Jiiii^ JOS. intiieCttpofllrttJgörk College of Sjßfiv^imni ani> ^urgeonö Digitized by the Internet Archive in 2010 with funding from Columbia University Libraries http://www.archive.org/details/dievergiftungenOObren r. 91. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8. 1886. geh. M. 7.— Lehrbuch der Chemie MEDICINER. Unter Zugrundelegung des 33.A.rziiei"bu.clies für das IDeiatsclie ü^eiclx'^^ von I>r. Bernhard Fisclier. Mit 46 Abbildungen, gr, 8. 1892. geh. M. 14.— Lehrbuch der Toxikologie für TMerärzte. Von Professor Dr, Eugen Fröhner. gr, 8. 1890. geh. M. 6. — DIE VERGIFTUNGEN DURCH SCHLAS(;EN. MONOGRAPHISCH BEARBEITET VON DR M. BRENNING, H{. ARZT. MIT EINEM VORWORT VON PROF. D» L. LEWIN. •I-!--^ STUTTGART. V E H I> A (; V O N F E R I) I N A N l) E N K E 1895. — IV — Grift und im menschlichen Körper erzeugten Eiweissgiften zu ziehen, und die Parallelisirung auch auf eine etwaige Im- munisirung für solche Stoffe auszudehnen! Zu einer Zeit, wo an eine Immunisirung gegen Eiweiss- gifte noch nicht gedacht wurde, habe ich bereits in meinen Vorlesungen auf die Thatsachen hingewiesen, die über die Impfung von Menschen mit Schlangengift, schwer zugänglich, hier und da in Reisewerken zerstreut, mitgetheilt wurden. Nunmehr ist das, was bisher nur deductiv vorgetragen werden konnte, experimentell begründet worden. Man hat Thiere durch Impfung gegen Schlangengift gefeit. Noch ist nicht Alles , was auf diesem Gebiete gefunden werden kann und muss, klargestellt. Die direct hierher gehörigen und damit in fernerem Zusammenhange stehenden Thatsachen älterer und neuerer Zeit bergen in sich viele Weiser für neue Wege der Forschung. Es war ein Bedürfniss , einmal eine vollständige Dar- stellung der Schlangenfrage zu geben, und ich bin überzeugt, dass das, was hier mein Schüler, Herr Dr. Brenning, als ersten Abschnitt historisch-toxikologischer Stu- dien aus meinem Laboratorium, zur Ausführung ge- bracht hat, eine Förderung der Forschungen auf diesem Gebiete wird veranlassen können. L. Lewin. Vorbemerkungen des Verfassers. Die vorliegende Arbeit ist in der Absicht geschrieben worden, eine zusammenfassende Darstellung alles dessen zu geben, was von den ältesten Zeiten an bis auf die Gegenwart über die Giftschlangen selbst, namentlich über ihren Gift- apparat, über die Natur und die Wirkungsweise ihres Giftes, sowie ganz besonders über die zahllosen gegen dasselbe an- gewandten Gegenmittel geschrieben wurde. Eigene Messungen des Verhältnisses der Giftzahnlänge zu der Körperlänge sollen die in dieser Beziehung noch vorhandene Lücke ausfüllen helfen. Wie gross die Literatur über Giftschlangen und Schlangengift ist, kann man daraus ersehen, dass die von Weir Mitchell in seinem umfangreichen Werke über die Klapperschlange aufgestellte Bibliographie bis zum Jahre 1860 etwa 250 Titel aufweist, und seitdem sind noch gegen 800 Werke und Aufsätze hinzugekommen, welche ich, soweit möglich , in den Originalen für meine Arbeit benutzt habe. Der grösste Theil von diesen beschäftigt sich freilich nur mit der Anführung einzelner Fälle von Schlangenbiss und mit Berichten über die günstige Wirkung von diesem oder jenem Heilmittel, indessen haben doch auch manche Schriften, wie die von Fontana, Russell, Weir Mitchell und namentlich I. statistisches über Schlangenbisse. Es ist selbstverständlich unmöglich eine den thatsäch- lichen Verhältnissen entsprechende Schätzung der Häufigkeit der durch Giftschlangen erzeugten Schädigungen zu erzielen. Kommen schon nicht alle Verwundungen durch diese Thiere in Deutschland in ärztliche Behandlung, und werden von den durch Aerzte behandelten mindestens die Hälfte nicht litera- risch verewigt, so ist an eine ärztliche Behandlung oder gar literarische Mittheilung solcher Vergiftungen in tropischen Gebieten — manche Theile Ostindiens ausgenommen — gar nicht zu denken. Nicht minder unbestimmbar ist die Schätzung der Mor- talität. Wie bei anderen Vergiftungen spielen auch hier nicht nur die individuellen Verhältnisse der Verletzten, nicht nur die Stelle, von der aus das Gift in den Körper gedrungen ist, sondern — was besonders erschwerend für die Beurtheilung des endlichen Ausganges der Vergiftung ist — auch die Schlangen- art .sowie deren zeitlicher Zustand eine hervorragende Rolle. Dies muss bei der Beurtheilung der nachstehenden Angaben in Berücksichtigung gezogen werden. Was die europäischen Giftschlangen betrifft, so ist der Biss der Kr euzotter, entgegen der gewöhnlichen Meinung, selbst für Kinder selten tödtlich, und auch der Biss der süd- europäischen Viper in der Regel nicht lebensgefährlich. So sah Fontana') unter 02 Fällen von Vipernbiss nur zwei ') Fontiina, Traite sur les vcnins de lii viporc. Florence 1781. Brennin^,', Die Vergiftungen «larch Schlangen. 1 tödtlicli Terlaufen, und seit Fontana wnrden ungefähr 100 Todesfälle durch Vipern in der Literatur veröffentlicht, von denen etwa die Hälfte auf Kinder fallen. In der Schweiz kamen in den Jahren 1877 — 86 7 Todesfälle durch Kreuz- ottern und Vipern vor, und in Deutschland wurden in einem Zeitraum von 10 Jahren 216 Personen von Kreuzottern ge- bissen; von den Verletzren starben 14, d.h. ca. 6,5°/o. Nach Viaud Graud-Marais endeten von 316 in der Vendee und im Departement Loire inferieure beobachteten Fällen 44 tödtlich, d. h. 14 ' : ; nach einer anderen Statistik beträgt dagegen die Mortalität an Schlangenbissen im Departement Loiret nur 1 - : ^l . Im Durchschnitt wird man die Sterblichkeit an Bissen der europäischen Griftschlangen auf ungefähr 8,5 ^'jo annehmen können. Eine ganz andere Bedeutung für die Mortalität haben jedoch die Giftschlangen tropischer Länder und be- sonders diejenigen Ostindiens. Hier erreicht die Zahl der jährlichen Todesfälle an Schlangenbiss infolge der grösseren Zahl der Schlangen, ihrer grösseren Giftigkeit und ihres leichten Eindringens in menschliche Wohnungen und in die Schlafstätten eine erstaunliche Höhe. Nach den Berichten der englischen Regierung starben in Ostindien aa Schlangen- biss : J_ _ im Jahre 1869 . . . . 11416 Menschen - .. 1877 . 1882 . 16777 19 519 . 1SS6 . 22134 7! 1888 . 22 480 ■s 1889 . 21412 . 1892 . 19 025 ivfl 1893 . pm xrci-n rloy aTtfr lior- nor 21213 KomovriTifT im .Tan 811 Pfund für 127 295 getödtete Schlangen, 1882 1487 Pfund ftr 822 421 Schlangen als Prämie gezahlt wurden, und ob- •^} Boullet, Etüde sm- la morsure de vipere. Pai-iß 1867. — 3 — gleich im Jahre 1888 sogar 578435 Giftschlangen vertilgt wurden, so hat sich doch in 20 Jahren die Zahl der durch sie ums Leben gekommenen Menschen verdoppelt. Man hat berechnet, dass von 100000 Einwohnern in Britisch-Indien jährlich mindestens 16 an Schlangenbiss sterben. Was das Verhältniss der tödtüchen Bisswunden zu den nicht tödtlichen betrifft, so beobachtete Im lach unter 306 Fällen 63 letale: dies würde also einer Mortalität von 20.6 "o entsprechen, während, wie wir gesehen haben, in Europa von den Gebissenen höch- stens 8.5 ^' 0 zu Grunde gehen. Viel schlimmer gestalten sich diese Verhältnisse noch auf manchen Inseln der ostasiatischen Meere, wo die Schlangen- plage zur Verödung von ganzen Districten . ja auf manchen Inseln zum Verlassen derselben genöthigt hat. Reisenden in jener Gegend ist die Frage bekannt, welche von den Ein- geborenen an den Weissen oft genug gestellt wird, ob er ein Schlangenmittel besitze. Selbst eine naturwissenschaftliche Durchforschung solcher Inseln ist mit Schwierigkeiten ver- knüpft, da Eingeborene schwer oder gar nicht als Führer zu haben sind. IL Geschichte und Anatomie der Giftschlangen. Die Kenntniss der Giftschlangen reicht bis in das früheste Alterthum zurück. Die Bibel spricht von ihnen ebenso wie die altgriechische Mythologie, und Homer ^) erzählt, dass Philoktetes, weil er von einer Hyder gebissen war, auf der Insel Lemnos von den Griechen zurückgelassen werden musste. Herodot^) spricht von kleinen mit zwei Hörnern ver- sehenen Schlangen, die um Theben in Aegypten vorkommen und von den Aegyptern für heilig gehalten werden sollen. Merkwürdigerweise erklärt er dieselben für ungefährlich, ob- gleich man sonst im Alterthum im Gegentheil in der Regel alle Schlangen, auch die wirklich unschädlichen, für giftig ansah, und obgleich die von ihm gemeinten Schlangen in der That eine giftige Art, nämlich den auch sonst den Alten wohlbekannten Cerastes aegyptiacus s. cornutus repräsentiren. Ausser dieser Schlange erwähnt Herodot noch geflügelte Schlangen, Riesenschlangen, und solche mit einem Hörne auf dem Kopfe ^). Im Alterthum unterschied man vorzüglich zwei Arten von Giftschlangen, nämlich die Viper (Echis, Echidna) und die x^spis; erstere entspricht der in den Mittelmeerländern gemeinen Vipera ammodytes, der Sandviper, und letztere der ägyptischen Naja haje, durch die sich Cleopatra tödten liess. Der erste, der uns Genaueres über Schlangen berichtet, ist 1) Homer, Hias IL 723. 2) Herodot, Histor. IL 74. ^) Herodot, Histor. H. 75, IV. 191—192. Aristoteles^). Nach ihm haben die Schlangen eine sehr lange Luftröhre und eine noch längere Speiseröhre. Der An- fang der ersteren liegt im Munde selbst, so dass die Zunge unter ihr zu liegen scheint. Letztere ist dünn, lang und schwarz, wird weit vorgestreckt und ist an der Spitze gespalten ; die Spitzen sind so dünn wie Haare. Der Magen ist wie ein erweiterter Darm und dem des Hundes ähnlich. Der Darm ist lang, dünn und bis ans Ende einfach. Neben dem Schlund- kopf liegt das kleine, lange und nierenförmige Herz; dann folgt die einfache, sehr lange, durch eine faserige Brücke gesonderte und vom Herzen weit entfernte Lunge, Auch die Leber ist lang und einfach , die Milz klein und drehrund. Die Gallenblase ist ähnlich wie bei den Fischen; die Wasser- schlangen haben sie an der Leber, die übrigen Schlangen jedoch an den Gedärmen. Alle haben ein sägeförmiges Ge- biss. Die Zahl der Rippen beträgt 30. Die ausgestochenen Augen und der abgehauene Schwanz sollen wieder wachsen. Die Wirbelsäule ist grätenartig. Die Schlangen legen Eier, nur die Echidna bringt lebendige Junge zur Welt, erzeugt aber auch zuvor in sich Eier. Das Ei ist wie das der Fische einfarbig und weichschalig. Die jungen Vipern werden in Häutchen geboren, die am dritten Tage zerreissen ; zuweilen fressen sich die Jungen aber auch von selbst durch und schlüpfen aus. Die Eier der übrigen Schlangen hängen zu- sammen wie die Halsschnüre der Weiber; wenn sie die Eier in die Erde abgesetzt haben, brüten sie. Die Weibchen sind grösser als die Männchen. Auch die Geschlechtsorgane beschreibt uns Aristoteles genauer; ebenso weiss er, dass sich die Schlangen häuten und einen Winterschlaf halten. Ausser der Viper und Aspis kennt er auch die schon von Herodot erwähnte ägyptische Schlange mit einem hornartigen Auswuchs über dem Auge, den Cerastes aegyptiacus. Von anderen Autoren des Alterthums, die uns mehr oder ') Aristoteles, Hiet. anirn. II. 12, 10 u. a. 0. — 6 — weniger über Giftschlangen berichten, sind besonders zu er- wähnen: Nikander, Dioscorides, Celsus, Plinius, Aelianus, Galenus, deren Mittheilungen im weiteren Ver- laufe dieser Abhandlung noch gewürdigt werden sollen. Wie wenig in jenen Zeiten eine unbefangene naturwissenschaft- liche Beobachtung zum Ausdruck kam, davon zeugen vor Allem Plinius und Aelian, die abgeschmackte Volksmärchen, in denen zumeist auch nicht einmal ein Kern von Wahrheit steckt, verewigt haben. So meint Plinius, dass aus dem Rückenmarke mensch- licher Leichen Schlangen entständen. Die letzteren hätten weder Wärme noch Schweiss noch Blut; frässen sie vor dem Bisse etwas Giftiges, so würden sie dadurch gefährlicher. Er kennt ausser Aspis und Hornschlangen auch Amphis- bänen und Jacula; erstere sollen auch am Schwänze einen Kopf haben und vorwärts und rückwärts kriechen können, während die Jacula (auch Akontias genannt) sich wie Wurf- spiesse fortschleudern sollen. In Indien soll es Riesenschlangen geben, die ganze Hirsche und Stiere verschlingen. Die schönste Schlange , die aber an Giftigkeit keiner anderen nachstehe, sei die im Wasser lebende Hyder. Plinius weiss, dass die Schlangen im Stande sind lange Zeit zu hungern, dass sie die Haut abstreifen und einen Winterschlaf halten; ferner spricht er von dem Kampf der Schlange mit dem Wiesel und Ichneumon. Noch märchenhafter als die Schilderungen des Plinius sind diejenigen des Aelian, der ja auch eigentlich nur das berichtet, was er von anderen Leichtgläubigen gehört hat, und nichts selbst beobachtet zu haben scheint. So soll es nach ihm in Indien eine Purpurschlange mit weissem Kopf, aber ohne Zähne geben; sie beisst nicht, aber das Glied, das sie anspeit, fault ab. Die Schlangen sollen das Herz im Schlünde, die Galle in den Eingeweiden, die Hoden am Schwänze haben. Die Eier, die sie legen, sind lang und weich; das Gift ist in den Zähnen. Der Magen ist lang und dünn. Beim Fressen stellen sie sich aufrecht. Ausser den von Aristoteles und Plinius erwähnten Schlangen beschreibt A e 1 i a n noch eine in Libyen und Arabien vorkommende „Dipsas", die einen brennenden Durst verur- sachen soll, ferner die Natter „Thermutis'^ in Aegypten, den „Hämorrhus", der theils feuerfarben theils tiefschwarz ist, und dessen Kopf mit starrenden Hörnern besetzt ist, die Schlange „Sepedon", die „Seps**, welche die Farbe der Orte annimmt, auf denen sie sich aufhält, endlich auch Wasser- und Meerschlangen. Es würde zu weit führen, wollte man hier alle myste- riösen Beschreibungen von gehörnten, hundertköpfigen, ge- flügelten Schlangen und Drachen berücksichtigen, wie man sie, vielfach von den wunderbarsten Abbildungen begleitet, in den Werken des Alterthums und besonders in denen des Mittelalters und Anfangs der Neuzeit findet. Dagegen darf nicht unerwähnt gelassen werden , welche Vorstellungen die Alten von dem Bau des Giftapparates und von feeiner Wirkungsweise hatten. Zwar wusste man schon im Alterthum, dass das Gift durch den Biss der Schlange in die Wunde gelangt, aber über den Ursprung des Giftes und über den Mechanismus beim Beissen war man doch noch sehr im Unklaren. Nach Nikander^) ergiesst sich das Gift bei der Seps aus vier hohlen Zähnen, über die eine Haut gebreitet ist, welche die Höhlung bedeckt. Plinius^), dessen Beschreibung des Giftapparates der Wirklichkeit schon sehr nahe kommt, lässt die Zähne der Aspis den Fischzähnen ähnlich sein ; jedoch ständen im Ober- kiefer noch jederseits zwei sehr lange Zähne, durch welche eine feine R/Jhre geht, aus der sie das Gift in die Wunde fliessen lassen. Diese gifttragenden Zähne sollen von einem dünnen Häutchen umgeben sein; wenn sie beisst, so wende sich letzteres um, und das Gift trete heraus; darauf zögen äich die Häute wieder zusammen. ")Nikander, Theriaka 145, 182 ff. *) Plinius, Bist. nat. XI. 62. Einige behaupten, wie Plinius erzählt, die Schlangen hätten auf jeder Seite nur einen Giftzahn, der krumm sei und sich nach dem Bisse zurücklehne ; andere meinen , der Giftzahn breche leicht ab und erneuere sich dann wieder. Die Zähne der Viper sollen sich im Zahnfleische verbergen ; dieses , von Gift strotzend , lässt durch den Druck der Zähne das Gift in die Wunde fliessen. Der Sitz des Giftes soll die Gallenblase sein, von wo es durch besondere Adern unter der Wirbelsäule hin zum Maule gelange. Manche Autoren des Alter- thums, wie Galen, glaubten, dass das Gift im ganzen Körper der Schlange vertheilt sei. Neuere Autoren, wie Mercuria- lis^) und Redi^) meinten, dass das Gift im ganzen Kopfe entstehe und durch besondere Gänge in die Zähne umhüllende Scheiden gelange. Nach Gessner^) liegt es unterhalb der Zähne in einem kleinen Loche verborgen oder wird in einem kleinen Blätt- chen unter der Zunge gesammelt, aus welchem es nach dem Zerspringen desselben wie Speichel fliessen soll. Nach der Ansicht von Aldrovandus^) entleertes sich aus einemunter der Zunge liegenden Bläschen durch die Zahnhöhle. Auch über die Zahl der Giftzähne herrschten lange Zeit Meinungsverschiedenheiten. So sollen sich nach Nikander^) beim Bisse der Echis zwei, bei dem der Echidna dagegen noch mehr Spuren von Zähnen zeigen. Mercurialis meint, dass bei der Aspis und Viper die Männchen zwei, die Weib- chen aber vier Wunden machen. Auch die Ansicht findet man vertreten, dass es nicht die Zähne, sondern die Zunge sei, welche das Gift führe. Lange Zeit wurde auch der Speichel der Schlangen für giftig ge- halten, bis seine Unschädlichkeit von Oharas^) nachgewiesen ^) Mercurialis, De venenis. 1548. lib. IL cap. 2. ^) Redi, Observationes de vipera. Opuscul. tom. IL p. 176 ff. 1729. ') Gessner, De serpentibus. 1587. ^) Aldrovanclus, Serpentum et draconum historia libri IL 1640. *) Nikander, Theriaka 231 f. ^) Oharas, Nouvelles experiences sur la vipere. Paris 1694. — 9 — wurde, der auch die Speicheldrüsen bei den Schlangen ent- deckte. Manche glaubten sogar, dass die Viper nicht durch Beissen gefährlich werde, sondern am Schwänze einen Stachel habe, mit dem sie steche. Erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gelangte man durch die Untersuchungen Fontana's, welchem das Verdienst gebührt zuerst eine richtige Beschreibung des Giftapparates, und zwar bei der Vipera aspis, geliefert zu haben, zu klareren Vorstellungen über diesen Gegenstand. Die moderne Wissenschaft hat mit Scheere und Messer, mit Lupe und Mikroskop jeden Zweifel über die Anatomie der Gifteinrichtung völlig gelöst, so dass über diesen Punkt nunmehr vollständige Klarheit herrscht. Das T hatsächliche über den Giftapparat der Schlangen ist folgendes: Alle giftigen Schlangen, die man auch im Gegensatze zu den ungiftigen Schlangen Thanatophidii nennt, zeichnen sich dadurch aus, dass sie jederseits ausser der Speicheldrüse ober- halb des Mundwinkels eine besondere Giftdrüse besitzen, deren giftiges Secret mittelst eines Ausführungsganges jeder- seits zu der Basis eines meist gebogenen und sehr verschieden bis zu 3 cm langen Giftzahnes geleitet wird und von dort bei der Abtheilung der Proteroglyphen durch eine an der Vorderfläche des Giftzahnes befindliche Furche, bei den Soleno- glyphen dagegen durch einen im Innern des Zahnes befind- lichen Canal an die Spitze des Zahnes und beim Beissen von dort in die Wunde hinein gelangt. Die Lage der Giftzähne ist verschieden ; bei manchen Schlangen finden sie sich ziemlich vorn im Oberkiefer, bei anderen so weit nach hinten, dass man in das Maul den Zeigefinger legen kann, ohne dass der Zahn diesen zu verwunden vermag. Das Gift wird nur in den beiden Gift- drüsen gebildet und findet sich in keinem anderen Organe der Schlange; daher sind auch alle Theile derselben ausser den Giftdrüsen mit ihren Ausführungsgängen ungiftig. Der Form nach sind die Giftdrüsen theils knopfförmig, theils platt zusammengedrückt, theils cyiindrisch oder röhrenförmig; ihrem — 10 — Bau nach gehören sie zu den acinösen Drüsen. Bei der Mehr- zahl der Giftschlangen liegen sie zwischen Oberkiefer und Quadratbein unter und hinter dem Auge; bei einigen reichen sie dagegen bis weit auf den Rücken, und bei Callophis (Elaps) intestinalis^ und C. bivirgatus liegen sie sogar innerhalb der Bauchhöhle als langgestreckte, gelb gefärbte Körper dicht neben einander und sind ^Ja bis ^J2 so lang wie das ganze Thier. Drüsen und Ausführungsgänge sind von quergestreiften Muskeln umgeben, um das Gift herauszupressen. Die Gift- zähne sitzen anfangs frei beweglich im Oberkiefer, verwachsen aber später mit ihm; dicht hinter ihnen folgen zwei bis sechs Reservezähne, die zum Ersatz der ersten Giftzähne nach ihrer Abnutzung oder zufälligem Ausbrechen dienen. In der Ruhe oder beim Fressen liegen die Giftzähne, mit ihrer Spitze nach hinten gerichtet, in einer Scheide oder einem Sack verborgen, der durch Erweiterung des Ausführungs- ganges an der Wurzel des Zahnes und durch eine Duplicatur des Zahnfleisches oder der Lippenschleimhaut gebildet wird. Wenn die Schlange zum Beissen den Rachen öffnet, so richten sich die Zähne durch Verschieben des Quadratbeines durch einen Muskel, der an der Schädelbasis entspringt und sich am hinteren Theile des Gaumenbogens ansetzt, derart auf, dass die obere Oeffnung des Giftzahnes auf die Mündung des Drüsen- ausführungsganges passt; darauf wird der Giftsack durch den Musculus pterygoideus externus in die Höhe gezogen und durch Contraction der Schläfenmuskeln zusammengepresst, wodurch sich das Gift aus ihm entleert und in die Zähne ge- langt. Manche Schlangen, wie Naja tripudians und Bungarus fasciatus, haben keinen beweglichen Oberkiefer, weshalb die Giftzähne bei denselben nicht erectil sind ^). Bei einzelnen Schlangen (Meerschlangen) finden sich hinter den Giftzähnen auch gewöhnliche solide Zähne im Oberkiefer. Trotz der scheinbaren anatomischen Uebereinstimmung ^) Fayrer, Edinb. Med. Journ. 14. May. p. 999. 1869. — 11 — liegen für die toxikologische Betrachtung in dem bisher Mit- getheilten doch zahlreiche, recht bedeutungsvolle Verschieden- heiten, die erklärlich machen, weshalb die Giftwirkung ver- schiedener Schlangen, abgesehen von der Verschiedenartigkeit des Giftes selbst, sich oft verschieden darstellen kann. Die Gefährlichkeit der Biss wunden hängt näm- lich ab : 1. Von der Grösse der Schlange resp. ihrer Giftdrüsen. Es giebt Ti'igonocephalus- Arten, bei denen die Giftdrüsen die Grösse einer menschlichen Parotis erreichen. Je grösser die Giftdrüse ist, desto grösser ist auch die darin enthaltene Gift- menge. 2. Von der Kraft der Expulsion; diese ist bei den Schlangen , welche ihre Drüsen im Leibe haben , wegen der Mitwirkung der Bauchmuskulatur grösser als bei denen , die ihre Giftdrüsen im Kopfe zu liegen haben und sie nur durch Contraction der Temporalmuskeln entleeren. 3. Von der Länge des Giftzahnes und der davon ab- hängenden Tiefe des Bisses. Der Giftzahn ist z. B. bei Vipera Berus IV2''', bei Trigonocephalus mutus etwa l^ji cm lang. 4. Von der Oertlichkeit des Bisses. Am gefährlichsten sind solche Wunden, welche direct Gefässe oder sehr gefäss- reiche Körpertheile, besonders das Gesicht, sowie solche Bisse, welche Körpertheile mit kleinem Umfange treffen, da in diesem Falle die Giftzähne mehr senkrecht und dadurch tiefer ein- dringen. 5. Von dem Zustande, in dem sich die Schlange befindet. Eine in der Gefangenschaft lebende, die lange Zeit nicht ge- bissen hat, ist viel gefährlicher als eine frei lebende Schlange, ebenso ist eine Schlange gefährlicher, wenn sie gereizt ist, weil sie dann mit grösserer Energie beisst. 0. Von der Jahreszeit ; an heissen Tagen sind die Biss- wunden gefahrlicher als bei kühler Temperatur. 7. Von dem Zustande des Gebissenen; kräftige Personen sind im Allgemeinen weniger gefährdet als schwache. Ferner soll 88 günstig sein , wenn der Gebissene sich in einem Zu- — 12 — stände der Erregung befindet, da das Schlangengift depres- sorisch auf die Nerven wirkt. 8. Von dem Alter der Schlangen. Die indianischen Aerzte behaupten nämlich, dass nur der Biss der jungen Klapper- schlangen tödte, und dass die Intensität der Wirkung ihres Giftes dem Alter proportional abnehme; am gefährlichsten sollen die drei- bis achtjährigen sein. Dasselbe glauben die brasilianischen Neger ^). Was die Menge des bei einem Biss entleerten Giftes betrifft, so liefert ein ausgewachsenes Exemplar von Vipera ammodytes durchschnittlich 0,06g Giftflüssigkeit; Kreuz- ottern geben 0,022 g, Klapperschlangen 0,5 g ^). Bei rasch wiederholtem Beissen erschöpft sich der Giftvorrath schnell, so dass oft schon der fünfte Biss ungiftig ist. Nach viermonatlichem Winterschlaf ist noch ein ganz actives Gift vorhanden. Alle Organe der Schlangen, ausser den Giftdrüsen und Ausführungs- gängen derselben sind ungiftig. Muscarin und Pilocarpin wirken auf die Giftproduction nicht ein, eben so wenig Atropin. Die stärksten Schläge des Magnetelektromotors, die man durch die Giftdrüsen eben getödteter Schlangen treten Hess, bewirkten keine Giftabsonderung. Dagegen scheint Nahrungsenthaltung ein zeitweiliges Versiegen des Giftes resp. die Production eines nur wenig oder gar nicht wirkenden Drüsensaftes zu veran- lassen. Die im Laboratorium geborenen Thiere geben schon am ersten Lebenstage ein ganz actives Gift. ^) Naphegyi, Philad. med. a. surg. Recorder. XVIII. 12. p. 249. March 1868. ^) Feoktistow, Experimentelle Untersuchungen über Schlangen- gift (Inaug.-Dissert. Dorpat III. Systematik der wichtigsten Griftschlangen. Bei der folgenden Besprechung der am häufigsten vor- kommenden Giftschlangen habe ich, dem Zwecke dieser Arbeit entsprechend , weniger die zoologischen Eigenthümlichkeiten und Kennzeichen als vielmehr die Differenzen in der Gift- wirkunff und Gefährlichkeit der einzelnen Arten berücksich- tigen zu müssen geglaubt. Da ein Moment, worauf es bei der Beurtheilung dieser Frage, wie schon oben erwähnt, vorzüglich ankommt, näm- lich die Länge der Gift zahne, bisher eine verhältniss- mässig geringe Beachtung gefunden hat, so habe ich mich auf Veranlassung von Herrn Prof. Lew in der Mühe unter- zogen, eine grosse Zahl der in der zoologischen Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin befind- lichen Giftschlangen daraufhin zu untersuchen, und füge die gefundenen Resultate den betrefi'enden Species bei. Man theilt die Giftschlangen in zwei Abtheilungen ein : I. Yiperina oder Solen oglypha; dieselben haben im Oberkiefer jederseits einen im Innern von einem Kanal durch- bohrten Giftzahn und hinter ihm keine soliden Zähne. II. Colubrina venenosa oder Proteroglypha; diese haben im Oberkiefer an ihrer vorderen Seite mit einer Längsfurche versehene Giftzähne; hinter denselben befinden sich entweder gar keine oder doch nur kleine solide Zähne. I. Solenoglypha. 1. Crotalidae: Jederseits zwischen Auge und Nasen- loch befindet sich eine tiefe Grube. Die wichtigste Gattung — 14 — dieser Familie , deren Arten zu den gefährlichsten Gift- schlangen gehören und sehr lange und starke Giftzähne haben, ist die Gattung Cr otalus, die dadurch ausgezeichnet ist, dass alle Arten derselben an der Spitze des Schwanzes eine meist aus neun Hornringen bestehende Klapper besitzen. Crotalus durissus Daud., die nordamerikanische Klap- perschlange, ist die häufigste Giftschlange der Ver- einigten Staaten. Sie kommt bis zum 46. Grad n. Br. vor und wird selten über 1,5 m lang. Ein von mir untersuchtes Exemplar hatte bei einer Gesammtlänge von 110 cm sehr kräftige, stark gekrümmte Giftzähne von 10 mm Länge. C, cerastes Hallow in Californien und Mexico. C. adamanteus Pall. findet sich im südlichen Nord- amerika und wird über 2 m lang. C. miliarius L. hat ungefähr dasselbe Verbreitungs- gebiet wie die vorige Art. C. horridus Daud., die südamerikanische Klapper- schlange, die Cascavela der Brasilianer, kommt in Süd- amerika und auf den Antillen vor. Zwei von mir gemessene Exemplare massen 93 resp. 160 cm, ihre Giftzähne 10 resp. 13 mm; dieselben sind ebenfalls stark und gekrümmt. Sie soll bei jedem Biss 1,5 g Gift entleeren und fast stets den Tod bringen, wenn die Giftzähne tief eindrangen. Der Biss durchdringt das dickste Zeug und die stärksten Stiefel. Zu den Crotaliden gehört ferner die Gattung Lachesis; statt der Klapper findet sich hier vor dem Schwanzende eine Anzahl dorniger Schuppenreihen. Lachesis rhombeata Pr. Neuwied (Lachesis muta Daud., Crotalus mutusL.), die Surucucü oder der „Busch- meister" der holländischen Colonisten von Surinam, bewohnt die heissen Urwälder der südamerikanischen Ostküste, beson- ders von Guyana, wird über 3 m lang und ist die grösste Giftschlange. Länge des Giftzahnes 20 mm (bei 175 cm Gesammtlänge). Sie soll, wie mir von glaubwürdiger Seite in Brasilien versichert wurde, beim Nahen eines Menschen sich gegen denselben zum Beissen emporrichten. — 15 — Die Gattung Tr igon ocephalus hat einen spitzen Schwanz ohne Klapper oder Dornen; der Kopf ist dreieckig und besitzt ein grosses Scheitelschild. Trigonocephalus conto rtrix Holbrook, die Mocas- sinschlange, lebt im östlichen Nordamerika und wird 1 m lang. T. piscivorus Lacep., lebt ebenfalls in Nordamerika, besonders in Louisiana und Nordcarolina und wird 1,5 m lang, Sie wird mehr gefürchtet als die Klapperschlange, weil sie im Gegensatz zu letzterer, welche nur beisst, wenn sie gereizt ist, direct den Menschen angreifen soll. Giftzähne an einem Kopfskelet 7 mm lang. T. haljs Dum., im westlichen Asien, z. B. häufig an den Ufern des Kaspischen Meeres. Länge 65 cm. T. rhodostoma Reinw., auf Java und in Siam sehr ge- fürchtet, weil ihr Biss in weniger als einer Viertelstunde tödten soll, und weil sie vielfach in die Besitzungen eindringt. Giftzahn 12 mm lang. T. Blomhoffii Boie , in Ostasien, besonders in Japan. Sie verursacht oft tödtliche Vergiftungen. Länge des Giftzahns 5 — 7 mm bei 55 — 69 cm Totallänge. Die Gattung Bothrops ist ähnlich der vorigen, hat aber am Kopfe jederseits ein grosses Supraciliarschild. Bothrops lanceolatus Wagl., die Lanzenschlange, kommt auf den Antillen, besonders auf Martinique sehr häufig vor und ist daselbst sehr gefürchtet. Sie verursacht unter den ca. 150000 Einwohnern der Insel jährlich ca. 50 Todes- fälle. Der längste von Rufz^) gemessene Giftzahn dieser Schlange war ca. 25 mm lang (bei einer Totallänge von 190 cm). Im Pariser Museum soll sich sogar ein Exemplar mit einem 15 Linien (etwa 34 mm) langen Giftzahn befinden. Eine von mir gemessene Schlange hatte bei einer Gesammtlänge von 150 cm einen 15 mm langen Giftzahn. H. Jararacä Neuw., die Jararacii, ist die häufigste ') Rnfz, Enqu<';to Hur le serpent (Fer do lance) de la Martinique. l'iiriH 1859. p. 07. — 16 — Giftschlange Brasiliens. Sie wird 1,8 m lang und dem Men- schen dadurch besonders gefährlich, dass sie ihn, ohne irgend- wie gereizt zu sein, zuweilen aus freien Stücken angreifen und sogar verfolgen soll. Uebrigens ist sie die einzige Schlange, von welcher letzteres mit Sicherheit constatirt ist. Unter 100 — 200 Einwohnern stirbt in manchen Gegenden jährlich einer durch den Biss dieser Schlange, B. atrox Dum., die Labaria der Colonisten, Soro- raima der Macusis, lebt in Brasilien und Guyana, und zwar besonders in den dichten Urwäldern. Sie ist ebenfalls sehr gefürchtet, ihr Biss tödtet oft schon in weniger als 24 Stunden. Bei drei Exemplaren des Berliner Museums betrug die Länge der Giftzähne 4, 9, 12 mm, die Totallänge der betreffenden Schlangen 38, 75, 85 cm. B. viridis Dum., in Ostasien. Giftzahn an einem Kopf- skelet der Schlange 6 mm lang. Weniger wichtige Arten der Gattung Bothrops sind noch: B. formosus Schi, auf Sumatra. B. nigromarginatus Dum. auf Ceylon. B. Jararacussü in Brasilien. B. Neuwiedi Wagl. und B. Castelnaudi Dum., ebenfalls in Brasilien. B. bilineatus Dum., in Brasilien und auf den Antillen. B. pictus Tschudi in Peru. B. Boussingaulti Dum. in Ecuador. B. alternatus Dum. in Südamerika. B. Lansbergi Schi, in Mittel- und Südamerika. Trimeresurus RiukiuanusHilg., dieHabu-Schlange, ist auf denLiu-kiu-Inseln derartig gefürchtet, dass ganze Dörfer verlassen werden, wo die Schlange sehr zunimmt; ihr Biss soll schon nach wenigen Stunden, spätestens in zwei Tagen den Tod nach sich ziehen. Die Schlange wird etwa 2 m lang. T. erythrinus Gant, in Ostasien. Giftzahn 8 mm, Total- länge 80 cm. T. gramineus Shaw, in Indien wird weniger gefürchtet, da ihr Biss nur Localerscheinungen verursachen soll. — 17 — Tropidolaemus sumatranus Rafft, auf den Sunda- inseln und in Ostindien. Giftzahn 11 mm, Totallänge 75 cm. T. seraiannulatus, Giftzahn 4 mm lang. T. Hombroni Dum. auf den Philippinen. Hypnale nepa Laur. auf Ceylon und in Ostindien. Peltocolor macrolepis Bedd. in Indien. Atropos acontia Gray auf Japan und Borneo. A. undulatus in Mexico. 