und wann eine etwa vorhandene Gefäßkontraktion mehr oder weniger nachläßt, auszuführen. Aber auch nach seinen Erfahrungen scheint der hohe Druck bei älteren Individuen nicht als Folge der schweren Kompressibilität der Gefäßwand gedeutet werden zu können. Wenn also der Druck bei Greisen tatsächlich viel höher als bei jüngeren Indi- viduen wäre, würde dies seinerseits eine sehr erhöhte Anstrengung des Herzens voraussetzen. Da indessen das alte Herz für eine solche nicht besonders gut 26- eignet ist, stellt sich die Sache noch merkwürdiger dar, und ich muß bekennen, daß ich immer noch nicht ganz überzeugt bin darüber, daß nicht die sklerosierte, bzw. kontrahierte Gefäßwand gegen die Kompression einen größeren Widerstand macht, als man es sich zurzeit allgemein vorstellt. Eine Stütze gewinnt diese Auffassung durch eine Beobachtung von Mac William und Kesson, bei welcher die 74 Jahre alte, an Arteriosklerose leidende Person bei der ersten Seance einen systolischen Druck von mindestens 210 mm Hg vorzeigte, sechs Wochen später einen systolischen Druck von nur etwa 110 mm Hg hatte. 2 Über die Einwirkung des Körpergewichtes auf den Blutdruck gibt Mensen^ an, daß 1 1 Frauen, deren Körpergewicht weniger als 50 kg betrug, einen maximalen Blutdruck von 128 mm zeigten, während 10 Frauen mit einem Körpergewicht über 60 kg durchschnittlich einen maximalen Blutdruck von 140 mm hatten. Da Mensen indessen die schmale Manschette benutzte, bei deren Anwendung die Weichteile des Armes nicht ohne Bedeutung sind, liegt immer die Möglichkeit vor, daß der von ihm bei den schwereren Individuen beobachtete höhere Druck von dem stärker entwickelten Fettpolster und Muskelgewebe verursacht gewesen ist. Indessen haben Tawaststjernas"^ mit der breiten Manschette ausgeführte Be- stimmungen das gleiche Resultat gezeitigt. Er teilte die von ihm untersuchten Soldaten in zwei Gruppen ein, je nachdem ihr Körpergewicht größer oder kleiner war als das Mittel, und fand dabei den mittleren Maximaldruck bei den schwereren Individuen etwa 6—15 mm Hg höher als bei den leichteren. Nach Scheel^'' Mes- sungen würde bei Männern über 50 kg überhaupt kein Einfluß des Körpergewichtes auf den Blutdruck stattfinden. Die Körperlänge scheint keinen deutlichen Einfluß auf den Blutdruck aus- zuüben, insbesondere, wenn die gleichzeitige Einwirkung der Körpergröße dadurch, 1 Montier, Comptes rend. de l'Acad. des sciences, 142, S. 599; 19ÜG; — 150, S. 1138; 1910. 2 Mac William und Kesson, Heart, 4, S. 315. 3 Mensen, Deutsches Arch. f. klin. Med., 67, S. 463. 4 Tawaststjerna, a. a. O., 21, S. 427. ^ Scheel, a. a. O., 1912, S. 97. 11' 164 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. daß nur gleich schwere Individuen miteinander verglichen werden, ausgeschlossen wird. Nach Mensen^ würde bei erwachsenen Individuen im Alter von 17—30 Jahren der maximale Druck bei Männern durchschnittlich 5 mm höher als bei Frauen sein (137 bzw. 132 mm Hg), eine Differenz, die er indessen als Folge des kleineren Körpergewichtes bei der Frau auffaßt. Aus Tawaststjernas Messungen geht hervor, daß 19 Mädchen im Alter von 16—18 Jahren mit einem mittleren Körpergewicht von 55,4 kg einen mittleren Maximaldruck von 106 mm Hg hatten, während 18 Jünglinge in dem gleichen Alter mit einem mittleren Körpergewicht von 55,3 kg einen mittleren Maximaldruck von 115 mm Hg aufwiesen. Die Zahl der Beobach- tungen ist indessen zu klein, um bestimmte Schlußfolgerungen zu gestatten. In Fig. 377 ist nach Tawast- stjerna^ der maximale Blut- druck und die Pulsfrequenz bei Menschen im Alter zwischen 10 und 19 Jahren, ohne Be- rücksichtigung des Geschlechtes graphisch wiedergegeben. Wir sehen, wie sich diese beiden Erscheinungen während des Alters des Zuwachses in ent- gegengesetzter Richtung ver- ändern, indem der Maximal- druck stetig ansteigt, während die Pulsfrequenz ebenso stetig herabsinkt. Die am Oberarm angelegte Manschette gestattet uns die Bestimmung des Druckes in einer sehr großen Arterie, und wir können auf Grund unserer Kenntnisse über das Gefälle im arteriellen System ganz be- stimmt sagen, daß die solcherart erhaltene Zahl höchstens um einige Millimeter von dem Druck in der Aorta selbst abweichen kann (vgl. oben, III, S. 143). Um das beim Menschen stattfindende Druckgefälle näher kennen zu lernen, be- stimmte Findley^ gleichzeitig den maximalen Druck in der A. brachialis mittels des Manometers von Riva- Rocci- Recklinghausen und in der A. digitalis mittels des Tonometers von Gärtner. Hierbei stellte es sich heraus, daß bei Kindern zwischen 2 und 10 Jahren die Druckdifferenz zwischen den genannten Arterien zugunsten der zentraleren Arterie durchschnittlich 4,6 mm Hg betrug. Mit zu- nehmendem Alter wurde sie immer größer und war bei Individuen zwischen 10 und 20 Jahren 8 mm, bei Männern zwischen 20 und 30 Jahren 22 mm, bei Frauen 1 Mensen, a. a. O., 67, S. 461. 2 Tawaststjerna, a. a. O., 21, S. 429. 2 Findley, Quart, journ. of medicine, 1911, S. 489. Jahr ./; J2 13 1^ IS Iff 77 IS 19 mm Hg. 1 1 ^6 118 \ / Q^ 116 \ • / Q^ Jl'i \ \ / 90 112 \ V \ / / / ---- \ \ \ / S8 HO \ / ■ \/ 8R 108 / \ \ \ ^¥ 106 * / \ \ '"-. L fi?. 10¥ Ifl? \ \ \ / / / \ \ 80 \ \ / f \ 78 100 / 76 w / Th AnzahllO 16 39 39 31 27 28 21 12 11 Fig. 377. Maximaler Blutdruck( — ) und Pulsfrequenz( ) bei Menschen im Alter zwischen 10 und 19 Jahren. Nach Tawaststjerna. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 3. Der arterielle Blutdruck usw. 165 gleichen Alters 13 mm, bei Männern zwischen 30 und 40 Jahren 32 mm und bei Männern zwischen 40 und 50 Jahren 44,5 mm. Wenn diese Resultate einwandfrei sind, muß also zwischen den beiden Punkten ein nicht geringer, mit dem Alter zunehmender Widerstand stattfinden, der viel- leicht von einem vermehrten Tonus oder von früh eintretenden Veränderungen der Arterienelastizität herrührt. In der Brachialis und Femoralis ist der Druck, wie L. Hill^ hervorgehoben hat, gleich groß, indem er sich in diesen Gefäßen nur um den Betrag des statt- findenden hydrostatischen Druckes der Blutsäule, welcher seinerseits von der augenblicklichen Lage des Körpers abhängig ist, unterscheidet. Jellinek^ hat bei zwei Soldaten bei leichtem Dienst in der Kaserne während je 10 Tagen die stündlichen Variationen des Druckes mit folgendem durchschnitt- lichen Resultat untersucht: Zeit Versi jchsperson I Versuchsperson II Druck; mm Hg Druck; mm Hg 5 vorm. 94 88 6 107 101 11 112 106 1 nachm. 133 126 5 117 117 8 100 102 /, \ Das Maximum des Druckes trifft also nachmittags nach dem Essen ein und sinkt von da nach beiden Richtungen herab. '"^ In wesentlicher Übereinstimmung damit geben Weysse und Lutz^ auf Grund von Beobachtungen an 10 jungen Männern im Alter von 19—25 Jahren an, daß das Maximum des systolischen Druckes unmittelbar nach einer Mahlzeit erscheint und etwa ^/a Stunde dauert; dabei erhöht sich der Druck um etwa 8 mm Hg. Näheres in folgender Tabelle (Seite 166). Über die Veränderungen des Blutdruckes des Menschen beim Liegen und Stehen sowie bei der körperlichen Arbeit ist schon oben berichtet worden (III, S. 72, 123). Bei der geistigen Arbeit nimmt der Blutdruck etwas zu {E. Weber'^). Dasselbe ist auch bei Gefühlen von Unlust, Schreck usw. der Fall {Gellhorn und Lewin^). Dabei kann der Druck schon bei kleinen Affekten um 10—12 mm, bei stärkeren Gemütsbewegungen um 30—40 mm Hg gesteigert werden (Gumprecfif). Die betreffende Drucksteigerung ist immer von einer Gefäßkontraktion im Arme begleitet. Nach E. Weber^ werden gleichzeitig die Gefäße der Bauch- eingeweide erweitert. 1 L. Hill, Heart, 1, S. 73; 1909; — Hill und Rowlancls, ebenda, 3, S. 219; 1912; — Hill, Barnard und Soltaii, Journ. of phynol., 22, proc, S. 19; 1897. 2 Jellinek, Zeitschr. f.'klin. Med., 39, S. 470; 1900. 3 Vgl. auch Colombo, Arch. ital. de biol., 31, S. 353; 1899; — Erlangcr und Hooker, John Hopkins hospital reports, 12, S. 284; 1904; — Hesse, Verh. d. Kongr. f. inn. Med., 24, S. 410; 1907. * Weysse und Lutz, Amer. journ. of physiol., 37, S. 330; 1915. 5 E. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1913, S. 217. ß Gellhorn und Lewin, ebenda, 1913, S. 227. ' Gumprecht, Zeitschr. f. klin. Med., 39, S. 387; 1900. 8 E. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1907, S. 325. 66 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Zeit Systol. Druck; mm Hg; Zeit Systol. Druck; mm Hg Anmerkungen 4,30 nachm. 120 12,30 nachm. 6 123 1 Vor dem Mittagsessen. 5 118 1 122 2 Nach d. Mittagsessen. 61 118 2 118 ^ Vor dem Frühstück. 6,452 127 3 119 ^ Nach dem Frühstück. 7 125 4 116 ^ Vor dem Lunch. 7,30 122 5 117 « Nach dem Lunch. 8 122 61 117 8,30 120 6,452 125 9 121 T 125 9,30 118 7,30 122 7,30 vorm. 118 8 120 83 116 8,30 120 8,30« 124 124 9 120 9 Mittel 120 10 118 11 116 125 114 ^0 Unter dem Einfluß der Menstruation treten bei der Frau keine regelmäßigen Veränderungen beim Blutdruck auf (King^) und auch in der ersten Hälfte der Gravidität zeigen sich keine Abweichungen vom Normalen. Dagegen erscheint in der zweiten Hälfte derselben eine Tendenz zur Steigerung bis an die oberste Grenze des Normalen oder etwas darüber (Jascfike^). Während der Geburt kommen starke und rasche, von den verschiedenen Phasen des Geburtsvorganges abhängige Schwankungen des Blutdruckes zum Vorschein, während im Wochenbett der Druck bei einer gewissen Labilität eine Tendenz zum Herabsinken hat. § 125. Die Stromgeschwindigkeit in den Arterien. Die Stromgeschwindigkeit einer Flüssigkeit in einer Röhre kann entweder in der Weise bestimmt werden, daß die durch dasselbe in der Zeiteinheit strömende Flüssigkeitsmenge durch den Querschnitt des Rohres dividiert wird, oder auch unter Anwendung des hydrometrischen Pendels bzw. anderer Instrumente für direkte Bestimmung der Stromschnelle festgestellt werden. Die Instrumente, welche bei der Eichung der Stromvolumina bzw. bei der Bestimmung der Geschwindigkeitsveränderungen durch Plethysmographie und Tachographie in der Hämodynamik benutzt werden, sind schon oben (I, S. 182) kurz besprochen worden. Dieselben genügen aber nicht, wenn es gilt, die Stromschnelle und ihre Ver- änderungen bei jedem Herzschlage in absolutem Maße zu bestimmen. Zu diesem Zwecke wendete Vierordt^ als erster das hydrometrische Pendel an. Wenn nämlich ein Pendel in einer strömenden Flüssigkeit hängt, so macht es Ausschläge, deren Größe von der Geschwindigkeit des Stromes abhängt. Ist die Masse des Pendels klein, so daß das Pendel keine Eigenschwingungen macht, so gibt das Pendel alle 1 King, Amer. journ. of physiol., 34, S. 203; 1914. 2 Jaschke, Arch. f. Gynäkol., 94, S. 809; 1911. 3 Vierordt, Die Erscheinungen und Gesetze der Stromgeschwindigkeiten des Blutes Frankfurt a. M., 1858, S. 10. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 3. Der arterielle Blutdruck usw. 167 Variationen der Geschwindigkeit richtig wieder und diese l<önnen dann auch auf absolutes Maß reduziert werden. Das von Vierordt gebaute Hämotachometer war zu träge, um wirklich zu- verlässige Resultate zu geben. Er hatte aber jedenfalls gezeigt, daß eine Bestim- mung der Stromgeschwindigkeit durch das hydrometrische Pendel möglich war, und später konstruierte Clmiiveau'^ nach demselben Prinzip ein selbstregistrierendes Instrument, das im großen und ganzen zuverlässige Resultate gibt. Dieses Instrument, der Hämodromograph, ist in Fig. 378 schematisch dar- gestellt. Hier bedeutet L die Pendelstange und p die Pendelkugel, welche in das strömende Blut gesenkt wird. Die Achse des Pendels geht durch m. Die Pendelstange wird nach außen von dieser Achse fortgesetzt und steht mit einer aufnehmenden Lufttrommel in Verbindung. Die Röhre T, welche mit der Arterie vereinigt ist, hat nur eine ganz kleine spaltförmige Öffnung für die Pendel- stange (L); durch diese Spalte kann kein Blut aus der Arterie in den inneren Raum hineindringen. In seinem Buche über die Stromgeschwindigkeiten des Blutes erwähnt Vierc-rdt auch die Pitotschen Röhren, findet aber, daß nicht die geringste Aussicht vorhanden war, um mit denselben hier zum Ziele zu kommen, da bei den in den größeren Blut- gefäßen vorkommenden Stromschnellen die Geschwindigkeitshöhe der Druckhöhe gegenüber verschwindend klein ist. Seit der Einführung der photographischen Registrierung in die Physio- logie ist indessen diese Aufgabe durch Cybulski^ und 0. Frank^ gelöst worden."* Da sich die meisten Bestimmungen über die Stromschnelle auf die Carotis beziehen, werde ich die an dieser Arterie ge- wonnenen Ergebnisse in erster Linie berücksichtigen. Unter Anwendung seines Hämodromometers (I, S. 182) fand Volkniann^ die Geschwindigkeit daselbst bei sieben Hunden gleich 205—357 mm, bei drei Ziegen 240—358, bei einem Kalbe 431, bei drei Schafen 241—350 und bei vier Pferden 220—431 mm in der Sekunde. Die erste eingehendere Untersuchung über die Stromgeschwindigkeit in der Carotis wurde indessen erst etwa zwanzig Jahre später unter Anwendung der Stromuhr Ludwigs (vgl. 1, S. 182) von Dogiel^ ausgeführt. Als das wichtigste Resultat seiner Arbeit stellte es sich heraus, daß selbst am ruhigen, in scheinbarem Gleichgewicht verharrenden Tiere die mittleren Strom- volumina fortwährenden Schwankungen ausgesetzt waren. Mit wenigen Aus- nahmen änderte sich von der einen Umdrehung der Stromuhr zur anderen die ^ Chauveau, Bertoliis und Laroyenne, Journ. de la physiol., 3, S. 695; 1860; — Lortet, Recherches sur la vitesse du cours du sang. Paris 1867, S. 9; — Marey, La methode graphique, Paris 1878, S. 235, 634. - Cybulski, Arcli. f. d. ges. Physiol., 37, S. 382; 1885; — Zanietowski, Zeitschr. f. Biol., 39, S. 271; 1900. 3 0. Frank, Zeitschr. f. Biol., 37, S. 1; 1899. * Über diese Apparate und Methoden vgl. O. Frank, Handb. d. physiol. Methodik, 2(4), S. 105; 1911. ^ Volkmann, Hämodynamik. Leipzig 1850, S. 195. « Dogiel, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss., math.-phys. KL, 1867, S. 200. Fig. 378. Hämo- dromograph. Nach Chauveau. 168 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. strömende Masse und dies so bedeutend, daß sie im Verlauf einer Minute auf die Hälfte ihres ursprünglichen Wertes herabsinken und dann wieder auf diesen und höher emporsteigen konnte. Die durch die Arterie strömende Blutmenge war im Anfange des Versuches größer und sank dann auf einen verhältnismäßig geringen Wert schnell herab. Daß dies nicht die Wirkung einer in der Stromuhr stattfindenden Abkühlung darstellte, wies Dogiel durch besondere, zu diesem Zwecke angestellte Versuche nach. Es ist nicht ausgeschlossen, daß eine beginnende, wenn auch nicht grob makroskopisch wahrnehmbare Gerinnung hierbei eine gewisse Rolle hat spielen können. Indes trat dieselbe Erscheinung auch in den Versuchen von Nicolaides^ hervor, bei welchen die Gerinnung durch Injektion von Pepton gänzlich ver- mieden war. Die Hauptursache der betreffenden Erscheinung muß daher irgend anderswo gesucht werden und dürfte wesentlich in der behufs der Einsetzung der Stromuhr notwendigen, jedenfalls einige Minuten dauernden Blutleere im peripheren Aus- breitungsbezirk der untersuchten Arterie liegen.^ Hierdurch werden die Gefäße temporär erlahmt; sie bieten daher dem Blutstrom einen abnorm geringen Wider- stand dar und die Stromvolumina müssen also größer sein, bis die Gefäße, nach wiederhergestellter Blutströmung, allmählich ihren Tonus wieder erlangt haben. Für diese Deutung spricht gewissermaßen schon die Erfahrung Dogiels, daß das anfängliche große Stromvolumen wieder erscheint, wenn man die alte Stromuhr wegnimmt und eine neue mit der Arterie verbindet. Bemerkenswert ist auch die Angabe von Nicolaides, daß die Erweiterung in der Cruralis häufiger als in der Carotis zu beobachten ist. Dies sei davon ab- hängig, daß die Gefäße des Kopfes aus mehrfachen Stämmen ihren Zufluß von Blut bekommen und daher durch alleinige Bindung der einen Carotis nie so blut- leer werden können, wie die A. cruralis. Dementsprechend findet Tscliuewsky^, daß in der ^Carotis die Zunahme des Stromvolumens durch Anämie 40^/0 dessen ursprüngliche Größe ist, während sie in der Cruralis im Mittel etwa 100"/q beträgt. Daß die Ursache der vorliegenden Erweiterung zum Teil wenigstens in der durch die Unterbrechung des Blutstromes stattfindenden Anhäufung von Kohlen- säure liegt, geht aus dem oben erwähnten Versuche von Tomita und v. Anrep hervor (III, S. 47, 48). Da die Dauer der Hyperämie nach einer vorhergegangenen Anämie mit der Dauer der letzteren zu- und abnimmt, dürfte wohl die erörterte Wirkung der Kohlensäure wesentlich als eine direkte aufzufassen sein. Wie es aber aus den Versuchen von Tschuewsky hervorzugehen scheint, spielen auch nervöse Vorgänge hierbei eine maßgebende Rolle. Eine 17—30 Se- kunden dauernde Anämie beschleunigte den Blutstrom in der A. cruralis auf das Doppelte, aber nur wenn die Nerven der hinteren Extremität unversehrt waren. Bei durchschnittenen Nerven brachte eine 15—55 Sekunden währende Unter- brechung des Blutstromes keine oder eine ziemlich unbedeutende Zunahme zu- 1 Nicolaides, Ärch. f. Anat. u. Physio!., physiol. Abt., 1882, S. 164. 2 Bei Volkmanns Versuchen kam dies nicht vor, weil das Blut, nach Einsetzung des Hämodrümometers, beliebig lange geradenwegs durch die Arterie passieren konnte, ehe die Messung stattfand. 3 Tschuewsky, Arch. f. d. ges. Physiol., 97, S. 303, 1903. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 3. Der arterielle Blutdruck usw. 169 stände. Aus dieser Erfahrung folgert Tschuewsky, daß die Anämie an sich die direkte Ursache der vorhegenden Gefäßerweiterung nicht darsteüen kann, sondern daß dieselbe reflektorischer Art sein muß. Hierbei ist indessen zu berücksichtigen, daß die Gefäße wegen der Durchschneidung der Nerven schon vom Anfang an erweitert waren. Zwischen der Pulszahl und dem Stromvolumen in der Carotis konnte Dogiel auch nicht die entfernteste Andeutung eines festen Verhältnisses finden, denn die beiden Werte schwankten ganz unabhängig voneinander auf und ab. Das Strom- volumen konnte längere Zeit hindurch ganz oder nahezu ganz unverändert bleiben, während die Pulszahlen um mehr als 40"/,, variierten, und umgekehrt konnte bei ganz derselben Pulszahl eine sehr ungleiche Blutmenge durch die Carotis fließen. Das gleiche hatten früher sowohl Volkmann als Lenz^ mittels des Hämo- dromometers gefunden. Auch wenn man die für jeden Herzschlag durch die Carotis strömende Blut- menge berechnet, so bekommt man keine gesetzmäßigen Resultate: bei kleinen Werten des Sekundenvolumens, sowie bei großen Werten der Schlagzahlen des Herzens kann das Pulsvolumen größer sein, als wenn die beiden genannten Werte sich im umgekehrten Sinne ändern. Durch diese Erfahrungen wurden einige falsche Vorstellungen über den Kreislauf endgültig beseitigt. Zu der Zeit, als die Arbeit Dög/^/s erschien, glaubte man noch vielfach, daß ein jeder Herzschlag gleichviel Blut entleere, so daß die gesamte, der linken Kammer entströmende Flüssigkeitsmasse geradezu wie die Zahl der Pulse wächst. Diesen Satz brachte man in Verbindung mit dem anderen, daß die in der Aorta fließende Blutmasse sich nach ganz bestimmten Proportionen in die primären Arterienzweige verteilte. Da das Stromvolumen in der Carotis keineswegs mit der Zahl der Herzschläge zunimmt, so mußte jedenfalls, wenn nicht beide, so doch die eine der betreffenden Annahmen unrichtig gewesen sein. Aus Dogieh Versuchen ging ferner auch die wichtige Tatsache hervor, daß zwischen der Menge des Blutes, welche aus der Aorta in die Carotis abfließt, und dem Druck, unter welchem es dort steht, keine direkte Proportion besteht, und daß in zahlreichen Fällen statt einer direkten eine umgekehrte Proportion zwischen dem Druck in den Arterien und der Ausflußmenge aus denselben stattfindet. Um die Stromgeschwindigkeit in verschiedenen Arterien zu untersuchen, bestimmte Dogiel unter Anwendung zweier Stromuhren dieselbe gleichzeitig in der Carotis und der A. cruralis. Weder bei verschiedenen Tieren, noch bei einem und demselben Tiere fand sich eine feste Proportion zwischen den Blutmengen, welche durch die beiden Gefäße abfließen. So war in zweien seiner Versuche die mittlere Geschwindigkeit in der Carotis um das 4- bis 5fache größer als in der Cruralis; in einem anderen Versuch aber umgekehrt die Geschwindigkeit in der Cruralis 2- bis 4mal größer als in der Carotis, und es stiegen und fielen in einem und demselben Versuch die Zahlen ganz unabhängig voneinander. Die Variationen der Blutgeschwindigkeit konnten also nicht von der Schlag- folge des Herzens und dem allgemeinen Blutdruck abhängen, auch brauchten die Blutmengen, welche gleichzeitig aus der Aorta durch verschiedene ihrer Zweige abfließen, nicht notwendig in einem bestinmiten Verhältnis zueinander stehen. 1 Lenz, Inaug.-Diss. Dorpat 1853. 170 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Daraus ergab sich, daß die veränderliche Geschwindigkeit wesentHch von den in den verschiedenen Arteriengebieten augenbHcklich bestehenden Widerständen abhängig sein müßten. Alle diese Erscheinungen zeigten so deutlich wie möglich auf die Einwirkung der Gefäßnerven hin und Dogiel unternahm infolgedessen direkte Versuche hierüber. Trotz Durchschneidung des gleichseitigen Halssympathicus erlangte dennoch die Strömung in der Carotis keine Gleichmäßigkeit und in einzelnen Fällen waren die Variationen so bedeutend, daß sie bei unversehrten Nerven kaum größer hätten ausfallen können. Jedoch schien sich die Geschwindigkeit in der Carotis inniger als vor der Durchschneidung dem mittleren Blutdruck anzupassen. Hier machte sich also offenbar der Widerstand geltend, der in anderen Gefäß- provinzen stattfand. Direkt wurde dies dadurch erwiesen, daß die Strom- geschwindigkeit in der Carotis bei Reizung des Splanchnicus oder bei Kom- pression der Aorta gleichzeitig mit dem Druck anstieg, sowie daß bei einer durch Depressorreizung erzielten Druckabnahme auch die Geschwindigkeit in der Carotis herabsank. Wenn die eine Carotis gebunden wird, so nimmt die Geschwindigkeit in der anderen kompensatorisch zu, insbesondere, wenn der gleichseitige Halssympathicus durchschnitten ist. Bei unversehrtem Halssympathicus zeigt die Stromstärke in der Carotis kein konstantes Verhalten; sie nimmt allerdings während der Zeit, in welcher die andere Carotis geschlossen ist, sehr oft zu, kann aber dabei auch abnehmen, indem der Einfluß der Bindung der anderen Carotis durch die Gefäß- nerven maskiert wird (Nicolaides^). Als prinzipielles Resultat ging aus der Dogielschen Untersuchung hervor, daß die Geschwindigkeit des Blutes in einem und demselben Arterienstamm großen und rasch wechselnden Veränderungen unterworfen ist, trotzdem daß die Schlagfolge des Herzens und der mittlere Blutdruck immer gleich geblieben waren. Dies hängt, wie Dogiel ausführt, damit zusammen, daß zwar fort und fort in jeder Zweigbahn der Aorta die Geschwindigkeit schwankt, daß aber in dem Augenblick, wo in einer Summe von Bahnen die Geschwindigkeit abninmit, sie in einer anderen Summe derselben entsprechend zunimmt. Nur hierdurch kann das Gleichgewicht zwischen Zu- und Abfluß erhalten bleiben, wie es der konstante Blutdruck ver- langt. Durch diese höchst künstliche Steuerung zwischen vielen einzelnen Stücken wird erzielt erstens, daß die arbeitenden Organe mehr Blut als die ruhenden Organe bekommen, und zweitens, daß die Blutmenge, trotz ihrer Kleinheit, doch für alles genügt. Angesichts der hier hervorgehobenen Umstände ist es nicht möglich, aus den von Dogiel mitgeteilten Beobachtungen Mittelzahlen zu berechnen, und ich will daher nur bemerken, daß die hier gefundenen maximalen Grenzwerte bei Hunden im allgemeinen zwischen 733 und 166 und bei Kaninchen zwischen 566 und 94 mm in der Sekunde lagen. Aus Tschuewskyi^ Versuchen an der Carotis des Hundes stellt sich, bei un- versehrten Nn. vago-sympathici, eine mittlere Geschwindigkeit zwischen 385 und 107 mm heraus. 1 Nicolaides, a. a. O., 1882, S. 174, 2 Tschuewsky, Arch. f. d. ges. Physiol., 97, S. 210; 1903. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 3. Der arterielle Blutdruck usw. 171 Mit seinem Hämotachonieter fand Vierordt^ bei Hunden in der Carotis eine Geschwindiü;keit von 106 bis 342 mm. Auf der Höhe der Systole war die Geschwindigkeit in der Carotis eines Hundes 297, auf der Höhe der Diastole 215 mm und in der A. cruralis eines anderen Hundes bzw. 203 und 127 mm (Vierordt'^). Am Hunde hat ferner Cybulski^ einige Versuche ausgeführt, aus welchen hervor- geht, daß die Geschwindigkeit in der Carotis während der Systole 238 bis 248 mm, während der Dikrotie 225 bis 248 und während der Diastole 127 bis 156 mm be- trägt. Die Durchschneidung des Vagus am Halse steigerte die systolische Ge- schwindigkeit von 238 auf 440, die diastolische von 177 auf 425 mm. Die von Chauveau, Bertolus und Laroyenne^ am Pferde ausgeführten Ver- suche ergaben in der Carotis bei unversehrten Nerven für die Systole 520, für die Dikrotie 220 und für die Diastole 150 mm. Bei einem Tiere, an welchem der Hals- sympathicus durchschnitten war, betrug die Geschwindigkeit während der Systole 750, während der Dikrotie 370 und während der Diastole 240 mm. Beim Fressen steigerte sich die Geschwindigkeit bei der Diastole auf 1200, bei der Systole sogar auf 1570 mm, alles unter der Voraussetzung, daß die Ausschläge des Hämodromo- graphen die Geschwindigkeit und deren Veränderungen richtig wiedergaben. Geschwindigkeitsmessungen an anderen Arterien sind sehr spärlich.'^ Beim Pferde war in den Versuchen von Chauveau und seinen Mitarbeitern^ zu Ende der Diastole die Geschwindigkeit in der Carotis unbedeutend, in der A. facialis ziemlich groß. Beim Beginn der Systole nahm sie in jener beträchtlich, in dieser verhältnis- mäßig wenig zu. Der Zuwachs der Geschwindigkeit, welcher während der dikro- tischen Erhebung stattfindet, ist in der Carotis viel größer als in der A. facialis. In der Cruralis fand Vierordt an acht Hunden eine Geschwindigkeit von 128 bis 237, durchschnittlich 162 mm. Dogieh zwei Versuche ergaben am gleichen Tiere in dem einen Falle eine Geschwindigkeit von 508 bis 206, in dem anderen eine von 76 bis 44 mm. Cybulski beobachtete in einem Versuche eine mittlere Geschwindigkeit von 287 mm, die nach Durchschneidung der Vagi auf 457 mm anstieg; in einem anderen Versuch war die Geschwindigkeit in derselben Arterie bei der Systole 356, während der Dikrotie 300 und während der Diastole 177 mm. In Tschuewskys'^ Versuchen an der gleichen Arterie variierte die mittlere Ge- schwindigkeit bei unversehrten Nerven in 9 Fällen zwischen 39 und 224 mm. Bei den 7 kleineren Tieren betrug sie durchschnittlich 128 mm, bei den 2 großen Hunden aber nur 76 mm. Nach Durchschneidung der Extremitätennerven stieg sie bei den kleineren Hunden im Durchschnitt auf 275 (185 bis 336), bei einem großen Hunde auf 336 mm an. In einer weiteren Versuchsreihe von Tschuewsky^ war die Geschwindigkeit in der A. cruralis in vier Versuchen 200 bis 255 mm; bei tetanisierender Reizung 1 Vierordt, a. a. O., S. 199. - Vierordt, a. a. O., S. 203. 3 Cybulski, Arch. f. d. ges. Physiol., 37, S. 382; 1885. ^ Clxauveaii, Bertolus und Laroyenne, a. a. O., 3, S. 705. ^ Vgl. auch die in Kap. XLVIII zusammengestellten Erfahrungen über die Durchblutung der einzelnen Organe des Körpers. " Chauveau, Bertolus und Laroyenne, a. a. O., 3, S. 706. ' Tseluiewsky, Arch. f. d. ges. Physiol., 97, S. 210; 1903. « Tschuewsky, ebenda, 97, S. 289; 1903. 172 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. der Nerven der hinteren Extremität sank sie bis auf 100 mm (von 202 mm) herab; als Nachwirkung trat eine Beschleunigung auf, wobei die Geschwindigkeit in ein- zelnen Fällen um etwa SO^/q zunahm. Bei intermittierender Reizung stieg die Geschwindigkeit während der Reizung selber und noch mehr nach Aussetzung derselben an, wie z. B. vor 339, während 460, nach der Reizung 507 mm. Eine dritte Versuchsreihe von demselben Autor^ bezieht sich auf die Ein- wirkung einer kurzdauernden Anämie. Bei unversehrten Nerven betrug die Strom- geschwindigkeit vor der Abklemmung in drei Versuchen 39 bis 149, nach derselben 76 bis 255 mm. Wenn die Nerven durchschnitten waren, stieg die Geschwindig- keit auf durchschnittlich 265 bzw. 366 mm; durch die Einwirkung der Anämie wurde sie bzw. 253 und 419 mm. Entsprechende Versuche an der Carotis ergaben durchschnittlich vor der Abklemmung 107, 179, 293 mm, nach der Abklemmung 174, 232, 412 mm. In der A. maxillaris interna beobachtete Volkmann^ beim Pferde eine Ge- schwindigkeit von 232 bis 99, sowie in der A. metatarsea eine von 56 mm. In einem Versuch an der Bauchaorta des Hundes betrug die mittlere Ge- schwindigkeit 346 mm (Nicolls^). Beim Kaninchen fand Jensen"^ in der Carotis interna eine Geschwindigkeit von 102 bis 343, durchschnittlich 172 mm. Am Hunde variierte die Geschwindigkeit in der Nierenarterie zwischen 33 und 355 mm in der Sekunde; sie betrug im allgemeinen etwa 100 bis 200 mm und stieg nach Zufuhr harntreibender Mittel beträchtlich in die Höhe (Landergrcn und R. Tiger stedf>). Soviel ich die Sache übersehen kann, lassen sich vorläufig keine Folgerungen allgemeiner Art aus diesen Zahlenangaben ziehen. Die einzigen direkten Bestimmungen der Stromgeschwindigkeit in der un- geteilten Aorta beziehen sich auf das Kaninchen und stützen sich auf Versuche mit der Stromuhr. Wie aus dem früher Ausgeführten ersichtlich (vgl. III, S. 63), treten hier sehr bedeutende Differenzen auf und man kann bei einem und demselben Versuche Zahlen zwischen 319 und 31 mm in der Sekunde finden. Im Durch- schnitt der maximalen Zahlen in 14 Versuchen war die Geschwindigkeit 194 mm, mit den Grenzwerten 340 und 72 mm.*^ In einer anderen Reihe von 14 Versuchen war das Mittel der Maxima 261 mm, mit den Grenzwerten 370 und 101 mm.^ Wenn wir das Schlagvolumen beim gesunden ruhenden Menschen zu etwa 50 bis 60 ccm und die Pulsfrequenz in der Minute zu 72 schätzen, so ist das Minuten- volumen des Herzens 3600 bis 4320 ccm und das Sekundenvolumen 60 bis 72 ccm. Nach Suter (vgl. I, S. 207) ist der Querschnitt der unter normalem Druck gefüllten Aorta 8 qcm. Dann beträgt die Stromgeschwindigkeit in der Aorta 75 bis 90 mm in der Sekunde. Hermann^, der den Querschnitt der menschlichen Aorta nur zu 4,16 qcm 1 Tsclmewsky, ebenda, 97, S. 303; 1903. ^ Volknmnn, Hämodynamik, S. 195. 3 Nicolls, Journ. of physiol., 20, S. 418; 1896. " Jensen, Arch. f. d. ges. Physiol., 103, S. 171; 1904. 5 Landergren u. R. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 4, S. 241; 1892. « R. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 3, S. 231; 1891. 7 R. Tigerstedt, ebenda, 19, S. 1; 1907. 8 Hermann, Arch. f. d. ges. Physiol., 65, S. 604; 1897. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 173 schätzt, findet dementsprechend, daß die Stromgeschwindigkeit daselbst bei einem Sei T Fig. 384. Nach E. M. Weber. Fig. 385 Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4, Der Arterienpuls. 177 während ein Wasserteilchen, das durch diese Reihe von Wellen in Bewegung gesetzt wird, durch jede Welle etwa 2 Zoll weit in der Richtung nach dem An- fange des Grabens zu fortgerückt wird, d. h. die Wasserteilchen bewegen sich in entgegengesetzter Richtung wie die Wellen. b) Die Wellenbewegung in einem mit inkompressibler Flüssigkeit gefüllten, dehnbaren elastischen Schlauch. Die Wellenbewegung, welche bei einer Veränderung des Druckes in einem mit inkompressibler Flüssigkeit gefüllten, dehnbaren elastischen Schlauch auftritt, wird durch diesen in der Weise fortgepflanzt, daß die bewegte Flüssigkeit die Schlauchwand in einer gewissen Strecke ausdehnt und spannt und der gespannte Teil der Wand die Flüssigkeit bewegt, indem er auf sie drückt und dadurch wieder eine Ausdehnung und Anspannung im nächsten Teile des Schlauches hervorbringt. Ein gespannter Teil der elastischen Wand wirkt nicht unmittelbar bewegend auf den benachbarten Teil, sondern nur mittel- bar durch die inkompressible Flüssigkeit. E. H. Weber hat die Wellenbewegung in einem elastischen Schlauch auf folgende Weise erklärt. Wir denken uns einen von einer Flüssigkeit erfüllten und ausgedehnten elastischen Schlauch (Fig. 386) durch unveränderliche Grenzen, die den Querschnitten des Schlauches entsprechen, in die Röhrenelemente a, b, c, d, e, f, g, h, i geteilt. Der Stempel hat, wie wir annehmen, Wasser aus der un- ausdehnbaren Röhre k in den ausdehn- baren Schlauch a i mit einer anfangs zu- nehmenden und dann abnehmenden Geschwindigkeit hineingedrängt und dadurch den Schlauch so erweitert, daß das in den verschiedenen Röhrenelementen ent- haltene Wasser die durch die Zahl der punktierten Pfeile angedeuteten Geschwindig- keiten angenommen hat. Wenn dann die ringförmigen Teile der Schlauchwand, welche die Röhrenelemente d e umschließen, denjenigen Druck auf das eingeschlos- sene Wasser ausüben, welchen die durch Linien dargestellten Pfeile anschaulich machen, so übersieht man, daß die in den Röhrenelementen e, /, g, h enthaltenen Wasserteilchen in der Richtung / beschleunigt werden müssen, da sie sich selbst in dieser Richtung schon bewegen und infolge des durch die linearen Pfeile an- gedeuteten Druckes in dieser Richtung eine Zunahme der Geschwindigkeit er- halten. Dagegen werden die in den Röhrenabschnitten rf, c, b, a enthaltenen Wasser- teilchen in ihrer Bewegung retardiert, da auf sie in der Richtung k der durch die linearen Pfeile angedeutete Druck ausgeübt wird, welcher der Bewegung ent- gegen ist, in der sich die Teilchen schon befinden. Hierdurch kommt die Flüssig- keit in a im nächsten Zeitmomente zur Ruhe, und die ausgedehnte Schlauchwand dieser Abteilung kehrt zu ihrem ursprünglichen Durchmesser zurück, während in demselben Zeitmomente in der Abteilung i, in welcher bis jetzt keine Bewegung des Wassers und keine Ausdehnung des Schlauches stattfand, das Wasser in Be- wegung gesetzt wird und durch dasselbe die Schlauchwand eine Ausdehnung erleidet; auf diese Weise schreitet die Welle um eine Abteilung in der Richtung fort, welche die punktierten Pfeile angeben. Man übersieht hiernach auch, daß Tigerstedt, Kreislauf. III. 2. Aufl. 12 Fig. 386. Nach E. H. Weber. 1 78 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. sich das Wasser in dem Röhrenabschnitte / anhäufen und die Schlauchwandung noch mehr ausdehnen und dadurch selbst wieder den Druck vergrößern muß, den das ringförmige Stück der elastischen Schlauchwand auf das enthaltene Wasser ausübt, wenn durch den größeren scheibenförmigen Querschnitt zwischen e und / mehr Wasser in die Abteilung / hineindringt, als durch den kleineren scheiben- förmigen Querschnitt zwischen / und g aus / herausdringt. Dasselbe gilt von den Röhrenelementen g und h. Das entgegengesetzte ereignet sich im Hinterteile der Welle in der Abteilung d, in welche durch den scheibenförmigen kleinen Quer- schnitt zwischen d und c weniger Flüssigkeit nach d hineindringt, als durch den scheibenförmigen großen Querschnitt zwischen d und e aus d heraustritt; das- selbe gilt von den Röhrenabteilungen a und b. In entsprechender Weise pflanzt sich auch eine Druckminderung in der Form einer negativen Welle durch einen mit Wasser gefüllten und ausgedehnten elastischen Schlauch fort, wenn er durch Entfernung eines Quantums Wasser plötzlich entspannt wird; gleichzeitig wird der Inhalt des Schlauches in entgegen- gesetzter Richtung bewegt. Man kann derartige, von dem peripheren Ende des Schlauches aus- gehende negative Wellen hervorrufen, wenn man den Schlauch mit Wasser füllt und mit dem Finger sein peripheres Ende verschließt. Wird der Finger abgehoben, so strömt Wasser aus dem Schlauche ab, und eine nega- tive Welle pflanzt sich vom peripheren Ende des Schlauches nach dem zen- tralen fort. Geht ein gleichmäßiger Flüssigkeitsstrom durch einen am peripheren Ende offenen, elastischen Schlauch in zentrifugaler Richtung, so wird durch Unter- brechung des Stromes eine negative Welle erregt, welche sich von der Unter- brechungsstelle gegen das periphere Schlauchende hin fortpflanzt.^ In einem elastischen Schlauch, in welchen Wasser rhythmisch hinein- getrieben wird, entsteht also bei jeder Eintreibung von Wasser eine posi- tive Welle und bei jedem Aufhören der Zuströmung eine negative Welle, welche sich alle beide nach Moens von dem zentralen Ende aus nach dem peripheren Ende hin durch den Schlauch mit einer konstanten Geschwindig- keit fortpflanzen. Diese Geschwindigkeit wird durch folgende Formel aus- gedrückt: ^p-'^]/^' wo Vp der Weg ist, den die Welle in einer Sekunde zurücklegt; g die Beschleunigung der Schwerkraft; e der Elastizitätskoeffizient und a die Dicke der Schlauchwand; d der Durchmesser des Schlauches; /J das spezifische Gewicht der Flüssigkeit; k eine Konstante. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellenbewegung in einem elastischen Schlauch verhält sich also umgekehrt wie die Quadratwurzel aus dem spezifischen Gewichte der Flüssigkeit und aus dem inneren Durchmesser des Schlauches, sowie gerade wie die Quadratwurzel aus der Wanddicke und aus dem Elastizitäts- koeffizienten des Schlauches. Hierbei wird aber vorausgesetzt, daß die Wand- 1 Vgl. Grashey, Die Wellenbewegung elastischer Röhren. Leipzig 1881, S. 26. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 179 dicke gegen den Durchmesser des Schlauches klein und daß die Wellenlänge gegen den Röhrendurchniesser sehr groß ist.^ Bei ihrer Fortpflanzung im Schlauche wird die Welle durch die Reibungs- widerstände, welche jede Bewegung der Wasserteilchen zu überwinden hat, mehr oder weniger verändert. Erstens wird ihr Umfang geringer, und dies um so mehr, je weiter vom Anfangspimkt die Welle beobachtet wird. Zweitens wird die Welle ihrer Form nach deformiert, indem sie einen mehr ausgezogenen Verlauf bekonmit, weniger steil aufsteigt und herabsinkt, je weiter sie sich vom Anfangspunkte fort- gepflanzt hat. ^ Sowohl durch Rechnung als durch direkte Beobachtung hat v. Ki'ies ge- funden, daß, wenn keine Reflexion der Wellen stattfindet und der Schlauch ge- nügend weit ist, der Druck in jedem Punkte des Schlauches der daselbst statt- 1 1 ll Fig. 387. Druck ; Nach V. Ki'ies. Geschwindigkeit. Fig. 3SS. Nach v. Kries. findenden Geschwindigkeit proportional ist, daß also bei einem größeren Druck auch die Geschwindigkeit größer ist, sowie daß speziell das Maximum und das Minimum des Druckes mit dem Maximum und Minimum der Geschwindigkeit zusanmienfallen. Findet man also in einem gegebenen Falle, daß bei Zunahme des Druckes die Geschwindigkeit abnimmt, so liegt darin ein deutlicher Beweis vor, daß eine Reflexion der Welle irgendwo statt- gefunden hat. Wenn periodische Schwankungen des Druckes am Anfange eines engen Schlauches unterhalten werden, so können dieselben jedoch wegen der Reibung nicht mit der Strömung parallel gehen und umgekehrt. Denken wir uns die Geschwindigkeit sprung- weise zwischen zwei Werten wechselnd, wie die ausgezogene Linie in Fig. 387 angibt, so würde der gleichzeitige Druck den durch die punktierte Linie dar- gestellten Verlauf nehmen. Wechselte dagegen der Druck sprungweise zwischen zwei Werten, so würde der Verlauf der Geschwindigkeit nun ein anderer sein, wie dies Fig. 388 zur Anschauung bringt, in welcher wieder die gestrichelte Fig. 389. Nach v. Kries. 1 Moens, Die Pulskurve. Leiden 1878, S. 87f.; — vgl. auch W. Weber, Ber. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss., math.-phys. KL, 1866, S. 353f.; — Resal, Journal des mathematiques, 2, S. 344; 1876; zit. nach Korteweg; — Koiteweg, Ann. d. Phys. u. Chem., N. F., 5, S. 525f.; 1878; — V. Kries, Festschr. d. naturforsch. Gesellsch. zu Freiburg i. B., 1883, S. 67—88; — Gnin- mach, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1888, S. 129f.; — v. Kries, Studien zur Puls- lehre. Freiburg i. B., 1892, S. 6— 7; — O. Frank, Zeitschr. f. Biol., 71, S. 270; 1920. - Vgl. Marey, Travaux du laboratoire, 1, S. 105f. ; 1876; — v. Kries, Studien zur l^ils- lehre, S. 13—14. 12* 180 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Linie den Druck und die ausgezogene die Geschwindigkeit bedeutet. Stellten wir endlich Wellen in der Art her, daß wir die Verbindung des Schlauchanfanges mit einem Druckgefäß abwechselnd öffneten und schlössen, so würde jedesmal während eines Teiles der Periode der Druck, während eines anderen Teiles dagegen die Geschwindigkeit einen konstanten Wert haben. Der Vorgang muß also etwa den durch Fig. 389 dargestellten Verlauf nehmen.^ c. Die Wellenreflexion in einem mit inkompressibler Flüssigkeit gefüllten, dehnbaren elastischen Schlauch. ^ Außer den schon besprochenen Wellen entstehen durch Reflexion neue Wellen, welche die Wellenbewegung im Schlauch wesentlich beeinflussen. Dies findet jedoch nur in dem Falle statt, daß der Schlauch nicht so lang ist, daß die Wellen ganz erlöschen. Ist nun der Schlauch nicht lang genug, um die Welle erlöschen zu lassen, so kehrt die Welle am Ende des Schlauches um und durchläuft als Reflexwelle denselben in entgegengesetzter Richtung. Ist die primäre Welle groß und der Schlauch, welchen sie durchläuft, relativ kurz, so kann die Welle an den Enden des Schlauches wiederholt zurückgeworfen werden und den Schlauch mehrmals durchlaufen, ehe sie erlischt. Um jegliche Zweideutigkeit zu vermeiden, werden wir die vom peripheren Ende gegen das zentrale laufenden Reflexwellen zentri- petale nennen, diejenigen aber, welche vom zentralen Ende des Schlauches re- flektiert werden, zentrifugale. Wenn die Reflexwelle eine Drucksteigerung bedingt, ist sie positiv, im entgegengesetzten Falle negativ. Als primäre Wellen bezeichnen wir, wie bisher, die Wellen, welche dadurch entstehen, daß Wasser in das zentrale Ende des Schlauches hineingetrieben oder von demselben ab- geschlossen wird. Wir nehmen an, daß die Versuchsbedingungen das Entstehen von Reflex- wellen begünstigen. Dann entsteht bei Eintreibung von Wasser in den Schlauch eine primäre positive Welle; am peripheren Ende des Schlauches wird sie als die erste, zentripetale Reflexwelle zurückgeworfen. Diese wird ihrer- seits am zentralen Ende des Schlauches als die zweite, zentrifugale Reflex- welle reflektiert. Durch Reflexion am peripheren Ende des Schlauches entsteht von dieser die dritte, zentripetale Reflexwelle. Und so geht es weiter fort, bis die Welle endlich erlischt, nachdem sie zu verschiedenen Malen reflektiert worden ist. Hiernach strömt das Wasser, ohne eine Wellenbewegung zu zeigen, ununter- brochen durch den Schlauch, bis die Zuströmung in irgendeiner Weise aufhört. Da entsteht an dem zentralen Ende des Schlauches eine negative Welle. Ganz in derselben Weise wie bei der primären positiven Welle wird nun diese am peri- pheren Ende des Schlauches als die erste, zentripetale Reflexwelle zurück- ^ V. Kries, Festschr. d. Freiburger naturforsch. Gesellsch., 1883, S. 69f.; — Studien zur Pulsletire, S. 9f., 14f.; — vgl. auch Hoonveg, Arch. f. d. ges. Physiol., 52, S. 480—482; 1892. - Vgl. Grashey, Die Wellenbewegung elastischer Röhren. Leipzig 1881; — Hoonveg, Arch. f. d. ges. Physiol., 46, S. 132^159; 1889; — v. Kries, Studien zur Pulslehre. Freiburg i. B. 1892; • — Landois, Die Lehre vom Arterienpuls. Berlin 1872; — Marey, Travaux du laboratoirc, 1, S. 87— 122; 1876; — Moens, Die Pulskurve. Leiden 1878; — G. v. Liebig, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1882 S. 193—232; — 1883, Suppl., S. 1—47. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 181 geworfen. Diese wird wiederuin am zentralen Ende des Schlauches als die zweite, zentrifugale Reflexwelle reflektiert usw., ganz wie im eben dargestellten Falle, bis die Welle nach wiederholter Reflexion erlischt. Betreffend die Frage, in welchem Falle die Welle positiv oder negativ ist, gilt folgende Regel: Wenn das Ende des Schlauches, wo die Reflexion stattfindet, vollständig verschlossen ist, so wird die Welle ohne Zeichenwechsel zurück- geworfen, eine positive als positiv, eine negative als negativ. Ist dagegen das betreffende Ende offen, so geschieht die Reflexion mit Zeichenwechsel; eine positive Welle wird als negativ, eine negative als positiv reflektiert. Hieraus folgt, daß, wenn der Schlauch, durch welchen eine positive Welle läuft, an beiden Enden vollständig geschlossen ist, auf eine primäre positive Welle nur positive Reflexwellen folgen. Ist der Schlauch an beiden Enden voll- ständig offen und die primäre Welle positiv, so ist die erste, zentripetale Reflex- welle negativ, die zweite, zentrifugale Reflexwelle positiv, die dritte, zentripetale Reflexwelle negativ usw. Ist dagegen die primäre Welle negativ, so ist die erste Reflexwelle positiv, die zweite negativ, die dritte positiv usw. Ist das zentrale Schlauchende vollständig offen, das periphere geschlossen und die primäre Welle positiv, so ist die erste Reflexwelle positiv, die zweite negativ, die dritte ebenfalls negativ, die vierte positiv, die fünfte positiv, usw. Wenn endlich das zentrale Ende des Schlauches geschlossen, das periphere vollständig offen ist, so ist bei einer primären positiven Welle die erste Reflexwelle negativ, die zweite negativ, die dritte positiv, die vierte positiv usw. Das nachfolgende Schema faßt diese Schlußfolgerungen übersichtlich zu- sammen. Dort bedeutet P die primäre, R die reflektierte Welle; die Zahlen bei R geben die Ordnung der Reflexwellen an; cf bezeichnet eine zentrifugale, cp eine zentripetale Welle; + und — bedeuten, daß die Welle positiv oder negativ ist. A. Der Schlauch an beiden Enden vollständig geschlossen. 1. P+c/: R^ cp^, R^^cp, R^^^cp+, /?^^' c/+ usw. 2. P- cf: R^ cp~, /?" cf, /?"^ cp-, /?^^' cf usw. B. Der Schlauch an beiden Enden vollständig offen. 1. P+cf: R^cp-, R^^cf+, R^^^ cp-, R^"-' cf+ usw. 2. P-cf: R^cp+, R^^cf-, /?™cp+, /?^^c/- usw. C. Das zentrale Schlauchende offen, das periphere geschlossen. 1. P+cf: R^cp^, R^^cf-, R^^^cp-, /?^'^ c/+, R^ cp+, /?^' cf- usw. 2. P-cf: R^cp-, R^^ cf+, R^^^cp+, R^""' cf-, R^\p-, R^'^ cf^ usw. D. Das zentrale Schlauchende geschlossen, das periphere offen. 1. P+c/: R^cp-, R^^cf-, R^^'^cp^, P^^c/+, R''' cp-, R"^^ cf- usw. 2. P-cf: R^cp^, R^^cf+, R^^^cp-, R^"^ cf-, R"^ cp+, R^' cf^ usw. Dies gilt aber nur in dem Falle, daß das Schlauchende vollständig offen oder geschlossen ist. Ist es dagegen nur verengt, d. h. hat dasselbe einen kleineren inneren Durchmesser als der Schlauch selbst, so wird jede primäre positive Welle zum Teil in eine positive und zum Teil in eine negative Reflexwelle verwandelt. Die beiden Reflexwellen entstehen gleichzeitig und laufen gleichzeitig in derselben Richtung durch den Schlauch. Von dem Grade der Verengerung des Schlauch- endes hängt es ab, ob die positive oder die negative Reflexwelle größer ist. Da diese 182 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Reflexwellen gleiche Geschwindigkeit haben und in gleicher Richtung durch den Schlauch gehen, also nicht vorübergehend zusammentreffen, sondern beständig beisammen bleiben, so werden sie untereinander interferieren, und dementsprechend wird nur die größere Reflexwelle zum Vorschein kommen, und zwar verkleinert durch die kleinere. Sind die beiden ungleichnamigen, in gleicher Richtung ver- laufenden Reflexwellen gleich groß, so müssen sie sich durch Interferenz aufheben. Für jedes elastische Röhrenende existiert also ein Verengungsgrad, welcher die Reflexwellen vernichtet,^ In der von Landois aufgestellten Deutung der Pulsforni spielen die sogenannten ,,Elastizitätselevationen" eine hervorragende Rolle. Sie rühren nach ihm von den Schwingungen der elastischen Schlauchwand her. Die Schlauchwand macht vermöge ihrer Elastizität ihre Exkursionen in den Zustand der Dehnung und zurück in den der Verengerung nicht im einfachen ununterbrochenen Zuge, sondern unter Oszilla- tionen, gerade wie das mit Gewichten plötzlich belastete und dann wieder entlastete Gummiband. 2 Daß solche Eigenschwingungen stattfinden können, ist allerdings nicht zu bezweifeln. Die Rechnung zeigt indessen, wie v. Kries bemerkt, daß diese Eigenschwingungen von einer Frequenz sind, welche ihre Wahrnehmung ungemein schwierig machen muß, und daß jedenfalls die betreffenden Schwingungen Landois' in dieser Weise nicht zu erklären sind.^ Vielmehr stellen sie entweder Reflexwellen dar, oder sie sind einfach von Eigenschwingungen des Sphygmographenhebels verursacht.* Wenn ein Schlauch auf einer Strecke ab seine Beschaffenheit stetig ändert, konnte man von vornherein erwarten, daß an jeder Stelle dieser Strecke ein Vor- gang stattfindet, welcher der Reflexion bei einer plötzlichen, aber äußerst geringen Änderung der Beschaffenheit ganz analog ist. Die Folge hiervon muß offenbar die sein, daß schließlich durch Zusammenfügung aller dieser Teilreflexionen eine rückläufige Welle von ähnlichem Betrage entsteht, wie wenn die beiden Stücke nicht durch ab vermittelt, sondern unvermittelt aneinander stießen. Diese Voraus- setzung hat V. Kries experimentell bestätigt. Im Zusammenhang damit steht die Tatsache, daß auch die Reibung zu Re- flexionen führen kann, und dies wird, wie v. Kries hervorhebt, physiologisch von vornherein um so wichtiger erscheinen, als man ja weiß, daß bei dem Übergange von den großen zu den kleinen Gefäßen vor allem der Reibungswiderstand erheb- lich zunimmt. Nehmen wir an, daß ein Schlauch, in dem keine merkliche Reibung stattfindet, an eine Bahn anstößt, in welcher die Reibung sehr bedeutend ist, so entstehen Reflexionen ganz wie bei Veränderung der Weite und der Dehnbarkeit des Schlauches. Um eine Diskontinuität des Widerstandes ohne Wechsel des Querschnittes und der Dehnbarkeit zu bewirken, füllte v. Kries einen Teil eines etwa 12 mm weiten Schlauches mit Wollfäden. Der Gesamtquerschnitt der Woll- fäden betrug höchstens 3 qmm, der des Schlauches 150 qmm. Die Veränderung des Querschnittes war also eine sehr kleine. Dennoch wirkte der eingesetzte Wider- stand in bezug auf die Wellenreflexion ganz ähnlich wie ein Verschluß, obgleich nicht ganz so stark. ^ Als Illustration hierzu sei noch auf die Erfahrungen v. Freys hingewiesen, daß bei einem aus der Aorta und deren Zweigen hergestellten Präparat die Re- flexion der Wellen bei Anwendung von Kochsalzlösung weniger deutlich und auch 1 Grashey, a. a. O., S. 45, 84. 