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SÄIKHYA-PHILOSOPHIE.
EINE DARSTELLUNG DES
INDISCHEN RATIONALISMUS
NACH DEN QUELLEN
VON
RICHARD GARBE.
LEIPZIG VERLAG VON H. HAESSEL
1894.
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GEORG THIBAUT
GEWIDMET
IN DANKBARER ERINNERUNG
AN ALLE DEM VERFASSER IN BENARES ERWIESENEN
FREUNDLICHKEITEN.
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Vorwort.
Für die nachfolgende Darstellung der Sämkhya- Philosophie habe ich das gesammte uns erhaltene Quellen- material verwerthet, soweit es für das Verständniss des Systems und seiner Gescliichte von Bedeutung ist. Trotz- dem haben die Grundsätze, nach denen ich arbeitete, den Umfang des Buches innerhalb massiger Grenzen gehalten.
Ich bin erstens der Meinung gewesen , dass dem Interesse der Sache am meisten mit einer schlichten, ob- jektiven Darlegung der S am khya- Lehren gedient sei, und habe deshalb weder eine Kritik an diesen Lehren geübt noch meine Darstellung durch Vergleiche mit ähn- lichen Ideen in der europäischen Philosophie zu beleben gesucht. Die Gefahr ist kaum zu vermeiden, dass durch solche Ausblicke die Besonderheiten eines indischen Systems verwischt werden. „Indische Dinge", sagt Max Müller in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesell- schaft VI. 22, „haben so viel von Vergleichung zu leiden, „dass es nothwendig ist, ihre charakteristische Eigenthüm- „lichkeit so viel als möglich hervorzuheben. Wir lernen „durchaus nicht die Individualität des indischen Volkes „erkennen, wenn wir seine Sprache, sein Denken und „Forschen nur immer als Analogon oder als Complement „der griechischen und römischen Welt betrachten". Anderer- seits ist der Parallelismus der Grundlehren des Säm- khya-Systems mit denen der europäischen Dualisten so deutlich, dass kein Leser der Hinweise auf die Ueber- einstimmungen bedarf.
Zweitens habe ich nicht durch die vorHegende Arbeit meine im Laufe der letzten fünf Jahre veröffentlichten Uebersetzungen der Sämkhya-Texte überflüssig machen wollen. Wer die Fragen, zu deren Aufwerfung die Lehi-en der Sämkhya- Philosophie in Indien geführt haben, bis in aUe Einzelheiten verfolgen will, sei auf diese Ueber- setzungen verwiesen.
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In der Hoffnung, für meine Arbeit auch Leser ausser- halb des engen Kreises der Indologen zu finden*), habe ich nach Kräften das Beweismaterial und philologische Er- örteningen in Anmerkungen unter den Text verwiesen. In den beiden ersten Kapiteln des einleitenden Abschnitts, die sich der Natur der Sache nach vorzugsweise an Sans- kritisten wenden, waren freilich derartige Auseinander- setzungen auch im Text nicht zu vermeiden.
Im Ausdruck habe ich mich, soweit es mit der an- gestrebten Klarheit der Darstellung vereinbar war, an den Wortlaut der Quellen gehalten. Vollkommen unindisch dagegen ist meine Anordnung des Materials; in dieser Hinsicht konnte mir keines der Originalwerke als Vorbild dienen; denn Uebersichtlichkeit in der Behandlung des Stoffes ist in Indien selten erreicht und von den meisten philosophischen Autoren nicht einmal erstrebt worden.
Möge dieses Buch dazu beitragen, die Gleichgiltigkeit der abendländischen Philosophie gegen ihre indische Schwester zu beseitigen. Diesem Wunsche habe ich nur noch den Ausdruck meines ehrerbietigsten Dankes für die Unterstützungen hinzuzufügen, durch welche die Kgl. Preus- sische Regierung und die Akademie der Wissenschaften zu Berlin mir das Studium der indischen Philosophie unter der Leitung einheimischer Lehrer in Benares ermöglicht haben. Ohne diese Vergünstigung hätte ich mir die Aus- führung meiner Arbeiten über das Sä mkhya- System, die mit dem vorliegenden Werke ihren Abschluss erreichen, nicht zutrauen dürfen. Herrn Professor A. Hillebrandt in Breslau danke ich herzlich für seine freundliche Hilfe bei der Correctur.
^) Für solche Leser sei bemerkt, das in indischen Worten c und ch wie tsch , j wie dsch , 9 und sh wie seh, s scharf wie unser SS , r wie r mit leichter vocalischer Beimischung (als ri) , e und 0 stets lang auszusprechen sind.
Königsberg i/Pr. R. Garbe.
Inhaltsverzeichniss.
Seite
Erster Abschnitt. Einleitung 1
I. Ueber das Alter und die Herkunft der
Sämkhya-Philosophie 3
II. Zur Geschichte und Literatur der Säm- khya-Philosophie 24
m. Ueber den Zusammenhang der Sämkhya-
Lehre mit der griechischen Philosophie 85
IV. Ueberblick über die anderen philoso- phischen Systeme Indiens 106
Zweiter Abschnitt. Der Charakter der Sämkhya-Philo- sophie 129
I. Allgemeines 131
1. Der Name sämMiya 131
2. Die Aufgabe des Systems 133
3. Die Anforderungen 141
4. Die Methode 150
5. Die Terminologie 168
II. Die allgemein-indischen Bestandtheile
des Systems 1"2
1. Der Samsära und die Macht der That . . 172
2. Die Erlösung bei Lebzeiten 180
3. Der Werth der Askese 184
4. Das Mythologische 188
III. Die speciellen Grundanschauungen des
Systems 191
1. Der Atheismus 191
2. Der übrige Inhalt 195
Dritter Abschnitt. Die Lehre von der Materie . .199
I. Kosmologie 201
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Seite
1. Die Realität der Erscheinungswelt .... 201
2. Die Urmaterie 204
3. Die drei Guna's 209
4. Die Evolution und Reabsorption der Welt . 220
5. Der Begriff der Kausalität 228
6. Die Produkte, besonders die feinen und groben Elemente 233
II. Physiologie 242
1. Der Organismus im Allgemeinen .... 242
2. Die Buddhi 244
3. Der Aharnkära 248
4. Das Manas oder der innere Sinn .... 252
5. Das innere Organ als Einheit 253
6. Die Indriya''s oder die äusseren Sinne . . . 257
7. Die dreizehn Organe als Gesammtheit . . 261
8. Der feine oder innere Körper 265
9. Der grobe Körper 272
10. Die Zustände 274
III. Die Materie als einheitlicher Begriff . . 285
Vierter Abschnitt. Die Lehre von der Seele ... 291
I. Die Seele an sich 293
1. Vorbemerkung über die Bezeichnungen der Seele 293
2. Beweise für die Existenz der Seele .... 294
3. Das Wesen der Seele 296
4. Die Vielheit der Seelen 303
II. DieempirischeSeele 305
1. Das Verhältniss der Seele zu den Organen
und zum Leibe 305
2. Das Verhältniss der Seele zum Handeln . . 307
3. Die Aufgabe der Seele 309
4. Das Gebundensein und seine Ursache , die Nichtunterscheidung 316
5. Die Erlösung und ihre Ursache, die Unter- scheidung 823
Inclices 330
Erster Abschnitt.
Einleitung.
Garbe, Sämkhya-Philosophie.
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I. lieber das Alter und die Herkunft der Sämkhya-Philosophie.
Die erste Aufgabe für den Darsteller eines philoso- phischen Systems ist die Erforschung seines historischen Zusammenhanges mit anderen Ideenkreisen und der Stellung, die es in dem grossen Ganzen der Spekulation seines Heimathlandes einnimmt. Diese Aufgabe habe ich zum Theil bereits an einem andern Orte erfüllt. Ich glaube nämlich in der Einleitung zu meiner Uebersetzung der Sämkhya-tattva-kaumudi') durch Zusammen- stellung einer ganzen Reilie von Uebereinstimmungen die Richtigkeit der einheimischen Tradition erwiesen zu haben, nach der das Sämkhya- System alter als Buddha ist und diesem als eine Hauptquelle bei der Begründung seiner Lehre gedient hat. Damit ist ein fester Anhalts- punkt gegeben, der uns zugleich den Namen von Buddhas Vaterstadt, K apilavastu ,Kapila's Wohnsitz', als einen bedeutungsvollen erscheinen lässt; denn wir dürfen uns diese Stadt als zu dem Wirkungskreise Kapila's, des Begründers der S ä m k h y a-Philosophie, gehörig denken.
Wenn nun Oldenberg in dem ersten Excurse zu seinem Werke über Buddha (1. Aufl.) den Nachweis ge- liefert hat, dass das Heimatliland des Buddhismus, die Gegend östlich von dem Zusammenflusse von Gaiigä und Y a m u n ä , zwar schon in der Zeit, als im Nordwesten der Halbinsel die vedische Kultur sich entwickelte, von Ariern
^) Abhandlungen der 1. Classe derKgl. bayerischen Akademie der Wissenschaften, XIX. Bd. III. Abth. S. :.17 ff.
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bewohnt, aber noch im sechsten Jahrhundert vor Chr. weniff brahmanisirt war, so hat dies mit besonderer Be- ziehnng auf den Buddhismus gesagte eine noch grössere Be- deutung für dessen Vorläuferin, die Sämkhya- Philosophie. Wenn auch Kapila in späterer Zeit zu den grossen Weisen des Brahmanenthums gezälilt wird, so ist seine Lehre ursprünglich doch zweifellos eine unbrahmanische, aus der freieren Denkweise seines Heimathlandes hervor- gegangene gewesen. Wir finden dies noch geradezu im Mahäbhärata ausgesprochen, wo XII. 13702 die Veden als eines, die Sämkhya-, Yoga-, Pancarätra- und Pä9upata- Lehren als etwas anderes neben ihnen gelten, und wo XIL 13711 Säiukhya und Yoga als zwei uralte Systeme (sanätane dve)^) neben ,allen Veden' angeführt werden. Ja sogar zu einer Zeit, in der das Sämkhya- System längst vom Brahmanenthum appropriirt und unter die orthodoxen Systeme eingereiht war, um 800 nach Chr., hat ^amkaräcärya, der grosse Vedäntalehrer, an ver- schiedenen Stellen seines Commentars zu den Brahma- sütra's (1.1.5; IL 1. 1, 2) eingehend ausgeführt, dass die Lehre Kapila's schriftwidrig (acabdaj, dem Veda wider- streitend (veda-viruddha) und im Veda unbekannt (a-veda- prasiddha) sei, sowohl wegen der Annahme der Urmaterie und ihrer Entfaltungen als auch wegen der Aufstellung einer Vielheit individueller Seelen. Dieser Erklärung ^amkaräcärya's gegenüber stehen allerdings zahlreiche Berufungen auf die ,Schrift' in den systematischen S ä m khy a- Texten; aber diese Texte sind lange nach der Brahmani- sirung des Systems, ja selbst nach dessen Blüthezeit im Schosse des Bralunanenthums, entstanden ; und da darf es uns nicht Wunder nehmen, dass die Verfasser dieser Texte bemüht gewesen sind das System als ,schriftgemäss' dar- zustellen und zu empfehlen. Keinem, der die Sämkhya-
1) Vgl. auch noch Mbh. XII. 10467, 13639. Ein anderer Be- weis für das hohe Alter, das man schon zur Zeit des Mahäbhä- rata dem Sämkhya -System zuschrieb, liegt in der Legende Mbh. I. 3131 ff.; cf. J. Davies, Sänkhya Kärikä p. 6.
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Texte aufmerksam durchliest, kann entgehen, dass die Be- rafungen auf die Schrift etwas künstliches, nicht zur Sache gehöriges sind, und dass die Versuche, die Sämkhya- Lehren mit dem Vedänta der Upanishad's zu ver- mitteln, misslungen sind.
Aus dem vorbuddhistischen Alter ^) der Sämkhya- Philosophie folgt, dass diese das älteste philosophische
1) Weitere Gründe für dasselbe lassen sich aus dem Brahma- jäla Sutta gewinnen, auf das Herr Hofrath Bühl er mich gütigst aufmerksam gemacht hat. Dieses merkwürdige Werk (herausge- geben von G-rimblot in 'Sept Suttas Pälis, tir^s du Digha-Nikäya, Paris 1876' nebst einer englischen Einleitung und Uebersetzung von Gogerly) enthält eine Aufzählung der zu Buddha 's Zeit vor- handenen und von Buddha bekämpften philosophischen Schulen. Mag nun das geistige Leben Indiens um 500 vor Chr. noch so rege und mannigfaltig gewesen sein, so ist doch nicht daran zu denken, dass die im Brahmajäla Sutta beschriebenen Schulen, deren Zahl sich auf 62 beläuft, wirklich bei Buddha's Auftreten existirt haben ; vielmehr sind hier deutlich mit echt-indischer Syste- matisirungssucht die theoretisch möglichen Lehrmeinungen über bestimmte Gegenstände der Spekulation erschöpft und als de facto vorhanden hingestellt worden. Dabei aber werden einige Ansichten erwähnt, die sich mit den Lehren uns bekannter Schulen auf den ersten Blick identificiren lassen. Zu diesen gehören die Haupt- lehren des Samkhya- Systems. Dieselben werden im Brahma- jäla Sutta als eine Kategorie der zweiten Abtheilung mit folgen- den Worten beschrieben (nach Gogerly's Uebersetzung S. 72): •Priests, some Samanas and Brahmans hold" — es ist dies die stehende Einkleidung einer jeden Lehrmeinung — "the eternity of "existences (sassata-väda), and in four forms aförm t h a t the soul and the world are of eternal duration". In einer Anmer- kung dazu sagt Gogerly: "The Sassata- Wäda therefore held, "that both mind and matter existed from eternity and would "exist to eternity", anscheinend ohne zu erkennen, dass er mit diesen Worten die Quintessenz der Säinkhya- Philosophie zum Ausdruck gebracht hat. Bemerkenswerth ist ausserdem die Thatsache, dass sa^sata-väda ('skt. cäcvata-väda) ein Synonymon von sat-kärya-väda ist, mit Avelchem Worte die Sämkhya's in ihren Schriften gern ihr System charakterisiren.
An der angeführten Stelle werden dann weiter die vier Unter- abtheilungen beschrieben, in welche die Anhänger des Sassata-
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System Indiens überhaupt ist, eine Thatsache, die Weber seit jeher richtig erkannt und betont hat. In frühere Zeit dagegen weisen uns nicht nur die ersten Anfänge
väda zerfallen: „die drei ersten", heisst es, „haben ihre Leiden- „schaften bezwungen und, ausdauernd und beharrlich in der Aus- „übung der Tugend, diejenige Ruhe des Geistes erreicht, durch „welche sie sich die verschiedenartigen Zustände früherer Existenzen „in unendlichen Zeiträumen vergegenwärtigen. Eaher wissen sie, „dass die Seele und die Welt ewig sind."
Mit diesen drei Kategorien scheinen die Anhänger des Yoga gemeint zu sein, die durch Concentration des Denkens zu dem ekstatischen Erschauen der Wahrheit zu gelangen glauben, wo- gegen die vierte Kategorie deutlich die Vertreter der Särnkhya- Philosophie im engeren Sinne umfasst. Ueber diese letzteren wird nämlich S. 77 gesagt:
"Priests, there are some Samanas and Brahmaus who are "reasoners and inquirers. Such a one from a course of reason- "ing and investigation forms his opinion and says: The soul "and the world are eternal, unproductive of new existences, "like a mountain peak (kutattho := skt. kutastha, ein specieller "Sämkhya -Terminus), unshaken, imperishable. Living be- "ings pass away, they transmigrate, they die, they are born "but they continue, as being eternal. Priests, this is the fourth "reason why some Samanas and Brahmans are Sassata-wädä, "and teach that the soul and the world are of eternal duration." Weiterhin wird dann noch S. 83 diesen Philosophen folgende Lehre, die in jedem Sä mkhya- Texte stehen könnte, in den Mund gelegt:
"This Seif which is named the eye, the ear, the nose, the "tongue, the body is impermanent, mutable, is not eternal, but "is subject to continued change (viparinäma-dhamnio)\ "but this Seif which is named Mind or Intellect or conscious- "ness is everduring, immutable, eternal and remains unchan- "geably the same (nicco dhuvo sassato aj)arinäma-dhammo "sassati-samam tatli' eva thassaUy\
Schliesslich könnte noch die zweite (aus acht Unterabtheilungen bestehende) Kategorie der angeblich 44 Schulen, die „über die Zukunft philosophiren", auf die Anhänger des Sämkhya -Systems gedeutet werden ; denn von ihr heisst es S. 95, dass sie unconscious existence after death (nach der Erlösung annehme. Die acht Unterabtheilungen freilich sind rein theoretisch aufgestellt nach den verschiedenen Anschauungen, die über die Natur der Seele möglich
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religiös-philosophischer Spekulation in der vedischen Lite- ratur, sondern auch die vorgeschritteneren Betrachtungen über das All-Eine in den älteren Upanishad's. Diese Upanishad's werden mit dem Namen V e d ä n t a ' Ende oder Endziel des Veda'^) bezeichnet; ihr wesentlicher Inhalt aber, die Lehre vom Brahma n-Atman, ist noch ungeordnet und stellt eine viel ursprünglichere Stufe der Spekulation dar als der schulmässige Vedänta, wie er uns in dem ältesten wirklichen Lehrbuch dieses Systems, in den Brahmasütra's des Bädaräyana, vorliegt. Obschon also das Sämkhya- System älter ist als der systematisch dargestellte Vedänta, so kann doch kaum bezweifelt werden, dass es jünger ist als der un- systematische Vedänta der alten Upanishad's. Vielmehr dürfen wir annehmen, dass die geistige Strömung, die von den enthusiastischen Verkündern der Lehre vom AU-Einen ausging und sich über Nordindien verbreitete, erst in dem wenig brahmanisirten Lande, von dem oben die Rede war, das spekulative Nachdenken ge- weckt, dann aber bald bei dessen nüchterner angelegten Bewohnern die Opposition hervorgerufen hat, die in dem System Kapila' s ihre methodische Gestaltung fand. In wie weit Kapila dabei unter dem Einfluss der brah- manischen Weltanschauung stand und in wie weit sein System die Physiognomie allgemein - indischen Deniens trägt, soll weiter unten in einem besonderen Abschnitte erörtert werden.
sind, wobei sich jedoch die Meinung, dass die Seele immaterial and infinite sei, mit der Lehre des Sämkhya- Systems decken würde.
Bei dem unzweifelhaft hohen Alter des Brahmajäla Sutta und der hervorragenden Stellung, welche das Werk in der Sutta - Literatur einnimmt, sind diese nicht misszuverstehenden Angaben von der grössten Bedeutung; sie würden allein schon genügen, um die Priorität des Sämkhya -Systems vor dem Buddhismus zu beweisen.
1) Das nähere über diesen Namen ist im Eingange von Deus- sen's ,System des Vedänta' nachzusehen.
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Einen von den eben dargelegten Anschauungen völlig abweichenden Gedanken hat Gough, Philosophy of the Upanishads S. 198, geäussert, indem er aus dem Charakter des Sämkhya- Systems folgert, dass dieses gestiftet sei "with the purpose of presenting a firmer front against the Buddhists". Diese Behauptung wird von Gough nicht weiter begriindet, steht aber offenbar im Zusammenhang mit seiner — ich kann nicht anders sagen als — wunder- lichen Vorstellung von der Entstehung unseres Systems überhaupt. Er hält nämlich (S. 212) das Sämkhya ur- sprünglich nur für "a nomenclature for the principles of the philosophy of the Upanishads"; es ist ihm von Hause aus nichts anderes als „eine Aufzählung der successiven Emanationen der Mäyä, eine Reihe genauer Ausdrücke, um die primitive Philosophie der Upanishad's zu be- schreiben " ; die eigentlichen Lehren der Sämkhya- Philo- sophie erklärt er für spätere Ent Wickelungen ').
Noch auf derselben Seite nennt Gough unser System „eine Philosophie, welcher in ihrer ältesten Form nur eine neue klare Darstellung der Emanation der Welt aus der Mäyä zu sein scheine". Diese — merkwürdiger Weise von Max Müller, Upanishads translated. Part IL p. XXXV anerkannte — Theorie wiederholt Gough dann S. 228 mit fast den gleichen Worten und fügt die folgende Bemerkung hinzu : „Die Verschiedenheit der Ausdrucksweise „(the divergence of phraseology) muss später zu einer Ver- „ schiedenheit der Anschauungen geführt haben; und so „fonnulirte die S ä m k h y a - Philosophie sich mit ihrer Be-
^) In ähnlicher Weise hatte schon früher Nehemiah Nila- kantha S'ästri Gore (Rational Refutation, translated by F. E. Hall, Calcutta 1862, p. 82— 85) versucht, die Entstehung der wich- tigsten Begriffe der Sänikhya-Philosophie zu erklären. Dieser gelehrte Inder ist der Ansicht, dass im Laufe der Zeit der wahre Inhalt bestimmter Begriffe, mit denen man sich allgemein be- schäftigt habe, vergessen worden sei, und dass sich durch allerlei Ideen- Veränderungen und Verschiebungen die Gnmdzüge des S ä ra - khya-Systems gebildet haben.
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„seitigung des I^vara (d. h. Gottes), mit ihrer Aufstellung ,,der Realität und Unabhängigkeit der Prakrti (d. h. der „ Urmaterie) , der Realität der Zweiheit und Vielheit der „empirischen Welt und der Vielheit der Purusha's oder „Seelen." Diese letzten Sätze klingen mir wie eine Ironie auf die vorangehenden Behauptungen.
Nach Gough's Ansicht dienten die Worte nicht zur Bezeichnung der Ideen, sondern zuerst waren die Kunst- ausdrücke vorhanden, und aus ihnen gingen die Ideen hervor! Wir sollen glaaben, dass die Hauptbegriffe des Idealismus der älteren Upanishad's plötzlich — man weiss nicht, weshalb und wozu — mit anderen Termini benannt wurden, und dass aus diesen neuen technischen Ausdrücken sich die originellste und unabhängigste Philo- sophie entwickelte, die Indien hervorgebracht hat; eine Lehre, die in allen wesentlichen Stücken die entschiedenste Gegnerin desjenigen Gedankenkreises ist, aus dessen Kunst- ausdrücken sie hervorgegangen! Ich glaube, dass selten das Verhältniss zweier Weltanschauungen zu einander in einer so widersinnigen Weise verkannt worden ist, wie hier. Dieser sonderbare Irrthum ist bei G o u g h durch die Betrachtung der ^vetä9vatara Upanishad und in zweiter Linie auch durch die der Bhagavadgitä her- vorgerufen vrorden. Beide VV^erke suchen bekannter Massen verschiedene Philosopheme mit einander auszusöhnen, vor allen Dingen das Sämkhya mit dem Vedänta. Aber Gough leugnet ihren ausgleichenden, eklektischen Charakter, der mit Bezug auf die^vetä9vatara Upanishad schon vor 40 Jahren von R ö e r in der Einleitung zu seiner Ueber- setzung dieses Werkes so anschaulich dargelegt worden ist ; die^vetä9vataraUpanishad enthält nach Gough ledig- lich dieselben Lehren wie die älteren Upanishad's, d.h. die Lehren von der Einheit der individuellen Seele (Atman) mit der Allseele (B rahm an) und von der illusorischen Natur der empirischen Welt (S. 211). Ebenso ist ihm die Bhagavadgitä, in der sich noch deutlicher die ver- schiedensten geistigen Elemente zu einem Ganzen ver-
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einigen, ein ausschliesslich vedantistisches Werk, dessen Lehren durchaus die nämlichen seien wie die der U p a n i - shad's (S. 226—228). Diese verkehrte Anschauung, die durch jede unbefangene Betrachtung der beiden Werke widerlegt wird, hat Gough dazu verführt, zunächst den Sämkhya-Termini in der ^'vet. Up. und in der Bha- gavadgitä ihren Inhalt zu nehmen und dann den Inhalt als etwas später dazu gewachsenes hinzustellen.
Aus meinen vorher dargelegten Anschauungen über das Heimathland der S am khya- Philosophie und über den ursprünglich unvedischen Charakter dieses Systems geht schon hervor, dass ich in der älteren vedischen Literatur nicht eine Vorgeschichte der Sämkhya- Gedanken habe finden können. Weber sagt Indische Literaturgeschichte- 252, dass „ in den filiheren Upanishad und Brähmana „die Lehren, welche später dem Sämkhyasysteme ange- „ hören, noch in bunter Vermischung mit Lehren entgegen- „ gesetzter Ansicht stehen und mit denselben unter den „ gleichen Namen M i m ä m s ä (]/man, Spekulation), A d e 9 a „(Lehre), U p a n i s h a d (Sitzung) etc. aufgeführt werden"^). Auch sonst hat Weber verschiedentlich auf Vorstufen der Sämkhy a-Lehren in vedischen Schriften hingewiesen. Verhielte sich die Sache wirklich so, wie Weber sie an- sieht, Hessen sich Vorstufen bestimmter Sämkhya- Ideen in vedischen Schriften älteren Datums nachweisen, so wäre meine Theorie von der Entstehung der Sämkhya- Philo- sophie hinfällig oder wenigstens zu modificiren. Ich glaube jedoch im Stande zu sein, eine durchgreifende sachliche Verschiedenheit zwischen den scheinbaren Anklängen an das Sämkhya, die sich in vorbuddhistischen vedischen Werken finden, und den Lehren Kapila's darzulegen.
*) Vgl. auch Ind. Stud. II. 184. — In ähnlicher Weise, wohl unter dem Einfluss von Webe r 's Worten, hat sich auch Barth aus- gesprochen, der Religions of India^ 69 an Stellen wie Chänd. Up. III. 19, Taitt. Up.U. 1, 7 die Keime der Särnkhya-Philosophie findet und S. 70 gar behauptet, dass in den ältesten Upanishad 's "the ideas that have come out in the Sänkhy a are already in general favour".
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Die pliilosopliischen oder philosophisch geförbten Lieder des Rig- 1111 d Atharvaveda enthalten pantheistische und monotheistische Ideen und sind deshalb für die Vor- geschichte des Vedänta von grosser Wichtigkeit. Ge- danken aber mit historischen Beziehungen zum Sämkhya- System habe ich in den beiden Liedersammlungen nicht entdecken können. Li Betracht würden zunächst Vers 3 und 4 des berühmten und vielbesprochenen ^) Liedes RV. X. 129 über den Anfang der Dinge kommen:
3. „Finsterniss war in Finsterniss verhüllt am Anfang; „eine ununterscheidbare Wasserfluth war dieses alles. [Da] „entstand das eine gewaltige, das von der Leere bedeckt „war, durch die Kraft der Wärme.
4. „Dann entsprang [in ihm] zuerst der Wille, der „des Denkens erster Same war. Den Zusammenhang des „ Seienden mit dem Nichtseienden fanden die Weisen, nach- „dem sie im Herzen einsichtig danach geforscht."
Die ,ununterscheidbare Wasserfluth' (apraketam salilam) ist hier also das Princip, aus welchem die Schöpfung her- vorgeht; und das ist ein Gedanke, der sich durch die ganze vedische Literatur hindurchzieht und auch noch in der späteren Mythologie erhalten hat. Das Urwasser bringt entweder selbst die Dinge hervor, oder der Schöpfer lässt sie aus ihm entstehen ^).
Dieses weltschafiFende Urwasser bringt Weber, Lid. Stud. LK. 74 in Zusammenhang mit dem Sämkhya- Princip der Urmaterie, für welches dasselbe 'nur ein plas- tischerer Ausdruck' sei. Ich halte das nicht für richtig. Die Idee des Urwassers ist eine kosmogonische Vorstel-
^) S. Scherman, Philosophische Hymnen aus der Rig- und Atharva-Veda-Sanhitä S. 2.
2) S. RV. VI. 50. 7; X. 30. 10; 82. 6; 121. 7, 8; AV. IV. 2. 6; X. 7. 10; Taitt. S. V. 6. 4. 2; VII. 1. 5. 1; Qat. Br. XI. 1. 6.
1, 2; XIV. 8. 6. 1 = Brh. Up. V. 5. 1; Taitt. Br. I. 1. 3. 5; Taitt. Ar. I. 23. 1; X. 1. 1; 10. 22; Ait. Ar. I. 1. 8. 1; Kath. Up. IV. 6; Nrs. Täp. Up. I. 1. 1 und sonst. Vgl. Weber, Ind. Stud. IX.
2, 74, Ludwig, Rigveda übersetzt V. 435, Scherman S. 6 — 9.
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lung rein mythologischer Natur, wogegen in dem S ä m k hy a - System die Idee der Urmaterie auf dem AVege der philo- sophischen Abstraktion gCAvonnen ist. Dass alte mythisch- religiöse Gedanken später von der Philosophie verwerthet und ausgebildet werden, ist freilich anderweitig zur Genüge beglaubigt. In unserem Falle aber wird ein solcher Zu- sammenhang weder durch eine Uebereinstimmung im Aus- druck noch im Inhalt wahrscheinlich gemacht. Die Ur- materie der S ämk h y a ' s hat keine sachlichen Beziehungen zu dem Wasser; denn im Sämkhya- System geht aus der Urmaterie zuerst die Buddhi hervor, aus der Buddhi der Ahamkära, und aus diesem entspringen neben dem Manas und den äusseren Sinnen die feinen Elemente des Aethers, der Luft, des Wassers, des Feuers und der Erde. Aus diesen feinen Elementen entwickeln sich dann durch gegenseitige Vermischung die fünf grob-materiellen Stoffe. Das Wasser steht also mit den übrigen Elementen auf der gleichen Stufe und am Ende des Schöpfungsprocesses, während die vedische Mythologie es an den Anfang des- selben setzt. Wenn man dagegen einwenden wollte, dass bei Manu I. 11 die Urmaterie der Sämkhya's in un- mittelbarem Zusammenhang mit dem mythologischen Ur- wasser (v. 8, 10) erwähnt ist, so muss ich die Beweiskraft eines solchen Aro^uments bestreiten. Die im Einganff des berühmten Gesetzbuches vorgetragenen Anschauungen sind verworrene Combinationen von mythologischen und philo- sophischen Ideen, deren ganzem Charakter es durchaus entspricht, dass die Lehre der S ä m k h y a - Philosophie von dem primordium rerum mit der landläufigen mythologischen Vorstellung über denselben Gegenstand verknüpft ist. Wer trotzdem in den — immer noch nicht zu völliger Klarheit gebrachten — Versen RV. X. 129. 3, 4 die Vor- geschichte einer Grundanschauung der Sämkhya-Philo- sophie zu finden geneigt ist, sei daran erinnert, das dort ein Gedanke ausgesprochen ist, der den Voraussetzungen des Sämkhya- Systems schnurstracks widerspricht, nämlich der auch sonst in der vedischen Literatur verbreitete Ge-
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danke, dass das Seiende aus dem Nichtseienden hervorge- gangen sei ^). Das Sämkhya lehrt dagegen, dass die Materie ebensowohl wie die Seelen ohne Anfang, von Ewigkeit her real gewesen sei, und hat den Grundsatz ex nihilo nihil fit mit solcher Entschiedenheit betont, wie kein anderes indisches System; denn es ist das einzige, welches die Lehre von der steten Kealität der Produkte (sat-kärya-vüda) — mit anderen Worten: die Lehre von der Anfangslosigkeit und Unzerstörbarkeit des sich be- ständig verändernden Stoffes — proklamirt hat.
Eine zweite Stelle, die aus der Zeit der vedischen Hymnendichtung für die Geschichte der Sämkhya- Philo- sophie herangezogen worden ist und die in der That, äusser- lich betrachtet, Beziehungen zu einem wesentlichen Gedanken unseres Systems zu enthalten scheint, ist AV. X. 8. 43: „Der neun thorige Lotus ist dreifach (trihhir gunehhih) um- „ hüllt; das beseelte Ding, das in ihm ist, das fiirwahr kennen „die Brahma- Kenner ". Ich habe diesen Vers bereits in der Einleitung zu meiner Uebersetzung der Sämkhya- tattva-kaumudi S. 529 (S. 13 des Separatabzuges) Anm. 1 besprochen und die Beziehung, welche M u i r und W e b e r ^) hier zu den drei Gu n a ' s , dem besonderen Eigenthum der S ä ni k h y a - Philosophie, finden, im An- schluss an die Auffassung des Petersburger Wörterbuchs geleugnet. Die zweite Zeile des Verses enthält die offen- kundigsten Beziehungen zumVedänta, wogegen meiner Ansicht nach die erste in mystischer Ausdrucksweise nichts anderes als die triviale Wahrheit aussagt, dass der neun- thorige Lotus, d. h. der menschliche Leib, von Haut, Nägeln und Haaren bedeckt ist. Wollte man den Ausdruck tribhir gunebhih technisch im Sämkhya -Sinne auffassen, so würde er bedeuten: ,mit den drei Constituenten', d. h. ,mit Materie' ; denn dass dies der Sinn des philosophischen Terminus ist, wird weiter unten (im dritten Abschnitt L 3)
1) Vgl. EV. X. 72. 2, 3; AV. X. 7. 21, 25; XVII. 1. 19; Brh. üp. I. 2. 1; Chänd. Up. VI. 2. 1; Taitt. Up. II. 7. 1. •') Ind. Stud. IX. 11, Jenaer Liter. Zeit. 1878, S. 82.
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dargelegt werden. Es müsste also die erste Zeile jenes Verses nach Weber' s Voraussetzung besagen, dass der menschliche Leib mit Materie bedeckt, von Materie ver- hüllt sei, während doch nur gesagt werden kann, dass der Leib aus Materie besteht. Das Wort triguna ,aus den drei Constituenten bestehend' wird in den Sämkhya- Schriften als ein Synonymon von prdkrta ,materieir ge- braucht ^).
Andere Stellen, die zu der Vermuthung Anlass geben könnten, dass in ihnen S ä m k h y a - ähnliche Gedanken angedeutet liegen, sind mir aus den vedischen Liedersamm- lungen nicht bekannt. Aber auch in den nächstfolgenden Literaturkreisen der Brähmana's und Aranyaka's-) habe ich solche Ideen nicht finden können. Die Mühe,
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^) Uebrigens müssen wir bei der Erklärung jenes Atharva- veda -Verses die Bedeutung ,Qualität' für pnna deshalb ganz ausser Betracht lassen, weil das Wort zu der Zeit, als der Athar- vaveda zusammengestellt wurde, noch nicht diese Bedeutung hatte, die erst in der jüngeren Sütra-Literalur auftritt. Bis dahin heisst guria durchaus ,Teil, Bestandtheil, Strähne u. s. w.' Die ältesten Belege für den Gebrauch des Wortes guna im Sinne von jQualität' sind nach dem Petersburger Wörterbuch Lätyäyan a ^rauta I. 1. 8 und ^äükhäyana Gyhya I. 2.
-) Im zehnten Prapäthaka des Taittiriya Aranyakn sind Särrikhya- Lehren an zwei Stellen ausgesprochen. In dem Schlussverse von X. 10. 1 ajäm ehäm loJdta-cukla-krshnäni etc., der übrigens hier zusammenhangslos steht und aus Qvetäcvatara Up. IV. 5 entlehnt ist (umgekehrt Weber, Ind. Stud. II. 91), kann kein anderer Sinn gefunden werden, als die Lehre von der schöpferischen, aus Sattva, Rajas und Tamas bestehenden Ur- materie und die von der Vielheit individueller, in die Materie ver- strickter Seelen. Ebenso weist der Schlussvers von X. 10. 3 mit seinem pralrti-lina einen deutlichen Einfluss der S am khya- Phi- losophie auf. Dass aber dieser zehnte Prapäthaka, Yäjniki oder Mahanäräyana Upanishad genannt, ein spätes Anhängsel des Aranyaka ist und aus der Zeit der sektarisehen Upanishad's stammt, ist längst erkannt worden. Weder in den rituellen Pra- päthaka's I— VI noch in den die Taittiriya Upanishad bilden- den Frap. VII — IX ist mir ein Anklang an Säiakhya- Lehren begegnet.
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die ich auf diesen Gegenstand verwendete, hat ein durchaus negatives Resultat ergeben, so dass ich im Gegensatz zu Web er' s oben S. 10 herausgehobenen Worten den Satz aufstellen muss, dasssichin der vedischenLiteratur, so weit sie vorbuddhistisch ist, keine Sämkhya- Lehren vorfinden. Unter Sämkhya- Lehren verstehe ich hier natürlich die distinktiven Lehrsätze dieses Systems, deren Inhalt die folgenden Gedanken bilden: die absolute Verschiedenheit des geistigen und des ungeistigen Princips; die Vielheit der Seelen; die Unabhängigkeit und Ewigkeit der Materie: ihr Bestehen aus den Constituenten Sattva, Rajas und Tamas; die Entfaltung der Welt aus der Urmaterie; die Vorstellung, dass dabei zunächst die psychischen Organe und dann die Aussendinge ent- stehen; die Dreiheit der psychischen Organe; die fünfund- zwanzig Principien; die Lehre von den feinen Elementen (tanmätra), von dem inneren Körper (Uhga-garira), von den Dispositionen (samskdra); die Auffassung der psychischen Vorgänge als zunächst rein mechanischer und nur durch die geistige Kraft der Seele ins Bewusstsein erhobener Processe; die Gottesleugnung; der Satz, dass die Erlösung allein durch die Unterscheidung (viveka) von Geist und Materie erreichbar ist. Von allen diesen Gedanken findet sich, so viel ich sehen kann, nichts in den Brähmana's und Aranyaka's; es ist mir deshalb nicht ganz klar, was für Stellen Weber gemeint hat, als er von der bunten Vermischung der Sämkhya -Lehren mit Lehren der ent- gegengesetzten Art in den Brähmana's sprach. Ich vermuthe, dass er mythologisch-kosmogonische Ideen im Sinne gehabt hat, namentlich wohl die verbreitete Vor- stellung von dem L^rwasser, die schon oben S. 11, 12 erwähnt war^). Aeussere Anklänge an den Wortlaut der Säm-
^) Wenn ich annehmen darf, dass Weber sich noch zu den im ersten Bande der Indischen Studien ausgesprochenen Anschau- ungen bekennt, so möchte ich aus S. 455 Anm. ft schliessen, dass er jeden Schöpfungsbericht mit dem Sämkhya-System in Ver-
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khya- Texte finden sich wohl zuweilen; aber bei näherer Betrachtung lässt sich daraus doch kein innerer Zusammen- hajig ableiten. Ich bin deshalb überzeugt, dass Kapila durch keine Stelle unserer vedischen Texte zur Begrün- dung seines Systems angeregt worden ist.
Weber hat Ind. Stud. V. 375, Anm. **, die Stellen des ^atapatha und ^änkhäyana Brähniana zu- sammengestellt, an denen das Selbst, der Atman, als , der fünfundzwanzigste' {pancavlrnca) bezeichnet ist. Hier scheint nun eine überraschende Uebereinstimmung mit den Lehren der Sämkhya- Philosophie vorzuKegen, nach denen der
bindung zu setzen geneigt ist. Pra^na Up. VI. 4 heisst es: „Er „(der höcliste Geist) schuf den Hauch (präna). Aus dem Hauch „[entstanden] der Glaube (craddha), der Aether, die Luft, das Licht, ,,das Wasser u. s. w." Hierzu bemerkt Weber a. a. 0.: „Als „schöpferisches Element ist mir die graddhä noch nirgendwo be- „gegnet; dem Range nach steht sie hier mit dem ahainMra der „Sänkhya auf gleicher Stufe, während der präna dem mahat „entspricht, der Er deren purusha zusammt der prakrti.^^ Es sind das Combinationen, die ich mir ebenso wenig zu eigen machen kann, wie die Beziehungen zwischen Sämkhya und Buddhis- mus, die Weber Ind. Stud. III. 132 findet. Auch noch in einem anderen Punkte bringt Weber meiner Meinung nach nicht zu- sammengehöriges zusammen. Ind. Stud. II. 76 Anm. -* sagt er, dass nach der buddhistischen Legende Qäkyamuni „vor seinem ..Erscheinen auf der Erde als Qvetaketu in der Tushita -Region „wiedergeboren ward und den versammelten Göttern die Lehre vor- „trug, was wohl so viel heisse, als dass seine Lehren mit denen „des Qvetaketu übereinstimmten, d. i. dass beide buddha waren „und der Sänkhyalehre angehörten; dazvi passe denn auch, dass „Qvetaketu in den vedantistischen Brahma nas fast stets unter- „richtet wird, seine Ansichten als unhaltbar bekämpft werden." Schlägt man nun aber diese Stellen nach, so findet man, dass die dem ^vetaketu in den Mund gelegten Worte weder zum Säin- khya noch zum Buddhismus die geringste Beziehung haben. Der buddhistische Mythendichter, der von dieser früheren Existenz Buddha's berichtete, wählte dazu den in der vedischen Literatur geläufigen Namen Cvetaketu und hätte ebenso gut anstatt dessen Yäjnavalkya, Asuri, ^ärulilya oder sonst irgend einen alten Namen gebrauchen können.
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Ätman oder Purusha als das 25ste Princip (tattva) den 24 materiellen Principien gegenüber steht (s. Sämkhya- kärikä 3, S. Sütra I. 61). Dass aber in der That an den Brahma na -Stellen etwas ganz anderes gemeint ist, dass doli der Purusha oder der Mensch als solcher als der 25ste zu seinen 24 Gliedern, den Händen, Füssen, Fingern und Zehen, gerechnet wird, ist schon von Weber gesagt worden.
Wenn ich eben bemerkte, dass die vorbuddhis- tische Literatur nach meinen Untersuchungen keine Sämkhya- Ideen aufweist, so habe ich damit schon er- klärt, dass ich solche Ideen auch vergeblich in den älteren Upanishad's gesucht habe. Dies gilt von der ganzen Schicht derjenigen Upanishad's, die nur den drei älteren Veden zugerechnet werden, (aufgezählt von Weber, Ind. Literaturgeschichte- 172, Anm.). Einige Stellen in diesen Werken scheinen beim ersten Anbhck gegen meine Behauptung zu sprechen; ich glaube dieselben deshalb im folgenden einer Erörterung unterziehen zu müssen, um meine Gründe gegen die nahe liegenden Einwände vor- zubringen.
Der Ahamkära, bekanntlich einer der Hauptbegriflfe der Sämkhya -Philosophie, ist in der Chändogya Upanishad VIL 25. 1 genannt. Hier liegt allerdings eine Uebereinstimmung des Ausdrucks vor; aber die Bedeutung des Wortes ist im Sänikhya- System eine so vollständig andere, dass man nur von der Benutzung eines vorhandenen — wenn auch bis dahin nicht geläufigen — Wortes durch Kapila sprechen kann. Die ganze Terminologie Kapila's ist ja dem zu seiner Zeit vor- handenen Sprachschatze entnoiomen und nur insofern originell, als mit einem grossen Theil der gewählten Aus- drücke andere Bedeutungen verbunden sind'). Im Säm- khya-System ist ahamkära ein beschränktes Organ mit
1) Vgl. unten im zweiten Abschnitt I. 5. Garbe, Sämkhya-Philosopbie.
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ganz bestimmter Funktion; in der Stelle der Chan dogya Up. dagegen bezeichnet das Wort das Ich, das Selbst im reinsten Vedänta- Sinne; denn ahamkära wird hier so- gleich durch aham aufgenommen und ebenso beschrieben wie der Ätman im folgenden Paragraphen (s. besonders aham eve 'dam sarvam, dtmai 've 'dam sarvam). Dies ist um so beachtenswerther, als ahamkära in den jüngeren Upanishad's (Pra^na IV. 8, Maitri VI. 5, Cvetä9v. V. 8 und sonst) nicht in dieser Bedeutung, sondern durchaus im Sämkhya- Sinne verwendet wird.
Die nächste SteUe ist Chan d. Up. VII. 26. 2: dhdra- euddkau sattva-cuddhih , sattva-cuddhau dhruvd smriih. Hier liegt die Zusammenstellung mit dem in den Säm- khya-Texten öfter gebrauchten sattva-guddhi ,Läuterung des [im Innenorgan befindlichen] Sattva [durch Unter- drückung der beiden anderen Substanzen Rajas und Tamas]' sehr nahe, und ich selbst würde keinen Augen- blick anstehen, diesen Inhalt in das sattva-cuddhi der Chänd. U p. hineinzutragen, wenn die Upanish ad sonst irgend welche Bekanntschaft mit der Theorie der drei Guna's verriethe. Da aber das Wort sattva sonst nicht, die Worte guna und rajas überhaupt nicht in ihr vor- kommen und tamas an den drei Stellen, an denen es er- scheint, (I. 3. 1; III. 17. 7; VU. 26. 2) nicht im tech- nischen Sinne, sondern in der Grundbedeutung ,Finsterniss' gebraucht ist, so wird man auch dem Worte sattva VII. 26. 2 nicht die technische Bedeutung, die es in der S ä m- khya-Philosophie hat, zuschreiben dürfen '). Ich glaube also, dass Böhtlingk Recht hat, wenn er das Wort an jener Stelle in seiner ursprünglichen Bedeutung als Abstractum fasst und übersetzt: „Auf reiner Speise beruht reines Wesen, auf reinem Wesen ein sicheres Ge- dächtniss. "
1) Wer dies dennoch thun will, wird aus dem angeführten Grunde in der besprochenen Stelle eine Interpolation sehen
müssen.
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Ebenso stimme icli B ölitlingk bei, wenn er Brhad- äranyaka Up. IV. 4. 8 (Mädhy., IV. 4. 6 Känva) lihga neben manas nicht im Sinne von hnga-carira ,innerer Leib' nimmt, sondern als Adjektiv ,gekennzeichnet' also = tal-Uhga i). Schon ^amkara hat nicht gewagt die erste Auffassung mit Bestimmtheit zur Geltung zu bringen, sondern auch die zweite für zulässig erklärt.
Sonst würden aus der Brhad. Up. noch zwei Stellen in Betracht kommen; zunächst I. 4. 15 (Mädhy., I. 4. 7 Känva): tad dhe 'dam tarliy avydhrtam ctsU, tan näma- rupäbhydm eva vyakriyata „damals war dieses hier noch ungesondert; dann wurde es durch Name und Gestalt ge- sondert." In diesen Worten liegt einfach die Vorstellung eines Chaos ausgesprochen, welche uns ja schon in den kosmogonischen Liedern des Veda entgegentritt und — wie ich bereits oben ausführte — mit der Sämkhya-Idee der Urmaterie nichts zu thun hat. Die Urmaterie der Sämkhya- Philosophie ist nichts weniger als eine chaotische Masse, sondern etwas durchaus stabiles, aus dem die mate- rielle Welt in gesetzmässiger Entwicklung hervorgeht und in das sie durch einen ebenso gesetzmässigen Process wieder zurücksinkt; sie ist das absolute ,Gleichge wicht der drei Substanzen Sattva, Rajas und Tamas'-).
Die andere SteUe ist Brhad. Up. IV. 4. 13 (Mädhy.): andham tamah pravicanfi, ye 'samhhüiim upäsaie, ein Vers, der i9ä Up. 12 (= VS. 40. 9) wiederkehrt und in Folge dessen von verschiedenen Commentatoren besprochen worden ist. Cainkara undDvivedaganga erklären asainbhüti durch, prahrti und sehen in dem Verse demzufolge eine Polemik gegen die Sämkhya's; Mahidhara lässt zwar dieselbe Erklärung für asambhüti zu, sagt aber an erster SteUe, dass der Satz gegen die Buddhisten gerichtet sei; Uvata meint, dass er sich gegen die Materialisten (lokäyatika)
^) Vgl. Böhtlingk's Wörterbuch in kürzerer Fassung s. v. 14.
•') Sämkhyasütra I. 61.
2*
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wende'). Weber schliesst sich Ind. Stud. I. 298, 299 der Ansicht Mahidhara's an und sieht in der Stelle eine Zurückweisun«^ der buddhistischen und dadurch mittelbar auch der Sämkhya-Lehre -). Damit wäre die Brhad. — resp. die 19a — IJpanishad nicht nur in die Zeit nach Buddha hinabgerückt, sondern sogar in eine Zeit, in der der Buddhismus sich schon kräftig entwickelt und ver- breitet hatte; und was bleibt dann von der Upani- s h a d - Literatur noch für die vorbuddhistische Zeit übrisr? Ist es femer anzunehmen, dass die Brahmanen, wenn sie gegen den Buddhismus polemisirten, sich zur Bezeichnung der feindlichen Lehre eines gänzlich unbuddhistischen Ter- minus bedient haben werden, den die Gegner keinen Grund hatten auf sich zu beziehen? Ich bin überzeugt, dass Uvata das richtige getroffen hat, und unterschreibe auch hier Böhtlingk's Uebersetzung : „In dichte Finsterniss treten diejenigen ein, welche die Vernichtung verehren;" denn Matei'ialisten, die da meinen, dass mit dem Erlöschen dieses Lebens aUes zu Ende sei, hat es sicher schon in vor- buddliistischer Zeit in Indien gegeben -^j. Für die von den anderen Commentatoren gelehrte Identität von asambhüü mit der unentfalteten Urmaterie der Sämkhya's ist weder aus dem Zusammenhang noch sonst irgendwoher ein Grund zu entnehmen.
Dies wären sämmthche Stellen der älteren L^ p a n i -
^) Vgl. Max Müller, Upanishads translated I. p. 318.
2) Später (Ind. Lit. Gesch.- 329, Anm. *) ist Weber dies wieder zweifelhaft geworden. Er meint, „es könnte eben die dortige Polemik auch gegen die Sämkhya- Ansichten im Allgemeinen gerichtet sein."
^) Auch das Brahmajäla Sutta erwähnt solche zu Buddha's Zeit ihr Wesen treibende Irrlehrer, die da sprechen (nach Gogerly's Uebersetzung bei Grimblot S. 97 unten): "The soul is material, "formed of the four elements, generated by the parents: upon the "dissolution of the body, it is cut off, destroyed, and after death "will no longer exist: at that time the soul is completely anni- „hilated."
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shad's, in denen man Sämkhya-Leliren vermuthen könnte ; doch habe ich im vorstehenden die Schwierigkeiten dargelegt, die sich bei näherer Betrachtung gegen solche Combinationen erheben. Meine Ansicht, dass die ange- führten Stellen keinerlei Beziehung zu unserem System haben, findet noch darin eine Stütze, dass in den Upa- nishad's der zweiten Schicht auf Schritt und Tritt S am khya- Ideen in dem Gewände der technischen Aus- drücke dieser Philosophie auftreten und sich von da an durch die jüngeren und jüngsten Werke dieses Namens hindurchziehen. Während die Begründung der Sä m- khya-Philosophie wegen der unverkennbaren Anleh- nung des Buddhismus an dieselbe in vorbuddhistischer Zeit stattgefunden haben muss, fällt die Beeinflussung des Brahmanismus durch das Sämkhya-System erst in die Zeit, welche zwischen der Entstehung derjenigen Upanishad's, die nur den älteren drei Veden zugehören, und der Abfassung der Katha^), Maitri, ^vetä9vatara, Pra9na und ähn- licher Upanishad's liegt. Das plötzliche Auftreten der Sämkhya- Terminologie jenseits einer fest bestimmten Grenze macht eine andere Beurtheilung des Thatbestandes unmöglich.
Ich lasse hier ein Verzeichniss der SteUeii folgen, an
1) Oldenberg, Buddha^ S. 56 uud Max Müller, Anthro- pological Religion p. 345 nehmen für die Katha (oder Käthaka) Upanishad vorbuddhistischen Ursprung in Anspruch, weil sie in der Erzählung von der Versuchung des Naciketas durch den Todesgott einen wichtigen Beitrag zur Vorgeschichte der buddhis- tischen Gedankenkreise erblicken. Davon bin ich auch überzeugt, dass der Inhalt dieser Erzählung als vorbuddhistisch anzusehen ist — findet sich doch bekanntlich eine ältere Version derselben im Taittiriya Brähmana III. 11. 8 — und dass die Gestalt des hier auftretenden Todesgottes der Prototyp des buddhistischen Mära ist. Weshalb aber soll aus diesem Grunde die uns vor- liegende Atharva-Recensiou der Katha Upanishad in so frühe Zeit hinaufreichen?
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welchen in den Atharva-, Yoga- und sektarischen Upanishad's auf Lehren der Sämkhya- Philosophie Bezug genommen ist:
Katha IL 9 (falls Weber, Ind. Stud. IL 184 iii dem Worte tarha mit Recht eine Anspielung auf die Säm- khya's sieht), IIL 10, 11. VL 7, 8; Maitri IL 5. IIL 2-5. IV. 3. V. 2. VL 5, 10, 19, 28, 30, 34. VU. 1 (cf. Weber, Ind. Lit. Gesch.- 107); (^Neik<^Ya,i2iX2i I. 8, 10. m. 12. IV. 5, 10. V. 2, 7, 8. VI. 10, 13, 16 (cf. Weber, Ind. Lit. Gesch. "^ 106, Ind. Stud. L 422, 430 fle., 438, 439); Pra9na IV. 8 (cf Weber, Ind. Stud. L 451); Garbha 3, 4 (cf. Ind. Stud. IL 69, 70, Cole- brooke, Mise. Ess. ^ L 257 Anm. 1); Cülika E. 14,15 (cf. Ind. Stud. IX. 16, 17); Pranägnihotra 1, 4; Nä- dabindu 2, 18; Nrsimhatäpaniya I. 4. 3. 11. 9. 5 (cf. Ind. Stud. IX. 58 Anm., 106, 108, 167); Rämatä- panlya I. 15, 88. U. 3, 5; MahänäräyanaX. 1, 3; Jäbäla4;Krshna5, 6;Kälägnirudra2;Skanda2; Mahä 1; Gopicandana 2.
Hiermit glaube ich meine von W e b e r ' s Standpunkt abweichenden Anschauungen in hinreichender Ausführlich- keit gerechtfertigt zu haben. Mit dem verehrten Meister so oft in Gegensatz zu treten konnte ich schon deshalb nicht vermeiden, weil ich den Vorwurf voraussah, den unter anderen Umständen Weber gegen mich erheben musste. In seiner eingehenden Besprechung von Regnaud's Materiaux pour servil ä l'histoire de la philosophie de rinde, Premiere Partie (Paris 1876) macht Weber (Jenaer Literaturzeitung 1878, S. 82) mit vollem Recht die Aus- stellung, dass diese Untersuchung erst mit den Upani- shad's beginnt, und weist insbesondere auf die zahl- reichen Upanishad- artigen, wiewohl nicht den Namen einer Upanishad tragenden Stücke in den Brahma na's und Aranyaka's hin. Weber tadelt somit Regnaud deshalb, weil er seine Untersuchung über die philoso- phische Spekulation in Indien „nicht gleich ab ovo, son- dern von einem willkürlich gewählten Punkte innerhalb
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der betreffenden Entwickelung aus" begonnen habe. Ich hoffe erwiesen zu haben, dass dieser im Falle einer his- torischen Behandlung der ganzen indischen Philosophie wohlbegründete Vorwurf nicht in gleicher Weise eine Darstellung der Sämkhya- Philosophie trifft, die von den Upanishad's ausgeht, welche in dem eben angeführten Verzeichniss an die Spitze gestellt sind.
II. Zur Glescliichte und Literatur der Säm- khya-Philosophie.
Aus meinen bisherigen Ausfuhrungen ergiebt sieh, dass die Sämkhya- Lehren mehrere hundert Jahre lang von den literarisch wirkenden Kreisen des Brahmanenthums un- beachtet gelassen worden sind '). In den letzten vorchristlichen Jahrhunderten — so können wir mit einiger Sicherheit sagen — hört diese Zurückhaltung auf; und ZAvar werden die Lehren der S ä m k h y a - Philosophie nicht bekämpft, sondern von Anfang an als brahmanische Anschauung, als etwas dem Vedänta nicht widersprechendes behandelt. Nur in den wenigen, oben S. 4 angeführten Stellen ist die Erinnerung an den einstmals vorhandenen Gegensatz zum Ausdruck gekommen. Wir müssen daraus scliliessen, dass diese heterodoxen Ideen im Laufe der Zeit sich so viel Geltung verschajfft hatten und dass die rationalistische Weltanschauung der spiritualistischen ein so gefährlicher Concurrent in dem Geistesleben jener Zeiten geworden war, dass die in solchen Fragen stets sehr scharfsichtigen Brahmanen die Versöhnung fllr zweckmässiger erachteten als den Kampf.
^) Burnell in seiner Uebersetzung des Manu, S. XXII, XXIII zieht aus dieser Thatsache den meiner Ansicht nach irrigen Schhiss, dass das Sämkhya- System nicht vor dem ersten Jahrhundert ante Chr. existirt habe: "The late Professor Goldstücker pointed "out that Pänini did not loiow this System-, it is, therefore, "subsequent to about 300 B. C, when Pänini probably lived, "and no trace of it appears in the Mahäbhä^ya, about 150 "years later, etc."
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Wenn ich im folgenden versuche die Geschichte und Literatur der S am khya- Philosophie in den Hauptzügen darzustellen, so habe ich über die Lehrer des Systems und über die Verfasser der eigentlichen Sämkhya- Schriften nur verhältnissmässig wenig zu bemerken. Das Literar- historische ist von F. E. Hall in seiner Vorrede zum Sämkhyasära (Bibl. Ind., Calcutta 1862) — der ver- besserten Wiederholung der Einleitung zum Sämkhya- pravacana-bhäshy a (Bibl. Ind., Calcutta 1856) — mit der gründlichsten Gelehrsamkeit und so ausgezeichnetem Scharfeinn erörtert worden, dass für spätere Forschungen auf diesem Gebiete nur noch Raum zu Ergänzungen und Berichtigungen in Einzelheiten gelassen ist.
In der ganzen Sanskritliteratur wird als Begründer des Sämkhya-Systems Kapila genannt: doch ist nichts von ihm verfasstes erhalten; denn dass die Sämkhya- sütra's ein modernes Produkt sind und den berühmten Namen Kapila 's mit Unrecht tragen, bedarf heute keines Beweises mehr. Wir haben nicht einmal einen Anhalt für die Annahme, dass Kapila überhaupt irgend welche Werke verfasst habe. lieber seine Zeit können wir nur sagen, dass er wegen der Abhängigkeit des Buddhismus von seinen Lehren vor der IVlitte des sechsten Jahrhunderts vor Chr. gelebt haben muss.
Nun hat Weber an verschiedenen Stellen der In- dischen Literaturgeschichte '^ (S. 152, 239 Anm., 253, 254, 303; vgl. auch Ind. Stud. I. 84) gemeint, dass in dem Namen desPatahcala Käpya, der indem Yäjhaval- kiya Kända des ^atapatha Brähmana als ein um die brahmanische Theologie besonders verdienter Lehrer im Lande der Madra genannt ist, Beziehungen zu Kapila und Patahjali, den traditionellen Gründern der Säm- khya- und Yoga -Lehre, nicht zu verkennen seien. Diese Combination gründet sich lediglich auf die Aehn- lichkeit der Worte und ist mit der Vorstellung, dass Kapila und Patanjali wirkliche Personen gewesen sind, kaum zii vereinis^en. Ich sehe keinen Grund die Realität
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dieser beiden Männer zu bezweifeln ') ; denn andernfalls müssten wir, da ein in sich geschlossenes System nicht ohne einen Stifter entstehen kann, annehmen, dass die Erinnerung an die wirklichen Begründer verloren gegangen sei und dass man in späterer Zeit Stifternamen fingirt habe. Aber, selbst dies letztere zugegeben, dürfen wir es als wahrscheinlich erachten, dass in diesem Falle die An- hänger des atheistischen, rationalistischen Säm- khya- Systems, wenn sie um einen Namen für ihren Stifter in Verlegenheit waren, den Namen eines Mannes gewählt haben werden, der in der orthodoxen b rah- manischen Theologie eine Rolle gespielt hat? Nach Ind. Stud. I. 435 und Ind. Lit. Gesch. '^ 254 denkt Weber an genealogische Beziehungen Pata&jali's zu jenem Käpya Patancala, Sollen wir ebenso glauben, dass auch Kapila ein Nachkomme dieses brahmanischen Lehrers gewesen sei ? Aus keinem andern Grunde, als wegen der Aehnlichkeit der Namen? Man sieht, wir gerathen nach allen Seiten hin, wenn wir die Consequenzen aus W e b e r ' s Combination ziehen, zu unwahrscheinlichen An- nahmen. Den Käpya Pataficala geradezu mit Kapila zu identificiren — woran Weber, Ind. Stud. I. 434 ver- muthungsweise gedacht hat^ aber gewiss heute nicht mehr denkt — werden wir uns noch viel weniger entschliessen können.
Ich sehe mich genöthigt, mich in dieser Frage
1) Den Zeitverhältnissen nach steht nichts der Annahme Lassen's (Ind. Alterthumskunde I.^ 999) entgegen, dass Pataii- jali, der Begründer des Yoga-Systems, und Patafijali, der Gram- matiker, ein und dieselbe Person waren. Auch innere Gründe werden sich nicht dagegen geltend machen lassen; denn warum sollte der Verfasser des Mahäbhäshya nicht einen Ausbau des S am khya -Systems unternommen haben? Dass die Sprache der Yogasütra's keine Uebereinstimraung mit der des Mahäbhä- shya aufweist, ist einfach durch die Verschiedenheit des Stoffes und des Stiles beider Werke bedingt.
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noch gegen die Anschauungen einer andern Autorität zu wenden. Max Müller, Upanishads translated U. p. XXVIII-XLI, geht von der Stelle Cvet. Up. V. 2 aus: „Der allein eine jede Ursprungsstätte lenkt, alle Formen „und alle Ursprungsstätten, der seinen Solni, den Weisen „Kapila, am Anbeginn [der iSchöpfang] in seinen Ge- „ danken heafte und bei dessen Geburt erblickte." Max Müller ist mit ^amkara der Meinung, dass unter dem Weisen Kapila hier nicht der Begründer des Sämkhya- Systems, sondern die göttliche Person Hiranyagarbha's zu verstehen sei. Bei der Neigung der Inder, die ver- schiedenen Zweige ihres Wissens auf göttliche Urheber- schaft zurückzuftihren, sei es nur natürlich gewesen Hira- nyagarbha die Begründung des Sämkhya- Systems zu- zuschreiben; und da bereits der Name Hiranyagarbha anderweitig in solchem Zusammenhange benutzt war, sei es ebenso natürlich gewesen, einen anderen Namen für Hiranyagarbha, d. h.ebenKapila, zu diesem Zwecke zu verwenden. Nachdem man so K a p i 1 a als den Stifter des Sämkhya- Systems festgestellt habe, sei die Reaktion ge- kommen. Die Inder hätten nun gelernt an einen wirk- lichen Kapila zu glauben und auf der Umschau nach Zeugnissen ftir ihii diese überall gefunden, wo in alten Schriften das Wort Kapila vorkam. An eine historische Persönlichkeit, die das Sämkhya- System gegründet, glaubt Max Müller nicht, wie schon vor ihm Cole- brooke, Mise. Ess. ' I. 243 ähnliche Zweifel geäussert hat; Max Müller meint vielmehr, dass die eben angeführte Stelle der Cvet. Up. zuerst dazu verführt habe den Namen Kapila als verschieden von Hiranyagarbha Kapila zu gebrauchen, und dass man sich später auf eben die- selbe Stelle berufen habe, um die uranföngliche Existenz eines Kapila als des Begründers der Sämkhya -Philo- sophie zu beweisen.
Ich muss gestehen, diese ganze Construktion erscheint mir in einer Weise unnatürlich und gekünstelt, dass mich die harten Worte doppelt überraschen, mit denen Max
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Müller Weber 's Anschauungen über diesen Punkt ver- urtheilt (S. XLI): "What vast conclusions may be drawn "from no facts, may be seen in Weber's Indische Studien, "vol. I, p. 430, and even in his History of Indian Literature, "published in 1878".
Ich bemerkte schon, dass ich in Kapila eine his- torische Person sehe ^) ; doch ist alles über ihn in der in- dischen Literatur berichtete ganz legendenhaft. Dass Kapila unter die Söhne B rahm an 's gerechnet wird, dass er für eine Incarnation Vishnu's oder Agni's gilt und auch sonst zu göttlichem Range erhoben erscheint -}, ist für uns nur insofern bemerkenswerth, als hieraus die hohe Bedeu- tung ersichtlich ist, die man in Indien bis in das Puräna- Zeitalter dem Sämkhya- System beilegte. Selbst denjenigen Nachrichten, die von Kapila' s Geburt als einer natür- lichen zu erzählen wissen, ist wenig Gewicht beizumessen, da sie sich gegenseitig widersprechen. Nach einer Stelle des H a r i V a m 9 a ist er ein Sohn Vitatha's, nach einer andern Vasudeva's und der Naräci, und iiach dem Bhägavata Puräna heisst sein Vater Kardama. Die letztgenannte Quelle nennt seine Mutter Devahüti, womit auch andere Puräna- Texte und neuere Autoren (z. B. Vij&änabhikshu am Schluss des Sämkhya- pravacana-bhäshya) übereinstimmen.
Von derselben unzuverlässigen Beschaffenheit sind die Nachrichten, die den Aufenthalt Kapila' s nach Indra- prastha (Delhi) oder Gangäsägara (der Gangesmün- dung) und seine Geburt nach Pushkara (bei Ajmir) verlegen '^'). Grössere Bedeutung haben die b u d dh i s ti s ch e n
1) Cf. Hall, SänkhyaSära, Preface p. 2): "The Mahäbha- "rata, despite its plentiful alloy of fiction, sufficiently attests, it "should seem, the reality of tbe sage."
2)Cf. Colebrooke,Misc.Ess.n. 241, 242; Weber, Ind. Studieu I. 430 ff.; Hall, SänkhyaSära, Pref. 21ff.; Davies, Sänkhya Kä- rikä p. 5 ff.
3) Cf. Hall, SänkhyaSära, Pref. 20; Davies, S. Kärikä p. 6.
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Nachrichten über Kapila deshalb, weil sie seine Person mit dem Namen der Stadt Kapilavastu in Zusammen- hang bringen ^) und ihm somit eine Wirkungsstätte zu- schreiben, deren geographische Lage vortrefflich zu den inneren Beziehungen stimmt, die zwischen der Sä mkhya- Philosophie und dem Buddhismus obwalten.
Eine Zusammenstellung der Legenden, die im Ma- häbhärata, im Rämäy ana und in den Puräna's an den Namen Kapila's geknüpft sind, scheint mir für die Zwecke, die dieses Buch verfolgt, überflüssig zu sein.
Als unmittelbarer Schüler Kapila's wird von der Tradition (Panca9ik ha in Vyäsa's Commentar zu den Yogasütra's I 25, Sämkhyakärikä 70 und sonst) ein Lehrer Namens Äsuri genannt, über dessen Person für uns das gleiche Dunkel schwebt wie über der des Stifters der Sämkhya -Lehre. Der eine Vers, den Hall (Preface p. 21 unten) in einem ganz modernen Werke dem Äsuri zugeschrieben gefunden hat, bietet keine Garantie dafür, dass eine alte S ämkhya- Autorität dieses Namens wirklich literarisch thätig gewesen ist. Weber hat in Folge seiner Neigung, das Sämkhya mit der vedischen Literatur in Verbindung zu bringen, an ver- schiedenen SteUen (Ind. Lit. Gesch. -^ 152, 253, Ind. Stud. I. 434) unsern Asuri mit dem im ^atapatha Brähmana oft genannten Rituallehrer gleichen Namens zu identifi- ciren gesucht : aber er wirft selbst in einer Anmerkung zu der zuletzt citirten Stelle den vollberechtigten Zweifel auf, ob dies derselbe Äsuri sei wie der Schüler desKapila^ und begründet diesen Zweifel mit der Bemerkung, dass die SteUen des Qat Br., an denen Ä s u r i genannt wird, sich sämmtlich auf Fragen des Ceremoniells, nicht der Speku- lation beziehen. Dass ftir mich eine Identificirung der beiden Äsuri unmöglich ist, geht schon zur Genüge aus
1) Vgl. Fausböll und Weber, Ind. Stud. V. 412 ff. und die Einleitung zu meiner Uebersetzung der Sämkhya-tattva-kaumudi S. 531.
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der obigen Darlegung meiner Anschauungen über die Entstehung des S ä ra k h y a - Systems und aus dessen Feind- seligkeit gegen das brahmanische Ritualwesen hervor. Auch halte ich das ^at. Br. für beträchtlich älter als die Zeit, in die wir einen Schüler Kapila' s versetzen müssten. Im übrigen scheint mir auch die Anzahl und Qualität der Zeugnisse nicht genügend zu sein, um den Sämkhya- lehrer Asuri mit einiger Sicherheit für eine wirkliche Person zu erklären.
Festeren Boden betreten wir bei dem nächst K a p i 1 a berühmtesten Namen in der Gescliichte der Sämkhya- Philosopliie, bei Panca9ikha, der in Sämkhyakä- r i k ä 70 als der hauptsächlichste Verbreiter unseres Systems bezeichnet ist. Ebendaselbst und im Mahäbhärata ') wird Panca9ikha zu einem Schüler Asuri's gemacht: doch werden wir weiter unten gewichtige Gründe gegen die Richtigkeit dieser Tradition kennen lernen. Im zwölften Buche des Mahäbhärata, Adhyäya 218, 219 (vgl. auch Adhy. 321) erscheint Panca§ikha zAvar als der Lehrer des altberühmten Videha- Königs Janaka, den er in Mithilä im S ä in khya- System unterweist und vollständig zu diesem bekehrt -) ; ich halte dies jedoch fiir eine zur Be- stimmung von Panca9ikha's Zeit nicht verwerthbare, tendenziöse Geschichte, die von den Sämkhya's nach der Brahmanisirung ihrer Lehren erfunden ist in maiorem gloriam ihres Systems und eines ihrer grössten Vorkämpfer. Sie konnten zu dem Zwecke kaum etwas besseres thun als die aus der Brhadäranyaka Upanishad bekannten Zustände an dem Hofe des Königs Janaka, wo in den Redekämpfen der grosse Ritualkenner und Verkünder des All-Einen, Yäjnavalkya, die erste RoUe spielt, in der
M S. Hall, Preface p. 22, Anm. *.
-) Vgl. Weber, Ind. Stud. I. 433, 482. — Pratapa Chandra Ray hat in seiner Uebersetzung des Mahäbhärata in den oben angeführten Adhyäya's aus Janaka janadeva einen König 'Jan ade va of the race of Janaka' gemacht.
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Weise verwerthen, dass sie das Sämkliya an die Stelle des Yedänta und Panca9iklia an die Stelle Yäj&a- valkya's setzen. Eine Vorstufe in der Geschichte dieser Legendenbildung finde ich in Adliyäya 312 — 320, wo Yäjnavalkya den König Janaka in der (übrigens vieKach mythologisch umgedeuteten) S ä ni k h y a - und Y o g a - Philosophie unterweist ^). Dass uns diese verschiedenen Stufen der tendenziösen Umgestaltung einer berühmten alten UeberKeferang neben einander erhalten sind, darf uns bei dem eigenthümlichen Charakter des Moksha- dharma -Abschnitts nicht Wunder nehmen; ist doch in diesem Abschnitt alles nur erreichbare reliffionscreschicht- liehe Material zusammengetragen worden.
Dieselbe QueUe weist Panca9ikha dem Geschlechte des Parä9ara zu-) und nennt ihn Käpileya (XII. 7886, 7895 — 99) ; wenn sie aber diesen Beinamen als ein Metronymikon von Kapilä erklärt, so ist die Mutter jeden- falls aus Käpileya heraus destillirt; denn Käpileya hiess ursprünglich oflFenbar .der K a p i 1 a - artige', da Paii- ca9ikha ja auch geradezu (XII. 7889, 7983) als eine Er- scheinungsform Kapila' s angesehen A\Tirde ''). Dass die Buddhisten Pahca9ikha zu göttlicher Würde erhoben haben *), ist ein Beweis dafür, dass auch in ihrer Tradition Panca9ikha als die zweite Haupt- Autorität der Säin- khya- Philosophie galt.
Ich komme nun zu dem Punkte, der mich bestimmt die Lebenszeit Panca9ikha's wesentlich später anzusetzen, als die Ueberlieferung es thut. Hall, Preface 21 — 25 hat in dankenswerther Weise die dürftigen Reste gesammelt, die von den verlorenen Werken Panca9ikha's in den Schriften der S ä m k h y a - und Yoga- Literatur erhalten sind.
1) Vgl. Weber, Ind. Stud. I. 482.
2) S. Weber, Ind. Stud. I. 433. ^j Anders Weber a. a. 0.
*) S. Weber, Ind. Stud. U. 404, Ind. Lit. Gesch. "^ 303.
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Die Citate in Vyäsa's Yogabhäshya werden mit einer solchen Uebereinstimmnng von den späteren Com- mentatoren Panca9ikha zugeschrieben, dass an seiner Autorschaft kaum zu zweifeln ist '). Merkwürdiger Weise hat Hall a. a. 0. die Panca9ikha-Fragmente in den Sämkhyasütra's V. 32—35, VI. 68 unerwähnt ge- lassen -), (obAvohl er von ihnen in seiner Einleitung zum Sämkhy a-prav. -bhäshya S. 8, 9 spricht); und doch sind sie gerade von besonderer Bedeutung für die Beur-
^) Dagegen muss ich mich gegen die Authenticität des von Hall S. 23 angeführten ^loka ädyas tu violcslio etc. ent- schiedener erklären als Hall es thut. Vijnjinabhikshu schreibt diesen Vers Panca9ikha sowohl in seinem bisher unedirten Commentar zu den Brahmas ütra's zu, als auch viermal in seinem Yogavärttika (herausgegeben von Rämakrshiia und Ke9ava9ästrin. Benares 1884), nämlich S. 126, 295, 298, 300. Der Grund ist ersichtlich. Dieser Qloka findet sich in der Säm- khya-krama-dipikä, d. h. in demjenigen Commentar zum Tattvasamasa, den Ballantyne 'A lecture on the Sänkhya philosophy^ (Mirzapore 1850) herausgegeben hat, und zwar S. 47, 48 Nr. 74. Die Sämkhya-krama-dipikä nun ist in allen Handschriften — auch in einer mir gehörigen — als ein Werk Panca9ikha's bezeichnet, v^ie man ja so oft in Indien modernen Arbeiten dadurch ein Ansehen hat verleihen wollen, dass man ihnen einen alten berühmten Namen vorsetzte; und Vij ii an abhikshu ist unkritisch genug geveesen diese Täuschung nicht zu erkennen, obwohl die S. kr. dipikä ausdrücklich in Nr. 46 Parica9ikha als eine ihrer Autoritäten nennt. Der moderne Ursprung der S. kr. dipikä verräth sich durch Sprache und Inhalt avif den ersten Blick, und selbst die 25 kleinen (den Namen Tattvasamasa tragenden) Sütra's, zu deren Erklärung das Werkchen dient, können kein viel höheres Alter beanspruchen. Nun ist ja freilich unser ^loka in der S. kr. dipikä durch das vorgesetzte uktamca als ein Citat gekennzeichnet; da aber keine Autorität, die älter wäre als dieses Werk, den Vers Parte a9ikha zuschreibt, werden wir um so weniger dazu geneigt sein dies zu thun, als alle übrigen auf uns gekommenen Panca9ikha-Fragmente nicht metrisch sind.
-) Und ebenso merkwürdig ist, dass er das Citat aus Pan- ca9ikha im Sä in khya-pravaca na -bhäshya I. 127 über- sehen hat.
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theilung von Pafi.ca9ikha's Lebenszeit. In den S ü t r a ' s V. 32 — 35 definirt Panca^ikha nämlich einen der Ny äya-Philosopliie speciell angehörigen Terminus, vyäpti\ und wenn er dies auch in einer von den schulmässigen Definitionen abweichenden Weise thut, so beweist die Thatsache doch, dass zu Panca9ikha 's Zeiten nicht nur logische Untersuchungen allgemeiner Natur geläufig waren, sondern dass bereits die N y ä y a - Philosophie mit ihrer ausgeprägten Terminologie bestand. Das Nyäya- System aber ist zweifellos das jüngste der seclis orthodoxen Systeme, und keine Spur weist darauf hin, dass es schon in vorchristlicher Zeit vorhanden gewesen sei. Sehen wir uns dann ferner die in V y ä s a ' s Y o g a - Commentar erhaltenen Pahcacikha-Fragmente an, so legt auch ilu'e Sprache einen entschiedenen Protest dagegen ein, dass ihr Ver- fasser ein Vorgänger oder Zeitgenosse Buddha's ge- wesen sei; denn als solchen müssten wir ihn ansehen, Avenn die Lehrerreihe Kapila - Asuri-Paiica9ikha historische Realität besässe. Vergleicht man die Sprache der Paiica9ikha-Fragmente mit der annähernd datir- barer philosophischer Autoren, so scheint mir wegen der Kürze des Satzbaus am nächsten ^abarasvämin's Commentar zur Pürvamimämsä zu liegen, der von B ü h 1 e r (Einleitung zur Uebersetzung des M a n u p. CXIl) nicht lange nach Beginn unserer Zeitrechnung angesetzt wird. So bedenklich jedes argumentum ex silentio auch ist, möchte ich doch in diesem Zusammenhange anführen, dass Panca9ikha am Schlüsse des Yogabhäshya zu I. 25 zwar constatirt, dass K a p i 1 a, der , Weise der Urzeit' (ädi-vidvän), dem A s u r i seine Lehre mitgetheilt hat, nicht aber auch, dass Äsuri ihm selbst das gleiche gethan. Die Bezeichnung ädi-vidvän^ welche Panca9ikha hier auf Kapila anwendet, scheint den Gedanken auszu- schliessen, dass dieser der Lehrer seines eignen Lehrers ge- wesen sein könne, und spricht vielmehr dafür, dass Kapila und Äsuri für Panca9ikha in nebelhafter Ferne standen
Garbe, Sämkhya-Pbilosophie. 3
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Ich bin nach allem dem geneigt, Panca^ikha etwa in das erste Jahrhundert nach Chr. zu setzen. Die Zeit vmi da an bis zur Schlussredaktion des Mahäbhärata, welcher aer Mokshadharma- Abschnitt sicher angehört, würde vollauf genügen um den Nimbus hohen Alters, von dem Pahca^ikha dort umgeben erscheint, begreiflich zu machen; obwohl die letzte Redaktion des Mahäbhä- rata spätestens im 4. oder 5. Jahrhundert nach Chr. vor- genommen worden sein muss, da das Vorhandensein unseres Mali äbhä rata- Textes, der sogenannten (}ata- sahasri samhitd ,der aus 100,000 [Versen] bestehenden Sammlung' uns inschriftlich durch eine Landschenkungs- urkunde für das Jahr 533/534 bezeugt ist ^).
Pafica9ikha hat verschiedene Werke geschrieben, Avie von Hall, Preface p. 22 festgestellt worden ist. Dass er als der Verfasser der ursprünglichen, durch die Säm- khyakärikä verdrängten Sütra's anzusehen ist"-), ergiebt sich nicht nur aus dem im Yogabhashya I. 4 uns erhaltenen Sütra (s. Hall, a. a. 0. Anm. f), sondern auch aus den Sänikhy asütra's V. 32—35, VI. 68, wenn man nicht etwa annehmen will, dass in diesen die Lehren Panca9ikha's über die betreffenden Gegenstände sütra- mässig verkürzt worden seien ^).
Von dem nächstfolgenden S ä m k h y a - Lehrer, S a - nandanäcäry a, ist uns nichts erhalten, als das eine
1) S. Fleet, Corpus Inscriptionum Indicarum, Vol. lU, p. 137, 139, und in diesem Buche S. 47 Anm. 2.
-) Diese Kunde wird auch den Worten Svapne^vara's ])ei Hall, Einl. zum Sämkhya-prav.-bhäshya S. 10, zu Grunde liegen. S. ferner Hall, Sänkhya Sara, Preface p. 8 Anm.
2) Dagegen ist die Möglichkeit, mit Svapne^vara (s. Hall, a. a. 0.) in den ersten vier Worten des Fragments Yogabhashya II. 13 zwei Sutra's zu finden, durch den Zusammenhang mit den folgenden Sätzen ganz ausgeschlossen; Svapne^vara würde sicher nicht auf diesen G-edanken gekommen sein, wenn ihm das voll- ständige Citat — und nicht nur die Abkürzung in der Säiakhya- tattva-kaumudi — bekannt gewesen wäre.
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Wort im Sanikliy asütr a VI. 69. Immerhin wird er dadurch, für uns eine greifbarere Person als die — zum Theil gewiss rein mythologischen — Träger der Namen, die noch im Mbh. XII. 13078—80 und in Gaudapäda's Commentar zu Sanikhy akärikä 1 an- geführt sind^): Sana, Sanatsujäta, Sanaka, Sanat- kumära, Sanätana und Vodhu. Die ersten fünf, deren Realität schon durch den Gleichklang der Namen höchst verdächtig wird, gelten mit Kapila und Sanan- dana zusammen für die sieben geistigen Söhne Brah- man's; nur bei einem unter ihnen, Sanätana, haben wir in modernen Werken schwache Zeugnisse dafür, dass er ein Autor — und zwar über Gegenstände der Yoga- Philosophie — gewesen sei 2). Der Name Vodhu oder Vodha, über den Weber, Ind. Lit. Gesch.- 253 Anm. *, zu vergleichen ist, macht nicht den Eindruck, als ob er fingirt sei; doch lässt sich über seinen Inhaber nichts be- stimmtes ermitteln. Vodhu oder Vodha erscheint stehend als Gegenstand der Anrufung bei der weiter unten zu be- handelnden Rshitarpana- (oder Pitrtarpana-) Cere- monie, und zwar meist zwischen Asuri und Paiica- 9ikha (s. Weber's Verzeichniss der Berliner Sanskrit- Handschriften I. p. 46, 327, II. p. 78, 344, 1152), ja sogar an der ältesten Stelle, im Atharva - pari9ishta (Weber's Verz. I. p. 91 unten) zwischen Kapila und Asuri. Auf diese Reihenfolge ist indessen kaum ein grosses Gewicht zu legen, zumal da im Brhat-Pärä9ara Dharma9ästra (Weber's Verz. IL p. 336) Asuri gegen alle sonstige Ueberlieferung vor Kapila genannt ist. Herr Professor Weber hat mir brieflich die Ver- muthung geäussert, dass in dem Namen Vodhu oder Vodha eine Brahmanisirung Buddha's zu sehen sein möge, und hat diese Vermuthung mit dem Hinweis darauf begründet, dass die Jaina die brahmanischen Namen
1) Vgl. Hall, Prefacep. 14; Weber, Ind. Stud. I. 385, Anm. 2.
2) S.Hall, Pref. p. 25, Anm. *.
3*
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in ähnlicher Weise zu entstellen pflegen; doch muss ich gestehen, dass ich von der Richtigkeit dieses Gedankens noch nicht ganz überzeugt bin. — Wenn schliesslich noch in der Purä na- Literatur eine Anzahl alter Namen zu Sämkhya- Lehrern gestempelt werden '), so sind das reine Phantastereien, über die wir ohne weiteres hinweggehen können.
Bei einigen in Sämkhya- Werken uns begegnenden Namen können wir zweifelhaft sein, ob mit ihnen Ver- treter unseres Systems bezeichnet sind oder nicht vielmehr Lehrer der Yoga- Philosophie. Jaigishavya, von dem wir das ziemlich werthlose Zeugniss des Kürmapuräna haben, dass er ein Mitschüler Paiica9ikha's gewesen sei-), wird zwar in der Sämkhy a-tattva-kaumudi zu Kärikä 5 citirt; doch habe ich in meiner Ueber- setzung dieses Werkes S. 551 Anm, 3 bereits darauf hin- gewiesen, dass Vacaspatimi9ra sich hier anVyäsa's Yogabhäshya IIL 18 anlehnt. Und in dem Jaigi- shavya-Fragment, welches sich im Yogabhäshya IL 54 findet, handelt es sich um eine Definition des Y o g a - Terminus mdriya-jaya, den Jaigishavya als ,Nichtwahr- nehmung (der Objekte) wegen der Concentration des Denk- organs'erklärt. Damit stimmt überein, dass Jaigishavya im Mahäbhärata (IX. 2859 ff., XIIL 1333) undHari- vam9a (Y. 951 ff.) als ein Anhänger des Yoga und als Yoga- Lehrer auftritt. Die Mahäbhärata-Stellen be- weisen ausserdem, dass dieser berühmte Lehrer spätestens den ersten Jahrhunderten nach Chr. angehört haben muss.
Während somit Jaigishavya's Zugehörigkeit zur Yoga- Schule gesichert erscheint, finde ich bei dem gleich- falls im Mahäbhärata erwähnten Värshaganya (den ich nicht mit dem Säma- Lehrer dieses Namens im V a m 9 a b r ä h m a n a und bei Lätyäyana zu identificiren wage) keinen Anhaltspunkt, um ihn vermuthungs weise
1) S. Hall, Pref. p. 15.
•^) S. Hall, Pref. p. 15 Anm., 22 Anm. f.
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einem der beiden in Betracht kommenden Systeme zu vin- diciren. Mir sind nur zwei den Namen Värshaganya's tragende Citate begegnet, die beide nicbt erkennen lassen, ob das Werk, dem sie entstammen, ein Sämkhya- oder Yoga- Lehrbuch gewesen ist. Das erste Citat findet sich im Yogabhäshya III. 52 am Ende und enthält eine Polemik gegen die Theorie der Vai9eshika's, dass die materiellen Grundursachen, unter denen jene die Atome verstehen, von einander verschiedene Substanzen seien; das zweite steht in der Sämkhya-tattva-kaumudi zu K ä r i k ä 47 und handelt von dem fänftheiligen Nicht- wissen, einem Gegenstande, der sowohl der Yoga- wie der Sämkhya- Philosophie eigen ist.
Unzweifelhaft dagegen gehört in die Reihe der alten Sämkhya- Autoritäten ein Lehrer, von dem uns an einer Stelle berichtet wird, die ich übersehen haben würde, wenn nicht Herr Hofrath Bühl er mich gütigst auf sie auf- merksam gemacht hätte: in Wassiljew's Buddhismus S. 240. Bühl er gebührt auch das Verdienst, die Identität der dort genannten cliinesischen Umschreibung Seng ke lun mit Sämkhya- 9ästra festgestellt zu haben.
In der Biographie des berühmten buddhistischen Lehrers Vasubandhu, die zwischen 557 und 588 ins Chinesische übersetzt worden ist (s. Wassiljew S. 230), finden wir a. a. 0. folgende Legende :
„Neun hundert Jahre nach dem Tode des Buddha „lebte ein Tirthika (Asket) Vindhyaka väsa i); dieser erbat sich von einem in einem See am Fuss des „Berges Vindhyaka (sie) lebenden Drachen das Werk „Seng ke lun, änderte es sei n.e n Ansichten ge- „mäss, kam alsdann nach A y o d h y ä und bat den König „Vikramäditya, ilun zu verstatten, eine Disputation „mit den buddhistischen Geistlichen zu halten. Zu dieser „Zeit befanden sich die grossen Lehrer, wie Manirata, „Vasubandhu und andere in anderen Königreichen ; ein-
«
^) Wohl fehlerhaft für Viudhy aväsaka.
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„ zig B u cl d h a m i t r a , der Lehrer des Vasubaiidhu, war „zurückgeblieben, ein Mann von zwar tiefen Kenntnissen, „aber bereits ausserordentlich alt und schwach ; zur Dispu- „tation herausgefordert, konnte er das von dem Tirthika „Gesagte nicht wiederholen und wurde besiegt. Der König „belohnte den Tirthika; dieser kehrte zu dem Berge „ V i n d h y a zurück und verwandelte sich in eine steinerne „ Säule. Sein Werk Seng kelunist aber bis auf den „heutigen Tag erhalten. Als Vasubandhu nach seiner „Rückkehr diesen Vorgang erfuhr, sandte er aus, um den „Tirthika aufzusuchen; da dieser sich aber in einen „Stein verwandelt hatte, so verfasste Vasubandhu das „Tsi schi tschang schi lun, in welchem er alle
„Sätze des Seng kelun umstiess Nach diesem
„wurde die wahre Lehre (d. i. der Buddhismus) wiederum „hergestellt."
Es ist ohne weiteres klar, dass die Grundlage dieser Legende eine Bedrängving der buddhistischen Religion durch die Sämkhya- Philosophie ist und dass diese Be- drängung nur in einer Zeit möglich war, in der das S ä m - khya- System sich einer besonderen Blüthe erfreute. Unsere Quelle setzt den berichteten Vorgang 900 Jahre nach dem Tode des Buddha an, d. h. verlegt ihn, da die Chinesen in der Zeit, der diese Quelle angehört, für das Nirväna Buddha's nach Beal das Jahr 850 vor Chr. annehmen, in das erste Jahrhundert nach Chr. AVir gelangen damit in der That gerade mitten in die Zeit, die wir alle Ursache haben als die Blüthezeit der S ä m k h y a - Philosophie an- zusehen. Gegen diese Zeitbestimmung wird man nicht ernstlich geltend machen können, dass ein König V i k r a - mäditya im ersten Jahrhundert nach Chr. nicht existirt hat; selbstverständlich handelt es sich in dem chinesischen Text um einen ganz fabelhaften König oder um einen König, dem später der Name V i k r a m ä d i t y a gegeben worden ist.
Der Schwerpunkt unserer Legende liegt in den von mir durch gesperrten Druck ausgezeichneten Worten, die die (Angabe enthalten, dass das Seng ke lun von Vin-
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dhyaväsaka seinen Ansichten gemäss geändert sei. Ich glaube, wir müssen uns hüten, die Bedeutung dieser Nach- richt zu überschätzen, zumal Was siljew seine chinesische Quelle nicht vollständig übertragen, sondern nur auszugs- weise mitgetheilt hat (s. S. 231); wir wissen also nicht einmal, ob der Wortlaut des Originals an dieser Stelle genau wiedergegeben ist. Meines Erachtens können wir in jenen Worten keinen anderen Sinn suchen, als dass Vindhyaväsaka ein vorhandenes Sämkhya-Werk umgearbeitet oder vervollständigt habe. Wenn er das System materiell geändert hätte, so könnte diese That- sache unmöglich in der S am khya -Literatur vollständig unerwähnt geblieben sein, V i n d h y a v ä s a k a ist zweifel- los identisch mit dem Sämkhya- Lehrer Vindhya- väsin, von dem uns zwei Citate neben einander in Bhojaräja's Commentar zum Yogasütra IV. 22 er- halten sind '). Ohne auf die Thatsache besonderes Gewicht zu legen, möchte ich doch darauf hinweisen, dass Vin- dhyaväsin sich hier in einem der wichtigsten Punkte des Sämkhya -Systems, d. h. in Betreff der zwischen Seele und Innenorgan obwaltenden Beziehungen, mit allen andern Sämkhya- Lehrern in voUer Uebereinstinmiung befindet. Im übrigen spielt der Mann in der Geschichte des Sämkhya gar keine Rolle; gegen die Buddhisten mag er sich mit Heftigkeit gewendet haben und diesen unbequem geworden sein; aus der angeführten buddhis- tischen Notiz aber zu scliliessen, dass er ein Reformator des Sämkhya- Systems gewesen sei oder an demselben einschneidende Aenderungen vorgenommen habe, würde mir bei dem Mangel weiterer Nachrichten über diesen Gegenstand übereilt erscheinen.
In unseren S ä m k h y a - Schriften werden mehrfach alte Autoritäten des Systems (Sämkhya -vrddhäh, vrddliäh , Sämhhyäcäryäh , 'purvdcäryäli , dcärydh) Qx\Axi\ Sämkhya-tattva-kaumudi Einl. und Comm. zu
1) S. 104 unten in Käjendraläla's Ausgabe.
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Kärikä 9, Conmi. zu Kärikä 33 (S. 558/59, 561, 595 meiner Uebersetzung), Sämkliyasütra V. 31, VI. 30; Aniruddha L 110; Aniruddha und Mahadeva III. 41; VijnänabhikshuII. 32; Mahadeva III. 42. Es wäre bei der Lückenhaftigkeit unserer Ueberlieferung müssig, Yermuthungen darüber aufzustellen, Avas für Namen unter jenen allgemeinen Bezeichnungen verborgen sein könnten.
Vor die Zeit, in der uns Sämkhy a-Lehren in der Literatur entgegentreten, Mit dasjenige Ereignis«, welches für die Verbreitung unseres Systems von der grössten Be- deutung gewesen ist, die Begründung — oder richtiger gesagt : die literarische Fixirung — der Yoga- Philosophie, Da ich, wie schon oben S. 26 Anm, angedeutet, mit Lassen den Grammatiker und Philosophen Pataüjali für einunddieselbe Person halte, setze ich dieses Ereigniss in das zweite Jahrhundert vor Chr. Der Begriff des Yoga, die Abwendung der Sinne von der Aussenwelt und die Concentrirung des Geistes nach innen, war schon viele Jahrhunderte früher in Indien bekannt und in die Praxis umgesetzt. Ist doch — von anderen Spuren abgesehen — der Zustand der Versenkung von je her in der buddliis- tischen Gemeinde ein hochgepriesener gewesen. Patahjali aber hat die Lehre von der Versenkung in ein System ge- bracht, er hat die Mittel beschrieben um diesen Zustand zu erreichen und auf das höchste Mass zu steigern, auch die übernatürlichen Kräfte behandelt, die als Lohn der Yoga- Praxis gelten. Die metaphysische Grundlage dieser mystischen Theorien ist fth- Patahjali die Sämkhya- Philosophie, deren Lehren er sich in einem LTmfange zu eigen gemacht hat, dass sein System mit Recht in der in- dischen Literatur allgemein als ein Zweig des S ä m k h v a
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bezeichnet wird. Sämmtliche S ä m k h y a - Anschauungen von principieller Bedeutung, mit Ausnahme der Gottes- leugnung, sind in das Yoga- System übergegangen, und die Einfügung des persönlichen Gottes, die später den
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Charakter des Systems in entscheidender Weise bestimmte, ist — nach den Yogasütra's zu urtheilen — zunächst in ganz lockerer äusserlicher Weise vorgenommen worden, ohne dass dadurch der Inhalt und das Ziel dieser Philoso- phie irgendwie verändert wurde. Man kann geradezu sagen, dass die Yogasütra's I. 23 — 27, IL 1, 45, die von Gott handeln, ausser Zusammenhang mit den übrigen Theilen des Lehrbuchs stehen, ja den Grundlagen des Systems widersprechen. Das Endziel mensclilichen Strebens ist nach dem Lehrbuch nicht die Vereinigung mit oder das Aufgehen in Gott, sondern einfach, wie in der Säm- k h y a - Philosophie, die absolute Isolirung (kaivalya) der Seele von der Materie. AVeun L. v. S c h r o e d e r (Indiens Literatur und Cultur S. 687) sagt : „ der Yoga trägt durchaus „einen theistischen Charakter; er nimmt einen Urgeist an, „aus welchem die einzelnen Geister stammen u. s. w.", so ist das unrichtig; denn die Einzelseelen sind ebenso an- fangslos, wie die ,besondere Seele' (purusha-viceslia, Y o g a - s ü t r a I. 24), welche ,Gott' heisst. Selbst Deussen's Worte (System des Vedänta S. 20), Patanjali habe das Säni- k h y a - System ,theistisch umgedeutet', gehen etAvas zu weit.