2. Viperidae. Diese Familie unterscheidet sich von den Crotalidae dadurch, dass sich zwischen Auge und Nasen- loch keine Grube befindet. Die Giftzähne sind zwar bei den meisten Viperiden be- deutend kleiner als bei den Crotaliden, erreichen jedoch bei einzelnen ebenfalls eine bedeutende Länge und Stärke. Die Arten der Gattung Cerastes haben den Scheitel des Kopfes mit warzigen Schuppen bedeckt, welche sich über den Augen zu hornartigen Fortsätzen erheben. Cerastes aegyptiacus Wagl. ist die von den Alten so oft erwähnte, und von Herodot für ungefährlich gehaltene Hornviper; sie lebt in Nordafrika, besonders in Aegypten und in der Wüste, und findet sich auch in Arabien. Giftzahn • > mm, Totallänge 51 cm. Cerastes lophophrys Dum., die Helmbuschviper, hat über jedem Auge ein Büschel kleiner Hornfäden ; sie lebt am Cap der guten Hoffnung. Cerastes caudalis Smith in Südafrika. Cerastes persicus Dum. in Persien. Bei der Gattung Vipera sind die Schuppen auf dem Scheitel des Kopfes glatt. Vipera aspis Merr. (Vipera Redii Fitz), die Redi'sche \'iper, wird 65 — 75 cm lang und findet sich im südwestlichen Europa, besonders in Südfrankreich, Italien, in der Schweiz, seltener in Südtirol, Kärnthen, Illyrien, Dalraatien; in Deutsch- land kommt sie nur bei Metz und in Baden vor. Sie ist kenntlich an der etwas aufgeworfenen Schnauze und an den vier Reihen schwarzer grosser Flecken auf dem Rücken, welche Br,', Die V(^rgiftungcn diin;h Srhlangen 2 — 18 — aber kein Zickzackband bilden. Die Mortalität der Ver- wundung durch diese Viper verhält sich wie 1 : 25. Bei jedem Biss werden 0,15 g Gift entleert. Giftzahn 5 mm bei 50 cm Totallänge. Vipera ammodytes Dum. und Bibr., die Sandviper^ wird 65 — 95 cm lang; sie ist die von den meisten alten Autoren als Viper, von Dioscorides als Kenchros bezeichnete, gefährlichste aller europäischen Giftschlangen und ist in allen Mittelmeerländern, besonders in Dalmatien und Griechenland gemein, findet sich aber auch in Kärnthen, Steiermark, Süd- ungarn, Tirol. Sie hat über der Schnauzenspitze eine weiche^ hornartige Verlängerung. In Bezug auf die Mortalität ver- hält sie sich ungefähr wie die vorige. Giftzahn 5 mm, Total- länge 51 cm. Vipera rhinozeros Schi,, in Gabun, soll einen schnellen Tod verursachen. Giftzahn an einem Kopfskelet im Berliner Museum 30 mm lang, sehr stark und von bedeutender Krüm- mung. Vipera nasicornis Shaw, in Guinea und an der Goldküste. Vipera atropos Schi, in Südafrika, Giftzahn 7 mm, Totallänge 42 cm. Vipera latastei Bosc. lebt in Spanien und Portugal. Vipera lebetina L. auf der Insel Milo und in Afrika. Die Gattung Pelias, die von Vielen auch zur Gattung Vipera gezählt wird , hat vorn auf dem Kopfe ein grösseres centrales Schild, das von kleineren Schilden umgeben ist. Pelias berus Merr. (Vipera berus Daud.), die ge- meine Kreuzotter, wird 50 — 70 cm lang, findet sich in ganz Europa ausser in den nördlichsten und südlichsten Theilen, sowie in Asien. Sie ist leicht kenntlich durch das auf dem Rücken befindliche schwarze Zickzackband. Auf ihre verhältnissmässig geringe Giftigkeit ist bereits in der Einleitung hingewiesen worden. Bei jedem Biss entleert sich etwa 0,1 g Gift; ihre Giftzähne sind etwa 3 — 4 mm lang. Variationen von Vipera berus sind die von den Alten — 19 — als Prester oder Dipsas beschriebene Vipera prester L., die sogen. Höllennatter, und die Kupferschlange, Vipera chersea L. Von aussereuropäischen Viperiden sind noch zu nennen: Clotho arietans Gr., die Puffotter in Südafrika, deren Biss häufig schnell tödtet. öiftzähne von drei Exemplaren des Museums, deren Länge 27 — 34 cm betrug, 7 — 8 mm lang. Die Zähne an einem Kopfskelet waren sogar 12 (rep. 14) mm lang. Daboia Russelii Gthr. , die Katuka Rekula Poda oder Bora S iah Chunder der Eingeborenen in Ostindien. Sie verursacht nächst der Brillenschlange die meisten Todesfälle daselbst, ist aber noch weit mehr gefürchtet als diese ^ weil sie, wenn sie auch langsamer in ihren Bewegungen ist als die Brillenschlange und weniger häufig beisst, so doch desto sicherer den Tod verursacht. Länge des Giftzahnes 14 mm, Totallänge 110 cm. Echis carinata Merr. ebenfalls in Indien (Horatta Pam). Sie steht an Gefährlichkeit hinter den meisten anderen Giftschlangen Indiens zurück. Länge 60 cm. Echis chlorechis Schi, an der Goldküste. II. Proteroglypha. Die Giftzähne der Proteroglyphen sind bedeutend kleiner als die der Solenoglyphen. 1. Elapidae. Körper fast cylindrisch, Nasenlöcher seit- lich gerichtet. Bei der Gattung Elaps sind die Schuppen der Rücken- mittellinie nicht besonders ausgezeichnet, die unteren Schwanz- schilder zweireihig und der Kopf flachgedrückt. Elaps corallinus Wied., Korallenschlange, 65 — 70 cm lang, in Südamerika. Giftzahn ca. 2 mm lang. Trotz der Klein- heit der Zähne ist das Gift dieser Schlange so wirksam, dass man schon eine Stunde nach dem Bisse den Tod eintreten sah, E. lemniscatus Schi, in Südamerika. — 20 — E. fulvius L. in Nordamerika. E. frontalis Dum. in Südamerika. Länge 85 — 90 cm, Giftzähne 2 — 4 mm. E. bivirgatus Schi, auf Java, Giftzähne 3 mm lang. Die Gattung Naja hat einen hohen, vierkantigen Kopf; die vorderen Rippen sind verlängert, und der Hals ist aus- dehnbar. Die wichtigste Schlange dieser Gattung ist Naja tri- pudians Merr., Cobra de Capello, die ostindische Bril- lenschlange. Sie wird 1 V4 — 2 m lang und findet sich ausser in Ostindien auch auf Java und in Stidchina. Sie ist diejenige Giftschlange, welche in Indien wegen ihres ausserordentlich häufigen Vorkommens daselbst und ihrer leichten Reizbarkeit und davon abhängigen Geneigtheit zum Beissen die meisten Opfer fordert. Bei jedem Biss sollen ca. 2 g Gift entleert werden. Zwei von mir untersuchte Brillenschlangen besassen bei einer Totallänge von 105 resp. 118 cm Giftzähne von nur 4 resp. 5 mm Länge. Naja ha je Merr., die Aspis der Alten, die Schlange der Cleopatra oder ägyptische Brillenschlange, ist 1,6 — 2,25 m lang und lebt in West- und Nordafrika. Giftzahn 6 mm lang bei einer Totallänge von 174 cm. Naja angusticeps Smith, in Gabun. Giftzähne bei einem 3 m langen Exemplar 7 mm, an einem Kopfskelet 8 mm lang. Naja sputatrix Boie auf Banka. Giftzähne 4 mm lang. Naja regalis Schi, an der Goldküste. Naja nigricollis Reinh. in Guinea, Sierra Leone und an der Goldküste. Sepedon haemachates Merr. in Südafrika ist fast eben- so giftig wie Naja tripudians und N. haje. Bei der Gattung Pseudechis sind die unteren Schwanz- scbilder vorn einreihig, hinten zweireihig. Pseudechis porphyricus Wagl., 2,5 m lang, Schwarze Schlange (black snake), in Australien. Sie verursacht oft schnellen Tod, Giftzahn 5 mm lang. — 21 — Bei der Gattung Bungarus sind die Schuppen der Rückenmittellinie besonders ausgezeichnet, gross und sechs- seitig; After- und untere Schwanzschilder sind nicht getheilt. Bungarus coeruleus Daud., Krait oder Gedi Para- guda der Eingeborenen, ist 80 cm lang und gehört zu den ffefährHchsten Schlangen Ostindiens und Javas. Giftzähne kleiner als bei Naja tripudians , nämlich 2 mm bei einer Totallänge von 106 cm. Bungarus annularis Daud. (B. fasciatus Sehn.), i Sankni oder Bungarum Pamah der Eingeborenen, 1,6 bis 2 m lang, auf Ceylon, in Ostindien und in China, ist weniger gefährlich. I Die Gattung Dinophis (Dendraspis) hat grosse drei- eckige Schuppen auf der Rückenmittellinie und getheilte After- und untere Schwanzschilder. Dinophis Jamesonii Traill. lebt auf Bäumen in West- afrika, besonders an der Goldküste. Atractaspis Bibroni Smith in Westafrika. Giftzähne 5 mm, Totallänge 70 cm. Ophiophagus elaps Gth., 4 — 5 m lang, Sunkerchor der Indier, findet sich in Indien, auf den Andamanen, den Sunda-Inseln, Neu-Guinea. Sie ist nach Fayrer vielleicht die grösste und gefährlichste Giftschlange Ostindiens und vermag einen Elephanten in 3 Stunden zu tödten. Sie soll ebenfalls den Menschen angreifen. Causus rhombeatas Wagl. in Süd- und Westafrika. Vier von mir gemessene Exemplare hatten Giftzähne von 1^2, 2, 3, 4 mm Länge bei einer Totallänge von 21, 39, 42, 57 cm, Callophis intestinalis Gth. in Indien ist dadurch aus- gezeichnet, dass sich bei dieser Schlange die Giftdrüsen in der Bauchhöhle befinden. Sie ist relativ wenig gefährlich, ihr Giftzahn auch nur ca. ^/i mm lang bei einer Totallänge von 37 cm. Callophis jap o nie US gehört zu den wenigen in Japan vorkommenden Giftschlangen. — 22 - Hoplocephalus curtus Schi., Tigerschlange, in Australien. Ihr Biss tödtet ziemlich häufig. H. süperb US Grthr., large scaled oder dianiond snake, in Australien, ist weniger giftig. Acanthophis antarctica, death adder, Todesnatter, ist die gefährlichste aller australischen Schlangen. Giftzahn 3 mm bei 35 cm Totallänge, 6 mm an einem Kopfskelet. Diemansia superciliaris Fisch., brown snake, in Australien. Giftzähne an einem Kopfskelet 2 mm. Im Allgemeinen sind von den australischen Giftschlangen, deren Zahl 208 beträgt, die meisten für den Menschen voll- kommen ungefährlich, 2. Hydrophidae. Die Meer- oder Seeschlangen haben einen seitlich zusammengedrückten Körper und Schwanz; die Nasenlöcher sind nach oben gerichtet. Sie sind die am wenigsten gefährlichen Giftschlangen und haben auch die relativ kleinsten Giftzähne. Platurus fasciatus Latr. im Chinesischen und Indischen Meere. Giftzahn 1 mm bei 75 cm Totallänge. P. laticaudatus L. Giftzähne 2 mm bei 90 cm To- tallänge. Hydrophis cyanocincta Gthr. im Meere von Ceylon bis Japan. Giftzähne 2 — 3 mm bei 45 — 75 cm Totallänge. Hydrophis pelamoides Schi, im Indischen Meere. Pelamis bicolor Daud. ist die gemeinste Seeschlange und kommt von Madagaskar bis zum Golf von Panama vor. Giftzähne sehr fein, 1 ^,'2 mm bei 50 cm Totallänge. Sie ver- mag unter Umständen einen Menschen in 4 Stunden zu tödten, doch gehören Todesfälle nach ihrem Bisse zu den Ausnahme- fällen. Manche Seeschlangen, wie z. B. Platurus fasciatus, sollen nicht einmal dann beissen, wenn man sie in die Hand nimmt. Aus der vorstehenden Betrachtung der einzelnen Gift- schlangen scheint hervorzugehen, dass die Länge des Gift- — 23 — Zahnes eine wesentliche Rolle bei der Beurtheilung des Giftig- keitsgrades der einzelnen Arten spielt. Am gefährlichsten wären danach die Crotaliden, dann folgen die Viperiden und Elapiden, und am ungefährlichsten sind die Hydrophiden. Dieselbe ßeihenfolge in der Gefährlichkeit hat übrigens auch Fayrer ^) für die ostindischen Giftschlangen aufgestellt, und zwar ebenfalls mit Bezugnahme auf die Länge der Giftzähne. Was nun die Abtheilung der Colubriformia (Agly- phodontia, Opistoglypha) betrifft, welche nicht mehr zu den eigentlichen Giftschlangen gezählt werden, so besitzen manche Gattungen derselben, nämlich Scytale, Dipsas, Dryophis, Langaha, Psammophis, Coelopeltis, Homa- lopsis, Tachymenis und zuweilen auch Calamaria und Geophis im Oberkiefer jederseits hinter einer Reihe von soliden Hakenzähnen einen Furchenzahn und werden deshalb als Serpentes suspecti bezeichnet. Nachdem aber bereits Duvernoy bei verschiedenen Opistoglyphen, und neuerdings auch Jourdain^) bei Coelopeltis insignitus eine kleine Giftdrüse entdeckt hat, deren Ausführungsgang mit den hinteren Furchenzähnen in Verbindung steht, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass schliesslich bei allen diesen „verdäch- tigen Schlangen" eine Giftdrüse nachgewiesen werden wird, und dass dieselben somit eigentlich zu den Giftschlangen ge- hören. Jourdain ist sogar der Meinung, dass alle Schlangen im Besitze von Giftapparaten, wenn auch von verkümmerten, sind. Wie weit sich diese Ansicht bestätigen wird, muss dahingestellt bleiben, jedenfalls ist zu hoffen, dass wenigstens die , Serpentes suspecti" in absehbarer Zeit dieses unbestimmten Charakters entkleidet und als giftige oder ungiftige Schlangen erkannt werden. Diese Frage ist wahrscheinlich auch für den Menschen nicht ohne Bedeutung; zwar tödten die meisten dieser Schlangen ihre Opfer nicht durch Beissen, sondern ') Fayrer, Edinb. Med. Joum. 14. May 1869. p. 997. ^ Jourdain, Compt. rend. de l'Acad. des sciences. T. 118. 1894. p. 207. — 24 — durch Umschlingen, und wenn sie einmal wirklich beissen, so thun sie dies in der Regel nur mit den ungiftdgen Vorderzähnen. Sperrt man aber z, B. einer Coelopeltis absichtlich die Kiefer weit aus einander und schiebt das Grlied des zu beissenden Thieres ganz weit hinein, so dass dann auch die Giftzähne eindringen können, so sterben kleine Säugethiere und Vögel schon sehr kurze Zeit nach dem Biss. Es geht daraus her- vor, dass auch diese Schlangen ein durchaus wirksames Gift zu produciren vermögen. Hierfür scheint auch der Umstand zu sprechen, dass die ebenfalls zu den „Verdächtigen" ge- hörende Langaha-Schlange von den Eingeborenen von Madagaskar wegen ihrer Giftigkeit gefürchtet sein soll ^). ^) Gmelin, Allgem. Geschichte der thierischen und mineralischen. Gifte. 2. Aufl. Erfurt 1811. S. 78. IV. Die Natur des Schlangengiftes. Ueber die Natur des Schlangengiftes finden sich bei den Alten nur wenige Bemerkungen. Nach Aelian soll die in- dische Purpurschlange zwei Arten von Gift, eine schwarze und eine dem Bernstein gleichende, enthalten. G essner sagt vom Schlangengift, es sei kalt und trocken und werde nur bei grosser Trockenheit erzeugt, weswegen Einige meinten, die Galle sei das Gift der Schlangen. Auch Plinius erzählt, dass die besten Autoren die Galle für das Gift der Schlange hielten. Mead^) fand im Viperngift äusserst zarte, spitze, sehr beständige Krystalle und erklärte dieselben für das wirksame Prinzip des Giftes. Dass man lange Zeit den Speichel der Schlange als giftig ansah, habe ich bereits erwähnt. Entsprechend der Bedeutung des Gegenstandes hat unsere Zeit ganz besonders eifrig an der Aufklärung des Schlangen- giftes gearbeitet. Ist hier auch jetzt dem weiteren Forschen, wie die folgenden Zeilen es lehren werden , eine gewisse natürUche Schranke gezogen worden, so kann man doch den Zuwachs an Erkenntniss begrüssen und vor Allem sich freuen, dass ein Wust von falschen Angaben nunmehr endgültig be- seitigt ist. Die ergebnissreichsten Untersuchungen stellten Mitchell und Reichert*) an. Sie benutzten zu ihren Versuchen be- ') Mead, De vipera. Opera medica. Vol. II. 1749. *) Woir Mitchell, ReHearche« upon the venom of the Kattlesnake (Smithsonian contributions tu knowledge. Thilad. 18G0. 4°). — Americ. - 26 — sonders die Gifte folgender amerikanischer Schlangen: Crotalus adamanteus, Cr. durissus und Ancistrodon piscivorus (Mocassin- schlange), sowie das getrocknete Gift der indischen Cobra. Die physikalischen Eigenschaften der Schlangen- gifte sind bei allen Giften fast die gleichen. Die Farbe variirt von blass Smaragdgrün bis Orange- und Strohgelb. Auch das Gift der Surucucü soll eine grün- liche Färbung haben , das der Jararacä dagegen wasserklar sein und mit Kalilauge eine carminrothe Farbe annehmen ^). Das spezifische Gewicht des Giftes schwankt zwischen 1030 und 1077. Durch langen Aufenthalt in der Drüse wird es concentrirter. Das eingetrocknete Gift bleibt ausserordentlich lange wirksam, da es z. B. in einem Falle nach löjährigem, in einem anderen sogar nach 22 jährigem Aufbewahren noch nichts von seiner Giftigkeit eingebüsst hatte. Ebenso hält sich Viperngift, wenn gut verschlossen, über 18 Monate lang^) und war sogar noch wirksam, nachdem es mehrere Jahre in der Höhlung des Giftzahnes gewesen war. Auch selbst längere Zeit in Spiritus aufbewahrte Giftschlangen können noch ge- fährlich werden, wie der Fall eines Assistenten am Peters- burger Museum beweist, welcher sich durch unvorsichtige Manipulation mit einer solchen Schlange eine tödtliche Ver- letzung durch deren Giftzahn zuzog. In Glycerinlösung bleibt das Gift lange Zeit wirksam. Wässrige Lösungen des Schlangen- giftes dagegen zersetzen sich schnell und werden bald un- wirksam. Das Gift ist klebrig (bei der Viper wie Harz) und trocknet sehr langsam. In völlig trockenem Zustande gleicht es getrocknetem Eiweiss und bildet es dünne, gelbe, durchscheinende Lagen. Die Krystalle, welche Me ad im Vipern- gift gefunden haben wollte, sind nichts Anderes als zahllose Risse, welche diese Lagen durchkreuzen. Das frische Gift med. chir. Rev. V. p. 269—311. March 1861. — Weir Mitchell and Reichert, Researches upon the venom of poisonous serpents (Smith- sonian contrib. Wash. 1886). ^) V. Tschudi, Reisen durch Südamerika. III. 1867. ^) Mangili, Annales de Chimie et de Ph5'sique. Floren ce 1817. — 27 — ist geruch- und geschmacklos. Einige Autoren wollen allerdings einen scharfen, ätzenden Geschmack daran wahr- ffenoramen haben. Das Gift zersetzt sich, wenn lange feucht gehalten, unter Amraoniakentwickelung und riecht dann furcht- bar, ist aber auch dann häufig noch giftig. Unter dem Mikroskope zeigt sich im frischen Gifte häufig ausser einigen Epithelzellen und Speichelkörperchen eine granulirte Masse; davon erwiesen sich bei genauerer Untersuchung die grösseren Granula als Körper von albumi- noider Natur, die kleineren als Mikrokokken. Die letzteren spielen aber sicher keine Rolle in der Wirksamkeit des Giftes trotz der gegentheiligen Ansicht Lacerda's, der im Gifte von Bothrops-Arten Bacterien entdeckt zu haben glaubte ^). Neuere Untersuchungen -) ergaben, dass frisches Schlangen- gift überhaupt keine Organismen enthält, es sei denn, dass solche aus der Mundhöhle der Schlange stammen oder durch irgend einen Zufall hineingeriethen, Krystalle, die denen der phosphorsauren Ammoniak-Magnesia ähnlich sahen, wurden im Gifte von Crotalus confluentus gefunden; sie sind aber oflPenbar auch nur die Folge beginnender Zersetzung des Giftes. Im getrockneten Viperngifte fehlte jede Krystallisation ; es stellt eine amorphe , in Wasser völlig lösliche Substanz dar. Auch etwaigen im Gifte befindlichen Krystallen darf also kein Einfluss auf die Wirksamkeit desselben zugeschrieben werden, wie man es früher zuweilen that. Eine 20''/<)ige wässerige Lösung des eingetrockneten Viperngiftes soll in der Wirkung auf Thiere ganz dem ur- sprünglichen Gifte entsprechen''). Die Reaction des Schlangengiftes ist nach Angabe der meisten Untersucher sauer; das Cobra-Gift wird jedoch von neueren Autoren ^) für neutral erklärt. ') Lacerda, Compt. rend. de l'Acad. des sc. Dec. 1878. ») Fredet, Uuion med. T. XXV. 1878. — M. Kaufmann, Du venin de la vipere. Paris 1889. ») Karlinski, Fortschritte der Medicin. VIII. 16. 1890. *) Feoktistow, Experimentelle Untersuchungen über Sclilangen- — 28 — Klapperschlangengift beginnt bei 41 '^ C. zu gerinnen und ist bei 53 " C. beinahe fest; es löst sich in kaltem Wasser ohne Rückstand auf. Das Viperngift ist in absolutem Alko- hol, Alkalien und Oelen gar nicht, in kaltem Wasser schlecht, in verdünntem Alkohol besser, in kochendem Wasser gut löslich^). Es wird durch Mineralsäuren gefällt; die Nieder- schläge sind im Ueberschuss des Fällungsmittels löslich; auch Tannin fällt das Gift. Mit Eisenchlorid, Silbernitrat, Platin- chlorid, Eisen- und Kupfersulfat giebt es ebenfalls Nieder- schläge. Dasselbe Verhalten zu den Mineralsäuren zeigt auch Klapperschlangengift; mit Essigsäure liefert letzteres keinen, mit Tannin einen dichten weissen Niederschlag, der in Wasser und im Ueberschuss der Säure unlöslich, aber in Ammoniak löslich ist. Chlorwasser bringt einen dichten Niederschlag hervor, ebenso Jodlösung und Jodkali einen solchen, der im Ueberschuss des Reagens sich auflöst. Kali und Natron haben keinen sichtbaren Einfiuss auf das Gift, ebenso Am- moniak und Kalkwasser, Mit Sublimat entsteht ein dicker weisser Niederschlag. Natrium sulfuricura und Magnesium sulfuricum bringen einen voluminösen weissen Niederschlag hervor, der sich im Ueberschuss von Wasser auflöst. Alkohol bewirkt einen schweren, flockigen Niederschlag, der auch nach dem Trocknen in Wasser löslich ist. Die Frage, welchem Bestandtheile das Schlangen- gift seine Wirkung verdankt, lässt sich jetzt mit Sicher- heit beantworten. Es sind nicht Mikroorganismen, welche die Giftwirkung hervorrufen. Auch die Ansicht, dass es im Schlangengift enthaltene Cyanverbindungen sein könnten, hat sich nicht bestätigt; Mitchell konnte niemals im Klapper- schlangengift Rhodankalium nachweisen, dem man auch bei Bissen anderer Thiere die Giftwirkung zuschrieb. Eben so gift. Inaug.-Diss. Dorpat 1888. — Kanthak, Journ. of the Physiol. 1892. p. 272. — Calmette, Annales de l'institut Pasteur. 1892. IX. p. 168. ^) Le Gage, Journ. de Chim. med. 5. ser. IV. Avril 1868. — 29 — wenig bilden Alkaloide das wirksame Prinzip im Schlangen- gift. Die verraeintliclien Alkaloide Najin und Elapliin, die Gautier ^) im Naja-Gifte entdeckt haben wollte, sind nichts anderes als Zersetzungsproducte. Das Schlangengift ist eine Eiweisssubstanz. Im Klapperschlangengift sind wenigstens zwei eiweiss- artige Substanzen, eine, die sowohl durch Kochen als auch durch Alkohol gerinnt, und eine, die nur durch Alkohol coagulirt wird, neutral reagirt und das eigent- lich wirksame Prinzip des Giftes bildet. Mitchell nannte diese letztere Substanz Crotalin. Schon früher hatte Prinz Lucien Bonaparte, der übrigens im Jahre 1843 überhaupt die erste chemische Untersuchung von grösserem Werte, die bis dahin über Schlangengift gemacht war, anstellte, aus dem Viperngift durch Alkoholbehandlung als wirksames Prinzip das Vi per in oder Echidnin dargestellt. Bei den späteren gemeinsam mit Reichert angestellten, den neuesten Anschauungen nicht mehr ganz entsprechenden, aber doch erwähnenswerthen Versuchen MitcheH's zeigte es sich, dass die eiweissartigen Substanzen im Schlangengift den Charakter der Globuline und Peptone haben. Es gelang ihnen, drei Arten von giftigen Globulinen zu is.oliren: 1. Ein Globulin, das durch starke Verdünnung des Giftes mit Wasser fällbar war \md dem Mjosin im Verhalten gegen Salzlösungen sehr ähnlich sah. 2. Ein Globulin, das im Filtrat des vorigen durch Kupfer- sulfat gefällt wurde, 3. Ein Globulin, das durch Dialyse abscheidbar war. Das Filtrat von diesem letzten Globulinkörper coagulirte nicht mehr beim Kochen, gab aber noch alle Farbenreactionen der Eiweisskörper. Mitchell und Reichert nannten diesen Körper „Giftpepton". Das relative Verhältniss zwischen Globulin und Pepton ist je nach der Schlangenart verschieden. So enthält das getrocknete Gift der Klapperschlange ca. 24*'/o ') Giiutior, Hüll, de I'Acad. dt- möd. 2. ser. X. p. 950. 1881. — 30 — Globulin und 75 ^/o Pepton, das der Mocassinschlange ca. 8°/o Globulin und 92 ^/o Pepton. Ausser diesen Eiweisskörpern sind nach Mitchell- Reicher t's Untersuchungen im Schlangengift noch vorhan- den: ein Farbstoff, Spuren von Fett und Salze, beson- ders Chloride und Phosphate. Die chemische Zusammensetzung des Giftes bei den anderen Schlangenarten, namentlich bei den indischen und europäischen, ist im Wesentlichen eine ähnliche wie die bei dem Gifte der amerikanischen Schlangen. Ueberall bilden Eiweisskörper, die sogenannten Tox- albumine, die wirksame giftige Substanz. Zwar behaupten einige Autoren, dass im Schlangengift, speziell in dem der Brillenschlange, Ptoma'ine enthalten seien ^), indessen fehlen im frischen Gifte Ptomai'ne ebenso wie auch Alkaloide gänzlich. Die Wirkung des Giftes der Brillenschlange beruht auch nicht auf Cobrasäure (die vermeintlichen Kry- stalle, denen der Name Cobrasäure gegeben wurde, bestehen aus Gyps), sondern auf der Gegenwart folgender Eiweiss- körper ^): 1. Globulin. Es ist immer vorhanden und wirkt tödtlich durch Asphyxie. 2. Syntonin, das durch Magnesiumsulfat zusammen mit dem Globulin gefällt wird. Es dialysirt in gewissem Grade durch Pergamentpapier. Die giftige Wirkung des sauren Dialysates beruht auf diesem Eiweisskörper, der aber weniger stark wirkt als Globulin. 3. Serum-Albumin, das ebenfalls giftig ist und Apo- plexie bewirkt. 4. In einigen Proben zeigten sich Spuren von Hemi- albumose und zweifelhafte Spuren von Pepton; letztere sind wohl als zufällig zu betrachten. Das Gift der indischen Viper (Daboia Russelii) enthält : ^) Fayrer, Med. Times and Gaz. Febr. 2. 1884. ') Wolf enden, Journ. of physiol. VII. 327. — 31 — 1. Globulin, das mehr vorherrscht als im Cobra-Giffe, 2. Serum- Albumin in kleiner Menge. 3. Einen Eiweisskörper , der viele Eigenschaften einer Albumose besitzt. Wahre Peptone kommen darin nicht vor, und wahr- scheinlich waren auch die von Weir Mitchell und Reichert als Peptone bezeichneten Substanzen in den Giften der ameri- kanischen Schlangen in Wirklichkeit Albumosen. Auch das Cobra-Gift soll als wirksamen Bestandtheil eine Albumose (Protoalbumose) enthalten, welche die- selbe toxische Wirkung hat wie das Gift selbst^); ausser dieser ist wahrscheinlich noch eine Heteroalbumose darin vor- handen. Das Globulin Mitchell's ist vielleicht nichts Anderes als ein Gemisch von Heteroalbumose und Dysalbuminose und entsteht nur secundär nach gewissen Manipulationen im Schlangengifte. So scheint andauerndes Erhitzen die Proto- albumose in jene beiden Körper zu zerlegen, die wohl harm- los sind. Auch in dem Gifte der australischen Schlange Pseudechis porphyriacus sind die einzigen giftigen Bestandtheile primäre Albumosen ^). Das Gift der europäischen Giftschlangen soll enthalten^): 1. Eine Art Ptyalin (nach Lucien Bonaparte .Viperin" oder „E chidnin"). 2. Albumin und Schleim. 3. Eine in Alkohol lösliche Substanz. 4. Gelben Farbstoff. 5. Fett. 6. Chlorüre und Phosphate wie der Speichel (kein Rhodan- kalium). 'j Kanthack, Joum. of Physiol. XIII. 8 and 4. p. 272. 1892. *j C. F. Martin, Jonrn. of Physiol. XV. 1898. p. 880. ') L(; Gage, .Journ. de Cliim. med. 5.8er. IV. p. 178. Avril 1868. — 32 — Das Viper in stellt dem Tannin ähnliche Schüppchen dar, es enthält Stickstoff, reagirt neutral, färbt Kupferoxyd- hydrat violett und wird von ßleiessig nicht gefällt; es ist ge- schmacklos. Man gewinnt es durch Alkoholbehandlung aus dem Schlangengift. Es entspricht offenbar ganz dem Crotalin Mitchell's und besteht aus mehreren, wahrscheinlich den Eiweisskörpern verwandten Substanzen ^). Aus allen Untersuchungen ergiebt sich also das Eine mit Sicherheit, dass das Gift sowohl der europäischen als auch der ausländischen Giftschlangen als wirksames Prinzip Eiweissstoffe enthält. Welcher Art dieselben sind, ist als noch nicht definitiv festgestellt zu betrachten. Es dürfte interessiren, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass merkwürdigerweise auch in einer Pflanze, nämlich in den Samen von Abrus precatorius, dem bekannten Jequi- rity, ein Stoff, das Abrin, enthalten ist, welcher ebenso wie das Schlangengift aus zwei Eiweisskörpern besteht, von denen der eine zu den Globulinen gehört, während der andere eine Albuminose ist. Er erzeugt, wie auch Schlangengift häufig, bei subcutaner Injection Gastroenteritis mit blutigen Aus- leerungen. Diese Aehnlichkeit des Abrins mit dem Schlangen- gifte dürfte vielleicht noch einmal für die Therapie des Schlangenbisses Bedeutung erlangen. Unschädlich werden des Schlangengiftes. Die Gifte der amerikanischen Schlangen ertragen im ge- trockneten Zustande eine Temperatur von 110*^0. 30 Minu- ten lang, ohne eine Abschwächung ihrer Wirkung zu erleiden. In wässrigen Lösungen bis zu 76,5 " C. erhitzt, erfährt das Gift von Crotalus adamantinus eine beträchtliche Schwächung. Bei den peptonreicheren Giften anderer Schlangen (z. B. der Mocassinschlange) ist die Abschwächung durch Kochen lange nicht so energisch. Bei nur 10 Minuten langem Kochen ^) M. Kaufmann 1. c. — 83 — wirkt das Gift oft noch sehr stark. Das Gift der Lauzeu- schlange wird zerstört, wenn man es eine Minute lang auf 100 '^ erhitzt. Von den indischen Schlangengiften wird das der Daboia durch Erwärmen auf 80^ unwirksam, Cobra-Gift dagegen nach Fayrer noch nicht ganz bei einstündigem Er- hitzen auf 107 ^, wohl aber bei zweistündigem. Calmette^) jedoch fand, dass schon 20 Minuten langes Erhitzen auf 98 ^ die Virulenz des Cobra-Giftes zerstörte, während auf 90 ^ erhitztes Gift bereits nicht mehr local ent- zündend wirkte. Das Gift von Hoplocephalus curtus verliert seine toxischen Wirkungen erst, wenn man es mindestens 15 Minuten lang bei 100 — 102 "^ erhitzt, das von Pseudechis porphyricus bei 99 — lOO'^, das der Kreuzotter bei 95 — 97° oder bei noch geringeren Hitzegraden. Die Resistenz der einzelnen Gifte gegen Hitze ist also verschieden, und selbst das Gift einer bestimmten Schlangenart verhält sich in dieser Hinsicht nicht immer gleich. Wenn man Viperngift 20 — 25 Secunden lang sieden, dann wieder erkalten lässt und es nun Thieren einimpft, so zeigt es sich, dass jetzt keine örtlichen Erscheinungen mehr auftreten und die Allgemeinsymptome schwächer sind als nach Einimpfung eines nicht in dieser Weise behandelten Giftes. Auch bewirkt erhitztes Gift Erhöhung der Tempe- ratur, während nicht erhitztes diese meist erniedrigt. Viel- leicht sind zwei verschieden wirkende toxische Substanzen im Gifte enthalten, eine entzündungserregende („Echidnase"), die durch Hitze zerstört wird, und eine allgemein wirkende, und Hypothermie verursachende („Echidnotoxin"), welche durch Erhitzen nicht zerstört wird ^). Hohe Kältegrade (bis zu — 15 " C.) und selbst wochen- langes (Jefrierenlassen vermögen die Wirkung des Schlangen- giftes nicht zu schädigen. ') Calraette, Annales de Tinstitut Pasteur. 1892. IX. p. 160. 1894. p. 275. *) Phiualix etBortrand, Compt. rend. de l'Acad. des sciences. T. CXVIII. 1894. p. 288. BrenniiK;, Di»- Vergiftungen «lurch Schlangen. 