2 Landois, Die Lehre vom Arterienpuls, S. 114. ^ V. Kries, Studien zur Pulslehrc, S. 42. * Vgl. Grashey, a. a. O., S. 147; — Fick, Arcli. f. d. ges. Pliysiui., 49, S. 109— llü; 1891. ^ i'. Kries, Studien zur Pulslehre, S. 22 — 24. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 183 in anderer Weise stattfindet, als bei Blut. D. h. sofern in der Flüssigkeit Körper- chen aufgeschwemmt sind, so können dieselben zu Reflexionen Veranlassung geben, wenn irgendwo der Durchmesser der Röhre auf den Durchmesser der aufgeschwemmten Teilchen herabsinkt. ^ Geht von einem einfachen elastischen Schlauch (Fig. 390) A an irgendeiner Stelle ein Seitenzweig B ab, so dringt jede Wellenbewegung, welche A durchläuft, auch in den Seitenzweig B ein, gleichviel ^^ ^ ob dieser in spitzem oder stumpfem Winkel von A abgeht, ^^ oder ob derselbe weiter oder enger als A ist; mit anderen Fig. 390. Worten: an der Teilungsstelle teilt sich die primäre Welle p in zwei Zweige a und b. Dabei ist es gleichgültig, ob die Wellenbewegung in dem engen oder in dem weiten Schlauch entsteht. Dieser Satz gilt selbstverständlich auch bei mehrfacher Verzweigung, und es läi5t sich also allgemein sagen: Geht von irgendeiner Stelle eines verzweigten Gefäßsystems eine Wellenbewegung aus, so pflanzt sie sich in alle Zweige fort, welche in Kommunikation mit diesem System stehen. Was die Reflexion der primären Welle in einem solchen System betrifft, lehrt Grashey, daß an der Teilungsstelle des Schlauches in der Regel irgendeine Reflexwelle entsteht. Nur wenn für eine gleich große Druckdifferenz die Inhalts- differenz der Längeneinheit der Hauptröhre derjenigen der Zweigröhren gleich ist, unterbleibt das Auftreten von Reflexwellen. Sonst erscheint Reflexion mit oder ohne Zeichenwechsel. Und zwar geschieht die Reflexion ohne Zeichenwechsel, wenn 1 m des Hauptrohres bei einer gleich großen Druckdifferenz eine größere Wassermenge als ein ebensolanger Abschnitt sämtlicher Zweigröhren faßt. Wenn dagegen die Erweiterung, die bei einer gewissen Druckdifferenz bei einem 1 m langen Abschnitt sämtlicher Zweigröhren stattfindet, größer ist als die bei der- selben Druckdifferenz bei der Hauptröhre erscheinende Erweiterung, so wird die Welle mit Zeichenwechsel reflektiert. ^ V. Kries bemerkt, daß diese Darstellung Grasheys nicht ganz korrekt sei, denn die analytische Behandlung des Problemes ergibt als Bedingung dafür, daß keine Reflexion stattfinden wird, daß an der Stelle der Diskontinuität die Querschnitte sich in demselben Verhältnis ändern wie die Fortpflanzungs- geschwindigkeiten. WennQ und P den Querschnitt bzw. den Druck, JQ und AP derer Zunahme, a die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle und a das spe- zifische Gewicht der Flüssigkeit bezeichnen, so findet nach Grashey keine Reflexion statt, wenn der Wert AQj \ P für die beiden Schläuche übereinstimmt, während es in Wirklichkeit erforderlich ist, daß für beide Schläuche die Werte Qla gleich sind. Da nun a = ]/Q- Apl\/a- AQ, so können wir die Bedingung auch so angeben, daß die einer bestimmten Drucksteigerung entsprechende Volumenzunahme nicht für beide Schläuche gleich, sondern den Querschnitten umgekehrt proportional seinmuß.^ 1 V. Frey, Die Untersuchung des Pulses, S. 173 — 175. 2 Grashey, a. a. O., S. 53, 87. 3 Wenn wir mit den Indizes 1 und 2 die beiden Schläuche bezeichnen, so finden wir nämlich vgl. V. Kries, Studien zur Pulslehre, S. 21, 130. 184 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Im Anschluß an diese Frage behandelt y. Kries die folgende: Welche Be- ziehungen müssen zwischen der Weite des Stammes und derjenigen der Äste, der Zahl der Äste und den Wandstärken bestehen, wenn keine Reflexion statt- finden soll? Unter der Voraussetzung, daß die Wände allenthalben aus dem gleichen Material gebildet sind, findet er, daß, wenn der Gesamtquerschnitt bei der Teilung der gleiche bleibt, die Wandstärke sich proportional dem Radius der Einzelgefäße ändern muß. Da bei der Verzweigung der Arterien der Gesamt- querschnitt beständig zunimmt, so müßte, damit keine Reflexion stattfindet, die Wandstärke nicht in dem Maße wie der Radius abnehmen, sondern in den kleinen Gefäßen relativ größer sein.i Durch Interferenz der Wellen, die in verschiedener Richtung das Röhrensystem durchlaufen, kann die Wellenbewegung in jedem einzelnen Punkte desselben wesentlich beeinflußt werden. Zwei Wellen desselben Zeichens verstärken, zwei von entgegengesetzten Zeichen schwächen einander. Im arteriellen Systeme finden sich alle Bedingungen für das Entstehen von primären und reflektierten Wellen und von Interferenz. Die Schwierigkeit liegt nur darin, unter den theoretisch möglichen Wellenbewegungen diejenigen heraus- zufinden, welche die Eigentümlichkeit des Arterienpulses bewirken. Die hierher- gehörigen Untersuchungen werde ich besprechen, nachdem ich zuerst die graphische Registrierung des Pulses erörtert habe. § 127. Der Arterienpuls im allgemeinen. a) E. H. Weben Theorie des Arterienpulses. In einem 1827 herausgegebenen Programm wendete E. H. Weber^ die von ihm und seinem Bruder Wilhelm Weber begründete Wellenlehre auf die Pulstheorie zum erstenmal an. Der Puls ist eine plötzliche Erweiterung der Arterien, die durch den Druck des darin eingeschlossenen Blutes entsteht. Seinerseits entsteht dieser Druck, wenn eine neue Blutmenge in die blutgefüllten Arterien von der Herz- kammer hineingetrieben wird. Da nämlich das in den Arterien eingeschlossene Blut nicht so schnell in die kleineren Äste fließt, wie neues Blut aus dem Herzen herausgetrieben wird, macht jenes Blut dem augenblicklich vom Herzen heraus- getriebenen Blute einen gewissen Widerstand. Infolgedessen übt das Blut einen Druck in allen Richtungen aus, und daher werden die Arterien bei jeder Kammer- systole sowohl verlängert als dem Umfange nach vergrößert, wodurch auch ihre Kapazität zunimmt, so daß sie denjenigen Teil des aus dem Herzen herausgetriebe- nen Blutes fassen können, dem nicht genügend schnell von dem in die Kapillaren und Venen ausweichenden Blute Raum gewährt wird. Wenn das Blut in Röhren mit starrer Wand eingeschlossen wäre, würde der bei der Herzsystole ihm gegebene Stoß mit der Geschwindigkeit des Schalles in dieser Flüssigkeit fortgepflanzt werden und der Druck im ganzen arteriellen System innerhalb einer nicht meß- baren Zeit ansteigen müssen, d. h. die Bewegung würde im distalen Ende des Systems im selben Augenblicke erscheinen, wo die Flüssigkeit in das zentrale 1 V. Kries, ebenda, S. 132. 2 E. H. Weber, De pulsii. Prograninia editum Lipslae d. XX. mens, Nov-. 1827; ab- gedruckt in der Sammlung seiner Programme De pulsu, respiratione, auditu et tactu. Lipsiae 1827, S. 1. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4, Der Arterienpuls. 185 Ende eingetrieben wird. Wegen der Dehnbarkeit der Arterienwand bewirkt aber der Druck des vom Herzen herausgetriebenen Bkites in erster Linie nur eine Er- weiterung der zentralen Arterien. Zufolge ihrer Elastizität streben aber diese Arterien sich wieder zusammenzuziehen, die nächstfolgenden Arterien werden daher durch das vorwärtsgetriebene Blut ihrerseits erweitert, und so geht es weiter fort, so daß eine, wenn auch nur kurze Zeit verstreicht, bis die Welle, d. h. ,,succes- siva sanguinis pressio et arteriarum dilatatio et contractio", nach den entfernteren Arterien gelangt, ganz wie ein ins Wasser geworfener Stein dort eine allmählich fortschreitende Wellenbewegung hervorruft. Um den Puls fortpflanzen zu können, müssen die Arterien mit Blut gefüllt sein, und Arterienabschnitte, die leer sind, müssen zuerst durch die Blutströmung gefüllt werden, ehe sich der Puls dort fortpflanzen kann. Die Strömung des Blutes findet aber, auch wenn sie am schnellsten erfolgt, viel langsamer statt als die Fortpflanzung des Pulses. Um in wenigen Worten seine Auffassung vom Pulse zusammenzufassen, definiert M/cöer ihn als ,,effectus oscillationis propagatae, quae in mem- branis et sanguine arteriarum plenarum locum habet, origi-nem vero a pressione sanguinis e corde propulsi ducit." In dieser kurzen Darlegung ist allerdings die Natur des Pulses in ihren all- gemeinsten Zügen klargestellt, es findet sich indessen hier keine näher durchgeführte Theorie der Wellenbewegung in elastischen mit inkompressibler Flüssigkeit ge- füllten Röhren, und es wurden daher in den folgenden Jahren Versuche gemacht, den Puls und damit in Zusammenhang stehende Erscheinungen in einer von der Weberschen Anschauung mehr oder weniger abweichenden Weise zu erläutern, wie z. B. H. Frey^, von der Vorstellung ausgehend, die Wand der elastischen Röhre bestehe aus zahlreichen, der Länge nach dicht nebeneinander aufgespannten elastischen Saiten, die Wellenbewegung der Flüssigkeit in solchen Röhren her- leiten wollte, und Volkmann^ gegen Webers Satz, die Welle sei nicht eine fort- schreitende Materie, sondern eine fortschreitende Form der Materie, ganz ent- schieden auftrat, indem er ausdrücklich bemerkte, daß, wo die Bewegung eines Fluidums durch elastische Röhren von einer Kraft, ausgeht, welche nicht stetig, sondern stoßweise das zu bewegende Fluidum eintreibt, die Bewegung der Wellen und das Fließen in allen Fällen untrennbare Vorgänge seien, daß also in allen solchen Fällen das Fortrollen der Welle das alleinige Mittel der Fortschaffung des Fluidums darstellt — eine Ansicht, die er unter anderem durch folgende Betrachtung stützen wollte.^ Die Welle verbreitet sich in der Zeit eines Pulsintervalies von der Kammer bis zum entsprechenden Vorhof, ebenso schnell bewegt sich die überschüssige Blutniasse, die Volkmann beim Menschen auf etwa 6 Unzen schätzt. Bestände nun die Blutbewegung ausschließlich im Strömen der von der Kammer entleerten 6 Unzen, so würde in der Tat die Geschwindigkeit der Strömung und die der Pulsbewegung gleich schnell vor sich gehen. Indes bewegt sich die von der Kammer entleerte Blutmenge nicht allein, sondern teilt ihre Bewegung auch der Blutmasse im't, welche bereits vor dem Pulse die Arterien füllte. Natürlich wird sich dann, wie Volkmann anninunt, die Blutmasse im ganzen langsamer bewegen, denn vorausgesetzt, daß die 6 Unzen Blut sich zu der Blutmasse des Gefäßabschnittes, in welchem sie die Bergwelle veranlassen, wie 1 : lU 1 H. Frey, Arcli. f. Anat. u. PhysioL, 1845, S. 132. 2 Volkmann, Hämodynamik, S. 103. ^ Volkmann, ebenda, S. 105. 186 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. verhalten, so wird sich auch die SchneUigkeit der Strömung zur Schnelligkeit der Wellenbewegung wie 1:10 verhalten. Eine 10 mal langsamere Bewegung von 60 Unzen leistet für die Förderung des Fluidums dasselbe, als eine lOmal schnellere Bewegung von 6 Unzen. Nun fand Weber den Zeitpunkt gekommen, seine Anschauungen über die Bewegung des Blutes im Kreislaufssystem näher zu entwickeln. Dies geschah in der Abhandlung, über welche schon in § 126 berichtet worden ist. Zur Würdigung derselben sei hier nur im Anschluß an v. Frey'^ hervorgehoben, wie die von Weber entwickelten Vorstellungen zum großen Teil so sehr in Fleisch und Blut der heutigen medizinischen Generation übergegangen sind, daß der Fortschritt, den die Darlegungen Weber?, bezeichneten, kaum mehr richtig geschätzt werden kann. Ihre Bedeutung wird vielleicht dadurch am besten gekennzeichnet, daß sie seit ihrem Erscheinen zwar mannigfache Zusätze, aber keine wesentlichen Kor- rekturen erfahren hat. Es ist indessen, wie 0. Frank'^ h^mtxki hat, immerhin nicht unmöglich, daß die Wellenlehre nicht mit hinreichender Treue die Erscheinungen beim Kreis- laufe darzustellen vermag. Sie basiert im wesentlichen darauf, daß die Verrückun- gen, welche die einzelnen Teilchen erfahren, verschwindend klein sind. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß dies für die Kreislaufsverhältnisse nicht zutrifft. Die maximale Blutgeschwindigkeit ist in der Aorta nicht unbeträchtlich und sicher weit größer als die mittlere. Es scheint FrönA: daher nicht ohne Wert zu sein, eine Untersuchung daraufhin anzustellen, ob auch dann, wenn die Geschwindigkeit der einzelnen Teilchen von derselben Größenordnung ist, wie die Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Wellen selbst, die Wellenlehrc noch mit hinreichender Treue den Erscheinungen folgt. b) Die Pulsquali täten. Schon die älteren Ärzte widmeten dem Arterienpuls und dessen Variationen unter verschiedenen Umständen eine große Aufmerksamkeit. Im Laufe der Zeit entstand eine große Zahl von Pulsbenennungen, mit welchen die Eigentümlich- keiten des Pulses, die Pulsqualitäten, bezeichnet werden sollten. Alle diese Pulsqualitäten lassen sich auf vier Grundqualitäten zurückführen. Diese sind: die Frequenz, die Größe, die Schnelligkeit und die Härte des Pulses. 1. In bezug auf die Frequenz des Pulses unterscheidet man den häufigen (P. frequens) und seltenen Puls (P. rarus). Diese Ausdrücke bedürfen keiner Er- klärung, 2. In bezug auf die Größe unterscheidet man einen großen (P. magnus) und kleinen Puls (P. parvus). Ein großer Puls ist derjenige, bei welchem die Ex- kursion, welche die Arterie unter dem tastenden Finger macht, groß, ein kleiner, bei welchem diese Exkursion klein ist. 3. In bezug auf die Schnelligkeit unterscheidet man den schnellen (P. celer) und trägen Puls (P. tardus). Unter dem ersteren versteht man einen Puls, bei welchem die Arterie rasch gegen den Finger andringt und ebenso rasch zurückgeht; ^ von Frey, Klassiker der exakten Wissenschaften, Nr. 6. Leipzig 1889, S. 45. 2 0. Frank, Zeitschr. f. Bio!., 46, S. 533; 1905; — vgl. noch Weitz und C. Hartmann. Deutsch. Aich. f. kiin. Med., 137, S. 94; 1921. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 187 ein träger Puls ist der, bei welchem dies weniger rasch geschieht. Alle Momente, welche das Austreiben des Blutes aus dem Herzen erleichtern, begünstigen das Zustandekommen des P. celer. Dieser tritt also hervor, wenn der Widerstand im Gefäßsystem gering ist, wenn das Herz sich schnell entleert und wenn die Ar- terien nach stattgefundener Erweiterung durch die Pulswelle ihre frühere Form rasch wieder annehmen. 4. In bezug auf die Härte des Pulses unterscheidet man einen harten (P. durus) und einen weichen Puls (P. mollis). Unter dem ersteren versteht man den Puls an einer Arterie, welche sich nur schwer mit dem Finger zusammendrücken läßt; das Gegenteil ist der Fall beim weichen Puls.^ Auf diese vier Grundqualitäten lassen sich eine Reihe weiter benannter Puls- qualitäten zurückführen. Wir unterscheiden z. B. einen Pulsus fortis, der nichts anderes ist als ein großer und harter Puls, einen Pulsus debilis, der nichts anderes ist als ein kleiner und weicher Puls, einen Pulsus undosus, d. h. ein großer und weicher Puls, und einen Pulsus contractus, ein kleiner und harter Puls. Man hat weiter einen Pulsus vermicularis unterschieden, einen Puls, der klein und dabei sehr frequent ist; dann unterschied man einen Pulsus plenus und einen Pulsus inanis, gleichsam als ob man mit dem aufgelegten Finger den Füllungsgrad der Arterie direkt messen könnte. Ein Pulsus plenus ist aber im Grunde nichts anderes als ein Pulsus fortis; wenn man einen Unterschied zwischen beiden machen will, so kann man sagen, daß beim Pulsus fortis mehr Wert auf die Härte, beim Pulsus plenus dagegen mehr Wert auf die Größe des Pulses gelegt wird. Ebenso ist der Pulsus inanis wiederum nichts anderes als ein Pulsus debilis; man kann nun wiederum sagen, daß beim Pulsus debilis mehr Wert auf die Weichheit, beim Pulsus inanis mehr Wert auf die Kleinheit des Pulses gelegt wird. Man hat ferner einen Pulsus serratus unter- schieden; das ist ein Pulsus fortis et celer, dessen bildliche Bezeichnung von dem Bilde der Zacken einer Säge herrührt; es erfolgt der Pulsschlag kräftig und dabei plötzlich, mit geschwinder Lokomotion gegen den Finger, als ob die Zähne einer Säge unter dem Finger weggezogen würden. Mit dem Namen des Pulsus vibrans hat man einen Pulsus fortissimus, einen sehr großen und harten Puls bezeichnet, bei dem man mit jedem Schlage eine vibrierende Bewegung unter dem Finger zu fühlen vermeint. 2 An der normalen Arterie erkennt der tastende Finger keinen besonderen Rhythmus, es folgt vielmehr einfach Schlag auf Schlag in annähernd gleichen Intervallen. Alle abweichenden Rhythmen gehören den abnormen Pulsbewegungen an. Unter diesen unterscheidet man mehrere verschiedene Pulsrhythmen. Als aussetzender Puls (Pulsus intermittens) wird der Puls bezeichnet, wenn in einer Reihe sonst mehr oder weniger gleichmäßiger Pulsationen eine plötzlich zu schwach ist, um durch das Tastgefühl erkannt zu werden. Wenn sie wirklich fehlt, nennt man den Puls Pulsus deficiens. Der Pulsus myurus kennzeichnet sich dadurch, daß auf eine große Pulswelle eine Reihe nach und nach stets kleiner werdender Schläge folgt. Erscheint in einer Reihe an sich ungefähr gleich großer und gleich dauernder Pulse ein oder anderer kleiner Pulsschlag wie eingeschoben, so wird dieser Puls 1 Vgl. Rollen, Handb. d. Physiol., 4 (1), S. 251—255. 2 Vgl. Brücke, Vorlesungen über Physiol., 4. Aufl., 1. Wien 1885, S. 159. 188 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. mit dem Namen Pulsus intercurrens bezeichnet. Wenn nach einem normalen Schlage ein größerer zweiter anhebt, sodann ein noch größerer dritter usw., so heißt der Puls Pulsus incidens.^ c) Die graphische Registrierung des Arterienpulses. Bei der allgemeinen Besprechung der Wellenzeichner habe ich schon (I, S. 107) die ersten Anfänge der Registrierung des menschlichen Pulses und Machs Kritik des von Marey gebauten Sphygmographen erwähnt. Es ist indessen notwendig, die Leistungsfähigkeit der Pulsschreiber in diesem Zusammenhang etwas eingehen- der zu erörtern. Marey^ versuchte die Zuverlässigkeit seines Sphygmographen dadurch zu prüfen, daß er den Puls mit einem besonderen Instrument aufnahm, ohne ihn zu vergrößern. Dabei waren natürlich die Eigenschwingungen auf ein Minimum reduziert. Die solcherart erhaltenen Kurven hatten nichts- destoweniger dasselbe Aussehen wie die in der gewöhnlichen Weise registrierten Pulskurven. Zu dem gleichen Zwecke befestigte Czermak^ an der Haut über der Arterie einen äußerst kleinen Spiegel, der einen Lichtstrahl auf die gegenüberliegende Wand reflektierte, und konnte auf diese Weise die Pulsbewegung ohne Anwendung eines Schreibhebels sichtbar machen. Steiii^ und Bernstein^ photographierten die so erhaltenen Pulsbilder; die Photogramme stimmten in allem Wesentlichen mit den Pulskurven Mareys, überein.'' Der direkte Sphygmograph leidet jedoch an einem Übelstand, der nähere Untersuchungen über den Puls nicht unerheblich erschwert. Es ist nämlich nicht möglich, mit demselben eine längere, ununterbrochene Reihe von Pulsationen aufzuzeichnen, weil das Papier, auf welches die Registrierung geschieht, eine gewisse, verhältnismäßig geringe Länge nicht überschreiten kann. Dazu kommt noch, daß man den direkten Sphygmographen nicht an allen Arterien applizieren kann, wie es auch sehr schwer oder unmöglich ist, mit ihm die Pulsationen zweier oder mehrerer Arterien oder den Arterienpuls und den Herzstoß gleichzeitig und auf dieselbe Oberfläche zu schreiben, was doch für viele hierhergehörige Fragen von sehr großer Bedeutung ist. Zu diesen Zwecken ist der in Übereinstimmung mit dem oben beschriebenen Kardiographen konstruierte Sphygmograph mit Lufttransport und re- gistrierender Trommel sehr wertvoll. Der erste Apparat dieser Art wurde von 1 Vgl. Landois, Die Lehre vom Arterienpuls, S. 249. ■' Marey, La circulation du sang, S. 257, 708. 3 Czennak, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., math.-naturw. KL, 47 (2), S. 438 bis 442; 1863. * Stein, Das Licht. Leipzig 1877, S. 319; zit. nach Marey, La circulation du sang, S. 702. ■' Bernstein, Fortschritte d. Medizin, 1890, S. 130; — diese Methode wurde auch von Olun, Münchener med. Wochenschr., 1910, S. 243, gelegentlich benutzt, aber bald wieder ver- lassen. 8 Landois, Arch. f. d. ges. Physiol., 9, S. 71 f.; 1874, fing das aus einem kleinen Loch in einer Arterie herausströmende Blut auf die rotierende Trommel eines Kymographions auf und erhielt bei jedem Herzschlag eine Kurve von ganz demselben Charakter wie die gewöhnliche Pulskurve. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 189 Brondgeest^ konstruiert; später sind ähnliche Apparate von mehreren anderen Autoren benutzt worden.^ Es bietet in der Tat keine Schwierigkeit, eine aufnehmende Lufttrommel an eine oberflächlich verlaufende Arterie anzulegen und sie mit der Schreibtronmiel in gewöhnlicher Weise zu verbinden. Je nachdem die eine oder die andere Arterie benutzt werden soll, werden verschiedene Apparate verwendet, um die Aufnahme- trommel an dem richtigen Orte zu befestigen. Nur muß, wie beim Kardiographen, durch eine im Innern der Trommel angebrachte Spiralfeder dafür gesorgt werden, daß die Trommel einen <2:enügend starken Druck auf die Arterie ausübt.^ Durch die soeben erwähnten Versuche war indessen noch lange nicht dar- getan, daß der Sphygmograph die Pulsbewegung in allen ihren Einzelheiten richtig wiedergab, auch konnte unter der großen Menge verschiedener Modelle des Instrumentes einige mehr, andere weniger zuverlässig sein."* 0. Frank unterzog daher im Zusammenhang mit seinen übrigen theoretischen und experimentellen Untersuchungen über die Wellenzeichner auch die wichtigsten Modelle des Sphygmographen einer eingehenden Prüfung. Die Resultate derselben sind der Hauptsache nach folgende. Theoretisch ist der Sphygmograph gleich der Registrierkapsel eines Membran- Federmanometers. Der elastischen Membran analog wirkt die vom Blutdrucke prall gespannte Gefäßwand nebst den umliegenden Weichteilen; die mit Feder- druck darauf gepreßte Pelotte entspricht der auf die Gummimembran aufgeklebte Platte. Dem Sphygmographen gehört also nicht allein das Instrument an und für sich, sondern auch die Gefäßwand nebst den benachbarten Geweben. Die Treue, mit welcher das Instrument den Blutdruck verzeichnet, ist von der Zahl oder Dauer der Eigenschwingungen und deren Dämpfung durch die. Rei- ^ Brondgeest, Onderzoekingen gedaan in het physiol. Laborat. d. Utrechtsche Hooge- school, derde Reeks, 2, S. 326; 1873. ^ Vgl. in dieser Hinsicht Marey, Travaux du laboratoire, 1, S. 343; 1876; ■ — La circu- lation du sang. Paris 1881, S. 222; — Mathieu und Meurisse, Archives de Physiologie, 1875, S. 257; — Gninmach, Berliner klin. Wochenschr., 1876, S. 473; — Knoll, Prager med. Wochen- schrift, 1879; — Klemensiewicz, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., math.-naturw. KL, 74 (3), S. 487; 1876; — Keyt, Sphygmography and cardiography. New York 1887, S. 4—26; — Edgren, Skand. Arch. f. Physiol., 1, S. 76; 1889; —Frank, Münchener med. Wochenschr., 19Ü4, Nr. 42; — R. Tigerstedt, Hygiea, Festband, 1908, Nr. 3 (schwedisch); — Limdsgaard und Beyer- holm, Bibliotek for Läger, 1921 (dänisch). 3 Über die Prüfung des Lufttransmissionsverfahrens, vgl. I, S. 113. * Verschiedenartige Modifikationen des Sphygmographen sind von vielen Autoren be- schrieben. Das folgende Verzeichnis macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Mach, Sitz.- Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., math.-naturw. KL, 47 (2), S. 53—56; 1863; — Garrod, Journal üf anat. and physiol., 5, S. 399; 1872; — Biirdon-Sanderson, Handbook of the sphygmograph. London 1867; — Foster, Journal of anat. and physiol., 1, S. 62; 1867; — Thanhoffer, Zeitschr. f. Biologie, 15, S. 69; 1879; — Baker, British med. journ., 1867, S. 604; — Longuet, Bull, de l'Acad. de medecine, 33, S. 962; 1868; — Landois, Die Lehre vom Arterienpuls. Berlin 1872, S. 70; — Sommerbrodi , Ein neuer Sphygmograph. Breslau 1876; — Zeitschr. f. klin. Med., 10, S. 193; 1885; — Schliep, Berliner klin. Wochenschr., 1880, S. 741 (Dudgeons Sphygmograph); — Ludwig^ s. bei v. Frey, Die Untersuchung des Pulses. Berlin 1892, S. 23; — v.Frey, ebenda, S. 24; — Vaughan, British med. journ., 1888 (2), S. 1379; — v. Bosch, Zeitschr. f. klin. Med., 2, S. 654; 1881;— Behier, Bull, de l'Acad. de medecine, 33, S. 176; 1868; — Brondel, Arch. de med. nav., 31; 1879; — Jaqiiet, Zeitschr. f. Biol., 28, S. 1, 1891; — Korr.-Blatt für Schweizer Ärzte, 1910, Nr. 3. — Vgl. auch die kritische Darstellung O. Franks, Handb. d. physiol. Methodik, 2(4), S. 70; 1911. 190 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. bungswiderstände abhängig. Bei Hebelapparaten, wie dem Sphygmographen, ist die Hauptmasse meistens durch den Hebel gegeben und wird durch die redu- zierte Masse m = ld/a^ (vgl. I, S. 117), d. h. diejenige Masse ausgedrückt, welche, etwa in die Pelotte verlegt, dieselbe Trägheit wie der Hebel besitzen würde. Durch Verteilung der Vergrößerung auf zwei Hebel hat Dudgeon eine starke Vergrößerung mit einer verhältnismäßig geringen reduzierten Masse erzielt. Bei geeigneter Anordnung des Apparates kommen nämlich für die Übersetzung beide Hebel, für die reduzierte Masse aber nur der Schreibhebel in Betracht. Die Schwingungsdauer T ist dann bei Vernachlässigung der Dämpfung =2.|/: Y o^w M E+ e ' wo E den Elastizitätskoeffizient der Sphygmographenfeder, d. h. das Verhältnis einer auf die Pelotte in der Richtung gegen die Arterie einwirkenden Kraft zu der hierdurch bewirkten Verschiebung der Pelotte, und c den der gesamten Weichteile bezeichnen. Das logarithmische Dekrement D beträgt D = ^ • T AM ' Daraus erhalten wir die fiktive Masse // und die fiktive Dämpfung z fji = M/{E + e) und x = KI{E + e). Unter Anwendung dieser Konstanten lassen sich an der mit dem Sphygmo- graphen registrierten Kurve in ähnlicher Weise wie an der mit dem Manometer geschriebenen die nötigen Korrekturen durchführen (Petter^). Zur experimentellen Prüfung des Sphygmographen benutzte Macfi^ folgende Versuchsweisen. Ein beiläufiges Urteil über die Genauigkeit, mit welcher der Sphygmograph Druckvariationen aufzeichnet, ließ sich in folgender Weise erhalten. Der Sphygmo- graph wurde an einem ca. 0,2 m langen mit Wasser gefüllten, an dem einen Ende geschlossenen Kautschukschlauch befestigt. An dem anderen Ende des Schlauches wurden mittels einer Spritze Druckvariationen hervorgerufen und die Bewegungen der Spritze mittels eines am Stempel angebrachten Stiftes registriert. Um zu entscheiden, in welchen Umständen die bei dieser Versuchsweise aufgefundenen Ungenauigkeiten begründet waren, wurden die einzelnen Teile des Instrumentes für sich ohne Anwendung eines Schlauches untersucht. Der Hebel wurde gehoben und gegen eine feste Unterlage fallen gelassen, und zwar entweder unbelastet oder durch Gewichte von 1 — 16 g an seinem freien Ende beschwert, wodurch natürlich das Trägheitsmoment des Hebels künstlich vermehrt wurde. — Die Schwingungszeit der Feder allein oder mit dem Hebel wurde be- stimmt. — Auch wurden die Schwingungen in dem Falle untersucht, wenn das Instrument am Arme geschnallt worden war, jedoch ohne daß die Feder auf eine Arterie drückte. Ferner wurde der Sphygmograph an einen Schlauch appliziert und der Hebel desselben entweder gehoben oder gesenkt und dann plötzlich freigelassen, um 1 Petter, Zeitschr. f. Biol., 51, S. 335; 1908; — Kritische Studie zur Entwicklung des Sphygmographen. Gießen 1906. ^ Mach, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., math.-naturw. KL, 46 (2), S. 168; 1863. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 191 solcherweise die Eigenschwingungen auch unter jenen Umständen zu erfahren, welche bei der Applikation an einem Schlauche wirken. Auch hier wurden die Versuche teils mit unbelastetem, teils mit extrabelastetem Hebel ausgeführt. Der Sphygmograph wurde nach und nach an dem einen Ende eines Schlauches von 3,2—0,06 m Länge appHziert, während am anderen Ende durch plötzliches Niederdrücken, Liegenlassen oder Abheben eines Holzstückchens eine Welle er- zeugt wurde. Auch hier wurde der Hebel abwechselnd belastet oder frei gelassen. Wäre die Periode der registrierten Schwingungen durch das Instrument bedingt, so müßte sich diese mit der Belastung ändern. Endlich wurde noch untersucht, wie sich das Instrument gegen Druckvaria- tionen ohne Anwendung eines Schlauches verhalte. Das Instrument wurde so befestigt, daß die Feder sich frei bewegen konnte. An derselben hing an einem längeren Faden ein Bleigewichtchen. Es wurde dann das Gewichtchen mit der Hand von unten rasch aufgefangen oder auch langsam gesenkt, bis der Faden fast angespannt war, und dann plötzlich losgelassen. Wie ersichtlich, stellen diese Prüfungsweisen eine unmittelbare Anwendung der Theorie dar. Eine Art, den Sphygmographen auf der Arterie zu prüfen, wird von v. Frey^ beschrieben. Man setzt die Pelotte des Sphygmographen zuerst ganz lose auf die pulsierende Stelle und macht dann schrittweise die Berührung durch Anziehen der Spannungsschraube immer inniger. Man erhält so eine Reihe von Puls- kurven, welche anfangs an Höhe zunehmen, bei einer gewissen Spannung am größten sind und weiterhin wieder abnehmen, bis der Druck so stark geworden ist, daß der Puls ihn nicht mehr überwinden kann. Vergleicht man zwei Puls- kurven von verschiedener Höhe, also von verschiedener Federspannung unter- einander, so findet man sie in allen wesentlichen Merkmalen übereinstimmend, wenn der Sphygmograph zuverlässig ist. Da nun eine mittlere Federspannung die größten Kurven liefert, so muß es Kurven gleicher Höhe, aber verschiedener Spannung geben. Nun sind Pulskurven mit kleinen Ordinaten stets zuverlässiger als große, und starke Federspannungen gewährleisten die gleichmäßige Berührung sicherer als schwache, daher soll eine vorsichtige Pulsschreibung immer von mög- lichst starken Drücken ausgehen, um dann zum Zwecke der Vergrößerung der Ordinaten die Spannung so lange zu vermindern, als dies ohne störende Deformie- rung möglich ist. Durch Bestimmung der Konstanten verschiedener Sphygmographen, wie auch durch experimentelle Prüfung derselben hat Petter^ ihre Leistungsfähigkeit näher aufgeklärt. In der folgenden Tabelle sind diese Konstanten — Schwingungs- zahl auf der Arterie (N), reduzierte Masse (M), Elastizitätskonstante des Sphygmo- graphen allein (E) und auf der Arterie {E + e), Dämpfungskonstante {K), die Kraft, mit welcher der Hebel in der Ruhelage hängen bleibt (ir), maximaler Pe- lüttendruck (P), Hebelübersetzung (y) — sowie auch die Güte des Instrumentes angegeben. Als Güte bezeichnet Franko das Produkt aus der Empfindlichkeit an der Schreibspitze (g) und dem Quadrate der Schwingungszahl {N); die Emp- findlichkeit an der Schreibspitze ist ihrerseits gleich dem Produkt aus der Hebel- ^ V. Frey, Die Untersuchung des Pulses, S. 30. 2 Petter, Zeitschr. f. Biol., 51, S. 354; 1908. 2 O. Frank, ebenda, 5Ü, S. 316; 1908; — 53, S. 450; 191U. 192 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Übersetzung (v) und der Empfindlichkeit an der Pelotte (7), d. h. der Ausschlag der Feder (/) durch den Druck (p). Also Empfindlichkeit an der Pelotte y :^ fjp'^ Empfindlichkeit an der Schreibspitze « = vy —vf/p; Güte =sN^== vyN^". Die Konstanten verschiedener Sphygmographen. Güte e M E E+ e K U' P Modell in 10-s N in 10^5 g in 106 in 10« in 10» g g V Vierordt 2,35 1,25 1,5 8000 0 0,5 beliebig 25—40 Landois 38 3,9 2,5 2500 0 1,5 — > , 70 Marey I 300 13,0 1,8 300 0,6 2,0 6 20 5 — 50 Marey 11 150 9,3 1,8 450 0,1 1,5 6 24 6 180 60 V. Frey 360 11,0 3,0 450 0,5 2,0 9—35 2,5 700 90 Dudgeon 150 9,2 1,8 450 0,2 1,5 4—20 0,5 150 50 Jaqiiet 150 7,0 3,0 2000 3,0 4,0 35 100 5 250 100 140 Frank- Petter 3000 32,0 3,0 25 0,1 1,0 0,5 3 0,1 700 50 Wie aus dieser Tabelle ersichtlich, ist die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Sphygmographen sehr verschieden. Merkwürdig ist, daß das erste Modell von Marey zu den allerbesten Sphygmographen gehört: wenn wir von dem neuen Sphygmographen von Frank und Petter absehen, hat keines von den hier auf- genommenen Instrumenten eine so geringe reduzierte Masse und eine so hohe Schwingungszahl auf der Arterie; auch wird seine Güte, trotz der verhältnismäßig geringen Vergrößerung, von keinem späteren wesentlich übertroffen, von den meisten sogar bei weitem nicht erreicht. Ferner zeigt die Tabelle, wie wenig die reine Empirie bei der Konstruktion derartiger Instrumente leistet: selbst Marey verschlechterte in seinem zweiten Modell seinen Sphygmographen erheblich, und von seinen Nachfolgern hat nur v. Frey ein Instrument gebaut, das in bezug auf die Güte das TWar^y sehe etwas übertrifft. Erst der unter stetiger Fühlung mit der Theorie von Frank und Petter'^ kon- struierte Sphygmograph stellt einen wirklichen und großen Fortschritt dar. Seine Güte wird mit 3000 beziffert, seine Schwingungszahl beträgt 32, seine reduzierte Masse 25 g und seine Vergrößerung 50. Petter^ begnügte sich indessen nicht mit der mehr sozusagen theoretischen Prüfung der am meisten benutzten Sphygmographen, sondern nahm noch eine direkte Prüfung derselben vor, indem er mit diesen künstliche Pulse von bekannter Form registrierte. Die mit dem Dudgeonschen Sphygmographen erhaltenen Kurven sind infolge der geringen Dämpfung hauptsächlich durch Eigenschwin- gungen entstellt. Die Führungskurve und die registrierte Kurve entfernen sich fast genau gleichzeitig von der Abszisse und kehren auch gleichzeitig zum Null- punkt zurück; sonst ist aber keine Übereinstimmung zwischen den beiden Kurven zu beobachten, und insbesondere ist zu bemerken, daß die sekundären Erhebungen in den Kurven zeitlich sehr auseinander gehen. i Frank und Petter, Zeitschr. f. Biol., 49, S. 70; 1907. 2 Petter, Zeitschr. f. Biol., 51, S. 361. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 193 Die mit dem Sphygmograplieii 11 von Marey gezeichnete Kurve ist wesent- licli durch zu starke Reibung entsteht und die Kurve hinkt daher inmier nach. Infolge der starken Dämpfung ist ein Auftreten von Eigenschwingungen nicht zu bemerken und die Trägheit der Masse hat hier sogar eine gimstige Wirkung, indem sie über die kleineren Rauhigkeiten hinweghilft. Bei dem Apparate nach v. Frey sind die Kurven gut abgerundet, aber in ihrem ganzen Verlauf verspätet und nach obeji verschoben; die sekundären Wellen sind abgeflacht und erscheinen etwas verspätet auch im Vergleiche mit der primären Welle. Die mit dem Sphygmographen von Jaguet gezeichnete Kurve stellt, wie Petter sagt, eigentlich nur eine Reihe von Eigenschwingungen dar, die sich um die Fig. 391. Radialispuls mit dem Dil dgeo/i sehen Sphygmographen geschrieben. Nach Petter. Fig. 392. Radialispuls mit dem ur- sprünglichen Jaqiietschen Sphj'g- mographen geschrieben. Nach Peiter. Fig. 393. Radialispuls mit dem Marey- schen Sphygmographen II geschrieben. Nach Pefter. Führungskurve herumschlängeln. Infolge der nahen Übereinstimmung der Periode der Eigenschwingungen mit derjenigen der sekundären Wellen in der Führungs- kurve entsteht eine zufällige Ähnlichkeit zwischen beiden Kurven. Die Reibung ist sehr gleichmäßig, weshalb die Druckkurve durch rechnerische Korrektur aus der Sphygmographenkurve ziemlich richtig abgeleitet werden kann. Bei einer Neukonstruktion seines Sphygmo- graphen hat JaqueP die hier gerügten Fehler vermieden. Der Sphygmograph von Frank und Petter zeichnete im Anfangsteil der Kurve einige Eigenschwingungen, eine Folge seiner mini- malen Dämpfung; diese wird indessen auf der Arterie durch die Wirkung des Hautpolsters so groß, daß Eigenschwingungen nicht vorkommen. Der Rest der Kurve zeigt keine merkbare Abweichung von der Führungskurve. Die von den betreffenden Instrumenten geschriebenen wirklichen Sphygmo- gramme des Radialis zeigen Unterschiede, die mit den hier besprochenen, bei künstlichen Kurven beobachteten nahe zusammenhängen, wie aus Figg. 391—395 hervorgeht. So zeichnet sich die Pulskurve Fig. 391 {Dudgeon) durch ihre spitzen, mit Eigenschwingungen durchsetzten Kurven aus. Der Apparat besitzt auf der Ar- terie eine ähnliche Dämpfung wie der Sphygmograph von Jaqiiet, weshalb die Kurven beider oft ähnlich aussehen (Fig. 392). Bei Pulskurven, die mittels des 1 Jaquet, Korr.-Blatt f. Schweizer Ärzte, 1910, Nr. 3. Tigerstedt, Kreislauf. \\\. 2. Aufl. 13 194 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Marey sehen Sphygmographen II erhalten wurden (Fig. 393), sieht man die eckigen, zitterigen, bei kleiner Amplitude stark abgeflachten Kurven, während die mit dem Sphygmographen v. Freys erhaltenen (Fig. 394) im absteigenden Aste mehrere kleine, durch Eigenschwingungen verursachte Diskontinuitäten aufweisen. Flg. 394. Radialispuls mit dem v. Freyschm Sphygmographen geschrieben. Nach Fetter. Fig. 395. Radialispuls mit dem Frank- Fetter ?,Q\\<^n Sphygmo- graphen geschrieben. Nach Fetter. Dagegen bietet die mit dem Sphygmographen von Frank und Fetter geschrie- bene Kurve des Radialispulses (Fig. 295) einen ganz gleichförmigen, nur durch ^^^^^^ die dikrote Erhebung und eine s™'^«" danach folgende sehr seichte Welle unterbrochenen Ver- lauf dar. Das endliche Resultat der experimentellen und theo- retischen Prüfung, die Fetter den hierhergehörigen Instru- menten unterworfen hat, ist also wenig erfreulich: sämtliche Sphygmographen, außer dem Frank- Fetter sehen sowie dem neuen Modell des Jaquetsehen Sphygmographen sind zur Ermittelung der Form des Radialispulses sowie für genauere zeitliche Auswertung der Kurven durchaus unzuverlässig und ungenügend. d) Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Pulses. Schon im Jahre 1734 erwähnte Weitbrecht^, daß er den Carotispuls früher als den Radialispuls fühlte. Diese Angabe wurde aber lange nicht gewürdigt; so wird sie z. B. von Haller erwähnt mit dem Zusatz, daß Weitbrecht zu einem sonderbaren, von den Naturgesetzen abweichenden Resultat geführt worden ist (quem virum in singularem certe, et a recepta naturae lege aberrantem, eventum incidisse necesse est).^ Indessen gibt Haller in einem folgenden Abschnitt seines großen Werkes zu, daß er selber zuweilen ein undeutliches Intervall zwischen dem Herzstoß und dem Radialispuls entdeckt habe (obscuriorem aliquam successionem in corde et carpe nonnunquam percepisse mihi visus sum).^ Weitbrechts Versuche wurden erst 93 Jahre später in vollem Umfange be- stätigt, als E. H. Weber^ zeigte, daß der Puls in der Arteria maxillaris externa, 1 WeitbrecM, Comment. Acad. imp. scient. Petropoiit., 7, 1734—1735, S. 317; gedruckt im Jahre 1740. ^ Haller, Elementa physiologiae corporis humani, 1. Lausanne 1757, S. 447. 3 Haller, ebenda, 2, 1760, 8.242. 4 E. H. Weber, Annot. anat. et physiol. Leipzig 1834, S. 1 ; — Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss., math.-phys. KL, 1850, S. 196. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 195 da wo sie über die untere Kinnlade hinweggeht, stets ein wenig eher, etwa Yg bis V? Sekunde, gefühlt wird, als an der Arterie des Fußrückens, was bei einer Wegdifferenz von 1,32 m eine Geschwindigkeit von 7,9 bis 9,2 m pro Sekunde gibt. Spätere Beobachter haben zu diesem Zwecke die graphische Methode be- nutzt und den Puls an zwei verschiedenen Arterien gleichzeitig registriert. Hier- durch wird die zeitliche Differenz des Pulses in den beiden Arterien bestimmt. Die entsprechende Wegstrecke kann am Menschen nur approximativ geschätzt werden, der hierbei entstehende Fehler wird aber, angesichts der großen Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Pulswelle, kaum von einer größeren Bedeutung sein können. Der besseren Übersicht halber habe ich in folgender Tabelle einige hierher- gehörige, am Menschen gewonnene Zahlenangaben zusammengestellt. Arterien Wegdifferenz; Zeitdifferenz; Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Pulsweile; Autor Meter Sekunden Meter A. maxili. int. A. dorsalis ped. 1 ' J 1 ,320 1 ' 1/ 6 h 7,92—9,24 E. H. Weber, 1827 A. carotis A. radialis 0,094 6,70 Czermak} A. carotis A. dorsalis pedis 0,117 11,16 )> A. femoralis A. dorsalis pedis \ 0,991 0,154 6,43 Landois, 1872.2 A. axillaris A. radialis 0,500 0,087 5,77 >> A. carotis A. tibialis 1,40 0,167 8,4 Moens, 1878.=^ A. radialis A. tibialis 0,85 0,100 8,5 >> A. radialis A. dorsalis pedis 0,64 0,075 8,53 Grashey, 1881.« A. carotis A. radialis 0,63 0,076 8,29 Grunmach, 1879.^ A. carotis A. pediaea 1,25 0,114 10,97 >» A. radialis A. pediaea 0,62 0,05 12,4 )> A. carotis A. radialis 0,58 0,080 7,37 Keyt, 1887.6 A. carotis A. femoralis 0,46 0,070 6,83 >) ^ Czermak, Mitteil, aus d. physiol. Privat-Laborat. in Prag. Wien 1864, S. 40f. Aus den von Czermak gemessenen Verspätungsintervallen hat v. Frey (Die Unters, d. Pulses, S. 127) die Fortpflanzungsgeschwindigkeit unter Annahme mittelgroßer Statur berechnet. 2 Landois, Die Lehre vom Arterienpuls, S. 297—303; 1872. ^ Moens, Die Pulskurve, S. 111. « Grashey, a. a. O., S. 171. •"• Grunmach, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol., Abt., 1879, S. 429f.; — Arch. f. pathol. Anat., 102, S. 570; 1885. Die Berechnung der Pulsgeschwindigkeit in den Versuchen Grun- machs ist von Grashey (a. a. 0., S. 172) ausgeführt. 8 Keyt, Sphygmography and cardiography. New York 1887, S. 41. 13* 196 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Arterien Wegdifferenz; Zeitdifferenz; Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Pulswelle; Autor Meter Sekunden Meter A. carotis i A. radialis j 0,60 0,079 7,63 Edgren, 1889.^ A. carotis i A. radialis J 0,58 0,079 7,32 )> A. carotis i A. femoralis J 0,52 0,084 6,20 ) > A. carotis 1 A. femoralis J 0,52 0,079 6,59 7) A. carotis \ A. dorsalis pedis j 1,20 0,133 9,00 Hoorweg, 1889.2 A. axillaris 1 Oberes Drittel der Wade) 0,83 0,079 10,5 Münzer, 1910.3 A. axillaris 1 Handgelenk J 0,35 0,046 7,6 i> A. axillaris 1 Oberes Drittel der Wade f 0,86 0,075 11,4 > > A. axillaris | Oberes Drittel der Wadej 0,80 0,072 11,1 >» A. axillaris i Handgelenk j 0,40 0,039 10,3 )) A. axillaris ) Oberes Drittel der Wadej 0,88 0,085 10,3 >) A. axillaris \ Handgelenk j 0,40 0,022 18,5 )) A. axillaris 1 Oberes Drittel der Wade J 0,82 0,101 7,92 »> A. axillaris 1 Handgelenk J 0,40 0,021 19,0 >» A. subclavia 1 A. radialis J — 8,3 Fribergcr, 1912.* A. subclavia i A. radialis j • — ■ 8,4 5 A. carotis l A. radialis J 7,9 Weilz, 1921.8 Wenn wir von den Zahlen Landois\ welche nach einer nicht völlig einwand- freien Methode gewonnen sind, absehen, so finden wir, daß die Fortpflanzungs- geschwindigkeit nach den verschiedenen Autoren zwischen 6,2 und 19,0 m in der Sekunde variiert. Diese große Variabilität läßt sich indessen leicht verstehen, da die Faktoren, von welchen die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Pulses abhängen, bei ver- schiedenen Individuen wie bei verschiedenen Arterien eines und desselben Indi- viduums mehr oder minder erhebliche Variationen darbieten müssen. Insbesondere gilt dies von dem Elastizitätskoeffizienten, der ja bei einer und derselben Arterie, je nach ihrer Wandspannung, wechselt; diese Schwankungen 1 Edgren, Skand. Arch. f. Physiol., 1, S. 96—107; 1889. 2 Hoorweg, Arch. f. d. ges. Physiol., 46, S. 132; 1889. 3 Münzer, ebenda, 136, S. 457; 1910. 4 Friberger, Deutsches Arch. f. klin. Med., 107, S. 280; 1912; Mittel von Bestimmungen • an 1 1 männlichen Individuen im Alter von 16 — 33 Jahren. ^ Mittel von Bestimmungen an 11 weiblichen Individuen im Alter von 16^32 Jahren. 6 Weiiz und Hartmann, Deutsches Arch. f. klin. Med., 137, S. 91; 1921. Mittel von 71 Bestimmungen an Menschen mit normalem Blutdruck im Alter über 16 Jahren. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 197 müssen ihrerseits entsprechende Variationen in der Fortpflanzungsgeschwindig- tceit des Pulses hervorrufen. So geben sich die bei Veränderungen des arteriellen Druckes auftretenden Elastizitätsveränderungen in Veränderungen der Fortpflanzungsgeschwindigkeit zu erkennen, wie z. B. in folgenden Bestimmungen von FribergerA Nr. Maximaler Druck; mm Hg Fortpflanzungsgeschwindig- keit der Pulswelle; m/Sek. Grenzwerte Mittel 1 2 3 4 111—130 131—150 151 170 >190 5,5-11,1 8,0—12,0 8,8 13,4 8,6 14,5 9,1 9,8 10,6 11,9 Bei einem und demselben Individuum gelingt es ohne Schwierigkeit durch Veränderung des arteriellen Druckes Veränderungen in der Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Pulswelle hervorzurufen. Wenn bei geschlossener Glottis stark gepreßt wird, so nimmt der Blutdruck im arteriellen System wegen der geringeren Zufuhr von Blut zum Herzen ab. Dabei sank in Versuchen von Moens die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in der Bahn Carotis-Tibialis von 8,4 bzw. 8 m bei ruhigem Atmen auf 7 bzw. 7,3 m; desgl. war die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in der Bahn Radialis-Tibialis bei ruhigem Atmen 8,5, beim Pressen 7,6 m.^ — Ähnliche Versuche von örunmadi ergaben, daß das Intervall Herzstoß-Radialispuls durch Kompression des Brust- kastens von 0,162 auf 0,194 Sekunden zunahm. ^ Aus dem Gesichtspunkte der von Druckveränderungen hervorgebrachten Veränderungen der Elastizität durften auch Martinis^ Beobachtungen über die verschiedene Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Pulses bei dauernder Inspirations- und Exspirationsstellung des Brustkastens zu deuten sein. Bei jener betrug sie 6 m, bei dieser 8 m. Bei einer Ziege wurde durch Vagusreizung Herzstillstand hervorgerufen und dadurch eine starke Drucksenkung erzeugt. Bei den danach erscheinenden Pulsen wurde die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in der Bahn Carotis-Tibialis bestimmt. Sie betrug bzw. 4,5, 4,5, 6, 7,5, 12 und 13,5 m pro Sekunde. Die Fortpflanzungs- geschwindigkeit vor der Vagusreizung war durchschnittlich 11,6m (Moens^). Eine starke Narkotisierung setzt den Blutdruck beträchtlich herab. Dem- entsprechend fand Grunmaclf bei Hunden das Zeitintervall zwischen Herzstoß und Beginn des Pfotenpulses durch die Narkose deutlich vergrößert. Dasselbe war der Fall, wenn die Druckabnahme durch Rückenmarksdurchschneidung erzielt wurde, indem hierdurch das Intervall Herzstoß-Pfotenpuls von 0,195 auf 0,243 Sekunde zunahm. 1 Friberger, a. a. O., 107; S. 289. 2 Moens, Die Pulskurve, S. 111. =1 Grunmach, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1879, S. 433. 4 Martini, ebenda, 1891, S. 169. ^ Moens, Die Pulskurve, S. 112. 6 Grunmach, a. a. 0., 1879, S. 425.- 198 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Andererseits rief die mit einer Rückenniarksreizung verbundene starke Steigerung des Blutdruckes eine Abnahme des betreffenden Intervalles von 0,238 auf 0,136 Sekunde hervor. Ferner haben Hohe und Rihl^ bei der Katze und dem Kaninchen beobachtet, daß die Zeit zwischen dem Beginn der Herzkontraktion und dem Erscheinen des Carotispulses durch Blutentziehung und durch Vagusreizung sowie bei der Dyspnoe selbst nach Ausschaltung der Vagi und bei einer Extrasystole zunimmt, dagegen bei der Reizung des Accelerans abnimmt. In jenen Fällen ist der Blut- druck und die Wandspannung der Arterien herabgesetzt, in diesem erhöht. Übrigens müssen wir einen gewissen Unterschied zwischen dem allgemeinen Blutdruck und dem lokalen Gefäßtonus machen. In der Regel steigt ja der Blut- druck mit zunehmendem Gefäßtonus. Vv^enn aber die Gefäße in einem verhältnis- mäßig kleinen Teil des Körpers sich zusammenziehen oder erschlaffen, so wird der gesamte Blutdruck dadurch in keinem erheblichen Grade beeinflußt. Der Elastizitäts- koeffizient der betreffenden Gefäße muß sich aber aller Wahrscheinlichkeit nach dabei verändern und also auch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswelle in dem betreffenden Gefäßgebiet zu- oder abnehmen. Hier würden wir also einem Falle begegnen, wo bei konstantem Blutdruck eine Variation der Fortpflanzungs- geschwindigkeit infolge Tonusveränderungen der Gefäße stattfinden konnte.- Bei einem Versuche von Grunmach finden wir diese Schlußfolgerung in der Tat be- stätigt. Wurde der Arm in Wasser von etwa 40^ C getaucht, so stieg die Puls- verspätung zwischen Carotis und Radialis von 0,070 auf 0,096 Sek.^ Infolge der lokalen Erschlaffung der Arterien stellte sich also eine höchst bedeutende Ver- langsamung der Fortpflanzung dar. Und wir können kaum voraussetzen, daß der betreffende Eingriff irgendwelche bedeutendere Änderung des gesamten Blutdruckes bedingt hätte. Der Einfluß der verschiedenen Arterienelastizität auf die Fortpflanzungs- geschwindigkeit des Pulses geht auch so deutlich wie möglich aus den Erfahrungen bei Kindern und bei Arterienerkrankungen hervor. Bei Kindern soll nach Czermak^ die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswelle deutlich kleiner sein als bei Er- wachsenen. Andererseits sind die Arterien bei der Arteriosklerose nur wenig dehnbar und ihr Elastizitätskoeffizient ist daher sehr hoch. Dementsprechend fand Grunmach bei Arteriosklerose für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit statt 9 und 11 m in einer Sekunde bei der oberen bzw. unteren Extremität die Zahlen 11,5 und 13,8^. Ähnlich hohe Werte fanden sich bei chronischer Nephritis mit Herz- hypertrophie. Auch Edgreif und Münzer'^ beobachteten bei Arteriosklerose und bei Schrumpfniere sehr hohe Werte der Pulsgeschwindigkeit. Die höchste, mir bekannte Zahl für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswelle — 23,2 m in der Sekunde — ist von Münzer bei einem 50jährigen, an vaskulärer Hypertonie und Aneurysma aortae leidenden Mann beobachtet worden. 