Der Behandlung des Yoga dient eine grosse Reihe von jüngeren U p a n i s h a d ' s, die meines Erachtens sämmt- lich später sind als die Yogasütra's. Es sind die von Weber (Ind. Lit. Gesch/^ 180—183) als die ,zweite Klasse der Atharvopanishad' bezeichneten, ,w eiche die Versenkung in den Atman zum Gegenstande haben.' Wenn schon in diesen Upanishad's, die übrigens nicht frei von Yedänta -Anschauungen sind, die Person Gottes stärker hervortritt, so ist das in noch viel höherem Masse der Fall bei der ,dritten Klasse' (s. Weber, S. 183), den sektarischen Upanishad's, ,welche dem Atman eine der Formen des Vishnu oder Civa substituiren', dabei aber doch im wesentlichen dem Yoga- System folgen.
Was die Yogasütra's, das Hauptwerk der Schule, anlangt, so sehe ich keinen Grund Patanjali's Autor- schaft zu bezweifeln. Der term'lnus ad quem wird zwar
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erst durch das Yogabhäshy a des Vyäsa bezeichnet, den wir — vier Generationen vor ^amkara') — in das siebente Jahrhundert nach Chr. zu setzen haben ; dass aber
1) Vgl. Colebrooke, Mise. Ess.- 1. 93 niiton, Hall, Sänkhya SäraPrL'face89p. Aiim. f, Weber, Ind. Lit. Geseh.2 260. — lieber ^amkara's Lebenszeit (Ende des achten und Anfang des neunten Jahrhunderts) vgl. besonders Deussen, System des Vedixnta S. 36 ff. und Bühler, Contributions to the liistory of the Ma- häbhärata p. 5. Gegen die Annahme Telang's (Indian Antiquary XIII, p. 95 ff.) und Fleet's (Ind. Ant. XVI, p. 41, 42), dass Qamkara .schon um 600 n. Chr. gelebt habe, ist zu bemerken, dass der erstere sieh auf ganz belanglose Punkte bezieht und der letztere auf die Märchen der nepalesischen Chronik, die wahr- scheinlich erst in unserem Jahrhundert verfasst ist. Die Richtig- keit der einheimischen Tradition über Qamkara's Lebenszeit ist durch die beiden neuesten Abhandlungen Path ak's (über Bhar- trhari und Kuniärila im Journal der Royal Asiatic Society, Bombay Branch, und in den Verhandlungen des neunten inter- nationalen Orientalisten-Congresses) über jeden Zweifel erhoben worden. Da mir diese beiden Arbeiten nicht zugänglich waren, hat Herr Hofrath Bühler die Güte gehabt, mir in einem Briefe vom 3. Januar 1892 die Ergebnisse der Untersuchungen Päthak's mitzutheilen : 1) dass Ku märila das Väkyapadiy a desBhar- trhari (650 n. Chr.) citirt und dass er gegen Jai na -Lehrer polemisirt, die um 700 n. Chr. gelebt haben, sowie dass deren Schüler gegen Kumarila polemisireu, woraus folgt, dass er kurz nach 700 geschrieben hat; 2) dass Qarnkara den Kumarila erwähnt und citirt, mithin später als 750 gelebt haben muss. Man hat an der Tradition, die berichtet, dass Qanikara 788 geboren und 820 gestorben sei, Anstoss genommen, weil der grosse V e - dänta- Lehrer danach nur 32 Jahrj alt geworden wäre und in einem so kurzen Leben unm(>glich seine zahlreichen grossen Werke verfasst haben könnte. Schon Burgess, Ind. Ant. XI, p. 263 hat deshalb die Vermuthung ausgesprochen, dass eines der beiden Daten sich nicht auf die Geburt oder den Tod ^ainkara's, sondern auf den Anfang oder das Ende seiner wissenschaftlicbtu Thätigkeit (active career) beziehe. Ueber diesen Punkt schreibt mir Herr Hofrath Bühl er folgendes: „Das traditionelle Datum ist „absolut von Absurdität frei, wenn man die Angabe über Cam- „kara's Geburt auf seine geistliche Geburt, d. h. seine Asketen- „weihe (wie Bhandarkai'^'will) bezieht. Das ist ganz unver-
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die Yogasütra's viel älter sind, geht mir aus einem Moment hervor, das meines Wissens bisher unbeachtet ge- blieben ist. Die Yogasütra's sind die einzigen unter den philosophischen S ü t r a ' s , die das System entwickeln, ohne gegen die andern Systeme z upolemisiren. Ich halte sie aus diesem Grunde für älter als die Lehr- bücher der fünf anderen Schulen. Wenn nun Bühl er damit Recht hat, dass er ^abarasvämin's Commentar zur Pürvamimämsä nicht lange nach Beginn unserer Zeitrechnung ansetzt (Uebersetzung des Manu, Einleitung p. CXII) — und die Betrachtung der Sprache lehrt, dass ^abarasvämin weit älter sein muss als Vyäsa — , so würden die gleichzeitig mit einander abgeschlossenen Mi- mämsä- und Vedänta-sütra's etwa in den Anfang oder nicht lange vor den Anfang unsrer Aera fallen. Für die meiner Ansicht nach diesen beiden Sütra's voran- gehenden loffasütra's würde sich uns mithin das Datum des Grammatikers Patanjali als eine durchaus wahr- scheinliche Abfassungszeit ergeben, — ein Gesichtspunkt, der gewiss die einheimische Tradition, dass der Grammatiker Pataüjali der Verfasser der Yogasütra's gewesen sei, nachdrücklich unterstützt.
Ein näheres Eingehen auf die Y o g a - Literatur muss ich mir hier versagen, weil dieser Gegenstand eine be- sondere Abhandlung verlangt und verdient. Die rein philosophische Seite des Systems ist in klarer Weise von Paul Markus erörtert worden in seiner Doktor- dissertation (Leipzig 1886).
Da das Yoga- System fast alle die Elemente enthält, die dem Sämkhya eigen sind, ist es nicht immer mög- lich zu entscheiden, welches der beiden Systeme in der
„fänglich, da ähnliche Ausdrücke bei den Buddhisten, Vishnuiten „und Qiviten oft vorkommen. In der C i n t r a - Inschrift (Epigraphia „ludica I. p. 282, Vers 20) heisst es, dass Välmikirä^i seine „Greburt aus den Lotushänden [des Kärttikarä§i] erhielt (tena sva- „hasta-kamalä-^nugrMta-janmä)."
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brahmanischen Literatur da, wo wir charakteristischen Sämkhya- Lehren begegnen, seinen Einfluss aasgeübt hat. Wenn ich im Folgenden dazu übergehe, die uns dort erhaltenen Quellen des Sänikhya- Systems im engeren Sinne zu besprechen, werde ich der Sicherheit halber den Kreis meiner Betrachtungen eher zu weit als zu eng ziehen.
Zunächst haben wir unsere Blicke auf die ersten der oben S. 22 angeführten U p an ish ad- Stellen zu richten. Wir findeii hier nirgends die Lehren der Sämkhya- Philosophie im Zusammenhange entwickelt, sondern nur Bruchstücke des Svstems in Vermischung mit Vedänta- Lehren, zum Theil auch mit mythologischen Anschauungen; doch genügen diese Stellen — die wichtigste ist Maitri Up. VL 10. — um uns erkennen zu lassen, dass sich das Sämkhya -System zur Zeit der Entstehung der in Be- tracht kommenden U]Danishad's in den grundlegenden Ideen nicht von dem in den späteren Lehrbüchern uns entgegentretenden System unterschieden hat. Li der 9vetä9vatara L^^p. begegnet uns YL 13 bekanntlich schon die in Zukunft so beliebte enge Verbindung von Sämkhya- und Yoga- Lehren, die selbst sprachlich durch das Compositum sdinhhya-yoga zum Ausdinick ge- bracht wird. Bei dieser Vereinigung wird von Anfang an mit yoga nicht bloss die contemplative, sondern auch die moralische Seite hervorgehoben sein, die im Sämkhya- Sy.stem zu kura gekommen ist ^). In der Bhagavadgitä (besonders im dritten und fiiuften Gesang) ist yoga geradezu die Lehre vom pflichtgemässen Handeln, sämkhya die ab- strakte Theorie von der richtigen Erkenntniss.
Wohl gleichzeitig mit einem Theü derjenigen üpani- shads, von denen ich soeben gesprochen, ist das Gesetz- buch des Manu in der Form, wie es endgütig festgestellt
1) Vgl. Yogasütra H. -30.
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ist; denn Bühl er hat mit gewolintem Scharfsinn in der Einleitung zu seiner Uebersetzung des Werkes wahrschein- lich sremacht, dass die untere Grenze für unsern Manu- Text das zweite Jahrhundert nach Chr. ist ^) : und alles spricht dafür, dass die wirkliche Zeit der Redaktion dem terminus ad quem nicht fern gelegen hat. Die Stellen nun, in denen Manu sich auf Lehren der Sämkhya- Philosophie stützt (I. 11, 14—20 und in grossen Partien des zwölften Buches) zeigen stärkere Abweichungen von unserm System als die eben erwähnten Upanishad's. Reine S ä m k h y a -Doctrin tritt uns in der Lehre von den drei Guna's XIL 24—52 entgegen, im Anschluss woran Y. 53—81 die Theorie der Sündenvergeltung durch Wieder- geburt in niederen Organismen im Einzelnen entwickelt wird; ferner in dem, was XU. 85 über die Erlösung und Vers 105 über die drei Erkenntnissmittel gesagt ist. Dieser letzte Punkt, die übereinstimmende Annahme von nur drei Quellen der Erkenntniss, ist um so bedeutungsvoller, als Manu ebenso wie die S ä m k h y a - Philosophie besonderen Werth auf die Schlussfolgei-ung legt-). Andere Stellen des Gesetzbuches dagegen, die Beziehungen zu unserem System haben, namentlich die eben angeführten Verse des ersten Buches und XII. 14, sind ganz verworren und auch durch die neuen vortrefflichen Uebersetzungen von Burnell und Bühl er nicht zu befriedigender Klarheit gebracht worden. Und dann befinden sich hier die Sämkhya- Lehren in einer solchen Vermischung mit Mimämsä- Lehren (s. XII. 88, 90, 107, 116, wo auch dem ,Werk' er- lösende Kraft zugeschrieben wird), mit Ve da nta- An- schauungen (s. z. B. Xn. 91, 102, 118, 125) und mit populären mythologischen Vorstellungen, dass die gewöhn- liche Meinung, Manu's Gesetzbuch stehe ganz auf dem
1) S. jedoch die Besprechung von E.W.Hopkins in den Pro- ceedings of the American Oriental Society, May lrf»7, p. XLVIIl ff.
2) S. Johaentgen, Ueber das Gesetzbuch des Manu S. 63, und in diesem Werke unten, Zweiter Abschnitt I. 4.
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Boden der S am khya- Philosophie, zum mindesten einige Einschränkung verdient. Der Grad von Berücksichtigungr, welcher den Sämkhya- Ideen bei Manu erwiesen wird, erklärt sich daraus, dass die letzte Redaktion des Gesetz- buches — mag sich das Datum auch noch etwas verschieben — unter allen Umständen in der Blüthezeit des Sämkhya- Systems vorgenommen wurde. Da das Wort sämkhya in dem Texte des Manu nicht vorkommt, sollte man viel- leicht wegen der ausgesprochen theistischen Grundlage des AVerkes eher von einem Zusammenhang mit der Yoga- Philosophie reden. Jedenfalls, glaube ich, wird heute Nie- mand mehr der Ansicht Johaentgen's beipflichten, die dieser in seiner für ihre Zeit verdienstvollen Schrift ,Ueber das Gesetzbuch des Manu' (Berlin 1863) vertritt, dass uns nämlich in dem berühmten Gesetzbuch eine ältere und ur- sprünglichere Form der Sämkhya- Philosophie, resp. der Keim des eigentlichen Systems, erhalten sei. Wie schon Coleb rooke (Mise. Ess.- I. 249) und nach ihm besonders Burnell (Manu p. XXII) betont hat, stehen die Säm- khya-Lehren in dem Gesetzbuch ganz auf der Stufe des mythologisch umgedeuteten Sämkhya- Systems , wie es uns in der P u r ä n a - Literatur entgegentritt
Auch die anderen Gesetzbücher sind in bemerkens- Averther Weise von Sämkhya -Lehren beeinflusst. Herr Prof Jolly hatte die Freundlichkeit, mir mitzutheilen, dass aus der weiteren juristischen Literatur in erster Reihe die Vishnusmrti in Betracht konunt, und mich auf die folgenden Stellen aufinerksam zu machen Im Anfang von Adhyäya 97 wird die Verschiedenheit der Seele von den 24 materiellen Principien behandelt, und auch sonst ist dieser Abschnitt von Sämkhy a-Ideen durchdrungen (vgl. die drei Guna's in V. 16). In Adhyäya 96, wo die Pflichten des Asketen aufgeführt sind, finden wir — übrigens ähnlich wie in anderen Gesetzbüchern — von Vers 25 an die pessimistischen Betrachtungen, denen sich der Bliik- shu widmen soll; und diese Betrachtungen sind voll von Anklängen an den Pessimismus der Sämkhy a- Philo-
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Sophie 1). Einen andern Anlass zu solchen Erwägungen bieten die Bestattungscerenionien (Adhy. 19—22). Dass von den aus Adhyäya 20 uns hier angehenden Versen 22 ff. einer, nämlich V. 25, sich fast wörtlich in Gauda- päda's Commentar zur Sämkhyakärikä 2 wieder- findet, darf uns als ein äusserer Beweis für den hier ob- waltenden Zusammenhang gelten. Vgl. übrigens hierzu Manu VI. 61-64, 76—78, Yäjnavalkya EL 8—11.
Leider sind wir noch immer nicht in der Lage die Schlussredaktion des Mahäbhärata mit Sicherheit zu datiren; doch habe ich schon oben S. 34 angeführt, dass als untere Grenze für dieselbe das fünfte Jahrhundert mit der unbezweifelbaren Gewissheit feststeht, die auf diesen dunkeln Gebieten allein die indische Inschriftenkunde zu gewähren vermag-). Dass das Mahäbhärata — und
1) S. die Einleitung zu meiner Uebersetzung der Säinkhya- tattva-kaumudi S. 523, 524.
-) Für die Feststellung der oberen Grenze ist ein Gesichtsjiunkt von Bedeutung, den Weber in seiner interessanten Schrift „Ueber Bähli, Bäblika" (in den Sitzungsberichten der Königlieh Preus- sischen Akademie XLVII, S. 987, 988) hervorgehoben hat. Er sagt daselbst, „dass die Entstehung der Namensform Bahr, Bähl „zur Bezeichnung von Baktra nicht wohl über Christi Geburt „zurückversetzt werden kann, dass sie resp. ausserhalb Indiens zu- ,,erst in der Avesta-Uebersetzung der Parseu des vierten Jahrh. ,, nachweisbar ist. Da nun immerhin doch auch noch ein gewisser „Zeitraum für die Herüberkunft dieser Namensform nach Indien ,,anzunehmen ist, so dürften sich hiernach die ersten vier Jahr- ,, hunderte n. Chr. als die denkbar früheste Zeit hierfür ergeben. „Alle indischen Texte somit, resp. Stellen darin, welche den Namen ,,in der Form Vähli (B"), oder hieraus weiter gebildete Wörter, wie „Vähläyana (B^), Vählika(B'^') enthalten, verfallen somit dem Ver- „dict, nicht in eine frühere Zeit gesetzt werden zu können." Zu diesen Werken gehört in erster Reihe das Mahäbhärata, in dem die Bählika oftmals genannt sind. — In ein neues Stadium ist die Frage nach dem Alter des Mahäbhärata durch ßühler's grund- legende Contributions to the history of the Mahäbhärata (Wien 1892) gerückt. Die Ergebnisse dieser gelehrten und scharfsinnigen Untersuchungen sind S. 26, 27 in folgenden Worten zusammen-
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insbesondere das (erst der Sclilussredaktion angeliörige) zwölfte Buch desselben — voll von S ä m k li y a - Lehren ist, dass Avir hier zum ersten Mal in der indischen Literatur diese Lehren im Zusammenhang entwickelt finden, ist be- kannt. Wir können geradezu sagen, dass in dem interes- santen Mokshadharma- Abschnitt, der religionsgescliicht- lich noch nicht genügend gewürdigt ist, das Sämkhya die Hauptrolle spielt. Bhishma nennt in seiner Be- lehrung Yudhishthira's XIL 11101 die Sämkhya- Philosophie dasjenige System, „in welchem keinerlei Irr- „thümer erscheinen, dem viele Vorzüge eigen sind und „kein einziger Fehler", und Vers 11197, 98 sagt er: „Es „giebt keine Erkenntniss, die dieser gleich ist. Darüber „sei kein Zweifel: die Erkenntniss des Sämkhya ist die „höchste Lehre, ist unvergänglich und ewig"; (vgl. auch noch die folgenden Verse, besonders 11205, 6). In ähn- licher Werthschätzung wird das System in der Bhaga- V a d g i t ä gehalten, in der Gott X. 26, wie er sich mit dem ersten jeder Art identificirt, von sich sagt: „Ich bin unter den Heiligen der Seher Kapila"; womit die bemerkens- werthe Thatsache übereinstimmt, dass der Verfasser der theistischen Bhagavadgitä in weitem Umfange die Anschauungen unseres ausgesprochen atheistischen Systems vertritt.
Wenn wir nun auch in dem grossen Epos die ältesten, wirklich als solche zu bezeichnenden Quellen vor uns haben und mithin von vorn herein geneigt sein werden die Wichtigkeit derselben sehr hoch anzuschlagen, so verringert sich diese Bedeutung bei näherer Betrachtung; denn wir
gefasst: "The rrsults of the preceding enqiiiry are sufficient to "Warrant the assertiou that the Mahäbhärata certainly was a "Smriti or Dharmasästra from A. D. 300, and that about A. D. "500 it certainly did not differ esscntially in size and in charaeter "from the present text. Further researches, I must add, will in "all probability enable us to push back the lower limits, which "have been thus established provisionally, by four to five centuries "and perhaps even further."
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sehen bald, dass diese Quellen, welche der Zeit nach unseren systematischen Sämkhya- Schriften vorangehen, der Idee nach denselben Rang nicht beanspruchen können. Die Verhältnisse sind, wenn auch das Sämkhya im Mahäbhärata in etwas grösserer Klarheit auftritt, im Princip doch dieselben wie bei Manu's Gesetzbuch.
Ich glaube behaupten zu dürfen, dass fast jede Einzel- heit — selbst des Ausdrucks — , die uns in den syste- matischen S ä m k h y a - Schriften begegnet, auch irgendwo in den wüsten Massen des gewaltigen Epos erwähnt ist ^). Um nur ein paar entlegenere Dinge anzufiihren, will ich bemerken, dass die (schon eine recht schulmässige Aus- bildung des Systems Toraussetzende) Lehre von den 8 ^ra^r^i und 16 mkära in Sämkhyakärikä 3 sich be- reits im Mahäbhärata XE. 11396 und 11552 ff. vor- findet, und dass ferner die Theorie von der Siebzehnthei- ligkeit des inneren Körpers (Imga-qarira) in Sänikhya- sütra III. 9 uns Mbh. XU. 13756 entgegentritt. Sobald wir aber im Mbh. Abweichungen von dem in der Kärikä und in den Sütra's gelehrten antreffen, erweisen sich diese Abweichungen — grösstentheils auf den ersten Blick, jedenfalls aber bei näherer Betrachtung — als sekun- därer Natur. Die Einschiebung des jnäna ,des Erkennens' z. B. zwischen die Urmaterie und die Ivddhi XII. 7449, 7450 ist deshalb so zu beurtheüen, weü wir mit jnäna gar keinen neuen Begriff in der Reihe der Principien erhalten ; diese Einschiebung hatte an jener Stelle die Eliminirung des aharnkära zwischen buddhi und manas zur Folge, da die aUgemein anerkannte Zalil 25 (vgl. XII. 11403, 410, 411, 480, 12888) nicht überschritten werden durfte. Wenn XII. 12681 und 13035 die Entstehung der Urmaterie aus dem Ätman gelehrt wird, so steht dieser Gedanke mit den
1) Nur die wunderliche pedantische Lehre von den einzelnen Formen der acahti, tushti und siddhi, von der im dritten Abschnitt II. 10 gehandelt werden wird, erinnere ich mich nicht im Mahä- bhärata angetroffen zu haben.
Garbe, Sämkhya-Philosophic. 4
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Voraussetzungen und dem Endzweck des Systems in schi'offem Widerspruch; denn die Erkenntniss der absoluten Ver- schiedenheit von Materie und Geist ist das einzige Mittel zur Erlösung. Wie könnten wir dem Begründer des Systems zutrauen, dass er jene beiden Dinge als wesens- verschieden und zugleich eines als Produkt des andern erklärt habe! Die Sämkhya- Lehre ist ihrer Natur nach dualistisch, und an den vereinzelten Stellen des M a - häbhärata, an denen dieser Dualismus durch die Auf- stellung eines einzigen Grundprincips aufgelöst wird, liegt nicht etwa eine ältere Form unseres Systems vor, sondern eine spätere Entstellung. Das gleiche gilt von den Ab- schnitten, die das materielle Grundprincip der Särakhya's personificiren. XII. 6776, 77 wird dieses Grundprincip, die QueUe des mahant^ aus dem hinwiederum der ahamkära hervorgeht — es ist also die Sämkhya- Basis des Ab- schnitts nicht zu bezweifeln — , als avyakto devah bezeichnet; Vers 7874 und sonst wird dieser avyakta mit Vishnu iden- tificirt, und Vers 11636 erhält bhagavant das Epitheton avyakta-rüpa, das zwar an sich ,von nicht-wahi-nehmbarer Gestalt' bedeuten könnte, aber an dieser Stehe, wo von den drei Guna's der Urmaterie (pradhäna) die Rede ist, so nicht aufgefasst werden kann. Seiner Idee nach und ursprünglich ist avyakta ,das Unentfaltete' unzweifelhaft ein Neutrum, und als solches erscheint es stets in der technischen Ausdrucksweise der systematischen Sämkhya- Schrifben. Wenn man im Mahäbhärata daraus hie und da ein Masculinum und eine götthche Person gemacht hat, so müssen wir hier genau denselben Vorgang erkennen, wie bei der Entstehung des männlichen Gottes B r a h - man, in dem man mit Recht eine volksthümliche Personi- ficirung des auf spekulativem Wege gewonnenen neutralen Brahman-Begriflfe erbhckt. Was für den Vedänta als richtig erkannt ist, muss auch für die Sämkhya- Philo- sophie gelten.
Wie die Urmaterie, so werden auch schon im Mahä- bhärata die nächstfolgenden materiellen Principien, buddhi
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und ahamJmra (z. B. XII. 6777, 80) in ähnlicher Weise individualisirt ; es zeigen sich also in dem Epos schon dieselben Tendenzen wie in den P u r ä n a ' s , einer Literatur- gattung, die überhaupt zeitlich wie inhaltlich mit dem Mahäbhärata in näherer Vei'bindung steht, als heute gewöhnlich angenommen wird. Findet sich doch schon bei Camkara^) eine ganze Reihe von P u r ä n a - Citaten. So wenig Jemand geneigt sein wird bei einer Darstellung der S am khya- Philosophie die Zeugnisse der Puräna's über die unserer systematischen Schriften zu stellen, ebenso wenig vermag ich denen des Mahäbhärata — es kommen im wesentlichen die Bhagavadgitä und der M oks ha dh arm a- Abschnitt in Betracht — einen Vorrang zuzuerkennen. Die Vermischung der distinktiven Säni khya -Lehren mit pantheistischen Ideen und die mythologische Personificirung der materiellen Grundbegriffe
1) Auch die Polemik, die dieser berühmte Vedänta- Lehrer gegeu das Sä in khya übt, ist imter die Quellen unseres Systems zu rechnen. Schon die Brahmasütra's, die wir oben (S 43) gegen den Anfang unserer Zeitrechnung glaubten ansetzen zu müssen, berücksichtigen die Säinkhya- Lehre mehr als irgend ein anderes System, woraus Deussen (System des Vedänta S. 23) mit Recht schliesst, dass das Sämkhya zu Bädaräyana's Zeit in hohem Ansehen stand. Wenn auch die Brahmasütra's weder imser System mit Namen nennen noch sich der technischen Aus- drücke desselben bedienen, so ist doch wegen der Uebereinstimmung, mit der die zahlreichen Commentare zu den Brahmasütra's die von Deussen a. a. 0. genannten Stellen als gegen die Särakhya- Philosophie gerichtet bezeichnen, kaum ein Zweifel darüber möglich, dass jene Stellen wirklich diesen Sinn haben. Ihr Wortlaut an sich fi-eüich könnte hie und da auch alles mögliche sonst besagen. Die Polemik Qamkara's gegen die Sämkhya- Lehren ist im allgemeinen recht dürftig. Im Wesentlichen leitet er seine Gründe gegen dieses System aus der , Schrift' ab und deutet dazu noch die technischen Sämkhya- Ausdrücke, die sich in derselben finden, fort; auch wo er sich auf , Vernunftgründe' einlässt (11. 2, 1 fi".), kann man nicht sagen, dass der ,grosse Vedantist' nait Glück
operirt.
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des S ä m k li y a - Systems ist im Mahäbhärata so gut wie in den Puräna's etwas unursprüngliches. Eine detaülirte Feststellung der Differenzen, die zwischen dem S ä m k h y a des Mahäbhärata und dem der speziellen Literatur des Systems bestehen, ist für unsere Zwecke unnothig, da die Abweichungen des Epos in keiner Hin- sicht die Priorität des Gedankens beanspruchen können. Die Darstellung der Särnkhya- Philosophie muss auf die Kärikä und die Siitra's gegründet werden, und wenn wir die Erklärungen der Commentatoren zu diesen beiden Werken richtig benutzen und die individuellen Anschau- ungen der einzelnen Ausleger sowie die aus dem Vedänta, Yoga und Vai^eshika-Nyäya eingedrungenen Ele- mente auszuscheiden wissen, so können wir sicher sein, ein richtiges Bild von dem Sämkhya-System, wie es von Hause aus beschaffen war, zu gewinnen. Unurspiüng- liche Abweichungen von der echten Särnkhya- Lehre sind natürlich im Verlaufe meiner Darstellung überall als solche gekennzeichnet worden.
Wir sind hier in unserer historischen Betrachtung der sich mit dem Särnkhya beschäftigenden Werke an die eigentliche Literatur des Systems gelangt; doch möchte ich noch, bevor ich auf diese eingehe, im Anschluss an das Mahäbhärata kurz bemerken , was ich über den Einfluss des Särnkhya auf die Puräna's und auf die indischen Sekten zu sagen habe.
Ich kann die Stellung unseres Systems in der Puräna- Literatui" nicht besser als mit W i 1 s o n ' s Worten charakte- risiren (Visbuu Puräna translated, ed. by F. E. Hall, L p. XCIV ') : "The course of the elemental creation is, in the "Vishnu, as in other Puränas, taken from the Sänkhya pliilo- "sophy; but the agency that operates upon passive matter
1) Vgl. auch p. XII, XIII: "They d. h. die Puräna's; combine "the interposition of a creator with the indepeudent evolution of "matter, in a somewhat contradictory and unintelligible style."
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"is confüsecUy exhibited, in consequence of a partial adoption "of the illusoi7 theory of tlie Vedänta philosophy, and the "prevalence of the Pauränik doctrine of pantheism. How- "ever incompatible with the independent existence of Pra- "dhäna or crude matter, and however incongruous with "the separate condition of pure spirit or Purusha, it is "declared, repeatedly, that Vishnu, as one with the supreme "being, is not only spirit, but crude matter, and not only "the latter, but all visible substance, and Time." Eine Ergänzung hierzu liefert die Bemerkung Coleb rooke's (Mise. Ess.2 I. 254), dass die Bvddhi oder das Matiat von dem mythologischen Sämkhya 'with the Hindu triad of Gods' identificirt werde. Coleb rooke führt zum Beleg eine Stelle aus dem Matsya Puräna an, die "after de- "claring that the great principle is produced 'from modified "nature', proceeds to affirm, that the great one becomes "distinctly known as three Gods, through the influence "of the three qualities of goodness, foulness, and darknesss i); "'being one person, and three Gods' (ekd mürtis trayo ^^devdk), namely, Brahma, Vishnu, and Maheswara. In "the aggregate it is the deity; but, distributive, it apper- "tains to individual beings."
An diesen beiden Stellen -) sind die fiir das Verhältniss der Sämkhya- Philosophie zu den Puräna' s charak- teristischsten Züge zusammengefasst : die unklare Um- deutung der wichtigsten Begriffe des Systems, ihre Identi- ficirung mit den Hauptgestalten der Volksreligion und die Verbindung dieser Elemente mit vedantistischen Lehren, insbesondere mit der Theorie von der kosmischen Illusion (mdyä). Wir sahen oben, dass solche Vorstellungen sich
1) Zur Sache vgl. noch Vijnänabhikshu zum Säinkhya- sütra VI. 66.
2) Mit denen noch zu vergleichen ist Banerjea, Einleitung zur Ausgabe des Märkandeya Puräna (Bibl. Ind., Calcutta 1862) S. 13—15 und Nilmani Mukhopädhyäya Nyäyälan- kära, Einleitiing zur Ausgabe des Kürma Puräna (Bibl. Ind., Calcutta 1890) S. XIII.
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bereits im Mahäbhärata entwickeln, und dürfen diese schon dort mit demselben Rechte P u r ä n i s c h e s S ämkhy a nennen, mit dem Colebrooke und Burnell diesen Namen auf die S ä m k h y a - artigen Bestandtheile von Manu's Gesetzbuch angewendet haben. Wenn übrigens Colebrooke (Mise. Ess. ^ I. 249) dieses Pauränika S ä m k h y a geradezu als eine besondere Schule neben dem atheistischen Sämkhya Kapila's und dem theistischen Patahjali's (d. h. dem Yoga-System) bezeichnet, so scheint mir damit diesem Gemengsei verschwommener und verschobener Begriffe zu viel Ehre angethan zu sein; so viel mir bekannt ist, hat auch in Indien das Pauränika Sämkhya nicht den Anspruch erhoben ein besonderes System (darcana) zu sein.
Colebrooke sagt an der eben angeführten Stelle, dass in verschiedenen Puräna's, wie in dem Matsya, Kürma und Vishnu Puräiia, die Kosmogonie in Uebereinstimmung mit dem (Puränischen) Sämkhya entwickelt werde. In der That aber reicht der Einfluss des Sämkhya- Systems in der P u r ä n a - Literatur viel weiter; und ich zweifle, ob selbst Burnell's Behauptung (Uebersetzung des Manu, XXII, Anm. 4): "Nearly half the existing Puräiias, including tlie oldest, follow tliis System" den Kreis weit genug zieht, da ja auch diejenigen Puräna's, welche stärkere Vedänta- als Sämkhya- Färbung aufweisen, wie das Bhägavata Puräna^), hier mit in Betracht kommen.
Wenn ich erst nachträglich eine andere Besonderheit des Purä irischen S ä m k h y a erwähne, nämlich die Auf- fassung des Purusha als des männlichen und derPrakrti als des weiblichen Schöpfangsprincips -), resp. die Identifi- cirung der Prakrti mit weiblichen Gottheiten, so ge- schieht dies, weil dieser Punkt das wesentlichste Bindeglied
') Vgl. Wilson, Vishnu Puräna translated, ed. by F. E. Hall, I. p. XLI.
2) S. schon Mahäbhärata XII. 11328 ff.
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zwischen der P u r ä n a - und der späteren T a n t r a - Literatur ist. DieTantra's, eine von Aberglauben, Beschwörungen und Zauberformeln strotzende Schriftenklasse, huldigen dem Kulte des ^iva und namentlich seiner Gattin Durgä (Pärvati, Devi, Bhairavi, Umä); sie verehren in dieser Göttin die gahti^ d. h. die schöpferische Kraft und Energie des Gottes, die mythologisch als eine Hälfte seiner Person aufgefasst wird. Der ^'akti-Kult bildet allerdings bereits den Gegenstand mehrerer ^i va-sektarischer Upa- nishad's (s. Weber, Ind. Lit. Gesch.- 189), ist aber zu seiner für das religiöse Leben des indischen Volkes ver- hängnissvollen Bedeutung erst in den Tantra's ent- wickelt. Die 9 a k t i -Diener (Qäkfa) sind die ausschweifendste aller indischen Sekten geworden, scheinen aber, Avenn sie sich in der Neuzeit bei ihren Ceremonien einer nackten Frau als des Sinnbilds der ^akti bedienen, sich noch dessen bewusst zu sein, dass ihr Kultus aus der Lehre K a p i 1 a ' s von der schöpferischen Urmaterie abgeleitet ist ^). Aber nicht bloss die ^äkta's, sondern auch andere ^ivitische Sekten, die Mähegivara's und die Pä9upata's, sind in ihren Lehren stark von der Säiiikhya- Philosophie beeinflusst, wie bereits von Coleb rooke, Mise. Ess.^ L 430 ff. festgestellt ist ^j ; insbesondere die Pägupata's stehen in ihrer Aufzählung der materiellen Principien ganz auf dem Boden der S am khya- Philosophie. Ferner hat auch der Vishnuismus, der im Uebrigen auf dem Vedänta fusst, nicht dem Eindringen von Sämkhya- Elementen Widerstand geleistet; die Sekte der Mädhva's, von Anandatirtha, einem Commentator der Brahma- sütra's, (gegen 1200 nach Chr.) gestiftet, bekennt sich
^) Pratäpa Chandra Ray sagt in seiner Uebersetzung des Mahäbhärata, Qänti Parva Vol. 11, p. 146, 147 Anm.: "Women, "in almost all the dialects of India derived from Sanskrit, are "commonly called Prahriti or symbols of Prahriti, thus illustrating "the extraordinary popularity of the philosophical doctriue about '■'Prahriti and Purushay
2) S. auch Barth, Religion» of India« 198.
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zu einem Dualismus von Materie und Geist, der seine Sämkhya- Abstammung deutlich verräth ^). Barth findet Spuren dieser dualistischen Weltanschauung allerorts in den vishnuitischen Schriften und kommt zu dem Schluss: "We cannot doubt that there existed early a Vishnuism with a Sämkhya metaphysics". Ich wage es nicht zu ent- scheiden, ob wir wirklich zu einem solchen Schlüsse be- rechtigt sind, möchte aber die Vermuthung äussern, dass dieser ,alte Vishnuismus mit einer Sämkhya- Metaphysik' die Religion der Bhägavata-Pä&carätra gewesen ist, die sicher weit in vorchristliche Zeit hinaufreicht und sowohl Sämkhya- wie Yoga- Lehren in sich aufgenommen hat "-) ; denn es ist bekannt, dass der ursprünglich unbrahmanische Monotheismus der Bhägavata's nach seiner Brahmani- sirung vishnuitische Gestalt angenommen hat.
Doch genug! Wir sehen, dass von dem Anfang unserer Zeitrechnung an bis auf die neueste Zeit das ge- sammte philosophische und religiöse Leben des indischen Volkes von Sämkhya -Ideen beeinflusst ist. In dieser Hinsicht steht an Bedeutung unser System nur der Vedänta- Philosophie nach '^). Einzelne Anschauungen des Sämkhya, wie z. B. die Theorie von den drei G u n a ' s , sind geradezu Gemeingut der ganzen Sanskrit-Literatur geworden, soweit sie Berührungspunkte mit solchen Gedanken hat. Auch glaube ich die sonderbare VorKebe für ZalJen, die sich in den Lehrbüchern fast aller Disciplinen, in den Werken über Poetik, Politik, Medicin, Jurisprudenz u. s. w. beobachten lässt, auf den Einfluss des Sämkhya- Systems zurück- führen zu dürfen.
1) Vgl. Barth, ebendaselbst S. 195.
') Vgl. Lassen, Indische Alterthumskunde - II. 1123.
^) Dass das Sämkhya -System in Indien heutzutage, wo Vedänta und Nyäya die anderen Systeme fast ganz aus dem Lehrplan der höheren Schulen und des privaten Unterrichts ver- drängt haben, nur noch verhältnissmässig wenig studirt wird, beweist natürlich nichts gegen den Einfluss, den die Sämkhya- Philosophie mittelbar auch auf das moderne Geistesleben des Landes noch ausübt.
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Noch heute nehmen die alten S ä m k h y a - Leln-er in der Rshitarpana- (oder Pitrtarpana-)Ceremonie eine Stellung ein, die keinem auch noch so berühmten Weisen der Vorzeit sonst eingeräumt wird. Sie allein werden ausser den Göttern bei der täglichen Wasserspende angerufen. Jeder Brahmane in Indien giesst Tag für Tag zuerst mit dem Gesicht nach Norden gewendet Wasser als eine Darbringung für die Götter zur Erde, darauf wendet er sich nach Osten, lullt die zusammengelegten Handflächen zweimal mit Wasser und lässt es unter Recitirung des folgenden Spruches herabfliessen, dessen zwei erste Zeilen schon von Gaudapäda am Anfang seiner Einleitung zum Commentar zur Sämkhyakärikä und an den anderen oben S. 35 genannten Stellen (mit mehrfacher Umstellung der Namen) angeführt werden:
Sanahag ca Sanandac ca trtiyag ca Sanätanah \ Kapilae cd 'surig cai 'va Vodhuh Pancagiklias tathd j sarve te trptim äyäntu inad-dattenä 'mhunä sadä || „Sanaka, Sananda und Sanätana als dritter, Kapila und „Äsuri, Vodhu und Panca9ikha, sie alle mögen immerdar „herbeikommen, sich an dem von mir dargebrachten Wasser „zu laben !"^) Dass diese den Grhyasütra's noch nicht bekannte Form der Ceremonie mit der Beschränkung auf die Sämk h y a- Lehrer nur in den ersten Jahrhunderten nach Chr. entstanden sein kann, in denen das S ä m k h y a - System dem indischen Volke mehr galt als irgend ein anderes, liegt auf der Hand. Auch in diesem Falle hat, wie es zu gehen pflegt, der Ritus unverändert die Umgestaltung der Vor- stellungen überdauert.
Wenn ich nun zu der wissenschaftlichen Literatur des S ä m k h y a - Systems übergehe, so will ich zunächst daran erinnern, dass ich bereits oben S. 32 ff. von den bis auf ein paar dürftige Reste verloren gegangenen Werken P a fi c a - 9ikha's — vermuthlich den ältesten LehrlDüchern unseres
1) Vgl. auch Colebrooke, Mise. Ess.^ I. 162.
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Systems — gesprochen habe. Wir finden aber noch Spuren eines weiteren S ä m k h y a - Werkes aus den Zeiten vor der Abfassung der Säiiikhy akärikä, nämlich des Shash- titantra oder des ,Systems der sechzig Begriffe'. Das Werk wird in Kärikä 72 angeführt, und Stellen aus demselben sind von Vyäsa im Yogabhäshya IV. 13 (nach Väcaspatimi^ra's Tikä) und von Gaudapäda zu Kärikä 17 citirt; möglicherweise ist das Shashti- tantra auch von Gaudapäda zu Kärikä 50 unter dem Ausdruck cästräntara ,das andere Lehrbuch' gemeint. Da, wie wir durch das Citat im Yogabhäshya lernen, das Shashtitantra ein metrisches, in (^loka's abgefasstes Werk war ^), werden wir nicht auf die Vermuthung kommen dürfen, dass dasselbe zu den Lehrbüchern PafLca9iklia's gehöre, der nach dem Ausweis seiner Fragmente nur in Prosa geschrieben hat (s. oben S. 32 Anm. 1). Das Petersburger Wörterbuch sieht in dem Worte shashtitantra nicht den Namen eines bestimmten Buches, sondern eine Bezeichnung der S am khya- Lehre überhaupt, wahrscheinlich dadurch verführt, dass man in Indien selbst, nachdem das Shashti- tantra lange verloren war, in dem Ausdruck nicht mehr den Titel eines Werkes erkannt hat. So erklärt die Säm- khya-krama-dipikä in Nr. 70 (Ballantyne, aLec- ture on the Sänkhya Phüosophy, Mirzapore 1850, S. 45) shashtitantra nur für eine Bezeichnung der ,sechzig Gegen- stände' (shashti-paddrthäh) des Systems ^). Wenn aber in den heiligen Texten der Jaina das Satt hitam tarn
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neben dem Kävilam (= skt. Käpilam, was für ein
^) Das Citat bei Gaudapäda ^jmrushädliishtMtam pradhänam pravartate' scheint lückenhaft gegeben zu sein, doch weist das letzte Wort die Quantitätsverhältnisse des Qloka-Schlusses auf. — Zu der ganzen Frage über das Shashtitantra vgl. meine Ueber- setzung der Sämkhya-tattva-kaumudi S. 627, Anm. 3.
^) Ueber welche die vorangehenden Nummern der Säinkhya- krama-dipikä sowie die Verse des Räjavärtt ika in der Sämkhya- tattva-kaumudi zu Kärikä 72 und der Schluss von Näräyana T i r t h a ' s Candrikä zu vergleichen sind.
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S ä m k li 3' a - Werk könnte damit gemeint sein ?) aufgeführt wird ^) , so liegt darin unverkennbar die Kunde aus- gesprochen, dass das Shashtitantra ein besonderes Buch war.
Das älteste uns erhaltene Werk der Sämkhya- Schule ist bekannthch die Sämkhy akärikä des l9vara- krshna, der spätestens im ftinften Jhdt. n. Chr. gelebt haben muss ; denn sein Werk ist schon zwischen Ö57 und 583 ins Chinesische übersetzt worden ^). Daraus folgt natürlich nicht, dass die Kärikä erst im fünften Jahr- hundert verfasst sein muss; es ist mir im Gegentheil wahr- scheinlich, dass ihre Entstehung ein bis zwei Jahrhunderte vor den terminus ad quem föUt.
Die Kärikä behandelt das Sämkhya- System in einer so gedrängten, aber dabei methodisch höchst an- erkennenswerthen Weise, dass wir schon aus ihrer Dar- stellung allein, wenn wir keine anderen Spuren hätten, auf das einstige Vorhandensein älterer Sämkhya- Werke schliessen müssten, die eben durch die Kärikä verdrängt und in Vergessenheit gebracht worden sind. Dass das Werk ursprünghch nur aus 69 Versen bestanden hat, da die Verse 70 — 72 noch nicht von Gau dapä da commentirt sind, ist längst erkannt worden.
Ueber das Verhältniss der K ä r i k ä zu den Sämkhya- sütra's, auf das ich bei der Besprechung des letzteren Werkes unten zurückkommen muss, hat schon Cole- brooke, Mise. Ess. - I. 246 richtig bemerkt: "both .... do not. upon any material point, appear to disagree". Ich möchte aber doch einen Punkt zur Sprache bringen, der mir für die Gescliichte des Systems bemerkenswerth erscheint. Li Kärikä 4, 5 ist zwar als das letzte der drei Erkennt- nissmittel — in Uebereinstimmung mit der schon früher
1) S. Weber, Ind. Lit. Gesch."^ 253, Anm. 249, und M. Müller, Indien in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung S. 315, 316.
■-) S. Telang, Indian Antiquary 1884, S. 102, und Kasawara bei M. Müller, Indien S. 313, 314.
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in der S am khya- Schule geltenden Theorie (vgl. Manu XII. 105) — das äpta-vacana ,der zuverlässige Ausspruch' angeführt; in Kärikä 5 wird dieses dpia-vacmia durch äpta-^niti ,die zuverlässige TJeberlieferung' erklärt, und in Kärikä 6 heisst es: „Was auch durch induktive Schi ass- „folgerung nicht ermittelt wird, das geheimnissvolle, ergiebt „sich aus der zuverlässigen TJeberlieferung (dptdgamaj.^^ Unverkennbar liegt hier ein Zugeständniss vor, das die Sä mkhya- Philosophie nach ihrer Brahmanisirung zu machen genöthigt war. Aber dieses Zugeständniss trägt in der Kärikä noch einen nominellen Charakter; denn in der Folge berujpt sich das Werk — in bemerkenswerthem Gegensatz zu den späteren S ü t r a ' s — nicht ein einziges Mal auf die ,Schrift' und leitet aus dieser keinen Lehrsatz ab. Von den Veden, die in den Sütra's V. 40 — 51 be- handelt werden, nimmt die Kärikä keine Notiz. Ich muss die Möglichkeit zugeben, dass schon der geringere Umfang der Kärikä die Nichtberücksichtigung der ,Schrift' ebenso wie die anderer untergeordneter Materien bedinge ; aber wahrscheinlicher ist mir doch, dass zu den Zeiten l9varakrshna's in der Sä mkhya- Schule die brah- manische Ueberlieferung noch nicht dieselbe Geltung gehabt hat wie später, und dass diese Thatsache sich in der Haltung der Kärikä verräth. Bralimanischen Einfluss finde ich nur noch in Kärikä 54, wo es von der Schöpfung heisst, dass „sie bei Bralunan beginne und bei dem Grashalm endige (Brahnd-di-staniba-part/anfa)", — eine Wendung, die schon im Mahäbhärata auftritt und in der späteren Literatur oftmals wiederkehrt.
Von Dingen, die in den späteren Sämkhya- Schriften eingehend erörtert werden, vermissen wir in der Kärikä die Leugnung Gottes ^) und die Theorie von dem Reflektiren des Innenorgans in der Seele — das Wort pratihimha kommt noch nicht bei I^varakrshna vor, und chdyd steht Kärikä 41 in anderem Sinne und Zusammenhange — ;
1) Vgl. Hall, Sänkhya Sara Pref. p. 39, Anm. *
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aber beide für das S ä m k h y a - System wesentliche Lehren sind implicite deutlich genug in der Kärika verkündet, namentlich in den Strophen 20, 21. Wenn hier gesagt wird, dass „durch die Verbindung der Seelen mit der Materie die Schöpfung hervorgebracht ist", so ist klar, dass l9varakrshiia genau auf dem Standpunkt aller anderen S ä ra k h y a - Lehrer gestanden, d. h. keinen Schöpfer und Regierer der Welt anerkannt hat; und wenn „in Folge der Verbindung mit der Seele der ungeistige innere Körper (Unga) scheinbar geistig" genannt wird, so ist damit die pratibimba-T\xeox\Q auf das offenkundigste voraus- gesetzt.
Ausser dem bereits erwähnten Commentare Gau da - päda's, der gegen 700 oder in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts — zwei Generationen vor ^ a m k a r a — verfasst sein muss, besitzen wir zum Verständniss der Kärika den sehr viel klareren und inhaltsreicheren Com- mentar Väcaspatimi9ra's, die Sämkhy a-tattva- kaumudi, aus dem ersten Drittel des zwölften Jahr- hunderts ^). Von zwei weiteren modernen Commentaren, der Candrikä des Näräyana Tirtha und der Säm- khya-kaumudl des Rämakrshna Bhattäcärya'^), kann der erstere, eine sehr einfache Exposition, (heraus- gegeben in der Benares Sanskrit Series 1883) keinen wissen- schaftlichen Werth beanspruchen ; der andere scheint noch unbedeutender gewesen und gänzlich verloren zu sein. Väcaspatimi^ra's Commentar aber, der mehrfach in Indien gedruckt ist und in zahllosen Abschriften existirt, gilt in seinem Heimatlilande mit Recht ftir das beste
^) S. meine Abhandlung über ,die Theorie der indischen llationalisten von den Erkenntnissmitteln', Berichte der sächs. ( resellschaft der Wiss. , Philologisch-historische Classe, 1888, S. 9. Nach Colebrooke, Mise. Ess.'^ I. 246 war Väcaspatimicjra 'h native of Tirhüt'; doch weiss ich nicht, worauf diese Angabe sich gründet.
->) S. Hall, Sänkhya Sara Pref. p. 41.
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methodische Werk der ganzen Sämkhy a-Literatur; es sind nicht Aveniger als sechs Supercommentare zu demselben nachweisbar ').
Die Säiiikhyakärika scheint mehr als ein halbes Jahrtausend lang sich eines solchen Ansehens erfreut zu haben, dass man in Indien nicht das Bedürfniss spürte, ein anderes Werk über das System zu schreiben. Erst im Anfang des elften Jahrhunderts ist ein neues Lehrbuch (in ^loka's) entstanden, um sehr bald wieder zu verschwinden: das Räjavärttika, dem Ranaranga Malla, d. h. König Bhoja von Dhärä, zugeschrieben-). Meines Wissens sind von dem Werke nur drei Verse erhalten, und zwar in der Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kä- rikä 72 (abgedruckt bei Hall, Sänkhya Sara Pref. p. 43).
Ein Zeitgenosse Bhoja' s ist der berühmte muham- medanische Schriftsteller Alberüni, der in seinem um- fassenden Werke über Indien so eingehende Nachrichten
1) Vgl. Hall, Pref. 40, 41.
■2) S. Hall, Coutributions towards an Index to the Bibliography of the Indian Philosophical Systems p. 8, wo mit Recht vermuthet wird, dass das Werk ,iinter den Auspicien jenes Königs' verfasst ist, und Colebrooke, Mise. Ess. " 1.247. Wenn Colebrooke an dieser Stelle noch ein anderes Sämkhy a- Werk unter dem Titel Samgraha erwähnt, „being an abridged exposition of the same doctrines, in the form of a select compilation", so liegt meines Erachtens hier ein Irrthum vor, dessen Quelle ersichtlich ist. Ich glaube, dass eine falsche Eintragung in dem Katalog der Asiatic Society of Bengal Colebrooke verführt hat das Sarva-dar- §ana-samgraha, dessen letzte zwei Kapitel von dem Sämkhya- und Yoga- System handeln, für ein specielles Sämkhy a- Werk anzusehen. Hall, Index 8 berichtet nämlich: "Among the trea- "tises enumerated under the head of Sänkhya, in the^ Sanskrit "Catalogue of the Asiatic Society of Bengal, are the Atmopa - "desa and the Sarva-dar sana-sangraha. These composi- "tions, which are thus wrongly indicated, etc." Meine Vermuthuug findet eine Stütze darin, dass Colebrooke das Sarva-dar9ana- saragraha sonst nicht erwähnt; die acht Citate s. v. in dem Index zu den Mise. Essays '^ beziehen sich auf Zusätze von Co well.
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über indische Philosophie und insbesondere über das Säm- khya-System hat, dass ich jetzt, da uns das Buch durch S a c h a u ' s verdienstvolle Uebersetzung zugänglich gemacht ist, nicht glaube daran vorübergehen zu dürfen.
Alberüni sagt Preface 8: "I have already translated "two books into Arabic, one about the origines and a de- "scription of all created beings, called Sämkhya, and another "about the emancipation of the soul from the fetters of "the body, called Patanjali (Pätanjala?)''. Das letztere ist höchst wahrscheinlich das in Indien allgemein mit dem Namen Pätanjala bezeichnete Yogasütra nebst dem Commentare Vyäsa's; das erstere kann schon den Zeit- verhältnissen nach kein anderes Werk sein, als die Säm- khyakärikä mit Gaudapäda's Bhäshya. Dieses 'book Sämkhya (so noch I. 30, 48, 64 citirt) wird zwar I. 132 als "composed by Kapila, on divine subjects" cha- rakterisirt und neben dem "book composed by Gau da the anchorite, wliich goes by his name" aufgeführt. Da es aber in der indischen Literatur kein Sämkhya- Werk eines Gau da giebt, so ist an der Identität Gauda's mit Gaudapäda nicht zu zweifeln; und die Identität des 'book Sämkhya mit Gaudapäda's Commentar folgt hin- wiederum daraus, dass alle Angaben Alberüni's über das Sämkhya- System sich in dem Inhalt jenes Werkes nachweisen lassen i). Ja selbst ein paar Gleichnisse, die in der übrigen S ä m k h y a - Literatur nicht vorkommen, sind Gaudapäda und Alberüni gemeinsam; nur sind sie, wie alle Gleichnisse, von dem letzteren mit der Phantasie
1) Alberüni sagt I. 62: "Therefore the author of the book '■'•Sämkhya does not eonsider the reward of paradise a special gain, "because it has an end and is not eternal, and because this kind "of life resembles the life of this our world." Hierzu bemerkt Sa c hau 11.280, dass er etwas diesem Gedanken correspondirendes weder in der Säinkhy akärikä noch in Gaudapäda's Com- mentar gefunden habe, und vergleicht nur eine Parallele aus den Sütra's. In der That aber ist der Gedanke deutlich genug in Kärikä 2 ausgesprochen und von Gaudapäda näher begründet.
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des Muhammedaners weiter ausgeführt und ausgeschmückt. Bei Gaudapäda zu Kärikä20 findet sich folgende Stelle: „Wie Jemand, der kein Dieb ist, ftir einen Dieb „gilt, wenn er mit Dieben zusammen ergrifPen wird, so gilt „auch die mit den thätigen drei Guna's verbundene Seele, „obwohl sie [in Wirklichkeit] nicht thätig ist, für thätig „wegen der Verbindung mit den thätigen." Diesen ein- fachen Satz giebt Alber üni I. 48, 49 in folgender an- schaulicher Schilderung wieder: "The book of Sämkhya "brings action into relation with the soul, though the "soul has nothing to do with action, only in so far as it "resembles a man who happens to get into the Company "of people whom he does not know. They are robbers "returning from a village which they have sacked and "destroyed, and he has scarcely marched with them a short "distance, when they are overtaken by the avengers. The "whole party are taken prisoners, and together with them "the innocent man is dragged off; and being treated pre- "cisely as they are, he receives the same punishment, with- "out having taken part in their action."
In ganz ähnlicher Weise ist eine Stelle aus Gauda- päda's Commentar zu Kärikä 30 von Alber üni be- handelt. Es heisst daselbst: „Jemand, der auf der Strasse „geht, erblickt etwas aus der Entfernung und ist im Zweifel, „ob es ein Pfahl oder ein Mensch sei; dann sieht er, dass „sich an diesem Gegenstand eine Schlingpflanze ^) befindet „oder dass ein Vogel auf ihm sitzt. Damit ist der Zweifel „durch den inneren Sinn dieses [Menschen] entschieden, „und es entsteht die unterscheidende Erkenntniss, dass es „ein Pfahl ist," Aus diesem Beispiel Gaudapäda's hat Alberüni I. 84 eine vollständige Parabel gemacht: "A "man is travelling together with his pupils for some bu-
^) Lies valUin anstatt tal-lingam und vgl. die Parallelstelle im Comm. zu Kärikä 36 und die Notiz in den Variations and Cor- rections bei Colebrooke-Wilson.
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"siness or other towards the end of the night. Tlien
"there appears sometlimg standing erect before them on
"the road, the nature of which it is impossible to recogiiise
"on account of the darkiiess of night. The man turns
"towards his pupils, and asks them, one after the other,
"what it is. The first says: 'I do not know what it is'.
•'The second says: 'I do not know, and I have no means
"of learning what it is.' The third says: 'It is useless to
"examine what it is, for the rising of the day will reveal
"it. If it is something terrible , it will disappear at day-
"break; if it is something eise, the nature of the thing
"will anyhow be clear to us.' Now , none of them had
"attained to knowledge, the first, because he was ignorant ;
"the second, because he was incapable, and had no means
"of knowing; the third, because he was indolent and ac-
"quiesced in his ignorance. The fourth pupil, however,
"did not give an answer. He stood still, and then he
"went on in the direction of the object. On Coming near,
"he found that it was pumpkins on which there lay a
"tangled mass of something. Now he knew that a living
"man, endowed Avith free will, does not stand still in his
"place until such a tangled mass is formed on his head,
"and he recognised at once that it was a lifeless object
"standing erect. Further he could not be sure if it was
"not a hidden place for some dunghill. So he went quite
"close to it, Struck against it with his foot tül it feU to
"the ground. Thus all doubt having been removed, he
"returned to liis master and gave him the exact account.
"In such a way the master obtained the knowledge through
"the intermediation of his pupils."
Diese beiden Parallelen illustriren das Yerhältniss Alber üni's zu seiner Vorlage vortrefflich. S a c h a u aber bestreitet, dass Gaudapäda's Bhäshya Alberüni's Vorlage gewesen sei. Obwolil er in den Annotations IL 267 zugiebt, dass "most of the quotations given by Alberüni are found only slightly differing in Gaudapäda, and some agree literally", dass ferner "almost all the illustrative tales
Garbe, Sämkhya-Philosophie. 5
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mentioned by A 1 b e r ü n i are fouiid in G a u d a p a cl a ", so behauptet S a c h a u doch, dass G a u d a p ä d a ' s B h ä s h y a nicht mit A 1 b e r u n i ' s S ä ni k h y a identisch, sondern nur 'a near i-elative of it' sei. "Gaudapäda" , sagt er a. a. 0., "seems to have taken his information from a Avork neav "akin to, or identical with, that Sämhhya book which was "used by Alberüni". Diese Ansicht ist völlig unbegründet, da es ein solches dem Bhäshya Gaudapäda's nahe verwandtes Werk in der S ä m k h y a - Literatur vor Alb e- r ü n i ' s Zeiten nicht gegeben hat. Wenn S a c h a u gewusst hätte , dass Gaudapäda's Commentar thatsächlich das ein/Äge Werk ist, welches als Alberüni 's Quelle in Betracht kommen kann, so würde er in den von ihm selbst anerkannten Uebereinstimmungen gewiss einen hin- reichenden Grund gefunden haben, das ,Buch Sämkhya' mit Gaudapäda's Bhashya zu identificiren , ohne an der freien Behandlung der Quelle durch Alberüni Anstoss zunehmen. Sind doch von Alberüni in genau derselben Weise andere Werke der Sanskrit-Literatur behandelt worden, über deren Identität mit unsern Texten nicht der geringste Zweifel bestehen kann, z. B. die Bhagavadgitä. Wo Alberüni auf dieses berühmte Gedicht unter Anführung des Namens Bezug nimmt, übersetzt er gleichfalls nicht wörtlich, sondern giebt die Gedanken in der freiesten Umschreibung wieder: vgl. S ach au IL 275: "Of the "other quotations . . . ., I do not see how they could l)e "compared Avith any passage in Bhagavad-Gttd ^ except "for the general tenor of the ideas", und sonst ').
^) Ich möchte bei dieser Gelegenheit einen anderen Irrthuin Sachau's berichtigen. In den Annotations vergleicht Sa c hau IL 266 den Inhalt der Sän.ikhy asiit ra's mit dem von Albe- rüni unter dem Namen Sämkhya dargestellten philosophischen System und findet, dass dieses in various and essential points von dem der Sutra's verschieden .sei. "It seems", sagt er, "altogether "to have had a totally difFerent tendency. The Sütras treat of the '■'■complete cessation of puin\ the first one runs thus: Well, the com- "plete cessation of pain, (which is) of three kinds, is the complete
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Die klare und ausführliclie Darstellung , die Albe- r IT n i von dem S ä m k h y a - System giebt , macht dem muhammedanisclien Gelehrten in Anbetracht des seinen Vorstellungen so entlegenen Gedankenkreises alle Ehre. Er behandelt das System im Zusammenhange von I. 40 — 49 ; ausserdem gehört dazu die Klassificirung der Wesen I. 89 und eine Hauptstelle I. 31 , wo der Grundgedanke des Sämkhya mit treffenden Worten ausgedrückt wird und ganz in derselben Weise wie oftmals in der Literatur dieses Systems : "The truth is, that action entirely belongs "to matter, for matter binds the soul, causes it to wander "about in different shapes, and then sets it free. Therefore "matter is the agent, all that belongs to matter helps it "to accomplish action. But the soul is not an agent, "because it is devoid of the different faculties." Doch darf ich nicht verschweigen, dass Alberüni zu einem Ver- ständniss der psychologischen Seite des Sämkhya- Systems nicht vorgedrungen zu sein scheint. Wenn er I. 49 nur bemerkt: "The soul does not influence matter "in any way, except in this, that it gives matter life by "being in close contact with it" ') , so wäre dabei fiir ihn Anlass gewesen die Erklärung der psychischen Vorgänge zu erwähnen, die nach der Sämkhya- Philosophie zunächst
"end of man ; whilst the Sämkhya of Alberüni teaches mohsha "by means of knowledge". Wenn S ach au einen mit der indischen Philosophie nur oberflächlich vertrauten Sanskritisten zu Rathe ge- zogen hätte , so würde er erfahren haben , dass moksJia und the complete cessation of pain im Sänikhya völlig identische Be- griffe sind (cf jetzt z. B. Mahädeva zum Säinkhyasütra I. 5: because liberation is identical with the removal of all pains). Zu- dem wird das Wort mohsha fünfmal in den Sämkhyasütra's gebraucht, das identische mukti ebenso fünfmal, von dem überaus häufigen Vorkommen beider Worte in den Commentaren zu dem Werk ganz zu schweigen. Es ist also keine Rede davon, dass die Sämkhya- sütra's eine andere Tendenz haben, als das Sämkhya bei Albe- rüni oder in irgend einem andern Werk der einschlägigen Literatur. V Vgl. hiermit den Anfang von Chapter IV. auf S. 45.
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rein mechanische Processe in dem materiellen inneren Organ sind und nur durch die Einwirkung der Seele zu bewussten gemacht werden. Auch ein paar direkte Irr- thiimer hat sich A 1 b e r ü n i in der Darstellung des Systems zu Schulden kommen lassen. Das Wort ahamkära über- setzt er I. 41 mit 'nature', obwohl er gleich darauf die richtige etymologische Erklärung mit 'self-assertion' giebt ; und die hvddhi, die erste Entfaltung der Urmaterie, hat er ganz übersehen ; denn er bringt I. 44 die 25 Principien des Systems dadurch zusammen, dass er die prakrti in 'abstract vXrf und 'shaped matter' zerlegt. Dass er I. 42 den Ausdruck panca tanmäträni ,die fünf feinen Elemente' missverstanden und daraus panca mätaras ,fünf Mütter' gemacht hat (vgl. auch die matres simphces I. 45 unten), ist bereits von S ach au in den Annotations 11. 273 be- merkt worden. Schliesslich sei noch das Versehen I. 321 erwähnt, wo Alberüni dem Kapila eine vollkommen theistische Lehi-e in den Mund legt.
Wir haben nun nur noch zwei Hauptwerke der S a m - k h y a - Literatur mit ihren Commentaren ins Auge zu fassen, sind aber dabei in der misslichen Lage, nicht entscheiden zu können, welchem der beiden die Priorität zukommt; ich meine den Tattvasamäsa und die Sä m- khyasütra's. Cole brocke, Mise. Ess. - L 244, findet es walu-scheinhch ^) , dass der Tattvasamäsa zu den Sütra's erweitert wurde; es wäre ebenso möghch, dass er aus den letzteren als Kern herausgeschält ist. Mir scheint jedoch die singulare Terminologie des nur aus 54 Worten bestehenden Traktats dafür zu sprechen, dass er weder mit den Sütra's noch mit einem früheren Sämkhy a-Lehr- buch in direktem Zusammenhang steht. Wenn ich hier
1) In Uebereiustimmung mit den Angaben der Sarvopa- kärini; s. Hall, Pref. p. 8, 9 Anna.
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den Tattvasainäsa voranstelle, so geschieht dies einfach, um dieselbe Reihenfolge einzuhalten, die F. E. Hall in seiner Aufeählung dieser Werke (Sänkhya Sara, Pref. p. 39 ff.) beobachtet hat. Man findet die 22 — resp. 25 — kleinen Sütra's, die den Tattvasainäsa bilden, bei Hall a. a. 0. S. 42 abgedruckt, sowie bei Ballantyne, A Lecture on the Sänkhya Philosophy (Mirzapore 1850). Hall nennt fiinf verschiedene Commentare zu denselben, von denen aber nur einer, die Sämkhy a-krama-dipikä, herausgegeben ist und zwar von Ballantyne in dem eben sfenaunten Werkchen. Leider finde ich keinen Anhalt um zu bestinunen, wie lange vor der Mitte des löten Jhdts der Tattvasamäsa entstanden ist. Dieser tenninus ad quem aber wenigstens steht fest, weil Bhäväganecja Dikshita, der Verfasser des Tattva-yäthärthya- dipana genannten Commentars zum Tattvasamäsa. sich selbst als einen Schüler Vijnänabhikshu's be- zeichnet. Denn über Vij&änabhikshu's Lebenszeit sind wir im Klaren (s. unten S. 74).
Was nun die Sämkhy asütra's betrifft, so haben in frülierer Zeit aUe Forscher , Röer^), Barthelemy Saint-Hilaire u. s. w. , dieselben für das älteste auf uns gekommene Lehrbuch der S am khya- Schule ange- sehen, vermuthlich weil es den Namen des K a p i 1 a trägt. Nun hatte aber schon Coleb rooke Mise. Ess. - I. 244 bemerkt, dass das Werk mit Unrecht dem Begründer des Systems zugeschrieben wird, "since it contains references "to former authorities for particulars which are but briefly "hinted in the sütras; and it cpotes some by name, and "among them P ancha9ikha, the disciple of the reputed "author's pupil : an anachronism which appears decLsive -)".
Vielleicht ist das Alter der Sämkhy asvitra's auch deshalb überschätzt worden, weil in der Literatur der
^) A Lecture on the Sänkhya Philosophy, Calcutta 1854. "-) Vgl. dazu die Anm. 11, welche Co well auf S. 354 hinzu- gefügt hat, und Hall, Pref. p. 47, Anm. unten.
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anderen Systeme die Sütra's jedesmal das grundlegende Werk sind. Jedenfalls hat man die Säm k hy asütra's trotz ihrer augenscheinlich jungen Sprache und trotzdem in ihnen gegen die Lehren der Vai9eshika- und Nyäya- Philosophie polemisirt wird, für älter als die Kärikä gehalten, bis Hall (Pref p. 12) — leider nicht mit der nötliigen Entschiedenheit des Ausdrucks — den Nachweis geliefert hat, dass die Kärikä in den Sämkhyasütra's mehrfach wörtlich benutzt ist. Diese Uebereinstimmungen anders zu erklären, ist in Anbetracht dessen, dass die Kärikä in dem complicirten A r y ä - Metrum, das S ü t r a - Werk dagegen in Prosa abgefasst ist, unmöglich. Schon Barthelemy Saint-Hilaire, Premier Memoire sur le Sänkhya p. 114 (vgl. auch p. 128, 314 und sonst) hat diese wörtlichen Uebereinstimmungen bemerkt, aber den falschen Schluss daraus gezogen: "quand le rhythme s'y "prete, eile (d. h. die Kärikä) se contente de reproduire "textuellement les expressions de Kapila (d. h. der Sü- "tra's)".
Hall (Pref p. 8— 11) hat festgestellt, dass die Säm- khyasütra's ebenso wie der Tattvasamäsa weder von C a m k a r a noch von Väcaspatimi^ra noch über- haupt von irgend einem Schriftsteller beträchtlichen Alters citirt werden, ja selbst nicht einmal im 14ten Jahrhundert von Mädliaväcäry a in dem S ä m k h y a - Abschnitt des Sarva-dar9ana-samgraha. In einer Note zu seiner Uebersetzung des letztgenannten Werkes (S. 222, Anm. 2) findet es Co well sonderbar, dass Mädhava's Sämkhya- Autorität die Kärikä ist und nicht die Sütra's. Ich bin aber im Gegentheil <ler Ansicht, dass man in diesem Falle das argumentum ex silentio für beweiskräftig halten und die Abfassmig der Sämkhy asiitra's später als Mädhaväcärya ansetzen muss. Denn Mädhava geht bei den anderen orthodoxen Systemen, die er behandelt, jedesmal von den Sütra's aus; warum soUte er da bei dem Sämkhy a- System eine Ausnahme gemacht und die Sütra's dieser Schule ganz ignorirt haben, wenn er sie
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gekannt hätte? Die Inder pflegen in solchen Dingen doch stets sehr systematisch zu verfahren. Die Erinnerung an die moderne Entstehung des Werkes hat sich übrigens bis auf den heutigen Tag unter den Pandits in Benares erhalten.
Als obere Grenze für die Abfassung der Sütra's würde sich uns also nach dem eben bemerkten etwa das Jahr 1380 ergeben, als untere etAva 1450, daAniruddha seinen Commentar zu dem Werke um 1500 geschrieben hat ^). Bis zu diesem eng umgrenzten Zeitraum also hat die Kärikä — vielleicht ein Jahrtausend lang — un- bestritten als Standard work der Sämkhya-Schule ge- o-olten; erst vor ca. 500 Jahren hat man es in Indien als einen Mangel empfunden, dass dieses System keine Sü- tra's besass wie die anderen orthodoxen Schulen -).
Die Sämkhyasütra' s fähren denselben Namen wie die Yogasütra's, nämlich Sämkhya-pravacana, „ ausführliche Darstellung des S ä m k h y a - Systems " '^). Ihr Inhalt unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der Kärikä, wie bereits oben (S. 59) bemerkt ist; aber der philosophische Standpunkt des unbekannten Verfassers der Sütra's ist ein anderer als der 1 9 v a r a k r s h n a ' s. Durch das ganze Werk hindurch sucht der Sütrakära die Gegen- sätze zwischen den Lehren der Scluiffc und denen des Sämkhya- Systems fortzudeuten ; er bemüht sich mit abenteuerlichen Mitteln zu beweisen, dass die Lehren von der Persönlichkeit Gottes, von der All-Einheit des Brah- man, von der Wonnenatur des B rahm an und von der
') S. meine Ausgabe der Aniruddhavitti, Pref. p. IX.
"') Umgekehrt wurde dieses Verhältniss , den älteren Anschau- ungen entsprechend, beurtheilt von Weste rgaard, Ueber den ältesten Zeitraum der indischen Geschichte S. 67: „Die Regeln, in „welchen Kapila die S an khya- Philosophie darstellte, haben in „den Schatten treten müssen gegen die von Icvarakrshna ver- ,,sificirte Sänkhy akärikä."
^) S. Vijiiänabhikshu in der Einleitimg seines Commentars (S. 10 meiner Uebersetzung) und Hall, Pref. p. 11 Anm. unten.
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Erreichung des höchsten Zieles in der Himmelswelt nicht mit den Anschauungen des Sä mkhya- Systems in Wider- spruch stehen ^). Auch sonst lassen die S ü t r a ' s eine starke vedantistische Färbung erkennen; z. B. in der Lelii-e, dass die vom Gesetz vorgeschriebenen Werke als Hilfs- mittel zur Erreichung der Erkenntniss nützlich seien (III. 35, IV. 21) ^) ; noch deutlicher vielleicht in dem Ausspruch
>) Sutra I. 95, 154; V. 64, 68, 110; VT. 51, 58, 59. ^) Die Erwähnung der Schülerpflichten IV. 19 scheint mir gleichfalls eine spätere, dem Sämkhya- System ursprünglich nicht angehörende Zuthat zu sein, die eine stärkere Brahmanisirung verrätli. Dasselbe gilt sicher von dem Abschnitt V. 40 — 51, in dem die brahmanische Anschauung über den Veda unserem System einverleibt und mit Beweisen aus dem Gedankengange der Sämkhya- Philosophie begründet ist. Die Veda 's sind nicht das Werk einer Person, weil es keine Person giebt, die sie gemacht haben könnte (46). Da das System keinen Gott anerkennt, so gehören alle Wesen entweder der Kategorie der Erlösten oder der der Gebundenen an. Ein Erlöster nun kann die Veda's nicht verfasst haben, weil dazu ein Wille nöthig gewesen wäre und die Erlösten wunschlos sind; ein Gebundener aber war dazu nicht be- fähigt, weil ein solcher nicht im Besitze des ganzen Wissens ist, das zur Abfassung der Veda's erforderlich gewesen wäre (47). Der Gedanke, dass die Veda's das Werk vieler Personen sind, liegt der brahmanischen Anschaming ganz fern; er wird nicht einmal aufgestellt, um widerlegt zu werden. Daraus, dass der Veda nicht geschaffen ist, folgt aber für den Verfasser der Säm- khyasütra's doch nicht, dass er von Ewigkeit her existirt haben muss; denn auch Pflanzen und andere Naturprodukte sind weder das Werk einer Person noch ewig (45, 48). Hier haben wir eint' bemerkenswerthe Abweichung von der Lehre der Mimämsä zu constatiren , welche die Existenz des Veda für eine anfangs- lose erklärt. Nach der Anschauung der Sämkhyasütra's entstehen die Veda's am Anfang einer Weltperiode jedes- mal ohne jede Variante von selbst, oder — um mit Vijiiäna- bhikshu's echt brahmanischen Worten (zu Svitra 50) zu reden — ,sie gehen dem Aushauch vergleichbar in Folge der unsichtbaren „Kraft [des angesammelten Verdienstes] von selbst aus Brahman „hervor, ohne dass eine Absicht desselben vorliegt." Aus diesem Grunde ist auch der Veda infallibel. Ausserdem kann man aus dem Erfolg der vedischen Ceremonien und Zaubersprüche schliessen.
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V. 116: „In der Versenkung, im Tiefschlaf und in der „Erlösung haben [die Seelen] die Natur des Brahman", denn hier hat der Verfasser einen Vedänta- Terminus (brahnarilpatd) anstatt der feststehenden Sä mkhya -Aus- drücke verwendet. Der Einfluss der Vedänta-Philosophie zeigt sich ferner darin, dass aus den Brahmas ütra's eines, nämlich IV. 1. 1, wörtlich als Sämkhyasütra IV. 3 wiederkehrt, und dass auch die Werke ^amkaräcärya's von dem Verfasser der S ä m k h y a s ü t r a ' s in erkennbarer Weise benutzt sind. So ist 1. 19 die Seele mit dem Epi- theton nitya-cuddha-huddha-mukta-svabhdva ,ihrem Wesen nach ewig rein, erkennend und frei' bezeichnet; und wenn wir diesen Ausdruck mit genau derselben Reihenfolge der CompositionsgUeder mehrfach in den Werken ^a^^kara's vorfinden — z. B. in der Einleitung zu seinem Commentare zur Bhagavadgita^) — , so wird hier Niemand an eine zufällige Uebereinstimmung glauben wollen. Ebenso ist das Gleichniss von den Bewohnern Srughna's und Pä- taliputra's, das im Säinkhyasütra I. 28 zur Ver- anschaulichung der räumlichen Getrenntheit gebraucht ist, aus ^amkara's Commentar zu den B r a h m a s ü t r a ' s IL 1. 18 entnommen.
Dass der Verfasser der Sämkhyasütra's auch die
dass sämmtliche Veda's durch sich selbst Mittel zu richtiger Er- kenutniss sind (51). — Was das Verständuiss des Veda anbetrifft, so wird der Grundsatz der Mimämsä anerkannt, dass die Wort- bedeutungen des täglichen Lebens auch die des Veda sind, dass mithin derjenige den Sinn des Veda versteht, der in den Bedeu- tungen der Worte des täglichen Lebens bewandert ist (40). Trotz- dem kann man nicht ohne eine gewisse Gelehrsamkeit (vyutpatti, 43j auskommen, und diese Einschränkung giebt Vijiiänabhikshu Gelegenheit, den Werth der heiligen Ueberlieferung zu betonen. Im Commentar zu Sütra 44 bemerkt er jedoch, dass nur der Wortsinn, nicht aber auch der Satzsinn aus der Tradition zu er- lernen sei.
*) S. 5 der Ausgabe von Pandit Jagannätha, Calcutta, Samvat 1927. — Das oben genannte lange Compositum findet sich noch nicht in den Brahmasütra's.
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Yogasütra's benutzt hat, verrath sich nicht nur im all- gemeinen überall da, wo er Lehren und Vorschriften des Yoga- Systems zur Sprache bringt, sondern auch im speciellen dadurch, dass er das Yogasütra I. 5 als Säm- khyas Vitra IL 33 und das Yogasütra IL 46 als Säni- khyasütra's lU. 33 (34 Vijiiänabhikshu) und YI. 24 wörtlich wiedergegeben hat.
Der älteste Commentar zu unseren Svitra's ist die oben S. 71 erwähnte Aniruddhavrtti, eine etwas un- fertige Arbeit, die aber neben manchen gesuchten und sophistischen Erklärungen eine grosse Zahl von Deutungen bietet, die den Auffassungen der anderen Commentatoren gegenüber entschieden den Vorzug verdienen. A n i r u d d h a bemüht sich die Lehren der S ä m k h y a - Philosophie ob- jektiv vorzutragen, verräth aber doch bei einer -Gelegenheit, im Commentar zu VI. 50 nämlich, dass er seiner persön- lichen Ueberzeugung nach zu den Materialisten gehört. Wie sehr er sich an die Sämkhya-tattva-kaumudi angeschlossen hat, ist aus der Einleitung zu meiner Aus- gabe der Aniruddhavrtti S. VIII zu ersehen.
Einen viel weniger objektiven Standpunkt in der Er- klärung der Sütra's nimmt Aniruddha's Nachfolger, Vijnänabhikshu, ein , der in der zweiten Hälfte des löten Jahrhunderts ') seinen eingehenden Commentar unter dem Titel S ä m k h y a-p r a v a c a n a-b h ä s h y a verfasst hat. Es ist dies das ausführlichste Werk der Sämkhya-Literatur, das als solches für die Darstellung der Einzellieiten des Systems von grossem Werthe ist, aber doch in aUen den Punkten unberücksichtigt bleiben muss, wo der Verfasser seine individuellen Ueberzeugungen ausspricht und damit die für das Sämkhya -System charakteristischen Auf- fassungen entstellt.
Wenn wir schon in den Sütra's vedantistische Ein- flüsse deutlich hei-vortreten sahen, so gut dies in noch viel
1) S. Hall, Prof. p. 37, Aiim. f-
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höherem Masse von ihrem berühmten Commentare. Vijnä- nabhikshu kämpft liier, ebenso wie in seinen anderen Werken , mit der grössten Entschiedenheit ftir seinen der Yoga-Philosophie nahe stehenden theistischen Vedänta, der für ihn der alte, echte und ursprünghche Vedänta ist, während er die Lehre von der Zweitlosigkeit des B r a h - man und von der kosmischen Illusion ftir eine moderne Verfälschung erklärt ^). Daneben äussert er oftmals sein Missfallen über die Auslegungen Väcaspatimi^ra's inid Aniruddha's, ohne jedoch einen der beiden mit Namen zu nennen.
Der Standpunkt V i j n ä n a b h ik s h u ' s ist bereits von Gougli, The Philosophy of the üpanishads p. 259, 260 dargelegt worden, und es ist dort die völlige Haltlosigkeit der Darstellung, die der Commentator von dem Inhalt der Upanishad's und von dem Verhältniss der pliiloso- pliischen Systeme zu einander giebt, in sachkundiger Weise erwiesen. Ich glaube aber das dort gesagte noch in einigen Punkten ergänzen zu können. Um den Gegensatz, in dem das Sämkhya-System zu seinem"(angeblich vedantistischen) Theismus steht, zu überbrücken, sucht Vijnänabhikshu einen der Grundpfeiler unseres Systems, die Gottesleugnung, mit den wunderbarsten Mitteln liimvegzuräumen. Er meint in der Einleitung zu seinem Commentar und auch sonst an mehreren Stellen, dass der Atheismus der S ä m k h y a ' s nicht ernst zu nelunen sei; diese Lehi-e sei aufgestellt, um Gleichgiltigkeit gegen die Erreichung göttlicher Würde zu erzeugen ; denn der Glaube an Gott und das Verlangen, sich in kommenden Existenzen zu göttlichem Range empor- zuschwingen, hindere nach der Meinung der Sämkhya's die Uebung der unterscheidenden Erkenntniss. Weiterhin
1) Er nennt die Anhänger dieses echten Vedänta ,Pseudo- Vedantisten' (vedänti-bruva im Comm. zu I. 22, 43, 151, 158) und im AnscMuss an eine in der Einleitung von ihm citirte Stelle des Padma Puräna .verkappte 'Rw&dh.i^.tau' (pracclianna-bauddha, zu I. 22).
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bezeichnet er die Gottesleiignung als eine Concession an die landläufige Anschauung und als eine „kühne Be- hauptung" (praudha-vdda) ; und schliesslich bemächtigt er sich gar eines ungeheuerlichen Gedankens, den er im Padma Puräna vorgefunden, nämlich dass diese Lehre aufgestellt sei, um schlechten Menschen die Erkenntniss der Wahrheit zu verscliliessen. Durch nichts hätte V i j n ä- nabhikshu seine Verlegenheit diesem Grunddogma des S ä m k h y a - Systems gegenüber deutlicher verrathen können, als durch eine solche Häufung unmöglicher Gründe, die er den Sämkhya's imputirt. Nachdem er aber einmal so den Atheismus aus unserem System getilgt hat, scheut er sich nicht, seinen Theismus ohne weiteres in die Sämkhyasütra's hineinzutragen (z. B. am Schluss des Commentars zu I. 122); und wenn er dann wieder ge- nöthigt ist, die Beweise gegen die Existenz Gottes in den Sütra's V. 2 — 12 zu besprechen, so thut er dies zwar in sachgemässer Weise, aber in einem Anhang zu V. 12 widerruft er alle auf den vorangehenden Seiten abgegebenen Erklärungen.
Noch zwei andere thatsächlich bestehende Gegensätze bemüht sich Vijfi.änabhikshu auf seine Art aus- zugleichen.
Die Lehre der Schrift von der Zweitlosigkeit des ßrahman und die Sämkhya-Lehre von der Vielheit individueller Seelen sollen sich seiner Meinung nach nicht widersprechen; denn das Wort B rahm an bezeichne die Gesammtheit der qualitätlosen Seelen ^) ; und wenn in der Schrift von der Nichtverschiedenheit oder Einheit der Seelen die Rede sei, so sei damit die Nicht ver- schiedenartigkeit derselben gemeint -). Der ursprüng- liche (d. h. der von Vijnänabhikshu, resp. von seiner Sekte, fingirte) Vedänta nelune gleich dem Sämkhya eine unendliche Vielheit der Einzelseelen an. Ebenso wie
^) S. den Commi'iitar zu VI. 66.
*) S. den Schlussvers der Einleitung, den Commentar zu V. 61 und sonst.
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die in den Upanishad's gelehrte Seelen einheit, deutet Vijnänabhiksliu die absolute All-Einheit hinweg. Im Anschluss an Sütra V. 64 sagt er, dass dieser Monismus in der Schrift für den Standpunkt der „ nicht-unterscheiden- den", für die einfältigen Menschen zurecht gemacht sei; an anderen Stellen jedoch (z. B. im Commentar zu V. 65 und zu VI. 52) spricht er sich daliin aus, dass die Schrift mit der AU-Einheit die räumliche Ungetrenntheit der Seelen und der Materie meine und also auch in dieser Hinsicht nicht der Lehre der Sämkhya's, nach der so- wohl die Seelen wie die Materie aUdurchdringend sind, widerstreite.
Der andere Punkt betrifft die Schriftlehre von der illusorischen Natur (mäyä) der Erscheinungswelt und die Sämkhya -Doktrin von der Realität der Materie. Auch diesen Gegensatz beseitigt Vijnänabhikshu durch Be- rufung auf seinen „ursprünglichen" Vedänta, der die Wirklichkeit der Welt gelehrt habe. Da schon in der (^vetä9vatara Upanishad IV. 10 von einem Geistes- verwandten Vijnänabhikshu's die Mäyä des Vedänta mit der Prakrti des Sä mkhya -Systems identificirt war, so brauchte unser Commentator keinen Anstand zu nehmen, diese angebliche Identität als schriftgemäss auszugeben. Er wiederholt die Erklärung, dass die Schrift unter Mäyä nichts anderes als die reale Materie verstehe, an verschiedenen Stellen seines Werkes (z. B. zu I. 26, 69 und sonst).
Nach allem dem darf es uns nicht wundern, dass Vijfiänabhikshu auch sonst allerlei heterogene Dinge vermengt und die Eigenart der einzelnen Systeme ver- wischt. Er vertritt eben die Ansicht, dass alle sechs ortho- doxen Systeme in ihren Hauptlehren die absolute Wahrheit enthalten. Bezeichnend für seinen Standpunkt ist es auch, dass er in seinen Beweisftihrungen der Pu r an a- Literatur und anderen apokryphen Werken dieselbe Bedeutung bei- misst, wie den Upanishad's.
Eine ftk die Geschichte des Sämkhya-Systems nicht unwichtige Notiz enthält der fünfte Einleitungsvers
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von V i j II a n a b li i k s h n s Commeiitar, in dem gesagt ist, dass damals „die Sämkliya -Lehre von der Sonne der Zeit aufgezehrt" und dass „von dem Monde der Erkenntniss nur noch eine kleine Sichel übrig geblieben war", d. h. in unserer Sprache, dass in dem geistigen Leben des 16ten Jahrhunderts die S ä m k h y a - Philosophie keine Rolle mehr gespielt hat. Das älteste mir bekannte Zeugniss für den Verfall der S ä m k h y a - Philosophie findet sich Bhäga- vata Puräna L 3. 10, wo es heisst, dass die Sämkhya- Lehi-e „im Laufe der Zeit verloren gegangen" (käla-vipluta) sei. V i j u ä n a b h i k s h u scheint nun durch seine Arbeiten das Studium des Sämkhya in Lidien neu belebt zu haben. Seine frülieren Werke behandeln die beiden Systeme, auf die seine religiöse Ueberzeugung gegründet ist; das (bisher noch nicht herausgegebene) Vijnänämrta ist ein Com- mentar zu den Brahmasütra's, das Yogavärttika *) ein Supercormiientar zu Vyäsa's Yogabhäshya. Von grösserer Bedeutung als diese beiden Arbeiten ist flir uns ein Compendium der Sämkhya-Lehre, das Vijnänabhik- shu später als das Sämkhy a-pravacana-bhäsliya unter dem Titel STinikliy asära verfasst hat. Das Werkchen stellt das System kurz in geschickter Anordnung dar, bietet aber gegenüber dem Commentar zu den Sütra's nichts neues -).
Der nächste Erklärer der Sütra's ist Vedäntin Mahädeva, der gegen Ende des 17ten Jahrhunderts ge- schrieben hat •"). Sein Commentar ist im ersten Buche ein einfacher Auszug aus Vijnänabhikshu's Bhäshya, während die übrigen fünf Bücher sich stark an die Aniruddhavrtti anlehnen. Trotzdem bietet Mahä- deva in diesen letzten Büchern eine ganze Reihe von selbständigen und bemerkenswerthen Erklärungen, so dass
1) S. oben S. 32, Aiim. 1. *) S. über dasselbe Hall, Pref. p. 49—51. -) S. Weber, Verzeichuiss der Sanskrit- und Prakrit-Hand- ßcbriften der Königl. Bibliothek zu Berlin, Bd. II. S. 113.
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ein Erforscher der Sämkhya -Lehren sein Werk nicht un- beachtet lassen darf.
Anders steht es mit dem Commentare des N ä g o j i oder Näge^a Bhatta, der L a g h u - s ä m k h y a - s ü t r a - vrtti, die im Anfange des 18ten Jahrhunderts in Benares compilirt sein soll ^) ; liier haben wir es lediglich mit einem gedankenlosen Auszug aus dem Sämkhya-pravacana- bhäshya zu thun. Wie dieses Machwerk, so sind auch die übrigen modernen Schriften über das S am khya- System, die noch von Hall in seinem Index to the Bibliography of the Indian Phüosophical Systems und in seiner Vorrede zum Sämkhyasära erwähnt werden, für uns werthlos.
Anhang.
Im folgenden verzeichne ich die bisherigen Ausgaben und Uebersetzungen der Sämkhya-Texte sowie die euro- päischen oder von europäisch gebildeten Indern geschrie- benen Arbeiten über dieses System; ich übergehe dabei die Werke allgemeineren Inhalts, in denen die Sämkhya- Philosophie nur gelegentlich behandelt ist.
Gymnosophista sive Indicae philosophiae documenta collegit, edidit, enarravit Christianus Lassen. Voluminis I Fasciculus I, Isvaracrishnae Sankhya-Caricam tenens. Bonn 1832.
Das Heft i-nthält ausser dem Texte der Kärikä eineu Wort- iiidex, einen Commentar und eine Uebersetzung in lateinischer Sprache. Die deutsche Uebersetzung Windischmann 's (Die Philosophie im Fortgang der Weltgeschichte, Zweites Buch, IIT S. 1812—1846, Bonn 1834) und die französische Pauthier's (Essays sur la philosophie des Hindous, Paris 1833) dürfen ohne Nachtheil heutzutage unberücksichtigt bleiben.
The Sänkhya Kärikä or memorial verses on the Sänkhya philosophy by I'swarakrishna; translated from the Sanscrit by Henry Thomas Coleb rooke. Also the bhäshya or commentary of Gaurapäda; trans-
1) S. Hall, Index 2.
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lated, and illustrated by an original comment, by Horace Ha y man Wilson. Oxford 1837.
Ein Neudruck dieses Werkes ohne den Sanskrittext Bombay (Theosoph. Publication Fund) 1887.
The Sänkhyakärikä, with an exposition called Chandrikä by Näräyaua Tirtlia, and Gaudapä- dächärya's commentary. Edited by Pandit Bechana- r a m a T r i p ä t h i. (Benares Sanskrit Series No. 9) Benares 1883.
John Davies, Hindu Philosophy. The Sänkhya Kärikä oflswarakrishna. An exposition of the System of Kapila. With an appendix on the Nyäya and Vaise- shika Systems. (Trübner's Oriental Series) London 1881.
Enthält eine Uebersetzuug und Erläuterung der Kärikä.
Tattvakaumudl ^ri -Väcaspatimi9ra- viracitä Gavarnament [= Government] -samsthäp ita-samskrta-pätha- 9älä - 'dliyaksha - 9riyuta - Bäbu -Rasamayadatta- maho- dayänäm anujnayä samskrta-yantre mudritä. Calcutta, Sam- vat 1905 = 1848 a. D.
Sankhyatattwa Koumudi bj^ Bachaspati Misra. Edited with a commentary by Pundit Taranatha Tar- kavachaspati. Calcutta 1871.
Dasselbe Werk, edited by Dharmädhikäri Dhundhiräia Pantasharman. Benares 1873.
• • • ti
Ausserdem giebt es noch eine grössere Benares- Ausgabe dieses Werkes mit Glossen , deren genauen Titel ich leider nicht an- geben kann.
Richard Garbe, Der Mondschein der Sämkhya- Wahrheit, Väcaspatimi9ra's Sänikhy a-tattva- kaumudi in deutscher Uebersetzung , nebst einer Ein- leitung über das Alter und die Herkunft der Sämkhya- Philosophie. (Aus den Abhandlungen der k. bayer. Akademie der Wiss. I. Cl. XIX. Bd. HI. Abth.) München 1892.
The Aphorisms of the Sankhya Philosophy of Kapila, with illustrative extracts from the commen- taries. Book I — VI. Sanskrit and English. Translated
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by James R. Ballantyne. Printed for the use of the Benares College. AUaliabad 1852, 1854, 1856.
Zweite Ausg-abe flieses Werkes in der Bibliotheca Indica unter dem Titel : The Sänkbya Aphorisms of Kapila, with extracts from Vijnäna Bhikshu's com- mentary. Calcutta 1865.
In dieser Ausgabe ist der Sanskrittext der Commentarauszüge fortgelassen.
Dritte Ausgabe desselben Werkes, von F. E. Hall
besorgt. (Trübner's Oriental Series) London 1885.
The Sänkhya-pravachana-bhäshya,a commen- tary on the aphorisms of the Hindu atheistic philosophy, by Vijnäna Bhikshu. Edited by Fitz-Edward Hall. (Bibl. Ind.) Calcutta 1856.
Die erste Ausgabe dieses Textes, Serampore 1821, und der Neudruck der Hall'schen Ausgabe durch Jibananda Vidya- sagara, Calcutta 1872, sind werthlos.
Dasselbe Werk, neu herausgegeben von Richard Garbe als Vol. II. der Harvard Oriental Series. Boston, London, Leipzig 1894.
Dasselbe Werk, aus dem Sanskrit übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Richard Garbe. (Ab- handlungen für die Kunde des Morgenlandes) Leipzig 1889.
The Sämkhya Sütra Vritti or Aniruddha's commentary and the original parts ofVedäntin Mahä- d e V a ' s commentary to the Sämkhya S ü t r a s , edited with indices by R i c h a r d G a r b e. (Bibl. Ind.) Calcutta 1888.
Dasselbe Werk, translated, with an introduction on the age and origin of the Sämkhya System, by Richard Garbe. (Bibl. Ind.) Calcutta 1892.
Sänkhya-Sära; a treatise of Sänkhya Philosophy,
by Yijnana Bhikshu. Edited by Fitz -Edward
Hall. (Bibl. Ind.) Calcutta 1862.
üeber die Einleitung zu dieser Ausgabe s. oben S. 25. Garbe, Sftmkhya-Philosophie. 6
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Dasselbe Werk, ins Englische übersetzt von W. Ward, A view of tbe history, literature, and religioii of the Hindoos. A new edition, carefully abridged and greatly improved, London 1822, Vol. IL 121—172.
Nach F. E. Hall, Prcf. p. i")l Ainn., ist diese mir iiiclit zu- gänglicb gewesene üebersetzung 'with ;ill its imperfeutioiis of some vaUie'.
Säiiikhya-tattva-pradipa, Text und üebersetzung von Grovindadeva9ästrin, Pandit IX, p. 43, 44, 68 — 70, 117, 118, 240—242, X, p. 263—266.
Wohl unvollständig, weil mehrere wichtige Bestandthiüle des Systems hier nicht erörtert sind.
H. T. Colebrooke, On tlie philosophy of the Hindus.
Part. I, On the Sankhya system. Ein Vortrag aus dem
Jahre 1823 in den Transactions of the Royal Asiatic
Society I. 19 — 43; wieder abgedruckt in den Miscellaneous
Essays, by H. T. Colebrooke. A new edition, with notes,
by E. B. Co well. London 1873. Vol. I. 239—279.
Dem Aufsatz ist die Üebersetzung der Samkhyakjirika beigegeben.
I J. R. B a 1 1 a n t y n e ] , A lecture on the Sankhya philosophy, embracing the text of the Tattvasamäsa. Printed for the use of the Benares College. Mirzapore 1850.
Enthält im wesentlichen eine Ausgabe und üebersetzung des Tattvasamäsa und des Commentars Sa in khy a - k rama - dipi kä.
J. R. Ballantyne,* On the drift of the Sankhya philosophy.
Diese Abhandlung kenne ich nur dureli die Notiz Ind. Stud. I. 478.
Barthelemy Saint-Hilaire, Premier Memoire sur le Sankhya, in den Memoires de TAcademie des sciences morales et politiques, Tome VIII (Paris 1852), p. 105— 560. Premiere partie : Bibliographie du Sankhya, p. 107 — 121. Deuxieme partie: Analyse du Sankhya, p. 123 — 36(5 (üebersetzung und Erläuterung der Sämkhyakarika). Troi-
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sieme partie: Examen critique du Säiikhya, p. 369 — 488. Quatrieme partie: histoire du Sänkhya, p. 489 — 523.
Dieses Werk — die umfangreichste unter allen Arbeiten über das Säinkhya- System — war für seine Zeit, in der die wenigen damals zugänglichen Quellen ihrem historischen Zusammenhange nach nicht richtig beurtheilt wurden, entschieden verdienstvoll und kann auch heute noch mit Nutzen zu Rathe gezogen werden. Aber die Gedanken sind zu einer wahrhaft unerträglichen Breite Husgesponnen. Auch bietet die Arbeit nicht sowohl eine objektive Darstellung der Sanikhya -Philosophie, als Urtheile Barthe- IcMTiy's Überdieselbe. Für dfcn Verfasser ist alles, was sich nicht mit dem katholischen Christenthum in Einklang bringen lä.sst, er- reur, aberration criminelle, deplorable u. s. w. Trotz der grossen Anerkennung, die er der Sanikhya- Philosophie im Einzelnen spendet, schliesst er S. 484 mit den Worten: nous la condamnons sans reserve.