3 — 34 — Von chemischen Mitteln vermögen Alkohol, Ter- pentinöl , Silbernitrat , Ammoniak , Kali oder Natron die Wirkungen des Klapperschlangengiftes weder zu alte- riren noch aufzuheben, wenn nicht diese Reagentien von ätzender Stärke sind. Eben so wenig zerstören Minerals auf en, Chlorwasser oder Jod das Gift. Dagegen wird dasselbe durch Pepsin oder Trypsin seiner Giftigkeit beraubt. Bei Filtration durch Thierkohle werden die giftigen Ei- weisskörper durch diese zurückgehalten; das eiweissfreie Filtrat ist ungiftig. Cobra-Gift wird schon nach 5 — 10 Minuten durch 10 ^/o ige Kali- oder Natronlauge wirkungslos, bei längerer Einwirkung auch durch Chlorwasser, Jodtrichlorid , Kalium- permanganat; weniger wirksam sind Carbolsäure und Pan- kreatin. Silbernitrat, Sublimat, Gerbsäure, Alkohol heben die Wirkung dadurch auf, dass sie die Albumose fällen; ziem- lich wenig wirksam sind Citronensäure, Pepsin und selbst das so oft als eines der besten Mittel gegen Schlangenbiss em- pfohlene Ammoniak. Es scheint demnach, als ob das Gift der Brillenschlange weniger widerstandsfähig gegen Chemikalien ist als das der Klapperschlange. Die Wirkung des Schlangengiftes und die Symptomatologie der Vergiftung. Es lässt sich denken, dass bei der Jahrtausende alten Geschichte der Vergiftungen durch Schlangengift, entsprechend der Zeitbildung und der individuellen Schärfe der Auffassung, die verschiedenartigsten Ansichten über die Wirkung des Schlangengiftes zu Tage getreten sind. Im Alterthume finden wir neben einzelnen wahren die übertriebensten und vom krassesten Aberglauben beeinflussten Vorstellungen über die Symptome des Schlangenbisses ver- breitet. So sagt Aristoteles, wer von der Hyder gestochen sei, gebe sogleich einen üblen Geruch von sich, Vergessen- heit überfalle ihn, und tiefe Dunkelheit verbreite sich über seine Auj^en, Wahnsinn folge darauf und heftiges Zittern; am dritten Tage sterbe er. Der Biss der Aspides tödtet nach Plinius ^) durch Schlaf und Erstarrung. Wenn das Gift in eine alte Wunde komme, so tödte es nicht so schnell; verschluckt schade es nicht. Eine Schlange soll überhaupt nur giftig sein, wenn sie in dem laufenden Monat durch Einwirkung des Mondes auf- gereizt sei. Nach Dioskorides schwillt beim Vipernbiss der ganze Körper an; dann folgen Schaudern, Frost, Stupor, Schwere des Kopfes, galliges Erbrechen, Schluch- zen, Fieber, Athemnoth, zuweilen Gelbsucht. Die Ge- ') I'liniuH, Hist. nat. 28, 42. — 36 — bissenen seien bald blass, bald grün, bald gelb, je nach ihrem Temperament; bei den Biliösen ergiesse sich die Galle in das Blut und es entstehe bleiche und gelbe, bei den Melancho- likern grüne und schwarze Färbung. Am gefährlichsten sei der Biss in nüchternem Zustande und von einer nüchternen Schlange, im Sommer bei grosser Hitze, und wenn die Schlange gereizt sei. Der Tod erfolge sicher, wenn Synkope eintritt, Blut aus der Nase fliesst, die Lippen grünlich, die Nägel kalt werden und der ganze Leib zittert, und zwar meist innerhalb sieben Stunden, selten noch am dritten Tage. Durch den Biss der Hornviper sollen an der verwundeten Stelle eine harte Geschwulst und Pusteln entstehen; es erscheine das^^bst eine bald schwarze, bald gelbliche Jauche, und der ganze Körper werde dunkelgelb. Der Tod trete unter Ohnmächten und Convulsionen ein. Galen ^) erzählt, dass denjenigen, der von der Dipsas gebissen ist, ein brennender Durst befalle; er müsse unauf- hörlich trinken, bis er zerplatze. AuchNikander und Aelian sprechen von dieser Wirkung des Dipsas-Bisses. Nach Aelian soll die Libysche Aspis den, der sich ihrem Anhauche aussetzt, wenn sie den Hals aufbläst, der Sehkraft berauben. Die indische Purpurschlange soll nicht beissen, sondern speien und bewirken, dass die getroffenen Glieder abfaulen. Sie soll zwei Arten von Gift haben, ein bernstein- artiges und ein schwarzes. Wer das erstere verschluckt, den ergreift zuerst ein heftiger Krampf, dann verdreht er die Augen, das Gehirn fliesst ihm durch die Nase herab, und er stirbt je nach der Menge des Giftes schnell oder nach einiger Zeit. Nimmt er von dem schwarzen Gift aus der todten Schlange, so fängt er an zu eitern und stirbt nach einem bis zwei Jahren an der Auszehrung. Nach dem Biss der Natter soll Sticken, Krampf und Schluchzen eintreten. Wer eine Wasserschlange berühre, sterbe ohne Biss durch die faulende Kraft derselben. Das Gift der Aspis bleibe nicht ^) Galen, Theriaca ad Pis. c. 8. — 37 — oben, sondern schleiche in die inneren Gänge hinab; es tödte, wenn man es aussaugt, ohne Wasser nachzutrinken, und zwar ohne Schmerz, indem es ganz unvermerkt Zahnfleisch und Mund verzehre (auch Plutarch ^) sagt, der Biss der Aspis sei nicht schmerzhaft, sondern mild). Die von der Echis Gebissenen sollen Zuckungen bekommen, nicht aber die von der Echidna Gebissenen. Die Bissstelle der Echidna soll weiss, die der Echis schwarzblau sein, und die des Hämor- rhus sofort blau werden. Der Gebissene bekomme Herzweh und profuse Diarrhöe. In der ersten Nacht fliesse Blut aus Nase, Hals und Ohren mit einem galligen Gifte. Der Urin sei blutig. Alte Narben brächen auf. War der Haemorrhus ein weibliches Exemplar, so komme Blut aus den Fingernägeln, und das Gift verbreite sich in das Zahnfleisch, wobei sich viel Blut ergiesse und die Zähne ausfielen. Die Bisswunde des Sepedon fresse um sich und faule nach unten; das Gift dringe durch den ganzen Körper mit grosser Schnellig- keit. Selbst das Haar faule weg und schwinde, Augenbrauen und Wimpern fielen aus, Dunkel bedecke die Augen und diese bekämen Flecken. Das Gift der Schlange Seps ver- ursache sogleich Fäulniss und tödte schnell. In Indien soll es geflügelte Schlangen geben, deren Urin, wenn er auf den Leib fällt, Fäulniss verursache. Der Biss der Schlange Prester mache träge und schwer beweglich, dann vergesslich und schwer athmend, er hemme die Urinentleerung, die Haare fallen aus, und es folgen Sticken, Krampf und Tod. Bedeutende Fortschritte in der Auffassung und Dar- stellung der Symptomatologie sind in späteren Jahrhunderten zu beobachten, wenn wir auch hier noch manche übertriebene Berichte in Folge des weit verbreiteten Aberglaubens ver- zeichnet finden. Um nur eins zu erwähnen, so glaubte man noch bis weit in die Neuzeit hinein fest an die sogen. Fas- cinations kraft der Schlangen, vermöge welcher sie im Stande sein sollten, durch ihren Blick nicht nur Thiere, son- ') I'lutarch, Vit. Anton, c. 71. — 38 — dern auch Menschen zu bezaubern und fest an den Boden zu bannen, so dass sie unfähig wären, zu entfliehen. Manche Autoren indessen liefern uns bereits ziemlich objective und der Wahrheit entsprechende Schilderungen. So führt Gessner als Symptome des Schlangenbisses an: hitziges Fieber, Unruhe, Erstarrung oder Erschlafi'ung des ganzen Leibes, Unempfindlichkeit desselben, heftige Schmerzen an der Wunde, Röthung oder Schwarz- und Blaufärbung des gebissenen Gliedes. Nach Mercurialis bewirken die Aspides Gesichtsstörung, Gesichtsschwellung , geringen Schmerz , Taubheit , andere Schlangen dagegen Stupor, Blässe, Herzklopfen, Frost und häufiges Gähnen. Das Herz scheine am ersten afficirt zu werden, dann Leber und Gehirn. Die Vipern sollen Blutungen und einen Tumor hervorrufen, der erst roth, dann schwarz oder grün werde. Selbstverständlich lag es nahe, um bindende Schlüsse bezüglich der Angriffspunkte des Giftes an Organen und Organfunctionen zu erlangen, das Verhalten der Thiere für eine solche Erkenntniss mit heranzuziehen. Hier wurden Ergebnisse gezeitigt, denen eine allgemeinere Bedeutung zuzuschreiben ist. Die interessanteste Frage auf diesem Gebiete war zweifel- los die, wie sich Giftschlangen selbst gegen ihr eige- nes Gift oder das anderer Species verhielten. Hier sind nun die widersprechendsten Ansichten zu Tage getreten, und es scheint, dass die einzelnen Schlangenarten in dieser Hinsicht Unterschiede aufweisen. Nach einigen Be- obachtungen sollen Giftschlangen durch ihre eigenen Bisse sterben, nach anderen dagegen nicht. Die Klapperschlangen starben bei den Versuchen Weir Mitchell's alle ausser einer einzigen durch ihre eigenen Bisse. Ebenso gehen Lanzenschlangen zu Grunde, wenn man: ihnen ihr eigenes Gift einspritzt ^). Dagegen ist die Brillen- *) Tricard, Arch. de med. navale. LXI. 1894. p. 357. — 39 — schlänge immun gegen Injection von 2 cg ihres Giftes ^), und auch die Kreuzotter scheint gegen ihr eigenes Gift unempfind- lich zu sein -). Nach noch nicht veröffentlichten Unter- suchungen von L. Lewin trifft dies letztere selbst für meh- rere tagsüber veranlasste Selbstbisse zu; doch schien ihm die Schlange danach einen auffallenden Zustand von Erschlaffung, die an Muskelschwäche erinnerte, aufzuweisen. Gegenseitige Bisse von Giftschlangen, die ein und derselben Art angehören, sollen in der Regel ohne Einfluss auf die Schlangen sein, wenigstens wird dies von verschiedenen Vipern Europas und Afrikas, sowie auch von Trigonocephalus piscivorus und den ostindischen Giftschlangen behauptet. Auch hierbei konnte Lewin feststellen, dass wenige Bisse, die eine Kreuzotter der anderen versetzte, scheinbar wirkungslos waren, dass aber eine grössere Zahl das gebissene Thier allgemeine Befindens- änderung aufweisen liess. Dass sich dagegen Giftschlangen verschiedener Art gegenseitig tödten können, ist sicher con- statirt. So sah man z. B. durch den Biss der Brillenschlange andere Giftschlangen sterben ^), Indessen sollen nach Fayr er Giftschlangen auch gegen Bisse anderer Arten relativ wenig empfindlich sein, und nur selten soll eine Cobra oder eine Daboia einen Bungarus coeruleus tödten und umgekehrt. Nur Bungarus fasciatus zeigt eine starke Empfänglichkeit gegen Cobra- Gift. In Bezug auf die nicht giftigen Schlangen ist im All- gemeinen die Ansicht verbreitet, dass sich dieselben den Giftschlangen gegenüber wie alle anderen Thiere verhalten, also durch sie getödtet werden. Neuere Untersuchungen auf diesem Gebiete haben aber das interessante Resultat geliefert, dass auch manche von den zu den giftlosen Schlangen ge- rechnete Arten gegen Viperngift immun sind. Schon Fon- tana hatte die Beobachtung gemacht, dass Ringelnattern ') Calmette, Compt. rend. de la soc. de biol. 9. ser. T. VI. 1894. p. 11. *) Lenz, Schlangenkunde. 1832. ') RuBBcll, Account of Indian serpents. 1796. p. 56. — 40 — . ohne Gefahr zahllose Bisse der Viper, sowie auch Ein- impfungen von deren Grifte vertragen. In letzter Zeit wurden nun diese Versuche von französischen Forschern^) wiederholt, und es zeigte sich dabei, dass eine Ringelnatter (Tropi- donotus natrix) von 50 cm Länge eine intraperitoneale In- jection von 5 mg trockenen Viperngiftes ertrug, eine Dosis, welche 15—20 Meerschweinchen zu tödten vermag. Ausser Tropidonotus natrix sollen auch T. viperin us, Elaphis Aesculapii, Coronella laevis und Rhinechis scalaris gegen Viperngift immun sein ^). Eine Erklärung dieser wunderbaren natürlichen Im- munität giftiger und nicht giftiger Schlangen gegen das Gift der ersteren hat man dadurch zu geben versucht, dass man auch bei letzteren die Existenz eines Giftapparates und eine nahe Beziehung des Giftes zu dem Blute annahm. Wie Claude Bernard für die Leber ein gewisses Verhältniss ihres Secretes zu der Zusammensetzung des Blutes nach- gewiesen hat, so ist es auch möglich, dass die wirksamen Stoffe des Schlangengiftes von den Giftdrüsen aus durch „in- terne Secretion" derselben in das Blut gelangen, mit diesem den ganzen Organismus iraprägniren und so eine Gewöhnung des letzteren an selbst grössere Giftdosen bedingen. Ver- schiedene Beobachtungen scheinen auch in der That darauf hinzuweisen, dass sich im Blute der Schlangen toxische Sub- stanzen befinden, welche denen des giftigen Drüsensecretes analog sind. So scheint das Blut der Brillenschlange in hohem Grade giftig zu sein; 2 ccm frischen Cobrablutes, in die Bauchhöhle eines Kaninchens von 1^2 kg eingespritzt, tödten dasselbe in sechs Stunden; spritzt man eine gleiche Dosis de- fibrinirten Cobrablutes einem Kaninchen in eine Vene, so tritt der Tod schon in drei Minuten ein. Bei subcutaner Blut- injection sind die auftretenden Vergiftungssymptome dieselben, ^) Phisalix et Bertrand, Arch. de plij^siol. 5. ser. T. VI. 2. 1894. p. 423. ^) Jourdain, Compt. rend. de FAcad. des sciences. T. CXVIII. 1894. p. 207. — 41 — wie bei lujectiou reinen Giftes. Für Frösche, Fische und eine kleine imgiftige Natternart zeigt sich das Cobrablut nicht giftig; diese Thiere sind übrigens auch gegen Cobragift selbst wenig empfindlich^). Aehnliche Erfahrungen wie mit dem Blute der Cobra hat man auch mit dem der Viper gemacht. Besonders erwähnenswerth sind Versuche mit dem Blute der Ringelnatter. Spritzt man V ccm Blutserum von Tro- pidonotus natrix oder T. viperinus Meerschweinchen ein, so erfolgt der Tod in weniger als sechs Stunden unter den gleichen Symptomen wie nach Viperngift. Dieselbe Wirkung würden etwa ^,io mg trockenen Viperngiftes haben. Im Blute der Natter scheint also eine wenigstens ebenso grosse Menge analoger toxischer Substanzen vorhanden zu sein, wie in dem der Viper. Es hat sich nun weiter herausgestellt, dass die Oberlippendrüsen der Ringelnatter ein sehr actives Gift absondern, dessen Eigenschaften ganz den im Blute derselben befindlichen toxischen Substanzen entsprechen. Wenn man z. B. einen Auszug aus diesen Drüsen einem Sperling unter die Haut bringt, so stirbt dieser unter unzweifelhaften Ver- giftungssymptomen 2), Alle anderen Organe der Natter, namentlich auch die unteren Speicheldrüsen, sind dagegen ungiftig. Aus diesen Versuchen kann man schliessen, dass, ähnlich wie bei den eigentlichen Giftschlangen die toxischen Substanzen aus den Giftdrüsen in das Blut gelangen, so auch bei den Nattern und anderen nicht zu den giftigen gezählten Schlangen Giftstoffe aus den Oberlippendrüsen durch „interne Secretion" derselben vom Blute aufgenommen werden und so auch diesen Schlangen Immunität gegen das Viperngift verleihen. Wie weit sich diese Immunität auch gegen Gifte anderer Schlangen erstreckt, scheint noch nicht untersucht worden zu sein. Die übrigen Reptilien, sowie auch die Amphibien, ') Calmette, C'ompt. rend. de la soc. de biol. 9. ser. T. VI. 1894. p. 11. *j Bl a n c h a r d , Coinpt. rend. de la soc. de biol. 9. ser. 1894. p. 35. — 42 — Fische und die wirbellosen Thiere hielt man früher nach den negativ ausgefallenen Versuchen Fontana's für völlig unempfindlich gegen Schlangengift. Indessen hat es sich doch gezeigt, dass das Gift der Kreuzotter wenigstens für Blind- schleichen, Eidechsen, Salamander und Frösche tödtlich ist. Trotzdem kann man allgemein sagen, dass Kaltblüter weniger durch Schlangengift afficirt werden, und dass der Tod in der Regel langsamer bei ihnen eintritt als bei Warm- blütern. Von letzteren sind Vögel am empfindlichsten. So starben Tauben oft schon wenige Minuten nach dem Biss. Je kleiner ein Thier ist, desto empfindlicher pflegt es in der Regel gegen Schlangengift zu sein. Was die Säugethiere betrifft, so ist es bekanntlich ein weit verbreiteter Glaube, dass dem Igel die Bisse der Kreuzotter nicht schaden, und auch Lenz behauptet, dass Igel und Iltisse durch Kreuzotter- bisse nicht afficirt würden. Indessen hat es sich jetzt doch herausgestellt, dass künstliche Inoculation des Giftes für Igel tödtlich ist, und auch Herr Professor Lewin sah zwei Igel, welche er, den einen in der Aethernarkose, durch Kreuzottern in die Schnauze beissen liess, nach einem kurzen Stadium der Erregung unter soporösen Erscheinungen in fünf resp. neun Tagen zu Grunde gehen. Der Igel ist also wohl sicher nicht immun gegen Schlangengift. Aehnliche Immunität schrieb man früher dem wilden Schweine, dem Mungo, dem Ichneumon und anderen Thieren zu; doch bei allen ist die vermeintliche natürliche Immunität wohl nur durch äussere Umstände bedingt, welche, wie beim Igel die Stacheln, beim Schweine die dicke Haut, ein Eindringen der Giftzähne in blutführende Theile erschweren. Ganz junge Säugethiere sind infolge der geringeren Entwickelung der Nervencentren weniger empfindlich. Auch wirbellose Thiere sind, so weit sie ein Nervensystem besitzen, nicht unempfänglich für Schlangengift. Die Gefahr, welche der Schlangenbiss dem Menschen bringt, wird im Allgemeinen sehr überschätzt. An dem Biss der europäischen Giftschlangen sterben nur sehr wenige Men- — 43 - sehen, und auch von den von der Klapperschlange Gebissenen sollen nach Mitchell ^s von selbst genesen. Gefährlicher ist jedoch der Biss südamerikanischer und ostindischer Schlangen, von denen manche Arten durch ihren Biss fast immer den Tod herbeiführen. Schon Celsus, Plinius und Galen wussten, dass Schlangengift nur dann schadet, wenn es, wie beim Bisse der Schlangen, in Wunden gelangt, dass es aber, wenn innerlich genommen, unschädlich ist. Verschiedene Untersucher haben dies später durch Thierversuche und Ver- suche an sich selbst bewiesen. Das Gift wird also von der unverletzten Schleimhaut des Magendarmcanals entweder gar nicht oder doch so lang- sam resorbirt, dass meistens keine Vergiftung erfolgt. Nach Mitchell-Reichert tritt eine Resorption .des Klapperschlangengiftes im Magen nur in den Zwischenpausen der Verdauung, aber nie während derselben ein, da es, wie schon erwähnt, durch Pepsin zerstört wird. Dagegen ist constatirt worden, dass Najagift selbst bei 48stündiger Ver- mischung mit Magensaft nicht nur nicht zerstört wird, son- dern dass sich bei Thierversuchen seine Wirkung dadurch sogar um das Doppelte des Normalen verstärkt zeigte ^), Für die Naja und für die ostindischen Schlangen überhaupt wurde die Wirksamkeit des Giftes sowohl vom Magen als von der Conjunctiva aus bestimmt nachgewiesen. Ein Arzt, dem etwas Najagift ins Auge gekommen war, bekam eine heftige Entzündung und Augenschwäche ^). Auch in älteren Krankengeschichten findet sich Augenentzündung und Blindheit als Folge des Hineingerathens von Schlangen- gift ins Auge. Wenn aber behauptet wird, dass es gefährlich sei, Schlangen- bisewunden auszusaugen, weil das Gift, auch wenn in den Mund gelangt, rasch resorbirt werde, so haben wahrschein- >) Gautier, Bull, de l'Acad. de med. 2. ser. X. p. 950. 1881. ^) Fayrer, Med. TimcH and Gazette. Vehv. 2. 1884. — 44 — Hell in den betreffenden Fällen kleine, nicht wahrnehmbare Verletzungen der Mund- oder Rachenschleimhaut vorgelegen. Auch Calmette sah keine Resorption vom Verdauungs- canal aus eintreten. Ein Forscher ^) hat sogar von Vipern gebissenen Tauben vriederholt die Wunden ohne Nachtheil ausgesogen, obgleich er blutendes Zahnfleisch hatte, und nach Hu se mann können selbst grössere Giftmengen ohne Nachtheil verschluckt werden. Dagegen ist eine Absorption des Giftes von der Trachea, den Bronchien und der Lunge aus möglich; denn zwei Tauben, denen man Gift durch die Glottis in die Bronchien einbrachte, starben , und ihre Lungen zeigten Blutextravasate. Ferner beobachtete man, dass ein Hund sogar starb, als ihm etwas Brillenschlangengift auf die Oberfläche des Gehörorganes ge- bracht worden war ^). Das Gift wird bei Fröschen auch von der unverletzten Haut, bei Warmblütern vom Peritoneum aus, jedoch langsam, resorbirt ^). Oertliche Symptome nach dem Schlangenbiss. Dieselben sind bei den verschiedensten Giftschlangenarten im Wesentlichen die gleichen. Zunächst folgt auf den Biss in der Regel sogleich ein heftiger stechender Schmerz an der Bissstelle, welcher all- mählich an Intensität zunimmt. Alsbald entsteht an dem be- treffenden Theile fast stets eine Anschwellung, welche sich häufig schon in sehr kurzer Zeit nicht nur über das ganze gebissene Glied, sondern auch, je nach der Stelle des Bisses, auf Schulter, Hals, Kopf, Zunge, oder auf den Unter- leib, in manchen Fällen sogar über den ganzen Körper aus- I ^) Viaud GrancT-Marais, Gaz. des Hopitaux, 26. 1870. ^) Bellanger, Journ. de Chimie med. III. 590. ^) Feoktistow 1. c. — 45 — breitet. In zwei Fällen barsten die Hautvenen des gebissenen nnd stark angeschwollenen Gliedes an mehreren Stellen^). Auch die Lymphdrüsen und Lymphgefässe pflegen mehr oder weniger stark geschwollen zu sein. Während die Bisswunde selbst sich bald bleigrau färbt, nimmt die Um- gebung derselben und oft das ganze Glied entweder eine blasse oder häufiger eine blaurothe Färbung an und ist dabei eigenthümlich glänzend und gespannt. Die Lymphgefässe machen sich oft als dunklere, zuweilen fast bleifarbene Streifen besonders bemerkbar. Die Bisswunde ist in der Regel so klein, dass eine Blutung aus derselben entweder ganz fehlt oder doch nur sehr unbedeutend ist ; in ihrer Umgebung ent- steht eine heftige Entzündung aller Weich theile, die sich rasch centralwärts , besonders längs der Lymphgefässe, ausbreitet und sich bis zur intensivsten, das ganze Glied ein- nehmenden eitrigen Phlegmone steigern kann. Oeffnungen und Fistelgänge bilden sich , und mitunter bedecken brand- artige Blasen nicht nur die Umgebung der Bissstelle, sondern auch das ganze Glied, das in manchen Fällen steinhart, völlig unbeweglich und bei der geringsten Berührung enorm schmerz- haft ist. Aus gemachten Einschnitten entleert sich dann weniger Blut als übelriechende , schleimartige , gelbliche Flüssigkeit. Einige Beobachter nahmen an der Bissstelle ein Knistern, herrührend von Gasansammlung im Unterhautgewebe, wahr. Zuweilen geht der Schmerzhaftigkeit eine Gefühllosigkeit um die Wunde herum voraus. In seltenen Fällen verfällt das eanze Glied dem Brande. Von diesen Symptomen sind natürlich in der Regel nur einzelne vorhanden ; Schmerz, Seh w eil ung und Verfär- bung pflegen jedoch nie zu fehlen. ') Rengger, Meckel'« Archiv f. Anatomie u. Physiologie. 1829. S. 271. 46 Resorptive Vergiftungssymptome. Neben lokalen Symptomen kommen nun noch eine Reihe von Allgemeinwirkungen zur Beobachtung. Die- selben erscheinen schon sehr früh, meistens bereits nach einigen Minuten. Dahin gehören eine eigenthümliche Beängstigung und Unruhe, Schwindel, Eingenommensein des Kopfes, Kopf- schmerzen, Uebelkeit, Erbrechen, zuweilen von grün gefärbtem Wasser oder von Blut, kaltes Schaudern, Fieber, heftiger Durst, Durchfall oder Verstopfung^), in schweren Fällen Schluchzen, unwillkürliches Stöhnen und Gelbsucht, Fast stets macht sich eine mehr oder weniger grosse Schwäche bemerkbar. Das Gesicht ist eingefallen, blass oder livide und ebenso wie der ganze Körper mit kaltem, klebrigem Schweisse bedeckt. An Stelle des letzteren tritt mitunter nach einiger Zeit ein warmer Schweiss, den man, jedoch mit Unrecht, als Krisis angesehen hat. Zuweilen ist dagegen auch die Haut völlig trocken. Die Augen sind starr und glänzend oder matt und trübe und in die Höhlen zurückgesunken, die Papillen dilatirt, seltener verengt und reactionslos , die Extremitäten fühlen sich kalt an, der Puls ist zuweilen so schwach, dass er kaum fühlbar ist, dabei meist beschleunigt und unregel- mässig. Die Athmung ist erschwert und ebenfalls beschleu- nigt. Die Zunge ist häufig mit gelben Massen belegt. Zu- weilen beobachtet man auch copiöse Harnentleerungen, während in der Regel die Harnmenge, entsprechend der Herabsetzung des Blutdruckes, eher vermindert zu sein scheint. Der Harn enthält in einigen Fällen Ei weiss. Von Störungen der Empfindung stellt sich, ab- gesehen von der Schmerzhaftigkeit resp. Gefühllosigkeit an der ßissstelle und in dem betroffenen Gliede, in manchen Fällen Reissen und Ziehen in allen Gliedern, sowie eine starke Empfindlichkeit am ganzen Körper ein, von der auch alle ^) Nach Weir Mitchell ist Verstopfung die Regel, während Durchfall nur eintritt, wenn sich die Vergiftung lange Zeit hinzieht. — 47 — Muskeln betroffen werden können, so dass dann jede Be- wegung schmerzhaft wird; in anderen Fällen dagegen kommt es zu einer vollständigen Anästhesie des ganzen Körpers, welche an dem gebissenen Gliede, auch wenn der Fall in Genesung endet, noch dauernd zurückbleiben kann. In einem Falle sah man heftige Schmerzen in der Stirn und in den Augenhöhlen eintreten. Wichtiger sind die nach Schlangenbiss auftretenden Be- wegungsstörungen. Sie bestehen anfangs theils in leichtem Zittern am ganzen Körper, theils in Convulsionen der Extre- mitäten, und zwar besonders der Beugemuskeln derselben. Der Gang eines Gebissenen wird infolge dessen mitunter stark schwankend. Nach Weir Mitchell sollen Krämpfe ein seltenes Symptom des Schlangenbisses sein. Später kommt es zu einer Lähmung der Extremitäten, so dass diese oft völlig unbeweglich werden. Die Krämpfe können sich auch auf andere Muskeln aus- dehnen. So sollen Convulsionen des Kehlkopfes und Schlundes ein constantes Symptom beim Biss der Brillenschlange bilden^). Auf Krämpfen der betreffenden Muskeln beruhen auch folgende Symptome: Verzerrungen des Gesichtes, Trismus, Opisthotonus, Schluckbeschwerden, unverständliche Sprache, Aphasie, Zu- sammenschnüren der Kehle, Schluchzen, asthmatische Be- schwerden, Tenesmus, Strangurie. Infolge der nachfolgenden Lähmung treten an Stelle dieser Symptome zum Theil die ent- gegengesetzten, also Lähmung des Unterkiefers, der Zunge, des Gaumens, Kehlko'pfes, der Darm- und Blasenschliessmuskeln. Nach Bissen der ostindischen Brillenschlange soll Ptosis ein häufiges Symptom sein. Auch Accommodationslähmung ist beobachtet worden. Während in der ersten Zeit nach dem Biss in der Kegel ein eigenthümlich unruhiges Wesen, Schlaflosigkeit und zuweilen sogar die heftigsten Delirien zur Beobachtung kommen , so tritt dagegen später häufiger Schlafsucht und völlige Apathie bei dem Gebissenen ein. Von ') Aüiatic Researches. Vol. II. 179!j. - 48 — Störungen der Sinnesorgane ist noch Blindheit zu erwähnen, die schon von den Autoren des Alterthums als Symptom des Schlangenbisses angeführt wird und unter Um- ständen dauernd bestehen bleiben kann, sowie vorübergehende Taubheit. Die Reflexe gehen meist verloren. Von vasomotorischen Störungen treten als ein sehr wichtiges und sehr häufiges Symptom Blutungen aus Nase, Ohren, Augen, Mund, Magen, Darm und Blase auf. Auch in der Haut und in fast allen inneren Organen kommen in manchen Fällen Hämorrhagieen vor. Hämaturie lässt sich übrigens auch auf experimentellem Wege durch Schlangen- gift bei Hunden hervorrufen. Als selteneres Symptom ist endlich noch Speichel fluss zu erwähnen. Während die Temperatur anfangs erhöht ist, pflegt sie später zu sinken. Zuweilen bemerkt man ein langes Bestehenbleiben von Hautröthung nach Streichen mit dem Fingernagel; dies sowie die anhaltende Pupillenerweiterung, die andauernd erhöhte Pulsfrequenz, das Auftreten von Albuminurie weisen auf eine vasodilatatorische Wirkung des Giftes hin ^). Der Symptomencomplex eines von der Surucucü Ge- bissenen soll dem des intensivsten Scorbuts entsprechen, während dem Bisse der Jararacä die Erscheinungen eines Typhus im vorgerückteren Stadium folgen sollen. Der Biss von Bothrops atrox erzeugt vorwiegend örtliche Lä- sionen. Das Eindringen von viel Gift in eine Vene ist wohl in der Regel als tödtlich zu betrachten, oder führt doch wenig- stens die schwersten Zufälle herbei. So wurde eine kräftige Frau von einer Kreuzotter in einen Varixknoten gebissen; es trat sofort nach dem Biss Ohnmacht und Bewusstlosigkeit ein, der Körper wurde eiskalt und livide, es erfolgte Er- brechen und Abgang blutiger Massen aus dem Mastdarme,. ^) Schilling, Deutsche Medicinal-Zeitung. 1888. S. 867. — 49 — und (3 Stunden nach dem Bisse kam es zum Abort eines fünf- monatlichen Fötus ^). In einem anderen Falle erkrankte ein Kind, nachdem es an die Brust der gebissenen und krank gewordenen Mutter gelegt war : die letztere starb , während das Kind gerettet wurde"-'). Es scheint hiernach, dass das Schlangengift auch im Stande ist in das Brustdrüsensecret überzugehen. Nachwirkungen des Schlangengiftes. Eigenthümliche chronische Wirkungen des Schlangen- bisses beobachtete man in Australien. So wurde ein Gebissener melancholisch und beging schliesslich Selbstmord, und eine gebissene Frau wurde Säuferin und gebar ein idiotisches Kind. In einem Falle sah man Blödsinn mit partieller Lähmung der unteren Extremitäten und der Harnblase zurückbleiben. Von sonstigen Nachkrankheiten kommen zuweilen grosse, dauernde Schwäche, kachektischer Zustand, krätzeartige Aus- schläge, Neigung zu ödematösen Geschwülsten, Drüsen- schwellungeu am gebissenen Theile, allgemeine Wassersucht, Nasenbluten vor; in manchen Fällen entwickelt sich eine aus- gesprochene hämorrhagische Diathese. Häufig beobachtet man ein eigenthümliches periodisches Auftreten ge- wisser Affectionen , so von neuralgischen Schmerzen an der Bissstelle, von einer fieberhaften Lymphangitis, die von der Narbe ihren Ausgang nimmt, von Exanthemen, Schmerzen in den Fingern und krampfartiger Flexion derselben. Besonders oft sieht man ein periodisches Wiederaufbrechen der alten Bissstelle, verbunden mit langdauernden Eiterungen. Die V'ernarbung dauert überhaupt, besonders bei Bissen tropischer Giftschlangen, oft sehr lange und kann sich sogar über mehrere Jahre hinziehen ; die Narbe bleibt aber auch dann meist sehr dünnhäutig, etwas aufgeschwollen und blau gefärbt, entzündet sich bei der geringsten Veranlassung und bricht dann wieder 'j K isner, Therapeutische Monatshefte. 1892. Nr. ü. *) Lowther, Madras Quart. Journ. of med. sc. Vol. V. p. 742. H renn inj,'. Die Verjfiftung'ii duroh HohlanKC". 4 — 50 — auf. Zuweilen werden an der Wunde schliesslich die Knochen vom Perioste entblösst, werden nekrotisch und fallen heraus. Bei Hunden wurden nach Schlangenbissen periodische An- schwellungen der Bissstelle wahrgenommen. An diesen Folgezuständen kann, wenn der Gebissene nicht gleich nach dem Bisse zu Grunde geht, sogar noch nach Jahren der Tod erfolgen. Das Schlangengift scheint theils durch die Haut und Nieren theils auf der Magenschleimhaut ausgeschieden und dadurch wenigstens theilweise unschädlich gemacht zu wer- den^). Bei seinem Durchgang durch die Leber soll es ebenso wie Nicotin, Hyoscyarain und Curarin durch dieselbe zerstört werden ^). 1) Alt, Müncb. med. Wochenschr. XXXIX. 41. 1892. 2) Lautenbach, Philad. med. Times. VII. p. 387. May 26. 1877. — Duj ardin-Be aumetz. Bull, de l'xlcad. de med. 2. ser. X. p. 954. 1881. VI. Ursachen und Mechanismus der Giftwirkungen und des Todes. Wenn wir von einer alten Angabe absehen, wonach dem Schlangengifte selbst gar keine Bedeutung zukommt, sondern nur der starke Reiz , den die Schlange beim Biss auf Haut und Nerven äussere, als Todesursache aufgefasst wird^), so waren die meisten Autoren bis in die neueste Zeit hinein der Ansicht, der Tod erfolge durch „Blutzersetzung" oder „Blut- vergiftung". Wenn auch bereits Mer curialis ^) erwähnt, dass das Herz zuerst, dann Leber und Gehirn afficirt zu werden scheinen, und zu Anfang dieses Jahrhunderts die An- sicht ausgesprochen wurde, dass das Gift nicht durch Ein- wirkung auf das Blut, sondern auf das Nervensystem, und zwar besonders auf das Rückenmark, den Tod herbeiführe ^), so ist doch erst in neuester Zeit nachgewiesen worden , dass in acuten Fällen eine Blutzersetzung überhaupt nicht vor- handen ist, und dass auch in chronischen Fällen nicht diese das Wesentliche ist, sondern dass der Haupteffect des Giftes darin besteht, die vitale Kraft des Herzens und des Athraungscentrums herabzusetzen. Später «teilte man auf experimentellem Wege fest, dass das Schlangen- gift ein sich über die ganze motorische Sphäre des Central- nervensystems verbreitendes Gift ist. Alle Vergiftungs- ') FricciuH, Pardoxa medica. VII. *) Me reu ri al i B , De vencnis. 15^4. *) Ke n gge r I. c. — 52 — erscheinungen lassen sich demnach auf Parese und Paralyse motorischer Nervenzellen zurückführen. Die scheinbare Ver- schiedenheit der Wirkungen des Giftes einzelner Schlangen- arten beruht wahrscheinlich darauf, dass diese Wirkungen sich mit verschiedener Intensität auf einzelne Gruppen jener Zellen concentriren. Am meisten scheinen die Medulla oblon- gata, der Plexus cardiacus und die Splanchnici zu leiden ; daher ist fast stets Athmungs- oder Herzlähmung die Todesursache. Aus der Splanchnicuslähmung lassen sich manche abdominalen Symptome (Erbrechen, Icterus etc.) er- klären. Die Lähmung der Extremitäten hat ihren Grund in einer aufsteigenden Rückenmarksparalyse, der eine Reizung, entsprechend den anfänglichen Oonvulsionen, vorausgehen kann. An die Rückenmarkslähmung schliesst sich eine solche der Medulla oblongata und des Gehirns. Auf die motorischen Nervenendigungen wirkt das Gift nicht ein , eben so wenig auf den Muskel als solchen, obschon man an den quer- gestreiften Muskelfasern in der Nähe der Injectionsstelle des Giftes stellenweise einen granulösen Zerfall der Bowman-^ sehen Scheiben beobachtete. Die Muskeln bleiben aber stets direct elektrisch reizbar, und es tritt keine Veränderung der Muskelcurve ein , ausser wenn die Muskeln direct mit Gift behandelt werden. Die Herzenden des N. vagus werden sehr früh gelähmt, ebenso die intracardialen Hemmungsganglien. Das Vaguscentrum wird im Anfang gereizt. Das Respira- tionscentrum wird ebenfalls anfangs gereizt , dann aber ge- lähmt. Die motorischen Ganglien und die Muskulatur des Darmes werden nicht tangirt. Der Blutdruck wird stark herabgesetzt, und zwar unter Lähmung der peripheren En- digungen der Nervi splanchnici. Vom Sinken des Blutdrucks hängt der bei schwangeren Thieren oft eintretende Abort, sowie die Verminderung der Harnabsonderung ab. Wahr- scheinlich ist das Sinken des Blutdrucks die Folge einer de- pressorischen Wirkung des Giftes auf die vasomotorischen Centra der Medulla oblongata, das spätere Wiederansteigen desselben die Folge einer peripheren Reizung der Capillaren, — 53 — und der schliessliche dauernde Abfall die Folge der abnehmen- den Kraft der Herzschläge. Auch über den Einfluss des Giftes auf die Herzthätig- keit liegen genauere Beobachtungen vor. Nach Injection der genuinen Gifte wird die Pulsfrequenz meist etwas beschleunigt, noch mehr nach Durchschneidung der Nn. vagi. Waren diese und das Rückenmark durchschnitten, so tritt meist gar keine Pulsbeschlennigung ein, woraus man schliessen kann, dass auch die Accelerationscentra des Rückenmarkes durch das Gift erregt werden. Der anfängliehen Vermehrung der Puls- zahl folgt eine Verminderung. Waren die Vagi vor der Injection durchschnitten, so bewirken die Globuline des Schlaugengiftes im Gegensatze zu dem genuinen Gifte keine Pulsbeschleunigung. Waren die Vagi und das Rückenmark durchtrennt, so stellt sich nach der Globulininjection eine directe Abnahme der Herzschläge ein durch die schädliche Wirkung der Globuline auf das Herz. Die Resultate mit den isolirten Giftpeptpnen stimmen ganz mit denjenigen nach Injection des genuinen Giftes überein; auch diese Peptone schädigen das Herz direct. Die injicirten Gifte rufen ferner mit Ausnahme des sogenannten „Kupfer- Gift-Globulins" eine deutliche Steigerung der Respirations- frequenz hervor, und zwar am stärksten das Pepton. Nach Durchschneidung beider Vagi bleibt dieselbe aus, und es stellt .sich vielmehr eine Verminderung der Athemthätigkeit ein. Die Beschleunigung bei intactem Vagus ist zu erklären durch eine Erregung der peripheren Vagusendigungen durch das Gift, das aber auf das Athmungscentrum depressorisch wirkt. Es bleibt nun noch eine Erscheinung zu besprechen, ;Hmlich die nach Schlangenbiss so häufig auftretenden Blu- tungen. Man führte dieselben früher fälschlich allein auf die abnorm veränderte Beschaffenheit des inficirten Blutes zurück. Nach Beobachtungen am mit Gift bepinselten Froschmesen- terium kommen dieselben jedoch dadurch zii Stande, dass das Gift einen Erweichnngsprocess an den Gefässwandungen her- vorruft, wodurch plötzlich Unmengen rother Blutkörperchen — 54 — nebst reichlichem Serum per diapedesin aus den Gefässen auswandern. Von einer Ruptur der letzteren ist nichts zu bemerken ; ihr Endothel wird trübe und sieht rauh aus. Vor der Diapedese sah man eine auf örtliche Lähmung der vaso- motorischen Nervenendigungen und vielleicht auch der Ge- fässganglien zu beziehende enorme Ausdehnung der Gefasse an der mit Gift bepinselten Stelle eintreten. Eine Stase braucht in den Gefässen dabei nicht vorauszugehen. Weisse Blut- körperchen wandern nur sehr vereinzelt aus. Diese Capillar- dilatation und die mit ihnen verbundenen Blutungen sind am stärksten am Herzen, im Verdauungstractus und in den Nieren. Vielleicht ist sogar die durch die Apoplexie des gastrointesti- nalen Apparates und der Nieren hervorgerufene Anämie der übrigen Organe an der Todesursache betheiligt. Sie tritt allerdings zurück hinter der Lähmung der Herz- und Ath- mungsthätigkeit. Beim Vipernbiss soll die letztere stets vor der ersteren erlöschen. Die schwache Reizbarkeit des Dia- phragmas und der diaphragmatischen Nerven nach dem Tode scheint eine lähmende Wirkung des Giftes auf diesen Muskel anzudeuten. Das bisher Gesagte gilt von der weitaus grössten Zahl der bekannten Schlangengifte, namentlich von denen der euro- päischen und amerikanischen Schlangen. Ein etwas abweichen- des Verhalten scheinen indessen die ostindische Brillen- schlange und die australischen Schlangen zu zeigen. Das Gift der ersteren soll nämlich in kleinen Dosen aus- schliesslich eine Lähmung der intramuskulären Nervenendi- gungen, besonders frühzeitig auch derjenigen des Zwerchfells, erzeugen, die sich von derCurarelähraung durch die bei grösseren Giftdosen eintretende schwere Schädigung der Muskelsubstanz unterscheidet ^). Das Rückenmark und die vasomotorische Sphäre zeigen bei Vergiftung durch Cobra-Gift ein verschie- denes Verhalten. Während nämlich bei einigen Versuchen beide, ebenso wie auch die sensible Sphäre, gar nicht vom ') Ragotzi, Virehow's Archiv. 