1 Hohe und Rihl, Wiener klin. Wochenschr., 1913, S. 1149. 2 Vgl. V. Frey, Die Untersuchung des Pulses, S. 137. 3 Grunmach, a. a. O., 1879, S. 433. * Czermak, Prager med. Wochenschr., 1864, Nr. 17; zit. nach dem Jahresbericht. 5 Grunmach, Arch. f. pathol. Anat., 102, S. 572; 1885. Vgl. auch die übrigen daselbst mitgeteilten analogen Beobachtungen. « Edgren, Nordiskt medicinskt arkiv, 20, Nr. 7, S. 40f.; 1888. 7 Münzer, Verh. d. deutsch. Kongr. f. inn. Med., 29, S. 431; 1912. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 199 Die Zahl der Untersuchungen über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Pulses ist indessen zurzeit noch zu gering, um umfassendere Ausblicke zu gestatten. Es ist uns sogar nicht möglich, irgend etwas Bestimmtes darüber zu sagen, wie sich die Geschwindigkeit in verschiedenen Arteriengebieten, bzw. in großen und kleinen Arterien verhält, was u. a. auch dadurch sehr deutlich illustriert wird, daß einige Autoren, wie Czennak, Landois und Grunmach, eine größere Geschwindig- keit in der unteren Extremität finden als in der oberen, andere Autoren, die ebenso genau ihre Versuche machten, das gerade Gegenteil angeben (Keyt, Edgren, Münzer'^). Nur ausgedehntere Untersuchungen können uns den erwünschten Aufschluß hierüber geben. Es ist möglich, daß die Längsspannung der betreffenden Arterien hierbei eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Wie R. F. Fuchs^ nachgewiesen hat=^, ist die aus dem Körper herausgeschnittene Aorta des Hundes um etwa 10 bis 407o kürzer und um etwa 10—57^0 weiter als die Aorta in situ, d. h. in normaler Lage ist die Aorta, auf Grund ihrer Befestigung an der Wirbelunterlage, stark verlängert. Es läßt sich nun immer ein Druck finden, welcher der herausgenom- menen Aorta jener Länge verleiht, welches die vollkommen fixierte bei Nulldruck besitzt und unter dessen dehnender Kraft die Durchmesser für die freie und für die vollkommen fixierte Aorta die gleiche Größe aufweisen. Für die Aorta thoracica der Erwachsenen ist dieser Druck etwa 50—90 mm Hg und also etwas niedriger als der normale mittlere Aortadruck. Bei der Bauchaorta ist dagegen derjenige Druck, welcher als Maß der Längs- spannung der in situ befindlichen Aorta abdominahs des Erwachsenen dienen kann, hoch über dem maximalen Blutdruck gelegen. In den von Fiiclis untersuchten Fällen war ferner die Längsspannung der Carotis größer als die der Brustaorta, aber kleiner als die der Bauchaorta, und die Längsspannung der A. femoralis größer als die der Bauchaorta. Auch bei den Neu- geborenen war die Längsspannung der A. femoralis am größten, dann folgte die Brustaorta, Carotis und Bauchaorta — bei allen war die Längsspannung aber viel geringer als bei dem Erwachsenen. Es ist natürlich, daß diese Umstände auch auf die Fortpflanzungsgeschwindig- keit der Pulswelle einwirken sollen, und daß diese bei stärkerer Längsspannung eines Gefäßes unter sonst gleichen Umständen größer sein muß. Dies wird gewissermaßen dadurch bestätigt, daß die Fortpflanzungs- geschwindigkeit bei den Neugeborenen kleiner ist als bei den Erwachsenen. Und es wäre nicht gerade unmöglich, daß das ungleiche Verhalten der Fortpflanzungs- geschwindigkeit in den oberen und unteren Extremitäten mit individuellen Varia- tionen der Längsspannung der betreffenden Arterien im Zusammenhang stände.* Aus der Fortpflanzungsgeschwindigkeit (h) und der Schwingungszahl (//) läßt sich die Wellenlänge (/.) nach der Gleichung n-/.=^h; l^hln berechnen. 1 Vgl. auch Laubry, Mougeot und Giroux, Arch. des malad, du cceur, 14, S. 49; 1921; zit. nach Berichte, 8, S. 443. 2 R. F. Fuchs, Zentralbl. f. Physio!., 12, S. 465; 1898; — Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1900, S. 120, 126. » Vgl. M. Schmidt, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1909, S. 331. ■* R. F. Fuchs, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1900, S. 151; — vgl. Reuter- wall, Über die Elastizität der Gefäßwände. Stockholm 1921, S. 139. 200 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Wenn wir annehmen, daß bei jeder Kammersystole während 0,2 Sekunde Bhit in die Aorta getrieben wird, so wird die Schwingungszahl gleich 5, und die Wellenlänge bei einer Fortpflanzungsgeschwindigkeit von 8 m in der Sekunde gleich 8/5 = 1 >6 "1- Bei einem erwachsenen Manne beträgt die Wegstrecke vom Herzen bis zu den kleinen Arterien des Fußes höchstens ebensoviel. Unter den gegebenen Voraus- setzungen sind also nur die allerlängsten Arterienbahnen des Körpers lang genug, um eine ganze Länge der Pulswelle aufzunehmen, und das Ende der Pulswelle entsteht in der Aorta erst, nachdem der Anfang bereits zu den peripheren Arterien gelangt ist. § 128. Der zentrale Puls. Die von Chauveau und Mar ey in ihrer Mitteilung vom Jahre 1863 veröffent- lichten Kurven (I, S. 145, Fig. 108) des Aortadruckes beim Pferde zeigen anfangs eine kleine Erhebung (b), die als Ausdruck der Ausbauchung der Semilunarklappen während der Verschlußzeit der Kammer aufgefaßt wird; dann folgt der steile An- stieg, der mit einer kleinen Undulation in das sanft aufsteigende Plateau übergeht. Fig. 396. Kurve des Aortadruckes beim Pferde. N&ch Chauveau. Von links nach rechts zu lesen. Das Ende der Systole gibt sich durch eine steile Senkung zu erkennen. Diese wird durch eine kurzdauernde Drucksteigerung (c), die ich vorläufig als den Doppel- schlag (die Dikrotie) bezeichnen werde, unterbrochen, worauf die Kurve allmählich auf das diastolische Minimum herabsinkt. In seinen viele Jahre später mit demselben Instrumentarium an dem gleichen Tiere ausgeführten neuen Untersuchungen über die Druckverhältnisse im Herzen und in den großen Gefäßen teilt Chauveau'^ noch eine große Zahl Kurven des Aorta- druckes mit, welche alle mit den früher veröffentlichten sehr nahe übereinstimmen, nur erscheint die Einsenkung vor dem Doppelschlag im allgemeinen noch stärker ausgeprägt und steiler als in den früheren Kurven (vgl. Fig. 396). Fig. 397 zeigt eine Kurve des Aortadruckes beim Hunde, die Fick'^ mit seinem Hohlfedermanometer vom Jahre 1864 registriert hat. Sie erhebt sich anfangs sehr steil, steigt dann in sanfter Krümmung zum Maximum und fällt schließlich langsam auf das Minimum herab. Im ganzen Verlauf der Kurve lassen sich keine Diskontinuitäten bemerken. Fig. 397. Kurve des Aortadruckes beim Hunde. Nach Fick. Von links nach rechts zu lesen. 1 Chauveau, Journ. de physiol., 1, S. 377, 712, 785; 1899; — 2, S. 125; 1900. 2 Fick, Zentralbl. f. d. med. Wissensch., 1864, S. 786; — Ges. Sehr., 3, S. 549. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 201 Das hier benutzte Manometer war zum beabsichtigten Zwecke unzweifelhaft zu träge, was ohne weiteres daraus hervorgeht, daß der damit gemessene Druck in der linken Kammer bei schneller Herztätigkeit zu keiner Zeit den Wert des Aortadruckes erreichte, indem sogar das Minimum des Aortadruckes höher war als das Maxinmm des Kammerdruckes. Bei langsamer Herztätigkeit, wie z. B. bei unversehrten Vagi oder bei Reizung des Vagus stieg dagegen das Maximum des Aortadruckes nicht über den maximalen Kammerdruck, was damit zusammen- hängt, daß das Manometer leichter langsam verlaufenden als schnellen Druck- schwankungen folgte^. Das betreffende Manometer schien auch Fick selber nicht befriedigt zu haben, und er kam daher noch auf das Problem zurück. In seinem neuen Manometer ließ er den Blutdruck auf eine bandförmige Stahlfeder einwirken; anfangs waren alle Leitungen vom Manometer bis zum Gefäß mit Flüssigkeit gefüllt^; später enthielt die eigentliche Manometerleitung nur Luft^. Fig. 398. Kurve des Aortadruckes beim Hunde. Nach Fick. Von links nach rechts zu lesen. Die mit der letzten Modifikation erhaltenen Kurven des Aortadruckes bieten im großen und ganzen dasselbe Aussehen dar, wie die mit dem früheren Mano- meter gewonnenen (vgl. Fig. 398), denn die kleinen sekundären Wellen, die sich in diesen Kurven vorfinden, zeigen nur wenig charakteristische Einzelheiten und scheinen im Grunde nur Eigenschwingungen oder Zitterungen des Schreibhebels darzustellen. Fig. 399. Fig. 400. Kurven des Aortadruckes beim Hunde. Nach Fredericq. Unter Anwendung des Mßr(?y sehen Sphygmoskopes (vgl. oben I, S. 124) bekam Fredericq'^ am Hunde Kurven des Aortadruckes von dem Aussehen, wie die Figg. 399 und 400 zeigen. Sie besitzen ein der Herzsystole entsprechendes Plateau und einen ziemlich scharf hervortretenden Doppelschlag; auf der Höhe des Plateaus findet sich in einigen Kurven eine Anzahl deutlich ausgeprägter systolischer Wellen (Fig. 399), während das Plateau in anderen Kurven fast ohne jede Diskontinuität verläuft (Fig. 400). 1 Fick, Verh. d. physikal.-med. Ges. zu Würzburg, N. F., 4, S. 223; 1873;— Ges. Sehr., 3, S. 575. - Fick, Festschr. f. Riiiecker. Leipzig 1877; _ Ges. Sehr., 3, S. 593. 3 Fick, Arch. f. d. ges. Physioi., 30, S. 597; 1883; — Ges. Sehr., 3, S. 608. 4 Fredericq, Travaux du laborat, 2, S. 111; 1888. 202 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf, V. Frey^ beschreibt die Form des Aortapulses beim Hunde und Kaninchen folgendermaßen. Innerhalb einer Pulsperiode ist der Anstieg des Druckes stets steiler als der Abfall, wodurch die Aortakurve eine unsymmetrische Gestalt in bezug auf die Maximalordinate bekommt. Dabei -zsommFj erreicht der Druck bald nur ein Maximum oder Gipfel, bald deren mehrere (vgl. Fig. 401). Für letztere gilt noch, daß die zu den einzelnen Gipfeln führenden Druckanstiege einander in regelmäßigen Zeitabschnitten folgen und dabei an Umfang stetig abnehmen. Bei langsamer Pulsfrequenz, wie z, B. bei Vagusreizung, trat ein systolisches Plateau in ge- wissen Fällen sehr deutlich auf (vgl. Fig. 402). Unter den in der Kurve des Aortapulses er- scheinenden sekundären Schwankungen konnte die erste bei hohem Druck vor dem Klappen- schluß erfolgen; bei niedrigem Blutdruck schien umgekehrt die erste sekundäre Erhebung erst nach dem Klappenschluß aufzutreten. Kurz, die Fig. 401. Kurve des Aortadruckes zweite Hälfte des Aortapulses besaß einen vom beim Hunde. Nach v. Frey. Sechs Kammerdruck unabhängigen Verlauf und zeigte aufeinanderfolgende Druckpulse bei . , ^ ,^, , ,, -.-i Vagusreizung. Die Kurven mit ihren m der Regel Schwankungen, welche nicht als Anfangspunkten übereinander ge- Klappenschlußwellen gelten konnten, sondern zeichnet. Von links nach rechts zu ,,.,., • r^ Z ■ j •• i- , lesen. wahrschemlich eme Reflexion des ursprünglichen Pulsstoßes darstellten. Von den Kurven des Aortadruckes, die Hürtlile- an Hunden erhalten hat, sind drei in Figg. 403— 405 reproduziert. Fig. 403 stellt den Druck in der Aorta bei langsamem und Fig. 404 bei schnellem Gang der Trommel dar. In Fig. 404 ist vor dem steilen Anstieg der Kurve eine kleine Welle sichtbar, die von Hürthle — 0 0,8 /See •/" •;" if" Fig. 402. Kurve des Aortadruckes beim Hunde. Nach v. Frey und Krehl. Vagusreizung. Von links nach rechts zu lesen. auf die Ausbauchung der Semilunarklappen während der Verschlußzeit bezogen wird. Nach Öffnung der Klappen erreicht der Druck in der Regel in einem Zuge sein Maximum, bildet dann ein der Abszisse etwa paralleles oder langsam auf- steigendes Plateau, sinkt beim Anfang der Erschlaffung des Herzens herab und wird dann durch den Doppelschlag unterbrochen. Auf der Höhe des Plateaus 1 V. Frey, Die Unters, d. Pulses, S. 155; 1892; Physiol., physiol. Abt., 1890, S. 31. 2 Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 49, Taf. III, V, VI; 1891. V. Frey und Krehl, Arch. f. Anat. u. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 203 sind in den meisten Fällen einige regelmäßig verlaufende Wellen superponiert, wie auch der Druckfall nach dem Doppelschlag oft von einer kleinen Welle gefolgt wird. — Ist der arterielle Druck sehr niedrig und die Füllung der Vorhöfe groß, so kann sich die Wirkung der Vorhofsystole auf den Druck in der Aorta geltend machen, wie aus Fig. 405 ersichtlich ist. Fig. 403. Kurven des Aortadruckes beim Hunde. Nach Hiirthl' Fig. 404. Von links nach rechts zu lesen. Fig. 405. Kurve des Acrtadruckes beim Hunde. Nach Hiirthk. \\ — o, Vorhofkontraktion. Von links nach rechts zu lesen. Mittels eines Manometers besonderer Konstruktion erhielten Bayliss und Stärlinge beim Hunde die in Fig. 406 abgebildete Druckkurve der Aorta. Zu Anfang der Systole steigt die Kurve sehr steil an, biegt sich dann zu einem systolischen Plateau um, auf dem drei Wellen superponiert sind. Dann folgt die Diastole: zuerst eine ziemlich scharfe Senkung, dann der Doppelschlag, der hier wie in der Mehrzahl der Kurven von einer zweiten, kleineren Welle gefolgt wird. !!'!''!'!!!!!!!;! ■'PH|!I!|i"!f!lff!i'i!jt'l!! Fig. 406. Kurve des Aortadruckes beim Hunde. Nach Bayliss und Starling. Von links nach rechts zu lesen. Aus dieser Zusammenstellung der wichtigsten Typen der früher veröffent- lichten Aortadruckkurven beim Pferde und Hunde folgt, daß sich diese, wie die von verschiedenen Autoren registrierten Kurven des Kammerdruckes (I, S. 130), im großen und ganzen in zwei Gruppen teilen lassen. In der einen bietet die Kurve nebst einigen, mehr oder minder stark hervortretenden, kleineren Schwankungen einen trapezförmigen Verlauf mit einem der Abszisse etwa parallelen Plateau dar, das seinerseits von einem ziemlich scharf gezeichneten Doppelschlag gefolgt wird. Hierher gehören die von Chauveau und Marey, Fredericq, Hürtlile, Bayliss und ^ Bayliss und Starling, Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., 11, Taf. Fig. 8; 1894. 204 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Staiiing mitgeteilten Kurven. In den Kurven der anderen Gruppe findet der Anstieg zuerst sclinell, dann immer langsamer statt, bis ein Maximum erreicht ist, von welchem die Kurve unter sanfter Schwingung herabsinkt, und zwar lang- samer, als sie hinaufsteigt. Dabei ist sie in ihrem systolischen Teil oft frei von sekundären Erhebungen, während solche im diastolischen Abschnitt vorkommen können, aber nicht notwendig vorkommen müssen {Fick, v. Frey und Krchl). Die von 0. Frank ausgebildete Methodik hat auch betreffend die wahre Form des zentralen Pulses den Streit zwischen den verschiedenen Meinungen ge- schlichtet. Unter Anwendung eines Spiegelmanometers mit der Schwingungs- zahl 105, dessen Ausschläge nach seiner Prüfung nur in extremen Fällen, wenn es sich um die Feststellung äußerster Feinheiten handelte, eine Korrektur nötig hatten, stellte Frank^, zunächst beim Hunde, die tatsächliche Form des Aorta- pulses, wie sie aus den Figg. 407 und 408 hervorgeht, fest. N t An / Fig. 407. ■ Fig. 408. Kurven des Aortadruckes beim Hunde. Nach O. Frank. Die Entfernung zwisclien den weißen Unterbrechungen in den Kurven entspricht einer Zeit von 0,3 Sekunde. Von links nach rechts zu lesen. Der Aortapuls ist demnach durch folgende Eigentümlichkeiten ausgezeichnet. A. Die Vorschwingungen sind zwei an der Zahl. Die erste, längere bezieht Frank aus guten Gründen auf die Vorhofkontraktion. Die dabei in der Kanmier- höhle hervorgebrachte Druckerhöhung muß sich in einer Verschiebung der Aorta- klappen geltend machen und also eine Steigerung des Druckes in der Aortawurzel erzeugen können. Angesichts der geringen Größe der von dem Vorhof bewirkten Drucksteigerung, kann die entsprechende Drucksteigerung in der Aorta nur gering sein und muß um so deutlicher hervortreten, je niedriger der Aortadruck zur Zeit dieser Schwingung ist. Auch ist sie bei hohem Druck überhaupt nicht sichtbar. Einen sehr augenfälligen Beweis dafür, daß die erste Vorschwingung der Vorhofkontraktion entspricht, hat Lohmann'^ geliefert, in dem er zeigte, daß die betreffende Welle aus der Aortadruckkurve verschwindet, wenn man durch Be- pinselung der Atrioventrikulargrenze mit Formaldehyd einen atrioventrikulären Rhythmus, bei welchem Vorhöfe und Kammern gleichzeitig schlagen, hervorruft. Die erste Vorschwingung ist früher von Chauveau und Marey^ am Pferde bei energischer Kontraktion der Vorhöfe (s. Fig. 409 a), sowie von Hürthle (Fig. 405) am Hunde bei niedrigem Aortadruck beobachtet und richtig gedeutet worden. 1 0. Frank, Zeitschr. f. Bio!., 46, S. 478; 1905. 2 Lohmann, Zeitschr. f. Bio!., 59, S. 135; 1912. 3 Chauveau und Marey, Mem. de l'Acad. de medec, 26,8. 43; 1863. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4, Der Arterienpuls. 205 Auch Frangois-Franck^ hat sie beim Pferde und Menschen, nicht aber beim Hunde gesehen; er faßt sie indessen bei diesem als Einwirkung der Jugularis- pulsation auf die naheliegende Carotis auf, und beim Pferde als Ausdruck eines vom linken Vorhof auf die Aorta ausgeübten Stoßes. Die zweite Vorschwingung wird von Frank folgendermaßen erklärt. Die Aortaklappen Fig. 409. Kurve des Aortadruckes beim sind ,nit einer Kraft gespannt, die proportional P'"^-, ,^rna?h''Sfs Z^^^- der Druckdifferenz zwischen Kammer und Aorta ist. Wenn nun bei dem Beginn der Kammerkontraktion der Druck in der Kammer plötzlich sehr rasch zunimmt, muß sich die Klappe nach der arteriellen Seite ausbiegen und also in der Aortawurzel eine Drucksteigerung hervorrufen. Auch diese Schwingung ist früher beobachtet worden, und zwar von Chau- veaii und Marey am Pferde (vgl. I, S. 145 Fig. 108 ö; 111, Fig. 409 W?) und von Hürthle am Hunde (vgl. Fig. 404). Die zweite Vorschwingung stellt also die Dauer der Anspannungszeit dar (vgl. 1, S. 209). B. Im aufsteigenden systolischen Teil der Kurve tritt eine 0,013—0,02 Se- kunde dauernde Schwingung auf (die Anfangsschwingung). Bis zu der Stelle in der Kurve, wo sie erscheint, ist der Druckanstieg außerordentlich rasch, geht von da ab aber wieder langsamer vor sich. Es kann dabei zu einem wirklichen (relativen) Maximum und auch zu einem Minimum kommen, so daß eine deutlich ausgeprägte Zacke auftritt. Es kann auch an dieser Stelle die Schnelligkeit des Hauptkurvenanstieges so stark überwiegen, daß sie die Bildung eines eigentlichen Maximums oder Minimums verhindert. Betreffend die Ursache der Anfangsschwingung bemerkt 0. Frank, daß sie in °einer Wellenreflexion nicht gesucht werden kann, weil die Zeit hierfür viel zu kurz ist. Auch kann sie nicht von einer, durch eine besondere Form der Herz- bewegung bedingten Änderung der Blutgeschwindigkeit herrühren, denn nichts deutet in den experimentell festgestellten Kurven der Volumenänderungen des Herzens im Beginn der Austreibungsperiode auf einen solchen Wechsel in der Geschwindigkeit der Austreibung. Die Anfangsschwingung stellt in der Tat eine Eigenschwingung im Gefäßsystem dar. Ihre Form erleidet durch Wechsel des Blutdruckes gewisse, aber nicht bedeutende Veränderungen. Vor allem ist sie um so ausgeprägter, je rascher und steiler der Hauptanstieg der Kurve erfolgt. Nach Franks Ausführungen wechselt die Dauer dieser Schwingung wahr- scheinlich mit der Größe der Tiere. So ist sie wahrscheinlich beim Menschen länger, vermutlich auch beim Pferde. Dies würde bedeuten, daß entweder die Elastizität des Systems bei diesen größeren Tieren geringer ist als bei den kleineren, oder daß die wirksame Masse bei jenen größer ist als bei diesen. Letzteres ist nach Frank das Wahrscheinlichere. In Kurven des Aortadruckes, wo Hürthle^ die Bewegungen der Aorta mittels eines durch ein Häkchen mit der Wand verbundenen äquilibrierten Schreib- 1 Frangois-Franck, Arch. de physiol., 1890, S. 410. 2 Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 49, Taf. II, Fig. 6a; 1891. 206 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. hebeis registrierte, findet man (vgl. Fig. 410) in dem steil aufsteigenden Aste der Kurve eine Diskontinuität, die aller Wahrscheinlichkeit nach der An- fangsschwingung Franks entspricht. Dasselbe scheint mit einem in gewissen Kurven von Cliauveau und Marey auf- tretenden kleinen Knick der Fall zu sein (vgl. Fig. 409). C. Die Anfangsschwingung bezeichnet nur eine kurze Störung des Druckes in seinen großen Zügen. Im weiteren Verlauf der Kammersystole erscheinen in der Aortakurve Fig. 410. Durchmesserschwankungen der keine Spuren der in den früheren Kurven Aorta descendensthor. beim Hunde. Nach <•- . j m^ n i- • j.- • r i mrthle. Von links nach rechts zu lesen, auftretenden Wellen; diese existieren emfach niclrt. Der systolische Hauptteil steigt entweder fast die ganze Systole stetig an, oder er sinkt, nachdem er sein Maximum erreicht hat, langsam bis zu einer Stelle ab, wo das Absinken rapide beschleunigt wird. D. Nach dem Ende der Systole tritt eine sehr steil verlaufende Drucksenkung ein (die Inzisur). Nach Frank unterliegt es keinem Zweifel, daß diese Drucksenkung durch eine Rückströmung des Blutes nach dem Herzen bedingt ist. Wenn die Aortawurzel in dem Moment, wo das schnelle Absinken beginnt, momentan ohne jeden Zeit- aufwand durch eine feste Scheidewand von dem Herzen abgesperrt würde, so würde von diesem Punkt ab der Druck geradeso wie in dem späteren diastolischen Teil herabsinken. Daß er rascher sinkt, kann nur dadurch bedingt sein, daß das Blut nach dem Herzen hin zurückströmt, was aber nichts anderes ist als der Ausdruck dafür, daß die Erschlaffung des Herzens beginnt. Diese Rückströmung dürfte in folgender Weise zustande kommen. Die Semilunarklappen sind während der Kammersystole nicht gegen die Aorta- wand gedrückt, sondern stehen etwa so, daß ihre Ränder Chorden der Sinus- profile bilden. Außerdem springen, wie Hesse und Krelil nachgewiesen haben (vgl. 1, S. 49), am systolisch kontrahierten Herzen Muskelwülste fast allseitig in das Ostium vor, nur nicht an der vorderen Hälfte der linken Klappe, wo sie fehlen. Oberhalb dieser engen Muskelspalten liegt der weite Raum der Aortawurzel. Beim Aufhören der Kammersystole werden die Semilunarklappen nicht mehr von dem im Herzen noch befindlichen Blute und von den Muskelpolstern unterstützt, und infolgedessen muß das Blut zum Teil nach dem Herzen zu zurück- weichen, was eine Drucksenkung in der Aorta und eine negative zentrifugale Welle im arteriellen System verursachen muß. Der scharfe Einschnitt der Druckkurve, den Frank gefunden hat, kommt bei den früher veröffentlichten Kurven nur in Ausnahmefällen vor; sehr schön erscheint er jedenfalls in der Fig. 409 abgebildeten Kurve von Cfiauveau und Marey. Auch in einer von Bernstein^ mitgeteilten Kurve der Carotis des Menschen ist die Senkung vor dem Doppelschlag ungewöhnlich scharf (vgl. auch Fig. 396). Bernstein, Fortschritte d. Med., 1890, S. 130. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 207 E. Nach der Inzisur folgt ein sofortiges Ansteigen der Kurve zum Doppel- schlag oder nach Franks Terminologie Nachschwingung. Diese ist die Folge des Stoßes, den das zurückweichende Blut gegen die geschlossenen Semilunar- klappen ausübt. F. Am Ende der Systole bzw. während der Diastole treten in der Kurve des Aortapulses einige seichte Erhebungen auf, die nur' bei großer Empfindlichkeit des Manometers mit Sicherheit zu entdecken sind. Nach Frank stellen sie Reflex- wellen dar, die von der Verzweigungsstelle der Aorta in die beiden Iliacae bzw. vom Ende der vorderen Extremität oder vom Eintritt der Carotis in die Schädel- höhle ausgehen. Mit der Inzisur haben sie nichts zu tun. Von anderen Zeichen etwaiger Reflexionen konnte Frank nichts bemerken, und insbesondere scheint es ihm mehr als fraglich, ob durch weitere, gewissermaßen diffuse Reflexionen das Pulsbild in der Aorta beeinflußt wird. Ein großer Teil der Gefäßbahnen kann wegen seiner Länge keine die Form des systolischen Teils des Pulses beeinflussenden reflektierten Wellen führen, und nur von einem sehr geringen Teil könnte also die Form des systolischen Abschnittes, und zwar nur des spätesten, beeinflußt werden. Alle die kleinen Reste der reflektierten Wellen treffen aber zu verschiedenen Zeiten in der Aortawurzel ein; sie können also keine bestimmte Entstellung hervorrufen, sie werden sich alle überdecken, wes- halb der Betrag der Änderung des Pulsbildes nur höchst geringfügig sein kann, und zwar um so mehr, als die Pulswellen durch Reibung und Massenwirkung in den meisten Endigungen der Arterien deformiert anlangen und also noch mehr deformiert als Reflexwellen in die Aorta hineinkommen. Die von den längeren Gefäßbahnen während des diastolischen Teils des Pulses eintreffenden, diffus reflektierten Wellen werden also diesen Teil noch weniger deformieren, als man für den systolischen Teil annehmen kann. Die Arbeiten Franks haben uns Mittel in die Hand gegeben, um die Leistungen der Manometer älterer Konstruktion wie auch die Zuverlässigkeit der mit ihnen geschriebenen Kurven zu beurteilen. Erstens ergibt sich aus diesen Erfahrungen, daß der Druckpuls in der Aorta (zunächst beim Hunde) ein der Abszisse paralleles Plateau darbietet: die Form des systolischen Hauptteils, der wir in den Kurven von z. B. Hürthle und Bayliss-Starling begegnen, ist also im großen und ganzen als richtig zu bezeichnen. Desgleichen sind auch der mehr oder minder steile Abfall, der am Ende der Kammersystole erscheint und welcher unzweifelhaft der Inzisur Franks ent- spricht, sowie der darauf folgende Doppelschlag Ausdrücke tatsächlich vorkommen- der Druckvariationen. In der Regel sind diese Diskontinuitäten indessen wegen der Unzulänglichkeit der benutzten Instrumente sozusagen abgestumpft und treten nicht mit der Schärfe, die uns nunmehr durch Franks Kurven bekannt ist, hervor. Dagegen zeigen die neuen Erfahrungen, daß die bei den allermeisten früheren Kurven des Aortadruckes, wo dieser einigermaßen richtig wiedergegeben wurde, auftretenden systolischen Wellen reine Kunstprodukte sind, indem sie ganz ein- fach Eigenschwingungen des Manometers darstellen. Die Kurven von Chauveau und Marey lehren so deutlich wie möglich, daß beim Pferde der Druckverlauf in der Aorta genau mit dem beim Hunde statt- findenden in allem Wesentlichen übereinstimmt. 208 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Nach Pipers^ Aufnahmen stimmt die Form des Aortapulses bei der Katze mit der der anderen Säugetiere überein (vgl. I, Fig. 109, S. 146). Dasselbe ist, wie aus den Figg. 91, 104 und 112 in Bd. I ersichtlich und zuerst von 0. Frank- nachgewiesen wurde, auch beim Kaninchen der Fall. Aus Versuchen an diesem Tiere'geht weiter noch hervor, daß sich die Form des Aorta- U3 > o 5't; ?r • - ÖD CO P cT O n sä: 3- ■-1 n> 3 crq' > o ■-t I—.- !U O < n 3 3 ^3 on 3 n - 9r'Z 2. n" 3 3 crq Cl m in n -t rn CO t/5 O ffQ .4^ > O _ < .- n ^ 2 <5. O 3 3 O 3- ~ ru 3 ,= ?r „ c/) g 3 3-" -T- ro N 2. = 3 3 ri • n crq 3 ^ Piper, Arch. f 375—377. 2 O. FranA', Zeitschr. f. Biol., 46 ^ O. Frank, ebenda, 46, S. 465. * V. Born, Skand. Arch. f. Physioi., 24 pulses, ganz wie dies nach Frank^ beim Hunde der Fall ist, unter bestimmten Verhältnissen in sehr charakteristischer Weise verändert (y. Born^). Wenn nämlich der Widerstand verhältnismäßig groß ist, befindet sich die Anfangs- schwingung am aufsteigenden Teil der Druckkurve und Anat. u. Physioi., physioi. Abt., 1912, S. 360, 361; — 1913, S. 348ff., S. 464. S. 140; 1911. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls, 209 diese erreicht nacliher in mehr oder minder steilem Verlauf ihr Maximum (vgl. Fig. 411). Die während oder unmittelbar nach der Vagusreizung aufgenommenen Kurven haben einen wesentlich anderen Charakter, indem der Anstieg"sehr steil erfolgt, so daß die Anfangsschwingung meistens den Gipfel der Kurve bildet (Fig. 413). Dasselbe Aussehen haben auch die bei der unter dem Einfluß der Depressorreizung ausgelösten Drucksenkung auftretenden Pulse (Fig. 412). Fig. 414. Pulskurve der Aorta (? Pulmonalis) des Menschen. Nach R. Tigerstedt. Von rechts nach links zu lesen. Schließlich bietet auch der Aortapuls des Menschen alle die hier besprochenen Eigentümlichkeiten in typischer Ausbildung dar.^ Die in Fig. 414 wiedergegebene Kurve bezieht sich auf den Aortenpuls einer Frau, der wegen eines Karzinomes ein großer Teil der Brustwand entfernt worden war, so daß die Aorta nur von der Haut bedeckt der Untersuchung zugäng- lich war. Die Pulse wurden mittels eines Kardiographen mit Luftübertragung auf- genommen; als registrierende Luftkapsel wurde eine von Sandström gebaute mit Zellu- loidmembran angewendet. Wir finden die erste Vorschwingung {ii), die Intersystole Cliauveaus (/), die zweite Vorschwingung (e), den steilen Anstieg (g), die Anfangs- schwingung (ö), die Inzisur (b), die Nach- schwingung (c) deutlich ausgeprägt. Zum näheren Vergleich mit der Aortadruck- kurve Franks sind beide in Fig. 415 übereinander gezeichnet. Fig. 415. A, die Druckschwankungen in der Aorta des Hundes. Nach O. Frank. B, die Pulskurve der Aorta (? Pulmonalis) des Menschen. Von links nach rechts zu lesen. 1 R. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 20, S. 249; 1908. Tigerstedt, Kreislauf. III. 2. Aufl. 14 210 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Die Dauer der einzelnen Abschnitte der Kurve variiert bei verschiedener Pulsfrequenz und ist in folgender Tabelle zusammengestellt (vgl. I, S. 215). Pulsfrequenz Anspannungszeit Austreibungszeit Kammersystole Kammerdiastole Herzperiode pro Min. Sek. Sek. Sek. Sek. Sek. 75,4 0,052 0,264 0,316 0,480 0,796 79,3 0,051 0,258 0,309 0,448 0,757 82,9 0,051 0,252 0,303 0,421 0,724 88,7 0,049 0,236 0,285 0,391 0,676 92,0 0,050 0,234 0,284 0,368 0.652 Im großen und ganzen haben auch die von 0. Müller und E. Weiss^ an Frauen mit Gastroptose und Diastasis der Musculi recti aufgenommenen Kurven der Bauchaorta, welche indessen wegen der ungünstigen Lage des Gefäßes in den Einzelheiten vielleicht etwas abgeflacht sind, den gleichen Verlauf. In Fig. 416 ist eine solche Kurve reproduziert. Die Anspannungszeit war hier 0,02—0,05 Sekunde. Je größer die Pulsfrequenz ist, um so kürzer ist auch die Dauer der Kammer- systole. Infolgedessen werden die an das Instrument zu stellenden Anforderungen hierbei immer größer, und ein Mano- meter, das bei einer langsamen Herz- tätigkeit ganz zuverlässige Resultate er- gibt, wird jetzt mehr oder minder ver- sagen. Daraus erklärt sich, warum man mit gewissen Manometern bei langsamer Herztätigkeit Aortadruckkurven mit deutlichem Plateau erhält, während die Kurven bei schnellerer Herztätigkeit fast gar keine Andeutung eines Plateaus aufweisen. Auch die Schwierigkeit, mit welcher der Nachweis der Inzisur und des Doppel- schlages bei kleinen Tieren gelingt, gehört hierher. Insbesondere Lolimann^ be- tonte auf Grund von Versuchen mittels eines von Schenck konstruierten und von Isfiihara beschriebenen Gummimanometers^, daß bei kleinen Tieren, wie den meisten Meerschweinchen, der Doppelschlag in der Aortadruckkurve gänzlich fehlen sollte; bei diesen Tieren würde also die Pulskurve ganz glatt, ohne alle Nebenwellen verlaufen. Demgegenüber fand aber Philips^ unter Anwendung des Sphygmoskopes, daß kleine Meerschweinchen und kleine Kaninchen in ihrem Puls den Doppelschlag immer zeigen, daß also die Kurve des Aortadruckes bei diesen Tieren keine prinzipielle Abweichung von der Druckkurve größerer Tiere darbietet. Dasselbe hat C. Tigerstedt sogar an Ratten von 60 g Körpergewicht nachgewiesen (s. Fig. 417). Soviel bis jetzt bekannt, charakterisiert sich die Kurve des Aortapulses also durch folgende Eigentümlichkeiten, unter welchen einige je nach der Empfindlich- 1 0. Müller und E. Weiss, Deutsches Arch. f. klin. Med., 105, S. 327; 1912. 2 Lohmann, Arch. f. d. ges. Physiol., 97, S. 438; 1903; — 103, S. 632; 1904. 3 Ishihara, ebenda, 97, S. 429; 1903. * Philips, Arch. intern, de physiol., 1, S. 78; 1904; — 2, S. 116; 1904. Fig. 416. Pulskurve der Aorta abdominalis einer Frau. Nach O. Müller und E. Weiss. 1. An- fangsschwingung; 2. Gipfel der Kurve; 3., 4. re- flektierte Wellen; 5. Tiefe der Inzisur; 6., 7. Nachschwingungen; 8. erste, 9. zweite Vor- schwingung. Die Strömung des Blutes in den Arterien, 4. Der Arterienpuls. 211 keit des Manometers mehr oder minder deutlich hervortreten (Nr. 1, 2, 4), während andere immer erscheinen, wenn das Manometer zum beabsichtigten Zwecke über- haupt anwendbar ist: 1 . Die Vorhofkontraktion (die 1. Vorschwingung Franks.). 2. Die Anspannung der Kam- mer (die 2, Vorschwingung Franks). 3. Der steile Anstieg nach der Öffnung der Semilunar- klappen. 4. Die Anfangsschwingung Franks. 5. Die Inzisur Franks. 6. Die 1. Nachschwingung Franks. Fig.417. Carotispuls einer Ratte von 80g Körpergewicht, aufgenommen in einer Entfernung von 28 mm vom Herzen. Nach C. Tigerstedt. Von links nach rechts zu lesen. Zeit Vs Sekunde. Alle diese Druckvariationen sind rein zentralen Ursprunges luid stellen, insofern sie sich durch das arterielle System fortpflanzen, die von der Aortawurzel ausgehenden zentrifugalen Wellen im peripheren Puls dar. Reflektierte Wellen scheinen im Aortapuls nur eine ganz unbedeutende Rolle zu spielen. §129. Allgemeines über den, peripheren Puls. Die aus der Aortawurzel stammenden Wellen verändern sich bei ihrer Fort- pflanzung durch das arterielle System, teils unter dem Einfluß der Reibung, teils auch durch Interferenz mit reflektierten Wellen. Dabei ist es natürlich, daß die kleineren und schwächeren Wellen, wie die in den Vorschwingungen und der Anfangsschwingung ausgedrückten Druck- schwankungen, schneller ausgelöscht werden müssen als die größeren Druck- schwankungen, und daß also ein peripherer Puls die allgemeinen Züge des Aorta- pulses auch dann noch darbieten kann, wenn die soeben erwähnten Wellen schon gänzlich verschwunden sind. a) Der periphere Puls beim Kaninchen. Die betreffenden Veränderungen sind am genauesten beim Kaninchen von C. Tigerstedt^ untersucht, und zwar wurden hier statt der Druckvariationen die von ihnen direkt abhängigen Variationen der Gefäßweite dadurch registriert, daß an die freie Oberfläche des von unten unterstützten Gefäßes eine etwa 0,005 mm dicke Glassaite geklebt wurde und dessen Oszillationen bei 300- bis 500 maliger Vergrößerung photographisch registriert wurden. Mittels dieser Methode lassen sich die Volumenvariationen selbst bei den allerkleinsten Arterien tadellos registrieren. ^ C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 36, S. 103; 191G. 14^ 212 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Zur ersten Orientierung sei der von der Carotis aus registrierte Aortapuls besprociien. Die in der Fig. 418 A abgebildete Pulskurve ist in der Weise erhalten, daß die Glassaite auf die Carotis befestigt und das Gefäß peripher davon ab- gebunden worden ist. Infolgedessen stellt nun die Carotis einen blinden Seiten- zweig zu der Aorta dar und die dabei erhaltene Kurve repräsentiert den durch den Einfluß des 55 mm langen Seitenzweiges in einem gewissen, wenn auch nur sehr geringen Grade modifizierten Druckablauf in der Aorta. ^ Fig. 418A. Aortapuls des Kaninchens, von der peripher gebundenen Carotis aufgenommen. Nach C. Tigerstedt. Von links nach rechts zu lesen. In Figg. 418—426 bezeichnet die horizontale schwarze Linie eine Zeit von Vj Sekunde. Auch zeigt sich zwischen dieser Kurve und der typischen Kurve des Aorta- druckes, wie sie von Frank dargestellt worden ist, eine deutliche Übereinstimmung. So finden wir bei a eine Andeutung der ersten Vorschwingung, bei b eine sehr schön ausgebildete zweite Vorschwingung; bei c folgen drei Anfangsschwingungen von abnehmender Intensität, denen sich^ das sehr langsam absteigende Plateau d anschließt; bei e erscheint die Inzisur und bei / die zwei Nachschwingungen. Fig. 418B. Carotispuls des Kaninchens. iNcich C. I igcisfedt. Von links nach rechts zu lesen. Die zeitliche Entfernung vom Anfang der Systole bis zum Ende der ersten Anfangsschwingung beträgt in verschiedenen Versuchen 0,01 1 bis 0,023, die Dauer der zweiten Anfangsschwingung 0,010 bis 0,021 Sekunde. Die Frequenz der Anfangsschwingungen (100 bis 48 pro Sekunde) ist somit von derselben Größen- ordnung wie die der Schwingungen des ersten Herztones. Die Dauer der ersten Nachschwingung beträgt etwa 0,010 bis 0,019. 1 Daß die periphere Bindung der Carotis keine in der Kurve auftretenden Reflexwellen hervorgerufen hat, folgt teils daraus, daß der Ablauf der Kurve nach Bindung der gekreuzten Carotis gar keine Veränderung erleidet, teils daraus, daß angesichts der großen Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Pulswelle die Wegstrecke von 7 mm zwischen dem Orte, wo der Puls auf- genommen wurde, und dem Orte der Ligatur viel zu kurz war, um das Auftreten merkbarer neuer Reflexwellen zu gestatten, teils endlich dadurch, daß die Amplitude der ganzen Kurve durch die periphere Ligatur gar nicht zunahm. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 213 Bei denselben Versuchen war die Dauer der zweiten Vorschwingung (die Anspannungszeit) 0,008—0,024 Sekunde. Die normale Carotiskurve in dem Versuch, dem die jetzt besprochene Aorta- kurve entstammt, ist in Fig. 418 B reproduziert. Wir finden hier die erste (j) und die zweite Vorschwingung (2). Von den drei Anfangsschwingungen in Fig. 418A ist nur eine einzige (j) zurückgeblieben; nach dieser erhebt sich die Kurve zu ihrem Maximum und bildet dabei die erste Plateau Schwingung {4), dem sich im späteren Verlauf des Plateaus die zweite Plateauschwingung (5) anschließt. Die Inzisur (6) ist gut ausgeprägt; nach ihr tritt eine Nachschwingung (7) auf, der dann eine neue, langgezogene Welle folgt. Die wichtigsten Unterschiede zwischen dem Aorta- und dem Carotispuls bestehen also darin, daß in jenem mehrere, in diesem nur eine einzige Anfangs- schwingung vorkommt; sowie daß sich das Druckmaximum in jenem, nicht aber in der Carotiskurve als ein der Abszisse paralleles Plateau darstellt. Die Amplitude der Anfangsschwingung ist in verschiedenen Fällen verschieden groß und, wie es scheint, vor allem von der Geschwindigkeit, mit welcher der augenblickliche systolische Druckanstieg erfolgt, abhängig. Auch kann sie, je nach der Frequenz der Herzschläge, dem Grade der Gefäßkontraktion, dem Vo- lumen des Herzschlages usw., in verschiedener Höhe am aufsteigenden Schenkel der Carotiskurve auftreten. Die Dauer der Anfangsschwingung, vom Beginn der Kurve an gerechnet, beträgt 0,007-0,013 Sekunde. Betreffend das Plateau ist zu erwähnen, daß dasselbe in der Regel von zwei langgedehnten Wellen, der ersten und zweiten Plateauschwingung, ausgefüllt wird; von ihnen kann entweder die erste oder die zweite das absolute Maximum der Kurve bilden; im ersten Falle sinkt das Plateau gegen die Abszisse herab, im zweiten steigt es von ihr in die Höhe. Die Dauer der Nachschwingung variiert in verschiedenen Versuchen zwischen 0,008 und 0,017, entsprechend einer Schwingungszahl von 132 bis 60 in der Sekunde — also von derselben Größenordnung wie die der Schwingungen des zweiten Herz- tones. Die nach der Nachschwingung auftretende lange andauernde und langsam herabsinkende Erhebung, welche in gewissen Fällen, wie in dem Inder Fig. 418B reproduzierten, die Höhe der zweiten Plateauschwingung übertreffen kann, scheint im großen und ganzen eine selbständige Welle darzustellen, die am tiefsten Punkt der Inzisur beginnt, in ihrem Anfang aber wegen des Auf- ^S-Z^^^ ?."'^ der Bauchaorta des Kaninchens. ° * Nach C. Tigemedt. Von links nach rechts tretens der Nachschwingung durch eine zu lesen. Diskontinuität unterbrochen wird. Der Puls der Bauchaorta, 197 mm vom Herzen (vgl. Fig. 419), stimmt in seinem allgemeinen Verlauf mit dem Carotispuls nahe überein, nur sind die se- kundären Wellen hier entweder ganz schwach oder sogar vollständig verschwunden. Die Anfangsschwingung fällt hier mit dem Gipfel der Kurve zusammen; die In- zisur ist gut ausgeprägt und bei der danach folgenden langsam abfallenden Welle kann eine schwache Nachschwingung unterschieden werden. 214 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Die Pulskurven von der A. iliaca ext., inguinalis und femoralis stimmen unter- einander vollständig überein und können daher in einem Zusammenhang be- sprochen werden. Wie aus den Figg. 420—422 ersichtlich, können sie drei verschiedene Typen darbieten, nämlich: 1. Die Kurve steigt schnell auf das absolute Maximum an, sinkt dann wieder etwas langsamer herab und zeigt eine mehr oder weniger deutlich ausgeprägte Dikrotie (vgl. Fig. 420). 2. Die Kurve steigt schnell auf das absolute Maximum an und sinkt sodann langsam bis zum Ende der Diastole herab. An diesem langen absteigenden Schenkel treten die beiden Plateauschwingungen wie die Inzisur sehr deutlich zum Vorschein, während die Dikrotie nur schwach erscheint (vgl, Fig. 421). Fig. 420. Puls der A. femoralis des Kaninchens. Nach C. Tigerstedt. Von links nach rechts zu lesen. Fig. 421. Puls der A. femoralis des Kaninchens. Nach C Tigerstedt. Von links nach rechts zu lesen. 3. Zu dieser Gruppe gehören Kurven mit trapezartigem Verlauf. Sie zeigen einen steilen systolischen Druckanstieg, ein gut ausgeprägtes, mehr oder weniger horizontales Plateau, eine darauf auftretende scharfe Drucksenkung( Inzisur), welche von der lang ausgedehnten dikrotischen Welle nachgefolgt wird (vgl. Fig. 422). Zwischen diesen Typen finden sich, wie I I fast selbstverständlich, alle möglichen Über- gangsformen, welche indessen hier nicht be- sprochen werden können. - • Ich bemerke, daß Kurven von allen drei Typen schon am Anfang der Versuche er- scheinen können und daß sie also nicht das Resultat irgendwelcher künstlicher Eingriffe darstellen. Die Ursache dieser Variationen liegt in Fig. 422. Puls des^A inguinalis des ^iem verschiedenen Kontraktionsgrad der Ge- Kanmchens. Nach C. Tigerstedt. Von '„„ . . ,, ,.,,.^, links nach rechts*zu lesen. ^äße Wie m Verschiedenheiten der vom Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 215 Herzen herausgetriebenen Blutmenge. Dies folgt u. a. daraus, daß Kurven, welche bei starker Gefäßkontraktion (unter Anwendung des Adrenalins) registriert wurden, immer den Typus II I aufweisen oder sich ihm nähern, und bei der dann folgenden Erschlaffung zunächst in Kurven vom Typus I übergehen. Diese Variationen sind in letzter Hand von entsprechenden Verschiedenheiten bei den Kurven des Aortapulses bedingt, kommen aber wegen des Wegfallens der superponierten Wellen sozusagen mehr schematisiert bei dem peripheren Pulse zum Vorschein. So stimmen die Femoraliskurven vom Typus I in ihrem allgemeinen Verlauf mit denjenigen Carotiskurven, welche nach Ende der durch das Adrenalin erzielten Drucksteigerung erscheinen, bzw. mit der in Fig. 418 B abgebildeten Normalkurve überein. Daß Femoraliskurven vom Typus II bei einem zentralen Puls von dem in Fig. 423 dargestellten Aussehen auftreten sollen, dürfte über jeden Zweifel erhaben sein, und desgleichen ist die Ähnlichkeit zwischen der Carotiskurve (Fig. 424) und der Inguinaliskurve vom Typus III frappant. Bei den Kurven des. peripheren Pulses wird das Plateau entweder vollständig ver- mißt, oder ist es mehr oder minder steil absteigend und nur in Ausnahmefällen (nach Injektion von Adrenalin) kann man auf periphere Pulskurven mit horizontalem Plateau stoßen. Daraus folgt, daß das Plateau, das ja in der zentralen Pulskurve sehr oft oder vielleicht in der Regel aufsteigend ist, bei der Fortpflanzung der Pulswelle nach der Peripherie allmählich in ab- steigender Richtung verändert wird. Einem horizontalen Plateau bei der peri- pheren Pulskurve entspricht also ein steil aufsteigendes in der Kurve des zen- tralen Pulses. Der Puls der Mesenterialgefäße hat der Hauptsache nach dasselbe Aussehen wie der anderer peripherer Gefäße (Fig. 425). Der aufsteigende Schenkel geht in ein kuppelartiges Plateau über, von welchem die Kurve zuerst schneller, dann langsamer herabsinkt; in ihrem diastolischen Teil tritt die Dikrotie deutlich auf. o I Ü Z t/1 c im Vergleich zur Norm, mehr gestreckt (vgl. auch Lemsf. ^ V. Kries, Studien zur Pulslehre, S. 119; — vgl. A. Lew, Zeitschr. f. klin. Med., 70, S. 435; 1910. 2 Lewis, Journ. of physiol., 34, S. 418; 1906. 236 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf, V. Kries deutet diese Veränderungen der dikrotischen Erhebung in der Weise, daß unter dem Einfluß des Amylnitrits der größte Teil der Gefäße sich in einer so hochgradigen Erweiterung befindet, daß die primäre Welle nicht mehr erheb- lich reflektiert wird, und findet also hier einen bedeutungsvollen Beweis gegen die Erklärung der Dikrotie aus wesentlich zentralen Ursachen. Ich gebe zu, daß diese Beobachtungen nicht sehr leicht zu erklären sind. Nach Hoorweg^ konnten die Erscheinungen auf der Höhe der Amylnitritwirkung durch den erleichterten Abfluß des Blutes in die erweiterten kleinsten Arterien und Kapillaren sowie von einer abnehmenden Herztätigkeit bedingt und also mit der zentralen Hypothese der Dikrotie wohl vereinbar sein. Wenn die aus dem Herzen bei jeder Systole herausgetriebene Blutmenge und zu gleicher Zeit auch der Widerstand in der Gefäßbahn abnimmt, so muß doch der Rückprall des Blutes gegen die geschlossenen Semilunar- klappen und damit die dikrotische Welle an Stärke abnehmen. Vorläufig scheint also folgende, mit der von Grashey^ entwickelten wesentlich übereinstimmenden Deutung der Dikrotie im peri- pheren Puls als die wellenförmig durch das arterielle System fortgepflanzte Nachschwingung des Aortapulses mit den bis jetzt besprochenen Tatsachen am nächsten vereinbar zu sein. Durch das plötzliche Einströmen des Blutes aus dem Herzen in die Aorta entsteht eine erste posi- tive Welle, welche der primären Erhebung der Pulskurve entspricht. Wenn der Blutstrom aus dem Herzen aufhört, so wird sich, wie schon hervorgehoben, von dem Aortenanfang aus eine negative Welle in zentrifugaler Richtung durch das arterielle System fortpflanzen. Wenn dann die Kontraktion des Herzmuskels aufhört und die Semilunarklappen nicht mehr von dem im Herzen noch be- findlichen Blut und von den Muskelpolstern unterstützt sind, so entsteht eine zweite zentrifugale negative Welle, und ein Teil des Aortablutes strömt gegen das Herz zurück. Geht das Herz, gleich nachdem das Blut ausgetrieben ist, in die Diastole über, so folgen die beiden negativen Wellen unmittelbar aufeinander und können nicht jede für sich graphisch nachgewiesen werden. Da das zurück- weichende Blut gegen die geschlossenen Semilunarklappen anschlägt, entsteht im Anfange der Aorta eine zweite zentrifugale positive Welle, welche die dikrotische Erhebung veranlaßt. Diese vier primären zentrifugalen Wellen würden der Pulskurve etwa das in Fig. 446 von Grashey schematisch dargestellte Aussehen geben. Die Linie n Fig. 446. Pulskuvre. Schema nach Grashey. 1 Hoorweg, Arch. f. d. ges. Physiol., 52, S. 486; 1892; — vgl. auch v. Frey, Die Unters. d. Pulses, S. 232. 2 Grashey, a. a. 0., S. 202. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4, Der Arterienpuls. 237 bezeichnet die erste positive Welle, die Linie d' d" die beiden unmittelbar ineinander übergehenden negativen Wellen und die Linie / die zweite positive Welle. ^ Je nach dem Zustande der Gefäße werden die zentrifugalen Wellen an der Peripherie mit oder ohne Zeichenwechsel reflektiert. Wenn die Reflexion ohne Zeichenwechsel stattfindet und also die primäre positive Welle positiv reflektiert wird, so wird diese zentripetale positive Welle an den Semilunarklappen wiederum positiv reflektiert, wenn diese beim Eintreffen dieser Welle schon geschlossen sind. Da wir angesichts der variierenden Wegstrecke, welche die Wellen in ver- schiedenen Arterienbahnen durchlaufen müssen, nicht annehmen können, daß diese reflektierten Wellen gleichzeitig zu dem Aortenanfang gelangen, so wird die durch dieselben bedingte zweite, zentrifugale Reflexwelle eine zusammengesetzte. Unter der Voraussetzung einer Reflexion ohne Zeichenwechsel kann sich diese zentrifugale Reflexwelle zu der dikrotischen Welle addieren und also dieselbe höher machen. Dies trifft aber nur in dem Falle zu, daß sie etwa zu gleicher Zeit als diese Welle entsteht. Sonst wird sie für die Dikrotie natürlich von keiner direkten Bedeutung sein können. Diese Hypothese zeigt indessen nur die Möglichkeit einer Beteiligung der reflektierten Wellen an der Erscheinung der Dikrotie. Ob sie in der Tat existiert, darüber wage ich nichts Bestimmtes zu sagen, weil es ja noch nicht entschieden ist, wo die betreffende periphere Reflexion stattfindet, und wir daher nicht den zeitlichen Verlauf der betreffenden Wellen berechnen können. Auch kann ich aus den vorliegenden Erfahrungen keinen Beweis dafür finden, daß die periphere Reflexion in der Regel ohne Zeichenwechsel geschieht. Nur für die Extremitäten können wir dieses mit ziemlich großer Sicherheit sagen. Bei seinen oben (III, S. 226) erwähnten Untersuchungen über die Ge- schwindigkeit des Blutes fand nämlich v. Kries"- in den Extremitäten ein starkes Sinken der Geschwindigkeitskurve, welches nicht von einem entsprechenden Sinken des Druckes begleitet war. Hieraus ergibt sich, den oben (111, S. 224) dargestellten Erörterungen gemäß, in der Tat eine periphere Reflexion ohne Zeichenwechsel. Hoorweg^ hat gegen diese Schlußfolgerung bemerkt, daß die Verspätung, welche der Gipfel der Pulskurve auf dem der Geschwindigkeitskurve hat, ihren Grund allein in der Reibung findet, und daß also diese Verspätung niemals als Beweis der Existenz peripherer Reflexwellen dienen kann. Daß die Reibung in der Tat den Parallelismus zwischen Druck und Geschwindigkeit aufhebt, hat ja V. Kries selber hervorgehoben (vgl. oben III, S. 225). Es fragt sich aber, ob bei den jetzt vorliegenden Versuchen diese Reibung von Einfluß gewesen ist, und ob sie allein genügt, um die betreffende Verspätung zu erklären; dies scheint mir durch die Darstellung Hoorwegs nicht nachgewiesen zu sein. Die Wellenreflexion kann aber auch in einer anderen Weise auf die Dikrotie einwirken, nämlich wenn die reflektierten Wellen mit den rechtläufigen inter- ferieren. Da wir, wie schon bemerkt, noch gar zu wenig über den zeitlichen Ver- ^ Grashey, a. a. O., S. 201, 202. Die unterbrochene Linie bezeichnet den bei zu großer Geschwindigkeit des Schreibhebels gezeichneten künstlichen Kurvengipfel. 