E. R ö 6 r , Lecture on the S ä n k h y a pliilosopliy, delirered to the members of the Bethune society , oii the 13"^ April, 1854. Calcutta 1854.
Neheniiah Nilakaiitha Sästri Gore, A rational refiitation of the Hindu philosophical Systems. Translated from the original Hindi by Fitz-Edward Hall. Cal- cutta 1862. Section I, Chapter 3 — 5.
Eine allgemeine Darstellung der Sämkhya-Lehren findet sich S. 43—67.
K. M. Banerjea, Dialogues on the Hindu philosophy, comprising the Nyaya, the Sankhya, the Vedant. London-Edinburgh 1861.
Trotz seines rein christlich-apologetischen Charakters enthält auch dieses Werk viele lehrreiche Auseinandersetzungen. Die Sanikhya- Anschauungen werden in Dialogue VI luid an zahl- reichen anderen Stellen besprochen.
F ]•. .J 0 h a e n t g e n , Ueber das Gresetzbuch des M a n u. Eine philosophisch-litteraturhistorische Studie. Berlin 1 863.
Behandelt im wesentlichen die Beziehungen des Gesetzbuches zur Sämkhya- Philosophie.
R. G. B h a n d a r k a r , The Sänkhya Philosophy. Bom- bay 1871.
Diese Arbeit ist mir nur durch ein Citat aus dc^r folgenden Abhandlung bekannt.
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Tb. Goldstücker, Artikel Saiikliya in Cli am- bers' Encj'clopaedia , wieder abgedruckt in den Literary Remains. London 1879. Vol. I. 170—176.
The Sarva-darsana-samgraha or review of the different Systems of Hindu pliilosophy by Madhava A'c h a r y a. Trauslated by E. B. C o w e 1 1 and A. E. G o u g li (Trübner's Oriental Series) London 1882. Cbapter XIV. The Sänkhya-darsana. P. 221—230.
Richard Garbe, Die Theorie der indischen Ratio- nalisten von den Erkeuntnissmitteln. Berichte der königl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften. Philologisch- historische Classe. 1888, S. 1 — 30.
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III. Ueber den Zusaiiiineiihang der Siimkliya- Lehre mit der grieclüsclien Philosophie.
Die Uebereiiistimmungen in den Lehren der indischen und griechischen Philosophie sind so zaUreich und tief- gehend, dass sie sogleich hei dem Bekannbverdeu der indischen Systeme bemerkt wurden.
Am auffallendsten ist die Aehnlichkeit — man Avürde besser sagten: Gleichheit — der Lehre von dem AU-Einen in den Upanishad's und bei den Eleaten. Die Lehre des Xenophanes von der Einheit Gottes und des Welt- ganzen und von der Ewigkeit und Unveränderlichkeit dieses Einen, noch mehr aber die des Parmenides, dass allein dem einheitlichen, ungewordeuen , unzerstörbaren und allgegenwärtigen Realität zukommt, dass dagegen alles, was in der Vielheit existirt und der Veränderung unter- liegt, nur ein Schein ist, dass ferner Sein und Denken identisch sind, — diese Sätze decken sich vollständig mit dem wesentlichen Inhalt der Upanishad's und des aus diesen herausgewachsenen Vedänta- Systems '). Analogien
^) Die Lehren von der illusorischen Natur der empirischen Welt und von der Identität von Sein und Denken sind noch nicht in den älteren Upanishad's direkt ausgesprochen, sondern erst in Werken, die viel jünger sind als Xenophanes und Par- menides. Aber schon in den ältesten Upanishad's begegnen uns Ideen, aus denen diese Lehren sich entwickeln mussten; denn wir finden schon dort die Einheit und Unwandelbarkeit desBrah- man sowie die Gleichheit des Denkens (mjnäna) und des Brah- ma n betont. Es würde mithin meines Erachtens kein Grund vor- liegen, in der Herleitung der Philosophie der Eleaten aus Indien einen Anachronismus zu sehen.
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mit der indischen Gedankenwelt lassen sich jedoch schon früher, bei den ionischen Naturphilosopheii nachweisen. Die Anschauung des Thaies, des Vaters der griechischen Philosophie, dass Alles aus dem Wasser geworden sei, erinnert uns an die in der vedischen Zeit in Indien sfe- läufige mythologische Vorstellung von dem Urwasser, aus dem die ganze Welt hervorgegangen ^).
Auch Grundanschauungen des S am khya- Systems begegnen uns bei den Naturphilosophen. Wenn A n a x i - man der als den Grund (ä^x'/) aller Dinge einen ewigen, unendlichen und unbestimmten Urstoff, das utzeiqov , an- nimmt, aus dem die bestimmten Stoffe hervorgehen und in das sie wieder zurücksinken, so liegt die Analogie mit der Prakrti, der Urmaterie der Sämkhya's, aus der sich ebenso in eigner Bewegung die materielle Welt entwickelt, mn sich wieder, wenn ihre Zeit um ist, in die Urmaterie zurückzubilden , auf der Hand. Ferner bietet Heraklit, der ,dunkle Ephesier', dessen Lehre freilich hauptsächlich an iranische Ideen anklingt, in verschiedenen Hinsichten Parallelen mit Anschauungen der Sämkhya- Philosophie. Sein ndvra gel ist ein treffender Ausdruck für den von den Sämkhya's gelehrten unablässigen Wandel und Wechsel der ganzen Erscheinungswelt, und seine Lehre von den unzäliligen Weltvernichtungen und Erneuerungen ist eine der bekanntesten Theorien des S-ä ni khya- Systems (sysliti-pralayaiL) -).
Von den jüngeren Naturphilosophen kommt für uns zunächst Empedokles in Betracht, dessen Seelen wan- derungs- und Entwickelungstheorie sich mit den ent- sprechenden Anschauungen der Sämkhya- Philosophie vergleichen lässt. Hauptsächlich aber stimmt seine Lehre, dass nichts entstehen könne, das nicht schon vorher war,
') S. oben S. 11.
-) Weitere Analogien zwischen der Philosophie Heraklit's und den Sän.ikya- Lehren glaubte Colebrooke, Älisc. Ess. "^ I. 437 zu entdecken.
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und dass niclits existirendes vergehen könne, mit einer charakteristischen Sämkhya -Theorie überein, der Lehre von der anfangs- und endlosen Reahtät der Produkte (sai- kdrya-väda). In ähnlicher Weise lässt sich auch der Dua- hsnius des Anaxagoras mit dem der Särakhya- Philosophie in Verbindung bringen. Ja selbst Demokrit erinnert trotz seiner Atomistik ^) in den — allerdings wohl auf Empedokles zurückgehenden — Grundsätzen seiner Metaphysik ,Aus nichts wird nichts ; -) nichts , was ist, kann vernichtet werden' an die fast wörtlich so im Sämkhya ausgesprochenen Lehrsätze. Desgleichen stimmt seine Auffassung der Götter, die für ihn nicht unsterblich sind, sondern nur glückhcher und langlebiger als die Menschen, völlig mit der Stellung überein, die den Göttern im Sämkhya- System und überhaupt in Lidien an- gewiesen wird ; denn die Götter unterliegen nach indischer Anschauung ebenso wie die irdischen Wesen der Metem- psychose und müssen, wenn die nachwirkende Kraft früher erworbenen Verdienstes erschöpft ist, wieder ab- wärts steigen •').
Dass dann auch bei Epikur die gleichen Ideen uns begegnen, ist durch seine Abhängigkeit von Demokrit bedingt. Aber Epikur hat auch noch über andre Dinge Ansichten aufgestellt, die sowohl als solche wie in ihrer Begründung merkwürdige Uebereinstimmungen mit S ä in - khya-Lehren aufweisen. Wenn Epikur die Welt- regierung durch einen Gott leugnet, weü bei einer solchen
1) Die unter keinen Umständen aus Indien hergeleitet werden darf, da die indischen atomistischen .Systeme (Vaiceshika und Nyäya) zweifellos viel jünger sind als das Zeitalter des Leukipp und Demokrit.
■^1 Vgl. Sainkhyasütra I. 78.
•") „Solche Worte wie Indra u. s. w. bedeuten, ähnlich wie „z. B. das Wort ,General', nur das Innehaben eines bestimmten „Postens. Wer also gerade den betreffenden Posten bekleidet, der „führt den Titel Indra u. s. w." ^amkara zu dem Brahma- siitra I. 3. 28 nach Deussen's Uebersetzung.
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Annahme der Gottheit Eigenschaften und Thätigkeiteu zugeschrieben würden, die mit dem Begriffe der göttlichen Natur unvereinbar seien, so spricht er aus, was dieSäni- khya -Lehrer nicht müde werden eindringlich zu wiedei- holen. Auch die bei ihm beliebte Beweisfbrmel „dann könnte ja aus allem alles entstehen" *) finden wir mehrfach in den Werken der Sämkhya-Philosophie.
Ob nun die hier aufgeführten und andere Ideen der griecliischen Philosophie wirklich auf einer Beeinflussung von Seiten der indischen Gedankenwelt beruhen oder ob sie, weil in der Natur des menschlichen Denkens begründet, in Indien und in Griechenland selbständig von einander entstanden sind, das ist eine Frage, welche die vorsichtigste Behandlung erfordert. Ich bekenne, dass ich mich der ersten Seite dieser Alternative zuneige, möchte mir aber kein apodiktisches Urtheil erlauben. Das Werk Ed. Röth's (Geschichte unsrer abendländischen Philosojihie * 1846 , - 1862), die zahkeichen Arbeiten von Aug. Gladisch und die Schrift C. B. Schlüter 's (Aristoteles' Metaphysik eine Tochter der Sämkhya- Lehre desKapila, 1874)-)
1) Vgl. Lange, Geschichte des Materialismus ^ Tl. 46.
^) Vgl. auch die Abhandlung des Baron v. Eckstein ,Ueber die Grundlagen der Indischen Philosophie und deren Zusammen- hang mit den Philosophemen der westlichen Völker' Ind. Stud. II. 369 — 388. — In noch früherer Zeit behandelte man solelic Fragen mit einer erstaunlichen Kühnheit. Sir William Jones (Works, 4to ed. 1799, I. 360, 361) erblickte mit der ihm eigenen Leichtigkeit der Auffassung folgende Analogien: "Of the Philo- "sophical Schools it will be sufficient, here, to remark that the "first Nyäya seems analogous to the Peripatetic ; the second, some- "times called Vaisesliika, to the lonic; the two Mimänsäs, of which "the second is often distinguished by the name of Vedänta, to the "Piatonic; the first Sänkhya, to the Italic; and the second, or "Pätanjala, to the Stoic philosophy: so that Gautama corresponds "with Aristotle; Kanada, with Thaies; Jaimini, with Socrates; "Vyäsa, with Plato; Kapila, with Pythagoras; and Patanjali, with "Zeno. But ;ui accurate comparison between the Grecian and "Indian Schools would require a considerable volume." Aus Hall, Pref. j). 5 Anm.
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scliiessen mit ihrer Ueberscliätzung des orientalisclieri Ein- flusses und ihren phantastischen Combinationen jedenfalls über das Ziel hinaus, beruhen auch auf einer völlig un- genügenden Kenntniss der orientalischen Quellen. Trotz- dem scheint mir in diesen Werken ein Kern Wahrheit zu stecken, der aber schwerlich je mit wissenschaftlicher Genauigkeit herauszulösen sein wird. Die historische Möglichkeit eines indischen, durch Persien vermittelten Einflusses auf die griechische Gedankenwelt und damit einer Uebertragung der eben erwähnten Ideen aus Indien ist unbedingt zuzugeben. Die Verbindungen der klein- asiatischen lonier mit den östlicheren Ländern waren in den Zeiten, um die es sich hier handelt, so mannigfaltig und zahlreich, dass es an Gelegenheit zum Gedankenaus- tausch zwischen Griechen und in Persien weilenden Indern nicht gefehlt haben kann '). Dazu kommt, dass von den meisten der hier in Betracht kommenden griechischen Philosophen, von Thaies, Empedokles, Anaxagoras, Demokrit und anderen, ausdrücklich berichtet ist, dass sie — zum Theil lange — Reisen nach orientalischen Ländern unternommen hätten, um dort philosophische Studien zu machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich jene grie- chischen Philosophen indische Ideen auf persischem Boden
') Ich freue mich iii ücbcrweg's Grundriss der Geschichte der Philosophie, bearbeitet und herausgegeben von Hcinze, ® I. 36 den folgenden Satz zu finden: „Weit eher könnte ein wesentlicher „orientalischer Einfluss in der Form einer direkten Berührung der „älteren griechischen Philosophen mit orientalischen Völkern nii- „genommen werden." Die auf derselben Seite ausgesprochene Ansicht, dass eine volle und gesicherte Lösung dieses Problems von dem Fortgang der orientalischen Forschungen gehofft werden darf, vermag ich leider nicht zu theilen, weil auch bei der ge- nauesten Bekanntschaft mit den orientalischen Systemen und Religionen die von mir oben S. 88 erwähnte Alternative bestehen bleibt, und weil uns — mit einer einzigen, gleich näher zu be- sprechenden Ausnahme — die Mittel zu einer scharfen Umgrenzung des fremden Einflusses auf die ältere griechische Philosophie fehlen.
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angeeignet haben, wird siclierlich durch diese Nachrichten erhöht. Jedenfalls aber haben sie es, wenn sie fi'emde Ge- danken entlehnten, verstanden denselben das Gepi'äge griechischen Geistes aufzudrücken.
Ich habe bisher absichtlich einen Namen bei Seite gelassen, der enger mit dieser ganzen Frage verknüpft ist als irgend einer der bisher genannten. Während ich bei den griechischen Naturphilosophen, bei den Eleaten und bei Epikur nicht über die Annahme einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Anlehnung an indische Ideen hin- auskomme, scheint mir die völlige Abhängigkeit des Pytha- goras, dessen Lelu'en ja auch in Griechenland als etwas fremdartiges empfunden wurden, von indischer Philosophie und Wissenschaft gesichert zu sein. Auf die Analogien zwischen dem S ä m k h y a - System und der Pythagoreischen Philosoijhie hat zuerst Sir William Jones, Works, 8vo ed., IIl. 236 ') hingewiesen, indem er an den von dem Worte samkhyä ,Zahl' abgeleiteten Namen des indischen Systems und an die fundamentale Bedeutung der Zahl bei P y t h a g o r a s anknüpfte. Dann hat Coleb rooke, Mise. Ess. 2 1. 436, 437, den Gedanken, dass pythagoreische Lehren aus Indien stammen könnten, mit grösserer Entschiedenheit ausgesprochen: " . . . . adverting to Avhat has come to us "of the history of Pythagoras, I shall not hesitate to "acknowledge an inclination to consider the Grecian to "have been .... indebted to Indian instructors." Diese Ansicht begründet Coleb rooke weiterhin, a. a. 0. 441 ff., mit den folgenden Worten, die mir beachtensAverth genug erscheinen um sie hier anzuführen:
"It may be here remarked by the way, that the Py- "thagoreans, and Ocellus in particular, distingaish •'as parts of the world, the heaven, the earth, and the "interval betweeii them , which they term lofty and "aerial .... Here we have precisely the heaven, earth, "and (transpicuous) intermediate region of the Hindus.
1) S. Colebrooke, Mise. Ess.- I. 241.
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"Pythagoras, as affcer him Ocellus, peoples tlie "'middle or aerial regioii witli demons, as lieaveii with "gods, and the earth with men. Here again they agree "precisely with the Hindus, who place the gods above, •'man beneath, and spiritual creatures, flitting unseen, in "the intermediate region ....
"Nobody needs to be reminded, that Pythagoras ''and his successors held the doctrine of metempsychosis, as •'the Hindus universally do the same tenet of transinigration •'of souls.
"They agree likewise generally in distinguishing the "sensitive, material organ (manas), from the rational and •'conscious living soul (ßväfman) : x}-vu6g and <fQ)ji' of "Pythagoras; one perishing with the body, the other "immortal.
„Like the Hindus, Pythagoras, with other Greek "philosophers, assigned a subtle etherial clothing to the "soul apart from the corporeal part, and a grosser clothing •'to it when united with body; the silhshna for Imga) '•^sarira and sthiila sarira of the Sänkhyas and the "rest .... I should be disposed to conclude that the "Indians were in this instance teachers rather than learners. "
Wilson (Quarterly Oriental Magazine IV. 11, 12 und Sänkhya Karikä p. XI) streift diese von Jones und Coleb rooke hervorgehobenen Analogien nur im Vorbei- gehen. Etwas eingehender wird ein einzelner Punkt be- handelt von Barthelemy Saint-Hilaire, der in seinem Premier Memoire sur le Sänkhya S, 512, 513, 521, 522 die Seelenwanderungstheorie bei Pythagoras bespricht und mit Recht bemerkt, dass die Wahrscheinlichkeit für deren indische Herkunft grösser ist, als für ihre egyp- tische. Barthelemy findet ferner Sämkhy a-Ideen bei Plato, im Phädon, Phädrus, Timaeus und in der Republik: „les analogies sont assez nombreuses et assez "profondes pour qu'il soit impossible de les regarder comme •'accidentelles" (S. 514). Er wei-st darauf hin, dass die Be- oriffe 'Erlösung:' und 'Gebundensein' bei Plato und in
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tler S a m k h y a - Philosopliie übereinstimmen, insofern sie die Befreiung der Seele von der Materie und das Gefesselt- sein der Seele an die Materie bezeichnen , und dass die Idee der Metempsychose soAvie die der anfangs- und end- losen Existenz der Seele beiden gemeinsam ist. Auf S. 521 erklärt Barthelemy dann, dass Plato, der grosse Be- wunderer der pythagoreischen Schule, diese seine Lehren von Pythagoras entlehnt habe; wenn man aber frage, woher Pythagoras dieselben habe, so wiesen uns die Anzeichen nach Indien. In weit gründlicherer und um- fassenderer Art hat — anscheinend ohne seine Vorgänger zu kennen ^) — L. v. S c h r o e d e r diese Frage behandelt in seiner Schrift 'Pythagoras und die Inder (Leipzig 1884), die mir in den Hauptsachen trotz Weber 's gegentheiliger Ansicht -) durchaus das richtige getroffen zu haben scheint. Aus Schroeder's Zusammenstellungen geht hervor, dass fast sämmtliche Pythagoras zugeschriebenen Lehren, die philosophisch-religiösen sowolil wie die mathematischen, in Indien bereits im sechsten Jahrhundert vor Chr. und früher geläufig waren. Da nun die wichtigsten dieser Lehren bei Pythagoras unvermittelt und ohne eine er- klärende Vorgeschichte auftreten, während sie in Indien aus dem geistigen Leben jener Zeiten heraus verständlich werden, zieht Schroeder mit Recht den Schluss, dass Indien das Heimatliland der pythogoreischen Lehren ist.
^) Aus Lucian Scherman's Materialien zur Geschichte der Indischen Visionsliteratur S. 26 Anm. 1 ersehe ich, dass die Ver- muthung, Pythagoras habe seine Lehre von der Seelenwanderung aus Indien herübergenommen, in älteren Werken noch öfter geäussert ist. Scherman verweist auf F. v. Schlegel, Ueber die Sprache und Weisheit der Indier p. 1 11 tF., C h e z y in S c h 1 e g e F s Ind. Bibliothek I. p. 261, Dubois, Moeurs, institutions et cere- monies des peuples de l'Inde II. p. 312 ff., Upham, The history and doctrine of Buddhism, popularly illustrated p. 27 ff., Coli in de Plancy, Dictionnaire Infernal I. p. 86.
■-) Im Literarischen Centralblatt 1884, S. 1563—65. Vgl. auch „die Griechen in Indien", Sitzungsberichte der Kgl. Preassischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, XXXVII, S. 923—926.
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Einzelne Ueberein Stimmungen würden natürlich keine zwingende Beweiskraft haben — und deshalb habe ich auch nicht gewagt, mich bei den andern vorher bespro- chenen Philosophen für ihre Abhängigkeit von Indien mit Bestimmtheit zu erklären — ; aber bei Pythagoras wirkt die M a s s e ; und um so mehr, als es sich bei diesen Uebereinstimmungen zum Theil um geringfügige und wunderliche Dinge handelt, bei denen man nicht gut an- nehmen kann, dass sie unabhängig an zwei verschiedenen Orten aufgetreten seien. Ich muss hier auf die eingehende Arsfumentation in Schroeder's Schrift verweisen und kann nur die hauptsächlichsten Punkte herausheben, die Pythagoras und den alten Indern gemeinsam sind: die Theorie der Seelenwanderung, die selbst in bemerkens- werthen Einzelheiten hüben und drüben übereinstimmt und von Pythagoras nicht aus Egypten entlehnt sein kann aus dem einfachen Grunde, Aveü uns die Egyptologie lehrt, dass trotz der bekannten Herodot- Stelle die alten Egypter den Glauben an die Seelenwanderang nicht ge- kannt haben; das merkwürdige Verbot des Bohnenessens; das TTQoq i'/hov tEtoauLÜvov fii] bitiyüv; die Lehre von den fünf Elementen 1); dann vor allen Dingen der in den Culvasütra's-) entwickelte sogenannte pythagoreische
1) D. h. die in der pythagoreischen Schule ebenso wie allgemein in Indien herrschende Annahme des Aethers als des fünften Elements. Sehroeder sagt S. 65 Anm. 2: „Sollte am Ende gar in der .... „Stelle des Philolaus [bei Zeller, die Philosophie der Griechen „I-* 876 Anm. 3J in dem seltsamen olttas als Bezeichnung des „fünften Elementes, das schon so viele Conjekturen, aber keine „befriedigende hervorgerufen hat, sich eine Verstümmelung der „indischen Bezeichnung des Aethers, d. i. dkäca, erhalten haben ? !"• Es ist das eine Vermuthung, die durchaus nicht von der Hand zu weisen ist.
- W e b e r ' s Polemik gegen Schroeder's Schrift basirt haupt- sächlich auf einer ünterschätzung des Alters der gulvasütra's, deren Messungen auf dem Opferplatze zu der Entdeckung des be- rühmten Lehrsatzes geführt haben. Die Qulvasütra's sind nicht
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Lehrsatz; die irrationale Zahl Y'ö; ferner der ganze Cha- rakter des von Pythagoras gestifteten religiös-philoso- phischen Bundes, der den indischen Orden jener Zeit analog ist, sowie die der pythagoreischen Schule eigene mystische Spekulation, die eine überraschende Aehnlichkeit mit den in der Brahma na- Literatur beliebten phantas- tischen Combinationen hat.
Schroeder führt noch ein paar weitere Analogien an, die von geringerer Bedeutung und zweifelhafter Natur sind; und schliesslich hat er in folgenden zwei Punkten ohne Zweifel fehlgegriffen. Er ist nämlich der Ansicht, dass Pythagoras in Indien selbst seine Kenntnisse er- worben habe, — ein Gedanke, den die Geschichte der ältesten Verkehrs Verbindungen einfach ausschliesst'). Das einzige Land, in dem Pythagoras seine indischen Lehrer angetroffen haben kann, ist Persien, dem ich schon oben die eventuelle Vermittelung indischer Ideen an die grie- chischen Naturphilosophen und an die Eleaten glal^bte zu- schreiben zu müssen. Der andere Punkt, um dessentAvillen die Frage nach der Herkunft der pythagoreischen Lehren hier erörtert werden musste, betriffb den von Schroeder angenommenen Zusammenhang dieser Lehren mit der Sämkhya- Philosophie. Die Metempsychose und die ftinf Elemente mag Pythagoras von Anhängern dieses Systems kennen gelernt haben; aber weitergehende Beziehungen sind nicht zu entdecken. Schroeder sucht-) S. 72—71) die Grundanschauung der pythagoreischen Philosophie, 'dass die Zahl das Wesen aller Dinge sei', mit einer älteren
Anhängsel zu den Qrautasiitra's, sondern intogrirende Bestand- theile der grossen, je von einem Verfasser herrührenden Ritiuil- complexe, und das in den Qulvasütra's gebotene Material ist natürlich noch Aveit älter als die Lehrbücher selbst.
^) Die griechische Tradition, dass Pythagoras Indien bi'- sueht habe, ist erst in der alexandrinischen Zeit entstanden; vgl. Lassen, Indische Alterthumskunde III. .379.
2) Wie vor ihm Sir William Jones; s. oben S. 90.
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(von ihm fingirten) Form der S am khya- Philosophie m Verbindung zu bringen. Er sagt S. 74: „Mir scheint es „aus dem Namen sämhhya deutlich hervorzugehen, dass „in diesem System die Zahl (samhJiyd) ursprünglich eine „entscheidende, grundlegende Bedeutung hatte, wenn auch „das spätere System, dessen bezügliche Lehrbücher mehr „als ein Jahrtausend jünger sind als die vorbuddhistische „Särnkliya lehre des Kapila, diesen Charakterzug voll- „ ständig verloren und verwischt hat. " Dabei hat Schroeder übersehen, dass die nur ein paar Jahrhunderte später als Buddha anzusetzenden Upanishad's, die voll von Samkhya- Lehren sind, an den in Betracht kommenden Stellen ebenso wenig diesen angeblich ursprünglichen Charakterzug aufweisen, sondern mit dem von ihm als das ,spätere' bezeichneten System übereinstimmen. Schroeder selbst nennt seine Combination eine sehr kühne, aber in der That ist sie vollständig grundlos; denn wir besitzen nicht den entferntesten Anhaltspunkt für die Annahme, dass es einmal ein anderes Samkhya -System als das in unsern Quellen vorliegende und nach der sonderbaren in ihm herrschenden Aufzähluugssucht benannte gegeben hat. Im Gegentheil, triftige Gründe sprechen dagegen, dass unser System im Laufe der Zeit nennenswerthe Abände- rungen erfahren habe. So abgerundet und bis in alle Einzelheiten logisch zusammenhängend, wie uns die Sam- khya- Lehre entgegentritt, kann sie nur in einem Kopfe entstanden sein; und das ganze System fällt zusammen, sobald wir uns ein wichtigeres Glied desselben anders oder fehlend denken. — Wenn man die pythagoreische Zahl- Philosophie in einen historischen Zusammenhang mit dem Samkhya- System bringen will, so könnte man höchstens auf folgenden Gedanken kommen. Die Lehre des P y t h a- goras, dass die Zalil das Wesen der Dinge sei, dass man die Elemente der Zahlen als die Elemente alles Seienden zu betrachten habe und dass die ganze Welt Harmonie und Zahl sei, steht 'in der Geschichte des menschlichen Denkens vereinzelt da und dürfte ein unphilosophischei-
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Gedanke sein, wenn etwas anderes in ihm liegen sollte, als dass alles existirende von dem mathematischen Gesetz heheiTscht wird. Es erscheint mir deshalb nicht «"anz unmöglich, dass dieser Gedanke aus einem Missverständniss des Pythagoras entstanden ist, der die Worte seines indischen Lehrers, die Sämkhya- Philosophie trage ihren Namen nach der Aufzählung der materiellen Principien, irrthümlich so aufgefasst haben kann, dass in der Säm- khya - Philosophie die Zahl für das Wesen der materiellen Principien gelte. Doch ist dies natürlich nichts weiter als eine Vermuthung.
Lassen bestreitet in seiner Indischen Alterthums- kunde jeden indischen Einfluss auf die griechische Philo- sophie in vorchristlicher Zeit, nimmt dagegen 111. 379 ff. einen solchen für die christliche Gnosis und den N e u - p 1 a t o n i s m US an. Da uns aus dieser Zeit rege Beziehungen zwischen Alexan dria und Lidien zur Genüge beglaubigt sind, so ist allerdings an dem indischen Einfluss auf die Lehren der Gnostiker und Neupiatoni ker nicht zu zweifeln. Verweilen wir zunächst bei den Gnostikern. Lassen ist der Meinung, dass die indischen Elemente in den Systemen derselben aus dem Buddhismus stammen, der (in seiner damahgen, unursprünglichen Form) einen unbestreitbaren Einfluss auf das geistige Leben AI ex an - dria's ausgeübt hat. Am deutlichsten erscheint dieser Einfluss bei den Vorstellungen der Gnostiker von den zahlreichen Geisterwelten und Himaneln, die aus der Kos- mogonie des späteren Buddhismus abgeleitet sind. Aber ich glaube nicht, dass bei der Ausbildung der gnostischen Systeme der Buddhismus in dem Umfange betheiligt ge- wesen ist, wie Lassen annimmt; denn meines Erachtens kommt bei L a s s e n die S am k h y a-Philosophie nicht ganz zu ihrem Rechte. Wenn Avir uns gegenwärtig halten, dass die Jahrhunderte, in denen der Gnosticismus sich entwickelte, — d. h. das zweite und dritte Jhdt. n. Chr. — zusammen- fallen mit der Blüthezeit des Sämkhya- Systems in Indien, so Averden uns manche Dinge in anderem Lichte erscheinen.
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als sie Lassen erschienen sind '). Lassen bringt S. 385 den bei den Gnostikern erscheinenden Gegensatz zwischen Geist und Materie in Zusammenhang mit buddhistischen Lehren, während es doch viel näher läge hier an die An- schauung zu denken, die das Fundament der Sämkhya- Philosophie bildet. Ein anderer Punkt, der hierher gehört, betrifft die bei den meisten Gnostikern sich findende Iden- tificirung von Geist und Licht -). Hierüber bemerkt Lassen S. 385 folgendes: „Es unterscheidet zwar im Allgemeinen ,,die buddhistische Religionsphilosophie scharf Geist und , Licht und betrachtet das letztere nicht als immateriell; ,es findet sich jedoch auch bei ihnen eine Ansicht vom
Licht, welche der gnostischen verwandt ist. Das Licht ist ,nach ihr das Vehikel der Erscheinungen in der Materie; , die von Licht umhüllte Intelligenz kommt mit der Materie ,in Verbindung, in welcher der Lichtstoff sich vermindern ,und ganz verdunkeln kann, wo dann die Intelligenz zu- , letzt cranz in ßewusstlosigkeit versinkt. Von der höchsten , Intelligenz wird au.sgesagt, dass sie weder Licht noch , Nichtlicht, weder Finsterniss noch Nichtfinsterniss sei, .denn alles dieses deutet auf Beziehungen der Intelligenz .zum Lichte hin, welches zwar vom Anfange an frei von „diesen Beziehungen ist, jedoch nachher die Intelligenz , einschliesst und ihre Verbindung mit der Materie vermittelt. ,Aus dieser Stelle folgt, dass der höchsten Intelligenz nach ,der buddhistischen Ansicht die Fähigkeit beigelegt wird,
Licht aus sich zu entwickeln, so dass auch in dieser , Hinsicht eine Uebereinstimmung des Buddhismus mit dem
Gnosticismus vorliegt."
1) Andererseits kann ich nicht in der Lehre der Valentinianer von der Entstehung der Materie die von Lassen 'S. 400, 401 ge- fundenen Aehnlichkeiten mit der Sämkhya- Philosophie entdecken; auch die auf den folgenden Seiten zusammengestellten Ueberein- stimmungen unseres Systems mit dem der Ophiten erscheinen mir sehr zweifelhaft.
■-) Schon Aristoteles hat übrigens den Geist mit dem Licht verglichen.
Garbe, Sämkhya-Philosophie. 7
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Hier hat Lassen entlegene und ganz vereinzelte Spekulationen aus dem wirren Vorstellungskreis des späteren Buddhismus herangezogen, um den buddhistischen Einfluss auf die eben angeführte Lehre der Gnostiker von der Identität des Geistes und des Lichtes glaubhaft zu machen. Gelungen scheint mir dieser Versuch nicht zu sein. Wie unendlich viel einfacher und natürlicher erscheint die Com- bination, die sich uns hier bei einem Blick auf die Säm- k h y a - Philosophie darbietet! Denn diese lehrt — was Lassen jedenfalls nicht bekannt war — , dass derGeist Licht (prakaQa) s e i ^) , womit gemeint ist , dass er die mechanischen Vorgänge der inneren Organe erleuchtet, d. h. zum Bewusstsein bringt. Diese Vorstellung der S ä m - khya's, dass Denken und Licht dasselbe seien — mit anderen Worten : dass der Geist aus Licht bestehe — , haben wir zweifellos als die Quelle der gleichen Anschauung bei den Gnostikern anzusehn.
In einer andern Hinsicht hat Lassen (S. 384, 398 ff.) den Einfluss des S ä m k h y a - Systems auf den Gnosticismus richtig betont. Schon Ferd. Chr. Baur (die christliche Gnosis S. 54, 158 ff.) hatte die merkwürdige Ueberein- stimmung der mehreren Gnostikern eigenthümlichen Ein- theilung der Menschen in die drei Klassen der nvevfiartxoi, \pv)(^LXoi und vhxoi mit der S am khya- Lehre von den drei G u n a ' s bemerkt. Ueber diese Theorie wird eingehend im dritten Abschnitt (L 3) gehandelt werden ; hier sei nur
^) Vgl. Sämkhyasutra I. 145: ^[Der Geist] ist Licht, weil die „Begriffe des ungeistigen und des Lichtes sich ausschliessen" und VL 50 : „das aus Denken bestehende , von dem unbeseelten ver- „schiedene erleuchtet das unbeseelte". Vijriänabhikshu bemerkt zu der ersten Stelle : „Der Geist ist seinem Wesen nach Licht wie „die Sonne und die anderen Gestirne", und zu der zweiten mit einem Mangel an Consequenz: „An dem Geiste haftet das Licht ,, nicht als Eigenschaft , wie an der Sonne u. s. w. , sondern [der „Geist ist] ein aus [Licht = ] Denken bestehendes, d. h. seinem „Wesen nach Denken seiendes Ding, [und] erleuchtet [als solches] „das unbeseelte."
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so viel bemerkt, dass die S ä m k h y a - Philosophie die Indi- viduen als in die Sphäre einer dieser drei Potenzen gehörig betrachtet, je nachdem in ihnen das lichthaft-friedlich-freudige oder das leidenschaftlich-thätig-schmerzhafte oder das dunkel- unbeweglich-stumpfe Element überwiegt.
Noch eine weitere interessante Parallele finde ich bei F. E. Hall, 'a rational reftitation of the Hindu philoso- phical Systems, by NehemiahNilakaiitha, translated etc.' S. 84 erwähnt. Hall weist nämlich darauf hin, dass die S ä m k h y a - Doktrin von der Selbständigkeit der Buddhi, des Ahamkära und des Manas, d. h. der Substrate der psychischen Vorgänge, ein Analogon in der Lehre der Crnostiker habe, der zufolge dem Intellekt, dem Willen u. s. w. persönliche Existenz zukomme. Ich bin überzeugt, dass bei einem eingehenden Studium der gnostischen Systeme Kenner der Sänikhya- Philosophie noch mehrere derartige Berührungspunkte auffinden würden.
Was nun den Neuplatonismus betrifft, so hat .schon Lassen S. 417 ff. den Einfluss der Sämkhya- Philosophie auf denselben in vollem Umfange gewürdigt. Die Anschauungen PI o t i n ' s , (204—269), des bedeutendsten Neupiaton ikers, decken sich zum Theil vollständig mit Sämkhya- Lehren. Hierher gehören die Sätze, dass die Seele von Leiden und Alterationen frei sei, dass sie von allem derartigen nicht berührt werde, dass vielmehr das Leiden der Welt der Materie angehöre. TJeberraschend ist, dass PI ot in nicht nur, wie die Sämkhya -Philosophie, die Seele dem Lichte gleicksetzt, sondern auch bei der Er- klärung der bewussten Erkenntniss das andere in den Sämkhya- Schriften ebenso übliche Gleichniss von dem Spiegel gebraucht, in dem die Bilder der Objekte erscheinen ^). Plotin verspricht, durch seine Philosophie die Menschen
1) S. Georg Biedenkapp 's Doktordissertation „Beiträge zu den Problemen des Selbstbewusstseins, der Willensfreiheit und der Geselzmässigkeit des Geistes, teilweise mit Bezug auf die Philo- sophie der Inder" (Halle a/S. 1893) S. 15, 16.
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von ilirem Elend zu befreien, und stellt damit dasselbe Ziel in Aussicht wie das Sämkhya- System, das den Menschen zur unterscheidenden Erkenntniss und damit zur Erlösung, d. h. zur absoluten Schmerzlosigkeit führen will. Zwar haben sich alle brahmanischen Systeme die Aufgabe gestellt, den Menschen durch Erweckung einer bestimmten Erkenntniss von den Leiden weltlichen Daseins zu erlösen ; aber in keinem ist der Grundsatz, dass dieses Leben ein Leben der Schmerzen sei, nur annähernd so sehr betont, wie im Sämkhya -System; in keinem andern ist der Begriff Erlösung mit gleicher Entschiedenheit als „das absolute Aufhören des Schmerzes" definirt.
Den Ausspruch Plotin's, dass der Mensch auch im Schlafe glücklich sein könne, weil die Seele nicht schlafe, bringt Lassen S. 428 mit einer vedantistischen Anschauung in Zusammenhang. Aber es liegt dazu keine Nöthigung vor; denn die Lehre, dass der tiefe, traumlose Schlaf mit (der Versenkung und) der Erlösung insofern gleichartig sei, als die Seele in allen drei Zuständen in ihrem eignen Wesen ruhe, da dann die Affektionen des inneren Organs und mithin die Schmerzen geschwunden seien, gehört ebenso dem Sämkhya- System an ^) ; wir werden also in Anbetracht der in so vielen Punkten sich zeigenden Ab- hängigkeit Plotin's von der S ä m k h y a - Philosophie kein Bedenken zu tragen brauchen, auch diesen Gedanken aus der gleichen Quelle abzuleiten. Freilich haben wir uns bei so zahlreichen Uebereinstimmungen doppelt zu hüten, dass wir die Grenzen dieser Abhängigkeit nicht zu weit stecken, und ich glaube deshalb bemerken zu müssen, dass die von Lassen S. 418 ff. zwischen der Emanationslehre Plotin's und der Entwickelungstheorie des Sämkhya- Systems gezogenen Parallelen mir sehr bedenklich und kaum in den Kreis der hier behandelten LTeberein Stimmungen gehörig erscheinen.
1) S. Sämkhyasütra V. 116.
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Noch enger als mit der reinen Sämkhya- Lehre ist der Zusammenhang von Plotin's Philosophie mit dem im theistischen und asketischen Sinne ausgestalteten Zweige des Sämkhya -Systems, der unter dem Namen der Yoga- Philosopliie sich eine selbständige Stellung in der Reihe der brahmanischen Systeme errungen hat. Plotin's Moral ist durchaus asketischer Natur, und wenn auch dieser Zug durch Anlehnung an den Stoicismus erklärt werden könnte, so ist er doch wolil wegen des Zusammenhangs mit den folgenden Punkten direkt auf den Einfluss des Yoga- Systems zurückzuführen. Plotin erklärt alle weltlichen Dinge für nichtig und werthlos und verlangt deshalb, dass man sich dem Einfluss der Sinnenwelt entziehe. Wenn man alle äusseren Eindrücke von sich fernhält und die auf diesen beruhende Mannigfaltigkeit der Ideen durch Concentration des Denkens überwindet, so tritt nach ihm die höchste Erkenntniss in der Form eines plötzlichen ekstatischen Erschauens Gottes ein. Zwischen dieser Theorie und den Lehren der Y o g a - Philosophie besteht nicht die geringste Verschiedenheit; die 'ixaraOLg oder änlojöig (das Einswerden mit dem Göttlichen) bei Plotin ist die pra- tiblid oder das pi-ätibliam jnänam des Yoga- Systems (die durch methodische Uebung der asketischen Yoga-PraxLs plötzlich erreichte unmittelbare, universelle Erkenntniss der Wahi-heit) ').
Neben Plotin kommt hier für uns hauptsäcliHch dessen bedeutendster Schüler Porphyr ins (232 — 304) in Betracht -), der sich in noch höherem Grade als sein Lehrer an die S ä m k h y a - Philosophie angeschlossen hat. Bei Porphyr ins ist uns der indische Einfluss auch äusserlich dadurch beglaubigt, dass er die Schrift des Bardesanes benutzt und aus dieser eine wichtige SteUe über die Brah- manen herausgeschrieben hat. Bardesanes aber hatte authentische Nachrichten über Indien von den indischen
1) S. Yogasütra III. 33.
2) Vgl. Lassen S. 430 ff.
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Gesandten, die an deTi Kaiser Antoninus Pius geschickt waren, erhalten. In den Hauptsachen, auch in der Forderung der Sinnenwelt zu entsagen und durch Contemplation der Wahrheit zuzustreben, stimmt Porphyrius mit Plotin überein; aber er giebt reiner als dieser die Sämkhya- Lehre von dem Gegensatze, der zwischen dem Geistigen und Materiellen besteht, wieder; desgleichen zeigt sich seine Anlehnung an die S ä rn k h y a - Philosopliie in den Lehren von der Herrschaft des Geistigen über das Materielle, von der Allgegenwart der von der Materie befreiten Seele und von der Anfangslosigkeit der Welt ^). Ebenso gehört hierher das Verbot des Porphyrius Thiere zu tödten und seine Verwerfung der Opfer. Lassen meint zwar S. 432, dass Porphyrius dabei das buddhistische Gesetz vor Augen gehabt habe; aber es handelt sich hier um Dinge, die Buddha aus dem Sämkhya- System über- nommen hat -) ; es liegt also kein Grund vor, dieselben eher aus einer sekundären als aus der primären Quelle herzuleiten. Die Aehnlichkeiten mit indischen Ideen, die Lassen dann noch S. 434 ff. bei dem späteren Neuplatoniker Abammon (um 300) findet, können wir bei Seite lassen, da die jenem phantastischen und abergläubischen Lehrer speciell angehörigen Anschauungen nur zAveifelhafte An- knüpfungspunkte an indische Vorbilder darbieten. Von Belang ist allein hier die Ansicht Abammon 's, die übrigens schon bei seinen Vorgängern angedeutet erscheint, „dass die vom heiligen Enthusiasmus erfüllten Menschen Wunderkräffce erlangen" '^) ; denn hier liegt die Ueberein- stimmung mit der in Indien allgemein verbreiteten Ueber- zeugung, dass durch die vorschriftsmässige Ausübung der Yoga -Praxis wunderbare Kräfte zu gewinnen sind, auf der Hand. Die Yoga- Philosophie verheisst als die Frucht
') Dieser letzte Punkt ist von Lassen nicht erwähnt. ^) Vgl. die Einleitung zu meiner Uebersetzung der Sämkhya- tattva-kaumudi S. 524, 526. 3) Lassen S. 438.
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solcher Uebung die Erlangung der Fähigkeit, sich unsichtbar, unendlich gi-oss oder unendlich leicht zu machen, andere Körper anzunehmen, den Lauf der Natur nach Belieben zu ändern, und sonstiger übernatürlicher Kräfte.
Ich kann von dem Neuplatonismus nicht Abschied nehmen, ohne eine sehr wichtige Uebereinstimmung mit der indischen Gedankenwelt zu erwähnen, die zwar nicht das Sämkhya- System betrifft, aber doch als ein be- deutungsvolles Glied in der Kette der griechischen Ent- lehnungen aus Indien unsere ganze Beweisführung nach- drücklich stützt. Weber hat in einem kleinen Aufsatz „mc und löyoq'' Ind. Stud. IX. 473—480 — mit aUer Vorsicht „ohne irgend über diese Frage ein Urtheil damit abgeben zu wollen" — die Yermuthung ausgesprochen, dass die indische Vorstellung von der vdc (,Stimme', ,Rede', ,Wort') auf die im Neuplatonismus auftretende und von da in das J o h a n n e s - Evangelium übergegangene Idee des loyoq von Einfluss gewesen sei. Weber geht von dem Hymnus Rigveda X. 125 aus, in dem bereits die V ä c als eine thätige Kraft auftritt, und weist auf die auch sonst im Veda vorkommende Personificirung der ,göttlichen Väc', der Sprache als des Vehikels der priesterlichen Beredsamkeit und Weisheit, hin. Er verfolgt dann die Entwickelung dieses Begriffs durch die Brahma na- Lite- ratur, wo die Väc dem Xdyog im Eingang des Johannes- Evangeliums immer ähnlicher wird. Hier erscheint nämlich in den zahlreichen von Weber angeführten Belegstellen die Väc als die Genossin Prajäpati's (des Schöpfers), „im Verein mit welchei* und durch welche er seine Schöpftmg vollzieht"; ,.ja sie ist in letzter Instanz als die geistigste Zeugerin hie und da geradezu an den Anfang aller Dinge überhaupt, sogar noch über den persönlichen Träger ihrer selbst, gestellt."
Weber schlies.st diesen inhaltsschweren Artikel mit den Worten : „Jedenfalls nun lässt sich die kosmogonische „Stellung der Väc so, indem man sie nämlich als Höhe- „punkt der Verherrlichung priesterKchen Dichtens und
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„Wissens ansieht, leicht und einfach begreifen, während „die gleiche Stellung des Xöyog ohne Vorstufen erscheint, „die uns das Entstehen derselben erklärlich machen." Ich halte diesen Gedanken Weber's für einen ausserordentlich glücklichen und meine, dass er einen anderen Namen als den einer blossen ,Vermuthung' verdient. Es sei mir aber die Berichtigung gestattet, dass die Idee des Xoyog nicht erst im Neuplatonismus erscheint, sondern ihre eigentliche Stelle in den Leliren P h i 1 o ' s hat, die ja überhaupt zum grossen Theil dem Neuplatonismus zu Grunde liegen. Philo seinerseits hat die Lehre vom Logos von den Stoikern entlehnt und diese hinwiederum von Heraklit, bei dem der Xoyog bereits das ewige Gesetz des Weltlaufs ist^). Meine oben geäusserte Vermuthung, dass Heraklit durch indische Ideen beeinflusst sei, findet also hier eine erwünschte Bekräftigung. Wenn die ganze Combination richtig ist, so würde die Entlehnung des Logos-Begriffs aus Indien um mehr als ein halbes Jahrtausend früher anzusetzen sein, als es nach Weber's Darstelhmg scheinen könnte.
Unter den indischen Lehren, die wir glaubten in der griechischen Philosophie wiederzufinden, nehmen die des Sämkhya -Systems die erste Stelle ein; sie waren auch ihrer Natur nach am ehesten auf einen fi-emden Boden zu übertragen und einem andern Gedankenkreis einzuverleiben, lieber die Neuplatoniker reicht der Einfluss des Sämkhya und überhaupt der indischen Philosophie auf die Philosophie des Abendlandes nicht hinaus; und auch die neueste Zeit lässt — wenn man von der buddhistischen Färbung der Philosophie Schopenhauer's und von Hartmann's absieht — keine wirkliche Beeinflussung von Seiten der altindischen Gedankenwelt erkennen. Selbst die historischen Darstellungen der gesammten Philosophie pflegen die in- dischen Systeme unberücksichtigt zu lassen. Dass dies mit
^) Vgl. M;ix Heiiize, die Lehre vom Logos in der griechischen Philosophie, Oldenburg 1872.
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Unrecht geschieht, bedarf keines Beweises mehr. Es findet aber diese Gleichgiltigkeit gegen die indischen Systeme darin ihre Erklärung, dass dieselben in unserem Jahrhundert erst in den äussersten Umrissen in Europa bekannt ge- worden sind und mit Ausnalune der Vedänta- Philosophie, die seit 1883 in Deussen's trefflicher Darstellung zu- gänglich gemacht ist, noch keine eingehende Bearbeitung gefunden haben.
Ich habe mich in diesem Kapitel darauf beschränkt, die historischen Zusammenhänge zwischen den Säm- k h y a - Lehren und der griechischen Philosophie aufzu- suchen und wahrscheinlich zu machen. Die Aufgabe, die inneren Beziehungen der ganzen abendländischen Philo- sophie zu jenen Lehren und die zufölligen Uebereinstim- mungen in Einzelheiten festzustellen, liegt ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit ').
^) Zwei Punkte der Art sind von John Davies in dem An- hang zu seiner Uebersetzung der Sämkhyakärikä behandelt: On the connection of the Sänkhya system with the philosophy of Spinoza p. 139 ff. und On the connection of the system of Kapila with that of Schopenhauer and von Hartmann p. 143 ff. Einige interessante Parallelen finden sich bei Gr. Bieden- kapp, Beiträge zu den Problemen des Selbstbewusstseins u. s.w.; s. besonders S. 56, 57 Anm.
IV. üeberblick über die anderen philo- sophischen Systeme Indiens.
Zu einem vollen Verständniss und einer richtigen Würdigung der S ä m k li y a - Philosophie ist ein Einblick in die Lehren der übrigen philosophischen Schulen Indiens unerlässlich , zumal da die Sämkhya- Schriften sich auf Schritt und Tritt mit den anderen Systemen, sie mehr oder weniger bekämpfend ^) , beschäftigen. Denjenigen Lesern, die diesen Studien ferner stehen, glaube ich deshalb eine orientirende Uebersicht, in selbstverständlicher Beschränkung auf die Hauptsachen, schuldig zu sein.
Schon in den frühesten Zeiten lassen die Inder einen eigenthümlichen Hang zu metaphysischer Spekulation er- kennen. Alte Lieder des Rigveda, die im übrigen noch ganz in dem Boden des ausgebildeten Polytheismus wurzeln, zeigen bereits die Neigung, mannigfache Erscheinungen als Einheit zusammenzufassen und dürfen so als die ersten Schritte auf dem Wege angesehen werden, der das altindische Volk zum Pantheismus fährte. Auch monotheistische Ideen begegnen uns in jüngeren vedischen Liedern, sind aber
^) Eine zusammenfassende Vertheidigung des Sämkhya- Yoga- Standpunkts gegen die Lehren der anderen Schulen bietet der Schluss von Bhojaräja's Commentar zu den Yogasütra's (heraus- gegeben und ins Englische übersetzt von Rajendraläla Mitra, Calcutta 1883, Bibl. Ind.).
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nicht mit der Consequenz entwickelt, die erforderlich ge- wesen wäre, um die vielgestaltige Götterwelt aus dem Bewusstsein des Volkes zu verdrängen.
Die eigentlich philosophischen Lieder, die uns der Rigveda in geringer und der Atharvaveda in nicht viel reicherer Zahl bietet, gehören zu den jüngsten Erzeug- nissen der vedischen Hymnendichtung. Sie beschäftigen sich mit dem Problem von dem Ursprünge der Welt und mit dem ewigen, die Welt schaffenden und er- haltenden Princip, freilich in dunkler Redeweise und in unklarem, widerspruchsvollem Gedankengange, wie das bei den frühen Anfängen der Spekulation kaum anders sein konnte. Auch die Yajurveden enthalten merk- würdige, höchst phantastische kosmogonische Legenden, in denen der Weltschöpfer durch das allmächtige Opfer die Dinge hervorbringt. Bemerkens werth ist, dass der Ideenkreis dieser Theile des Veda mit dem der älteren Upanishad's eng verwandt, ja theü weise identisch ist ^j ; auch darin zeigt sich der Zusammenhang beider, dass uns in diesen Upanishad's ebenso wie in den kosmogo- nischen Hymnen und Legenden des Veda die erörterten Gegenstände noch völlig ungeordnet entgegentreten. Trotz- dem sind die vorbuddhistischen Upanishad's, zum Theil auch schon deren Vorläufer (die im wesentlichen rituell- theologischen Brahma na's und die mehr spekulativen Ä r an y a k a ' s ) , für unsere Betrachtungen von der grössten Wichtigkeit; denn sie repräsentiren eine Zeit (etAva vom 8ten bis zum 6ten Jahrhundert), in der sich diejenigen Ideen entwickeln, die flir die ganze Richtung des indischen Denkens in der späteren Zeit bestimmend wurden-): vor
1) Vgl. hierüber Lucian Scherman, Philosophische Hymnen aus der Rig- und Atharva- Veda-Sanhitä verglichen mit den Philosophemen der älteren Upanishads, Strassburg-London 1887.
") Vgl. A. E. Gough, The Philosophy of the Upanishads and Ancient Indian Metaphysics, London 1882. Das wunderliche ab- fällige Urtheil über die Philosophie der Upanishad's im All- gemeinen, mit dem Gough sein im übrigen werthvoUes Buch
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allen Dingen die Lehre von der Seelenwanderung und die eng mit dieser zusammenhängende Theorie von der nach- wirkenden Kraft des Werkes (karman) '). Die Ueberzeugung, dass jedes Individuum nach dem Tode immer wieder einer neuen Existenz entgegengeht, in der es die Früchte früher erworbenen Verdienstes geniesst und die Folgen früher begangenen Unrechts zu tragen hat, beherrscht seit jener alten Zeit das indische Volk bis auf den heutigen Tag. Der Gedanke ist niemals Gegenstand einer philosophischen Beweisführung gewesen, sondern als etwas selbstverständ- liches betrachtet, Avoran — mit Ausnahme der Cärväka's, der Materialisten — keine philosophische Schule und keine religiöse Sekte in Indien jemals gezweifelt hat.
Das Hauptthema der IJpanishad's, dessen Be- handlung alle anderen Betrachtungen in den Hintergrund drängt, ist die Frage nach dem Ewig-Einen, dem Atman oder B rahm an. Der Atman — das Wort bedeutet ursprünglich den Athem, dann das Lebensprincip , das innerste Selbst, die Seele — wird in einer Legende der Brhadäranyaka Upanishad noch als ein mytho- logisches Urwesen dargestellt, aus dem die Geschöpfe stufen- weise hervorgehen; aber diese rohen kosmogonischen Vor- stellungen fallen bald von dem Begriffe ab, und der Atman wird das ,eine Unvergängliche', das ohne alle Attribute und Qualitäten ist, die Allseele, die Weltseele, oder wie man sonst das Wort übersetzen will. B rahm an dagegen be- deutete zuerst das Gebet, dann die Kraft, die dem Gebete und allem anderen heiligen Werke innewohnt, und schliess- lich die ewige unendliche Kraft, die der Grund alles Seins ist. Als das inhaltsschwere Wort in seiner Bedeutungs- entwicklung dahin gelangt war, wurde es völlig identisch mit Atman; das ursprünglich objektive Brahman floss
eröffnet, darf wohl durch den krankhaften Widerwillen gegeu alles Indische erklärt werden, den schwere aufreibende Arbeit so überaus häufig bei länger in Indien lebenden Europäern erzeugt.
') S. das nähere in dem zweiten Abschnitt dieses Buches, II. 1.
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mit dem ursprünglich subjektiven Atman in den einen höchsten metaphysischen Begriff zusammen. In dieser Identi- ficirung liegt schon die Lehre von der Einheit des Subjekts und Objekts beschlossen. In zahlreichen Gleichnissen suchen die Upanishad's das Wesen des Brahman zu be- schreiben, aber diese Betrachtungen gipfeln in dem Satze, dass das innerste Selbst des Individuums eins ist mit jener alles durchdringenden ürkraft (tat tvam asi ,das bist du'J. Dieser idealistische Monismus der Upanishad's forderte den Widerspruch Kapila's heraus, der in ratio- nalistischer Art nicht sowohl das Einheitliche als das Ver- schiedene im Weltganzen erblickte. Kapila begründete, wie wir bereits sahen, das älteste wirkliche System Indiens in der S ä m k h y a - Philosophie, deren Darstellung das vor- liegende Werk gewidmet ist. Dieses System hat in der Hauptsache die Fundamente dem Buddhismus und Jin Is- mus geliefert, zAvei philosophisch verbrämten Religionen, die von dem Gedanken ausgehen, dass dieses Leben nichts ist als Leiden, und immer wieder zu diesem Gedanken zurückkehren. Als die Ursache des Leidens gilt ihnen das Verlangen zu leben und die Freuden der Welt zu geniessen und in letzter Instanz ein ,Nichtwissen', aus dem dieses Verlangen hervorgeht; das Mittel zur Aufhebung dieses Nichtwissens und damit des Leidens ist die Er- tödtung jenes Verlangens, die Weltflucht und die schranken- loseste Bethätigung der praktischen Liebe allen Geschöpfen gegenüber. In der Folgezeit haben sich allerdings Buddhis- mus und .Jinismus derartig entwickelt, dass einige ihrer Lehren in den S ä m k h y a - Schriften energisch bekämpft wurden i). Diese beiden pessimistischen ReKgionen sind
^) Es handeh sich dabei um die Lehre der Jaina, dass die Seele dieselbe Ausdehnung habe wie der Körper (Anir. zu Säm- khyasütra I. 48—50, vgl. auch Bhojaraja zu den Yogasütra's S. 115 unten), — ein Gedanke, der (wahrscheinlich im Anschluss an ^ainkara zum Brahmasütra II. 2. 34) dadurch widerlegt wird, dass alles begrenzte vergänglich sei, und dass dies um so mehr
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sich so ausserordentlich ähnlich , dass man lange Zeit die .1 a i n a (d. h. die Anhänger J i n a ' s) für eine buddhistische Sekte halten konnte, bis sich herausstellte, dass die Be- gründer beider Religionen Zeitgenossen waren, die wiederum nur als die bedeutendsten der zalilreichen , im sechsten Jahrhundert vor Chr. im mittleren Nordindien das Cere- monial- und Kastenwesen des Brahmanenthums bekämpfen- den Lehrer anzusehen sind. Die eigentliche Bedeutung dieser Religionen liegt in der hohen Entwickelung der Ethik, die in der schulmässigen indischen Philosophie fast unberücksichtigt geblieben ist. Mit der letzteren stimmen jedoch Buddhismus und Jinismus darin überein, dass sie ebenso wie alle eigentlichen Systeme Indiens versprechen, den Menschen von den Qualen des fortgesetzten weltlichen Daseins zu erlösen und dass sie als die Wurzel des Welt- übels ein bcvstimmtes ,Nichtwissen' zu ei'kennen glauben;
von der Seele gelten würde, als sie bei der Wanderung durch ver- schiedene Körper sich diesen angleichen, d. h. sich ausdehnen und zusammenziehcMi müsste, was nur etwas aus Theilen bestehendes thun kann. Hauptsächlich aber handelt es sich um folgende An- schauungen des Buddhismus. Die Sämkhya's wenden sich vor allen Dingen gegen die Leugnung der Seele als eines in sich geschlossenen., beharrenden Princips (Sütra I. 20, V. 77), ferner gegen die Lehre, dass allen Dingen nur eine momentane Existenz zukomme (Sütra I. 27 ff., 34—40), und dass die Erlösung die Ver- nichtung des Selbstes sei (Sutra V. 77, 78, Vijn. zu Sütra I. 7). Auch die speciellen Lehren der buddhistischen Sekten werden bekämpft; so die der Yogäcära's, dass allein das Denken Realität besitze (Sütra L 42, 43, 79), und diederMädhyamika^s, dass nur das Nichts existire (Sütra I. 44—47). Selbst gegen bud- dhistische Theorien und Erklärungen von untergeordneter Be- deutung wird polemisirt: gegen die Leugnung des Genus — oder wie wir sagen würden: gegen den Nominalismus — (Sütra V. 91 —93), gegen die Leugnung der Bewegung (Sütra V. 101), gegen die Erklärung des Begriffes Aehnlichkeit (Sütra V. 94, 95) und gegen die Definition der Wahrnehmung (Anir. zu Sütra I. 89). Aus allem dem geht hervor, dass die Säinkhya's der späteren Zeit in dem Buddhismus, der doch im wesentlichen aus ihrem System erwachsen war, einen ihrer Hauptgegner erblickten.
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in der philosophisclien Begründung ilirer Sätze aber lassen sie Methode und Klarheit des Denkens vermissen i).
In welchem Zusammenhang das Yoga-System Pa- tanjali's mit der S am khya- Philosophie steht und welchen Charakter es trägt, ist bereits oben S. 40 ff. erörtert worden -).
Im Gegensatz zu diesen beiden nahe verwandten Systemen, Sämkhya und Yoga, sind die alten echt brahmanischen Elemente, das Ritual und die idealistische Spekulation der Upanishad's, in methodischer Weise ausgebildet in den beiden folgenden eng zusammengehören- den Systemen, deren Entstehung wir etwa an den Anfang unserer Zeitrechnung verlegen können'').
Die von Jaimini begründete Pürva- oder Karma- mimämsä ,die erste Untersuchung oder die Untersuchung über den Werkdienst', gewöhnlich kurz M i m ä m s ä genannt, ist wohl nur wegen ihrer Form und ihrer Verbindung mit der Ve da nta -Lehre zu den philosophischen Systemen
1) Mau vergleiche besonders die buddhistische Formel vom Causalnexus bei Oldenberg, Buddha, zweiter Abschnitt, zweites Kapitel.
-) Wenn die Sä m khy a- Lehrer sich gegen die Annahme eines persönlichen Gottes wenden (Gaudapäda zu Kärikä 61, Väcas- patimi^ra zu Kärikä 57, Sämkhyasütra I. 92—94, V. 2—12, 46, 126, 127, VI. 64), so ist wohl vorauszusetzen, dass die Polemik ebenso gegen die Anhänger des Yoga- Systems, als gegen die der Nyäya-Vaiceshika- Philosophie gerichtet ist. Abgesehen davon aber controvertiren die Sämkhya's nur eine einzige Yoga-Lehre, nämlich die Theorie des Sphota. Darunter ist in der Yoga- Philosophie das Wortganze verstanden, das von dem durch die einzelnen Buchstaben gebildeten Worte verschieden gedacht wird. Der Sphota ist einheitlich und ewig und manifestirt sich in dem ausgesprochenen Worte, d. h. er ist — in tmserer Sprache — die durch den Buchstabencomplex zum Ausdruck gebrachte Vorstellung (vgl. Deussen, Vedänta S. 76 ff.). Dieser richtige, aber in unklarer Weise formulirte Gedanke wird Sämkhyasütra V. 57 mit äusser- lichen Gründen zurückgewiesen.
3) S. oben S. 43.
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gerechnet worden; denn sie beschäftigt sich mit der Inter- pretation des Veda, der für sie ungeschaffen ist und von Ewig- keit her existirt, klassificirt seine Bestandtheile, und handelt von den Regeln zur Vollziehung der Ceremonien, sowie von den im einzelnen für diese in Aussicht stehenden Belohnungen. Das letzte ist das hauptsächliche Thema dieses Systems, in dem die eigentliche Schriftgelehrtheit des Brahmanenthums condensirt ist ^). Bei den europäischen Indologen hat die M 1 m ä m s ä bis jetzt wenig Beachtung gefunden ; die beste Beschreibung ihres Inhalts bieten die Introductory Remarks in G. Thibaut's Ausgabe des Arthasamgraha (Be- nares Sanskrit Series, 1882).
Die Uttara- oder Brahma-mimämsä ,die zweite Untersuchung oder die Untersuchung über das Brahman' -), meist mit dem Namen Vedänta bezeichnet, verhält sich
^) Mit dem S am khya- System stimmt die Mimämsä mir in- sofern überein, als sie keinen Gott annimmt; sonst sind alle charak- teristischen Mimämsä- Lehren denen unseres Systems entgegen- gesetzt. Mehrere derselben werden in den Sämkhya- Schriften bekämpft: so die von den Erkenntnissmitteln, deren Jaimini ausser den von den S ä in khya's anerkannten (Perception, Schlussfolgerung und autoritative Ueberlieferung) noch die Analogie, die Selbstver- ständlichkeit, das Nichtsein, das Enthaltensein in etwas und die Sage constatirt (s. Säipkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 5, Vijn. zu Sütra I. 88). Die Lehre Jaimini 's von der Ewigkeit des Veda wird Sütra V. 45 widerlegt. Am entschiedensten jedoch wendet sich unser System gegen den Satz der Mimämsä, dass die Laute ewig seien, und gegen die darauf gegründete Theorie, dass die Verbindung von Wort und Bedeutung nicht von menschlicher Ueber- einkunft abhängig sei, sondern dass die Bedeutung dem Worte (fi'ii^i innehafte. (Vgl. Ballantyne, Christianity contrasted with Hindu Philosophy, London 1859, p. 176-195: 'The eternity of sound, a dogma of the Mimänsä')- L>ie Polemik dagegen findet sich Sütra V. 58—60, 97, 98. Auch wo die Säinkhy a- Schriften sich gegen das brahmanische Ceremonialwesen wenden (Kärikä 2 und Sütra I. 82—85), dürfen ihre Ausführungen als gegen die Lehren der Mi mä in sä gerichtet gelten.
*) Auch ^äriraka-mimämsä ,die Untersuchung über die Verkörperung (des Brahman)' genannt.
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zu den älteren Upanishad's — um einen Ausdruck Deussen's^) zu gebrauclien — wie die christliche Dog- matik zum neuen Testament. Ihr Begründer, Bäda- räyana, hat die vorher besprochenen Lehren von dem Brahman-Atman aufgenommen und zu dem System weiter entwickelt, das bis auf den heutigen Tag die Welt- anschauung der indischen Denker bestimmt. Dieses System hat eine vortreffliche und erschöpfende Behandlung in dem schon mehrfach citirten Werke Deussen's gefunden, das einem Jeden , der sich für indische Philosophie interessirt, auf das angelegenthchste zu empfehlen ist -). Die Basis des V e d ä n t a ist der Satz von der Identität unseres Selbstes mit dem B rahm an. Da nun das ewige unendliche Brah- ma n nicht aus Theilen bestehen und keiner Veränderung unterliegen kann, so ist unser Selbst nicht ein Theil oder eine Emanation desselben, sondern das ganze untheilbare B r a h m a n. Ein anderes Seiendes ausser diesem giebt es nicht, und deshalb wird der Inhalt des Vedänta-Systems in dem Ausdi-uck advaita-väda ,Lehre von der Zweitlosig- keit' zusammengefasst. Der Widerspruch, den die Erfaln-ung und der überlieferte Glaube an die Seelenwanderung und an die Vergeltung gegen diesen Satz erheben, bedeutet für Bädaräyana nichts; die Erfahrung und die Lehre von der Vergeltung werden erklärt durch das dem Menschen angeborene Nichtwissen (avidyä), das die Seele verliindert, sich von dem Leibe und den Organen zu unterscheiden und die empirische Welt als eine Illusion (mäyä) zu er- kennen. Nach dem Grunde und Ursprung dieses Nicht- wissens forscht die Vedänta- Philosophie nicht ; sie lehrt uns nur, dass es da ist und dass es durch das Wissen
1) System des Vedänta S. 22.
2) Wem es an Zeit gebricht, das umfangreiche Werk dui-ch- zustudiren, der sollte sich wenigstens nicht die Mühe verdriessen lassen, die anhangsweise hinzugefügte , Kurze Uebersicht der Ve- däntalehre' S. 487—514, die eine klare Darstellung der Haupt- lehren des Systems bietet, zu lesen.
Garbe, Säipkhya-Philosophie. 8
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(vidyä) vernichtet wird, d. h. durch die universelle Er- kenntniss, welche die illusorische Natur alles dessen, was nicht Seele ist, und die absolute Identität der Seele mit dem Brahman erfasst. Mit dieser Erkenntniss sind die Bedingungen für die Fortsetzung des Weltdaseins der Seele aufgehoben — denn dieses ist ja nur ein Schein, eine Täuschung — , und die Erlösung ist erreicht ').
In dieser Weise sind die Brahmas ütra's, das Lehr- buch des Bädaräyaua, von dem berühmten Exegeten Caiiikara (über dessen Zeit oben S. 42 Anm. zu ver- gleichen ist) ausgelegt worden, und auf dessen Commentar-') gründet sich Deussen's Darstellung des Systems. Da nun dieses Lehrbuch — ebenso wie die Hauptwerke der anderen Schulen — in die Form an sich unverständlicher Aphorismen gekleidet ist, können wir aus seinem Wort- laute nicht nachweisen, dass ^amkara mit seinen Er- klärungen immer das richtige getroffen hat; aber innere Gründe machen es im höchsten Grade wahrscheinlich, dass
1) Es liegt auf der Hand, dass die Sämkhya- Schriften die Widerlegung der Vedänta- Philosophie sich ganz besonders an- gelegen sein lassen mussten. Die Sänikhyasütra's Avenden sich wiederholt (I. 150—154, V. 61—65, VI. 46—51) gegen die Lehre von der Einheit der Seele und sowohl dabei, als auch besonders I. 20—22, gegen die Anschauung, dass diese einheitliche Seele das einzig reale sei. Auch die Stellen, an denen die Realität der Materie direkt gelehrt wird (Sütra I. 79, VI. 52), sind gegen das Vedanta- System gerichtet. Die Verbindung der Seele mit dem Nichtwissen, auf der nach dem Vedä nta die ganze Empirie beruht, wird Sutra V. 13—19, 65 bekämpft; und schliesslich wird die Vedänta- Lehre, dass die erlöste Seele (oder — was dasselbe ist — das Brahman) nicht nur aus Sein und Denken, sondern auch aus Wonne bestehe, Sütra V. 66—68 mit der Begründung zurückgewiesen, dass sich die Begriffe Denken oder Geist und Wonne gegenseitig ausschliessen. lieber diesen letzten Punkt vgl. Paul Markus, die Yoga -Philosophie § 17.
2) Jetzt vollständig von Deussen ins Deutsche übersetzt (Leipzig 1887) und von G. Thibaut ins Englische (Sacred Books of the East, Vol. XXXIV, Oxford 1890, Vol. XXXVIII, XLVI; die beiden letzten Bände sind noch nicht erschienen.
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die Ausführungen ^amkara's in allen wesentlichen Funkten mit dem System übereinstimmen , das in den Brahmas ütra's niedergelegt ist. Die spätere Zeit hat eine grosse Reihe von anderen Commentaren zu den Brah- mas ütra's hervorgebracht, die zum Theil den religiös- philosophischen Standpunkt bestimmter Sekten zum Aus- druck bringen. Der bedeutendste unter diesen Commentaren ist der des Rämänuja, aus der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts. Rämänuja gehörte einer der ältesten indischen Sekten an, den Bhägavata's oder Pänca- rätra' s, die sich zu einem ursprünglich unb rahmanischen, populären Monotheismus bekannten und das Heil allein in der Gottesliebe (bhakti) erblickten. Bei der Brahmani- sirung dieser Sekte ist ihr Gott (Bhagavant, Väsudeva, Purushottama oderNäräyana genannt) mit Vishnu identificii't worden, und seitdem gelten die Bhägavata's ftir eine vishiiuitische Sekte. Ihre Lehi'e, welche christlichen Anschauungen nahe verwandt, aber meines Erachtens vom Christenthum nicht beeinflusst ist, tritt uns namentlich in der Bhagavadgitä, in den Cändilyas ütra's, im Bhägavata Puräna und in den eigentlichen Lehr- büchern der Sekte entgegen, zu denen wir auch Rämä- nuja's Commentar zu den Brahmas iitra's rechnen dürfen. Nach der Meinung der Bhägavata's sind die individuellen Seelen nicht mit der höchsten Seele oder Gott identisch und auch nicht durch eine Art ,Nichtwissen' in das Weltdasein verstrickt, sondern durch den Unglauben. Gläubige Liebe zu Gott ist das Mittel zur Erlösung, das heisst: zur Vereinigung mit dem Höchsten. Das System, das Rämänuja in die Brahmasütra's hineingetragen hat, findet man am besten dargestellt bei R. G. Bhan- darkar, Report on the search for Sanski-it Manuscripts during the year 1883—84, Bombay 1887, p. 68 ff.
Wie von den bisher besprochenen Systemen je zwei in enger Verbindung stehen, Sämkhya-Yoga auf der einen und Mimänisä-Vedänta auf der anderen Seite, so sind auch die beiden letzten als orthodox geltenden
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Systeme, Vai^eshika und Nyäya, in späterer Zeit geradezu mit einander verschmolzen worden. Den Anlass dazu hat offenbar der Umstand gegeben, dass beide die Entstehung der Welt aus Atomen lehren und sich durch eine scharfe Klassificirung der Begriffe auszeichnen; doch ist das Vai9 es hika- System sicher von sehr viel höherem Alter, als das des Nyäya. Gegen das erstere wird bereits in den Brahmasütra's 11. 2. 12 — 17 polemisirt, wo sich zum Schluss die interessante Bemerkung findet, dass es keine Beachtung verdiene, weil doch Keiner es annehme. Diese Geringschätzung hat sich jedenfalls im späteren Indien in grosse Beliebtheit verwandelt.
Als Begründer desVai9eshika- Systems gilt Kanada (Kanabhuj oder Kanabhaksha); doch scheint dieser Name, der etymologisch ,Atom-Esser' bedeutet, ursprünglich ein auf den Charakter des Systems sich beziehender Spott- name gewesen zu sein, der den wirklichen Namen des Stifters verdrängt hat.
Die Stärke des Systems beruht in der Aufstellung der Kategorien, unter die sich nach K a n ä d a ' s Meinung alles Existirende subsumiren lässt: Substanz, Qualität, Bewegung (oder Handlung), Gemeinsamkeit, Verschiedenheit und In- härenz. Diese Begriffe werden sehr genau definirt und in ihre Unterabtheüungen zerlegt. Von besonderem Interesse ist für uns die Kategorie derlnhärenz oder Untrenn- bar keit (samavdya). Dieses Verhältniss, das streng von der gelegentlichen, lösbaren Verbindung (samyoga) ge- schieden wird, besteht zwischen einem Ding und seinen Eigenschaften, zwischen dem Ganzen und seinen Theüen, zwischen der Bewegung und dem sich Bewegenden, zwischen der Species und dem Genus ^).
Spätere Anhänger des Vai9eshika-Systems haben den sechs Kategorien eine siebente hinzugefügt, die auf
1) Vgl. Max Müller, ,Beiträge zur Kenntuiss der indischen Philosophie' in der Zeitschrift der Deutschen Morgenl. Gesellschaft VT. 13, 14, 33, 34.
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die Entwickelung der logischen Untersuchungen einen ver- hängnissvollen Einfluss ausgeübt hat: die Nichtexistenz (abhäva). Auch diese Kategorie ist mit indischer Sub- tilität in Unterarten eingetheilt, nämlich in die priore, posteriore, bedingte und absolute Nichtexistenz. Wir würden in positiver Weise anstatt ,priore Nichtexistenz' zukünftige Existenz, anstatt ,posteriore Nichtexistenz' vergangene Existenz sagen ; die ,bedingte' oder ,reciproke Nichtexistenz' ist dasjenige Verhältniss, das zwischen zwei nicht-iden- tischen Dingen besteht (z, B. die Thatsache, dass ein Topf nicht ein Kleid ist und umgekehrt); die ,absolute Nicht- existenz' wird durch das Beispiel von der Unmöglichkeit des Feuers im Wasser erläutert.
Kanada hat sich nun aber keineswegs darauf be- schränkt , die Kategorien aufzustehen und zu speciahsiren. Bei ihrer Erörtemng bemüht er sich, die verschiedensten Probleme des Seins und des Denkens zu lösen und so zu einer umfassenden philosophischen Weltanschauung zu ge- langen. Die Kategorie Substanz, unter vrelchen Begriff nach ihm Erde, Wasser, Licht, Luft, Aether, Zeit, Raum, Seele und Denkorgan fallen, giebt ihm Gelegenheit, seine Theorie von der Entstehung der Welt aus Atomen zu entwickeln; die Kategorie Qualität, zu der ausser den Eigenschaften der Materie auch die geistigen Eigenschaften: Erkennen, Freude, Schmerz, Wünschen, Abneigung, Energie, Verdienst, Schuld und Anlage gerechnet werden, führt ihn dazu, seine Psychologie zu entwickeln und seine Lehre von den Quellen der Erkenntniss darzustellen.
Die psychologische Seite dieses Systems ist sehr merk- würdig und zeigt gewisse Analogien mit den entsprechen- den Anschauungen der S am khya-Philosophie. Die Seele ist nach Kanada anfangslos, ewig und alldurchdringend, also weder an Zeit noch Raum gebunden. Wenn nun die Seele unmittelbar mit den Objekten der Erkenntniss in Ver- bindung träte, so würden ihr alle Objekte gleiclizeitig zum Bewusstsein kommen. Dass dies nicht der Fall ist, erklärt Kanada durch die Annahme des Denkorgans oder inneren
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Sinnes (manas) ^ mit dem die Seele in der engsten Ver- bindung steht. Durch dieses Manas allein erkennt die Seele, und zwar nimmt sie durch dasselbe nicht nur die Aussendinge, sondern auch ihre eigenen Qualitäten wahr. Das Manas ist im Gegensatz zur Seele ein Atom und als solches nur im Stande, ein einziges Objekt in jedem ge- gebenen Augenblick zu erfassen.
Die Vai9eshikasütra's sind von Röer ins Deutsche übersetzt (in Bd. 21 und 22 der Zeitschrift der Deutschen Morgenl. Gesellschaft) und — leider nicht in mustergiltiger Weise — mit reichlichen Auszügen aus den Commentaren ins Englische von A. E. Gougli, Benares 1873.
Das letzte der sechs brahmanischen Systeme, die N y ä y a - Philosophie Gotama's, ist eine Weiterbildung und Ergänzung der Lehren K a n ä d a ' s. Seine eigentliche Bedeutung beruht in der ausserordentlich eingehenden und scharfsinnigen Darstellung der formalen Logik, die bis auf den heutigen Tag in Indien unangetastet geblieben ist und allen philosophischen Studien als Basis dient. Die Lehre von den Erkenntnissmitteln (Perception, Schluss- folgerung, Analogie und glaubwürdiges Zeugniss), den Syllogismen, den Trugschlüssen und dergl. ist mit der grössten Ausführlichkeit behandelt. Welches Gewicht der Logik im Nyäya- System beigemessen wird, geht schon aus dem ersten Sütra von Gotama's Lehrbuch hervor, in dem 16 logische Begriffe mit dem Bemerken aufgezählt werden, dass von der richtigen Erkenntniss ihrer Natur die Erreichung des höchsten Heiles abhänge. Die Psycho- logie des Nyäya stimmt völlig mit der des Vai9eshika- Systems überein. Auch die metaphysischen Grundlagen sind hier dieselben wie dort; in beiden Systemen gilt die Welt für ein Conglomerat von ewigen, unveränderlichen und ursachlosen Atomen. In späterer Zeit sind beide Systeme zum Theismus übergegangen, wenn sie auch nicht dahin gelangt sind, einen Schöpfer der Materie anzunehmen. Ihre Theologie ist erst in Udayanäcärya's Kusumäh- j ali (gegen 1300 n. Chr.) und in denjenigen Werken ent-
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wickelt, welche die Nj^äya- und Vai9esliika- Lehren gemeinsam behandeln ^). Gott ist nach denselben eine bestimmte Seele wie alle übrigen individuellen, gleich ihm ewigen Seelen , nur mit dem Unterschiede , dass ihm die- jenigen Qualitäten fehlen, die das Wandern der anderen Seelen, soweit sie noch nicht erlöst sind, bedingen oder durch das Wandern bedingt sind (Verdienst, Schuld, Ab- neigung, Freude, Schmerz), und dass er allein die besonderen Eigenschaften der Allmacht und der Allwissenheit besitzt, durch die er zum Leiter und Ordner des Universums befähigt ist ^).
1) Schon Nilakantha-Hall, Rational Refutation p. 5 — 8, bezweifeln, ob die Vai^eshika- und Nyäya-sütra's selbst die Existenz Gottes anerkennen. Da dieser Zweifel vollständig berechtigt ist (vgl. darüber noch Banerjea's Dialogues on the Hindu philo- sophy p. IX, 141 if.), so nehme ich keinen Anstand, den ursprüng- lichen Atheismus des Vaiceshika und Nyaya auf den Einfluss der Särnkhya- Philosophie zurückzuführen. Obwohl jene beiden Schulen in einem starken Gegensatz zu unserem System stehen, verrathen sie doch in manchen und wichtigen Anschauungen ihre Anlehnung an Grundlehren des Särnkhya. Ausser dem oben erwähnten Dogma, das die Seelen für anfaugslos und alldurch- dringend erklärt, nenne ich die bemerkenswerthe pessimistische Färbung der Nyaya- VaiQeshika-Literatur, die Verwerfung der himmlischen Glückseligkeit als eines vergänglichen, zu neuem Elend führenden Erfolges, die Lehre, dass selbst gute Werke ein Hiuderuiss für die Erreichung der Erlösung seien, und die An- schauung, dass die Erlösung eine Aufhebung der Freude ebenso wie des Schmerzes bedeute. Belegstellen für diese Anschauungen aus den Nyäya- und Vaiceshika-Schriften findet man bei Nila- kantha-Hall, Rational Refutation p. 15—22. Hierher gehört auch wohl die Vorliebe für die ziffernmässige Feststellung der Kategorien und die Lehre, dass der Körper nicht aus den fünf Elementen, sondern allein aus dem Element Erde bestehe (s. unten im dritten Abschnitt II. 9).
■^) Welche unbestimmten Vorstellungen die heutigen Anhänger der Nyäya -Philosophie mit dem Gottesbegriff verbinden, ist aus H. Jacobi's interessantem Aufsatz „die Gottesidee in der indischen Philosophie" zu ersehen (Philosophische Monatshefte XIII. 417 -438).
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Die Nyäyasütra's sind bis auf das letzte (fünfte) Buch mit erklärenden Auszügen aus dem Commentar des Vi9vanätlia von J. R. Ballantyne ins Englische übersetzt (drei Theüe, Allahabad 1850, 1853, 1854) ')•
') Die meisten Lebren der Nyäya- Vai^eshika-Philosophie werden in den Sämkhya- Schriften bekämpft. Da sie nur in Aus- nahmefällen von einander getrennt sind, sollen sie auch hier ge- meinschaftlich erwähnt werden. Gegen die Aufstellung der 6, resp. 16, Kategorien wenden sich die Sämkhyasütra's I. 25, V. 85, 86 mit der Bemerkung, dass sie nicht erschöpfend sei; gegen die Lehre, dass es nur 9 Substanzen gebe, VI. 38 mit dem Hinweis auf die (von den Naiyäyika's und Vai^eshika's nicht an- erkannte) Urmaterie; gegen die Atomistik und gegen die Zulässig- keit des Begriffes Atom überhaupt V. 87, 88 (vgl. auch Vijnä- nabhikshu zu I. 62, der — wie schon vor ihm Qanikara zum Brahmasütra II. 2. 12 — den Einwand erhebt, dass durch die Verbindung von Atomen, die keine Ausdehnung haben, nie ein ausgedehntes Aggregat entstehen könne). Die Säinkhya- Lehre von der steten Realität der Produkte (sat-Mrya-väda) wird mit besonderer Beziehung auf die entgegengesetzte Theorie desNyäya- Vaiceshika, der zufolge das Produkt vor der Entstehung und nach der Vernichtung keine Realität besitzt, in der Säinkhya- tattva-kaumudi zu Kärikä 9 und in den Sütra's I. 113, 114, 121 dargestellt. Wegen der Polemik gegen die Annahme eines persön- lichen Gottes vgl. oben S. 111, Anm. 2. Ausserdem sind noch die folgenden Sämkhyasütra's direkt gegen bestimmte Nyäya-Vai- Qeshika- Lehren gerichtet: V. 46, 47 gegen den Satz, dass der Veda von Gott verfasst sei; V. 55 gegen die anyathä-khyäti, d. h. gegen die Vorstellung, dass ein Ding unter einer andern als seiner eignen' Form erscheinen könne (vgl. auch Vijiiänabhikshu zu II. 33); V. 71 gegen die Lehre, dass der innere Sinn (manas) ein Atom sei, denn derselbe trete gleichzeitig mit mehreren äusseren Sinnen in Verbindung (vgl. auch Vijiiänabhikshu zu TI 32); V. 72 gegen die Lehre, dass der innere Sinn, Zeit, Raum, Aether und die Atome von Erde, Wasser, Feuer und Luft ewig seien; V. 75 gegen die Erklärung der Erlösung als der Aufhebung besonderer Eigenschaften der Seele; V. 84 gegen den Satz, dass die Sinne aus den Elementen gebildet seien; und V. 99 gegen die Be- rechtigung des Begriffes der Inhärenz (samaväija) , wofür nach der Ansicht der Sämkhya 's einfach ,das Wesen (svarCipa) des Dinges' zu sagen ist.
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Es ist bereits erwähnt worden, dass die sechs Systeme Mlmämsä, Vedänta, Sämkhya, Yoga, Vai9e- shika und Ny äya von dem Brahmanenthum als orthodoxe (ästiha) anerkannt sind ; aber der Leser wird bemerkt haben, dass diese Bezeichnung in Indien eine andere Bedeutung hat als bei uns. Es hat in jenem Lande nicht nur zu allen Zeiten die absoluteste Gedankenfreiheit geherrscht, sondern die philosophische Spekulation hat sich auch — selbst in ihren kühnsten Formen — in einer Eintracht mit der Volksreligion beftinden, wie sie auf Erden nicht wieder zwischen diesen beiden feindlichen Machten be- standen hat. Nur ein Zugeständniss verlangte die Brah- manenkaste : die Anerkennung ihrer Vorrechte und der Infallibilität des Veda. Wer sich dazu verstand, galt als
Da die Psychologie der Nyäya-Vai§eshika -Philosophie auf der Anschauung beruht , dass die Seele als solche Qualitäten besitze, so sind zweifellos gegen diese Lehre alle diejenigen Stellen der Säinkhya- Schriften gerichtet, an denen die Qualitätlosigkeit, die absolute Unberührtheit und Unthätigkeit der Seele constatirt und bewiesen wird (Kärikä 19, 20, Sütra I. 15, 146, 164, V. 13, VI. 10, 62; vgl. auch die zahlreichen Stellen s. v. kartar in den Indices zu meinen Textausgaben). Vijiiänabhikshu polemisirt oftmals in seinem Commentar unter ausdrücklicher Bezeichnung der Nai- yäyika's und Vai^eshika^s als seiner Widersacher dagegen, dass die Seele Qualitäten habe, dass sie unmittelbar Freude oder Schmerz empfinde und in irgend einer Weise thätig sei (s. in dem Index zu meiner Ausgabe des Sämkhya-pravacaua-bhäshya). Im Zusammenhang damit steht seine Widerlegung der Nyäya- Vai^eshika- Lehre von dem Zustandekommen der Wahrnehmung und Erkenntniss (im Comm. zu I. 87, 91, 145—147), über deren Einzelheiten ich auf meine Uebersetzung des Werkes ver- weisen kann.
Von speciellen Lehren jener Schulen finde ich noch die folgenden beiden bei Vijnänabhikshu bekämpft: 1) dass eine Com- bination mehrerer Kategorien (jäti-sämkarija) unzulässig sei (im Comm. zu I. 109, II. 32 ) und 2) dass die Leitung der Körper- bildung von Seiten der Seele durch das adrshta ,die nachwirkende Kraft von Verdienst und Schuld' vermittelt werde (Einl. zu VI. 62).
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orthodox, und damit war ihm ein viel grösserer Lehrerfolg gesichert, als wenn er sich durch Verweigerung jener An- erkennung offen als Ketzer (ndstika) bekannt hätte. Die von den Bralunanen geforderte Concession brauchte, soweit sie sich auf die Schrift bezog, nur eine nominelle zu sein; sie nöthigte weder zu einer Uebereinstimmung mit den Lehren des Veda noch zu dem Bekenntniss irgend eines Gottesglaubens.
Neben den bisher in diesem Kapitel erwähnten brah- manischen und unbrahmanischen Systemen finden wir auch in Indien die Weltanschauung, die ,so alt ist als die Philo- sophie, aber nicht älter' ') : den Materialismus. Das Sans- kritwort für Materialismus ist lokdyata (,auf die Sinnen- welt gerichtet') und die Materialisten heissen lohäyatika oder laukäyatika^ werden aber gewöhnlich nach dem Namen des Begründers ihrer Lehre Cärväka's genannt. Wir haben schon oben (S. 19, 20) ein paar Spuren angetroffen, die dafür zeugen, dass bereits in dem vorbuddhistischen Indien Verkündiger rein materialistischer Lehren aufgetreten sind; und es ist kein Zweifel darüber, dass diese seitdem zu allen Zeiten wie heute zahlreiche heimliche Anhänger gehabt haben. Wenn uns auch eine Quelle (Bhäskarä- c ä r y a zum Brahmasütra 111. 3. 53) ^) das einstmalige Vorhandensein eines Lehrbuchs des Materialismus, der Siitra's des Brhaspati (des mythischen Begründers), bezeugt, so hat der Materialismus doch sonst in Indien keine literarische Gestaltung gefunden. Wir sind somit zum Verständniss desselben wesentlich auf die Polemik angewiesen, die gegen ihn in den Lehrbüchern der anderen philosophischen Schulen geübt wird, und auf das seiner Darstellung gewidmete erste Kapitel des Sarva-dar9ana- samgraha, eines im 14ten Jahrhundert von dem be- kannten Vedänta- Lehrer Mädhaväcärya verfassten
') Die ersten Worte von Lange's Geschichte des Materialismus. ^) S. Colebrooke, Mise. Ess.'^ I. 429.
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Compendiums aller pliilosopliischen Systeme (ins Englische übersetzt von Co well und Gough, London 1882). Mä- dliaväcärya beginnt seine Ausfülirungen mit dem Be- dauern darüber, dass die Melirzahl der lebenden Menschen dem von C ä r v ä k a vertretenen Materialismus anhänge.
Ein anderer Vedänta- Lehrer, Sadänanda, spricht in seinem Vedäntasära § 148 — 151 von vier mate- rialistischen Schulen, die sich von einander durch die Auf- fassung der Seele unterscheiden; nach der ersten sei die Seele identisch mit dem groben Leib, nach der zweiten mit den Sinnen, nach der dritten mit dem Athem und nach der vierten mit dem Denkorgan oder dem inneren Sinn (manas). Eine principielle Verschiedenheit besteht zwischen diesen vier Anschauungen nicht; denn die Sinne, der Athem und das innere Organ sind ja nur Attribute oder Theile des Körpers. An verschiedene Richtungen innerhalb des indischen Materialismus ist deshalb nicht zu denken.
Die Cärväka's lassen als Erkenntnissmittel allein die Perception gelten und verwerfen die Schlussfolgerung. Als das einzig reale erkennen sie die vier Elemente an, d. h. die Materie. Wenn durch die Verbindung der Ele- mente der Körper gebildet ist, so entsteht nach ihrer Lehre der Geist ebenso wie die berauschende Kraft aus der Mischung bestimmter Stoffe. Mit der Vernichtung des Körpers ist auch der Geist wieder vernichtet. Die Seele ist also nichts anderes als der Körper mit dem Attribute der Intelligenz, da eine vom Körper verschiedene Seele durch Sinneswahrnehmung nicht festzustellen ist. Natürlich werden auch alle anderen übersinnlichen Dinge geleugnet und zum Theil mit Ironie behandelt. Die Hölle ist irdischer Schmerz, durch irdische Ursachen hervorgerufen ; das höchste Wesen ist der König des Landes, dessen Dasein durch die Wahrnehmung der ganzen Welt erwiesen wird; die Er- lösung ist die Auflösung des Körpers. Die nachwirkende Kraft des Verdienstes und der Schuld, die nach dem
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Glauben aller anderen Schulen das Schicksal eines Jeden bis in die kleinsten Einzelheiten hin bestimmt, existirt für den C ä r V ä k a nicht, weil dieser Begriff nur durch Schluss- folgerung gewonnen wird. Auf den Einwand eines ortho- doxen Philosophen, dass für den, der diesen allmächtigen Faktor negire, die verschiedenartigen Erscheinungen dieser Welt keine Ursache haben, erwidert der Cärväka, die eigne Natur der Dinge sei die Ursache, aus der die Er- scheinungen hervorgehen.
Die praktische Seite dieses Systems zeigt uns den rohesten Eudämonismus ; denn Sinnenlust wird als das einzig erstrebenswerthe Gut hingestellt. Der Einwand, dass sinnliche Freuden nicht das höchste Ziel des Menschen sein können, weü ihnen stets ein gewisses Maass von Schmerz beigemischt sei, wird mit der Bemerkung zurück- gewiesen, dass es Sache unsrer Klugheit ist, die Freuden so rein wie möglich zu geniessen und sich dem mit der Lust untrennbar verbundenen Schmerz so viel wie möglich zu entziehen. Der Mensch, der Fische wünsche, nehme ihre Schuppen und Gräten , und wer Reis haben wolle, die Halme mit in den Kauf. Darum habe es keinen Sinn, aus Furcht vor dem Schmerz auf die Last zu verzichten, die wir instin ctiv als unserer Natur zusagend empfinden.
Die Veden werden für ein Geschwätz von Schelmen erklärt, das mit den drei Fehlern der Unwahrheit, des inneren Widerspruchs und der nutzlosen Wiederholung behaftet sei, und die Vertreter vedischer Wissenschaft für Betrüger, deren Lehren sich gegenseitig aufheben. Das brahmanische Ritual ist für die Cärväka's ein Schwindel, und die kostspieligen und mühevollen Opfer haben nur den einen Nutzen, den Schlauköpfen, die sie vollziehen, den Lebensunterhalt zu verschaffen. „Wenn ein beim „Jyotishtoma geopfertes Thier in den Himmel gelangt, „warum sclilachtet der Opferer da nicht lieber seinen „eigenen Vater ?" Kein Wunder, dass für den rechtgläubigen
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Inder die Lehre der Cärväka's die schlimmste aller Ketzereien ist ^).
Aasser den Systemen, die ich hier kurz besprochen habe, nennt der vorher erwähnte Sarva-dar9ana-samgraha noch sechs weitere Schulen, die jedoch in dieser Uebersicht
1) Wie die Lehrbüclier der anderen orthodoxen Schulen, suchen auch die Sämkhya- Schriften diesen gefährlichen Materialismus zu widerlegen. Die Lehre, dass es ausser der Perception kein anderes Erkenntnissmittel gebe, wird in der Säinkhya-tattva-kau- mudi zu Kärikä 5 und in den Sutra's V. 28, 29 entkräftet^ an ersterer Stelle in der folgenden drastischen Weise: „Wenn der „Materialist erklärt: ,Die Schlussfolgerung ist kein Erkcnntniss- „mittel", wie kann von ihm dann ein Mensch als unwissend, im ,. Zweifel oder Irrthum seiend erkannt werden? Denn an einem „andern Menschen sind ja Unwissenheit, Zweifel und Irrthum un-
„möglich durch Sinneswahrnehmung zu erkennen
„Demnach muss auch von Jenem die Unwissenheit u. s. w. an „anderen Menschen aus der Art ihres Vorhabens oder aus ihrer „Redeweise erschlossen, also selbst wider Willen die Schluss- „folgerung als Erkenntnissmittel anerkannt werden." Auch die Ca rväka- Theorie, dass nur farbige Objekte durch Perception erkannt werden können, wird im Sütra V. 89 bekämpft. Aniruddha giebt dazu die Erklärung, dass z. B. in den Worten „der Vogel ist hier" der Ausdruck ,hier' zeige, dass auch der Raum wahr- genommen werde, und verweist ausserdem — ebenso wie Vijüä- nabhikshu — auf die angebliche Wahrnehmung übersinnlicher Gegenstände durch den Yogin, üb das Sütra V. 80 die materia- listische Lehre, dass nur sinnliche Freuden ein vernünftiges Lebens- ziel seien, widerlegt (wie Vijnä,nabhikshu und Mahädeva meinen), wird durch die andersartige Auslegung Aniruddha's zweifelhaft. Von Wichtigkeit aber sind die Sutra's III. 20—22, V. 130 (129 Vijnänabhikshu), die den hauptsächlichsten Lehrsatz der Cär- väka's, dass der Geist nichts von dem Körper verschiedenes sei, bekämpfen. Das bei den Materialisten beliebte Gleichniss von der berauschenden Kraft, die nicht in den einzelnen Stoffen vorhanden sei und trotzdem in der Mischung sich zeige, wird als unzutreffend bezeichnet; denn es stehe fest, dass die berauschende Kraft in jedem der einzelnen Stoffe in feinem Zustande existire , und dass sie in der Mischung nicht entstehe, sondern nur zur Erscheinung komme. Das Erkenntnissvermögen aber sei in keinem der Elemente, aus denen der Körper gebildet ist, nachweisbar.