122. 2. S. 201. 1890. Gifte beeiüfliisst wurden, so konnte man bei anderen eine deutliche Herabsetzung- der Erregbarkeit des Rückenmarkes, sowie eine auffallende Blutdrucksenkung in Folge einer Lähmung des peripherischen vasomotorischen Apparates wahrnehmen^). Bei rascher intravenöser Injection grösserer Giftmengen werden nicht die hemmenden Vagusendigungen, sondern nur der Herz- muskel afficirt. Die Blutkörperchen werden biconvex, und ihre Schädigung giebt sich durch Uebertritt von Oxyhämo- globin in die Galle zu erkennen. Auch Hessen sich besonders in den Lungen Thrombosirungen durch multiple intravitale Blutfjerinnunffen nachweisen. Dass diese Veränderungen des Blutes jedoch nicht das Wesentliche sind, und dass das Blut mit den Vergiftungs- erscheinungen nichts zu thun hat, wurde dadurch zur Evidenz bewiesen , dass bei Fröschen , bei denen das Blut durch 0,7%ige Kochsalzlösung ersetzt worden war, dennoch genau die gewöhnlichen Vergiftungssyraptome auftraten. Das Cobra-Gift schädigt vielmehr direct das Nervensystem, und es ist jetzt mit Sicherheit festgestellt, dass die eigentliche Todes- ursache hierbei eine nach einem kurzdauernden Erregungs- stadium eintretende Lähmung der Athmungscentren ist. Die acuten Symptome nach dem Biss der australischen Schlangen sollen wesentlich verschieden sein von dem nach dem Cobrabiss auftretenden -). Letzterer veranlasst Schmerz an der Bissstelle, sowie Schwellung und Blutextravasate um dieselbe herum. Der Biss der Tigerschlange dagegen ver- ursacht keine locale Schwellung und nur sehr geringen Schmerz, aber in wenigen (höchstens 80) Minuten verliert der Gebissene die Spontanbeweglichkeit in Folge Lähmung der motorischen Centra, und sehr bald darauf folgen Sopor und tödtliches <^'oma. Manchmal kehrt das Bewusstsein wieder, aber der lod erfolgt doch noch an Herzschwäche. Der Biss der ') Vollmer, Archiv f. experim.Path.u.Pharm. XXXI. 1. S. 1.1892. ') A. .Müller, AuHtral. med. Jouin. May 15. 1888, und Auatral. med. (jaz. VIIF. 2. 8. 5. Nov. IT,, Dec. 15. 1888. Febr. 15. 1889. — 56 — Schwarzen Schlange bringt selten Coraa, lähmt aber m hohem Grade die motorischen und vasomotorischen Centra und den ganzen Sympathicus. Die Gehfähigkeit ist fast stets verloren, die Arme aber bleiben relativ frei, der Tod erfolgt meist an Herzschwäche. Beim Biss der Braunen Schlange liegen die Symptome zwischen denen der beiden vorigen Schlangen ; es entstehen hier complete Muskelparalyse, tiefes Coma und Herzschwäche, die bald zum Tode führt. Bei den australischen Giftschlangen scheint also im Gegen- satz zum Cobrabiss stets Lähmung der Herzthätigkeit die Todesursache zu sein. Auch die australischen Schlangengifte, wenigstens das der Schwarzen Schlange (Pseudechis porphyricus) , scheinen keinen directen Einfluss auf die rothen Blutkörperchen des Menschen zu haben ; dieselben zeigten sich bei Behandlung des Blutes mit dem Gift ganz unverändert, und die weissen verloren nur ihre amöboide Bewegung ^). Die Zeit, welche bis zum Eintritt des Todes ver- geht, ist in den einzelnen Fällen sehr verschieden. Nach Fayrer sterben in weniger als 2 Stunden 22,96*^10, zwischen 2 — 6 Stunden nach dem Biss 24,53 ^'/o, zwischen 6 — 12 Stun- den 23,05^/0, zwischen 12 — 24 Stunden 9,36 ''/o und nach mehr als 24 Stunden 21,10 ''/o. Ein sehr rascher Tod scheint besonders dem Bisse der Brillenschlange zu folgen. Man hat hier Fälle beobachtet, wo die Gebissenen fast augenblicklich nach dem Bisse, wie vom Blitze getroffen, bewusstlos nieder- stürzten und schon nach wenigen Minuten todt waren. In der Regel erfolgt der Tod jedoch erst nach mehreren Stunden oder Tagen, in manchen chronisch verlaufenden Fällen sogar erst nach Monaten und Jahren , und zwar hier mehr durch allgemeine Erschöpfung in Folge fortwährenden Aufbrechens und Eiterung der Wunde, durch Blutverluste, Lungenödem, oder durch allgemeine Wassersucht. ') C. J. Martin, Journ. of Physiol. XV. 1893. p. 380. VII. Pathologisch-Anatomisches über die Vergiftung durch Schlangenbiss. Die Leiche eines an Schlangenbiss Gestorbenen pflegt, im Gegensatz zu der gewöhnlichen Ansicht, nicht schneller in Fäulniss überzugehen als andere Leichen: dagegen soll eine schnelle und intensive Todtenstarre eintreten. Die Sec- tion ergiebt in der Regel hauptsächlich zahlreiche Blut- extravasate in fast allen Organen, besonders in denen des Verdanungscanals. Der Panniculus adiposus und das Unter- hautgewebe sind in der Umgebung der Bissstelle häufig bis zwischen die Muskelfasern hinein in eine schleimartige, höchst widerlich riechende Masse umgewandelt. Das Blut ist ge- wöhnlich dunkelroth und flüssig. Wie schon erwähnt, zeigt dasselbe in acuten und primären Fällen von Vergiftung durch Schlangenbiss fast gar keine Veränderung; namentlich sind die rothen Blutkörperchen dabei durchaus normal. Einige üntersucher fanden neben den normalen biconcaven scheiben- förmigen auch kugelförmige oder biconvexe rothe Blutkörper- chen. Bei mehr subacutem Verlaufe nehmen dieselben häufig eine zackige Gestalt an und verlieren ihre Fähigkeit, Geld- rollen zu bilden ; auch sollen sie in manchen Fällen kleiner und blasser werden. Wenn man ausserhalb des Körpers viel Schlangengift zum Blute hinzusetzt, so werden die rothen und weissen Blutkörperchen aufgelöst, das Blut nimmt eine Picro- carminfarbe an und giebt in massig dicken Schichten gar kein Absorptionsspectrum. Bei g«^wöhnlichen Vergiftungsfällen ist jedoch der normale llämoglobinstreifen erhalten. Nur ein- — 58 — mal wurde bisher nach Schlangenbiss der Blutfarbstoff ver- ändert gefunden. Auch ein Mangel der Bizzozzero'schen Blutplättchen wurde wahrgenommen. Was die dunkle Farbe des Blutes betrifft, so glaubte man früher, dass dieselbe vom Gifte selbst herrühre, indessen scheint die dem Tode voran- gehende Apnoe die Ursache davon zu sein. Fast alle Forscher stimmen darin überein, dass die Gerinnungsfähigkeit des Blutes durch Schlangengift herabgesetzt oder ganz aufgehoben wird. Nach Fayrer bewirken jedoch die Gifte von Naja und Bun- garus Gerinnung, die von Echis und Daboia dagegen Verflüssi- gung des Blutes. In einer Versuchsreihe^) war die Gerin- nungstendenz des Blates meistens schon eine Minute nach der Injection des Giftes unter der Norm; in einzelnen Fällen jedoch kam eine anfängliche, vorübergehende Erhöhung der Ge- rinnungstendenz zum Vorschein, gefolgt von einer sehr bald darauf eintretenden Herabsetzung derselben. Da letztere nie- mals fehlte , so ist wohl anzunehmen , dass in allen Fällen beide Phasen der Blutveränderung vorhanden waren. In allen Versuchen fanden sich schliesslich die Leucocyten beträchtlich vermindert. Die vorübergehende Erhöhung der Gerinnungs- fähigkeit war, wie alle Versuche ergaben, die nothwendige Folge jeder plötzlichen Steigerung des Leucocytenumsatzes im circulirenden Blute. Herabgesetzt wird sodann die Gerin- nungstendenz dadurch, dass das Gift das Protoplasma der farblosen Blutkörperchen so angegriffen und verändert hat, dass die betreffenden Bestandtheile desselben ihre Spaltbarkeit einbüssten. Eine eigenthümliche und wohl falsch gedeutete Beob- achtung über die Veränderung des Blutes durch Cobra-Gift wurde von einem englischen Arzte gemacht^). Danach soll nämlich, wenn ein Mensch von der Cobra gebissen ist, orga- nische, keimfähige Materie in das Blut desselben gelangen ') Heidenschild, Untersuchungen über die Wirkung des Giftes der Brillen- und der Klapperschlange. Inaug.-Diss. Dorpat 1886. ^) Halford, Brit. med. Journ. July 20. 1867. p. 43. — :)ii — und sich zu Zellen weiter entwickeln, welche auf Kosten des bei der Inspiration aufgenommenen Sauerstoffes in kürzester Zeit auf viele Millionen anwachsen und das Blut functions- unfähicr machen. Sie haben im Durchschnitt einen Durchmesser von \i7on'' und enthalten einen ^/2soo'' grossen Nucleus; letz- terer schliesst wieder noch kleinere Moleküle der erwähnten keimförmigen Materie in sich. Ein bei Zusatz von Magentaroth an einer Stelle der Peri- pherie dieser Zellen auftretender rother Fleck unterscheidet sie von Lymph- und Eiterkörperchen. Ihre Vermehrung scheint durch Kerntheilung stattzufinden; sie sind noch mehrere Tage nach dem Tode der Thiere im Blute zu finden und sollen dasselbe vor cadaveröser Fäulniss schützen. Sie wur- den für belebte kleinste Organismen gehalten. Diese Zellen sollen sich schon zwei Stunden nach dem Biss aus einer im Blute entstandenen granulirten, nebelartigen Masse entwickelt haben, welche letztere wieder sich in wenigen Minuten über die ganze Blutmasse des gebissenen Thieres verbreitet. Das Blut von vier jungen, aus dem Uterus einer gebissenen träch- tigen Katze entfernten Kätzchen enthielt dieselbe oben be- schriebene keimfähige Materie wie das der Katze; also müs- sen die kleinsten Partikel der genannten Materie auch die fein.sten Poren thierischer Membranen durchdringen köimen. Diese Körper waren wahrscheinlich nichts weiter als um- gewandelte Leucocyten. Bei nach mehrfach wiederholten Vergiftungen zu Grunde gegangenen Hunden fand man eine Degeneration der Hinter- stränge des Kückenmarkes, in denen an einzelnen Stellen die Axencylinder fast völlig geschwunden waren. Wie man sieht, sind also die pathologisch-anatomischen Veränderungen, welche nach Schlangenbissen eintreten , nur sehr unbedeutend und lassen keinen Schluss auf den Angriffs- punkt des Giftes zu. VIII. Therapie des Schlangenbisses. \. Die Schlangenbeschwörer. Es dürfte wohl kaum eine Krankheit geben, gegen welche so viele, theils erprobte, theils aus mystischen und aber- gläubischen Vorstellungen hervorgegangene Mittel empfohlen worden sind , wie bei der Vergiftung durch Schlangen- biss. Ich kann davon absehen, alle jene Einsalbungen des Körpers, Räucherungen, Ausstreuen von stark riechenden Substanzen, besonders von Pflanzen, wodurch man glaubte die Schlangen von sich fernhalten und so einem Bisse über- haupt aus dem Wege gehen zu können, zu erwähnen. Was aber der Besprechung werth ist , das sind die sogenannten Schlangenbeschwörer. Schon im Alterthume gab es. besondere Menschenklassen, die sich speziell mit der Abrieh- tung von Giftschlangen und mit der Heilung von Bissen der- selben beschäftigten. So werden verschiedentlich die am Hellespont wohnenden Ophiogenen erwähnt, deren Ahnherr, wie Strabo (XIII, p. 588) erzählt _, ein aus einer Schlange verwandelter Held gewesen sein soll. Sie heilten den Schlangen- biss durch Anrühren und trieben, wie man glaubte, das Gift durch Auflegen der Hände aus dem Körper. Den Ophiogenen entsprachen in Italien die Marsier, die vom Sohne der Circe herstammen sollten, und die nach ihrem Könige Psillo benannten Psillier oder Psyllen in Afrika. Plutarch erzählt, dass Cato in seinem Heere in Afrika viele Psyllen hatte, um die etwa vorkommenden Schlangenbisswunden durch dieselben aussaugen zu lassen. - 61 - Nach Nikander genügt in leichten Fällen schon Bestrei- chen der Wunde mit dem Speichel derselben, in schweren soll der Psyllier sich den Mund mit Wasser spülen und dasselbe dann dem Gebissenen zu trinken geben; nimmt aber das Gift über- hand, so solle er nackt bei dem Verwundeten liegen. Aelian meinte, dass giftige Thiere einem Psyllen nicht schaden, son- I dem ., erschlafft" und entkräftet würden, bis derselbe vorüber gegangen sei. Nach D a m o k r a t e s können die Psyllen aber doch gebissen werden , und gebrauchen dann zur Heilung [ Alexipharmaka. Auch Aelian selbst erzählt einen Fall, wo ein Gaukler in Rom , der sich absichtlich hatte beissen lassen und dar. Gift ausgesogen hatte, starb, weil das zum Nachtrinken bestimmte Wasser in böser Absicht umgestossen war. Geis US schreibt den Psyllen keine besondere Wissen- schaft, sondern nur gewohnte Kühnheit zu, und meint, dass andere Leute eben so gut die Wunden aussaugen können, I ebenso Galen. Dieser erklärte die angebliche Immunität der Gaukler dadurch, dass sie die Schlangen zu stetigem Beissen zwängen und dadurch das Gift abschwächten, oder dass sie ihnen einen Teig vorwürfen, der die OeflPnungen der Gift- I zahne verstopfe. Nach Gessner werfen die Gaukler den Schlangen hartes Fleisch vor, in das sie durch Hineinbeissen das Gift ent- leeren. I Bei den Mohamedanern werden bei Schlangenbissen die I Sayetten, meist Nachkommen Mahomets, zu Hülfe herbei- f gerufen. Diese machen unter Hersagen einiger Koranverse an der Bissstelle einen leichten Einschnitt, saugen die Wunde kräftig aus, legen gekauten Knoblauch darauf und benetzen unter beständigem Segen.sprechen Lippen und Zunge des Ge- bissenen mit ihrem Speichel '). L Nach Amerika wurde die Kunst des Schlangenbeschwö- P rens von den Negern aus Afrika gebracht. Nach den von ') Gmelin, Allgemeiiio GeHchichte der thieriöchen uml inimnali- v.hen Gift«;. 2. Aufl. Erfurt 1811. S. 29. — 62 — Sack^) in Surinam gemachten, aber mehr als skeptisch ge- deuteten Beobachtungen soll die Kunst der Schlangenzauberer darin bestehen, dass sie mit der grössten Schnelligkeit die Schlange an einem Theile, wahrscheinlich den Nieren, er- greifen und festhalten, an dem sie sehr empfindlich sind, und sie dadurch in Furcht setzen und unschädlich machen. Der Beschwörer entfernte während der ganzen Dauer seiner Production die Hand nicht von der Stelle, wo er die Schlange zuerst erfasst hatte. Gegen das Versprechen, nie aus einer geborstenen Kalabasse zu trinken, erbot sich der Mann, auch Sack gegen das Schlangengift zu schützen. Nach gegebenem Versprechen machte jener an beiden Armen und Beinen dieses Reisenden einen leichten Einschnitt und rieb ihm ein schwarzes Pulver ein, das aus der Asche von drei Pflanzenarten be- stehen sollte. Hierin bestand das Verfahren, das ohne be- stimmte Beweise nicht als Gaukelei aufzufassen ist, sondern vielleicht eine wirkliche Impfung darstellt. R. Schomburgk^) erwähnt, dass die Neger Klapper- schlangen, ohne ihnen die Fänge auszureissen, so abzurichten verstehen, dass sie sich ihnen ruhig um die Arme schlingen, ohne sie zu beissen. Zur grössten Sicherheit scheinen es aber die indischen Schlangenbeschwörer gebracht zu haben. Nach Forbes^) haben dieselben ein festes Vertrauen zu dem Nutzen ihrer Gegengifte und räumen nur ein, dass diese, wenn nicht zeitig genug angewandt, wirkungslos bleiben können, oder dass viel- leicht ein in dem Verwundeten vorhandener Krankheitsstoff die Wirkung beeinträchtigt. Forbes sah zwei Wurzeln, mit denen der gebissene Theil über der Bisöwunde schnell, aber gelinde bestrichen wird, um zu verhüten, dass das Gift höher steige. Die Pflanzen scheinen von den indischen ^) V. Sack, Beschreibung" einer Reise nach Surinam. 1821. Bd. IL S. 125 ff. -) R. Schomburgk , Reisen in Britisch-Guyana. 1847/48. II. p. 129 ff. ^) Forbes, British-Burma. London 1878. — 63 — Schlangenbeschwörern ans Birma mitgebracht zu sein. Die Beschwörer in Britisch-Birma verlassen sich ganz auf die Wirkung eines Arzneimittels, das sie an Rumpf und Gliedern einimpfen. Wenn sie gebissen sind, so tätowiren sie den ganzen Körper mit der Medicin. Der Schüler eines Be- schwörers wurde gebissen und fiel nieder; der Lehrer brachte mit einer Nadel eine gewisse Quantität des Heilmittels in verschiedene Körpertheile. Der Verwundete wurde ganz schwarz und etwa eine Stunde lang stöhnte und zitterte er, dann erholte er sich nach und nach , obgleich er schon auf- gegeben war. Die Beschwörer behaupten zweierlei Medicaraente zu haben, eine, welche die Schlange anzieht, und eine, die sie abschreckt; mit der ersten tätowiren sie auf einer Hand und einem Schenkel die Gestalt einer Schlange, mit der zweiten auf der anderen Hand und dem anderen Schenkel die Gestalt eines Adlers. Ob jene Angabe der Beschwörer wahr ist, konnte Forbes nicht entscheiden , doch sah er öfter, dass die Schlange ge- horsam den Bewegungen der mit ihrem Abbilde verzierten Hand folgte, dagegen sofort zurückfuhr, wenn ihr die Hand mit dem Adler entgegengehalten wurde, und bewegungslos liegen 'Heb. bis die Hand weggenommen wurde. Forbes bestätigt ebenfalls, dass die Beschwörer den ""chlangeu nicht vorher die Giftzähne ausgerissen haben, und i.ss sie eben so wenig denselben vorher ein wollenes Tuch )'\er irgend einen anderen Gegenstand vorwerfen, damit sie durch Hineinbeissen ihr Gift entleeren und bei den Produc- onen ihren Meistern selbst durch etwaige Bisse keinen .^chaden mehr bringen können. Dass vielmehr die Schlangen im Vollbesitze ihres Giftes sind, geht daraus hervor, dass I orbes innerhalb zehn Jahren drei Zuschauer l)ei den Pro- ictioneu und zwei Beschwörer selbst an erlittenen Bissen 'erben sah. Es scheint nicht unmöglich, dass eine Kaste, welche ihrliunderte hindurch ihr ganzes Interesse einem solchen i'egenstande widmete, schliesslich ein geheimes Mittel ent- — 64 — decken konnte, das auf Schlangen eine Wirkung in dem an- gegebenen Sinne ausübt. Es ist auch nicht unmöglich , ja , für uns sogar wahr- scheinlich, dass manche Schlangenbeschwörer die Impfung mit Schlangengift an sich vollziehen und dadurch immun werden. Es ist keinesfalls für den grösseren Theil dieser Indi- viduen zutreffend, wenn man ihre Kunst darauf zurückführt, dass sie die Giftschlangen vorher so oft in Thiere oder Gegen- stände beissen lassen, dass sich der Giftvorrath erschöpft. Un- wahrscheinlich ist es auch, dass die Schlangenkünstler nur mit in der Verdauung begriffenen , und darum trägen, indolenten Schlangen operiren. Wohl ist es denkbar, dass auch eine Giftschlange sich an das häufige Berühren gewöhnen kann und nicht jedesmal zubeisst, also in gewissem Sinne gezähmt ist — dies würde aber nicht ausreichen, um gerade mit Rücksicht auf den Charakter der meisten Giftschlangen, welche Be- rührung nicht gut vertragen und Freund und Feind beissen, eine Sicherung des mit denselben operirenden Menschen zu geben. Manche Schlangenbeschwörer, wie die A'issakais in Algier, lassen sich beissen, nachdem sie sich durch wildes Tanzen in einen Exaltationszustand versetzt haben. Minutoli erzählt, dass sich die afrikanischen Schlangenbeschwörer bei ihren Productionen wie Rasende gebärden , und ihnen der Schaum vor den Mund tritt; doch sollen sie gleichzeitig ein narko- tisches Kraut kauen, das starke Vermehrung des Speichels erzeugt. Möglicherweise verfolgen diese Beschwörer dadurch, dass sie sich in einen solchen Erregungszustand versetzen, den Zweck, den depressorischen Wirkungen des Schlangen- giftes auf das Nervensystem entgegenzuarbeiten und durch den dabei erzeugten Schweiss zugleich das etwa in den Körper hineingelangte Gift wenigstens zum Theil wieder zur Ausscheidung zu bringen. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass das gekaute Kraut eine prophylaktische Wirkung ausübt. Es fehlt auch nicht an solchen, welche die Kunst mancher Schlangenbeschwörer — 65 — durch die bei den Productioneii gemachte Musik erklären, wodurch die Schlange willenlos gemacht werden soll. Dass in der That die Musik, welche einige Autoren des Alterthums sogar als Heilmittel gegen Schlangenbiss rühmten, im Stande ist, die Bewegungen der Schlangen zu beeinflussen, ist nach sicheren Beobachtungen nicht zu bezweifeln. Eine zufriedenstellende Erklärung für das sichere Han- tiren mit diesen Thieren giebt aber auch diese Vermuthung nicht ab. Welcher Art aber auch die Mittel sein mögen, durch welche sich die Schlangenbeschwörer gegen das Schlangen- gift zu sichern suchen , sei es Impfung mit Schlangengift selbst oder einem anderen Stoffe, sei es die innere oder äus- sere Anwendung von sonstigen Mitteln, besonders von pflanz- lichen, so viel steht fest, dass auch sie nicht alle dauernd im- mun gegen Schlangengift sind. Es ist indessen wohl kaum zu bezweifeln, dass wenigstens manche von ihnen im Besitz von Mitteln sind, welche ihnen, wenn auch keine absolute, so doch eine ziemlich grosse Immunität gegen dieses Gift verleihen. 2. Operative und mechanische Mittel. Bei der Beurtheilung eines Gegenmittels gegen den Schlangenbiss ist man leicht Täuschungen ausgesetzt. In vielen Fällen ist es dem Gebissenen gar nicht bekannt, ob die Schlange giftig war oder nicht, und, wenn es sich wirklich um eine Giftschlange handelt, wie viel Gift durch den ßiss in die Wunde hineingelangt i.st. Der letztere Umstand ist, wie bereits erwähnt wurde, bedeutungsvoll, da die Schlange kurz vorher durch Beissen eines Thieres ihren Giftvorrath frrös.stentheils erschöpft haben kann. Auch wird vielleicht nicht selten die Haut nur durch die nicht giftigen Zähne des Unterkiefers verletzt. Eh darf auch nicht unerwähnt bleiben, da.sK die meisten Gebissenen, wenigstens in unseren Ge- genden, ohne Hülfe genesen. Man darf also nicht immer Brenning, Die Vergiftnngen durch Schlangen. ^) — Q6 — behaupten, dass, wenn ein Gebissener nach Anwendung eines Mittels gesund wurde, das letztere die Ursache der Rettung war. Es ist ferner die Zeit zu berücksichtigen, die bis zum Beginn der Behandlung verstreicht, sowie die etwaige Mit- wirkung eines zugleich angewandten anderen Mittels (z. B. Ligatur) bei Darreichung eines innerlichen Medicamentes oder eines Stimulans, in dem das Antidot enthalten ist. Es folgt also hieraus, dass es nicht thunlich ist, allein aus der Thatsache, dass Dieser oder Jener nach einem Schlangen- biss unter Anwendung von Gregenmitteln am Leben blieb, den Werth der letzteren zu beurtheilen. Versteht man unter einem Gegenmittel einen Stoff, welcher das Gift selbst chemisch bindet oder auf irgend eine andere Weise im Körper selbst unschädlich macht, so besitzen wir für das Schlangengift ein nach dieser Richtung hin wirkendes noch nicht. Da die activen Giftbestandtheile des Schlangen- giftes Eiweisskörper sind , so müsste , wenn das Gift erst in den Blutkreislauf aufgenommen ist, das Gegengift electiv nur das Eiweiss des Schlangengiftes treffen, die diesem verwandten Eiweisskörper des Blutes und überhaupt des ganzen Körpers aber unberührt lassen — eine Präsumption, die möglich, bis- her aber noch nicht erwiesen ist. Versteht man dagegen unter „Gegenmittel" eine Substanz, welche dem Gifte anta- gonistisch, d. h. symptomatisch entgegenwirkt, ohne noth- wendiger Weise das Gift selbst zu verändern, so stehen uns gegen das Schlangengift eine ganze Anzahl von zum Theil sehr wirksamen Mitteln zur Verfügung. Hierhin gehören zunächst eine Reihe von operativen und mechanischen Eingriffen. Dieselben sind noch heute im Wesentlichen dieselben geblieben, welche bereits von den Autoren des Alterthums erwähnt werden. So empfiehlt Dios- corides tiefe Excisionen zu machen, die Wunde mit dem Munde oder mit Hülfe von Schröpf köpfen auszusaugen, und durch Eingiessen von scharfen, ätzenden Arzneien das Gift zu zerstören. Ausserdem empfahl man, zerschnittene junge Hühner aufzulegen , welche durch ihre Wärme fähig sein — 67 — sollten, allerlei schädliche Stoffe aus den vergifteten Körper- stellen auszustossen nnd aufzusaugen. Aehnliche Vorschriften ertheilen auch die übrigen Schriftsteller des Alterthums. Celsus^) empfiehlt, sofort nach dem Biss oberhalb der Wunde eine Ligatur anzulegen , damit das Gift nicht zum Herzen dringen könne , aber nicht so stark , dass eine Schwellung eintritt. Sodann solle man Incisionen machen, damit mehr inficirtes Blut herauskommt, und das Gift mit einem Schröpfkopf oder mit dem ganz unverletzten Munde aussaugen. Darauf solle der Gebissene an einem warmen Orte so hingelegt werden, dass der gebissene Theil nach unten geneigt ist. Ist Niemand da, um die Wunde auszu- saugen, so solle man ein zerschnittenes Huhn oder Lamm oder Böckchen noch warm auflegen, und zwar so, dass der innere Theil die Wunde berührt. Auch Pflaster, besonders das Ephesische (bestehend aus Terpentin, Galbanum, Mennige und anderen Stoffen), könne man auflegen. Plinius erwähnt bereits als einziges Rettungsmittel gegen die Bisse mancher Schlangen die Amputation. Von den Schriftstellern des Mittel- alters empfiehlt Avicenna ausser den schon erwähnten und ihm ebenfalls bekannten Mitteln noch Ausbrennen der Wunde mit dem Glüheisen und besonders den Aderlass. Hiermit wäre bereits im Wesentlichen die Zahl der mechanischen Mittel erschöpft. An Stelle des Aussaugens und der Schröpfköpfe trat eine Zeit lang das Festbinden von Vögeln, besonders von Hühnern oder Tauben mit dem Anus auf die Wunde. Starb hierbei eines der Thiere, so sollte man ein anderes nehmen und damit so lange fortfahren, bis keines mehr stürbe. Gessner, der dieses Verfahren erwähnt, empfiehlt ausser den schon von Celsus angegebenen Mitteln noch die Wunde mit Essig und Wasser auszuwaschen oder ein Pflaster von Essig und Asche (besonders vom Feigen- oder Lorbeerbaum oder vom Kebholz) aufzulegen, Blutegel anzusetzen und bei Blutreichen einen Aderlass vorzunehmen. '■) CelHUB, De medicina. V. Cap. 27. — 68 — Ist das Gift schon tiefer gedrungen, so solle man das Glied rings um die Bisswunde mit einer Lanzette aufschneiden und zerhacken oder die Wunde mit glühendem Eisen ausbrennen; denn das Feuer verzehre leicht das Gift und lasse die Wunde nicht zu schnell zuheilen. Auch mit gesalzenen Stoffen, mit gestossenem wilden Knoblauch, Zwiebeln oder Suecus Cyre- naicus könne man die Wunde einige Zeit lang offen halten, damit das Gift herauskomme. Ausserdem solle man ver- hindern, dass der Gebissene schlafe. Derjenige, welcher die Wunde aussaugen will, solle zuvor zu seiner eigenen Sicher- heit etwas essen, den Mund mit Wein ausspülen, sodann Rosen- oder Veilchenöl in den Mund nehmen und das Aus- gesogene ausspeien. Den zum Ausziehen des Giftes und zur Linderung der Schmerzen aufgelegten zerschnittenen Thieren (Hühner, Tauben, Geisslein, Lämmlein, Ferkel) könne man noch einen Frosch ansetzen, der Blut und Gift aussaugen soll. Nach G essner brennen die Aegjpter die Bisswunde mit glühendem Eisen oder siedendem Oele aus. Auch bin- den sie das Glied mit in Pech getauchten Binden fest zu, schneiden die Wunde auf und tropfen Pech hinein; später lösen sie die Binde und bestreichen den Biss mit Zwiebeln und Knoblauch. Von sonstigen früher angewandten mechanischen Mitteln sind noch zu erwähnen Erdbäder, Baden des gebissenen Theiles in heissem Wasser, heissem Oel, besonders Terpen- tinöl, in Milch, Kalkwasser oder in Wasser, in dem Kochsalz aufgelöst war; ferner Auflagen eines mit Grünspan über- zogenen Stückes Kupfer, von ungelöschtem Kalk, von ein- saugenden Erden, besonders englischer Pfeifenerde, von frischem Ziegenkäse, warmen Umschlägen, Kräutern und Fröschen, Annäherung eines glühenden Messers an die Wunde, so lange es der Gebissene aushält, und in neuerer Zeit sogar die Elektricität. Einer grossen Beliebtheit erfreute sich auch seit den ältesten Zeiten der sogen. „Schlangenstein". Schon Plinius erzählt, dass die Scythen, wenn sie von einer Schlange — 69 — erschreckt wurden, den Kopf derselben aufschnitten und den darin befindlichen Stein verschluckten. Der Glaube, dass sich in dem Gehirne der Schlangen ein Stein befinde, hat sich bis in die Neuzeit fortgepflanzt, und verschiedene Autoren, wie Redi, Oharas und Mead, stellten sogar mit solchen ostindischen Schlangensteinen, die aus dem Kopfe der Cobra stammen sollten, Experimente an. Manche Steine sollten auch im Masren oder Darm von Thieren, besonders von der Bezoarziege (Capra Aegagrus), gebildete Kalkconcretionen darstellen. Es ist später gezeigt worden 0, dass die noch jetzt in Indien unter dem Namen „zehr mohereh" verkauften Steine theils eine, wahrscheinlich aus Serpentin bestehende, mineralische Substanz darstellen, theils aus gebrannten Knochen oder Hirschhorn mit bisweilen dazu gemischter Kalkerde be- reitet werden. Man legt einen solchen Schlangenstein auf die Wunde, wo er in Folge seiner Porosität festhaftet, um nach etwa einer halben Stunde abzufallen. In dieser Zeit soll er, wie man glaubt, das Gift aus dem Blute angezogen haben. Auch die Indianer von Paraguay legen, nachdem sie die Wunde ausgesaugt haben, zuweilen noch einen Schlangen- stein auf, der ebenfalls aus halbcalcinirten Knochen, aus Kreide oder aus gebrannter Thonerde besteht "). Uebrigens beschränkte man sich nicht auf den Gebrauch dieser Steine gegen Schlangenbiss allein, sondern wandte sie auch schliess- lich als ein Heilmittel gegen alle Krankheiten, als ein sogen. .Bezoar", an. In ähnlicher Weise wie Schlangensteine gebrauchen noch jetzt die holländischen Colonisten in Südafrika die sogen. jHerrenbohne", welche, zerschnitten aufgelegt, das Gift aussaugen und dann von selbst abfallen soll. Auch das Auf- legen von frisch zerschnittenen Hühnern soll daselbst noch jetzt in Gebrauch sein. Die erwähnten mechanischen Mittel gegen Schlangenbiss, ') Herbert, Asiatic Researches. Vol. XVT. 1828. p. .382 ff. *) Rengger 1. c. — 70 — wie Incision, Excision, Aussaugung, Schröpfköpfe, Ausbrennen, Ligatur, Scarificationen und Amputa- tionen, haben nur dann einen Nutzen ^ wenn sie so früh angewandt werden, dass das Gift noch nicht in den Bhit- kreislauf aufgenommen ist. Was die Amputation betrifft, so wird man sich heutzutage in Anbetracht des Umstandes, dass die meisten Fälle von Schlangenbiss nicht tödtlich ver- laufen, wohl nur sehr selten noch entschliessen, eine so ein- greifende Operation gleich von vornherein vorzunehmen. Wenn dagegen die nach dem Bisse auftretenden Folgezustände, wie Vereiterung oder Gangrän des Gliedes, dazu nöthigen, so wird man sie ausführen müssen. Es sind mehrfach Fälle beschrieben worden, wo die Gebissenen den Muth besassen, sich selbst sofort nach dem Bisse das verwundete Glied ab- zuschneiden oder abzuhauen, um so sicher einer Vergiftung vorzubeugen. Die Scarificationen sollen nach Weir Mitchell