2 V. Kries, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1887, S. 274; — Studien zur Puls- lehre, S. 57. 3 Hoorweg, Arch. f. d. ges. Physiol., 47, S. 447; 1890; — 52, S. 482; 1892. 238 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. lauf der reflektierten Wellen wissen, um bestimmte Schlußfolgerungen ziehen zu können, ist es nicht möglich, die Bedeutung dieser Interferenz sicher festzustellen. Um aber zu zeigen, wie die dikrotische Erhebung durch die Interferenz beeinflußt werden kann, werde ich — jedoch mit aller Reservation — die hierhergehörigen Betrachtungen Grasheys kurz darstellen. Dieselben beziehen sich auf die Inter- ferenz zwischen den rechtläufigen Wellen und den im peripheren Verästelungs- gebiet der untersuchten Arterie auftretenden zentripetalen Reflexwellen. In Fig. 447 stellt di Linie 1 xf die Pulskurve der A. radialis schematisch dar, so wie sie erscheinen würde, wenn im Verästelungsgebiet der Arterie keine Wellen- reflexioa stattfindet. Die mit 1, 2, 3 usw. bezeichneten Punkte der Abszisse sind 4 6 6 7 8; 9 10 11 12 1 2 3 4 5 6 7 8 'J 10 11 Fig. 447 und 448. Schema der Wellenreflexion. Nach Grashey. 12 durch gleiche Zwischenräume von 0,125 Sek. voneinander getrennt. Die primäre positive Welle erstreckt sich von 1 bis x; bei x folgen die beiden, unmittelbar in- einander übergehenden negativen Wellen und strecken sich bis /. Dort tritt die zweite positive Welle 0,250 Sek. nach der ersten auf. Wir nehmen an, daß diese Wellen ohne Zeichenwechsel reflektiert werden, daß die Reflexion 20 cm peri- pher von dem Orte, wo der Sphygmograph angebracht ist, stattfindet, und daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen 5 m in einer Sekunde beträgt. Damit die reflektierte Welle auf den Sphygmographen einwirken kann, muß die primäre positive Welle 20 cm zum Reflexionsort und dann die reflektierte Welle wieder 20 cm zum Sphygmographen fortgepflanzt werden. Die Zeit, die hierzu notwendig ist, beträgt (0,2 + 0,2)/5 = 0,08 Sek. Die reflektierte Welle wird also erst nach 0,08 Sek. mit den primären Wellen interferieren können. In Fig. 447 stellt die Linie b die reflektierten Wellen dar, unter der Voraussetzung, daß sie die Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arlerienpuls. 239 Hälfte der primären betragen. Die vom Sphygmographen geschriebene Kurve (c) ist der Resultant dieser beiden Kurven. Wir sehen, daß die dikrotische Erhebung jetzt beträchtüch geringer ist, als sie nach dem angenommenen Verlauf der pri- mären Kurven an und für sich sein sollte. Setzten wir auf der anderen Seite voraus, daß unter sonst gleichen Verhält- nissen die Reflexion mit Zeichenwechsel stattfindet, so erhält die Pulskurve in- folge der Interferenz die in Fig. 448 durch die gestrichelte Linie dargestellte Form. Hier ist die Dikrotie viel stärker ausgeprägt, als sie nach den primären Wellen sein sollte. Dies Beispiel mag genügen, um zu zeigen, eine wie durchgreifende Bedeutung die Wellenreflexion und die Interferenz für die Form der Pulskurve haben können, auch wenn nur die Reflexion im peripheren Verästelungsgebiet der untersuchten Arterie berücksichtigt wird. Die Berechnungen Grasheys^ zeigen endlich, daß die zeitliche Differenz zwischen der primären und der dikrotischen Erhebung durch die Interferenz verändert werden kann. Hierdurch könnten wir möglicherweise erklären, wie die Entfernung der dikrotischen Erhebung vom Beginn der Pulskurve bei verschiedenen Arterien verschieden groß ist. Es kann allerdings der Fall sein, daß die zentri- fugalen Wellen sich in verschiedenen Arterien mit verschiedener Geschwindigkeit fortpflanzen, doch kann auch die Interferenz hierbei eine gewisse Rolle spielen. Ich hebe aber noch ausdrücklich hervor, daß ich aus den schon angegebenen Gründen diesen Betrachtungen keinen anderen Wert beimesse, als zu zeigen, in welcher vielfachen Weise eine etwaige Wellenfeflexion die dikrotische Erhebung der Pulskurve beeinflussen kann. Selbst bin ich weit davon entfernt, diese ver- wickelten Fragen an der Hand des vorliegenden Materials lösen zu wollen. Wenn wir uns auf die am Menschen gewonnenen Erfahrungen beschränken, scheint es also möglich, ohne Bezugnahme auf andere Momente als die schon besprochenen dem peripheren Puls eine ziemlich befriedigende Deutung zu geben. Auch 0. Frank^ ist der Ansicht, daß, zunächst in bezug auf die Kurve des Radialis- pulses, der Einschnitt vor der dikrotischen Erhebung durch Fortleitung der Klappenschlußinzisur vom Zentrum her bedingt ist, obgleich die Form der Inzisur an der Aortawurzel eine andere ist als in der Peripherie. Auch die folgende Erhebung ist teilweise durch zentrale Ursachen bedingt und die Form der zen- tralen Kurve ist an dieser Stelle nicht viel von der peripheren verschieden. Da nun ferner die normale Pulskurve des Menschen in den verschiedenen, einer direkten Registrierung zugänglichen Arterien ohne jeden Zwang und ohne jede Willkür auf die Radialiskurve bezogen werden kann, indem die wichtigste Differenz zwischen ihnen doch darin liegt, daß die Wellenzüge mehr abgeflacht verlaufen, ohne daß neue Elemente in deutlich hervortretendem Grade hierbei beteiligt wären, so muß das, was für den Radialispuls gilt, im wesentlichen auch für den Puls der anderen peripheren Arterien gelten. Bei Versuchen an Tieren sind indessen verschiedene Eigentümlichkeiten beim peripheren Puls beobachtet worden, welche zeigen, daß bei den betreffenden 1 Grashey, a. a. 0., S. 177. -O.Frank, Zeitschr. f. Biol., 46, S. 539; 1905. 240 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Tieren wenigstens und dalier aller Wahrscheinlichkeit nach auch beim Menschen noch andere Einflüsse sich geltend machen müssen, und 0. Frank^, dem die Puls- lehre so viel verdankt, macht daher in bezug auf die Art und Weise, wie der Aorta- puls und der periphere Puls entstehen, einen bestimmten Unterschied, indem beim letzteren die Einwirkung der Inzisur usw. allmählich verschwindet und statt dessen periphere Einflüsse sich immer mehr und in so hohem Grade geltend machen, daß die Dikrotie im peripheren Puls eine Erscheinung von ganz anderer Art als die Nachschwingung des Aortapulses wäre. Den wichtigsten Grund zu dieser Trennung zweier beim ersten Anblick einander so nahestehender Vorgänge findet Frank in gewissen Erfahrungen über den Puls der Femoralis- bzw. Unterschenkelarterie beim Hunde. In Fig. 449 sind übereinander die Pulskurven von der Aorta und der Unter- schenkelarterie eines Hundes geschrieben. In der letzteren findet sich eine stark ausgebildete sekundäre Erhebung, die ganz gewiß nicht von der Inzisur und der «J|^|w« Fig. 449. Piilskurve von der Aorta (die mittlere Linie) und der Unterschenkelarterie (die untere Linie) des Hundes. Nach O. Frank. Die oberste Linie gibt die automatisch markierten Herztöne an. Von links nach rechts zu lesen. Nachschwingung im Aortapulse hergeleitet werden kann. Denn wenn man auch annimmt, daß durch die Reibung vor allem die kurzen Schwingungen aus der Kurve ausgelöscht werden, so könnte doch die Veränderung des Pulses nur in einer Abrundung der Hauptform und in einer Verflachung der Inzisur bestehen, auch könnte die Inzisur selber verschwinden und außerdem noch die große Geschwindig- keitsänderung im Anfange der Pulskurve beseitigt werden. Kurz, die ganze Form der Kurve würde in einem extremen Fall sich einer einzigen gedämpften, sinus- artigen Schwingung annähern. Niemals könnte daraus die große sekundäre Ein- biegung der Kurve, die selbst unter das Hauptminimum der Kurve herabgehen kann, niemals die in der Femoraliskurve vorkommende Erhöhung des Maximums — selbst oberhalb des der Aortakurve — resultieren. Hier müssen also nach Frank periphere Reflexionen und Interferenz mit den zentrifugal laufenden Wellenzügen wesentlich beteiligt sein. Demgegenüber macht indessen Hoorweg- folgende Bemerkungen. Bei den in Fig. 449 abgebildeten Kurven beträgt der Abstand der Anfangspunkte der primären und sekundären Welle für die Aorta 12 mm und für die Unterschenkelarterie 14,5 mm = 0,181 Sekunde. Bei einer Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswelle von 8 m pro Sekunde entspricht dieser Zeit eine Entfernung von 145cm, d.h. wenn die be- 1 0. Frank, Zeitschr. f. Bio!., 46, S. 523; 1905. 2 Hoorweg, Arch. f. d. ges. Physiol., 110, S. 605; 1905. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 241 treffende Erhebung von einer peripheren Reflexion herrührte, müßte diese i^V2=72,5cni vom Unterschenkclmanometer entfernt sein. Da der Abstand vom untersuchten Arterienpunkt zum Fuß keine 72,5 cm betragen kann, ist es ausgeschlossen, daß die betreffende Welle von der Peripherie der hinteren Extremität reflektiert worden ist. Sie kann also nicht eine zentripetal laufende Reflexwelle darstellen. Die Annahme, daß die betreffende Welle von irgendeinem zentralwärts vom untersuchten Arterienpunkt liegenden Gefäßgebiet reflektiert worden sei, dürfte auch nicht gestattet sein, denn in diesem Falle hätte sie sich im Aortapuls geltend machen müssen, was ja entschieden nicht der Fall ist. Hoorweg sucht daher die Ursache der betreffenden Erhebung in einer Reflexion an der Manometerkapsel des Aortamanometers. Jede vom Herzen ausgehende Blut- welle trifft das in der Carotis endständig angebrachte Manometer und wird von diesem kräftig zurückgeworfen. Die Reflexionswelle läuft zentrifugal hinter der primären Welle zum zweiten Manometer fort. Die primäre Welle erzeugt also am peripheren Manometer zwei Erhebungen, erstens die direkte, zweitens die am Carotismanometer reflektierte. Beide folgen in sehr kurzer Distanz aufeinander und schmelzen also zu einer einzigen vergrößerten Erhebung zusammen. Hierdurch würde sich die Erscheinung erklären lassen, daß am peripheren Manometer größere Druckschwankungen als am Aortamanometer zuweilen beobachtet wurden. Der gleiche Vorgang findet nun auch mit der dikrotischen Welle statt, die in dem Aortapuls 12 mm hinter der primären auftritt. Auch sie wird am Carotismanometer kräftig »reflektiert und geht dann zum zweiten Manometer. Hier kommen also wieder zwei Wellen zusammen: die direkte und die reflektierte dikrotische Welle und diese zwei Wellen erzeugen dann die oben genannte Erhebung im Pulse der Unterschenkel- arterie. Weil aber die dikrotische Erhebung selber so weit vom Herzen ziemlich un- bedeutend sein muß, so wird diese zweite Erhebung beinahe ganz von der reflektierten Welle gebildet; diese reflektierte Welle kommt aber soviel später als die direkte, als die Zeit beträgt, die die Wellen brauchen, um den Abstand vom Aortabogen zum Carotis- manometer hin und zurück zurückzulegen. Soweit Hoorweg. Seine Deutung der vorliegenden Kurve schien früher sehr plausibel zu sein.^ Daß sie indessen nicht das richtige getroffen hat, geht daraus hervor, daß die Druckkurve der A. femoralis am Hunde genau den von Frank angegebenen Verlauf hat, auch wenn nur ein einziges Manometer mit der Gefäß- höhle in Verbindung steht und wo also die von Hoorweg angenommene Reflexion nicht hat stattfinden können (C. Tigerstedf). Wie oben bemerkt, ist Frank in Übereinstimmung mit mehreren anderen Autoren zu der Ansicht gekommen, daß die Erscheinungen des peripheren Pulses unter Berücksichtigung der Reflexionen mit großer Sicherheit auf die Wellen- lehre zurückgeführt werden können. Er hebt indessen hervor, daß eine andere Auffassung der Beziehungen eine gewisse Berechtigung hat.^ Er geht dabei von der Annahme aus, daß der Druckablauf an einer Stelle des arteriellen Systems, z. B. der Aortawurzel, bekannt sei, und daß die Aufgabe darin besteht, den Druck an einer peripher davon liegenden Stelle, z. B. der A. femoralis, abzuleiten, d. h. diejenigen Veränderungen ausfindig zu machen, welche die als Ansatzrohr zur Aortawurzel zu betrachtende Aorta descendens mit ihren Verzweigungen in der Druckkurve herbeiführt. In diesem Arterienrohr werden zunächst die kurzen Schwingungen erlöscht. Auch findet eine allmähliche Umänderung der zentralen Pulsform in die periphere statt, und zwar ist diese prinzipiell derselben Art, wie die, welche ein mit der Aorta- wurzel verbundenes Manometer mit geringer Schwingungszahl hervorruft. Die 1 R. Tigerstedt, Ergebnisse d. Physiol., 8, S. 653; 1909. 2 Frank, Zeitschr. f. Bio!., 4G, S. 528. Tigerstedt, Kreislauf. HI. 2. Aufl. 16 242 Die Strömung des Blutes im grolkn Kreislauf. hierbei auftretenden Bewegungs- und Druckerscheinungen zeigen dann die größte ÄhnHchkeit mit den bei stehenden Wellen sich abspielenden. Auch bei diesen befinden sich alle Teilchen in der ganzen Röhrenlänge in der gleichen Schwingungs- phase. An den Punkten, wo die Einzelwellen reflektiert werden, finden gar keine Bewegungen oder Verrückungen statt, während sich hier die größten Druck- änderungen abspielen. Schwingt die Flüssigkeit in Partialschwingungen, so gilt dasselbe für die dann auf der Länge der Röhre verteilten Knotenpunkte usw. 0. Müller und E. Weiss'^ haben zur Deutung der Erscheinungen des peripheren Pulses sich dieser Auffassung von Eigenschwingungen der Blutsäule in den Arterien angeschlossen und deuten aus diesem Gesichtspunkte gewisse kurze Wellen in der Pulskurve der Carotis des Menschen. Derselben Ansicht ist auch A. Weber^, der einen ganz bestimmten Unterschied zwischen der Inzisur und den Nachschwingungen einerseits und der Dikrotie andererseits macht, und ausdrück- lich die Eigenschwingungen des Arteriensystems als die wesentlichste Ursache für die Entstehung der Dikrotie hervorhebt. Dies gilt indessen nur in Fällen von mittlerem und hohem Druck, wo die Fortleitung der Inzisur und die in der Peri- pherie reflektierten Wellen keine oder doch nur eine ganz unbedeutende Rolle spielen. Es wäre schließlich auch möglich, daß die Erscheinungen des peripheren Pulses zum Teil von der aktiven Tätigkeit der Arterienwand hergeleitet werden könnten. Mittels eines besonderen Apparates registrierte Hürthle^ gleichzeitig Druck- und Stromstärke in einem bestimmten Querschnitt der arteriellen Bahn und konnte, wie Versuche an einem Schema, wo die Arterienwand durch einen elastischen Schlauch ersetzt war, ergaben, den Mitteldruck und die mittlere Stromstärke während eines Pulsschlages von einer Sekunde Dauer fast ebenso genau bestimmen, wie in Strömungsversuchen von etwa 5 Minuten Dauer. Die am Gefäßsystem lebender Hunde angestellten Untersuchungen* ergaben nun, daß bei der Mehrzahl der Carotis- und bei allen Cruralispulsen im absteigenden Schenkel der Druck- kurve etwa vom Gipfel derselben an, die gefundene Stromstärke entschieden größer war als die berechnete, und zwar konnte der Unterschied bei dem Carotis- pulse 207o und bei dem Cruralispulse sogar 50% betragen.^^ In der Fortsetzung dieser Untersuchungen wies Hürthle*^ ferner nach, daß diese „systolische Schwellung" des Stromes unter dem Einfluß gefäßerregender Mittel, wie Adrenalin, Pituitrin und Digitalis, eine sehr ausgesprochene Steigerung erfährt, so daß die registrierte Kurve um lOO^/o wnd mehr von der berechneten Kurve abweichen konnte, wobei noch der diastolische Strom auf Null herabsinkt oder gar rückläufig wird. 1 0. Müller und E. Weiss, Deutsches Arch. f. kliii. Med., 105, S. 365; 1912. 2 A. Weber, ebenda, 108, S. 311; 1913. 3 Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 147, S. 509; 1912; — 162, S. 304; 1915. * Hürthle, ebenda, 147, S. 525; 1912. 5 Hürthle, ebenda, 147, S. 576; — Bei der Vagusreizung war im späteren Abschnitte der Diastole die registrierte Stromstärke wesentlich kleiner als die berechnete. Diese Abweichung wird von Hürthle auf eine Zunahme der Widerstände zurückgeführt, welche durch eine Ver- minderung der Querschnitte der elastischen Gefäße unter dem Einfluß des abnehmenden Druckes veranlaßt wird. ß Hürthle, ebenda, 162, S. 338; 1915. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Artcrieninils. 243 Andererseits verschwindet die systolische SchweUung mehr oder weniger vollständig, wenn die Lebenseigenschaften der Gefäße durch Anämie, Tötung, Vergiftung oder Nervendurchschneidung beschädigt oder aufgehoben werden. ^ Wenn aber die Schnelligkeit und also auch die eventuelle erregende Wirkung der Druckschwankung durch Einschaltung eines Windkessels in die Zuleitungs- röhre zur Stromuhr in genügendem Grade herabgesetzt wurde, nahm die mittlere Stromstärke wesentlich ab. Zur Deutung dieser Erscheinungen liegt es natürlich sehr nahe, eine Be- teiligung der Gefäßmuskulatur anzunehmen, denn rhythmisch erfolgende Kon- traktionen derselben müssen ja auf den Verlauf des peripheren Pulses eine be- deutende Einwirkung ausüben können. Nebst Resten der von der Aortawurzel herkommenden primären Wellen und den von dem einen oder anderen Gefäßgebiet ausgehenden reflektierten Wellen, würden also Veränderungen im Kontraktionszustande der Arterienwand beim Auftreten des Doppelschlages mitwirken können. Unter dieser Voraussetzung würde es auch keine größere Schwierigkeit bereiten, die unter verschiedenen Umständen stattfindenden Veränderungen der Form und des Aussehens der dikroten Erhebung zu erklären, wie dies insbesondere von Hasebroek'^ an der Hand schematischer Versuche über die Wellenbewegung in Kautschukschläuchen hervor- gehoben worden ist. Wie Hürthle^ selber aber im Anschluß an seinen Versuchen bemerkt, dürfen wir indessen diese Hypothese nicht als erwiesen betrachten, solange noch keine direkten Beweise für das Vorkommen einer Peristaltik bei den Arterien vorliegen und wir keine entsprechende Bewegung der Arterienwand unmittelbar wahrnehmen können. Auch hat Fleisch'^ gegen den Berechnungsmodus Hürtfiles verschiedene Bemerkungen, welche indessen hier nicht näher erörtert werden können, gemacht und außerdem durch Versuche am Hunde versucht direkt nachzuweisen, daß im Pulsbiide der A. femoralis wenigstens selbst unter dem Einfluß des Adrenalins keine Andeutung einer den Puls begleitenden Kontraktion der Gefäßwand auf- tritf^. Es zeigte sich nämlich hier, wenn die benutzten Apparate als genügend empfindlich angesehen werden können, daß der Arterienquerschnitt und der in der Arterie herrschende Druck immer in gleicher Richtung zu- oder abninunt. hn Falle einer selbständigen pulsatorischen Kontraktion der Arterienwand hätte doch der Druck bei der Verengerung des Gefäßquerschnittes ansteigen müssen und umgekehrt. Gegen eine pulsatorische Kontraktion der Arterienwand spricht außer mehreren schon oben (III, S. 57) erwähnten Tatsachen noch Wachlwlders^ Befund, daß die bei überlebenden Arterien unter der Einwirkung einer plötz- lichen Erhebung des Innendruckes auftretenden Kontraktionen bei 39^ C eine viel zu lange Latenzdauer (mindestens 8 Sekunden) und einen viel zu langen Kontraktionsverlauf (mindestens 20 Sekunden) haben, um die normale Pulskurve beeinflussen zu können. Auch pflanzen sich die rhythmischen Spontan- 1 Hürthle, ebenda, 162, S. 359; 1915; — Deutsche med. Wochenschr., 1913, Nr. 13. 2 Hascbroek, Arch. f. d. ges. Physiol., 147, S. 417; 1912. 3 Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 162, S. 419. 4 Fleisch, ebenda, 178, S. 54; 1920. 5 Fleisch, ebenda, 180, S. 138; 1920. ö Wachholder, Arch. f. d. ges. Physiol., 190, S. 222; 1921. 16* 244 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. kontraktionen solcher Arterien nicht im Sinne einer peristaltischen Welle über das Gefäß fort. Die aktive Beteiligung der Arterienwand an der Gestaltung des Pulses und speziell der Dikrotie dürfte daher vorläufig als ausgeschlossen erachtet werden können.^ b) Übrige sekundäre Wellen beim peripheren Puls. Diese stellen, wie v. Kries hervorgehoben hat, Reflexwellen dar, welche teils im Verästelungsgebiet der untersuchten Arterie selber entstehen und also zentri- petal verlaufen, teils aus anderen Arterien reflektiert sind und sich in der unter- suchten Arterie rechtläufig fortpflanzen. Als Ausdruck einer Reflexwelle der ersten Art (Zwischenschlag mehrerer Autoren) faßt v. Kries^ die erste Unstätigkeit am absteigenden Aste der Radialis- kurve auf (vgl. Fig. 445, ß). Der Vergleich mit der Geschwindigkeitskurve ergibt, daß wir gerade hier den Punkt haben, wo sich Druck und Geschwindigkeit am stärksten unterscheiden. Nach der ersten sekundären Erhebung stellt sich an der Pulskurve vor der Dikrotie öfters eine zweite Erhebung a dar, welche auch in den Geschwindigkeits- kurven zuweilen zur Anschauung gebracht werden kann. Diese Erhebung ist nach V. Kries^ eine aus anderen, kurzen Bahnen reflektierte und in der beobachteten Arterie rechtläufige Welle. Die Pulsform in einer gegebenen Arterie ist also bedingt: 1. durch die vom Anfang der Aorta kommenden, direkt oder durch Reflexion entstandene Wellen und durch die Modifikationen, die sie während ihrer Fortpflanzung durch das arterielle System erleiden; 2. durch die aus dem peripheren Verbreitungsgebiete der betreffenden Arterie reflektierten, zentripetalen Wellen; 3. durch die aus mehr oder weniger benachbarten Arterien in die betreffende Arterie reflektierten, zentri- fugal verlaufenden Wellen. Je nach der Variation dieser Bedingungen wird sich die beobachtete Puls- kurve verschieden gestalten. Und zwar finden wir, wie die Erfahrung ergibt, teils gewisse konstante Merkmale, welche die Pulskurve verschiedener Arterien charakterisieren, teils auch Veränderungen bei der Pulskurve einer und derselben Arterie, welche von verschiedenen Einflüssen verursacht sind. So ist z. B. in der Femoraliskurve sowohl die primäre, als die dikrotische Erhebung viel gestreckter als in der Radialiskurve (vgl. Figg. 431, 432). Die Ur- sache davon kann nicht allein von der Modifikation, welche die Wellen überhaupt beim Durchlaufen längerer Bahnen erfahren, bedingt sein, denn die A. femoralis ist ja vom Aortenanfange durch keinen längeren Weg getrennt als die A. radialis. Hier müssen also reflektierte Wellen einen bedeutenden Einfluß spielen, und zwar speziell die in den Unterleibsbahnen reflektierten, welche in der Bauchaorta sogleich wieder zentrifugal laufen.* Als Illustration der Veränderungen der Pulskurve einer und derselben Arterie, die aus verschiedenen Ursachen entstehen, teile ich noch einige Beobachtungen ^ über die Dikrotie, vgl. noch Tiillio, Clinica medica italiana, 1913; — Arch. ital. de biol., 60, S. 341; 1914. 2 V. Kries, Studien zur Pulslehre, S. 94. '^ V. Kries, Studien zur Pulslehre, S. 86. 4 V. Kries, Studien zur Pulslehrc, S. 100—102. Die Strömung ^des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 245 von V. Frey^ und v. Kries^ über den Radialispuls hier mit. Bei gesenktem Arm sinkt die sphygmographische Linie nach der Hauptspitze ziemlich steil ab, um so- dann wieder zu einer sehr starken dikrotischen Erhebung anzusteigen. Die Puls- kurve des erhobenen Armes zeigt dagegen ein viel langsameres Absinken. Auf dem absteigenden Schenkel ist eine stärkere dikrotische Erhebung nur mit Mühe wahr- nehmbar. Dagegen zeigt sich ganz regelmäßig schon im aufsteigenden Schenkel der Pulskurve ein kleiner Vorschlag: der Puls erscheint also anakrot (vgl. das Schema Fig. 450). v. Kries hat die Ursache dieser Differenz an der Hand entsprechender Tacho- gramme und Plethysmogramme studiert und dabei nachgewiesen, daß die (positive) Reflexion bei gesenktem Arm verhältnismäßig gering, bei gehobenem Arm viel stärker ist. Dies ist seinerseits dadurch bedingt, daß bei ge- senktem Arm die Gefäße infolge des hydrostatischen Druckes der Blutsäule mehr ausgedehnt werden, als dies bei gehobenem Arme der Fall ist. Aus diesem Grunde wird die positive Reflexion der rechtläufigen Wellen bei gehobenem Arm Fig. 450. Schema der Radialispulskurve bei gesenkter und erhobener Haltung des Armes. Nach i'. Kn'es. Fig. 451. Normale Radialiskurve. Nach Veiel. Von links nach rechts zu lesen. Fig. 452. Radialiskurve von derselben Versuchs- person in einem Vollbad von 25° C. Nach Veiel. Von links nach rechts zu lesen. stärker. Diese stärkere Reflexion macht sich durch die Zacke am aufsteigenden Teil der Kurve geltend, welche sowohl durch die in der Radialis rückläufige, in der Hand entstandene, als durch die in dem ganzen übrigen Arm reflektierte, in der Radialis rechtläufige Welle hervorgerufen ist.^ Veiel'^ schrieb mit der Herztonkapsel den Radialispuls vor und während einem kalten oder warmen Bade. Unter dem Einfluß des kalten Bades wurde der Zwischen- schlag («) stark akzentuiert, die Dikrotie nahm an Stärke ab und es erschienen zahl- reiche kleine Wellen, die entweder Reflexwellen oder auch Ausdruck allgemeinen Zitterns sind (vgl. Fig. 451 und 452). hii warmen Bade verschwanden die sekun- ^ V. Frey, Die Untersuchung des Pulses, S. 220. - V. Kries, Studien zur Pulslehrc, S. 106; — vgl. L. Hill, Barnard und Scqncira, Journ. of physiol., 21, S. 157; 1897. •' Näheres hierüber siehe bei v. Kries, Studien zur Pulslehrc, S. 110. 4 Veiel, Deutsches Arch. f. klin. Med., 105, S. 253; 1912. 246 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. dären- Wellen, wenn solche vorhanden waren, und die Dikrotie nahm erheblich ab (vgl. Fig. 453 und 454). Durch entsprechende Eingriffe wurde die Pulskurve von der Carotis viel weniger als die des Radialispulses verändert {Veiel und Friberger^), was ziemlich natürlich erscheint, da diese von den lokalen Variationen in der Weite usw. der peripheren Gefäße einen stärkeren Einfluß als jene erleiden muß. Veiel und Friberger deuten diese Differenz als Folge der verschieden starken Ausbildung der Muskulatur in der Carotis und der A. radialis. Die örtliche Veränderung der Weite eines großen Gefäßes wird aber auf die Pulsform in diesem Gefäß keine so große Wirkung als die Variationen des lichten Durchmessers bei den peripheren Arterien, durch welche ja die mannigfaltigsten Wellenreflexionen erzeugt werden können, ausüben. Zum Schluß ist noch zu erwähnen, daß der Körper unter dem Einfluß der Massen- bewegungen des Blutes Rückstoßbewegungen ausführt. Um diese zu registrieren, legt Y. Henderson'" die Versuchsperson auf eine Platte, welche von vier Klaviersaiten ge- tragen wird und nur in der Richtung der Körperlänge schwingen kann. Durch ein Fig. 453. Normale Radialiskurve. Nach Veiel. Von links nach rechts zu lesen. Fig. 454. Radialiskurve von derselben Ver- suchsperson in einem Vollbad von 45" C. Nach Veiel. Von links nach rechts zu lesen. Hebelwerk werden die Schwingungen der Platte in lOOmaliger Vergrößerung registriert. Aus dem Vergleich mit der gleichzeitig gezeichneten Carotiskurve folgert Henderson unter anderem, daß im Anfang der Systole, wenn das Blut kopfwärts in den Aorta- bogen und die Lungenarterien getrieben wird, der Körper um 0,035 — 0,040 mm fuß- wärts schlägt; im weiteren Verlauf der Systole, wo das Blut durch die absteigende Aorta strömt, findet wiederum ein Rückstoß kopfwärts statt, dessen Umfang 0,090 bis 0,125 mm beträgt. § 131. Die pulsatorischen Schwankungen des arteriellen Druckes bei den Säugetieren. Im Anschluß an Versuche mit seinem elastischen Manometer bemerkte Fick'^, daß der Blutdruck während eines Herzschlages viel größere Schwankungen darbietet, als man in der Regel annahm. Hiirtlile^ bestätigte dies und fand gleich- zeitig, daß die jeder Herzperiode entsprechenden Druckvariationen bei einem höheren Drucke in der Regel kleiner und nur ausnahmsweise größer als bei einem niederen Drucke waren. Bei diesen Versuchen, welche am Kaninchen ausgeführt wurden, war das Manometer mit der Carotis endständig verbunden und gab also den Seitendruck in der Aorta an. 1 Veiel und Friberger, ebenda, 107, S. 268; 1912. 2 Y. Henderson, Amer. journ. of physiol., 14, S. 287; 1905. 3 Fick, Arb. aus dem physiol. Laborat. d. Würzburger Hochschule, 2, S. 193; 1873; — Festschr. z. dritten Säkularfeier d. Universität Würzburg, 1, S. 277; 1882; — Gesammelte Schriften, 3, S. 575, 602. * Hiirtlile, Arch. f. d. gcs. Physiol., 43, S. 437; 1888; — 49, S. 100; 1891. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 247 Der normale Druck, d. Ii. der Druck, so wie er sich darstellte, wenn keine besonderen Eingriffe vorlagen, variierte nicht unerheblich. Bei vier von Hürtlile mitgeteilten Versuchen waren Druckmaximum und -minimum bzw. 88—120, 115—156, 100—128 und 142— 180 mm Hg. Die pulsatorische Druckvariation betrug also hier bzw. 32, 41, 28 und 38 mm, gleich 36, 36, 28 und 27% des Druck- minimums. Die bei diesen Versuchen stattfindende Pulsfrequenz war bzw. 210, 238, 258 und 236 in der Minute. Unter dem Einfluß der Vagusreizung nahm |die Druckschwankung sowohl absolut als in Prozent in hohem Grade zu, und zwar betrug sie bei drei Be- stinunungen bzw. 94—150, 92—145, 90— 140 mm Hg, d. h. 56, 53 und 50 mm Hg, entsprechend 60, 58 und 56% des minimalen Druckes. Der Puls war hier sehr verlangsamt und betrug nur 81 in der Minute. Bei Reizung des Depressors findet Hürtlile, daß das Minimum um 10—50 mm Hg abnimmt, während die Druckschwankung größer wird und dem Druckminimum gleich werden kann. Die hier beobachteten Druckwerte sind in vier Versuchen bzw. 63-93, 90-144, 62-120, 75-120, d. h. Schwankungen von 30, 54, 58 und 45. mm Hg, gleich 48, 60, 93 und 60% des Druckminimums. Die Pulsfrequenz betrug hier bzw. 206, 219, 160 und 194 in der Minute. Auch bei der Reizung des Sympathikus traten gewisse Veränderungen bei den Druckschwankungen auf, indem sich das Druckminimum um etwa 15 mm Hg erhob. Die pulsatorische Druckschwankung wurde dagegen im Ver- hältnis zu diesem etwas kleiner — durchschnittlich ^4 oder weniger des Druck- minimums. Am Kaninchen untersuchte ferner v. Born^ die Größe der pulsatorischen Druckschwankungen in der Aorta und benutzte zu diesem Zweck das elastische Manometer von 0. Frank. Die dabei an unversehrten Tieren erhaltenen Resul- tate, als Mittelwerte von 4—9 aufeinander folgenden Pulsen berechnet, sind in folgender Tabelle aufgenommen. Nr Druck; mm Hg Druckschwankung; Minimum Maximum mm Hg Proz. d. Minim. 1 67 84 17 25 2 93 121 28 30 3 84 107 23 28 4 113 150 37 33 5 106 141 35 33 6 118 146 28 24 7 97 138 41 42 8 56 82 26 46 9 95 128 33 35 10 100 145 45 45 11 98 125 27 28 12 108 139 31 29 Die pulsatorische Druckschwankung ist hier durchschnittlich 33% des Mini- mums und also ganz derselben Größenordnung, wie bei den Versuchen von Hürtlile. Bei einer Katze betrugen Minimum und Maximum des Druckes 123—168 und bei V. Born, Skand. Arcli. f. Physiol., 24, S. 127; 1911. 248 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. einem Hunde 186—240 mm Hg; die Druckschwankung war also 45 bzw. 54 mm Hg, d. h. in Prozenten des Minimums 35 bzw. 29. Bei schwacher Vagusreizung, wo nur eine geringe Abnahme der Pulsfrequenz erschien, sank vor allem der minimale Druck, während der maximale lange Zeit hindurch ziemlich unverändert blieb; dementsprechend nahm die pulsatorische Druckschwankung immer mehr zu, so daß sie bis zu 500% des Minimums betragen konnte (Druckminimum 15, Druckmaximum 90 mm Hg). War die Vagusreizung stärker, so nahm sowohl Maximum als Minimum ab; gleichzeitig wurde auch die pulsatorische Schwankung etwas kleiner. Nach Ende der Vagusreizung kann die pulsatorische Druckschwankung, wegen der großen Menge Blut, die sich allmählich in den zentralen Venen ge- sammelt hat, sehr bedeutend sein und mehr als 200% des Minimums betragen (Druckminimum 35, Druckmaximum 108 mm Hg). Unter dem Einfluß des Depressors nimmt der diastolische Druck in höherem Grade als der systolische ab und die pulsatorischen Druckschwankungen nehmen also an Größe zu, so daß sie auf der Höhe der Depressorwirkung beim Kaninchen auf mehr als 140% und bei der Katze auf mehr als 180% des Druckminimums steigen kann. Beim chloroformierten Schafe haben Mac William, Melvin und Murray'^ pulsatorische Druckschwankungen von 20—51 mm Hg, entsprechend 27—113% des Druckminimums beobachtet. Der Umfang der pulsatorischen Druckschwankung ist, wie Hürthle^ zuerst am Hunde nachwies, im allgemeinen größer in den peripheren als in den zen- tralen Arterien. Nr. Arterien Druckvariation bei einer Herzperiode (Mittel aus je drei Beobachtungen); mm Hg Druckschwankung; mm Hg in Prozent des Minimums I 1^: carotis, zentr. Ende carotis, periph. Ende 80—160 66 117 80 51 100 77 II {t carotis, zentr. Ende lingualis 60—172 58—118 112 60 187 103 III it carotis cruralis 74—168 78—220 94 142 127 182 IV {a: carotis cruralis 94—183 94—249 89 155 95 165 Mittels des Hg-Manometers und unter Anwendung von Maximum- und Minimumventilen hat Dawson'^ beim Hunde an den schon oben (III, S. 145) er- wähnten Arterien sowohl den Maximal- als den Minimaldruck und also auch die pulsatorische Druckschwankung bestimmt. Seine diesbezüglichen Resultate sind in folgender Tabelle zusammengestellt. 1 Mac William, Melvin und Murray, Journ. of physiol., 48, proc, S. 27; 1914. - Hiirtlile, Arch. f. d. ges. Physiol'., 47, S. 32. •'' Dawson, Amer. journ. of physiol., 15, S. 244; 1906. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 249 Arterie Druck; mm Hg Druckschwankung ; Minimum Maximum mm Hg Proz. d. Minim. Brachiocephal Subclavia sin Coeliaca Mesent. sup Renalis sin Mesent. inf Iliaca sin Femoral. prof. sin. . . . Saphena sin Anonyma Carotis sin Carotis dextr Vertebralis dextr. . . . Mammaria int. dextr. . Axillaris dextr Brachialis dextr Thyreoidea Vertebralis sin Axillaris sin Brachialis sin 103 105 96 95 103 95 92 102 102 101 101 102 104 104 101 101 97 102 109 110 163 168 171 168 165 159 183 152 134 160 160 154 154 154 155 156 140 163 161 160 60 63 75 73 62 64 91 50 32 59 59 52 50 50 51 55 43 Ol 59 50 58 60 78 75 60 67 99 49 31 58 58 51 48 48 51 55 44 60 54 45 Sowohl in Hürthlcs wie auch in einigen von Lewis^ mitgeteilten Versuchen an Hunden mit Insuffizienz der Aortaklappen und in Dawsons Versuchen ist der maximale Druck in der Schenkelarterie höher als in der Carotis (Aorta), obgleich die Differenz beim letzteren viel kleiner ist als bei Hürthle. Zur Erklärung dieser Erscheinung hob v. Kries^ die Möglichkeit hervor, daß an den peripheren Verästelungen der A. cruralis die Pulswelle ohne Zeichenwechsel reflektiert worden ist, und daß die so entstandene Reflö^welle sich der primären zentrifugalen Welle addiert hat. Später stellte sich Hürthle^ vor, daß die Gefäß- muskeln hierbei tätig sind und bringt als Stütze dieser Auffassung die Erfahrung dar, daß der Umfang der pulsatorischen Druckschwankung in der Cruralis durch Erlahmung der Gefäßmuskulatur vermindert wird, wie daß sie andererseits unter der Einwirkung von Pituitrin oder Adrenalin bei der Cruralis in höherem Grade als in der Carotis gesteigert wird. Angesichts der oben, III, S. 57 erörterten Um- stände ist diese Deutung nunmehr sehr fraglich. Beim Menschen hat man vielfach versucht, nicht allein den systolischen (maximalen), sondern auch den diastolischen (minimalen) Blutdruck zu be- stimmen. Ohne auf die zu diesem Zwecke ausgebildeten Methoden näher ein- zugehen^, werde ich nur die Resultate einiger hierher gehöriger Versuchsreihen zusammenstellen. Angesichts der Schwierigkeiten, den diastolischen Druck 1 Lewis, Heart, 3, S. 222 (Fußnote); 1912. - V. Kries, Studien zur Pulslehrc, S. 67; — vgl. Hoorweg, Arch. f. d. ges. Physiol., 52, S. 488; 1892. 3 Hürthle, Deutsche med. Wochenschr., 1913, Nr. 13. « Vgl. oben III, S. 156 sowie Fellner, Deutsches Arch. f. klin. Med., 84, S. 407; 1905; — Strassbiirger, Deutsche med. Wochenschr., 1908, S. 56, 100; — Volhard, Verh. d. Kongr. f. inn. Med., 26, S. 200; 1909; — Safili, Deutsches Arch. f. klin. Med., 81, S. 493; 1904; — Mac William und Melvin, Heart, 5, S. 153; \9\4; — Moc Williain, Mclvin und Murray, Journ. of physiol., 48, proc, S. 27; 1914. 250 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. exakt zu bestimmen, sind diese Zahlen für denselben nur als Annäherungswerte aufzufassen. Aus der langen Versuchsreihe von Erlanger und Hooker'^ geht hervor, daß beim ruhenden (liegenden, sitzenden oder stehenden) Menschen in 24 von mir ohne Auswahl herausgegriffenen Versuchen der systolische Druck zwischen 111 und 136 mm und der diastolische zwischen 78 und 106 mm Hg variierte. Die pulsa- torische Druckvariation betrug hier 18—43 mm Hg, durchschnittlich gleich 32% des Minimums. An 14 jungen Männern fand Strassburger^ den maximalen Druck gleich 90 bis 125 mm, den minimalen gleich 63—95 mm, sowie die Druckschwankung im Durchschnitt gleich etwa 30% des Minimaldruckes. Bei Pletnews^ Versuchen an 14 Soldaten war der Blutdruck in der Ruhe durchschnittlich bei der Systole 120 (110—134) und bei der Diastole 93 (75 bis 106) mm Hg. Die pulsatorische Schwankung betrug 27 (20—43) mm Hg, durch- schnittlich 29% des Druckminimums. In den an denselben Individuen ausgeführten Arbeitsversuchen war das Maximum 124 (100—135) und das Minimum 94 (75 bis 110) mm Hg. Die durchschnittliche pulsatorische Druckschwankung — 30 (20 bis 45) mm Hg — war also etwa derselben Größe wie bei körperlicher Ruhe und stellte durchschnittlich 32% des Druckminimums dar. Aus Dehios^ Versuchen berechnet sich durchschnittlich das Maximum zu 110 (162—76) und das Minimum zu 73 (112—54) mm Hg. Die pulsatorische Druckschwankung beträgt nicht weniger als 37 (61 — 16) mm Hg, d. h. durch- schnittlich 51% des Druckminimums. Melvin und Murray^ haben Beobachtungen an 59 gesunden jungen Männern veröffentlicht. Im Durchschnitt beträgt hier der maximale Druck, je nach der angewandten oszillatorischen oder auditiven Methode, 109— 112 (92— 132) mm Hg, der minimale Druck 68 (oszillatorisch), 66 (auditiv) mm Hg (Grenzwerte nach der auditiven Methode 50 bzw. 82 mm Hg). Die pulsatorische Druckschwankung war nach der oszillatorischen Methode 41 (23— 61) und nach der auditiven Methode 46 (22—64) mm Hg, d. h. 60 bzw. 70% des entsprechenden Druckminimums. Unter Zugrundelegung der nach Erlangers Methode gefundenen Druckminimum, durchschnittlich 78 mm Hg, wäre die pulsatorische Schwankung gleich 31 mm Hg= 40% des Druckminimums. Nach Fellner und Rüdiger^ beträgt die systolische Druckschwankung durch- schnittlich etwa 30—40 mm oder 25—35 mm Hg {Fellner''). Noch andere Autoren fanden 25—40 mm {Janeway), 25 mm {Oliver), 30 mm {Eichberg), 40 mm {Good- man, A. A. Howell, Stone^). Bei Männern und Frauen im Alter von 50—60, 60—70, 70—80 Jahren be- obachtete Wikner^ einen systolischen Druck von 141 bzw. 150 und 156, sowie einen 1 Erlanger und Hooker, Johns Hopkins hospital reports, 12, S. 175; 1904. 2 Strassburger, Zeitschr. f. klin. Med., 54, S. 388; 1904. =' Pletnew, Zeitschr. f. exp. Pathol., 6, S. 272; 1909. 4 Dehio, Abh. d. kaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Akad. d. Naturf., 97, Nr. 11, S. 14; 1912. ^ Melvin und Murray, Quarterly journ. of physiol., 8, S. 134. « Fellner und Rudiger, Zeitschr.'f. klin. Med., 57, S. 132; 1905. ' Fellner, Deutsches Arch. f. klin. Med., 84, S. 417; 1905; — 88, S. 15; 1906. « Zit. nach Melvin und Murray, Quarterly journ. of physiol., 8, S. 125; 1914. •' Wikncr, Svenska Läkarcsällskapcts handlingar, 42, S. 1489; 1916. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 251 diastolischen Druck von 80, 78 und 80 mm Hg. Die puisatorische Druckschwan- kung betrug also 61, 72 und 76 mm Hg oder in Prozenten des minimalen Druckes 76, 92 und 95. Bei Neugeborenen ist die Druckschwankung im Schlafe 10—25, im wachen Zustand 20—35 mm Hg (Balard^). An zwölf älteren Kindern im Alter von 8 bis 14 Jahren fanden Melviii und Murray^ durchschnittlich den systolischen Druck gleich 107 mm, den diastolischen gleich 74 mm und die Druckschwankung gleich 34 mm Hg, also 46% des Minimums. Die von verschiedenen Autoren gewonnenen Resultate variieren also nicht wenig untereinander, was ohne Zweifel vor allem damit zusammenhängt, daß die Bestimmung des minimalen Druckes wenigstens nicht bei allen Methoden mit der genügenden Schärfe hat stattfinden können. Aus den hier zusammengestellten Erfahrungen folgt jedenfalls, daß der Druck in den größeren Arterien bei den Tieren wie bei dem Menschen durch die Systole im allgemeinen um 25—30% und mehr erhöht wird, hisbesondere bei langsamer Herztätigkeit, wo der Druck am Ende der Diastole sehr tief herabgesunken ist und das Herz bei der Systole eine verhältnismäßig große Blutmenge in die Arterien hineintreibt, kann die puisatorische Druckschwankung im Vergleich mit dem diastolischen Druck noch viel höher ansteigen. §132. Folgerungen aus der Pulskurve betreffend den Kreislauf beim Menschen. Seit der Erfindung des Sphygmographen hat man immer wieder versucht, aus der Pulskurve Schlußfolgerungen in bezug auf den Kreislauf des Menschen zu ziehen. Daß die Erwartungen vielfach vereitelt worden sind, ist leicht zu ver- stehen, wenn wir bedenken, daß die Deutung der Kurve des peripheren Pulses — und davon handelt es sich hier eigentlich — trotz aller darauf verwendeten Arbeit noch lange nicht sichergestellt ist und daß bis in der letzten Zeit die meisten Sphygmogramme durch Fehler des Sphygmographen mehr oder weniger wesent- lich gefälscht gewesen sind. Hierzu kommt außerdem noch, daß es mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, an einer und derselben Person den Sphygmo- graphen zweimal in solcher Weise anzulegen, daß die aufgenommenen Kurven vollständig untereinander übereinstimmen. Aus diesem allen folgt, daß man bei der praktischen Verwertung der Puls- kurve nur mit der äußersten Vorsicht zuwegegehen muß. Der Vergleich zwischen der Herzstoß- und der Pulskurve zeigt, daß die Puls- kurve einige, wenn auch nur approximative, Aufschlüsse über den zeitlichen Verlauf des Herzschlages ergibt. Wenn wir uns denken, daß die Pulskurve an der Aortenwurzel aufgenommen wird, d. h. von der zur Fortpflanzung der Pulswelle nötigen Zeit absehen, so entspricht die erste Erhebung der Pulskurve (Fig. 455, öj) natürlich dem Eintritt der Blutwelle in die Arterie und fällt in ge- wissen Fällen, wenn auch nicht immer (vgl. I, S. 174), mit dem Punkte auf der Herz- stoßkurve zusammen, wo diese ihren ersten Wendepunkt hat (b). Der Punkt e-^, wo die Pulskurve schnell herabsinkt, entspricht dem Beginn der Entspannung 1 Baiard, Compt. rcnd. de la Soc. de liiol., 1912 (1), S. 998. " Melvin und Murray, a. a. 0., 8, S. 136. 252 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. des Herzmuskels (ey, und der Anfang der dikrotischen Erhebung (/j) erscheint ein klein wenig nach dem Schluß der Semilunarklappen. Die zeitliche Ent- fernung öj— /i an der Pulskurve stellt als approximativ die Zeit dar, während welcher die linke Herzkammer und die Arterien in offener Verbindung miteinander stehen. 2 Daß die Pulskurve den arteriellen Druck in absolutem Maße nicht angeben kann, ist schon bemerkt. Auch die Frage, ob der Druck ein hoher oder ein niedriger ist, läßt sie unbeantwortet. Eine große Amplitude der Pulskurve ist keineswegs der Ausdruck eines hohen Blutdruckes, sondern bezeugt im besten Falle nur, daß die Druckschwankung eine große ist. Da wir nun aber wissen, daß die systo- lische Druckschwankung innerhalb gewisser Grenzen in der Regel bei einem hohen Druck geringer ist als bei einem niedrigen, so könnte man möglicherweise sagen, daß unter sonst gleichen Umständen die größere Amplitude einem niedrigeren Blutdruck entspricht. Dies ist aber auch nicht gestattet, denn hier spielt wieder Fig. 455. Synchronisch geschriebene Kurven des Herzstoßes (die untere Linie) und des Carotis- pulses (die obere Linie). Nach Edgirn. der Kontraktionsgrad der untersuchten Arterie eine bestimmende Rolle. Wenn es vergleichenden Bestimmungen an verschiedenen Individuen gilt, so kommt noch der Übelstand hinzu, daß die Bedeckung und die Lage der zu untersuchenden Arterie vielfache Schwankungen darbieten, welche verursachen, daß der Sphygmo- graph verschieden große Ausschläge gibt, auch wenn er mit ganz gleicher Feder- spannung angelegt wird und der arterielle Druck sowie die arterielle Druckschwan- kung bei den betreffenden Individuen vollständig gleich groß sind. Ein Anstieg derjganzen Kurvenreihe kann in gewissen Fällen, z. B. bei einer Kontraktion der Bauchgefäße mit gleichzeitiger Erweiterung der Armgefäße, von einer Steigerung des arteriellen Druckes herrühren. Der gleiche Anstieg tritt indessen auch dann hervor, wenn die venöse Abfuhr vom Arme verhindert ist, und stellt also an und für sich kein sicheres Zeichen einer Druckzunahme dar.^ Sahli'^ hat durch Bestimmung des m.aximalen und minimalen Druckes bei gleich- zeitiger Registrierung der Pulskurve an dieser die zeitliche Distanz zwischen dem An- fang und dem Gipfel sowie zwischen diesem und dem Anfang des folgenden Pulses ge- messen. An diesen drei Punkten werden Ordinalen gezogen; die durch den Anfangs- punkt und Endpunkt gehenden bekommen eine Länge, welche dem minimalen Druck 1 Der Punkt e^ an der Pulskurve tritt im allgemeinen nur an der Carotiskurve mit ge- nügender Bestimmtheit hervor. 2 Vgl. Edgren, Skand. Arch. f. Physiol., 1, S. 146; 1889. 3 Vgl. L. Hill, Barnard und Seqiieira, journ. of physiol., 21, S. 151, 1897. " Sahli, Deutsches Arch. f. klin. Med., 81, S. 528; 1904. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 253 entspricht, die üipfelordinate eine dem maximalen Druck entsprechende Länge. Dieses absolute Sphygmogramm ist hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit natürlich von der Genauigkeit der Bestimmungen des minimalen und maximalen Druckes abhängig und vervollständigt die Messungen dieser Druckwerte nur dadurch, daß auch die zeitlichen Beziehungen hier berücksichtigt werden. Die Größe der dikrotischen Erhebung ist vielfach als Ausdruck des eben stattfindenden Druckes benutzt worden, und zwar soll die Dikrotie bei einem niedrigen Druck stärker als bei einem hohen entwickelt sein. Dies trifft in der Tat in vielen Fällen zu. So finden wir in dem Werke Mareys Pulsbilder mit aus- geprägter Dikrotie nach Haemorrhagien^ wie nach plötzlichem Aufheben einer Kompression der beiden Femoralarterien.^ Bei allen diesen Fällen ist wohl eine Senkung des arteriellen Druckes ganz sicher anzunehmen. Ebenso begegnet man bei dem Valsalvaschen Veisuch (Exspirations- anstrengung bei geschlossener Stinmiritze), welcher nach dem oben (III, S. 197) angeführten zu einer mehr oder weniger starken Herabsetzung des arteriellen Blutdruckes führt, in der Regel einer stärkeren Dikrotie.^ Dasselbe ist auch bei der durch Amylnitrit hervorgerufenen Gefäßerweiterung der Fall (Wiggers^). Andererseits findet man bei der durch intramuskuläre Injektion von Pituitrin hervorgerufenen Gefäßkontraktion, daß eine früher stark ausgeprägte Dikrotie nunmehr in bedeutendem Grade abnimmt (Hewlett^). Eine enge Beziehung zwischen der Höhe des Blutdruckes und dem Grade der Dikrotie scheint jedoch kaum als allgemeine Regel aufgestellt werden zu können. Dagegen spricht u. a. die schon oben (III, S. 245) erwähnte Tatsache, daß die Dikrotie bei gesenktem Arm größer als bei erhobenem ist. Diese Tatsache genügt, um zu beweisen, daß der Grad der Erweiterung eines einzelnen Arteriengebietes für die Stärke der Dikrotie im Pulse der betreffenden Arterie von maßgebender Bedeutung sein kann, und es fragt sich, ob in einigen der eben angeführten Beispiele möglicherweise nicht der niedrige Druck, sondern vielmehr die Erweiterung der Gefäße das Hauptmoment gewesen ist. Im Carotispuls beobachtete Wiggers bei geringem peripheren Widerstand (Ver- giftung mit Amylnitrit), daß die Anfangsschwingung deutlicher war und daß sowohl der systolische als der diastolische Anteil der Pulskurve steiler als früher herabsank. Es wäre natürlich außerordentlich wichtig, wenn wir aus den Pulsbildern bestimmte Schlüsse hinsichtlich der aus dem Herzen herausgetriebenen Blut- menge ziehen könnten. Daß dies indessen nicht möglich ist, folgt unmittelbar daraus, daß sogar der direkt gemessene arterielle Blutdruck an und für sich nicht ohne weiteres gestattet, auch nur die relative Größe des Schlagvolumens zu be- urteilen. Man konnte sich allerdings denken, daß eine Pulswelle von großer Amplitude der Ausdruck eines großen Schlagvolumens wäre. Dies ist indessen nur sehr be- dingt der Fall, denn die Pulskurve einer bestimmten Arterie ist ja nicht allein von dem Zustand des ganzen arteriellen Systems, sondern auch vom Tonus der be- 1 Marey, La circulation du sang, S. 290, 336, 337. 2 Marey, ebenda, S. 338. 3 Vgl. Rollett, Handbuch d. Physioi., 4(1), S.298; 1880; — Marn', La circulation du sang, S. 464; — L. Hill, Barnard und Sequeira, Journ. of physioi., 21, S. 159; 1897; — Mac Queen, Journ. of physioi., 46, S. 184; 1913. « Wiggers, Journ. of the Amer. med. ass., 64, S. 1381; 1915. 5 Hewlett, Arch. of int med., 20, S. 3; 1917. 254 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. treffenden Arterie selbst abhängig, weshalb nur in Ausnahmefällen bestimmte Folgerungen in dieser Hinsicht gezogen werden können. An und für sich sagt die große Pulsamplitude im besten Falle nur, daß eine große Blutmenge durch die betreffende Arterie geströmt ist. Dies kann aber sowohl bei einem großen Schlag- volumen und verhältnismäßig wenig kontrahierten Gefäßen, als auch bei einem kleinen Schlagvolumen stattfinden, wenn gleichzeitig die Gefäße in großen Teilen des Körpers ziemlich stark zusammengezogen sind, und das Ausbreitungsgebiet der untersuchten Arterie aus der einen oder anderen Ursache offen geblieben ist. Hierher gehört z. B. die Beobachtung Mareys^, daß bei gewissen Individuen der Umfang des Radialispulses auf der einen Seite viel größer als auf der anderen Seite sein kann. Eine solche Differenz kann nur von einer örtlichen Ursache be- dingt sein, und bei näherer Untersuchung der betreffenden Individuen findet man auch, daß die beiden Radiales nicht gleich groß sind, sowie daß die größere den umfangreicheren Puls hat.