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wegen ihrer untergeordneten Bedeutung und ihres nicht eigentlich philosophischen Charakters übergangen werden können. Es handelt sich zunächst um eine vishnui- tische, von Änandatirtha (oder Pürnaprajfia) be- gründete Sekte und um vier 9ivitische, deren Systeme mit den Namen Nakuli9a-Pä9upata, ^aiva, Pra- tyabhijnä und Rase9vara bezeichnet sind. Die Lehren dieser fünf Sekten sind stark von vedantistischen und Sämkhya- Philosophemen durchsetzt. Das sechste System ist dasjenige P ä n i n i ' s , d. h. die grammatische Wissen- schaft, die in M ä d h a V a ' s Compendium deshalb unter die Philosophie gerechnet wird, weil die indischen Grammatiker sich zu dem in der M i m ä m s ä gelehrten Dogma von der Ewigkeit des Lautes ^) bekannten, und weil sie die Theorie des S p h o t a , d. h. des mitheilbaren einheitlichen Faktors, der in jedem Worte als der Träger seiner Bedeutung ruht -), in philosophischer Weise entwickelten.
Ueberblicken wir die grosse Fülle der in Indien ge- machten Versuche, die Räthsel der Welt und unseres Daseins zu erklären, so lenkt die S ä m k h y a - Philosophie vor allen anderen schon deshalb unsere Blicke auf sich, weil sie allein ihre Aufgabe lediglich mit den Mitteln des Ver- standes lösen wUl. Der wahrhaft philosophische Geist, mit dem sie die Methode handhabt, auf dem Wege logischer Beweisführung von den bekannten, uns durch die Erfahrung gebotenen Grössen zu unbekannten aufzusteigen, um so zu der Erkenntniss der letzten Ursachen zu gelangen, ist mit Bewunderung von allen Forschern anerkannt, die sich ernstlich mit diesem System beschäftigt haben =^). Zum ersten Male in der Welt hat sich in Kapila's Lehre die
1) Vgl. oben S. 112 Anm. 1.
2) S. darüber S. 111 Anm. 2 und vgl. noch Ballantyne, Christianity coutrasted witli Hindu Philosopby, p. 189 ff.
3) S. z. B. Barth^lemy Saint-Hilaire, Premier Memoire sur le Sänkhya p. 488, und Röer, Lecture on the Sänkhya Philo- sophy p. 5, 12, 20, 24.
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ganze Unabhängigkeit und Freilieit des menschlichen Geistes, das volle Vertrauen auf die eigene Kraft gezeigt. Wenn auch von John Davies (Sänkhya Kärikä, p. V) zu viel behauptet ist mit den Worten: "The System of Kapila
" contains nearly all that India has produced in the
"department of pure philosophy", so darf doch das in den folgenden Abschnitten dargestellte System mehr als irgend ein anderes Erzeugniss der fruchtbaren indischen Speku- lation das Interesse derjenigen Zeitgenossen beanspruchen, deren Weltanschauung auf die Resultate der modernen Naturwissenschaft gegründet ist.
Denen aber, die von einem monistischen Standpunkte auf die dualistische Weltanschauung geringschätzig herab- blicken zu dürfen meinen, seien die Worte E. Röer's (in der Einleitung zur Ausgabe des Bhäshäpariccheda, p. XVI) entgegengehalten: "Though a higher development ofphilo- "sophy may destroy the distinctions between soul and "matter, that is, may recognise matter, or what is perceived "as matter, as the same with the soul (as for instance, "Leibniz did), it is nevertheless certain, that no true "knowledge of the soul is possible, without first drawing "a most decided line of demarcation between the pheno- "mena of matter and of the soul." Diese scharfe Grenz- linie zwischen den beiden Gebieten ist zum ersten Male von Kapila gezogen worden.
1^^
Zweiter Abschnitt.
Der Charakter der Sämkliya-Philosophie.
Garbe, Sämkhya-Philosophie.
13>I
I. All2:emeines.
1. Der Name smnkhya.
Das Wort sdmhhya erscheint erst in der jüngeren Upanishad- Literatur (nach J a c o b ' s Concordance über- haupt nur je einmal in der ^vetä9vatara, Cülikä, Garbha und Muktikä Upanishad) und dann häufiger im Mahäbhärata. Dass auch die grammatische Büdung des Wortes uns in spätere Zeiten weist, hat Weber, Indische Studien II. 184 hervorgehoben, aber dabei betont, dass man daraus nicht etwa auf die späte Existenz der Spekulationsweise, die dieser Name bezeichnet, schliessen dürfe. Wenn Kapila und seine ältesten Nachfolger ihrem System überhaupt einen Namen gegeben haben, so ist dieser verloren gegangen und später durch den uns geläufigen ersetzt worden.
Sämhliya ist von sainkliyä ,Zahl' abgeleitet und be- deutet zunächst ,aufzählend , Aufzählung', dann aber ,Unter- suchung, Unterscheidung, genaues Abwägen, Erwägung'. Die gewöhnliche Annahme ist nun, dass man von der zweiten Bedeutung ausgehend dem System Kapila's den Namen Sämkhya gegeben habe i). Ich halte das nicht
1) S. Colebrooke, Miscellaneous Essays^ I. 241 , Ballan- tyne, Lecture on the Sänkhya PhUosophy p. 52, Röer, Lecture p. 8, 9, Barthelemy St.-Hilaire, Premier Memoire p. 123, Hall, Sänkhya Sara Preface p. 3, John Davies, Sänkhya Kä-
rikä p. 9.
9*
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för richtig. Zwar hat schon im Mahäbhärata das Wort sämhhya die übertragene Bedeutung ,Unterscheidung u. s. w.' angenommen — die im Petersburger Wörterbuch s. v. ge- sammelten Stellen genügen, um dies zu constatiren — , doch wird durch andere Stellen klar, dass es sich dabei um eine Umdeutung des Wortes handelt, die erst durch den Charakter des Sämkhya- Sj'stem herbeigeführt worden ist. Weil das Sä mkhya- System methodische Erschliessung der Principien und vor allen Dingen scharfe Unter- scheidung von Geist und Materie lehrte, ist im Laufe der Zeit dem Worte sämkhya die Bedeutung ,methodische Er- schliessung, Unterscheidung' beigelegt worden. Ursprüng- lich aber bedeutete das Wort nichts anderes als .aufzählend'; die Lehre Kapila's wurde wegen der Aufzählung der 25 Principien, auf welche die Anhänger des Systems seit jeher grosses Gewicht legten, und „vielleicht auch wegen der absonderlichen Vorliebe dafür, abstrakte Begriffe in trockene Zahlen Verhältnisse zu zerlegen" ^), die ,Ä.ufzählungs- Philosophie' genannt -). Es ist dies allerdings eine Be- zeichnung, die dem wahren Wesen und Werthe des Säm- khya-Systems sehr wenig gerecht wird. Dadurch bin ich auf einen Gedanken gekommen, der mit meiner Be- urtheilung der ältesten Geschichte des Systems im Einklang steht. Wenn man bedenkt, was für eine Rolle die ,nick- names' in der indischen Namengebung spielen und wie oft der spöttische, verächtliche Inhalt dieser Namen in späterer Zeit in Vergessenheit geratheu ist, so scheint mir die Vermuthung nahe genug zu liegen, dass die Brahmanen die ihnen feindliche S ä m k h y a - Philosophie mit dem Spottnamen der ,Au£f;älilungslehre' (sämkhya neutr.j und deren Anhänger al^ die ,Zahlmenschen' (sämkhya masc.^
^) S. meine Uebersetzung der Sänikhya-tattva-kaumudi S. 622, 523.
2) S. Mahäbh. XII. 11393, 11409—10, 11673, Cülikä Upa- nishad 14, Weber, Indische Studien IX, 17 und Max Müller, Upanishads translated II. p. XXXV, XLI.
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bezeichnet haben, und dass, als dann die S am khya- Lehre von dem Brahmanenthum anerkannt und übernommen wurde, der Käme bestehen blieb, den man sich gewöhnt hatte zu gebrauchen. Unter dieser Voraussetzung erklärt sich auch die Umdeatung des Namens, von der eben gehandelt wurde, am natürlichsten.
Dass in der indischen Literatur einige Male Sänikhya als nomen proprium oder Beiname eines alten Weisen ') sowie als einer der 1000 Namen Civa's vorkommt-), scheint keine greifbaren Beziehungen zu unserem System zu haben.
2. Die Aufgabe des Systems.
Die Weltanschauung, die in den S ä m k h y a - Schriften zum Ausdiuck kommt, ist consequenter Pessimismus. Alles bewusste Leben ist Leiden. Das Glück, von dem uns die Erfahrung zu zeugen scheint, existirt nicht in Wahrheit; denn auch die Lust ist mit Schmerzen durchsetzt und fuhrt schliesslich zu Leid; darum wird auch sie „von den unterscheidenden zu den Sclunerzen gerechnet-^)". Das schlimmste der Leiden aber ist die Nothwendigkeit der Wiederkehr von Alter und Tod in jeder neuen Existenz. „AUe lebenden Wesen ohne Unterschied leiden den durch „Alter und Tod bewirkten Schmerz; allen, selbst dem „Wurm, ist die Todesfurcht gemeinsam, die sich in dem „Wunsche darstellt: ,Möge ich nicht aufhören zu existiren, „möge ich leben!' Und was Furcht hervorruft, ist Schmerz; „deshalb ist der Tod Schmerz*)."
1) S. Weber, Ind. Stud. II. 292 und im Petersburger Wörter- buch s. V. 1, b.
2) S. Weber, Ind. Stud. I. 426 Anm.
3) S. Säinkhyasutra VI. 6—9, Yogasutra II. 15 und meine Uebersetzung der Sämkhya-tattva-kaumudi S. 523 , 524; vgl. auch Paul Markus, die Yoga-Philosophie S. 56 ff.
-*) S. T. Kaumudi zu Kärikä 55 ; vgl. auch Sütra III. 53. Bei Aniruddha zu Sütra III. 3 wird der Begriff der Seelenwauderung (samsarana) durch den der fortgesetzten Vernichtung (näca) erklärt.
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Die beiden Hauptwerke der Sämkliy a- Schule, die Kärikä und die Siitra's, bezeichnen in den ersten Worten die vollständige Aufhebung des Schmerzes als die Aufgabe der Lehre, die sie vortragen. Dem wunder- lichen Schematismus des Systems entsprechend, wird sogleich gesagt , dass es einen dreifachen Schmerz gebe '). Damit ist nach der übereinstimmenden Erklärung sämmtlicher Commentare gemeint 1) der in der eignen Person ent- stehende (ädhyätmika)^ d. h. der durch körperliche Leiden und Beschwerden des Gemüths verursachte, 2) der von anderen Wesen (auch Pflanzen) uns zugefügte (ädhibhau- tika) und 3) der auf übernatürliche Einflüsse zurückge- führte (ädhidaivika). Bedarf es nun aber einer schwer verständlichen philosophischen Lehre, um diese Schmerzen zu heilen? Giebt es nicht — so fragt ein Materialist — mit leichter Mühe zu beschaffende Mittel zu seiner Abwehr? Medikamente zur Stillung körperlicher Schmerzen; schöne Frauen, Getränke, Speisen, Kleidung und Schmuck zur Heilung der Leiden des Gemüths ; Erfahrung und Vorsicht zum Schutz gegen Schaden, der von aussen kommt; und selbst Zaubermittel gegen übernatürliche Einflüsse? Auf diese Frage lautet die Antwort: Nein! denn alle diese Mittel wirken nicht mit Sicherheit und gewähren selbst im besten Falle nur zeitweilig Schutz und Erleichterung. „Aber wir haben doch ausser diesen weltlichen Mitteln, die uns allerdings keinen genügenden Schutz gegen den Schmerz bieten, die sicheren und zuverlässigen, deren Anwendung die Religion uns lehrt. Li der Schrift sind ja die Opfer vorgeschrieben, durch deren Vollziehung wir uns nach dem Tode einen Platz im Himmel sichern können, wo aller Schmerz ein Ende hat!" Der strenggläubige Brahmane, der diesen Einwand macht, erhält darauf dieselbe Antwort wie der Materialist; von den rituellen Mitteln
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1) S. ausserdem Tattvasamäsa Sütra 25 und Säinkhya-krama- dipikä Nr. 80—83 in Ballantyne's Bearbeitung. Aniruddha zu II. 1 rechnet sogar 21 Arten von Schmerz heraus.
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zui- Abwehr des Schmerzes gilt das gleiche wie von den weltlichen; auch sie beseitigen den Schmerz nicht absolut und für alle Zeit. Die Opfer sind unrein, denn sie erfordern Blutvergiessen ; und das Tödten von Thieren ist unter allen Umständen eine Schuld, che nach dem Gesetz der Vergeltung ihre Frucht tragen, d. h. einen Schmerz im Grefolge haben muss. Selbst wenn Jemand durch das Opfer in eine der himmlischen Welten gelangt ist , so sieht er mit Schmerzen, dass es dort droben höhere Stufen giebt als die von ilun erreichte. „Und es ist natürlich, dass das höhere Glück eines andern dem weniger Glücklichen Schmerzen bereitet*)." Die Hauptsache aber ist, dass der in den Himmel aufgestiegene nur einen vergänglichen Erfolg erzielt hat; denn auch die Götter und die andern Bewohner jener Welten unterliegen noch der Metempsy- chose -). Und schliesslich haftet an den Opfern die Un- gerechtigkeit, dass nur reiche Leute die grossen Kosten, die ihre Vollziehung erfordert, bestreiten können; den Armen ist dieser Weg zur zeitweiligen Befreiung vom Schmerz ebenso verschlossen als die von dem Materialisten empfohlene Anwendung der weltlichen Mittel-^).
^) Säinkhya-tattva-kaumridi zu Kärikä 2, S. 540 meiner Ueber- setzung. Auch Vijiiänabhikshu hält am Schluss des Commentars zu Sutra IV. 67 die Möglichkeit für ganz ausgeschlossen, „dass man Freude über das Glück eines andern empfinden könne."
-) Die auf dieser Erwägung beruhende Geringschätzung der himmlischen Freuden hat sich nicht nur dem Buddhismus, sondern später auch in weitem Umfange der brahmanischen Literatur mit- getheilt. Vgl. darüber Lucian Scherman's Materialien zur Geschichte der Indischen Visionslitteratur S. 16 — 18.
3) S. Kärikä 2 und Sütra I. 82—85, ID. 52, 53, IV. 22, 32, V. 76, 83 , VI. 56 nebst den Erklärungen der Commentatoren (auch I. 6 und VI. 58 nach Vijiiänabhikshu) und vgl. das Gespräch zwischen Kapila und dem in eine Kuh gefahrenen Rishi Syü- maracmi Mbh. XII, Adhy. 269—271. — Vijn. zu IV. 22 und VI. 58 macht der brahmanischen Religion das Zugestand niss, dass die definitive Erlösung von den Bewohnern der himmlischen Welten leichter und häufiger erreicht werde als von denen der Erdenwelt,
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Noch zwei weitere Hoffnungen auf Befreiung vom Schmerz halten die Särakhyasütra's für nöthig zu zerstreuen. Nach V. 82 soll der Yogin, der durch die Ausübung der Yoga -Praxis in den Besitz der viel be- sprochenen übernatürlichen Kräfte gelangt ist und über alle Naturgesetze Gewalt hat, nicht wähjien damit das Ziel erreicht zu haben; denn auch der Besitz dieser Kräfte ist vergänglich, wie jeder andere Besitz. Und wer da meint, dass über kurz oder lang so wie so aller Schmerz zu Ende sei, wenn die Schöpfung sich zurückbildet und in der Zeit der Weltauflösung alles bewusste Leben erlischt, dem wird III. 54 folgendes vorgehalten: auch auf die Perioden der Welt- auflösung folgen immer wieder neue Schöpfungen, und „wie ein Mann, der ins Wasser getaucht ist, wieder empor- taucht", so treten beim Beginn der neuen Schöpfungs- periode die Wesen wieder ihre qualvolle Wanderung durch unzählige Existenzen an.
Wer die wirkliche Erlösung vom Schmerz erzielen will, muss nicht sowohl den Schmerz beseitigen (unter- drücken , verhüllen) ^) , als sein Auftreten für aUe Zukunft unmöglich machen. Da nun der Schmerz nothwendig so lange währt, als die Seele sich mit Körpern und Organen verbindet^), so ist das Heil nur dann erreicht, wenn der Wanderung der Seele ein Ende gesetzt ist. Zu diesem Ziel, dem ,absoluten Aufhören' (atyanta-nivrtii) des Schmerzes, ist allein die Philosophie im Stande dem Menschen zu verhelfen. Mit diesem Gedanken stimmen alle orthodoxen Systeme, ausschliesslich der ritualistischen Mimärusä, überein; nur wird in keinem andern das Elend des Welt- daseins mit derselben Entschiedenheit, wie in der Säm- khya- Philosophie, betont, und das Verlangen nach Er- lösung vom Schmerz tritt uns deshalb in der brahmanischen Philosophie nirgends so deutlich entgegen wie hier.
Eine weitere Uebereinstimmung mit demVedänta-,
1) Vijn. zu Sütra I. 11.
2) Kärikä 55.
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Vai^eshika- und N y ä y a - System ist die Ueberzeugung, dass nur eine bestimmte Erkenntniss die Kraft habe, den Menschen zu erlösen.
In der V e d ä n t a - Philosophie ist es die Erkenntniss der Identität der Seele mit dem B r a h m a n , in den beiden atomistischen Systemen die scharfe Erfassung aller erkenn- baren Dinge, die im yai9eshika in sechs, im Nyäya in sechzehn Kategorien zerlegt sind. Die Sämkhya- Philosophie dagegen erfordert „die richtige Erkenntniss des entfalteten, des unentfalteten und des Erkenners" *), d. h. die Erkenntniss der absoluten Verschiedenheit, die zwischen der ganzen materiellen Welt und der Urmaterie, aus der sie hervorgegangen, einerseits und der Seele, des wahren Selbstes, andererseits besteht^). „Wenn in Folge dieser Unterscheidung der Schmerz bis auf den letzten Rest zu Ende ist, hat man das Ziel erreicht ; durch nichts anderes ■^). " Um diese unterscheidende Erkenntniss (viveha, viveka-jnänaj herbeizuführen, entwickelt die Sämkhya- Lehre ihre Theorie der Weltentfaltuiig , indem sie nicht nur die Entstehung der Erscheinungswelt in ihrem Kausal- zusammenhang, sondern auch die psychischen Vorgänge zu erklären unternimmt. Was der S ä m k h y a - Philosophie
') Kärikä 2.
") Zu dem Zweck ist es erforderlich, das Weseu der 25 vou der S am khya- Philosophie aufgestellten Principien (panca-vimcati- tattva) genau zu verstehen, d. h. ausser der geistigen Seele die folgenden 24 ungeistigen, materiellen Principien richtig zu be- urtheilen: die Urmaterie, die drei inneren Organe Buddhi, Aham- kära, Manas, die fünf Sinne der Wahrnehmung und die fünf Fähigkeiten des Handelns, die fünf Grundstoffe (tanmätra) und die fünf groben Elemente. Von diesen 25 Principien ist in unseren Texten sehr viel die Eede , ja die S am khya -Philosophie wird geradezu ,die Wissenschaft von den 25 Principien' genannt. Wenn als das höchste Ziel des Menschen das tattva-jnäna ,die Erkenntniss der Principien' bezeichnet wird, so heisst das für den Inder zugleich ,die Erkenntniss der Wahrheit' 5 die beiden Bedeutungen von tattva fliessen hier vollständig zusammen.
3) Sutra III. 84.
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lediglich Mittel zum Zweck ist — Kosmologie, Physiologie und Psychologie — , erscheint freilich uns Abendländern, die wir nicht in dem Dogma von der Metempsychose be- fangen sind und das Erlösungsbedürfniss im Sinne der indischen Philosophie nicht theilen können, als der eigent- lich bedeutungsvolle Theil ihrer Lehren. Bleiben wir aber zunächst noch ganz auf indischem Boden stehen mit der Frage, wer nach der Anschauung der Sämkhya- Philosophie dazu berufen ist, die erlösende Erkenntniss zu erreichen und andere durch Belehrung zu ihr zu führen. Ein Blick auf die entsprechenden Verhältnisse im Vedänta lässt uns den menschhch höheren Standpunkt, den hier die S ä m k h y a - Lehre einnimmt, erkennen. Aus Deussen's System des Vedänta S. 63 erfahren w4r, „dass alle die- „jenigen, welche durch das Sakrament des üpanayanam „(der Einführung bei einem Leln-er unter feierlicher Um- „ gürtung mit der Opferschnur) wiedergeboren (dvija) sind, „also, falls sie diese Bedingung erfüllen, alle Brähmana's, „Kshatriya's und Vai9ya's, dass ferner auch die „Götter und die (abgeschiedenen) Rishi's zur Vidyä „[d. h. zur erlösenden Heilslehre] berufen sind; dass hin- „ gegen die Cüdra's (die Angehörigen der vierten, nicht- „ arischen Kaste) von derselben ausgeschlossen bleiben." Es liegt auf der Hand, dass die ursprünglich uubrahma- nische Sämkhya- Philosophie, die dem alles Lebende mit der gleichen Liebe umfassenden Buddhismus zur Grundlage gedient hat, bei ihrer Begründung diese brahmanische Einschränkung nicht gekannt haben kann ; aber es gereicht ihr zur Ehre, dass sie auch in späterer Zeit sich nicht dazu verstanden hat, irgend einer Menschenklasse den Weg zum ewigen Heil zu verschliessen. So selbstverständlich uns dieser Standpunkt erscheint, so bewundernswerth ist er bei einem System, das zwei Jahrtausende lang äusserhch im Einklang mit dem Brahmanenthum gestanden und mehrere Jahrhunderte hindurch in ihm eine geistige Herr- schaft ausgeübt hat.
In Kärikä 53 werden die Wesen folgendermassen
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eingetheilt 1) : „Die göttliche [Schöpfung] ist achtfältig, die thierische fünffach, die menschliche von einer Art." Wenn hier die überirdischen Geschöpfe, je nachdem sie in der Welt des Gottes Brahman, des Prajäpati, des Indra leben oder zu den Ahnen, den Gandharva's, Yaksha's, Räkshasa's oder Pi9äca's gehören, für acht verschiedene Arten erklärt werden, so wird dadurch die Zusammenfassung der Menschenwelt in eine einzige Klasse um so bedeutungsvoller. Ein System, das gerade mit be- sonderer Vorliebe Abtheilungen und Unterabtheilungen ziffernmässig feststellt, würde bei dieser Gelegenheit gewiss nicht versäumt haben, auch die Menschen in der üblichen nahe liegenden Weise zu klassificiren, wenn ihm nicht die Kasten- und Rassenunterschiede als nichtig gegolten hätten. Wären zu irgend einer Zeit die^üdra's von dem Studium der S am khya- Philosophie ausgeschlossen gewesen, so würde dieser Grundsatz zweifellos in den Lehrbüchern des Systems verkündet worden sein, wie er in den Lehrbüchern des Vedänta aufgestellt und ausführlich begründet ist. An keiner der zahlreichen Stellen aber, an denen die S ä m k h y a - Schriften die Vorbedingungen für die Er- reichuncr der erlösenden Erkenntniss erörtern — wir werden sie gleich im Zusammenhang betrachten — ist überhaupt von dem Stande oder der Abstammung des Erlösungsbe- dürftigen die Rede. Mehrfach -) werden die zur Erkennt- niss Berufenen in drei Klassen eingetheilt, aber nicht etwa nach irgend einem äusserlichen Gesichtspunkt, sondern nur nach dem Grade ihrer moralischen und intellektuellen Be- fähigung in wenig, mittelmässig und hervorragend begabte. Damit gilt ein Jeder als berufen, der im Stande ist, dem Gedankengange des Systems zu folgen und gewült, den an ihn gestellten Forderungen zu genügen. In Sütra IV. 2
^) Genau so wird aucli in Sutra III. 46 und in der Sämkhya- krama-dii)ikä (Ballantyne's Lecture No. 72) der hhüta- oder bhau- tiha-sarga ,die Schöpfung der Wesen' dargestellt.
2) Sütra I. 70, IH. 76, VI. 22.
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wird berichtet, dass einstmals ein im Gebüsch verborgener Dämon unbemerkt mit anhörte, wie ein Lehrer seinem Schüler Unterricht in der Heilslelu-e ertheilte, — Vij&ä- n a b h i k s h u bezieht dies auf A r j u n a ' s Belehrung durch K r s h n a in der Bhagavadgitä — und dass auf solche Weise der Dämon die Erlösung gewann. Diese Legende giebt Vijiiänabhikshu Gelegenheit zu erklären, dass auch Frauen, ^üdra's und andere das höchste Ziel erreichen können ^). Wenn noch im sechzehnten Jahrhundert dies von einem strenggläubigen Anhänger des Brahmanen- thums bei der Erklärung eines Sämkhya- Textes aus- gesprochen ist, so brauchen wir nach keinen weiteren Beweisen dafür zu suchen, dass die Sämkhya- Philo- sophie niemals das nationale Vorurtheil des Vedänta getheilt hat.
Ein Jeder nun, der die unterscheidende Erkenntniss gewonnen hat , ist zur Belehrung anderer berufen ; die Beschränkung auf professionelle Lehrer wird ausdrücklich in unserem System zurückgewiesen -). Wiederum ein un- brahmanischer Zug! Aber nur wer zur unmittelbaren Erschauung (säkshdtkära) der Wahrheit gelangt und in Folge dessen bei Lebzeiten erlöst (jivan-mulcta) ist, soll die Unterweisung anderer unternehmen ^). Denn wenn Jemand als Lehrer auftreten wollte, der blos die richtige Lehre vortragen gehört, aber durch Reflektiren und Me- ditiren noch nicht jenes Ziel erreicht hat, so würde endlose Verwirrung die Folge sein; oder um mit Vijnänabhik- shu zu reden: „wenn Jemand das Wesen des Selbstes, „ohne es ganz vollständig zu kennen, lehrte, so würde er „hinsichtlich dieses oder jenes Theiles wegen des eignen „Irrthums wiederum seinen Schüler in Irrthum versetzen, „der wieder einen andern und so fort; auf diese Weise
^) Das gleiche ist mit Bezug auf das Yoga- System gesagt Mbh. XII. 8801.
2) Aniruddha und Mahädeva zu Sütra IV. 4. «) Sütra III. 79.
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„würde eine Tradition entstehen, die einer Reihe von sich „gegenseitig führenden Blinden vergleichbar wäre (andha- ,,parampard) i)."
Die NothAvendigkeit der Belehrung als solcher wird S ü t r a IV. 1 durch die Erzählung von dem Königs- sohn veranschaulicht, der zu einer Unglück verheissenden Stunde geboren und deshalb Verstössen, aber von einem Waldbewohner aufgezogen wird. Der Königssohn wächst natürlich in dem Wahne auf, ein Waldmensch zu sein, bis ihn eines Tages ein Minister nach dem Tode des ohne weitere Kinder gestorbenen Königs aufsucht und über seine Herkunft belehrt. In demselben Augenblick lässt dieser seine Wahnvorstellung fahren und weiss, dass er ein König ist. Ebenso ahnungslos ist im alltäglichen Leben der Mensch in Betreff seines inneren Wesens, seiner wahren Natur, und ebenso plötzlich geht ihm die intellek- tuelle Selbsterkenntniss auf, wenn er die rechte Belehrung empfängt. Aber nur in dem Falle, dass er zu den im höchsten Masse befähigten gehört. — Wo die Erkenntniss durch einmalige Belehrang nicht entsteht, wird ihre Wiederholung anempfohlen -).
3. Die Anforderungen.
Die V e d ä n t a - Philosophie steht der Lehi-e von der Werkgerechtigkeit nicht consequent gegenüber; so ent- schieden sie feststellt, dass die Erlösung allein durch das Wissen und nicht durch Werke zu gewinnen ist, so erklärt sie doch die Opfer und sonstigen frommen Werke keines- wegs für überflüssig; sie gelten ihr vielmehr als ein uiit- wirkendes Hilfsmittel zur Erlangung des Wissens. Ja, in Folge der engen Verbindung mit der ritualistischen Mi- m ä m s ä geht sie so weit , die im bralunanischen Gesetz vorgeschriebenen Pflichten auch für den nach dem Wissen
1) Viju. zu Sütra IH. 81.
2) Sütra IV. 3.
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strebenden als verbindlich zu erklären. Nur wer das Wissen erlangt hat, ist nach dem Vedänta der Beobach- tung dieser Pflichten enthoben *).
Dass die S ä m k h y a - Philosophie nicht nur, so lange sie dem Bralunanenthum feindlich gegenüber stand, sondern auch noch später diese Theorie bekämpft hat, ist nicht zu bezweifeln. Noch in der Kärikä ist mit keinem Worte davon die Rede, dass der Werkdienst eine nützliche Vor- bereitung zur Erreichung der Erkenntniss sei; in Kärikä 2 wird einfach die Vollziehung von Opfern widerrathen. Erst die Sütra's, deren Abfassung wir oben S. 71 gegen 1400 ansetzen zu müssen glaubten, haben sich ausser anderen vedantistischen Lehren auch diese Theorie von dem Nutzen des Werkdienstes zu eigen gemacht -). Dieselbe wird hier genau so formulirt wie im Vedänta. Zwar ist die unterscheidende Erkenntniss ausnahmslos das einzige Mittel zur Erlösung-'), und doch wird die Erfüllung der im brahmanischen Gesetz vorgeschriebenen Pflichten em- pfohlen*). Die Commentatoren führen dann mit grösserer oder geringerer Entschiedenheit aus, dass die Werke nur als Hilfsmittel zu betrachten seien und dass sie an Werth nicht den unumgänglichen Mitteln zur Erreichung der Erkenntniss, von denen gleich gehandelt werden soll, nahe kommen. Diese Vedänta- Lehre von der Bedeutung des Werkdienstes ist nun aber in rein äusserlicher Weise in die Sämkhyasütra's eingefügt, nicht organisch mit unserem System verschmolzen; denn an verschiedenen Stellen bricht auch noch in den Sütra's der echte, mit jener Lehre im Gegensatz stehende Standpunkt des Säm- khya durch. Sütra L 84 heisst es, dass aus der Voll- ziehung des im Gesetz vorgeschriebenen Werkes Schmerz
1) S. Deussen, System des Vedänta S. 86—90, 434—440. 443—445.
2) Vgl. oben S. 72.
3) Sütra I. 56, UI. 25—28, VI. 15; s. auch Kärikä 44. *) Sütra m. 32, 35, IV. 19, 21.
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über Schmerz sich ergiebt, und nicht etwa das Aufhören der Nichtunterscheidung, „wie aus dem Uebergiessen mit [kaltem] Wasser nicht Befreiung von der Erstarrung er- folgt." Und im folgenden Sütra wird hinzugefügt, dass es sich ganz gleich bleibt, ob man mit dem Werke einen Wunsch verbindet oder nicht; auch aus dem wunschlosen, im Innern geübten Opfer entstehe Schmerz über Schmerz. Derselbe Gedanke wird mit anderen Worten in Sütra IV. 8 zum Ausdruck gebracht: „Denken an das, was kein Mittel ist, führt zum Gebundensein, wie bei B h a r a t a ^) ", und Vijnänabhikshu bemerkt dazu: „Was kein direktes „Mittel zur unterscheidenden Erkenntniss ist, auf dieses „hat man, auch wenn es eine Vorschrift der Moral sein „sollte, doch sein Denken nicht zu richten, d. h. nicht den „Wunsch des Herzens auf die Ausübung desselben zu „lenken." In Sütra IV. 12 wird gar die Arbeit zum Zwecke der Selbsterhaltung für überflüssig erklärt.
Die echte Sämkhya- Lehre also lautet: selbst gute Werke befördern nicht, sondern hindern die Erreichung der unterscheidenden Erkenntniss. Von einer Moral ist also im Sämkhya- System nicht die Rede ^) — diese
*) Der Vergleich bezieht sich auf eine dem Vishnu Puräna entlehnte Erzählung: der königliche Weise Bharata, der nahe vor der Erreichung der erlösenden Erkenntniss stand, pflegte aus Mitleid eine elende junge Gazelle und ging dadurch des ihm winkenden Lohnes seiner Bemühungen verlustig.
^) Wenn wir in einem alten Jaina- Texte die Angabe finden, dass , Mitleid mit den Wesen' die Quintessenz von Kapila's Lehre gewesen sei (s. meine Uebersetzung von Aniruddha's Commentar, Introduction p. X, Note und vgl. dazu dayä hhüteshu Mbh. XIL 1104.5, sarva-bliüta-dayä ebendas. 11167), so widerspricht dies dem obigen Satze nicht; denn die Schonung der Thiere kann lediglich durch das egoistische Verlangen bedingt sein, sich vor einer Verschuldung zu bewahren, die einen Schmerz im Gefolge haben muss. Und einen solchen egoistischen, sich in rein negativer Weise bethätigeuden Gedanken wird man nicht als ein Moralprincip gelten lassen wollen.
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Lücke hat erst sein Tochtersystem , der Buddhismus, in bewundernswerther Weise ausgefüllt — , und es darf deshalb bei einer unparteiischen Beurtheilung nicht verschwiegen werden, dass die unverfälschte Sämkhya- Philosophie, die für die Schärfung des Verstandes der indischen Denker von hoher Bedeutung gewesen ist, einen gewissen Antheil an der ungünstigen Entwickelung des indischen National- charakters gehabt haben Avird. Selbst in den Lehr- büchern des Systems lässt sich an einzelnen Stellen dieser sittlich schädigende Einfluss erkennen ^).
Mit der Verwerfung moralischer Werke als eines Hilfs- mittels zur Erkenntniss steht im engsten Zusammenhang dasjenige Erforderniss zur Erreichung des erlösenden Wissens, das der Sämkhya -Lehre als conditio sine qua non gut: die Gleichgiltigkeit gegen alle weltlichen Dinge (viräga, vai- rägya). Denn auch das Ausüben guter Werke ist mit dieser Gleichgiltigkeit nicht zu vereinigen. Der mit Begierde oder Kummer behaftete ist absolut unfähig die Belehrung in sich aufzunehmen; „in einem, dessen Sinn auf solche Weise verdüstert ist, geht der Same der Belehrung nicht auf 2)". Die Begierden nun aber werden nicht durch den Genuss gestillt"^), sondern nur durch die Erkenntniss der Felller und Mängel, die allem Materiellen anhaften *). Eine solche Erkenntniss führt den Menschen dazu, seinem Besitz und allen weltlichen Genüssen zu entsagen. Und nur das freiwillige Aufgeben der weltlichen Güter und der Hoffnungen erzeugt den Zustand des Gemüthes, den die Philosophie verlangt, während erzwungenes Aufgeben
1) S. oben S. 135.
■^ Sütra IV. 29—31.
3) Sütra IV. 27.
*) Sütra IV. 28. Vijnäiiabbikshu zu IV. 4 hebt besonders die Hinfälligkeit des Körpers hervor: „Wenn man erkennt, dass, wie „der eigene Vater gestorben und der eigene Sohn geboren ist, man „auch selbst geboren ist und sterben muss, so tritt die Gleich- „giltigkeit ein und durch sie die unterscheidende Erkenntniss."
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den Beraubten leidvoll macht '). Wer diese Welt mit voller Gleichgiltigkeit gegen ihre Genüsse aufgiebt und sich dem Streben nach der Erkenntniss widmet, wird dem Flamingo verglichen 2), der es nach dem indischen Volksglauben ver- steht, aus einer Mischung von Milch und Wasser nur die werthvoUe Milch zu sich zu nelunen und das werthlose Wasser zurückzulassen. Die errungene Gleichgiltigkeit ist fi-eilich ein verlierbares Gut ; um es zu bewahren, wird die Vermeidung menschlicher Gesellschaft — ja selbst eines einzigen Gefährten, wofern dieser nicht im Besitze der höchsten Erkenntniss ist-'') — anempfohlen, da das Zu- sammenleben mit anderen leicht zur Entstehung von Leidenschaften, zu Zank und Streit führt*); keinenfalls aber soll man aus freien Stücken Gemeinschaft mit Leuten halten, die noch von Begierden erftült sind^).
Das Sämkhya- System unterscheidet eine niedere und eine höhere Gleichgiltigkeit (apara- und para-vairägya) ^''). Unter den ersten Begriff fällt diejenige, die als Vorbereitung auf das Streben nach der Erkenntniss gefordert wird, während die ,höhere Gleichgiltigkeit' erst eintreten kann, nachdem die unterscheidende Erkenntniss erreicht ist "). Auf dem Standpunkt der ,niederen Gleichgiltigkeit' hat man der Freude an den Sinnesobjekten und der Theilnahme
1) Sütra IV. 5—7, 11. ') Sütra IV. 23. ä) Sütra IV. 24. *) Sütra IV. 9, 10.
5) Sütra IV. 25, 26.
6) Wenn in der Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 23 und im Anschluss daran von Aniruddha zu Sütra II. 1 gar vier ver- schiedene Stufen der Gleichgiltigkeit beschrieben und mit besonderen technischen Ausdrücken benannt werden, so handelt es sich dabei um die Weiterentwickelung eines dem Yoga -System entlehnten Gegenstandes.
') Aniruddha's und Vijrianabhikshu's Einleitung zu Sütra I. 1, Vijn.'s Einleitung zu III. 1 und Commeutar zu II. 2, 3, III. 84, Yogasütra I. 16.
Garbe, Sämkhya-Philosophie. 10
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an äusseren Vorgängen entsagt; die ,höhere Gleichgiltig- keit' aber besteht darin, dass man nach der Erkenntniss des Unterschiedes von Geist und Materie auch die feinsten Modifikationen der Materie in Gestalt seiner eigenen inneren Organe, die man dann als nicht zu dem Selbst gehörig, sondern ihm wesensverschieden weiss, mit derselben Indifi'erenz ansieht wie die Objekte der Aussen weit. Dieser Zustand ist eine unmittelbare Vorstufe der Erlösung. Wir haben es also hier nur mit der ,niederen Gleichgiltigkeit' zu thun, die der Erreichung der unterscheidenden Er- kenntniss vorangehen muss, aber nicht zu ihr zu führen braucht. Da sie auch in dem letzteren Falle ein Verdienst bleibt und jedes Verdienst nach dem Gesetz der Vergeltung belohnt wird, so ist demjenigen, der diese Welt aufgegeben und doch das erlösende Wissen nicht gewonnen hat, im Sämkhya- System in Aussicht gestellt, dass er in die Urmaterie aufgehen und bei Beginn einer neuen Welt- periode als Gott wieder in das Weltdasein eintreten wird '). Von der Nothwendigkeit der Belehrung war bereits S. 141 die Rede. Schon die blosse Thatsache, dass Jemand von einem competenten Lehrer in der Sämkhya- Philo- sophie unterrichtet wird, gilt als ein Glück, dessen Ursache grosses in vielen Existenzen erworbenes Verdienst sein muss 2). Nur bei sehr Befähigten führt aber die Belehrung oder, wie es technisch heisst, ,das Hören' (gravana) un- mittelbar zum Ziel ^) ; in der Regel ist darauf die Reflexion (manana) und anhaltende Meditation (nididhyäsana) er- forderlich *) ; es finden sich deshalb in unseren Texten, wenn von den Anforderungen an den Erlösungsbedürftigen
1) Kärikä 45, Sütra III. 54—56, Säiukhya-krama-dipika Nr. 15 und meine Uebersetzuug des Sämkhya-pravacana-bhäsbya S. 244, Anm. 2.
2) Vijn. zu IL 3.
^) S. die Commentare, besonders den Aniruddha's, zu I. 70, III. 76, VI. 22.
4) Sutra IV. 17, VI. 23, 57.
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gehandelt wird, diese drei Begriffe stehend in dem Com- positum qravana-manana-nididhyäsana verbunden. Vijnä- nabhikshu zu VI. 57 erklärt sogar, dass die Verhältnisse bei den Bewohnern der himmlischen Welten ebenso liegen, wie auf Erden.
Aber auch da, wo Reflexion und anhaltende Meditation geübt werden, stehen — abgesehen von der Möglichkeit, dass die Reflexion ganz falsche Wege einschlagen kann ^) — der Erreichung der erlösenden Erkenntniss noch allerlei Hindernisse im Wege, unter denen das grösste die anfangs- lose felilerhafte Anlage (anddi-nüihyd-väsanä) -) unseres Denkorgans ist. Die Nichtunterscheidung (aviveka) erzeugt die Disposition zur Nichtunterscheidung in der folgenden Existenz, und diese Disposition ist dann wiederum die Ursache der Nichtunterscheidung ; so haben wir hier — nach rück- wärts gesehen — eine Verkettung ohne Anfang, da der Samsära von Ewigkeit her existirt, vergleichbar dem Fall von Same und Spross (Mjänhura-vat) oder, wie wir sagen würden: von Henne und Ei'^). Daraus, dass diese Verkettung von Nichtunterscheidung und Disposition anfangslos ist, darf man aber nicht schliessen, dass sie auch bis in alle EAvigkeit hin währen müsse; denn durch die eintretende Unterscheidung wird sie gelöst*).
Die in unsrer Naturanlage liegenden Hindernisse werden erfolgreich bekämpft durch die Concentration des Denkens ^). Ist diese Concentration auf das höchste Maass gesteigert, so dass kein Abirren der Gedanken auf andere Objekte hin mekr stattfindet, so tritt die unmittelbare Erschauung (sälcshätkära) der Wahrheit ein.
Die Lelu-e von der Concentration bildet bekanntlich den Hauptinhalt des Yoga- Systems, in dessen Lehrbüchern
^) Vijn. zu I. 65 Schluss.
2) VijS. zu n. 3.
"") Sütra VI. 12, Vijn. zu I. 57 Schluss.
*) Sütra VI. 13.
5) Sütra IV. 13, 14, VI. 26. '
10'
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ausführlicli die Regeln über das äussere und innere Ver- halten des Asketen gegeben sind. Bei der engen Verbindung von Sämkhya und Yoga darf es uns nicht Wunder nehmen, dass die Theorien des Yoga- Systems über diesen Punkt in die S änikhya- Schriften eingedrungen sind. Die Kärikä erwähnt zwar nichts von der Yoga- Praxis, spricht aber einmal (in Strophe 45) von der aus der über- natürlichen Kraft (aigvarya) resultirenden Erftillung eines jeden Wunsches; auch die Commentatoren zur Kärikä beschäftigen sich nur gelegentlich (bei Strophe 23) mit der Yoga- Praxis und den wunderbaren durch sie zu erreichenden Kräften. Die Sütra's dagegen behandeln die Yoga- Praxis als einen integrirenden Tlieil der Säm- khya - Lehre '), aber doch noch ohne auf die Einzelheiten systematisch einzugehen. Erst die Commentatoren zu den Sütra's operiren mit dem ganzen Apparat der acht yogänga oder Bestandtheile der Yoga-Praxis 2), als da sind Selbstbezwingung (yama), Einhaltung der Observanzen (myama), Verharren in bestimmten Körperhaltungen (äsana)^ künstliche Beschränkung des Athmens (pratyähära)^ Samm- lung (dJiäranä)., Meditation (dhyäna) und Versenkung (sa- mädhi)'^); auch haben sie aus Yogasütra I. 17, 18 die Lehre entlehnt, dass über die bewusste Concentration (samprajndta-yoga) hinaus ein Zustand zu erstreben sei, in dem die Concentration zu voller Bewusstlosigkeit gesteigert ist und ,aus dem es kein Auferstehen gifebt' (asamprajnäta- yoga). Erst in diesem Zustande der Bewusstlosigkeit ist nach der von den späten Sämkhya- Lehrern übernommenen Anschauung des Yoga- Systems das Ziel erreicht*).
Wenn nun auch diese ganze künstliche Methode zur Gewinnung der Erkenntniss durch Absolvirung fest be-
1) Sütra m. 30—35, IV. 15, 16, VI. 24—26, 29—31. Vgl. oben S. 74
2) Yogasütra II. 29 ff.
3) S. besonders Aniruddha zu ITI. 32, VI. 57, Vijiiäna zu III. 30, 33—35.
*) Anir. zu VT. 50, Vijn. zu III. 77, VI. 30.
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stimmter Vorstufen der ursprünglichen und reinen Säm- khya -Lehre fi-emd ist, so haben wir doch gesehen, dass auch von ihr — wenigstens als Regel — ein mühsames Erarbeiten der unterscheidenden Erkenntniss vorausgesetzt wird. Wie viel von dem Einzelnen zu leisten ist, wie lange er die heisse Denkarbeit zu üben hat und ob er überhaupt ans Ziel gelangt, hängt ganz von seiner indi- viduellen Beanlagung ab *). Immer aber tritt die Erkennt- niss da, wo sie erreicht wird, blitzartig, intuitiv ein, wie bei einem, der über die Himmelsrichtungen in Verwirrung ist, die Aufhebung des Irrthums wohl durch Belehrung und Beweisführung vorbereitet werden kann, aber doch nur durch die unmittelbare Erschauung bewirkt wird 2). Mit dieser Vorstellung scheint die in den Sämkhya- sütra's lU. 77 — 79 vorgetragene Lehre von den drei Stufen der Erkenntniss, der geringen, mittelmässigen und höchsten Unterscheidung, nicht zu stimmen. Da wir nun in der Y oga- Philosophie drei solche Erkenntnissstationen angenommen finden ^) und bei den Commentatoren zu den eben citirten Sämkhyasütra's*) lesen, dass die Steigerung der Unterscheidung auf die dritte und höchste Stufe (vi- veha-nishpatti) erst bei derjenigen Concentration eintritt, bei welcher das Bewusstsein vergangen ist, so ist wohl nicht zu bezweifeln, dass auch diese Lehre von den drei Graden der unterscheidenden Erkenntniss aus dem Yoga- System entlehnt ist.
Ich habe hier nur dasjenige zur Sprache gebracht, was zum Verständniss der von unserem System gestellten Anforderungen zu wissen nöthig ist; der psychologische Process, auf dem das Eintreten des erlösenden Wissens beruht, kann erst in dem vierten Abschnitt dieses Werkes erörtert werden.
1) Sutra I. 70, III. 76, IV. 20, VI. 22.
2) Sütra I. 59.
^) S. Paul Markus, die Yoga-Philosophie S. 66. *) Vgl. auch noch Vijn. zu VI. 30.
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4. Die Methode.
Stämmtliche indischen Systeme bekunden echt philo- sophischen Sinn dadurch, dass sie es für nothwendig halten, über die von ihnen angenommenen Quellen der Erkennt- niss Rechenschaft zu geben. Das allgemein gebrauchte Wort für Erkenntniss- und Beweismittel ist pramäna *), etymologisch: dasjenige, wodurch etwas abgemessen, genau festgestellt, also eine richtige Erkenntniss (pramd) ge- wonnen wird 2).
Hinsichtlich der Zahl der Pramäna's weichen die Systeme von einander ab ^) ; in der Erörterung des wich- tigsten aber und von allen Schulen (ausscliliesslich der Cärväka's) als das eigentlich philosophische Beweismittel erkannten, der Schlussfolgerung nämlich, zeigen die Lehr- bücher der orthodoxen Systeme die grösste Ueberein- stimmung. Die ganze Terminologie, die Definitionen, die Behandlung der Einzelheiten und die Beispiele sind auf diesem Gebiete mit geringen Abweichungen überall die gleichen. Dies erklärt sich daraus, dass dieser Gegenstand von derVai9eshika-Nyäya- Schule bis zu der höchsten für Indien erreichbaren Vollendung ausgearbeitet und deshalb in der dort festgestellten Form von den anderen Schulen übernommen ist*). Wenn also die Theorie der Schlussfolgerung in den Sämkhya- Schriften eingehend
1) Seltener mäna, s. die Indices zu meinen Ausgaben der Säm- khya-Texte.
2) Vgl. Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kar. 4 und Sütra I. 87. ^) S. Deussen, System des Vedänta S. 94.
*) Darstellungen der indischen Theorie der Schlussfolgerung findet man bei Max Müller, Zeitschrift der Deutschen Morgen- ländischen Gesellschaft VI. 229 ff. und bei E. Röer in derselben Zeitschrift XXI. 368 ff. Mit der europäischen Art der Erschliessung ist die indische verglichen von J. Ballantyne, Lectures on the Nyaya Philosophy, Allahabad 1849, p. 30 ff. und von E. Röer in der Ausgabe des Bhäshapariceheda, Calcutta 1850 (Bibl. Ind.), Introduction p. XXI ff.
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(am ausführlichsten in der Sämkhya-tattva-kaumndi zu Kärikä 5 und im Sämkhya-pravacana-bhäshy a zu Siitra I. 103) behandelt wird, so erkennen wir hier ein fremdes Element, dessen Erörterung der indische Geschmack verlangte ^) , von dem aber eine europäische Darstellung der S ä m k h y a - Philosophie nur insoweit Notiz zu nehmen hat, als es für die Methode dieses Systems von Bedeutung ist.
Unser System erkennt drei Quellen der Erkenntniss an : 1) die Perception (jyratyahsha, drshta), 2) die Schluss- folgerung (anumdna), 3) die zuverlässige Mittheilung (dpta- vacana, cabda) -). Die ausserdem noch im N y ä y a - System angenommene Erkenntniss aus der Analogie (upamdna) und die weiteren in der Mimämsä aufgestellten Pramäna's (s. oben S. 112 Anm. 1) werden in Kärikä 4 und Siitra I. 88 als entweder in jenen drei enthalten oder als nicht dem Begriff des Pramäna entsprechend zurückgewiesen 3).
Die Perception wird in Kärikä 5 als ,Feststellung der einzelnen Objekte [durch die Sinnesorgane]' definirt, in Sütra I. 89 als ,diejenige Denkfunktion, welche [mit
1) Die indischen Philosophen scheinen, auch wenn sie über andere Systeme schrieben, Werth darauf gelegt zu haben, ihre Vertrautheit mit der formalen Logik des VaiQeshika-Nyäya zu bekunden. Aus keinem anderen Grunde kann der Verfasser der Säinkhyasütra's VI. 27 — 36 die verschiedenen Ansichten über die vyäpti, den Begriff, auf dem die Theorie des Syllogismus auf- gebaut ist, beleuchtet haben. Und Aniruddha hat bei V. 85, 86 die Gelegenheit benutzt, den Inhalt der Vai^eshika- und Nyäyasutra's in einer Ausführlichkeit zum Besten zugeben, die uns geradezu lächerlich erscheint. Bei solchen für das Säm- khya- System bedeutungslosen Abschnitten unserer Quellen genügt ein Hinweis auf meine Uebersetzungen.
-) Kärikä 4—8, Sutra I. 87—91, 100—104, Colebrooke, Mise. Ess.'- I. 252, 253, Johaentgen, Das Gesetzbuch des Manu S. 62—67.
') S. die ausführliche Polemik in der Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 5.
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einem Dinge] in Verbindung stehend die Form desselben wiedergiebt'. Als ein Vorzug der Sinneswahrnelimung vor den anderen Erkenntnissquellen gilt, dass sie alle Besonder- heiten ihrer Objekte mit einem Male erfassen kann i), während eine Beschreibung durch Worte immer noch so und so viel« Einzelheiten übrig lässt, die nicht zur Vorstellung kommen.
Versagt die Sinnes Wahrnehmung, so darf man die Nichtexistenz des in Frage stehenden Dinges nur dann constatiren, wenn dieses seiner Natur und den Umständen nach wahrgenommen werden müsste; ,.denn sonst könnte Jemand, der aus einem Hause herausgegangen die Ein- wohner dieses Hauses nicht sieht, zu der Ueberzeugung kommen, dass diese nicht existiren -) ". Das Versagen der Sinneswahrnehmung kann nach Kärikä 7 (und Sütra I. 108) folgende verschiedene Gründe haben: zu grosse Ent- fernung, zu grosse Nähe, Fehler an den Sinnesorganen, Unaufmerksamkeit, zu grosse Feinheit, Dazwischenliegen von etwas, Unterdrücktwerden (wie am Tage die Sterne von der Sonne unterdrückt, d. h. verdunkelt werden) und Vermengung mit gleichartigem (wie man die aus einer Wolke in einen Teich gefallenen Wassertropfen oder die mit Kuhmilch vermischte Büfifelmilch als solche nicht wahr- nimmt). Welcher unter diesen sieben Gründen nun findet auf die der Sinneswahi-nehmung sich entziehenden Principien der S ä m k h y a - Philosophie Anwendung, d. h, auf die Seele und auf die unsichtbaren Formen der Materie? Darauf antwortet Kärikä 8 und Sütra I. 109: Die zu grosse Feinheit. Und Vijnänabhikshu bemerkt dazu , dass unter diesem Begriff weder atomistische Kleinheit noch Unbegreiflichkeit oder Unbeschreibbarkeit zu verstehen sei,
^) Eine solche Sinneswahrnehmung heisst savikalpaka, im Gegensatz zu dem nirvikalpaka jhäna , das die speciellen Eigen- thümlichkeiten der Objekte nicht unterscheidet. S. Aniruddha zu Sutra I. 89 und Vijiiänabh. zu I. 148, 154.
^) Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 7.
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sondern eine Eigenschaft allgemeiner Natur, die bei uns gewöhnlichen Menschen ^) die Erkenntniss durch Sinnes- wahrnehmung ausschliesst , — womit natürlich nur eine Umschreibung, aber keine Erklärung gegeben ist.
Diese Betrachtungen der Sämkhya- Schriften, die wohl hauptsäclilich gegen die Materialisten gerichtet sind, flihren uns zu der zv,^eiten Erkenntnissquelle, der Schluss- folgerung. Diese heisst ein Produkt der Sinneswahr- nehmung-), weil das sinnlich wahrgenommene die Basis ist, von der aus das nicht wahrnehmbare erschlossen wird. In Kärikä 6 ist dieses Verhältniss mit den Worten aus- gedrückt: „Die Schlussfolgerung setzt ein Merkmal und den Träger dieses Merkmals voraus". Daran schliesst sich die Definition der Säinkhya-krama-dipikä Nr. 77: „Schlussfolgerung ist diejenige Erkenntniss, die bei der Beobachtung eines Merkmals entsteht"; doch finden wir den Begriff genauer erklärt in Sütra I. 100 als „die aus der Beobachtung der Zusammengehörigkeit sich ergebende Constatirung des Zugehörigen". Die Schlussfolgerung ist von dreierlei Art=^): sie geht 1) von der Ursache auf die Wirkung (piirvavat)^ wenn man z. B. aus dem Aufziehen der Wolken einen bevorstehenden Regen erschliesst, 2) von der Wirkung auf die Ursache (ceshavat) *), wenn man z. B. aus dem Anschwellen der Flüsse schliesst, dass es geregnet hat; 3) von dem Einzelnen auf das Allgemeine (sämänyato
^) Denn der Yogin erblickt jene Dinge nach indischer An- schauung vermittelst einer übernatürlichen Sinneswahrnehmung.
''■) S.t.kaumudi zu Kärikä 6.
**) Kärikä 5 nebst den Commentaren, Aniruddha zu Sütra I. 100, Vijnänabh. zu I. 103.
*) So in der Nyäya- Literatur; vgl. Vätsyäyana zu Nyäya- butra I. 1. 5 und Ballantyne, Lecture on the Sänkhya Philo- sophy p. 60, 64, Colebrooke, Mise. Ess.* I. 253, Deussen, System des Vedänta S. 94. Die Commentatoren zu den Särnkhya- Werken sind durch die Etymologie des Terminus geshavat zu einer anderen Auslegung verführt worden, über die man sich in den Uebersetzuugen Orientiren kann.
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drshfn), wenn man x. B, aus dem Anblick eines blühenden Manf^obaums scliliesst, dass die Mangobäume überhaupt in Blüthe stehen ^), oder wenn man aus der Betrachtung der einzelnen Sinne den allgemeinen Begriff des Wahrnehmungs- werkzeugs gewinnt ^). Diese letzte Form , welche von Väcaspatimi9ra als „das Erkennen eines bestimmten allgemeinen Begriffs, dessen specifische Merkmale nicht wahrnehmbar sind" definirt ist, entspricht also unserem Induktionsschluss ; und deshalb habe ich in meinen Sä m- k h y a - Arbeiten den bisher anders übersetzten Terminus sdmdnyato drshta mit ,induktiv' wiedergegeben.
Die letzte Erkenntnissquelle, die zuverlässige Mit- theilung, ist ursprünglich gewiss nichts anderes gewesen, als die Unterweisung von Seiten eines competenten Lehrers. Dafür spricht, dass in dem Gesetzbuch des Manu, welches die Theorie der drei Erkenntnissquellen unserem System entlehnt hat, XII. 105 neben Perception und Schluss- folgerung an dritter Stelle die Gesetzsammlungen stehen, d. h. die Aussprüche der Fachleute 3). Unsere Sämkhya-
^) Gaudapäda zu Kärikä 5.
2) S.t.kaumudi , S. 549, 550 meiner Uebersetzung, Vijnänabh. zu Sütra I. 103.
^) Vgl. Johaentgen S. 64. — Die Aufstellung der dritten Erkenntnissquelle hat übrigens in den Sämkhyasütra's Erörterungen über den Zusammenhang von Wort und Bedeutung veranlasst. Schon S. 112, Anm. 1 hatte ich Gelegenheit zu bemerken, dass für die Sämkhya's dieser Zusammenhang nicht ewig, sondern von menschlicher Uebereinkunft abhängig ist. Als Grund wird in Sütra V. 97 dafür angegeben, dass die beiden in Verbindung stehenden Dinge, die Bezeichnung und das Bezeichnete, vergänglich seien, mithin auch ihre Verbindung vergänglich sein müsse. Auf drei verschiedene Weisen wird nach Sütra V. 38 und der über- einstimmenden Erklärung der Commentatoren der Zusammenhang von Wort und Bedeutung erkannt: 1) Durch direkte Belehrung: „Das heisst Topf. 2) Durch die Ausdrucksweise und das mit dieser in Verbindung stehende Verfahren kundiger Leute (vrddha- vi/avahära)] wenn z. B. der Sprachunkundige beobachtet, wie der Eine sagt: „Bringe die Kuh" und der Andre den Auftrag ausführt
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Texte freilich verstehen unter der ,zuverlässigen Mittheihmg' das Zeugniss der heiligen Ueberliefening ^) ; und je jünger sie sind, um so häufiger und eifriger bemühen sie sich, ihre Beweisführung durch Berufung auf die Schrift zu kräftigen. Dass dies ein Zugeständniss ist, mit dem die S am k h y a - Philosophie die Anerkennung ihrer Orthodoxie erkaufte, brauche ich kaum zu wiederholen 2), Wir dürfen in der Folge diese unserem System ursprünglich fremde und innerlich stets fr-emd gebliebene, wenn auch von den jüngsten Sämkhya- Autoritäten nicht mehr als solche empfundene Verwendung der Offenbarung als eines Be- weismittels unberücksichtigt lassen.
In der That also reduciren sich, da die zuverlässige Mittheilung doch nur für die Verbreitung der Lehre in Betracht kommt und principiell nicht den beiden anderen Erkenntnissquellen coordinirt Averden kann, die drei Pra- mäna's der Sämkhya -Philosophie auf zwei. Aber wir müssen noch einen Schritt weiter gehen. Im Vergleich mit der Perception wird die Schlussfolgerung als das stärkere, beweiskräftigere (drdhatara) Erkenntnissmittel bezeichnet =') ; in Wirklichkeit jedoch ist das letztere ftir unser System die alleinige Quelle der philosophischen Erkenntniss *). Dieser Grundsatz ist offen in Sütral. 60
(vgl. hierzu Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 6, S. 550 meiner Uebersetzuug). 3) Dadurch, dass ein bis dahin noch unbekanntes Wort zusammen mit bekannten Wörtern in demselben Satze vor- kommt (prasiddha-pada-sämänddhikarauya); wie z. B. ein Kind, das schon die Worte ,Mango' und , essen' kennt, beim Hören des Satzes „Der Vogel isst den Mango" auch die Bedeutung des ihm bisher unbekannten Wortes ,Vogel' kennen lernt.
1) Kärikä 5, 6 nebst den Commentaren , Sütra I. 101, Säm- khya-krama-dipikä Nr. 78.
2) S. oben S. 4, 5, 60, 71, 72. ^) S.t.kaumudi zu Kärikä 8.
^) Vgl. Röer, Lecture p. 20. — Wenn in diesem Sinne das Sämkhya-System als manana-cästra bezeichnet wird (Vijnänabh. zu I. 19) , so ist damit zugleich seine Unabhängigkeit von der religiösen üeberlieferung betont.
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ausgesproclieii , und er wird noch Aveiter in Kärikä 6 und Sütra I. 103 dahin specialisirt , dass von den drei oben angeführten Formen der Schlussfolgerung die beiden letzte}!, die von der Wirkung auf die Ursache gehende und die induktive, diejenigen Mittel seien, durch welche das System aufgebaut ist '). Es lässt sich also die Methode der S ä m k h y a - Philosophie kurz in folgender Weise charakterisiren. Sie geht von dem Satze aus, dass die Wirkung nichts anderes als die Ursache in einem be- stimmten Entwickelungsstadium ist 2) , und dass von dem uns sinnlich vorliegenden Stadium die vorangehenden zu erschliessen sind, bis man bei einem Princip ankommt, das nur den Charakter der Ursache und nicht auch den der Wirkung hat. So gelangt sie von der groben Materie zu den feinen Elementen oder Grundstoffen, von den feinen Elementen und den Sinnen stufenweise zu den inneren Organen und von diesen weiter zur Urmaterie. Daraus ferner, dass alle diese materiellen Principien zusammen- gesetzt sind und alles zusammengesetzte zum Zwecke eines andern da ist, erschliesst sie die Existenz der Seele, ftir die dann auch noch andere, später zu besprechende Beweise beigebracht werden ■^).
Für die Kenntniss der Methode, wie sie im Einzelnen in unserm System gehandhabt wird, dürfte es nicht über- flüssig sein, die allgemeinen logischen Grundsätze, die in den Sä mkhya- Schriften ausgesprochen werden, und die stehenden Widerlegungsgründe zu beleuchten. Da unsere Autoren nicht nur die anderen Systeme gut gekannt und
*) Die beiden Textstellen nennen zwar nur die induktive Schlussfolgerung, aber Väcaspatimi^ra bemerkt mit Recht, dass dies eine , elliptische Ausdrucksweise' ist und dass man auch die zweite Form hinzuzudenken hat; denn faktisch stellt die Säm- khya -Philosophie ihre Principien im Wesentlichen durch den Schluss von der Wirkung auf die Ursache fest.
2) Karikä 9, Sütra I. 115—120.
^) Vgl. Röer, Lecture p. 12—14, Johaentgen S. 64.
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zum Theil über dieselben geschrieben haben, sondern auch in der Mehrzahl keine eigentlichen Anhänger des Säni- k h y a - Systems gewesen sind, so ist es nur natürlich, dass uns gelegentlich in ihren Werken solche Grundsätze begegnen, die uns als das specieUe Eigenthum anderer Schulen bekannt sind, mögen die Lehren dieser Schulen auch sonst energisch bekämpft werden. So finden wir z. B. bei Väcaspatimi9ra zu Kärikä 2 und bei Vijnänabhikshu zu I. 154 das Princip der Mimämsä ausgesprochen, dass der väkya-bheda zu vermeiden sei, d. h. dass man, so lange eine Stelle auf andere Weise befriedigend erklärt werden könne, nicht zu der Annalune greifen dürfe, es seien zwei oder mehrere Gedanken in demselben Satze zum Ausdruck gebracht i); oder bei Vijnä- nabhikshu zu I. 142 den allerdings selbstverständlichen Grundsatz der Nyäya- Philosophie, dass eine Verbindung nur da eintreten kann, wo eine Verschiedenheit besteht. Wer sich die Mühe giebt meine Uebersetzung der Säm- khya- Texte durchzulesen, Avird noch allerlei den anderen Systemen entlehnte Sätze antreffen, die als solche gekenn- zeichnet sind.
Häufig ist es aber bei diesen Einzelheiten überaus schwierig zu entscheiden, was der ureigne Besitz eines Systems und was Entlehnung ist. Wenn die Systeme sämmtlich bis in ihre feinsten Verzweigungen durchgearbeitet und dargestellt sein werden, lässt sich hoffen, dass auch auf diesem Gebiete die Grenzlinien scharf gezogen werden können; aber zur Zeit dürfte kein europäischer Forscher sich die Wege in dem Urwaldsdickicht der philosophischen Literatur Indiens so weit gebahnt haben, um über diese Dinge schon jetzt mit Sicherheit zu urtheilen. Wenn ich also im Folgenden einige logische Grundsätze aufzälüe, die ich nach der Anschauungsweise des Systems und aus
*) S. meiue Uebersetzung des Säiakhya-pravacana-bhäshya S. 168 Anm. 5.
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anderen Gründen für das specielle Eigenthum der Säm- k li y a - Philosophie halte, so thue ich dies mit der gebotenen Reserve.
Eine theoretische Erwägung (kalpanä) hebt nicht das durch die Erkenntnissmittel festgestellte auf. Sütra 11. 25>).
Die Theorie muss sich im Einklang mit der Empirie (drshfa) halten. Sütra V. 49; Aniruddha zu Sütra 1.45, Vijfiänabhikshu zu 1.20, 81, 99, 111.60, V. 54, VI. 39.
Wo die einfache, natürliche, nahe liegende Erklärung (läghava) ausreicht, ist die complicirtere Erklärung (gaurava) abzulehnen. Zu der letzteren darf man sich nur entscliliessen, wenn die Beweise dazu zwingen 2).
Die Nichtexistenz eines Dinges ist nichts anderes als der Ort, an dem das Ding sich nicht befindet 2). Vijuä- nabhikshu zu Sütra 1. 113, V. 56 (S. 132 Anm. 1 und S. 292 Anm. 3 meiner Uebersetzung).
Kein Ding kann seines Wesens entkleidet werden; denn das Wesen dauert so lange, als das Ding selbst. Aniruddha zu Sütra 111. 66, Vijnänabhikshu zu 1. 7, 144.
Die Individuen und die Gesammtheit sind identisch (vyasliti-samashtyar ekatä). Vijnänabhikshu zu 11. 18.
Eine Eigenschaft ist nicht etwas von ihrem Substrat verschiedenes (dharma-dharmy-ablieda) *). V i j n ä n ab h i k - shu zu 1. 61, 62, 11. 13, 16.
Dasselbe gilt von den Kräften ((^akti-gahtimad-cd)heda). Vijnänabhikshu zu 1. 61, VI. 34.
*) Dass in dem Zusammenhange, iu dem dieses Sütra mit den vorangehenden steht, die Schrift das Erkenntuissmittel ist, kommt bei der allgemeinen Fassung des Satzes nicht in Betracht.
2) S. die Indices zu meinen Textausgabeu unter gaurava und läghava.
'■^) Trotz Aniruddha zu Sütra I. 45.
*) Vgl. Nilakantha-Hall, Rational Refutation p. 94 Anm.
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Ein und dasselbe Ding kann nicht zugleich Subjekt und Objekt sein (karma-hartr-virodha oder kartr-karma- virodha). Sütra VI. 49 i).
Da ich mir diejenigen Grundsätze unseres Systems, die den Kausalnexus betreffen, auf Kapitel 5 des folgenden Abschnitts versparen muss, so habe ich in diesem Zusammen- hange nur noch die bei den S ä m k h y a ' s beliebten Widerlegungsgründe anzuführen. Folgende logische Fehler sind nach unsern Texten vor allem zu vermeiden-):
1) die Erklärung eines Dinges durch das Ding selbst (ätmä(^raya) ^) ;
2) der circulus vitiosus (anyo^nyärraya) *) ;
3) der Mangel eines ausreichenden Grundes (niyämakd- 'bhäva)^);
4) die Unmöglichkeit, sich für eine der beiden Seiten einer Alternative zu entscheiden (vmtgainakä-'bhäva j vini- gamanä-viraha) ;
5) der regressus in infinitum (anavasthä, anavasthäna), der jedoch dann nicht als logischer Feliler gilt, wenn er sich beweisen lässt. Im Falle von Samen und Spross, sowie bei allen ,begiaubigten' (prämänika) Verhältnissen ähnlicher Art wird die Verkettung ohne Anfang anerkannt ^).
^) Und nicht selten bei den Commentatoren (s. die ludices). Auf die philosophische Bedeutung dieses Gesetzes hat nachdrücklich G. Biedenkapp hingewiesen in den ,, Beiträgen zu den Problemen des Selbstbewusstseins u. s. w."
2) Ich gebe hier keine Belegstellen, weil die in Klammern beigefügten Termini in den Indices zu meinen Ausgaben stehen.
3) Dieses Wort habe ich ausserhalb der Sänikhya- Literatur nur in einem Citat aus der N yäya-sütra-vrtti (in Täranätha Tarkavächaspati'sVächaspatya) gefunden; Bhimächärya Jhalakikar hat das Wort in seinem Nyäyakosa nicht.
*) Gleichfalls als Nyäya- Terminus im Vächaspatya, aber nicht im Nyäyakosa aufgeführt.
^) Vgl. G. Biedenkapp's Beiträge zu den Problemen des Selbstbewusstseins u. s. w. S. 56, 60.
«) Vijn. zu I. 122, Einleitung zu III. 46.
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6) die zu weit gehende Uebertragung, vermöge deren man eine Eigenschafb, die nur bestimmten Dingen angehört, fälschlich auch anderen zuschreibt (atiprasakti, atiprasaiuja, ativyäpti).
Mit den unter 5) und 6) genannten Beweisfehlern operiren allerdings auch die anderen Schulen, aber, so viel ich sehen kann , nicht in demselben Umfang wie die S ä m k h y a - Autoritäten. Und da der regressus in infinitum benutzt wird, um die Urmaterie als das letzte Glied in der Kette der materiellen Principien zu erweisen, und die ,zu weit gehende Uebertragung', um die Verschiedenheit der Seele von dem inneren Organ festzustellen, da also die zwei Begrifife bei den wichtigsten Punkten unseres Systems zur Begründung herangezogen sind, so ist es mir wahr- scheinlich, dass die Ausdrücke in ihrer philosophischen Bedeutung zuerst innerhalb der Sämkhya- Schule ge- braucht wurden ^).
Ueberall im Orient sind bei der Darstellung und Ver- breitung eines philosophischen Systems oder einer Religion Gleichnisse und Beispiele in grosser Zahl verwendet worden. Auch die philosophischen Systeme Indiens bilden trotz der aphoristischen Kürze, deren man sich bei der Abfassung ihrer Hauptwerke befleissigte, keine Ausnahme von dieser Regel. Ueberraschend ist nur die grosse Armuth, welche die indischen Philosophen bei der Erfindung der Beispiele und Gleichnisse verrathen. Ein gewisser Bestand ist sämmtlichen Schulen gemeinsam und wird bis zum Ueber- druss immer und immer wieder verwendet. Den kläglichsten Eindruck macht in dieser Hinsicht die N y ä y a - Philosophie: in allen Schriften dieses Systems und auch in den Werken
^) An der einzigen Stelle, wo Qamkara (nach Deussen, System des Vedänta S. 528) in seinem Commentar zu den Brahma- sutra's (am Scliluss zu II. 3. 9) den Terminus anavasthä gebraucht, zeigt der daneben stehende S Ti in khya- Ausdruck m ula-2'>rakrti, dass Qanikara auf eine Theorie unseres Systems Bezug nimmt.
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anderer Schulen, wenn sich dieselben mit N y ä y a - Gegen- ständen beschäftigen, wird als Beispiel fiir einen Schluss von der Wirkung auf die Ursache die Erschliessung des Vorhandenseins von Feuer aus dem Rauch auf dem Berge angeführt ; ebenso regelmässig werden als Beispiele sinnlich wahrnehmbarer Objekte Töpfe (ghata) und Kleider (pata) genannt ^).
Auch in der S ä m k h y a - Literatur finden wir einen grossen Theil der in den Lehrbüchern der anderen Schulen mehr oder weniger geläufigeii Gleichnisse wieder, wie aus der nachstehenden Auswahl zu ersehen ist. Zuvor aber sei bemerkt, dass die Sämkhy asütra's an solchem Material mehr bieten als die Sütra's der übrigen ortho- doxen Schulen; ausser den zahlreichen durch das ganze Werk verstreuten Beispielen enthält das vierte Buch aus-
1) Pandit B hägavatächärya machte in Benares beim Durcharbeiten eines Textes zu mir die ironische Bemerkung über den Autor: ghata-smaranät pürvaiii samtoslio nä 'sti „bevor er [bei der Erörterung eines Gegenstandes] die Töpfe nicht erwähnt hat, ist er nicht zufrieden". Dass auch sonst verständigen Indern die ewig wiederkehrenden Töpfe und Kleider zu viel geworden sind, geht aus einem Spottverse hervor, dessen Kenntniss mir von meinem Pandit vermittelt wurde:
sahhäydin vdccUäh cruti-katu ratanto ghata-patän na lajjante mancläh, svayam api tu jihreti vibudhah. „Die geschwätzigen Thoren schämen sich nicht, in der Versamm- lung in einer Ohren zerreissenden Weise ihre Töpfe und Kleider auszuschreien; der Weise aber, [der das hört,] schämt sich [seiner Genossen]." Nach der Angabe des Pandit entstammt dieser Vers dem ,Kävya Gunädar^a'. Herr Prof. Zachariae theilte mir (unter Verweisung auf Aufrecht, Catal. Oxon. p. 150 und Taylor, Catalogue raisonue I. 444) mit, dass darunter der Vi^vagunädarca des Venkatäcärya oder Veiikatädhva- rin, ein aus dem 16ten Jahrhundert stammendes und zu der Klasse der Campü's gehöriges Werk, zu verstehen ist. Dieses Buch ist mit einem Commentar und erklärenden Noten von Shamarav Vithal, Bombay (Karnatak Press), 1889 herausgegeben; der eben angeführte Vers steht daselbst p. 223 als Nr. 770. Vgl. auch Burnell's Taujore Katalog S. 162, Nr. LXXXIII.
Garbe, Sämkhya-Philosophie. 1 1
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schliesslich eine Sammlung von Gleichnissen, die zur Er- läuterung der Hauptpunkte dienen sollen. Hierzu sind im Wesentlichen Erzählungen und Legenden aus den Upanishad's, dem Mahäbhärata, dem Rämäyana und der P u r ä n a - Literatur benutzt ^). Während von diesen Dingen noch mancherlei in origineller Anwendung erscheint, sind die folgenden Gleichnisse durchaus Waare aus zweiter Hand. Den Strick, der im Halbdunkel für eine Schlange angesehen wird und uns so lange in Schrecken versetzt, bis er in seiner wahren Natur erkannt wird 2), nimmt man noch gern in den Kauf, weil er ein ungewöhnlich treffendes Beispiel für die falsche Vorstellung ist, die wir auf ein Objekt übertragen und die nur durch die unmittel- bare Erkenntniss der Wahrheit aufgehoben wird •'). Weniger gut ist das Gleichniss von dem Perlmutter, das man für Silber hält*), und das von der weissen Muschel, die dem Gelbsüchtigen als gelb erscheint 5). Die zwei Menschen, von denen der eine in Srughna, der andere in Päta- 1 i p u t r a lebt ^), stammen als Beispiel räumlicher Getrennt- heit von (j^amkara her, wie bereits S. 73 erwähnt ist; das Durchstechen der auf einander gelegten hundert Lotus- blätter mit einer Nadel als ein Beispiel anscheinend gleichzeitigen , thatsäclilich aber successiven Geschehens ") aus dem Sähityadarpana. Als altbekannte Undinge
1) Dass eine derartige Sammlung erläuternder Erzählungen schon dem Shashtitantra (s. oben S. 58, 59) einverleibt war, geht aus Kärikä 72 hervor.
2) Sütra III. 66.
3) Vgl. Deussen, System des Vedänta S. 290 Anm.
*) Aniruddha zu Sütra I. 79, Anir. und Mahädeva zu V. 52, 55, Vijnänabh. zu I. 43, 56, VI. 14. — Diese beiden Gleichnisse sind jedem Schüler in Indien unter den Namen rajju-sarpa und cukti-rajata bekannt.
5) vijn. zu I. 79, VI. 52.
6) Sütra I. 28.
') Aniruddha zu II. 32. Vgl. die Einleitung zu meiner Ausgabe der Aniruddhavrtti p. VIII, IX.
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begegnen uns das Manneshorn, das Hasenliorn, die Luft- blume, der Sohn der Unfruchtbaren ») ; als Gleichniss für das Fortleben des durch die Erkenntniss Erlösten das Weiterschwingen der Töpferscheibe in Folge des gegebenen Anstosses auch nach der Vollendung des Topfös-).
Doch will ich die Liste der entlehnten Beispiele, die sich mit Leichtigkeit vergrössern liesse, hier abbrechen und mich zu denjenigen wenden, die im Gegensatz zu den bisher angeführten als echte S am khya- Gleichnisse be- zeichnet werden dürfen und deshalb grössere Beachtung verdienen. Hierher rechne ich alle diejenigen Gleichnisse, welche distinktiveSämkhya-Lehren iUustriren sollen , insbesondere das Verhältniss von Seele und Materie, die Natur der materiellen Welt, wie sie dem Blicke derSäni- khya's erscheint, und das Wesen des inneren Körpers {Imga-carira) , dessen Construirung eine charakteristische Eigenthümlichkeit unseres Systems ist. Dass diese Gleich- nisse der specielle Besitz der S am khya -Schule sind, liegt auf der Hand ; und bemerkenswerth ist, dass fast alle in der Sämkhyakärikä sich findenden Gleichnisse zu dieser Klasse gehören. Ich glaube, dass dieselben aus alter Zeit stammen, zum Theil gewiss aus der Entstehungszeit des Sämkhya- Systems. Li einem Falle wenigstens lässt sich die metaphorische Ausdrucksweise sogar mit der grössten Wahrscheinlichkeit bis auf den Stifter zurück- führen. Die Vorstellung von den drei G u n a ' s oder Con- stituenten der Materie nämlich, ohne welche die Säm- khya-Philosophie nicht zu denken ist, beruht auf dem Bilde des aus drei Strähnen bestehenden Strickes, unter dem die Materie gedacht ist, die die Seelen bindet. So
1) S. die Indices zu meinen Textausgaben unter nr-grüga, manushya-crnga, caca-crnga, kha-jiushpa und handliyä-j)utra. — Eine erfreuliche Abwechslung bietet das Haar der Schildkröte bei Väcaspatimi^ra in der Einleitung zu Kärikä 7 und der siebente Geschmack bei demselben zu Kärikä 8.
2) Kärikä 67, Sütra lU. 82.
11*
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vvunderlicli dieses Bild auf den uistcu Blick ersolieiiii, so darf man doch nicht verkennen, dass für denjenigen, der ununterbrochen von dem Gebundensein der Seele durch die Materie redete, das Gleichniss eines Strickes ausser- oi'dentlich nahe lag; und wenn nun der Begründer der S ä m k h y a - Philosophie in der Materie drei verschiedene Potenzen wirken sah, so gestaltete er jenes Bild nur natur- gemäss aus, indem er diese Potenzen die drei Strähnen des Strickes nannte. Auch die anderen hierher gehörigen Gleichnisse sind grösstentheils gut gewälilt. Die Ver- bindung der ungeistigen, aber schöpferischen Materie mit der geistigen, aber nicht schöpferischen Seele wird dem Bündniss zAvischen dem Blinden und Lahmen ver- glichen, von denen der erstere den letztereji auf seine Schultern nahm und aus dem Waldesdickicht trag, in dem sich beide hilflos befanden *). Der Lahme ist die Seele, die sehen, aber nach der Lehre des S ä rii k h y a - Systems sich nicht bewegen, d. h. nicht handeln kann ; der Blinde ist die Materie, die sich bewegt und alle Thätigkeit in der Welt vollzieht, aber nicht sehen, d. h. erkennen kann. Diese unbewusste Wirksamkeit der Materie wird durch das Beispiel der Milch erläutert, die unbewusst dem Euter der Kuh zu Gunsten des Kalbes entströmt ^). Alles Wirken der Materie geht lediglich im Interesse der Seelen vor sich, zum Zwecke des Genusses (bhoga) und der Befi-eiung (apavarga), d. h. um die Objekte des Empfindens und Er- kennens den Seelen darzubieten und diese so zur Selbst- erkenntniss zu führen. Darum wird die Materie einem vortrefflichen uneigennützigen Diener verglichen, der für seine Leistungen von seinem Herrn (der Seele) Aveder Dank noch Lohn zu erwarten hat '•^) ; ferner einem Koch,
^) Kärikä 21 und Gaui1a|3ridaV Commeiitar.
2) Kärikä 57, Sütra II." 37, III. 59.
^) Kärikä 60, Sütra III. 61. Im entgegengesetzten Sinne äussert sich Vijnänabhikshu zu III. 58, indem er einen sich selbst gemachten Einwand widerlegt: ,,Wenn die Materie einem Diener
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fler seinem Gebieter die Speisen zubereitet '), und einem geborenen Sklaven, der vermöge seiner Anlage nicht anders kann als dem Herrn dienen -). Der nämliche Gedanke wird zum Ausdruck gebracht durch das Gleiclniiss von dem Safran tragenden Kamel, das nicht für sich selbst, sondern lediglich für seinen Besitzer arbeitet-^). Die Wirksamkeit der Materie wird nun aber nicht etwa durch den WUlen der Seelen angeregt ■ — denn diese sind qualitätlos — , sondern nur durch die Nähe, in der sie sich bei der Materie befinden. Dieses Verhältniss wird durch das Beispiel des . Magneten versinnbildlicht, in dem kein Wille wohnt und der doch das Eisen anzieht, wenn es ihm nahe ist *). Ob- wohl aber die Materie unbewusst ist und nur in Folge des blinden in ihr ruhenden Triebes wirkt, wird sie doch in poetischer Weise immer wieder mit beseelten Wesen ver- glichen. In siebenfacher Weise, mit Verdienst, Schuld, Nichterkenntniss u. s. w., bindet sich die Materie durch ihr eigenes Werk, gleichwie die Seidenraupe sich mit dem Cocon umspinnt '"). Wenn eine Seele des Treibens der Materie überdrüssig ist und sich mit Verachtung von ihr abwendet, so stellt die Materie ihre Thätigkeit für diese Seele ein mit dem Gedanken: „Ich bin erkannt""); sie hat ge- leistet, was zu leisten ihre Bestimmung war, und zieht sich von der an dem höchsten Ziele angelangten Seele zurück, wie eine Tänzerin aufhört zu tanzen, wenn sie
„vergleichbar ist, wie kann sie dann auch zum Zwecke des Leidens „ihres Herrn wirken? Darauf antworten wir: Das ist nicht richtig; „denn obwohl [die Materie] nur zum Zwecke der Freude [ihres „Herrn, der Seele] thätig ist, muss doch das Leid entstehen, welches „[dem Genuss der Freude] iuhärirt; oder [man kann auch sagen: „die Materie] ist einem schlechten Diener vergleichbar."
1) Siitra I. 105, IIL 63.
*) Sütra III. 51.
3) Sütra III. 58, VI. 40.
-») Sütra I. 9G.
■^) Sütra III. 73.
«) Kärika 66.
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ihre Aufgabe erfüllt hat und die Zuschauer genug haben i). Aber in einem Punkte gleicht die Materie der Tänzerin oder Schauspielerin nicht; denn während diese auf Ver- langen ihr Spiel aufs neue beginnt, ist die Materie „zart- fülilend wie eine Frau aus guter Familie", die, wenn sie von einem Manne gesehen ist, sich schamhaft nicht Avieder dessen Blicken aussetzt -). Diesem letzten Gleichnisse kommt in den Originaltexten sehr zu Statten, dass das Sanskrit für Seele und Mann dieselbe Bezeichnung (pums, puriisha) hat % Das Beispiel der Frau finden wir ferner *) verwendet, um die kürzlich erwähnte Lehre von den drei Gruiia's zu veranschaulichen. Nach der Ansicht der Sämkhya's durchdringen diese drei Substanzen alle materiellen Dinge und rufen dadurch, dass je eine derselben über die beiden andern das Uebergewicht gewinnt, verschiedenartige Em- pfindungen in dem Gemüthe der Menschen hervor, die mit den Dingen zu thun haben. So wird mit einer merk- würdigen Umkelu-ung des wahren Sachverhalts die Quelle der Empfindungen nicht in das Subjekt, sondern in das Objekt verlegt. Wenn ein Ding erfreut, so äussert sich in ihm die Constituente S a 1 1 v a ; wenn es Schmerz erregt, die Constituente R a j a s ; wenn es gleichgütig lässt , die Constituente Tamas. Im Gleichniss tritt uns die schöne Frau entgegen, die durch ihr blosses Dasein ihrem Gatten
1
1) Kärikä 59, Sütra IH. 69; oder nach Sütra III. 63, wie der Kocb nach der Herstellung der Mahlzeit mit seiner Arbeit aufliört.
2) Kärikä 61, Sütra III. 70.
^) Die Vorstellung aber, dass die Verbindung von Purusha und Prakrti eine Vereinigung des männlichen und weiblichen Princips'sei — die Johaentgen, Ueber das Gesetzbuch des Manu S. 5, für den Grundgedanken der Philosophie des Kapila erklärt — tritt erst in der P u r ä n a - und T a n t r a - Literatur auf und ist allen systematischen S ä ni k h y a - Texten fern geblieben. Dieser Gedanke war in der Sämkhya- Literatur schon deshalb unmöglich, weil er der Lehre von der absoluten Unthätigkeit des Purusha widerspricht.
*) Säinkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 12; vergl. auch Sarva- dar^ana-samgraha S. 227 der Uebersetzung, Anir. zu I. 69 und Vijn. zu I. 65.
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Freude, aber ihren Nebenfrauen Schmerz bereitet, während ein fi-emder Mann ihr gleichgiltig, apathisch gegenüber steht. Von hoher Bedeutung ist in der Sämkhya- Philo- sophie das linga-carira, der feine innere Körper, weil auf ihm bei der eigenthümlichen indifferenten Stellung, welche die Seele in dem System einnimmt, die Persönlichkeit des Individuums beruht. Der innere Körper begleitet die Seele auf ihrer Wanderung durch alle die zahllosen groben Leiber, ist also das eigentliche Princip der Metempsychose. Dieses Wandern des inneren Körpers aus einem groben Leib in den andern wird dem Rollenwechsel eines Schau- spielers ^) und dem geschäftigen Herumlaufen der Köche in den Küchen des Königs verglichen '-). Der feine Körper nun besteht aus dem Innenorgan, den Sinnen und den fünf Grandstoffen-'); ohne den letzten Faktor wäre er ein haltloser Complex. Dieser Gedanke wird durch das Gleichniss von dem Bilde ausgedrückt, welches ohne eine Grundlage nicht selbständig existiren kann, und durch das von dem Schatten, der durch das Vorhandensein eines Pfahles oder dgl. bedingt ist^).
Die ganze Psychologie unseres Systems ruht auf der Vorstellung, dass die sich ewig gleiche, unveränderliche Seele einen Abglanz auf das durch die mannigfachen Funktionen alterirte Innenorgan wirft und dadurch die inneren an sich rein mechanischen Vorgänge zu bewussten macht. Für dieses zwischen Seele und Innenorgan be- stehende Verhältniss wird als Gleichniss das Reflektiren der rothen Hibiscus-Blüthe in einem der Blume nahe ge- brachten Kry stall verwendet 5). Ebenso wenig, wie hier in dem Krystall irgend eine Veränderang vor sich geht.
1) Kärikä 42.
2) Sütra III. 16.
3) Kärikä 40, Sütra III. 9. 1) Kärikä 41, Sütra III. 12.
») Sütra II. 35, VI. 28 und nicht selten in Vijnänabhikshu's Commentar (s. den Index zu meiner Ausgabe s. v. ja2xi).
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ist auch die Seele durch die Processe, die sich in den Organen vollziehen, irgendwie afficirt. Wenn trotzdem die Thätigkeit der Organe der Seele zugeschrieben wird, so] ist das so zu verstehen, wie man den Sieg, den ein Heer gewinnt, oder die Niederlage, die es erleidet, dem in behaglicher Ruhe in seiner Hauptstadt thronenden König zuschreibt '). Und die Organe werden wegen ihrer grösseren und geiingeren Bedeutung dem Beamtenstande verglichen, in dem einer immer über dem andern und der Minister über allen steht -). Ich glaube hiermit die unserem System speciell angehörenden Gleichnisse in ziemlicher Vollständigkeit aufgezählt zu haben •'). Bei einem Rück- blick wird man sich kaum dem Urtheil verschliessen können, dass diese Gleichnisse einen ausgesprochen weltlichen Cha- rakter tragen; in höherem Grade, als die Natur der Sache es bedingt. Während die Beispiele in anderen Schulen zum grossen Theil der Mythologie und dem Gebiet des Aberglaubens entnommen sind, erscheinen hier vor unseren Blicken Könige, Minister, Beamte, Herren, Diener, schöne Frauen, Schauspieler, Tänzerinnen, Soldaten, Köche, Blinde, Lahme, Kamele, Bilder, Blumen, Krystalle u. s. w., so dass man aus den Sämkhya- Gleichnissen fast ein indisches Kulturbild gewinnen könnte. Allem Anschein nach haben wir den Ursprung dieser weltlichen Bildersprache in einer Zeit und Gegend zu suchen, in der das Brahmanenthum und seine Lehren erst geringe Bedeutung gewonnen hatten.
5. Die Terminologie.
Die Schwierigkeiten, die sich den Versuchen entgegen- stellen, die Kunstausdrücke der indischen Philosophie zu übersetzen, sind mehrfach von sachkundigen Beurtheilern
1) Vijfi. zu I. 76, II. 5, 46.
2) Sütra II. 47.
^) Wenn das eine oder andere, was ich für möglich halte, in den Schriften anderer Schulen sich wiederfinden s(jllte, so ist es eben dem Gleichuissschatze des Säinkhya-Systems entlehnt.
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hervorgehoben worden. So sagt Max Müller (Zeit- schrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft VI. 22) : „Die Worte und technischen Ausdrücke unserer Sprache, „die wir in ihrer geschichtlichen Bedeutungsentwickelung „so vielfach aus Griechenland oder Rom empfangen haben, „werfen oft unAvillkürlich ein falsches Licht auf indische
„Ideen Dies ist ein Uebelstand, der schwer zu
„vermeiden ist, wenn wir nicht eine Anzalil technischer „Ausdrücke aus dem Sanskrit entlehnen wollen, was „wiederum dem allgemeinen Verständniss Eintrag thun „würde" ^). Das letzte Bedenken theile ich nicht. Wenn die technischen Ausdrücke, für die sich kein zweifelloses Aequivalent in unsrer Sprache findet, in solcher Weise erklärt werden, dass ihr Bedeutungsinhalt genau festge- gestellt und abgegrenzt ist, so sehe ich in der Beibehaltung der Originale keinen Nachtheil; denn die in Betracht kommenden Worte sind nicht so zahlreich, dass ein Laie, der sich für indische Philosophie interessirt, Mühe haben könnte sie dem Gedächtniss einzuprägen. Ich lasse aus diesem Grunde einige schwerfällige Uebersetzungen wie Urtheilsorgan , Subjektivirungsorgan u. s. w. , die ich in meine Bearbeitungen der S ä m k h y a - Texte eingeführt habe, weil sie mir am besten den Begriffen der Originale zu entsprechen schienen, in diesem Buche fallen und behalte die kurzen Termini des Sanskrit bei.
Neue Worte sind aller Wahrscheinlichkeit nach von Kapila und seinen Nachfolgern nicht gebildet worden. Eine beträchtliche Anzahl philosophischer Ausdrücke hat
^) Aehnlich hat sich, speciell über die Kunstausdrücke des Säiiikhya- Systems, B um eil in der Einleitung zur Uebersetzung des Man u p. XLVI geäussert. Er hält es für ganz unmöglich die Termini dieses Systems in einer europäischen Sprache auszudrücken: "All possible renderings couvey much more than the primitive "and rüde [?] original siguifies , and it is impossible to limit each "word so as to provide against a too wide siguification beiug "attached to it."
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das Sämkhya- System aus dem in Indien schon vorher erarbeiteten Bestände ohne jede Bedeutungsver<änderung übernommen ; andere dagegen hat es zwar dem vorhandenen Wortschatze entlehnt, aber zur Bezeichnung neu und selbständig gebildeter Begriffe verwendet. Zu der ersten Klasse gehören die folgenden Ausdrücke, die sich in der- selben Bedeutung entweder aus vorbuddhistischer Zeit be- legen oder für diese Zeit voraussetzen lassen:
dtman, purusha Seele, cit, cid, cef%na ^) Geist, citta Denkorgan, harana Organ, indriya Sinn, präna Odem, samsära Seelenwanderung, Weltdasein, handha Gebunden- sein, mohsha, vimolcslia, muhti Erlösung, blioga Genuss (und Leiden), hhogya das zu geniessende (und zu erleidende), llioktar Geniesser (Bezeichnung der Seele), jnäna Erkennt- jiiss, vidyä Wissen, avidyä Nichtwissen, pramuna Norm, Erkenntnissmittel, pralyaksha Sinnes Wahrnehmung, ablii- mäna Wahn, yoga Concentration, vtblm alldurchdringend, unendlich gross; wohl auch tca, icvara Gott, kärana Ur- sache, nimitta Veranlassung, vishaya Objekt, bhüta Element und anderes.
Im Gegensatz zu diesen Ausdrücken sind die folgenden Worte für die speciellen Zwecke des Sämkhya-Systems umgedeutet worden; sie entstammen zum grössten Tlieil nicht dem alten philosophischen Sprachschatze, sondern dem des täglichen Lebens:
prakrti, i^radhäna, avyakta Urmaterie, guna die (drei) Constituenten der Materie, Namens sattva, rajas und tamas, triguna aus den drei Constituenten bestehend, materiell, btiddhi, mahant das Organ des Urtheils, der Entscheidung, des Entschlusses, ahamkära das Organ, durch welches körperliche Attribute und innere Vorgänge fälsclilich auf die Seele übertragen werden, manas das Organ des Wahr- nehmens, Empfindens, Wünschens und Ueberlegens, der innere Sinn, tanmätra die Grundstoffe oder feinen Elemente, linga-(carira, — deha) der innere Körper, ficimskära, vusanä
^) Wozu später caitanj/a tritt.
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Anlage, Disposition, jiva (im Veclänta die individuelle Seele) ') die empirische, d. h. mit dem inneren Körper und dem Lebensprincip verbundene Seele; und schliesslich alle die wunderlichen Bezeichnungen für die einzelnen Formen der sogenannten Befriedigung und Vollkommenheit -).