den Zweck haben, die vasculären Verbindungen der Wunde mit den Centren zu zerstören und so ein Weiterdringen des Giftes zu verhindern. Durch Aussaugung kann das Gift wohl nur bei einer ungewöhnlich grossen Bisswunde oder nach vorher gemachten Incisionen wieder herausbefördert werden. Nach Fay rer ist Aussaugung gefährlich, auch wenn sich im Munde des Aus- saugenden keine Verletzungen befinden; sicherer ist es jeden- falls, sich, wenn möglich, eines Schröpfkopfes zu bedienen. Auch in Afrika soll in manchen Gegenden Jeder eine oben mit einem Loche versehene Hornspitze mit sich führen, um damit nöthigenfalls eine Bisswunde auszusaugen. Natürlich kann man auch durch Abwaschen und Ausdrücken der Wunde so viel Gift wie möglich zu entfernen suchen. Blut- egel dürften jetzt wohl bei Schlangenbiss kaum noch an- gewandt werden. Schröpfköpfe und Aussaugung halten auch die AUgeraeinvergiftung besonders durch Verlangsamung der örtlichen Circulation auf. Die gleich nach dem Bisse oberhalb und möglichst nahe — 71 — der Wunde umgelegte Ligatur ist auch heute noch einer der einfachsten und bewährtesten Eingriffe. Wenn es mög- lich ist, so sind Ligatur und Schröpfköpfe mit einander zu verbinden, oder, wenn die Beschaffenheit des verletzten Theiles es verlangt, letztere allein anzuwenden. Geht aber beides nicht, wie z. B. an der Nase, so bleibt Aussaugung das ein- zige Mittel. Wenn durch Schwellung und unterbrochene Circulation Gangrän des gebissenen Gliedes einzutreten droht, so muss die Ligatur wieder gelöst werden. Zweckmässig scheint die auch von Weir Mitchell em- pfohlene „intermittir ende Ligatur" zu sein. Man giebt nach dem Anlegen der Binde alkoholische Getränke, bis eine genügende Excitation dadurch erreicht ist, und lockert dann die Binde ein wenig; sobald aber Zeichen einer Depression eintreten, zieht man sie wieder fest zu und giebt wieder Stimulantien. Auf diese Weise fährt man abwechselnd fort, damit das Gift nicht auf einmal, sondern portionenweise, also in geringerer Wirkungsstärke den Organismus durchsetzt. Später wird die Binde weiter oben angelegt, um zu grosse Constriction des afficirten Theiles zu vermeiden. Eine plötzliche Entfernung der Ligatur ist gefährlich. Li einem Falle war das Gift h) Stunden lang durch die Ligatur zurückgehalten worden, während schon 2 Stunden nach dem Lösen derselben der Tod eintrat. Die erste Lockerung (nicht Beseitigung) der Ligatur soll nicht vor 6 Stunden erfolgen und dann alle 2 Stunden wiederholt werden. Als Material für die Ligatur kann man nehmen, was man gerade zur Hand hat, z. B. einen vom Kleide abgerissenen Tuchstreifen, einen Lederriemen, eine Schnur oder dergl. Durch Unterstecken eines Stabes unter die Ligatur und Herumdrehen desselben kann man die Circu- lation in dem unterbundenen Gliede mit noch grösserer Sicher- heit vollständig hemmen. Die Hauptsache bleibt immer, dass die Ligatur möglichst sofort nach dem Bisse und möglichst fe.st angelegt wird. Ein einfaches Umfassen des Gliedes mit den Fingern oder Händen ist nicht ausreichend. Die Ein- geborenen Indiens pflegen sogar mehrere Ligaturen umzu- — 72 — legen, z. B. wenn sich die Bisswunde am Finger befindet^ eine um den Finger, eine zweite um den Vorderarm und die dritte um den Oberarm, um so ganz sicher zu sein, dass nichts von dem Gifte in den allgemeinen Blutkreislauf hinein- gelangt. Diese mehrfachen Ligaturen sind empfehlenswerth. Vereinzelt wurde auch geäussert^), dass die Ligatur schäd- lich wirke, und dass die Intoxicationserscheinungen ohne die- selbe allerdings schneller auftreten, aber auch leichter vorüber- gehen. Statt dessen empfiehlt man, gleich nach dem Biss durch die Bissstelle einen nur die Haut durchtrennenden Schnitt zu machen, Blut und Gift auszudrücken und in die Wunde Ammoniak zu träufeln. Durch das Ausbrennen der Biss wunde sollen nicht nur die Gewebe zerstört und absorptionsunfähig gemacht werden^ sondern auch das Gift selbst vernichtet werden. Am sicher- sten erreicht man dies mit dem Glüheisen oder Paquelin- schen Thermocauter, wenn man diese Operation, um das Gift sicher zu treffen, in sehr grossem Umfange vornimmt. Jäger, die in der Wildniss gebissen worden sind, legen häufig Schiess- pulver auf die Wunde und zünden dasselbe an. Besser als das Ausbrennen ist das sofort nach dem Bisse vorgenommene Ausschneiden der ganzen Bissstelle, eine auch den Wilden wohlbekannte Operation. So erzählt Pöppig^), als er selbst einmal von einer Giftschlange ge- bissen war, habe ein „Calderon" ihm die Haut mit einer Nadel durchstossen, sie gewaltsam emporgehoben und bis auf die Muskeln kreisförmig weggeschnitten ; sodann legte er ein glühendes Goldstück auf, da Silber oder Eisen nach dem in Peru verbreiteten Aberglauben schaden sollen. Die in Deutschland zuerst gegen Schlangenbiss empfohlene Bluttransfusion^), von der man auch in anderen Ländern einige Male günstige Resultate sah, hat aus allgemein toxi- kologischen Gründen mit Recht wenig Verwendung gefunden., 1) Veth, Wiener med. Woclienschr. XXXVI. 1. S. 10. 1886. ') Pöppig, Eeise in Chile und Peru. IL 1836. S. 230. ^) Schütz, De transfusione sanguinis. Bonn 1852. — 73 — Dagegen scheinen Versuche an Hunden dafür 7a\ sprechen, dass bei Vergiftung durch Schlangenbiss Magen au sspülungen besonders günstig wirken, da wie man es auch bei subcutanen Morphiuminjectionen beobachtet hat, ein Theil des Giftes auf der Magenschleimheit ausgeschieden werden soll ^). Schon Fontana erwähnt, dass Hunde, die nach Vipernbiss viel er- brachen, eher genasen als andere. Auch die W^irkung starken Branntweins bei Schlangenbiss erklärt man sich zum Theil durch Fällung der in dem Magen ausgeschiedenen Toxalburaine; durch den nachfolgenden Brechact würden dieselben dann aus dem Organismus entfernt. Verwendet man also Alkohol als Ausspülungsflüssigkeit , so würde man erstens das Gift im Magen niederschlagen, zweitens dasselbe herausbefördern und drittens auch noch eine stimulirende Wirkung erzielen. Alle Arten von Umschlägen, Kräuteraufgüssen, Auf- legen von rohem Fleisch, Bäder etc. können höchstens gegen die secundäre Gangrän etwas nützen. Auch das Auflegen eines Breies von animalischer Kohle wurde empfohlen ^), und R. Schomburgk schreibt den von einigen wilden Stämmen in Britisch-Guyana angewandten warmen erweichenden Umschlägen aus Cassada-Brot eine spezifische entgegenwirkende Kraft zu, aber wohl mit Unrecht. Um den depressorischen Wirkungen des Schlangengiftes zu begegnen und zugleich die Ausscheidung desselben durch die Haut zu begünstigen, hat man empfohlen, den Körper in angestrengte Bewegung und in Transpiration zu ver- setzen. Das ebenfalls darauf hinzielende Verfahren der Schlangenbeschwörer habe ich bereits erwähnt. Auch die Ein- geborenen von Indien halten den Gebissenen fortwährend in Bewegung. Ja, man construirte in England sogar eine mechanische Vorrichtung nach Art einer Tretmühle , um bei Gebisgenen Hyperkinese und Transpiration zu erzeugen ^). 'j Alt 1. c. *j G a r r 0 d , Lond. Gaz. Dec. 1843. ') Hood, Lancet. I. T. 1868. p. 221. — 74 — Als Beweis für den Nutzen solcher verstärkten körperlichen Leistung wird angeführt, dass ein von einer Cobra Gebissener dadurch gerettet worden sei, dass der Arzt ihn mit den Händen hinten an seinen Wagen band und ihn so zwang, eine englische Meile weit hinter demselben herzulaufen. Zur Erzeugung von Schweiss kann man natürlich auch warme Bäder oder sonstige Mittel gebrauchen lassen. Auch das Einreiben von Baumöl, das ausserdem die Spannung der Haut des geschwollenen Gliedes vermindern soll, wurde zur Vermehrung der Hautausdünstung empfohlen. Um die Wirkung des Giftes zu hemmen, übte man früher einen starken Druck auf die Wunde aus, indem man, gestützt auf Versuche von Bouillant, glaubte, dass während dessen kein Gift eingesogen würde ^). Von diesem sehr zweifelhaften Mittel ist man aber schon lange abgekommen. In Anbetracht des Umstandes, dass bei vielen Schlangen- giften , namentlich bei dem der ostindischen Brillenschlange, Lähmung der Athmung die eigentliche Todesursache ist, hat man in neuerer Zeit versucht, die künstliche Athmung als lebensrettendes Mittel anzuwenden. Allein reicht dieselbe in- dessen auch nicht aus, um das Leben zu erhalten, da durch das Gift gleichzeitig auch die motorischen Herzganglien gelähmt werden. Immerhin verdient sie aber doch bei Schlangenbiss nöthigenfalls berücksichtigt zu werden, da sie nach den früher schon von verschiedenen Aerzten ^) angestellten Versuchen im Stande ist, wenigstens einige Stunden das Leben zu erhalten, und man während dessen Zeit gewinnt, andere geeignete Mittel anzuwenden, welche die Elimination des Giftes befördern und eine erregende Wirkung entfalten. ^) Lenz, Sclilaugenkuncle, 1832. ^) Weir Mitchell 1. c. — Vincent Richards, Indian Med. Gaz. May 1.1873. — Fayrer, Med. Times and Gaz. Sept. 6. 1878. p. 249. — 75 — 3. Thierische Mittel. Im Gegensatze zu den grösstentheils noch heute ange- wandten operativen und mechanischen Mittehi gehören die thierischen Mitteigegen Schlangenbiss fast ausnahmslos der Ver- gangenheit an. Von den benutzten Thieren sind zunächst die Schlangen selbst zu erwähnen. Schon Plinius empfiehlt den frisch abgerissenen Kopf einer Viper oder dessen Asche oder die Eingeweide von Schlangen auf die Bisswunde zu legen und innerlich aus der Viper bereitete Theriakkügelchen , Brühe von Schlangen oder gekochte Vipernleber zu nehmen, welche bewirken soll, dass man nie wieder gebissen wird. Auch könne man die Schlange im Wasser zerstampfen und damit die Wunde bähen. Nikander Hess aus gekochtem Vipernfleisch eine Salbe bereiten, welche nicht nur gegen Schlangengift, sondern über- haupt gegen alle animalischen Gifte helfen sollte. Avicenna erwähnt Vipernpastillen, die aus zerstossenem Vipern- fleisch mit geröstetem Brot bereitet wurden. Weder vor noch nach dem Trocknen dürfe die Sonne auf sie fallen, da dieselbe die Kraft des Vipernfleisches zerstöre. Sogar bis weit in die Neuzeit hinein wurden Kopf, Fleisch, Herz, Leber und andere ( )rgane von Schlangen nicht nur äusserlich angewandt, sondern auch als Antidote gegessen; die Bisswunde wusch man mit Vipernblut. Der Jesuit Athanasius Kircher ^) behauptete, dass der innerliche Gebrauch von Schlangeneingeweiden nur den Biss gleicher Schlangen heile, und Aldrovandus, dass aufgelegte Vipern das Gift wie ein Magnet ausziehen. Ett- müller empfahl eine Axungia serpentina gegen Schlangen- bi.ss, und Gessner glaubte, ebenso wie Plinius, dass ge- gessene Schlangenleber immun gegen Schlangenbiss mache. In neuester Zeit will man gegen Klapperschlangenbiss ine Lösung von Klapperschlangengalle in 10 Theilen Spiritus bei gebis-senen Kaninchen mit bestem Erfolge angewandt haben. Eine grosse Kolle spielte auch das , Vipernsalz". Schon ') Ath. KirclMT, Mundus subterraneus. Amstelod. 1078. lil). IX. — 76 — die Alten kannten ein solches, das durch Verbrennen und Calcination der Schlangenknochen gewonnen und zum Theil mit Meer- und anderen Salzen gemischt wurde. Oharas^) gab ein genaues Recept zur Bereitung eines guten Vipern- salzes an, das in der Hauptsache in einer Abkochung von Vipern und Zusatz von Seesalz besteht. Wirksamer soll das- selbe noch werden, wenn man statt des Seesalzes die Salze einiger theriakalischer pflanzen zufügt, wie von den Wurzeln von Valeriana, Imperatorium, Angelica, Meum, von den Blät- tern von Scordium, Centaurea, Cardobenedicten u. a. Für eins der besten Mittel in der Medicin überhaupt erklärt aber Oharas das sogenannte „flüchtige Vipern- salz", bei dessen Bereitung es sich wesentlich um einen Destillationsprocess von Viperntheilen zu handeln scheint. Zahl- reiche andere gegen Schlangenbiss gebrauchte zusammen- gesetzte Arzneimittel enthalten das Vipernsalz als Basis. Auch ein Vipernöl und Vipernfett wurden empfohlen. Nach M e a d ^) soll das Aufstreichen des letzteren auf -die Wunde verhindern, dass sich die flüchtigen Salze der giftigen Flüssigkeit in die spitzen Krystalle verwandeln (die Mead, wie oben erwähnt, im Viperngift gefunden haben wollte). In manchen Gegenden Brasiliens verbindet man die Biss- wunde mit dem öligen Decocte des Kopfes einer alten Schlange derselben Gattung („el aceite de Cascavel") oder reibt die Galle der aufgeschnittenen Schlange in die Bisswunde ein. Auch in Surinam werden die in Rauch getrockneten und dann in eisernen Töpfen verkohlten Köpfe giftiger Schlangen zusammen mit einigen getrockneten Pflanzen bei Schlangen- biss äusserlich und innerlich angewandt^). Offenbar sind aber hierbei die betreffenden Pflanzen das ^) Oharas, Nouvelles experiences sur la vipere. Paris 1694. p. 163 ff. ^) Mead, De vipera. Opera medica. Yol. II. 1749. ^) K. Martin, Bericht über eine Reise nach Niederländisch- West- indien. I. S. 29 ff. — 77 — Wesentliche. Ebenso wendet mau auf Martinique Kopf, Herz und Galle von Giftschangen als Antidot gegen deren Biss an^). Nach Fontana essen die Mohamedaner, sobald sie gebissen sind, die Schlange roh mit viel Salmiak oder Kochsalz, und in Indien sollen Einige einen Balsam aus Leber und Herz der Schlange, mit etwas Salmiak und Zimmtessenz versetzt, einreiben und zugleich davon einen LöfiFel voll mit der dop- pelten Menge Oel innerlich nehmen. Uebrigens wurden auch gegen zahlreiche andere Krank- heiten Viperntheile angewandt; so empfiehlt Dioscorides gekochtes Vipernfleisch gegen Augenkrankheiten, nervöse Leiden und Kröpfe; Vipernpastillen sollten bei Elephantiasis nützlich sein. Auch bei Aussatz und bösen Geschwüren wur- den Vipern gebraucht, und in den verschiedenen Arten von Theriak spielten Vipern gewöhnhch eine Hauptrolle. Noch jetzt wird Vipernbrühe in Italien gegen chronische Krankheiten, wie Lähmungen, Hautkrankheiten, Marasmus senilis, Phthisis pulmonum angewandt, und das Oel aus den Eiern der Klapper- schlange wird in Connecticut gegen Rheumatismus und Neur- algie gebraucht. Es soll starkes Brennen auf der Haut erregen. Axungia Viperarura stand noch in der Pharmacopoea Wirtembergica von 1760. Auch zur Bereitung von Pfeilgiften wird Schlangengift, meist zusammen mit giftigen Pflanzenstoffen, noch heute von vielen wilden Völkerschaften benutzt. So besteht das Pfeil- gift der Barineger aus dem Safte einer Baumwurzel und dem Decocte von Köpfen giftiger Schlangen. Die Gonaqua- Hottentotten nehmen zu ihrem Pfeilgifte eine Milchsaft lie- fernde Pflanze und einige Schlangenarten , die Buschmänner Hornvipern. Auch die Muntschi in den Haussaländern, sowie verschiedene Volk.sstämme auf der Malayenhalbinsel, den Sundainseln und noch in anderen Gegenden bedienen sich des Schlangengiftes zur Anfertigung ihrer Pfeilgifte ''). ') Jdifz 1. c. p. 109. ^) L. Löwin, Du: I'feilgifte. Virchow'H Archiv. Hd. 130. 138. 1894. — 78 — Von aus anderen Thieren bereiteten Mitteln gegen Schlan- genbiss ist zunächst das Skorpionenöl zu erwähnen , wo- mit das gebissene Glied eingerieben werden soll. Vom Hirsche, den man für immun gegen Schlangengift hielt, wurden verschiedene Organe, namentlich Magen und Leber, mit sehr verschiedenartigen anderen Substanzen, Wein etc. versetzt und auf mannigfaltige W^eisen zubereitet, schon von Plinius als ein innerlich zu nehmendes Mittel empfohlen. Auch das aus dem Uterus einer jungen Hirschkuh geschnittene Coagulum soll gute Dienste leisten. Gilbertus Anglicus empfahl, die Ligatur mit einem Hirschfelle zu machen. Oharas gab in einem Falle von Schlangenbiss geraspeltes Hirschhorn innerlich, und ein Abt Tecmeyer rühmte gebranntes Hirschhorn als Gegen- mittel. Auch Me ad empfiehlt Hirschhorn mit warmem Wein. Von sonstigen Thieren, z. B. wilden Schweinen, Ziegen, Hasen, Flusspferden und vom Rhinozeros gebrauchte man verschiedene Organe, wie Gehirn, Leber, Magen, Hoden, ferner Blut, Galle, Magensaft und Talg. Verwendet wurden auch Bienen und spanische Fliegen innerlich und äusserlich. Plinius behauptet, Hühner, die von Wanzen gebissen seien, sterben nicht an Schlangenbissen, eben so wenig Men- schen, die solches Hühnerfleisch gegessen haben, und empfiehlt Auflegen von Wanzen mit Schildkrötenblut, sowie auch Galle vom Wiesel, oder aufgeschnittene Mäuse , frisch zerrissenes Tauben- oder Schwalbenfleisch, gebrannte Uhubeine mit Blei- wurz, das Blut von Fledermäusen mit Disteln gemischt. Auf- legen von Hühnergehirn, Trinken von Hahngehirn mit Wein, Fleischbrühe von Hühnern, Asche von Ziegenhörnern, Milch, Harn, Käse, Talg und zahllose andere Mittel von der Ziege. Auch das Herz eines Raubvogels solle gegen Schlangen schützen. Avicenna empfiehlt, verbrannte und gepulverte Menschenzähne aufzustreuen. Petrus de Abano^) will zerriebene Krebse auflegen ^) Petrus de Abano, De venenis. 1473. — 70 — lassen, und der schon erwähnte Abt Tecmeyer hält es so- gar für möglich, dass ein Zahn des Caiman , wenn man ihn nur in der Tasche trägt, den Vipernbiss heilen könne. Von Thierprodueten spielte die Milch, wie noch heute bei vielen anderen Vergiftungen, von jeher eine grosse Rolle. Man bevorzugte Ziegenmilch, die innerlich und äusserlich, und geronnene Hasenmilch mit Wein, die innerlich verordnet wurde. Einige Indianerstämme Guyanas glauben sogar in Frauenmilch ein wirksames Gegengift entdeckt zu haben, die sie zugleich mit Umschlägen aus Cassada-Brot anwenden. Auch die Neger sollen die Bisswunde von Coluber haje mit Frauenmilch auswaschen, Celsus empfiehlt das Trinken von Enten-, Schaf- oder Kalbsbrühe, andere Autoren Froschbrühe mit Salz und Oel. Auch rohes Eiweiss, sowie Käse wurde vielfach verwendet. Sogar die Excrete von Thieren und Menschen wurden als Gegenmittel betrachtet. So erzählt Plinius, dass nach M. Varro der Gebissene durch Trinken des eigenen Urins geheilt werde. Das Gleiche behauptet auch Mercurialis ^), und noch neuerdings empfahl ein französischer Arzt ^) Aus- waschen der Wunde mit dem eigenen Harn, Auch die Darm- exerete von Katzen, Hunden, Ziegen, Schafen, zum Theil mit Essig oder Wein gekocht oder geknetet, wurden theils inner- lich, theils äusserlich angewandt, — bei den Indianern Perus und Brasiliens sogar der Menschenkoth ^). In Bolivia und Südafrika gebraucht man — falls die Ein- geborenen nicht absichtlich in einem solchen Falle, um das wahre Mittel zu verheimlichen , die Unwahrheit sagten — Kuren mit schweissgetränkten alten Mützen und anderen Gegenständen , wie es schien , mit wunderbarem Erfolge "*). ') Mercurialiß, De venenis. 1.584, ^ Desmartis, Gaz. hebd. V. 1858. *) Popp ig 1. c. II. S. 268. — Spix, Serp. Brasil. Spec. novae. p. 65. *) Kfiller-Leuzinger, Vom Amazonas und Madeira. Stuttgart 1874. S. 51. — 80 — Einem gebissenen Hunde wurde zunächst fein zerschnittener und in Wasser eingeweichter Minastabak eingegeben; später wusch ein alter Neger ein von Schmutz starrendes Täschchen, das er an einer Schnur um den Hals trug , und gab das Waschwasser dem Thiere ein, worauf der Hund alsbald wieder völlig gesund wurde, nachdem vorher sein Gang wankend ge- wesen war, sich Würgen eingestellt hatte, und an der Bissstelle eine beinahe sichtlich zunehmende Geschwulst entstanden war. Die Indianer Louisianas legen auf die Bisswunde Sraegma praeputii und unterbinden das gebissene Glied mit einem Baumwollfaden, den sie stets unter dem Präputium tragen ^). In der Provinz Säo Paulo wird nach Tschudi den ver- kohlten Federn und Knochen eines rebhuhnartigen Vogels, des Macuco (Tinamus brasiliensis) , auch „Nabü-Assü" oder „Tona" genannt, eine spezifische Heilwirkung bei Bissen gif- tiger Schlangen zugeschrieben. In anderen Theilen Brasiliens wird noch heute bei Schlangenbiss das Fett einer grossen Eidechse (Lacerta Teguixia L.) eingegeben. Auch legt man daselbst geglühte Knochenstücke (vielleicht von Hirschhorn), die mit der schleimigen , aus Krokodilshoden exprimirten Flüssigkeit getränkt sind, auf die Bisswunde. Auf den Andamanen legt der Gebissene, falls er die Schlange getödtet hat, Nierenfett auf die Wunde; im anderen Falle wendet er die Unterbindung und Cauterisation an. Auch der menschliche Speichel wurde mehrfach als Antidot gegen Schlangenbiss empfohlen. So rühmen Plinius, Galen u. A. den Speichel eines nüchternen Menschen als nützlich, und auch von den Negern wird derselbe bei Bissen von Coluber haje angewandt. 4. Chemische Mittel. Von chemischen Mitteln waren vom Alterthume bis in die Neuzeit hinein in Folge der kleinen bekannten Zahl der- selben nur wenige gegen Schlangengift in Gebrauch. Eigent- ^) Spix 1. c. p. 66. — 81 — lieh gab es deren früher nur drei, nämlich Essig, Wein und Kochsalz. Das Trinken von reinem Wein wird von Dioscorides, Celsus, Plinius, Avicenna und Anderen empfohlen. Celsus meint, statt reinen Weines mit PfefiFer könne man auch etwas Anderes trinken, „qnod calori movendo est, nee humorem intus eoire patitur" ; denn die meisten Gifte gingen durch Kälte zu Grunde. Kochsalz soll nach Celsus trocken in die Wunde gestreut werden. Die genannten und auch spätere Autoren empfehlen ebenfalls Trinken von Essig und Auswaschen der Wunde mit demselben, indem man glaubte, er setze den sich eindickenden Saft im Menschen wieder in Bewegung. Nach Mereurialis liessen auch die Aegypter reichlich Essig trinken. Avicenna rühmt einen Oxymel aus Essig, Salz und Honig, und Gessner die äussere Anwendung von Essig, Salzwasser, Essig mit Salzbrühe vermischt und ein Pflaster aus Essig und Asche. Von Avicenna wird ausserdem noch ein Schwefelmittel von nicht näher angegebener Zu- sammensetzung erwähnt. Auch Erdöl wurde, wenn auch selten, gebraucht. Von ehemischen Mitteln der Neuzeit ist zunächst das auch heute äusserlich und innerlich noch häufig angewandte Am- moniak zu erwähnen. Es wurde zuerst im vorigen Jahrhundert von Jussieu, Chaussier, Sage und Anderen als eines der sichersten Mittel bei Schlangenbissen gerühmt. Wie es scheint, kam man deswegen auf ein Alkali, weil Mead das Vipern- gift für sauer erklärt hatte. Smith^) empfahl als bestes Mittel bei Schlangenbiss nach vorheriger Anlegung einer Li- gatur um das verletzte Glied möglichst bald nach dem Bisse eine Dosis von 2 g Ammoniak auf einmal innerlich zu geben, und zwar nur in solcher Verdünnung mit Zuckerwasser, dass ein Hinunterschlucken eben noch möglich sei. Andere be- schränken die Einzeldosis auf 20 Tropfen (gehörig mit Zucker- wasser verdünnt) und rathen , nicht über 4 — 12 g davon zu geben. Auch subcutane Injectionen von mit 4 Theilen Wasser V Smith, Hrit. m<-A. Journ. Febr. 22. 1868. p. 164. Brennint;, Dl<: Vergiftungen darrih Schlangen. - 82 — verdünntem Ammoniak zu ^2 — 1 Spritze, oder intravenöse Injectionen von 10 — 40 Tropfen einer Lösung von Ammoniak in 2 — 3 Theilen Wasser sind empfohlen worden^). Selbst unverdünntes Ammoniak, zu 0,5 g subcutan injicirt, hatte bei Meerschweinchen stets nur günstige Wirkungen ^). Die eben- falls Ammoniak enthaltende und am Cap der guten Hoffmmg imter dem Namen ,,Croft's drops" bekannte Flüssigkeit wird daselbst geradezu als ein Specificum gegen Schlangenbiss gerühmt. Statt des Ammoniaks wurde früher vielfach auch der Liquor Ammonii succinici („Eau de Luce") angewandt und soll auch jetzt noch in Ostindien in Gebrauch sein, ebenso das Ammonium carbonicum (Hirschhornsalz), das vor dem Ammoniak den Vorzug hat, innerlich genommen weniger zu ätzen. Neueren Untersuchungen und Beobachtungen gegenüber hat jedoch das Ammoniak seinen Ruf als Antidot gegen Schlangengift nicht zu wahren vermocht. Schon Fontana fand dasselbe bei seinen Experimenten nutzlos gegen Vipem- gift, ebenso zahlreiche spätere Forscher auch gegen andere Schlangengifte. Sicher ist, dass das Ammoniak durchaus nicht auf das Grift selbst chemisch einwirkt und so etwa dasselbe zerstört und unwirksam macht. Höchstens kann man an- nehmen, dass es bei äusserer Anwendung, falls ihm in ge- eigneter Weise die Gelegenheit dazu geboten wird, durch Ver- ätzung der Gewebe dieselben unfähig macht, das Gift zu ab- sorbiren. Bei innerlicher Darreichung ist es indessen im Stande, durch Anregung der Herzthätigkeit unzweifelhaften Nutzen zu stiften, jedoch stehen uns zu diesem Zwecke, wir wir später sehen werden, andere Mittel zur Verfügung, die besser wirken als das Ammoniak. Immerhin gehört dieses zu denjenigen Stoffen, welche man nicht ohne Weiteres als unbrauchbar ver- werfen darf. 1) Haiford, Med. Times and Gaz. Dec. 27. 1873. ^) J. Schulz, Ueber Schlangengift. Inaug.-Diss. Berlin 1881. — 83 — Da man auch, um das Schlangengift durch die Haut- thätigkeit aus dem Körper zur Ausscheidung zu bringen, auf eine diaphoretische Wirkung des Ammoniaks Gewicht legte, so wandte man in neuester Zeit statt desselben ausser anderen schweisstreibenden Mitteln besonders subcutane Injectionen von Pilocarpin an. Indessen fehlen bis jetzt noch genügende Be- weise für die Wirksamkeit der Diapboretica bei Schlangenbiss. Aehnlich wie das Ammoniak verhalten sich auch die übrigen äusserlich als Aetzmittel gebrauchten Chemikalien, wie Kalilauge, Natronlauge, ungelöschter Kalk, Schwefelsäure, Salpetersäure, Essigsäure, Eisen- chlorid, Butyrum Antimonii. Alle diese Mittel, die jetzt wohl nur noch selten angewandt werden, haben nur dann einen Zweck, wenn sie möglichst bald nach dem Biss applicirt werden, ehe noch eine grössere Quantität des Schlangengiftes in den Blutkreislauf gelangt ist, und wenn zuvor die Biss- wunde hinreichend erweitert wurde, damit sie in gehöriger Weise auf die Gewebe resp. das in denselben enthaltene Gift selbst einwirken können. Denn, wie bereits an einer früheren Stelle erwähnt wurde, vermögen namentlich Kali- und Natron- lauge in genügender Concentration und bei längerer Berührung mit Schlangengift dieses unwirksam zu machen, und verdienen deswegen in allen frischen Fällen wohl in Anwendung ge- zogen zu werden. Was die C a r b o 1 s ä u r e betrifft , so hat dieselbe zwar nur eine geringe Wirkung auf das Gift selbst, jedoch soll sie sich gut zu Ueberschlägen auf den verletzten Theil eignen, weil sie die Circulation in den Blutgefässen und dadurch auch die Resorption des Giftes angeblich wesentlich verlangsamt ^). Als innerlich zu nehmendes Mittel wurde die Carbolsäure gegen den Biss der australischen Tigerschlange empfohlen, hat aber wohl als solches ebenso wenig Nutzen wie das in Mittelasien gebräuchliche Bestreichen der Bisswunden von Trigonocephalus halys mit The er. ') Mitchell, M>t. 61. — 94 — stellen und den Ort des Bisses. Ein Wolf wurde einmal durch das Brom augensclieinlich gerettet, starb jedoch, als er zu einer anderen Zeit dreimal gebissen war. Ja, in einem Falle wurden sogar bei einem gebissenen Menschen die Localsym- ptome durch den Gebrauch des Mittels schnell leichter, und in einem anderen, fast hoffnungslosen Falle Hessen die schlimmsten Symptome nach dem Gebrauche zweier Dosen des Mittels schnell nach. Weir Mitchell vermisste jedoch bei seinen Versuchen die prophylactische Wirkung des Bibron- schen Mittels und fand es auch sonst ziemlich unzuverlässig. Weitere gegen Schlangenbiss empfohlene innerlich zu nehmende Mittel sind Calomel und Cy anquecksilber. Gegen den Biss von Coluber Ammodytes L. sollte die Plenck'sche Quecksilberlösung das beste Gegenmittel sein. Croft^) rühmt eine starke Lösung von Jod in Jodkalium. Auch Bromkali und Chinin wurden früher zuweilen gegen Schlangenbiss angewandt. Alle diese Mittel stehen aber an Bedeutung weit zurück hinter einem anderen, welches gegenwärtig als das zweck- mässigste von allen innerlich gegen Schlangengift zu nehmenden die allgemeine Anerkennung gefunden hat, nämlich hinter dem Alkohol, der hierbei als kräftiges, durch ähnliche Stoffe nicht genügend zu ersetzendes Stimulans wirkt. Ehe seine Anwendung gegen Schlangenbiss allgemein wurde, war derselbe schon lange in Dalmatien gegen Vipernbiss in Gebrauch. Er muss in grossen Quantitäten, bis zum Stadium des Rausches, resp. leichten Trunkenseins verabfolgt werden. Tiefe Trunkenheit ist jedoch zu vermeiden, da sie einen Zustand der Sedation, nicht der Excitation darstellt. Tief betrunkene Leute sind, wie die Erfahrung lehrte, wenn sie von Schlangen zufällig gebissen werden, nicht immun gegen das Gift. Der Einwand, der gegen die Anwendung von Alkokol erhoben wurde, dass nämlich das mit diesem gemischte Gift, wenn injicirt, schnell tödtlich sei, ist unberechtigt, da der Alkohol ja gar nicht als ^) Croft, Chem. News. XVIL. 1882. p. 165. — 95 — chemisch auf das Gift wirkendes Antidot angesehen wird. Wenn häufiges Erbrechen das Verweilen des Alkohols im Magen vereitelt, so kann man vorsichtig Alkoholdämpfe oder auch Aether inhaliren lassen oder Alkoholklystiere verabfolgen. Auch die Wilden wissen die günstige Wirkung alko- hohscher Mittel bei Schlangenbiss wohl zu schätzen. So ge- brauchen die Indianer Mexikos einen Aloe-Branntwein (mescal), der durch Gährenlassen und nachherige Destillation des Saftes der Agave mexicana septentrionalis gewonnen wird und die Stärke eines 40 "fi igen Spiritus hat ^). Statt des Alkohols kann man auch andere excitirende Mittel anwenden, namentlich Aether, starken Kaffee, starken heissen Thee, Campherinjectionen u. s. w. Paletta empfahl als diaphoretisch wirkendes Excitans besonders das Trinken von Glühwein. Es hat übrigens auch nicht an Leuten gefehlt, welche die Anwendung von analeptischen Mitteln wenigstens bei allen schweren Fällen von Vergiftung durch Schlangenbiss gänzlich verwarfen, weil sich bei Thierversuchen gezeigt hatte, dass jene Mittel durch Erhöhung des Blutdruckes eine ungeheure Steigerung der nach Schlangenbiss so häufig eintretenden hämorrhagischen Processe (Lungenblutung u. a.) hervorriefen-). Indessen stehen doch diese Resultate in einem solchen Wider- spruche zu den Erfahrungen, welche man mit den Stimu- lantien bei von Giftschlangen gebissenen Menschen gemacht hat, dass es sicherlich nicht gerechtfertigt ist, diese Mittel als schädlich bei Schlangenbiss zu erklären und deshalb ihre An- wendung zu unterlassen. Zum Schlüsse seien noch zwei Mittel, A tropin und CoffeYn, erwähnt, die in Thierversuchen zum Theil mit Er- folg benutzt wurden '). Das erstere wurde gewählt, weil es '^Tlaphegyi, Philad. med. and. surg. Rec. XVIJl. 12. p. 249. March 1868. *) Feoktistow, Mem. de l'Acad. des scienc. de St. Pötersbourg. XXXVI. 1888. No. 4. ') Aron, Zeitechr. f. klin. Med. Vf. 1883. S. 332 u. 385. — 96 — gegen das ähnlich wie Schlangengift auf Herz und Athmung wirkende Morphium als Gegenmittel gegeben wird; es erregt heftig das Gehirn, wirkt indirect erregend auf die Herzaction durch vorübergehende Lähmung der hemmenden Vagusendi- gungen, steigert dadurch gleichzeitig den Blutdruck, und be- schleunigt endlich auch die Athmung durch directe Erregung des Respirationscentrums in der Medulla oblongata. Alle diese Wirkungen entsprechen allerdings denen, welche ein ideales Gegenmittel gegen Schlangengift besitzen müsste. Indessen erreichte man mit dem Atropiu nur, dass zwar die Herzaction der damit behandelten Thiere eine regere zu sein schien, der Tod aber nur in einem Falle dadurch hinausgeschoben wurde. Das ähnlich wie Atropin wirkende Coffein liefert leider auch keine besseren Resultate. Als neuestes innerliches Antidot gegen Schlangengift wird auf Grund nur eines Falles das Cocain bezeichnet^). Bei einem von einer Kreuzotter Gebissenen wurde, nachdem bereits schwere Erscheinungen eingetreten waren, ^ji Spritze einer 5 ^/o igen Cocainlösung subcutan eingespritzt, und der Kranke gerettet. Da ausser dem Cocain keine anderen Medicamente angewandt waren, so meinte man, dasselbe müsste in diesem Falle als Anti- dot gegen Schlangengift gewirkt haben, bedenkt aber dabei nicht, dass Kreuzotterbisse selbst nach Eintritt schwerer Sym- ptome in der Regel doch noch von selbst in Heilung übergehen; und dass ausserdem in dem betreffenden Falle dem Gebissenen zugleich Wein, schwarzer Kaffee etc. verabreicht worden waren. Das Vorstehende ist selbstverständlich keineswegs geeignet, dem Cocain den Charakter eines Antidotes zu geben. 5. Pflanzliche Mittel. Von allen Heilmitteln gegen Schlangenbiss haben von dem frühesten Alterthum an bis in die neueste Zeit die Pflanzen ohne Zweifel die grösste Bedeutung gehabt und haben sie in den Tropen zum Theil auch heute noch. Zahllos ist in allen 1) Har lancier, Wiener med. Presse. XXXVII. 