^ Unter Umständen dürfte es möglich sein, aus den Veränderungen in der Ampli- tude des zentralen Pulses (Subclavia) Schlüsse in bezug auf die Richtung zu ziehen, in welcher das Schlagvolumen sich verändert. Bei starken Druckschwankungen kann man aber, wie Brösamlen^ ausführt, sogar darin irre geführt werden. Aus dem Pulse an sich läßt sich also das Herzschlagvolumen und die Zirkulations- größe nicht beurteilen. Erlanger und Hooker* haben die Ansicht entwickelt, daß die pulsatorische Druckschwankung multipliziert durch die Pulsfrequenz gestatten würde, sowohl die Stromschnelle in der menschlichen Aorta, als auch die wahrscheinlichen Ur- sachen zu den Veränderungen der direkt bestimmbaren Faktoren zu schätzen. Abgesehen davon, daß wenigstens die Bestimmung des Minimaldruckes zurzeit noch nicht sehr genau ist, indem man dafür sehr verschiedene Zahlen be- kommt, je nachdem man das eine oder andere Kriterium wählt, ist es aus der Druckschwankung in einer peripheren Arterie schon deshalb nicht möglich, ein relatives Maß für die Stromstärke in der Aorta zu erhalten, weil diese pulsatorische Druckschwankung in der Aorta und in den mehr peripheren Arterien nicht desselben Umfanges ist, sondern in diesen, wie es scheint, im allgemeinen größer ist als in jener. Auch ist die Tatsache zu berücksichtigen, daß der Elastizitätskoeffizient der Arterien mit zunehmendem inneren Druck zunimmt und daß also die gleiche Blutmenge, je nach der Höhe des diastolischen Druckes, eine wesentlich ungleiche Druckschwankung hervorruft, wie daß, umgekehrt, eine Druckschwankung ge- gebener Größe bei hohem diastolischen Druck durch eine wesentlich geringere Blutmenge als bei einem niedrigeren Druck erzeugt wird. Wie schon in der Einleitung zu diesem Abschnitt bemerkt wurde, unterschieden die älteren Ärzte beim Pulse gewisse charakteristische Qualitäten, welche ihrer- seits gewisse Schlußfolgerungen betreffend den Zustand des Kreislaufes mehr oder weniger sicher gestatteten. 1 Marey, La circulation du sang, 1881, S. 284. 2 Vgl. auch Hewlett und van Zwahiwenburg, Arch. of int. med., 12, S. 1; 1013. ^ Brösamlen, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 119, S. 537; 1916. * Erlanger und Hooker, Johns Hopkins hospital reports, 12, S. 163; 1904. Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 255 An und für sich kann die Pulskurve über diese Qualitäten keinen näheren Aufschluß als der tastende Finger geben. Um sie einer Messung zugänglich zu machen, hat Christen'^ eine Methode entwickelt, die beabsichtigt die Füllung und Intensität des Pulses in Kubikzenti- metern bzw. Granmizentimetern zu messen. Christens dynamische Pulsuntersuchung bezweckt nicht, diejenige Blutmenge zu messen, welche während einer Pulsperiode einen gegebenen Querschnitt passiert, sondern nur die Füllung des Pulses, d. h. den Volumenunterschied zwischen dem diastolischen Minimum und dem systolischen Maximum, sowie die Energie des Pulsschlages als Produkt der Füllung und des von außen her wirkenden Druckes festzustellen. Zu diesem Zwecke wird z. B. der Oberarm mit einer Manschette, wie bei der Blutdrucksbestimmung nach Riva-Rocci, umgeben, und in diesem ein will- kürlicher Druck etabliert. Durch die Pulsationen der Arterie entstehen bei jedem Herzschlag Druckschwankungen, welche an einem mit der Manschette verbundenen elastischen Manometer abgelesen werden. Dann wird mittels einer geeichten Spritze soviel Luft in die Manschette hineingetrieben, daß dadurch die gleiche Druckschwankung wie vom Pulse an und für sich erzielt wird. Diese Luftmenge gibt natürlich die Größe der pulsatorischen Volumenschwankung des innerhalb der Manschette eingeschlossenen Arterienstückes an. Dadurch erhält man also für den betreffenden Manschettendruck einen Volumenwert für die Füllung, die der Puls entgegen diesem Druck hervorbringt. Durch Multiplikation dieses Volumens mit dem vom Manometer angegebenen mittleren Druck in der Man- schette erhält man die Bruttoenergie des Pulsstoßes. Man wiederholt nun die Bestimmungen mit zunehmendem Druck in der Manschette und trägt die Energiewerte auf Millimeterpapier ein. Den wahren Wert der Energie des Pulsstoßes findet man dann im Gipfel der Kurve. Da im allgemeinen die Füllung der Arterie unter sonst gleichen Umständen um so größer ist, je größer und schwerer das Individuum, stellt Christen noch den Begriff spezifische Füllung auf und definiert sie als die absolute Füllung (aus- gedrückt in Kubikzentimetern) dividiert durch das Körpergewicht (ausgedrückt in Meterzentnern). Dementsprechend ist die spezifische Hebung gleich der Energie des Puls- stoßes (ausgedrückt in Grammzentimetern) dividiert durch das Körpergewicht. Eine nähere Besprechung dieser Methode muß hier unterbleiben, da ich überhaupt in diesem Buch die Methodik nur ganz kurz habe streifen können. Ich will daher nur einige bei normalen Verhältnissen gefundene Daten hier mitteilen. Aus einer großen Reihe von Versuchen findet Drouven- nach Messungen am Oberarm des ruhenden Menschen die Füllung gleich 1,3 (0,9—1,6) ccm und die Energie des Pulsstoßes gleich 151 (99—182) g-cm. Nach einer angestrengten Arbeit (Jagdausflug) war die Füllung am ersten Ruhetage wesentlich erhöht (1,7 ccm) 1 Christen, Die dynamische Pulsuntersuchung. Leipzig 1914; daselbst ein Verzeichnis der zahlreichen früheren Abhandlungen Christens über denselben Gegenstand; — kurze Dar- stellungen im Münchener med. Wochenschr., 1911, S. 789; — 1913, S. 1372; — vgl. auch Christen, Deutsches Arch. f. klin. Med., 114, S. 465; 1914. - Drouven, Deutsches Arch. f. klin. Med., 112, S. 157; 1913. 256 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. und noch am sechsten Tage (1,4 ccni) etwas höher als der Normalwert (1,3 ccm). Dasselbe fand auch nach Bergtouren statt. Bei Abkühlung des Armes in Eiswasser sank die Füllung von 0,85 auf 0,5 ccm herab — was unzweifelhaft eine Folge der Gefäßverengerung darstellt. ^ Welche Bedeutung diese Methode für die Klinik haben wird, darüber wage ich kein Urteil abzugeben. Immerhin müssen, wie auch Christen selber bemerkt, die Schlußfolgerungen, die man aus den Qualitäten des Pulses und dem Zustande der großen Arterien auf die Vorgänge am Herzen ziehen darf, in jedem Falle unter Berücksichtigung der übrigen klinischen Daten entschieden werden^. § 133. Allgemeine Übersicht über die Bewegung des Blutes in den Arterien. Über die Art und Weise, wie das Blut durch Strömung und Wellenbewegung durch das arterielle System getrieben wird, hat E. H. Weber ^ folgende allgemeine Darstellung gegeben, wobei er der Einfachheit wegen von der Annahme ausgeht, daß das Herz nur aus einer Kammer besteht. Wir stellen uns vor, daß in einem gegebenen Augenblick das Blut in sämtlichen Abteilungen des Gefäßsystems, in dem Herzen, den Arterien, Kapillaren und Venen unter einem und demselben Druck steht. Bei der Kontraktion der Kammer schließen sich die Atrioventrikularklappen sogleich und hindern das Blut rückwärts zu strömen; alles Blut wird daher in der Richtung nach den Arterien gedrängt. Wären diese völlig unausdehnbare Röhren, so könnte das Blut nicht eher in die Arterien eindringen, als die ganze Blutsäule in allen ihren Teilen gleichzeitig in Bewegung geriete. Es würde also hierdurch keine Welle, sondern nur eine Strömung von Blut entstehen, die ebenso- lange dauerte als die Kontraktion der Kammer. Da nun aber die Arterien ausdehnbare elastische Röhren sind, so geschieht die Verschiebung der Blutteilchen sukzessiv, und die von der Kammer aus- getriebene Blutmenge findet zunächst in dem sich ausdehnenden Teile des ar- teriellen Systems Platz und erzeugt daselbst eine positive Welle, die mit einer gewissen Geschwindigkeit durch das Gefäßsystem fortschreitet. Wären keine Semilunarklappen vorhanden und hörte die Kammerkontrak- tion sogleich nach der Austreibung des Blutes auf, so würden die gespannten Ar- terien sogleich einen Teil des Blutes nötigen, rückwärts nach der Kammer aus- zuweichen, und hierdurch würde in den Arterien eine negative Welle entstehen, welche der vorausgegangenen positiven Welle nachfolgen und mit einer gewissen Geschwindigkeit durch das Gefäßsystem fortschreiten würde. Bei gänzlich 1 Hapke, Münchener med. Wochenschr., 1913, S. 1475; — vgl. auch Schrumpf, Deutsches Arch. f. klin. Med., 113, S. 466; 1914. 2 Vgl. auch Münzer, Zeitschr. f. klin. Med., 73, S. 126; 1911 ; — Diinkan, Deutsches Arch. f. klin. Med., 112, S. 183; 1913. Über andere hierher gehörigen Methoden vgl. Sahli, Deutsche med. Wochenschr., 1907, S. 628, 672; — 1910, S. 2181; — Deutsches Arch. f. klin. Med., 107, S. 18; 1912; — 109, S. 519; 1913; — 112, S. 125; 1913; — 115, S. 124; 1914; — 117, S. 155; 1914; — Zeitschr. f. klin. Med., 72, S. 1, 214; 1911; — 74, S. 230; 1912; - Lipowetzky, Deutsches Arch. f. klin. Med., 109, S. 498; 1913; — Christen, ebenda, 109, S. 515; — Zeitschr. f. klin. Med., 74, S. 477; 1912; — Deutsches Arch. f. klin. Med., 117, S. 111; 1914; — Schuld- hess, Deutsche med. Wochenschr., 1908, S. 959, 1005; — Hartmann, Deutsches Arch. f. klin. Med., 117, S. 86; 1914. 3 E. H. Weber, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss., math.-phys. KL, 1850, S. 186 (das ,, Kreis- aufschema" von E. H. Weber). Die Strömung des Blutes in den Arterien. 4. Der Arterienpuls. 257 mangelnden Klappen würden die Blutteilchen in dem Gefäßsysteme, während diese negative Welle hindurchging, um ein ebenso großes Stück rückwärts bewegt werden, als sie sich vorher, während die positive Welle hindurchging, vorwärts bewegt hätten, und die Blutteilchen würden also an ihren Ort zurückkehren. Da nun aber die Semilunarklappen das Zurückweichen des Blutes nach der Kammer nicht zulassen, so findet diese letztere Möglichkeit nicht statt, sondern jede Kammerkontraktion bewegt die Blutteilchen im Gefäßsysteme wellenförmig ein Stückchen weiter fort und hilft so die Flüssigkeit im Kreise herumzubewegen, ohne daß sie durch Strömen fortfließt. Wir haben bis jetzt untersucht, was zufolge der Kontraktion des Herzens geschieht. Wir wollen nun sehen, welche Wirkungen die Erschlaffung der Kammer hervorbringt. Sobald das Herz erschlafft, würde sich, wenn keine Klappen vorhanden wären, die gepreßte Flüssigkeit von beiden Seiten her, von den Arterien und den Venen, nach dem Herzen hereinstürzen und zwei negative Wellen hervor- bringen, von welchen die eine durch die Arterien, die andere durch die Venen fortschritte. Da nun aber die Semilunarklappen sich der negativen Welle ver- schließen, die Atrioventrikularklappen sich ihr dagegen öffnen, so kann das Blut nur von den Venen her nach dem Herzen hineindringen und dadurch eine negative Welle bilden, die nach den Venen hin fortschreitet. Man sieht hieraus, daß die mit dem Herzen in Verbindung stehenden Klappen die Wirkung haben, daß bei der periodisch abwechselnden Systole und Diastole vom Herzen positive Wellen nur nach den Arterien, negative nur nach den Venen ausgehen. Beide Klassen von Wellen bewegen die Blutteilchen in demselben Sinne, und beide unterstützen sich. Daß man beim Menschen in der Regel die negativen Wellen in den Venen nicht als Puls fühlen kann, liegt darin, daß die Venen nicht so sehr angespannt sind als die Arterien, und daß die Erweiterung der Kammern und der Vorhöfe nicht so rasch geschieht als die Kontraktion derselben. Wenn das Gefäßsystem nirgends beengt wäre, durchliefe jede positive Welle das ganze System mit einer großen Geschwindigkeit und bewirkte, daß sich schon, ehe eine neue Kammersystole erfolgt, das Blut im ganzen System ins Gleichgewicht setzte, so daß ein gleicher Druck vorhanden wäre. Anders verhält es sich aber, wegen des großen Widerstandes in den kleinsten Arterien und Venen und in den Kapillaren. Das Blut kann dort wegen der Friktion nicht so schnell hindurch- dringen, als es zur Fortpflanzung der positiven Welle erforderlich ist. Die Wellen- bewegung wird daher durch die Kapillaren usw. reflektiert und unmerklich ge- macht, so daß man in normalem Zustande in den Venen den Puls nicht mehr wahr- nehmen kann. Wiederholen sich nun die periodisch erfolgenden Herzkontraktionen schnell genug, so entsteht in den Arterien eine Anhäufung des Blutes, denn mit jeder Systole wird eine neue Quantität Blut in die Arterien getrieben, während in derselben Zeit durch die Kapillaren nicht soviel Blut nach den Venen hinüberdringen kann. In den Venen aber entsteht bei jeder Diastole des Herzens eine noch größere Ver- minderung des Blutes, weil aus ihnen mehr Flüssigkeit in das Herz hinübertritt, als von den Arterien durch die Kapillaren nach ihnen gelangt. In dieser Weise nimmt die Menge des Blutes in den Arterien so lange zu und in den Venen so lange ah, bis die Druckdifferenz zwischen beiden so groß ist, daß von einer Systole des Tigerstedt, Kreislauf. III. 2. Aufl. 17 258 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf, Herzens zur anderen gerade soviel Blut durch die Kapillaren dringt, als vom Herzen in die Arterien getrieben wird. Ist dieser Grad der Druckdifferenz in den beiden Abteilungen des Gefäßsystems eingetreten, so kann nun, wenn die Herztätigkeit auf gleiche Weise fortgeht, ein beharrlicher Zustand eintreten, bei welchem der Druck in den Arterien beträchtlich größer ist als in den Venen. Sobald also eine in Betracht kommende Druckdifferenz in den Arterien und Venen eingetreten ist, so wird die Bewegung des Blutes aus jenen nach diesen nicht mehr bloß durch die Wellen, sondern auch durch Strömung bewirkt, und das Blut fährt daher noch einige Zeit fort, sich von den Arterien nach den Venen zu bewegen, auch wenn das Herz stillsteht. Der stationäre Zustand, welcher in der besprochenen Weise eintritt, wird durch alle Einflüsse, welche den Widerstand in den Gefäßen oder die Herzenergie ver- ändern, aufgehoben, bis wieder ein neuer Gleichgewichtszustand erzielt wird. Bei jeder Druckschwankung treten also Veränderungen des Blutstromes in der einen oder anderen Richtung ein. Dreiunddreißigstes Kapitel. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren. § 134. Allgemeines über Bau und Aufgabe der Kapillaren. Die Arterien teilen sich allmählich in immer kleinere Äste, welche endlich in die Kapillaren übergehen. Diese bilden Netzwerke, welche die Organe des Körpers durchziehen. In einem und demselben Kapillarnetz haben die verschiedenen Äste etwa dieselbe Größe, d. h. sie teilen sich nicht wie die Arterien in kleinere Zweige, auch sammeln sie sich nicht wie die Venen zu größeren Stämmen. In verschiedenen Organen sind die Kapillaren, sowohl in bezug auf ihre allgemeine Anordnung, wie auch hinsichtlich ihrer Weite sehr verschieden. In den Lungen und in der Aderhaut des Auges bilden die Kapillaren ein sehr dichtes Netzwerk; ebenso sind die Kapillarnetze in den Muskeln, im Fett, in der Haut und den meisten Schleim- häuten, in den Drüsen und in der grauen Substanz des zentralen Nervensystems sehr eng. Dagegen sind die Kapillaren in Bändern, Sehnen und anderen binde- webigen Organen wenig zahlreich und ihre Maschen groß. Die allgemeine Anordnung der Kapillarnetze scheint nach dem betreffenden Gewebe abgepaßt zu sein. So sind z. B. ihre Maschen in den Muskeln, Nerven und Sehnen lang und verhältnismäßig schmal; in den Lungen, im Fettgewebe und in den absondernden Drüsen sind sie gerundet oder polygonal und nicht in irgendwelcher Richtung besonders ausgezogen usw. Nach W. Jacobj^ kann man zunächst beim Frosch diejenigen Kapillaren, welche die unmittelbare Verbindung zwischen Arterien und Venen vermitteln (die Stromkapillaren), deutlich von den Netzkapillaren unterscheiden. Letztere 1 W. Jacobj, Arch. f. exp. Patlinl., 86, S. 73; 1920. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren. 259 zweigen sich mehr rechtwinkUg aus den kleinsten Arterien ab, verbinden sich unter unregehnäßigen Krümmungen und bilden die eigentlichen Netzmaschen. Die Weite der Muskelkapillaren in ungespanntem Zustand wird von V. Hoesslin^ beim Pferd zu 0,00608, beim Menschen zu 0,0076, beim Schaf zu 0,0049, beim Kaninchen zu 0,0055 und bei der Maus zu 0,0056—0,0060 mm an- gegeben. Die Größe der roten Blutkörperchen ist bei diesen Tieren bzw. 0,0046 bis 0,0073, 0,0066-0,0092, 0,0040-0,0059, 0,0053-0,0079, 0,0046-0,0073 mm (M. Bethe^) und entspricht also der Weite der ungespannten Kapillaren. Unter dem Einfluß des inneren Druckes und der eigenen Kontraktionsfähigkeit der Kapillarwand schwankt indessen die Weite der Kapillaren in hohem Grade. Auch variiert sie in verschiedenen Organen recht viel; so ist sie z. B. bei der Maus in den Kapillaren der Leber 0,0075 und in denen der Leberzellenbalken 0,0123 mm. In den Muskeln wenigstens sind die Kapillarnetze dichter bei warmblütigen als bei kaltblütigen Tieren, dichter bei kleinen Säugetieren als bei großen, wie z. B. {Krogh^): Tierart Zahl der Kapillaren in 1 qmm Körpergewicht; Dorsch .... Frosch Pferd Hund Meerschweinchen 400 400 1400 2500 3000 1 0,04 500 5 0,5 Die Länge der Kapillaren, d. h. die Entfernung zwischen den kleinsten Arterien und den kleinsten Venen, ist bei verschiedenen Tieren sehr verschieden. Nach V. Hoesslin^ beträgt die Länge der Kapillaren in den Armmuskeln des Menschen bei mittlerer Spannung etwa 0,90 mm und die Entfernung von der kleinsten Endarterie zu der kleinsten Endvene 1,28 mm. Lange glaubte man, die Wand der Kapillaren sei aus einer strukturlosen Haut gebildet, bis Auerbach^, Ebertff, Aeby"^ und Hoyer^ gleichzeitig und un- abhängig voneinander im Jahre 1865 durch Silberfärbung nachwiesen, daß sie aus platten, ausgezogenen Zellen zusammengesetzt ist, welche mit ihren Rändern aneinander stoßen und ohne Unterbrechung mit der innersten Haut der Arterien und Venen zusammenhängen. Der für das Leben der Organe notwendige Austausch von Stoffen zwischen dem Blut und den Geweben findet in den Kapillaren statt. In diesen ist das Blut nur durch eine dünne, aus einer einzigen Zellenschicht bestehende Wand von der Gewebsflüssigkeit getrennt. Die Arterien und die Venen sind nur Röhren, welche das Blut nach oder von den Kapillaren leiten. Diese stellen also den Knoten- punkt des ganzen Gefäßsystemes dar. 1 V. Hoesslin, Deutsches Arch f. kiin. Med., 66, S. 107; 1899. 2 M. Bethe, Morphol. Arbeiten, 1, S. 228; 1891. 3 Krogh, Journ. of physioi., 52, S. 414; 1919. * V. Hoesslin, a. a. O., 66, S. 109. 5 Auerbach, Zentralbl. f. d. med. Wiss., 1865, S. 177. 6 Ebertli, ibid., 1865, S. 196—197. 7 Aebv, ibid., 1865, S. 209— 210. 8 Hoyer, Arch. f. Anat. u. Physioi., 1865, S. 244. 17* 260 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Der hohe Druck, welcher in den Arterien herrscht, ist notwendig, damit das Blut mit einer genügenden Geschwindigkeit durch die Kapillaren strömen mag. Da in den Geweben besonders Sauerstoff in reichlicher Menge verbraucht wird, ist es selbstverständlich von großer Wichtigkeit, daß das Blut mit einer gewissen, nicht zu geringen Geschwindigkeit in den Kapillaren strömt, weil es im entgegengesetzten Falle, bei einer zu geringen Geschwindigkeit, während seiner Strömung in den Kapillaren in einem zu hohen Grade arm an Sauerstoff wird und also in ungenügender Menge die Gewebe damit versorgt. § 135. Die Eigenschaften der Kapillarwand an und für sich. Es steht außer allem Zweifel, daß die Kapillarwand dehnbar und elastisch ist. Indessen ist die Weite der Kapillaren nicht allein von dem in ihrem Innern herrschenden Druck und dem Gegendruck der Gewebsflüssigkeit, sondern auch, und zwar in einem sehr hohen Grade, von dem Zustand ihrer Wand abhängig. Roy und Brown^ haben nämlich nachgewiesen, daß die Kapillaren, trotz großen Schwankungen des auf ihre innere Wand wirkenden Druckes, nur geringe Veränderungen ihrer Weite zeigen. An einem lebenden Frosch bestimmten sie die Weite einiger Kapillaren in der Schwimmhaut, amputierten danach das Bein, wobei der Druck in den Kapillaren natürlich fast bis auf Null herabsank. Dennoch waren die Kapillaren jetzt nur wenig schmäler als eben vorher, bei ungestörtem Kreislauf. Ferner erzeugten sie bei einem unversehrten Tiere durch eine vorüber- gehende Anämie eine Erweiterung der Kapillaren, brachten dann das Herz zum Stillstand und riefen also eine beträchtliche Drucksenkung hervor. Dessen un- geachtet waren die Kapillaren fortwährend erweitert. Auch hat es sich herausgestellt, daß in einem und demselben Kapillarbezirk, wo sich der Druck in der zuführenden Arterie natürlich in gleichem Umfange bei allen Kapillaren geltend machen muß, dennoch einige stark verengt sind, während andere wiederum offen stehen {Roy und Brown^). Bei den ruhenden Muskeln des Frosches und des Meerschweinchens sind die meisten Kapillaren geschlossen {Krogh^), und bei der menschlichen Haut findet man bei dicht neben- einanderverlaufenden Kapillaren desselben Kalibers in einigen gar keine Strömung, während das Blut in anderen schnell, in wieder anderen ganz langsam strömt. Sogar in einer und derselben Schleife kann man einen Übergang von der schnell- sten Strömung zu vollständigem Stillstehen beobachten, in dem die ganze Schleife plötzlich erblaßt oder vollständig verschwindet, um ebenso plötzlich wieder gefüllt zu werden {Schur^, R. Neumamf^). Außerdem hat man beim Menschen an morphologisch krankhaft veränderten Kapillaren deutliche peristaltische Vorgänge sowie spastische Einschnürungen und atonische Erweiterungen beobachtet {Parrisius^'). 1 Roy und Brown, Journ. of physiol,, 2, S. 338, 341 ; — vgl. auch Steinach und Kolm, Arch. f. d. ges. Physio!., 97, S. 112; — Krogh, Journ. of physiol., 55, S. 417; 1921. 2 Roy und Brown, Journ. of physiol., 2, S. 333, 347; 1879; — vgl. Ebbcke, Arch. f.d. ges. Physiol., 169, S. 52; 1917. 3 Krogh, Journ. of physiol., 52, S. 459; 1919. 4 Schur, Wiener klin. Wochenschr., 1919, S. 1203. 5 R. Neumann, Berliner klin. V/ochenschr., 1920, S. 820. 6 Parrisius, Arch. f. d. ges. Physiol., 191, S. 224; 1921. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren. 261 Diese und ähnliche Beobachtungen zeigen, daß die Weite der Kapillaren von irgend etwas anderem als dem inneren Druck und dem Gegendruck der Gewebsflüssigkeit wesentlich bedingt ist. Dieses haben wir in der Kontrak- tilität der Gefäßwand zu suchen. Kurze Zeit vor der Entdeckung der Zusammensetzung der Kapillarwand aus Zellen beobachtete Stricker^ (1863) bei den Kapillaren der ausgeschnittenen Nickhaut des Frosches Veränderungen ihrer Weite. Später gelang es ihm, durch elektrische Reizung starke Kontraktionen bei den Kapillaren der Frosch- larven zu erhalten. 2 Golubew^ beobachtete ähnliche Erscheinungen, bemerkte aber, daß die Verengerung des Gefäßlumens wesentlich von der Verdickung der Kerne in der Richtung gegen die Gefäßachse abhängig ist. Ganz überein- stimmend lauten die Ergebnisse, welche Tarchanoff* bei Versuchen an Frosch- larven und ausgewachsenen Fröschen sowie an der abgeschnittenen Nickhaut des Frosches erhielt; er fügt aber hinzu, daß in einigen wenigen Fällen das Gefäß in seiner ganzen Länge bei der Reizung verengt wurde. Dagegen behaupteten Roy und Brown-' in Übereinstimmung mit Stricker*^ ganz bestimmt, daß sich die Kapillarwand in ihrer ganzen Ausdehnung zusanmien- zieht, ohne jedoch verneinen zu wollen, daß das Dickerwerden der Kerne in einem mehr oder weniger beträchtlichen Grade an der Ver- engerung des Gefäßes beteiligt ist, wie auch Kukulka'^ gefunden hat, daß das Anschwellen und Vorspringen der Zellen im inneren der Kapillaren zu deren Verengerung Fig- 456. wesentlich beitraaen Verästelte, die Kammerwand weseniucn oeiiragen. umklammernde kontraktile Wie RoüQet^, S. Mayer^ sowie Steinach und Kälin^^ Zellen aus der Membrana , , ,- ,r -,, .• ., hyaloidea des Frosches, nachwiesen, verdanken die Kapillaren diese Kon- Nach Rouget. traktilität kontraktilen Gebilden, welche der Grundhaut außen aufgelagert sind. Die Kerne dieser Gebilde sind der Längsachse parallel angeordnet, und ihre Zellsubstanz umspinnt mit feinen, senkrecht vom Kern aus- strahlenden Fädchen die Gefäßröhrchen wie Faßreifen (vgl. Fig. 456). Die Kontraktion dieser Gebilde kann die Lichtung des Gefäßes vollständig aufheben; es entstehen dann in Längsrichtung verlaufende, feine Falten oder Runzeln der Zellhaut, welche beim Aneinanderrücken der Kapillarwandung an Zahl, Deutlichkeit und Extension zunehmen und bei der Dilatation des Gefäßes wieder vollständig verstreichen (vgl. Fig. 457). 1 Stricker, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., math.-naturw. KL, 51 (2), 1865; — Untersuchungen zur Naturlehre, 10, S. 168. 2 Stricker, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., math.-naturw. KL, 52 (2), 1866; — 74(3), 8.316; 1876; — Untersuchungen zur Naturlehre, 10, S. 254. 3 Golubew, Arch. f. mikr. Anat., 5, S. 55; 1869. 4 Tarchanoff, Arch. f. d. ges. PhysioL, 9, S. 407; 1874. 5 Roy und Brown, a. a. O., 2, S. 343. « Stricker, a. a. O., 74 (3), S. 327; — vgl. Biedl, Strickers Fragmente aus dem Gebiete d. exp. PathoL, 1. Wien 1894. 7 Kukülka, Zcitschr. f. exp. PathoL, 21, S. 9 des S.-A.; 1920. 8 Rouget, Arch. de physioL, 1873, S. 656; — Comptes rend. de l'Acad. des sciences, 88, S. 916; 1879. 9 S.Mayer, Anat. Anz., 21, S. 442; 1902;— Sitz.-Ber, d. Wiener Akad. d. Wiss., math.- naturw. KL, 93 (3), S. 45; 1886. " Steinach und Kahn, Arch. f. d. ges. PhysioL, 97, S. 112; 1903. 262 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Die von der Kapillarwand dabei entwickelte Kraft ist nicht gering. Wenn man, um den Blutstrom in den Venen abzuschneiden, am Unterarm eine Riva- Rocci-Manschette unter einem Druck von 30—40 mm Hg anlegt, und dann noch am Oberarm in gleicher Weise die arterielle Blutzufuhr durch einen Druck von 200 mm Hg aufhebt, so tritt bei linearer Reizung der Haut mit einem stumpfen Gegenstand ein weißes Band daselbst auf, welches die Folge der jetzt statt- gefundenen Kontraktion der Kapillaren darstellt und also zeigt, daß diese, bei gewissen Individuen, einen ak- tiven Druck von mindestens 30 bis 40 mm Hg ausüben können {Cotton, Slade und Lewis^). Unter Umständen konnte dabei auch ein rotes Band erscheinen, welche die Autoren als Ausdruck einer durch die mechanische Reizung hervorgerufene Erweiterung der Kapillaren auffassen. Nach Lennärtz^ dauert die durch den mechanischen Reiz beim Menschen hervorgerufene Erweiterung der Hautkapillaren durchweg 3 bis 4 Minuten und ist im allgemeinen Beim stärkeren Reiz kommt aber eine A B Fig. 457. A, nicht gereizte Kapillare; B, maximale Kontraktion derselben Kapillare. Nach Steinach und Kahn. nach 7—8 Minuten wieder abgeklungen deutliche Wirkung noch länger vor. In der Kontraktilität der Kapillaren findet Mares^ ein wichtiges Hilfsmittel beim Vorwärtstreiben des Blutes und weist in dieser Hinsicht auf Harveys Ver- such über die Bindung der Aorta bei der Schlange hin (I, S. 11). Nerven laufen in reichlicher Menge nach den Kapillaren. Steinacli und Kalin^ ist es gelungen, durch Reizung des Sympathikus die Kapillaren der Frosch- nickhaut zur Kontraktion zu bringen. Bei einseitiger Durchschneidung des Glossopharyngeus und Hypoglossus bzw. beim Abfrieren des Hypoglossus oder elektrischer Reizung der Zungennerven konnte Kroglf" keine deutlichen Anzeichen dafür finden, daß der Tonus der Kapillaren wesentlich nervösen Ursprunges wäre. Vielmehr komme derselbe durch die Einwirkung gewisser Substanzen auf die Kapillarwand zustande. An der Schwimmhaut des Frosches geht dieser Tonus na.ch 20 Minuten lang dauernder Aufhebung der Blutzufuhr verloren. Die Kapillaren sind dann stark erweitert, bekommen aber ihren Tonus nach etwa 10— 15 Minuten wieder. Die hierbei tätige Substanz findet sich auch im Rinderblutserum; sie ist dialysierbar und verträgt ein kurzdauerndes Kochen {Krogh und Harrop^). 1 Cotton, Stade und Lewis, Heart, 6, S. 245; 1917; — vgl, auch R. Neumann, a, a. 0,, 1920, S. 828. 2 Lennartz. Arch. f. d. ges. Physiol., 191, S. 302: 1921. 3 MareS, Arch. intern, de physiol., 18, S. 173; 1921. 4 Steinach und Kahn, a. a. O., 97, S. 124. , ^ Krogh, jomn. of physiol., 53, S. 410, 415; 1920. ^ Krogh und Harrop, Journ. of physiol., 54, proc, S. 125; 1921. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren. 263 Daß auch die Erweiterung der Kapillaren unabhängig vom Nervensystem durch periphere Einflüsse erfolgen kann, zeigten Dale und Richards^ wie Dale und Laidlaw'^ an Säugetieren und Doi^ am Frosch durch Vergiftung mit Histamin. Nähere Aufschlüsse über die Erweiterung an Kapillaren verdanken wir Krogli, welcher seine Versuche insbesondere an der Froschzunge ausführte. Die daselbst verlaufenden Kapillaren eröffnen sich durch elektrische, chemische und mechanische Reizung, sowie bei den Muskelkontraktionen S und zwar kann dies ohne Steigerung des arteriellen Druckes stattfinden. Auch kommt eine örtliche Erweiterung einzelner Stellen vor. Unter Substanzen, welche beim direkten Anbringen an die Zunge eine Er- weiterung der Kapillaren hervorrufen, wird von Krogh^ speziell Urethan, schwache Säuren (Kohlensäure), Kokain und Nikotin erwähnt. In Bezug auf ihre Reaktion bei örtlicher Reizung verhalten sich verschiedene Kapillargebiete ziemlich verschieden. Während die Reizung der Froschzunge immer eine Erweiterung hervorruft, reagieren die Kapillaren der Schwimmhaut nur bei schwacher Reizung mit einer Erweiterung, ziehen sich aber bei einer stärkeren zusammen. Auch sind die Hautkapillaren für allerlei Reizung lange nicht so empfindlich wie die Kapillaren der Zunge (Kroglf). Es kommen aber auch Nervenwirkungen hier in Betracht. Nach der von Ki'ogif durchgeführten Analyse derselben stellen sie Axonreflexe dar, die durch zentripetale Nerven, welche die Arterien begleiten und Äste teils zu den Arterien, teils zu den Kapillaren und der Schleimhaut entsenden, vermittelt werden. In der Tat erzielte Doi^ bei direkter Reizung der 8. und 9. hinteren Rückenmarkswurzel beim Frosch eine bedeutende Erweiterung der Kapillaren, und zwar auch in dem Falle, wenn die Arterien vorher unter der Einwirkung von Azetylcholin^ maximal erweitert waren. Näheres hierüber in Kap. XL IV. Dank ihrer Kontraktilität und ihrer davon abhängigen großen Fähigkeit, den Blutstrom in den Organen zu verändern, müssen die Kapillaren, wie seit lange^" ausdrücklich bemerkt worden ist, bei der Regulierung des normalen Blutstromes eine große Rolle spielen. Auch hob schon Wonn-Müüer bei der theoretischen Deutung der Konstanz des Blutdruckes nach Transfusion großer Flüssigkeitsmengen hervor, daß diese Konstanz zum Teil daraus erklärt werden könnte, daß sich eine Anzahl Kapillaren, die früher verhältnismäßig geschlossen waren, bei der vermehrten Blutfüllung den Blutstrom eröffneten. ^^ 1 Dale und Richards, ebenda, 52, S. 110; 1918. ^ Dale und Laidlaw, ebenda, 52, S. 355; 1919. 3 Doi, ebenda, 54, S. 231; 1920. 4 Krogh, ebenda, 52, S. 461; 1919; — 53, S. 403; 1920. Die durchschnittliche Weite der Kapillaren im Sartorius des Frosches war bei Ruhe 0,0043, bei der Arbeit 0,0068 mm. Für die Bauchmuskeln des Meerschweinchens fanden sich 0,0035 bzw. 0,005 mm. 5 Krogli, ebenda, 53, S. 407. 6 Krogh, Kgl. Danske Videnskabernes selskab. Biol. med., 3, Nr. 3, S. 10; 1921; — Journ. of physiol., 55, S. 412; 1921. 7 Krogh, Journ. of physiol., 53, S. 413. 8 Doi, ebenda, 54, S. 234; 1920. 9 Vgl. Hunt, Amer. journ. of physiol., 45, S. 197, 231; 1918. 1° Vgl. z. B. R. Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie des Menschen, 1, S. 265. Leipzig 1905. 11 Worm-Müller, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss., math.-phys. KL, 1873, S. 650. 264 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Was diese Veränderungen bei der Kapazität der Kapillaren in der Tat leisten können, geht aus folgender Tabelle, in welcher Krogli^ die Resultate seiner hierher gehörigen Messungen und Berechnungen zusammengestellt hat, sehr deutlich hervor. 1 Gesamtoberfläche Tier der Kapillaren auf Iccm Muskelsubst.; Anmerkungen qcm Frosch 1,4 Ruhe 12 Ruhe 1 70 Arbeit Meerschweinchen 3 Ruhe 8 Ruhe 32 Ruhe 200 Massage 360 Arbeit 750 Maximum Bei dem arbeitenden Muskel ist also die Gesamtoberfläche der Kapillaren, welche ja für den Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe maßgebend ist, beim Frosch 6—50 und beim Meerschweinchen 11— 250 mal größer als bei dem ruhenden Muskel. § 136. Das mikroskopische Bild des Blutstronis in den Kapillaren. Wie schon erwähnt, war Malpighi^ der erste, der die Blutbewegung in den Kapillaren beschrieb; er machte seine Beobachtungen an der Lunge, dem Mesen- terium und der Harnblase des Frosches. Leemvenhoek studierte die Blutbewegung im Schwanz von Froschlarven und Fischen. Bei den warmblütigen Tieren wurde die Blutbewegung in den Kapillaren zuerst von Leemvenhoek in der Flughaut der Fledermaus (1695) und von Cowper im Mesenterium (1704^) beobachtet. Als zu diesem Zwecke geeignete Organe hat man ferner das luxierte Auge albinotischer Kaninchen und Ratten, die Palpebra tertia vom Kaninchen und Lamm, die Membrana nictitans von Tauben und Hühnern empfohlen. Bei auffallendem Licht hat zuerst Hueter^ die Blutbewegung in der Schleim- haut der inneren Oberfläche der Unterlippe am Menschen beobachtet. Indessen konnte er nur eine schwache Vergrößerung (52 mal) benutzen, weshalb auch die roten Blutkörperchen nur als feine Punkte hervortraten. ^ Krogh, Kgl. Danske Videnskabernes selskab. Biologiske meddelelser, 1, Nr. 6, S. 19; 1918; — Journ. of physiol., 52, S. 468; 1919. " Malpighi, De pulmonibus epistola 11, 1661; — Opera omnia, 2, S. 328. Leiden 1687. Eine vorzügliche Methode, den Kapillarkreislauf in der Froschlunge zu beobachten, ist von Holmgren angegeben (Festschrift für Ludwig, 1874, S. 33) und von Öhrwall weiter ausgebildet worden (Skand. Arch. f. Physiol., 25, S. 1; 1910). 3 Siehe bei Rolleü, Handbuch d. Physiol., 4 (1), S. 309. Unter Anwendung kräftigen elektrischen Lichtes erhält man bei mikroskopischer Projektion des Mesenteriums bei kleinen Säugetieren (Kaninchen, Katze) sehr schöne Bilder der Blutbewegung in den Kapillaren, wie in den kleinsten Arterien und Venen (C. Tigerstedt). ^ Hiictcr, Zentralbl. f. d, med. Wiss., 1879, S. 225, 241. Die Strönuiiig des Blutes in den Kapillaren. 265 Auch an der Haut kann man bei auffallendem Licht die Strömung des Blutes in den Kapillaren studieren. Zu diesem Zwecke wird besonders die Stelle der dorsalen Fingerfläche empfohlen, wo die Papillen in nächster Nähe des Nagel- randes verflachen und die Epidermisschicht abzusterben beginnt. Hier liegen nämlich die Schlingen nicht wie sonst vertikal in derselben Richtung wie die Papillen, sondern ziehen langgestreckt horizontal bis nahe zum Nagelfalz zum Nagelbett. Man gewinnt dadurch eine Darstellung in der Längsrichtung, die für die Beobachtung sich ganz vorzüglich eignet (£. Weiss^). Es gelingt indessen auch an anderen Stellen der Haut die Bewegung des Blutes in den Kapillaren bei auffallendem Lichte zu beobachten (Tlialler und Draga^ Zeiss Obj. A, Okul. 4). Ferner läßt sich die Blutbewegung in den Kapillaren des eigenen Auges entoptisch wahrnehmen. Da die Blutgefäße der Netzhaut nach innen von den lichtempfindlichen Elementen der Netzhaut liegen und also ihren Schatten auf dieselben werfen, so kann dieser unter Umständen eine bewußte Empfindung hervorbringen, wie der bekannte Versuch von Purkinje uns lehrt. Schon dieser Autor^ und Johannes Müller* erwähnen, daß sie im entoptischen Bild die Blut- bewegung beobachtet hätten. Später teilte Meissner^ ähnliche Angaben mit, aber erst Vierordf und Rood"^ beschrieben die betreffenden Erscheinungen ge- nauer. Letzterer fand, daß die Blutströmung in den Kapillaren der Netzhaut am leichtesten hervortritt, wenn man durch ein dunkelblaues Glas gegen den Himmel blickt. Man sieht dann helle Punkte im Gesichtsfelde erscheinen. Sie laufen dort eine Strecke weit fort, verschwinden und tauchen wieder an demselben Ort auf, um dann dieselbe Strecke wieder mit derselben Geschwindigkeit zu durchlaufen. Man sollte glauben, daß die Bewegung eine ununterbrochene wäre. Daß dies jedoch nicht der Fall ist, erklärt Helmholtz dadurch, daß ein einzelnes größeres Blutkörperchen sich in einem der engeren Gefäße festklemmt. Vor diesem Körperchen pflegt das Gefäß relativ leer zu werden, und hinter ihm stauen sich die Blutkörperchen in größerer Menge an. Sobald das Hindernis verschwindet, strömt diese ganze Masse schnell davon.^ Leichter und eingehender wird dennoch der kapillare Abschnitt des Kreis- laufes bei durchfallendem Licht und starker Vergrößerung an Tieren studiert. Wenn das beobachtete Kapillargefäß nicht gar zu klein ist, so daß es von den Blutkörperchen vollständig angefüllt ist, so sieht man — was übrigens auch von den Arterien und Venen gilt — , wie sich die roten Blutkörperchen im 1 E. Weiss, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 119, S. 13; 1916. — Übjr die Anordnung der Kapillaren in verschiedenen Bezirken der menschlichen Haut, vgl. E. Weiss und Holland, Zeitschr. f. exp. Pathol., 22, S. 108; 1921; _ Lennartz, Arch. f. d. ges. Physiol., 191, S. 302; 1921. 2 Thaller und Draga, Wiener klin. Wochenschr., 1917, S. 687. 3 Purkinje, Beobachtungen und Versuche zur Physiol. d. Sinne, 1. Prag 1819; —2. Berlin 1825: zit. nach Rolleü, a. a. O., 4 (1), S. 310. * Johannes Müller, Handbuch d. Physiol., 2, S. 390; 1837. ^ Meissner, Beiträge zur Physiol. d. Sehorganes. Leipzig 1854; zit. nach Rollcü, a. a.D., S. 311. 6 Vicrordt, Die Erscheinungen und Gesetze der Stromgeschwindigkeiten des Blutes. Frankfurt a. M. 1858, S. 41. ^ Rood, American journ. of science and arts, 2. ser., 30, S. 264; 1860. 8 Helmholtz, Handbuch d. physiol. Optik, S. 837; 1867. 266 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. zentralen Strahl bewegen, und wie zwischen diesem und der Gefäßwand ein heller, von Plasma erfüllter Raum unterschieden werden kann (Poiseuille^). In diesem Raum findet man mehr oder weniger zahlreiche farblose Blutkörperchen, welche sich daselbst bald in Ruhe befinden, bald eine kleine Strecke äußerst langsam fortrollen und dann wieder ein Weilchen liegen bleiben, und sich so äußerst langsam ruckweise und wie eine Kugel rollend fortbewegen {E. H. Weber^, Ascherson^). Schon früher hatte Poiseuille diese Art von Bewegung der wand- ständigen Blutkörperchen in den kleinen Arterien und Venen beobachtet.* Wenn das Kapillargefäß sehr eng ist, so geschieht es, daß die roten Blut- körperchen, um vorwärts zu kommen, ihre Form verändern, indem sie sich in der Länge ausziehen und zusammendrücken, oder sich zusammenfalten, oder sich bei Verästelungen dem Teilungswinkel des Gefäßes entsprechend umbiegen. Im letzteren Falle kann es auch stattfinden, daß das Blutkörperchen eine Zeitlang festgehalten wird und sich hin und her bewegt, bis es endlich los kommt und weiter vorwärts getrieben wird.^ Alle diese Bewegungen der roten Blutkörperchen sind vollständig passiv; die roten Blutkörperchen folgen ganz einfach der strömenden Flüssigkeit, und ihre Formveränderungen sind nur von dem Druck der Flüssigkeit und der Gefäß- wand abhängig. Da wir wissen, daß die farblosen Blutkörperchen sich selbständig kon- trahieren und von einem Ort zum anderen wandern können, so liegt es nahe, hierin die Ursache ihrer eigentümlichen Bewegungsweise zu suchen, und ich will auch nicht in Abrede stellen, daß dieser Umstand hierbei eine gewisse Rolle spielt. Auf der anderen Seite können rein physikalische Verhältnisse, welche von Donders^, Gunning', Schklarewsky^ und Hamilton^ näher untersucht worden sind, sowohl den Unterschied in bezug auf die Bewegungsweise der roten und der farblosen Blutkörperchen, als auch den Umstand, daß die roten Blutkörperchen sich in der Achse und die weißen in der Peripherie des Stromes bewegen, einigermaßen vollständig erklären. Daß sich die roten Blutkörperchen, wenn sie einmal in den zentralen Strahl gelangt sind, mit ihrem Durchmesser in die Richtung des Stromes stellen, ist leicht zu begreifen: unter diesen Umständen halten sich die auf die beiden Ober- flächen der Blutkörperchen wirkenden Kräfte soweit als möglich im Gleichgewicht. Eine selbstverständliche Folge davon ist die, daß ihre Bewegung keine rollende sein kann. Ebenso läßt sich leicht fassen, daß die farblosen Blutkörperchen, wenn sie einmal nach der Peripherie des Gefäßes gekommen sind, eine rollende Bewegung darbieten werden. Da der Flüssigkeitsstrom in einer engen Röhre aus einer 1 Poiseuille, Memoires des savants ^trangers, 7, S. 151; 1835;— Comptes rend. de l'Acad, des Sciences, 1, S. 554; 1835. 2 E. H. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1837, S. 267f.; — 1838, S. 450f. 3 Ascherson, ebenda, 1837, S. 452f. 4 Poiseuille, a. a. O., 7, S. 148f. 5 Vgl. auch Krogh, Journ. of physiol., 52, S. 466; 1919. 6 Donders, Nederl. lancet, 3. Ser., 5, S. 130; zit. nach Donders, Physiol. des Menschen. 1, S. 135f.; 1859. ' Gunning, Arch. f. d. hoUänd. Beiträge zur Natur- und Heilk., 1, S. 310— 328; 1858. » Schklarewsky, Arch. f. d. ges. Physiol., 1, S. 603—644; 1868. » Hamilton, Journal of physiol., 5, S. 66—90; 1884. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren. 267 unendlichen Menge konaxialer Zylinderflächen besteht, welche sich um so lang- samer bewegen, je näher sie sich an der Peripherie der Röhre befinden, so muß, wenn irgendeine Kraft das farblose Blutkörperchen nach der Wand treibt, die eine Hälfte desselben, welche der Lichtung des Gefäßes zugewandt ist, einem raschern Strom als die andere ausgesetzt werden. Das Resultat davon ist die rollende Bewegung.^ Die Tatsache, daß sich die roten Blutkörperchen im zentralen Strahle und die farblosen an der Kapillarwand befinden, will Hamilton- einfach so erklären, daß die roten Blutkörperchen etwa gleiches spezifisches Gewicht als das Plasma haben, während das spezifische Gewicht der farblosen Blutkörperchen kleiner als das des Plasmas ist. Infolgedessen bewegen sich die letzteren in der Regel an der oberen Wand des Gefäßes, oder sie streben wenigstens dorthin zu kommen. Gegen diese Auffassung kann aber bemerkt werden, daß es nicht bewiesen ist, daß das spezifische Gewicht der farblosen Blutkörperchen kleiner als das des Plasmas sei. Im Gegenteil zeigen Versuche von Schklarewsky ziemlich bestimmt, daß sie schwerer als das Plasma sind.^ Und ferner teilt der letztgenannte Autor Versuche mit, welche nachweisen, daß bei der Strömung einer Flüssigkeit in einer kapillaren Glasröhre kleine, feste, in der Flüssigkeit suspendierte Körperchen von verschiedenem spezifischen Gewicht sich in der Weise ordnen, daß die schwereren im zentralen Strahl, die leichteren in der Peripherie strömen, und dies in einem gewissen Grade wenigstens von dem absoluten spezifischen Gewicht dieser Körperchen unabhängig. Werden Graphit- und Karminkörnchen in Wasser aufgeschlammt, so strömen jene im zentralen Strahl, diese an der Peripherie. Wählt man dagegen Karmin- und Harzkörnchen, so begegnet man jenen in der Achse des Stromes und den Harzkörnchen in der Peripherie. Nimmt man farblose Blutkörperchen und Milch- kügelchen, so nehmen erstere nun den Platz der roten Blutkörperchen in der Achse des Stromes ein, und die Milchkügelchen bewegen sich in der Peripherie.^ Es scheint also, als ob nicht das spezifische Gewicht der farblosen Blutkörperchen an und für sich, sondern der Umstand, daß es geringer als dasjenige der roten ist, die verschiedene Verteilung der beiden Arten von Blutkörperchen in den Kapillaren bedingt. Diese Erscheinung würde also nur einen Spezialfall einer allgemeinen Regel darstellen. Zur Erklärung der Erscheinung, daß aufgeschlammte Körperchen überhaupt in den zentralen Teil des Stromes gelangen^, hebt Hess folgendes hervor. Wegen ihres verhältnismäßig großen Durchmessers können die suspendierten Blut- körperchen nicht mit allen sie direkt umgebenden Flüssigkeitsschichten eine einheitlich fortschreitende Bewegung ausführen. Ihre Geschwindigkeit ist der Mittelwert der Geschwindigkeit der verschiedenen Flüssigkeitsschichten, in welche sie eintauchen, wobei diese den Blutkörperchen gegenüber eine relative Bewegung ausführen. Die Ablenkung der Flüssigkeitsschichten, welche an den Körperchen 1 Donders, a. a. O., S. 135, 136. 2 Hamilton, a. a. O., 5, S. 89. ^ Schklarewsky, a. a. 0., 1, S. 608. * Schklarewsky, a. a. O., 1, S. 636. 5 Hess, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1912. S. 211 ; — vgU auch Thoma, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 99, S. 573. 26S Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. vorbeiziehen, hat einen Reaktionsdruck auf sie zur Folge, und zwar sind dabei die zentral gelegenen Flüssigkeitsschichten bestrebt, diese peripherwärts zu drücken, die peripheren Schichten dagegen, welche gegenüber den Körperchen zurückbleiben, axialwärts. Wegen der Abnahme der gegenseitigen Verschiebung der einzelnen Flüssigkeitsschichten vom Rand nach der Achse hin, ist der Reaktionsdruck der peripheren Schichten größer als der der axialen, wodurch ein Überdruck und eine Abwanderung der festen Körperchen vom Rande nach der Achse hin zustande kommt. Es muß also eine zellenfreie Randzone bestehen, welche um so breiter ist, je größer die Stromgeschwindigkeit. In den Kapillaren strömt das Blut im allgemeinen kontinuierlich, ohne pulsatorische Schwankungen. Dies hat seinen Grund darin, daß die Welle in jedem mit inkompressibler Flüssigkeit gefüllten elastischen Schlauch infolge der Reibung schließlich erlischt. Bei einem unverzweigten Schlauch sind hierzu verhältnismäßig große Wegstrecken notwendig, bei einem aus mehreren Ästen zusammengesetzten Systeme, wie dem Gefäßsysteme, wird das Erlöschen der Wellen von jeder Verzweigung beschleunigt, gleichviel ob der Querschnitt des Systemes durch die Verästelung unverändert bleibt oder größer wird. Denn in beiden Fällen wird die gesamte Röhrenwand durch die Verästelung größer, und dies bedingt seinerseits einen stärkeren Verbrauch der lebendigen Kraft der Welle. Auch wird die Welle an jedem Ort, wo die Gefäßwand größere Veränderungen erleidet, zum größeren oder kleineren Teil reflektiert. Infolgedessen wird sie früher als sonst erlöschen. Bei einer genügend starken Erweiterung der kleinen Arterien in einem gewissen Gefäßgebiet kann indessen der Blutstrom in den Kapillaren rhythmische, mit den Herzschlägen synchronische Schwankungen darbieten. Ebenso begegnet man ähnlichen rhythmischen Schwankungen des Stromes in den Kapillaren bei einer so langsamen Herztätigkeit, daß die Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen während der Herzpause in einem erheblicheren Grade ausgeglichen wird. Diese und ähnliche Erscheinungen werden durch die Erfahrungen, welche wir über den Strom in elastischen Röhren besitzen, ungezwungen erklärt. Der kontinuierliche Strom in den Kapillaren setzt als eine notwendige Bedingung voraus, daß das Blut in den kleinen Arterien auf einen genügend starken Wider- stand stößt. Werden diese in einem Organ erweitert, und stehen also die Kapillaren in einer genügend weiten Kommunikation mit den zuführenden Arterien, so wird der Widerstand in diesem Kapillargebiet nicht größer, als daß sich die bei jedem Herzschlage in den Arterien stattfindenden Schwankungen des Druckes und der Geschwindigkeit in einem größeren oder geringeren Grade auch in den Kapillaren geltend machen werden. § 137. Die Geschwindigkeit des Blutes in den Kapillaren. Um die Geschwindigkeit des Blutstrom.es in der Achse der Kapil- laren zu bestimmen, beobachtet man 'im Mikroskop, wie lange Zeit ein bestimmtes Blutkörperchen braucht, um einen gewissen Weg, dessen Länge durch ein Okularmikrometer bestimmt wird, zurückzulegen. In dieser Weise hat man die in folgender Tabelle zusammengestellten Werte gefunden. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren. 269 Tierart Geschwindigkeit; mm/Sek. Autor Frosch, Bauchmuskeln . . . 0,28 Hales^ Froschlarve, Schwanz . . . 0,57 E. H. Weber- Frosch, Schwimmhaut . . . 0,51 Valentin^ Salamanderlarve, Kiemen . 0,25 Volkmann'^ Froschlarve, Schwanz . . . 0,40 )> Fisch, Schwanzflosse .... 0,12 >> Junger Hund, Mesenterium . 0,80 >> Frosch, Schwimmhaut . . . 0,36 Vierordt'^ In dem entoptischen Bilde des Kreislaufes in den Kapillaren der Netzhaut bestimmte Vierordt die Geschwindigkeit der Blutkörperchen in folgender Weise. Er projizierte das Bild der Blutkörperchen auf eine 11 — 16 cm vom Auge ent- fernte Fläche und bestimmte an dieser den von einem Blutkörperchen in der Zeiteinheit zurückgelegten Weg. Wenn die Entfernung der Fläche von dem vorderen Knotenpunkt mit a, die Entfernung der Netzhaut von dem hinteren Knotenpunkt mit b und der von einem Blutkörperchen im entoptischen Bilde zurückgelegte Weg mit c bezeichnet wird, so ergibt sich der von demselben Blut- körperchen tatsächlich zurückgelegte Weg (x) aus folgender Relation: a:b c: x: X bc/a Bei seinen ersten Versuchen fand Vierordt diese Geschwindigkeit gleich 0,5 mm in einer Sekunde, später erhielt er höhere Werte, welche, zwischen 0,6 und 0,9 mm schwankten.