Dass unsere jüngeren S ä m k h y a - Quellen ausserdem von den technischen Ausdrücken der übrigen Systeme, insbesondere des Vedänta und des Nyäya-Vai9e- shika, einen ausgiebigen Gebrauch machen, hat seinen Grund in der dominirenden Stellung, die diese Schulen zur Zeit der Abfassung jener Schriften in der philosophischen Spekulation Indiens einnahmen.
Unübersetzt bleiben in diesem Buche von den vorher angeführten Worten sattva, rajas, tamas (gewöhnlich auch qmia) , huddln, ahamkära , manas und der vielleicht der Nyäya- Philosophie entlehnte Terminus upädJü (etymo- logisch appositio). Während aber upädhi in den Nyäya- Schriften die Bedingung bedeutet, durch die ein zu weit gefasster MittelbegrifF im Syllogismus eingeschränkt werden muss''), hat das Wort in der Sämkhya- ebenso wie in der V e d ä n t a - Literatur eine weitere Bedeutung. Hier wird alles Upädhi genannt, was zu einem Dinge in Be- ziehung steht, ohne ihm wesentlich anzugehören oder eine innere Verbindung mit ihm einzugehen. Wie das Kleid ein Upädhi des Menschen ist, so sind die inneren Organe, die Sinne und der Körper Upädhi' s der Seele.
1) In der S ä in khya- Philosophie ist auch die Seele an sich (kevalutman, cuddhätman) schon individuell, und deshalb deckt sich der Begri& jiva in den beiden Systemen nicht; im Vedänta wird durch den Terminus hauptsächlich die anscheinende Differenzirung der Allseele zum Ausdruck gebracht.
2) S. die Commentare zu Kärikä 50, 51 und zu Sütra III. 43, 44; ferner die Einleitung zu meiner Uebersetzung der S.t.kau- mudi S. 527, 528 und in diesem Buche, dritter Abschnitt II. 10, C.
3) Vgl. E. B. Co well in dem Appendix zur Uebersetzung des Sarva-darcana-samgraha, p. 275 — 281.
IT. Die allgeinein-iiidisclien Bestaiultlieile
des Systems.
1. Der Samsära und die Macht der Tliat.
Als allgemeiii-iiulisch bezeichne ich in Ermangehiiig eines treffenderen Ausdrucks diejenigen Anschauungen, die den orthodoxen Systemen und den heterodoxen Religionen Buddhismus und Jinismus gemeinsam angehören. Um Miss- verständnissen vorzubeugen, muss ich diese einschränkende Erklärung voranschicken; denn wenn man die ältere vedische Literatur oder die Lehren der Cärväka's, welche die Seelenwanderung und das Dogma von der Vergeltung leugnen, oder gar die religiösen Vorstellungen der nicht brahmanisirten indischen Aboriginer mit in Betracht zieht, so ist wohl kein einziger Gedanke zu finden, der allgemein- indisch genannt werden könnte. Versteht man aber den Ausdruck in der Beschränkung auf die eigentlich philo- so^jlnschen Schulen und auf die philosophisch fundirten Religionen Lidiens, so ist noch die Frage aufzuwerfen, ob diese gemeinsamen Anschauungen nicht etwa in dem Sämkhya- System, das der Zeit nach an der Spitze steht, entstanden sind. Wäre dies der Fall, so würde es keinen Sinn haben, die hierher gehörigen Dinge ausserhalb des Zusammenhangs des Systems zu behandeln; denn die Bestimmung dieses Kapitels ist natürlich, die vor der Begründung des Sämkhy a-Systems in Indien vorhandenen und von dem System übernommenen Vorstellungen zu- sammenzufassen. Da hier im Wesentlichen die Lehre von
I'-r» '^ —
dem Saiiisära und von der Vergeltung in Betracht kommt — denn die in den folgenden Paragraphen zu besprechenden Vorstellungen sind minder Avichtig und offenkundig nicht innerhalb des S ä m k h y a - Systems entstanden — , so wird es genügen das nachweisliche Alter jener beiden Lehi'en festzustellen. In der Chändogya und B r h a d ä - ranyaka Upanishad, die ich — wohl in Ueber- einstimmung mit den meisten Indologen — fiir beträchtlich älter als Buddha halte, ist bereits die Lehre von der Seelenwanderung vollständig entwickelt ^) ; aber sie tritt uns schon früher, im (^atapatha Brähmana, in Ver- bindung mit der Lehre von der Macht der ihren Lohn oder ihre Strafe verlangenden That entgegen, und zwar zuerst in der Form des quälenden Gedankens an die fort- gesetzte Wiederkehr des Todes '■^). Daraus folgt , dass die Entstehung dieser beiden Lehren, die sich mit Nothwendig- keit bald zu einer einheitlichen Vorstellung zusammen- schliessen mussten, mehrere Jahrhunderte vor Buddha vor sich gegangen ist. Und da wir uns Buddha von Kapila nicht durch einen grossen Zeitraum getrennt denken dürfen, hat sicher schon der letztere diese indischste aller indischen Ideen als Gemeingut der Bevölkerung seines Heimatlilandes vorgefunden.
Barthelemy Saint-Hilaire, Premier Memoire sur le Sänkhya p. 397, 398, macht Kapila den Vorwurf, dass er zwar die Theorie der Erkenntnissmittel vorgetragen und begründet, aber nicht gesagt habe, durch welches dieser Mittel er dazu gekommen sei die Lehre von der Seelen- wanderung aufzustellen. Dass Kapila dies nicht gethan, hat seinen guten Grund ; denn für ihn, wie für alle Kinder seiner Zeit, Avar eben schon die SeelenAvanderungslehre ein Axiom, das keines Beweises bedurfte •^).
') S. Weber, Indische Literaturgeschichte" S. 80. •-) Vgl. Oldenberg, Buddha- S. 45—49, Schröder, Indiens Literatur und Cultur S. 245—252.
^) Weber unterschätzt entschieden das AUcr der Quellen, in.
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Der Ursprung des indischen Glaubens an die Met- empsycliose ist leider immer noch nicht mit voller Klar- heit zu erkennen. In der alten vedischen Zeit herrschte in Indien eine heitere Lebensanschauung, in der wir keinerlei Keime der späteren, das Denken des ganzen Volkes beherrschenden und bedrückenden Vorstellung wahr- nehmen ^); man empfand das Leben noch als keine Bürde, sondern als das grösste der Güter, und seine ewige Fort- dauer nach dem Tode wurde als der Lohn eines frommen Lebens erhofft. Mit einem Male tritt ohne für unsere Blicke deutlich erkennbare Uebergangsstufen an die Stelle dieser harmlosen Lebensfreudigkeit die TJeberzeugung, dass das Dasein des Individuums eine cpialvolle Wanderung von Tod zu Tod sei. Es lag deshalb nahe genug, äussere Einflüsse in dieser unvermittelten Umwälzung zu ver- muthen.
Dass Voltaire 's stark rationalistische Erklärung des Urspungs der indischen SeelenAvanderungstheorie heute noch in Fachkreisen Anhänger zählt, glaube ich nicht; doch ist sie merkwürdig genug, um nicht mit Stillschweigen
denen uns zuerst die Vorstellung der Seelenwanderung begegnet, und hat deshalb mehrfach (Indische Streifen I. 23, Die Griechen in Indien S. 29 des Separatabdrucks) die Ansicht ausgesprochen, dass vor Buddha das Dogma in Indien nicht bestanden habe. Wenn Weber aber andererseits stets die Ueberzeugung vertreten hat, dass der Buddhismus aus der Sämkhya- Philosophie her- vorgegangen und „ursprünglich nur als eine Form derSämkhya- lehre anzusehen" sei (Indische Literaturgeschichte " S. 183, 252 ff., Ind. Studien I. 298, 435 und sonst), so stehen diese beiden An- sichten in einem nicht auszugleichenden Gegensatz. Denn eine Sämkhya -Philosophie ohne Seelenwanderungs- und Erlösungs- lehre kann es niemals gegeben haben; das wäre ein System ohne Basis und ohne Zweck gewesen.
^) Böhtlingk glaubt jedoch die Lehre von der Seelen- wanderung schon in den beiden Räthselsprüchen Rigveda I. 164. 30, 38 vorzufinden; Berichte der königl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften (philologisch-historische Classe) vom 23. April 1893, S. 88—92.
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übergangen zu werden. Nach der Meinung des geistvollen Franzosen soll die Erkenntniss, dass in dem indischen Klima der Fleischgenuss im allgemeinen gesundlieits- scliädlicli ist, das Verbot veranlasst haben Thiere zn tödteii. Diese ursprünglich rein hygienische Maassregel sei in ein religiöses Gewand gekleidet, und das Volk habe sich auf diese Weise gewöhnt die Thiere zu verehren und anzu- beten. Die weitere Ausdehnung dieses Thierkultus habe dann zur Folge gehabt, dass das ganze Thierreich als eine Art Zubehör zu dem Menschengeschlecht empfunden und diesem in der Vorstellung des Volkes assimilirt wurde; von da aus sei es dann nur noch ein Schritt gewesen, die Fortdauer des eignen Daseins in Thierkörpern anzunehmen. Diese ganze Hypothese ist mit Recht schon von ß a r t h e - lemy Saint-Hilaire, Premier Memoire p. 467, 468, zurückgewiesen; die Erklärung aber, die dieser Gelehrte unmittelbar darauf selbst vorschlägt, ist haltlos; denn sie geht "du sein meme de la doctrine sänkhya" aus, während die Theorie der Metempsychose , wie Avir gesehen haben, älter ist als das S ä m k h y a - System. Barthelemy meint, dass die Inder durch die S ä m k h y a - Lehre von der indifferenten und qualitätlosen mensclilichen Seele, die nicht von der Thierseele und kaum von leblosen Dingen als verschieden habe gelten können, dazu geführt seien sich mit der Thier- und Pflanzenwelt für gleichartig zu halten, und dass die Beobachtung des beständigen Wech- sels in den Vorgängen der Natur dann den Gedanken der Transmigration zur Reife gebracht habe.
Ernstere Berücksichtigung erheischt ein anderer Er- klärungsversuch, der sich bei Gough, The Philosophy of the Upanishads p. 24, 25 findet. Es ist bekannt, dass bei halbwilden Völkerschaften der Glaube, die menscliliche Seele gehe nach dem Tode in Baumstämme und Thierleiber über, ausserordentlich weit verbreitet ist '). Auf Grund
^) "The Sonthals are said to believe tlie souls of the good "to enter into fruit-bearing trees. The Powhattans believed
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dessen nimmt Gougli an, dass die Arier bei ihrer Ver- schmelzung mit den indischen Ureinwohnern von diesen die Vorstellung der Fortdauer in Thieren und Bäumen übernommen haben. Obwohl sich diese Voraussetzung nicht beweisen lässt '), ist mir der Gedanke doch im höch- sten Maasse wahrscheinlich, weil er erklärt, was alle sonstigen Conibinationen nicht genügend erklären. Aber man muss sich hüten, den Einfluss der rohen Vorstellungen der Aboriginer zu überschätzen. Bei allen auf niedriger Kul- turstufe stehenden Völkerschaften handelt es sich nicht um eine Seelenwanderungslehre im indischen Sinne, sondern einfach um die Fortsetzung des menschlichen Daseins in Thieren und Bäumen; damit ist das Nachdenken über diese Dinge am Ziel angelangt; Aveitere Consequenzen werden aus der Vorstellung nicht gezogen. Unter allen Umständen also können die arischen Inder nur den ersten Antrieb zur Entwickelung der Theorie der Transmigration von der Urbevölkerung erhalten haben; als ihr eignes Werk muss immer gelten die Ausbildung des empfangenen Gedankens zu der Annahme einer beständigen, wech- selvollen Fortdauer des Lebens und ihre Verbindung mit der die Befriedigung des moralischen Bewusstseins
"the souls of their chiefs to pass into particular wood-birds, whicli "they therefore spared. The Tlascalans of Mexico thouglit "that tbe souls of their nobles migrated after deatb into beautiful "singing birds, and the spirits of plebeians into beetles, weasels, "and other insignificant creatures. The Zulus of South Afi-ica •'are said to believe the passage of the dead into snakes , or into "wasps and lizards. The Dayaks of Borneo imagine themselves "to find the souls of the dead, damp and bloodlike, in the trunks "of trees." Gough a. a. 0. nach Tylor, Primitive Culture, vol. II. p. 6 ff.
1) Eine beachtenswerthe Stelle findet sieh in B a u d h ä y a n a ' s Dharma9ästra II. 8. 14. 9, 10, wo gelehrt wird, dass man den Vögeln einen Mehlkloss geben solle, wie er sonst im Manenopfer für die abgeschiedenen Vorfahren darzubringen ist; „denn es heisst, dass die Väter in der Gestalt von Vögeln (vayusäiii pratimayä) umherziehen''.
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bezweckenden Lehre von der Macht der That. Die leitende Idee dieser Lehre ist die feste Ueberzeugung, dass Keinen unverschuldetes Unglück treffen kann. Man suchte auf Grund dieser Ueberzeugung nach einer Erklärung für die täglich zu beobachtende Thatsache, dass es dem Schlechteji wohl ergeht und dem Guten schlecht, dass das Tliier und oft selbst das neugeborene Kind, das noch keine Gelegen- heit gehabt hat eine Schuld auf sich zu laden, die grössten Schmerzen leiden muss; und man fand keine andere Er- klärung als die Annalnne, dass in diesem Leben die guten und bösen Thaten einer früheren Existenz gesühnt werden. Was aber von dieser Existenz galt, musste auch von der früheren gelten; wiederum konnte der Grund für einstmals erfahi'enes Glück und Elend nur in einem vorangehenden Leben liegen, und damit gab es überhaupt keine Grenze für das Dasein des Individuums in der Vergangenheit ^). Der S a m s ä r a , der Kreislauf des Lebens, hat also keinen Anfang; denn, heisst es im Sämkhyasütra III. 62, „das Werk (d. h. das Handeln und Thun der Wesen) ist anfangslos -) ". Was aber keinen Anfang hat, das hat nach einem allgemein anerkannten Gesetz auch kein Ende. Der S a m s ä r a also hört ebenso wenig jemals auf, als er jemals begonnen hat-^). Wenn das Lidividuum die Vergeltung für seine guten und bösen Werke empfängt, so bleibt immer noch ein Rest von Verdienst und Schuld übrig, der nicht aufgebraucht wird und seinen Lohn oder seine
^) ^g^- Ballantyne, A lecture on the Sänkhya Philosophy p. 56, 57, Nilakantha-Hall, Rational Refutation p. 124, 125 und Räjendraläla Mitra, The Yoga Aptorisms, Preface p. LXIII ff.
^) Wo im Gegensatz hierzu in den Sämkhya- Schriften der Samsära als einen Anfang habend bezeichnet wird (s. die Indices zu meinen Textausgaben s.v.sädi), ist allein die gegenwärtige Schöpfung ins Auge gefasst, die nach Ablauf der letzten Periode der Weltauflösung begonnen hat.
3) Vgl. Sämkhyasütra I. 158, 159 nach Aniruddha's Inter- pretation.
Garbe, Sämkhya-Philosophie. 12
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Strafe erfordert, mithin als Keim eines neuen Daseins wirkt '). Ungebüsst oder unbelolmt bleibt keine Tliat ; denn „wie unter tausend Kuben ein Kalb seine Mutter herausfindet, so folgt die früher gethane That dem Thäter nach", sagt das Mahäbhärata XII. 6760, indem es die seit langer Zeit in Indien allgemein gewordene Anschauung zum Ausdruck bringt. Weil nun die Ursache aUes Han- delns die Begierde ist, wurde auch diese als die treibende Kraft für die ewige Fortdauer des Lebens bezeichnet-). Da indessen die Begierde nach indischer Anschauung auf einem Nichtwissen, auf einem Verkennen des wahren Wesens und Werthes der Dinge beruht, so hat man ge- glaubt in ihm die letzte Ursache des Samsära zu finden •^). Ebenso alt ist die Ueberzeugung, dass das Ge- setz, welches die Wesen an das Weltdasein bindet, durch- brochen werden kann. Es giebt eine Befreiung aus dem Samsära, und das Mittel dazu ist das erlösende Wissen, das von jeder Schule in einer besonderen Form des Er- kennens gefunden wurde.
Die hier entwickelten Dogmen sind von Deussen, System des Vedänta S. 381, 382, in folgenden treffenden Worten zusammengefasst: „Die Anschauung ist die, dass „das Leben sowohl seiner Qualität wie seiner Quantität „nach die genau abgemessene und ihren Zweck vollständig „erfüllende Sühnung der Werke des vorigen Daseins ist. „Diese Sühnung geschieht durch hliokb-tvam und kartrtvam „(Geniesserschaft und Thäterschaft) , wobei das letztere
1) Vgl. Deussen, System des Vedänta S. 417 ff. Wegen der entsprechenden Anschauungen im Buddhismus s. Oldenberg, Buddha'^ S. 249—251.
■') Kärikä 45, Sütra II. 9.
3) Dass diese die Vedänta-, Säinkhya- und Yoga-Philo- sophie beherrschende Anschauung auch für den Buddhismus gilt, hat Oldenberg, Buddha- S. 53, 54, 258 ff. erwiesen. Belege aus den Schriften der orthodoxen Systeme (auch der Nyäya- Philo- sophie) findet man bei N ila kau tha- Hall, Rational Refutation p. 10 ff
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„wiederum unausbleiblich in Werke ausschlägt, welche „aufs neue in einem folgenden Dasein gesülmt werden „müssen, so dass das Uhrwerk der Vergeltung, indem es „abläuft, sich jedesmal selbst wieder aufzieht; und dieses „ins Unendliche fort, — es sei denn, dass die universelle
„Erkenntniss eintrete, welche nicht auf Verdienst
„beruht, sondern in das Dasein ohne Zusammenhang mit „demselben hereinbricht, um es seinem innersten Bestände „nach aufzulösen, den Samen der Werke zu verbrennen „und so eine Fortsetzung der Wanderung für alle Zukunft „unmöglich zu machen".
Was D e u s s e n hier als eine Lehre des Vedänta- Systems darstellt, ist Punkt für Punkt allgemein- indisch in dem zu Anfang dieses Kapitels präcisirten Sinne ^). Nun reicht aber die Kraft, die dem Thun der Wesen innewohnt, nach indischer Anschauung noch Aveiter, als im vorstehenden ausgeführt wurde. Diese nachwirkende, den indischen SchicksalsbegrifP darstellende Kraft der Ver- schuldung und des Verdienstes, die geAvöhnlich adrshta ,das unsichtbare', oft auch einfach karman ,That, Werk' und in den beiden Mionäm sä 's apürva ,das neue, filiher nicht dagew^esene Moment' -) genannt wird, bestimmt nicht nur das Maass von Glück und Leid, das dem Lidividuum zu Theil wird, sondern bedingt auch das Entstehen und Werden aller Dinge im Universum. Lu Grunde ist dieser letzte Gedanke nur eine nothwendige Conseciuenz der Theo- rie, dass jedes Wesen sich sein eigenes Geschick bis in
^) Dagegen wird man kaum einwenden dürfen, dass die Lehre von der Erlösung in der Pürvamimämsä keine Stelle habe und also nicht als allgemein-indisch gelten könne; denn die Pürva- mimämsä ist zusammen mit der Utt aramimämsä entstanden; beide Systeme bilden ein zusammengehöriges Ganzes in der Weise, dass das erstere die ritualistische Werklehre, das letztere die Heils- lehre von der Erkenntniss darstellt, jedes der beiden mit Be- schränkung auf das besondere Gebiet und unter Bezugnahme auf das andere.
■^) S. Deussen, System des Vedänta S. 22, 407.
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die kleinsten Ereignisse hinein selbst bereite; denn was auch immer in der Welt vorgeht, irgend ein Wesen wird stets davon betroffen , muss also nach dem Gesetze der Vergeltung durch seine früheren Thaten diesen Vorgang herbeigeführt haben '). Das Walten der Natur ist mithin eine Wirkung des guten und bösen Thuns der lebenden Wesen. So finden wir in den Särnkhyasütra's unter den Gründen, durch welche die Existenz des Verdienstes bewiesen wird, als ersten {V. 20; s. auch III. 51, VI. 41) die Verschiedenartigkeit der Naturprodukte genannt, für die der Inder keine andere Erklärung hat. Und die Com- mentatoren lehren uns, dass, wenn die Bäume Frucht tragen oder das Getreide auf den Feldern reift, dabei das mensch- liche Verdienst die treibende Kraft ist -).
Selbst in denjenigen Systemen, die einen Gott aner- kennen, hat dieser nichts anderes zu thun als die Welt und die Geschicke der Wesen genau nach dem Gesetze der Retribution zu leiten, an dem auch er nicht zu rütteln vermag. Für alle die Mächte, denen in der übrigen Welt Gläubige und Ungläubige einen bestimmenden Einfluss auf das Loos des Einzelnen und (^r Völker wie auf das Walten der Naturkräfte zuschreiben : göttliche Gnade und Strafe, Weltordnung, Vorsehung, Schicksal, Zufall — ist in Indien kein Raum neben der mit eiserner Nothwendig- keit alles beherrschenden Macht der That.
2. Die Erlösung bei Lebzeiten.
Welcher Art auch die Erkenntniss ist, deren Er- reichung für die einzelnen Systeme die Befreiung aus den Banden des S a m s ä r a bedeutet, überall begegnen wir der Anschauung, dass derjenige, der die Erkenntniss gewonnen
1) Vgl. die von Nilakantha-Hall, Rational Refutation p. 36 — 38 für diese Anschauung aus derSämkhya-, Vedänta- und Nyäya- Literatur beigebrachten Belegstellen.
■^) Aniruddha zu III. 51, 62, Mahädeva zu III. 60.
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hat, des erreichten Zieles nicht mehr verlustig gehen kann. Mit dem Augenblicke, in dem das Wesen der Dinge in voller Klarheit vor dem inneren Auge erscheint und damit die unerschütterliche Gewissheit der errungenen Erlösung eintritt, hat das Gesetz der Vergeltung über den Weisen seine Macht verloren. Die allseitige Uebereinstimmung nöthigt uns, auch diese Idee zu den allgemein-indischen zu rechnen, obschon die geläufigen technischen Ausdrücke jivanmukta 'bei Lebzeiten erlöst' und jivanmukti 'Erlösung bei Lebzeiten' erst in späterer Zeit gebildet und noch nicht einmal bei ^ a m k a r a nachzuweisen sind '). Ein direktes Zeugniss für den Glauben an die jivanmukti aus alter Zeit haben wir in der Stelle Chändogya Upani- shad VI. 14. 2: „Nur so lange dauert es bei ihm, als er „fflaubt, dass er nicht erlöst werden und sein Ziel er- „reichen werde".
Ich belege im Folgenden die liier in Betracht kom- menden Vorstellungen ausschliesslich aus der Sämkhya- Literatur ■-), da man sich von dem Vorhandensein der gleichen Anschauungen in den anderen Systemen aus Nllakantha-Hall, Rational Refutation p. 29— 34 und Deussen's System des Vedänta S. 452— 460 (vgl. auch S. 382) überzeugen kann.
Den Beweis für die Existenz von Jivanmukta's, den das Sämkhyasütra IIL 79 in der Thatsache er- blickt, dass es Lehrer der Wahrheit gegeben hat und giebt, als welche nur bei Lebzeiten Erlöste auftreten könnten, dürfen wir wie so manche andere Wunderlichkeiten unserer Texte auf sich beruhen lassen.
Der Einwand, dass nach dem Zusammenhange des Systems unmittelbar, nachdem die Erkenntniss der Wahrheit eingetreten, das Leben des Erlösten erlöschen müsse, wird durch das auch in den V e d ä n t a - Schriften geläufige
^) S. Deussen, System des Vedänta S. 460. 2) Vgl. die Darstellung bei Barthelemy Saint-Hilai r e, Premier Memoire p. 473—476.
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Gleichniss von der Töpferscheibe zurückgewiesen, die in Folge des gegebenen Anstosses auch nach der Fertigstellung des Topfes noch fortschwingt'). Väcaspatiini9ra be- merkt dazu 2): „In Folge des Entstehens der Erkenntniss „der Wahrheit ist die Menge der Werkansammlungen, „obwohl sie anfangslos ist und die Zeit für ihr Heranreifen „[zum Zwecke der Vergeltung] nicht feststeht, nicht mehr „ fifeeitrnet Früchte — d. h. die Leiden einer neuen Existenz „ — zu zeitigen, weil die Keimkraft der Werke verbrannt „ist. Denn wenn der Boden des Innenorgans mit dem „Wasser der Fehler [d. h. des Nichtwissens, der Begierde „u. s. w.] getränkt ist, so treiben die Werksamen ihre „Sprossen; wie aber können die Werksamen auf einem „unfruchtbaren Salzboden, auf dem das gesammte Wasser „der Fehler von der Gluth der Erkenntniss der Wahrheit „aufgesogen ist, ihre Sprossen treiben?" Und im Anschluss daran führt er aus, dass das gegenwärtige Leben auf solchen früheren Werken beruht, deren Samen schon vor der Erreichung der erlösenden Erkennt- niss aufgegangen ist und begonnen hat zu reifen^). Diese Werke also sind die Triebfeder für die Fortdauer des Leibeslebens der Erlösten; ihre Frucht ist bis auf den letzten Rest zu geniessen, und darum erfährt der Jivanmukta auch noch Freude und Schmerz wie alle anderen Wesen, obschon nicht in demselben Grade*). „Wenn in Folge eines [im Innenorgan hervorgebrachten] „Eindrucks" — sagt Vijnänabhikshu zu Sütra V. 120 mit Bezug auf den bei Lebzeiten Erlösten — „im Körper „der Götter oder [Menschen] eine Empfindung begonnen „hat, so wirkt dieser Eindruck so lange, bis die Empfindung, „welche angefangen hat sich geltend zu machen und von
1) Kärikä 67, Sutra III. 82.
2) Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 67.
') S. auch Vijnänabhikshu zu Sütra I. 1, Seite 13, 14 meiner Uebersetzung.
*) Vgl. Vijnänabhikshu zu Sütra III. 77, 83, und seine Ein- leitung zu V. 120.
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„dem betreffenden Körper auszukosten ist, ihr Ende erreicht „hat; und dieser [Eindruck] wird nur durch das Ende der „Empfindung vernichtet, ebenso wie die [Kraft der] Werke „ [nur durch das Ende des Resultats, das sie gezeitigt haben] ".
Was nun aber auch der Jivanmukta nach dem entscheidenden Wendepunkt in seinem Dasein noch thun und treiben möge, — und wenig genug kann es ja nur sein, da er von absoluter Gleichgiltigkeit gegen die Dinge dieser Welt (der Vorbedingung für die Erreichung des erlösenden Wissens) erfüllt ist — , aus seinen Handlungen erwächst kein Verdienst und keine Schuld mehr; die Er- kenntniss löst die nachwirkende Kraft seines Thuns auf, ebenso wie sie das Verdienst und die Schuld aller früheren Werke, die noch nicht angefangen haben Frucht zu tragen, vernichtet hat. Wenn dann endlich die Werke, welche die Fortsetzung des gegenwärtigen Lebens bedingen, ab- gebüsst sind und „die Trennung vom Körper erreicht ist, „so erlangt die Seele die unbedingie und absolute Isoli- „rungi)". Erst dann, mit der Vernichtung des inneren Organs im Tode des Erlösten, ist der Schmerz vollständig und für alle Ewigkeit aufgehoben -).
Anhangsweise sei hier eine der spätesten Entwicke- lung des Sämkhya- Systems angehörende Vorstellung erwähnt, durch welche die klaren soeben dargelegten An- schauungen etwas verwischt wurden.
Wie wir S. 149 erkannten, hat die mit der echten Sämkhya- Lehre nicht zu vereinigende Theorie der Y o g a - Philosophie von den drei Stufen der unterscheidenden Erkenntniss Eingang in die Sämkhyas ütra's (IIL 77 — 79) gefunden. Die Folge davon war, dass man eine dieser drei Stufen für den Standpunkt des Jivanmukta erklären musste. Die niedere konnte es nicht sein, weil
1) Kärikä 68.
2) Dadurch unterscheidet sich die videliamuhti , die definitive Erlösung nach dem Tode, von der jivannmhti. Vijnänabhikshu zu I. 1, Mahädeva zu III. 77.
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der auf ihr angelangte noch weiterer Aufklärung bedarf; die höchste war deshalb ausgeschlossen, weil auf ihr die Concentration bis zu der Bewusstlosigkeit gesteigert ist, „aus der es kein Auferstehen giebt", mithin der Tod un- mittelbar bevorsteht. So blieb, als für den Ji vanmukta in Anspruch zu nelnnen, allein die ,mittlere Unterschei- dung' übrig, in der nur noch die Eindrücke der früheren Erfahrung bestehen bleiben, aber alle Begierden ge- schwunden sind und der Weise in der Gewissheit lebt, dass er durch Geniessen und Leiden (Ue Kraft der- jenigen Werke aufbraucht, deren Frucht heranzureifen be- gonnen hat ^).
3. Der Werth der Askese.
Barthelemy S aint-Hilaire, Premier Memoire p. 389 erhebt gegen Kapila den Vorwurf, dass er, wie alle Kinder seiner Zeit und seines Landes, an die Magie geglaubt habe, d. h. an die wunderbaren, angeblich durch die Askese zu gewinnenden Kräfte, durch die man Herr über die Naturgesetze wird und den natürlichen Lauf der Dinge zu ändern vermag. Dass der Begründer der Säm- k h y a - Philosophie diesen Aberglauben getheilt hat, lässt sich nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit beweisen; denn das einfache System, das wir auf ihn zurückführen müssen, schliesst nicht die Nothwendigkeit solcher Aus- wüchse ein ; und die Schriften, die uns die S ä m k h y a - Philosophie mit jenen phantastischen Vorstellungen durch- setzt zeigen, sind ja erst viele Jahrhunderte nach K a p i 1 a entstanden. Gleichwohl lässt sich nicht bezweifeln, dass Kapila wirklich an die übernatürliche Macht der Askese geglaubt hat; er wäre sonst kein echter Lider gewesen. Denn dieser Wahn hat seit Alters her, wie wenige Ideen sonst, dem ganzen indischen Volk bis auf die neuesten
1) Aniruddha zu TIT. 77.
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Zeiten für eine selbstverständliche Wahrheit ffeffolten. Das Wort fiir Askese, tapas (etymologisch , Hitze, Gluth', dann , Schmerz, Selbstj)einigung') , tritt uns bereits in jüngeren Liedern des Rigveda, dann häufiger im Yajur- und Atharvaveda entgegen ; und in der Literatur der B r ä h- mana's und Upanishad's ist der Begriff bereits ganz geläufig. Oftmals "wird das Tapas hier als eine kosmo- gonische Potenz behandelt, durch die der Weltenschöpfer die Wesen und Dinge hervorbringt; der beste Beweis dafür, dass schon in dieser Zeit der Askese kaum eine geringere Macht zugeschrieben wurde als später in der klassischen Sanskritliteratur, wo dieser Glaube den aben- teuerlichen Ausdruck gefanden hat, dass alle Götter vor der Busski'aft des Asketen in Entsetzen gerathen und dieser geradezu ein allmächtiger Zauberer ist. Ursprüng- lich hat die indische Askese zweifellos nur in Enthaltsam- keit, Fasten und Kasteiungen bestanden; erst als die reli- giösen Bedürfnisse des Volkes sich verinnerlichten und nicht mehr ihre Befriedigung in der Vollziehung endloser Ceremonien und in der Beobachtung zahlloser Aeusserlich- keiten fanden, Avurde auch der Schwerpunkt der Askese in die Meditation und Versenkung verlegt. Der Begriff des Yoga oder der geistigen Askese trat in den Vordergrund, und das Tapas oder die körperliche Askese wurde zu einem Hilfsmittel zur Steigerung des Yoga herabgedrückt ^); doch lag es in der Natur der Sache, dass die beiden Be- griffe in der Folgezeit nicht immer von einander ge- schieden wurden.
Gough, Philosophy of the Upanishads p. 18, 19,
^) Das Wort yoga tritt in dieser Bedeutung erst beträchtlich später auf als tapas, ist aber immerhin, wie aus Jacob 's Concor- dauce zu ersehen, in den Upanishad's mittleren Alters ziemlich häufig. In der Mai tri Up. (VI. 18) finden wir bereits die in dem späteren Yoga -System vorgeschriebene Technik fast voll- ständig entwickelt. Dass der Buddhismus die Uebung der Versenkung sehr hoch schätzte, aber die leibliche Askese verwarf, auf die der Ji nismus grosses Gewicht legte, ist allgemeiu bekannt.
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sucht die Entstehung der Yoga- Praxis, ebenso wie den Glauben an die Seelenwanderung i) , auf den Einfluss der halbwilden Völkerschaften, mit denen die eingewanderte Rasse versclunolz, zurückzuführen. Er beruft sich auch in diesem Falle auf Tylor's Primitive Culture (I. p. 277), wo ausgeführt ist, dass bei tiefer stehenden Völkern die durch Meditation, Fasten, Narkotisiiamg , Erregung oder Kranklieit hervorgerufene Ekstase ein gewöhnlicher und in hoher Werthschätzung gehaltener Zustand sei. Ich erachte es nicht für unmöglich, dass bei der künstlichen Ausbildung der Yoga-Lehre etwaige fremde Vorbilder eine gewisse Einwirkung ausgeübt haben können; aber ich sehe doch nicht ein, warum diese Vorstellungen und Gebräuche bei den arischen Indern, die von jeher so ernst um das höchste Heil gerungen, nicht unabhängig von äusseren Einflüssen entstanden sein sollen, wie sie z. B. innerhalb der christlichen Kirche sich zu verschiedenen Zeiten selbständig herausgebildet haben.
Die Askese wird in Indien allgemein nicht nur als ein Mittel zur Erreichung der wunderbaren Kräfte angesehen, sondern auch als das wirksamste Hilfsmittel zur Gewinnung der erlösenden Erkenntniss. Das besondere Hervortreten dieser Anschauung in den S am khya- Schriften beruht sicherlich darauf, dass die literarische Festlegung der über den Yoga herrscheiiden Anschauungen durch Pataiijali auf unser System basirt ist. Es war nur zu natürlich, dass nach der Abfassung und Verbreitung der Yoga- sütra's die Anhänger der S am khya- Philosophie sich die in jenem Werke niedergelegten Anschauungen, soweit sie nicht den Lehren ihres Systems widersprachen, zu eigen machten. Ein Theil der hier in Betracht kommenden Vorstellungen hat bereits bei der Erörterung der An- forde r u n g e n des S ä ni k h y a - Systems S. 148 zur Sprache gebracht werden müssen; der Rest möge hier seine Stelle finden.
1) Vgl. obeu S. 175, 176.
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Der Yogin, d. li. derjenige Asket, der durch die Ausübun g der Yoga- Praxis die in P a t a n j a 1 i ' s System in Aussicht gestellten Ziele erreicht hat, bringt durch seinen blossen Willen alles, was er wünscht, zu Stande. Diese Macht wird aus dem von dem Yogin erworbenen Verdienst oder aus der Stärke seiner Contemplation ab- geleitet, und es wird ausdriicklich bemerkt, dass die von ihm geschaffenen Dinge nicht etwa illusorisch, sondern real seien'). Wie der Yogin allmächtig ist, so ist er auch allwissend; er sieht nicht nur die Dinge, die der Wahrnehmung gewöhnlicher Menschenkinder durch da- zwischen liegendes entrückt sind; er schaut auch in die Vergangenheit und Zukunft. Diese Vorstellung wird durch die S ä m k h y a - Lehre von der steten Realität der Produkte (sat-härya-väda) begründet; auch das gewesene, d. h. das in seine Ursache aufgegangene, und das zukünftige, d. h. das noch nicht aus seiner Ursache hervorgegangene, existirt ebenso gut Avie das gegenwärtige, nur in einem anderen Stadium. Das innere Organ des Yogin nun steht in unmittelbarer Verbindung mit der Urmaterie, aus der alles entsteht und in die alles zurücksinkt, und dadurch zugleich „mit jeder Zeit, mit allem Raum und mit allen Objekten" -). Noch in anderer Weise denkt man sich bei dem Yogin die Kräfte der Organe in übernatürlicher Weise gesteigert. Diejenigen Dinge, die für andere Menschen unsichtbar sind — die Seelen, die Urmaterie und die Grundstoffe, die sich noch nicht durch gegenseitige Verbindung zu grobem Stoff entwickelt haben — werden von dem Yogin gesehen, nicht durch innere Anschauung, sondern durch wirkliche Sinneswahrnehmung ^). Der Yogin nimmt also auch in Bezug auf den Körper eine Sonderstellung unter
1) Sämkhyasütra III. 28, 29 nach Aniruddha's und Mahadeva's Erklärungen.
-) Sütra I. 90, 91 nebst den Commentaren und Vijnänabhikshu
zu I. 121.
') Vijn. zu Sutra I. 109, III. 1.
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allen Wesen ein. Das S ä m k h y a - System unterscheidet drei Kategorien von Körpern mit Rücksicht auf deren vorwaltende Eigenthümliclikeit : handelnde (karrna-deha)^ geniessende, resp. leidende (upahhoga-delia) , und Körper beiderlei Art (uhhaya-dcha). Der Leib des Yogin aber ist von allen dreien verschieden, da seine charakteristischste Eigenthümlichkeit weder Handeln noch Geniessen ist, sondern das Zeitigen der Erkenntniss ^).
4. Das Mythologische.
Die philosophischen Systeme haben ebenso wenig Avie die Religionen Buddha's und Jina's mit den mytho- logischen Anschauungen des Volkes gebrochen. Die Existenz der Götter, Halbgötter und Dämonen wird nicht bestritten, wohl auch nicht bezweifelt, ist aber von geringer Be- deutung. Zwar sind die Götter höher organisirte und glücklichere Wesen als die Menschen ; aber sie stehen ebenso wie diese innerhalb des Samsära und müssen, wenn sie nicht die erlösende Erkenntniss gewinnen und damit aus dem Weltdasein ausscheiden, wieder ihre Leiber wechseln 2). Der Macht des Todes sind auch sie nicht ent- ronnen, und deshalb stehen sie tiefer als derjenige Mensch, der das höchste Ziel erreicht hat. Viel leichter als die Erreichung dieses Zieles ist es, sich durch Tugend und gute Werke zu göttlichem Range zu erheben und nach dem Tode auf dem Monde oder in der Welt Indra's, Brahman's u. s. w. — auch wohl in der Person eines
1) Sutra V. 125, 126 (124, 125 Vijii.). Hier ist der Yogiu mit dem seiteneu Worte anugayin bezeichnet, d. b. uacb Vijii. ,der Gleicbgiltige', nach den anderen Commentatoreu besser , derjenige, von dessen Werken nur noch ein Rest übrig geblieben ist'.
^) Immer und immer wieder wird in den S ä lu kh 3^ a- Texten versichert, dass auch aus den himmlischen Welten eine Wiederkehr zu neuen Daseinsformen stattfinde. S. in den Indices zu meinen Textausgaben unter ävrtti, anävrtti und punarävrtti. Ueber die entsprechenden Anschauungen im Vedanta vgl. Deussen S. 68 ff.
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dieser Götter — wiedergeboren zu werden ; und nur thöriclite Menschen trachten nach solchem vergänglichen Glück.
Wie der Glaube an überirdische Wesen und himm- lische Stätten, ist natürlich auch der an Höllen, in die der Böse herabsinkt um seine Sünden abzubüssen, in die Systeme übergegangen ^). Alle diese mythologischen Vor- stellungen aber werden in den Lehrbüchern des Vedänta- Systems, das sich in der aparä vidyd, der ,niederen Wissen- schaft' auf den religiösen Standpunkt stellt, viel eingehender berücksichtigt als in den Sänikhya- Schriften. Hier werden sie eigentlich nur herangezogen, wo es sich um den Lohn des Frommen und die Strafe des Unfi'ommen handelt, oder wo die Bedeutung der Erlösung, des absoluten und endgiltigen Aufhörens des Schmerzes, durch Ver- gleichung mit den untergeordneteren Zielen, denen die Religion zustrebt, in das rechte Licht gesetzt werden soll. Für das Sämkhya- System als solches ist die indische Mythologie belanglos.
Unter den Sämkhya- Lehrern hat allein V i j n ä - nabhikshu, der, wie wir schon mehrfach sahen, kein consequenter Vertreter unseres Systems war, an einigen Stellen Gelegenheit genommen, die volksthümlichen An- schauungen des Brahmanenthums mit den Lehren der S ä m k h y a - Philosophie auf die in den Puräna's übliche Art und Weise zu verschmelzen. Er erklärt -) den A d i - p u r u s h a , den Urgeist , d. h. V i s h n u , für diejenige Seele, die beim Beginn dieser Schöpfung vor allen anderen gleich ewigen Seelen wegen früher erworbener Verdienste sich mit der B u d d h i , der ersten Entfaltung der Urmaterie und der Trägerin der höheren psychischen Vorgänge, ver- bunden hat. Die Buddhi Vishnu's ist nach Vijüä- ]iabhikshu nicht von derselben Art, wie bei uns gewöhnlichen Menschen, sondern von universeller Natur;
^) Vgl. Sämkhyakärikä 44, und wegen des VedäntaDeussen S. 412—414.
2) Zu Sutra I. 96, 154, V. 5, VI. 64, 66.
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sie besteht aus reinem Sattva und ist deshalb nur der auf Güte und Wohlwollen beruhenden Funktionen fähig; ausserdem befindet sie sich im Besitz des höchsten Maasses von Erkennen, Stärke und übernatürHcher Kraft. Das höchste aber, was unser Autor von Vishnu aussagen kann ^), ist, dass er an der Spitze der bei Lebzeiten Erlösten stehe; denn über den Rang eines Jivanmukta kann kein Wesen, auch der grösste der Götter nicht, hinaus- gelangen. Im Kreise dieser Glücklichen, die die unter- scheidende Erkenntniss errungen haben, ist selbst Vishnu nur ein primus inter pares.
In ähnlicher Weise werden von Vijn an abhikshu-) B rahm an (oder Hirany agarbha) ^') und ^iva als diejenigen Seelen bezeichnet, die sich mit dem kosmischen Ahamkära, der zweiten Entfaltung der Urmaterie und dem Träger des zum Handeln antreibenden Ichbewusstseins, verbunden haben *). Dadurch soll die schaffende Thätigkeit Brahman's und das zerstörende Wirken ^ i v a ' s erklärt werden.
Schliesslich erwähnt Vijnänabhikshu noch^) die gangbare Vorstellung von den (zugleich als Lenker der Sinnesorgane geltenden) Göttern der Erde, der Luft, des Feuers und des Wassers, indem er diese für Geister erklärt, die durch den Wahn gebunden sind, dass die Natur- elemente ihr Selbst seien.
Nur der Vollständigkeit wegen sind diese sich nicht durch Klarheit auszeichnenden Vorstellungen hier mit an- geführt worden.
1) Zu Sütra V. 47.
2) Zu Sütra VI. 64.
") Vgl. meinen Iudex zum Sämkhya-pravacana-bhäshya s. v. *) S. schon oben S. 53.
5) Zu Sütra II. 13, 18, 21. Vgl. Deussen, System des Ve- dänta S. 70.
>c^^
III. Wie specielleii Grundaiiscliauuiigen
des Systems.
1. Der Atheismus. '
Einer der cliarakteristisclisten Züge der Sämkliya- Philosophie ist die Entschiedenheit, mit der das Dasein Gottes geleugnet wird. Dass die Anerkennung der Volks- götter diesem Atheismus keinen Eintrag thut, ergiebt sich schon aus dem eben bemerkten und wird noch ausdrücklich im Sämkhyasütra III. 56, 57 begründet. Der Glaube an gewordene und vergängliche Götter (janyegvara, lcärye(^- vara) ^) hat nichts mit der Frage nach dem ewigen Gott (nityecvara) zu thun, von dem andere annehmen, dass er die Welt durch seinen Willen geschaffen habe. Der Ge- brauch eines besonderen Wortes (ievara ,der Mächtige') in der indischen Philosophie ist offenbar aus dem Bestreben hervorgegangen, diesen Gott von den Göttern (deva) auch im sprachhchen Ausdruck zu unterscheiden.
Die Gottesleugnung (niricvara-väda) des Sämkhya- Systems ist im wesentlichen die Consequenz folgender Anschauungen : 1) der Lehre, dass der bewusstlosen Materie die sich mit Naturnoth wendigkeit bethätigende Kraft inne- wohne, für die rein receptiven Seelen sich zu entfalten,
1) D. h. Götter, die ein Produkt (der in früheren Existenzen vollbrachten guten Werke) sind. Vgl. den Index zu meiner Ausgabe des Sämkhya-pravacana-bhäshya.
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und 2) der allgemein-indischen Vorstellung von der Nach- wirkung des Thuns der lebenden Wesen, die nicht nur jene Naturkraft anregt, sondern auch ihrer Thätigkeit die Bahnen weist. Andere Gründe scheinen dazu getreten zu sein, vor allem Avohl die Erkenntniss, dass auf dem Boden des Theismus das Problem der Entstehung des Unglücks nicht zu lösen ist, — ein Gedanke, den wir in der be- deutungsvollen Stelle Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 57 als eine Hauptstütze der atheistischen Welt- erklärung verwendet finden. Es heisst daselbst: „[Jedes] „bewusste Handeln ist ausnahmslos bedingt entweder darch „einen egoistischen Zweck oder durch Güte. Und da diese „beiden [Motive] bei der Weltschöpfung ausgesclilossen „sind, machen sie auch [die Annahme] unmöglich, dass „[die Erschaffung der Welt] auf bewusstem Handeln be- „ruht. Denn ein Gott, dessen Wünsche doch alle erfüllt „sind, kann an der Erschaffung der Welt [schlechthin] „kein [persönliches] Interesse gehabt haben; [die Mög- „lichkeit eines egoistischen Zweckes fällt also fort. Aber] „auch aus Güte kann [Gott] nicht die Schöpfung unter- „nommen haben; denn da vor dem Schöpfungsakt die „Seelen keinen Schmerz litten, weil noch keine Sinne, „Körper und Objekte entstanden waren, wovon konnte die „Güte [Gottes die Seelen] befi-eit zu sehen wünschen? „Wenn man [aber] meint, [dass] die Güte [Gottes sich „später zeigte,] als er nach dem Schöpfungsakt [seine „Geschöpfe] leidvoll sah, so wird man schwerlich über den „circulus vitiosus hinwegkommen: in Folge der Güte die „Schöpfung und in Folge der Schöpfung die Güte! Ferner „würde ein durch Güte getriebener Gott nur freudvolle „Geschöpfe schaffen, [aber] nicht solche in verschieden- „artigen Lagen. Wenn [uns hierauf eingewendet wird:] „,die Verschiedenartigkeit folgt aus der Verschiedenartig- „keit des Werkes, [dessen Lohn die Individuen von Gott „empfangen]', so [antworten wir: Dann aber] ist doch die „Leitung des Werkes von Seiten jenes bewussten [höchsten „Wesens vollständig] überflüssig; denn die Wirksamkeit
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„des [von den Individuen vollbrachten] Werkes [d. h. die „nachwirkende Kraft des Verdienstes und der Schuld] er- „klärt sich trotz der Ungeistigkeit [des Werkes] völlig „ohne eine Oberleitung von Seiten jenes [Gottes]; auch „das Nichtwiederentstehen des Schmerzes, [nachdem die „Erlösung erreicht ist,] begreift sich sehr wohl [auf Grund „dieser Theorie], da, [wenn die nachwirkende Kraft des „Werkes durch die unterscheidende Erkenntniss aufgehoben „ist], die Produkte jener [Kraft], d. h. Körper, Sinne und „Objekte, [mithin auch die Schmerzen] nicht [wieder] „entstehen können. — Das [von uns angenommene] „Wirken der ungeistigen Materie dagegen birgt weder „einen egoistischen Zweck in sich, noch ist die Güte sein „Motiv; und deshalb kann man gegen [unsere Theorie] „nicht geltend machen, dass die genannten Widerlegungs- „gründe [auch] auf sie Anwendung finden. Vielmehr ist „als Motiv allein die [unbewusste] Betreibung der Zwecke „eines andern [d. h. der Seele] berechtigt ^)".
Eine gewisse Ergänzung zu diesen bemerkenswerthen Ausführungen liefert Vij nana bhiks hu in seinem Com- mentar zu S ü t r a VI. 65 : „Auch auf dem theistischen „Standpunkt kann man nicht sagen, dass die Manifestirung „der Produkte einfach durch Gott bewirkt werde, weil „Gott dann parteiisch [im Vertheilen von Freude und „Sclunerz] und grausam [weil den Schmerz erschaffend] „sein würde. Diese Parteilichkeit und [Grausamkeit] „müssen die Theisten dadurch widerlegen, [dass sie lehren,] „Gott berücksichtige [bei der Vertheüung von Freude und „Schmerz] die Werke [der Individuen]. Wenn nun Gott
^) Diese Beweisführung Väcaspatimigra's ist fast voll- ständig von Mädhaväcärya im Sämkhya-Kapitel des Sarva-dar- Qana-samgraha (S. 228 der Uebersetzung) wiederholt. Auch finden sich dieselben Gründe zerstreut in denjenigen Sämkhyasütra's , in welchen die Existenz Gottes geleugnet wird (I. 92 — 94, V. 2 — 12, 46, 126, 127, VI. 64) und namentlich bei den Commentatoren zu diesen Stellen.
Garbe, Sämkhya-Philosophie. 13
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„diese Werke lenkte , so würde er | wiederum dem Vor- „wurf] der Parteilichkeit und [Grausamkeit] ausgesetzt sein". Solche und ähnliche Erwägungen hatten sich gewiss schon dem Begründer der S ä m k h y a - Philosophie aufgedrängt, als er sich zu dem kühnen Schritte entschloss, offen den Atheismus zu bekennen. Dass nach der Brahmanisirung des Sänikhy a-Systems keine andere Lehre desselben so oft und so heftig angegriffen sein wird als diese, dürfen wir schon aus der Einfügung des persönlichen Gottes schliessen, durch die P a t a h j a li das System K a p i 1 a 's seinen Landsleuten annehmbarer zu machen suchte. Die strengen Anhänger der Sämkhya -Philosophie bemühten sich auf der anderen Seite, aus ihrem eigenen System neue Gründe zur Abwehr der Angriffe gegen die Gottesleugnung abzuleiten. Sie stellten vor allen Dingen die sophistische Alternative: soll Gott eine erlöste oder eine gebundene Seele sein ? Als erlöste, d. h. mit keinem Leibe und keinem Innenorgan verbundene Seele würde Gott ohne alle Quali- täten und besonders ohne Wunsch und Willen, der noth- wendigen Vorbedingung für alle schöpferische Thätigkeit, sein; es würde ihm ebenso jeglicher Beweggrund für die Leitung der Welt fehlen. Als gebundene Seele würde Gott dem S a m s ä r a angehören und, wäe alle anderen Wesen, bethört und mit weltlichen Schwächen behaftet sein, in welchem Falle er wiederam nicht Schöpfer und Leiter der Welt, sondern nur ein nomineller (päribhdshika) Gott sein könnte, der mit dem Anfang dieser Weltperiode entsteht und mit ihrem Ende vergeht ^). Wenn ein Theist gegen diese Beweisfühning den nahe liegenden Einwand erhebt, dass Gott dann eben weder zu den erlösten noch zu den gebundenen Seelen gehören könne, sondern eine Aus- nahmestellung einnehmen müsse, so erhält er die Antwort: Wo ein in seiner Art einziges Ding statuirt wird, fehlt
1) Sämkhyasütrji I. 93, 94, V. 5—7; vgl. auch Gaudapäda zu
Kärikä 61.
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jede Argumentationsbasis *). So und so oft wird in den S ä mk hy a s ü t r a 's constatirt , dass sich die Existenz Gottes nicht beweisen lässt -). Wenn man die aphoristische Kürze des Werkes in Betracht zieht, so geht aus dieser mehrfachen Wiederholung deutlich hervor, welches Gewicht auf diesen Punkt, auf den thatsächlichen Mangel eines stringenten Gottesbeweises, gelegt worden ist.
Der ganze Zusammenhang des S ä m k h y a - Systems sclüiesst den Gottesglauben aus, und nur eine oberflächliche Betrachtung kann zu dem hie und da ■') ausgesprochenen Urtheil gelangen, dass der Begründer der Sämkhya- Philosophie seine Lehren auf diejenigen Principien be- schränkt habe, die nach seiner Meinung zu demonstriren waren, und dass er demzufolge nur die Unbeweisbar- k e i t Gottes dargethan , aber nicht seine Existenz ge- leugnet habe.
2. Der übrige Inhalt^).
Am Schluss der Einleitung zum Sämkhy a-prava- cana-bhäshya wird der Inhalt unseres Systems in folgende vier Theile zerlegt:
1) dasjenige, wovon man sich befreien muss, d. h. der Sclimerz ;
2) die Befreiung, d. h. das Aufhören des Schmerzes;
3) die Ursache desjenigen, wovon man sich befi*eien muss, d. h. die Nichtunterscheidung, die auf der Ver- bindung der Seele mit der Materie beruht und den Schmerz bewirkt;
4) das Mittel zur Befreiung, d. h. die unterscheidende Erkenntniss.
1) Aniruddha iu der Einleitung zu I. 94 und im Commentar zur V. 11.
2) S. die Stellen S. 193 Anm.
^) Z. B. von Goldstücker, Literary Kemains T. 174. ^) Vgl. hierzu die kurze Uebersicht der distinktiven Säni- khya- Lehren oben S. 15.
13*
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Diese Viertheiluiig ist aus dem alten Commentar des Vyäsa zum Yogasütra IL 15 entnommen und beruht höchst wahrscheinlich auf noch viel älterer Tradition ; denn sie zeigt eine unverkennbare Uebereinstimmung mit dem ältesten Dogma des Buddhismus, dem der ,vier heiligen Wahrheiten' vom Leiden, von der Entstehung des Leidens, von der Aufhebung des Leidens und von dem Wege zur Aufhebung des Leidens. Oldenberg, Buddha ^ S. 226, Anm. 2 bemerkt darüber: „Ob mit Bezug auf diese vier- „ fache Gliederung der Buddhismus der entlehnende Theil „ist, wird nicht festgestellt werden können ; dass im Uebrigen „die Formulirung der vier Sätze sein Eigenthum ist, scheint „unzweifelhaft," Gewiss ist der Wortlaut dieser Sätze Eigenthum des Buddhismus; den Gedanken hingegen halte ich auf Grund meiner Anschauungen über die Ab- hängigkeit des Buddhismus von der S ä m k h y a - Philosophie für entlehnt.
Neben diese alte Viertheilung, die sich nur mit dem Endziel des Sämkhya- Systems beschäftigt, aber von seinem Gesammtinhalt keine rechte Vorstellung erweckt, wurde in späterer Zeit eine erschöpfendere Zehntheilung gesetzt. In einem Fragment des Räjavärttika, das in der Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 72 er- halten ist'), finden wir die folgende Angabe der zehn Hauptlehren oder besser Grundbegriffe (mülikärtlia) unseres Systems:
1) die Realität (von Seele und Materie),
2) die Einheit (der Materie),
3) die Zweckdienlichkeit (der Materie),
4) die Verschiedenheit (von Seele und Materie),
5) das Wirken (der Materie) im Dienste der andern (d. h. der Seele),
6) die Vielheit (der Seelen),
7) die Verbindung (von Seele und Materie),
1) Es ist auch mit einigen Varianten in Nr. 68 der Säinkhya- krama-dipikä (zu Sütra 18 des Tattvasamäsa) reproducirt.
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8) die (Möglichkeit der definitiven) Trennung (beider),
9) das Vorhandensein (der ganzen Fülle) materieller Entfaltungen (viceslia-vrtti) ^),
10) die Unthätigkeit (der Seele). ^
Im Anschluss hieran sind dann noch imRäjavärttika als dem Sämkhya- System eigenthümlich die Lehren von dem ftinffachen Irrthum, den neun Befriedigungen, den achtundzwanzig Formen des Unvermögens und den acht Vollkommenheiten angeführt.
Unter jene zehn Grundlehren lässt sich in der That der ganze Inhalt des Systems einreilien, soweit er positiver Natur ist; doch würde es sich nicht empfehlen, einer europäischen Darstellung, von der man mit Fug und Recht einheitlichere Gesichtspunkte erwarten kann, diese Anord- nung des Inhalts zu Grunde zu legen. Ein Blick auf das obige Schema lehrt, dass alle dort angeführten Sätze aus- schliesslich das Wesen und gegenseitige Verhältniss zweier Dinge betreffen, der Materie und der Seele. Beide sind unerschaffen, ohne Anfang und ohne Ende, und beide sind ihrem innersten Wesen nach von einander verschieden; es giebt also kein höheres einheitliches Princip, aus dem man sie ableiten könnte. Unter diesen Umständen müssen wir uns die Frage vorlegen, welcher der zwei Begriffe für das System von maassgeb ender er Bedeutung ist. So wenig wir ein Recht haben bei der klaren Stellung, die der Seele, dem geistigen Princip, in der S ä m k h y a - Philosophie angewiesen ist, das System als ein materialistisches zu bezeichnen, so lässt sich doch nicht verkennen, das uns aus demselben eher ein materialistischer als ein spiritua- listischer Hauch entgegen weht. Barthelemy Saint- Hilaire, Premier Memoire p. 485 — 487, findet es zwar schwierig, dem Sämkhya- System seinen richtigen Platz in der Geschichte der Philosophie anzuweisen, meint aber
1) In der Sämkhya-krama-dipikä cesha-vrttl , d. h. nach Bal- lantyne ,die Fortdauer des Körpers (nach der Erreichung der erlösenden Erkenntniss)'.
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schliesslich, es sei am ehesten als idealistisch zu be- zeichnen ; denn welchen anderen Namen könne man einem System geben , "qui fait sortir le monde de Tintelligence et du moi?" Das ist durchaus unrichtig; die beiden Prin- cipien, die Bart helemy mit ,intelligence' und ,moi' über- setzt, die huddhi und der ahamlcära, sind die ersten Entwickelungsstufen der TJrmaterie; sie gehören kosmisch wie individuell ausschliesslich der Welt des Stoffes an, wie bald des näheren ausgeführt werden wird.
Um die Vorstellungen, die das Sämkhya-System mit dem Begriff der Seele verbindet, und den Einfluss, den es den Seelen im Makrokosmos und Mikrokosmos zu- schreibt, recht zu verstehen, ist eine genaue Kenntniss der S am khya -Lehren von dem Wesen der Materie und den Eigenschatten ihrer Produkte erforderlich. Der folgende Abschnitt muss deshalb der Darstellung der Kosmologie und Physiologie unseres Systems gewidmet sein.
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Dritter Abschnitt.
Die Lehre von der Materie.
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I. Kosmologie.
1. Die Realität der Ersclieinungswelt.
Schon in den vedischen Samhitä's und mehrfach in den älteren Upanishad's wird das Verhältniss von Sein und Nichtsein erwogen; am besten in der berühmten Stelle Chan dogya Up. VI. 2. 1, 2: „Seiend, o Lieber, war „dieses am Anfang, nur eines, ohne ein zweites. Einige „sagen zwar: ,Nichtseiend war dieses am Anfang, nur „eines, ohne ein zweites; aus diesem Nichtseienden entstand
„das Seiende'. Wie könnte es aber so sein, o Lieber ?
„Wie könnte aus dem Nichtseienden das Seiende entstehen? „Seiend vielmehr, o Lieber, war dieses am Anfang, nur „eines ohne ein zweites!" i). Diese Frage hat dann in der Folgezeit das indische Denken mächtig bewegt, und für den Standpunkt der philosopliischen Systeme ist die Art, wie das Verhältniss von Sein und Nichtsein aufge- fasst wurde, geradezu entscheidend. So sagt Väcaspati- mi9ra') in seiner Einleitung zu Sämkhy akärikä 9 kurz und bestimmt: „Nach der Ansicht der Buddhisten „geht das Seiende aus dem Nichtseienden hervor, nach
1) Ebenso Chäud. Up. VI. 8. 4, umgekehrt III. 19. 1, Taitt. Up. IL 7. 1.
») Und nach ihm Mädhaväcärya im Sämkhya-Kapitel des Sarva-dar^ana-samgraha (S. 224 der Uebersetzuug). Vgl. auch Sämkhya-tattva-pradipaimPandit IX, p. 117, 118, 240,241.
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„der der Vedantisteii das scheinbar, aber nicht wirk- „lich Seiende aus dem Seienden, nach der der Vai9e- „s h i k a ' s und Naiyäyika's das noch nicht Seiende aus „dem Seienden, nach der der Sämkhya's (ohne jede Ein- ,, schränkung) das Seiende aus dem Seienden". Nun hat zwar V i j ü ä n a b h i k s h u an verschiedenen Stellen ') aus- geführt, dass Realität und Nichtrealität keine festen Be- griffe seien : Traumbilder seien nicht * real im Verhältniss zu den im Wachen gesehenen Dingen — aber auch die Traumbilder seien nicht absolut unwirklich, weil sie be- stimmte Alterationen des inneren Organs voraussetzen ^) — ; die im Wachen gesehenen Dinge hinwiederum seien wegen ihrer Unbeständigkeit nicht real im Vernältniss zu der ewig unveränderlichen Seele. So läuft bei Vijfiäna- bhikshu die Betrachtung über die Relativität dieser beiden Begriffe stehend •') darauf hinaus, dass Realität im höchsten Sinne (päramärthika-sattva) Un Veränderlichkeit , dagegen Realität nach der landläufigen Auffassung (vydvahärika- sattva) Veränderlichkeit bedeute*). Diese ganzen Erörte- rungen Vijnänabhikshu's, die offenbar aus seinem Streben zwischen Sämkhya und Vedänta zu ver- mitteln erwachsen sind, haben für das Sämkhya- System geringe Bedeutung. So wesentlich auch die Begriffe Ver- änderlichkeit und UnVeränderlichkeit als solche sind, in- sofern sie einen der wichtigsten Unterschiede zwischen der Welt des Geistigen und der des Materiellen darstellen, so wenig sind, sie doch für die Frage nach dem objektiven Dasein der Sinnenwelt entscheidend. Unreal
^) Am deutlichsteu zu Sutra III. 26.
^) Vijn. zu Sütra II. 6.
3) S. seinen Commentar zu Sütra I. 26, 43, 79, II. 6, V. 54, .56, VI. 52.
^) Nach der Meinung unseres Commentators ist diese Auf- fassung auch schon in Sütra V. 56 ausgesprochen, was jedoch durch den Zusammenhang und die Erklärungen der anderen Commen- tatoreu sehr uuwahrscheinHch gemacht wird.
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sind für den Sämkbya nur diejenigen Dinge, denen Vijnänabhikshu absolute Nicbtrealität (imramdrthihä- 'sattva oder atyantäsattva) zuschreibt und die überhaupt von keinem Menschen vorgestellt werden ') : das Mannes- horn, das Hasenhorn, die Blume in der Luft, der Sohn der Unfruchtbaren und dergl. Die Wahrnehmung eines Objektes ist unter der Bedingung, dass die Sinne des wahr- nelmienden gesund sind, für den Sämkhya ein Beweis für die Realität des Objektes; ebenso wie von ihm durch die sinnliche Wiedererkennung die Constanz eines Gegen- standes dargethan und die buddhistische Theorie von der momentanen Dauer aller Dinge widerlegt wird-). Ausser den Hauptstellen für die Realität der materiellen Welt=^) verdient hier die Widerlegung der abweichenden Lehren anderer Systeme Beachtung; vor allem die derVedänta- Lehre von der alleinigen Existenz des Brahman oder technisch von seiner ,Zweitlosigkeit' *), dann aber auch die zweier buddhistischer Sekten, der Yogäcära's, die alles mit Ausnahme des Denkens für illusorisch erklären % und der Mädhyamika's, denen das Nichts als die einzige Realität gilt ^). Die Theorien dieser beiden buddhistischen Sekten werden im wesentlichen in materialistischer Weise durch Berufung auf die Perception bekämpft, die letztere auch durch das Sophisma: entweder giebt es kein Mittel das Nichts zu beweisen; oder es giebt ein solches Mittel, und dann ist das Mittel selbst etwas positives und damit ein Beweis gegen die Theorie von der alleinigen Existenz des Nichts.
Sehr bemerkens werth ist, dass dieSämkhyakärikä zwar die Lehre von der ewigen Realität der Produkte,
1) Sütra V. 52.
2) Sütra I. 35.
3) Sütra I. 79, VI. 52; vgl. auch I. 42, V. 26, 27. *) Sütra V. 61-65, VI. 46-48.
») Sütra I. 42, 43. ß) Sütra L 44—47.
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d. h. von ihrer Realität vor und nach der Manifestation, behandelt ^) , im übrigen aber die Frage nach der Wirk- lichkeit der Erscheinungswelt gar nicht berührt. Diese galt zur Zeit der Kärikä offenbar für den Sämkhya noch als etwas selbstverständliches, das keines Beweises bedurfte. Erst nachdem durch (^ a m k a r a im Anfange des neunten Jahrhunderts der Vedänta zu seiner noch jetzt von ihm behaupteten dominirenden Stellung erhoben und die Lehre von der kosmischen Illusion scharfsinnig begründet war, sehen sich die durch ^-arakara's Wirken hart be- drängten und an Zahl stark verringerten Anhänger des Sämkhya -Systems zu einer Vertheidigung jenes funda- mentalen Princips genöthigt.
2. Die Urmaterie.
Die Welt der Erscheinungen befindet sich in einem beständigen Wechsel und Wandel; das unablässige Sich- verändern (parinäma) ist ihre charakteristischste Eigenschaft. Die Umbildung der Dinge verläuft dabei oftmals im Kreise; z. B. wenn der verfaulende Baumwollenfaden zu Erde, die Erde zur Baumwollenstaude wird und diese wiederum Blüthe, Frucht und Faden zeitigt 2). Unsere Weltanschauung nun würde einem regressus in infinitum verfallen, wenn wir nicht annähmen, dass dem materiellen Weltganzen ein einheitliches ursprüngliches Princip zu Grunde liegt, das selbst nicht mehr aus einer anderen Ursache abgeleitet werden kann. Dieses Princip heisst in der Sämkhya- Philosophie prakrti ,Grundform' (im Gegensatz zu vikrti ,Umformung') % müla-prakrti ,Wurzel-Grundform', pradhäna
1) Kärikä 9.
*) Aniruddlia zu Sutra I. 121.
*) Das Wort ^jj-a/^-iz" wird in den Sämkhya-Tcxten vereinzelt (Kärikä 3, Tattvasamäsa 1 ; s. auch die im Petersburger Wörter- bucli aus dem Maliäbhärata und Bliägavata Puräua s. v. 3 b an-
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,Grniiclbestand', müla-kdrana ,Wurzelursache' oder avyakta ,das unentfaltete' (im Gegensatz zu vyalda^ der entfalteten Welt). Schon die etymologische Bedeutung dieser Termini lehrt, wie es auch weiterhin der Zusammenhang des ganzen Systems thut, dass es sich hier um den Begriff der Ur- materie handelt, nicht um den der Natur, der häufig in jene Ausdrücke hineingetragen ist ^). Die Sämkhya- krama-dipikä führt in Nr. 7, nachdem sie im voran- gehenden Paragraphen das Wesen der Urmaterie beschrieben hat, noch folgende Synonyma an : brahman ,das Absolute' (des Ve dänta-Systems), pura ,Stadt, Wohnort, Behälter', dhruva ,das beständige', pradhänaka ( = pradhdna) ^ akshara ,das unvergängliche', kshetra ,Feld, Gebiet der Wirksamkeit', tamas (Name des dritten Guna), prasüta ,das hervor- bringende'. Dass hiermit nicht wirkliche Synonyma geboten sind, ist für denjenigen, der die maassgebenden Sämkhya- texte gelesen hat, ohne weiteres klar; die Liste enthält zum Theil Epitheta der Urmaterie, zum Theil Worte, die in Folge irgend welcher Begriffsvermengung in Puräna's oder in sonstiger apokrypher Literatur zur Bezeichnung der Urmaterie gebraucht sein mögen.
Betrachten wir nun zunächst die Schlussfolgerungen, durch welche die S ä m k h y a - Philosopliie zu dem Begriff der Urmaterie gelangt"-). Sie geht von dem Grundsatze
geführten Stellen) in seiner Grundbedeutung zur Bezeichnung der acht materiellen Principien verwendet, aus denen ein neues Princip hervorgeht, d. h. der Urmaterie, der Buddhi, des Ahamkära und der fünf feinen Elemente ; dagegen habe ich die Angabe Aniruddha's (zu Sütra I. 61), dass mit dem Worte auch jeder einzelne der drei Guiia's Sattva, Rajas und Tamas benannt werde, nirgends be- stätigt gefunden.
1) Schon Nilakantha-Hall, Rational Refutation, Preface p. IX wenden sich gegen die Uebersetzung von prakrti als 'nature' und in einer Anmerkung dazu ist gesagt: "Originant" might answer, or "evolvent"; and "originate", or "evolute" for vikrti.
2) Vgl. Kärikä 15, 16, Sütra I. 62—65, 103, ilO, 135, 136; Colebrooke, Mise. Ess.^ I. 266, 267, Ballautyne, Lecture on the Sänkhya Philosophy Nr. 88, 89, Röer, Lecture p. 12, 13.
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aus, dass alles grobe aus etwa.s feinerem gebildet ist. Die sinnlich wahrnehmbaren Dinge, die grobe Materie oder die fünf groben Elemente (sthüla-bhüta) , d. h. Erde, Wasser, Feuer, Luft und Aether'), müssen also — selbst wenn man das kleinste mit unseren Sinnen fest- zustellende Theilchen ins Auge fasst — , weil sie auch an jener Grenze noch ,grob' sind, aus Dingen hervorgegangen sein, welche die speciellen Characteristica eines jeden groben Elements besitzen. Das sind die sogenannten Grundstoffe (tanmätra) oder feinen Elemente (sülcshma-bhüta), die noch keine Vermischung mit einander eingegangen sind und jenseits der Wahrnehmung unserer Sinne stehen. Aber auch diese Grundstoffe noch sind begrenzt, und alles be- grenzte ist aus einem anderen hervorgegangen. Bevor wir jedoch sehen, welcher Art dieses weiter zu erschliessende Prnicip ist, habe ich der Auffassung zu gedenken, dass die Sinne mit den fünf feinen Elementen auf derselben Stufe in dem Entwickelungsgange der Welt stehen. Die S ä m - khya- Philosophie lehrt, dass die Objekte der Wahr- nehmung und Empfindung und die Organe, mit denen wir die Objekte wahrnehmen und empfinden, denselben Ursprung haben. Dasjenige Princip also, aus dem die Sinne entstanden sind, muss zugleich die Quelle der feinen Elemente sein. Es ist der Ahamkära, der ,Ichmacher', d. h. die feine Substanz desjenigen inneren Organs, das die Funktion hat die Dinge in Beziehung zu dem Ich (oder der Seele) zu setzen. Die Existenz einer solchen Substanz wird dadurch bewiesen, dass, ebenso wie die Wahrnehmungsfunktionen ihre materielle Basis in den Sinnen haben, auch solche Denkfunktionen wie „Ich bin dies und das; dieses gehört mir; dies ist von mir zu verrichten" eine materielle Basis haben müssen. Der
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') Um den Aether in die groben Elemente einreihen zu können, ist der Begriff des groben Elements dabin zu definiren, dass dessen Characteristicum (im Falle des Aethers der Ton) von einem Sinne wahrgenommen wird. Vijn. zu Sütra I. 62.
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A h H m k ä r a würde als Aequivalent unseres Selbstbewusst- seins gelten können, wenn er nicht in der Sämkhya- Philosophie etwas ungeistiges, ein rein materielles Princip wäre. Da nun der A li a m k ä ra auf Objekte Bezug nimmt, ohne die er nicht fiinktioniren kann, so werden wir von ihm aus auf ein höheres Princip hingeführt, das diese Objekte dem Ahamkära bietet. Das ist die Buddhi, d. h. die Substanz desjenigen inneren Organs, welches die Funktion der Feststellung, der Unterscheidung, des Urtheils besitzt. Jedermann stellt zuerst ein Ding seinem Wesen nach fest und setzt es erst dann zu seiner Person in Beziehung. Daraus nun, dass diese beiden Thätigkeiten in dem Verhältniss von Ursache und Produkt stehen, wird das gleiche Verhältniss für ihre Substrate, Buddhi und Ahamkära, erschlossen i). Nun ist aber auch die Buddhi noch etwas begrenztes und kann deshalb nicht die letzte Ursache der Dinge sein ; der Urgrund der mate- riellen Welt muss ewig, unendlich, unbegrenzt sein-). Damit sind wir bei der Urmaterie angelangt, aus der die Sänikhya- Philosophie die Buddhi unmittelbar ent- stehen lässt. Mit Ausnahme dieser Urmaterie sind alle materiellen Dinge Produkte und gehören in die Kategorie des entfalteten. Es ist irrelevant, wie man dieses letzte erreichbare materielle Princip, das unentfaltet und kein Produkt ist, benennt; es kommt nur darauf an, dass mit ihm ein letztes Glied in der Reihe der zu erschliessenden Principien, ein Abschluss (paryavasdna) oder ein Halte- punkt (parinislitliä) gewonnen ist ^). Dieses letzte Glied muss einerseits die Qualitäten besitzen, die zur Hervor- bringung der ganzen Welt des Stoffes erforderlich sind, andererseits muss es sich auch von allen materiellen Pro- dukten dadurch unterscheiden, dass ihm diejenigen Eigen- schaften fehlen, die den Begriff des Produkts ausmachen.
1) Vijfi. zu Sütra I. 64, II. 16.
'') Sütra I. 76. 3) Sütra I. 68.
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Diese letzteren Eigenschaften sind in Kärikä 10 aufge- zählt '). Alles entfaltete oder producirte ist veranlasst (oder durch eine Ursache bedingt), nicht-ewig, nicht- allgegenwärtig, sich bewegend, in der Vielheit existirend, auf etwas beruhend, sich auflösend (Unga) ^), in Verbindung tretend und von einem anderen abhängig. In allen diesen Hinsichten ist die Urmaterie das Gegentheil von ihren Produkten. Auch die Bewegung, von der man meinen könnte, dass sie der Urmaterie als einer der UmAvandelung unterliegenden Substanz mit den Produkten gemeinsam sei, darf ihr nicht zugeschrieben werden, da sie wegen ilu'er Allgegenwart nicht ihre Stelle wechseln kann. Wenn der Urmaterie Bewegung zukäme, so ginge sie damit des Charakters der ersten Ursache verlustig. Allgegenwärtig ist sie deshalb, weil es keinen Punkt im Universum giebt, an dem nicht eine ihrer Umwandelungen — und sei es auch nur in Gestalt des Aethers — vorhanden ist. Die Urmaterie ist somit in allem stofflichen enthalten und wirkt in allen Produkten. 3) Hieraus und aus der Säm- khya- Lehre von der Identität der materiellen Ursache und des Produkts erklärt es sich, dass in den Sämkhya- Schriften die Worte prahrti und pradhäna (und die Adjec- tiva präkrfa, präkrtika) auch zur Bezeichnung alles materiellen gebraucht werden, so dass es nicht immer ganz leicht ist zu entscheiden, ob die unentfaltete Ur- materie gemeint ist oder ihre Entfaltungen.
Dass die Urmaterie nur auf dem Wege der Induktion zu erschliessen ist und nicht sinnlich wahrgenommen werden kann, sollte selbstverständlich sein; ist doch selbst die dritte Stufe ihrer Evolution in der Gestalt der feinen Elemente nach der Meinung der Sämkhya's nur für die
1) Vgl. auch Sütra I. 124, 125, 129—132, 136.
2) Nach Väcaspatimi^ra ,eiD Merkmal (zur Erschliessung der Urmaterie)'.
8) Sütra VI. 35—37.
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übernatürlichen Sinne der Götter und der Y o gin's wahr- nehmbar. Trotzdem wird die Unsichtbarkeit der Urmaterie in K ä r i k ä 8 ausdrücklich durch ihre ,Feinheit' begründet. Die wichtigste von der Sämkhya- Philosophie mit dem Begriff der Urmaterie verbundene Vorstellung ist die- jenige, durch welche ihre Entfaltung und die Mannig- faltigkeit des Weltganzen erklärt wu'd; die Vorstellung nämlich, dass die Urmaterie trotz ihrer Einheitlichkeit und Tintheilbarkeit ^) aus drei verschiedenen Substanzen be- steht, deren Wesen uns in dem folgenden Kapitel be- schäftigen soll.
"O"-
3. Die drei Oima's.
Schon mehrfach-) habe ich die merkwürdige Theorie der drei Guna's, die ebenso alt ist wie das Sämkhya- System selbst, jedoch nicht älter •^), berühren müssen. Es ist auch schon S. 14 Anm. 1 ein Hauptgrund gegen die geläufige Uebersetzung des Wortes mit ,Qualität' zur Sprache gekommen, nämlich dass diese sekundäre Be- deutung erst lange nach der Begründung derSämkhya- Phüosophie nachweisbar ist ; in der Zeit, als das Säm- khya- System und die Lehre von den drei Guna's entstand, hatte das Wort noch keine andere als seine alte ursprüngliche Bedeutung ,Bestandtheil' (vgl. dviguna und caturguna im ^'atapatha Brähmana). Dass auch in unseren Sämkhya- Texten das Wort, wenn es sich um die drei Guna's handelt, in dieser Bedeutung gebraucht ist, lässt sich unschwer erweisen *). Das Sämkhyasütra
1) Sütra V. 73.
2) S. 13, 14, 18, 163, 166.
^) Die frühesten Erwähnungen derselben finden sich in Yäska's Nirukta XIV. 3 (im Paricishta) und in den ersten der S. 22 auf- gezählten Upanishad^s. Vgl. auch P. Begnaud, Materiaux pour servir ä l'histoire de la philosophie de Tlude II. 128 — 129.
*) In poetischen Werken, insbesondere in der P u ran a- Literatur, scheint dagegen bei der Erwähnung der drei Guna's hie und da
Garbe, Sämkhya-PMlosopTiie. 14
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VI. 39 lautet : „S a 1 1 v a u. s. w. sind nicht Qualitäten (oder „Attribute) [der Urmaterie], weil sie dieselbe bilden'^ Und Vi jüänabliikshu sagt zu Sütra I. 61: „Sattva und „die [beiden] andern [Guna's] sind Substanzen (drav- ^^dni), nicht Qualitäten im Sinne der Vai9eshika's" und begründet dies hauptsäclilich damit, dass sie succes- sive die Eigenschaften des Leicht-, Beweglich- und Schwer- seins haben, was man unmöglich von Qualitäten aussagen könne. In demselben Sinne, nur etwas ausführlicher, äussert er sich darüber im Commentar zu I. 127 : „Die „Guna's, d. h. die drei Substanzen Sattva u. s. w., „unterscheiden sich qualitativ von einander durch Freude, „Schmerz u. s. f. ; denn man beobachtet diesa Unterscliieds-
„merkmale an den Produkten Daraus, dass hier
„Wohlbehagen und andere [Zustände] als Eigenschaften „der Constituenten angeführt sind und dass im folgenden „Sütra Leichtigkeit und anderes von ihnen ausgesagt „werden wird, folgt, dass Sattva und die beiden [andern „Guna's] Substanzen sind. Wenn aber die Guna's „mit Freude u. s. w. [d. h. mit ihren Eigenschaften] identi- „ficirt werden, so erklärt sich das einfach aus der Nicht- „verschiedenheit der Eigenschaft und des Trägers der „Eigenschaft ^)". Ferner erklärt Vijnänabhikshu zu Sütra L 126: „In der Urmaterie ruhen Sattva und die „[beiden] andern in der Form der Vereinigung dreier „Bestandtheile (guna), geradeso wie die Bäume sich in dem „Walde befinden [welchen sie bilden]", und mit Anwen- dung desselben Gleichnisses im Särukhyasära L 3.-): „Der Ausdruck ,die Guna's der Urmaterie' ist so zu ver- „ stehen, als wenn wir von den Bäumen des Waldes sprechen ".
Ich glaube nach keinen weiteren Belegstellen suchen
die Bedeutung ,Qualität' mit der philosophisch-technischen zu- sammengeflossen zu sein.
1) Vgl. oben S. 158.
») S. 12, Z. 2 von Hall's Ausgabe.
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zu brauchen, um zu beweisen, class die auf die etymologische Bedeutung von Sattva,Rajas und T a m a s ,Güte, Leiden- schaft und Finsterniss' sich gründende Uebersetzung von trayo gunäh mit ,drei Qualitäten' falsch ist und dass ich recht gethan habe in meinen Bearbeitungen der Sämkhya- Texte anstatt dessen ,die drei Constituenten [der Urmaterie'] zu sagen ^).
Windisch, der sich in seiner Recension meiner Uebersetzung des Sämkhya-pravacana-bhäshya (im Literar. Centralblatt 1891, Nr. 28, S. 955) mit dieser meiner Auffassung noch nicht befreunden zu können erklärt, findet einen Ausweg in der Annahme, dass nach der Anschauung der Sämkhya's die Urmaterie entsprechend ihrem trans- cendenten Charakter ,aus als Materie gedachten Qualitäten bestehe'. So hatte schon früher Colebrooke, Mise. Ess. 2 I. 261 , gesagt : "These three qualities are not mere "accidents of nature, but are of its essence and enter into "its composition" ; und Johaentgen, Ueber das Gesetz- buch des Manu S. 39, 40, hatte die drei „Qualitäten" direkt als „Urstoffe" bezeichnet! Das ist meines Erachtens ein so unlogischer Gedanke, dass wir ihn dem Begründer und den Vertretern der S ä m k h y a- Philosophie, des tnanana- cästra (d. h. des auf logischer Erwägung und Begründung beruhenden Systems) xar' k'S.oyrjv nicht zutrauen dürfen. Sobald die Inder überhaupt anfingen methodisch zu denken, haben sie auch zwischen den Begriffen des Stoffes und seiner Qualitäten zu unterscheiden gewusst. Das muss auch H, Jacobi gedacht haben, wenn er in den Philo- sophischen Monatsheften XIII, S. 419 unten trayo gunäh nicht „die drei Qualitäten", sondern „die drei Aspekte" übersetzt hat; aber auch dieser Ausdruck, der die drei Guna's als etwas rein subjektives erscheinen lässt, ist nicht glücklich gewählt, wie sich schon daraus ergiebt, dass
1) Ueber die Entstellung dieser Bezeichnung aus dem Bilde des Strickes und seiner Strähnen s. oben S. 163, 164.
14*
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Jacobi gleich darauf genöthigt ist, von dem „Gleichgewicht der drei Aspekte" zu sprechen. Wer überhaupt das Wort guna^ wenn es zur Bezeichnung von Sattva, Rajasund Tamas dient, sachgemäss übersetzen will, wird sich der „ Constituenten " oder eines ähnlichen Ausdrucks bedienen müssen ^).
Weder die etymologische 2) noch irgend eine andere Uebersetzang der Namen dieser drei Guna's, Sattva, Rajas und Tamas, kann meines Erachtens den Anspruch erheben, auch nur irgendwie das Wesen der bezeichneten Dina'e zu treffen. Dieses lässt sich nicht einmal in der Form einer Definition beschreiben, sondern bedarf einer näheren Erläuterung. Der Begründer der Sämkhya-
1) In diesem Sinne haben sich übrigens schon mehrere Forscher, die sich mit dem Sämkhya-System eingehender beschäftigt haben, ausgesprochen. H.H.Wilson, Sänkhya Kärikä p. 52, 53 bemerkt: "In speaking of qualities, however, the term guna is not to be re- "garded as an insubstantial or accidental attribute, but as a sub- "stance disceruible by soul through the medium of the faculties. *'It is, in fact, natiu'e, or pralcriti, in one of its three consti-
"tuent parts or conditions, unduly prominent 'Ingredients
"or constituents of nature' , therefore , would be a preferable term "perhaps to 'quality'." (Vgl. hierzu Ballantyne, Christiauity contrasted with Hindu philosophy, p. 132 if.) Ebenso Nilakan- t ha- Hall, Rational Refutation p. 43, 44: "And here it should be "borne in mind, that it is not the goodness, passion, and darkness, "popularly reckoued qualities or particular states of the soul, that "are iutended in the Sänkhya. In it they are unintelligent "substances. Otherwise, how could they be the material cause "of earth and like gross things?" Noch bestimmter drückt sich John Davies, Sänkhya Kärikä p. 36 aus: "They [d. h. the three "gunas] are not qualities, . . . but the constituent elements of "Nature (Prakriti)" und spricht mehrfach in der Folge von den "constituent or formative elements of Kature". P. Markus in seiner Abhandlung über die Yoga- Philosophie sagt .Essenzen', was zwar viel besser imd richtiger ist als ,Qualitäten' , aber doch nicht die eigentliche Stellung der drei Guna's im System der Sämkhya- Philosophie zur Vorstellung bringt.
2) S. vorher S. 211 oben.
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Philosophie erkannte als die für den Menschen wichtigsten Eigenschaften aller Dinge, dass sie entweder Freude, Schmerz oder Gleichgiltigkeit (Apathie) erwecken. Jeder dieser drei Begriife coordinirte sich in seiner Vorstellung mit anderen : die Freude mit Licht und Leichtheit i), der Schmerz mit Anregung und Beweglichkeit (Thätigkeit), die Apathie mit Schwere und Hemmung. K a p i 1 a folgerte nun, dass alles materielle aus drei unterschiedenen Substanzen bestehe, deren jede sich vorzugsweise in den genannten Richtungen äussere. Diese drei Substanzen sind für ihn in jedem zu der Welt des Stoffes gehörigen Dinge enthalten, aber in un- gleicher und wechselvoller Mischung; denn sie haben die Eigenschaft „sich gegenseitig zu unterdrücken, anzuregen, „hervorzubringen und zu paaren" 2). Je nachdem es nun einer oder zweien gelingt, an einem bestimmten Orte die dritte oder die beiden* andern zu unterdrücken, bringen sie ihr Wesen mehr oder weniger rein zur Geltung. „Aus „dem mannigfaltigen Ergebniss des Kampfes der Guna's „geht die Mannigfaltigkeit der Produkte [d. h. der ganzen „empirischen Welt] hervor;"-^) eben daraus wird auch die FüUe der verschiedenartigen Eindrücke erklärt. Die drei Guna's bilden jede ftir sich wegen der Verschiedenheit ihrer Einzelformen (vyaTcti) eine unendliche Vielheit, und diese Einzelformen sind je nachdem von der grössten, von geringerer oder von unendlich kleiner Ausdehnung ^).
Das Zusammenwirken der drei Substanzen wird von Väcaspatimi9ra zu Kärikä 13: „Sattva gilt als
^) Diese Coordinirung von Freude, Licht und Leichtheit scheint, nach einem in unseren Sämkhya- Texten geläufigen Beispiel zu schliessen, darauf zu beruhen, dass diese drei Eigenschaften gleich- zeitig an der Feuerflamme zu beobachten sind, welche 1) den frierenden erwärmt, also Freude erzeugt, 2) leuchtet, 3) nach oben züngelt, also Leichtheit manifestirt.
2) Kärikä 12.
3) Vijn. zu Sütra I. 127.
•*) Vijn. zu Sutra I. 127. V. 90.
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„leicht und erleuchtend, Rajas als anregend und beweglich, „Tamas als schwer und hindernd" mit folgenden Worten veranschaulicht: „Die Qualität Leichtheit, die der Schwere „entgegenwirkt, ist die Ursache für das Entstehen der „Produkte. Dieselbe Leichtheit, in Folge deren das Feuer „aufAvärts flackert, ist die Ursache für die wagerechte Be- „wegung mancher Dinge, wie z. B. des Windes. Ebenso „ist die Leichtheit die Ursache dafür, dass die Organe für „ihre Funktionen befähigt sind; denn wenn sie schwer „wären, so würden sie träge und unfähig sein. Aus diesem „Grunde [nämlich weil die inneren Organe und die Sinnes- „ Organe erleuchten, d. h. die Erkenntniss hervorrufen,] ist das Sattva als erleuchtend bezeichnet. Sattvaund „Tamas, welche beide nicht von selbst thätig und „deshalb nicht zur Ausübung ihrer eignen Geschäfte fähig „sind, werden vom Rajas angeregt, d. h. von ihrer Un-
„fähigkeit befreit und zur Wirksamkeit angetrieben
„Obwohl nun aber das Rajas seiner Beweglichkeit wegen „allerwärts alle drei Guna's [also auch sich selbst] in „Bewegung setzt, wirkt es doch nur hier und da wegen „[des Einflusses] des schweren und hindernden Tamas, „welches dessen Thätigkeit bald hier bald dort hemmt. „Deshalb wird das Tamas, weil es [das Rajas] von „diesem und jenem abhält, als liindernd bezeichnet."
Stellen wir nun die Eigenschaften und Wirkungen der drei Guna's im Einzelnen fest ^).
Das Sattva äussert sich, wenn es in dem Kampf mit den beiden andern Guna's zur fi-eien Entfaltung kommt, in der Welt der Objekte, wie wir schon sahen, durch Licht und Leichtheit; im Subjekt dagegen als Tugend,
1) S. Maitri Upanishad III. 5, das Panca(^ikba-Fragmeüt bei Vijn. zu Sütra I. 127, Kärikä 12, 13 und Sütra I. 127, 128 nebst den dazu gebörigen Commentaren, Sämkbya-krama-dipikä (inBal- lantyne's Lecture) Nr. 39—41, 50—53, Mabäbbärata XII. 7956 —61, 8992—97, 11623—34, Colebrooke, Mise. Ess.'^ I. 261, 267, P. Markus, die Yoga-Pbilosophie S. 21, 22.
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Selbstbeherrschung, Gemüthsruhe, Wohlwollen, Freundlich- keit des Wesens, Reinheit, Glück, Heiterkeit, Zufriedenheit, als Thätigkeit der Sinnesorgane und des Verstandes, als Erreichung der übernatürlichen Kräfte. Es dominirt deshalb in den Welten der Götter.
Bei dieser Gelegenheit muss ich die schon oben S. 166 angedeutete Vorstellung zur Sprache bringen, dass die Freude nicht nur als Empfindung in dem Innern des Individuums, sondern auch als etwas objektiv reales in den Aussendingen existire. Dasselbe gut im Princip natürhch auch von den Hauptwirkungen der beiden anderen Guna's, dem Schmerz und der Apathie ; doch wird dies nur beiläufig erwähnt. Die objektive Realität der Freude wird von Vijnänabhikshu zu Sütra V. 27 auf seine Weise syl- logistisch bewiesen, und mehrfach ^) führt er aus, dass wir ebenso wie von der Topffarbe (ghata-rüpa) ^ so auch von der Frauen-, Blumenkranz- oder Sandelholz-Freude (stri-, sraJe-, candana-sukka) sprechen und mithin annehmen müssen, dass die Freude und dergl den Objekten inhärire. Hall, Rational Refutation p. 80 Anm., bemerkt hierzu: "Vijnäna is here a victim to phraseology on which, plainly "enough, he did not reflect with sufficient attention. For '"jar-colour means 'the colour of a jar; whereas 'sandal- "pleasure' means 'the pleasure derived from the use of "sandal"'. Wenn auch Hall darin Recht hat, dass "such "fallacies far from uncommon among the Pandits" sind, so darf doch die in Frage kommende Vorstellung weder auf eine missverstandene Wortbildung zurückgeführt noch als individuelle Anschauung eines einzelnen Sämkhya- Lehrers angesehen werden. Vielmehr liegt dieser Vorstel lung der Gedanke zu Grunde, dass das Wirken eines G u n a — in unserem Falle des Freude erweckenden Sattva — in dem inneren Organ des Subjekts ein Correlat in dem eben- falls aus den drei Guna's bestehenden Objekt haben
1) Zu Sutra I. 65, 127 und im Samkhyasära I. 3 (S. 15 der Hall'schen Ausgabe).
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müsse. Da gewisse Dinge bei allen Wesen entweder Freude oder Schnierz oder Bestürzung erregen, so konnte der an die Theorie der drei Guna's glaubende kaum umhin das Vorwalten des betreffenden Guna in dem Objekte selbst anzunehmen.
Das Rajas äussert sich, wenn es die beiden anderen Guna's unterdrückt , in der Welt der Objekte in Kraft und Bewegung; im Subjekt als jede Art von Schmerz, als Kummer, Sorge, Angst, Aerger, Unzufriedenheit, Abhängig- keit, als Eifersucht, Neid, Unstätheit, Aufi-egung, Leiden- schaft, Begierde, Liebe und Hass, als Bosheit, Streit- und Tadelsucht, Ungestüm, Wildheit und Unfreundlichkeit des Benehmens, aber auch als Ehrgeiz, Streben und Thätigkeit, Es dominirt in der Menschenwelt.
Wenn das Tamas überwieget, so kommt es in der Welt der Objekte als Schwere, Starrheit und Dunkel zur Geltung; im Subjekt als Niedergeschlagenheit, Furcht, Be- stürzung, Verzweiflung, Theilnahmlosigkeit, Unentschlossen- heit, Bethörung, Stumpfsinn, Unwissenheit, Trunkenheit, Wahnsinn, Ekel, Trägheit, Naclilässigkeit, Bewusstlosigkeit, Schlaf und Ohnmacht, als Hartherzigkeit, Schamlosigkeit, Liederlichkeit, Unreinheit, Schlechtigkeit im Allgemeinen und Nihilismus '). Es dominirt im Thier-, Pflanzen- und iVIineralreich -).
Die merkwürdigste Seite dieser ganzen Theorie ist, wie man sieht, die Zurückführung der mensch- lichen Individualität auf physische Ursachen. Das Verhältniss der drei Guna's zu dem Glauben, der Gesinnung, der Lebens- und Handlungsweise des Menschen
1) nästihya Maitr. Up. III. 5 und Sänikhya-krama-dipikä Nr. 41 ist sowohl von CoweU als auch von Ballantyne fälschlich mit 'atheism' übersetzt worden; danach würde die Sänikbya- Philo- sophie ein Erzeugniss des Tamas sein! Uebrigens sind in der Stelle der Maitr. Up. verschiedene Eigenschaften als Aeusserungen des Tamas genannt, die im System zu denen des Rajas gehören: Hunger, Durst, Zorn, Hochmuth, Neid und Unbeständigkeit.
2) Kärikä 54, Sütra III. 48—50.
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ist in poetischer Weise in dem siebzehnten Gesänge der Bhagavadgltä geschildert; doch würde ein näheres Eingehen auf diese Dinge zu weit von der Darstellung des eigentlichen Systems abführen.
Zu diesem ganzen Anschauungskreis stimmt auch die Lehre von der Entstehung der Farben durch die verschieden- artige ]\Iischung der drei Guna's. Wenn ich auch diese Theorie nicht aus der eigentlichen Literatur des Säm- khy a-Systems, sondern nur aus Nilakantha's Com- mentar zum Mahäbhärata nachweisen kann, so macht sie doch nicht den Eindruck einer späteren Erfindung. Nilakantha sagt zu Mbh. XIL 10058: „Wenn das „Tamas überwiegt, das Sattva gering ist und das Rajas „die Mitte hält, so ergiebt sich die Farbe Schwarz; bei „Umkehrung des Verhältnisses von Sattva und Rajas „Grau; wenn das Rajas überwiegt, das Sattva gering „ ist und das Tamas die Mitte hält, so ergiebt sich Blau ; „bei Umkehrung des Verhältnisses von Sattva und „Tamas Roth; wenn das Sattva überwiegt, das Rajas „gering ist und das Tamas die Mitte hält, so ergiebt „sich Gelb; bei Umkehrung des Verhältnisses von Rajas „und Tamas Weiss "i).