1893. S. 1456. — 97 — Ländern, in denen überhaupt Giftschlangen vorkommen, und zwar besonders in Ostindien und Südamerika, die Menge der- jenigen Pflanzen, welche als specifische Gegenmittel gegen den Schlangenbiss empfohlen worden sind, und manche von ihnen, bei denen häufig schon die Namen, wie Schlangenwurzel, Schlangenholz, Serpentina, Dracontium, Dracunculus etc., auf den Zweck ihres Gebrauches hinweisen, hatten als unfehlbar eine allgemeine Berühmtheit erlangt. Nachdem aber unbe- fangene Beobachtungen und wissenschaftliche Untersuchungen ergeben haben, dass von den bekanntesten und am häufigsten angewandten Pflanzen keine einzige als sicheres Heilmittel gegen Schlangenbiss zu betrachten ist, und dass auch die viel gerühmte Mikania Guaco kein Specificum ist, so hat sich gegenwärtig ärztlicherseits die Anwendung von Pflanzen in der Therapie des Schlangenbisses vermindert, und man über- lässt es selbst in den Tropenländern meistens nur noch den Eingeborenen, die Gebissenen mit Pflanzenpräparaten zu be- handeln. Fast überall sind die letzteren durch die chemischen Mittel verdrängt worden. Diese Missachtung der Pflanzen ist aber durchaus nicht gerechtfertigt, denn wenn auch viele von ihnen, namentlich im Alterthum und Mittelalter, nur aus reinem Aberglauben angewandt wurden, z. B. weil sie die „Signaturen" von Schlangen trügen , d. h. weil ihre Wurzeln schlangenförmig gekrümmt wären , oder ihre Dornen Vipernzähnen glichen, oder ihre Blüten in der Zeichnung Vipernköpfen oder -zungen ähnlich sähen u. dgl., so sind doch, wie wir später sehen werden, viele Pflanzen darunter, welche durch ihre Wirkung als Diuretica, Diaphoretica, Purgantia und Emetica die Aus- .scheidung des Schlangengiftes aus dem Körper befördern oder durch ihre stimulirende Wirkung die Herzthätigkeit und di<' Athmung aufrecht erhalten können, bis durch die Elimination des Giftes jede Gefahr vorüber ist. Jedenfalls ist nicht zu bezweifeln, dass derartig wirkende Pflanzen als physiologisciie Gegenmittel bei Vergiftung durch Schlangenbiss au.sgezcich- 'te Dienste lei.sten können. Freilich angeblich specifisch Brenniiiß, Ki« Vergiftungen durch Schlangßn. 7 — 98 — wirkende Pflanzen sind bisher in Europa noch nie in ratio- nellen Versuchen als solche erkannt worden. Es ist aber auch hervorzuheben, dass derartige Experimente bisher nur ganz vereinzelt angestellt wurden, und dass es ein Postulat ist, die- jenigen Pflanzen, die von Reisenden als Antidota gerühmt und von den Eingeborenen tropischer Länder gebraucht werden, dem Laboratoriumsversuche zu unterwerfen. Erst nach sol- chen Prüfungen wird sich beurtheilen lassen, in welchem Um- fange Wahrheit oder Aberglaube bei der Beurtheilung solcher tropischer Pflanzen eine Rolle spielen. Ich habe mich im Folgenden bemüht, möglichst alle Pflanzen aufzuzählen, welche jemals als Mittel gegen Schlangen- biss gebraucht worden sind und noch jetzt gebraucht werden. Von den im Alterthum angewandten Pflanzen habe ich alle diejenigen berücksichtigt, welche sich überhaupt mit einiger Sicherheit bestimmen lassen. Auch von den in der Neuzeit gebrauchten Pflanzen hoffe ich keine irgendwie wichtigere übergangen zu haben, obwohl es sehr wohl möglich ist, dass in dieser oder jener Reisebeschreibung noch Pflanzen erwähnt werden, deren Anwendung gegen Schlangenbiss in den von mir benutzten Werken mit Schweigen übergangen ist. Ranunculaceae. Die Pflanzen dieser Familie spielen in der Therapie des Schlangenbisses nur eine untergeordnete Rolle: auch im Alter- thum gebrauchte man nur wenige von ihnen, Nigella sativa L., Schwarzkümmel, von Plinius^) als Gith, Melanthion, Melaspermon angeführt, legte man mit Essig und Honig zusammen auf die Bisswunde. Die Samen der Pflanze, früher als Semen Nigellae s. Melanthii offi- cinell, enthalten ein ätherisches Oel, einen glycosidähnlichen Körper, zwei Alkaloide und ein Glycosid Melanthin. Die Wirkung ist vorzugsweise eine diuretische. Das Hauptalkaloid, Nigellin genannt, bewirkt bei intravenöser Injection grösserer ') Plinius, Hist. nat. XX. 71. — 99 — Mengen eine Curare-artige Lähmung; hohe Dosen lähmen den Herzmuskel, erregen ähnlich dem Pilocarpin Speichel- und Thränenfluss und rufen Anfälle von Athemnot hervor. Das zweite Alkaloid, Conigellin, bewirkt ebenfalls Herzlähmung ^). N. aristata Sm. ist die von den Alten-) als Cuminum oder Cuminum silvestre bezeichnete Pflanze, welche wohl ähnlich wie die vorige wirkt. Paeonia officinalis L. (P. peregrina Mill.) , die Glykyside. Paeonia. Pentorobos des Plinius ^). Man gab die schwarzen Samen der Pflanze in Wein. Dieselben enthalten ausser anderen Bestandtheilen auch ein Alkaloid. P. corallina Retz. wurde ebenso gebraucht und ebenso bezeichnet wie die vorige Art. Delphinium Staphisagria L. , die Staphis oder Astaphis der Alten. Die zerriebenen Blüthen sollen nach Pli- nius^) mit Wein innerlich und äusserlich angewandt werden. Von auch in neuerer Zeit angewandten Pflanzen sind zu nennen: Helleborus antiquorum Braun, der Helleborus melas des Hippokrates und H. niger L.. die schwarze Nieswurz, deren Wurzel früher officinell war^). Die Wurzeln und Wurzelblätter der Gattung Helleborus enthalten neben fetten Oelen, scharfen Harzen und anderen Stoffen als wesentliche Bestaudtheile die beiden Glycoside Helleborein und Helleborin. Das Hellebore'in ist ein Herzgift (2 — 4 dg tödten Katzen in '1 — 5 Stunden) und wirkt wie Digitaliii. Ausserdem wirkt es auf den Darm als Drasti- cum , auf die Respiration, die Secretionsorgane , besonders Speicheldrü.sen und Nieren, und auf das Nervensystem in der ')PelIacani, Arch. f. experim. Hathol. u. l'harmakol. XVI. )X83. S. 440. ») PliniuH, HiHt. uiit. XX. 57. ') Fbid. XXVH. 60. *i Ibid. XXIII. V.',. ■) «Jazette de Sant/-. T,. Nov. 1822. — 100 — Art, dass sich lähmungsartige Schwäche und Convulsionen ein- stellen. Die örtliche Wirkung ist eine irritirende. Das Helle- borin dagegen hat narkotische Eigenschaften und tödtet durch Lähmung der Nervencentra. Auch auf den Darm wirkt es ein, doch schwächer als Helleborei'n. In Nordamerika^) gebrauchte man früher und vielleicht auch noch jetzt bei Schlangenbiss : Actaea racemosa L., welche die dort officinelle, sehr bittere Radix Cimicifugae Serpentariae liefert, sowie einige Arten der Gattung Thalictrum. Das in einigen der- selben enthaltene Thalictrin wirkt dem Aconitin ähnlich, jedoch weit schwächer und mehr lähmend, aber weniger brechenerregend und Athemstörung hervorrufend. Die Diurese wird angeregt. Ranunculus repens L. und andere Arten der Gattung Ranunculus. In derselben scheint bei vielen Arten das Anemonin vertreten zu sein, welches eine lähmende Wirkung auf Gehirn und Medulla oblongata ausübt. Aconitum ferox Wall., Mahoor (Hind.), Vashanavi (Tam.) gilt in Indien als Mittel gegen Schlangenbiss ^). Die Pflanze enthält ebenso wie Aconitum Napellus und andere Aconitum-Arten giftige Basen. Das Extract bewirkt Athem- noth, Schwäche, Lähmung, die bei den Hinterextremitäten beginnt, Schwindel, Convulsionen, Pupillenerweiterung und Tod durch Asphyxie. Magnoliaceae. Drimys granatensis L. ist in Südamerika, besonders in Columbien, unter den Namen Malambo, Bejuco de Ouayaquil, Canelo de la costa als Mittel gegen Schlangen- biss bekannt^). ') Schöpf, Reisen durch einige der mittleren und südlichen Ver- einigten nordamerikanischen Staaten nach Ostflorida und den Bahama- inseln. Erlangen 1788. Bd. I. S. 191. 2) Drury, The useful Plants of India. 2. ed. London 1873. p. 12. ^) Saffray, Voyage ä la Nouvelle Grenade (in le Tour du monde, t. XXIV. p. 98). — 101 — Menispermaceae. Aus dieser Familie werden in Südamerika und in Ost- indien folgende Pflanzen gegen Schlangenbiss angewandt: Cissampelos glaberrima St. Hil., „Erva de Nossa Senhora", „Sipo de cobras", in Brasilien^). C. ebracteata St. Hil. (C. ovalifolia D. C.) in Brasilien UOrelha de on9a'')^). C. Caepeba L. in Südamerika. C. convolvulacea Willd. (C. Pareira L.) in Südamerika und Ostindien-). Die gegen Schlangenbiss benutzten Wurzeln der Cissam- pelos-Arten wirken diaphoretisch und diuretisch. Cocculus Filipendula Mart. , „Abuta miuda", in Brasilien ^). C. acurainatus D.O. (hindustanischer Name: baga mushadee) in Ostindien (Stengel)-). Abuta rufescens Aubl. (Cocculus Pahni Mart.) in Guyana (Wurzel und Stengel)^). Die angeführten Arten der Familie scheinen bisher nicht genauer chemisch untersucht zu sein. Vielleicht enthalten die Cocculus-Arten, wie die bekannte Colombo- Wurzel (Jateorrhiza palmata Miers., Cocculus palmatus Wallich.), in ihren Wurzeln den Bitterstoff Columbin und die Columbosiiure, oder in ihren Fruchtkernen, wie die Kokkelskörner (Anamirta Coccu- lus Wight u. Arnod, Cocculus suberosus Dec), das als Hirn- krampfgift wirkende Pikrotoxin. Tiliacora acuminata (Miers.), Bagaluta (Hind.), Tilia-kora (Beng.), Vullycaniram (Mal,), wird in Indien zwischen zwei Steinen zerrieben und mit Wasser gemischt bei Schlangenbiss angewandt '). ') V. MartiuH, Syst. raat. med. veget. Brasil. 1843. p. 42. *; Waring, Madras Quart. Journ. of Med. Sc. IV. p. 5. *) LarieHMHn, Loh plantcH utiles des colonies fran^aises. l'ariH 1886. p. 364. *) Drury I. c. p. 427. 102 Berberidaceae. Von Leontice Leontopetalum L. gebrauchte mau im Alterthum die Wurzel gegen Schlangenbiss. Papaveraceae. Papaver somniferum L. Mohnsaft resp. Opium wurde von Avicenna, Mercurialis, Grevinus und selbst noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts als Mittel gegen Schlangenbiss empfohlen, obwohl der wesentlichste seiner Be- standtheile, das Morphium, anstatt der entgegengesetzten fast die nämlichen Wirkungen wie das Schlangengift hervor- ruft. Auch die verschiedenen Arten von Theriak enthielten als Hauptbestandtheil fast immer Opium, das Meconium der Alten. P. Argemone L. wird als Argemonia von Cel- sus ^) und Apulejus Platonicus^) gegen Schlangenbiss ge- rühmt. Chelidonium majus L. wird von Plinius ^) als Mittel gegen Schlangenbiss erwähnt. Wurzel und Kraut waren früher officinell und wurden namentlich bei Stockungen im Pfortadersystem gebraucht. Die Pflanze enthält ausser an- deren Stoffen in ihrer Wurzel die Alkaloide Chelidonin; a-Homochelidonin, ß-Homochelidonin, Chelerythrin und Protopin. Sanguinaria canadensis L. Ein Decoct der Wurzel dieser Pflanze wird in den Vereinigten Staaten gegen Schlangen- biss und auch sonst als Emeticum, Expectorans, Diaphoreti- cum, Purgans und Stimulans angewandt. Die Wurzel ist dort als blood-root oder Puccoon bekannt^). Sie enthält die ^) Celsus, De medicina. Y. cap. 27. ^) Apulejus Piatoni cus, De viribus herbarum. ^) Plinius, Hist. nat. XXV. 56. ■*) Schöpf, Materia medica americana. 1787. — 103 — Alkaloide Sanguiuarin. ß-Homoclielidonin, Chele- rythrin und Protopin^). Argemone mexicana L. wird auf Martinique gegen den Biss der Lanzenschlange gebraucht und hat eine dia- phoretische Wirkung -). Die Papaveraceenalkaloide sind neuerdings von H. Meyer ^) untersucht worden. Danach scheint es. als ob das Pro topin, das sich auch im Opium und wahrscheinlich auch in Macleya cordata findet, von allgemeiner Bedeutung für die ganze Familie ist. Es erregt die psychische Sphäre und führt in grösseren Dosen Krämpfe und Tod durch Erstickung oder Erschöpfung herbei. Herz und Gefässnervencentrum wer- den gelähmt, die Athmung aber wird nicht beeinflusst. Das Chelidonin liefert bei Oxydation mit Kaliumperman- ganat dieselben Producte wie Morphium, so dass man auf eine trewisse Verwandtschaft dieser beiden Alkaloide schliessen kann. Auch seine Wirkung ist eine dem Morphium ähnliche narkotische. Es lähmt das centrale und einen Theil des peri- pherischen Nervensystems. Die Pulsfrequenz wird herab- gesetzt, der Blutdruck fällt zuerst, steigt dann wieder zur Norman: bei grossen Dosen sinkt er stetig. Die Herzthätig- keit wird durch Narkose der motorischen Ganglien und durch Erregung der Vagus-Endigungen im Herzen gelähmt. Das a-Homochelidonin wirkt fast wie Chelidonin. Es ruft morphiumartige Narkose und Analgesie, absteigende Para- lyse, Lähmung der sensiblen Nervenendigungen und der moto- rischen Herzganglien hervor. Beim ,3-Homochelidonin ^ind, ähnlich wie beim Proto- pin, die narkotischen Wirkungen schwächer, die krampferregen- den stärker. Es wirkt örtlich stark anästhesirend. ') Ueber die Alkaloide der Wurzel von Sanguinaria s. Koenig, Inaug.-DinH. Marburg 1890 und Tietz , Inaug.-Diss. Marburg 1891. *) Kufz, Enqurie. ],. 131. *) H. Mey';r, Archiv für oxpuritn. Pathologie und Pharmakologie. vXlX. 1892. S. 397. Vgl. auch E, «chmidt, Archiv der i'harmacie. 'CXXVIII. 1890. S. 9fi. CCXXXI. 1893. S. 13C. — 104 — Das Sanguinarin ist ein heftiges Gift, besonders für die nervösen Centralorgane. Es erhöht stark die Reflexerreg- barkeit, verursacht' in grossen Dosen Krämpfe mit schnellem Uebergang in Lähmung und Speichelfluss. Die Athemfrequenz ist anfangs erhöht und sistirt plötzlich bei letalem Ausgange, Der Blutdruck ist ohne wesentliche Aenderung der Pulsfrequenz erhöht, bei starken Dosen aber herabgesetzt durch Lähmung des Gefässnervencentrums. Das Chelerythrin endlich bewirkt absteigende moto- rische Paralyse und Tod durch Athemlähmung. Grosse Dosen lähmen auch die Herzaction und die vasomotorischen Centren. Dem Chelerythrin wird meistens die Schuld an der Giftigkeit des Chelidonium majus zugeschrieben, indessen ist es darin in nur ganz minimalen Mengen enthalten. Die Schärfe der Pflanze beruht vielmehr auf in ihrem gelben Milchsafte be- findlichen, vermuthlich harzartigen Stoffen. Das trockene Kraut ist unwirksam und unschädlich. Cruciferae. Die wenigen gegen Schlangenbiss angewandten Pflanzen dieser Familie sind im Wesentlichen folgende: Sinapis albaL. Der Senf wurde, mit Essig abgerieben, auf die Bisswunde gelegt ^). Die Samen enthalten ausser anderen Stoffen das Alkaloid Sinapin und das Glycosid Sinaibin. Brassica Rapa L. (Rapo der Alten). Die Samen wurden aufgelegt und in Wein getrunken ^). Lepidium sativum L. Isatis tinctoria L. (Isatis sativa, Angion, Arufion, Gluta, Glastum)^). Die Pflanze enthält In- dican. Raphanus sativus L. ''=). 1) Plinius, Eist. nat. XX. 87. 2) Ibid. XX. 9. ^) Apulejus Platonicus 1. c. *) Petrus de Abano, De venenis. 1473. — 105 — Alyssum spinosum L. ^) (s. Echium vulgare). Ausser diesen Arten werden von alten Autoren noch einige nicht genauer zu bestimmende Cruciferen erwähnt, wie Nasturtium, Lepidium, Iberis, Thlaspi, Eruca. Capparidaceae. Capparis spinosaL. Avurde nur aus dem Grunde an- gewandt, weil die Dornen den Vipernzähnen ähnlich wären ^). Violaceae. Viola ovata Nutt. Ein Infus der Pflanze wurde von Williams empfohlen ^) . Bixineae. Von Flacourtia sepiaria Roxb., Courou moelli (Mal.), Sottacla (Tarn.), giebt man in Indien innerlich ein Infus der Blätter und Wurzel*). Folygalaceae. Polygala Senega L. („rattle-snake root"). Die Senegawurzel führen die Seneka- Indianer in Nordamerika überall, wo sie von einer Schlange gebissen zu werden fürchten, bei sich, streuen, sobald sie gebissen sind, etwas von der ge- pulverten Wurzel in die Wunde und nehmen auch eine geringe Menge davon ein ''). Der Gebrauch der Pflanze gegen Schlangen- biss wurde im Jahre 1735 durch John Tennant bekannt, der das Geheimniss von den Indianern erfahren hatte ^). Die Wurzel enthält als wirksamen Bestandtheil ein Saponin, welches expectorirende Eigenschaften hat, in grösseren Dosen ') Schöpf, ReiHen. ') Redi, OVjservationes de vipera. 1729. *) WilliamB, Joum. de chim. med. Nov. 1834. ♦) Rheede, Hort. Malabar. V. 77. ») Schöpf 1. c. *) Barton, Ve^etablo Miit. nird. of the l'nited States. 1817/18. Vol. II. — 106 — aber das Herz, das vasomotorische und das Athmungscentrum lähmt. Die darin enthaltene Q uillaj asäure ist ein Proto- plasmagift, indem sie lebendes Protoplasma in todtes ver- wandelt und die rothen Blutkörperchen auflöst. Diese Wir- kung zeigt sich aber nur bei subcutaner Injection der Säure, innerlich genommen ist sie unwirksam ^). Von geringerer Bedeutung sind: Polygala purpurea Nutt., P. sanguinea L., welche in Nordamerika gegen Schlangen- biss gebraucht werden, und P. crotalarioides Roxb., die in Vorderindien zu dem- selben Zwecke angewandt wird ^). Caryophyllaceae. Plinius^) empfiehlt den Samen der feuerrothen Lychnis in Wein abgerieben zu trinken, womit er vielleicht die süd- europäische Agrostemma Corona ria L. meint. Auch in neuerer Zeit scheinen die Pflanzen dieser Familie nur sehr selten gegen Schlangenbiss angewandt worden zu sein. Die einzige zu ermittelnde Art ist Polycarpaea spadacea Lam. in Vorderindien^). Portulaceae. Portulaca oleraceaL. (Porcillaca,Peplis) wurde im Alterthum gegen die Bisse des Haemorrhus und Prester gegessen und aufgelegt °). Hypericineae. Das von älteren Autoren empfohlene Hyperikon oder Hyperion ist vielleicht identisch mit Hypericum Coris L. ^) Kobert, Archiv f. experim. Pathol. u. Pharm. XXIII. 1887. S. 232. '-) Madras Quart. Journ. IV. p. 7. 3) Plinius. Hist. nat. XXI. 98. "■) Rheede, Hort. Malabar. X. 131. ^) Plinius, Hist. nat. XX. 81. — 107 _ lu Brasilien benutzt man von Hypericum laxius- culum St. Hil. (.,Alecrim bravo") und H. connatum Lara. (^Orelha de Gato") ein Decoct der adstringirend wirkenden Blätter ^). Guttiferae. Mesua ferrea L.. hindostanisch Nagasur. Blüthen, Blätter und Rinde werden in Indien innerlich und äusserlich als Pulver angewandt. Die Wirkung ist eine diaphoretische -). Malvaceae. Malven wurden bereits im Alterthum zuweilen bei Schlangenbiss gebraucht. In der Neuzeit wendet man von Malvaceen an: HibiscusAbelmoschus L., Kala-kastoree (Hind.), Katta-kasturi (Mal.), Kathe-kasturi, Kasturi-ven- day, Vettl ei - ku s torei (Tam.) in Indien^) und Gossypium brasiliense Macf. iiuf Martinique *), und zwar hiervon ein Infus der Wurzel, von Hibiscus dagegen die an Pflanzenschleim reichen Samen innerlich und äusserlich. Lineae. Linum usitatissimum L. Leinsamen werden von Avicenna gegen Schlangenbiss empfohlen. Erythroxylon anguifugum Mart. („Fruta de Pomba"). Man benutzt hiervon in Brasilien die Rinde der Wurzel *). Von Hugonia Mystax L., Modera canni (Mal.), Agoore (Tam.). gebraucht man in Indien die zerquetschte Wurzel äusserlich und die Wurzelrinde innerlich"). Die ') V. Martius, Syst. mat. niofl. IJra.sil. )). 110. *) MadraA Quart. .lourn. IV. \t. 12. ») Ibid. p. 11. *) Kufz, EnqufHe. p, 138. 'j V. Marti UH 1. c. p. 73. ') Rheede. Hort. Malabar. II. HO. — 108 — Pflanze wirkt diuretisch, diaphoretisch, tonisch und stimu- lirend. Malpighiaceae. Von Byrsonima crassifolia H. B. Kth. (B. Mou- reila Loud.) wird in Guyana ein Infus der Rinde gegen Schlangenbiss angewandt ^). Zygophylleae. Tribulus terrestris L. wird von Dioscorides als Mittel gegen Schlangenbiss erwähnt. Geraniaceae. Eine Oxalis war im Alterthum in Gebrauch^). Averrhoa Carambola L. wird in Indien^), und Impatiens in mehreren Arten in Nordamerika benutzt^). Rutaceae. Ruta graveolens L. (Ruta, Peganum) wurde im Alterthum als Mittel gegen Schlangenbiss sehr hoch geschätzt und als solches von Dioscorides, Plinius, Celsus und Anderen empfohlen. Die Raute enthält ausser einem äthe- rischen Oele in ihren Blättern das Glycosid Rutin. Der Gebrauch des Dictamnus albus L. gehörte mehr dem Mittelalter als dem Alterthum an. Citrus Limonum Risso. Schon Rhazes empfiehlt Citronensamen gegen Schlangenbiss, und noch gegen- wärtig scheint der Citronensaft in den verschiedensten Ländern zu demselben Zwecke angewandt zu werden, so auf Martinique innerlich und äusserlich, ebenso wie die Wurzel ^) Rieh. Schomburgk, Eeisen in Britisch-Guyana, und Lanes- ] san 1. c. S. 371. ' '^) Scribon. Largus in Matthioli Commentarii. ^) Burman, Thesaur. Zeylanicus. p. 148. • *) Germer, Wöchentlicher Leuchtthurm von Brie. 23. Juli 1869. — 109 — des Baumes gegen den Biss der Lanzenschlange ^), und auch in Paraguay ^). Die Citronen enthalten Citronenöl, Citronen- säure und in den Kernen das Glycosid Limonin. Pilooarpus pinnatus Lam. Die Blätter dieser Pflanze, die Fol ia Jaborandi •*), in Südamerika und zwar besonders in Brasilien schon lange als Mittel gegen Schlangenbiss be- kannt und geschätzt, wurden erst 1874 näher bekannt. Sie enthalten als wirksame Bestandtheile neben einem ätherischen Gele zwei Alkaloide, Pilocarpin und Pilocarpidin*). Beide bewirken hauptsächlich Vermehrung der Speichel- und Schweisssecretion, jedoch das Pilocarpin in weit stärkerem Grade als Pilocarpidin. Auch die Diurese wird gesteigert. Vielleicht ist die Beschleunigung der Giftausscheidung durch die Anregung der Drüsenthätigkeit als Ursache des Gebrauchs heranzuziehen. Bergera Königii L. (Murraya Königii Spr.), Kari- bepon, Karreya-pela (Mal.). Carroova-pillay (Tam.), Karay-paak (Hind.). Rinde und Wurzel werden in Indien gegen Schlangenbiss gebraucht^). Vielleicht findet sich darin ebenso wie in den Blüthen von Murraya exotica das Glycosid Murrayin. Die Wirkung ist eine stimulirende und laxirende. Auch legt man die in Milch gekochten Blätter der Pflanze zerquetscht als Umschlag auf die Bissstelle "). Von Aegle Marmelos Corr., Madja (Mal.), MödjOh (Jav.). werden auf Java die Blätter, deren Saft laxirend wirkt, als Antidot bei Schlagenbiss angewandt^). ') Kufz, Knquüte. p. 147, 193. *) Rengger, Meckers Arch. f. An. u. l'hys. 1829. S. 271. ■'•) Auch dii8 ähnlich wirkende Piper reticulatura L. führt in Südamerika di;n Namen ,Jaborandi^ *) ¥.. Harnack, Arch. f. expcrira. Pathol. u. Pharm. XX. 1886. H. 439. '; Roxijurgh. Flor. Ind. II. 374. "j D rury 1. c. p. 78. ^ BisBcbop ürevelink, l'lantfn van Xodt^rlaiKlHfli - liulic Amsterdam 1883. p. 481. — 110 — Simarubaceae. Von Samadera indica Gaert. gelten in Indien die Blätter als Antidot gegen Schlangenbiss ^). Die Pflanze ent- hält wahrsch einlich Q u a s s i i n . Simaba Cedron J. F. Planch. Die Samenkörner der Pflanze sollen im Jahre 1828 von Indianern auf den Markt von Carthagena in Columbien gebracht, und ihre Wirksamkeit an Thieren, die man von Schlangen beissen Hess, erprobt worden sein. Dieses Mittel fand in Folge dessen bald ein solches Ansehen in jener Gegend, dass der Preis für ein einziges Korn auf 80 Franken stieg. Her ran, der das Mittel prüfte, sah ebenfalls nach innerlicher Anwendung von fünf bis sechs Körnern als Pulver günstige Erfolge. Nach Dumont dagegen sind die Körner nur, wenn einige Stunden vor dem Bisse genommen, im Stande die Wirkung des Giftes abzu- schwächen, so dass nur Localerscheinungen auftreten, der Tod aber vermieden wird. Nach dem Bisse genommen sollen sie jedoch erfolglos sein ^). Die Samen enthalten den intensiv bitteren Stoff Cedrin, der viele Analogieen mit Strychnin zeigt und ein starkes Gift ist. Die Früchte enthalten ebenso wie die Samen von Picrolemma Valdivia G. Planch. den Bitterstoff Val divin, der noch giftiger ist als Cedrin, Hunde in Dosen von 0,006 g in 5 — 6 Stunden tödtet und beim Menschen zu 0,004 g in einer Viertelstunde emetisch wirkt. Restrepo, der mit beiden Stoffen Versuche anstellte, fand dieselben erfolglos bei Hunden und Kaninchen^). Burseraceae. Amyris GiliadensisL. wird in Aegypten bei Schlangen- biss gebraucht '^). 1) Rheede, Hort. Malabar. VI. 32. '-) Rufz, Enquete, p. 297. ^) Restrepo, Etudes du Cedron , du Valdivia et de leurs prin- cipes actifs, la cedrine et la valdivine. These, Paris 1881. *) Ainslie, Mat. med. ind. I. 27. — 111 — Balsamod endr on africanum Arn. in Senegam- bien und B. Mukal Hook, in Indien liefern ein früher zur Berei- tung von Pflastern benutztes Gummiharz, Bdellium, das vom Alterthum bis in die neueste Zeit eine ausgedehnte Ver- breitung in der Behandlung des Schlangenbisses gefunden hat. B. Myrrha Nees liefert das Myrrhenharz, und mehrere Arten von Boswellia das Olibanum (Weihrauch), welche beide ebenfalls zur Heilung des Schlangenbisses gebraucht wurden. Celasirineae. Von Elaeodendron Roxbur^hii W. et A. gilt die Wurzel in Indien als ausgezeichnetes Mittel gegen Schlangen- biss. Die mit Wasser geriebene Wurzelrinde soll äusserlich angewandt fast jede Schwellung beseitigen. Die Wirkung ist eine sehr stark adstringirende M. Rhamneae. Paliurus australis Gaertn. (Zizyphus Paliurus Willd.) wurde nur selten benutzt. Ainpelidaceae. Vitis viniferaL. DerGenuss von Weintrauben wurde im Alterthum auch für heilsam gegen den Schlangenbiss erachtet. Sapindaceae. Sapindus trifoliatus L., Ritha (Hind.j, Ponnän- kottai (Tarn.) in Südindien. Man benutzt die Pulpa der Frucht, in der zull,r»'^o Saponin enthalten ist. Die reifen Früchte enthalten über 10*^,o Glucose und etwas Pectin. Der Destillation unterworfen zeigt die Drogue eine Substanz, die der Buttersäure gleicht ''). ') Dniry 1. c p. 190. ') Dymock, Hoop^r and \\'ar-62. p. 7. *) Spix u. V. Martius 1. c. I. S. 279. Note 1. *) VVaflart, Journ. de Pharm. Jan. 1829. '■) Drury 1. c. p. 203. •) Guibourt 1. c, 1867. \>. 83. ') Germer 1. c. — 126 — Erigeron canaclensis L. und andere Arten dieser Gattung ^). Solidago canadensis L, („Klapperschlangenkraut") ^). Liatris spicata Willd. („Gay feather", „Button snake root"). L. dubia (?) („rattle-snake root"), L. squarrosa Willd. I („Pinetta di prairia", L. scariosa Willd. | „rattle snake's master"). Von diesen vier Pflanzen legt man in den Vereinigten Staaten die zerquetschten Knollen auf die Bisswunde, während man innerlich eine Abkochung davon in Milch nimmt ^). Die Wirkung ist eine diuretische. Brainard sah bei seinen Thier- versuchen keinen Erfolg von der Anwendung dieser Pflanzen. Prenanthes alba L. ^) in Nordamerika. P. Serpentaria Pursh. ^). Lactuca virosa L. ^). Der Milchsaft der Pflanze, das Lactucarium, enthält einen Bitterstoff, Lactu ein, und wirkt ähnlich dem Opium narkotisch. Bidens graveolens Mart. und B. leucantha W. sind in Brasilien als „Picäo" bekannt. Man macht von den frisch zerquetschten Blättern und Wurzeln Umschläge *). Hieracium venosum L. ^) in Nordamerika. Echinacia purpurea Moench. (E. serotina D. C.) E. angustifolia D.O. Milleria Contrayerba L. Spilanthes brasiliensis Spr. ^) S. ciliataH.B. Kth. („Guaco de Santa Fe") Kuhnia arguta H.B. *) in Nordamerika. in Bra- silien. 1) Schöpf 1. c. ^) Bar ton, Vegetable materia medica of the United States. 1817/18. Vol. II. p. 225. — Germer 1. c. ^) Spix, Serpentum Brasil. Species novae. 1824. p. 64. *) Spix u. V. Martins 1. c. I. S. 286. Note 49. ^) Schöpf 1. c. — 127 — Eclipta alba Hassk. („Louise Beberie'') in Surinam ^). (Siebe Solanum mammosum.) In Indien gebraucht man: Artemisia vulgaris L., Nagdoun, Mastäru (Hind.), Mächipattiri (Tarn.), Tiru-nitrip acbcha (Mal.), und zwar das Kraut der Pflanze -) ; ferner A. maritima L., Kirmalä (Hind.). Die Blütbenköpfe enthalten das bekannte S antonin und werden mehr als Wurmmittel als gegen Schlangenbiss angewandt ^). Das Gel der Samen wirkt auch diuretisch und purgirend. Serratula amara L. , Girmot der Javaner, ist auf Ceylon und an der Westküste von Ostindien in Gebrauch ^). Inula squarrosa L. wird von Omodei"^) erwähnt. Vernonia anthelmintica Willd., Caatsiragum (Tam.), Catta-seragam (Mal.), Buckche (Hind.). Die Samen bil- den einen Bestandtheil eines gegen Schlangenbiss gebrauchten Pulvers in Indien und wirken wurmtreibend und diuretisch^). Ericaceae. Erica arborea L. wurde nur selten angewandt. Pirola maculataL. und P. rotundifolia L.**) werden in Nordamerika benutzt. Plumbaginaceae. Plumbago scandens L., in Brasilien unter dem Namen „Loco" bekannt. Die frisch zerquetschten Blätter und Wurzeln werden daselbst als Umschläge äusserlich an- gewandt. Die Pflanze hat die Eigenschaft, Blasen zu ziehen''). ') Martin, Bericht über eine Reise nach Niederländisch -West- indien. I, S. 29 ff. ^) Pharmacographia indica. III. p. 284 u. 288. *) Horsfield, Account of the Medical Planta of Java. 1816. *) Omodei, Annali universali di medicina. Vol. LXXXll. April 1837. p. 5. *) Drury 1. c. p. 441. *) Barton, Transact. Am. l'hil. Hoc. Vol. III. p. 103. ') Spix u. V. Martins 1. c. I. p. 305 f. — 128 — Statice Limonium L. (Leinionion, Limonium) wird u. a. von Plinius^) empfolilen. Pritnulaceae. Anagallis arvensis L., in Europa, Westasien und In- dien. Hindustanisclie Namen: Jonkmari, Jainghani. Die Pflanze wurde schon im Altertlium unter dem Namen Cor- cliorus^) und wird noch jetzt in Indien^) bei Schlangenbiss gegeben. Nach Malapert (1857) enthält die Pflanze einen dem Saponin sehr ähnlichen Stoff. Aus dem trockenen Kraute stellte man eine geringe Menge eines flüchtigen, eigen- thümlich und stark riechenden und sauer schmeckenden Oeles dar. Ein paar Tropfen davon verursachten Kopfschmerzen und mehrere Stunden andauernde Uebelkeit. Cyclamen persicum Mill., in Griechenland, Persien etc., wird ebenfalls schon von Plinius^) empfohlen. Die Pflanze enthält ebenfalls einen dem Saponin ähnlichen Stoff, das Cy- clamin. Es hat einen bitteren, scharfen Geschmack, bildet mit Wasser eine seifige Mischung und wird, wenn mit Säuren gekocht, in Glucose und in eine harzige Substanz verwandelt, die man Cyclamiretin nannte. Vergiftete Fische sterben asphyktisch. Das Cyclamin erregt im Magen Brennen, Uebel- keit, Erbrechen, sowie Speichelfluss , wenn es in die Gefässe gelangt. Ebenaceae. Von Diospyros Kaki L. f. wird im nördlichen Japan der stark gerbsäurehaltige Saft der unreifen Früchte bei Schlangenbiss äusserlich angewandt^). ') Plinius, Hist. nat. XXV. 61. 2) Ibid. XXI. 106. ^) Pharraacographia indica. IV. 345. ^) Plinius, Hist. nat. XXV. 67. ^) Mittheilungen der deutschen Gesellschaft für. Natur- u. Völker- kunde Ostasiens. I. Heft 9. S. 6. 1876. - 129 Oleaceae. Olea eui-opaea L. Das aus dem Fruchtfleische des Olivenbaumes gewonnene Olivenöl wurde zuerst im Jahre 1707 von einem englischen Bauer als Mittel gegen Schlangen- biss empfohlen und erlangte als solches bald einen solchen Ruf. dass die Pariser Akademie Hunauld und Geoffroy mit der Prüfung des Mittels beauftragte. Diese führte zu dem Resultate, dass das Olivenöl kein Specificum gegen Schlangenbiss sei; aber, obgleich Männer wie Mead und Fon- tana auf Grund ihrer Versuche dasselbe ebenfalls für nutzlos erklärten, so hat es doch bis in die neueste Zeit hinein eine ausgedehnte innere und äusssere Anwendung gefunden, und noch 1850 behauptete Du sourd ^), dass das lauwarme Olivenöl das beste Mittel gegen Vipernbiss sei. Einreibungen des Oeles um die Wunde bewirken allerdings häufig ein schnelles Erweichen der Geschwulst; dagegen wirkt dasselbe bei inner- lichem Gebrauch, bei dem es esslöö'elweise gereicht werden soll, in sehr hohen Dosen höchstens als Brechmittel und Ca- tharticum, aber sicher nicht specifisch. Auch Weir Mitchell >ah keinen Erfolg von der Anwendung des Olivenöles bei -einen Versuchsthieren. Fraxinus excelsior L. Der Saft vom Eschenlaub wurde gegen den Kreuzotterbiss von Mercurialis und Montin empfohlen. Man stellte aus Eschenblättern einen purgirend wirkenden Stoff" Fraxinit dar, der aber vielleicht nichts weiter als Mannit war. Von Nyctanthes Sarabac L. (Jasminum Sambac Ait.) und Jasminum pubescens Willd. benutzt man in Indien die Wurzel gegen Schlangenbis.s -). Salvadoraceae. Salvadora olcoides Dcne., Pilu, Jhäl (Hind.), Ka- larvii, Karkol, IJgh ai - p ut ta i (Tani.). Die Samen wur- ') DuBOurd, IJull. de Th.'rap. Mai 1850. ») Rheede, Hort. Malabar. VI. H<.). !J5. IsrenniiiK. I^i" Vergiftungen darcli S(hlan).