^ Durch photographische Registrierung der Bewegungen der roten Blutkörperchen hat HürthW die Geschwindigkeit des axialen Stromes in einer 0,025 mm weiten Kapillare des Froschmesenteriums gleich 1,7 mm in der Sekunde gefunden; in einer MesSnterialvene von 0,04 mm Durchmesser war die Geschwindigkeit 2,9 mm und in einer Arterie von 0,03 mm Durchmesser 5 mm in der Sekunde (vgl. Fig. 458-4608). Seinerseits fand Basier^ nach einer anderen photographischen Registrier- methode, daß die roten Blutkörperchen in den Kapillaren des Froschsartorius einen Weg von 0,24— 1,7 mm in der Sekunde zurücklegen. Indessen ist die Geschwindigkeit in der Achse des Stromes maximal. Im Verhältnis zu der Weite der Kapillaren ist aber die Größe der Blutkörperchen, selbst wenn sie sich mit ihrem Längendiameter in der Richtung des Stromes bewegen, so beträchtlich, daß wir die in der oben beschriebenen Weise bestimmte Geschwindigkeit nicht als maximal bezeichnen können, denn dann müßten die ' Haies, Statick des Geblüts. Halle 1748, S. 66. 2 E. H. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1838, S. 466. •■» Valentin, Lehrbuch d. Physiol., 1, S. 469; 1844. 4 Volkmann, Hämodynamik, S. 184, 185; 1850. 5 Vierordt, a. a. 0., S. 111; 1858. « Vierordt, a. a. O., S. 42, 111. 7 Hiirthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 162, S. 432; 1915. 8 Diese Figuren sind Reproduktionen von Originalaufnahmcn, welche Hiirthle gütigst zu meiner Verfügung gestellt hat. » Basler, ebenda, 171, S. 142; 1918. _ Vgl. ferner Basier, ebenda, 190, S. 212; 1921. 270 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Fig. 458. Die Bewegung der roten Blutkörperchen in einer kleinen Mesenterialarterie. Nach Hibthle. a, der Druck in der A. pulmo-cutanea. Von links nach rechts zu lesen. . ..■■ .^. ...*.. .. ...%,:-■....- ^:< >^.,,f*^^«..tM».-^ ,.-->x»^^-. Fig. 459. Die Bewegung der roten Blutkörperchen in einer Mesenterialkapillare. Nach Hiirthle. a, wie in Fig. 458. Fig. 460. Die Bewegung der roten Blutkörperchen in einer kleinen Mesenterialvene. Nach Hiirthle. a, wie in Fig. 458. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren. 271 Blutkörperchen punktförmig sein. Die eben mitgeteilten Werte entsprechen daher der mittleren Geschwindigkeit derjenigen zentralen Schichten, deren totaler Querschnitt dem zur Stromrichtung senkrechten Querschnitt der Blutkörperchen gleich ist. Die wirkliche mittlere Geschwindigkeit in den Kapillaren ist natürlich noch wesentlich geringer und jedenfalls im Vergleich mit derjenigen in den großen Arterien und Venen sehr klein. Dies ist schon von vornherein selbstverständlich, weil der Gesamtquerschnitt der Kapillaren viel größer als der der Aorta ist. Da wir wissen, daß in einem aus weiteren und engeren Röhren zusammen- gesetzten System die Geschwindigkeit in den verschiedenen Abteilungen ihrem Querschnitt umgekehrt proportional ist, so würden wir, wenn die mittlere Ge- schwindigkeit in der Aorta und in den Kapillaren einigermaßen genau bekannt wäre, berechnen können, wievielmal der Totalquerschnitt der Kapillaren größer als der Querschnitt der Aorta ist. Derartige Werte besitzen wir aber kaum. Um jedoch eine ungefähre Vorstellung darüber zu erhalten, werden wir von einigen approximativen Grenzwerten ausgehen, indem wir die mittlere Geschwindigkeit des Blutes in der Aorta auf 0,1— 0,2 m und in den Kapillaren auf 0,0005— 0,001 m in der Sekunde schätzen. Durch Kombination dieser Werte erhalten wir die folgenden Verhältnis- zahlen zwischen dem Querschnitt der Aorta und dem der Kapillaren: Mittlere Geschwindigk.; mm Verhältnis zwischen d. Querschn, d. Aorta Aorta Kapillaren und dem der Kapillar. 100 100 200 200 0,5 1,0 0,5 1,0 1 :200 1 : 100 1 :400 1 :200 Da der Querschnitt der Aorta bei einem erwachsenen Menschen etwa 8 qcm beträgt, würde also der totale Querschnitt der Kapillaren des großen Kreislaufes etwa 3200—800 qcm betragend Unter der Annahme, daß der mittlere Durchmesser der Kapillaren 0,01 mm und der Querschnitt also 0,000079 qmm beträgt, sowie daß die Geschwindigkeit daselbst gleich 0,5 mm in der Sekunde ist, beträgt die Menge der durch eine Kapillare in der Sekunde strömenden Blutmenge 0,5 x 0,000079 omni = 0,00004 cnim. Beim ruhenden Menschen ist die in der Sekunde aus dem Herzen getriebene Blut- menge etwa 60 ccm. Die Gesamtzahl der Kapillaren im Körper wäre also 60000/0,00004=1500000000. Ihr Gesamtquerschnitt wäre nach dieser Be- rechnung gleich 1500000000 X 0,000079= 1185 qcm. Bei einem Aortaquer- schnitt von 8 qcm wäre also der Gesamtquerschnitt der Kapillaren etwa 150 mal so groß als der der Aorta^. Um einem etwaigen Mißverständnis vorzubeugen, bemerke ich nochmals ausdrücklich, daß diese Berechnungen nur als approximativ aufgefaßt werden s. 69. ^ Vgl. Vierordt, Arch. f. physiol. Heilk., 1848, S. 184; — Die Stromgeschwindigkeiten, Diese Berechnung stützt sich auf Feldman, Journ. of physiol., 43, proc, S. 35; 1012. 272 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. dürfen, da ja die Primärangaben, auf welche sie sich stützen, nur sehr unsichere Schätzungen sind. § 138. Der Blutdruck in den Kapillaren. Die ersten Untersuchungen über den Blutdruck in den Kapillaren wurde von N. V. Kries^ nach einer von Ludwig ersonnenen Methode im Jahre 1875 aus- geführt. Das Prinzip dieser Methode bestand darin, die Größe des von außen her wirkenden Druckes zu bestimmen, bei welchen der Blutdruck in den Kapillaren — es wurden hierzu die Hautkapillaren des Menschen und die Kapillaren des Zahnfleisches beim Kaninchen gewählt — gerade überwunden wird. Hierbei wird vorausgesetzt, daß die Elastizität der Kapillarwand so unbedeutend ist, daß sie vernachlässigt werden kann, daß keine Kontraktion derselben der Kom- pression Widerstand leistet sowie daß der Blutdruck in allen zu dem untersuchten Gebiete gehörigen Kapillaren gleich groß ist. Um dieses Prinzip zu realisieren, wurde auf die Haut ein Glasplättchen gelegt und dasselbe mittels Gewichte belastet, bis die darunterliegende Haut ihre Farbe veränderte oder ganz weiß erschien. Die Entfärbung der untersuchten Hautstelle tritt allmählich ein; je mehr die Blutkapillaren zusammengedrückt werden, um so mehr erblaßt die Haut. Nun ist es einleuchtend, daß anfangs die alleräußersten, in den Hautpapillen verlaufenden Kapillaren und erst später die tieferen zusammengepreßt werden. Weil aber bei dem Zusammendrücken der tieferen Kapillaren die Lederhaut und die Epidermis einen Teil des einwirkenden Druckes tragen, würden zu große Werte erhalten werden, wenn die Belastung bis zum vollständigen Weißwerden der Haut ge- trieben würde. Um richtigere Werte zu erhalten, beobachtete daher v. Kries denjenigen Druck, bei welchem eine deutliche Farben- veränderung der Haut erschien. Hierbei ging er von der Annahme aus, daß keine deutliche Farbenveränderung wahrgenommen werden würde, bevor die oberflächlichsten Kapillaren vollständig komprimiert wären. Unter solchen Umständen wird auch der Einfluß der Epidermis auf ein Minimum reduziert, weil hierbei ihre Depression nur eine sehr geringe ist. Der Apparat, den v. Kries zu diesem Zwecke benutzte, ist in Fig. 461 ab- gebildet, a ist das Glasplättchen, welches auf die Haut gelegt wird und mittels Damarlacks an einem Glasleistchen von etwa 2 cm Länge und 3—4 mm Breite befestigt ist. Letzteres trägt unter Vermittelung eines, in einer weiten Glasröhre beweglichen Stabes eine Gewichtsschale. Wenn der Flächengehalt des Glas- plättchens (ö) 4 qmm beträgt und der zum Hervorrufen der Farbenveränderung notwendige Druck 1 g= 1 ccm Wasser ist, so ist die Höhe dieser Wassersäule 1 ccm/4 qmm = 1000/4 = 250 mm. Die Fehlergrenzen waren hier ziemlich groß. Teils war es schwierig, genau anzugeben, wann die Farbenveränderung erschien, teils war der kleinste Gewichts- zuwachs, bei welchem sich eine Farbenveränderung zeigte, nicht geringer als Fig. 461. Apparat zur Bestimmung des Blutdruckes in den Kapillaren. Nach Ludwig. 1 N. V. Kries, Ber. d. sächs. Gcsellsch. d. U^iss., math.-phys. KL, 1875, S. 148—100. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren. 273 0,25 g. Bei einem Glasplättchen von 4 qmm Flächengehalt wird der Fehler also 250/4 = 62,5 mm Wasser. Die betreffenden Bestimmungen können daher nur als eine erste Approximation aufgefaßt werden, und v. Kries selbst will ihnen keine größere Bedeutung vindizieren. Von demselben Prinzip geht auch die eine Methode Lombards'^ sowie eine der von Basier'^ ausgebildeten Methoden aus; nur wird hier die Haut durch einen Tropfen Glyzerin oder Öl durchsichtig gemacht, so daß die oberflächlichen Ge- fäße des Coriums klar hervortreten und bei 24 maliger Vergrößerung beobachtet werden können, Roy und Brown^, wie Lombard^, v. Recklingliausen"\ Basier^ und Kyliiv komprimieren das zu untersuchende Gefäßgebiet (Mesenterium, Froschschwinnn- haut, Haut des Menschen) unter Vermittelung einer dünnen und durchscheinenden Membran, bis eine Farbenveränderung auftritt bzw. die Gefäße geschlossen werden und lesen den hierbei stattfindenden Druck an einem Manometer ab. Um das Verfärben der Haut genauer beurteilen zu können, benutzt Basler bei seiner ersten Methode zwei Finger, von denen der eine als Vergleichsobjekt dient, während der Druck über dem anderen so lange erhöht wird, bis die Farbe der Haut beginnt sich zu verändern. Der Druck, der in dieser Weise bestimmt wird, ist nicht der ganze Kapillar- druck, denn auf die äußere Seite der Kapillarwand wirkt die Gewebsflüssigkeit mit einem Gegendruck, der von der Spannung und dem Turgor der Haut ab- hängig ist. Der wirkliche Kapillardruck ist also etwas größer als der nach dieser Methode bestinmite, welcher die Differenz zwischen dem Kapillardruck und dem Druck der Gewebsflüssigkeit darstellt. Letzterer ist aber, nach Roy und Brown, wenigstens beim Frosche so gering, daß er kaum berücksichtigt zu werden braucht.^ Direkt suchten Basier^ wie nach ihm E. Weiss^'^ den Druck an den ore- öffneten Kapillaren der Haut zu messen, indem sie nach einem leichten Ein- schnitt in die Haut die blutende Hautpartie mit einer manometrischen Vor- richtung verbanden. V. Kries^^ machte seine Bestimmungen zum größten Teil auf der Rück- seite des letzten Fingergliedes. Es ist selbstverständlich, daß diese Werte schwanken müssen, je nachdem die Hand tiefer oder höher gehalten wird, denn hierbei wird natürlich der hydrostatische Druck des Blutes seinen Einfluß ausüben. — Die folgenden Zahlen sind die mittleren Werte vieler einzelner Bestimmungen. 1 Lombard, Zentralbl. f. Physiol., 25, S. 157; 1911; — Amer. journ. of physioi., 29, S. 338; 1912. 2 Basler, Arch. f. d. ges. Physioi., 190, S. 218; 1921. ^ Roy und Brown, Journ. of physioi., 2, S. 323; 1880. ^ Lombard, Amer. journ. of physioi., 29, S. 345. ^ V. Recklingliaiisen, Arch. f. exp. Pathol., 55. S. 490; 190G. « Basler, Arch. f. d. ges. Physioi., 147, S. 395; 1912 (Okrometer); — 173, S. 389; 1919 (Tonometer); — vgl. auch Goldmann, ebenda, 159, S. 61 ; 1914. ' Kylin, Nägra kapillartryckstudier. Göteborg 1920, S. 26. s Roy und Brown, Journal of physioi., 2, S. 328, 329; 1879. '•» Basler, Arch. f. d. ges. Physioi., 157, S. 352; 1914. 1" E. Weiss, Zentralbl. f. Physioi., 28, S. 375; 1914. 11 N. V. Kries, a. a. O., 1875, S. 155. Tigerstedt, Kreislauf. UI. 2. Aufl. 18 274 D'^ Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Druck; mm Wasser Der senkrechte Abstand des Fingers unter der Scheitelhöhe; mm 328 397 513 738 0 205 490 840 Man hätte erwartet, daß der Druck, wenn der Finger tiefer gehalten wurde, mit einer, der Entfernung vom Scheitel genau gleichen Quantität zunehmen würde. Das ist jedoch nicht der Fall, denn der Druck nimmt in einem viel geringeren Grade zu. Die Ursache dieser Erscheinung hat v. Kries erörtert, ohne indessen zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen. Auch in den Versuchen von Kylin^ erreichte die Druckzunahme bei ver- änderter Lage des untersuchten Gefäßgebietes nicht die Größe der hierbei wirken- den hydrostatischen Druckdifferenz, und zwar war diese hier noch kleiner als in den Versuchen von v. Kries; sie betrug nämlich nur etwa 30— 40 mm Wasser bei Senkung der Hand um 430 mm unterhalb des Herzniveaus. Am Ohr fand v. Kries den Kapillardruck im Mittel gleich 27 cm Wasser = 20 mm Hg. Am Zahnfleische des Kaninchens betrug er im Mittel 44 cm Wasser = 33 mm Hg. Wenn man den Finger zuschnürt, so daß die venöse Abfuhr, nicht aber die arterielle Zufuhr verhindert wird, muß der Kapillardruck dem arteriellen gleich werden. Unter solchen Umständen fand v. Kries^ Druckwerte von 156 bis 195 cm Wasser = 114— 143 mm Quecksilber. Der Kapillardruck ist also nicht allein von dem Seitendruck des strömenden Blutes, sondern auch von dem hydrostatischen Druck der Blutsäule abhängig, und letzterer ist seinerseits von der Lage des betreffenden Kapillargebietes be- dingt. Bei y. Kries' Versuchen am Zahnfleisch des Kaninchens war die Ein- wirkung des hydrostatischen Druckes beseitigt; wir können daher diesen Wert als den genauesten Ausdruck des allein von der Blutströmung verursachten Kapillardruckes auffassen. Der Aortadruck beträgt beim Kaninchen etwa 100 bis 120mm Hg. Dann wäre der Kapillardruck 33/100-33/120, d.h. V3-V7 des Aortadruckes. 2 Nathanson^ untersuchte wie der Kapillardruck schwankt, wenn die Extremität mehr oder weniger stark zusammengeschnürt wird. Wie v. Kries fand auch er, daß der Kapillardruck anstieg, wenn infolge der Umschnürung nur die Ab- fuhr durch die Venen, nicht aber die arterielle Zufuhr vermindert wurde. Eine bemerkenswertere Tatsache war die, daß bei einer Umschnürung von mäßiger Stärke der Kapillardruck mehrere Minuten lang unaufhörlich zunahm. Einen Anteil hieran wird das allmähliche Nachströmen von Blut durch die noch offenen Arterien bei verschlossenen oder verengten Venen haben, aber es muß sich doch sehr schnell ein stationärer Zustand einstellen, während das Ansteigen bis 15 Min. in Anspruch nimmt. Man kann nun noch einen anderen Umstand zur Erklärung herbeiziehen, nämlich die durch die Stagnation des Blutes bewirkten dyspnoischen 1 Kylin, a. a. ()., S. 49. 2 N. V. Kries, a. a. f)., 1875, S. 160. =i Nathanson, Arch. f. d. ges. Physiol., 39, S. 386; 1886. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren. 275 Veränderungen der Gewebe, besonders der Gefäßwände. Das zweite Stadium der Dyspnoe ist durch die paralytisciie Ersclilaffung der feinsten Arterien ge- kennzeiclinet. Dieselbe gibt sich direkt durch eine enorme Rötung nach Lösung starker Umschnürungen zu erkennen und muß zu Erhöhung des Kapihardruckes führen. 1 Druckwerte derselben Größenordnung wie die schon erwähnten wurden ferner von Rotermund'" (Mensch, 20—42 mm Hg), v. Basch^ (Mensch, 28—30; Kaninchen, merkliches Erblassen der Haut, 21— 25mm Hg), Schiller^ (Mensch, etwa 40 mm Hg) sowie Danzer und Hooker^ (Mensch, 22 mm Hg) gefunden. An der Schwimmhaut des Frosches betrug der Kapillardruck nach Nathansnif 12-24 mm Hg. Die bei Lombards'^ Untersuchungen bei verschieden starker Kompression beobachteten Veränderungen der Gefäße werden von ihm als Ausdruck des in den verschiedenen Gefäßen der Haut herrschenden Druckes aufgefaßt. Wenn die Hand 10 cm unterhalb des oberen Herzrandes gehalten wurde, betrug der Druck in den subpapillaren venösen Flexen 10—15 mm, bei den oberflächlichsten und kleinsten Venen 15—20 mm, bei den am meisten komprimierbaren Kapillaren 15—25 mm Hg, bei den Kapillaren durchschnittlich 35—45 mm Hg sowie bei den am meisten resistenten Kapillaren und den kleinsten Arterien 60—70 mm Hg. V. Recklinghausen^ gibt für den Kapillardruck des Menschen beim Halten der Hand in Herzhöhe einen Druck von etwa 75—100 cm Wasser = 55—73 mm Hg an. Dieser Wert ist zu groß, um auf die Kapillaren bezogen zu werden, und stellt wahrscheinlich den Druck in Arterien kleinen Kalibers dar. Dasselbe gilt auch von den Zahlen Natfiansons{l\ mm Hg'-*), welche den Druck angeben, bei welchem die Haut vollständig weiß wurde, wo also auch die tiefen Kapillaren zusammengedrückt wurden. Hier war außerdem die Entleerung der Venen durch eine Aderlaßbinde aufgehoben. Verhältnismäßig niedrig sind die Werte, welche Basler'^^ und Goldmann^^ unter Anwendung der Kompressionsmethode gefunden haben. Nach diesen ist nämlich der Kapillardruck nur etwa 5—8 mm Hg. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sie zum Beurteilen der Farbenveränderung eine Vergleichsfarbe zur Ver- fügung hatten. Ob diese Zahlen als Ausdruck des Blutdruckes in den wirklichen Kapillaren gelten können, oder ob sie sich nur auf die kleinsten Venen beziehen, läßt sich zur Zeit kaum entscheiden. Da der Druck in der Vena mediana cubiti (vgl. unten S. 283) des Menschen durchschnittlich etwa 5 mm Hg beträgt, dürften sie höchstens auf den peripheren Abschnitt der Kapillaren zu beziehen sein. 1 Hermann, bei Nathanson, a. a. ()., 39, S. 394. 2 Roiernmnd, Inaug.-Diss. Marburg 1904; zit. nach Basler. ^ V. Basch, Wiener klin. Rundschau, 1900, S. 551 ; — Intern. Biitr. zur inn. Med., Fest- schr. f. Leyden, 1, S. 69; 1903. ' Schiller, Zentralbl. f. Physiol., 24, S. 391 ; 1910; der Druck ist von Basler berechnet. ^ Danzer und Hookcr, Amer. journ. of physiol., 52, S. 136; 192); zit. nach Berichte 7, S. 326. « Nathanson, Arch. f. d. ges. Physiol., 39, S. 390; 1886. " Lonbard, Amer. journ. of physiol., 29, S. 357, 362. '^ 1'. Rccklinjiliausen, a. a. 0., 55, S. 496. « Nathanson, a. a. (X, 39, S. 387. 1" Basler, a. a. ()., 147, S. 400. " Gohimann, a. a. 0., 159, S. 62. IS* 276 I^ic Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Mit dem Apparat von Basler bekam indessen Landerer^ für den Kapillar- druck wesentlich höhere Werte, nämlich 17—25 mm Hg. Nach Basler- konnte dieser Unterschied dadurch bedingt sein, daß bei seinen Beobachtungen mehr auf den venösen, bei denen von Landerer mehr auf den arteriellen Anteil der Kapillaren geachtet worden ist. Merkwürdig genug fand Basier^ bei der blutigen Bestimmung des Kapillar- druckes ganz gleiche Zahlen, 7—9 mm Hg, wie bei der Kompressionsmethode; bei schlechtem Ernährungszustand konnte der Druck auf 5 mm Hg herabsinken. Ähnlich niedrige Zahlen sind auch von H. Kraust der mit den beiden Methoden Baslers sowie mit der Lombard sehen Methode und einer von ihm selbst entworfenen blutigen Methode arbeitete, mitgeteilt worden. Seine Zahlen für Gesunde schwanken zwischen etwa 6 und 9 mm Hg. Nach einer speziellen Methode gelangten ferner L. Hill und Mc Queen-' zu etwa 9 mm Hg für den auf Herzhöhe bezogenen Kapillardruck. Etwas höher sind schließlich die Werte von Kytin^; bei Gesunden betrug der Druck in den Kapillaren des Nagelfalzes 8— 14 mm Hg, wenn die Hand auf der Höhe des Herzens gehalten wurde. Es ist fast selbstverständlich, daß die großen Unterschiede in bezug auf den von verschiedenen Autoren gefundenen Kapillardruck nicht davon herrühren können, daß dieser in einem so großen Umfange variiert, denn man darf wohl doch voraussetzen, daß der Druck in diesen Gefäßen wenigstens bei ruhendem Körper nur innerhalb verhältnismäßig enger Grenzen wechselt. Auch gab schon v. Kries zu, daß seine Methode mit ziemlich groben Fehler behaftet war, und dies gilt von allen Vorgängen, welche sich auf das Eintreten einer Verfärbung der Haut gründen. Die direkte mikroskopische Beobachtung der Hautkapillaren nach Lombard verspricht an sich viel genauere Resultate, denn es läßt sich ja die Entscheidung dabei viel genauer treffen. Die größte Schwierigkeit liegt indessen in der Entscheidung, in welchem Gefäß der Druck eigentlich gemessen wird. Bei der blutigen Bestimmung des Kapillardruckes nach Basler und E. Weiss ist es gut möglich, daß kleinste Venen geöffnet worden sind, und daß also hier gar keine Bestimmung des Kapillardruckes vorliegt. Bei der Kompression, in welcher Form sie auch benutzt werden mag, können, wie aus den oben mitgeteilten Beobachtungen von Lombard ersichtlich, Gefäße sehr verschiedener Art komprimiert werden. Wenn sie aber alle als Kapillaren aufgefaßt werden, so können für den Kapillardruck sehr verschiedene Zahlen erhalten werden, je nachdem man eine geringere oder größere Verfärbung der Haut als maßgebend auffaßt. L. Hiin hat in dieser Hinsicht das Verhalten der Gefäße in der Schwimm- haut des Frosches bei der Kompression nach Roy und Brown näher besprochen, und findet, daß der dabei ermittelte Druck nicht den kapillaren Druck, sondern 1 Landerer, Zeitschr. f. klin. Med., 78, S. 93; 1913. 2 Basler, s. bei Laiuicrer, a. a. 0., 78, S. 93. 3 Basler, Arcii. f. d. ges. Physiol., 157, S. 363. * H. Kraus, Samml. klin. Vorträge, N. F., Nr. 704—706; S. 19, 23,26; 1914. 5 L.Hill und Mc Queen, Journ. of physiol., 54, proc, S. 133; 1921, e Kylin, a. a. O., S. 47. ' L. Hill, Journ. of physiol., 54, proc, S. 93; 1920. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren. 277 den in den entsprechenden Arterien herrschenden Druck darstellt. Der wirkliche kapillare Druck wird durch die Kompression angegeben, bei welcher die Ge- schwindigkeit in den Kapillaren, wo der Strom am langsamsten ist, gerade anfängt, abzunehmen. Wenn nun die Kompression allmählich weiter erhöht wird, wird der Strom in einer immer größeren Zahl von Kapillaren aufgehoben und schließlich passiert das Blut nur durch die direktesten Verbindungswege von den Arterien zu den Venen. Bei noch höherer Kompression wird die Strömung in den zuführenden Arterien während der Diastole und schließlich bei der Systole aufgehoben. Auf diesen Überlegungen gestützt findet L. Hill den Druck in den Kapillaren des Frosches sowie in denen der Flughaut der Fledermäuse^ gleich etwa 2 bis 3 mm Hg. Nach diesem allen ist es wohl kaum anzunehmen, daß der Druck in den eigentlichen Kapillaren die von mehreren Autoren angenommene Zahl von 20 bis 30 mm Hg, sondern höchstens etwa 15 mm Hg beträgt. Andererseits scheinen die niedrigen von Basier gefundenen Zahlen sich auf die kleinsten Venen be- ziehen, wie auch Kylin den Druck daselbst beim Menschen auf etwa 4—7 mm schätzt. Da er ferner seine Kapillarwerte von 8— 14 mm als Ausdruck des Druckes in den kleinsten Arterien auffaßt, würde das Gefälle in den Kapillaren des ruhenden Menschen etwa 4—5 mm Hg betragen. - Über die Variationen des Kapillardruckes unter verschiedenen Umständen liegen noch folgende Angaben vor. Schiller^ brachte während 2 Minuten den zu untersuchenden Finger in Wasser von verschiedener Temperatur. Bei Wasser von 5" C. betrug der kapillare Druck etwa 21 mm, bei 10" C. 27 mm, bei 20» C. 35 mm, bei 30« C. 40 mm; das Druckmaximum, etwa 43 mm, erschien bei einer Temperatur von 35*^ C. Bei noch höherer Temperatur nahm der Druck allmählich wieder ab und betrug bei 50° C. etwa 35 mm Hg. In gewissem Gegensatz dazu fand Goldmann'^, daß beim Eintauchen der Hand in Wasser der Kapillardruck bei einer Wassertemperatur, die ungefähr der Zimmertemperatur adaequat ist (25—30° C), keine Veränderung darbot, dagegen sowohl bei höheren als bei niedrigeren Temperaturen anstieg. Die Steigerung bei höherer Temperatur ist die natürliche Folge der dabei erscheinenden Gefäß- erweiterung. Die auch bei Abkühlung erfolgende Steigerung ist, nach Goldmann, dadurch bedingt, daß sich die Kapillaren und namentlich auch die kleinsten Venen gleichzeitig mit den kleinsten Arterien stark zusammenziehen. Nach der Temperatureinwirkung stieg der Druck schnell bis zu dem Maximum an und fiel im Laufe der folgenden zehn Minuten langsam ab zu einem Wert, der häufig unter dem ursprünglichen Kapillardruck lag, um sich dann zu einem zweiten, allerdings etwas niedrigen Maximum zu erheben. Hierauf folgte nun unter Schwankungen die Rückkehr zur normalen Höhe. 1 L.Hill, Journ. of physiol., 54, proc, S. 144; 1021. - Kylin, a. a. O., S. 43. => Schiller, Zentralbl. f. Physiol., 24, S. 391 ; 191U; — vgl. auch Lundcrer, Zeitschr. f. klin. Med., 78, S. 98; 1913. * Goldmann, a. a. O., 159, S. 79. 278 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Wirkte die abweichende Temperatur nicht auf den untersuchten Finger selbst ein, sondern nur auf Ellbogen und Unterarm, so trat dennoch eine Er- höhung des Kapillardruckes im Finger ein. Diese Erhöhung hatte aber einen etwas langsameren Verlauf als es bei der direkten Einwirkung der thermischen Haut- reize der Fall war. § 139. Die Veränderungen des Blutstromes in den Kapillaren bei Veränderungen des Aortadruckes. Unter welchen Umständen Druckveränderungen in der Aorta Veränderungen des Blutstromes in den Kapillaren hervorruft, läßt sich nicht für jeden Fall ohne weiteres angeben. So sinkt der Aortadruck bei Reizung des Depressors, und dabei nimmt nichtsdestoweniger, im Anfang wenigstens, die aus dem Herzen in der Zeiteinheit herausgetriebene Blutmenge zu, d. h. die durch die Kapillaren strömende Blutmenge wird trotz dem erniedrigten Aortadrucke vermehrt. In anderen Fällen von Drucksenkung in der Aorta, wie bei genügend starker Reizung der hemmenden Herznerven, kann das entgegengesetzte stattfinden und die Geschwindigkeit in den Kapillaren also abnehmen. Daß eine Drucksteigerung in der Aorta mit einer vermehrten Blutströmung durch die Kapillaren verbunden sein kann, folgt aus den oben (111, S. 92) zu- sammengestellten Erfahrungen über die Zunahme des Minutenvolumens bei Reizung des Splanchnicus. Bei stärkerer Zunahme des Gesamtwiderstandes wird aber das Minutenvolumen geringer und gleichzeitig muß auch der Blut- strom durch die Kapillaren abnehmen. Hierbei darf aber nicht vergessen werden, daß die Stromstärke in ver- schiedenen Kapillargebieten je nach der augenblicklichen Weite der zuführenden Arterien vielfach variiert. Um die Veränderungen des Blutstromes in den Kapillaren näher kennen zu lernen, haben Bayliss und Stärlinge Versuche am Hunde ausgeführt, wo gleich- zeitig der Druck in einer zentralen Arterie (A. iliaca ext.), in der Pfortader und der Vena cava inferior bestimmt wurde. Ihre Resultate, die sich speziell auf die Darmkapillaren beziehen, sind etwa folgende. Durchschneidung des Halsmarkes setzt den arteriellen Druck herab, der Druck in der Hohlvene bleibt etwa unverändert und der kapillare Druck ninunt ab (s. die Tabelle Nr. 1). Wenn an einem solchen Tiere oder an einem Tiere, dem die Splanchnici durchschnitten waren, der Vagus gereizt wird, so sinkt der arterielle Druck sehr tief herab und auch der Kapillardruck muß dabei, trotz einer geringen Zunahme des venösen Druckes, abnehmen (Nr. 2, 3). Desgleichen nimmt der kapillare Druck bei der Erstickung, wenn das Rücken- mark oder die Splanchnici durchschnitten sind, wie nach Blutentziehung (Nr. 7) und nach Abklemmung der Aorta ab, denn hier sinkt sowohl der arterielle als der venöse Druck mehr oder minder stark herab. Wenn die Blutzufuhr zum Herzen durch Bindung der Vena cava inf. stark vermindert wird, sinkt der Druck sowohl in den Arterien als in den Venen und also auch in den Kapillaren tief herab (Nr. 9). ^ Bayliss und Starling, Journ. of physiol., 16, S. 159; 1894. Die Strömung des Blutes in den Kapillaren. 279 Die Reizung des Vagus am normalen Tiere (Nr. 4) bewirkt im Anschluß an der starken Abnahme des arteriellen und einer verhältnismäljig kleinen Zu- nahme des venösen Druckes wahrscheinlich eine Abnahme des Kapillardruckes; sie wird von einer bedeutenden Steigerung des Portaldruckes nachgefolgt, welche das Auftreten eines kapillaren Druckanstieges angibt. Auch die Spanchnicusreizung dürfte aus gleichem Grunde als Nachwirkung eine Zunahme des kapillaren Druckes haben (Nr. 6). Durch vermehrte Füllung der Gefäßhöhle (Nr. 8) wird der Druck in den Darmkapillaren gleichzeitig mit der Druckzunahme in der Aorta und den Venen erhöht. Wie leicht ersichtlich, nimmt in allen diesen Fällen mit Ausnahme von Nr. 8 sowie Nr. 5 im Anfang der Erstickung und Nr. 6 die durch die Kapillaren strömende Blutmenge entschieden ab. Nr. Arterieller Druck; mm Hg Venöser Druck; mm MgSO^-Lösung Anmerkungen V. Cava inferior V. portae 1 125 62 60 61 97 73 Normal. Nach Durchschneidung des Halsmarks. 2 58 7 62 79 73 82 Halsmark durchschnitten. Vagusreizung. 3 101 14 40 48 64 61 Splanchnici durchschnitten. Vagusreizung. 4 93 10 80 78 ilO 68 105 107 217 Normal. Vagusreizung. Nachher. 5 120 139 15 48 170 124 84 124 118 Vagi durchschnitten. Erstickung, anfangs. Erstickung, später. 6 1 94 132 108 68 82 68 92 160 190 Normal. Splanchnicusreizung. Nachher. 7 94 22 93 75 118 46 Normal. Blutung. 8 102 124 33 225 98 290 Normal. Injektion von 500 ccm Kochsalzlösimg. y 82 13 43 45 76 48 Normal. Bindung der Vena cava inferior. Wenn es sich um die Verengerung der Arterie eines bestimmten peripheren Organes handelt, so steigt freilich der Seitendruck in dieser Arterie zentral von dem Orte der Verengerung, zu gleicher Zeit nehmen aber Druck und Geschwindig- keit peripher davon, d. h. in den Kapillaren, ab. Im entgegengesetzten Falle, wenn also eine Arterie erweitert wird, kann, unter sonst gleichen Umständen, der Seitendruck in dieser Arterie möglicherweise herabsinken; in den Kapillaren strömt aber eine reichlichere Blutmenge, und der Druck in denselben steigt an. Dies wird z. B. durch den folgenden Versuch von Dastre und Morat nachgewiesen. 280 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Sie registrierten am Pferd den Druck in der A. und V. facialis gleichzeitig und durchschnitten im Verlauf des Versuches den Halssympathicus. Unmittel- bar nach dem Schnitt stieg der Druck sowohl in der Arterie als in der Vene an: der Nerv wurde durch den Schnitt mechanisch gereizt und dadurch eine Ver- engerung der kleineren Arterien hervorgebracht. Infolgedessen wurde der Wider- stand in der Arterie gesteigert und gleichzeitig eine größere Menge Blut in die Vene getrieben; daher der in beiden Gefäßen beobachtete Druckanstieg. Nach- ■^-v.„ "'"^--N,. Fig. 462. Seitendruck in der A. und V. facialis, Pferd. Nach Dastre und Motat. Die vertikale Linie gibt den Augenblick der Sympathikus-Durchschneidung an. dem diese unmittelbare V/irkung des Schnittes vorübergegangen war, trat das Ergebnis der Lähmung der gefäßverengenden Nerven hervor: der Druck sank in der Arterie {AF, Fig. 462), stieg aber in der Vene {VF) an. Letzteres könnte nicht stattfinden, wenn nicht auch in den Kapillaren der Blutdruck gleichzeitig angestiegen wäre.^ Dasselbe geht auch aus direkten Messungen des Seitendruckes und der Stromstärke in der Nierenarterie hervor. Es kommt, und zwar besonders unter der Einwirkung von harntreibenden Mitteln vor, daß der Blutstrom daselbst sehr beträchtlich anschwillt, während gleichzeitig der Nierenarteriendruck herab- sinkt und der Aortadruck ziemlich unverändert bleibt (vgl. Fig. 4632). Alle die verwickelten Mechanismen, durch welche der Blutstrom in der Aorta geregelt wird, bezwecken einen normalen Blutstrom in den Kapillaren herzustellen. Hierbei dürfen wir aber einen wichtigen Umstand nicht vergessen. Die Blutmenge des Körpers ist nicht so groß, daß das Herz bei der bestehenden Anordnung des Gefäßsystemes eine so große Blutmenge heraus- treiben und einen so hohen Aortendruck ermöglichen könnte, wie sie tatsächlich existieren, wenn diese Blut- menge auf alle Kapillarsysteme des Körpers gleichmäßig verteilt und überall so groß wäre, wie sie jedes Organ beim Maximum seiner Tätigkeit nötig hat. Auch schwankt der Blutgehalt der Kapillaren wie die durch sie strömende Blut- — 1"- / C ... ^. / 'N \, / s. < \ / > \ -T^- r •— -. --- •' -■ -., . \ 1 / *•- 30 .H. r ^ ^ ■" X — .- -' / V T m HC 7i d T. 1 z f 3 ' * 1/ ii Fig. 463. Minutliche Blut- incnge durch die Nieren- arterie ( — ), mittlerer Blut- druck in der Carotis ( ) und in der Nierenarterie ( ). Nach Landergren R. Tigerstedt. ^ Dastre und Morat, Recherches experim. sur le Systeme nervcux vasomoteur. Paris 1884, S. 25. ■^ Landergren und R. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 4, S. 274; 1892. Die Strömung des Blutes in den Venen. 281 menge unaufhörlich, und zwar in der Weise, daß ein Organ, dem augenblicklich eine stärkere Arbeit obliegt, eine größere Blutzufuhr bekommt, als wenn es ver- hältnismäßig ruhend ist. Dies geschieht dadurch, daß sich die dem betreffenden Organ zugehörigen Arterien erweitern, während auf der anderen Seite Arterien, die Blut zu anderen Organen leiten, enger werden. Hierdurch wird das Herabsinken des Aortendruckes vermieden, das sonst wegen der eben besprochenen Gefäßerweiterung stattfinden würde. Dann muß natürlich das Blut reichlicher nach dem Kapillarnetz strömen, welches durch die Erweiterung der zuführenden Arterie stärker geöffnet worden ist. Druck und Geschwindigkeit werden hier zunehmen. Außerdem vermögen die Kapillaren selber durch selbständige Erweiterung und Verengerung zur Regulation der Blutzufuhr nach den verschiedenen Körper- teilen und nach verschiedenen Abschnitten einzelner Organe wesentlich beizutragen. Vierunddreißigstes Kapitel. Die Strömung des Blutes in den Venen. § 140. Der Blutdruck in den Venen. Daß der Seitendruck in den Venen bedeutend geringer als der in den Arterien sein muß, ist ohne weiteres einleuchtend, denn der zwischen Arterien und Venen eingesetzte starke Widerstand hat ja den größten Teil der Triebkraft des Blutes verbraucht. Um den Druck in einer Vene zu bestimmen, eröffnet man eine wand- ständige Verbindung zwischen der Vene und dem Manometer.^ Dazu benutzt man meistens eine T-Kanüle, deren unpaariger Ast mit dem Manometer ver- bunden wird. Oder auch kann man die Kanüle endständig, mit der Spitze in der Richtung gegen das Herz, in einem Seitenast der zu beobachtenden Vene ein- setzen: dann stellt dieser Seitenast eine Fortsetzung der Manometerleitung zum Hauptstamme dar, und der Seitendruck des Blutes wird wie im ersten Falle be- stimmt, ohne daß die Blutströmung in der betreffenden Vene in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird. Hierbei wird vorausgesetzt, daß der Seitenast derjenigen Vene, in welcher der Seitendruck bestimmt werden soll, einigermaßen senkrecht steht. Da der Venendruck sehr niedrig ist, wird zu seiner Registrierung nicht das Hg-Manometer, sondern ein mit Sodalösung gefülltes Manometer benutzt. Zur Orientierung teile ich in erster Linie zwei Versuchsreihen über den Druck in verschiedenen Venen bei natürlich atmenden Tieren in folgenden Tabellen mit. Die eine Reihe ist von Jacobson- am Schaf, die andere von Burton-Opitz^ am Hunde ausgeführt worden. Ein — Zeichen gibt an, daß der Druck negativ, d. h. kleiner als der atmosphärische Druck gewesen ist, 1 Ludwig und Mogk, Zcitschr. f. rat. Med., 3, S. 46; 1844. - Jacobson, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1867, S. 226. ^ Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 9, S. 212; 1903; — Arch. f. d. ges. Physiol., 129, S. 216; 1909; — vgl. auch Wcrtticimcr, Arch. d. physiol., 1894, S. 728. 282 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Venöser Blutdruck beim Schaf. Vene Druck; mm Hg Vene Druck; mm Hg Anonyma sin Jugularis dextr Subclavia dextr. ^ .... Jugularis sin Subclavia sin -0,1 + 0,2 -0,1 -0,1 -0,6 Facialis ext Facialis int Brachialis Ein Ast derselben , . . Cruralis + 3,0 + 5,2 + 4,1 + 9,0 + 11,4 Venöser Blutdruck beim Hunde. Vene 1 Druck; mm Hg Vene Druck; mm Hg Facialis sin + 5,1 Femoralis dextr -r 5,4 Jugularis ext. sin. . . . + 0,5 Saphena sin + 7,4 Jugularis ext. dextr. . . -0,1 Portae + 8,9 Cava sup. dist. Port. . . -1,4 Mesenterica + 14,7 Cava sup. nahe d. r. Vorliof -2,9 Gastrolienalis + 10,1 Brachialis dextr + 3,9 Renalis + 10,9 Femoralis sin + 5,4 Wie wir von vornherein voraussetzen konnten, ist der Druck in den zentralen Venen am niedrigsten und nimmt gegen die periphereren Venen zu. An ent- sprechenden Venen der beiden Körperhälften ist der Druck etwa gleichgroß (Burton-Opitz^). Da auch in Venen verhältnismäßig großen Kalibers der Druck 9—10 mm Hg und mehr beträgt, kann der kapillare Druck nicht so niedrig sein, wie es aus einigen der oben (III, S. 275) angeführten Versuchsreihen hervorzugehen schien. Beim Menschen hat man entweder durch Ermittelung desjenigen Außen- druckes, bei welchem der Strom in der untersuchten Vene aufhört, oder auch durch Einführung einer dünnen Spritzenspitze in die V. mediana cubiti auf der Höhe des rechten Vorhofes und Verbindung derselben mit einem Druckmesser {Moritz und v. Tabora^) versucht, den in den Venen herrschenden Druck zu be- stimmen. Nach der ersten Methode fand v. Bäsch'^ anr Handrücken, wenn dieser zur Vermeidung der Einwirkung des hydrostatischen Druckes etwa auf die Höhe des Herzens gehalten wurde, bei 17 herzgesunden Individuen einen Druck von durchschnittlich 10,7 mm Hg (Minimum 4, Maximum 12,5 nun Hg). Dieser Druck war durchschnittlich 11,6 [9,5—16] mal kleiner als der gleichzeitig nach der Methode von v. Bascli gemessene arterielle Druck. An demselben Venengebiet bestinmite Hooker-' den Druck bei Menschen von verschiedenem Alter, und fand dabei, wie aus folgender Tabelle hervorgeht, daß dieser mit zunehmendem Alter zunimmt. ^ Dicht am Ursprung der Vena anonyma. - Biirton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 9, S. 202. ^ Moritz und v. Tabora, Verh. d. Kongr. f. inn. Med., 2G, S. 378; 19U9: — Deutsches Arch. f. klin. Med., 98, S. 488. * V. Basch, Arch. des sciences biol., 11, supp!., 1904, S. 117. '^ Hoüker, Amer. journ. of physiol., 40, S. 43; 1916. Die Strömung des Blutes in den Venen. 283 Alter; Jahre Druck in den Venen des Handrückens, auf das Niveau des Herzens bezogen; cm Wasser mm Hg 5 15 15—25 25 35 35—45 45 55 55 65 65 75 75—85 8.3 12,7 15,0 18,0 19,0 24,2 25,6 26,0 6,2 9,3 11,0 13,2 14,0 17,8 18,8 19,1 Die individuellen Variationen waren indessen sehr bedeutend. Nach Briscoe^ beträgt der Druck beim Menschen in den Venen des Hand- rückens, auf das Niveau des Herzens bezogen, durchschnittlich etwa 10 cm W^asser, gleich etwa 7 mm Hg. Durch Bestimmung desjenigen am Oberarm ausgeübten Druckes, bei welchem gerade eine Behinderung der venösen Abfuhr vom Unterarme erscheint, suchten L. Frank und Reh^ den Druck in den Venen des Oberarmes zu ermitteln. Der- selbe betrug etwa 10— 60 mm Wasser = 0,7— 4,4 mm Hg. Moritz und v. Tabora fanden nach ihrer blutigen Methode in 30 Fällen in der V. mediana cubiti einen mittleren Druck von 52 mm Wasser = 3,8 mm Hg. Die Grenzwerte waren 10 und 90 mm Wasser = 0,7— 6,6 mm Hg. Nach der gleichen Methode bestimmte Elpers^ bei 55 herzgesunden In- dividuen den venösen Druck mit folgenden Resultaten. Druck; mm Wasser 20—30 30-^0 40—50 50—60 Zahl der Fälle 4 5 6 10 Druck; mm Wasser Zahl der Fälle 60—70 70—80 80—90 90—100 >ioo' 3 9 6 5 7 Im Durchschnitt beträgt dies 66 mm Wasser --= etwa 5 mm Hg. Bei einer und derselben Person zeigte der Venendruck bei wiederholter Messung nur verhältnismäßig unbedeutende Variationen. Im Gegensatz zu Hooker bemerkte Elpers keinen deutlichen Einfluß vom Alter auf den Venendruck. Auch das Geschlecht war hierbei ohne Einfluß. Nach V. Recklinghausen^ würde der am Handrücken gemessene Druck, wenn er auf das Sternoklavikulargelenk reduziert wird, durchschnittlich gleich Null sein, d. h. an der genannten Stelle wäre der Druck gleich dem hydrostatischen Druck der Blutsäule bis zum genannten Gelenk. Das durch die Venen gebildete Reservoir würde dann einfach wie ein volles Gefäß, in das man noch mehr 1 Briscoe, Heart, 7, S. 35; 1918; zit. nach Henderson und Harvey, Amer. joiun. of physioi., 46, S. 538. ^ L. Frank und Rdi, Zeitschr. f. exp. Pathol., 10, S. 241 ; 1912. 3 Elpers, Inaug.-Diss. Kiel 1911. 4 V. Rccklinglwuscn, Arch. f. exp. Pathol. , 55, S. 475; 1906. 284 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Flüssigkeit zufließen läßt, überlaufen, und dasselbe konnte durch Hochheben des Armes wie ein volles Gefäß ausgeschüttet werden. Gegen diese Auffassung spricht indessen die Erfahrung von Meinertz\ daß das Leerlaufen der oberflächlichen Venen meistens weit unterhalb des genannten Scheitelpunktes erfolgt. Wenn die obere Extremität, nachdem sich deren Hautvenen durch Herab- hängen gefüllt haben, langsam bis zu der Höhe, in der die Hautvenen zusammen- fallen und zu flachen Bändern werden, erhoben wird, würde der senkrechte Ab- stand des Niveaus, in dem dieses ,, Venenphänomen" eintritt, vom Niveau des rechten Vorhofes, nach Gaertnei"^, die Größe des im letzteren herrschenden Minimaldruckes darstellen, indem die nächste Venenklappe es verhindert, daß ein das Minimum übersteigender Druck sich bis in die peripheren Venen fortsetzt. Demgegenüber bemerkt Meinertz^, daß der Minimaldruck im Vorhofe sicher negativ ist, und daß man sich vielmehr denken konnte, daß das Venenblut erst dann abfließt, wenn der venöse Druck ausreicht, um die Venenklappen während der ganzen Herzperiode offen zu erhalten. In diesem Falle würde also nicht der minimale, sondern der maximale Vorhofdruck bestinmit werden. Um die Richtigkeit dieser Überlegung zu prüfen, untersuchte Meinertz zu- nächst das Venenphänomen bei körperlicher Arbeit (Drehen einer Zentrifuge). In der Mehrzahl der Fälle konnte dabei keine Veränderung nachgewiesen werden; zuweilen kam eine solche zum Vorschein, indem nach dem Drehen der Venen- kollaps erst in einem 1—8 cm höheren Niveau erfolgte. Diese Steigerung erschien aber nur an den Venen derjenigen Hand, mit welcher die Zentrifuge gedreht wurde, und konnte also nicht auf eine Erhöhung des Druckes im rechten Vor- hof zurückgeführt werden, sondern mußte auf peripheren Ursachen, d. h. wech- selnder Füllung der Gefäße beruhen. Wie Meinertz^ weiter ausführt, dürfte sich die Sache so verhalten, daß in den Fällen, wo die Drucksteigerung auftrat, die tiefen Venen sich nicht ent- sprechend der vermehrten Zufuhr erweitert hatten, und daß daher erst in größerer Höhe, d. h, bei stärkerer Beschleunigung des venösen Blutstromes der Gesamt- querschnitt der tiefen Venen zur Rückführung des Blutes genügte. Entsprechend den von ihm an den Venen des Handrückens beobachteten Erscheinungen fand v. RccklingliausetV', daß der Druck in den Venen des Fuß- rückens beim stehenden und sitzenden Menschen, wenn derselbe auf die Höhe der Magengrube bezogen wurde, sogar negativ, durchschnittlich — 15 cm Wasser beim Sitzen und — 41 cm Wasser beim Stehen (= 1 1 mm, bzw. 30 nun Hg) wurde. Dies würde, nach v. Recklinghausen, davon herrühren, daß während der Messung eine Gruppe der Venenklappen, vermutlich am proximalen Ende der unteren Extremität fest geschlossen waren und infolgedessen also den Rückfluß vom Venenblute zum Herzen verhinderten. Wenn dem so ist, sagen die Messungen des Venendruckes an dem Fußrücken gar nichts in bezug auf den dort bei normalem Kreislauf herrschenden Druck aus. 1 Meinertz, Verh. d. Kongr. f. inn. Med., 26, S. 221; 1909. - Gaertner, Müncli. med. Wocheiischr., 1903, S. 2038, 2080; — 1904, S. 212. 3 Meinertz, Verh. d. Kongr. f. inn. Med., 25, S. 317; 1908. * Meinertz, ebenda, 26, 8^224; 1909. ' V. Recklinghausen, Arch. f. exp. Pathol., 55, S. 485; 1906. Die Strömung des Blutes in den Venen. 285 Hooker^, der zu den gleichen tatsächlichen Resultaten wie v. Recklinghaiisen gelangt ist, bemerkt indessen, daß der Druck am Fußrücken allmählich fast positiv wird (er stieg von - 21 auf — 1 cm Wasser an), wenn die Versuchsperson mit möglichst geringer Muskeltätigkeit aufrecht steht. Die richtige Erklärung des betreffenden Befundes würde daher vielleicht darin liegen, daß der Venen- strom durch Muskelbewegungen so stark beschleunigt wird, daß die Füllung der Venen am Fußrücken in den beobachteten Fällen nicht genügend gewesen ist, um einen höheren Venendruck hervorrufen zu können. Eine Stütze dieser Auffassung liegt in Hookers. Erfahrung, daß bei kranken, bettlägerigen, bzw. narkotisierten Menschen, bei welchen also die Muskelkontrak- tionen ausgeschlossen oder wenigstens stark reduziert sind, der Unterschied betreffend den venösen Druck an der Hand und am Fuß aufs nächste ausgeglichen wird. Daß eine kräftige Arbeit wegen der damit verbundenen Veränderungen im Kreislaufe auch auf den venösen Druck einen nicht unwesentlichen Einfluß ausüben soll, ist von vornherein sehr wahrscheinlich und übrigens durch direkte Versuche nachgewiesen worden. Bei Arbeit an einem stationären Fahrrad stieg der Druck in den Venen des Handrückens in einem Versuch von 55 Minuten Dauer von 6,5 auf 18,5 nnii Hg {Hooker-). In der V. mediana cubiti beobachtete Elpers bei körperlicher Arbeit eine durchschnittliche Druckzunahme von 34%, und dementsprechend ist der venöse Druck im wachen Zustand etwa doppelt so hoch wie im Schlafe (Hooker^). Ferner wird der Druck in der V. mediana cubiti sowohl durch Abkühlung als durch Erwärmung der Haut in die Höhe getrieben, bei jener um 27%, bei dieser um 77"/o (Elpers). Daß der Druck in den zentralen Venen, Anonyma und ihren Ästen, negativ ist, wird in erster Reihe durch die Ansaugung in der Brusthöhle bedingt; dazu kommen noch andere ansaugende Mechanismen, welche ich schon früher be- sprochen habe (vgl. 1, S. 221-230). Diese Ansaugung an den zentralen Venen kann bei chirurgischen Operationen in der Nähe der oberen Brustapertur den Tod hervorrufen, wenn zufälligerweise dabei eine Vene geöffnet wird. Wir wissen ja, daß die Halsvenen bei ihrem Ein- tritt in die Brusthöhle an der Faszia festgewachsen sind und daher nicht wie andere Venen zusammenfallen, wenn sie entleert werden. Diese Anordnung ist unter normalen Verhältnissen sehr zweckmäßig, weil sonst, wenn sich die Venenwände zusammenlegen könnten, immer die Gefahr einer Blutstauung in den Halsvenen vorhanden wäre. Wenn aber bei einer chirurgischen Operation eine Halsvene geöffnet wird, so wird in die Vene und also in das rechte Herz Luft angesaugt. Kommt Luft mit einem Mal in reichlicher Menge ins Herz, so kann es sich ereignen, daß die rechte Kammer ganz davon erfüllt wird und also kein Blut mehr in die Lungenarterie heraustreibt. Der Tod findet durch die plötzliche Unterbrechung des Kreislaufes augenblicklich statt. 1 Hooker, Amor, journ. of physiol., 28, S. 247. 2 Hooker, Amer. journ. of physiol., 28, S. 235; 1011; — 4ü, S. 47; 1916. 3 Hooker. ebenda, 35, S. 73; 1914. 286 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. In dieser Weise erklären Nysten^, Couty^ u. a. den Tod -durch Lufteintritt in die Venen. Letzterer bemerkt sogar, daß in die Lungenarterien und von diesen aus weiter in den großen Kreislauf keine oder doch nur eine verschwindend kleine Menge von Luft eintritt. Dies ist aber entschieden unrichtig. Auch wenn es unter Umständen geschehen mag, daß die angesaugte Luft in der Tat vollständig im Herzen zurückbleibt, so geht doch aus mehreren Untersuchungen mit aller Bestimmtheit hervor, daß die eingetretene Luft in der Regel wenigstens in den Lungenkreislauf hineinkommt. In diesem Falle bildet sie dort in den feineren Gefäßverzweigungen Embolien, welche den Kreislauf vollständig unterbrechen können (Passet^, Hauer^). Die Luft kann endlich auch den kleinen Kreislauf durchsetzen und im linken Herzen erscheinen, wie Laborde und Muron dies nachgewiesen haben.'' Ja bei Versuchen von Jürgensen erschien die in die Cruralarterie der rechten Seite eingeführte Luft in der Cruralvene der linken Seite wieder. Diese Luft hatte also — abgesehen von dem Kapillargebiet, welches die rechte Cruralarterie mit der rechten Cruralvene verbindet — sicher zwei Kapillarsysteme unter dem Einfluß der den Kreislauf beherrschenden Kräfte durchsetzt: das der Lungen- arterie und dasjenige, welches sich zwischen der Cruralarterie und Cruralvene der linken Seite ausbreitet*'. Diese in den großen Kreislauf hineingekommene Luft würde nach Bichaf durch Embolien der Hirngefäße den Tod hervorrufen. Wenn auch nicht gerade unmöglich, wird dies jedenfalls äußerst selten geschehen, denn selbst bei den Versuchen Jürgensens, bei denen auch in den Arterien stets Luft gefunden wurde, traten keine Zeichen von Embolie der Hirngefäße zutage. Nach Frangois-Franck^ kann indessen die Luft vom rechten Vorhof aus direkt in die Gehirnvenen gelangen. Auch bemerkt er, daß die durch die Lungengefäße nach dem linken Herzen transportierte Luft in die Koronargefäße hineinkommen und dort durch Embolien den Kreislauf unterbrechen kann. Nach ihm stellt dies die wirkliche Todes- ursache beim Hineindringen von Luft in den Gefäßen dar. Wenn nur eine geringe Luftmenge ins Blut hineinkommt, so wird sie natür- lich vollständig gefahrlos sein können. Auch wenn die Luft in größerer Menge, aber langsam, eingespritzt wird, kann das Tier am Leben erhalten werden. '^ § 141. Die Geschwindigkeit des Blutes in den Venen. Die wesentliche physiologische Aufgabe der Venen ist die, das Blut zimi Herzen zurückzuführen. Die Kraft, welche das Blut in ihnen vorwärts treibt, 1 Nysten, Recherches de physiol. et de chimie pathologique. Paris 1811, S. 27; in dem- selben Werke S. 2 — -15 eine Übersicht der älteren Literatur. - Coiity, Etüde exp. sur l'entree de l'air dans les veines. These, Paris 1876; zit. nach Arch. de physiol., 1876, S. 181 — 184, und Jürgensen (s. unten). ■' Posset, Arb. aus d. pathol. Inst, zu München, 1886, S. 293. 4 Haner, Zeitschr. f. Heilk., 11, S. 159; 1890; — vgl. auch Nysten, a.'a. O., S. 38. 5 Laborde und Mnron, Compt. rend. de la Soc. de biol., 1873, S. 57, 84, 131. « Jürgensen, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 31, S. 453; 1882. ' Bicliat, Rech, physiol. sur la vie et la mort, 3. ed. Paris 1805, S. 166; • — vgl. auch Laborde und Muron, a. a. 0., 1873, S. 135. ** FranQoh-Franck, Compt. rend. de la Soc. de bio!., 1903, S. 960. » Laborde und Mwon, a. a. ()., 1873, S. 87. Die Strömung des Blutes in den Venen. 