Jede Erscheinung, jeder Vorgang in der materiellen Welt hat also seinen Grund in dem Wirken emes oder mehrerer Guna's. Trotz der unendlichen Verschiedenheit der zahllosen Modifikationen lässt sich doch alles durch die Eigenschaften dieser drei Substanzen erklären. Wenn nun aber Sattva, Rajas und Tamas sich in allen materiellen Produkten befinden, so müssen sie nach dem Grundsatz, dass das Produkt nichts anderes als die mate-
1) Yadä tamasa ädJäkyam sattva-rajasor nyünatva-samatve, tadä Jcrshno va7-nah , antyayor vaiparitye dhümrah; tathä rajasa ädhikye sattva-tama^or nyünatva-samatve nila-vai-nah, antyayor vai- paritye madhyam madhyamo varnah , tac ca rahtam . . . .; sat- tvasyä 'dhikye rajas-tamasor nyünatva-samatve liäridrah pita-varnah . . . . , antyayor vaiparitye gullam.
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rielle Ursache in einem bestimmten Entwickelungsstadium ist, auch bereits in dieser Ursache, d. h. in der Urmaterie, vorhanden gewesen sein. Da schon der ersten Entfaltung der Urmaterie — d. h. der Buddhi — Freude, Schmerz und Apathie als charakteristische Eigenthümlichkeiten an- gehören, so muss auch der Stoff, aus dem die Buddhi hervorgegangen ist, ebenso die charakteristischen Eigen- thümlichkeiten der Freude, des Schmerzes und der Apathie (in latentem Zustande) besitzen; denn die Qualitäten des Produkts müssen sich in Uebereinstimmung mit den Qualitäten der Ursache befinden *).
Wenn also in den S ä m k h y a - Schriften — was oft- mals der Fall ist — die drei Guna's in der Form der Ursache (kdrana-rüpa) den drei Guna's in der Form des Produkts (kdrya-rüpa) gegenübergestellt werden, so ist das so zu verstehen, dass Sattva, Rajas undTamas Inder ersten Form die unentfaltete Urmaterie, in der zweiten die entfaltete Welt bilden. Wie kann nun aber die unbegrenzte Urmaterie, deren Einheitlichkeit so entschieden betont wird, aus Theilen bestehen, aus drei begrenzten Substanzen? Darauf ist zunächst zu erwidern, dass die drei Guna's nur insofern begrenzt (parimita, paricchinna) sind, als das ganze Sattva, Rajas und Tamas sich nicht überall befindet; sie sind aber nicht in demselben Sinne begrenzt, wie ,Töpfe und dergleichen Produkte'; denn es giebt keinen Punkt im Universum, an dem nicht wenigstens ein Minimum von jeder dieser drei Substanzen vorhanden ist, oder technisch ausgedrückt: „Sattva, Rajas und „Tamas fallen nicht unter einen allgemeinen Begriff, der „sie als positive Gegenstücke zu einem lokalen Nichtsein cha- „rakterisirt (dai<^iku-bhäva-pratiyogitd-'vacchedaka-jäti) " •^). „Wenn jeder der drei Guna's" — sagt V i j nä n a b hi k- shu in seiner Einleitung zu Sütra I. 128 — „eine ge- „schlossene Einheit büdete, so könnte von einem Zu- und
1) Vijn. zu Sütra I. 65; vgl. auch Kärikä 11.
2) Vijn. zu Sütra I. 76, 130.
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„Abnehmen derselben oder [von dem Siege des einen „und dem Unterliegen der andern] keine Rede sein, und „ebenso wenig wäre dann, da bei der Begrenztheit [der „Guna's] auch die durch ihre Vereinigung gebildete „Urmaterie begrenzt sein müsste, die .... Lehre berechtigt, „dass gleichzeitig zahllose Welten [und innerhalb dieser „Welten zahllose verschiedenartige Dinge aus der Urmaterie „hervorgehen]." Der Einwand, dass die einheitliche un- theilbare Urmaterie überhaupt nicht aus drei Theilen bestehen könne, wird durch den Vergleich mit drei Flüssen, die nach ihrer Vereinigung einen einheitlichen Strom bilden , abgelehnt i). Ein europäischer Autor -) gebraucht anstatt dessen das Bild von dem einfachen farblosen Sonnen- licht, das durch die Vereinigung der farbigen Lichtstralilen gebildet wird, die ihre Eigenart in dem von uns wahr- genommenen Licht verlieren oder nicht entfalten.
Die Urmaterie ist also im Sämkhy a-System „der Zustand des Gleichgewichts (sätnyä-vasiJiä) von Sattva, Rajas und Tamas"^^), d.h. der Zustand, in dem keiner der drei Guna's weniger oder mehr ist als jeder der beiden andern, in dem sie in vollster Gleichmässigkeit und ohne Beziehung zu einander verharren. So lange dieser Zustand des Gleichgewichts nicht gestört ist, bleibt die Urmaterie eine feine unterschiedslose Masse, in der alle die Kräfte und Eigenschaften, die in der entfalteten Welt zur Erscheinung kommen, keimartig ohne Bethätigung ruhen.
Es ist klar, dass diese ganze Theorie der drei Guna's eine reine Hypothese ist, die mit sehr vielen anderen philo- sophischen Hypothesen das Schicksal theilt, vor dem modernen Standpunkt der Naturwissenschaft nicht bestehen zu können; aber sie ist immerhin ein interessanter Erklärungsversuch,
1) Vijn. zu I. 61 Schluss.
2) John Davies, Sankhya Kärikä p. 37.
») Sütra I. 61, VI. 42; vgl. auch Väcaspatimi^ra zu Kärikä 3 und Qamkara zum Brahmasütra II. 2. 8.
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der für die Inder eine so überzeugende Kraft besessen hat, dass der Gedanke noch heute den allgemeinen philosophischen Vorstellungskreis beherrscht. Obwohl ^amkara die Lehre von den drei Guna's mit der Begründung abgewiesen hat, dass es diesen „an einem bewegenden Princip fehlt, „welches sie aus der vorweltlichen sämyd-vasihd zum Zu- „ stände des vaishamya [der Gleichgewi chtslosigkeit] treibt" ^), hat sich doch der neuere V e d ä n t a mit der Theorie vollständig befreundet.
4. Die EYolution und Reabsorptiou der Welt.
Ist der Gleichgewichtszustand der drei Guna's gestört, und fangen diese an mit einander um das Uebergewicht zu ringen, so entfaltet sich die Welt in dem Entwicke- lungsgange, der auf S. 206, 207 in umgekehrter Reihen- folge dargestellt worden ist -). Wenn die Evolution (sarga, srshii, saincara) '■^) des Weltganzen zum Abschluss gelangt ist, so folgt eine Periode des Bestehens (stJnti), während deren sich die schaffende Kraft in der Einzelschöpfting (visarga^ m/ashü'-srshH)*), d. h. in der Hervorbringung der Individuen und der einzelnen Produkte, bethätigt.
Wenn die Zeit des Bestehens zu Ende ist, so löst sich das Universum auf, und zwar in der Weise, dass von den groben Elementen an in rückläufiger Bewegung die Produkte je in der materiellen Ursache, aus der sie ent- standen sind, wieder aufgehen. Durch diesen Process der
1) Deussen bei Weber, Indische Studien XVIT. 160.
2) Kärikä 22, Sütra I. 61, VI. 42.
^) Tattvasamäsa Sütra 2 und Sämkhya-krama-dipikä dazu Nr. 54.
*) Vijn. zu Sütra I. 97 und Einleitung zu III. 46. Vi/ashti- srshti, wofür jedoch auch öfter einfach sarga oder srshti gesagt wird, ist der Gegensatz zu samashti-srshti ,Gesammtschöpfung' oder ädi-sarga ,Anfangsschöpfung'.
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Reabsorption (laya, pralaya^), pratisarga-) , samhära ''^)^ lyratisamcara) *) gelangen schliesslich die drei G u n a ' s wieder in den Zustand des Gleichgewichts; die Urmaterie befindet sich wieder in derselben Lage, wie in der Zeit vor der Entfaltung, und verharrt so, bis die Periode der neuen Weltbildung anbricht.
Als ich oben im zweiten Abschnitt die allgemein- indischen Lehren der S ä in k h y a - Philosoj)hie , soweit sie bereits vor der Begründung des Systems vorhanden waren, zusammenstellte, habe ich geschwankt, ob nicht in jenem Zusammenhange auch die Lehre von der Evolution und Reabsorption der Welt erwähnt werden müsste, da die Vorstellung einer unendlichen Zahl von Weltperioden (kalpa) allen orthodoxen Systemen °\ sowie dem Buddhismus und Jinismus gemeinsam ist. Doch bin ich bald zu der Ueberzeugung gelangt, dass diese Vorstellung vor der Begründung der S ä ui k h y a - Philosophie in Indien nicht existirt hat. Die Lehi-e von den periodischen Zer- störungen und Erneuerungen der Welt findet sich noch nicht in den älteren Upanishad's'^). Die Idee der Emanation tritt freilich in mythologischem Gewände schon früher auf, in dem berühmten Purusha-Liede des Rig- V e d a (X, 90) '), in verschiedenen kosmogonischen Berichten
^) In unseren Texten wird pralaya in demselben Sinne wie mahd-pralaya gebraucht. In nicht-philosophischen, aber durch das Sämkhya- System beeinflussteu Werken wird der mahä-pralaya ,die Vernichtung des Universums' dem einfachen pralaya oder aväntara-pralaya ,der Vernichtung der Individuen' gegenüber- gestellt. Vgl. Johaentgen, Ueber das Gesetzbuch des Manu S. 9, Anm. 12.
^) Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 16.
8) Vijn. zu Sütra I. 154, 157.
■*) Tattvasamäsa Sütra 6 und Sämkhya-krama-dipikä dazu Nr. 55.
^) Wegen des Vedänta s. Deussen, System d. V. S. 248 — 256 und sonst.
6) Vgl. Deussen, System des Vedänta S. 302.
') Vgl. Schröder, Indiens Literatur und Cultur S. 214 ff.
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der B r ä h m a n a - Literatur und in der Legende Brliad- äranyaka Upanishad 14, wo erzählt wird, dass sich der Atman in seiner Einsamkeit fürchtete und nach einem Gefährten verlangte, dass er sich deshalb theilte und in Mann und Weib, die sich umarmt hielten, ver- wandelte und auf diese Weise Menschen hervorbrachte; dass er dann weiter die Formen von Stier und Kuh, von Hengst und Stute und so fort annahm, um die verschieden- artigen Wesen zu erzeugen. Alle diese Schöpfungsberichte aber gehen von dem Gedanken aus, dass der geschilderte Vorgang den ersten Anfang der Welt darstelle. Auch findet sich in ihnen keine Spur von der Kehrseite der Emanationslehre, der Vorstellung der Reabsorption. Dieser letztere Gedanke konnte auch erst entstehen, nachdem die Evolutionstheorie in wirklich philosopliischer Weise er- dacht und methodisch begründet war; nur nachdem man den ikausalen Zusammenhang der materiellen Principien zu erkennen geglaubt hatte, nicht auf Grund phantastischer mythologischer Vorstellungen konnte der Gedanke der Rückbildung der Welt auftreten. Sobald aber die Theorie des gesetzmässigen Entstehens und Vergehens des Universums aufgestellt war, musste sie sich unter dem Einfluss der Lehren von dem Samsära und der Macht der That zu der Annahme ausgestalten, dass dieser Process der Welt- bildung und -Vernichtung nicht ein einmaliger sei, sondern dass er sich von Ewigkeit her unendliche Male vollzogen habe und in alle Ewigkeit hin wiederholen werde.
Die Lehre von den Weltperioden ist also in der Säm- k h y a - Philosophie entstanden und von hier aus zunächst in den Jinismus und Buddhismus übergegangen; nach der Brahmanisirung unseres Systems hat sie dann auch Eingang in die brahmanische Literatur gefunden.
Welche Ursache nun wird von der S ä m k h y a - Phi- losophie für das Heraustreten der Urmaterie aus ihrem stabilen Gleichgewicht angegeben? Die Urmaterie steht von Ewigkeit her in einem Abhängigkeitsverhältniss zu den gleich ihr ewigen Seelen; es ruht in ihr der unbe-
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wusste Trieb, für die Seelen thätig zu sein. Diese üben auf die Urmaterie einen Anreiz aus, sich zu entfalten; doch ist diese Anregung keine bewusste, sondern eine mecha- nische, die öfter mit der Einwirkung des Magnets auf das Eisen, das er anzieht, verglichen wird. Wie zur Zeit des Weltbestehens das Walten der Natur bis in die klein- sten Einzelheiten hinein durch die Kraft bedingt ist, die den Werken der beseelten Wesen entspringt, so wird auch die Entfaltung der Urmaterie durch diese Kraft veran- lasst; denn Verdienst und Schuld schlafen während des Pralaya und erwachen, um eine neue Schöpfung ins Leben zu rufen ^), wenn die Zeit gekommen ist, da die in der vorigen Weltperiode noch nicht abgebüssten Werke ihre Vergeltung erheischen. Deshalb wird auch die Zeit neben der nachwirkenden Kraft des Werkes (adrshta) als eine begleitende Ursache für die Bewegung erklärt, in welche die Urmaterie beim Beginn einer neuen Weltperiode ge- räth-). Diese Bewegung, die in einer Verschiebung des Gleichgewichts der drei Gruna's besteht, heisst technisch ksJiohlia ,Erschütterung' ^).
1) Mahädeva zu Siitra III. 6.
-) Auiruddha zu Sutra III. 62, V. 22, Vijn. zu VI. 65.
^) Vijn. zu Sütra I. 19, Einleitung zu V. 101: „Es ist ein „Lehrsatz [unseres Systems], dass in Folge einer Erschütterung der „Urmaterie die Verbindung der Urmaterie und der Seelen eintritt, „und in Folge deren die Schöpfung". In welcher Weise wir uns die jVerbindung' (samyoga) , von welcher hier und oftmals sonst gesprochen wird , vorzustellen haben , ist in Anbetracht der All- gegenwart, die der Urmaterie zugeschrieben wird, nicht ganz klar. In der Sämkhya-tattva-kaumudi , Einleitung zu Kärikä 66, finden wir folgende Erklärung: „[In Kärikä 21] ist gelehrt, dass die „Schöpfung durch die Verbindung [der Seelen und der Urmaterie] „hervorgebracht wird. Und diese Verbindung besteht darin, dass „[die Seelen] berufen [und geeignet] sind [zu empfinden, und die „Materie empfunden zu werden]; und das Berufensein der Seelen „zu empfinden bedeutet: dass sie geistig sind, das Berufensein der „Materie empfunden zu werden bedeutet: dass sie ungeistig und „Objekt ist." Ich glaube, dass der Begründer der Sämkhya-
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Die Schöpfung, die nach dem eben bemerkten auf einer besonderen, nicht näher beschriebenen Verbindung der Urmaterie mit den Seelen beruht i), dient lediglich den Interessen der letzteren; denn sie hat den Zweck, zunächst den Seelen die Objekte der Erfahrung (wörtlich: des Genusses, bhoga) zu schaffen, und zweitens, die Seelen zur Erkenntniss des Unterschiedes ihrer selbst von allem materiellen und damit zur Erlösung (apavarga) zu führen. Von diesen beiden Bestimmungen des Schöpfungsprocesses ist die erste freilich nicht Zweck in demselben Sinne wie die zweite, sondern — trotz der häufigen Coordinirung in dem Compositum bhogäpavargau — nur das Mittel, ohne welches die Erreichung des Endzweckes, der Erlösung, nicht möglich ist. Das erste Resultat der Entfaltung der Urmaterie ist also das Gebundensein (bandha) sämmt- 1 ich er Seelen, die noch nicht aus dem Weltdasein aus- geschieden sind; das zweite Resultat ist die Befreiung einiger weniger Seelen. Für diese wenigen stellt die Materie ihre schöpferische Thätigkeit ein, sobald dieselben das höchste Ziel erreicht haben; sie zieht sich von den zur Erkenntniss gelangten Seelen zurück, um für alle Ewigkeit keine neue Verbindung mit ihnen einzugehen. Hierdurch ist aber nicht etwa eine Verminderung in der Bethätigung ihrer schöpferischen Kraft bedingt, da für alle übrigen Seelen das bestehende Verhältniss fortdauert -).
Philosophie in der That keine andere VorsteHung, als die hier von Väcaspatimicra dargelegte, mit der die Weltentfaltung anregenden Beziehung der Seelen zur Urmaterie verbunden hat. Vijnänabhik- shu bestreitet allerdings im Commentar zu Sütra I. 19 (S. 33, 34 meiner üebersetzvmg) diese Auslegung mit verschiedenen Gründen und setzt an deren Stelle eine Erklärung, die mir indessen nur ein Nothbehelf zu sein scheint.
1) Kärikä 21, 66, Sarva-dar9ana-samgraba S. 219 der Ueber- setzung, Vijii. zu Sütra I. 19.
2) Kärikä 21, 56-61, 66, Sütra II. 1, 3, 4, 7, 11, 23, 24, III. 47, 58, 63, 64, 66, 69, 70, VI. 43, 44, Yogasütra n. 22. Vgl. auch in diesem Buche oben S. 164 — 166.
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Wird nun aber nicht einmal in der fernsten Zukunft eine Zeit kommen, in der alle Seelen ans Ziel gelangt und von den Banden der Materie befi-eit sind? Wenn diese Frage zu bejahen wäre — und man soUte denken, dass sie bejaht werden müsse, da sich ja die Zahl der un- erlösten Seelen beständig verringert — , so würde einst- mals jeder Grund für das Wirken der Naturki'äfte, für die Evolution der Urmaterie fortfallen. Nach der Erlösung der letzten Seele würde die Urmaterie nicht mehr aus dem Zustand des Gleichgewichts heraustreten und zu einer neuen Welt sich entfalten können. Dieser Fall aber wird niemals eintreten; denn die S ä m k h y a - Philosophie be- antwortet die eben gestellte Frage mit Nein. Das Säm- k h y a s ü t r a I. 158 sagt (nach Aniruddha's Erklärung) : „Wie [die völlige Leere] in dem anfangslosen Kreislauf „bis auf den heutigen Tag nicht eingetreten ist, so wird „es auch in Zukunft bleiben"; und als Grund dafür findet man bei Vij&änabhikshu zu II. 4 angegeben, dass die Zahl der Seelen unendlich ist.
Zu meiner Verwunderung habe ich in den Säm- khya- Texten keine ernsthafte Erklärung ftir die ange- nommene Nothwendigkeit des Reabsorptionsprocesses ge- funden. Auf die Frage „woher kommt die Weltauflösung?" wird erwidert, dass ebenso wie die Schöpfung aus einer Störung des Gleichgewichts der drei Guna's hervorgehe, der Pralaya dadurch entstehe, dass die di'ei Guna's wieder in den Zustand des Gleichgewichts gerathen ^). Weshalb aber gerathen die Guna's wieder in denselben Zustand, in dem sie sich vor der Weltentfaltung befanden? Dafür wird zwar von Aniruddha und Mahädeva-) ein Grund angeführt ; doch widerspricht derselbe nicht nur direkt dem Zusammenhange ihrer eigenen Ausführungen, sondern auch den wichtigsten Voraussetzungen des Systems. Man ist sich zur Zeit der beiden Commentatoren offenbar
1) Sütra VI. 42.
2) Zu Sütra III. 5.
Garbe, Sämkhya-Philosophie. 15
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nicht mehr über die Gründe der in Rede stehenden An- schauung klar gewesen; und merkwürdiger Weise ver- sagen hinsichtlich dieses Punktes die älteren Quellen. Die genannten Commentatoren erklären, dass die Welt- Vernichtung dann eintrete, wenn die noch nicht zur Er- lösung gelangten Seelen die Früchte ihrer Thaten voll- ständig genossen und demnach in Zukunft weder Lohn noch Strafe mehr zu erwarten haben. Unmittelbar darauf aber^) lehren Aniruddha und Mahädeva, dass diese Seelen nicht aus dem Weltdasein ausgeschieden sind, dass sie während des Pralaya mit Verdienst und Schuld umkleidet bleiben, und dass diese beiden mächtigen Faktoren am Beginn des neuen Weltalters die Materie wieder anregen, schöpferisch für eben dieselben Seelen thätig zu sein, die angeblich durch Abbüssung aller ihrer Werke das Ende der vorigen Weltperiode bewirkt haben! Aniruddha, dem Mahädeva an dieser Stelle ge- dankenlos nachspricht, hat hier eine Confusion angerichtet, die in der S am khya- Literatur kaum ihres Gleichen hat; er hat sich in dem ersten Theil semer Ausführungen achtlos über den fundamentalen Grundsatz der Erlösungs- lehre hinweggesetzt, dass der Mensch dem Gesetze der Vergeltung nur durch die Gewinnung der unterscheidenden Erkenntniss entrinnen kann, aber nicht dadurch, dass er in der Unwissenheit verharrend die Früchte seiner Werke aufbraucht. Vijüänabhikshu hat deshalb auch den beiden S ü t r a ' s eine vollständig andere Deutung gegeben. Es unterliegt für mich keinem Zweifel, dass bei der Begründung der S ä m k h y a - Philosophie auch das Ein- treten der Weltauflösung durch einen Grund erklärt worden ist, der sich aus dem Zusammenhang der allgemeinen An- schauungen des Systems ergab und in denselben einfügte; aber wir sind in diesem Fall ausnalunsweise auf Ver- muthungen angewiesen, bei deren Aufstellung wir wohl
1) Zu Sütra UI. 6.
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am sichersten gehen werden, wenn wir an die Lehren des Buddhismus, des Tochtersystems, anknüpfen. Wir hatten oben als einen allgemein-indischen, in das Sämkhya- System übergegangenen Gedanken die Vorstellung kennen gelernt, dass der Zustand der Aussenwelt, das Walten der Natur abhängig sei von dem Thun der Wesen. Wie nun im Buddhismus der Glaube herrscht, dass diese rein mora- lische Ursache — die Sünde und das Verdienst der lebenden Wesen — auch die Vernichtung und Erneuerung des Universums bewirke in der Weise, dass die Sünde die zersetzende, die Tugend die erneuernde und schaffende Kraft sei ') , so dürfen wir vielleicht auch schon ftlr die S ä m - k h y a - Philosophie dieselbe Vorstellung voraussetzen. Wo man überzeugt ist, dass eine moralische Kraft den Verlauf des Weltprocesses regiert, liegt der Gedanke nahe genug, dass ein überwiegendes Maass von Sünde die Auflösung des Universums herbeiführe.
Doch kehren wir von dieser Hypothese zu unsern Quellen zurück. Wenn die Welt sich im Zustand des Pralaya befindet und die drei Guna's damit in dem des Gleichgewichts, so darf man doch nicht glauben, dass die letzteren in völliger Ruhe verharren; das würde ihrer Natur widersprechen. In dieser Zeit — so heisst es in der Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 16 — „unterliegen Sattva, Rajas und Tamas [nur der Ver- „änderang] zu gleichartigem; denn die Guna's, deren „Wesen das Sichverändern ist, bestehen auch nicht einen „Augenblick, ohne sich zu verändern. Darum entfaltet „sich auch, [wenn die Welt] im Zustande der Auflösung „[ist], das Sattva nur in der Form des Sattva, das „Rajas nur in der des Rajas, das Tamas nur in der „des Tamas." Diese isolirte Bewegving innerhalb jedes einzelnen Guna aber ist völlig unabhängig von der Be- wegung, die sich der Urmaterie als Ganzem beim Beginn der neuen Weltperiode mittheüt.
^) Vgl. Koppen, Religion des Buddha I. 285—287.
15«
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Wälirend der Zeit des Pralaya sind die unerlösteii Seelen ebenso schmerzfrei wie die erlösten, weil die ihnen zugehörigen inneren Organe, die materiellen Grundlagen jeder Empfindung, nicht mehr als solche existiren *). Aber diese inneren Organe sind dann nicht etwa zu Grunde gegangen, sondern haben sich nur zur Urmaterie zurück- gebildet und bestehen ,in feinem Zustande' (sühshnäva- sthai/ä) fort. Dasselbe gilt auch von ihren verhängnissvollen Attributen, der moralischen Bestimmtheit, die auf den in der vorigen Weltperiode noch nicht vergoltenen Werken beruht, und der Nichtunterscheidung, die während der Weltauflösung als Disposition (väsanä) verharrt. Denn jedes dieser beiden Attribute, welche die Ursache alles Leidens in der Welt sind, besteht in der Form einer an- fangslosen, auch durch die Weltvernichtung nicht unter- brochenen Conti nuität ^).
Bevor wir nun die Produkte in der Reihenfolge be- trachten, in der sie nach der Sämkhy a-Lehre bei jeder Weltentfaltung aus der Urmaterie hervorgehen, haben wir noch das Verhältniss im Allgemeinen ins Auge zu fassen, das unser System zwischen jedem Produkt und seiner Ursache constatirt.
5. Der Begriff der Kausalität.
In der indischen Philosophie werden überall streng zwei Arten von Ursachen (kärana) unterschieden: die materielle (upädäna) und die bewirkende (nimitta). Die materielle Ursache eines Dinges ist der Stoff, aus dem es hervorgeht und besteht; als bewirkende Ursache gilt nicht
1) VijJi. zu Sütra I. 16, 18, 19.
') Vijn. zu Sütra VI. 12, 68, 69. Ueber das verhältnissmässig günstige G-eschick derjenigen Individuen, welche die ,niedere Gleichgiltigkeit' gewonnen und diese Welt aufgegeben haben, aber noch nicht zur unterscheidenden Erkenntniss gelangt sind, hat schon oben S. 146 gehandelt werden müssen.
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nur die Veranlassung seines Entstehens, sondern auch das Mittel, durch welches es hervorgebracht wird ^). Da upä- dana und nimitta unter dem Begriff kärana zusammen- gefasst werden, hat die philosophische Terminologie Indiens auch für Produkt und Wirkung nur den einen Ausdruck Mrya: der Topf ist das Mrya des Thons, aber ebenso ist auch der Tod des getroffenen Thieres das hdrya des Schusses. Nur in Ausnahmefällen, wenn zwischen den Begriffen des Produkts und des Effekts genau unterscliieden werden soll, sind zu diesem Zwecke die Adjektiva awpäddnika und naimittika verwendet.
Das Eintreten eines Ereignisses ist gewöhnlich durch eine ganze Reihe bewirkender Ursachen bedingt, die keineswegs in analogen Fällen die gleichen zu sein brauchen; die materielle Ursache eines Dinges da- gegen ist stets dieselbe: ein bestimmtes Produkt kann immer nur aus einer bestimmten materiellen Ursache her- vorgehen; der Topf nur aus Thon, das Tuch nur aus Fäden "-). Deshalb wird auch die materielle als die Haupt- ursache für die Hervorbringung eines Produkts angesehen,
^) Die VaiQeshika-Nyäya- Philosophie nimmt dreierlei Ur- sachen an, d. h. ausser den beiden genannten eine dritte, die man als formale bezeichnen kann. Anstatt upadäna-kärana, aber genau in der gleichen Bedeutung, gebraucht sie den Terminus samaväyi- kärana ,inhärirende Ursache' und stellt daneben das asamaväyi- härana ,die nicht-inhärirende Ursache'. Die Fäden sind die in- härirende (d. h. materielle), die Verbindung der Fäden ist die nicht-inhärirende (d. h. formale) Ursache des Tuches. Die Werk- zeuge des Webers, seine persönliche Geschicklichkeit, seine Thätig- keit, ja der Weber selbst sind die bewirkenden Ursachen des Tuches. Das Tuch selbst ist die inhärirende Ursache seiner Qualitäten, die Qualitäten der Fäden sind die nicht-inhärirende Ursache der Qualitäten des Tuches. Vgl. hierüber unter anderm Ballantyne, Lectures on the Nyäya Philosophy, Allahabad 1849, p. 22 ff., Röer, Bhäshäpariccheda Introd. p. VIII, Hall, Rational Refutation p. 94, Anm. f.
2) Vgl. (auch zu den folgenden Ausführungen) Sämkhyakärikä 9, Sütra I. 115—117.
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während die bewirkenden als begleitende oder Nebenur- sachen (sakakäri-hdrana) gelten.
Weil die bewirkenden Ursachen kein neues Ding hervorbringen, sondern allein die Entstehung von Ver- änderungen an dem schon vorhandenen veranlassen ^), so beschäftigt sich die S ä m k h y a - Lehre von dem Kausal- zusammenhang der Dinge lediglich mit dem Begriff und Wesen der materiellen Ursache.
Unser System geht von dem Grundsatze aus : ex niliilo nihil fit (nd 'vastuno vastu-siddhih) ^), mit anderen Worten : „Es giebt keine Verbindung zwischen dem Seienden und Nichtseienden" (sad-asatoli sambandhänupapattih) '^) oder : „Ein Ding kann nicht die Ursache seiner selbst sein" (svasya sva-käranänwpapattih) *). Mit der noch entschie- deneren Formulirung dieses Grundsatzes: „Eine Substanz kann nur aus einer Substanz hervorgehen" (dravyasi/ai 'va dravyopädänatvam) ^) wendet sich das Sänikhya- System zunächst gegen die theologische Erklärung der Weltentstehung durch einen Schöpfungsakt; ein solcher Akt könnte nur die bewirkende, aber nicht die materielle Ursache der Welt sein, da das Handeln eine Qualität ist ''). Es wird aber weiterhin der Satz, dass Qualitäten nicht materielle Ursachen von Substanzen sein können, auch zur Bekämpfung der Vedänta -Lehre benutzt, nach der die Erscheinungswelt auf dem Nichtwissen beruht.
Das Verhältniss von Ursache und Wirkung (resp. Produkt) ist für unser System nicht einfach der Zusam- menhang des zeitHch vorangehenden und nachfolgenden ''). Auf Grund der Erwägung, dass jedes Produkt seine mate- rielle Ursache in sich begreift, dass das erstere nicht ohne
1) Vijn. zu Sütra I. 120.
2) Sütra I. 78, 80.
3) Vijii. zu Sütra I. 113. *) Vijn. zu Sütra I. 62.
5) Vijn. zu Sütra 1. 63,
6) Sütra I. 81. ') Sütra I. 41.
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»die Fortdauer der letzteren möglich ist, hat die Säm- khya-Philosophie die Lehre von der Identität beider (kärya-härand-bheda) aufgestellt, womit gemeint ist, dass das Produkt sich von seiner Ursache nicht der Substanz, sondern nur den Qualitäten nach unterscheidet. Das Diadem ist nichts anderes als das Grold, das irdene Gefäss nichts anderes als der Thon, das Tuch nichts anderes als die Fäden, aus denen es besteht i). Aus dieser Identität — oder, wie wir sagen würden: Coexistenz — von Ur- sache und Produkt folgt, 'dass von der Entstehung (utpatti) eines Produktes nicht gesprochen werden darf, dass vielmehr die sogenannte Entstehung eine Manifesta- tion, ein In-die-Erscheinung-treten (abhivyakti) ist. Und wie das Produkt nicht entsteht, weil es bereits in seiner materiellen Ursache existirt, bevor es in die Erscheinung tritt, so geht es auch nicht zu Grunde, sondern tritt nur aus der Erscheinung, indem es in seiner Ursache wieder verschwindet oder aufgeht (laya, tirohhäva). Die Mani- festation ist also der gegenwärtige Zustand (var- tamänävasthä) des Produkts, das angebliche frühere Nicht- sein der zukünftige (andgatävasthä) miA das angebliche spätere Nichtsein der vergangene Zustand (aätd- vastM) -). Die materielle Ursache ist vor der Manifestation des Produkts nichts anderes als dieses Produkt im Zustande der Zukunft, und das Produkt nach dem Ende der Manifes- tation nichts anderes als die materielle Ursache im Zustande der Vergangenheit. Jedes stoffliche Ding ist also, bevor es in die Erscheinung und nachdem es aus der Erscheinung getreten ist, genau so real als während der zwischen diesen beiden Grenzen hegenden Zeit; nur seine Form oder sein
^) In der Sämkliya-tattva-kaumudi zit Kärikä 9 (S. 562 meiner Uebersetzung) sind hierfür nicht weniger als vier syllogistische Beweise beigebracht worden.
2) Die Vai9eshika-Nyäya-Lehre von der prioren und posterioren Nichtexistenz (pürväbhäva , dhvmisa oder pradhvamsa) wird in den S am khya- Schriften mit grosser Energie bekämpft.
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Zustand ändert sich. Durch diesen Gedankengang ') ist die S ä m k h y a - Philosophie zu der ,Lehre von der ewigen Realität der Produkte' (sat-kdrya-väda) gelangt, einer für das System so charakteristischen Theorie, dass dieses nicht selten mit dem eben angeführten technischen Ausdrucke bezeichnet wird 2).
Da der Satz von der Ewigkeit und Unzerstörbarkeit des Stoffes ein Grundpfeiler unseres philosophischen Ge- bäudes ist, so werden wir auch die Lehre, aus welcher dieser Satz abgeleitet ist, für ebenso alt halten müssen als das Sämkhya -System selbst. Es ist für die Ge- schichte der indischen Philosophie im Allgemeinen von Wichtigkeit, diesen Punkt festzustellen, weil die Theorie der Identität von Ursache und Produkt sich auch im Vedänta- System findet, und zwar mit genau derselben Begründung wie in den Sämkhya- Schriften. Man ver- gleiche in Deussen's System des Vedänta auf S. 275 — 280 besonders die Abschnitte „die Ursache besteht in der Wirkung fort", „die Wirkung besteht schon vor ihrem Entstehen, nämlich als „Ursache", „die Wirkung liegt in der Ursache präformieii", „Allgemeinheit der Identität von Ursache und Wirkung". Die V e d ä n t a - Philosophie hat diesen Gedanken benutzt um die Lehre der Identität von B rahm an und Welt zu beweisen. Darüber bemerkt Deussen S. 275: „So grändet sich die Identitätslehre „unserer Autoren auf eine Untersuchung des Kausalitäts- „begriffes, und es ändert an diesem Verhältnisse nichts, „dass in dem uns vorliegenden Werke [den Brahma-
1) Vgl. über denselben Kärikä 9, Sutra I. 113—123, V. 60, VI. 58, Anir. und Vijn. zu I. 45, 91, Vijn. zu I. 1, Sarva-dar9ana- samgraha p. 224, 225 der Uebersetzung, Colebrooke, Mise. Ess. 2
I. 265, 266.
2) Dementsprechend beissen die Anhänger des Sämkhya- Systems sat-kärya-vädin im Gegensatze zu den asat-kärya-vädin genannten Vertretern der Vai^eshika-Nyäya -Philosophie, nach deren Meinung das Produkt vor seiner Hervorbriugung nicht existirt. Vgl. Hall, Rational Refutation p. 94 Anm.
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-„sütra's nebst ^anikara's Commentar] zuerst 2, 1, 14 „die Lehre der Identität von Braliman und Welt mit vor- „wiegend theologischer Begründung, und sodann 2, 1, „15 — 20 gleichsam als ein CoroUarium derselben der Beweis „der Innern Identität von Ursache und Wirkung auftritt". Wenn auch D e u s s e n hinzufügt , dass die logische Ord- nung vielmehr umgekehrt sei, dass aus der Identität der Ursache und der Wirkung die Identität des B r a h m a n und der Welt folge, so dürfen wir doch annehmen, dass die Behandlung dieses Gegenstandes in dem Hauptwerk der Vedänta- Schule sich durchaus an die historische Entwickelung der Beweise für die Identitätslehre anschliesst. Die Vedänta- Lehrer haben mit richtigem Blick für das, was ihre Ansichten stützen konnte, der ursprünglich ,vor- wiegend theologischen Begründung', d. h. den aus der Schrift abgeleiteten Gründen, als ,Corollarium' die Begründung durch einen von der Sänikhy a- Philosophie erarbeiteten Lehr- satz hinzugefüg-t. Wenn wir vor der Alternative stehen, ob die Argumentirung mit dem Beharren der Sub- stanz zuerst in einem Systeme gehandhabt ist, dem die Erscheinungswelt für illusorisch gilt, oder in einem Systeme, das diese für real erklärt, so werden wir kaum zweifeln dürfen uns für das letztere zu erklären.
6. Die Produkte, besonders die feinen und groben Elemente.
Allen Produkten sind mit der Urmaterie die folgenden Eigenthümlichkeiten gemeinsam. Sie bestehen aus den drei G u n a ' s , sind stofflich nicht von einander zu unter- scheiden, stehen als Objekte den Subjekten, d. h. den Seelen, gegenüber — und zwar in der Weise, dass ein jedes für mehrere oder viele Seelen gemeinschaftliches Objekt ist — , und schliesslich sind sie ungeistig und produktiv (oder der Veränderung unterworfen) ^). Anderer-
1) Kärikä 8, 11, 14, Sütra I. 126. Gaurlapäda zu Kärikä 11
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seits giebt es eine ganze Reihe von Qualitäten, durch welche die Verschiedenheit der Produkte von der Urmaterie be- dingt ist; diese sind bereits bei der Beschreibung der Urmaterie S. 208 aufgezälilt worden.
Wie wir bei derselben Gelegenheit sahen, findet nach der S am khya -Lehre die Weltentfaltung in der Weise statt, dass aus der .Urmaterie zuerst die Buddhi, aus dieser der A h a m k ä r a , aus diesem die Sinnesorgane und die Grundstoffe, und aus den letzteren die groben Elemente hervorgehen. Bei jedem einzelnen Evolutionsakt werden die hervorbringenden Principien — d. h. die Buddhi, wenn sie den Ahamkära, der Ahamkära, wenn er seine Produkte entstehen lässt, u. s. w. — von der Urmaterie mit der zur Weiterentwickelung erforderlichen Kraft erfüllt ; denn wenn die einzelnen Principien aus eigener Kraft je das nächstfolgende hervorbringen könnten, so würde dieser Process zu jeder Zeit stattfinden müssen, da die in Betracht kommenden Produkte ihrem Wesen nach wieder produktiv sind ^).
Ehe sich aus der groben Materie die Leiber der be- seelten Wesen entwickelt haben, sind bereits die feinen Substanzen vorhanden gewesen, aus denen die inneren Organe der Wesen bestehen. In welcher Weise dieSäm- k h y a - Philosophie sich die selbständige Existenz der Buddhi, des Ahamkära und der Sinnesorgane denkt, wird nirgends in unsern Texten gesagt und ist auch aus dem Zusammenhang der Lehren nicht zu ersehen. V i j n ä - nabhikshu sagt am Schluss seines Commentars zu Sütra L 63, dass die Schöpfung aus der kosmischen Buddhi (samaslid-buddM)^ nicht aus einer individuellen (vyashti- huddhi) hervorgegangen sei, und deutet durch ein ,u. s. w.'
erklärt avivehin (.[stofflich] nicht [von einander] zu unterscheiden') als jkein Unterscheidungsvermögen besitzend'. Das ist deshalb unrichtig, weil das Unterscheidungsvermögen die charakteristische Eigenthümlichkeit der Buddhi ist. ^) Aniruddha zu Sütra I. 132.
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(ddi) an, dass auch die nächsten Evolutionsstadien in dem- selben Sinne zu verstehen sind. Wie aber eine solche feine Substanz — wir würden sagen ,die Nervensubstanz', da die Funktionen von Buddhi, Ahamkära, Manas und Indriya's den Funktionen des Nervensystems ent- sprechen — ohne einen animalischen Organismus bestehen und sich fortentwickeln kann, wie sie sich ferner in Theile spaltet, um bei der Entstehung der Leiber die individuellen inneren Organe zu bilden, das sind Räthsel, die unser System ungelöst lässt ^\ Es wird einfach gelehrt, dass der innere Leib (linga)^ der im wesentlichen aus den Organen besteht, von denen hier die Rede ist, ursprünglich nur einer gewesen sei, dass aber eine Spaltung in Individuen (vyokti-bheda) eingetreten sei, ,wegen der Verschiedenheit des Werkes', d. h. der den einzelnen Seelen eigenen mora- lischen Bestimmtheit -). Hiernach ist also die Spaltung durch das Gesetz der Vergeltung bedingt, aber eine Erklärung des Vorgangs selbst wird uns nicht gegeben. Wir müssen uns damit bescheiden zu constatiren, dass für die Säui- khya -Philosophie die Substanzen der inneren Organe als die ersten und feinsten Entfaltungen der Urmaterie gelten. Da im übrigen die Buddhi, der Ahamkära und die Sinnesorgane für das System nur als Theile des animalischen Organismus von Bedeutung sind, so werden wir gut thun ihre nähere Betrachtung für das folgende Kapitel ,Physio- logie' aufzusparen und uns zu den Grundstoffen zu wenden. Die Sämkhya- Lehre lässt die Grundstoffe zusammen mit den Sinnesorganen aus dem kosmischen Ahamkära hervorgehen und erklärt die Verschiedenaiiigkeit seiner Produkte folgendermaassen. Wenn der Ahamkära den inneren Sinn (das innere Wahrnehmungsorgan, manas)
1) Die schon S. 189, 190 erwähnten naythologischen Spielereien Vijnänabhikshu's, der die kosmische Buddhi mit Vishnu, den kosmischen Ahaiiikara mit Brahmau und Qiva identificirt, sind flir die Frage bedeutungslos.
*) Sütra m. 10.
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aus sich entlässt, so stellt er unter dem Einfluss des (in allen Erkenntnissfunktionen wirkenden) S a 1 1 v a und heisst in diesem Fall vaikrta oder vaikäriha ,modilicirt' ; wenn er die fünf Sinne der Wahrnehmung und die fünf Sinne des Handelns hervorbringt, so steht er unter dem Einfluss des (zur Thätigkeit anregenden) Rajas und heisst dann taijasa ,wirksam'; wenn er die Grundstoffe hervorbringt, so steht er unter dem Einfluss des (in allem leblosen weit überwiegenden) Tamas und wird in diesem Zustande bhütddi , Ausgangspunkt der Elemente' genannt ^).
Die feinen Elemente (sukshma-bhüta, hhida-sukshma) oder Grundstoffe führen gewöhnlich den Namen tanmätra, etymologisch ,nur dieses', womit ausgedrückt werden soll, dass in jedem Grundstoff einzig und allein dessen specielle Eigenthümlichkeit raht -). Das ist so zu verstehen. Während von den fünf groben Elementen das nachfolgende jedesmal die Eigenschaft des vorangehenden mitbesitzt in der Weise, dass der Aether (als Träger des Tons) gehört, die Luft gehört und gefühlt, das Feuer gehört, gefühlt und gesehen, das Wasser gehört, geftihlt, gesehen und gescluneckt, die Erde gehört, gefülilt, gesehen, geschmeckt und gerochen wird, haben die fiinf Grundstoffe nur je eine Eigenschaft und heissen deshalb nach der Reihe der Gmndstoff des Tons, des Gefühls, der Farbe, des Gesclnnacks und des Geruchs (^abda-, sparca-, rüpa-, rasa-, gandha-tanmdtra)^).
1) Kärikä 24, 25, Sütra II. 17, 18, Sarva-dargana-samgraha p. 222 der Uebersetzung, Sämkhya-ki-ama-dipikä Nr. 18, 19, 54, 61.
2) Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 38, Vijn. zu Sütra 1.62, Wilson, Sänkhya Kärikä p. 121, Ballantyne, Lectui-e on the Sänkhya Philosophy p. 10 unten. Es ist mir jedoch nicht ganz sicher, ob nicht F. E. Hall (in seiner Ausgabe von Wilson' s Uebersetzung des Vishnu Puräiia I. 37 Anm.) damit Recht hat, dass er tan-mätra als eine Verstümmelung von tanu-mätra ,geringe Ausdehnung habend' erklärt.
^) Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 22 ; Vijii. zu Sutra I. 62 schreibt bereits den feinen Elementen die Characteristica der groben in der gleichen Häufung zu.
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Diese Grundstoffe sind als solche nur von den Göttern und Y 0 g i n ' s , aber nicht von uns gewöhnlichen Menschen- kindern wahrzunehmen ^) ; wir erkennen nur ihre Wir- kungen in den Eigenschaften der Derivate, d. h. der gi-oben Elemente. Die Grundstoffe besitzen ihre Characteristica nur in abstracto: der Ton-Grundstoff den Ton, aber noch nicht die verschiedenen möglichen Töne, die wir hören; der Gefühls-Grundstoff das Gefühl, aber noch nicht die Varietäten w^eich, hart, rauh, schlüpfrig, kalt, warm u. s. w.; der Farben- Grundstoff die Farbe, aber noch nicht die Varietäten weiss, roth, schwarz, grün, gelb u. s. w.; desgleichen der Geschmacks-Grundstoff noch nicht die ver- schiedenen Arten des Geschmacks, der Geruchs-Grundstoff noch nicht die verschiedenen Arten des Geruchs. Darum theilen auch die feinen Elemente noch nicht die Eigen- schaft der groben Materie, je nach dem Vorwalten eines der drei Guna's entweder Freude oder Schmerz oder Apathie zu erregen; oder technisch: sie sind noch nicht Qänta, ghora oder müdha. Aus diesem Grunde werden sie avicesha ,die unterschiedslosen Substanzen' genannt, im Gegensatz zu den vicesha oder den mit Unterschieden behafteten groben Elementen 2). Wenn auch die Grund- stoffe von ausserordentlich kleiner Ausdehnung sind, so darf man ihnen doch nicht Untheilbarkeit zuschreiben; denn kein Produkt ist untheilbar. Die Tanmätra's sind also etw^as ganz anderes als die ewigen und unend- lich kleinen Atome (anu, paramänu) der Vai9eshika- N y ä y a - Philosophie und des Jinismus, und die Lehre von
1) Vijn. zu Sütra I. 62, III. 1.
«) Sämkhya-krama-dipikä Nr. 19—24, Kärikä 38 nebst den Commentaren, Vijn. zu Sütra I. 62. — Die weiteren Synonyma, die man noch in der Särnkbya-krama-dipikä Nr. 25 angeführt findet (prakrti, ahhogya, anu, acäntä-''ghorä-''müdha), sind nichts als gelegentlich in unsern Texten gebrauchte Epitheta ; mahä-bhüta ist dort irrthümlich dazu gerechnet und bezeichnet in Wirklichkeit die groben Elemente.
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den Atomen wird deshalb im Sämkhya- System mit Ent- schiedenheit zurückgewiesen. Die Anhänger der atomis- tischen Systeme nelmien an, dass ein Aggregat von drei an sich keine Ausdehnung besitzenden Atomen (try-anuka) — nach einigen: von drei Doppel- Atomen (dvy-anuka) — ■eine gewisse Ausdehnung habe und als das im Sonnen- licht zitternde Staubkörnchen (trasa-renu) sichtbar sei. Diese Ansicht und deren Begründung, dass die heterogene Natur der sich verbindenden Atome die Ursache der Aus- dehnung und Sichtbarkeit sei, wird von der Sämkhya- Philosophie ') durch Berufung auf das Gesetz bekämpft, demzufolge jede Eigenschaft eines Produkts durch eine gleichartige Eigenschaft der materiellen Ursache bedingt ist ; wenn die einzelnen Atome keine Ausdehnung besitzen, kann auch das Aggregat nicht ausgedehnt sein -).
Woher stannnen aber die charakteristischen Eigen- schaften der Tanmätra's, Farbe, Geschmack, Geruch u. s. w,, da doch die in dem Entwickelungsgange der Welt vorausliegenden Produkte solche Eigenschaften nicht be- sitzen ? Auf diese Frage antwortet Vijnänabhikshu-'): „Die Ursache für die Farbe und die anderen Characteristica „der feinen Elemente ist lediglich die besondere Art, in „der sich die Substanzen, welche die materielle Ursache „jener sind [d. h. die Substanzen der Buddhi und des „Ahamkära] mit einander verbinden, — entsprechend „den Thatsachen der Empirie, wie z. B. der, dass die Ver- „ bin düng von Gelb würz mit anderen [Stoffen, wie Kalk „u. dergl.] die Ursache für die rothe Farbe an der durch „[die Mischung] zweier solcher [Stoffe] entstandenen Sub- „ stanz ist."
Die Lehre von den Tanmätra's begegnet uns selbst-
1) Ebenso wie im Vedänta; s. (^amkara zu dem Brahma- süü-a Tl. 2. 12: „Alles zusammen könnte nur die Grösse eines ■einzigen Atoms haben."
2) Sütra V. 87, 88, Yiju. zu I. 62.
3) Zu Sütra I. 62.
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verständlicli in der Yoga-Philosopliie wieder, ist aber im übrigen das specielle Eigenthum der Sänikbya- Schule geblieben ; auch im Vedänta wird sie nicht anerkannt i). Ihre älteste Erwähnung findet sich Katha Upanishad IV. 8 und Maitri Up. EL 2 2).
Aus den Grundstoffen entstehen die groben Elemente (sthüla-hhüta ^ mahä-hhüta , auch bloss bhüta, vigesha)^) in folgender Weise. Ohne irgend eine Verbindung einzu- gehen, nur durch die Urmaterie gestärkt *), entwickelt sich der Ton-Grundstofi" zu dem groben Element Aether (äkäga, Jcha); aus' der Verbindung des Ton-Grundstoffs mit dem Gefülils-Grundstoff geht die Luft (väyu) hervor; durch das Hinzutreten des Farben-Grundstoffs entsteht das Feuer (tejas)^ durch das des Gesclunacks-Grundstoffs das Wasser (ap), durch das des Geruchs-Grundstoffs die Erde (prthivi) ^). Diese fünf Elemente vermischen sich, um die materielle Welt zu bilden und wirken in dieser, indem ein jedes durch Bethätigung seiner besonderen Eigenschaft die vier anderen unterstützt. Das Element Erde ist bei der Ent- stehung der Produkte die allgemeine Grundlage (dliärana), das Wasser wirkt befeuchtend und befruchtend (kledana), das Feuer, resp. das Licht und die Wärme, reifend (päcaha)^ die Luft trocknend (goshana) und der Aether dadurch, dass er für alle Dinge den Raum giebt (avakäca-dänena) '^).
Bei dieser Gelegenheit ist zu bemerken, dass die S ä m - k h y a - Lehre (in LTebereinstimmung mit dem Mimämsä-, Vedänta- und Yoga- System und vielleicht unter An- eignung eines ihr ursprünglich fremden Gedankens) nicht
1) Vgl. Deusseu bei Weber, Indische Studien XVII. 160.
-) Vgl. Regnand, Materiaux pour servir ä l'histoire de la Philosophie de l'Inde IL 31, 32.
^) Die weiteren Namen in der Liste Sämkhya-krama-dipikä Nr. 33 (vikära, cikrti, tanu, vigraha, cänta-ghora-müdlia) sind keine wirklichen Synonyma.
^) S. S. 2.34.
^) Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä.22.
^) Sämkhya-krama-dipikä Nr. 32.
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nur das Licht, sondern auch dessen Gegentheil, die Finster- niss, für etwas reales erklärt; ihre Anhänger suchen die vernünftige Anschauung derVai9eshika-Nyäya- Philo- sophie, nach der die Finsterniss nichts anderes als die Negation des Lichtes ist, dadurch zu widerlegen, dass sie behaupten, die Finsterniss werde als eine schwarze Farbe oder gar Substanz wahrgenommen, und dass sie diesen Satz durch allerlei scholastische Gründe vertheidigen ^).
Die aus den fünf groben Elementen gebildete an- organische Welt heisst technisch anugraha-sarga ,die Schöpfung [der Objekte] zu Gunsten [der Subjekte]' 2), — eine Bezeichnung, die das Yerhältniss wiederspiegelt, welches gewöhnlich durch die Gegenüberstellung von bhogya ,das zu geniessende' und bhoktar ,Geniesser' zum Ausdruck ge- bracht wird.
Zwischen der anorganischen und der organischen Natur besteht eine unüberbrückbare Kluft; denn wenn auch die Materie in der letzteren aus denselben Elementen be- steht, wie in der ersteren, so besitzt doch jedes lebende Wesen etwas, das nun und nimmermehr aus den ftinf Elementen hervorgehen kann : den Geist, die Seele. Wenn der Geist eine dem organischen Körper wesentliche Eigen- schaft wäre, so „würde es für die Gesammtheit [der Lebenden] „keinen Tod, keinen Tiefschlaf und keine [Ohnmacht] „geben. Denn Tod, Tiefschlaf und [Ohnmacht] bedeute/i';;. „die Ungeistigkeit des Körpers, und diese könnte nicht
1) Anir. und Vijii. zu Sütra I. 62.
-) Wenigstens nach Sämkhya-krama-dipikä Nr. 71 , wo gesagt ist, dass der (im Tattvasamäsa Sütra 19 genannte) anugraha-sarga durch die Entstehung der Aussendinge aus den fünf feinen Elementen zu Stande komme. Inder P u r ä n a - Literatur wird anugraha-sarga mit pratyaya-sarga verwechselt, unter welchem Terminus, wie wir weiter unten sehen werden, die vier Zustände des Nichtwissens, des Unvermögens, der Befriedigung und der Vollkommenheit zu- sammengefasst werden. S. die Belege in Wilson' s Uebersetzung desVishnu P u r ä n a (herausgegeben von F. E. Hall) I. 76 Anm., wo übrigens die Verwechselung der Worte nicht erkannt ist.
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„eintreten, wenn der Geist dem Körper wesentlich wäre, „da das Wesen eines Gegenstandes so lange währt als „dieser selbst i)."
In dem folgenden Kapitel haben wir uns zunäclist mit den ungeistigen Bestandtheilen der organischen Körper und ihrer Funktionsweise zu beschäftigen.
1) Vijii. zu Sutra III. 21. Ueber die weitere Polemik der Sämkhya- Schriften gegen den Grundsatz der Materialisten, dass der Geist nichts von dem Körper verschiedenes sei, sondern durch die Vermischung der fünf Elemente entstehe, ist schon oben S. 125 Anm. gehandelt worden.
Garbe, Sämkhya-Philosophie. 16
n. Physiologie.
1. Der Organismus im Allgemeinen.
Die höhere und niedere Organisation bedeutet keine principielle Verschiedenheit der Leiber. Alle Körper, in denen eine Seele wohnt, d. h. die der übermenschlichen Wesen, der Menschen, Thiere und Pflanzen, sind aus den gleichen Bestandtheilen zusammengesetzt. Wenn auch die Pflanzen nicht die Fähigkeit Aussendinge wahrzunehmen, sondern nur ein innerliches Bewusstsein besitzen (antali- sainj'fia), wenn sie auch in rein passiver Weise zum Aufent- halte von Seelen dienen, die bestimmte Vergehen früherer Existenzen abzubüssen haben, und nicht selbst zu handeln, d. h. aufs neue Verdienst und Schuld anzuhäufen ver- mögen, so haben sie doch einen Körper so gut wie Menschen und Thiere; denn in gleicher Weise, wie der animalische Leib, wächst auch der Pflanzenleib und hat ein Ziel seines Wachsthums; wie der animalische Leib nach dem Tode in Verwesung übergeht, so verdorrt oder verfault auch der Pflanzenleib nach seiner Zerstörung ^).
Die organische Welt (bhüta-sarga, bliautika-sarga^dhätu- samsarga) 2) wird gewöhnlich in drei Haupttheile zerlegt,
1) Siitra V. 122—124 (121—123 Vijfi.). Vgl. auch Vijn. zu Sütra VI. 7 , wo Gräser und Bäume mit Thieren , Menschen und Göttern vollständig coordinirt sind, und den Sämkliya- Abschnitt im Mahäbhärata XII. 6830—38, in dem freilich abweichend vom System den Vegetabilien auch äussere Sinne zugeschrieben werden.
2) Tattvasamäsa Sütra 21 ; vgl. Sämkhya-krama-dipikä Nr. 72 am Schluss.
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in das Reich der Götter, Menschen und Thiere (unter Ein- schliessung der Pflanzenwelt) ^) ; doch findet sich auch die folgende, von der Entstehungsart ausgehende Eiutheilung in sechs Erlassen, von denen freilich die Hälfte dem land- läufigen Aberglauben auf Rechnung zu setzen sind: die Wesen sind entweder 1) aus der Hitze geboren (i7shma-ja), wie Moskitos und andere Insekten, 2) aus dem Ei (anda- ja)^ wie Vögel und Sclilangen, 3) aus dem Mutterschooss (jaräyu-ja)^ wie Menschen u. s. w., 4) aus dem Keim (vd- hhij-ja)^ wie Bäume und Pflanzen, ö) durch den blossen Willen geschaffen (samkalpa-ja) ^ wie Sanaka, Manu und andere, oder 6) durch die Benutzung der zauberischen Kraft von Sprüchen, Kräutern und dergleichen ins Leben gerufen (sämsiddliika) -).
Ausser dem grob-materiellen Körper, der gewöhnlich (präyacah) von Vater und Mutter erzeugt wird und unter allen Umständen vergänglich ist •^), besitzt jedes organische Wesen einen feinen oder inneren Körper, der zusammen mit der Seele aus einem groben Leibe in den anderen zieht. Dieser innere Körper, welcher Sitz und Ursprung aller derjenigen Zustände und Funktionen ist, die wir als psychische zu bezeichnen pflegen, wird nach der Säm- khya- Lehre durch die Buddhi, den Ahamkära, das M a n a s , die zehn Indriya's und die fünf feinen Elemente gebildet. Bevor wir ihn als Ganzes ins Auge fassen, sind die einzelnen Organe, aus denen er sich zusammensetzt, in der angeblichen Reihenfolge ihrer Entstehung zu betrachten.
1) Kärikä 53, Sütra UI. 46.
') Sütra V. 111. Ueber die weitere Klassificirung der Unter- abtheiltuigen , die nicht wichtig genug ist um hier reproducirt zu werden, handeln die Commentare zu Kärikä 53 und Sütra III. 46, Sämkhya-krama-dipikä Nr. 72, Colebrooke, Mise. Ess.^ I. 258. Wegen der correspondirenden Anschauungen im Vedänta vgl. Deussen, S. 257—259.
3) Kärikä 89, Sütra III. 7.
16*
244
2. Die Buddhi.
Das erste der inneren Organe ist das der Unter- scheidung, der Feststellung, des Urtlieils und der Ent- schliessung (adliyavasäya) ^). Es führt den Namen huddhi ,Verstand', doch darf die etymologische Wortbedeutung nicht, wie häufig geschehen ist, zur Uebersetzung des Terminus gebraucht werden, da wir uns unter ,V erstand' ein geistiges Vermögen vorstellen und die Buddhi ein physisches Ingrediens des Organismus ist. Sein- häufig findet sich in unsern Texten anstatt huddhi die Bezeichnung malmt ,das grosse' (nämlich Princip, tattvd) oder masc. mahän ,der Grosse' 2). Diese Benennung gründet
1) Kärikä 23, Sutra I. 64, H. 13, Samkhya-krama-dipikä Nr. 8.
2) Die übrigen Synonyma, welche die Sänikhya-krama-dipikä in Nr. 16 noch anführt (manas , mati, brahmän, khyäti, prajnü, gruti, dhrti, prajnäna-samtati, smrti, dhi), sind der Purän a- Lite- ratur entnommen (s. W i 1 s 0 n ' s Uebersetzung desVishnu Puräna, herausgegeben von F. E. Hall, I. 30—32 Anm.)- Diese fingirte Synonymik ist in letzter Instanz zum Theil gewiss aus Stellen in älteren Werken abgeleitet (wie Maitri Up. VI. 31), wo das Wort buddhi in Aufzählungen von Begriffen neben einigen der genannten Ausdrücke steht.
lieber das Wort malmt bemerkt Wilson au dem eben an- geführten Orte I. 33 Anm.: "The word itself suggests some rela- "tionship to the Phoenician Mot, which, like Mahat, was the first "product of the mixture of spirit and matter, and the first rudi-
"ment of creation they agree in their place in the cosmo-
"gony, and are something alike in name." Dass aber die Aehn- lichkeit der Worte auf einem Zufall und die Uebereinstimmung der Ideen auf einem Missverständniss beruht, lehrt ein Blick in Movers' Phönizier I. 134. Hier erfahren wir, dass die Angabe Sanchoniathon's, der die Mö;t aus der Vereinigung des Geistes mit der Materie entstehen lässt und über dieselbe sagt: tovzo xives (pnoiv iXvv, oi Ss vSarcJSov? ui^sws arjxpiv, durch ein Miss- verständniss der egyptischeu Quelle zu erklären sei. Mmt heisst im Egyptischen Mutter und ist Beiname der Isis, weil diese die alle Wiesen aus ihrem Schoosse hervorbringende Erde repräsentirt ;
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sich auf die hervorragende Stellung, welche die Buddhi im Kreise der Organe einnimmt. Zwar ist die Wirksam- keit aller Organe auf ein und dasselbe Ziel gerichtet, in- sofern sie sämmtlich der Seele dienen; aber es besteht dabei eine förmliche Stufenleiter grösserer und geringerer Bedeutung. Ueber den äusseren Sinnen und den Organen des Handelns steht als Oberorgan das M a n a s , der innere Sinn, über diesem der Ahamkära, über dem Aham- k ä r a die B u d d h i i). In dem Vergleiche des animalischen Organismus mit dem Beamtenstaate ist die Seele der in vollständiger Passivität verharrende König und die B u d d h i der alles leitende Minister. Ein solcher Vorrang kommt der Buddhi deshalb zu, weil sie, obwohl sie der Thätigkeit der übrigen Organe nicht entrathen kann, in unmittelbarer Verbindung mit der Seele steht und dieser die Objekte des Erkennens und Empfindens darbietet; weil ferner die Wirksamkeit der übrigen Organe ohne das Eingreifen der Buddhi resultatlos verlaufen würde, und weil die Buddhi der Sitz sämmtlicher früheren Eindrücke, die unserm Denken und Handeln die Richtung anweisen, und damit auch des Gedächtnisses ist-). Kurz, wir haben in der Buddhi das
insbesondere aber hat man die Isis als den Theil der Erde ge- dacht, welchen der Nil überschwemmt und befruchtet.
^) Vgl. hierüber Sämkhya-tattva-kaumudi zuKärikä23: ^ Jeder ^Mensch des praktischen Lebens gebraucht [zuerst] die äusseren y Sinne, dann überlegt er [mit dem inneren SinnJ , dann setzt er .[mit dem Ahamkära den betreffenden Gegenstand] zu seiner ^eigenen Person in Beziehung: .Ich bin dazu berufen', dann ent- . scheidet er sich [mit der Buddhi]: ,Dies ist von mir zu thun', „und darauf handelt er, wie das aus dem täglichen Leben bekannt ^ist." In Wirklichkeit aber geht der Antrieb zur Thätigkeit der Sinne von der Buddhi aus, nach der sich die Sinne richten, ,wie die Bienen nach ihrem König' (Bhojaräja zu Yogasütra II. 54). Siehe näheres weiter unten in § 6.
-) Säinkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 37, Sütra I. 71, II. 40 — 45 (von Aniruddha irrthümlich auf das Manas bezogen), 47, Vijn. zu 11. 13, Mahäd. zu II. 39.
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eigentliche Werkzeug des Denkens zu sehen i), und des- halb wird sie auch hie und da mit dem in der Yoga- Philosophie beliebten -) Ausdruck citta ,Denkorgan' be- nannt % Wie die B u d d h i dadurch , dass sie in Folge ihres Wirkens der Seele zum Empfinden von Freude und Schmerz verhilft, die unmittelbare Veranlassung des Gre- bundenseins ist, so bringt sie andererseits auch die Er- kenntniss des Unterschiedes zwischen Geist und Materie zu Wege und bewirkt so die Erlösung 4).
Wenn auch eine unendliche Verschiedenheit hinsicht- lich der Natur der einzelnen Buddhi's besteht, so lassen sich doch zwei grosse Kategorien unterscheiden. Allgemein betrachtet, giebt es kein zweites Produkt der Materie, in dem das Sattva in so hohem Grade die beiden anderen Guna's, insbesondere das Tamas, an Machtfülle über- ragt, als es in der Buddhi der Fall ist; trotzdem macht sich auch hier ein relatives Vorwalten entweder des Sattva oder des Tamas in entscheidender Weise geltend. Wenn in der Buddhi eines Individuums das Sattva so viel als möglich von der Beimischung des Tamas geläutert ist, so äussert sich dieser Zustand in Tugend, Erkenntniss, Gleichgiltigkeit gegen die Sinnenwelt und übernatürlicher Kraft. Die oft erwähnten wunderbaren Kräfte, von denen namenthch in der Y o g a - Pliilosophie gehandelt wird,
1) Sütra I. 71, Vijn. zii II. 43.
2) Vgl. Paul Markus, Die Yoga-Philosophie S. 28.
3) Sutra I. 58, VI. 31, Vijn. zu I. 64', II. 43, Mahäd. zu III. 26, 74. Da das Denken (manana) alle Funktionen der Buddhi in sich begreift, wird diese auch vereinzelt (Sutra I. 71, II. 40) mit dem Namen des dritten luneuorgaus tnanas bezeichnet. Ferner wird recht häufig buddhi in übertragener Bedeutung zur Benennung des dreifachen G-esammt-Innenorgans (antahkarana-sämänya) ver- wendet, also der hervorragendste Theil zur Bezeichnung des Ganzen. In diesem Sinne steht auch einmal (^Sütra VI. 62) ahainkära. Vgl. hierüber Vijn. zu I. 64 (S. 82 meiner Uebersetzung) und Hall, Rational Refutation p. 11 Anm.
*) Kärikä 37, Sütra I. 58.
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sind') eine derBuddhi wesentliclie Eigenthümliclikeit, die nur durch die beiden anderen Guna's , verhüllt' wird. Wer durch erfolgreiche Ausübung der Yoga-Praxis die übernatürlichen Kräfte erlangt, gewinnt also nach dieser Anschauung keinen neuen Besitz, sondern räumt nur die Hindernisse hinweg, die der Bethätigung der einem Jeden ureigenen Fähigkeiten im Wege stehen. Gelangt in der Buddhi anstatt des Sattva das Tamas zu vorwiegen- dem Einfluss, so äussert sich dieser in Lastei'haftigkeit sowie als Mangel der Erkenntniss, der Gleichgiltigkeit und der übernatürlichen Kräfte. Es werden also an der Buddhi acht verschiedene Seiten als besonders bemerkenswerth hervorgehoben, von denen vier die Natur des Sattva und vier die des Tamas repräsentiren. Diese acht Seiten werden als Formen (rüpa) , Attribute (clharma)^ Produkte (Tcärya) und Zustände (bhäva) der Buddhi bezeichnet-). Sieben derselben , vor allem Tugend und Lasterhaftigkeit (oder Verdienst und Schuld, dharmädharmau) verstricken die Seele in das Weltdasein; nur eine, die Erkenntniss, führt zur Erlösung ■^).
Wenn auch das Wort buddhi in der Sanskritliteratur sehr oft zur Bezeichnung verschiedener geistiger Fähig- keiten und Thätigkeiten dient, so ist doch seine Verwen- dung im Sinne eines bestimmten Organs aus- schliesslich auf das Sämkhya- System beschränkt ; wo wir das Wort in dieser Bedeutung finden, liegt eine Beein- flussung durch Sämkhya- Lehren vor. Die Buddhi begegnet uns bereits in der Upanishad- Literatur da, wo wir auch sonst das Eindringen von Sämkhya- Anschau- ungen constatiren konnten, d.h. in der Katha, Pra9na, Maitri, ^"^etä^vatara und in späteren Upanishad's.
^) Nach VijS. zu Sütra II. 15 im Gegensatz zu Kärikä 4-3.
2) Kärikä 23, 40, 48—45, Sütra II. 14, 15, V. 25, Sämkhya- krama-dipikä Nr. 9 — 15, Coleb rooke, Mise. Ess. ^ I. 262, 263, Röer, Lecture p. 15, 16.
3) Kärikä 63, Sütra in. 73.
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Dasselbe gilt, um dies gleich im Zusammenhang zu erledigen, von dem zweiten inneren Organ der Sämkhya- Philosophie, dem Ahamkära^). Die Erwähnung des Ahamkära als eines speciellen Organs mit bestimmter Funktion ist ebenso ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Verfasser des betreffenden Werkes unter dem Einfluss unseres Systems gestanden hat -). Gehen wir nun zur Betrachtung dieses Organs über.
3. Der Ahamkära.
Wenn Wilson, Sänkhya Kärikä S. 92 sagt, dass der Ahamkära einen physischen, keinen metaphysischen Charakter hat, so trifft dies mit Bezug auf die anderen Organe, die hier behandelt werden, genau so zu; aber es ist von Interesse zu sehen, dass die wahre Natur dieser Principien zuerst nur an einem einzigen unter ihnen erkannt worden ist. Eine richtige Definition des oft miss- verstandenen Ahamkära hat H. Jacobi, Philosophische Monatshefte XIII. 420 gegeben , der ihn als das Princip bezeichnet, „vermöge dessen wir uns für handelnd und leidend etc. halten, während wir selbst, d. h. unsere Seele, davon ewig frei bleiben".
Die Funktion des Ahamkära ist also die Hei-vor-
^) S. Jacob 's Coucordauce unter den beiden Worten, Re- gnaud, Materiaux 11.91, 92, 96, Deussen, System des Vedäuta S. 357.
*) Dass in der Chändogya Up. VII. 25. 1 aharnkära eine ganz andere Bedeutung hat, als im S ä m k h y a - System , ist schon oben S. 17, 18 ausgeführt worden. — Merkwürdig ist die von Hall, Rational Refvitation p. 13 Anm. citirte Stelle aus der Nyäya-sütra-vi-tti p. 198: ahamharo ^ham ity abhimünah, sa ca carirädi-vishayako mithyä-jndnain ucyate\ denn hier finden wir die beiden eng zu- sammengehörigen Termini der Sä m khya- Schule ahcunkdra und abhimäna neben einander; ein weiterer Beleg für die von mir S. 119 Anm. 1 behauptete Abhängigkeit der Nyäya- von der S ä m k h y a - Philosophie.
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bringung von Wahnvorstellungen (abhimänaj, und zwar dei;jenigen Wahnvorstellungen, welche die Idee des Ich in rein materielle Dinge und Processe hineintragen ^). Solcher Art sind z. B. die Gedanken „I c h höre, fühle, sehe, schmecke, rieche, ich besitze, bin reich, mächtig, ich geniesse, er ist von mir getödtet worden, ich werde von den starken Feinden getödtet werden" -) ; denn alle derartigen Vor- stellungen verwechseln unsern Leib und unsere Organe mit dem von beiden grundwesentlich verschiedenen Ich, der Seele.
Bei der Betrachtung der von dem Ahamkära her- vorgebrachten Produkte lernten wir S. 236 drei verschiedene Formen dieses Organs, die durch das Vorwalten je eines der drei G u n a ' s bedingt sind, kennen, unter den Namen vailcrta (vaihärika)^ taijasa und hhütädi. Diese drei Formen bethätigen aber ihren speciellen Charakter nicht nur kos- misch durch die Erzeugung neuer Principien, sondern auch in der Handlungsweise der Individuen. Eine der jüngsten Quellen des S ä m k h y a - Systems '■^) erhöht die Zahl dieser im Handeln sich äussernden (karmätman) Formen des Ahamkära auf fünf, durch Hinzufügung zweier in der ganzen übrigen Literatur unbekannter Arten, des sänu- mäna und niranumäna, d. h. des ,schlussfolgernden' und ,niclit-schlussfolgernde]i' (?) Ahamkära. Es ist das eine spätere Ergänzung, die jedoch, wie wir aus den gleich folgenden Erklärungen sehen werden, aus der Natur des individuellen Verhaltens ihre Berechtigung ableitet. Der unter dem vorwiegenden Einfluss des Sattva stehende vaihta- Ah amkäva ist der Thäter der guten Werke (cubha-harma-kartar); der toyasa- Ahamkära, in dein das Rajas dominirt, ist der Thäter der bösen Werke (aquhha-karma-kartar)\ der von Tamas erfüllte hlmtädi- Ahamkära ist der Thäter der heimlichen Werke (nigüdha-
1) Kärikä 24, Sütra I. 72, II. 16.
2) Samkliya-krama-dipikä Nr. 17, 43; Vijn. zu Siitra I. 19, 141.
3) Tattvasamäsa Sutra 13 und Sämkhya-krama-dipikä Nr. 18, 61.
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karma-kartar) , die wahrscheiiilicli ihrer Qualität nach ebenso wohl gut als böse sein können i); der sänumäna- Ahamkära ist der Thäter dessen, was gut aber thöricht ist ((^ubha-müdlia-kartar) ^ der ?^^Van^^?na?^a- Aha mkära dessen, was böse und thöricht ist (acubha-müdha-kartar) 2). Obwolil unsere Quelle nichts daniber bemerkt, so dürfen wir doch aus dem Zusammenhang der Anschauungen schliessen, dass bei der Hinzufügung der beiden letzten Formen die Vorstellung geherrscht hat, dass der sänumäna- Zustand des Ahamkära auf einem gleichmässigen Prä- ponderiren des Sattva und Tamas über das Rajas, der w«ra?m??iana-Zustand auf einem ebenso gleichmässigen Präponderiren des Rajas und Tamas über das Sattva beruhe.
Wichtiger als diese ganze Schematisirung ist für uns die ihr zu Grunde liegende Idee, dass der Ahanikära das innere Thatorgan ist 3) und als solches seine Stelle zunächst der Buddhi, dem Denkorgan hat. Wie — von allen Verschiedenheiten im Einzelnen abgesehen —
1) Ballantyne sagt in der Uebersetzung der Sämkhya-krama- dipikä S. 33 unten "producer of thiugs good bat obscure".
-) Es ist nicht recht verständlich, warum Ballantyne trotz dieser deutliehen Erklärungen der Sämkhy a-krama-dipikä (in Nr. 61) auf S. 57 seiner Lecture in Nr. 95 die folgenden Be- trachtungen über die Bedeutung von sänumäna und niranumana anstellt: "We can get no account anywhere of this application of "these terms. Self-cousciousness 'not associated with iuference' "might possibly refer to the simple consciousness of existeuce; "whilst the consciousness 'associated with inference^ might refer "to the notion of the Egoist who has reasoned himself into the "belief that he himself constitutes all that is; but then the diffi- "culty would remain of tracing the connexion between this sense "and the functions assigned to these aspects of self-consciousness "under No. 61". Woher die wunderlichen Bezeichnungen stammen, ist freilich einstweilen dunkel; dass sie aber niemals einen von dem angegebenen wesentlich abweichenden Sinn gehabt haben können, lehrt der Zusammenhang, in dem sie auftreten.
3) Sütra VI. 54.
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die B u d d h i ihren Charakter hauptsächlich dem lichthaften Sattva, so verdankt der Ahamkära den seinigen im wesentlichen dem anregenden R a j a s.
Wenn wir bedenken, dass nach der Lehre der S ä ni - khja -Philosophie die moralische Qualität des Handelns der Wesen von der jeweiligen Mischung der drei Guna's in dem Ahamkära abhängig ist und dass Wollen und Sichentschliessen an sich keine geistigen, sondern physische Funktionen sind, so sollten wir meinen hier einen mecha- nischen Determinismus vor uns zu haben. Denn ein Handeln, das durch das LFeberwiegen einer bestimmten Substanz im inneren Organ in diese oder jene Richtung gedi'ängt wird, ist doch rein instinktiv. Dieser Annahme aber widerstreitet die Thatsache, dass die Sämkhya- Philosophie wie jedes andere indische System das Indivi- duum für seine Handlungsweise verantwortlich macht und dass sie zum Zwecke der Erlösung eine Reihe von An- forderungen stellt, deren Erfüllung nur unter der Voraus- setzung der Willensfreiheit möglich ist. Hier liegt also ein offenbarer Widerspruch zwischen einer charak- teristischen S ämkhya- Lehre und den allgemein-indischen in das System übernommenen Anschauungen vor; — ein Widerspmch , der in unseren Texten nicht gelöst wird und vielleicht den Vertretern des Systems selbst nicht völlig zum Bewusstsein gekommen ist.
Das Handeln wird in neuerer Zeit i) aus fünf ver- schiedenen Quellen (karma-yoni) abgeleitet: 1) aus der Energie (dhrti) im Allgemeinen, mit der etwas einmal beschlossenes durchgeführt wird; 2) aus der rituahstischen Frömmigkeit (craddhä)\ 3) aus dem Verlangen nach zu- künftigem Heil [sukhä sie!)-); 4) aus dem Mangel des
1) Nach Tattvasamasa Sutra 11 und Sämkhya-krama-dipikä
Nr. 59.
2) Das sich freilich auch nach den Erläuterungen der Sätn- khya-krama-dipikä wenig von dem vorangehenden Motiv unter- scheidet.
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Strebens nach Erkenntniss (avividishä), womit die Lust an sinnlichen Freuden gemeint ist; 5) aus dem Streben nach Erkenntniss (vimdishä).
4, Das Mauas oder der innere Sinn.
Das dritte innere Organ ist aus dem Ahamkära zusammen mit den äusseren Sinnen hervorgegangen und vermittelt die von diesen dargebotenen Objekte dem Aham- kära und der B u d d h i. Seine Name manas ist von den Commentatoren oft mit äntaram indriyam .innerer Sinn' erklärt und am besten so zu übersetzen. Das Wort bezeichnet, wie in allen philosophischen Systemen Indiens, so bereits in den ältesten Upanishad's i) ein Organ; im Sämkhya- System aber ist seine Bedeutung enger begrenzt als irgendwo anders. Wenn die Sämkhya-Lehrer dem Manas nicht die Funktionen des Wünschens und des zweifelnden Ueberlegens (samhalpa-vikalpau) zuschrieben -), so würde es lediglich ein an sich indifferentes Central- organ sein, das seinen jeweiligen Charakter den Funktionen der äusseren Sinne verdankt, denen es sich in dem Augen- blick angleicht, wenn diese in Thätigkeit treten. Ohne diese Verbindung mit dem inneren Sinn können weder die Wahrnehmungssinne noch die Thatsinne fanktionu-en. Die Anpassungsfähigkeit des Manas wird dem wechseln-
^) Und schon dort gilt als eine seiner vorzüglichsten Funk- tionen das Wünschen (samJcalpa) ; vgl. Regnaud, Materiaux IL 85—91, 93, 94.
2) S. unter anderm Sarva-dar^ana-samgraha (Ausgabe in der Bibl. Ind.) p. 148, 17, Anir. und Vijii. zu Sütra II. 30, Sämkhya- krama-dipikä Nr. 58. Wenn die Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 27 samhalpaka als ,bestimmend' fasst und meint, dass es die Funktion des inneren Sinnes sei, die von den äusseren Sinnen nicht in voller Deutlichkeit erfassten Gegenstände nach ihren charakteristischen Eigenthümlichkeiten zu unterscheiden, so ist dies sicher unrichtig; denn Väcaspatimi9ra schreibt damit dem Manas die Thätigkeit der Buddhi zu.
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den Benelunen eines Mannes verglichen, der sicli beim Verkehr mit einer Geliebten verliebt, mit einer gleichgiltigen Person gleichgiltig und mit einer andern noch anders zeigt >). Wenn auch die Lehre der Vai9eshika-Ny äy a- Philosophie, dass das Manas ein Atom sei, von unserem den Begriff des Atoms nicht anerkennenden System be- stritten wird, so lehrt dieses doch, dass das Manas eine geringe Ausdehnung besitze und nicht etwa den ganzen Körper erfülle. . Dies wird damit begründet, dass ver- schiedene Empfindungen nicht gleichzeitig entstehen. Wenn zu derselben Zeit im Kopf eine andere Empfindung wahrgenommen wird, als im Fuss, so liegt nur eine schein- bare Gleichzeitigkeit, in der That aber ein unmerkliches Aufeinanderfolgen vor ^).
5. Das innere Organ als Einheit.
Wiewohl Buddhi, Aharakära und Manas sich in der geschilderten Weise specifisch von einander unterscheiden =^) und in der Aufzählung der Principien ausnahmslos als besondere, weil successive entstandene, Wesenheiten gerechnet werden, finden wir sie in unseren Quellen doch überaus häufig als ein einheitliches inneres Organ (antahharana) zusammen gefasst. Ich glaube hierin einen Einfluss des Vedänta- Systems zu erkennen, für welches es nur ein — gewöhnlich manas genanntes — Innenorgan giebt''). Am entschiedensten tritt für die Einheitlichkeit des inneren Organs der vedantistische Ek- lektiker Vijüanabhikshu ein 5) ; er meint, dass dasselbe nur aus Bequemlichkeit nach dem Unterschiede der Funk- tionen als ein dreifaches behandelt werde und dass, wenn
1) Kärikä 27, Sütra II. 26, 27.
2) Sütra III. 14, V. 69—71 mit Aniruddha's Commentar.
3) Kärikä 29, Sütra IL 30.
*) S. Deussen, System des Vedänta S. 357. ^) Zu Sütra I. 64, n. 16.
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diese drei Formen als in dem Verhältniss von Ursache und Produkt zu einander stehend bezeichnet werden, damit nur der Unterschied dreier Zustände gemeint sei, ver- gleichbar den drei Zuständen von Same, Spross und Baum oder den aus einander entstehenden Absätzen des Rohres, das doch nichtsdestoweniger ein einheitliches Ganzes sei. Wenn das innere Organ nicht bloss seinen Funktionen nach, sondern realiter in verschiedene Theüe zerfiele, so würde wegen der zahlreichen Funktionen, wie Irrthum, Zweifel, Schlaf, Zorn u. s. w. noch eine viel grössere Zahl innerer Organe anzunehmen sein. Hiermit aber hat Vi- jfiänabhikshu, wie auch sonst, eine charakteristische Lehre unseres Systems verwischt, das von Hause aus die drei inneren Organe als zwar zusammenhängend, aber doch verschiedengeartet ansieht.
Die drei Organe werden in unseren Texten als Einheit vorzugsweise dann behandelt, wenn ihre Verscliiedenheit von der Seele, ihre Zugehörigkeit zu der materiellen Welt betont wird.
Dem Gesammt-Innenorgan (antahkarana-sämdnya) ge- hören nach der Sämkhya -Lehre diejenigen Qualitäten an, welche in der V a i 9 e s h i k a - und N y ä y a - Philosophie der Seele zugeschrieben werden : Freude, Schmerz, Begierde, Abneigung u. s. w. 1). Die Verwechslung von Seele und Innenorgan, die in unserm System als das am schwersten zu überwindende Hinderniss für die Erreichung der er- lösenden Erkenntniss gilt, — d. h. der landläufige Irrthum, der dem Lmenorgan geistige Natur, der Seele Thätigkeit und Willen zuschreibt, — wird nach der Sämkhya- Lehre durch die Nähe verursacht, in der das Innenorgan
1) Sütra VI. 62. Eine Entlelinimg aus dem Yoga -System, in Folge deren zum Theil specielle Eigenthümlichkeiten der Buddhi als ein Besitz des Gesammt-Innenorgans behandelt werden, ist die Theorie von den fünf Affektionen des Innenorgans, die ,entweder qualvoll oder nicht qualvoll' sind (Erkenntnissprocess, Irrthum, Einbildung, Schlaf und Erinnerung) ; Sutra 11. 33 = Yoga- sütra I. 5.
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sich bei der Seele befindet. Weil die Seele ihr Licht auf das Innenorgan ausgiesst, erscheint allen, denen der wahre Sachverhalt unbekannt ist, das Innenorgan als geistig und die Seele als handelnd, d. h. als wollend. Dass in Wirk- lichkeit aber kein innerlicher Zusammenhang zwischen beiden besteht und bestehen kann, wird in dem letzten Abschnitt dieses Buches erörtert werden.
Ueber den Sitz und Umfang des Innenorgans handeln unsere Quellen nicht; wir lesen nur, dass dasselbe von ,mittlerer Ausdehnung' (madhyama-parimdna) sei , womit gesagt sein soll, dass es weder unendlich klein noch un- endlich gross ist 1). Wenn wir die Funktionen überblicken, die den drei inneren Organen zugeschrieben werden, und uns dabei gegenwärtig halten, dass diese Organe für rein physisch erklärt werden, so ergiebt sich — wie schon oben S. 235 angedeutet wurde — , dass das Gesammt-Innen- organ der S ä m k h y a - Philosophie in dem animalischen Organismus genau die Stellung einnimmt, die von der modernen Wissenschaft dem Nervensystem angewiesen ist. Ich brauche, wenn ich diese Parallele ziehe, wohl kaum hinzuzufügen, dass keiner unter den Verfassern der Sä m- k h y a - Schriften eine Ahnung von der Physiologie des Nervensystems gehabt hat. Wenn es hierfür noch eines Beweises bedürfte, so würde er darin zu finden sein, dass nach der Sämkhya- Lehre die A t h m u n g als eine Thätig- keit oder Wesensausserung des Gesammt-Innenorgans zu betrachten ist ^).
Der Athem (prcinaj gilt in Indien als das Lebens- princip ; und zwar herrscht allgemein, schon in den älteren Upanishad's, die Anschauung, dass er den ganzen
1) Vijn. zu I. 65.
2) Kärikä 29, Sütra II. 31. Wenn es in Sütra V. 113 heisst, dass der Athem ,aus der Kraft der Sinne hervorgeht', so ist dies eine Erweiterung der oben angegebenen Theorie auf sämmtliche dreizehn Organe, die sich übrigens schon bei Gaudapäda zu Kar. 29 findet.
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Körper in fünf verschiedenen Formen durchdringe, die unter dem Gattungsnamen präna zusammengefasst werden. Diese fünf ,Lebenshauche' (wie man wohl am besten das Wort übersetzen wird) führen aber daneben noch besondere Namen. Der eigenthche Athem, der präna xar i^O'/hv, zieht nach Sämkhya-tattva-kaumudi zuKärikä 29 — es ist dies die Quelle, welche in der Sämkhya- Literatur die Wirkungsgebiete der Lebenshauche am aus- führlichsten beschreibt — von der Nasenspitze durch das Herz und den Nabel bis zu den grossen Zehen ; der ,Ab- hauch' (apäna) wirkt in den Halswirbeln, im Rücken, in den Beinen, im After (von wo er entAveicht), in den Genitalien und den Rippengegenden; der ,Mithauch' [samäna, in der indischen Medicin das Princip der Verdauung) im Herzen, im Nabel und in allen Gelenken ; der ,Aufhauch' (udäna) im Herzen, Hals, Gaumen, Schädel und zwischen den Augen- brauen ; der ,Durclihauch' (vyäna) in der Haut (als ,das Princip, welches die Cirkulation der Säfte vermittelt und Schweiss und Blut in Bewegung setzt', Petersburger Wörterbuch) ^). JohnDavies, Bhagavadgltä translated, Introd. p. 15, bemerkt über diese Theorie, freilich unter der irrigen Annahme, dass sie das specielle Eigenthum der Sämkhya- Philosophie sei : "These inventions are not more crude "than that of the vital spirits, of which physicians and "men of science used to speak, even in the last Century, "Tliey denote that Kapila had a dim perception of the "fact that there are vital forces at work in the human "System more subtle than inanimate matter."
Wenn der Athem nach indischer Anschauung den ganzen Organismus durchströmt, ihn ernährend und er- haltend, so lag es nahe genug, ihm auch den grössten Einfluss auf die Bildung des Körpers zuzuschreiben; und so lehrt die Sämkhya- Philosophie, dass der Athem
!
^) Vgl. noch Gaudapäda zu Kar. 29, Sämkhya-krama-dipikä Nr. 60; Regnaud, Materiaux 11. 43—78, Deussen, System des Vedänta 353—56, 359—63.
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zwar nicht unmittelbar, aber durch die Verbindung mit der Seele — oder technisch: unter der Leitung der mit ihm verbundenen Seele — das den Körper bildende Princip sei. Dabei ist jedoch nicht zu vergessen, dass die , Leitung' (adhishthdna, adMshthätrtva) der Seele nicht in einer aktiven Antheilnahme besteht, sondern dass mit diesem Worte lediglich der Gedanke zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Körper durch den Athem um der Seele willen, im Interesse der Seele gebildet wird '). Da die Seele dem- ., nach schon von dem Augenblick der Vereinigung des "■ Sperma und des Ovulum mit dem Athem in Verbindung steht, so ist diese Verbindung die Ursache, die aus der für sich seienden (hevala) Seele die empirische Seele (jwa) macht. I| Wenn auch der Begriff der empirischen Seele in den Texten gewöhnlich dahin erklärt wird, dass die Seele durch das Innenorgan, die Sinne und den Körper charakterisirt (vi- gishta) sei, so scheint doch der Besitz des Athems als des deutlichsten Merkmals animalischen Lebens bei dieser Vor- stellung die Hauptrolle gespielt zu haben -).
6. Die Indriya's oder die äusseren Sinne.
Von dem inneren Sinn abhängig, aber auch in jedem Augenblick dessen Wirksamkeit bestimmend, sind die zehn äusseren Sinne, die den Namen indriya (oder specieller hähyendriya) führen, was etymologisch einfach ,Vermögen' bedeutet, und nicht — wie die emheimische Erklärung will — , Werkzeug für den Indra, d. h. für den Herrn des Körpers, nämlich die Seele' =^), oder ,Merkmal zur Er- schliessung der Seele'*). Die zehn Sinne zerfallen in die
1) Sütra V. 113—115.
2) Vijn. zu VI. 63.
3) Vijn. zu II. 19, 29.
*) Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kar. 26. — Von den Synonymen in der Sämkliya-krama-dipikä Nr. 30 (karana, vaiJcärika, niyata, pada, avadhrta, aksha) findet sich nur das erste und letzte in Garbe, Sämkhya-Philosophie. 17
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beiden Klassen der Wahrnehmungssinne (buddhindrlya, jnänendriya) und der Thatsinne (Icarviendriya). Die fünf Wahrnehmungssinne sind Gesicht (cakshus)^ Gehör (grotra)^ Geruch (ghräna)^ Geschmack (rasa, rasana, jihvä) und Gefühl (oder Tastsinn, tvac, sjyarca, sparqana); in Betreif ihrer Objekte, die in unsern Texten schematisch aufgezählt werden , ist nur zu bemerken , dass als Objekte des Ge- sichtssinnes nicht Form und Gestalt, sondern lediglich die Farben (riipa) gelten. Die fünf Thatsinne oder Fähigkeiten des Handelns sind Reden (väc), Greifen (pdni), Gehen (päda) , Entleeren (pdyu) und Zeugen (upastha) ^). Diese zehn Sinne sind ja nicht zu verwechseln mit den sichtbaren Organen (golaJca) , in denen sie ihren Sitz (adhishthdna) haben; sie sind selbst etwas übersinnliches (atindriya) und nur aus ihren Funktionen zu erscliliessen '■'). Es war mit- hin ein Fehler, wenn früher zuweilen die Namen der fönf Thatsinne mit ,Stimme, Hände, Füsse' u. s. w. übersetzt wurden •^).
Wie die Existenz der Sinne aus ihren Funktionen gefolgert wird, so werden die Funktionen ihrerseits durch die Erkenntniss der erreichten Objekte bewiesen ; denn nur diejenigen Objekte, mit denen die Sinne durch ihre Funk-
wirklichem Gebrauch; pada ist eine reine Fiktion, und die drei übrigen Worte sind gelegentlich von den Sinnen gebrauchte Ad- jectiva. Dagegen verdient als ein belegbares Synonymon upagraha notirt zu werden (auf der von Kielhorn herausgegebenen und übersetzten Inschrift ya90varman's vom Jahre 953 — 54 , Epi- graphia Indica, Part. III, p. 125, Vers 5; cf. p. 130, Anm. 67). Als Särnkhy a-Terminus ist mir upagraha sonst nur noch einmal begegnet, und zwar als nomen actionis in dem Panca9ikha- Fragment Yogabhäshya II. 20 und IV. 22 (s. bei Hall, Sänkhya Sara, Pref. p. 25 Anm.)
1) Kärikä 26, 28, 34, Sütra II. 19, 28, Sämkhya-krama-dipikä Nr. 27—29.
2) Sütra II. 23, Vijii. zu V. 104 und zu I. 62.
3) Vgl. meine Uebersetzung des Sämkhya-pravacana-bhäshya S. 72 Anm. 1.
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tionen in Verbindung treten, kommen zur Kenntniss, da andernfalls alle Dinge, ob sie auch durch dazwischen- liegendes getrennt oder in unendlicher Ferne befindlich sind, wahrnehmbar sein müssten ^). lieber den Begriff der Funktion (vrtti)'^) der Sinne scheinen die Sämkhya- Lehrer zu keiner völlig klaren Vorstellung gelangt zu sein, da die von ihnen gegebene Definition negativ ist. „Die Funktion", heisst es in Sütra V. 107, „ist ein anderes „Princip als Theil oder Qualität, weil sie zum Zwecke der „Verbindung [mit den Objekten zu dem Orte, wo diese „sich befinden] hineilt." Und Vi j n ä n a b h i k s hu bemerkt dazu 3), dass die Funktion eine Modifikation des Sinnes und etwas von ihm unlösliches sei; man hat sich also unter den Funktionen ein Hinauswachsen (sarpana) *) der Sinne aus ihren körperlichen Sitzen gedacht und den Ursprung der Funktionen in dem Individuum, nicht in einem von Aussen kommenden Reiz gesucht. — Wenn auch die Funktionen der Sinne gewöhnlich nach einander stattfinden, so kann doch auch von mehreren Sinnen gleichzeitig eine Affektion des inneren Organs bewirkt werden ^).
Da der innere Sinn nicht als wesensverschieden von den äusseren Sinnen gilt und diesen in der Entwicklungs- geschichte des Sämkhya -Systems coordinirt ist, so ist elf die feststehende Zahl der Sinne 6). Die Meinung, dass es nur einen einzigen Sinn gebe, der durch verschiedene Kräfte die mannigfachen Thätigkeiten ausübt, wird mit der Bemerkung abgelehnt, dass dies gar keine andere Theorie
1) Sütra V. 104, 106.
2) Ueber die Etymologie handelt Vijn. zu V. 108. ^) Vgl. auch seineu Commentar zu V. 105.
*) Vgl. Bhojaräja zu Yogasütra II. 54 (ähliimuhhyena pravar- tanam) und III. 47 (indriyänäm vishayäbhimukM vrttih). s) Sütra II. 32 nebst VijSänabhikshu's Erklärung.
ß) Kärikä 25, Sütra II. 18, 19.
17*
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sei; denn dasjenige, was mit dem Namen der Kräfte be- zeichnet werde, seien eben die Sinne ').