^i-n. — 130 — den in mehreren Fällen von Schlangenbiss in Indien mit gutem Erfolge gegeben ^). Sie enthalten ein weisses Fett und ein in Aether und Amylalkohol lösliches Alkaloid. Von S. persica L., Piloo-kurjal (Hind.), Ooghai- marum (Tam.) werden ebenfalls die purgirend wirkenden Samen innerlich angewandt ^), Äpocynaceae. Von Apocyneen werden als Mittel gegen Schlangenbiss von den alten Autoren empfohlen: Vinca major L. (ägyptische Clematis, Daphnoides, Polygonoides) •^). Nerium Oleander L. (Rhododendros der Alten) *). Die frischen Oleanderblätter enthalten neben Oleandrin und Ps endo cur arin ein Grlycosid Neriin, das alle Eigenschaften des Digitale 'ins zeigt und wahrscheinlich mit diesem iden- tisch ist. In trockenen Blättern fand man ausserdem die dem Digitaliresin entsprechenden Derivate des Oleandrins und Neriins, ferner einen stickstofffreien Stoff Nerianthin, der Digitalinreaction giebt und beim Kochen mit verdünnten Säuren Glycose und ein krystallinisches , dieselbe Reaction gebendes Spaltungsproduct Nerianthogenin liefert^). Das Oleandrin ist ein Herzgift, das zu 0,25 mg systolischen Herzstillstand beim Frosche bedingt. Neriin wirkt wie Digitalem, dagegen bringt Nerianthin keinen systolischen Herzstillstand hervor. N. odorum Ait. , Kaner (Hind.), Alari (Tam., Mal.) wird in Indien gegen Schlangenbiss angewandt. Aus der Rinde lassen sich zwei ebenfalls als Herzgifte wirkende Bitter- stoffe, Neriodorin und Neriodorein extrahiren '^). Viel- leicht sind dieselben identisch mit Oleandrin und Neriin. >) Bomb. Med. and Phys. Trans., New Ser. III. p. 80. ^) Madras Quart. Journ. IV. 13. =") Plinius, Eist. nat. XXIV. 90. ") Ibid. XXIV. 53. ^) Schmiedeberg, Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmokologie. XVI. 1882. S. 151. '') Greenisch, Pharm. .Journ. Transact. (3) XI. p. 873. — 181 — N. tomeutosum Roxb. (Wrightia tomentosa R. et S.), ^'elam-pala (Mal). Die Rinde der Wurzel wird in Indien innerlich gegen Schlangengift gegeben. Ophioxylon serpentinum L. (Rauwolfia Serpen- tin a Benth.) wird in Indien und auf Java gegen Schlangen- biss benutzt. Die einheimischen Namen sind: Chandraka, Chandrapushpa (Sanskr.), Chota-chand, Moonlet (Hind.), Cbivan-amelpodi (Mal.), Puli-pandak (Jav.). Den Ge- brauch der Pflanze gegen Schlangenbiss soll man angeblich, wie auch den des Guaco, von Thieren kennen gelernt haben, und noch 1831 erzählt Duncan^), der in Ostindien einen Kampf eines Ichneumons mit einer Brillenschlange mit ange- sehen haben will, dass jenes, als es von der Schlange gebissen war, zuerst in heftiger Aufregung herumlief, in verschiedene Büsche und Blätter biss, endlich aber Ophioxylon serpentinum fand und, nachdem es einige Blätter davon verzehrt hatte, wieder auf die Schlange zulief, sie tödtete und gesund blieb. Man giebt den Gebissenen innerlich eine Abkochung besonders der jungen, intensiv bitter schmeckenden Wurzeln und appli- cirt ausserdem dieselben gepulvert auf die Wunde und auf die Augen ^). Ebenso träufelt man den ausgepressten Saft in die Augen. Der wirksame Bestandtheil der Wurzel ist ein Al- kaloid '). Das beste Erkennungsmittel für die Ophioxylon- Wurzel ist die mikrochemische Reaction mit Salpetersäure. Befeuchtet man ein Wurzelscheibchen mit dieser Säure, dann färbt sich der Rindentheil dunkel kirschroth. Bei älteren Wur- zeln färbt sich der Holztheil und die Korkschicht gar nicht; bei jungen Wurzeln ist auch noch stellenweise im Holztheile ein wenig Alkaloid abgesetzt. Man kann durch diese Reaction nicht nur die Localisation des Alkaloides in der Ophioxylon- Wurzel erkennen, sondern auch die Wurzel selbst von anderen ') Archiv dor i'liarmaeie. XXXVII. 1831. S. 369. '') Phannacog^raphia indicu. IV. 414. ') M. G r ohIi off, .Mcdedeelingen uit sLandH l'lantentuin. VII. I» F,] Batavia 1890. — 132 — ähnlichen, oft zur Verfälschung der ersteren angewandten Wurzeln unterscheiden, so von Calotropis gigantea, Cocculus umbellatus und von der falschen Pandak- Wurzel , die von Plumbago rosea L. abstammt. Uebrigens liefern ausser Ophioxylon serpentinum L. auch andere Arten, nämlich 0. trifoliatum Gaertn. , 0. majus und O. obversum das berühmte javanische Heilmittel Puli- Pandak. Die Wurzel gehört zu den ersten Heilmitteln, die von Indien nach Europa kamen. Man findet sie in älteren Werken ausser als Ophioxylon auch als Radix Mungos (Radix Serpentum) aufgeführt, unter welchem Namen auch die Wurzeln der Rubiacee Ophiorrhiza Mungos L. ver- kauft wurden. Thevetia Ahovai L. und Th. neriifolia Juss. (Cerbera Thevetia L.) werden in Brasilien in der Weise angewandt, dass man den Milchsaft oder die zerquetschten Blätter und Samen auf die Bisswunde applicirt ^). Letztere enthalten das Glycosid Thevetii;i, das sehr stark toxisch wirkt und bei Hunden Speichelfluss , Er- brechen, flüssige Stühle, Zittern u. a. Symptome hervorruft; die Thiere sterben nach 0,5 g in 5^/2 Stunden. Auf Kaninchen und Frösche wirkt es als Herzgift; der Herzstillstand erfolgt in der Systole. Die örtliche Wirkung ist eine reizende. Beim Kochen mit verdünnten Säuren spaltet sich das Thevetin in Glycose und Theveresin, welches letztere ebenfalls stark giftig ist und Steifigkeit der Glieder, Insensibilität sowie Herz- stillstand verursacht. Asclepiadaceae. Tincetoxicum officinale L., die Schwalbenwurz, wird nur selten als Mittel gegen Schlangenbiss erwähnt. Sie ent- hält einen glycosidischen StofP, Asclepiadin, der emetisch, diaphoretisch und purgirend wirkt. ^) v. Martius 1. c. p. 90. - 133 - Asclepias Dioscoridis Fraas. (Asklepias, Dracon- tium der Alten). Man gebrauchte die Wurzeln offenbar nur ihrer Gestalt wegen, denn Apulejus Platonicus sagt von der Pflanze: radix ima caput dracontis habet. A. gigantea Ait. (Calotropis gigantea R. Br.), Ak. Madar (Hind.) , Yerkum (Tarn.), Yerica (Mal.), Waduri (Jav.) bildet mit ihrem Safte einen Bestandtheil der schon früher genannten Tanjore-Pillen. Auch wendet man die purgirend wirkende Wurzel der wilden Baumwolle äusser- lich an ^). Daemia extensa R. Br., Utrum (Hind.), Vela paruti (Tam.), \'elli navi, ist ebenfalls in den Tanjore-Pillen ent- halten -). Ferner benutzt man noch folgende Asclepiadeen in Indien gegen Schlangenbiss ^): Tylophora asthmatica Wight., Unta-mool (Hind.), Kurinja (Tam.). Hoya pendula Wight. (Nansj i ra-patsj a). Ceropegia Candelabrum L. (Watta-kaka codi). Gymnema silvestre R. Br., Mera-singi (Hind.), Siru- kurinja (Tam.). Die Hindus legen die gepulverte Wurzel auf den gebissenen Theil und geben eine Abkochung der- selben innerlich '). In Tunis gebraucht man die Blätter der Pflanze äusserlich gegen Schlangenbiss. Wurzel und Blätter haben die Eigenthümlichkeit, dass sie, wenn man sie kaut, für längere Zeit den süssen Geschmack, in geringem Maasse auch den bitteren, aufheben. Das wirksame Prinzip ist die Gymnes insäur e. Die Blätter enthalten ausserdem Wein- säure, Glycose und einen Alkaloidreaction gebenden bitteren Stoff •'^). ') Madras Quart. Journ. IV. p. :). ^ Ibid. IV. p. 1. ») Ibid. IV. p. 3—4. *) Pharmaco>2'4. — Spry's Modern India. Vol. I. ') Drury 1. c. p. 426. *j Geis US, De medicina. V. cap. 27. — Plinius, Eist. nat. XXV. 55. *) Schöpf 1. c. *) Pharmacographia indica. TV. !}A0. ') Rlieede, Hort. Malahar. XI. 115. ") Ainslie, Mat. med. ind. II. liöö. — 138 — Von Physalis somnifera L. (Halicacabum, Gallium) legte man die mit Oel abgeriebene Wurzel auf. Wenn man die Wurzel den Schlangen nähert, so schlafen sie, wie man glaubte, ein und verlieren ihre giftigen Eigenschaften ^). Die Pflanze , welche den Bitterstoff Physalin enthält , hat eine diuretische Wirkung. Von Hyoscyamus niger L., H. albus L. u. a. nahm man die zerstossenen Blätter mit Wein innerlich ^). Die Pflanzen enthalten die sehr giftigen Alkaloide Hyoscyamin und Hyoscin. NicotianaTabacumL. und andere Nicotianaarten werden noch in der neuesten Zeit in den verschiedensten Ländern als ein gutes Mittel gegen Schlangenbiss gerühmt. Man gebraucht vom Tabak zu diesem Zwecke theils die frische Pflanze, be- sonders den Saft, innerlich und äusserlich, theils Decocte, Infuse , Tincturen etc. In Japan rieb man früher die Biss- wunde mit Tabakssaft ein, den auch die Neger auf Martinique in derselben Weise verwenden; er wirkt vermöge seines hohen Nicotingehaltes reizend, vielleicht sogar caustisch. Von anderen Nicotianaarten gebraucht man N. Langsdorffii Weinm. in Brasilien^). Solanum incanum R. Pav. Aus den Blättern macht man in Peru zusammen mit denen des Tabaks einen warmen Brei und verbindet damit die Bisswunde ^). S. mammosum L. („matrozendruif")- Die Wurzeln und Blätter dieser Pflanze werden in Niederländisch-Westindien zusammen mit denen von Eclipta alba („Louise Beberie") und der Prairiebohne gegen Schlangenbiss gebraucht; dazu fügt man noch die verkohlten Köpfe giftiger Schlangen. Man er- hält so eine an Roggenbrot erinnernde Masse, welche die Leute stets bei sich führen und gegen hohe Preise verkaufen. Dieselbe wird aber weder eingeimpft noch als Präservativ- 1) Plinius, Hist. nat. XXI. 105. ^) Ibid. XXV. 58. ^) V. Martius 1. c. p. 120. *) Popp ig, Reise in Chile und Peru. II. S. 268 ff. — 139 — mittel genommen, sondern nur dem bereits Gebissenen ein- gegeben. Zu diesem Zwecke muss sie in Schnaps („dram") oder dergleichen gelöst sein, ebenso wird sie in aufgelöstem Zustande auf die Wunde gelegt. Indessen kann auch das trockene Präparat einfach gekaut und dann auf die Bissstelle gebracht werden; der Schnaps ist also unwesentlich^). S. mammosum enthält ebenso wie die Kartoffel und andere Solanumarten das Glykosidalkaloid Solanin, welches besonders central wirkt und in erster Linie die motorischen und das Athmungscentrum lähmt, also durch Erstickung tödtet. Ausserdem wirkt die Pflanze diuretisch. Franciscea uniflora Pohl (Brunfelsia Hopeana Benth.) ist in Brasilien unter dem Namen „Manacä" als Mittel gegen Schlangenbiss bekannt. Die ganze Pflanze, be- sonders die Wurzel, wirkt diaphoretisch, diuretisch und pur- girend ^). Wurzel und Blätter enthalten ein Alkaloid. Capsicum baccatum L. und C. frutescens L., Mol- laghai(Tam.), Capoo mologoo (Mal.),Lunka rairch(Hind.), werden in Nordamerika und in Indien angewandt. In Indien nimmt man den Saft der Blätter innerlich oder reibt denselben in eine auf dem Scheitel des Kopfes gemachte Incision ein ^). Das wirksame Princip des spanischen Pfeffers, die flüchtige Base Capsaicin, scheint nur eine local irritirende Wirkung zu haben. Scrophulariaceae. Verbascum Blattaria L. (Blattaria), V. Thapsus L. i ,,, , ,., , ,_ . * _ (Verbascum, Phlomos, V. sinuatum L. ^n i _. r.-i 1 Phlomis), V. plicatum Sibth. ) V. limnense Fraas (Phlomis, Lychnitis) sind die im Alterthum gebrauchten Pflanzen dieser Familie'). ') K.Martin, Bericht über eine Heise nach Niederländisch-West- indien. l. 1888. S. 29 ff. *) V. Martins 1 c. p. 07. ') Madraa Quart. Journ. IV. p. Vi. *) FliniuB, HiHt. nat. XXV. 60. 73. 74. — 140 — Digitalis Sesanum (?) wird auf Martinique gegen Schlangenbiss benutzt ^). Herpestes colubrina H. B. Kth., in Chile und Peru, soll noch wirksamer bei Schlangenbiss sein als der berühmte Guaco ^). Scrophularia marilandica L. in Nordamerika. Bignoniaceae. Von Bignonia chelonoides L. gilt in Indien die Rinde, von B. unguis cati L. gelten auf Martinique die Wurzel und Blätter als Mittel gegen Schlangenbiss^). Äcanthaceae. Acanthus ilicifolius L. (Dilivaria ilicifolia Juss.), Kolee-molee-cheddie (Tarn.), Hurkut, Härküchkänta (Hind.), Paina-schulli (Mal.) wird in Indien äusserlich an- gewandt. Die Blätter enthalten ein Alkaloid'^). Rhinacanthus communis Nees., Palak-juhi (Hind.), Näga-malli (Tam.), Puzhuk-koUi, Pushpa-kedal (Mal.). Die Wurzel wird in Indien gegen Schlangenbiss gebraucht^). Sie enthält Rhinocanthin, eine harzige, chinonähnliche Substanz. Barleria cristata L. (Surp-jeeba). Man benutzt in Indien die Samen ^). Peristrophe bicalyculata Nees., Nhasa-bhaga (Beng.). Die junge Pflanze wird in Indien innerlich und äusserlich angewandt ''). 1) Rufz, Enquete, p. 161. ^) Popp ig, Reise in Chile und Peru. ^) Rheede, Hort. Malabar. VI. 48. — Lanessan 1. c. p. 471. ■*) Pharmacographia indica. V. 42. ^) Roxburgh, Flor. ind. I. 121. ^) Madras Quart. Jourh. IV. p. 4. 'J Ibid. IV. p. 5. — 141 — Verbenaceae. Verbena officinalis L. (Verbenaca, Hierabotane, Verminacia) ist eine im Alterthum häufig gegen Schlangen- biss empfohlene Pflanze ^). Von V. virgata R. P. gebraucht man in Brasilien inner- lich und äusserlich ein Infus ^). Von Vitex agnus castus L. (Vitex, Lygos, Agnos) gab man im Alterthum die Samen und Blätter mit Wein ein^). Die Samen sollen einen alkaloidischen Stoff Viti ein enthalten. Von V. altissima Roxb, gebraucht man in Indien die Blätter*). Von Aegiphila salutaris Kth, („Contracole vra") benutzt man in Südamerika ein Decoct der Blätter ^). Clerodendron infortunatum L. Die Blätter sind auf Java gegen Schlangenbiss in Gebrauch''). Zapania nodiflora L., Bhookokra (Hind.), Baleya eetheecannee (Mal.). Der Saft wird in Indien benutzt^). Lahiatae. Die an Arzneipflanzen und Küchengewächsen so reiche Familie der Labiaten lieferte im Alterthume eine grosse Menge von gegen Schlangenbiss gebrauchten Pflanzen, vielleicht sogar die meisten von allen Familien. Ofi'enbar spielte das Vor- kommen von ätherischen Oelen in derselben bei ihrer An- wendung eine bedeutende Kolle. Abgesehen von einigen Gewächsen, deren Gattung und Art sich jetzt nicht mehr mit Sicherheit bestimmen lassen, 'i Plinius, Hist. nat. XXV. .59. — Apulc.jua Platonicus, De viribus herVjarum. *) Lonz, Schlangenkunde. ») Plinius, Hiöt. nat. XXIV. 38. *) Rheede, Hort. Malabar. V. 3. *) Saffray 1. c. "0 BiHHchop Grevelink 1. c. p. 689. '') Rheede, Hort. Malabar. X. 93. — 142 — werden von den alten Autoren besonders folgende Arten gegen Schlangenbiss empfohlen : Mentha piperita L. (Mentha sativa). M. silvestris L. (Mentastrum). M. Pulegium L. (Pulegium). Salvia officinalis L. (Salvia, Sphakos, Elelispha- kos; mit letzteren beiden Namen sind vielleicht auch Salvia pomifera L., Salvia calycina L. u. a. gemeint). S. Horminum L. (Orminon, Corruda). Von dieser Pflanze wurde der gekochte Saft benutzt. Origanum vulgare L. (Origanum viride). 0. heracleoticum L. (Cunila gallinacea). 0. smyrnaeum L. (Dictamnus). Auch die oft er- wähnte Cunila bubila ist eine, jedoch nicht genau zu be- stimmende Origanum-Art. Thymus Serpyllum L. T. Tragoriganum L, ist vielleicht das alte Tragori- g a n o n . Satureja hortensis L. S. Juliana L. ist zum Theil ebenfalls das alte Tragori- ganum. Calamintha Clinopodium Benth. Hyssopus officinalis L. Nepeta Cataria L. N. italica Willd. Dracocephalum Moldavicum L. (Melissa). Betonica Alopecurus L. (Herba Vettonicae, Syde- ritis, Serratula); vielleicht ist auch Sideritis syriaca L. gemeint. Marrubium vulgare L. (Prasion). Ajuga Iva L. (Abiga, Chamaepitys). Teucrium Scorodonia L. (Scordotis). T. Scordium L. (Scordion). T. Chamaedrys L., auch T. lucidum L., T. flavum L. (Chamaedrys, Chamaedrops, Teucria, Teucrion, Trixago). — 14;; — T. Polium L. Ocimum basilicum L. (Basilica, Ocyraum). Rosmarinus officinalis L. (Rosmarinum, Ros maris, Libanotis). In neuerer Zeit werden von den Labiaten folgende Arten gegen Schlangenbiss angewandt: Collinsonia canadensis L. und Cunila Mariana L. in Nordamerika. Von letzterer Pflanze gebraucht man den ausgepressten Saft mit Milch äusserlich ; sie wurde zuerst von Schöpft) empfohlen. Ocimum basilicum L. in Nordamerika und Cochin- china -). 0. gratissimum L. und 0. minimum L. ebenfalls in Cochinchina, und zwar die Samenkörner. Mikromeria marifolia Benth. (Nepeta marifolia Cav.) in Venezuela (s. Echium vulgare). Pogostemon parviflorus Benth. Die Wurzel wird in Indien innerlich und äusserlich, besonders beim Biss der Phorsa-Schlange (Echis carinata), angewandt^). Die Pflanze enthält ein Alkaloid Pogostemonin, ferner Trimethylamin, harzige Stoffe und einen flüchtigen Körper. Leucas cephalotes Spr., Goma, Madha-pati (Hind.), Tumba (Mal.), L. aspera Spr. (Phlomis aspera Willd.), Halkusa, Chota halkusa (Hind.), L. linifolia Spr. und L. zeylanica R. Br. werden in Indien meistens in der Weise benutzt, dass man den Saft der zerquetschten Blätter in die Nase einzieht '). Die zuletzt genannte Art enthält ein Hüchtiges Alkaloid. M Schoepl', Mat. med. ainericana. 1787. ') lianeHHan I. c. p. 708. *) Pbarmacograpbia indica. V. 95. *) Ibid. V. 122 ff. — 144 — Flantagmeae. Plantago maritima L. (Herba Plantago) wird von Apulejus Platonicus und P. Serpentina Lam. von Matthiolus empfohlen. Amarantaceae. Achyranthes aspera L., Chirchirä, Chikra (Hind.), Na-yurioi (Tam.), Kataläti (Mal.). Die Samen der ad- stringirende und diuretische Eigenschaften besitzenden Pflanze gelten in Indien als Heilmittel gegen Schlangenbiss ^). Chenopodiaceae. Beta vulgaris L. Die Runkelrübe oder Mangolt- wurzel wurde im Alterthum und Mittelalter häufig angewandt; sie enthält Beta'in. Phytolaccaceae. Phytolacca decandraL. wird in Nordamerika gebraucht ; die Samen enthalten Phytolaccin, die Beeren Phytolaccin- säure. Polygonaceae. Rheum Rhaponticum L., Rh. Rhabarbarum L. u. a. Rhabarberarten wurden in früheren Zeiten auch gegen Schlangen- biss empfohlen. Polygonum Bistorta L. wurde wegen der schlangen- förmigen Gestalt der Wurzel gebraucht. Aristolochiaceae. Die Arten dieser Familie ^) haben von allen gegen Schlangen- biss angewandten Pflanzen neben Micania Guaco den grössten Ruhm erlangt. Namentlich sind es einzelne Arten der Gattung ^) Drury 1. c. p. 11. 2) L. PI an eh. on, Les Aristoloches. Montp. 1891. — E. J. Wa- ring 1. c. — 145 — Aristolocliia, welche in allen Zeitaltern und in allen Ländern als die besten Mittel gegen Schlangengift empfohlen wurden, so schon von Theophrastus, Dioscorides, Plinius, Apulejus Platonicus, Avicenna, später von Petrus de Abano, Grevinus, Oharas und vielen Anderen. Manche glaubten sogar, es ge- nüge schon, sich die Hände mit einer Aristolochia zu reiben, um Vipern einzuschläfern und unschädlich zu machen oder sie zu verscheuchen. Im Alterthum und Mittelalter gebrauchte man folgende Arten : Aristolochia rotunda L.; diese galt für die wirksamste und bildete einen wichtigen Bestandtheil mancher Sorten The- riak, von Skorpionen-Oelen und anderen Medicamenten. A. longa L. A. Clematitis L. A. PistolochiaL. wurde zuerst von Plinius unterschieden, während die anderen Arten bereits lange vor ihm bekannt waren. Man gebrauchte die Wurzel unter dem Namen radix Aristolochiae tenuis oder radix Polyrrhizae s. Pistolo- chiae. Die Neuzeit ersetzte die erwähnten 4 Arten, welche jetzt als Mittel gegen Schlangenbiss nirgends mehr im Gebrauch zu sein scheinen, durch folgende : Aristolochia Serpentaria L. (Serpentaria virgi- niana). Diese Pflanze ist die ehemals so berühmte Virgini- ^che Schlangenwurzel, welche als Virginian snake-root oder snake-weed zuerst um die Mitte des 17. Jahrhunderts von Thomas Johnson erwähnt wurde. Sie findet sich be- sonders in den südlichen Vereinigten Staaten, wo man sie in der Weise gebraucht, dass man den Saft der frischen Wurzel oder der gekauten Pflanze einnimmt und die zerquetschten Blätter auf die Wunde legt. Die Pflanze soll ein ausgezeich- netes Diaphoreticum sein und auch stimulirend, antiseptisch, diuretisch und purgirend wirken. A. reticulata Nutt. , die Serpentaria von Texas oder falsche Virginischo Schlangonwurzel, wird in den Vereinigten Staaten ebenso wie die vorige Art angewandt. Brenning, Die Vergiftangrm durch Hchlangc-n. 10 — 146 — A. macroura Gomez, in Brasilien, der Heimat der Pflanze, Jarrinha genannt. Man benutzt Wurzel und Stengel. A. trilobata L. (Raiz de Milhomens, Urubu-ca) wird in Brasilien, Guyana und auf den Antillen, besonders auf Martinique, sebr geschätzt. Sie ist ein gutes Diaphore- ticum und vielleicht die wirksamste von allen Aristolochien ^). Man gebraucht die Wurzel als Pulver oder Infus innerlich oder äusserlich. A. glandulosa Kickx soll nach d'Almeida in Brasilien unter dem Namen „Angelico" gegen Schlangenbiss angewandt werden. A. ovalifolia Duch. (Flor de Guaco) in Mexiko. A. maxima L. (Guaco, Vejuco-Carare, Capitan) in Centralamerika und Columbien. A. fragrantissima Ruiz (Bejugo de la Estrella, Cou- trayerba de Bejugo, Pehuamo, Guaco, Guaco de terra caliente) in Peru, Ecuador, Centralamerika. Man legt die frische Rinde auf die Bisswunde. A. cynanchifolia Mart. in Peru. A. anguicida L. (Guaco von Columbien, Mort aux serpents, Manarou, Yabacani, Contra capitan, Snake poison) auf den Antillen und der benachbarten amerikanischen Küste von Mexiko bis Brasilien, besonders in Columbien. Diese Pflanze, auf deren Bedeutung in der Therapie des Schlangenbisses schon ihre Namen hinweisen, ist eine der am meisten gerühmten Arten. Wenn man einige Tropfen ihres Saftes einer Schlange in den Mund bringt, so soll sie betäubt werden. Dieser Thatsache sollen sich die Gaukler bei ihren Productionen mit Giftschlangen bedienen, um letztere auf diese Weise unschädlich zu machen. Einige behaupten, die Schlange sterbe sogar unter Zuckungen, wenn man die Wurzel der Pflanze kaut und ihr einige Tropfen des Speichels beibringt; ebenso soll sie sterben, wenn sie in die ihr vor- ^) Th. Peckolt, Ueber brasilianische Volksheilmittel. Arch. der Pharm. LXXXII. 93. — 147 — gehaltene Wurzel beisst. Auch soll es schon genügen, sich Hände und Füsse mit der Pflanze zu reiben, um die Schlange ohne Gefahr ergreifen zu können. Ist man gebissen, so legt man die Pflanze auf die frische Wunde und nimmt ein Decoct davon innerlich. A. tenera Pohl (Matos) in Columbien. Nach der Sage soll sich ein kleines Säugethier, genannt „Matos", durch Essen der Wurzel vom Schlangenbisse heilen. A. cymbifera Mart. (Jarra, Papo de Peru) in Bra- silien. Man gebraucht das Pulver, den Saft oder ein Infus oder Decoct von den Blättern. Bei Thieren treten folgende Intoxicationserscheinungen nach Eingeben der Pflanze auf: zu- erst Erregung, Erbrechen und Diarrhöe, dann Somnolenz, Schwäche und absolute motorische Paralyse, schliesslich Still- stand der Respiration vor dem des Herzens ^). A. brasiliensis Mart. (Vejugo, Mil-homens) in Bra- silien (der Name „Vejugo" bedeutet weiter nichts als „Liane"). A. ringens Vahl. (Vejugo carare, Mil-homens, Ra- cine du Soleil) auf den Antillen, in Columbien, Venezuela und Brasilien. Man benutzt die Stengel und Wurzel als Pulver oder Decoct und auch den frischen Saft. Die Wurzel hat einen äusserst penetranten, widerlichen, rauteähnlichen Geruch und einen stark bitteren, aromatischen Geschmack; sie soll in ihren Wirkungen fast ganz der Aristolochia Serpentaria L. gleichen. A. cordifolia Mutis (Contracapitana de Monpox, Flor de Alcatras de Monpox) in Columbien (Wurzel). A. odoratissima L. (Tacopatle, Tacopaste, Tlaco- patli, Raiz para el flato, Contrayerva, Birthwort) auf den Antillen, in Mexiko, Central- und Südamerika (Wurzel und Samen). A. sempervirens L. hat in Arabien einen grossen Ruf. 'j Butte, Recherches expirimentaleH sur raclion physiologique et tWrapeutique de l'extrait aqueux du (Juaco (Aristol. cymbifera). — loum. de« nouveaux remedes. 1889. p. 400. — 148 - Eine 40 Tage lang gebrauchte Abkochung der Wurzel soll gegen die schädlichen Zufälle des Schlangenbisses schützen ^). Man legt auch die gekauten Blätter alsKataplasma auf die Wunde. A. Turbacensis Bonpl. (Capitana de Corazon) in Mexiko (Decoct der Wurzel). A. galeata Mart., A. rumicifolia Mart., A. theriaca Mart. und A. antihysterica Mart. in Brasilien^). A. indica L. in Ostindien, Arabien, Australien, auf Java, Timor, den Philippinen etc. Sie ist bekannt unter den Namen Isharmul, Isarmel,Isharamoula,Isarmul-jorabel (Hind. und Bengal.), Perumarundoo, Peroum-Aroundou, Is- churamuli, Ichura-muliver (Tarn.), Akarmulia, Ishwari, Sunanda (Sanskr.), Wallas (Jav.), Akarpoe-loeron (Mal.). Die ehemaligen portugiesischen Ansiedler an der West- küste scheinen zuerst ihren Gebrauch von den Eingeborenen gelernt zu haben und nannten sie „raiz de cobra". Einige Forscher ^) rühmen ihre Wirksamkeit bei Schlangenbiss, andere fanden sie dagegen unwirksam '^). Nach einem Hindustanischen Sprichworte soll die Pflanze sogar die Schlangen fernhalten (dasselbe behauptet Plinius von der A. pistolochia). Lowther^) berichtet zwei Fälle, wo eine schon fast für todt gehaltene junge Frau und ein bereits comatöses Kind durch innere und äussere Anwendung der Blätter dieser Pflanze gerettet wurden. Aeusser- lich gebraucht man letztere in der Weise, dass man Stirn und Glieder mit den Blättern reibt und dieselben zugleich in die Nase steckt. Auch bedient man sich der getrockneten Wurzel, oder einer Abkochung der ganzen Pflanze, oder der in Wasser zerstossenen Wurzel. ') Forskalil, Flora aegyptiaco-arabica. p. 156. 2) V. Martius 1. c. p. 107. 3) Rheede, Hort. Malabar. VIII. p. 18—25. — Burman, Thes. Zeylan. p. 33. ^) Russell, Indian serpents. I. p. 86. *) Madras Quart. Journ. V. p. 138, 742. — 149 — A. bracteata Retz., Cattrabun gla (Sanskr.), Keera- mar (Hind.), Addin-nappale (Tarn.) in Ostindien, Persien, Arabien etc. Sie wird in Mysore zusammen mit Nux vomica- Rinde gegeben. Aucli in Abessynien wird sie als Mittel gegen vergiftete Wunden gebraucht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ausser diesen angeführten Arten noch andere, besonders in Südamerika, gegen Schlangen- biss angewandt werden. Die Wirkung der Aristolochien ist, wie schon bei einzelnen Arten angegeben wurde, im Allgemeinen eine stimu- lirende, diuretische , diaphoretische und antiseptische. Es ist möglich, dass der scharfe frische Saft, wenn örtlich angewandt, auch auf das Gift selbst eine im gewissen Grade caustische oder sonst irgend eine Wirkung ausübt. Orfila^) fand, dass Thiere durch grössere Mengen der Wurzel von Aristolochia Clematitis oder deren wässrigem Extracte nach einigen Tagen unter allgemeinen Lähmungs- erscheinungen zu Grunde gingen. Die Section ergab leichte Entzündungserscheinungen der Magenwand. Bei Pferden sah man nach Eingaben grösserer Mengen eine Art Trunkenheit, unsicheren Gang, allgemeine Trägheit, Somnolenz, Coma, Krampf, Mydriasis auftreten : nach Besserung dieser Symptome blieb noch längere Zeit Verstopfung und starke Diurese zurück. Frühere Untersucher fanden in den Aristolochien einen Bitterstoff, gelben Farbstoff, Oele und Harze. PohP), der die Samen von Aristolochia Clematitis und die Wurzeln von A. longa und rotunda verarbeitete, fand als giftigen Bestand- theil das Aristolochin. Kaninchen starben daran in wenigen Tagen infolge einer sehr heftigen acuten Nephritis an Urämie; die Diurese war anfangs vermehrt, wahrscheinlich durch Reizung der secernirenden Nierenelemente , später wurde der Harn spärlicher und bluthaltig. Es traten ferner Parese der hinteren Extremitäten, Pendelbewegungen des Kopfes, selten ') Orfila, Toxicologie. II. S. 471. 18.54. *j I'ohl, Ueber AriHtolochin, Arch. f. exp(!rim. I'athol. u. Pliar- macol. XXIX. :{. 4. 1891. S. 282. — 150 — Trismus ein. Die Athmung wurde beschwerlich, der Herzschlag aussetzend, die Cornealreflexe schwanden. Dosen von 0,02 g pro Kilo erwiesen sich als tödtlich. Ein Kaninchen abortirte. Bei der Section zeigte sich eine ausgebreitete Nekrose der epithelialen Nierenelemente. Die Glomeruli waren intact. Bei Hunden traten nach subcutaner Application des Aristo- lochins Würgbewegungen, Erbrechen, dünnflüssige Stuhlent- leerungen, Schwäche, stockende Respiration und Tod unter Coma und Respirationslähmung auf. Albuminurie fehlte; da- gegen zeigte sich eine deutliche Herabsetzung des Blutdruckes. Die Herzaction war nicht nennenswert verändert. Bei den Sectionen ergaben sich Hyperämien, Blutungen und hämor- rhagische Infiltrationen besonders im Darme. Wahrscheinlich bewirkt das Aristolochin eine Gefäss- dilatation im Darmgebiete, welche die allmählich bis zum tödtlichen Grade fortschreitende Blutdrucksenkung, sowie die starke hämorrhagische Infarcirung der Darmschleimhaut zur Folge hat. Das Aristolochin ist nach Pohl eins der heftigsten bisher bekannten Nierengifte. Aehnlich dem Aristolochin, doch weit schwächer, wirkt das Aloin^), Man benutzte übrigens die Aristolochien besonders wegen ihrer diaphoretischen und diuretischen Eigenschaften ausser gegen Schlangenbiss auch gegen zahllose andere Krankheiten. Von sonstigen zur Familie der Aristolochiaceen gehörigen Pflanzen werden noch folgende gegen Schlangenbiss empfohlen: Bragantia Wallichii R. Br. (Apamia siliquosa Lamarck, malaiisch Alpam, Alpama und Pahiora). Der Saft der Blätter wird mit Acorus calamus in Indien als Antidot gegen Schlangengift äusserlich gebraucht, ebenso die zerriebene Wurzel mit Limonensaft als Schnupfmittel gegen Cobra-Biss. Die Wurzel wird auch innerlich in Milch gegeben und als Kataplasma aufgelegt. Nach einem malabarischen Sprichwort verlässt das Gift den Körper; sobald „alpam" in ihn eintritt. ^) Murset, Arcli. f. esperim. Pathol. u. Pharmacol. XIX. S. 310. - 151 — In Nordamerika benutzt man Asarum virginicum L. und A. canadenseL., auch canadische Serpentaria genannt und mit Aristolochia Serpentaria zusammen gegeben. Die Wurzel dieser Pflanze wirkt brechenerregend und purgirend und regt vielleicht, wie die von Asarum europaeum L., die Gefässthätigkeit an. (Asarum europaeum enthält den Haselwurzcampher Asarin.) Piperaceae. Piper nigrum L., P. reticulatum L. (Jaborandi in Brasilien), P. procumbens Desc. (?), P. n o d u 1 o s u m Link, P. unguiculatura R. P. (Nhandi, Nhandu, Pimenta dos Indios) werden in Amerika, besonders in Brasilien, viel bei Schlangenbiss angewandt. Der schwarze Pfeffer wurde auch in Europa früher häufig zu demselben Zwecke empfohlen, so schon von Celsus ^). Man gebraucht den Pfeffer in Amerika theils innerlich, theils legt man die zerquetschten Wurzeln auf die Bisswunde. Die Wurzel von P. reticulatum soll ein kräftiges Sialagogum sein^), P. nodulosum und P. unguiculatura dagegen diuretisch wirken^). Von P. pro- cumbens gilt der Stengel auf Martinique als ein sicheres Heilmittel ^). Lauraceae. Laurus nobilis L. Man machte bei Schlangenbiss Umschläge mit den Blättern und der Rinde des Lorbeer- baumes und trank die Beeren in Wein ^). Avicenna empfiehlt auch das Lorbeeröl. ') Celsus, De medicina, V. Cap. 27. ^) Spix u. V. MartiuB, Reise in Brasilien. I, 8.279 W. *) V. Martins, Syst. mat. med. Brasil, p. 99. *) L a n e s 8 a n 1. c. p. 43;J. *) PliniuB, Hist. nat. XXIII. 80. — 152 — Auch das von L. officinalis L. (Sassafras offici- narum Nees) stammende Sassafrasöl gilt als Gegenmittel, besonders gegen den Biss von Trigonocephalus. Cinnamomum zeylanicum Nees und andere Zimmt- arten wurden ebenfalls früher angewandt ^). Loranthaceae. Von Loranthus americanus Jacq. gilt der Saft der Rinde und der Früchte auf Martinique als Antidot ^). Euphorhiaceae. Euphorbia officinarumL. Plinius^) empfiehlt den Saft der Euphorbia als ein ausgezeichnetes Gegengift gegen Schlangenbiss und räth, auf dem Scheitel des Kopfes einen Einschnitt zu machen und dort das Mittel einzuführen, ebenso Dioscorides. E. neriifolia L. (E. Ligularia Roxb.), Schadida- calli, Katak-kalli, Daun-susu-sudu (Mal.), Shadray- kullie (Tam.), Manasä-sij, Munsa-sij (Beng.) ist der indischen Schlangengottheit Manasä (Munsa) geweiht. Die Eingeborenen von Indien gebrauchen die Wurzel mit schwarzem Pfeffer innerlich und äusserlich. An jedem Dienstag und Donnerstag der Monate Juli und August bringen sie den Baum zugleich mit Gaben von Reis, Milch und Zucker der Gottheit dar und beten zu ihr um Befreiung von den Schlangen- bissen *). E. Antiquorum L., Elak-kalli (Mal.), Ilaik-kalli (Tam.), Sehund, Thokar (Hind.) wird in Vorderindien in derselben Weise angewandt wie die vorige ^). E. thymifolia L., Sittra palädi (Tam,), Chhoti dudhi, Nigächüni (Hind.). Der ausgepresste Saft oder ^) C e 1 s u s 1. c. ^) L an es s an 1. c. p. 462. ^) Plinius, Hist. nat. XXV. 38. ^) Madras Quart. Journ. III. 1861. — Drury 1. c. p. 205. ^) Pharmacographia indica, V. 253. — 153 — die gepulverte Pflanze wird in Indien mit Wein innerlich ge- nommen und auch äusserlich auf den gebissenen Theil appli- cirt. Das ätherische Extract der Pflanze enthält ein Alkaloid. E. Guyoniana Boiss. et Reut, wird in Algier gegen Schlangenbiss benutzt. Tissaire ') empfiehlt den frischen Milchsaft der Pflanze zu 8 — 10 Tropfen in Wasser zu nehmen, nach einer Stunde nochmals 5 Tropfen und nach 2 — 3 Stunden weitere 5 Tropfen zu nehmen ; in den Zwischenräumen ver- ordnet er Stinmlantien und Diaphoretica mit etwas Ammo- niumacetat, eventuell noch zwei weitere Dosen von 5 Tropfen in Pausen von 3^2 bis 4 Stunden. Wenn keine frischen Pflanzen da sind, so soll man ein Decoct der trockenen anwenden. E. pilulifera L. (E. hirta L., E. capitata Lam.) ist auf Martinique und anderen Antillen als Malnommee bekannt. Die auf die Wunde gelegte gekaute Pflanze soll den Schmerz lindern, das Gift neutralisiren und die Bisswunde heilen. Etwas von der gepulverten Pflanze innerlich genommen soll das Herz stärken und die durch das Schlangengift ver- loren gegangenen Kräfte wieder herstellen. Auch in Brasilien wird die Pflanze bei Schlangenbiss angewandt ^). E. prostrata Ait. wird in Nordamerika gegen Schlangen- biss gebraucht. Der Milchsaft der Euphorbien wirkt äusserlich angewandt als Reizmittel, innerlich genommen aber als Catharticum. Croton oblongifolius Roxb., Arjuna (Hind.), Kote, Putol (Mal.) in Indien. Die Pflanze enthält einen alkaloidi- .schen Stoff ^). C. Tiglium L., Jumalghota (Hind.), Cadel-avanacu, Neervaula, Pantjahar (Mal.), Nervalum (Tarn.), Adal- Adal (Javan.), wird ebenfalls in Indien benutzt. Man legt ein Pulver der jretrockneten Blätter auf die Bisswunde'). '; Annuaire de thi-rapeutique. 