287 ist natürlich die Herzkontraktion. Die starke Reibung, welche in den kleinen und kleinsten Arterien wie in den Kapillaren stattfindet, hat aber den größten Teil der disponiblen Triebkraft schon verbraucht, und demzufolge ist die totale Energie, welche das Blut nunmehr besitzt, nur ein kleiner Bruchteil von der- jenigen, die es beim Heraustreiben aus dem Herzen besaß. Der größte Teil davon ist während der Blutströnuing durch die Arterien und die Kapillaren in Wärme umgesetzt worden. Damit keine Störungen in der Blutbewegung stattfinden mögen, ist es not- wendig, daß das Blut im allgemeinen in gleich großer Menge durch die Venen zu dem Herzen strömt, wie es aus dem Herzen in die Arterien hineingetrieben wird. Daß dies tatsächlich der Fall ist, zeigten Versuchen von Cyon und Stein- inann'^, welche mit der Stromuhr Ludwigs ausgeführt worden sind. Bei Parallel- vcrsuchen, wo bei Hunden die in einer gewissen Zeit durch die A. carotis und die V. jugularis strömende Blutmenge bestimmt wurde, stellte sich diese in beiden Gefäßen etwa gleich groß dar. Zu demselben Ergebnis gelangten Ziintz und Colmstein- bei einem Versuch über die Geschwindigkeit in der Nabelarterie und Nabelvene bei einem Schafsembryo, Aus diesen Versuchen dürfen wir aber nicht folgern, daß die mittlere lineare Geschwindigkeit in den Arterien und den entsprechenden Venen die gleiche ist. Der kubische Inhalt der Venen ist viel größer als derjenige der Arterien, und wenn jene vollständig mit Blut gefüllt sind, so v^ird die mittlere Geschwindigkeit in ihnen selbstverständlich geringer als in den entsprechenden Arterien sein. Sind die Venen dagegen nicht vollständig gefüllt, so kann es ein- treffen, daß sich die mittlere Geschwindigkeit in ihnen derjenigen in den Arterien mehr oder weniger nähert. Das einzige, was von hydrodynamischem Standpunkte aus notwendig ist, damit keine Störung des Kreislaufes stattfindet, besteht darin, daß durch die Venen in der Zeiteinheit ebensoviel Blut als durch die entsprechenden Arterien strömt. Aus den vorliegenden Bestimmungen über die durch einzelne Venen des Hundes in der Zeiteinheit strömende Blutmenge ergeben sich folgende Zahlen für die lineare Geschwindigkeit des Blutes in ihnen.^ Vene Mittl. Gewicht des Tieres; kg Millimeter in d. Sekunde Weite der Vene; mm Autor V. jugularis ext. V. femoralis . . V. renalis . . . V. mesenterica V. lienalis . . . 13 14,2 16,8 16,6 18,0 147 62 63 85 43 0,5 4,4 6,4 6,5 5,1 Biirton-Opitz* 5 Burton-Opitz und Liicas^' 7 >> >» >> 8 ;> )> ) > ^ Cyon und Steinmann, Melangcs biologiques de rAcadeniie des sciences de St. Petcrs- bourg, 8,' S. 55—66; 1871. - Ziintz und Cohnstcin, Arch. f. d. ges. Physiol., 34, S. 224; 1884. Über die absolute Menge des durch einzelne Venen strömenden Blutes vgl. Kap. XLVI 1 1. Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 7, S. 439; 1902. Burton-Opitz, ebenda, 9, S. 173; 1903. Burton-Opitz und Lucas, Arch. f. d. ges. Physiol., 123, S. 583; 1908. Burton-Opitz, ebenda, 124, S. 495; 1908. Burton-Opitz, ebenda, 129, S. 207; 1909. 288 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Nach Injektion einer Bisnuitöllösung in eine Vene fanden 0. Franck und Alwens^ unter Anwendung des Röntgenschirmes, daß die eingespritzte Masse den Weg von der V. fenioralis nach dem rechten Vorhof beim Hunde in 16—18 und beim Kaninchen in etwa 6 Sekunden zurücklegte. Selbst in den größeren Venen scheint das Blut ohne Wirbelbewegungen zu strömen, wie daraus hervorgeht, daß nach Injektion einer körperfremden, leicht erkennbaren Substanz in die linke Schenkelvene diese eine Strecke lang nur in der linken Hälfte des in der Vena cava inferior strömenden Blutes nachgewiesen werden kann, sowie daraus, daß eine derartige Substanz, je nachdem sie in ver- schiedenen Venen des Pfortadergebietes eingespritzt wird, in verschiedenen Ab- schnitten der Leber erscheint (Serege^). In Übereinstimmung damit geben Bartlett, Corper und Long^ an, daß beim Hunde das von den verschiedenen Pfortaderwurzeln kommende Blut durch Strecken von bis zu 10 cm Länge isoliert strömen kann. Das Blut von dem Magen, der Milz, dem Duodenum, dem proximalen Teil des Jejunums und dem Rectum strömt hauptsächlich nach dem linken Leberlappen, das Blut vom distalen Teil des Jejunums wie vom Ileum und der ersten Abteilung des Kolons dagegen hauptsächlich nach dem rechten Leberlappen, usw. Auch die Verteilung des Blutes nach verschiedenen Abteilungen der Lungen gibt das Vorhandensein einer geradlinigen Strömung des Blutes in den Venen zu erkennen. Wenn man nämlich etwas Chloroform in eine Ohrvene am Kaninchen einspritzt und das Tier innerhalb einer halben bis einer Minute stirbt, so treten Infarkte nur an gewissen Orten der Lungen, nämlich dem größten Teil des oberen und eventuell des mittleren Lappens, sowie den oberen hinteren Abschnitten der unteren Lappen auf {Kretz'^). Wird das Chloroform dagegen in das Quellen- gebiet der unteren Hohlvene eingespritzt, so werden die unteren, teilweise auch die mittleren Lappen der Lungen vom Infarkt gefüllt und die oberen Lappen bleiben dagegen frei {Lägiis-'). Hieraus folgt, daß das aus verschiedenen Gefäßprovinzen kommende Blut sogar in der rechten Kammer und der Lungenarterie nicht vollständig und gleich- mäßig gemischt werden dürfte. § 142. Der Einfluß verschiedener Variabein auf den Venenstrom. a)Allgcm eines überdieBedeutungdesWiderstan des undderBlutzufuhr. Wie im arteriellen System sind auch in den Venen Stromschnelle und Druck von der in der Zeiteinheit aus dem Herzen strömenden Blutmenge und von dem Widerstände abhängig.^ Wegen der bedeutenden Kapazität der Venen kann der Widerstand in ihnen nicht sehr groß sein und wird sich unter normalen Verhältnissen hauptsächlich durch die größere oder geringere Fähigkeit des rechten Herzens, das in den zen- ^ 0. Franck und Alwens, Müncli. med. Wochenschr., 1910, S. 954. 2 Serege, Compt. rend. de la Soc. de biol., 1903, S. 1384; — 1907 (1), S. 503. ^ Bartlett, Corper und Long, Amer. journ. of physiol., 35, S. 36; 1914. 4 Kretz, Arch. f. pathol. Anat., 220, S. 179; 1915. 5 Lagus, Skand. Arch. f. Physiol., 38, S. 57; 1919. " Vgl. auch die im Anschluß an die Darstellung des Blutstromes in den Kapillaren be- sprochenen Versuche von Bayliss und Starling (III, S. 279). Die Strömung des Blutes in den Venen. 289. tralen Venen befindliche Blut v/eiter zu treiben und also einer Stauung daselbst vorzubeugen, erkennbar machen. Stoßen die Venen bei ihrer Entleerung auf einen zu großen Widerstand, so steigt der Druck in iiinen. Dies findet bei einer genügend starken Verlang- saniung der Herzschläge oder einem Herzstillstand infolge einer Vagusreizung statt. Hierbei vermag das rechte Herz nicht alles Blut, das sich in den Venen sammelt, herauszutreiben, es bleibt dort stauen, und der venöse Druck steigt an. Wenn das rechte Herz trotz der Verlangsamung dennoch in der Zeiteinheit ebensoviel Blut als vor der Vagusreizung heraustreibt, so erleidet der Venendruck und der Blutstrom in den Venen keine Veränderung. Diebetreffende Drucksteigerung und Abnahme der Stromschnelle ist also nicht von der Verlangsamung der Herzfrequenz an und für sich, sondern von der davon bedingten Abnahme der in der Zeiteinheit vom Herzen herausgetriebenen Blutmenge bedingt {Klemensie\vicz\ de Jager'^, Kornfeld^, Knoli\ Biirton-Opitz'', Plumier^). Der Druck in den Venen wird ebenfalls durch eine kräftige Kontraktion der Arterien im großen Kreislauf, wenn das Herz die dadurch hervorgerufene Vermehrung des Widerstandes nicht bewältigen kann, gesteigert. Desgleichen, wenn die Lungen unter einem genügend starken Druck aufgeblasen werden, denn hier kann das Blut nicht in die intrathorakalen Venen hineinströmen, sondern bleibt in den extrathorakalen stauen. Ferner steigt der venöse Druck nach Eröffnung der Brusthöhle an (Burton- Opitz'^, Plumier^), weil der Widerstand in den zentralen Venen, bzw. im rechten Vorhof durch die Aufhebung des negativen Druckes erhöht wird. Auch bei vermehrtem Druck in der Perikardialhöhle steigt der venöse Druck an, weil nun die Entleerung der Venen beeinträchtigt ist (Burton-Opitz^, Kerppola und U/a//£io). Bei der Kontraktion eines großen arteriellen Gebietes und der dadurch ver- ursachten vermehrten Strömung zu einem anderen kann eine örtliche Zunahme des Venendruckes erscheinen. Wird also der Splanchnicus gereizt und die Bauch- gefäße dadurch stark verengt, so strömt Blut in größerer Menge nach den Arterien der hinteren Extremitäten und im Anschluß dazu steigt der Druck in der Vena femoralis an, durchschnittlich von 4,9 auf 5,9 mm Hg. Dabei nimmt auch das Stromvolumen in der V. cava inferior distal vom Eintritt der Vena hepatica zu.^^ Die gleichzeitig in der V. jugularis beobachtete Drucksteigerung um 1,8 nun Hg ist dementsprechend auf den vermehrten Blutstrom in der Carotis zu beziehen {Edwards^-^). 1 Klemensiewicz, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., matli.-naturw. KL, 94 (3), S. 28, 50; 1886. 2 de Jaoer, Journ. of pliysiol., 7, S. 173; 1886. •' Kornfeld, Zeitschr. f. klin. Med., 21, S. 171; 1892. * Knoll, Arch. f. d. ges. Physiol., 73, S. 77; 1898. '> Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 7, S. 439; 1902; — 0, S. 200; 1003. « Pliimier, Arch. intern, de physiol., 8, S. 6; 1909. ' Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 9, S. 209. ^ Plumier, Arch. intern, de physiol., 8, S. 16. '■• Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 45, S. 67; 1917. '0 Kerppola und Walle, Skanü. Arch. f. Physiol., 36, S. 278; 1017. " Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 45, S. 63. 1-^ Edwards, ebenda, 35," S. 18; 1914. Tigerstedt, Kreislauf. UI. 2. Aufl. 19 290 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. 4 Auch durch Vermehrung der Bhitzufuhr zu den Venen, wie nach Trans- fusion einer Kochsalzlösung (Plumier^) und bei einer durch schwache Reizung des zentralen Vagusstumpfes hervorgerufenen Gefäßerweiterung (Plumier^) wird der Druck daselbst in die Höhe getrieben. Andererseits sinkt der venöse Druck herab und die Stromschnelle in den Venen nimmt zu unter dem Einfluß aller Umstände, welche die Entleerung des rechten Herzens begünstigen. Man findet daher ein Senkung des Druckes bei der Beschleunigung, welche auf die Durchschneidung der Vagi folgt, wenn zu gleicher Zeit auch der arterielle Druck ansteigt {de Jager^). Sowohl die arterielle Drucksteigerung als die Abnahme des venösen Druckes bezeugen, daß das Herz hierbei eine größere minutliche Blutmenge als eben vorher von den Venen nach den Arterien pumpt. Nach Burton-Opitz^ kann hierbei die durch die V. jugularis externa strömende Blutmenge von 1,8 auf 5,9 ccm in der Sekunde ansteigen. Bei dieser Beschleunigung des venösen Blutstromes kommt auch die eventuell vertiefte Vagusatmung in Betracht.^ Jeder Eingriff, der die zu den Venen durch die Kapillaren strömende Blut- menge vermindert, setzt natürlich den venösen Druck herab. Dies ist z. B. nach einer Blutentziehung {Pliimier^) der Fall. Ebenso nimmt der Druck und die Stromgeschwindigkeit in der Vene durch Bindung der entsprechenden Arterie ab — in einem Versuche an der V. jugularis ext. beim Hunde sank z. B. die durchströmende Blutmenge bei Kompression der Carotiden von 1,7 auf 0,7 ccm in der Sekunde herab {Burton-Opitz"). Nach der Arterienbindung vermindert sich der Druck in der Vene so weit, daß er sich mit dem Minimaldruck in demjenigen größeren Venenstamme, in welchen sie mündet, ins Gleichgewicht stellt. Wo keine Klappen vorhanden sind, welche die Blutströmung verhindern, kann der Druck in einer Vene, deren zu- führende Arterie gebunden wurde, sogar ansteigen {Klemensiewicz^). Bei Zunahme des Druckes in der Bauchhöhle werden die intraabdominalen Venen mehr oder weniger zusammengepreßt. Dadurch wird die Blutzufuhr von dem Hinterkörper zum Herzen herabgesetzt oder vollständig aufgehoben. In- folgedessen nimmt der Venendruck peripher davon zu {Biirton-OpitZ") und die Menge des in die Vene strömenden Blutes ab; so stieg der Druck in der V. cruralis auf 64 mm Hg an, während die Blutmenge von 0,89 auf 0,06 ccm pro Sekunde herabsank. Nach Haiuburger'^'^ bewirkt schon ein intraabdominaler Druck von etwa 20 mm Hg beim Kaninchen und Hunde wegen der verminderten venösen Strömung eine deutliche Senkung des Druckes in der Aorta. Wenn eine Vene gebunden wird, so steigt der Druck peripher von der Ligatur, denn in diesem Falle stellt die Vene nur ein blindes Endstück der Arterie dar. 1 Plumier, Arch. intern, de physiol., 8, S. 28. 2 Plumier, ebenda, 8, S. 9. ^ de Jager, Journ. of physiol., 7, S. 173. " Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 7, S. 441 ; 1902. •^ Burton-Opitz, ebenda, 9, S. 208. « Plumier, a. a. O., 8, S. 30. ' Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 7, S. 442; — 9, S. 205, 200. ** Klemensieivicz, a. a. O., 94 (3), S. 44. 9 Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol., 121, S. 156. '" Hamburger, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1890, S. 332. Die Strömung des Blutes in den Venen. 291 Oi- I I ' I ' I f 1 I I I I I I I I ] X -K ! Aus diesem Grunde sollte man glauben, daß der Druck in der Aorta ansteige, wenn eine große Vene, z. B. die untere Hohlvene, gebunden wird. Das ist jedoch nicht der Fall, denn bei der Bindung dieser Vene wird die beträchtliche Blutmenge, welche sich in ihrem Quellengebiet sammelt, der allgemeinen Zirkulation ent- zogen und infolgedessen dem Herzen weniger Blut als sonst zur Verfügung ge- stellt. Bei jeder Systole wird nun eine geringere Blutmenge als die normale herausgetrieben, und wegen der großen Kapazität der Venen nimmt der Wider- stand nicht dementsprechend zu. Nur in dem Falle, daß das Herz gleichzeitig durch Transfusion in eine andere Vene genügend mit Blut gespeist wird, kann die Bindung der unteren Hohlvene eine Steigerung des arteriellen Blutdruckes bewirken. 1 In einem Schema des Kreislaufes, wo die Verästelung der Gefäße bis in die kleinsten Einzelheiten nachgebildet ist, die Röhren aber starr und nicht elastisch sind, muß natürlich die im Röhren- systeme eingeschlossene Flüssigkeit un- unterbrochen nach dem Herzen zurück- strömen, und zwar ohne jegliche Stauung, denn jede aus dem Herzen herausgetriebene Flüssigkeitsmenge schiebt ein gleich großes Quantum vor sich. In der Zeiteinheit strömt also ebensoviel Flüssigkeit nach dem Herzen, als von demselben herausgetrieben wird. In einem derartigen Schema ist es gleich- gültig, welche Lage einer Extremität gegeben wird, ob sie erhöht oder ge- senkt wird. Strömt nämlich Flüssigkeit in der Röhre (Fig. 464) von x nach y, so ist es von gar keiner Bedeutung, ob die U-förmige Abteilung cae nach oben, nach unten oder horizontal gestellt wird: in jedem Falle strömt die Flüssigkeit mit gleicher Geschwindigkeit aus der Röhre, und der Seitendruck vor und nach dieser Abteilung ist bei jeder Lage derselbe. Es ist freilich war, daß der Druck bei a steigt, wenn cae nach unten gestellt wird, und sinkt, wenn cae nach oben zu stehen kommt; dies übt aber keine Ein- wirkung auf das endliche Resultat aus, weil die Druckvermehrung ca von der Druckabnahme ce kompensiert wird, und umgekehrt. Etwas anders stellt sich die Sache, wenn die Röhre elastisch ist. Bei der Lage a nach unten ist die Röhre weiter, bei a nach oben schmäler. Wird die U-förmige Röhre in diese Lage gebracht, so wird sie verengt und Flüssigkeit daraus getrieben; wird sie in die Lage a nach unten geführt, so erweitert sie sich, und die Flüssigkeit bleibt dort stauen. Auf der anderen Seite bietet aber die in -A CfZ. y 1 de Jager, a. a. O., 7, S. 18üf.; — vgl. auch in bezug auf die Unterbindung der Pfortader Tappeiner, Ber. d. sächs. Geseliscli. d. Wiss., math.-pliys. KL, 1872, S. 220f.; — Kronecker, Tageblatt d. 62. Versamnil. deutscher Naturf. in Heidelberg, 1889, S. 311; zit. nach Zentralbl. f. Physiol., 1889, S. 390; — Erlanger, Gesell und Gasser, Amcr. journ. of physiol., 49, S. 152; 1919. 19* 292 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. dieser Lage erweiterte Röhre dem Flüssigkeitsstroni einen schwächeren Wider- stand, und im entgegengesetzten Falle nimmt der Widerstand, wegen der Ver- engerung der Röhre, zu. Wir müssen also zwischen dem Einfluß, den die Lage- veränderung der Röhre bewirkt, und der statischen Einwirkung, welche durch die verschiedene Weite der Röhre in den beiden Lagen bedingt wird, einen be- stimmten Unterschied machen. Diese Erörterung lehrt uns, daß wir in bezug auf den Kreislauf nicht berechtigt sind zu sagen, daß die Rückströmung des Blutes von den unteren Extremitäten nach dem Herzen darimi erschwert wird, weil das Blut in der Richtung nach oben fließen muß, denn eben die durch den größeren hydrostatischen Druck bewirkte Erweiterung der Gefäße bildet ein günstiges Moment für die Rück- strömung des Blutes. Auf der anderen Seite sammelt sich wegen dieser Erweiterung in den Venen der unteren Gliedmaßen eine größere Blutmenge an, welche aus diesen heraus- getrieben wird, sobald sie erhoben werden. Bei tiefer Lage einer Extremität ist also unter sonst gleichen Umständen ihre Blutfüllung größer, zu gleicher Zeit aber auch die durchströmende Blutmenge größer; bei hoher Lage ist die Blut- füllung geringer und ebenso auch die durchströmende Blutmenge. ^ Um die praktische Bedeutung dieser Umstände darzulegen, brauche ich nur an die Ohnmacht oder den Schwindel zu erinnern, wovon eine Person mit schwacher Herztätigkeit befallen wird, wenn sie sich von der horizontalen Körper- lage plötzlich erhebt. Dabei erweitern sich zufolge des erhöhten hydrostatischen Druckes eine Anzahl Venen; das in denselben gestaute Blut wird dem allgemeinen Kreislauf entzogen, und es erscheint eine Gehirnanämie. Zur Illustration der in diesem Abschnitt besprochenen Erscheinimgen teile ich nach Versuchen von Burton-Opitz- einige Angaben über die Druckver- änderungen in verschiedenen Venen bei verschiedenen Eingriffen am Gefäß- system in der folgenden Tabelle mit. Vene Druck; mm Hg des untenstehenden Eingriffes vor während V. jugularis ext. sin. . Do. V. fenioralis V. jugularis ext. sin. . Do. V. Cava sup 0,2 0,2 5,6 0,2 0,2 i -2,2 1,4 -0,3 4,9 3,6 -0,4 2,4 Kompression d. Vena jug. ext. dextr. Kompression der Carotis. Kompression der A. fenioralis. Vagusreizung. Vagus durchschnitten. Brusthöhle eröffnet. b) Einige spezielle Venengebicte. (t) Vena cava superior und inferior. Über die relative Bedeutung der Vena cava superior und inferior für die Speisung des Herzens können wir aus L. Hills^ Versuchen an Hunden und Katzen, wo das eine oder andere dieser Gefäße gebunden wurde, folgendes entnehmen. 1 de jagcr, a. a. ()., 7, S. 189f. '■^ Biirton-Opitz, Amer, journ. of physiol., 9, S. 198. ^ /.. Hin, Journ. of physiol., 28, S. 125; U)02. Die Strömung des Blutes in den Venen. 293 Nacli Bindung beider Venen sank der Aortadruck in einem Versuch an der Katze auf 17 mm Hg herab und der Druck in den Hohlvenen stieg auf 9 mm Hg an. Die obere Hohlvene wurde nun eröffnet, wobei der Aortadruck um 1 mm Hg, also auf 18 mm Hg anstieg, während der venöse Druck auf Null abnahm. Nach 8 Sekunden, fingen Herzschläge wieder an und der Aortadruck erhob sich auf etwa 33 mm Hg. Bei der nun folgenden Eröffnung der unteren Hohlvene er- reichte der arterielle Blutdruck innerhalb weniger Sekunden eine Höhe von nahe 100 mm Hg und der venöse Druck nahm dabei allmählich auf 16 mm Hg zu, um schließlich wieder auf den Stand vor der Bindung, 1—2 nun Hg, herab- zusinken,^ Die Bhitzufuhr aus der unteren Hohlvene spielt also für die Speisung des Herzens eine viel größere Rolle als die aus der oberen Hohlvene, wie ja nichts anderes zu erwarten war. Interessanter ist die Beobachtung, daß unter der Blut- zufuhr von der oberen Hohlvene allein der arterielle Druck sich auf 33 nun Hg erheben kann. Daß der venöse Druck nicht sogleich nach der Eröffnung der unteren Hohl- vcne zunahm, ist wohl davon bedingt, daß das Blut in die ziemlich leere rechte Hälfte des Herzens zuerst einströmte. Wenn nun neues Blut nach den Baucli- organen getrieben wurde, stieg der Druck in der Vena cava an, bis das Herz den dort stattfindenden Überschuß an Blut zu der arteriellen Seite des Kreislaufes getrieben hatte. ß) Der Portalkreislauf. In bczug auf den Portalkreislauf lehren die III, S. 279 aufgenonuiienen Ver- suche von Bayliss und Staiiing, daß der Druck in der Vena portae nach Durch- schneidung des Halsmarkes, wegen der dabei stattfindenden starken Erweiterung der Gefäßhöhle (Nr. 1), bei Blutentziehung wegen der Verminderung der Blut- menge des Körpers (Nr. 7), sowie bei Bindung der unteren Hohlvene, wegen der Blutstauung im Hinterkörper (Nr. 9), abnimmt. Er steigt dagegen an, wenn die Füllung der Gefäßhöhle zunimmt (Nr. 8); bei der Reizung des Splanchnicus, weil dann aus den Baucheingeweiden große Blutmengen in die Pfortader getrieben werden (Nr. 6); bei der Erstickung auf Grund der gleichzeitigen Erregung des Splanchnicus (Nr. 5); sowie während und nach der Vagusreizung, wegen der dabei erscheinenden Blutstauung in den zentralen Venen (Nr. 4). Bei Nr. 5 und 6 kommt noch der Einfluß der Gefäßnerven auf die peripheren Verästelungen der Pfortader in der Leber in Betracht. Da das Blut, welches in die Vena portae strömt, noch ein Kapillarsystem zu passieren hat, muß der Druck daselbst verhältnismäßig hoch sein. In dem soeben besprochenen Versuchen von Bayliss und Staiiing variierte er bei normaler Füllung der Gefäßhöhle an Hunden zwischen etwa 4,5 und 16 nun Hg; in ent- sprechenden Versuchen von Sclimid''^, die ebenfalls am Hunde ausgeführt wurden, waren die Grenzen etwa 6 und 20 mm Hg. In gewissen Fällen steigt der Portal- druck bei der Inspiration und sinkt bei der Exspiration, wobei das Stromvolumen in umgekehrter Richtung variiert. Durch Aufblasen der Lungen nimmt der Druck zu und das Stromvolumen ab. ^ Vgl. auch Eiianger, Gesell und Gasser, Amcr. joinu. of physiu!., 40, S. 16G; 1919. - Sclimiä, Arch. f. d. ges. Physiol., 126, S. Iü5; 19U5. 294 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Denselben Effekt hat, wegen des erschwerten Blutstromes, auch die Er- öffnung der Brusthöhle, wie auch eine allgemeine Steigerung des intraabdomi- nalen Druckes, z. B. beim Brechakt (Nedwetzky^). Auch durch Abnahme des Widerstandes im Splanchnicus-Gebiet, durch Zu- nahme des Aortadruckes, durch Steigerung des Widerstandes in der Vena cava inferior, durch Kontraktion des Pfortaderstammes wie durch Vermehrung des Stromwiderstandes in der Leber kann der Druck in der Pfortader in die Höhe gehen {Erlanger, Gesell und Gasser ^). Hunde, denen die Ecksche Fistel^ zwischen der Vena cava inferior und der V. portae angelegt worden war, und wo also das gesamte Pfortaderblut direkt in die V. cava inferior überleitet wurde, lebten in den Versuchen von Stolnikow^ 3—6 Tage, in denen von Pawlow^ Monate lang. Da sich ferner unter den Ver- suchstieren Stolnikows solche fanden, welche noch 4 Tage die Ecksche Fistel und die Bindung der Leberarterie vertrugen, ist es deutlich, daß zur Ernährung der Leber die Lebervenen allein für sich genügen können. Der Blutstrom wird hier vor allem durch die Respirationsbewegungen unterhalten: wenn die Druck- differenz zwischen den Lebergefäßen und der unteren Hohlvene bei der Inspira- tionsphase ausgeglichen ist, so wird neues Blut bei der folgenden Exspiration in die Lebervenen hineingetrieben, usw. Andere Versuche ergaben^, daß auch unter normalen Verhältnissen eine rückläufige venöse Strömung in der Leber vorhanden sein kann. Wenn eine blutfremde Flüssigkeit in die Pfortader eingespritzt wird, braucht sie, nach Jolyet und RosapellP, 60—70 Sekunden, um vollständig durch die Leber zu passieren. Nach Serege und Soule^ wird sie schneller durch den rechten als den linken Leberlappen befördert. Daraus, wie auf Grund anderer Beobachtungen schließen die Autoren, daß die beiden Leberlappen hinsichtlich ihrer Gefäß- verteilung im großen und ganzen voneinander unabhängig sind^, was indessen von Gilbert und Villaret^^ entschieden bestritten wird. Da die Äste der Pfortader und der Leberarterie peripherwärts untereinander kommunizieren, wie am besten daraus hervorgeht, daß eine in die Leberarterie injizierte Flüssigkeit bei gebundener Lebervene aus der Pfortader herausfließt, ist es von vornherein nicht unmöglich, daß der Blutstrom in dem einen Gebiete den in dem anderen beeinflussen könnte. Dies scheint in der Tat, wenn auch nur in einem verhältnismäßig geringen Grade der Fall zu sein. Bei künstlicher Durch- strömung durch die Leber fand nämlich E. Cavazzani^^, daß die Summe der durch 1 Nedwetzky, nach dem Jahresber. d. Physiol. 1893. 2 Erlanger, Gesell und Gasser, Amer. journ. of physiol.^ 49, S. 361; 1919. 3 Eck, Militär-medizinisches Journ. (russisch), 130; 1877; zit. nach Stolnikow. ^ Stolnikow, Arch. f. d. ges. Physiol., 28, S. 255; 1882. ^ Pawlow, Arch. des sciences biologiques, 1, S. 413; -1892. Bei diesen Tieren iiatte sich eine kollaterale Zirkulation durch die Adhärenzen der Leber zum Darm, Mesenterium inid Oment ausgebildet, aber nur in Fällen, wo die Fistelöffnung eng war, so daß d.r Druck in der Pfortader erhöht wurde. « Stolnikow, a. a. O., 28, S. 262. ■^ Jolyet und Rosapelli, zit. nach Serege und Soiile. 8 Serege und Soale, Comptes rend. de la Soc. de biol., 1905 (1), S. 519, 9 Serege und Soule, ebenda, 1907 (1), S. 503. lö Gilbert und Villaret, ebenda, 1906 (2), S. 481. ^' E. Cavazzani, Arch. ital. de biol., 25, S. 135; 1896. Die Strömung des Blutes in den Venen. 295 die Leberarterie und die Pfortader einströmenden Flüssigkeitsmengen, unter sonst gleichen Umständen, kleiner war, als wenn jedes Gefäß allein für sich durch- strömt wurde. Die Differenz war indessen nur verhältnismäßig unbedeutend und betrug in der Mehrzahl der Fälle weniger als 10"/o. Die weitere Prüfung ergab, daß die arterielle Zirkulation den Portalkreislauf beeinträchtigt, aber nicht um- gekehrt, § 143. Akzessorische Mechanismen, welche die Strömung des Blutes in den Venen erleichtern. Der Blutstrom in den Venen ist, wie aus dem oben Ausgeführten zum Teil schon hervorgeht, vielfach äußeren Umständen ausgesetzt, durch welche Störungen bei demselben mehr oder minder leicht entstehen können. Hierher gehören vor allem die Muskelbewegungen, denn jede solche preßt die entsprechenden Venen zusammen und verhindert also die Strömung in ihnen. Ebenso können Kleider unzweckmäßiger Art usw. für die Rückströmung des Blutes in den Venen hinder- lich sein. Wenn keine derartigen Hindernisse vorhanden sind, strömt das Blut unter dem Einfluß des Herzens in schematischer Einfachheit durch die Venen. Dies geht aus den Erfahrungen au kuraresierten Tieren ohne weiteres hervor. Auch bei vollständig eröffnetem Brustkasten, wo jede Ansaugung durch die Lungen ausgeschlossen ist, strömt das Blut ohne die geringste Störung von und nach dem Herzen. Die soeben erwähnten Umstände würden indessen gar zu leicht bedenkliche Störungen verursachen können, wenn nicht ihrem Einfluß durch besondere Mechanismen entgegengewirkt werden würde. Hierher gehören die Atembewegungen sowie die unter der Einwirkung der Venenklappen stattfindenden Vorgänge. a) Die Einwirkung der Atembewegungen auf den venösen Blutstrom. Die Bedeutung der Ansaugung in der Brusthöhle für die Füllung des Herzens während der Diastole ist schon früher (I, S. 217) besprochen worden. Es er- übrigt, die hierbei in den Venen stattfindenden Vorgänge etwas näher zu er- örtern. Wegen der Zunahme des negativen Druckes in der Brusthöhle während der Inspiration wird die Entleerung der Venen des Kopfes und der vorderen Extremitäten, kurz des Ursprungsgebietes der V. cava superior erleichtert und der Strom in diesen Venen ist also während der Inspiration wesentlich stärker als während der Exspiration. So betrug in einem Versuch von Burton-Opit:^ die durch die V.jugularis ext. beim Hunde strömende Blutmenge bei der In- spiration 2,6 ccm, bei der Exspirationsbewegung 1,2 ccm und bei der Pause 1,7 ccm. Durch mäßige Reizung der Phrenici stieg das mittlere Sekundenvolumen in dieser Vene von 1,2 auf 1,9 ccm an. Bei den Venen des Hinterkörpers, der Bauchhöhle und der hinteren Ex- tremitäten, stellt sich die Sache sehr verschieden, je nach dem Umfang, in welchem das Diaphragma an den Respirationsbewegungen teilnimmt. Wenn die Kon- 1 Burton-Opitz, Amcr. journ. uf physiul., 7, S. 444; 1902. 296 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. traktionen desselben, wie nach der Durchschneidung der Vagi der Fall ist, sehr kräftig sind, steigt der Druck in der V. femoralis während der Inspiration wegen des dabei wesentlich erhöhten intraabdominalen Druckes, und sinkt bei der Exspiration, wenn der Druck in der Bauchhöhle wieder abnimmt (Wertheimer^) Ist dagegen die Beteiligung des Diaphragmas an der Inspiration nicht be- sonders groß und spielt also die Rippenhebung die hauptsächliche Rolle bei der Inspiration, so sinkt der Druck in der V. femoralis bei dieser herab, um während der Exspiration anzusteigen {Wertheimer'^). Diese inspiratorische Drucksenkung hängt wohl damit zusammen, daß die Bauchvenen bei der Senkung des Diaphragmas entleert werden, wobei also der daselbst herrschende Widerstand etwas herabgesetzt wird, was natürlich den Blutstrom in der V. femoralis begünstigen muß. Wenn aber der Druck in der Bauchhöhle wegen kräftigerer Kontraktion des Diaphragmas in einem größeren Maße erhöht ist, so steigt der Widerstand in den Bauchvenen während der In- spiration so hoch an, daß der Strom in den Schenkelvenen wesentlich verlangsamt wird und der Druck daselbst in die Höhe geht.^ In diesem Falle verlaufen also die respiratorischen Druckschwankungen in den Venen der hinteren und der vorderen Extremitäten in entgegengesetzter Richtung. Bei aktiver Exspiration unter Zuhilfenahme der Bauchmuskeln wird wiederum der Druck in der Bauchhöhle bei der Exspiration sehr hoch, und nun steigt der Druck in der Schenkelvene bei der Exspiration und sinkt bei der Inspiration (Poiseuille^). Beim Menschen ist, wie es scheint, der Strom in den Venen des Hinter- körpers während der Inspiration wegen der Senkung des Diaphragmas im all- gemeinen erschwert. Ein Beweis dafür liegt in den Erfahrungen, die Mosso-' mit seiner Menschenwage (vgl. III, S. 73) gemacht hat. Wenn die Versuchsperson auf dem Brett der Wage in horizontaler Stellung ganz ruhig liegt, so macht die Wage nichtsdestoweniger rhythmische, mit den respiratorischen Bewegungen syn- chrone Oszillationen, welche angeben, daß der Hinterkörper bei der Inspiration schwerer und bei der Exspiration leichter wird. Dies könnte durch eine horizontale Verschiebung der Baucheingeweide nach den Füßen verursacht werden. Dem ist es indessen nicht so, denn dieselben Oszilla- tionen erscheinen auch dann, wenn die Versuchsperson auf dem Brette sitzt und also die Baucheingeweide nur in vertikaler Richtung verschoben werden. Sie müssen daher von Variationen in der Strömung des venösen Blutes bedingt sein und ergeben also, daß das Zurückströmen des Blutes aus den Gefäßen der unteren Extremitäten während der Inspiration in einem gewissen Grade erschwert ist. Wie Mosso^ und im Anschluß an ihn Ledderhose'^ bemerken, muß diese ver- schiedene Einwirkung der Atembewegungen auf den Blutstrom in den Venen 1 Weriheimer, Arcli. de physiol., 1895, S. 118; — Comptes rend. de la Soc. de biul., 18114, S. 721. 2 Weriheimer, Arch. de physiol., 1895, S. 109. ^ Vgl. auch Eppinger und Hofbauer, Zeitschr. f. klin. Med., 72, S. 154; 1911. 4 Poiseiiille, Journ. de physiol., 1830, S. 277; zit. nach Weriheimer, a. a. O., 1895, S. 114. 5 Mosso, Arch. ital. de biol., 5, S. 1 ; 1884. " Mosso, Der Kreislauf des Blutes im nienschl. Gehirn. Leipzig 1881, S. 135. ^ Ledäerhose, Mitteil, aus den Grenzgebieten d. Med. u. Chirurg., 15, S. 361; 1905. Die Strömung des Blutes in den Venen. 297 der oberen und der unteren Extremitäten dem gleichmäßigen Einflieljcn des Blutes in den rechten Vorhof förderlich sein. Eine wirkliche Ansaugung kann sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, nie weiter nach der Peripherie hin erstrecken, als bis sie eine Abteilung des Venen- systcnis erreicht, die nicht von der Umgebung am Zusannnenfallen gehindert ist. • Indessen erstrecken sich die von den Atembewegungen abhängigen Varia- tionen des venösen Blutstromes noch auf so periphere Venen wie die V. saphena ( Wertfieimer^, Ledderhose-). Hier muß die Wirkung der bei den Respirationsphasen stattfindenden Er- leichterung und Erschwerung des Blutstromes tätig sein: in den Venen des Vorder- körpers findet eine Stauung während der Exspiration und in denen des Hinter- körpers (in der Regel) während der Inspiration statt; diese Stauung hört bei der entgegengesetzten Respirationsphase auf, und die Venen entleeren sich leichter, usw. Daß hier also nur eine Rückstauung und keine Saugwirkung oder Ansaugung vorliegt, wird durch folgende Versuche von Räncken^ erwiesen. Man legt eine Stasebinde um den unteren Teil des Oberarmes an und hemmt dadurch den Zufluß in der V. cephalica. Trotz der kräftigsten Inspiration bleibt die Vene dennoch mit Blut gefüllt und zwar nicht allein bei herabhängendem Arm, sondern auch bei horizontaler Lage des Armes. Wird nun der Arm nach oben gehoben, so strömt das Blut sofort nach dem Herzen und die Vene ent- leert sich. Wenn man in Rückenlage den Arm gut abduziert und etwas nach oben ge- richtet hält, so sinkt bei kräftiger Inspiration die schwach gefüllte V. mediana cubiti zusammen, um bei der Exspiration wieder anzuschwellen. Wird der Arm gesenkt, so nimmt die Pulsation an Umfang ab und hört auf, wenn die Ellbogcn- falte niedriger liegt als die Vene in der Axille. Würde die Entleerung der Vene durch die bis zur Ellbogenfalte fortgepflanzte Ansaugung in der Brusthöhle verursacht sein, so müßte die Erscheinung auch beim nach unten gerichteten Arm hervortreten, was indessen nicht der Fall ist. Sie muß daher auf Variationen des Widerstandes bei der Strömung des Blutes nach dem Herzen bezogen werden. Darauf deutet auch der Umstand hin, daß man Anschwellen der Vene bei der Inspiration und Zusammenfallen derselben bei der Exspiration beobachtet, wenn man den Arm in solcher Adduktionsstellung hält, daß die Brustwand bei der Inspiration gegen den Oberarm gedrückt und bei der Exspiration davon entfernt wird. b) Die Venenklappen. Die von Fabrizio ab Aquapendente entdeckten Venenklappen sind halbmond- förmige Duplikaturen der inneren Haut der Venen und so gestellt, daß sie sich in der Richtung nach dem Herzen öffnen, die Strömung des Blutes in entgegen- gesetzter Richtung aber verhindern. In der Regel stehen je zwei solche Klappen einander gegenüber. 1 Wertheimer, Arcli. de physiol.. 1895, S. 120. 2 Lcdderhose, a. a. O., 15, S. 378. 3 Ramken, Skand. Arch. f. Physiol., 24, S. 165; 191 1. 298 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Viele Venen haben keine Klappen. Hierher gehören alle kleinen Venen von einer Weite unter 2 mm, ferner die beiden Hohlvenen, die Leber-, Nieren- und Uterinvenen, die Lungenvenen, die Venen des Schädels und des Rückgrat- kanals. In den großen solitär verlaufenden Hautvenen konuuen nur wenige Klappen vor. Auf der anderen Seite besitzen die Venen der Extremitäten, be- sonders die der unteren, zahlreiche Klappen. Diese Venen sind übrigens auch bei Muskelbewegungen dem Gepreßtwerden sehr ausgesetzt.^ Über die Klappen des Pfortadersystems ist folgendes zu erwähnen. Bei den Säugern ist das Vorkommen von Klappen in den Pfortaderverzweigungen des Magens und der Milz sehr verbreitet. Aber nur bei einzelnen Formen, wie bei den Raubtieren, besitzen die Klappen eine entschiedene Bedeutung mit Rück- sicht auf die Zirkulationsverhältnisse, bei vielen sind sie vielmehr als rudimentäre Gebilde aufzufassen, die entweder nur in der Jugend, wie beim Menschen und auch vielleicht bei den Affen, funktionieren, später aber zum Teil oder vollständig zugrunde gehen, oder überhaupt ganz unvollständig angelegt sind, wie beim Kaninchen. 2 Auch in den Darmvenen sind von Bryant^ und Koeppe^ Klappen nachgewiesen worden. Nach dem letzterwähnten Autor finden sich diese in den von den Sammelvenen ausgehenden kurzen und langen Darmvenen. 1—2 nun, oft auch weniger, je nach der Größe der Vene, vor ihrer Mündung in die Sanunel- vene, trifft man auf die erste Klappe, der in kurzen Abständen weitere folgen bis in die feinen, die Ringmuskulatur des Darmes durchsetzenden Venen, die zusammengefallen auf dem Objektträger noch nicht 2 mm breit sind. Vor der Vereinigung zweier Venenäste zeigen beide oder wenigstens der kleinere Ast Klappen. Die Anordnung der Klappen in verschiedenen Venen ist von Bardc- Icbaf näher untersucht worden. Während die Entfernung zweier Klappen im früheren Embryonalleben in jeder Extremität an und für sich gleich groß ist, erleidet sie im weiteren Ent- wickelungsverlauf der Frucht, und zwar schon vom 5. Monat an, dadurch eine Veränderung, daß eine Zahl von Klappen verschwindet. Infolgedessen wird die Entfernung zweier Klappen in jeder Extremität ein Vielfaches einer be- stinmiten Grunddistanz, welche in einem bestimmten Verhältnisse zu der Länge der betreffenden Extremität steht. Bei einem und demselben Individuum ver- halten sich also die Grunddistanzen an den oberen und unteren Gliedmaßen, wie deren Längen. Die Ursache des Verschwindens gewisser Klappen sucht Bardelebeif in den bei den Bewegungen der Gliedmaßen erzeugten mechanischen Einwirkungen, wobei dann außerdem Wachstumsverschiebungen noch eine Rolle spielen dürften. Bei dem erwachsenen Menschen werden also Klappen vermißt hauptsächlich bei den Gelenken, wo die stärkste Dehnung der Venen stattfindet, sowie bei der Ein- mündung größerer Äste, wo der Zufluß in den Hauptstamm reichlich ist. Ur- ^ Schäfer, in Quains Anatomy, 2. 2 Hoclistetter, Arch. f. Anat. u. Physioi., anat. Abt., 1887, S. 137— 142; — vgl. auch die dort angegebene Literatur. 3 Brvant, Boston medical and surgical Journal, 119, S. 400— 403; 1888. * Koeppe, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1890, Suppl., S. 168—173. s Bardeleben, Jenaische Zeitschr., 14, S. 507; 1880. « Bardcleben, a. a. 0., 14, S. 51 3f. Die Strömung des Blutes in den Venen. 299 sprünglich findet sich peripherwärts von jedem solchen Ort eine Klappe oder eine Klappenanlage. Nach Klotz^ verschwinden die ursprünglich vorhandenen Klappen mit zu- nehmendem Alter in einer zunehmenden Proportion. Im 25. Lebensjahre sind bereits 17^0 der Klappen zugrunde gegangen, im 48. Jahre 29'Yo, im 54. jaiire 40% und im 70. Jahre 81%. Fig. 465—468. Versuche über die Venenklappen. Nachl^Harvey. Die physiologische Aufgabe der Venenklappen, die Bewegung des Blutes in der Richtung nach den Kapillaren zu verhindern, wurde zuerst von Harvcy- durch folgende Versuche nachgewiesen. Wenn man oberhalb des Ellbogengelenkes eine Binde wie beim AderlaO anbringt, treten im Verlauf der Venen am Unterarme, und zwar nicht allein an den Verästelungsstellen, sondern auch zwischen ihnen in gewissen Entfernungen voneinander besondere Knoten oder Erhebungen B, C, D, D, E, F (Fig. 465) 1 Klotz, Arch. f. Anat. u. Phy.^iul., anat. Abt", 1887, S. 159. - Harvey, De motu cordis, Kap. XI 11. 300 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. auf. Diese sind aus den Venenklappen gebildet, welche also von außen sichtbar werden. Drückt man die Vene an einer Klappe H (Fig. 466) zu und entleert sie durch Streichen bis zu der nächsten Klappe 0, so fließt kein Blut von der oberen Seite dahin. Der zwischen den Punkten H und 0 befindliche Teil der Vene bleibt leer und dennoch ist das Gefäß oberhalb 0 stark gefüllt. Das Blut ist heraus- gepreßt, die Vene entleert. Sucht man nun mit der anderen Hand das Blut von dem gefüllten zentralen Abschnitt 0 (Fig. 467) nach unten gegen den leeren Ab- schnitt zu drücken, so findet man, daß man das Blut nicht dazu zwingen kann, vorbei der Klappe zu passieren. Je kräftiger man daran preßt, um so stärker wird die Vene bei 0 erweitert, während sie zwischen H und 0 fortfahrend leer bleibt. Entfernt man dagegen den Finger bei L (Fig. 468), so füllt sich die Vene sogleich von unten her. Daß das Blut in den Venen von der Peripherie gegen das Zentrum, das Herz, und nicht in entgegengesetzter Richtung strömt, ist also sehr deutlich. Wenn man ferner die Vene wie oben zudrückt und sie dann durch Streichen zwischen L und N (Fig. 468) entleert, dann den Finger von L entfernt und der Vene also gestattet, sich wieder zu füllen, demnach wieder die Vene zudrückt und durch Streichen entleert und dies innerhalb einer kurzen Zeit, sagen wir lOOOmal, wiederholt, so kann man berechnen, eine wie große Blutmenge diesen Teil des Gefäßes passiert hat, indem man die jedesmal verschobene Blutmenge durch 1000 multipliziert. Macht man den Versuch an einer längeren Venenstrecke, sieht man, wie schnell und geschwind das Blut nach Aufheben des Druckes die Vene von unten her füllt. Irgendein Zweifel betreffend die Richtung des Blut- stromes in den Venen kann nicht vorhanden sein. So weit Harvey. Nach den Beobachtungen von Ducceschi^ bei artifizieller Durchströmung durch die menschliche Femoralvene legt sich die äußere Wand der Klappe nie gegen die innere Gefäßwand, sondern zwischen beiden bleibt ein gewisser Raum, welcher um so kleiner ist, je höher der Druck, immer bestehen. Der Klappenschluß wird dadurch gesichert, daß sich die Klappen nicht allein mit ihren Rändern, sondern auch mit einem großen Teil ihrer Wand gegen- einander legen. Bei jeder Kompression einer Vene wird also das Blut gezwungen, in der Richtung nach dem Herzen zu zu strömen, und ein intermittierender Druck auf eine Vene, wie er bei allen gewöhnlichen Muskelbewegungen stattfindet, muß also unter der Mitwirkung der Venenklappen auf den normalen Blutstrom eine sehr günstige Einwirkung ausüben. Dagegen stellt ein genügend starker, ununterbrochener Druck auf die Venen ein absolutes Hindernis für den Blutstrom dar, und dabei bleibt das Blut in größerer oder geringerer Menge in den verschiedenen, von Klappen abgegrenzten Abteilungen der Venen stauen. Als Belege davon kann unter anderem erwähnt werden, daß beim Frosch- muskel die Stromgeschwindigkeit in den parallel zu der Faserrichtung gehenden Anastomosen bei der Zusannuenziehung des Muskels eine Abnahme erleidet, 1 Duccesclii, Arcli. ital. de biol., 37, S. 146; 1902. Die Strömung des Blutes in den Venen. 301 die bis zum vollständigen Stillstand der Strömung in diesen Gefäßen führen kann (Heilmann^). Beim Menschen werden nach Friimeries- Beobachtungen die Hautvenen von einer andauernden, statischen Muskelarbeit äußerst wenig beeinflußt, während ein großer Teil der tiefliegenden Venen der Extremitäten von dem dabei aus- geübten Muskeldruck stark zusammengepreßt werden und der Blutabfluß durch §ie beträchtlich herabgesetzt wird. Sehr auffallende Beispiele von der Einwirkung der Muskelkontraktionen auf den venösen Blutstrom geben uns die Versuche von Burton-Opitz^, deren Resultate in der folgenden Tabelle im. Auszug zusammengestellt sind. Bei den betreffenden Versuchen wurde der Blutstrom in der Vena femoralis geeicht und der N. ischiadicus gereizt. Dauer Normaler Blutstrom während des Biutstrom auf d. Biutstrom nach Nr. der Reizung; Blutstrom; Verkürzungsvorganps ; Höhe d. Tetanus; Ended. Tetanus; Sek. ccm Sek. com, Sek. com/ Sek. ccm,'Sek. 1 8,1 • 1,08 4,00 0,40 1,30 2 7,3 0,77 2,00 0,52 0,90 3 5,1 0,63 1,40 0,45 0,07 4 5,2 0,73 2,50. 0,39 1 ,00 5 1 4,1 1,06 3,00 0,30 1 ,0(3 Im Durchschnitt betrug der Blutstrom vor der Reizung 0,85 ccm/sek. ; während des Verkürzungsvorganges stieg er auf 2,58 ccm/sek., also auf das drei- fache an (erste Phase). Als nun die Gefäße während des tetanischen Dauer- stadiums stark komprimiert waren, sank der Blutstrom auf 0,41 ccm/sek. herab (zweite Phase) und erhob sich nach Ende der Kontraktion auf 0,99 ccm (dritte Phase) — also ein klein wenig mehr als den früheren Ruhewert. Wenn der Muskel mit einzelnen Induktionsschlägen gereizt wird und also nur kurzdauernde Kontraktionen ausführt, fällt die zweite Phase fort, imd nach der Steigerung während des Kontraktionsvorganges stellt sich die normale Strom- schnelle sofort wieder ein. Bei ihrer Erweiterung scheinen die Venen eine gewisse Saugwirkung aus- zuüben. Wenn man nämlich bei po (Fig. 469) eine Vene abschließt und alsdann bei m', proximalwärts von der Klappe K, einen Klopfschlag ausübt, so entleert sich die Vene P, obgleich nicht in einem so hohen Grade, wie beim Klopfen distal- wärts, bei p'. Der Übertritt von Blut aus P nach M erfolgt hier in der Phase, wo sich die Vene beim Aufheben des Druckes wieder ausdehnt, und stellt also eine Aspiration dar, welche dem jenseits der Klappe stauenden Blute die Vor- wärtsbewegung ermöglicht (Hasebroek'^). Obgleich er zugibt, daß die Venenklappen gewisse bei Körperbewegungen oder sonstigen gewaltsamen Störungen des Kreislaufes sich einstellenden rück- läufige Bewegungen des Blutes verhindern können, hebt Leddeiiwse-' dennoch 1 Heilmann, Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abt., 1902, S. 45. ~ Frumeric, Skand. Arch. f. Physiol., 30, S. 434; 1913. ^ Bnrton-Opitz, Amer. journ. of physiol., 9, S. 180; 1903. * Hasebroek, Arch. f. d. ges. Physiol., 163, S. 192; 1916. ^ Lcdderhosc, Mitteil, aus den Grenzgebieten d. Med. u. Chir., 15, S. 399; 1905. 302 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. hervor, daß die bei den Atembewegungen in den Hautvenen wahrzunehmende Rückstauung des Bkites durch die Klappen nicht aufgehalten wird, und gelangt, ausgehend von dieser Beobachtung, zu der Auffassung, daß auch der bei der Muskelkontraktion auf die Venen ausgeübte Druck keinen Rückfluß, sondern niu' eine Rückstauung verursacht. Hierbei kann der Muskeldruck nichtsdesto- weniger beschleunigend auf den venösen Blutstrom einwirken. Der mehrfach angenommenen Ansicht gegenüber, daß die Venenklappen den hydrostatischen Druck der Blutsäule tragen und also lange Blutsäulen in Abschnitte zerlegen, um dadurch eine entsprechende Verteilung des Druckes auf die Gefäßwand herbeizuführen, weist Ledderhose'^ bestimmt zurück, indem er sich Volkmanns^ Bemerkung, daß beim zirkulierenden Blut von einer Wirkung der Venenklappen gegen die Schwere keine Rede sein kann, vollständig an- schließt. Darin, daß die Klappen den hydrostatischen Druck des Blutes nicht tragen, hat Ledderhose unzweifelhaft recht, denn beim zirkulierenden Blute müssen ja doch die Klappen offen stehen. Fig. 469. Schema nach Hasebroek. Dagegen scheint seine Ansicht, daß die Klappen überhaupt nur in seltenen Ausnahmefällen geschlossen werden sollten, also nur eine geringfügige Bedeutung für den Kreislauf haben — abgesehen von seiner Vermutung, daß sie bei ihrem regelmäßigen Sitze dicht vor der Einmündung der Seitenäste die Aufgabe hätten, den Strom in den Hauptbahnen etwas aufzuhalten und damit das Ein- strömen aus den Seitenbahnen sich leichter vollziehen zu lassen — nicht genügend begründet zu sein. Daß die Klappen, wo sie vorhanden sind, den retrograden Blutstrom voll- ständig hemmen, folgt indessen nicht allein aus Harveys schon erwähnten Ver- suchen, sondern geht auch aus Duccescfiis^ Erfahrungen hervor, daß die Venen- klappen erst bei einem Druck, der viel höher als der normale Venendruck ist, und oft erst, wenn sie zerreißen, insuffizient werden; vgl. die folgende Tabelle, welche Angaben über den Druck, bei welchen bei menschlichen Leichen die Klappen überwunden werden, enthält. 1 Ledderhose, ebenda, 15, 8. 384. - Volkmann, Hämodynamik, S. 268. =' Ducceschi, Arch. ital. de biol., 37, S. 151; 1902. Die Strömung des Blutes in den Venen. 303 Nr. Vene Druck; mm Hg Anmerkung Nr. Vene Druck; mm Hg Anmerkung 1 II Saphena int. Fcmoralis Cephal. dextr. Cephal. sin. 221 69 33 12 Ruptur III Basiiica Fcmoralis sin. Saphena int. Basiiica sin. Poplitea 53 182 261 102 201 Ruptur Ruptur Betreffend die Schwimmhaut des Frosches gibt Rothmiind^ dementsprechend an, daß es selbst bei einem Druck von 100 mm Hg nicht gelingt, einen Tropfen Flüssigkeit peripherwärts, also gegen die Klappen, in eine Vene zu treiben. Zur Aufklärung dieser Frage hat ferner Rancken^ folgende Erfahrungen mitgeteilt. Wenn man an einem mageren Mann durch einige kräftige, schnell nach- einander wiederholte, zentripetale Streichungen die Venen des Unterarms gründlich entleert, dauert es bei einer nicht zu lebhaften Zirkulation einige Zeit, bis sich die Venen wieder gefüllt haben, und während dieser Zeit hat man also die Gelegenheit, Beobachtungen über den Blutstrom in ihnen zu machen. Findet der Versuch bei vertikal herabhängendem Arme statt, kann es bis zu 20 Sekunden und länger dauern, ehe die Venen sich bis zum Ellbogengelenk wieder gefüllt haben. Dabei steigt die Blutsäule in den Venen langsam nach oben und ihre obere Fläche steht in allen miteinander anastomosierenden Venen auf der gleichen Höhe. Wird aber der Arm nach der letzten bei herabhängender Stellung ausgeführten Streichung in vertikaler Stellung mit der Hand nach oben gebracht, so erscheint schon nach einer Sekunde Blut in den Venen, das in einem dünnen Strahl, so schnell wie der Gefäßwiderstand es gestattet, von der Peripherie her hinabsinkt. Hält man den Arm solange nach oben, bis sich die Venen gründlich entleert haben, und senkt ihn dann schnell, so kann man bei einigen Venen den blauen Blutstreifen proximal, aber nicht distal von den Klappen deutlich beobachten. Auf der geschlossenen Klappe ruht eine oben unterbrochene Blutsäule, welche unbeweglich bleibt, bis sich die Vene durch Zufuhr von der Peripherie wieder distal von der Klappe gefüllt hat, und der intravenöse Druck so weit angestiegen ist, daß die Klappen geöffnet werden und der Blutstrom proximal von ihnen wieder etabliert worden ist. Daß der Blutstrom während der wenigen hier in Betracht kommenden Sekunden wirklich unterbrochen ist, folgt daraus, daß man die Vene am proximalen Ende ihres unsichtbaren Teiles zusammendrücken kann, ohne daß hierbei der distal vom Druckorte gelegene Abschnitt durch eine eventuell auftretende Stauung schneller gefüllt werden sollte.