Wie wir schon gesehen haben, sind die elf Sinne nach der S am khya- Lehre Ausläufer des Ahamkära; und zwar wird die Verschiedenartigkeit der Wahrnehmungs- sinne und der Thatsinne dadurch erklärt, dass bei der Entstehung der ersteren das Sattva und bei der der letzteren das R a j a s in überwiegender Weise seinen Ein- fluss ausgeübt habe 2). Die widersprechende Lehre der Nyäya- Philosophie, dass die Sinne aus den Elementen entstanden seien und bestehen, also der Gesichtssinn aus Licht U.S.W. =^), wird in den Sämkhyasütra's*) nicht mit sachlichen Gründen, sondern in höchst mangelhafter Weise durch Berufting auf die Schrift bekämpft, die angeblich lehre, dass die Sinne dem Ahamkära entstammen, — ein Beweis dafür, dass die Polemik über diesen Punkt erst in moderner Zeit in die Sämkhya- Schule hinein- getragen ist. Da sich nun in der Schrift im Gegentheil Stellen finden, die mit der Nyäya- Lehre über diesen Punkt übereinstimmen 5) , so ist im Sämkhyasütra V. 110 ein Ausweg in der Erklärung gefunden, dass an solchen Up an ishad- Stellen die Elemente nicht als materielle, sondern nur als begleitende Ursachen gedacht seien. In anderer Weise sucht Vij fiänabhikshu '') den Wider- spruch zu lösen, indem er sagt: „Die Schriftstellen aber, „welche lehren, dass die Sinne den Elementen entsprossen „sind, sind bildlich zu verstehen, da sie nur meinen, dass die „individuellen inneren und äusseren Sinne, welche ja nur „in der Verbindung mit den Elementen [d. h. mit den
^) Sütra II. 24, 25. In ähnlicher Weise wird in der Nyäya • Philosophie argumentirt; s. Nyäyasütra III. 53 — 59. 2) Anir. zu II. 27. *) Nyäyasütra III. 60. *) II. 20, V. 84, 105, 109.
^) Vgl. zum Beispiel Chäudogya Up. VI. 5. 4; 6. 4. «) Zu IL 20.
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„groben aüimalischen Körpern] Bestand haben, aus diesen „Elementen heraus sich manifestiren. " Kurz vorher findet sich bei Vijfiänabhikshu der meines Wissens einzige Versuch, die Sämkhya- Lehre von der Entstehung der Sinne aus dem Ahamkära sachlich zu begründen. Es heisst dort nämlich, dass „man, da das Erleuchten [d. h. „das Hervorrufen der Erkenntniss dem Innenorgan und „den Sinnen] gemeinsam ist, nur annehmen könne, dass „das Innenorgan die materielle Ursache der Sinne sei." Die ganze Vorstellung der S ä m k h y a - Philosophie über diesen Punkt kommt dem von der Wissenschaft unserer Zeit festgestellten Thatbestande sehr nahe, wenn wir uns daran erinnern, dass wir das Lmenorgan als Aequivalent des Nervensystems erkannt haben.
7. Die dreizelin Organe als Gesammtheit.
Zwischen den äusseren Sinnen und den inneren Or- ganen besteht die Verschiedenheit, dass die Thätigkeit der ersteren auf die Gegenwart beschränkt ist, während die letzteren sich ebenso mit der Vergangenheit und Zukunft beschäftigen wie mit der Gegenwart. Wäln-end — um bloss je einen Wahrnehmungs- und Thatsinn in Betracht zu ziehen — das Gehör nur gegenwärtige Töne wahr- nimmt und die Stimme nur gegenwärtige Worte artikulirt, folgert das Innenorgan nicht nur aus dem Rauche, dass zur nämlichen Zeit das Buschwerk auf dem Berge brennt, sondern auch aus der Anschwellung eines Flusses, dass es geregnet hat, und aus dem Herumlaufen der Ameisen mit ihren Eiern, dass es regnen wird^). Ein weiterer Unter- schied zwischen den äusseren Sinnen und den inneren Organen ist in das Gleichniss von den Thoren und den Thorhütern gekleidet. Die äusseren Sinne sind mit Thoren verglichen, die als solche alles hineinlassen, was hinein
1) Kärikä 33 mit den Commentaren Gaudapäda^s und Väcas- patimi^ra's.
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will; die inneren Organe mit Thorhütern, welche nicht nur die Thore öffnen und schliessen, sondern auch die hineingelangenden Wahrnehmungen und Empfindungen kontroUiren und ordnen ^). Wenn wir dieses Gleichniss in dem Sinne, wie es von den Indern verstanden wurde, ergänzen wollen, so müssen wir uns den Leih als einen Palast und die Seele als den im Innern des Palastes wohnenden und nach orientalischer Weise unthätigen Herren denken. Dieses Gleichniss leitet uns auch zu der Vorstellung hinüber, durch welche die drei inneren Organe und die zehn äusseren Sinne unter einen Begriff sub- sumirt wurden, nämlich unter den des Werkzeugs (karana) der Seele, von dem wiederum im Bilde als von einer wohl- organisirten Dienerschaft oder Beamtenschaft gesprochen wird. „Wie die Dorfältesten von den Hausvorständen die „Steuer erheben und dem Gouverneur des Distrikts über- „ geben, der Gouverneur des Distrikts dem obersten Leiter „[der Finanzen] und dieser dem König, ebenso liefern die „äusseren Sinne, wenn sie ihre Wahrnehmung gemacht „haben, diese dem inneren Sinn, der innere Sinn, nachdem „er sie festgestellt, dem Ahamkära, und der Aham- „ k ä r a , nachdem er sie zur eignen Person in Beziehung „gesetzt, der Buddhi, welche die RoUe des obersten „ Leiters spielt ^). " Insofern sind sich aUe dreizehn Organe
^) Kärikä 35 mit Wilson 's Erläuterungen.
^) Sänikhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 36, Sütra 11. 29, 40, 47. Im siebenten Sütra des Tattvasamäsa werden die dreizehn Organe unter dem Namen adhyätma zusammengefasst, was nach den Aus- führungen der Säinkhya-krama-dipikä in Nr. 56 trotz der neutralen Form etwas wie ,Diener der Seele' bedeutet. Ebendaselbst sind auch die mit dem Ausdruck adhibhüta bezeichneten Wirkungskreise der Organe specialisirt und ferner die Götter angeführt, die in den mythologischen Vorstellungen der modernen Sämkhya's als die Vorsteher der einzelnen Organe gelten (Brahman als Vorsteher der Buddhi, Rudra als der des Ahamkära, der Mondgott als der des Manas u. s. w.). Diese göttlichen Vorsteher der Organe heissen dort adhidaivata. Der Verfasser des Tattvasamäsa (Sütra
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gleich, als sie aus einundderselben Ursache und zu ein- unddemselben Zwecke in Thätigkeit treten. Die Ursache ihrer Wirksamkeit ist die Entfaltung der unsichtbaren Kraft der Werke, die zwar nicht in der Seele selbst, sondern in der B u d d h i ruht, aber als etwas der Seele zugehöriges betrachtet wird ^) ; der Zweck ihrer Wirksamkeit ist einzig und allein, der Seele zur Erreichung ihrer Ziele — des Genusses (resp. des Leidens) und schliesslich der Erlösung — zu verhelfen. Zu diesem Zwecke wirken sämmtliche Or- gane spontan; einen Leiter, der Wesen, Fälligkeit und Zweck der Organe kennt und ihre Thätigkeit regulirt, giebt es nicht-). Li ihren Funktionen collidiren trotzdem die dreizehn Organe nicht mit einander, sondern unter- stützen und ergänzen sich gegenseitig, ganz als ob sie auf Verabredung und unter Kenntniss des gegenseitigen Vorhabens handelten-^). „Zwar sind die Organe Modifi- „kationen der drei Guiia's, deren Natur es ist einander „entgegen zu wirken, aber sie werden einmüthig gemacht „durch die [von ihnen gemeinsam zu erfüllenden] Anforde- „rungen der Seele; vergleichbar dem Docht, dem Oel und „dem Feuer, welche, vereinigt um durch Entfernung „der Finsterniss die Farben zu erleuchten, eine Lampe „bilden 4)."
Nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge folgen
7 — 9) hat diese drei technischen Ausdrücke generis neutrius ver- muthlich aus Bhagavadgitä VIII. 1, 3, 4 entlehnt, wo sie ebenfalls als Neutra, aber in ganz anderer Bedeutung neben einander stehen.
1) Sütra n. 36.
2) Kärikä 81, Sütra TL. 37.
^) Kärikä 31. — Im Tattvasamäsa Sütra 10 und in der Sämkhya- krama-dipikä dazu (Nr. 58) ist die Funktionsweise sämmtlicher dreizehn Organe mit dem sonst nicht belegbaren Terminus abhi- buddhi benannt, den Ballantyne (nicht mit Glück) 'intelligent function' übersetzt hat; vgl. übrigens Ballantyne's Bemerkung in Nr. 97.
*) Särakhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 86.
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die Funktionen der einzelnen Organe auf einander, indem zuerst die äusseren Sinne in Thätigkeit treten; „wenn z. B. „Jemand im Halbdunkel zu Anfang nur einen Gegenstand „undeutlich [mit dem Gesichtssinn] wahrnimmt, darauf „mit angespannter Aufmerksamkeit des inneren Sinnes „feststellt: ,Da ist ein grimmiger Räuber mit einem Bogen, „der [schussbereit] gekrümmt ist durch die mit einem Pfeil „belegte, bis an das Olu* zurückgezogene Sehne', darauf „[mit dem Ahamkära] die Beziehung zu seiner eigenen „Person herstellt: ,Er kommt auf mich los', und darauf [mit „der Buddhi] den Entschluss fasst: ,Ich will von diesem „Orte forteilen'^)." Doch kann es auch vorkommen, dass die Funktionen der Organe gleichzeitig eintreten; „wenn z. B. Jemand in dichter Finsterniss in Folge eines „Blitzstrahls einen Tiger ganz nahe vor sich sieht. Dann „treten bei demselben Wahrnehmung, Feststellung, Be- „zugnahme auf die eigene Person und Entschliessung zu- „gleich ins Leben, da er [sofort] darnach aufspringt und „von jenem Orte im Nu enteilt." Ebenso liegen die Ver- hältnisse, wenn es sich um sinnlich nicht wahrnehmbare Dinge handelt, also allein die Funktionen der drei inneren Organe in Betracht kommen, die der äusseren Sinne aber fortfallen; auch in diesem Falle können die Funktionen der drei inneren Organe ebenso wohl gleichzeitig sein als auf einander folgen. Nach dem deutlichen Wortlaut von Kärikä 30 ist dies unzweifelhaft die echte Sämkhya- Lehre , wogegen die Vai9eshika- Philosophie die Mög- lichkeit einer gleichzeitigen Thätigkeit der Organe bestreitet und behauptet, dass sie in jedem Falle successive fank- tioniren. Diese abweichende Theorie hat ein späterer Sämkhya-Lehrer -) sich zu eigen gemacht und unter Ignorirung der älteren Quellen seines Systems die Er-
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^) Sänikhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 30. Dies ist auch die Quelle für die folgenden Sätze meiner Darstellung. 2) Aniruddha zu II. 32.
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klärung abgegeben, dass die scheinbare Gleichzeitigkeit der Funktionen in derselben Weise zu beurtheilen sei, wie die Durchbohrung von hundert auf einander gelegten Lotus- blättern mit einer Nadel. Auch in diesem FaU scheine es, als ob die Nadel sämmtliche Blätter gleichzeitig durch- steche, während doch in der That ein ausserordentlich schnelles Nacheinander vorliege.
Nicht nur durch ihren gemeinsamen Zweck sind die dreizehn Organe .zu einer Einheit verbunden; es besteht auch eine wichtige Uebereinstimmung hinsichtlich ihrer Natur. Alle Organe werden durch physische Ernährung erhalten und gestärkt ; wenn sie durch Fasten oder andere Ursachen geschwächt sind, so kann man sie durch Speise und Trank wieder kräftigen, weil diese Theile enthalten, die den Substanzen der Organe homogen sind »).
8. Der feine oder innere Körper.
Die dreizehn Organe sind nicht vergänglich wie der grob-materielle Leib, sondern begleiten die Seele auf ihrer Wanderung durch alle wechselnden Existenzen. Zu diesem Zwecke bedürfen sie nach der Säinkhya- Lehre einer Basis, da sie ohne eine solche ein haltloser Complex wären, „wie ein Bild ohne eine Grundlage oder ein Schatten ohne den schattenwerfenden Gegenstand -) ". Diese den Organen Halt und Bestand verleihende Basis hat unser System in den fünf feinen Elementen gefunden ; mit ihnen zusammen bilden die Organe den inneren Körper % das Unga. Dieses
1) Sütra I. 131, III. 15 nebst Vijnänabhikshu's Erläuterungen.
2) Kärikä41, Sütra III, 12, 13. — Die ähnlichen Anschauungen des Vedänta über den feinen Leib (s. Deussen, System des Vedänta S. 899—404) scheinen im Wesentlichen aus dem Säm- khya- System herübergenommen zu sein. Die Vedänta -Lehrer gebrauchen das technische linga und dessen Zusammensetzungen nicht, wohl aber sukshma-carira, bhütäcraya und Umschreibungen.
3) Der innere Körper ist also durch achtzehn Bestandtheile gebildet, wie Aniruddha und Mahädeva zu Sütra HI. 9 richtig
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Wort bedeutet nicht, wie die einheimische Erklärung ') sagt, ,das [bei der Befreiung der Seele in die Urmaterie] aufgehende (layam gacchat)\ sondern das charakteristische Merkmal, d. h. dasjenige, was Wesen und Charakter des Individuums bestimmt. Denn da die Sämkhya- Philo- sophie nicht die geringste qualitative Verschiedenheit zwischen den einzelnen Seelen anerkennt, ist der innere Körper das Princip der Persönlichkeit in diesem Leben und das Princip der Identität der Person in den zahllosen Existenzen. Gebräuchliche Weiterbildungen aus linga sind linga-deha oder ^carira ,charakterisirender Körper', Syno- nyma sind sühshma-deha ('^carira) ,feiner Körper' und dtivähika-carira ,liinübergeleitender Körper'. Dem letzten Ausdruck ist in neuerer Zeit allerdings eine etwas ab- weichende Bedeutung gegeben. Die ursprüngliche und echte Sämkhya- Lehre von der Verschiedenheit des feinen und groben Körpers hat nämlich durch Vijfiänabhikshu-) eine spitzfindige Erweiterung dahin erfahren, dass der innere Körper wiederum in zwei Leiber zerlegt ist, in das eigentliche aus den dreizehn Organen bestehende linga und den ,die Grundlage oder den Sitz desselben darstellenden Körper' (adhishthäna-Qarira) , der durch die fünf feinen Elemente gebildet ist. Nach Vijfiänabhikshu soll utwdhika-carira so viel wie adhishthäna^ sein, obwohl aus dem Wortlaut von S ü t r a V. 103 deutlich hervorgeht, dass dtivähika^ im Gegensatz zu dem groben Körper, also im Sinne von linga^ steht. Wenn der Commentator 3) die
zählen. Das Sutra selbst rechnet nur siebzehn, was Vijnänabhikshu dadurch zu erklären sucht, dass Buddhi und Ahamkära als eins gedacht seien.
1) Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 40, Aniruddha zu Sutra VI. 69.
2) Im Commentar zu Sutra III. 11, 12, V. 103; vgl. auch Colebrooke, Mise. Ess.^ I. 258 und Wilson, Sänkhya Kärikä p. 1.34—136.
^) Am Schluss seiner Ausführungen zu III. 11.
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Erklärung abgiebt, dass zuweilen das linga- und adM- shthäna-gartra wegen ihrer Feinheit in der Literatur als eins behandelt werden, so dürfen wir dies dahin berichtigen, dass die älteren Sämkhya- Schriften ausser dem groben Leibe überhaupt nur einen einheitlichen inneren Körper kennen. In Kärikä 40 heisst es ausdrücklich, dass der innere Körper aus den materiellen Principien von der Buddhi an „bis herunter zu den feinen Elementen" ge- bildet ist. Ebendaselbst findet sich auch die ausführlichste zusammenhängende Beschreibung des inneren Körpers. Er ist „im Anfang entstanden, unbeschränkt [hinsichtlich der groben Leiber, in welche er eingeht,] und constant", d. h. er bildet sich am Beginn eines Weltaltei's und währt, bis die erlösende Erkenntniss erreicht ist oder die Welt- auflösung eintritt ^). Aber nur im ersten Fall wird er für immer von der Urmaterie absorbirt ; für alle diejenigen Seelen, welche bei der Reabsorption des Universums noch nicht die Erlösung gewonnen haben, entsteht der innere Körper bei Beginn der folgenden Weltperiode aufs neue. Die Ursache seiner Neubildung liegt in der Nichtunter- scheidung, in der Kraft von Verdienst und Schuld und in den Dispositionen, welche Faktoren Avährend der Zeit der Welt- auflösung in der Urmaterie bestehen bleiben-). „Der „innere Körper wandert" — so schliesst Kärikä 40 — „[aus einem groben Körper in den andern], weil er [sonst] „nicht empfinden kann, afficirt von den Zuständen". Aus diesen Worten ergiebt sich zunächst, dass sowohl die
^) Vgl. hierüber noch Vijn. zu III. 7. Ueber die (in der Kärikä noch nicht vorgetragene) Lehre, dass es im Anbeginn der Schöpfung nur einen inneren Körper gegeben habe und und dass erst später eine Spaltung in Individuen eingetreten sei (Sütra III. 10), sowie über die bei dieser Anschauung herrschenden Unklarheiten siehe oben S. 235. — Eine selbstverständliche Consequenz der über den inneren Körper gebildeten Vorstellungen ist, dass dieser im Gegen- satz zur allgegenwärtigen Seele als in seiner Ausdehnung beschränkt betrachtet wird (vgl. Sütra HI. 13, 14).
2) Vijn. zu VI. 69.
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Metempsychose wie die Empfindung durch den inneren Körper bewirkt wird ^). Da aber das Zustande- kommen der Empfindung von seiner Vereinigung mit einem groben Leibe abhängig ist, so folgt, dass in dem Augen- blicke der Wanderung, d. h. während der kurzen Zeit, welche der innere Körper nach dem Eintritt des Todes unterwegs ist, um in einen andern groben Körper zu ge- langen, keinerlei Empfindung stattfinden kann 2).
Zu den letzten Worten des eben angeführten Citats „afficirt von den Zuständen" bemerkt die Sämkhya- tattva-kaumudi folgendes : „ Die Zustände sind Verdienst „und Schuld, Erkenntniss und Nichterkenntniss , Gleich- „giltigkeit und Nichtgleichgiltigkeit [gegen die Sinnen weit], „übernatürliche Kraft und Mangel der übernatürlichen Kraft. „Mit diesen [Zuständen] ist die Buddhi behaftet, und da „ der feine Körper diese in sich begreift, ist derselbe gleich- „ falls von den Zuständen afficirt'^) [eigentlich: durchduftet], „ebenso wie ein Kleid, wenn es mit schönduftenden C am - „ p a k a - Blüthen versehen ist , von dem Wohlgeruch der- „ selben durchduftet wird."
Diese Zustände und der innere Körper bedingen sich gegenseitig: ohne den inneren Körper sind die Zustände nicht möglich, und ohne die Zustände würde der innere Körper nicht das gegenwärtige Leben überdauern. So stehen beide zu einander in dem Verhältniss einer anfangs- losen Continuität, vergleichbar derjenigen von Samen und Spross *).
1) Vgl. dazu Sütra III. 3, 8, 16 und Vijfiänabhikshu's Ein- leitung zu III. 11.
2) Vijn. zu III. 6.
^) Die Attribute und Qualitäten, die den einzelnen Bestand- theilen des inneren Körpers eigen sind, werden begreifliclier Weise auch sonst dem ganzenLiäga^arira zugeschrieben. Was z. B. in Kärikä 20 über den inneren Körper gesagt ist, dass er nämlich wegen der Verbindung mit der Seele scheinbar geistig sei, bezieht sich nur auf das Innenorgau und die Sinne.
^) Kärikä 52.
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ImSämkhya- System ist also niclit die Seele, sondern der innere Körper gut oder sclilecht, weise oder thöricht, entsagend oder leidenschaftlich, stark oder schwach; nicht in der Seele, sondern in dem inneren Körper haftet die moralische Verantwortlichkeit, auf welcher die Metem- psychose beruht. Der innere Körper wird mit einem seine Rollen wechsehiden Schauspieler verglichen, weil er in Folge einer besonderen Naturkraft die verschiedenartigsten Formen annimmt, „veranlasst durch das Ziel der Seele", d. h. damit diese den Lohn der ihr aufgebürdeten Thaten empfange. „Gleichwie ein Schauspieler, der diese oder ..jene Rolle spielt, entweder Para^uräma oder Ajäta- „ 9 a t r u oder der König der V a t s a wird , so wird der „feine Körper, wenn er diesen oder jenen groben Körper „annimmt, entweder ein Gott oder ein Mensch oder ein „Thier oder ein Baum *)." Und der innere Körper ist ge- meint, wenn es von der Materie in Kärikä 62 heisst: „Keine [Seele] fürwahr ist gebunden, wird erlöst oder „wandert; die von den verschiedenen [Seelen] abhängige „Materie [allein] wandert, ist gebunden und wird erlöst". So lange der innere Körper auf seiner Wanderung beharrt, dauert der Schmerz, da es sein Wesen ist Schmerzen her- vorzubringen. Erst wenn der innere Körper sich endgiltig in der Urmaterie auflöst und das Leben ft\r alle Zeiten erlischt, ist die Befi'eiung vom Schmerz gewonnen -).
Ich glaube, dass hier der Ort ist, noch eine wichtige und für das Sämkhya- System charakteristische Lehre anzuführen, nämlich die von den hinterlassenen Eindrücken und den auf diesen beruhenden Dispositionen (samskära, väsand) =^). Denn wenn auch die B u d d h i der eigentliche Sitz dieser Eindrücke ist^), durch welche der Instinkt, die
^) Kärikä 42 und Sämkhya-tattva-kaumudi dazu. 2) Kärikä 55.
^) S. die Indices zu meinen Textausgaben unter den beiden Worten.
*) S. besonders Sütra II. 42.
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Triebe, Fähigkeiten, Talente und das Gedächtniss erklärt werden, so wirken doch sämmtliche Organe bei ihrer Her- vorbringung mit; und ferner sind die Dispositionen, die ebenso wenig wie das Weltdasein einen Anfang haben, für die Individualität der durch den inneren Körper reprä- sentirten Person von so hoher Bedeutung, dass sie füglich in diesem Zusammenhang zur Sprache zu bringen sind. Die ganze Theorie ist, wie die meisten distinktiven Säm- khya-Lehren, in das Yoga- System übergegangen i) und deshalb von Paul Markus in seiner Schrift über die Y o g a - Philosophie S. 36 — 44 eingehend behandelt. Wenn auch hier im Anschluss an die Vorlage (Bhojaräja's Commentar zum Yogasütra) die specielle Sämkhya- Yoga- Lehre von den Spuren, die jede Empfindung, Wahr- nehmung und Erfahrung in der B u d d h i zurücklässt, eng mit der allgemein-indischen Vorstellung von der nach- wirkenden Kraft des Werkes verschmolzen ist, so glaube ich doch meine Leser auf Markus' wohldurchdachte Dar- stellung verweisen zu können, aus der ich im Folgenden die Hauptsachen heraushebe. „Ein jeder Vorgang prägt „eine entsprechende Spur ein in den Boden des Denk- „ Organs, und diese Spur verharrt da als ein Keim im „Ackergrund (bija im lashetra) oder als eine Disposition „{samskära, d. i. passende Vorbereitung oder Zurüstung, ,,dxo(j^ia) für die künftige Reproduction dieses Vorganges
„ Diese Dispositionen .... bilden bei ihrer un-
„ endlichen Menge ein sehr wesentliches Attribut des Denk- „ Organs .... Das Denkorgan ist förmlich bunt davon, „so verschieden sind die zahllosen einzelnen Anlagen, welche
1) Auch in V e d ä n t a - Schriften ist, wiewohl selten, von den Samskära's die Rede; und in modificirter Form hat die Theorie in den Buddhismus (s. die Einleitung zu meiner Uebersetzung der Särnkhya-tattva-kaumudi S. 530) sowie in die Vai9eshika- Nyäya- Philosophie (vgl. hauptsächlich Ballautyne, Lectures on the Nyäya Philosophy, embracing the text of the Tarka- sangraha, Allahabad 1849, p. 54, 55) Eingang gefunden.
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„sich im Laufe der Geburten darin Bürgerrecht erwerben „oder .... es usurpiren (ä-rabh)^ mit jener rücksichts- „losen Nothwendigkeit des Naturgesetzes, welcher das Indi- „viduum willenlos unterliegen muss. Aber trotz all dieser „steten Beeinflussung bleibt das Denkorgan was es ist: „der nährende Boden, das verknüpfende, einheitgebende „Band, das Substrat, zu welchem sämmtliche Dispositionen
„nur Attribute sind Die Lebensgeschichte einer
„solchen Disposition ist folgende. Zunächst ist sie latent, „virtuell, die reine Möglichkeit, allerdings mit der Tendenz, „mit der unentrinnbaren Bestimmung, die ihr gebührende „Wirkung zu üben, aber noch nicht mit der ausgereiften „Energie dazu. Als solche sind sie noch nicht näher er- „ fassbar, definirbar. Unmittelbar wahrzunehmen sind ja „immer nur ihre actuellen Aeusserungen, von denen man „ dann rückwärts auf die Beschaffenheit der Samskära's „schliessen kann. . . . Wenn ihre Zeit gekommen ist, da „tauchen sie auf, werden lebendig, um endlich — nicht „zu vergehen, sondern — in die Ruhe des Gewesenen, der „ewig stillen Vergangenheit einzutreten. . . . Diese An- „lagen bleiben ein stetes Eigenthum des Individuums, nur „in verschiedener Daseinsform, je nachdem sie ihren be- „ stimmten Zweck schon erfüllt haben oder nicht. Erst „als gebundene Kräfte, die der Lösung, des Umsatzes in „lebendige Kraft harren, um entscheidend für das prak- „ tische Thun des Lidividuums zu werden; als ungeahnte „schlummernde Triebe, die nur erst erweckt, erregt werden
„sollen, um zu mächtigem Einfluss auf uns zu gelangen
„Alle für das physische Leben unentbehrhchen Fertigkeiten, „die Gewohnheiten und Anlagen, die wir, wie man sagt, „mit auf die Welt bringen, sind das Erbtheil fi-üherer „Geburten; sie sind Eindrücke, welche in der Zwischenzeit , im Verborgenen fortbestehen und ihre latente Kraft be- , wahren , um sie einst zur passenden Stunde frisch und ,.jung zu bethätigen, — wie Samenkörner, welche Jahre „lang aufbewahrt worden sind, aber dann, wenn sie in „die ftirs Keimen günstigen Verhältnisse versetzt werden.
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„ihre Keimkraft entwickeln, als wären sie erst jüngst ,. geerntet. Daraus erklärt es sich im Grunde auch, dass „wir uns unserer Schicksale im Himmel, in der Hölle, in „früheren Geburten nicht erinnern; die Eindrücke davon „sind eben für unsre gegenwärtige Existenz ohne Belang; „verloren gehen können sie aber nicht."
Unter allen Dispositionen ist die verhängnissvoUste die einem jeden Wesen angeborene Anlage zum Nicht- wissen (avidyä-samskära) , d. h. zur Verwecliselung von Geist und Materie. Sie ist die Wurzel alles Uebels; denn da sie die Ursache des Verlangens nach weltlichen Freuden und mittelbar der Erwerbung von Verdienst und Schuld ist, verstrickt sie die Wesen immer aufs neue in das Welt- dasein ').
9. Der grobe Körper.
Der sichtbare vergängliche Leib (sthüla-deha, ^garira), der in der animalischen Welt von Vater und Mutter erzeugt wird — das Pflanzenreich kommt nur nebensächlich in Betracht ^j — , besteht aus sechs Hüllen (shdtkaugika)^ näm- lich Haaren, Blut, Fleisch, Sehnen, Knochen und Mark, von denen die drei ersten der Mutter, die drei letzten dem Vater entstammen •^).
Die Verbindung des groben Leibes mit dem feinen Körper und der Seele nennen wir Leben ■*), ihre Trennung Tod. Das Leben in einer bestimmten Existenz (janman) kann nicht eher durch den Tod ausgelöscht werden, als bis das Resultat der früheren Werke, deren Frucht zu reifen begonnen hat (prärabdha)^ vollständig ausgekostet ist 5).
^) S. besonders Aniruddha zu II. 1.
2) Sütra V. 121 Vijn.
3) Kärikä 39 und Sütra III. 7, 11 nebst den beiderseitigen Commentareu. Ebenso (nur Haut statt Haare) in dem Sänikhya- Abschnitt Mbh. XII. 11332, 33.
*) Vijn. zu VI. 63. 5) Vijn. zu I. 24.
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Obschon die unsichtbare Kraft der Werke (adrslita) die Gattung des groben Körpers bestimmt, in welche die von dem feinen Körper umkleidete Seele nach dem Ablauf einer Existenz einzieht, ist diese Kraft doch nicht das den groben Leib bildende Princip '). Vielmehr lernten wir als solches schon oben S. 257 den Athem (prdna) oder richtiger : die mit dem Athem als dem Lebens- princip verbundene Seele kennen. Man war der Meinung, dass im Mutterleibe zuerst ein Flöckchen (kalala)^ daraus ein Bläschen (hudbuda) und weiter ein Fleischklumpen (mämsa-pegi) ^ der Rumpf (karanda)^ die Glieder (anga), d. h. Kopf, Arme und Beine, und und schliesslich die Nebenglieder (pratyanga, s. im Petersburger Wöi-terbuch), d. h. Stirn, Nase, Kinn, Ohren, Finger u. s. w., entstehen -). Ueber den Stoff, aus dem dieser grobe Körper sich bildet, ist in Indien gestritten worden. Die Einen, d. h. die Vertreter der landläufigen Anschauung-^), sagen, dass er aus den fünf groben Elementen bestehe; Andere scheiden den Aether aus und nennen nur vier*); wieder Andere, d. h. die Vedantisten, lehren, dass der Körper aus drei Ur- elementen, Feuer, Wasser und Nahrung, zusammengesetzt sei 5); und schliesshch existirt auch die Ansicht, dass er nur aus zweien (d. h. wohl Erde und Wasser) sich bilde 6). Aber alle diese Anschauungen sind nicht richtig. Zwar besteht das Substrat des inneren Körpers, wie wir sahen, aus den fünf feinen Elementen; aber der grobe Körper hat nach der auch von derVai9eshika-Nyäya- Philo-
1) Sütra VI. 61, 62. Dies ist eine Polemik gegen die Lehre der Vai^eshika-Nyäya- Philosophie, nach der die Seele durch Vermittlung des Adrshta die Bildung des Körpers leitet.
2) Sänikhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 43.
3) Vgl. die üblichen Ausdrücke pancatä, pancatva ,Auflösung des Körpers in die fünf Elemente, s. v. a. Tod'.
^) Sütra III. 17, 18.
») S. Deussen, System des Vedänta S. 259, 260.
ö) Vijn. zu V. 102.
Garbe, Säipkhya-Philosopliie. 18
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Sophie getlieilten ') Säiiikhya- Lehre lediglich das Element Erde zur materiellen Ursache -). Die verbreitete Anschauung, dass der Leib aus den fünf groben Elementen gebildet sei, beruht darauf, dass die übrigen vier Elemente die Stabilität des Körpers bewirken, indem das Blat durch das Wasser, die Körperwärme durch das Feuer, der Athem durch die Luft und die Luftröhre durch den Aether erhalten wird ■^). Das gleiche gilt selbst von den überirdischen Wesen in den Welten des Sonnen-, Wasser- und Luftgottes; denn auch hier dienen die feurigen, resp. wässrigen und luftigen, Bestandtheile nur dazu, die überwiegende Masse der erdigen Bestandtheile zu conserviren. Nur die letzteren befähigen den Körper, Freude und Schmerz zu empfinden; wenn sie an Masse geringer wären als das, was die anderen Elemente zur Erhaltung des Körpers beitragen, so würde jede Em- pfindung unmöglich sein *).
10. Die Zustände.
Unter diesem Titel haben wir von drei verschiedenen Kategorien zu handeln, 1) von den Zuständen, auf deren regelmässigem Wechsel die Erhaltung der Lebensthätigkeit in der ganzen animalischen Welt beruht, 2) von den in- dividuellen Daseinszuständen , und 3) von denjenigen Zu- ständen, welche die Grade der Entfernung von dem höchsten Ziele darstellen.
A. Die regelmässig wechselnden Zustände, Wachen und Schlafen, beeinflussen nach dem S ä m k h y a - System ^)
1) Vai^eshikasütra IV. 2. 2, 3 und Nyäyasütra III. 28—32.
•-) Sütralll. 19, V. 102, 112 im Gegensatz zu der Mbh. XII. 7936 — 38 Panca(;ikha in den Mund gelegten landläufigen Anschauung.
3) Vijn. zu V. 102.
^) Anir. und Mahäd. zu V. 112; etwas anders Vijii. zu III. 19.
•^) Die Vedänta- Anschauungen über diesen Gegenstand s. bei Deussen, System S. 369 — 381, und vgl. auch Regnaud, Materiaux II. 107—122.
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nicht etwa die Natur der Seele, sondern nur die ihrer Upädhi's, des inneren Organs und der Sinne. Hervor- gerufen werden diese Zustände durch die Guna's in der Weise, dass im Schlaf das Tamas, im Wachen das Sattva und R a j a s ihre Kraft zur Geltung bringen. Das Wachen ( jägara , jägarana , jägrat , jägarita) wh'd definirt als die durch die Sinne vermittelte Veränderung des inneren Or- gans zur Form der Objekte ') ; das wesentlichste Charac- teristicum dieses Zustands ist also die sinnliche Wahrnehmuns: der Aussendinge. Der Schlaf wird in der indischen Philosophie allgemein in zwei verschiedene Zustände zerlegt, in den Traumschlaf (svapna) und den traumlosen oder tiefen Schlaf (sushupti)^ so dass stehend von einer Dreiheit — nicht, wie bei uns, von einer Zweiheit — der Zustände gesprochen wird.
Der Traumschlaf ist ebenso eine Veränderung des inneren Organs zur Form der Objekte, wie das Wachen, nur mit dem Unterschiede, dass diese Veränderung im Traumschlaf nicht durch die Thätigkeit der Sinne, sondern nur durch die in der B u d d h i ruhenden Eindrücke (sam- shdra) hervorgerufen wird "-). Weil so die Wahrnehmung der Traumbilder auf AflFektionen des inneren Organs beruht, sind diese nicht absolut unwirklich wie eine Luftblume oder ein ähnliches Unding, sondern nur unwirklich im Verhältniss zu den im Wachen gesehenen, objektiv realen Dingen. Bei der absoluten Un Wirklichkeit der Traumbilder würde die Vorstellung, dass man geträumt habe, unmöglich sein. Im Traume werden also frühere Wahrnehmungen durch die in der B u d d h i zurückgelassenen Spuren ohne äusseren Anreiz reproducirt ; aus niemals wahrgenommenen Dingen aber setzt sich kein Traumbild zusammen ■^).
Der Tiefschlaf ist die Negation aller Affektionen
1) Vijii. zu I. 148.
2) Vijn. a. a. 0.
3) Aniruddha zu III. 27.
18*
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des inneren Organs, d. h. der Zustand völliger Bewusst- losigkeit, da die Seele die Eigenschaft hat nur die Alfek- tionen, aber nicht die in der Buddhi vorhandenen Saniskära's oder die ebendaselbst aufgespeicherten An- sammlungen von Verdienst und Schuld zum Bewusstsein zu bringen. Diese einfache und echte Sämkhya- Lehre ist durch das Sütra I. 148 complicirt, welches — einen Satz der V e d ä n t a - Philosophie adoptirend — sagt, dass die Seele Zeuge oder Zuschauer des Tiefschlafes ebenso wie des Wachens und des Traumschlafes sei; womit behauptet ist, dass auch etwas im Tiefschlaf vorhandenes zum Be- wusstsein gebracht werde. Vijnänabhikshu hilft sich in seiner ausführlichen Besprechung dieses Sütra in der Weise aus der Verlegenheit, dass er zwei Arten von Tief- schlaf constatirt, nach dem Unterschiede des halben und vollständigen Schwindens der Modifikationen des inneren Organs. „ Bei dem halben Schwinden (ardha-laya) ", sagt er, „existirt zwar keine Affektion, welche [dem Innen- ,.organ] die Form der Objekte verleiht, wohl aber ist das „Innenorgan so afficirt, dass es die Form der in ihm „selbst befindlichen Freude, des in ihm befindlichen „Schmerzes oder der in ilmi befindlichen Betäubung hat; „denn sonst [d. h. wenn nicht eine derartige Affektion „vorläge] wäre bei dem Erwachten die Erinnerung an die „zur Zeit des Tiefsclilafs vorhandene Freude u. s. w. un- „ erklärlich, die sich z. B. in den Worten äussert : ,Ich habe „gut geschlafen' .... Bei dem vollständigen Schwin- „den [der Veränderungen] (samagra-laya) aber existirt „überhaupt keine Affektion des Innenorgans, ebenso wenig „wie im Tode, .... und deshalb ist die Seele nicht Zeuge „dieser [Art von Tiefschlaf]."
Wir müssen von diesen Spekulationen absehen, wenn wir die Sämkhya- Philosophie in unverfälschter Reinheit reconstruiren wollen. Alle älteren Sämkhya- Schriften kennen nur einen Tiefschlaf, und das ist derjenige , den Vijnänabhikshu als die zweite Art beschreibt, in welchem die Modifikationen des inneren Organs vollständig
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gescliwuiideii sind und nichts vorhanden ist, dessen die Seele Zeuge sein könnte. Nur auf diesen Zustand passt, was sonst von dem Tiefschlaf ausgesagt wird, nämlich dass in ihm die Seele vorübergehend erlöst sei, da keine Em- pfindung und vornehmlich kein Schmerz existire. Diese Ungebundenheit oder Schmerzlosigkeit, in Folge deren die im Weltdasein stehende Seele zur Zeit des Tiefschlafes sich in demselben Zustande befindet wie die erlöste Seele in der Isolirung nach dem Tode, wird in Sütra V. 116 mit dem Vedänta- Ausdruck ') ,N'atur des Brahman' (bralima- rüpatä) bezeichnet ; und V i j h ä n a b h i k s h u bemerkt dazu, dass in unserem System das Wort Brahman die Ge- sammtheit der Seelen in ihrem Fürsichsein und in der Freiheit von der durch die Upädhi's bedingten Be- schränktheit bedeute -).
Da nun die Bewusstlosigkeit das Wesen des Tief- schlafes ist, so mussten selbstverständlich die krankhaften und nur ausnahmsweise zu beobachtenden Zustände der Ohnmacht (7nürchä) und der bis zur Bewusstlosigkeit ge- steigerten Versenkung (samädhi) als mit dem Tiefschlaf gleichwerthig angesehen werden. Das über diesen gesagte gilt auch von den beiden abnormen Zuständen ^).
Die Ohnmacht wird in den S am khya- Texten nur sehr selten direkt erwähnt, sondern gewöhnlich durch ein ädi ,u. s. w.' hinter sushupti angedeutet; und die Ver- senkung ist ein durch die Ausübung der Yoga -Praxis künstlich herbeigeflihrter Zustand, mit dem unser System sich nur aus Rücksicht auf die ihm eng verbundene Yoga- Pliilosophie beschäftigt. Wenn im Y o g a s ü t r a I. 51 die
^) Oder , was nach ^anikara zum Brahmasütra I. 3. 15 als möglich erscheint : mit einem landläufigen , volksthümlichen Aus- druck, dessen Herkunft aus der Vedänta -Philosophie der Ver- fasser der Sämkhyasütra's vielleicht nicht mehr empfand. Vgl. jedoch oben S. 173.
■^) Vgl. zur Sache noch Sutra II. 34.
3) Sütra V. 116, 117, Vijn. zu I. 16.
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bewusstlose (asamprajMta) Versenkung als ,frei von dem Samen [des Gebundenseins]' (nirbija) bezeichnet und mithin der Erlösung vollständig gleichgestellt wird, so ist hier kein Avirklicher Widerspruch mit der entgegengesetzten, im Sämkhyasütra V. 117 vorgetragenen Lehre zu constatiren, weil imYogasütra allein die dem Tode des Erlösten unmittelbar vorangehende Versenkung gemeint ist. Weniger glücklich sucht Vijnänabhikshu den anscheinenden Widerspruch zu lösen, wenn er sagt: „Nur „in der Absicht zu lehren, dass in der bewusstlosen [Ver- „ Senkung] die Zerstörung des Samens allmählich vor „sich gehe, ist [dieser Zustand] dort [im Yogasütra] „samenlos genannt; denn sonst müssten ja alle die einzelnen „bewusstlosen Zustände [in dem Leben des Yogin] samen- „los sein, [also jeder unmittelbar zur absoluten Isolirung „der Seele führen], und das Wiedererwachen [zu bewusstem „Leben] würde unmöglich sein."
B. Die acht individuellen Daseinszustände (blidva), Tugend und Lasterhaftigkeit, Erkenntniss und Nichter- kenntniss, Gleichgiltigkeit und Nichtgleichgütigkeit gegen die Sinnenwelt, übernatürliche Kraft und Mangel der über- natürlichen Kraft, sind schon in anderem Zusammenhang, besonders S. 246, 247 und 268, zur Sprache gekommen. Hier ist noch zu erwähnen, dass diese Zustände der Buddhi sowohl ursprünglich (sämsiddhika) oder natürlich (präkrtika) als auch geworden oder erworben (vaikrta) sein können ^). Das letztere ist bei den vier erstrebenswerthen Zuständen die Regel. Die Ausnahme, d. h. die Ursprünglichkeit, das Angeborensein dieser Zustände, wird belegt 2) durch den
1) Kärikä 43. Gaudapäda leitet aus den drei angeführten Ad- jektiven auch drei verschiedene Kategorien ab, indem er zwischen säinsiddhika und präkrtika eine minutiöse Unterscheidung macht imd diese mythologisch begründet. Selbst wenn er damit Recht haben sollte, ist doch der Unterschied für uns zu unwesentlich, um berücksichtigt zu werden.
2) In den Commentaren zu Kärikä 43.
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Hinweis auf den Stifter des Sämkliya- Systems Kapila, der angeblich am Beginn dieses Weltalters im vollen Besitz der Tugend, der Erkenntniss, der Gleichgiltigkeit gegen weltliche Freuden und der übernatürlichen Kraft hervortrat. Häufiger erscheinen die entgegengesetzten Zustände an- geboren. Im höheren Sinne aber ist bei allen acht nach den Voraussetzungen des Systems kein Unterschied zwischen angeboren und erworben. Wenn die erworbenen Zustände den angeborenen gegenübergestellt werden, so geschieht dies in ausnahmsweiser Beschränkung des Gesichtskreises auf das gegenwärtige Leben; der Philosoph, der sich über den empirischen Standpunkt erhoben hat, weiss, dass auch die sogenannten angeborenen Zustände durch Verdienst oder Schuld in früheren Existenzen erworben sind.
C. Die Zustände, durch welche die Grade der Entfernung von dem höchsten Ziele bezeichnet werden,
sind Irrthum (viparyaya)^ Unvermögen (acahti)^ Befriedigung (tushti) und Vollkommenheit (siddlii). In dieser Stufen- leiter kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass sich der Mensch nach dem natürlichen Lauf der Dinge zuerst in dem Zustand des Irrthums befindet und in Folge dessen an Unfähigkeit zur Meditation leidet, dass er aber dann beim Beginn der Meditation zur Befriedigung und schliess- lich zur Vollkommenheit gelangt. Diese vier Zustände werden unter der Bezeichnung pratyaya-sarga ,intellek- tuelle Schöpfung' zusammengefasst ^) und dadurch in Gegen-
1) Kärikä 46, Vijn. zu Sütra III. 23,46. Colebrooke, Mise. Ess.- I. 259, nennt noch nach Karikä 52 (bhäväJchyah sargah) das Synouymon bhäva-sarga. Eine ganz andere Bedeutung ist den vier Zuständen in einem Verse des Väyu Puräna bei Wilson, VishnuPuräna translated (ed. by F.E.Hall) 1.76 Anm. gegeben. Wilson sagt auf Grund dieses Verses a. a. 0., ohne die Lehren der von ihm selbst herausgegebenen Säinkhyakärikä zu be- rücksichtigen, über den jrratyaya-sarga folgendes: "In its specific "subdivisions, it is the notion of certain inseparable properties in "the four different Orders of beings: obstruction or stolidity in in-
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satz zu der ,elemeiitaren Schöpfung' oder der ,Scliöpfung der Wesen aus den Elementen' (hliCda ^)-, bhautika '-)- oder tanmätra-sarga) =^) gesetzt. In der Beschreibung dieser Zu- stände zeigt sich die Klassificirungssucht der Sämkhya- Philosophie im hellsten Lichte; ihre Zahlenmanie nimmt hier geradezu den Charakter des Albernen an. Der ganze Gegenstand darf als die schwache Seite des Systems be- zeichnet werden.
Die ,intellektuelle Schöpfung' zerfällt wegen der Un- Q-leichheit in den Mischungsverhältnissen der drei G u n a ' s in fünfzig Theile*), weil der Irrthum in fünf, das Un- vermögen in achtundzwanzig, die Befriedigung in neun, die Vollkommenheit in acht verschiedenen Formen auftritt.
Die fünf Arten des Irrthum s sind Nichtwissen (avidyä)^ Subjektivismus (asmitä)^ Verlangen (rciga)^ Ab- neigung (dvesha) und Besorgniss (abkimoem) ^ oder auch nach der Reihe ,Dunkel (tavias)^ Bethörung (molia) grosse Bethörung (mahämoha) ^ Finsterniss {tdmisra) und dichte Finsterniss (andlia-tdmisray genannt. Jede dieser fünf Arten wird nun wieder in ihre Unterabtheilungen zerlegt. Das ,Nichtwissen' , der viparyaya (d. h. wörtlich: Um- kehrung des wahren Sachverhaltes) x«r' i^ox^jv und dem- nach die eigentliche Ursache des Gebundenseins ^) , ist achtfach, weil es bewirkt, dass man die Urmaterie, die Buddhi, den Ahamkära oder eines der fünjF feinen Elemente für das Selbst hält. Der ,Subjektivismus' ist ebenso achtfach, weil die mit ihm behafteten Götter die acht übernatürlichen Kräfte •'), welche sie besitzen, als ihrem
"animate things; inability or imperfection in animals; perfecti- "bility in man; and acquiescence or tranquil enjoyment in gods."
1) Tattvasamäsa Sütra 20 und Särakhya-krama-dipikä Nr. 72. '■*) Kärikä 53, Mahädeva zu Sütra III. 46.
2) Gaudapäda und Väcaspatimi^ra zu Kärikä 52. *) Kärikä 46.
5) Sütra III. 24.
•*) S. Räjendraläla Mitra, Yoga Aphorisms, Translation p. 121, und vgl. in diesem Buche S. 103 oben.
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Selbst angeliörig und für unvergänglich ansehen und sich mithin in ihrem gegenwärtigen Dasein für unsterblich halten. Das ,Verlangen' ist zehnfach, da es sich auf die Sinnesobjekte richtet, die nach der Zahl der Sinne in fünf Kategorien zerfallen und wegen der Verschiedenheit der himmlischen und irdischen Dinge als zehnerlei gerechnet werden. Die ,Abneigung' ist achtzehnfach mit Bezug auf die eben erwähnten zehnerlei Sinnesobjekte und die acht übernatürlichen Kräfte; denn sie ist gegen die achtzehn denkbaren Faktoren gerichtet, welche störend auf den Genuss dieser Objekte und Kräfte einwirken. Die ,Be- sorgniss' ist ebenso achtzehnfach, da sie aus der Wahr- nehmung hervorgeht, dass jene achtzehn Gegenstände des Besitzes vergänglich sind und geraubt werden können; sie involvirt die Furcht vor Tod und Gefahr und den Hang zum Leben. In dieser Weise werden zweiundsechzig Unter- arten des Irrthums herausgerechnet ^).
Die achtund zwanzig Arten des Unver- mögens kommen dadurch heraus, dass die Defekte der elf Sinnesorgane — Taubheit, Aussatz (der Defekt des Gefühlssinnes), Blindheit, Stumpfheit des Geschmacks und des Geruchs, Stummheit, Lahmheit der Hände und der Füsse, Impotenz, Verstopfung und Stumpfsinn (der Defekt des inneren Sinnes) — und die den gleich zu beschreibenden neun Befriedigungen und acht Vollkommenheiten entgegen- gesetzten Zustände (viparyaya), resp. die Störungen (vi- ghäta) derselben, zusammengezählt werden. Die elf ersten gelten als mittelbare, die siebzehn letzten als unmittelbare Defekte (vadha) oder Unvermögen des Innenorgans -).
1) Kärikä 47, 48, Sütra III. 37, 41 nebst den beiderseitigen Commentaren, Sämkhya-krama-dipikä Nr. 62, Colebrooke, Mise. Ess.'2 I. 259, 260.
•^) Kärikä 47, 49, Sütra III. 38, 42, Sämkhya-krama-dipikä Nr. 63 — 65 (in Nr. 64 und 65 sind die Gegenstücke zu den Be- friedigungen und Vollkommenheiten beschrieben), Colebrooke, Mise. Ess.'^ I. 260 (auch für die beiden folgenden Abschnitte zu vergleichen).
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Die neun Arten derBefriedigang zerfallen in vier subjektive (ädhyätmika) und fünf objektive (bahya). „Wer gelernt hat, dass das Selbst von der Materie „verschieden ist, darauf aber sich nicht bemüht durch „weiteres Studium zur unmittelbaren Erschauung der Yer- „schiedenheit desselben zu gelangen, weil er sich mit einer „unrichtigen Belehrung zufi-ieden giebt, bei dem liegen „die vier subjektiven Befriedigungen vor*)." Die erste derselben besteht in dem Vertrauen auf die Materie, d. h. in der Ueberzeugung , dass die unmittelbare Erschauung des Unterschiedes von Geist und Materie nur eine Modi- fikation der letzteren (d. h. ein mechanischer Process) sei und allein von der Materie (in der Gestalt des inneren Organs) auch ohne weitere Meditationsübung zu Wege gebracht werde. Die zweite Form setzt die Uebernalune des Asketenlebens voraus and ist auf die Meinung ge- gründet, dass zwar nicht die Materie eo ipso die erlösende Erkenntniss hervorbringe, dass aber die Weltentsagung zu diesem Ziele führe und dabei jede Meditation überflüssig sei. Die dritte Form unterscheidet sich von der vorigen durch die Zuversicht des Asketen, dass, wenn auch die Erlösung in Folge der Weltentsagung nicht auf einmal eintrete, doch jede Sorge unbegründet sei; man müsse nur die Zeit abwarten, die den ersehnten Erfolg bringen werde. Als die vierte und letzte Form der subjektiven Befi-iedigungen gilt das Sichgenügenlassen an dem Glauben, dass die Er- reichung der Erlösung Glückssache sei. — Die fünf ob- jektiven Befriedigungen finden sich bei Leuten, welche die Erkenntniss der höchsten Wahrheit noch nicht erreicht haben, aber auf den Genuss der Sinnesobjekte aus folgenden fünf Ursachen — oder besser: auf Grund der folgenden, in fünffacher Weise specialisirten Erkenntniss
1) Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 50. Die nachfolgende Beschreibung der einzelnen Formen weicht etwas von Gaudapäda's Auffassung ab und wird von Vijnänabhikshu zu Sütra III. 43 bekämpft.
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— verzichten; wenn sie nämlicli zu der Einsicht gelangt sind, dass 1) das Erwerben, 2) das Erhalten, 3) die Ver- gänglichkeit, 4) der Geniiss der Objekte sinnlicher Freude (weil die durch den Genuss wachsenden Begierden nicht zu stillen sind) und 5) das zum Zwecke des Genusses er- forderliche Tödten und Quälen anderer Wesen vom Uebel und mit Schmerzen verbunden ist ').
Die acht Arten der Vollkommenheit unter- scheiden sich als' drei eigentliche Vollkommenheiten und fünf uneigentliche, welche nur als Mittel zur Erreichung jener drei zu betrachten sind. Die drei wirklichen Voll- kommenheiten bestehen in der Beseitigung der drei Arten von Schmerz '-), d, h. in der Erfüllung der höchsten mensch- lichen Aufgabe. Unter den fünf hierzu empfohlenen Mitteln steht an erster Stelle die vernunftgemässe Ueberlegung (üha) als die höchste Instanz, welche die Sänikhya- Philosophie bei der Erforschung der Wahrheit kennt. Darauf folgen die mündliche Unterweisung (<;abcla), das Studium (adhyayana)^ die Gewinnung weiser Freunde und der Verkehr mit ihnen (suhrt-präpti) und schliesslich — eine offenbare Entlehnung aus dem Kreise der brahmanischen Anschauungen — die Freigebigkeit (däna)'"^).
Den einzelnen Formen der Befriedigung und Voll- kommenheit sind eigenthümliche Namen gegeben, die grösstentheils Beziehungen zu den Begriffen Wasser, Fluth
1) Kärikä 47, 50, Sütra III. 39, 43, Sämkhya-krama-dipika Nr. 66, wo die vier subjektiven Befriedigungen in falscher Weise erklärt werden, wie die Vergleichung mit den älteren Kärikä- und Sütra-Commentaren zeigt.
2) Von denen oben S. 134 gehandelt ist.
ä) ISach Vijn. zu III. 43 geradezu die Bezahlung eines Lehrers. Väcaspatimi9ra zu Kärikä 51 giebt dem Worte däna die fingirte Bedeutung ,Reinheit, Läuterung' und versteht darunter die Klarheit des Innenorgans, die durch Beseitigung aller Irrthümer und Zweifel erzielt wird. — Zu der Lehre von den acht Vollkommenheiten überhaupt vgl. Kärikä 47, 51, Sütra III. 40, 44, Sämkhya-krama- dipikä Nr. 67.
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und Ueberfahrt haben und sich in allen unsern Lehr- büchern mit nicht erheblichen Abweichungen vorfinden. Da ich fürchte bei diesen Zuständen, die zwar eine Specia- lität des Sämkhya-Systems sind, aber dem Geschmack europäischer Leser schwerlich entsprechen werden, schon zu lange verweilt zu haben, möchte ich wegen dieser Be- zeichnungen ^) auf die Uebersetzungen der S ä m k h y a - Texte und auf die Einleitung zu meiner Bearbeitung der Sämkhya-tattva-kaumudi S. 527, 528 verweisen, woselbst ich glaube den Zusammenhang dieser Metaphern mit dem bei den Buddhisten beliebten Bilde von der Ueber- fahrt über den Ocean des Samsära in den Hafen des Nirväna wahrscheinlich gemacht zu haben.
^) Die Systematisirangswutli der Sämkhya- Lehrer hat es fertig gebracht, selbst den Zuständen, die den Befriedigungen und Vollkommenheiten entgegengesetzt sind und deshalb für Formen des Unvermögens gelten, mit a privativum gebildete Namen zu geben: anambhas, asalila, anogha (Nichtwasser, Nichtwoge, Nicht- fluth!), atära, asutära, atäratära u. s. w. Diese Geschmack- losigkeit Gaudapäda's (zu Kärikä 50, 51) oder eines seiner Vorgänger ist freilich bei allen späteren Autoren unberücksichtigt geblieben, mit Ausnahme des Verfassers der Säiukhya-krama-dipikä, der in Nr. 64, 65 diese ungeheuerlichen Bildungen mit Behagen aufzählt. In Ballantyne's Text steht dabei fälschlich anantd statt anambhas, tämasalinä statt asalila, avedyä statt anogha.
ni. Die Materie als einlieitlicher Begriff.
Nachdem wir alle Entfaltungen, Funktionen und Zu- stände der Materie in kosmologisclier und physiologischer Hinsicht betrachtet haben, liegt es uns ob, die Materie als Ganzes, als Einheit ins Auge zu fassen, wie sie oft in den Sämkhya- Texten — gewöhnlich im Gegensatz zu den Seelen — behandelt wird. Die nachfolgenden Zeilen finden deshalb am zweckmässigsten hier ihren Platz, weil sie alles in den beiden vorangehenden Kapiteln erörterte als be- kannt voraussetzen und zugleich eine Einleitung zu dem letzten Abschnitt unserer Betrachtungen, der Psychologie des Sämkhya-Sytems, bieten.
Für den Begriff der Materie im Allgemeinen werden dieselben Bezeiclmungen gebraucht, wie für den der Ur- materie, den sie nach ihrer etymologischen Geltung ur- sprünglich zum Ausdruck brachten : iwatcrU und pradhäna ').
1) S. oben S. 208. — Vor etwa sechzig Jahren wurde zwischen Co- lonel Vans Kennedy und Sir Gr aves Haughton ein Streit über die Frage geführt, ob das Sanskrit überhaupt ein dem philosophischen Terminus 'matter' entsprechendes Wort besitze. Man vergleiche über diesen Streit den interessanten Dialog in Ballantyne's Christia- nity contrasted with Hindu philosophy, p. 114—138. Der grössere Theil der von Haughton als Aequivalente für ,Materie' aufge- zählten Worte ist allerdings auszuscheiden, nämlich vastu, vasu, carira, mürti, tattva und padärtha. Die beiden Sämkhya -Aus- drücke prakrti und pi'adhäna aber, mit denen alles nicht- geistige bezeichnet wird, entsprechen dem Begriff , Materie' bei unsern Dualisten so genau als möglich; nur, weil man nach Cole- brooke's und Wilson 's Vorgang die beiden Worte mit , Natur'
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Nicht selten sind mit diesen Worten specielle Ent- wickelungsformen der Materie bezeichnet; am häufigsten die inneren Organe, wenn nämlich diejenigen Funktionen oder Zustände, welche wir als diesen angehörend kennen gelernt haben , Attribute der Materie (prahrti'-dharma) ^) genannt werden; oder der gesammte innere Leib, wenn es heisst , dass die Materie wandere , gebunden sei und erlöst werde -) , und dass der Schmerz wesentlich mit der Materie verbunden sei •'). Mit solchen Stellen in unseren Texten haben wir es hier nicht zu thun, sondern nur mit denen, welche von der Materie als dem grossen Ganzen der stofflichen Welt handeln.
Zwei charakteristische Qualitäten der als Einheit be- trachteten Materie (pvahrter guna-vtgeshau) sind Raum (die) und Zeit (käla); beide gelten im metaphysischen Sinne als ewig und allgegenwärtig*). In der empirischen
zu übersetzen pflegte, konnte dies bestritten werden. Wer noch jetzt an der Uebersetzung ,Materie' anf Grund der in den Säin- khya-Texten gegebenen Beschreibung (s. besonders Kärikä 11) Anstoss nimmt, sollte nicht übersehen, in wie verschiedener Weise die europäischen Philosophen je nach ihrer Weltanschauung die Materie definirt haben.
Anders steht es mit dem Worte dravtja, das von Haughtoii auch als Aequivalent für ,Materie' angeführt wurde; denn dravya ist gegenüber pralcrti und pradhäna das Allgemeinere , das sowohl die Seelen wie die materiellen Dinge in sich begreift und deshalb als jSubstanz' übersetzt werden muss. Auch in den Sämkhya- Texten ist gelegentlich von dem Citma-dravya , der seelischen, geistigen, immateriellen Substanz die Rede.
1) Z. B. bei Vijii. zu II. 9.
2) Kärikä 62.
3) Vijn. zu I. 144, Mahädeva zu II. 7.
*) Die Sämkhya- Lehre steht also in dieser Frage auf einem höheren philosophischen Standpunkte als der Vedänta, der den Raum aus dem Ätman entstanden sein lässt (s. Deussen, System S. 250—254), und als die Vaiceshika-Ny äya-Philosophie, welche Zeit und Raum für (allerdings ewige) Substanzen (dravya) erklärt. Bei der Beurtheilung dieser VaiQeshika-Nyäya-An- schammg darf man freilich nicht übersehen, worauf Max Müller,
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Welt indessen ersclieinen Raum und Zeit als begrenzt und erfordern in dieser Eigenschaft nach unserm System eine andere Erklärung. Hier sind offenbar zwei unabhängig von einander entstandene Auffassungen combinirt. „Soweit „Zeit und Raum begrenzt sind, entstehen sie aus dem „Aether in Folge seiner Verbindung mit diesem oder jenem ,.Upädhi", oder — was dasselbe ist — „sie sind nichts anderes als der durch die Upädhi's bestimmte Aether". Im Falle des Raumes sind die Upädhi's die körperlichen Dinge, im Falle der Zeit die Bewegungen der Himmels- gestirne ^). Merkwürdiger Weise wird das schwierige Problem in der S ä m k h y a - Literatur — wie überhaupt in der indischen Philosophie — nur ganz beiläufig und neben- sächlich behandelt.
Das Verhältniss der gesammten Materie zu den Seelen wird oftmals als das des Besitzes und des Besitzers (sva- svämi-hhäva oder sva-svämi-samhandha) bezeichnet, was nach den Commentaren dem Verhältniss von Genossenem und Geniesser (bhogya-hhokir-hhäva) gleichkormnt, oder — wie wir sagen würden — dem von Objekt und Subjekt. Obwohl dieses Verhältniss anfangslos ist, kann es doch gelöst werden, und seine Lösung ist nichts anderes als die Erlösung der Seele 2). Die Frage, wodurch dieser von Ewigkeit her bestehende Zusammenhang zwischen den Seelen und der Materie bedingt sei, ist von den Autori- täten des Sämkhya-Systems verschieden beantwortet worden; die Einen sagen: durch das Werk, d. h. durch die ebenso anfangslose Ansammlung von Verdienst und Schuld; der berühmte Pafica9ikha geht der Sache tiefer
Zeitschrift der deutsclien Morgenl. Ges. VI. 24 hinweist, dass dravya iu diesen beiden Systemen „nichts weiter bedeutet als was Eigenschaft oder Bewegung besitzt und der innige, unmittelbare Grund der Erscheinung ist". Jedenfalls aber leugnen die beiden Systeme, dass Zeit und Raum Qualitäten seien.
1) Sütra IT. 12 nebst den Commentaren; vgl. auch den Schluss der Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 33.
2) Sütra VI. 70.
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auf den Grund und c.^"irt, da ja auch das Werk eine bestimmte Ursache hab^n muss: durch die Nichtunter- scheidung; und schUessUch lehrt Sanandanäcärya, dass das zwischen Seelen und Materie obAvaltende Verhältniss von Genossenem und Geniesser durch den inneren Körper veranlasst sei, weil man nur durch Vermittlung des inneren Körpers geniesse ^). Diese letzte Auslegung ist ganz ober- flächlich und belanglos; denn der innere Körper gehört ja in allen seinen Bestandtheilen der Materie an. Pah- ca9ikha's Erklärung dürfen wir als die maassgebende öämkhya- Lehre über diesen Punkt betrachten, da auch sonst das Nichtwissen oder die Nichtunterscheidung als die letzte Ursache des Weltdaseins der Seelen genannt wird.
Das besprochene Verhältniss äussert sich in der Weise, dass die Materie im Interesse ihrer Besitzer oder Herren, d. h. der noch nicht zur Erlösung gelangten Seelen, in der schon mehrfach besprochenen Weise thätig ist 2). Wenn eine Seele in den Besitz der erlösenden Erkenntniss gekommen ist, so erleidet dadurch das Verhältniss der Materie zu allen übrigen Seelen keine Aenderung. „Gleich- „wie die Schlange [d. h. der irrthümlich für eine Schlange „gehaltene Strick], wenn sie auch aufgehört hat mit „Bezug auf den erkennenden zu wirken, doch nicht davon „absteht denjenigen, welchem die wahre Natur des Stricke „noch nicht klar geworden ist, durch das Schaffen vo'« „Furcht u. s. w. zu beeinflussen, geradeso steht auch die „Materie, obschon sie aufgehört hat für die Seele, welche „im Besitz der Erkenntniss ist, zu wirken, doch nicht von „ der Beeinflussung der nicht-erkennenden durch das Schaffen „der Buddhi und der übrigen Dinge ab -5)."
Nun entsteht ja aber die unterscheidende Erkenntniss nicht etwa in der Seele, sondern in der Buddhi. Die Materie, deren feinste Entwickelungsform die B u d d h i ist,
1) Sütra VI. 67—69.
2) S. oben S. 164,' 165, 224.
3) Vijn. zu III. 66.
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wird mithin ganz consequent nicht nur als die Fesslerin, sondern auch als die Befreierin der Seele bezeichnet und dafür verantwortlich gemacht, dass die gebundenen Seelen noch nicht erlost sind, dass „sie ihnen noch nicht zur Erreichung ihres Zieles verholfen hat^)." Wenn durch die erlösende Erkenntniss der Zusammenhang zwischen einer Seele und der Materie aufgehoben wird, so ist dies ebensowohl im Interesse der Materie wie der Seele; denn der Sclimerz gehört wie alle Gefühle dem materiellen Innen- organ an, und nur ein Reflex von ihm fällt in den Spiegel der Seele. So heisst es in S ü t r a IL 1 : „ [das Wirken] der „Materie dient zum Zwecke der Erlösung der [thatsächlich] „freien [Seele] oder zum Zwecke der eigenen"; und Vi- jnänabhikshu bemerkt hierzu: „Die Urmaterie schafft „die Welt zu dem Zwecke, um die ihrem wahren Wesen „nach von den Banden des Schmerzes freie Seele von dem „Schmerz in der Form des Reflexes zu erlösen oder „[kann man sagen] : von dem Schmerz, der durch die Yer- „bindung des Reflektirens [mit der Seele in Zusammen- „hang getreten ist]; oder [die Urmaterie schafft] zum „Zwecke der eigenen [Erlösung], d. h. zu dem Zwecke, „um sich selbst von dem wirklichen Schmerz zu er- „lösen".
Die Wesensverschiedenheit der Materie von der Seele ist der Ausgangs- und Angelpunkt des S ä m k hy a- Systems. Nur in einer Hinsicht sind diese beiden Dinge einander gleich, nämlich darin, dass sie weder einen Anfang noch ein Ende haben; aber diese Ewigkeit involvirt schon den hauptsächlichsten Unterschied, der zwischen Materie und Seele besteht : die erstere ist ewig der Veränderung unter- worfen (parindmi-nitya) ^ die letztere ewig unveränderlich (kütastha-nüya). Jeder Wechsel und Wandel in der Welt gehört einzig und allein der Materie und ihren Modifi- kationen an 2).
1) Vijfi. zu m. 64.
2) S. z. B. Vijn. zu I. 75, Einleitung zu III. 75. Garbe, Sämkhya-Philosophie. 19
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Die weiteren unterschiede der Materie von der Seele sind inKärikä 11 aufgezählt '). Die Materie besteht nach der Sämkhya- Lehre 1) aus den drei Guna's, Sattva, Rajas und Tamas, und besitzt demnach die charakte- ristischen Eigenschaften der Freude, des Schmerzes und der Apathie. 2) wirkt sie nur in der Gemeinschaft (avive- hhiy sambliüya-lcärin^ sarnhatya-härin). „Nichts ist allein „[für sich] zu seinem Geschäft befähigt, sondern [nur] in „der Gemeinschaft [mit etwas anderm]; aus einem allein „kann nichts auf irgend eine Weise entstehen '-)." Die Materie ist 3) Objekt (visliaya) oder — wie es gewöhnlich in unseren Texten heisst — sie ist zum Zwecke des andern (d. h. der Seele) da (jjardrtha). Sie ist in dieser Eigen- schaft 4) vielen Seelen gemeinsam zugehörig, d. h. ein einziges Objekt kann von vielen Personen zugleich erftisst werden. Sie ist 5) ungeistig und 6) produktiv. In allen diesen Hinsichten ist die Seele das Gegentheil von der Materie.
^) Vgl. u. a. auch noch Vijn. Einl. zu I. 82.
2) Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 11. Väcaspatimicra giebt für aviveldn noch eine andere Bedeutung au, über die oben S. 233, 234 zu vergleichen ist.
7
^\
Vierter Abschnitt.
Die Lehre von der Seele.
19^
7
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I. Die Seele an sich.
1. Yorbemerkung über die Bezeiclimiiigen der Seele.
Das Säinkhya- System gebraucht zur Bezeiclinung der Seele keine anderen Worte als die in der indischen Philosophie allgemein üblichen : ätman, pums und. purusha'^).
Dass das Wort ätman ursprünglich den Sinn ,Hauch, Athem' hatte und von hier aus die Bedeutungen ,eigene Person, Selbst, Seele' annahm, ist schon S. 108 erwähnt worden. Etymologisch ist es weder mit Grassmann und Curtius auf die Wurzel vä , wehen', noch mit BÖlit- lingk-Roth auf an ,athmen' zurückzuführen, sondern mit Weber-) auf ai ,wandern' ; die Grundbedeutung wäre also ,der hin- und hergehende'. Doch schimmert in der philosophischen Literatur nicht mehr der etymologische Sinn durch, und ebenso wenig die aus dem R i g v e d a zu belegende älteste Bedeutung ,Hauch, Athem',
Fums nnd purusha heissen ursprünglich ,Mann, Mensch, Person', bezeichnen also im philosophischen Sinne das- jenige, was an dem Menschen das wesentliche ist. Dass
1) Die angeblichen Synonyma, welche die Sämkhya-krama- dipikä noch in Nr. 37 anführt (purn-guna-jantu-jiva , hshetra-jna, nara, kavi, brahman, akshara, präna, ya, ka , sa, esha) sind theils Attribute der Seele, theils reine Fiktionen.
2) Jen. Lit.-Zeit. 1878, S. 82b oben. Weber stellt ätman hier, wie auch andere gethan haben, mit «t^os (cf. dhüma d'vfiöi) zusammen und bemerkt, dass nach dem Ausweis des vedischen tman die Grundform ätman anzusetzen ist.
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die einheimisch-indischen Ableitungen von pumsha sämmt- lich ungenügend sind, lehrt schon das Petersburger Wörter- buch. Die in unseren philosophischen Texten gegebenen Etymologien leiden zudem an dem Fehler, dass sie nicht von der Grundbedeutung ,Mann', sondern von der über- tragenen Bedeutung ,Seele' ausgehen. Der ältesten und geläufigsten Erklärung durch puri gete ,der in der [Leibes-] Stadt befindlich ist' sind in der Sämkhya-krama-di- p i k ä Nr. 35 zwei andere Etymologien von derselben Be- schaffenheit zur Seite gestellt: die Ableitung von puräna ,alt' (was so viel als ,ewig' bedeuten soll) und von piiro- liita ,vorangestellt, vorstehend'^). Die richtige Etymologie von pums und purusha hat Leumann, Zeitschr. f. vergl. Sprachf, XXXII, S. 10 — 12, gefunden, indem er sowohl pums, 2J'U'-77iäms wie pu-rusha iur ^pu-vrsha als aus zwei Elementen bestehend erkannt hat, von denen schon jedes für sich allein den Begiiff ,Mann' ausdrückt.
2. Beweise für die Existenz der Seele.
Obwohl in Sütra I. 138 gesagt ist, dass die Existenz der Seele keines Beweises bedürfe, da sie von Niemand bestritten werde, und obwohl die Seele gelegentlich als durch sich selbst evident (svatah siddha, svayam-prakäca) bezeichnet wird, sind an anderen Stellen in unseren Texten doch Beweise angeftüirt. Die Existenz der Seele wird aus der Idee des Ich, besonders aus der allgemeinen Vorstellung ,Ich erkenne' abgeleitet, mit der Begründung, dass ohne die Seele das Ichbewusstsein ebenso unmöglich sei wie der Schatten ohne den Schatten werfenden Gegenstand oder das Bild ohne seine Grundlage "-), Verschiedene andere
') Dieses Wort ist vou Ballantyne in wunderbarer Weise missdeutet worden: "because it is that towards which the 'highest affection' (purohüa) is entertaiucd [— seeing tliat each one loves seif, if loving nought eise — ]".
'-) Auir. und Mab. zu III. 12, VijS. zu VI. 1.
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Gründe finden wir in Kärikä 17 (und Sütra I. 140 — 144) zusammengestellt. Die Seele ist deshalb anzunehmen, „weü das zusammengesetzte zum Zwecke eines andern da „ist, und weil es ein Gegentheil von dem geben muss, „was aus den dreiGuna's besteht und die sonstigen Eigen- „ Schäften der Materie besitzt" i). Die Urmaterie und alle ihre Produkte sind zusammengesetzt ; alles zusammengesetzte £,ber dient zum Zwecke eines andern, wie z. B. das Bett für den Körper des Schläfers. Der Körper ist wiedenun zum Zwecke eines anderen da, weil er gleichfalls eine Zusammensetzung aus Theilen ist; dieses andere dagegen muss unzusammengesetzt und mithin von allem materiellen wesensverschieden sein, da wir sonst einen regressus in infinitum erhalten würden-).
Die Existenz der Seele ist ferner deshalb nothwendig, „weil es einen Regierer (adhishthätar) geben muss". Wie der ungeistige Wagen von dem mit Intelligenz begabten Lenker geleitet wird, so muss die gesammte ungeistige Materie von einem geistigen Princip regiert werden ; andern- falls wären die zweckmässigen Entfaltungen und Verbin- dungen der Materie unerklärlich. Diese Leitung von Seiten des geistigen Princips, d. h. der Gesarmntheit der Seelen, beruht aber nach der Sämkhya-Lehre nicht auf einem bewussten WiUen, sondern auf dem blossen Vorhandensein der Seelen, das auf die Materie einen mechanischen Ä.nreiz ausübt, wie der Magnet auf das Eisen =^). — Der nächste Grund flir die Existenz der Seele ist die Nothwendigkeit der Annahme eines Empfinders (hhoktar). Die Objekte der Empfindung, Freude, Schmerz u. s. w., werden von jedem Einzelnen gefühlt. Da nun die materiellen Produkte (insbesondere die inneren Organe) die Freude, den Schmerz u. s. w. als etwas ihnen wesentlich angehöriges besitzen,
1) Vgl. oben S. 290.
•-) S. ausser den Commentaren zu Kärikä 17 noch die Com- mentare zu Sütra I. 66, 140. 3) Vijn. zu III. 57, Y. 9.
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mithin empfundenes Objekt sind, können sie nicht zu- gleich empfindendes Subjekt sein; denn ein anerkannter Grundsatz der Logik erklärt es für eine Unmöglichkeit, dass einunddasselbe Ding gleichzeitig Subjekt und Objekt sei (karma-kartr-virodha). „Deshalb muss etwas, das nicht „das Wesen von Freude u. s. w. hat, dasjenige sein, auf „welches angenehm, resp. widerwärtig eingewirkt wird; „und dies ist die Seele ^)."
Diesen Gründen haben unsere Texte noch einen aus der Erfahrung und dem Traditionsglauben entnonmienen hinzugefügt, der hier erwähnt sei als ein Beispiel dafür, wie wahrhaft philosophische Betrachtung in diesen Büchern auf das engste mit den Erzeugnissen einer kindlichen Naivität verknüpft ist. Es wird ein Beweis für die Existenz der Seele in der Thatsache gefunden, dass das allgemeine Streben der Menschen auf die Erlösung von dem Schmerze des Weltdaseins, d. h. auf die Isolirung der Seele von der Materie, gerichtet ist. Wenn es keine Seele gäbe, so würde dieses Streben sinnlos, und die Autorität der Lehrbücher und der ,grossen Seher mit den göttlichen Augen' hin- föUig sein, — was für unsere Autoren ausgeschlossen ist ^).
3. Das Wesen der Seele.
Die absolute, an sich seiende (kevala) Seele ist von der empu'ischen, zur Materie in Beziehung stehenden Seele (jiva) zu unterscheiden ; nicht als ob eine Verschiedenheit zwischen beiden existire, sondern weil die Stellung, welche die Seele in dem empirischen Dasein des Individuums ein- nimmt, nur dann genau präcisirt werden kann, wenn die Natur der Seele an sich festgestellt ist. Ueberall, wo in
^) Sämkliya-tattva-kaumudi zu Kärikä 17; Vijii. zu Sutra I. 66, 99, 141, 143; Anir. und Mab. zu V. 66. — Zu alleu diesen Beweisgründen vgl. Colebr 00 ke, Mise. Ess.- 1. 267, 268, Barthe- lemy Sain t-Hilaire, Premier Memoire 169 ff., 444.
^) Säinkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 17.
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f\ der S ä m k h y a - Literatur die Frage nach dem Wesen (svarüpa) der Seele aufgeworfen ist, wird die Antwort gegeben: die Seele ist Geist (cit, citi, cetana, caitanya)^ und zwar reiner Geist, Denken schlechthin (cin-viätra), oder — was nach der Ausdrucks weise unserer Texte auf ^ dasselbe hinausläuft — stetiges Licht (prakaQa). Da dieses K das Wesen der Seele ausmachende Denken objektlos ist ' und sich nicht selbständig zu bethätigen vermag, so ist die Seele im Zustande des absoluten Daseins — um einen Ausdruck Röer's (Lecture p. 22) zu gebrauchen — know- ledge of nothing ^). Hiermit ist die Definition der Seele erschöpft ; es giebt nach der Sämkhya- Lehre kein Attribut, welches den Begriff der Seele positiver gestaltet. In Ueber- einstimmung mit dem berühmten Ausspruch der B r h a d ä - ranyaka Upanishad (IL 3. 6; IIL 9. 26; IV. 2. 4; 4, 22; 5. 15): „[Sie ist] nicht so, nicht so" wird die Seele als qualität- und attributlos (nirguna, nirdharma, nirdhar- maka) bezeichnet 2). Wenn auch diese Lehre in erster Linie gegen die Theorie der Vai9eshika-Nyäya- Philosophie gerichtet sein wird, der zufolge die psychischen Processe, Wahrnehmen, Erkennen, Wollen u. s. w. , Attribute der Seele sind, so ist doch der Satz von der Qualitätlosigkeit der Seele stets in allgemeinster Form ausgesprochen, so dass er nicht bloss in jener Beschränkung aufgefasst werden kann. IVIit dieser Lehre scheint beim ersten Blick im Widerspruch zu stehen, dass Vijfiänabhikshu in dem Verse, mit dem er seinen Commentar eröffnet, von den ,hunderterlei Eigenschaften' der Seele spricht und dass verschiedentlich in unseren Lehrbüchern die Eigenschaften der Seele aufgezälilt werden ■^). Diese Qualitäten sind jedoch alle negativer Natur, soweit sie nicht für die Stufe des
^) Welche Rolle aber dieses objektlose Denken im Haushalt der Natur spielt, wird weiter unten in II. 3 erörtert werden.
*) Z. B. Sütra I. 54, 146; V. 74.
3) Kärikä 19, Sütra I. 19, Säinkhya-krama-dipikä Nr. 34, 86. Vgl. auch Colebrooke, Mise. Ess.2 I. 270.
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Weltdaseins aus der Geistigkeit der Seele abgeleitet sind. Doch sind diese Negationen nichts weniger als bedeutungs- los; da sie für uns ihre positive Kehrseite haben, gewähren sie uns einen Einblick in die Vorstellungen, welche die An- hänger des S ä m k h y a - Systems mit dem Begriff der Seele verbanden.
Die Seele ist anfangslos (anädi) und endlos (ananta), d. h. ewig (nitya). Die Lehre, dass die Seele von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit hin existirt, ist der S ä m k h y a - Philosophie mit allen orthodoxen Systemen gemeinsam. Die Unsterblichkeit der Seele bedarf keines Beweises ; aber das Wort wird hier in einem andern Sinne verstanden als in den Religionen. Wohl ist die Seele an sich ewig und unzerstörbar, aber nicht ewig ist die empirische Existenz eines selbstbewussten Individuums, als welche die Fort- dauer im Himmel oder in göttlicher Würde von der Volks- religion gedacht wird. Dies ist nur eine Unsterblichkeit im uneigentlichen Sinne (gauna) ^ da sie im günstigsten FaUe nur bis zu dem Ablauf einer Weltperiode währt ^).
Die Seele ist theillos (nirbhäga) 2) und schon aus dem Grunde unvergänglich ; denn nur dasjenige, was aus Theilen besteht, ist der Vernichtung ausgesetzt. Diese Lehre von der Theillosigkeit der Seele steht im engsten Zusammen- hang mit der Vorstellung von ihrer Grösse. Li welcher Weise die Theorie der J a i n a ' s , dass die Seele so gross sei wie der Körper, widerlegt wird, haben wir oben S. 109 Anm. gesehen. Die Seele kann, nicht von begrenzter Aus- dehnung (madliyama-2}arimdna, pariccMnna-parimäna) sein, weil sie in dem Falle aus Theilen zusammengesetzt sein würde. So bleibt, da die S ä in k h y a - Philosophie zu der Vorstellung von der Raumlosigkeit des an sich seienden ebenso wenig wie der V e d ä n t a '^j oder irgend ein anderes indisches System gelangt ist, nur die Alternative, die Seele
*) Vijn. zu I. 6.
2) Sütra V. 73.
3) S. Deusseu, System des Vedänta S. 329,
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entweder für unendlich klein oder für unendlich syoss zu erklären. Beide Anschauungen haben innerhalb der Säna- khya-Schule geherrscht, und zwar ist die Annahme der unendlichen Kleinheit die ursprüngliche. Freilich ist diese Ansicht nur aus einem einzigen Fragment des alten Säiukhya-Lehrers Panca9ikha nachzuweisen, in Vyä- sa's Yogabhäshya I. 36: „Wenn er dieses atomgrosse ,,(anu-mätra)^) Selbst erkannt hat, so ist er sich dessen „bewusst, was es heisst ,Ich bin'." Aber diese Stelle ist ganz unverdächtig; denn kein späterer Sämkhya- oder Yoga-Lehrer konnte auf den Gedanken kommen, einer so hoch verehrten Autorität wie Panca9ikha einen mit den Lehren des Systems im Widerspruch stehenden Satz in den Mund zu legen. Gerade die abweichende Lehre ist ein Beweis für die Echtheit des Fragments. Zudem passt die Theorie von der unendlichen Kleinheit der Seele besser in den Zusammenhang des Systems als die spätere Anschauung; denn sie ist mit der Sämkhya -Lehre von der unzähligen Menge individueller Seelen aufs schönste vereinbar, während dies bei der Theorie, dass eine jede Seele unendlich gross sei, Schwierigkeiten macht; man müsste ja auf Grund dieser Theorie mit Vijnänabhik- shu^) zugleich eine Nichtverschiedenheit der einzelnen Seelen im Sinne von räumlicher Ungetrenntheit (avibhäga) und eine Verschiedenheit im Sinne von gegenseitiger Nichtexistenz (anyonyä-hhäva) constatiren.
Alle anderen Sämkhya- Lehrer also von 1 9 v a r a - k r s h n a •^) an erklären im Widerspruche mit Pafica9ikha
^) Die der späteren Ansicht huldigenden Ausleger des Yoga- bhäshya suchen das anu-mätra Panca§ikha's hinwegzudeuten ; Vacaspatimi^ra erklärt es in der Tikä durch dur-adhigama und Vij iiänabhikshu im Yogavärttika p. 67 dui'ch sühshmatama. Die Bedeutung ,schwer erkennbar' könnte wohl anu au sich haben, aber anu-mätra nimmermehr.
2) Zu Sütra I. 151 und sonst.
3) S. Kärikä 10, 11.
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die Seele für alldurchdringend, allgegenwärtig, unendlich gi'oss (vibhu, vydpaka, parama-mahant)^ und hierin ist der Einfluss der V e d ä n t a - Philosophie auf unser System kaum zu verkennen. Dieser Einfluss muss sich zwischen dem ersten Jahrhundert n. Chr., der muthmasslichen Lebenszeit Panca9ikha's, und dem fünften Jahrhundert, in welches, wie wir oben S. 59 sahen, dieSämkhyakärikä spätestens zu verlegen ist, geltend gemacht haben. Wenn die späteren Autoren ihre Polemik gegen die ursprünghche Lehre von der atomistischen Grösse der Seele vorzugsweise damit be- gründen, dass dieser Anschauung die Thatsache der den ganzen Körper durchdringenden, d. h. an jedem Theile des Körpers wahrnehmbaren Empfindung widerstreite ^), so ist auch dieser Grund aus dem Gedankenkreise der Vedänta- Philosophie entlehnt ^).
Sobald das Dogma der Allgegenwart der Seele an- erkannt war, musste diese auch für bewegungslos (nish- hriya) erklärt werden. Dieser Grund wird vorzugsweise gegen die volksthümliche Anschauung ins Feld geführt, die für den Standpunkt des Sämkhya auch aus anderen Gründen unmöglich ist, dass nämlich die Seele ,wandere' 3). Wie wir früher gesehen haben, ist in unserem System der innere Körper das Princip der Metempsychose.
Die Seele ist ferner unveränderlich (aparinäminy hü- tastha)^ und hieraus wird eine Reihe weiterer Negationen abgeleitet. Sie ist absolut unthätig (akartar)^ d. h. willen- los. Wenn die Seele thätig wäre, so würde sie, weil nicht aus den drei G u n a ' s bestehend, nur gute Werke thun *). Sie ist unberührt (asanga) von Freude, Schmerz und allen sonstigen Affektionen ^) ; wie sie an deren Entstehung unbetheiligt ist, so steht sie ihnen auch vollkommen gleich-
1) Vijn. zu I. 51.
2) S. Deussen, Vedänta S. 333, 334.
3) Sütra I. 48—51, V. 76.
*) Sämkhya-krama-dipikä Nr. 38; vgl. auch Nr. 42, 43. 6) Sütra I. 15.
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giltig, neutral (udasma, viadhyastha) gegenüber. Da sie somit ihrem Wesen nach rein (cuddha^ amala) oder ewig frei (nitya-mukta) ist ^) , darf man ihr direkt weder ein Gebundensein noch ein Erlöstsein zuschreiben; denn das letztere setzt ein früheres Gebundensein voraus.
Die V e d ä n t a - Philosophie lehrt, dass die Seele ihrer Natur nach Sein, Denken und Wonne (sac-cid-dnanda) sei; aber das ist ein Irrthum. Die Wonne gehört dem Wesen der Seele nicht an; denn ein und dasselbe Ding kann nicht beides, Wonne und Denken, sein, da rein geistiges Wesen und Wonnenatur sich gegenseitig aus- schliessen. Schon auf dem Standpunkt des Vedänta verbietet sich jene Annahme, die das Zugeständniss einer Dualität in sich begreift; denn die Wonne ist etwas em- pfundenes und ohne ein zweites, d. h. ohne ein empfindendes, nicht möglich -). Zwar sprechen auch die Anhänger der Sämkhya- Philosophie von einer ,Freude der Seele' (ätma- suhha); denn sie nennen so die höchste Wonne, die der Mensch geniessen kann, d. h. die der Ruhe, in der das reinste S a 1 1 v a wirkt, im Schlafe und ähnlichen Zuständen, und das Glück der Entsagung. Aber jener Ausdruck ist nur bildlich zu verstehen; denn auch diese Wonne ruht nicht in der Seele, sondern in dem inneren Organ ^).
Die Seele ist schliesslich, obwohl eine Substanz (dravya), immateriell (aguna)*), und mithin von der Urmaterie so- wohl als von allen Produkten wesensverschieden s), wie das schon oben S. 289, 290 im Einzelnen ausgefühi-t wurde. Die Vedänta -Lehre, dass die Seele nicht nur causa effi- ciens, sondern auch causa materialis der Welt sei, wird
1) Sütra I. 19, 162, 163; Särpkhya-krama-dipikä Nr. 34, 36.
2) Sütra y. 66, 67. Die eingehendere Polemik gegen diese Vedänta -Theorie ist in den Commentaren zu den beiden Sütra's zu finden.
3) Vijn. zu I. 65, IV. 11.
*) Sämkhya-krama-dipikä Nr. 34, 36.
5) Kärikä 11, 17, Sütra I. 139—144, lU. 75, VI. 2-4.
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durch diesen Fimdamentalsatz des Sämkliya- Systems zurückgewiesen'). Die unproduktive a-prasava-dharmin)-) Seele besitzt nicht die Fähigkeit, sich in irgend einer Weise zu entfalten.
Nachdem wir hiermit alles zusammengestellt haben, was unsere Texte über das Wesen der Seele aussagen, ist ein Missverständniss des Resume's in Kärikä 64 aus- geschlossen: „So entsteht aus dem Studium der Principien „die abschliessende, geläuterte, weil iirthumslose, absolute „Erkenntnisse ,lch [d. h. das Selbst, die Seele] bin nicht; „nichts ist mein; [das] ist nicht Ich'." Der wahre Sinn dieses Satzes wird erst durch die erforderlichen Ergänzungen ,Ich bin nicht [nämlich thätig]' u. s. w. verständlich. Schon Wilson sagt in seinen Anmerkungen zu dieser Kärikä S. 181, dass man in dem etwas auffalligen Satze nicht eine Negation der Seele finden dürfe, und giebt auf Grund der Auslegungen der Commentatoren die richtige Er- klärung: "It is merely intended as a negation of the "soul's having any active participation , any individual "interest or property, in human pains, possessions, or feel- "ings". Auch Röer, Lecture p. 22, äussert den Verdacht, dass alle hohen Aussprüche der Sämkhya-Texte ein reiner Hohn seien und dass das System in Wirklichkeit ein krypto-materialistisches sei, nur um diese Annalnue sofort zu widerlegen. Obwohl die Seele von der Sämkhya- Philo- sophie fast vollständig des Charakters entkleidet ist, den Religion und Philosophie gewohnt sind ihr zuzuschreiben, so ist doch der Begriff der Seele für dieses System ebenso wesentlich als der der Materie. Erst der Stifter des Bud- dhismus, der in so wichtigen Punkten auf den Lehren des Sämkhya-Systems fusst, ist einen Schritt weiter gegangen und hat die Seele geleugnet '^).
1) Sutra VI. SS.
2) Kärikä 11, Sämkhya-krama-dipikä Nr. 34, 86.
3) In welcher Weise er dies gethan hat, ist bei Oldenberg, Buddha-^ S. 274 ff. nachzusehen.
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4. Die Yiellieit der Seelen.
Die Annahme einer Vielheit individueller Seelen, die einen der wichtigsten Unterschiede unseres Systems von dem spirituellen Monismus des Vedänta darstellt, wird in dreifacher Weise begi-ündet. Die Hauptstelle istKärikä 18: „Die Vielheit der Seelen ergiebt sich 1) aus der Vertheilung „von Geburt, Tod und Organen, 2) aus dem nicht-gleich- „ zeitigen Wirken und 3) schon aus dem verschiedenen „Zustand der drei Guna's." Zur Erläuterung dieser drei Gründe glaube ich nichts besseres thun zu können als die eingehenden — übrigens offenbar auf Gaudapäda's kürzerem Commentar basirenden — Erklärungen Väcas- patimi9ra's, soweit sie für uns wesentlich sind, anzu- führen ^).
1) „Geburt ist die Verbindung der Seele mit den „folgenden neuen, als Wohnstätte charakterisirten Dingen: „Körper, äussere Sinne, innerer Sinn, Ahainkära, Buddhi „und Empfindung; sie ist aber keine Veränderung an der „Seele, weil diese unveränderlich ist. Tod ist das Ver- „ lassen eben dieser angenommenen Dinge, des Körpers „u. s. w. , aber nicht die Vernichtung des Selbstes, weil „dieses unwandelbar und ewig ist. Unter den Organen „sind die dreizehn von der Buddhi an [bis zu den „ Organen der Wahrnehmung und des Handelns] verstanden. „Die Vertheilung von Geburt, Tod und Organen be- „ deutet das Je-anders-sein ; [und] dieses [in Wirklichkeit „bestehende Je-anders-sein] ist doch unvereinbar mit [der „Annalune], dass ein und dieselbe Seele in allen Körpern „sei. Dann müssten ja, wenn einer geboren wird, alle
^) Die übrigen Stellen in unseren Texten, die sich mit der Vielheit der Seelen beschäftigen (Sutra I. 149 — 154, VI. 45, Säm- khya-krama-dipikä Nr. 45) bringen nichts neues hinzu. Cole- brooke's Erörterung (Mise. Ess.'^ I. 268) ist ganz auf Kar. 18 gegründet.
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„geboren werden, wenn einer stirbt, alle sterben, wenn „einer z. B. erblindet, alle erblinden, und wenn einer be- „wusstlos wird, alle bewusstlos werden. Es würde also, „[wenn es nur eine Seele gäbe,] keine Vertheilung be- „ stehen können; diese ist vielmehr nur möglich, wenn „entsprechend den einzelnen Leibern die Seelen verschieden „sind "
2) „Wenn auch das Wirken — d. h. die Tliätigkeit „ — dem inneren Organ angehört, so wird dasselbe doch „auf die Seele übertragen; und demnach müsste, wenn „diese in einem einzigen Körper thätig ist, dieselbe unter „der Voraussetzung, dass es nur eine [Seele] in allen „Körpern giebt, überall thätig sein und in Folge dessen j,alle Körper gleichzeitig in Bewegung setzen ^). Bei der „[Annahme einer] Vielheit [der Seelen] aber fiillt dieser „Einwand fort."
3) „Einige Wohnstätten der Existenz [d. h. einige „Körper] sind reich an Sattva, wie die aufwärts ge- „stiegenen [d. h. die Götter]; einige sind reich an Rajas, „wie die Menschen; einige reich an Tamas, wie die „Thiere. Solch ein verschiedener Zustand — d. h. solch „ein Anderssein — der drei Guna's in diesen und jenen „Wohnstätten der Existenz wäre nicht möglich, wenn es „nur eine Seele gäbe."
Wenn die ungeheure Zahl der individuellen Seelen begrenzt wäre, so würden, da die Erlösung wie in der Gegenwart auch in der Zukunft immer Einzelnen zu Theil werden wird, in der fernsten Zeit einmal alle Individuen zur Erlösung gelangt sein müssen, und damit würde das Ende der Welt gekommen sein. Dies aber widerspricht den Voraussetzungen des Systems, nach dem der Sam- sära ewig währt. Die Annahme einer unendlichen Vielheit von Seelen war mithin unerlässlich -).
^) Gaudapäda verlegt den Schwerpunkt auf die Verschieden- artigkeit der menschlichen Handlungen. 2) Anir. zu I, 159, Vijn. zu II. 4.
n. Die empirische Seele.
1. Das Yerliältniss der Seele zu den Organen und
zum Leibe.
Die an sicli seiende Seele wird zur empirischen (jiva) durch die Verbindung rait den Upädhi's, d.h. mit dem Innenorgan, den Sinnen und dem Körper, durch die hierauf beruhende Verbindung mit den Fähigkeiten des Empfindens und Handelns, und durch die ebenfalls auf den Beziehungen zum Innen organ beruhende Verbindung mit dem Athem, die das den Körper bildende und das animalische Leben hervorbringende Princip ist ^). Dieser Zusammenhang einer jeden Seele mit ihren Upädhi's besteht in der Form einer anfangslosen Continuität -), die nur in den Perioden der Weltauflösung unterbrochen wird und bis zur Er- reichung der unterscheidenden Erkenntniss währt. Vermöge dieses Zusammenhangs ist die Seele Herr (svämin) und Leiter (adhishthätar) ihrer Upädhi's. Aber sie übt keinen aktiven Einfluss auf die Organe aus und weist ihnen nicht an, was sie zu thun haben; denn sie ist, wie wir gesehen haben, willenlos und ihrem Wesen nach ewig unveränder- lich. Die Organe andererseits arbeiten für die Seele, ohne zu wissen, was sie thun, und folgen dabei nm" den blinden Trieben der Materie. Es ist mithin ganz consequent, wenn
1) Sütra I. 97, V. 113—115, VI. 63; vgl. auch oben S. 257.