1859. p. 263. — Tissaire, Etudes -iir la vipere cornu»; (bicome) de TAlgerie du Sud. Alger 1858- ^) Kufz, Enqurjte. — Bisachop Grevelink 1. c. p. 426. ') Pharmacographia indica. V. 286. *} Kh<;ede, Hort. Malabar. II. 62. — 154 — Croton Tiglium ist auch ein Bestandtheil der Tanjore-Pillen. Der wirksame Bestandtheil der Pflanze ist das Crotonöl, welches äusserlich hautreizend, innerlich dagegen stark drastisch wirkt. C. antisyphiliticus Mart. (Erva mular, Curra- leira, Pe de perdis, Alcanfora). Die Blätter werden in Brasilien theils äusserlich als Foment auf die Bissstelle applicirt, theils in Form eines Infuses innerlich gegeben. Die Wirkung soll eine diaphoretische, diuretische und exciti- rende sein ^). Antidesma Alexiteria L. und A. Bunius Spr., Amtee (Hind.), Nolei-tal# (Tam.), Nuli-tali (Mal.), Hoenie (Jav.) werden in Indien und auf Java gegen Schlangenbiss gebraucht und wirken dia- phoretisch ^). Rottlera tinctoria Roxb. (Mallotus philippinensis Müll.), Kamal (Hind.), Capilapodi (Tarn.), Ponnagam (Mal.). Blätter und Früchte werden in Indien angewendet ^). Der wirksame StofP ist wahrscheinlich das Rottlerin. Jatropha opifera Mart. (Adenoropium opiferum) in Brasilien (Herva de lagarto)^). Urticaceae. Schon Plinius erwähnt eine Urtica, deren Samen die von einer Schlange Gebissenen mit Schildkrötenbrühe trinken sollen ^), und noch jetzt soll von den nordamerikanischen In- dianern eine "Nessel bei Schlangenbiss angewandt werden ^)^ Die Nesselarten enthalten in ihren Drüsenhaaren vielleicht 1) V. Martius 1. c. p. 85. ^) Madras Quart. Journ. IV. p. 12. — BisschopGrevelink 1. c. p. 427. ^) Rheecle, Hort. Malabar. V. 42. ^) L eop. J. Weiss, Beiträge zur Kenntniss der südbrasilianisclien Provinz Paranä. Curityba 1886. S. 21. ^) Plinius, Hist. nat. XXII. 15. ^) Germer 1. c. — 155 — neben nocli anderen wirksamen Stoffen freie Ameisensäure, welche die hautröthende Wirkung dieser Pflanzen verursacht. Auch Ficus Sycomorus L. (Blätter), Morus alba L. und M. nigra L. (Saft) wurden zuweilen gegen Schlangen- biss angewandt. Dorstenia brasiliensis Lam. (Contrayerva, Caia- piä) wird in Brasilien benutzt und soll in frischem Zustande noch kräftiger wirken als die berühmte Serpentaria, ihre heilsamen Eigenschaften jedoch schneller verlieren ^). D. tubicina R. P. gilt in Chile und Peru als Mittel gegen Schlangenbiss -). D. Contrayerva L. (Mano de s'apo, Krötenhand) ist in Mexiko, Central- und Südamerika in Gebrauch. Die Cura- dores de culebras in Mexiko impfen den Saft der Pflanze zum Schutze gegen Schlangenbiss ein und geben dann dem Geimpften die Wurzel in einer starken Dosis Branntwein innerlich. Die Pflanze bewirkt Sinken der Körpertemperatur und der Pulsfrequenz, sowie Erbrechen^); ausserdem soll sie diuretisch, diaphoretisch und excitirend wirken. Wässrige Aufgüsse und Abkochungen sind unwirksam. Alkoholische oder wässrig- alkoholische lassen die excitirende Wirkung auf Herz, Gehirn und Rückenmark hervortreten. Girardina palmata Gandich., in Indien. Plantanaceae. Platanus orientalisL. wurde im Alterthum und Mittel- alter, und PI. occidentalis L. wird noch jetzt in Nordamerika von den Eingeborenen benutzt*). Die Knospen der ersteren ent- halten Asparagin und AUantoin. ') Spix u. V. MartiuH, Jteise in Braeilien. 1. S. 279 tt. 'j Popp ig, Rf-MHC in Chile und Peru. *) Jacolot, Arch. de mfid. navale. 18G7. VII. p. 390. *l Germer 1. <•. — 156 — Juglandeae. Juglans alba L. und J. nigra L. werden in Nordamerika gegen Schlangen- biss gebraucht. Cupuliferae. Quercus Robur L. und Q. sessilif'lor a Sm, Man nahm theils die Eicheln innerlich , theils legte man die in Milch abgekochte Rinde auf die Bissstelle ^). Q. nigra L. gilt in Nordamerika als Mittel gegen Schlangenbiss. Zingiberaceae. Curcuma aromatica Salisb. , Jangli-haldi, Ban- haldi (Hind.), Kashturi-manjal (Tarn.) wird in Südindien gebraucht ^). Die Wurzel hat tonische Wirkungen. Amomum Grana paradisi L. (GuianapfeflPer) und Maranta arundinacea L. werden auf Martinique mit mehreren anderen Pflanzen zusammen, wie Erythrina cira- lodendron, Aristolochia triloba und einer Anagallis, gegen den Biss der Lanzenschlange angewandt. Der Guiana- pfeffer bildet überhaupt den wesentlichsten Bestandtheil der meisten auf jener Insel von den Negern gebrauchten, in der Regel aus vielen Pflanzen und anderen Dingen zusammen- gesetzten Heilmittel gegen Schlangenbiss^). Die Maranta wird übrigens auch in Indien benutzt. Musaceae. Musa paradisiaca L. und M. sapientium L. Der Saft der Bananenwurzel wird ebenfalls auf Martinique innerlich und äusserlich angewandt *). 1) Plinius, Hist. nat. XXIV. 3. ^) Pliarmacographia indica. VI. 396. 3) Rufz, Enquete, p. 117 ff. *) Ibid. p. 166. — 157 — Irideae. Von Gladiolus segetuni Gawl. (Hyaciuthus) gab man im Alterthum den Gebissenen die Samen zusammen mit Abro- tonum ein ^). Iris florentina L. und I. germanica L. (Iris rufa) wurde mit saurem Wein getrunken ^). Von Pardanthus chinensis Ker. (Belemcanda punc- tata Mönch.) werden in Indien die Blätter bei Cobrabiss gegeben ^). AmarijlUdeae. Hypoxis erectaL. gilt in Nordamerika als Mittel gegen Schlangenbiss. Von Agave virginica Lam. legen die Mexikaner die gekaute Wurzel auf die Bissstelle und gebrauchen dieselbe zugleich innerlich *). Die Wirkung ist wahrscheinlich eine diuretische. Von A. mexicana Lam. bereitet man in Mexiko einen Branntwein („mescal"), den man dem Gebissenen bis zur Trunkenheit eingiebt, während man zugleich die Wunde mit einem Pflaster aus dem Saft der Pflanze und schwarzem Pfefi'er verbindet ^). Von Polianthus tuberosa L. (Margueritas) gebraucht man in Peru theils innerlich einen Aufguss, theils legt mau die durchschnittene Wurzel auf die Bisswunde **). Crinum asiaticum L. , Belutta pola-tali (Mal.), Veshi Moonghee (Tarn.) ist ein Bestandtheil der Tanjore- Pillen und soll emetische Eigenschaften haben. Man legt ') Plinius, Hist. nat. XXI. 97. *} Ibid. XXI. 83. ») Rheede, Hort. Malabar. XI. 74. *) Croft, Chemical New8. XLVI. p. 165. 1882. *) Naphegyi, Philad. med. a. surg. Rec. XVIII. 12. p. 249. 1868. •) Pöppig, Reise in Chile u. Peru. II. S. 230 ft". — v. Tschudi, Peru. S. 433. — 158 — auch einen Theil der gekauten Wurzel auf die Bisswunde und nimmt den anderen innerlich ^). Liliaceae. Im Alterthum waren folgende Allium- Arten beliebte Mittel gegen Schlangenbiss : Allium sativum L., der Knoblauch. Derselbe soll schon durch seinen Geruch die Schlangen vertreiben (noch jetzt bestreicht man in Indien häufig Thüren und Fenster da- mit, um die Schlangen fernzuhalten), und aufgelegt oder ge- gessen den Biss aller Thiere heilen. Granz besonders sollte er gegen die Schlange H'ämorrhois wirksam sein, wenn man den Wein, in welchem man ihn zu sich genommen hat, durch Erbrechen wieder von sich gab ^). A. Cepa L., die Zwiebel, sollte ebenso wirken und wurde ebenfalls innerlich und äusserlich bei Schlangenbiss angewandt. Russell stellte jedoch fest, dass die Schlangen keineswegs eine besondere Abneigung gegen Knoblauch und Zwiebeln zeigen. A. Porrum L., Porree. A. Schoenoprasum L., Schnittlauch, und A. carina- tum L. wurden in ähnlicher Weise gebraucht. Von Asphodelus ramosus L. benutzte man die Samen, Stengel und Knollen ^). Von Scilla maritima L. wurden die in Essig gekochten Zwiebeln aufgelegt. Anthericum graecum L. (Lloyda graeca Salisb., Phalangitis, Phalangion, Leucanthemum, Leucantha) wurde in Form von Kataplasmen und Abkochungsn angewandt; man benutzte davon die Blätter, Blüthen und Samen ^). Lilium Martagon L. (Hemerocallis) u. a. Lilienarten galten auch als Mittel gegen Schlangenbiss. ^) L an e SS an 1. c. p. 784. 2) Piinius, Hist. nat. XX. 23. ^) Ibid. XXII. 32. ^) Ibid. XXVII. 98. — 159 — Gloriosa superba L. , Kalihari, Languli (Hind.), Kalaipai-kizhangu, Caateejan (Tarn.) wird in Madras als Specificum gegen Schlaugenbiss gebraucht^). War den fand in der Wurzel einen Gerbstoff und einen dem Scillain der Meer- zwiebeln verwandten bitteren, giftigen Stoff, „Süperb in". Eine Frau, die eine Quantität der gepulverten Wurzel ein- nahm, bekam nach einer halben Stunde heftiges Erbrechen, Krämpfe, Verdrehungen des Körpers, verbunden mit furcht- baren Schmerzen, und starb nach vier Stunden, Die Section ergab Congestion im Gehirn und seinen Häuten mit Blut- extravasaten , sowie Congestionen in Lungen, Leber, Nieren und Entzündung der Magenschleimhaut. Asparagus officinalis L., der Spargel, gilt in Persien als Antidot gegen Schlangenbiss; man nennt ihn daselbst Märchubeh oder Märgiyeh, d. h. Schlangenkraut^). Der Spargel enthält als wirksamsten Bestandtheil das Asparagin. Uvularia perfoliata L., U. grandiflora Smith und V e r a t r u m luteum L. werden in Nordamerika bei Schlangenbiss benutzt; die letztere Pflanze enthält wahrschein- lich ähnliche giftige Alkaloide wie V. album und V. viride. Commelinaceae. Aneilema tuberosum Ham. Die Knollen werden von den Eingeborenen in Ostindien als Antidot gegen Schlangen- biss gebraucht ^). Palmacme. Kunthia raontana H. B. soll in Neugranada wegen ihres zuckerhaltigen Stammes gegen Schlangenbiss angewandt werden '). ') Pharmacographia indica. VI. 480 ff. *) Ibid. VI. 486. ^) Drury I. c. p. 42. *) Lenz, Schlangenkunde. — 160 — Typhaceae. Von Sparganium ramosum L. wurde im Altertlium die Wurzel gebraucht^). Aroideae. Von den im Alterthum bei Schlangenbiss benutzten Arum- Arten ist ausser Arum maculatum L,, A. italicum Mill. und A. Dioscoridis Sibth. vor Allem Arum Dracunculus L. (Dracunculus vulgaris Schott) zu erwähnen, auf dessen Bedeutung als Mittel gegen Schlangenbiss schon die alten Namen Dracontium, Dra- cunculus, Viperina hinweisen, Namen und Gebrauch der Pflanze sind wohl zurückzuführen auf die schlangenartigen Flecke ihrer Wurzel. Der Saft der letzteren hat scharfe, ätzende Eigenschaften. A. Colocasia L. (Tayove) wird in Cayenne benutzt. Caladium helleborinum Vent. in Chile und Peru. Quebitea guianensis Aubl. und Dracontium dubium Kth. in Britisch- Guyana. D. polyphyllum L. (Jiraraca) in Brasilien und auf Martinique ^). Die Pflanze wirkt stark stimulirend, die Wurzel purgirend. Arisaema Pythonium Blume (Erva de Santa Maria) in Brasilien ^). Typhonium orixense Schott, Ghekul (Hind.), und Scindapsus pertusus Sweet, in Ostindien. Der Saft der letzteren Pflanze wird mit schwarzem Pfeifer beim Biss der Daboia innerlich gegeben und mit dem Saft der Wurzeln von Croton oblongifolius und von der Frucht von Mo- mordica Charantia auch auf den gebissenen Theil gelegt^). "■] Plinius, Hist. nat. XXV. 63. ^) Lanessan 1. c. p. 486. ^) V. Martius 1. c. p. 95, 96. ^) Pharmacographia indica. VI. 544. — Madras Quart. Journ. IV. p. 12, — 161 — Cyperaceae. Von Cyperus longus L. und C. rotundus L. galt die Wurzel bei den Alten als Mittel gegen Schlangenbiss ^). Gramineae. Von Panicum railiaceum L. und von der Gerste wurden Mehlumschläge um die Bissstelle gemacht-). Ob die als Schoenus oder Juncus odoratus^) be- zeichnete Pflanze Andropogon laniger Desf. ist oder Cy- perus rotundus L. erscheint zweifelhaft. Saccharum officinarum L. Der Saft des Zucker- rohres steht bei den Eingeborenen von Amerika, besonders von Brasilien, in hohem Ansehen als Antidot gegen Schlangen- gift und wird von denselben innerlich und äusserlich ange- wandt. Grössere Gaben davon sollen purgirend wirken, wäh- rend ihm bei äusserer Anwendung eine blutstillende Wirkung zukommen soll ^). Coniferae. Taxus baccata L. war im Alterthum sehr berühmt als Mittel gegen Schlangenbiss, und der Kaiser Claudius soll sogar in einem Edicte den Saft der Eibe für das wirksamste von allen bei Schlangenbiss angewandten Heilmitteln erklärt haben ^). Sie enthält ein narkotisch wirkendes Alkaloid Taxin. Von Juniperus communis L., dem Wachholder, wird von Dioscorides der Saft gegen Schlangenbiss empfohlen. Auch sollen Räucherungen mit Wachholderlaub die Schlangen vertreiben, ein Glauben, der sich bis auf die Neuzeit erhalten hat. Die diuretisch wirkenden Beeren wurden ebenfalls ge- braucht. ') Plinius, Hiüt. nat. XXI. 70. ') Ibid. XXII. fJ2. ') ScriboniuB Largu», De compositioniliu^ iiK-dicnniPntonini. Cap. 167. *) Rufz. Kriqueto. p. 162. ' ) M e r c u r i a. 1 i « , De vcnenin. ßr<-nninK, Tfin Vergiftungen durch Schlangen. 11 — 162 — Cupressus sempervireiis L. wird auch von älteren Autoren erwähnt; ebenso das besonders aus Kiefern und Fichten gewonnene Kienöl. Henzel in Südafrika behauptet aus dem Safte der so- genannten schwarzen Edeltanne ein unfehlbares Mittel hergestellt zu haben, durch welches von 500 von giftigen Schlangen gebissenen Negern 487 vom sicheren Tode ge- rettet seien ^) . Cryptogamen. Salvinia natans All. (Lenticula) wird von Paulus Aegineta, ein Adianton (Kallitrichon, Polytrichon> und ein Agaricus (vielleicht Boletus igniarius) von P li- tt ius^) erwähnt. Osmunda virginica(?). Adianthum pedatum L. und Hypnum crista castrensis L. werden in Nordamerika gegen Schlangenbiss angewandt^). Ausser den genannten Pflanzen werden noch eine Anzahl anderer angewandt, deren wissenschaftliche Namen sich nicht haben ermitteln lassen. So gebraucht man bei Cantagallo in Brasilien eine ammoniakalische Tinctur, welche der Apotheker Peckolt aus einer von den Eingeborenen gegen Schlangen- biss benutzten unbekannten Pflanze der Urwälder bereitet und unter dem Namen „Polygonaton" in den Handel gebracht hat. Dieser Tinctur wird ein Schröpfkopf aus vulcanisirtem Kautschuk beigegeben, um ihn nach Unterbindung des Gliedes sogleich auf die durch einige Einschnitte erweiterte Wunde zu setzen. Die Tinctur wird je nach der Intensität der Er- scheinungen in kürzeren oder längeren Zwischenräumen tropfen- weise eingenommen. Dieses Mittel hat in der Umgegend von Cantagallo in mehr als 70 Fällen den ausgezeichnetsten Er- ^) Globus. Nr. 61. S. 61. 1892. 2) Plinius, Hist. nat. XXII. 30 u. XXV. 50. *) Schöpf, Reisen. — 163 — folg gehabt. Selbst wenn es sehr spät zur Anwendung kam, die Vergiftungssymptome den bedrohlichsten Charakter ange- nommen hatten, und das so gefährliche Blutbrechen eingetreten war. führte es noch einen günstigen Ausgang der Krankheit herbei. Die grösste Zahl von Schlangenbissen in dieser Ge- gend rührt von der Jararacä her ^). In Columbien. Venezuela und anderen südamerikanischen Staaten ist unter dem Namen Curarina de Juan Salas N i e t o ein allgemein beliebtes Volksmittel verbreitet, das als Specificum gegen Bisse von Giftschlangen , Skorpionen und tollen Hunden, sowie gegen Sumpf- und gelbes Fieber, gegen Durchfall und Menstruationsbeschwerden gilt. Es stellt eine bräunlichgelbe, etwas trübe Flüssigkeit dar, welche wahrschein- lich ein mit Rum hergestellter Pflanzenauszug ist. Die üb- liche Dosis ist 1 Theelöffel bis 2 EsslöfiFel'-'). um noch einige andere nur unter den einheimischen Namen bekannte Pflanzen zu erwähnen, so gebraucht man in Guatemala gegen Schlangenbiss eine Pflanze „Algalia" •^), in Mexiko äusserlich eine Abkochung der narkotisch wirkenden -mala raujer" (y tlohomakil), die für so giftig gilt, dass die Indianer nicht unter ihrem Schatten zu schlafen wagen ^), in Surinam eine „sabanaboontje" ''), in Südafrika eine -Herrenbohne", in Südamerika eine „Astrilobata" und ,Maporite chequita" ''), auf Martinique eine „Nhandiroba" (,Noix de Serpent") etc. Von unbekannten indischen Pflanzen führt Waring') eine ganze Reihe auf, nämlich: Amelpodi, B»'n-nioenja, Belutta-amelpodi, Maravara tsjembo, Kussowndje, Kokid, Uck, Naglee, Toore, Nangale Wal. Kird, Gogaree. ') V. THchutli, Keiscn durch Südamerika. III. S. löO ft". *) Pharmac. Centralhalle. N. F. XV. Nr. .",9. 27. Sept. 1884. S. .551. ') (ia/.etta de Guatemala. 29. Nov. 1799. *) Naphegyi I. c V Martin a. a. 0. •» Hancock, Arch. d. J'harni. XX^VII. \Ki\. p. tih. ') MadraH t^iiart. Journ. IV. p. 14 f. — 164 — Es ist nicht zu bezweifeln , dass von den Eingeborenen der verschiedenen, besonders tropischer Gebiete, gegen Schlangenbiss noch andere Pflanzen gebraucht werden, deren Kenntuiss sich bisher den Nachforschungen der Reisenden entzogen hat. Ein geheimes Mittel gegen Schlangenbiss will auch ein gewisser van Toi, ein Mischling, in Surinam entdeckt haben ^). Derselbe ritzt den Leuten die Haut an beiden Händen ober- halb des Gelenkes durch drei an der linken und zwei an der rechten Seite gemachte leichte Einschnitte auf, in welche er sein Pulver einreibt, das nach seiner Angabe aus zu Kohle verbrannten, nur ihm allein bekannten heilkräftigen Kräutern bestehen soll. Darauf muss der Betreffende eine kleine Menge des Pulvers mit Branntwein gemengt zu sich nehmen. Diese Procedur wird jährlich wiederholt und dient zur Prophylaxe. Auch nach dem Bisse behauptet van Toi durch seine Me- thode heilen zu können. Salkowski fand in einer von Joest nach Berlin gebrachten Probe des Pulvers Eisen, Kalk, Magnesia, Kali, Spuren von Natron, Kohlensäure, Phosphor- säure und etwas Sand; giftige Metallverbindungen fehlen darin. Es ist nach diesem Befund möglich, dass das Mittel nichts weiter ist als eine durch Sand verunreinigte Kohle. Versuche an Kaninchen und Meerschweinchen, die mit dem Mittel in der vorgeschriebenen Weise behandelt waren, zeigten die Wertlosigkeit desselben gegen Schlangenbiss. Die damit geimpften Thiere starben durch den Biss der Klapperschlange und der Puffotter ebenso wie nicht geimpfte. Aehnlich mag es sich mit anderen mehr oder minder zu- sammengesetzten Heilmitteln gegen Schlangenbiss verhalten. Diese alle hier anzuführen unterlasse ich, weil die Bestand- theile zum Theil unbekannt sind. Sind sie aber bekannt, so vermag man nicht den wirksamen Antheil eines solchen Ge- misches zu bezeichnen. Von der Mannigfaltigkeit solcher Cora- positionen giebt die Mittheilung von Rufz^) eine Vorstellung, ^) W. Joest, Ueber ein angebliches Mittel gegen Schlangengift aus Surinam. Globus. Nr. 59. S. 358. 1891. Nr. 61. S. 61. 1892. ') Rufz, Enquete, p. 132. — 165 — wonach die ganze Flora der Antillen in den auf Martinique gebrauchten zusammeno-esetzten Arzneien vorkommen soll. Auch im Alterthum hatte man das Bestreben, möglichst viele Stoffe, besonders Pflanzen, zu einem Heilmittel zu ver- einigen, das dann als Üniversalmittel gegen alle möglichen Krankheiten, besonders auch gegen Vergiftungen angewandt wurde. Einen Hauptbestandtheil solcher Mittel bildeten viel- fach, wie schon oben erwähnt, Theile von Vipern. Derartige zusammengesetzte Mittel wurden auch gegen Schlangenbisse empfohlen, z. B. von Avicenna der Theriak Alfuruk, die Latwerge des Hurnius, die des Aristo machus, von Galen die Theriaca Androraachi ex viperis^), das Antidotum Zopyrium^), das Antidotum Anti- patri^) und das des Democrates ^). Galen berichtet auch, dass man absichtlich Thiere von Vipern beissen liess und ihnen dann Theriak gab, um sich von der Güte des Mittels zu überzeugen. 6. Impfung mit Schlangengift. Es bleibt noch eine Methode zu besprechen übrig, welche angesichts der günstigen Resultate, die man in der neueren Zeit mit der Einimpfung von Krankheitsgiften, z. B. bei Pocken, Hundswuth, Diphtheritis , erzielt hat, vielleicht eine grössere Zukunft hat als alle bisher besprochenen Mittel, näm- lich die Impfung mit Schlangengift zum Schutze gegen die Vergiftung durch Schlangenbiss. Zwar war schon im Alterthum, wie bereits in dem Kapitel über thierische Antidota hervorgehoben wurde, das Bestreben vorhanden, sich durch Genuss von Viperntheilen, be.sonders von Vipernköpfen, gegen Schlangenbiss zu sichern, indessen ist die bewusste Anwendung 'j Galen, \U: AntidotiH. Liber I. Cap. 6— 7. O Ibid. über II. Cap. 8. ») Ibid. Cap. 10. *} Ibid. Cap. ir,. — 1G6 — der Impfung doch erst der neueren Zeit vorbehalten gewesen. Es ist auffallend, dass wir dieses Mittel bei den Eingeborenen der verschiedensten Länder bereits zu einer Zeit in Gebrauch finden, in welcher bei uns selbst die Pockenimpfung noch völlig unbekannt war. Freilich die Art und Weise, wie diese Impfung von manchen Eingeborenen vorgenommen wird, macht es zweifelhaft, ob dieselbe immer den Geimpften den ge- wünschten Schutz gegen die schädlichen Folgen eines etwaigen Bisses verleiht — jedenfalls hegen die so Behandelten eine feste Zuversicht zu der Schutzkraft dieses Mittels , und nach den Berichten von Reisenden zu urtheilen, müsste dieselbe in der That im Allgemeinen eine ziemlich sichere sein. Ich erinnere hier noch einmal an die Schlangenbeschwörer, welche sich aller Wahrscheinlichkeit nach wenigstens in manchen Ländern theilweise durch Impfung mit Schlangengift immun gegen die Bisse der Giftschlangen gemacht haben. In Süd- amerika, besonders in Brasilien ^ ist seit alten Zeiten der Glaube weit verbreitet, dass man sich gegen Schlangenbisse schützen könne, wenn man sich den Rücken mit dem Gift- zahne einer Schlange kreuz und quer zerkratzen lasse. In ähnlicher Weise macht man in Französisch-Guyana mit dem Zahne einer Giftschlange drei ca. 3 cm lange Einschnitte auf dem Fussrücken und lässt die Wunden eine Minute lang bluten. Sodann werden dieselben mit einem schwärzlichen Pulver behandelt, das aus Leber und Galle des Thieres be- steht, welche an der Sonne getrocknet und mit den Gift- drüsen zusammen zerrieben sind; das Blut hört danach auf zu rinnen. Der Indianer, der die Operation vornimmt, kaut darauf Baumblätter mit diesem Pulver und bringt soviel Speichel, wie er produciren kann, auf die Wunde. Damit ist die Impfung beendet. Die dadurch angeblich erlangte Im- munität soll nach dem Glauben der Eingeborenen sogar in mehreren Generationen erblich sein. Ein französischer Reisen- der, welcher einer solchen Impfung beizuwohnen Gelegenheit hatte , Hess dieselbe auch an sich selbst vollziehen und be- hauptet, seitdem 7 Mal von verschiedenen, theilweise sehr — 167 — gefährlichen Giftschlangen gebissen worden zu sein, ohne auch nur einen FieberanfaU davongetragen zu haben ^). Da bei der beschriebenen Operation mit der zerriebenen Giftdrüse unzweifelhaft auch etwas von dem darin enthaltenen Gifte in das Blut gelangen kann, so scheint es sich hier in der That um eine wirkliche Impfung mit Schlangengift zu handeln. An dem zum Ritzen der Haut gebrauchten Gift- zahne dürfte sich wohl in den meisten Fällen kein Gift mehr betindeii, es sei denn, dass er einer frisch getödteten Schlange entnommen und nicht schon früher zur Impfung benutzt wurde. Recht interessant ist auch das in manchen Gegenden Mexikos geübte Verfahren, Menschen gegen Schlangenbiss immun zu machen -). Hier spielen aber wieder durch aber- gläubische Vorstellungen beeinflusste äusserliche Formalitäten eine Hauptrolle. Zunächst darf die Impfung nur an einem Freitage vorgenommen werden. Vor derselben muss der Be- treffende zur Vorbereitung 5 — 15 Knollen von der „Mano de sapo" genannten Pflanze (Dorstenia Contrayerva L.) essen, und zwar nur in ungerader Zahl (also 5, 7, 9 . . . 15), je nach der Toleranz des Individuums. Am besten sollen die Pflanzen sein, welche am ersten Freitag des Monates März gepflückt sind. Auch im getrockneten Zustande sind sie noch geeignet zur Vorbereitung der Impfung. Die physiologische Wirkung der Pflanze besteht darin, dass die Circulation des Blutes etwas verlangsamt wird, und ein Kältegefühl, oft auch Uebelkeit und Erbrechen eintritt. Gegen letzteres muss man nach Möglichkeit ankämpfen, denn wenn die genossenen Wurzeln wieder ausgebrochen werden, soll es gefährlich sein, sich der Impfung zu unterwerfen. Zur Impfung selbst, die noch an demselben Tage von einem ,Curador de culebras" vorgenommen wird, wird ein grosser Giftzahn von den giftigsten Schlangen benutzt. Diese müssen an einem Freitag getödtet sein, und die Zähne noch ') Archives d'anthropologie criminelle. Janv. 1892. ') Jacolot, Arch. de nn^d. navale. 1867. p. 390. — 168 — an demselben Tage herausgenommen sein. Ein und derselbe Zahn kann mehrere Jahre lang zu Impfungen dienen. Zu- nächst wird mit dem Zahne auf dem linken Fussrücken die Haut in Form eines Viereckes geritzt, so dass es etwas blutet; man muss sich dabei hüten, eine Vene zu verletzen. Sodann kommen das rechte Handgelenk^ der rechte Fussrücken, das linke Handgelenk, der linke Schenkel, der rechte Arm, der rechte Schenkel, der linke Arm, die Mitte des Brustbeins, der Nacken, die Stirn an die Reihe, so dass im Ganzen elf In- oculationen gemacht werden ; den Schluss bildet endlich eine sinnbildliche Incision auf der Zunge. Vor der Impfung muss der Betreffende viel Branntwein trinken, während derselben darf er weder rauchen noch Tabak kauen, weil das Gift sonst durch den Speichel entwischen könnte. Mindestens sieben solcher Impfungen sind nöthig, um einen Menschen sicher gegen Schlangenbiss zu schützen und ihm die Fähigkeit zu verleihen, Bisswunden auszusaugen ; denn nur Geimpfte sollen im Stande sein, dies ohne Gefahr zu thun. In jedem Falle aber soll der Aussaugende seinen Mund mit Tabak gefüllt haben, da sonst die Zähne ausfallen und sogar der Tod eintreten kann. Der Gebissene dagegen soll nach dem Aussaugen Knollen von der „Mano de sapo" essen und auch davon Cataplasmen machen. Manche lassen sich bis 15 Mal impfen (stets ist auch hier eine ungerade Zahl vor- geschrieben), sollen dann aber so von Schlangengift gesättigt sein, dass sie zuweilen wahnsinnig werden. In der Regel sind sonst während der Impfzeit nur unerhebliche Störungen, wie Kopfschmerz, geringe Erregung etc. vorhanden, aber bei Voll- mond soll die Geimpften eine furchtbare Wuth ergreifen, der Speichel soll ihnen in Strömen aus dem Munde fliessen, sie sollen das Bedürfniss haben zu beissen, und, um nicht Menschen zu beissen, in die Wälder fliehen und in die Bäume beissen, virelche in Folge dessen absterben. Der Biss eines solchen Geimpften soU für Menschen eben so gefährlich sein wie der Biss einer Giftschlange. Dass in diesem Berichte über die Wirkung der Impfung — 169 — etwas Wahrheit mit viel Aberglauben, Mysticismus und Ueber- treibungen verbrämt ist, wird ohne Weiteres klar. Wenn man bedenkt, dass ein Giftzahn mehrere Jahre lang zu den Impfungen gebraucht wird, während welcher Zeit sicher jede Spur von Gift von seiner die Haut verletzenden Spitze ver- schwunden sein müsste, so ist es doch sehr fraglich, ob man diesem ganzen Verfahren überhaupt noch einen Werth zu- schreiben darf und es nicht vielmehr als eine bewusste Täuschung von Impfenden und eine Suggestivtäuschung der Geimpften bezeichnen soll. In Afrika tragen die Eingeborenen von Namaqua, Damara, Kalahari, sowie die Buschmänner stets getrocknete Giftdrüsen bei sich, machen, falls sie gebissen sind, an der betreffenden Stelle kleine Einschnitte und legen Stückchen des getrockneten Inhaltes der Drüsen hinein. Zuvor legen sie eine Ligatur um das gebissene Glied und saugen die Wunde aus. Auch suchen sie die Schlange zu tödten, schneiden die Giftdrüse heraus und trinken den Inhalt derselben aus. Manche verwenden übrigens statt der getrockneten Giftdrüse in derselben Weise den getrockneten Körper einer giftigen Eidechse „t'nobo". Bolton, der sich zwei Jahre lang in jenen Gegenden auf- hielt, will sich durch wiederholte Beobachtungen an den Ein- wohnern und an europäischen Reisenden von der vollkommen .sicheren Wirkung dieser Heilmethode überzeugt haben. So sah er z. B. einen Eingeborenen, der „Gifttrinker" und Schlangenfänger war, seine Hand in einen Behälter mit giftigen Schlangen stecken und, trotzdem er ernstlich gebissen wurde, doch völlig gesund bleiben. Die einzige Folge des Bisses soll eine leichte örtliche Entzündung sein ^). Es handelt sich also hier um eine wirkliche Inoculation des Schlangengiftes, die aber im Gegensatze zu den bisher mitgetheilten Beobachtungen nicht als Präventivraittel vor dem Bisse , sondern erst nach geschehenem Bisse angewandt wird. Zu der bereits durch diesen in den Körper hinein- *) Lancet. 7. .lan. 188«. p. 92. — 170 — gelangten Giftmenge wird also auf demselben Wege noch eine neue, wenn auch nur geringe Quantität gefügt, wodurch doch die Wirkung des Giftes der landläufigen Auffassung nach eher verstärkt als abgeschwächt werden müsste. Auf welche Weise hier der angebliche Erfolg der Impfung zu erklären ist, dürfte vorläufig deductiv schwer zu ermitteln sein. Möglicherweise spielt dabei die gleichzeitige innere Anwendung des Schlangen- giftes eine Rolle. Es ist nämlich denkbar, dass bei genügender Menge von saurem Magensafte eine Modification des Giftstoffes zu Stande kommt, welche die Fähigkeit hat, die Herzthätig- keit und zugleich die Ausscheidung durch Haut und Nieren stark anzuregen; wenigstens soll dem innerlich genommenen Schlangengift eine die Herzaction sehr beschleunigende Wir- kung zukommen ^). Dieser Meinung widerspricht jedoch die Beobachtung, dass Magensaft die Wirkung des Giftes nicht zerstört, sondern bei Thieren noch um das Doppelte verstärkt ^). Vor einiger Zeit suchte man von zoologischer Seite die medicinischen Kreise Deutschlands für die innere Anwendung des Schlangengiftes gegen Schlangenbiss zu gewinnen^). Der Empfehlende hatte in Aegypten nach jedem Bisse ein paar Tropfen Schlangengift, das er stets in einem Fläschchen bei sich trug, innerlich genommen und war stets von allen schweren Erscheinungen frei geblieben. Als er einstmals bei einer De- monstration in Alexandrien von einer sehr giftigen Schlange gebissen worden war, und sich alsbald Angstgefühl, starke Schwellung der Hand und Ohnmacht eingestellt hatte, so dass ihn Alle für verloren hielten, wurden ihm ein paar Tropfen von seinem Schlangengift in Cognac eingeflösst. Schon nach kurzer Zeit folgte ein colossaler Schweissausbruch, das Bewusst- sein kehrte allmälig wieder, und nach einer Stunde konnte er sich bereits auf die Strasse begeben. Ob in diesem Falle wirklich dem Schlangengifte oder 1) Ziem, Allg. Med. Central-Zeitg. XCIV. 1886. p. 1597. 2) Gautier, Bull, de l'Acad. de med. 2. ser. X. 1881. p. 950. ') Ziem 1. c. — 171 — nicht vielmehr dem gleichzeitig verabreichten Cognac der Er- folg zuzuschreiben ist, erscheint mindestens sehr zweifelhaft. Auch in Schlesien soll ein Schuhflicker, der wegen zahl- reicher glücklicher Curen bei Kreuzotterbissen berühmt war, -r. li. lieirin. Mit 2 lithograph. Tafeln, gr. 8. 1889. geh. M. 6. — der Septischen Krankheiten. Aiif Grund experimenteller Untersuchnngen. Von Dr. A. Marniorek. 8. 1894. geh. M. 4.— Synopsis Plantarum diaphoricarum. Systematische IJebersicht der Heil-, Nutz- und Giftpflanzen aller Länder. Von Professor Dr. I>. A. Rosientlial. gr. 8. 1861—1862. geh. M. 18. 20. Lehrbuch der pathologischen Anatomie mit Berücksichtigung der allgemeinen Pathologie. Z-wei Tlieile- I. Theil: Allgemeine pathologische Anatomie mit Berücksichtigung der allgemeinen Pathologie. Von Professor Dr. R. Thoma. Mit 436 Abbildungen und 4 Tafeln, gr. 8. 1894. geh. M. 18. - ^ des Öffentlichen Gesundheitswesens. Von Dr. A. Wernich und Dr. R. Wehmer. gr. 8. 1894. geh. M. 18.— Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart. /' ^ COLUMBIA UNIVERSITY This book is due on the date indicated below, or at the expiration of a definite period after the date of borrowing, äs provided by the rules of the Library or by special ar- rangement with the Librarian in charge. DATE BORROWED DATE DUE DATE BORROWED DATE DUE ' ' *^ i '5/ \:'^-^i ' C2E(63S)M50 ^ QP235 B75 Brenning Die Vergiftungen durch schlangen AUG 1 b 1938 BINDERY ^ , LF