^ Zum Beweis dafür, daß sich wenigstens einige Klappen bei der Muskel- kontraktion schließen, bringt Räncken* folgenden Versuch dar. Wenn man bei nach unten gerichtetem Arme die Unterarmmuskeln kräftig zusammenzieht, erscheinen längs der Venen deutlich die knotenähnlichen Erhebungen, welche 1 Rothmund, Berliner klin. Wochenschr., 1912, S. 982. - Rancken, Skand. Arch. f. Physiol., 24, S. 148; 1911. •5 Vgl. auch Ledderhose, a. a. O., 15, S. 389. ' Rancken, a. a. O., 24, S. 151. 304 D'^ Strömung des Blutes im großen Kreislauf. die geschlossenen Venenklappen kennzeichnen. Hierbei sind indessen die Klappen nur einen kurzen Moment geschlossen. Andererseits kann man allerdings bei gehobenem Arm kein einziges Knötchen entdecken, wie kräftig und dauernd auch die Muskeln zusammengezogen werden. Hier sind aber die Bedingungen für den Abfluß des Blutes aus den Venen, wegen der Einwirkung der Schwerkraft in der Richtung des Blutstromes, so günstig, daß die Vene durch das bei der Muskelkontraktion in sie getriebene Blut nicht so stark ausgedehnt wird, daß sich die Klappen schließen würden, um die Strömung des Blutes in falscher Richtung zu verhindern. Bei Venen, wo keine Klappen vorhanden sind, wird der Blutstrom durch die Muskelbewegungen etwa in der von Ledderliose^ entwickelten Weise statt- finden. Bei diesen Bewegungen wird sich eine seitliche Druckkraft fortwährend auf die Venen geltend machen und proximalwärts leichte Beschleunigung der Strömung, distalwärts aber Rückstauung, nicht Rückfließen, hervorrufen. Es wird also im Strom gewissermaßen ein Wehr etabliert, das sowohl bei kürzerer als bei längerer Einwirkung eine wesentliche Störung der Blutströmung nicht herbeiführen kann, da distal von der verengten Stelle eine Druckerhöhung im Gefäß entsteht, die das eingetretene Hindernis zu überwinden hilft. c) Spezielle Anordnungen. Hierher gehören die Satellitvenen, die Längenveränderungen der Venen bei Körperbewegungen und die selbständigen Kontraktionen der Venenwand. 1. Die Satellitvenen. Diejenigen Venen, welche als Satellitvenen einer Arterie entlang laufen, sind durch die Pulsationen der Arterie einem intermit- tierten Druck ausgesetzt, welche seinerseits, wie Ozanäm'^ nachgewiesen und Hasebroek^ nachdrücklich betont hat, den Blutstrom in ihnen fördert. 2, Die Längenveränderungen der Venen bei den Bewegungen des Körpers. Nach Braune* wird die unter dem Lig. Poupartii und in der Fossa ovalis liegende Schenkelvene blutleer und fällt zusammen, wenn man den Ober- schenkel scharf nach außen rollt und ihn zugleich nach hinten bewegt und da- durch möglichst streckt. Die Vene bleibt auch dann noch leer, wenn man den Schenkel nun zu heben beginnt. Dagegen füllt sie sich wieder mit Blut und wird strotzend, sobald man den Schenkel wieder in seine frühere Lage zurückbringt und ihn dabei noch mehr nach vorn erhebt und möglichst beugt. Um zu ermitteln, in welchem Grade bei der ersteren Bewegung eine saugende Kraft wirksam wird, wurde in die Schenkelvene eines Leichnams mit mög- lichster Schonung der Faszia ein Manometer eingebunden. Es zeigte sich dann bei der Rollung des Schenkels nach außen und der gleichzeitigen Streckung desselben in der Schenkelvene ein negativer Druck von etwa ^o— 1 cm Wasser. Dieser negative Druck verschwand aber wieder und ging in einen positiven über, während man hierauf den Schenkel in die entgegengesetzte Lage zurückführte. 1 Ledderhose, a. a. O., 15, S. 386. - Ozanam, Comptes rend. de l'Acad. des sciences, 93, S. 92; 1881; — vgl. auch Ledder- hose, Mitt. aus den Grenzgebieten d. Med. u. Chir., 15, S. 358; 1905. 3 Hasebroek, Arch. f. d. ges. Physiol., 103, S. 210; 1919. 4 Braune, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss., niath.-phys. KL, 1870, S. 261. Die Strömung des Blutes in den Venen. 305 Diese Lageveränderungen finden in größerem oder kleinerem Umfange bei jedem Schritt statt, den wir machen. Die Knochen, Muskehi, Faszien und Venen nebst ihren Klappen bilden demnach im Schenkel einen Saug- und Druckapparat, dessen Bedeutung für die Rückströmung des Blutes aus der unteren Extremität um so wichtiger erschien, da in die Schenkelvene von allen Seiten her zahlreiche Venen einmünden, welche an ihrer Einmündungssteile eine Venenklappe haben, die den Eintritt des Blutes in die Schenkelvene ungehindert gestatten, dagegen das Zurücktreten desselben aus der Vena femoralis in jene Venen verhindert. Bei Versuchen an V. saphena oder V. cephalica beobachtete Braune^ ferner, daß die Venen bei ihrer Verlängerung eine Volumenvergrößerung und also eine Ansaugung darbieten. In der Spannung einer Vene würde also ein vorübergehend wirkendes Mittel zur Blutbewegung in derselben liegen, und durch wiederholte Spannung und Erschlaffung der Vene könnte das Blut in der Richtung der vorhandenen Klappen vorwärts getrieben werden. In betreff der Frage, welche Stellungen des Rumpfes und der Glieder eine Spannung und welche eine Erschlaffung der Hauptvenen veranlassen, kam Braune zu folgenden Ergebnissen. Für das Venensystem der oberen Extre- mitäten erhält man eine allgemeine Spannung, wenn mit geballter und im Hand- gelenk gebeugter Faust die Arme horizontal ausgestreckt und in dieser Haltung in einer Drehungsebene nach hinten bewegt '^werden; und eine allgemeine Er- schlaffung, wenn mit gestreckten Fingern und^dorsalflektierter Hand die im Ell- bogengelenk gebeugten Arme an den Thorax angelegt werden. Die Venen der unteren Extremitäten werden im allgemeinen gespannt, wenn die Oberschenkel möglichst weit gespreizt werden, womit eine Auswärtsrollung im Hüftgelenk, eine Streckung des Knies und des Fußes verbunden ist. Beugung, Adduktion und Einwärtsrollung des Oberschenkels, Beugung des Knies und Beugung (Dorsal- flexion) des Fußes bewirken eine allgemeine Erschlaffung der Hauptstämme. Hieraus würde also folgen, daß die Stellung des Körpers bei möglichst er- schlafftem Venensystem an die Haltung des Embryo erinnert, und daß die Stellung, bei der das Venensystem im allgemeinen möglichst stark gespannt wird, der Haltung entspricht, welche man unwillkürlich einnimmt, wenn man nach längerer Arbeit am Schreibtische sich aufrichtet und ausdehnt. Es ist also anzunehmen, daß derartige Streckungen und Dehnungen des Rumpfes und der Extremitäten beschleunigend auf die durch hockendes Sitzen gestörte Venenzirkulation wirken, und zwar neben der Wirkung der Muskeln und Faszien durch die allgemeine Spannung der großen Venenstämme. Die Resultate von Braune in bezug auf die Ansaugung durch die Venen sind wesentlich auf Versuchen an Gummiröhren gestützt. Ihnen gegenüber hat Rancken^ bemerkt, daß die Venen sich wesentlich anders verhalten. Frische, aus unmittelbar vorher amputierten Körperteilen freipräparierte Venen haben eine entschiedene Neigung, zusammenzufallen, ganz wie man sie in situ band- förmig zusammengedrückt findet, wenn sie blutleer sind. In warmer physio- 1 Braune, Beiträge zur Anat. u. Physiol., Festgabe für C. Ludwig, S. 3 — 5; 1874; — vgl. auch ganz besonders Braune, Das Venensystem des menschlichen Körpers, erläuternder Text, 1, S. 1— 13; 1884. 2 Rancken, a. a. 0., 24, S. 154. Tigersted t, Kreislauf. UI 2. Aufl. 20 306 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. logischer Kochsalzlösung eingesenkt, können sie sicji, obgleich mit einer gewissen Schwierigkeit, eröffnen. Hebt man sie aber an dem einen Ende aus der Flüssig- keit, so legen sich ihre Wände zusammen und bleiben, trotz aller Dehnungs- versuche, zusammengefaltet. Übrigens würde die Volumenzunahme der Venen, wenn diese mit Gummi- schläuchen entsprechender Dicke verglichen werden, höchstens nur etwa 1% betragen. Durch direkte Versuche wies Rancken noch nach, daß die Saugwirkungen am Ellbogen- und Schultergelenk zu schwach sind, um der Schwere entgegen zu wirken. Drückt man nämlich das distale Ende eines unverästelten Venen- stammes am Unterarm zusammen, so bleibt er mit Blut gefüllt, auch wenn man Beugung und Streckung im Ellbogengelenk ausführt, vorausgesetzt, daß der Arm nach unten gerichtet ist. Und die Vene bleibt auch dann gefüllt, wenn der Arm nach hinten bis zu der Stellung gebracht wird, in welcher die Venen am Schultergelenk am stärksten gedehnt sind und also die kräftigste Ansaugung ausüben sollten. Führt man dagegen den Arm nach vorne bis zu der Stellung, in welcher die Venen am Schultergelenk am meisten erschlafft sind, und den Unterarm in einen für die Blutströmung am Gelenk ungünstigen rechten Winkel beugt, so ent- leeren sich dessen ungeachtet die Venen des Unterarmes vollständig, wenn der Arm soviel gehoben wird, daß der Oberarm etwas nach oben gerichtet ist. Die Schwere wirkt also hier entschieden stärker als die eventuelle Ansaugung durch die Längenveränderungen der Venen. Kurz, diese ist bei gesenktem Arm zu schwach, um sich gegen die Schwerkraft geltend zu machen, und bei gehobenem Arm fördert die Schwere in so hohem Grade die Strömung des Blutes in der Richtung nach dem Herzen, daß ihr Einfluß als verschwindend gering bezeichnet werden muß. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dasselbe auch von der von Braune vertretenen Ansaugung durch die Bewegungen im Hüftgelenke gilt, obgleich eine eingehende Nachprüfung an der Schenkelvene noch nicht vorliegt. Dagegen hat Rancken^ durch entsprechende Versuche an den Hautvenen der unteren Extremitäten die geringe Bedeutung derselben nachgewiesen. Bei der extremen Streckstellung mit nach hinten gestrecktem, nach außen rotierten! und abduziertem Bein entleert sich die V. saphena bis zur Unmerk- lichkeit. Ist dies von einer durch die neue Lage bewirkten Ansaugung bedingt, so sollte sich die Vene bald von der Peripherie her wieder füllen und wieder an- schwellen; indessen bleibt die V. saphena unsichtbar, wie lange man auch diese Stellung annehmen mag. Die Ansaugung am Ligamentum Poupartii kann also nicht die Ursache der Entleerung der betreffenden Vene darstellen, und selber ruft letztere keine An- saugung hervor, obgleich sie bei der betreffenden Körperstellung in der Längs- richtung so stark gedehnt ist, wie dies im Leben überhaupt vorkommt. Gleich- zeitig wird aber auch die Haut stark gespannt und übt auf das unterliegende Gewebe einen Druck aus, welcher seinerseits die Vene vor Erweiterung hindert, und diese bleibt daher verengt. 1 Rancken, a. a. O., 24, S. 162. Die Strömung des Blutes in den Venen. 307 Unmöglich ist es auch nicht, daß die Passage durch die Schenkelvene, welche in der betreffenden Körperstellung ganz offen bleibt, so viel leichter ist, daß eine größere, vielleicht die ganze Blutnienge durch sie strömt, insofern geeignete Anastomosen dies gestatten. Schließlich bemerkt Rüncken, daß Braune die Bedeutung der Ansaugung beim Gehen unzweifelhaft überschätzt hat, denn irgendwelche größere Variationen in der Spannung des Ligamentum Poupartii kommen dabei nicht vor und auch die Längenveränderungen der Venen sind nur ganz minimal. Daß indessen der Blutstrom in den Hautvenen der unteren Extremität vom Gehen günstig beeinflußt wird, geht daraus hervor, daß sich Varices am Unter- schenkel dabei mehr oder weniger vollständig entleeren, auch wenn die V. sa- phena oben komprimiert ist. Dies würde nach Ledderhose^ die Folge einer starken Ansaugung bei der Bewegung im Hüftgelenk sein. Dagegen deutet Rancken^ diese Erscheinung in der Weise, daß die betreffenden Bewegungen die vom Blute bei dessen Übergang nach den tieferen Venen zu überwindenden Schwierigkeiten vermindern. Der günstige Einfluß des Gehens würde also auf die Muskelkon- traktionen zurückzuführen sein: bei ihrer Zusammenziehung drücken die Muskeln gewisse Venen zusammen und entleeren sie in hohem Grade; wenn nun die Muskeln erschlaffen, strömt das Blut von den Hautvenen in diese tiefen Venen leichter als sonst hinein. Nach diesen Ausführungen würden also die von Braune dargestellten An- ordnungen von sehr geringer bzw. gar keiner Bedeutung für die Bewegung des Blutes in den Venen sein. d) Selbständige Kontraktionen der Venenwand. Die Muskeln der Venenwand haben die wichtige physiologische Aufgabe, das Volumen der Venen der Blutmenge des Körpers anzupassen. Wird ihr Tonus aufgehoben, so werden die Venen in einem so hohen Grade erweitert, daß fast die gesamte Blutmenge in ihnen stauen bleibt und der Kreislauf sogar auf- hören kann.^ Bei den Fledermäusen beobachtete Wliarton Jones^ in den Venen der Flug- haut rhythmische Kontraktionen, welche von Luchsingef^, Scliiff^, Kar- funkeP und Hess^ näher studiert worden sind. Der Rhythmus dieser Pulsationen ist viel langsamer als der des Herzens und ihre Anzahl beträgt bei gewöhnlicher Zimmertemperatur bei Vespertilio murinus etwa 8—10 in der Minute {Luchsinger). Bei dem Pleonotus auritus be- obachtete Hess eine Frequenz von 16 in der Minute. Das Intervall zwischen ihnen variiert ziemlich stark, z. B. (in Sekunden) 10—10—12—11—9—9—9— 8-8-9-9- 14-11- 10-8-12-8-8-7 {Luchsinger). 1 Ledderhose, a. a. O., 15, S. 403. - Rancken, a. a. O., 24, S. 164. •' Über die Abhängigkeit des Venentonus von dem Nervensystem und dem Cü^-üelialt des Blutes, vgl. Kap. XLIII. * Wliarton Jones, Philosophical transactions, 1852, 1, S. 131 f. 5 Lüchsinger. Arch. f. d. ges. Physiol., 26, S. 451; 1881. 6 SchiiU ib., 26, S. 456. ' Karfunkel, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1905; S. 538. 8 Hess, Arch. f. d. ges. Physiol., 173, S. 247; 1919. 20* 308 Die Slrönuing des Blutes im großen Kreislauf. Durch Wärme wird ihre Frequenz gesteigert, durch Kälte herabgesetzt, und bei der winterschlafenden Fledermaus können die Pausen 100 Sekunden und mehr betragen. Durch Reizung ihrer Nerven werden die Venen zu frequenteren Pulsationen angeregt. Auch wenn die Venen vom zentralen Nervensystem vollständig abgetrennt sind, z. B. nach Durchschneidung der zugehörigen Nerven, dauern ihre Pulsa- tionen fort. Dabei sind diese anfangs weniger häufig, nehmen aber allmählich an Frequenz zu, erreichen aber nie die frühere Frequenz (Karfunkel). Die rhythmischen Kontraktionen der Venen finden also zum Teil unab- hängig vom zentralen Nerven- system statt. Da im Nerven- plexus der Venen möglicherweise (Karfunkel) Nervenzellen vor- kommen, läßt es sich vorläufig nicht entscheiden, ob die Pul- sationen neurogen oder myogen sind. Ferner sind die Venenpul- sationen von dem in den Venen stattfindenden inneren Druck in hohem Grade abhängig. Ist dieser genügend groß, so treten sie auf; ist er dagegen klein, so ver- schwinden sie vollständig. Hieraus scheint zu folgen, daß diese Venen gerade dann, wenn ihre Pulsationen von größtem Nutzen sind und das Blut sonst in ihnen stauen bleiben könnte, durch eigene rhythmische Tätigkeit der drohenden Störung des Kreis- laufes entgegenwirken. Hess^ hat die Bewegungen der Fledermausvenen kinematographisch auf- genommen und dabei die in Fig. 470 wiedergegebenen Resultate erhalten. Die Erweiterung der Vene erfolgt in zwei Absätzen, die Kontraktion findet dagegen in einem einzigen Zug statt. Jene beansprucht eine Zeit von 2,5 Sek., diese eine von nur 1,12 Sek. Die Zusammenziehung der Äste beginnt entweder etwas vor oder etwas nach der des Stammes; dieser bleibt aber länger kontrahiert und die peripheren Gefäßabschnitte haben also ihren Kontraktionsakt vor der Systole des zentral anschließenden Gefäßabschnittes beendet. Daher kann die Bewegung der betreffenden Venen wesentlich zur Vorwärtsbewegung des Blutes beitragen, was um so bedeutungsvoller erscheint, da die Verengerung am Stammgefäß einen Inhalts- verlust von 58— 73%, an den Ästen einen von 65 bzw. 767o beträgt und unter Um- ständen sogar bis zum fast vollständigen Verschwinden des Lumens ansteigen kann. ^SeJt Fig. 470. Diagramm einer Revolution pulsierender Fledermausvenen. Nach Ness. St, der Venenstamm; + A und -A', zwei Äste, die im Stamm (St) zusammen- laufen. Die Punkte und Kreuzchen beziehen sich auf die einzelnen Beobachtungen. Erweiterung nach oben, Verengerung nach unten. Von links nach rechts zu lesen. 1 Hess, Arch. f. d. ges. Physiol., 173, S. 249; 1919. Die Strömung des Blutes in den Venen. 309 Außerdem kommt hierbei nocli in Betracht, daß der Bkitstrom in den Fki»- hautvenen schon bei einem momentanen Dructc von weniger als 1 cm Wasser aufhört, und daß ein Druck von 2—3 mm Hg genügt, um den Strom in denjenigen Kapillaren, wo die Geschwindigkeit am geringsten ist, zu verlangsamen (L. Hill^). § 144. Die Venen als Schutz gegen Überfüllung des Herzens. Es kann ab und zu vorkommen, daß zum rechten Herzen eine Blutmenge strömt, welche dieses nicht zu bewältigen vermag. Dies ist z. B. bei einer starken Gefäßkontraktion in einem umfangreichen Gefäßgebiete möglich. Hierbei wird eine große Blutmenge aus den Arterien in die Venen und von diesen nach dem rechten Herzen getrieben, und gleichzeitig wird wegen des starken Widerstandes in den kontrahierten Arterien die Entleerung der linken Herzkammer erschwert, was seinerseits wieder auf die Entleerung der rechten Kammer einwirkt. Wie oft und in einem wie hohen Grade dies eintreffen mag, darüber können wir vorläufig nichts Bestimmtes sagen. Jedenfalls findet sich ein Organ im Körper, welches in dieser Beziehung den Kreislauf reguliert. Dieses Organ ist die Leber; ihre Bedeutung in dieser Hinsicht ist von Stolnikow in der folgenden Weise nach- gewiesen worden. 2 Er vereinigte die Pfortader mit der unteren Hohlvene in der Weise, daß die ganze, in jener strömende Blutmenge unter Umgehung der Leber in die untere Hohlvene hineinströmte {Ecks Fistel). Dann band er die A. und V. hepatica und exstirpierte die ganze Leber, Nach beendigter Operation war die Pulsfrequenz 110, und der Blutdruck betrug 160—170 mm Hg. IV2 Stunde später war die Pulsfrequenz auf 70 herab- gesunken. 6 Stunden nach der Operation starb das Tier. Bei der Sektion fand sich in der Bauchhöhle kein Blut — also war keines der gebundenen Gefäße zerrissen. Das Herz war im höchsten Grade dilatiert — ein klassisches Corbovinum. Ein so großes Herz hat der Autor sonst bei Hunden nie angetroffen. Die großen Venen waren strotzend gefüllt. In der Harnblase fand sich kein Tropfen Harn. Die Leber nimmt also wie ein Schwamm eine beträchtliche Blutmenge auf und schützt das Herz vor einer zu starken Blutzufuhr. Ohne die Leber würde die rechte Herzkammer, wie im eben beschriebenen Versuche, leicht über- anstrengt werden und ihre Leistungsfähigkeit bald einbüßen. — Daß die Leber auch bei einer durch Transfusion bewirkten artifiziellen Blutüberfüllung in gleicher Weise zur Entlastung des Herzens beiträgt, ist schon oben bemerkt worden (vgl. III, S. 103). § 145. Der Venenpuls.^ Im Jahre 1828 wurde der normale Venenpuls beim Pferde von Wedemeyer* dadurch nachgewiesen, daß ein mit dem zentralen Ende der Vena jugularis ver- 1 L. Hilt, Journ. of pliysiol., 54, proc, S. 144; 1921. 2 Stolnikow, Arch. f. d. ges. Physioi., 28, S. 267; — vgl. auch Thompson, Journ. of physiol., 25, S. 14; 1899. ^ Eine geschichtliche Darstellung unserer Kenntnisse über den Venenpuls, sowohl den normalen, wie den pathologischen, findet sich bei Banm, Verhandl. d. physik.-med. Ges. zu Würzburg, N. F., 38, S. Q\; 1906. '' Wedemeyer, Unters, über den Kreislauf des Blutes. Hannover 1828. 310 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. bundenes Wassermanometer bei jeder Herzkontraktion einen Ausschlag gab. Daß hier keine Wirkung der Atembewegungen vorlag, folgt daraus, daß die von Wedemeyer beobachteten Oszillationen die halbe Frequenz wie diese zeigten. Es war allerdings Weyrich^ nicht möglich, in der V. jugularis einen Puls zu beobachten, seinerseits fand er aber, daß das Blut in der Vena cava superior bei jedem Herzschlag eine pulsatorische Bewegung erfuhr. Unter Anwendung des Quecksilbermanometers registrierte er bei Kälbern die betreffenden Ausschläge; die Kurven zeigen für jeden Herzschlag eine kleine Erhebung ohne irgendwelche Einzelheiten. Das Vorkommen eines normalen Venenpulses war indessen dadurch noch lange nicht allgemein anerkannt, und erst durch die Arbeiten von Potain^, Gottwalt^, Riegel'^ und Frangois-Franck^ stellte es sich definitiv heraus, daß auch bei funktionstüchtigen Trikuspidal- und Venenklappen*^' ein mit der Herztätigkeit isochrone, pulsatorische Bewegung in den Venen eine normale Erscheinung dar- stellt, die mehr oder weniger weit nach der Peripherie verfolgt werden kann. Nach Gottwalf ist beim Hunde der Puls in der Vena cava inf. meist bis in die Nierengegend, nie darüber hinaus, zu sehen; in der V. jugularis ext. war er ohne Ausnahme recht kräftig und reichte meist bis zum Kopfe hinauf; in der V. jugularis int. kam er höchstens bis zur Mitte des Halses zum Vorschein; in der V. axillaris war er schon äußerst schwach und in der V. brachialis konnte der Venenpuls nur ein einziges Mal nachgewiesen werden. Desgleichen fand Riegel^ beim Hunde und Kaninchen, daß in den Jugular- venen und in anderen Abschnitten des venösen Systems, wie auch in den Lungen- venen, pulsatorische Bewegungen fast stets vorkamen, daß diese in der V. jugularis auch nach Bindung der Carotis zurückblieben, sowie daß sie in der V. cava inferior bis zu den Nierenvenen beobachtet werden konnten und daselbst nach der Er- öffnung des Bauches nicht verschwanden. Die Ursache des Venenpulses liegt natürlich in dem durch die Herzbewegungen bald beschleunigten, bald verlangsamten Abfluß des Blutes in den entsprechenden Venen. Die dabei in der Vene auftretende Drucksteigerung kann dann den Ausdruck eines wirklichen Rückflusses aus dem Herzen oder nur einer Rückstauung wegen verhinderter Strömung darstellen. Wenn die Auffassung Keiths, daß die Vorhöfe bei ihrer Systole von den zentralen Venen vollständig abgeschlossen sind (vgl. I, S. 33), richtig ist, könnte nur dann, wenn das Herz überfüllt ist, eine Rückströmung in die Venen vorkommen, sonst würde nur von einer Rückstauung die Rede sein können, vorausgesetzt, daß nicht die Systole des „Venensinus" an und für sich zum Hervorrufen einer Rückströmung genügt. 1 Weyricli, Inaug.-Diss. Dorpat 1853, S. 17, 21. 2 Potain, Mem. de la Soc. med. des hopit. de Paris, 1868; zit. => Gottwalt, Arch. f. d. ges. Physiol., 25, S. 1; 1881. 4 Riege!, Deutsches Arch. f. klin. Med., 31, S. 1; 1882. ■' Frangois-Franck, Gaz. hebd. de med. et chir., 1882, S. 221, 255. 6 Vgl. Friedreich, Deutsches Arch. f. klin. Med., 1, S. 242; 1865; nach diesem Autor ist zum Erscheinen eines positiven Pulses in der Vena jugularis eine Insuffizienz der Halsvcncn- klappen, nicht aber der Trikuspidalisklappe, erforderlich. 7 Gottwalt, Arch. f. d. ges. Physiol., 25, S. 5; 1881. « Rieoel, Deutsches Arch. f. klin. Med., 31, S. 1; 1882. Die Strömung des Blutes in deu Veuen. 31 V 7 ) j i i e } — / t - / / — ' 7 i 5 e In solchen Venenabschnitten, welche jenseits der am Herzen nächsten Klappen liegen, dürften, solange die Klappen unversehrt sind, nur eine Rückstauung vorkommen, wie dies von Frangois-Franck^ unter Anwendung des hydrometrischen Pendels am Hunde und Pferde direkt nachgewiesen wurde. ^ Dagegen findet unterhalb der Klappen, wie bei zerstörten Klappen jenseits derselben, nach Frangois-Francks^ Beobachtungen ein wirklicher Rückfluß, der indessen, wie es scheint, nur ziemlich unbedeutend ist, statt.^ Unter Anwendung der Stromuhr hat Burton-Opitz^ diese Erscheinung an der Vena jugularis ext. des Hundes näher verfolgt und dabei gefunden, daß der Strom nach Ende der Vorhofsystole an Stärke zunimmt (2—3), im Anfang der Kammer- systole bis zur Eröffnung der Semilunarklappen still steht (3—4), dann bis etwa der Mitte der Kammersystole schneller fließt (4—5), um bis zu dem Schluß der Semilunar- und der Eröffnung der Atrioventrikularklappen voll- ständig aufzuhören (5—6) und schließlich während der Er- schlaffung der Kammern (6—7) eine neue Beschleunigung vorzu- zeigen. Während des letzten Ab- schnittes der Pause ist der Strom nur schwach und hört während der Vorhofsystole (1—2) ganz auf (vgl. Fig. 471, wo diese Variationen des Venenstromes mit den Druck- veränderungen in dem rechten Vor- hof und der rechten Kammer sche- matisch zusammengestellt sind). Burton-Opitz teilt die Herz- periode in zwei etwa gleich lange Abschnitte, den einen zwischen dem Beginn der Vorhofsystole und der tiefsten Drucksenkung im Vorhofe (1—5), den zweiten von dieser bis zur folgenden Vorhofsystole (5—1); während des ersten Abschnittes von durch- schnittlich 0,45 Sek. Dauer strömt durch die V. jugularis ext. des Hundes, pro Sekunde berechnet, 1,89 ccm, während des zweiten, von 0,48 Sek. Dauer, nur 0,17 ccm in der Sekunde. Beim Hunde bestimmte Morrow'^ die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Venen- pulses und fand sie in der V. jugularis gleich 1,0—2,7, durchschnittlich etwa 2 m in der Sekunde; durch die untere Hohlvene pflanzte sich der venöse Puls um 0,7 bis 1,2m Inder Sekunde fort. Zwischen Druck und Fortpflanzungsgeschwindig- keit konnte beim Venenpuls keine direkte Proportionalität nachgewiesen werden. Fig. 471. Schema des Blutstromes in der V. jugularis ext. Nach Burton-Opitz. Die oberste Kurve gibt die Geschwindigkeitsveränderungen in der Vene, die mittlere die Druckschwankungen im Vorhof und die untere die in der Kammer an. 1—2, Vorhofsystole; 2—3, Erschlaffung des Vorhofes; 2—6, Kontraktion der Kammer; 6—7, Erschlaffung der Kammer; 7—1, Pause. 1 Frangois-Franck, Gaz. liebd., 1882, S. 224; — Arch. de phy^io 2 Vgl. auch Gerhardt, Arch. f. cxp. Pathol., 34, S. 415; 1894; — Pathol., 6, S. 635; 1909. 3 Frangois-Franck, Gaz. hcbd., 1882, S. 223; — Arch. de ■* Vgl. Edens, Deutsches Arch. f. klin. Med., 100, S. 223; 5 Burton-Opitz, Amer. journ. of physiol.. 7, 8.449; 1002. ß Morrow, Arcli. f. d. ges. Physiol., 79, S. 442; 1000. , 1890, S. 347. Rihl, Zeitschr. f. cxp. physiol., 1890, S. 352. 1910. 312 [Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. Zur graphischen Registrierung des Venenpulses hat man im allgemeinen die Methode durch Luftübertragung, in letzterer Zeit auch die direkte Photo- graphierung eines auf die Vene angebrachten Spiegelchens benutzt.^ Daß diese Kurve nicht, wie die von Marey^ veröffentlichte, aus einer einzigen, der Vorhofsystole entsprechenden Erhebung besteht, wurde zum erstenmal von Gottwalt^ hervorgehoben, indem er nach- wies, daß nach der ersten, von der Vorhof- systole verursachten Welle noch andere kleinere Wellen folgten, obgleich es ihm noch nicht gelang, eine typische Kurve des Venenpulses zu erzielen, wie er auch ausdrücklich bemerkt, daß er dem von ihm entworfenen Schema genau ent- sprechende Kurven nie bekommen habe. Etwa gleichzeitig veröffentlichte Frangois-Franck^ eine Arbeit über die Be- wegungen der Halsvenen, wo er im An- schluß an seine Beobachtungen am Menschen und seine Versuche an Tieren das in Fig. 472 reproduzierte Schema des normalen Jugularispulses aufstellt. Aus demselben geht hervor, daß nach seinen Ermittelungen der venöse Puls aus drei Erhebungen besteht, von welchen die erste (1) der Vorhofsystole entspricht und bei der Vorhofdiastole herabsinkt; die zweite, kleinere Erhebung (2) wird auf die Erschütterung bei der Spannung der atrio- ventrikulären Klappen bezogen, und die danach erscheinende Senkung als d e f Fig. 472. Schema des normalen Jugularis- pulses. Nach Frangois-Franck. Die obere Kurve stellt den Venenpuls, die untere den Kammerdruck dar. Fig. 473. Jugularispuls (P. V.) und Herzstoß (P. C.) beim Hunde. Nach Frangois-Franck. a, die Senkung nach der Vorhofsystole. Brustkasten eröffnet. Folge der beim geschlossenen Brustkasten während der Kammersystole auf- tretenden Ansaugung erklärt; die dritte Erhebung (3) sei durch den Schluß der Semilunarklappen und das Hinaufrücken der Kammerbasis verursacht; sie macht bald einer neuen Senkung Platz, indem das Blut jetzt in die erschlaffte Kammer hineinströmt. Im weiteren Verlauf der Diastole wird das Herz immer 1 Vgl. O.Frank, Handb. d. physiol. Methodik, 2 (2), S. 243; 1911; — Ohm, Münchener med. Wochenschr., 1910, S. 1836. - Marey, La circulation du sang. Paris 1881, S. 420. 3 Goüwalt, a. a. O., 25, S. 25. ' Frangois-Franck, Gaz. hebd., 1882, 8.221, 255. Die Strömung des Blutes in den Venen. 313 mehr gefüllt und infolgedessen der Widerstand gegen den venösen Blutstroni all- mählich erhöht, was die letzte Drucksteigerung vor der Vorhof Systole (4) hervorruft. ^ Fig. 474. Jugularispuls und Herzstoß beim Hunde. Nach Fredericq. a, b, Vorhofkontraktion ; b, c, d, e, /, Kammerkontraktion. Fast alle folgenden Autoren finden in Übereinstimmung mit dieser Dar- stellung, daß die Kurve des Venenpulses vor allem durch drei, von entsprechenden, mehr oder weniger tiefen Senkungen ge- trennte Erhebungen nebst dem lang- samen Anstieg am Ende der Vorhof- pause charakterisiert ist. Um bei der folgenden Darstellung nichts zu präjudizieren, werde ich diese drei Erhebungen einfach mit den Buchstaben d, e, f bezeichnen; die zwischen d und e, sowie zwischen e und / vorkommenden Senkungen nenne ich g und h. In den Figg. 473—479 sind einige von Frangois-Franck'^, Fredericq^, Bard^ Mackenzie^, Ohnf, Kapff und VeieP wie Wiggers^ veröffentlichten Kurven des Jugularispulses wiedergegeben. Ich habe in den Bildern die von mir be- nutzten indifferente Bezeichnungsweise eingetragen. Daß die Zacke d der Vorhof- systole entspricht, darüber sind alle Autoren einig. Der entscheidende Beweis dafür liegt teils darin, daß sie vor der Kammerkontraktion erscheint, teils darin, daß vom ganzen Komplex der Fig. 475. Jugularispuls (7), Carotispuls(C) und Herzstoß (K) beim Menschen. Nach Bard. 1 Vgl. die Kritik Fredericqs, Travaux du laborat., 3, S. 95. 2 Frangois-Franck, Gaz. hebd. de med., 1882, S. 225, Fig. 4. 3 Fredericq, Trav. du laborat., 3, S. 104, Fig. 16; 1890. 4 Bard, Journ. de physio!., 1906, S. 467, Fig. 1. ■' Mackenzie, Amer. journ. of med. sciences, N. S. 134, S. 12; 1907. « Ohm, Zeitschr. f. exp. Pathol., 11, S. 537, Fig. 2; 1912. ^ Kapff und Veiel, Deutsches Arch. f. kiin. Med., 113, S. 511, Fig. 1 ; 1914. 8 Wiggers, Journ. (if the Amcr. med. assoc, 64, S. 1488, Fig. 2; 1915. 314 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. d e j Fig. 476. jugularispuls, Herzstoß, Carotis- und Radialispuls beim Menschen. Nach Mackenzie. WN8(ayyyV«WM«i(V*w»*ww«m^ d e f Fig. 477. Herztöne, Radialispuls und Jugularispuls. Nach Ohm. d e j Fig. 478. Herztöne, Carotis- und Venenpuls. Nach Kapff und Veiel. Die Strömung des Blutes in den Venen. 315 Venenpulskurve nur sie zurückbleibt, wenn die Kammern aus dem einen oder anderen Grunde stillstehen (Frangois-Franck^, Rilü~). Daraus folgt, daß die übrigen Zacken an der Venenpulskurve der Kammer- tätigkeit ihr Entstehen verdanken. Auch bleiben sie alle bestehen, wenn die Vor- höfe in der Diastole verharren, während die Zacke d aus der Kurve verschwindet (Fredericq^, Rihl^). Frangois-Franck^ hat die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß auch bei still- stehender Kammer der absteigende Ast der rf-Zacke tiefer als das Niveau des Anfanges des aufsteigenden Astes herabsinkt, worauf eine langsamere Erhebung bis zur nächsten Vorhofsystole erscheint. Die Erklärung der betreffenden Senkung, welche auch bei geöffnetem Brustkasten auftritt (Fig. 473, a) und also nicht von einer Ansaugung daselbst herrühren kann, dürfte wohl darin liegen, daß der Strom in der Vene leichter stattfindet, wenn sich der entleerte Vorhof allmählich erweitert. Alle Umstände, welche die Vorhofsystole verstärken, rufen auch eine Zu- nahme der üf-Welle hervor. Dies findet z. B. bei der Verlangsamung der Vorhof- / Fig. 479. Jugularispuls (oben) und Art. Subclaviapuls (unten). Nach Wiggers. tätigkeit, nach Vorhofextrasystolen, die mit einer Verlängerung der Vorhofextra- periode einhergehen, bei Vergrößerung der Vorhoffüllung (Transfusion, Stauung in der rechten Kammer), bei der Akzeleransreizung usw. statt {RihV"). Dementsprechend erscheint die Zacke d immer verkleinert, wo es zu einer Ab- schwächung der Vorhof kontraktionen kommt, wie bei vorzeitigen Vorhofsystolen und bei Überdehnung des Vorhofes durch zu große Füllung des Gefäßsystemes (Rilil^). Am absteigenden Schenkel der rf-Zacke oder auf der Höhe dieser Zacke beobachteten Bard'^ und H. E. Hering^ einen kleinen Knick, dessen Vorhandensein später von Rihl^, Edens^^, van Zwalmvenbwg und Agnew'^^, Ewing^^, Kapff und Veiel^^ wie Wiggers^^ bestätigt wurde (vgl. Fig. 475 /, 479 c). Da dieser Knick also 1 FrauQois-Franck, Gaz. hebd. de med., 1882, S. 225. ^ Rihl, a. a. O., 6, S. 628. 3 Fredericq, Trav. du laborat., 3, S. 106; 1890. " Rihl, a. a. O., 6, S. 629. ^ Rihl, a. a. O., 6, S. 636. « Rihl, a. a. O., 6, S. 641. ' Bard, Journ. de physiol., 1900, S. 470. 8 H. E. Hering, Deutsche med. Wochenschr., 1907, Nr. 46; 149, S. 594; 1913. 9 Rihl, a. a. O., 6, S. 643; 1909. 10 Edens, Deutsches Arch. f. klin. Med., 100, S. 232; 1910. 11 van Zwaluwenburg und Agnew, Heart, 3, S. 343; 1912. 1- Ewing, Amer. journ. cif physiol., 33, S. 162; 1914. i'' Kapff und Veiel, Deutsches Arch. f. klin. Med., 113, S. 507; 1914 '■* ^Viggcrs, Journ. nf thc Amer. med. assoc, 64, S. 1489; 1915. Arch. f. d. ges. Physiol., 316 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. zwischen der Vorhof- und der Kamniersystole eingeschoben ist, hegt es, wie die meisten der erwähnten Autoren mehr oder weniger bestimmt hervorgehoben haben, am nächsten, ihn als ein Analogon der an der intrakardialen Druckkurve von Chauveau nachgewiesenen Intersystole aufzufassen (vgl. oben I, S. 143). Diese Welle ist um so stärker ausgeprägt, je kräftiger die Vorhofsystole und je weniger gefüllt die Kammer ist, d. h. je mehr Blut dabei von dem Vorhof nach der Kammer getrieben wird, was mit der Erscheinungsweise der Intersystole in der Kammerdruckkurve gut übereinstimmt (Ewing). Ihre Unabhängigkeit von den Papillarmuskeln geht aus Ewings Nachweis, daß sie vor dem Beginn der Kammersystole erscheint, ohne weiteres hervor. Betreffend die ^-Zacke stehen zurzeit zwei verschiedene Auffassungen einander gegenüber. Nach der einen, die vor allem von den Klinikern vertreten ist und zum erstenmal von Gerhardt^ und Mackemie^ ausgesprochen wurde, würde diese Zacke den Ausdruck eines von der Carotis her auf die V. jugularis ausgeübten Stoßes darstellen, weshalb sie auch mit dem Buchstaben c (Carotiszacke) be- zeichnet worden ist. Nach der anderen Auffassung rührt, sie dagegen von einer Bewegung der Trikuspidalisklappe her. Als Stütze der ersten Anschauung, der sich u. a. Beccari^, Wenckebacli^, Wig- gers^ und H. Straub^ anschlössen, wird vor allem das zeitliche Zusammenfallen dieser Erhebung mit dem Carotispuls sowie die Abwesenheit derselben im Puls der unteren Hohlvene angeführt. Demgegenüber haben indessen Bard'^, Fredericq^, RiliP, Lian^^ wie Kapjf und Veiel^'^ nachgewiesen, daß die betreffende Welle lange nicht immer gleichzeitig mit dem Carotispuls, sondern vielmehr in der Regel vor ihm erscheint. Dies wird von Ewing^^ durch vergleichende Zeitbestimmungen an der V. cava sup. und der Carotis nur noch bestätigt. Nach Ohm^^ wie Kapff und Veiel^'^ tritt sie im Beginn des I. Herztones auf, es kommen aber, wie Eyster^^ gefunden hat, Fälle vor, wo die e-Zacke gleichzeitig mit dem I. Herzton einsetzt. Die zuerst von Friedreich^^ und Riegel^'' ausgesprochene Möglichkeit, daß die ^-Welle von einer Einwirkung der aufsteigenden Aorta auf die Vena cava sup. 1 Gerhardt, Arch. f. exp. Pathol., 34, S. 417; 1894. 2 Mackenzie, Journ. of pathol. and bacteriol., 2, 1894; — Amer. journ. of med. sciences, N. S., 134, S. 19; 1907. 3 Beccari, Ricerche de biologia, ded. a Albertoni. Bologna 1901, S. 545; — Arch. di fisiol., 2, S. 549; 1905. « Wenckebach, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1906, S. 303. ^ Wiggers, Journ. of the American med. assoc, 64, S. 1485; 1915; — vgl. auch Fribergcr, Deutsches Arch. L klin. Med., 117, S. 68; 1914. 6 H. Straub, Deutsches Arch. f. klin. Med., 130, S. 13; 1919; — vgl. auch A. Weber, ebenda, 133, S. 245; 1920; — H. Straub, ebenda, 133, S. 253. 7 Bard, Journ. de physiol., 1906, S. 472. 8 Fredericq, Arch. intern, de physiol., 5, S. 9; 1907. 9 Rihl, a. a. O., 6, S. 645. 10 Lian, Journ. de physiol., 1912, S. 136. " Kapff und Veiel, Deutsches Arch. f. klin. Med., 113, S. 504; 1914. 12 Ewing, Amer. journ. of physiol., 33, S. 166; 1914. 13 Ohm, Zeitschr. f. exp. Pathol., 9, S. 447; 1911; — 11, S. 533; 1912. " Kapff und Veiel, a. a. O., 113, S. 505. 15 Eyster, Journ. of exp. med., 14, S. 597; 1912. 16 Friedreich, Deutsches Arch. f. klin. Med., 1, S. 289; 1865. 1^ Riegel, ebenda, 31, S. 39, 44. Die Strömung des Blutes in den Venen. 317 herrührte, wird durch die geringe Fortpflanzungsgeschwindigkeit dieser Welle im Vergleich mit der des arteriellen Pulses widerlegt {Fredericq^). Weitere Beweise für die Unabhängigkeit der ^-Welle von irgendwelchen direkten arteriellen Einfluß liegen darin, daß sie auch nach Isolierung der V. jugu- laris von der Carotis (Fredericif, RiliP, Ewing'^) bzw. nach Abklemmung der Aortawurzel und Isolierung der Aorta vom rechten Vorhof (Rilil) oder Abklem- mung der Carotis (Morrow'^) zum Vorschein kommt*', sowie in der Beobachtung Bards'', daß sie bei abortiven Kammerkontraktionen ohne Carotispuls auftritt, und im Nachweis derselben im Leberpuls des Menschen {Rautenberg^} wie im Pulse der Vena cava inf. beim Hunde {Deiche^). Hierher gehört auch die Erfahrung von Mc Queen und Falkoner^^, daß sie, bei einer infolge einer kräftigen Diaphragma- kontraktion stattfindenden reichlicheren Blutzufuhr zum rechten Vorhof, an Größe zunimmt, ohne daß der Carotispuls höher als vorher ansteigt. Schließlich hat Fredericq'^^ dargetan, daß die e-WeWe in der Vena cava sup. genau mit dem Beginn der systolischen Drucksteigerung in der Kammer zusammenfällt. Aus diesem allen dürfte also folgen, daß die e-Welle des Venenpulses, welche auch beim stillstehenden rechten Vorhof erscheint, bei Kammerstillstand aber ausfällt {KnolP-^, Fredericq'^^), wesentlich die Folge eines in der Kammer statt- findenden Vorganges darstellt und aller Wahrscheinlichkeit nach als Ausdruck der bei der Kammersystole erfolgenden Lageveränderung der Trikuspidalklappe aufzufassen ist. Andererseits muß indessen zugegeben werden, daß der Carotispuls auch zur Verstärkung der ^-Welle beitragen, bzw. sich durch eine besondere Erhebung bemerkbar machen kann, wie dies besonders von Bard^'^, Morrow'^^ und Edens^^ hervorgehoben worden ist. Die dritte Welle des normalen Venenpulses, die /-Welle, scheint im allgemeinen gegen das Ende der Kammersystole und im Beginn der Kammerdiastole auf- zutreten. Nach Wenckebach^'^ fällt ihr Anfang mit dem Ende der Kammersystole bzw. dem Anfang des II. Herztones genau zusammen; Ohm^^, mit dem Eyster^''^ 1 Freder icq, a. a. O., 5, S. 5. 2 Frcdcricq, Arch. intern, de physiol., 5, S. 5; 1907. 3 Rihl, Zeitschr. f. exp. Pathol., 6, S. 645; 1909. * Ewing, Amer. journ. of physiol., 33, S. 166; 1914. 5 Morrow, Brit. med. journ., 1906 (2), S. 1809. * Nach Ciishny und Grosh (zit. bei Mackenzie) nimmt die t'-Zacke nach Trennung der Carotis von der Vene stark ab; in der von Mackenzie mitgeteilten Kurve ist sie indessen noch vorhanden. ' Bard, a. a. O., 1906, S. 472. 8 Rautenberg, Zeitschr. f. klin. Med., 65, S. 111; 1908. 9 Delclief, Arch. intern, de physiol., 7, S. 96; 1908; — vgl. Fredericq, Zentralbl. f. Physiol., 22, S. 303; 1908. " Mc Queen und Falkoner, Journ. of physiol., 48, S. 392; 1914. " Fredericq, Arch. intern, de physiol., 5, S. 9; 1907. 12 Knoll, Arch. f. d. ges. Physiol., 72, S. 324; 1898. 13 Fredericq, Arch. int. de physiol., 5, S. 13, 17; 1907. 1* Bard, Journ. de physiol., 1906, S. 474. 15 Morrow, British med. journ., 1906 (2), S. 1807. 1« Edens, Deutsches Arch. f. klin. Med., 103, S. 244; 1911. — Über den Venenpuls vgl. noch Rihl, Zeitschr. f. exp. Pathol., 7, S. 693; 1910; — 8, S. 446; 1910. 17 Wenckebach, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1906, S. 307. ^-f>, 18 Ohm, a. a. O., 9, S. 448; — 11, S. 534. 19 Eyster, Journ. of exp. med., 14, S. 597; 1912. A^'^ 318 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. nahe übereinstimmt, gibt an, daß sie in den meisten Fällen kurz nach dem Anfang des II. Tones mit einer konstanten zeitlichen Verzögerung von etwa V24 Sek. beginnt. Als nächste Ursache dieser Welle wird von den meisten Autoren teils das Hinaufrücken der Kammerbasis am Ende der Systole {Fredericq^, Gerhardt^, RiliP, Wenckebacli^), teils die Durchbiegung der Semilunarklappen {Ohm^) an- gegeben. In bezug auf die letztere führt Rilü aus, daß sie wenigstens nicht die einzige Ursache der /-Welle darstellen kann, da sie auch beim Herzpräparat nach Langendorfj erscheint. Von mehreren Autoren wird indessen angegeben, daß der Anstieg der /-Welle schon während der Systole erfolgt, wie /Cß/?// und Veiel*^ ihren Beginn in den meisten Fällen vor dem Einsetzen des II. Herztones beobachteten und auch Wenckebacli'^ hat, indessen nur bei schlechter Herztätigkeit und Überfüllung der Venen, Kurven des Venenpulses registriert, wo die /-Welle mitten in der Systole begann. In diesen Fällen läßt sich die soeben dargestellte Deutung der /-Welle natür- lich nicht durchführen, sondern die Ursache des Druckanstieges in den Venen muß hier wohl vor allem gerade auf eine Überfüllung des rechten Vorhofes be- zogen werden (Morrow^, Rautenberg^, H. Straub^^). Mackenzie^'^, der dieser Auf- fassung beitritt, stellt sich noch vor, daß auch eine Regurgitation von der rechten Kammer hier vorliegt.^^ Die Erhebung/ kann also unzweifelhaft aus mehreren Komponenten zusammen- gesetzt sein und stellt daher eine sehr komplizierte und unter verschiedenen Um- ständen ziemlich variable Erscheinung dar. Wo sie schon mitten in der Kammer- systole anfängt, kann sie in ihrem weiteren Verlauf Diskontinuitäten darbieten, welche sich auf die Spannung der Pulmonalisklappen bzw. das Hinaufrücken der Kammerbasis beziehen^^ und auch da, wo sie die von Wenckebacli angenommene typische Form hat, können sich die erwähnten beiden Einwirkungen, wie es z. B. in der Fig. 477 nach Ohm abgebildeten Kurve der Fall sein dürfte, gesondert gel- tend machen. 14 Zwischen den jetzt besprochenen Erhebungen finden sich in der typischen Kurve des Venenpulses zwei Senkungen, welche im obigen Schema mit g und li bezeichnet worden sind. Die erste Senkung ist, wie fast selbstverständlich, auf die Diastole des Vorhofes zu beziehen, denn dabei wird ja der Widerstand für 1 Fredericq, Travaux du laborat., 3, S. 103; 1890. - Gerhardt, Arch. f. exp. Patliol., 34, S. 426; 1894. =' Rilü, a. a. O., 6, S. 656; 1909. * Wenckebacli, a. a. O., 1906, S. 307. ^ Olim, a. a. O., 11, S. 533; 1912. « Kapff und Veiel, a. a. 0., 113, S. 508. ' Wenckebacli, a. a. O., 1906, S. 311;— vgl. Fredericq, Arch. intern, de pliysiul., 5, S. 22. 8 Morrow, Brit. med. journ., 1906 (2), 22. Dez. « Rautenberg, Samml. klin. Vortr., N. F., 557—558, S. 113; 1909. 10 H. Straub, a. a. O., 130, S. 15. 11 Mackenzie, Amer. journ. of med. sciences, N. S., 134, S. 21; 1907. ^- Vgl. auch H. E. Herings Beobachtungen am Venenpuls beim künstlich durchströmten Herzen (Arch. f. d. ges. Physiol., 106, S. 1; 1904). 1'^ Vgl. Edens, Deutsches Arch. f. klin. Med., 100, S. 236; — 103, S. 245; — Edens und Wartensleben, ebenda, 104, S. 552; 1911. 1* Ohm, a. a. O., 11, S. 533; — vgl. auch Eiving, a. a. O., 33, S. 174; 1914; — Bard, Journ. de physiol., 1906, S. 475; — Lian, ebenda, 1912, S. 137. Die Strömung des Blutes in den Venen. 319 die Strömung des venösen Blutes herabgesetzt. Auch bleibt sie nach Eröffnen des Brustkastens bestehen. ^ Zur Deutung der Senkung h bemerkte Fredericq^, daß hier eine Ansaugung wegen des Herabgehens der atrio-ventrikularen Scheidewand und des ballistischen Rückstoßes des Herzens beim Heraustreiben des Blutes aus den Kammern vor- liegt, und dieser Auffassung schlössen sich dann mit einer mehr oder weniger übereinstimmenden Ausdrucksweise Bard^, Wenckebacli^, Mackenzie\ Rauten- berf und Ewing'' an. Daß der Brustkasten hierbei keine entscheidende Rolle spielt, folgt schon aus Frangois-Francks^ und Fredericqs Nachweis dieser Senkung nach Eröffnung der Brusthöhle.^ Nichtsdestoweniger muß zur vollständigen Deutung der betreffenden Sen- kung, so wie sie bei geschlossenem Brustkasten sich gestaltet, auch die bei der Kammersystole auftretende Verminde- rung des Inhaltes der Brusthöhle berück- sichtigt werden, obgleich sie nicht die ein- zige Ursache des betreffenden Abfalles darstellt (vgl. Mosso'^^, Frangois-Franck^'^, Rihl^^Olim^% Auch hat RHU gefunden, daß dieselbe bei unversehrtem Brust- kasten größer als beim eröffneten ausfällt. Nach der Erhebung / sinkt die Kurve des Venenpulses wieder herab, was wohl auf die Einwirkung der sich jetzt erweiternden Kanuner zu beziehen ist. Bei der nun erfolgenden allmählichen Füllung des rechten Herzens wird der Widerstand für den Blutstrom allmählich größer und die Kurve erhebt sich lang- sam bis zum Moment, wo bei der folgenden Vorhofsystole die Zacke d steil einsetzt." An der typischen Kurve des Venenpulses entspricht also der Beginn der Zacke d dem Anfang der Vorhofsystole; die Zacke i (Fig. 475) der Intersystole, Fig. 480. Die oberste Linie stellt den Radialis-, die mittlere den Jugularispuls und die unterste Linie die Venentöne dar. Nach de Meyer und Galleinaerts. S. 20; 1 Vgl. Frangois-Franck, Gaz. licbd. de med., 1882, S. 224; — Wenckebach, Arch. f. Anat. Physiol., physiol. Abt., 1906, S. 304; — Edens, Deutsches Arch. f. klin. Med., 100, S. 230; 1910; — Kapjl und Vciel, ebenda, 113, S. 500; 1914- 2 Fredcricq, Trav. du laborat., 3, S. 103; 1890; — Arch. intern, de physiol., 5, 1907; — Zentralbi. f. Physiol., 22, S. 299; 1908. 3 Bard, a. a. O., 1906, S. 474. ^ Wenckebach, a. a. O., 1906, S. 304. 5 Mackenzie, a. a. O., N. S., 134, S. 19. 6 Rautenberg, Zeitschr. f. klin. Med., 65, S. 113; 1908. 7 Ewing, Amer. journ. of physiol., 33, S. 171; 1914. 8 Frangois-Franck, Gaz. hebd., 1882, S. 256; — Arch. de physiol., 1889, S. 85. 9 Vgl. auch Gerhardt, a. a. O., 34, S. 420; — Deutsches Arch. f. klin. Med., 127, S. 176; 1918. 10 Mosso, Die Diagnostik des Pulses. Leipzig 1879, S. 60. " Frangois-Franck, Gaz. hebd. de med., 1882, S. 256; — Arch. de physiol., 1889, S. 86. 12 Rihl, a. a. O., 6, S. 650. 13 Ohm, Zeitschr. f. cxp. Patho!., 11, S. 532; 1912. 1^ Über die Einzelheiten im diastolischen Teil der Vencnpulskurve vgl, Wenckebach, a. a. 0., 1906, S. 316; — Rihl, a. a. O., 6, S. 662; — Eystcr, a. a. O., 12, S. 257; — Edens, a. a. O., 100, S. 237; — 103, S. 250; — /<«/;// und Veiel, a. a. O., 113, S. 508; — Ewing, a. a. O., 33, S. 179. 320 Die Strömung des Blutes im großen Kreislauf. d. h. dem Schluß der Atrioventrikularklappen; die Zacke e endet etwa im Moment der Öffnung der Semilunarklappen, und der Punkt, wo die Zacke / ihr Maximum erreicht und also die Senkung nach derselben anfängt, würde das Öffnen der Atrioventrikularklappen darstellen. ^ de Meyer und Gällemaerts^ haben den Zusammenhang zwischen dem Venen- puls und den von Josue und Godlewski^ nachgewiesenen, bei der Auskultation der Halsvenen auftretenden drei Geräuschen näher untersucht und dabei ge- funden, daß das erste, im allgemeinen ziemlich dumpfe Geräusch im Moment der Vorhofsystole eintrifft und von dieser verursacht wird; daß das zweite zeitlich mit dem Radialispulse zusammenfällt und beim Schluß der atrioventrikulären Klappen erzeugt wird, sowie daß das dritte Geräusch mit dem Schluß der Semi- lunarklappen zusammenhängt (Fig. 480). Wie aus dieser Darstellung hervorgeht, findet sich eine große Übereinstim- mung zwischen den im rechten Vorhofe und in den zentralen Venen beobachteten Vorgängen statt, und viele Autoren sind daher zu der Ansicht gelangt, daß der Venenpuls als eine graphische Darstellung der Druckschwankungen des Vorhofes aufgefaßt werden kann.* In dieser Hinsicht ist indessen zu bemerken, daß sich die Wellenzüge, welche die einzelnen Zacken verursachen, aller Wahrscheinlichkeit nach mit verschiedener Geschwindigkeit fortpflanzen und daß daher die Wiedergabe der Druckschwan- kungen im Vorhofe zeitlich und auch in bezug auf ihre Intensität bei den Vor- gängen in den Venen mehr oder weniger modifiziert, d. h. gefälscht werden {Rauten- berg).^ Auch gibt Wiggers^ an, daß unter Umständen der Druck in der Vena jugularis nach der e-Zacke herabsinkt, während er im Vorhofe ansteigt. Daraus läßt sich indessen, meiner Meinung nach, nicht folgern, daß der Venen- puls überhaupt kein Index für die Vorgänge im rechten Vorhofe abgibt, denn beim Vorhandensein einer offenen Verbindung zwischen ihm und den Venen müssen sich notwendig die Druckschwankungen in jenem im allgemeinen auch bei diesen geltend machen, und wir können daher ohne Übertreibung sagen, daß der venöse Puls und seine Kurve etwa in derselben oder vielleicht noch mehr zutreffenden Weise die Vorgänge im rechten Vorhofe wiedergibt, wie dies beim Arterienpuls in bezug auf die Vorgänge in der linken Kammer der Fall ist. 1 Vgl. Ohm, Zentralbl. f. Herzkrankh., 5, S. 153; 1913; zit. 2 de Meyer und Gallemaerts, Bull, de la Sog. Roy. des sciences med. de Bruxelles, 1914, Maj; auch in Hegers Travaux du laborat., 13, 1. 3 Josue und Godlewski, Bull, de la Soc. med. des hopitaux de Paris, 1913, 14. Februar; zit. nach de Meyer und Gallemaerts. * Vgl. Mackenzie, zit. nach Rautenberg, Zeitschr. f. klin. Med., 65, S. 108. 5 Rautenberg, Zeitschr. f. klin. Med., 65, S. 114; 1908; —Deutsche med. Wochenschr., 1913, S. 1034; — vgl. auch Edens, Deutsches Arch. f. klin. Med., 103, S. 245; 1911. 6 Wiggers, a. a. 0., 64, S. 86.