2) Sämkbya-tattva-kaumudi zu Kärikä 21, Viju. zu I. 19. Garbe, Sämkhya-Philosophie. 20
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das Innenorgan wegen des ihm angeliörenden Willens als der eigentliche, wirkliche (anupacarita, muhhya) Leiter be- zeichnet wird '). Was also ist die Herrschaft und Leitung der Seele? Darauf erhalten wir die Antwort: Die That- sache, dass die Seele durch ihr blosses Dasein die Ursache einer Veränderung in den Organen ist auf Grund einer besonderen Verbindung (samyoga-viQesha) 2). Diese ,be- sondere Verbindung' ist nun nicht etwa eine innige Ver- einigung, ein Verschmelzen der Seele mit ihren Organen, sondern besteht lediglich darin, dass die Seele, die ihrer Natur nach Licht ist, die inneren Organe erleuchtet oder durchglüht. Wie die Sonne, wenn sie die Erde bescheint, oder das Feuer, wenn es das Eisen durchglüht, oder die rothe Hibiscus-Blüthe , wenn sie durch den Krystall hin- durchschimmert, keine Veränderung erleidet, ebenso wenig wird die Seele durch den Einfluss, den sie auf die Organe ausübt, selbst irgendwie alterirt=^). Wenn demnach die vielbesprochene , Verbindung' einzig und allein darin beruht, dass die Seele, ohne im Geringsten aus ihrer Indifferenz herauszutreten, durch das von ihr ausstrahlende Licht den ganzen Organismus mit bewusstem Leben erfüllt — es wird darüber des näheren unten in Kapitel 3 zu handeln sein — , so ergiebt sich, dass eine w i r k 1 i c h e Verbindung der Seele mit den Organen und dem Leibe gar nicht existirt, und dass nur derjenige von einer solchen Ver- bindung sprechen kann, der noch nicht zur Erkenntniss der Wahrheit gelangt ist. Das ist in Sütra L 55 mit den Worten ausgedrückt: „Die Verbindung [der Seele] „mit jener [d. h. der Materie] beruht auf der Nichtunter- „scheidung." In Wahrheit also giebt es gar keine empi- rische Seele ; und wenn in den Texten von einer empirischen Seele die Rede ist und dieser Attribute zugeschrieben werden, die dem Wesen der an sich seienden Seele wider-
1) Sütra I. 99 nebst den Commentaren.
2) S. besonders Mahädeva zu I. 142, V. 114.
3) Sütra I. 99, 145, 146, VI. 50 nebst den Commentaren.
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streiten — wie z. B. die Begrenztheit ') oder Gebundensein und Erlösung, Unterscheidung und Nichtunterscheidung — , so „ist das nur ein Ausdruck, aber keine Realität, da „diese im Denkorgan ruhen-)." Das bedeutet, dass unter der ,empirischen Seele' einfach der von der Seele durch- leuchtete Complex von Upädhi's zu verstehen ist, oder — was, wie wir sehen werden, auf dasselbe hinauskooimt — die Seele mit dem Spiegelbild des Innenorgans. Die Seele selbst aber ist immerdar unabhängig von ihren Upädhi's und deren Aflfektionen ; und das Eintreten aus dem Zustand des Gebundenseins in den der Erlösung ist nichts anderes als die Erreichung der Erkenntniss, dass die Seele realiter niemals gebunden war und gebunden sein kann.
Dieser ganze Vorstellungskreis ist den entsprechenden Anschauungen des Vedänta-Systems so nahe verwandt, dass man sich kaum der Annahme einer gegenseitigen Beeinflussung verschliessen kann. Ganz offenbar ist der vedantistische Einfluss auf die jüngeren Sämkhya- Texte da, wo der Unterschied der an sich seienden und empirischen Seele durch die Bezeichnung ,das höhere (oder höchste, para, parama) und niedere (apara) Selbst' ausgedrückt wird"^); liier liegt die Entlehnung aus der Terminologie des Vedänta (para und apara brahman) auf der Hand.
2. Das Yerhältniss der Seele zum Handeln.
Aus dem eben gesagten geht auch hervor, dass die- jenigen Stellen, welche von dem Handeln der Seele oder von ihren Werken sprechen, nicht wörtlich zu verstehen sind*); denn die Seele ist immerdar unfähig zu jeglicher Thätigkeit ^) und hat nicht die Macht einen Grashalm zu
1) Vijn. zu VI. 63.
2) Sütra I. 58; vgl. auch I. 7.
s) Anir. zu II. 1, Vijn. zu VI. 63; s. auch schon Mbh. XII. 6921. *) Sütra I. 97 (Anir.), II. 8. 5) Kärikä 19.
20*
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krümmen (trnasya hubji-harane 'py anicvarah) '). „Der „Seele wird die Tliätigkeit auf Grund ihres Herrseins [nurj „in uneigentlicliem Sinne zugeschrieben, wie z. B. Sieg „und Niederlage, welche doch den Soldaten angehören, „uneigentlich dem König zugeschrieben werden, weil dieser „die Folgen des [Sieges oder der Niederlage] , die Freude „oder den Schmerz, empfindet und Herr über jene [Soldaten] „ist", sagt Vijiiänabhikshu zu Sütra I. 76 2). Das in Wirklichkeit handelnde Princip ist das zweite der inneren Organe, der Ahamkära, wie wir schon oben S. 250 erkannten. Wie kommt es dann aber, dass uns, bevor wir nicht den wahren Sachverhalt begriffen haben, die Seele als handelnd erscheint? Weil — antwortet Kärikä20^), in welcher Strophe die Quintessenz der Sämkhya- Lehre beschlossen liegt, — „in Folge der Ver- „bindung mit der [Seele] der ungeistige innere Körper „scheinbar geistig, und ebenso die am Handeln unbetheiligte „[Seele] scheinbar handelnd wird." Oder specieller: weil der ungeistige Ahamkära nur in Folge des belebenden Lichtes wirkt, das die Seele auf ihn wirft, und weil es eine Funktion des Aha m k ä r a ist den Wahn zu erzeugen, dass unser Ich, unsere Seele das handelnde und leidende Subjekt sei.
Wiewohl nun aber die Seele keinen Theü an dem Handeln hat und die Werke ihr nur durch die Nicht- unterscheidung aufgebürdet werden, so genügt dieses Ver- hältniss für unser System doch zur Erklärung der Thatsache, dass nur ein bestimmtes Innenorgan Werkzeug für eine bestimmte Seele ist, und dass die Seele Maitra's nicht geniessen kann, was das Innenorgan C a i t r a ' s zubereitet. Die Werke, die auf die eben beschriebene Art zu der Seele in Beziehung gesetzt werden, gelten als ilir Eigenthum, durch welches sie ein specielles nur für sie wirkendes
1) Sämkhya-krama-dipikä Nr. 43.
^) S. aucli seinen Commentar zu II. 5, 46.
3) Vgl. auch Sutra I. 164.
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Innenorgan , erwirbt' (ctrj)^ „gleichwie im täglichen Leben, „wenn von einem Manne durch das Werk etwa des Kaufens „z. B. eine Axt erworben ist, die Thätigkeit dieser [Axt], „das Spalten u, dgl. , nur fiir diesen bestimmten Mann
„stattfindet Wenn [man uns darauf fragt] : ,Was
„ist denn aber der bestimmende Faktor dafür, dass ein „Werk zu einer [speciellen] Seele in Beziehung tritt?', so „antworten wir: ein, anderes [früheres] Werk von derselben „Art. Wegen der Anfangslosigkeit [der Werke] aber be- „deutet [in diesem Falle] der regressus in infinitum keinen „Fehler i)."
Die Werke sind also zwar ein sich ewig durch sich selbst erneuerndes Eigenthum der Seele, aber dieser Besitz wird ihr ohne eigenes Zuthun zu Theil. Wie die Seele deshalb keine Verantwortung iiir die Werke trägt, so ist sie auch über Lohn und Strafe erhaben -).
3. Die Aufgabe der Seele.
Bei seiner Besprechung der Lehre von der Seele sagt Barthelemy Saint-Hilaire im Premier Memoire S. 449, 450 folgendes: „Si c'est la nature qui s'enchaine "et se delivre, si ce n'est plus l'äme ; si c'est la nature qui "agit, et si Täme est si parfaitement inerte, j'avoue que je "ne comprends plus pourquoi Kapila n'a pas complete- "ment supprime Täme." Barthelemy ist mithin nicht zum Verständniss der überaus wichtigen Aufgabe gelangt, welche nach der S ä m k h y a - Philosophie die Seele in dem empirischen Dasein des Individuums zu erfüllen hat; und merkwürdiger Weise ist dies auch nicht dem scharfsinnigsten Forscher gelungen, den die Geschichte des Sänikhya- Studiums aufzuweisen hat : F i t z - E d w a r d H a 1 1 3). Der
^) Sütra II. 46 und Vijn.'s Commentar. 2) Vgl. oben S. 269.
") Rational Refutation p. 54 heisst es: "Attention should be 'paid to the circumstance that, in the Sänkhya, the term ,cog-
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Leser weiss schon aus früheren Andeutungen, um was es sich handelt. Kapila' s Auffassung der Seele bezweckt die Beantwortung einer Frage, die vielleicht wissenschaft- lich nie befriedigend beantwortet werden wird : wie entsteht
"nition' (jnäna) denotes two distinct things. One of them is that "which we all so denominate. This is really the apprehending
"of objects; and, to us, this alone deserves the name it bears
"But, again, the Sänkhyas apply the appellation of Cognition to "the soul itself, which they also style intelligence , the intelligent "one, etc. Here, however, Cognition is so but nominally, as it is "not one with apprehension of objects. Cognition as denoting soul,
"it is laid down, is eternal That this Cognition, by which
"the soul itself is intended, is Cognition only in name etc."
Es ist richtig, dass in unseren Sämkhya- Texten mit dem Worte jnäna zwei verschiedene Dinge bezeichnet werden, 1) die imter dem Einfluss der Objekte entstehenden mechanischen Er- kenntnissfunktionen der inneren Organe und 2) die objektlose Er- kenntniss oder das Wesen der Seele , das gewöhnlich durch die Worte cit, citi, cetana, caitanya oder prakäga benannt ist. Miss- verständnisse sind übrigens dabei ausgeschlossen, da durch den Zusammenhang in jedem Falle vollkommen klar ist, in welcher der beiden Bedeutungen jnäna verstanden werden muss. Aber Hall befindet sich im Irrthum, wenn er meint, dass die objektlose Er- kenntniss nur eine nominelle Erkenntniss sei, bei der man sich gar nichts denken könne. Ich will es auf sich beruhen lassen, ob der indische Ausdruck (nirvishaya jnäna) glücklich gewählt ist; aber darüber, was mit ihm gemeint ist, kann kein Zweifel sein. Die ewige objektlose Erkenntniss, die identisch ist mit dem BegritF der Seele, ist das Princip, welches die an sich unbewussten vergäng- lichen Denkfunktionen zu bewussten macht; jnänal wird erst durch jnäna 2 zu dem, was wir Erkenntniss nennen.
Ich sehe mich genöthigt noch auf eine andere Stelle der Ra- tional Refutation einzugehen, an der ebenfalls die Unkenntniss der Aufgabe, die das Sämkhya- System der Seele zuschreibt, zu einem völligen Missverständniss der Terminologie und zur Erhebung eines unberechtigten Vorwurfs geführt hat. Wir lesen S. 99: "First, "however, I must bestow a few words on the great error, com- "mitted by the Sänkhyas, of distinguishing between happiness and "the like, and their experiences. Who is conscious of any such "distinction? From experience of happiness deduct experience: can "one then form any idea what happiness is by itself? Not at all.
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und worauf beruht das Bewusstsein? Die Sämkhya- Philosophie hat die Lösung dieses Problems in den von ihr angenommenen Beziehungen der Seele zu dem Innen- organ zu finden gemeint. Wenn das Innenorgan die von der Aussenwelt dargebotenen Objekte durch Vermitt- litng der Sinne empfangt, so nimmt es die Form dieser Objekte an (arthäkära^ visliayakära) \ es entsteht also ein Bild der Objekte in unserm Innern. Dies hat die ver- schiedenartigsten Folgen; es kann dadurch ein in dem inneren Organ ruhender Eindruck angeregt und so die Erinnerung an früher erlebtes geweckt werden; die Bilder der Aussenobjekte und die Erinnerung zusammen können abstrakte Schlussfolgerungen bewirken, aber auch Zuneigung, Abneigung, Freude, Schmerz, Begierde und andere Leiden- schaften hervorrufen ; diese hinwiederum können den Willen, die Entschliessung zum Handeln rege machen und in eine
■'Consequently, all the qualities of the soul, towit, Cognition, •'will, activity, happiness , and so on, ought to be regarded as so ■'many diflferent sorts of experience; as was previously exemplified, •'in the case of will. Or, should there be some very nice distinc- •'tion between happiness, or the like, and the experience of it, the "two, at all events, are inseparable. It follows, that there is no •'foundation for the theory of separating Cognition etc. from their ■'experiences, on which the doctrine depends, that the internal •'organ is the subject of happiness and so forth, and that the soiil •'is their experiencer."
Die Verhältnisse liegen hier genau so wie bei dem eben be- sprochenen Punkt, und der Unterschied, der zwischen Freude, Schmerz u. s. w. einerseits und deren Empfindung (experience, blioga) andererseits gemacht wird (z. B. bei Vijn. zu I. 106), ist in dem Dualismus des Sämkhya-Systems begründet. Unter Freude, Schmerz und dgl. sind die mechanischen Affektionen der inneren Organe, welche als die materielle Basis solcher Gefühle gelten, zu verstehen; mit der Empfindung ist das Bewusstsein dieser Affek- tionen gemeint, das durch den Einfluss der Seele erklärt wird. Es handelt sich also in der That um zwei verschiedene Begriffe, und es wäre ein Mangel, wenn diese Verschiedenheit nicht so, wie es in den Sänikhya- Texten geschieht, zum Ausdruck gebracht würde.
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bestimmte Richtung drangen. Alle diese mannigfaltigen Processe bestehen — ebenso wie einfache Wahmehmungen — in Veränderungen oder Modifikationen (vikära, parinäma) des Innenorgans, so dass dieses in jedem Augenblick eine andere Form annimmt. Die beständige Umgestaltung, die so an dem Innenorgan durch Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Wollen bewirkt wird, ist nun im Princip nichts anderes als der Wechsel und Wandel, der sich un- ablässig in der Aussenwelt vollzieht ; hier wie dort handelt es sich um rein materielle Veränderungen. Die Ver- schiedenheit der inneren Alterationen aber von allen andern, stofi'lichen Umgestaltungen beruht darin, dass dieselben einen scheinbar geistigen Charakter durch das auf sie fallende Licht des Bewusstseins erhalten. Zunäclist könnte man denken, dass das in der Buddhi befindliche und diese vorzugsweise bildende S a 1 1 v a der Träger dieses Lichtes sei; ist doch das Wesen des Sattva als lichtartig oder erleuchtend (pralcä(^aka) geschildert. Diese Voraussetzung aber ist ein Irrthum: das Licht des Sattva ist nicht geistiger Natur, sondern nur eine Eigenschaft der Materie, zur Hervorbringung der mechanischen Denkfanktionen (jnäna-vrtti) geeignet und berufen, aber unfähig das Be- wusstsein hineinzutragen. Die Buddhi ist — um das unvermeidliche Beispiel unsrer Texte zu gebrauchen — ebenso rein materiell (jada) ,wie Töpfe und dergleichen', also ein Objekt^), dessen sich wohl ein anderer, das sich aber nicht seiner selbst bewusst werden kann. Das ,Auf- leuchten'^*) der Buddhi muss mithin von einer andern Stelle aus bewirkt werden, d. h. , wie wir schon S. 306 sahen, von der Seele; denn das Objekt bedarf eines Sub- jekts: die Wahrnehmungs- und Denkfunktionen eines Zeugen (sdkshin) oder Zuschauers (drashtar) '^) , die Ge-
1) Kärika 11.
2) S. in den Indices zu meinen Textausgaben unter bhana, hhäs, pra-Mc und den Ableitungen von diesen beiden Wurzeln.
3) Kärika 19, Sütra I. 161.
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fühle und Affekte eines Geniessers oder Empfinders (bhoktar) ^).
Die Seele bringt also den jeweiligen Zustand der inneren Organe dadurch ins Bewusstsein, dass sie ,vermöge ihres blossen Naheseins' ihr Licht auf dieselben wirft-). Welcher Art nun aber ist die Lichthaftigkeit der Seele? Sie ist „ein mit Worten nicht zu beschreibendes Merkmal" (akhandopädhi)^ sagt Vijhänabhikshu^^) mit Benutzung eines Terminus der N y ä y a -Philosophie ; doch bietet er selbst uns ausführlichere Auslassungen, mit denen wir etwas weiter kommen. Sütra I. 146 lehrt, dass das Licht nicht eine Eigenschaft der Seele sei, weü diese quali- tätlos ist*). Hierzu giebt Vijnänabhikshu folgende Erläuterungen: „Wenn [gefragt wird:] ,Welchen Grund „giebt es denn für die Qualitätlosigkeit [der Seele]?', so „antworten wir: Erstens können die Wünsche und [Wahr- „ nehmungen] der Seele nicht ewig angehören, weil man „sieht, dass dieselben erzeugt werden ; und wenn man [der „Seele] erzeugte [also zeitweilige] Qualitäten zuschreiben „woUte, so wäre damit die Veränderlichkeit [der Seele] „gegeben 5). . . . Und wenn [die Seele] gelegenthch — „durch eine Veränderung in den Zustand der Blindheit j^ — cler Möglichkeit ausgesetzt wäre, nicht-erkennend zu „sein, so würde sich ein Zweifel liinsichthch [der Wirk- „lichkeit] der Erkenntnissakte, Wünsche u. s. w. erheben." Man hat also einen Beweis für die Beharrlichkeit des seelischen Lichtes in der Erwägung gefunden, dass wir gar keine Bürgschaft für die Wirklichkeit der Wahr- nehmungen und inneren Vorgänge haben würden, wenn
1) Kärikä 17, Sütra I. 143; vgl. auch oben S. 295, 296.
2) VijS. zu I. 17, 19, 99, IL 29 und sonst.
3) Zu I. 88, 145. *) Vgl. S. 297.
5) Die Unveräuderliclikeit der Seele wird auch zu II. 44 als Grund dafür augegeben, dass die Denkfunktioneu der Seele selbst nicht angehören können.
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das Leuchten der Seele jemals eine Unterbrecliung erleiden könnte. Dieser Gedanke wird von Vijnänabhikshu noch näher an einer andern Stelle ^) ausgeführt , die ich der Wichtigkeit des Gegenstandes halber gleichfalls hier- her setze:
„Die UnVeränderlichkeit der Seele wird daraus er- „ schlössen, dass diese zu jeder Zeit die [ihr von dem „Innenorgan dargebotenen] Objekte erkennt. Denn also „verhält es sich: gleichwie nur die Farbe das Objekt des „Gesichtssinnes ist, [aber] nicht — auch bei gleicher „Nähe — der Geschmack oder etwas anderes, ebenso ist „das Objekt der Seele nur die Affektion des derselben zu-
„ gehörigen Innenorgans Alles andere wird für die
„Seele zum Gegenstand des Genusses [d. h. der bewussten „Erkenntniss oder Empfindung] nur dadurch, dass es in „das afficirte Innenorgan Eingang findet, [aber] nicht von „selbst; denn [sonst] müsste alles immerdar zur Erkennt- „niss gelangen. Diese Affektionen des Innenorgans nun „bleiben niemals unerkannt [von der Seele] ; denn wenn „man anninmit, dass Denkprocesse, Wünschen, Freude und „dgl. [zuweilen] unerkannt bleiben [d. h. nicht zum Be- „wusstsein kommen] können, so würde hinsichtlich dieser „[Vorgänge] geradeso gut wie z. B. bei einem [nicht „deutlich wahrgenommenen] Topfe, ein Zweifel oder [Irr- „thum] folgender Art obwalten können: ,Erkenne ich „oder nicht? freue ich mich oder nicht? u. s. w.*" Es giebt also nach der S am khya- Lehre keine unbe- wusst bleibenden inneren Vorgänge, weder Denk- processe, noch Empfindungen oder Affekte; die Theorie des Unbewussten beschränkt sich auf die noch nicht zum Leben erweckten Eindrücke, die in der Buddhi hinter- lassen sind, und die auf ihnen beruhenden Dispositionen-).
^) Zu VI. 2; vgl. ferner seinen Commentar zu I. 75, auch Yogasütra IV. 17 (Bhojaräja, 18 Vyäsa) und P. Markus, Die Yoga-Philosophie S. 10.
2) S. oben S. 269 fF.
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Wenn die Liclithaftigkeit keine Eigenschaft, kein Attribut der Seele sein kann, so bleibt nur die Annahme übrig, dass das Licht die Seele selbst sei, d. h. ihr Wesen ausmache ^). Es ist dabei ohne weiteres klar, dass die Sämkhya- Philosophie unter der Seele nicht eine wirklich leuchtende Substanz versteht, sondern dass sie sich nur eines Bildes — und zwar eines ganz vortrefflichen — be- dient, um den Begriff des Geistes zu veranschaulichen 2). Der Gebrauch dieses Bildes wird durchkreuzt durch den eines anderen, das in gleicher Weise die Unberührtheit des Geistes durch die inneren Affektionen und den eigen- artigen Zusammenhang beider verdeutlichen soll. Die Seele wird nämlich auch einem Spiegel verglichen, in dem die inneren Organe reflektiren. Für beide Gleichnisse kommen dieselben Worte zur Verwendung: sowohl das Licht, das von der Seele auf die inneren Organe fällt, wie die Spiegelung der inneren Organe in der Seele wird mit den Worten ,Reflex, Abbild' (chäyä, pratibimha) bezeichnet'^). Das bewusste Erkennen, Empfinden, Wollen ist also — um in dieser Bildersprache zu reden — nichts anderes als der Reflex der betreffenden Lmenorgansaffektionen in der Seele, oder umgekehrt der Reflex der Seele in dem Innenorgan. Eines solchen Reflexes bedarf es auch zur Erkenntniss der Seele selbst, da diese ohne Hilfe des Innenorgans nichts erkennen kann. Wie bei der Wahrnehmung der Aussen- dinge das Innenorgan ein Bild der Objekte in sich auf- nimmt, so nimmt es in diesem Falle unter Ausschliessung alles anderen ein Bild der Seele in sich auf Wenn die Seele sich so in dem Innenorgan abspiegelt, bringt sie
1) Sütra I. 145 und oben S. 98 Anm.
2) Daraus, dass diese Metapher nicht in der Kärikä nachzu- weisenist, darf man kaum schliessen, dass dieselbe I§varakrshna noch nicht geläufig war. Die Kärikä ist ein so kurzes Compendium, dass naturgemäss nicht alle Einzelheiten in ihi- erwähnt werden konnten.
3) S. die Indices zu meinen Textausgaben.
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ihren Reflex und damit sich selbst zur bewussten Er- kenntniss ^).
Dieser Reflex oder dieses Reflektiren (cliäyd-patti, pra- tibimhana) gilt für illusorisch (mitliyä)^ womit nicht die Existenz geleugnet, sondern nur gesagt werden soll, dass der Vorgang nicht das ist, was er zu sein scheint, nämlich eine Affektion der Seele selbst. Wenn das Gleichniss von der rotlien Färbung des Krystalls durch eine ihm nahe gebrachte Hibiscus-Blüthe gebraucht wird, so heisst diese Färbung (uparäga) gleichfalls ,LUusorisch' , weil sie nicht eine Veränderung in dem Krystall ist, die sie dem naiven Betrachter zu sein scheint 2). Die gelegentlich gebrauchten Ausdrücke ,AssiDiilation der Seele an die Afi'ektion des Innenorgans' (purnshe vrtti-särüpya) ^) und ,Eintreten des Geistes in das Innenorgan' (cid-äveqa) *) sind nach allem dem nicht mehr misszuverstehen : es giebt ebenso wenig eine Materialisirung des Geistes wie eine Vergeistigung der Materie ; beides ist scheinbar (iva) ^). Der kurze Sinn der zahlreichen und ausführlichen Erläuterungen, die unsere Texte dem Verhältniss zwischen Seele und Innenorgan widmen, ist also, dass von der geistigen Natur der Seele eine anregende, das Bewusstsein erzeugende Kraft aus- strömt, oline dass die Seele selbst dabei irgend etwas wirkt oder leidet.
4. Das Gebundeusein und seine TJrsaclie, die Nicht-
unterscheiduu
Die Vorstellungen von dem Wesen und der Ursache des Gebundenseins (bandha) haben im Verlaufe meiner
1) Sütra VI. 49, 50.
2) Vijn. zu I. 1, 58, 87, 99, 104; Nilakantha-Hall, Eatio- nal Refutation p. 51 — 56.
3) Vijn. zu I. 148. i) Vijn. zu I. 99.
5) Kärikä 20, Sütra I. 164.
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Darstellung schon so oft erwähnt werden müssen, dass ich mich hier auf eine Rekapitulation der Hauptsachen und auf eine Ergänzung durch die bisher noch nicht zur Sprache gebrachten Einzelheiten beschränken kann. Der Zustand des Gebundenseins ist gleichbedeutend mit dem bewussten Leben ; denn er besteht nicht während des tiefen , traum- losen Schlafes, der Ohnmacht, der bis zur Bewusstlosigkeit gesteigerten Versenkung und zur Zeit der Weltauflösung ^). Das Gebundensein ist nun nichts anderes als ,die Ver- bindung mit dem Schmerz' (duJikha-yoga) ^) , oder , da der Pessimismus der S ä m k h y a - Philosophie auch die Freude zu den Schmerzen rechnet ") , als die Verbindung mit den Gefühlen überhaupt. Nun wissen wir bereits, dass die Gefühle nicht der Seele angehören, sondern dem inneren Organ, welches durch das Vorwalten des S a 1 1 v a freudige, durch das Vorwalten des Rajas schmerzvolle Affektionen ei-föhrt.
In Wahrheit ist also das Gebundensein den Upädhi's der Seele eigen *) , dem inneren Organ oder dem dasselbe enthaltenden Complex des feinen Körpers, und zwar als etwas wesentliches eigen; d. h. der Schmerz währt mit den oben erwähnten Unterbrechungen so lange, als der feine Körper besteht und das empirische Dasein. Mit dieser einfachen Verweisung des Gebundenseins in den materiellen Theil des Individuums ist aber der Thatbestand nur zur Hälfte erklärt; aus folgendem Grunde, der in der Fassung angeftihrt sei, die ihm Vijnänabhikshu ge- geben hat 5): „Wenn das Gebundensein, d. h. die Verbin- „ düng mit dem Schmerz, lediglich dem Denkorgan angehörte, „so würde das mannigfache Empfinden unerklärlich sein. „Denn auf Grund der Annahme, dass das Empfinden, d. h.
1) Sütra V. 116, Vijii. zu I. 19.
") Vijn. zu I. 7, 17 und sonst.
3) S. oben S. 133.
*) Und heisst deshalb aupädhiha; Vijn. zu I. 12, 19, 54.
°) Zu I. 17.
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„das unmittelbare Erfahren des Schmerzes, auch ohne die „Verbindung der Seele [d. h. des Ich, des individualisiren- „den Princips] mit dem Schmerz existire, müssten die „Schmerzen und [Freuden] aller Menschen von allen „Menschen empfunden werden, weil es dann keinen [die „ Vertheilung] bestimmenden Faktor (niyämaka) gäbe. Und „deshalb würde die [thatsächliche] Mannigfaltigkeit des „Empfindens, die sich darin äussert, dass Dieser Schmerz „und Jener Freude empfindet u. s. w., unerklärlich sein. . . . „Darum muss zur Erklärung der Mannigfaltigkeit des J.Empfindens das Gebundensein auch der Seele zugeschrieben „werden, weil damit ein [die Vertheilung] des Empfindens „bestimmender Faktor gegeben ist. Und diese Verbindung „des Schmerzes mit der Seele existirt nur in der Form „eines Reflexes (pratibimba). ... Da nun lediglich die „Affektion des Upädhi [d. h. des Innenorgans] der be- „treff enden [Seele] reflektirt wird, empfinden nicht „alle Menschen alle Schmerzen. . . . Wenn aber in der „Schrift und Tradition gelehrt wird, dass Gebundensein „und Erlösung nur dem Denkorgan und nicht der Seele „angehören, so ist das von dem wirklichen (-päramär- ^fliika) Gebundensein zu verstehen, d. h. von der Ver- „bindung mit dem Schmerz in der Form seiner objektiven „Realität (himba).'' An dieser Stelle i) ist deutlich erklärt, in welcher Weise wir das oft behauptete und oft negirte Gebundensein der Seele zu verstehen haben. Der aus dem Innenorgan auf die Seele fallende Reflex des Gebunden- seins oder des Schmerzes — wir dürfen diese beiden Worte als Synonyma behandeln — ist zwar illusorisch in dem oben S. 316 angegebenen Sinne, aber doch etwas that- sächliches. Er übt zwar keinen wirklichen Einfluss auf die Seele aus, hat aber einen Erfolg, der einem solchen Eijifluss vergleichbar ist 2); insofern er nämlich die natür-
1) Vgl. ferner Vijii. zu I. 19, III. 74, VI. 11, 27, 28, Anir. zu n. 5.
ä) Vijn. zu VI. 27, 28.
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liehe Schmerzlosigkeit der Seele verdeckt in derselben Weise, wie die durch die Hibiscus-Blüthe veranlasste Röthe nur die natürliche Farblosigkeit des Krystalls verdeckt. Wie dabei die Farblosigkeit des Krystalls weder bei der Annäherung der rothen Blume zu Grunde geht noch bei Entfernung derselben wieder entsteht, ebenso wenig ent- steht der Schmerz in der Seele bei der Annäherung des Innenorgans , noch vergeht er bei dessen Entfernung ^). Die Verbindung der Seele mit dem Sclmierz beruht also — um den stehenden bildlichen Ausdruck unserer Texte in die uns geläufige Sprache zu übertragen — darin, dass die Seele den im Körper befindlichen Schmerz zum Be- wusstsein bringt. Dies ist das eigentliche Weltübel, dessen Beseitigung die höchste Aufgabe menschlichen Strebens ist. Wodurch nun aber ist diese eigenthümliche Verbindung der Seele mit dem Schmerz bedingt? Sie ist weder der Seele wesentlich, denn dann könnte sie überhaupt nicht gelöst werden -) ; noch wird sie durch besondere Veran- lassungen hervorgerufen, denn in dem Falle müssten wir, auch nachdem sie durch die von der Philosophie ge- lehrten Mittel aufgehoben ist, stets befürchten, dass diese Veranlassungen aufs neue die verhängnissvolle Verbindung bewirken werden ^). Doch giebt es ausser diesem allge- meinen Grunde noch besondere, durch welche die speciellen Veranlassungen, an die man in Indien denken konnte, ausgeschlossen werden *). Das Gebundensein der Seele kann nicht durch Zeit und Raum veranlasst sein, weil beide allgegenwärtig und ewig sind und deshalb auf die erlösten Seelen ebenso wirken müssten wie auf die gebundenen; auch nicht durch einen bestimmten Zustand, da Zustände nur Eigenthümlichkeiten des Ungeistigen sind ; auch nicht durch die Werke oder durch deren nachwirkende Kraft,
1) Vijn. zu VI. 20.
2) Sütra I. 7—11.
^) Vijn.'s Einleitung zu I. 12. ^) Sütra I. 12—54.
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da diese beiden Dinge nicht der Seele, sondern dem inneren Organ angehören und man sich des logischen Fehlers der zu weit gehenden Uebertragung (atiprasakti) schuldig machen würde, wenn man das Gebundensein des Einen auf etwas einem Andern gehöriges zurückführte; ebenso wenig durch das mystische Nichtwissen, welches die kos- mogonische Potenz des späteren Buddhismus und des Ve- d ä n t a ist, weil etwas unreales keine positiven Wirkungen erzeugen kann; ferner nicht durch eine anfangslose Be- einflussung von Seiten der Objekte, weil ein Zusammen- hang zwischen der Seele und den Objekten unmöglich ist ; und schliesslich auch nicht durch irgend eine Art von Wandern, weil die Seele bewegungslos ist. Was also ist in Wahrheit die Ursache des Gebundenseins der Seele? Sagt man : die Verbindung von Seele und Materie ^) , so ist das nur eine Umschreibung des Ausdrucks ,Gebunden- sein', aber keine Feststellung der Ursache. Das Gebundensein wird nach der Sämkhya- Lehre einzig und allein bewirkt durch die ,Nichtunterscheidung' {aviveka, auch viparyaya, viparyäsa, viparita-jnäyia ,irrthümliche Umkehrung des wahren Sachverhalts' genannt) -). Diese Nichtunterscheidung wird definirt als eine „Auffassung der beiden Begriffe Materie und Seele, bei welcher das Nichtverschmolzensein beider unerkannt bleibt^)". Danach kann die Nichtunter- scheidung von zweierlei Art sein, je nachdem man nämlich den Gegensatz von Seele und Urmaterie oder die Ver- schiedenheit der Seele von den Umwandelungen der Ur- materie, d. h. von den inneren Organen, den Sinnen und den Elementen nicht erkennt. Praktisch äussert sich zudem die Nichtunterscheidung bei unphilosophischen Leuten, die es im Uebrigen mit dem Streben nach der Erlösung ernst nehmen, in der Vollziehung von Opfern und der Ausübung fi'ommer Werke. Es w^ird deshalb von einem
1) Vijn.'s Einleitung zu I. 55.
2) Kärikä 44, Sütra I. 55, III. 24.
3) Vijn. zu I. 55, VI. 12.
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dreifachen Gebundensein geredet, einem Gebundensein durch die Urmaterie (prahrti- oder präkrta handha)^ durch die TJmwandelungen der Urmaterie (vaikdrika bandha) und durch das Ritual (dakshinä- oder dakshinaka bandha) *). Diese Dreitheilung aber, ein Ausfluss der Schematisirangs- sucht unseres Systems, ist von untergeordneter Bedeutung; denn bloss bei einer Art von Nichtunterscheidung erfordert die Beseitigung ernste. Anstrengungen. Das ist die Nicht- unterscheidung der Seele von den inneren Organen, die Nichtunterscheidung des Geistes von dem scheinbar geistigen S a 1 1 V a , das die Erkenntnissfunktionen bewirkend in den inneren Organen und besonders in der Buddhi sich be- findet. Diese Verschiedenheit von Sattva und Seele (sativa-purxishä-nyatä) "-) ist diejenige Form des Unter- schiedes zwischen Materiellem und Geistigem, die am schwersten zu begreifen ist, mit deren Erkenntniss aber auch das höchste Ziel erreicht ist; denn die Verschiedenheit der Seele von allem anderen sonst ergiebt sich von selbst, wenn dieser eine Unterschied erkannt ist.
Die Nichtunterscheidung ist nun die Ursache aller Leidenschaften und Begierden, die den Menschen an das Leben fesseln, sie ist die Ursache des Handelns, also der Erwerbung von Verdienst und Schuld, und damit die Ur- sache des Wirkens der Materie überhaupt, d. h. des ganzen empirischen Daseins ^). In allen diesen Hinsichten ist die Nichtunterscheidung nur mittelbare Veranlassung des Gebundenseins; wir haben also noch festzustellen, wie sie unmittelbar das Gebundensein der Seele bewirkt. Dies thut sie dadurch, dass sie das Reflektiren der Innenorgans- afifektionen und insbesondere — worauf es hier ankommt
1) Sämkhya-tattya-kaumudi zu Kärikä 44, Tattvasamäsa Sütra 22 und Sämkhya-krama-dipikä Nr. 73; vgl. auch Vijn. zu I. 57.
2) Mah. zu I. 1, Yogasütra III. 35, Mahäbhärata XII. 7103— 7111, 7703, 7847, 7893.
3) Sütra ni. 68, Vijn. zu I. 55; s. auch oben S. 178—180. Garbe, Sämkhya-Philosophie. 21
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— des Schmerzes in der Seele verursacht ^). Die Thatsache also, dass wir das völlige Unbetheiligtsein der Seele an den inneren Vorgängen nicht erkennen, hat nach der Sänikhya- Lehre zur Folge, dass der Schmerz in der Form eines Reflexes Eingang in die Seele findet, d. h. zum Bewusstsein kommt. Wenn die Nichtunterscheidung gerade- zu mit dem Gebundensein identificirt wird 2), so Lst das eine uneigentliche Ausdrucksweise, durch welche die unmittelbare Veranlassung an die Stelle der Wirkung gesetzt wird '^).
Glaubten wir die Nichtunterscheidung als das Anfangs- Sflied in der Kausalitätsreihe zu erkennen, so ist dabei doch folgendes nicht zu übersehen. Auch die Nichtunter- scheidung kann noch auf eine Ursache zumckgeführt werden, und das ist die Disposition (samshära^ vdsanä) zur Nicht- unterscheidung, die auch während der Zeit der Weltauf- lösung bestehen bleibt und somit die Wurzel alles Uebels von Ewigkeit her bis in Ewigkeit ist *). Da diese unheil- volle Disposition ein Erbtheil aus der vorangehenden Existenz, die Nachwirkinig der damaligen Nichtunterschei- dung ist, die ihrerseits wiederum aus der entsprechenden Disposition hervorgegangen sein muss u. s. f., so liegt hier eine anfangslose Continuität vor^). „Wenn die Nicht- „ Unterscheidung einen Anfang hätte, so würde in dem „Falle, dass sie von selbst entstehen soll, auch der Erlöste „wieder gebunden werden können; und in dem Falle, dass „sie durch Werke oder etwas anderes hervorgerufen sein „soll, müssten wir nach einer neuen Nichtunterscheidung „als Ursache für diese Werke oder für das andere suchen, „und damit würden wir einen regressus in infinitum er- „ halten 6)." An dem regressus in infinitum jedoch, den
1) Vijn. zu III. 74, VI. 11, 27, 28.
2) Sütra VI. 16.
3) Sütra III. 74.
*) Anir. zu II. 1, Vijn. zu I. 55, 56.
5) S. oben S. 147.
6) Vijn. zu VI. 12.
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die Annahme der Verkettung von Nichtunterscheidung und Disposition zur Nichtunterscheidung nöthig macht, nimmt die S ä m k h y a - Philosophie keinen Anstoss.
5. Die Erlösung und ihi-e Ursache, die Unterscheidung.
In älteren Werken, die sich mit der Sämkhya- Philosophie beschäftigen, ist zuweilen das Erstaunen darüber ausgedrückt, dass von den Lehrern des Systems nicht der Zustand der Seele nach der Befreiung vom Weltdasein (mukti , moksha , nirmukti, vimukti, vimoksha, apavarga) beschrieben ist. Wohin geht die Seele und was wird aus ihr? fragt Barthelemy Saint-Hilaire im Premier Memoire p. 476 und findet auf diese Fragen keine Antwort'). Und doch lassen unsere Texte keinen Zweifel über das Schicksal der erlösten Seele. Selbst wenn sie darüber schwiegen — was sie nicht thun — , würde aus allem über das Wesen der Seele gesagten ohne weiteres klar sein, wie der Zustand der Seele, nachdem ihi-e Verbindung mit der Materie gelöst ist, gedacht werden soll. Schon die negativen Angaben in Sütra V. 74 — 83-), die ich zunächst mit der einheimischen Begründung anftihren will, weisen den richtigen Weg zum Verständniss. Die Erlösung ist weder, wie die Vedantisten meinen, eine Manifestirung der Wonne, weü die Seele qualitätlos ist und sich deshalb nichts an ihr manifestiren kann; noch — aus demselben Grunde — die Vernichtung der besonderen Eigenschatten, welche die Seele nach der Meinung der Vai9eshika's und Naiyäyika's im Zustande des Gebundenseins be- sitzt und im Augenblicke der Erlösung verliert 2). Auch kann die Erlösung nicht in der Erlangung irgend eines
1) Aehnlich Johaentgen, üeber das Gesetzbuch des Manu S. 55.
-) Vgl. hierzu auch Bhojaräja's Commentar zum Yogasütra
IV. 33.
^) S. die Aufzählung dieser Eigenschaften oben S. 117.
21*
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realen Gutes bestehen ; denn jeder Besitz, seien es die über- natürlichen Kräfte, die man durch die Ausübung der Yoga- Praxis zu gewinnen meinte, oder göttliche Würde und Macht, oder gar der irdische Besitz, in dem die Materialisten die Erlösung finden, ist vergänglich; die Erlösung aber muss ein unvergängliches Gut sein *). Ferner ist die Er- lösung nicht das Wandern der Seele zu höheren Welten, da die Seele bewegungslos ist und deshalb nicht wandern kann. Auch die Lehre der Buddhisten, dass die Seele nichts als eine Continuität momentanen Erkennens sei und dass die Erlösung in dem Aufhören des von den Objekten auf die Seele ausgeübten Einflusses bestehe, scheitert an der falschen Auffassung der Seele und an der Erwägung, dass auf Grund dieser Theorie die Verbindung des Erkennens mit den Objekten ja so wie so in jedem Augenblick zu Grunde gehen, mithin die Erlösung un- unterbrochen von selbst eintreten müsste. Ebensowenig kann die Erlösung die ,Verbindung des Theils mit dem Ganzen', d. h. das Aufgehen der Einzelseele in die göttliche Seele, sein, weil es keinen Gott giebt und weil, wenn es einen Gott gäbe, eine solche Erlösung vergänglich sein müsste nach dem Gesetz, dass jede Verbindung wieder zur Trennung führt; ausserdem leidet diese Theorie an der falschen Voraussetzung, dass eine Seele aus Theilen be- stehe. Scliliesslich ist die Erlösung weder die Vernichtung der Seele noch die des Weltganzen, weil die Erfahrung lehrt, dass das Streben des erlösungsbedürftigen Menschen nicht auf die Vernichtung gerichtet ist. Alles dies also ist die Erlösung nicht, was aber ist sie? Bei der Er- klärung A n i r u d d h a ' s -) , dass sie ein mit Worten nicht
1) Sütra VI. 17—19.
2) Zu Sütrca VI. 59. Anirudclha hat überhaupt in seinen ausführlichen Erläuterungen zu diesem Sütra und schon vorher zu VI. 50 Behauptungen aufgestellt, die sich mit seinen sonstigen Darlegungen und den feststehenden Lehren des Systems im Wider- spruch befinden. Von diesen Behauptungen gehört in unsern Zu-
— 325 —
zu beschreibender (a-väg-gocara) Zustand sei, brauchen wir uns nicht zu beruhigen, da wir direktere Angaben in unsern Texten finden. Aniruddha selbst sagt an einer anderen Stelle, dass die Erlösung die vollkommenste aller Schmerzbeseitigungen sei ') ; und oftmals wird dieselbe als das absolute Aufhören des Schmerzes oder als die Unmög- lichkeit seiner Wiederkehr definirt. Da die Schmerz- empfindung auf der in den vorigen Kapiteln behandelten ,Yerbindung' der Seele mit der Materie beruht, besteht die Erlösung in der völligen Trennung beider, in der definitiven Isolirung (kaivalya) der Seele -). Diese Trennung bedeutet, dass der in dem inneren Organ befindliche Schmerz aufliört seinen Reflex auf die Seele zu werfen oder — um das andere Bild zu gebrauchen — dass das schmerzvoll afficirte innere Organ nicht mehr von dem Lichte der Seele beschienen wird ^).
Wenn nun der Zusammenhang des inneren Organs mit der Seele aufgehoben ist und in Folge dessen der Schmerz aufhört in der Seele zu reflektiren, so gilt dies selbstverständlich auch von allen anderen Affektionen; und daraus folgt, dass nach der Sämkhya- Lehre die Seele in der Erlösung zwar individuell fort- dauert, aber in dem Zustand absoluter Bewusst- losigkeit*). Könnte darüber noch ein Zweifel bestehen, so wird er durch die Erklärung beseitigt, dass schon bei Lebzeiten derselbe Zustand erreicht wird, wie er in der Erlösung nach dem Tode besteht, nämlich während des
sammenhang die entschiedene Irrlehre, dass die erlöste Seele ihrer Natur nach Erkenntniss des ganzen Universums (jagat-praMca-rüpa) sei.
1) Zu I. 5.
2) Sütra III, 65.
3) Vijfi. zu m. 72, 74, VI. 11, 21.
*) Dieselbe Anschauung findet sich in der Vaiceshika- Nyäya- Philosophie, wofür die Belege bei Nilakantha- Hall, Rational Refutation p. 152—155 nachzusehen sind. Höchst wahr- scheinlich liegt hier eine Beeinflussung von Seiten unseres Systems vor; s. oben S. 119 Anm. 1.
— 326 —
tiefen traumlosen Schlafes, der Ohiimaclit und der bis auf das höchste Maass gesteigerten Versenkung, kurz jedesmal dann , wenn das Bewusstsein geschwunden ist '). Der einzige Unterschied dieser Zustände von der Erlösung liegt darin, dass in ihnen noch der Keim des Gebunden- seins existirt, während derselbe beim Eintritt der Erlösung zu Grunde geht -).
Wenn unsere Texte den Zustand der isolirten Seele beschreiben, so sagen sie, dass die Seele dann in sich selbst ruhe (svastha) •^) oder in ihrem eigenen Wesen (svarüpe 'vasthäna , svaritpa-'pyatishfhä) *) oder in der Fülle ihres eigenen Wesens (sva-svarilpa-pürnatayä 'vasthänaj ^) , also ausserhalb jedes Zusammenhangs mit Objekten der Er- kenntniss. Ganz deutlich ist dies in einigen Strophen des Yogaväsishtha ausgesprochen ^), welche die Anschauung des Sänikhya- und Yoga- Systems über diesen wichtigen Punkt am klarsten zum Ausdruck bringen:
„So ungetrübt das Licht erscheinen würde, wenn ,. alles beleuchtete, d. h. Raum, Erde, Aether, nicht „existirte, derart ist der isolirte Zustand des Sehers, „des reinen Selbstes, wenn die Drei weit, du und ich, „kurz [alles] sichtbare vergangen ist."
„Wie der Zustand eines Spiegels ist, in den ledig- „lich kein Reflex fällt , weder von einer Bildsäule noch „von sonst etwas, — allein das Wesen [des Spiegels] „an sich darstellend — ,"
„So ist die Isolirung des Sehers, der ohne zu
„schauen verharrt, nachdem der Wirrwarr der
„Erscheinungen, ich, du, die Welt u. s. w., ge-
„schwunden ist."
Wenn die Seele so zum Fürsichsein gelangt ist, löst
1) Sütra V. 116, Vijn. zu II. 34, V. 15.
2) Sutra V. 117; s. auch Vijn. zu I. 16, 19, V. 119.
3) Sütra II. 34.
*) Yogasütra I. 3, IV. 33.
^) Vijn. zu V. 116 5 vgl. auch pürnätman bei Vijiü. zu I. 154.
6) Citirt bei Vijfi. zu I. 146 und II. 34.
— 327 —
sich das Innenorgan, das ihr zugehörte, auf^), und der feine Körper, der bis dahin die Wanderung von einer Existenz zur andern bedingte, vergeht 2). Das Trauerspiel des Lebens ist zu Ende.
Die S ä m k h y a - Philosophie verfolgt keinen anderen Zweck als dem nach der Erlösung vom Schmerz trachten- den Menschen zu zeigen, wie dieses höchste Ziel zu er- reichen ist. Wir haben schon oben im zweiten Abschnitt gesehen, dass weder weltliche noch rituelle Mittel geeignet sind die Befreiung vom Schmerz herbeizuführen, dass es zu diesem Zwecke nur ein einziges Mittel giebt : die unter- scheidende Erkenntniss. Wir haben ebendaselbst auch die Anforderungen kennen gelernt, welche die Sämkhya- Philosophie an denjenigen stellt, der Jiach dieser Erkennt- niss strebt: die Gleichgiltigkeit gegen die Sinnenwelt und die Entsagung schaffen die Stimmung des Denkens, aus der bei der nöthigen Begabung und Anstrengung durch das Studium der materiellen Principien und des Kausal- zusammenhanges die unterscheidende Erkenntniss ent- springen kann; auch ^vird die üebung der Askese und der Versenkung empfohlen. Aber das sind nur Förderungs- mittel, die oft angewendet werden, ohne zum Ziel zu führen. Wie die Finsterniss nur in Folge einer einzigen Ursache verschwindet, nämlich wenn das Licht sie vertreibt, so wird auch die Nichtunterscheidung, auf welcher das Ge- bundensein beruht, allein durch die Unterscheidung be- seitigt 3). „Auf sieben Arten bindet sich die Materie,"
1) Vijfi. zu VI. 22, 28.
2) Sämkhya-tattva-kaumudi zu Kärikä 55. Die Gleichnisse, in welche diese Lehre gekleidet ist, sind oben S. 165, 166 besprochen.
3) Sütra I. 56, III. 4, Kärikä 44, 64—66. Wenn im Tattva- samäsa Sütra 23 und in der Sänikhya-krama-dipikä Nr. 74 gelehrt wird, dass man die Erlösung auf dreifache Art gewinnt, 1) durch die Erkenntniss, 2) durch Entsagung und Selbstbezwingung, 3) durch die allgemeine Vernichtung, so sind die Verfasser dieser jungen Texte auf Bahnen gerathen, die dem wahren Wesen der Sämkhya- Philosophie schnurstracks zuwiderlaufen.
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d. h. durch Verdienst , Gleicligiltigkeit ^) , übernatürliche Kraft, Verschuldung, Nichtwissen, Nichtgleichgiltigkeit und Nichtbesitz der übernatürlichen Kraft, „nur auf eine Art erlöst sie sich", durch das Wissen, d. h. durch die unter- scheidende Erkenntniss -). Wenn auch die ersten drei von jenen sieben den Menschen erheben, zum höchsten Heile flihren sie ihn nicht.
Nach dem vorher gesagten ist klar, dass die unter- scheidende Erkenntniss nicht den Schmerz unmittelbar aufhebt, sondern nur die Ursache des Schmerzes, die Nicht- unterscheidung von Seele und Materie'^). Sie räumt nur das Hinderniss hinweg, welches die natürliche, der Seele zu allen Zeiten eigene Schmerzlosigkeit vor unsern Blicken verhüllt^). Wenn die absolute Verschiedenheit von Seele und Materie erkannt ist, so ist damit der Wahn beseitigt, dass die Seele gebunden sei, und dadurch bewirkt, dass der Schmerz nicht mehr in der Seele reflektirt.
Wie imVedänta auf dem Standpunkte der höheren Wissenschaft keine Seelen Wanderung anerkannt wird, weil die empirische Existenz nur eine Illusion und die Seele mit dem B r a h m a n identisch ist ^) , ebenso giebt es auch nach der Sämkhya-Lehre keine Seelenwanderung, wenn die Wahrheit erkannt ist; weil man weiss, dass die Seele ewig frei ist, und dass Gebundensein und Erlösung, die bis zum Eintreten der Erleuchtung irrthümlich der Seele zugeschrieben wurden, der Materie angehören ''). Dasselbe gilt natürlich auch von der Nichtunterscheidung und der Unterscheidung, die lediglich zwei bestimmte Affektionen der Buddhi sind. Wenn, wie zuweilen gescliieht, die
^) S. oben S. 145, 146. ■-) Kärikä 63, Sütra III. 73. ^) Vijfi. zu I. 1, Einleitung zu I. 7. *) Sütra VI. 20, 21.
''■) Vgl. Deussen, System des Vedänta S. 388. «) Kärikä 62; Sütra I. 107, III. 71, 72, 74; Auir. zu I. 160, II. 1 ; vgl. oben S. 307.
— 329 —
Seele als das nicht-unterscheidende oder unterscheidende Subjekt bezeichnet wird i), so ist das in übertragenem Sinne gesagt, weil die Seele einen Reflex der beiden Affektionen empfängt und diese dadurch gleichsam Attribute des Geistes werden'-). Auch der häufig gebrauchte Ausdruck ,Ziel der Seele' (purushärtha) ist nicht misszuverstehen ; denn er bedeutet nichts anderes als den ,Wunsch des der Seele zugehörigen Innenorgans' ^).
lieber die Fortdauer des Leibeslebens nach dem Ein- tritt der erlösenden Erkenntniss und die Ursache dieser Fortdauer musste in anderem Zusammenhange schon oben S. 181—183 gehandelt werden. Die Erlösung bei Lebzeiten (jivanmukti) ist die unmittelbare Vorstufe der wahren definitiven Erlösung, die in dem Augenblicke des Todes eintritt (videliamukti), wenn das Innenorgan des Weisen sich in die Urmaterie zurückbildet. Erst dann ist die Ruhe bewusstlosen Daseins für alle Ewigkeit gewonnen.
Das ist die Eschatologie des Sämkhya- Systems. Sie umfasst nur das Geschick des Einzelnen, nicht das der Menschheit und des Weltganzen. Mögen noch so viele Götter und Menschen das höchste Ziel erreichen, die Welt rollt doch nach den ewigen Gesetzen in unablässigem leid- vollem Wandel und Wechsel fort in Unendlichkeit.
1) Z. B. bei Anir. zu III. 64.
2) Vijfi. zu VI. 12.
3) So definirt von Vijü. zu I. 1.
Indices.
L Namenindex.
Atharvapari^ishta 35. Atharvaveda 13, 14, 107, 185. Atharvopanishad's 22, 41. Auiruddha 71, 74, 75, 81, 125
u. s. w. Aniruddhavrtti 74, 78. Arjuna 140. Arthasamgraha 112.
Auandatirtha 55, 126.
Aranyaka's 107.
Äsuri 29, 30, 33, 35, 57.
Indra 139, 188. Indraprastha 28.
I^ä Upanishad 19. I9varaki-slina 59 ff., 79, 80.
Uttaramimämsä s. u. Vedänta.
Udayanäcärya 118.
Upanishad's 85, 95, 107—109, 111, 162, 185, 201, 209, 221, 247, 252; vgl. auch unter Atharva", Yoga^ und den Namen der ein- zelnen Upanishad's.
Umä 55.
1. Sanskrituamen.
Uvata 19, 20.
Rgveda 11, 103, 106, 107, 174,
185, 221, 293.
Katha (Käthaka) Upanishad 21,
22, 239, 247. Kanabhaksha 116. Kanabhuj 116. Kanada 116—118. Kapila 3 ff., 25 ff., 35, 57, 109,
135 u. s. w. Kapilavastu 3, 29. Kapilä 31. Kardama 28.
Karmamimämsä s. u. Mimämsä. Käpileya 31. Käpya s. u. Pataiicala. Kälägnirudra Upanishad 22. Kävilam (Jaina-Prakrit) 58. Kumärila 42. Kusumänjali 118. Kürma Puräna 36, 53, 54. Krshna 140. Krshna Upanishad 22.
Gaügäsägara 28.
331 —
Garbha Upanishad 22, 131. Gunädar^a 161. Gotama 118.
Gopicandana Upanishad 22. Gauda 63.
Gaufiapäda 35, 47, 57—59, 61, 63 S., 79, 80 u. s. w.
Candrikä 58, 61, 80.
Cärväka 108, 122—125, ISO, 172.
Cülikä Upanishad 22, 131, 132.
Chändogya Upanishad 17, 18, 173, 181, 201, 260.
Janaka 30, 31.
Jäbäla Upanishad 22.
Jina 110, 188.
Jaigishavya 36.
Jaina 35, 109, 110, 143, 298.
Jaimini 111, 112.
Tattvayäthärthyadipana 69. Tattvasamäsa 32, 68—70, 82
u. s. w. Tantra's 55, 166. Taittiriya Aranyaka 14. Taittiriya Upanishad 14, 201. Taittiriya Brähmana 21.
Durgä 55. Devahüti 28. Devi 55. Dvivedagaüga 19.
Nakidi^a-Pä^upata 126. Naciketas 21. Naräci 28.
Näge^a oder Nägoji Bhatta 79. Nädabindu Upanishad 22. Näräyana 115. Näräyaiia Tirtha 58, 61, 80. Ninikta 209.
Nilakantha (Commentator zum Ma- häbhärata) 217;
Nrsimhatäpaniya Upanishad 22.
Naiyäyika s. u. dem folgenden Wort.
Nyaya 33, 70, 87, 111, 116, 118 —121, 137, 150, 151, 153, 157, 159—161, 171, 178, 180, 202, 229, 231, 232, 237, 240, 253, 254, 260, 270, 273, 286, 297, 313, 823, 325.
Nyäyasütra 120, 260, 274.
Nyäyasütravrtti 159, 248.
Paiicarätra 4.
Panca^ikha 30 ff., 35, 36, 57, 69,
214, 258, 274, 287, 288, 299,
300. Patancala Käpya 25, 26. Patanjali 25, 26, 40, 43, 186,
187, 194. Padma Puräna 75, 76. Parä^ara 31. Päncarätra 56, 115. Pätaliputra 73, 162. Päuini 126. Pätaiijala 63. Pärvati 55. Pä^upata 4, 55. Puräna's 52—54, 166, 209, 240,
244. Purushottama 115. Pushkara 28. Pürnaprajna 126. Pürvamimärnsä s. u. Mimärasä. Pauränika Sämkhya 54. Prajäpati 103, 139. Pratyabhijnä 126. Pragna Upanishad 16, 18, 21, 22,
247. Pränägnihotra Upanishad 22.
Bädaräyana 7, 113, 114. Buddha 3, 5, 16, 95, 102, 173,
174, 188. Buddhamitra 38. Bihat-Pärä9ara Dharma^ästra 35.
332
Brhadäranyaka Upanishad 19,
30, 108,' 173, 222, 297. Brhaspati 122. Baudhäyana 176. Brahmajäla Sutta (Päli) 5—7, 20. Brahman masc. 60, 72, 139, 188,
190, 235, 262; neutr. s. unten
II. 1. Brahmamimäipsä s. u. Vedänta. Brahmasütra 43, 51, 73, 78, 114
—116, 120, 122, 219, 238,
277. Brähmana's 94, 103, 107, 185,
222.
Bbagavadgitä 9, 10, 44, 48, 51, 66, 115, 140, 217, 263.
Bhagavant 115.
Bharata 143.
Bhartrhari 42.
Bhägavata 56, 115.
Bhägavata Puräna 28, 54, 78, 115, 204.
Bhäväganeca Dikshita 69.
Bhäskaräcärya 122.
Bbishma 48.
Bhairavi 55.
Blioja(räja) 39, 62, 106, 245, 259, 270, 323.
Manirata 37.
Matsya Puräna 53, 54.
Madra 25.
Manu 44—47, 54, 60, 154, 243.
Mahä Upanishad 22.
Mahädeva s. u. Vedäntin Mahä- deva.
Mahänäräyana Upanishad 14, 22.
Mahäbhärata 30, 31, 33, 35, 36, 47 ff., 60, 131, 132, 135, 140, 143, 162, 178, 204, 214, 217, 242, 272, 274, 307, 321.
Mahäbhäshya 26.
Mabidhara 19, 20.
Mädbava (Mädhavacärya) 70, 84, 122, 123, 126, 193, 201.
Mädbyamika 110, 203.
Mädbva 55.
Mära 21.
Märkandeya Puräna 53.
MäbcQvara 55.
Mitbilä 30.
Mimäinsä 72, 73, 111, 112, 136, 141, 151, 157, 179, 239.
Mimämsäsütra 43.
Muktikä Upanishad 131.
Mokshadbarma 31, 33, 48, 51.
Maitri Upanishad 18, 21, 22, 44, 185, 214, 216, 244, 247.
Yajurveda 107, 185.
ya90varman 258.
Yäjnavalkiya Kända 25.
Yäjiiavalkya 30, 31; (Jurist) 47.
Yäjniki Upanishad 14.
Yäska 209.
Yudbishthira 48.
Yoga 4, 6, 25, 26, 36, 37, 40— 44, 74, 75, 101—103, 111, 136, 140, 145, 147—149, 170, 178, 183, 185, 186, 2.39, 246, 247, 254, 270, 277, 324, 326; Yoga Upanisbad's 22, 41.
Yogabbäsbya 32— 34, 36, 37, 42, 58, 78, 258, 299.
Yogavärttika 32, 78, 299.
Yogaväsishtha 326.
Yogasütra 26, 41—43, 63, 71, 74
Yogäcära 110, 203. [u. s. w.
Ranaranga Malla 62. Kase§vara 126.
Räjavärttika 58, 62, 196, 197. Rämakishna Bhattäcärya 61. Rämatäpaniya Upanishad 22. Rämänuja 115. Rämäyana 162. Rudra 262.
— 333
Laghusämkhyasütravrtti 79.
Vasudeva 28.
Vasubandhu 37.
Väkyapadiya 42.
Väcaspatimi^ra 61, 70, 75, 80 u. s. w.
Vätsyäyana 153.
Väyu Puräna 279.
Värshaganya 36, 37.
Vasudeva 115.
Vijnänabhikshu 28, 32, 69—78, 81, 98, 120 u. s. w.
Vijnänämrta 78.
Vitatha 28.
Vindhyaväsaka 37, 39.
Vindhyaväsin 39.
ViQvagunädar^a 161.
Vi^vanätha 120.
Vishnu 50, 115, 189, 190, 235.
Vishuu Puräna 52, 54, 143.
Vishnusmrti 46.
Veiikatäcärya (Veükatädhvarin) 161.
Veda 72, 73, 120, 121, 124.
Vedänta 7, 85, 111 ff., 136—142, 171, 178—181, 188, 189, 202— 205, 220, 221, 2.30, 232, 233, 2.38, 239, 243, 253, 265, 270, 273, 274, 276, 277, 286, 298, 300, 301, 303, 307, 320, 323, 328.
Vedäntasära 123.
Vedäntasütra s. u. Brahmasütra.
Vedäntin Mahädeva 78, 81, 125 u. s. w.
VaiQeshika -37, 70, 87, 111, 116 —121, 137, 150, 151, 171, 202, 210, 229, 231, 232, 237, 240, 253, 254, 264, 270, 273, 286, 297, 323, 325.
Vaiceshikasütra 118, 274.
Vodha, Vodhu 35, 57.
Vyäsa 32, 33, 36, 42, 43, 58, 63, 78, 196, 299. ■
Qakti 55.
Qlamkara (Qamkaräcärya) 4, 19,
27, 42, 51, 61, 70, 73, 87, 114,
115, 120, 159, 162, 181, 204,
219, 220, 2.38, 277. ^atapatha Brähmana 16, 25, 29,
173, 209. Qabarasvämin 33, 43. Qäkta 55.
Qäükhäyana Brähmana 16. Qändilyasütra 115. Qärirakamimämsä s. u. Vedänta. giva 55, 133, 190, 235. gulvasütra 93, 94. gaiva 126. Qrautasütra 94. gvetaketu 16. Qvetä9vatara Upanishad 9, 10,
18, 21, 22, 27, 77, 131, 247.
Shashtitantra 58, 59, 162.
Saragralia 62.
Satthitanitam (Jaina-Prakrit) 58.
Sadänanda 123.
Sana 35.
Sanaka 35, 57, 243.
Sanatkumära 35.
Sanatsujäta 35.
Sananda 57.
Sanandana (Sanandanäcärya) 34,
35, 288. Sanätana 35, 57. SarvadarQanasanigraha 62, 70, 84,
122, 125, 193, 201, 224, 2.32,
2.36. Sarvopakärini 68. Säiiikliya (Bedeutung des Wortes)
95, 96; (Personenname) 133; vgl.
auch unten II. 3. Sämkhyakärikä 59 ff., 79, 80, 82
u. s. w. Sämkhyakaumudi 61.
— 334 —
Sämkhyakramadipikä 32, 58, 69,
82 u. s. w. Sämkhyatattvakaumudi 61, 62,
74, 80 u. ß. w. Säinkhyatattvapradipa 82, 201. Sämkhyapravacana 71. Sämkhyapravacanabliäshya 74 ff.,
78, 79 u. s. w. Sämkhyasära 78, 210, 215. Sämkhyasütra 34, 59, 60, 68-74
Sämkhyasütravi-tti 81. Sähityadarpana 162. Skanda Upanishad 22. Syumara^mi 135. Srughna 73, 162. Svapue9vara 34.
Harivam^a 28, 36. Hiranyagarbha 27, 190.
u. s. w.
2. Andere Namen.
Abammon 102. Alberüni 62 ff. Alexandria 96. Anaxagoras 87, 89. Anaximander 86. Antoninus Pius 102. Aristoteles 97. Aufrecht, Th. 161.
Ballantyiie, J. R. 32, 69, 81, 82, 112, 120, 126, 131, 134, 1.39, 150, 153, 177, 197, 205, 212, 214, 216, 229, 236, 250, 263, 270, 284, 285, 294.
Banerjea, K. M. 53, 83, 119.
Bardesanes 101.
Barth, A. 10, 55, 56.
Barthelemy Saint-Hilaire 69, 70, 82, 83, 91, 92, 126, 131, 173, 175,181,184,197,198,296,309,
323. Baur, Ferd. Chr. 98. Bechanaräma Tripäthi 80. Bhägavatächärya 161. Bhandarkar, R. G. 42, 83, 115. Bhimächärya Jhalakikar 159. Biedenkapp, G. 99, 105, 159. Böhtlingk, 0. V. 18—20, 174, 293 Bühler, G. 5, 33, 37, 42, 43, 45, 47
Burgess, J. 42.
Burneil, A. C. 24, 45, 46, 54, 161, 169.
Chezy, A. L. de 92.
Colebrooke, H. Th., 22, 27, 28, 42, 46, 53 ff., 59, 61, 62, 64, 68, 69, 79, 82, 86, 90, 91, 122, 131, 151, 153, 205, 211, 214, 232, 243, 247, 266, 279, 281, 285, 296, 297, 303.
Collin de Plancy 92.
Cowell, E. B. 62, 69, 70, 82, 84. 171, 216.
Curtius, G. 293.
Davies, John 4, 28, 80, 105, 127, 131, 212, 219, 256.
Demokrit 87, 89.
Deussen, P. 7, 41, 42, 51 , 87, 105, 111, 113, 114, 138, 142, 150, 153, 160, 162, 178, 179, 181, 188—190, 220, 221, 232, 233, 239, 243, 248, 253, 256, 265, 273, 274, 286, 298, -300, 328.
Dharmädhikäri DhundhiräjaPan- tasharman 80.
Dubois, J. A. 92.
Eckstein, Baron v. 88.
335
Eleaten 85, 90. Empedokles 86, 87, 89. Epikur 87, 90.
Fausböll, V. 29. Fleet, J. F. 34, 42.
Garbe, R. 80, 81, 84. Gladisch, Aug. 88. Gogerly, G. 5. Goldstücker, Th. 84, 195. Gough, A. E. 8-10, 75, 84, 107,
118, 175, 176, 185. Govindadeva^ästrin 82. Grassmann, H. 29-3. Grimblot, P. 5.
Hall, Fitzedward 25, 28 ff., 42, 52, 54, 60 ff., 68 ff., 78, 79,81- 83, 99, 119, 131, 158, 177, 178, 180, 181, 205, 210, 212, 215, 229, 236, 240, 244, 246, 248, 258, 309—311, 316, 325.
Hartmann, Ed. v. 104, 105.
Haughton, Sir Graves 285, 286.
Heinze, M. 89, 104.
Heraklit 86, 104.
Herodot 93.
Hopkins, E. W. 45.
Jacob, G. A. 131, 185, 248. Jacobi, H. 119, 211, 212, 248. Johaentgen, F. 45, 46, 83, 151,
154, 156, 166, 211, 221, 323. Johannes (Evangelist) 103. JoUy, J. 46. Jones, Sir William 88, 90, 91, 94.
Kasawara 59. Kennedy, Vans 285. KeQava^ästrin 32. Kielhorn, Fr. 258. Koppen, C. F. 227.
Lange, F. Alb. 88, 122.
Lassen, Chr. 26, 56, 79, 94, 96
—102. Leukipp 87. Leumann, E. 294. Ludwig, A. 11.
Markus, P. 43, 114, 133, 149,
212, 214, 246, 270, 314. Mot (egyptisch) 244. Movers, C. Fr. 244. Muir, J. 13. Müller, Max 8, 20, 21, 27, 59,
116, 132, 133, 150, 169, 286.
Nilakantha Sastri Gore, Nehe- miah' 8, 83, 99, 119, 158, 177, 178, 180, 181, 205, 212, 316, 325.
Nilmani Mukhopädhyäya Nyäyä- lankära 53.
Ocellus 90, 91.
Oldenberg, H. 3, 21, 111, 173,
178, 196, 302. Ophiteu 97.
Parmenides 85. Päthak, K. B. 42. Pauthier, G. 79. Phädon 91. Phädrus 91. Philo 104. Philolaus 93. Plato 91, 92. Plotin 99—102. Porphyrius 101, 102. Pratäpa Chandra Ray 30, 55. Pythagoras 90—96.
Räjendraläla Mitra 106, 177, 280. RämakishnaQästrin Patavardha-
na 32. Regnaud, P. 22, 209, 239, 248,
252, 256, 274. Röer, E. 9, 69, 83, 88, 118, 126,
— 336 —
127, 131, 150, 155, 156, 205, Tylor, E. B. 176, 186. 229, 247, 297, 302.
Ueberweg, Fr. 89. Upham, Edw. 92.
Valcntinianer 97. Voltaire 174.
Ward, W. 82.
Sachau, Ed. 63, 65 ff.
Sanchoniathon 244.
Scherman, L. 11, 92, 107, 135.
Schlegel, F. v. 92.
Schlüter, C. B. 88.
Schopenhauer, A. 104, 105.
Schroeder, L. v. 41, 92—95, 173, Wassiljew, W. 37, 39.
221. Weber, A. 7, 10 ff., 25 ff., 35, 41,
Seng ke lun (chinesisch) 37, 38. 42, 47, 59, 78, 92, 93, 103, 104,
Shamarav Vithal 161. 131—133, 173, 174, 220, 239,
Spinoza 105. 293.
Westergaard, N. L. 71. Täranatha Tarkavächaspati 80, Wilson, H. H. 52, 54, 64, 80, 91,
159. 212, 236, 240, 244, 248, 262,
Taylor, W. 161. 266, 279, 285, 302.
Tolang, K. T. 42, 59. Windisch, E. 211.
Thaies 86, 89. Windischmann, F. H. 79.
Thibaut, G. 112, 114. Timäus 91. Tsi schi tschang schi lun (chine-
sisch) 38.
Xenophanes 85. Zachariae, Th. 161.
II. Sachindex.
1. Sanskrit.
akartar 300.
aksha 257.
akshara 205, 293.
akhaudopädhi 313.
aguna 301.
anga 273.
anu 237, 299.
anumätra 299.
andaja 243.
atära 284.
atäratära 284.
atiprasakti, atiprasaiiga 160, 320.
ativyäpti 160.
atitävasthä 231.
atindriya 258. atyantanivi'tti 136. atyantäsattva 203. adrshta 121, 179, 223, 273. advaitaväda 113. adhidaivata 262. adhibhüta 262. adhishthätar 295, 305. adhishthätrtva 257. adhiehthilna 1) Sitz, Stätte 'i-')"^;
2) Leitung 257. adhishthänä^arira 266, 267.
— 337
adhyayana 283.
adhyavasäya 244.
adhyätma 262.
ananta 298.
anantä 284.
anambhas 284.
anavasthä, anavasthäna 159, 160.
anägatävasthä 231.
anädi 147, 298.
anävi-tti 188.
anugrahasarga 240.
anupacarita 806.
anumäna 151.
anu9ayin 188.
anogha 284.
antahkarana 253.
antalikaranasämänya 246, 254.
antahsamjiia 242.
andhatämisra 280.
andhaparainparä 140.
anyathäkhyäti 120.
anyo'nyäbhäva 299.
anyo'nyäcraya 159.
ap 239.
apara 307.
aparavairägya 145.
apara vidyä 189.
apariiiämin 300.
apavarga 164, 224, 323.
apäna 256.
apürva 179.
aprasavadharmin 302.
abhäva 117.
abhiniveca 280.
abhibuddhi 263.
abhimäna 170, 248, 249.
abbivyakti 231.
abhogya 237.
amala 301.
arthäkära 311.
ardbalaya 276.
avakä9adäna 239.
avadhrta 257.
avastu 230.
Garbe, Sämkhya-Philosophie.
aväggocara 325.
aväntarapralaya 221.
avidyä 113, 170, 280.
avidyäsamskära 272.
avibhäga 299.
avividishä 252.
aviveka 147, 320.
avivekin 234, 290.
avi^esba 237.
avedyä 284.
avyakta 50, 170, 205.
a9akti 49, 279.
a9äiitäghorämüdha 237.
a^ubhakarmakartar 249.
a9ubhamüdhakartar 250.
asaüga 300.
asatkäryavädin 232.
asamaväyikärana 229.
asamprajnäta 278.
asamprajiiätayoga 148.
asambhüti 19, 20.
asalila 284.
asutära 284.
asmitä 280.
ahamkära 17, 68, 170, 171, 190, 198, 206, 207, 234—236, 238, 245, 246, 248—253, 260—262, 264, 280, 303, 308; personificirt 51, 53.
äkä9a 93, 239.
äkrti 239.
ätivähika9arira 266.
ätmadravya 286.
ätman 108, 109, 113, 170, 286, 293.
ätmasukha 301.
ätmä9raya 159.
ädipurusha 189.
ädividvams 33.
ädisarga 220.
ädhidaivika 134.
ädhibhautika 134.
ädhyätmika 134, 282.
äntara indriya 252.
22
— 338
äptavacana 60, 151. äpta^ruti 60. äptagiima 60. ävrtti 188. asana 148. ästika 121.
indriya 170, 235, 257. indriyajaya 36. iva 316.
i^a 170.
icvara 170, 191.
iitpatti 231. udäua 256. udäsina 301. udbhijja 243. upagraha 258. upanayana 138. iipabhogadelia 188. upamäna 151. uparäga 316. upastha 258.
upädana(kärana) 228 — 230. upädhi 171, 275, 277, 287, 305-
307, 317, 318. ubhayadeha 188.
üshmaja 248. üha 283.
ishitarpana 35, 37.
esha 298.
ai§varya 148.
aupädänika 229. aupädhika 317.
ka 293.
karana 170, 257, 262. karanda 273. kartar 121.
kartrkarmavirodha 159,
kartrtva 178.
karmakarti-virodha 159, 296.
karmadeha 188.
karman 108, 179.
karmayoni 251.
karmätman 249.
karmendriya 258.
kalala 273.
kalpa 221.
kalpanä 158.
karana 170, 228—230.
käranarüpa 218.
kärya 229, 247.
käryakäranäbhcda 231.
käryarupa 218.
käryeQvara 191.
käla 286.
kä9 mit pra 312.
kütastha 300.
kütasthanitya 289.
kevala 257, 296.
kevalätman 171.
kaivalya 41, 825.
kledana 239.
kshetra 205.
ksbetrajna 293.
kshobha 223.
kha 239. khapushpa 163.
khyäti 244.
gandhatanmätra 236.
gandharva 139.
guna (drei) 13, 18, 45, 46, 56, 98, 163, 166, 170, 171, 205, 209—221, 225, 227, 233, 237, 246, 247, 249—251, 275, 280, 290, 295, 300, 303, 304.
golaka 258.
gauna 298.
gaurava 158.
339 —
ghora 237. ghräna 258.
cakshus 258. cit 170, 297, 310. citi 170, 297, 310. citta 170, 246. cidaveca 316. cinmätra 297. cetana 170, 297, 310. caitanya 170, 297, 310.
chayä 60, 315. chayäpatti 316.
jagatprakä^arüpa 325.
jada 312.
janman 272.
janyecvara 191.
japä 166.
jaräyuja 243.
jägara, jägarana, jägarita, jägrat
275. jätisänikarya 121. jihvä 258.
jiva 171, 257, 296, 305. jivanmukta 140, 181—184, 190. jivanmukti 181, 183, 329. jivätman 91. jnäna 170, 310. jiiänavrtti 312. jiiänendriya 258.
tattva 137, 285.
tattvajnäna 137.
tanu 239.
tauumätra 236.
tanmätra 170, 206, 236—239.
tanmätrasarga 280.
tapas 185.
tamas 1) Name des dritten Guna 18, 166, 170, 171, 205, 211, 212, 214, 216—219, 227, 236, 246, 247, 249, 250, 275, 290, 304; 2) Bezeichnung des Nicht- wissens 280.
tarka 22. tämasalinä 284. tämisra 280. tirobhäva 231. tushti 49, 279. tejas 239. taijasa 236, 249. trasarenu 238. triguna 14, 170. tryanuka 238. tvac 258.
dakshinäbandha 321.
dayä bhüteshu 143.
däkshinaka bandha 321.
däna 283.
die 286.
duhkhayoga 317.
duradhigama 299.
drshta 151, 158.
deva 191.
daicikäbhäva - pratiyogitävacche-
daka-jäti 218. dravya 210, 230, 286, 287, 301. drashtar 312. dvesha 280. dvyanuka 238.
dharma (Attribut) 247, 286.
dharmadharmyabheda 158.
dharmädharmau 247.
dbätusamsarga 242.
dhärana 239.
dhäranä 148.
dhi 244.
dhrti 244, 251.
dhyäna 148.
dhruva 205.
dhvamsa 231.
nara 293. näca 133.
nästika 122. nästikya 216.
22*
340
nigüdhakarmakartar 249. nitya 298. nityamukta 301. nitya-Quddha-buddha-mukta-sva-
bhäva 73. nitycQvara 191. nididhyäsana 146, 147. iiimitta(karana) 170, 228, 229. niyata 257. niyama 148.
niyämakäbliäva 159, 318. niranumäna 249, 250. niri9varaväda 191. nirguna 297. nirdharma 297. nirdharmaka 297. iiirbija 278. nirbbäga 298. nirmukti 323. üirvikalpaka jnäna 152. nirvishaya jnäna 310. nishkriya 300. nr9riiga 163. naimittika 229.
paiicatä, pancatva 273. panca mätaras bei Alberüni 68. paucavim^atitattva 137. pada 257. padärtha 285. para 307. parama 307. paramamahant 300. paramänu 237. paravairägya 145. parärtha 290. paricchinna 218. paricchinnaparimäna 298. parinama 204, 312. parinäminitya 289. parinishthä 207. parimita 218. paryavasäna 207. päcaka 239.
päni 258.
päda 258.
päyu 258.
päramärthika 318.
paramärthikasattva 202.
päramärthikäsattva 203.
päribhashika 194.
pitrtarpana 35, 57.
pi^äca 139.
pums 166, 293, 294.
pumgunajantujiva 293.
punarävrtti 188.
pura 205.
puräna 294.
puri Qete 294.
purusha 166, 177, 293, 294; als männliches Schöpfungsprincip auf- gefasst 54.
purusbavi^esha 41.
purushärtba 329.
purohita 294.
pürnätman 326.
pÜTvavat (anumäna) 153.
pürväcäryäh 39.
pürväbhäva 231.
prtbivi 239.
prakä9a 297, 310.
prakä9aka 312.
praki-ti 68, 77, 86, 166, 170, 204, 205, 208, 237, 285, 286; acht 49; als weibliches Schöpfungsprincip aufgefasst 54, 55 ; Bezeichnung der Frau in den indischen Volks- dialekten 55.
prakitibandha 321.
praki'tilina 14.
pracchannabauddha 75.
prajnä 244.
prajnänasamtati 244.
pratibimba 60, 61, 315, 318.
pratibimbana 316.
pratibhä 101.
pr atisam cara 221.
pratisarga 221.
341 —
pratyaksha 151, 170. pratyanga 273. pratyayasarga 240, 279. . pratyähara 148; s. 347 unter
(Verbesserungen'. pradhäna 170, 204, 208, 285, 286. pradhänaka 205. pradhvamsa 231. pramä 150. pramäna 150, 170. pralaya 86, 221 fiF. prasiddhapada - sämänädhikaran-
ya 155. prasüta 205.
präki-ta 14, 208; — bandha 321. präki-tika 208, 278. präna 170, 255, 256, 293. pränäyäma 347. prätibha jnäna 101. prämänika 159. prärabdha 272. praudhaväda 76.
bandba 170, 224, 316.
bandhyäputra 163.
bähya 282.
bähyendriya 257.
bimba 318.
bijäükuravat 147.
buddhi 68, 170, 171, 189, 198, 207, 218, 234, 235, 238, 244— 248, 250—254, 262—264, 269, 270, 275, 276, 278, 280, 288, 303, 312, 314, 321, 328; perso- nificirt 50, 51, 53.
buddhindriya 258.
budbuda 273.
brähman neutr. 71, 75, 76, 85, 108, 109, 112—114, 203, 205, 232, 233, 277, 293, 307, 328.
brahmän masc. 244; vgl. im Index I. 1.
brahmarüpatä 73, 277.
bhakti 115.
bhäna 312.
bhäva 247, 278.
bhävasarga 279.
bhäs 312.
bbüta 170, 239.
bhütasarga 139, 242, 280.
bhutasükshma 236.
bhütädi 236, 249.
bbütä^raya 265.
bhoktar 170, 240, 295, 313.
bboktrtva 178.
bhoga 164, 170, 224, 311.
bhogya 170, 240.
bhogyabhoktrbhäva 287.
bbautikasarga 139, 242, 280.
mati 244.
madhyamaparimäna 255, 298. madhyastha 301. manana 146, 147, 246. manana9ästra 155, 211. manas 91, 118, 170, 171, 235,
244—246, 252, 253, 262. manushyacriiga 163. mahat, mahän 170, 244. mahäpralaya 221. mahäbhüta 237, 239. mahämoha 280. mamsape^i 273. mäna 150. mäyä 53, 77, 113. mithyä 316. mithyäväsanä 147. mukti 170, 323. mukhya 306. müdha 237. mürchä 277. mürti 285. mülakärana 205. mülaprakrti 160, 204. mülikartha 196. moksha 170, 323. moha 280.
342 —
ya 293. yaksha 139. yama 148.
yoga s. im Index I. 1. yogänga 148.
yogin 125, 136, 153, 187, 188, 209, 237.
rajas 18, 166, 170, 171, 205, 211, 212, 214, 216—219, 227, 236, 249—251, 260, 275, 290, 304, 317.
rajjusarpa 162; vgl. 288.
rasa 258.
rasatanmätra 236.
rasana 258.
räkshasa 139.
räga 280.
rüpa 247.
rüpatanmätra 236.
Iaya221,231,276; layam gacchat
266. läghava 158. Häga neutr. 91, 163, 167, 170,
235, 265—267; adj. 208. liiigadeha 1 §. unter dem vorigen lingacarira / Wort.
lokäyata 122. lokayatika, laukäyatika 19, 122.
vadha 281.
vartamänävasthä 231.
vasu 285.
vastu 230, 285.
väkyabheda 157.
väc 103, 258.
väyu 239.
väsana 147, 170, 228, 269.
vikalpa 252.
vikara 49, 239, 312.
vikrti 204, 205.
vigraha 239.
vighäta 281.
vijnäna 85.
vidt'hamukti 183, 329. vidya 114, 138, 170. vinigamakäbhäva, vinigamanävi-
raha 159. viparitajnäna 320. viparyaya 279—281, 320. viparyäsa 320. vibhu 170, 300. vimukti 323. vimokslia 170, 323. viräga 144. vividishä 252. viveka 137. vivekajnäna 137. vivekanishpatti 149. vi^ishta 257. vi^esha 237, 239. viQeshavi'tti 197. vishaya 170, 290. vishayäkära 311. visarga 220. vrtti 259. vrttisärüpya 316. vrddhavyavahära 154. vrddhäh 39. vedantibruva 75. vaikärika 236, 249, 257; — baii-
dha 321. vaikrta 236, 249, 278. vairägya 144. vaishamya 220. yyakta 205. vyakti 213. vyaktibbeda 235. vyashtibuddhi 234. vyaslatisamashtyor ekatä 158. vyashtisrshti 220. vyana 256. vyäpaka 300. vyäpti 33, 151. vyävahärikasattva 202. vyutpatti 73.
343 —
^akticaktimadabheda 158. ^atasähasri samhitä 34. cabda 151, 283. cabdatanmätra 236. carira 285. 9aca9rnga 163. ^änta 237.
^antaghoramüdlia 239. Quktirajata 162. cuddha 301. 9uddhätman 171. §ubliakarmakartar 249. ^ubhamüdhakartar 250. QÜdra 138—140. ^eshavat (anumäna) 153. ^eshavrtti 197. coshana 239. 9raddhä 251. cravaiia 146, 147. cruti 244. erotra 258.
shashtitantra 58; vgl. im Iudex I. 1.
shätkaucika 272.
sa 293.
samyoga 116, 223.
samyogavicesba 306.
sainsarana 133.
samsära'l47, 170, 172flF., 188,
194, 222, 284, 304. samskära 170, 269—272, 275,
276. samhatyakärin 290. .sainhära 221. samkalpa 252. samkalpaka 252. samkalpaja 243. samkhya 90, 95, 131. saccidänanda 301. saincara 220. satkäryaväda 5, 13, 87, 120, 187,
232.
satkäryavädin 232.
sattva 18, 166, 170, 171, 190, 205, 210—215, 217—219, 227, 236, 246, 247, 249—251, 260, 275, 290, 301, 304, 312, 317, 321.
sattvapurushänyatä 321.
sattva9uddhi 18. ' samagralaya 276.
samaväya 116, 120.
samaväyikärana 229.
samashtibuddhi 234.
samashtisrsliti 220.
samädhi i48, 277.
samäna 256.
samprajnätayoga 148.
sambhüyakärin 290.
sarga 220.
sarpana 259.
sarvabhutadayä 143.
savikalpaka jnäna 152.
sassataväda (Päli) 5, 6.
sahakärikärana 230.
samsiddhika 243, 278.
säkshätkära 140, 147.
säksbin 312.
samkhya 131 ff.
sämkhya-yoga 44.
sämkbyavrddhäh 39.
sämkhyäcäryäh 39.
sädi 177.
sänumäna 249, 250.
sämänyato drsbta (anumäna) 153, 154.
sämyävasthä 219, 220.
siddhi 49, 279.
sukhä 251.
sushupti 275.
subrtpräpti 283.
sükshma 299.
sükshmadeha 266.
sükshmabhüta 206, 236.
süksbma9arira 91, 265, 266.
sükshmävasthä 228.
— 344 —
srshti 86, 220. sthiti 220. sthüladeha 272. sthülabhüta 206, 239. sthüla^arira 91, 272. spar^a 258. spar^atanmätra 236. spar^ana 258. sphota 111, 126. smrti 244. svatah siddha 294.
svapna 275. svayamprakä^a 294. svarüpa 120, 297. svarüpapratishthä 326. svarüpe 'vasthäna 326. svastha 326. svasvarüpapürnatayä 'vasthäna
326. svasvämibhäva, svasvämisamban-
dha 287. svämin 305.
2. Griechisch.
aneiQov 86. anXcoats 101. cLQxri 86. exaraats 101. d'vfiös 91. Uyos 103, 104.
oXxas 93. nävrn qbI 86. TivevftftTixoi 98. vXixoi 98. fQV/V 91. ipvj^iicoi 98.
8. Deutsch.
Aether 93, 206, 208, 236, 239.
Analogie 151.
Anlage s. Disposition.
Askese 184—188, 282.
Atheismus 60, 61, 75, 76, 87, 88, 111, 112, 191—195; auch in der Vai^eshika-Nyäya- Philo- sophie ursprünglich herrschend gewesen 119.
Athem 255—257, 305.
Atome, Atomistik 37, 87, 116— 118,120; der Begriff des Atoms im Särnkhya-System nicht an- erkannt 237, 238, 253.
Befriedigung 279, 280, 282, 283. Bewusstlosigkeit 148, 277, 278,
317, 325, 326, 329. Bewusstsein 310 — 316. Buddhismus , Buddhisten 21 , 96,
109, 110, 178, 185, 196, 201,
203, 221, 222, 227, 270, 284, 302, 320, 324; s. auch oben Buddha im Index I. 1.
Circulus vitiosus 159. Concentration des Denkens 147, 148.
Denkorgan 246, 250. Disposition 147, 267, 269—272, 314, 322.
Elemente, fünf 93, 94, 206 u. s. w. ;
feine 206, 235—239, 265—267,
280; grobe 206, 239, 273, 274. Embryo, Bildung des 273. Empirie, Werth der 158. Entwickelungstheorie 86, 220 ff. Erkenntniss als einziges Mittel
zur Erlösung 137, 142; vgl. auch
Unterscheidung.
— 345
Erkenntnissmittel 45, 112, 118, 150-156, 158.
Erlösung 91, 134 ff., 287, 289, 301, 304, 323-329; bei Leb- zeiten 180—184.
Eschatologie 329.
Ethik in der indischen Philo- sophie wenig berücksichtigt 44, 110, 143, 144.
Farben allein Objekte des Ge- sichtssinnes 258,314; ihre Ent- stehung 217
Fehler, logische 159.
Finsterniss, Erklärung der 240.
Gebundensein 91, 224, 301, 315
—323, 326. Geburt 303. Gedächtniss 245, 270. Gedankenfreiheit 121. Gleichgiltigkeit gegen weltliche
Dinge 144—146, 183. Gleichnisse 160—168. Guosis, Gnostiker 96 ff. Gottesleugnung s. Atheismus. Götter der Volksreligion 87, 139,
146, 188—191, 209, 237, 243,
304. Grundsätze, logische 156 — 159. Grundstoffe s. feine Elemente.
Himmel , himmlische Freuden gering geschätzt 134, 135, 188, 189, 298.
Höllen 189.
Identität der Einzeldinge und der Gesammtheit 158, — der Ur- sache und der Wirkung (resp. des Produkts) 208, 231—233.
Induktionsschluss , induktiv 154, 155.
Inhärenz, eine Kategorie der Vai- yeshika-Philosophie 116, 120.
Instinkt 269.
Irrthum 254, 279—281.
Jinismus 109, 110, 185, 221, 222, 237 ; vgl. auch oben Jina, Jaina im Index I. 1.
Kastenunterschiede nichtig 189.
Kategorien der Vaicjeshika-Phi- losophie 116, 117.
Körper, innerer 49, 163, 167, 235, 265—272, 827 ; grober 272—274 ; Bildung des Körpers 121, 256.
Kraft, nachwirkende von Ver- dienst und Schuld 177 ff., 193, 223, 267, 319; übernatürliche 102, 103, 136, 148, 184—187, 280, 281.
Leben 272, 817; Lebenshauche, Lebensprincip 255, 256.
Lehrer, professionelle nicht noth- wendig 140.
Logik der Nyäya-Philosophie 118.
Materialismus , Materialisten 19, 20, 108, 122—125, 1.34, 153, 324.
Meditation 146—148, 185, 186, 279.
Mittheiluug, zuverlässige als Er- kenntnissmittel 151, 154, 155.
Monismus der Vedänta - Philo- sophie 109.
Monotheismus der Bhägavata- Päiicarätra's 115.
Neuplatonismus 96, 99 ff.
Nichtexistenz, eine Kategorie der Vai^eshika - Philosophie 117 ; im Säinkhya-System nicht an- erkannt 158, 231.
Nichtunterscheidung, Nichtwissen 37, 109, 110, 113—115, 147, 178, 182, 228, 267, 272, 280, 288, 306, 308, 320-323, 328. 22**
— 346 —
Ohnmacht 240, 277, 317, 826. 220, 232, 233, auf die Vai9e-
Orgaiie, iimere oder Iiinenorgan shika-Nyäya- Philosophie 119,
91, 167, 168, 234, 235, 253— 248, auf die griechische Philo-
257, 261—265, 275, 276, 281, sophie 86 ff.; ihr Verfall 56, 78.
301, 305—321, 325, 327, 329; Schicksal 179, 180.
vgl. auch ahainkära, buddhi. Schlaf 254, 275 — 277.
manas im Index II. 1. Schlussfolgerung 150, 151, 153,
154.
Perception 151—153, 155, 203. Schmerz 133 ff., 269, 277, 283, Pessimismus 46, 133 ff. 289, 317—319, 322, 325, 327, 328.
Pflanzeuleib und Pflauzenseele Schrift, d. h. heilige Ueberliefe-
242. rung des Brahmanenthums
Principien, fünfundzwanzig 132, (gruti), ihre Geltung in der
137. Säinkhya-Philosophie 4, 5, 60,
Produkt, sein Wesen 233, 237; 71—73, 155.
anfangs- und endlose Realität Seelenwanderung 86, 87, 91 — 93,
der Produkte 13, 87, 120, 187, 133, 167, 173 ff., 265-269,
203, 232; vgl. auch unter Iden- .800, 327, 328.
tität. Sinne 252, 257—265, 303, 305.
Raum 117, 286, 287, 319. Talente 270.
Realität der Materie 77, 114, Thatorgan 250.
201 — 204. Theismus der Yoga-Philosophie Reflex des Innenorgans in der 40, 41, 111, der späteren Vai-
Seele 60, 289, 315, 316, 318, §eshika-Nyäya-Philosophiell8,
321, 322, 325, 328, 329. 119.
ReÜexion 146, 147. Thierleib und Thierseele 242; Regressus in iufinitum 159, 160, Schonung der Thiere 135, 143,
204, 295, 309, 322. 283.
Tiefschlaf 100, 240, 275—277, Säinkhya-Philosophie, Ursprung- 317, 326.
lieh uubrahmanisch 4, 5, 60, Tod 240, 272, 303.
71, 72, 132, 133, 138 ff., 155; Traum, Traumschlaf 202, 275.
ihre Ablehnung des brahma-
nischen Opferwesens 112, 134, Uebertragung , zu weit gehende
135, 320, 321; ihre Stellung in als logischer Fehler 160, 320.
denUpanishad's21,22, 44, Inder Unsterblichkeit 298.
juristischen Literatur 45 — 47, Unterscheidung von Seele und
im Mahäbhärata 48— 52, in den Materie 149, 282, 288, 327—
Puräua's 51 — 54, in den Tantra's 329.
und in den Sekten 55, 56; ihr Unvermögen 279 — 281, 284.
Einfluss auf den Buddhismus Urmaterie 12, 19, 20, 86, 156,
3, 109, auf die Yoga-Philosophie 160 , 205—209 , 218—228 , 233,
40, 41, 43, auf den Vedänta 234, 320, 321, 329; ihre Ver-
347
bindung mit den Seelen 223, 224; ihre Erschütterung 223; personificirt 50. Urwasser als kosmogonisches Princip in der brahmanischen Mythologie 11, 12, 15, 86.
Vedäuta-Philosophie s. Index I. 1 ; ihr Einfiuss auf jüngere Säni- khya-Werke 72, 73, 75—77.
Vergeltung, Gesetz der 146, 172 fF.
Versenkung 148, 185, 277, 278, 317, 326, 327.
Vollkommenheit 279, 283, 284.
Yoga-Philosophie s. im Index 1. 1. Yogin s. im Index II. 1.
Wachen 275.
Welt, ihr Dasein anfangs- und
endlos 147, 177, 225, 304, 329; ihre Entfaltung 137, 220 ff.; ihre Rückbildung und Auf- lösung 136, 177, 220 ff., 267, 317; Weltperioden 136, 221, 222, 298.
Werkdienst, seine Behandlung in den Säinkhyasütra's 72, 141 —143.
Wesen eines Dinges 158.
Widerlegungsgründe 159.
Willensfreiheit 251.
Wort, sein Zusammenhang mit der Bedeutung 112, 154, 155.
Zahl, ihre Bedeutung in der Säinkhya-Philosophie 95 , 96, 119, 131, 132, 280.
Zeit 117, 286, 287, 319.
Zustände 274—284, 319.
Verbesserungen.
S. 148, Z. 20 ist hinter „Athmens" eine Zeile ausgefallen: „(pränäyäma), Abwendung der Sinne von den Sinnesobjekten". S. 151, Z. 25 lies V. 28—36 anstatt VI. 27—36.
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Dnick von G. Kieysing in Leipzig.
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Garbe, Richard von
Die Samkhya-Philo Sophie
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